Die Regierung der Elternzeit: Elternwerden im Kontext von Gouvernementalität und Biopolitik 9783839449127

Mehr Kinder, mehr Arbeit, mehr Wirtschaftswachstum? Die Novellierung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes 2007 g

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German Pages 364 Year 2019

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Table of contents :
Inhalt
Danksagung
1 Elternschaft im Fokus von Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft
1.1 Von ›neuen Vätern‹ zu umkämpfter Elternschaft
1.2 Väter und Elternzeit – Zwischen Re- und Detraditionalisierung
1.3 Fragestellung und Aufbau der Arbeit
2 Elternsubjekte im Spannungsfeld von Staat und Ökonomie
Einleitung
2.1 Staat, Ökonomie und Körper im Kontext Elternzeit
2.2 Mutter, Vater, Elter – performative Subjektkategorien
2.3 Zwischenfazit
3 Method(olog)ische Konsequenzen
3.1 Eine Frage des Wissens – Geschlecht als epistemisches Ding
3.2 Elternschaft als Dispositiv im Kontext der Elternzeit
3.3 Praktische Erwägungen und Umsetzung
3.4 Zwischenfazit
4 Die Regierung der Elternzeit
4.1 Eine Frage der Darstellung
4.2 Familiale Bezüge vom zweiten Familienbericht bis hin zum Bundeserziehungsgeldgesetz
4.3 Zum Diskurs der Naturalisierung von Mutterschaft
4.4 Die Einführung des Erziehungsgeldes 1986
4.5 Zur Ökonomisierung von Elternschaft im Kontext von Humanvermögen
4.6 Eltern im Spannungsfeld ›nachhaltiger‹ Familien- und Arbeitsmarktpolitik
4.7 Die Novellierung des BEEGs als Instrument aktivierender Familien(zeit)politik
5 Fazit und Ausblick
5.1 Zusammenfassendes Fazit
5.2 Ein Ausblick
Literaturverzeichnis
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Die Regierung der Elternzeit: Elternwerden im Kontext von Gouvernementalität und Biopolitik
 9783839449127

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Benjamin Neumann Die Regierung der Elternzeit

Sozialtheorie

Für meine Eltern

Benjamin Neumann (Dr. phil.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der TU Dortmund und promovierte im Lehrgebiet »Soziologie der Geschlechterverhältnisse«. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Gender und Queer Studies, Gouvernementalität und Biopolitik, poststrukturalistischer Subjekt- und Performativitätstheorien sowie qualitativer Methodologie und Epistemologie.

Benjamin Neumann

Die Regierung der Elternzeit Elternwerden im Kontext von Gouvernementalität und Biopolitik

Dissertation an der Fakultät Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie, Technische Universität Dortmund 2019. Die vorliegende Dissertation ging aus dem Forschungsprojekt »Väter in Elternzeit. Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse zwischen Paarbeziehung und Betrieb« hervor, das zwischen 2014 und 2017 vom Mercator Research Center Ruhr gefördert wurde.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Lektorat & Korrektorat: Tanja Jentsch, 7Silben, Bottrop Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4912-3 PDF-ISBN 978-3-8394-4912-7 https://doi.org/10.14361/9783839449127 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt

Danksagung.............................................................................................7 1 1.1 1.2 1.3

Elternschaft im Fokus von Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft .................... 9 Von ›neuen Vätern‹ zu umkämpfter Elternschaft ................................................... 9 Väter und Elternzeit – Zwischen Re- und Detraditionalisierung ................................ 17 Fragestellung und Aufbau der Arbeit ..................................................................26

2 2.1

Elternsubjekte im Spannungsfeld von Staat und Ökonomie ..............................31 Staat, Ökonomie und Körper im Kontext Elternzeit ............................................... 32 2.1.1 Die Regierung der Regierung: Gouvernementalität ...................................... 32 2.1.2 Die Regierung der Bevölkerung: Körper- und Biopolitik ................................. 44 2.1.3 Die Regierung der Freiheit: Neo-/Liberalismus ............................................55 2.2 Mutter, Vater, Elter – performative Subjektkategorien............................................ 67 Dekonstruktion und Geschlecht......................................................................... 77 2.3 Zwischenfazit................................................................................................ 87 3 3.1

Method(olog)ische Konsequenzen .......................................................... 89 Eine Frage des Wissens – Geschlecht als epistemisches Ding ..................................89 Geschlecht als epistemisches Ding .................................................................... 97 3.2 Elternschaft als Dispositiv im Kontext der Elternzeit ........................................... 108 3.3 Praktische Erwägungen und Umsetzung ............................................................ 118 3.3.1 Das Forschungsprojekt Väter in Elternzeit ................................................. 119 3.3.2 Der Leitfaden als diskursiver Kristallisationspunkt ..................................... 124 3.3.3 Das Interview als Technik der Subjektivation .............................................126 3.3.4 Ergänzungen des Materials ................................................................... 136 3.3.5 Analysestrategie im Umgang mit dem Material...........................................140 3.4 Zwischenfazit............................................................................................... 142

4 Die Regierung der Elternzeit................................................................ 143 4.1 Eine Frage der Darstellung ............................................................................. 143 4.2 Familiale Bezüge vom zweiten Familienbericht bis hin zum Bundeserziehungsgeldgesetz .......................................................... 146 4.3 Zum Diskurs der Naturalisierung von Mutterschaft............................................... 181 4.4 Die Einführung des Erziehungsgeldes 1986 .........................................................195 4.5 Zur Ökonomisierung von Elternschaft im Kontext von Humanvermögen .................................................................................... 207 4.6 Eltern im Spannungsfeld ›nachhaltiger‹ Familien- und Arbeitsmarktpolitik ....................................................................241 4.7 Die Novellierung des BEEGs als Instrument aktivierender Familien(zeit)politik .................................................................... 271 5 Fazit und Ausblick ........................................................................... 309 5.1 Zusammenfassendes Fazit ............................................................................. 309 5.2 Ein Ausblick ................................................................................................. 317 Literaturverzeichnis ............................................................................... 323

Danksagung

Die vorliegende Arbeit stellt eine unwesentlich überarbeitete und aktualisierte Version meiner Dissertationsschrift dar, die ich 2018 am Institut für Soziologie der TU Dortmund eingereicht habe. Nachdem sich dieser Text so umfassend mit der Frage nach dem Werden spezifischer Subjekte und deren situierter Gewordenheit befasst, soll an dieser Stelle den vielfältigen Relationen Rechnung getragen werden, in denen das Projekt gewachsen ist. Zwar verantworte ich den Text durch meine Signatur selbst, dennoch möchte ich an dieser Stelle denjenigen danken, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre und die mich auf vielfältigste Weise bei der Umsetzung unterstützt und begleitet haben. Zuvorderst möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Michael Meuser dafür danken, dass er die Erstbetreuung meiner Doktorarbeit übernommen hat. Er hat mir stets die Freiheit gegeben, meine Forschungsfragen zu entwickeln und mich mit hilfreichen wie kritischen Rückfragen dabei unterstützt, diese weiter zu verfolgen. Seiner kontinuierlichen Zugewandtheit, Unterstützung und Diskussionsbereitschaft habe ich es zu verdanken, die Arbeit in ihren unterschiedlichen Phasen vorantreiben und erfolgreich abschließen zu können. Prof. Dr. Katja Sabisch danke ich für ihre Zweitbetreuung und die vielfältigen Hinweise und Diskussionen, die mir insbesondere in der Anfangsphase der Arbeit bei der Orientierung geholfen und es mir ermöglicht haben, interdisziplinäre Zusammenhänge herzustellen. Prof. Dr. Susanne Völker danke ich sowohl für ihre Tätigkeit als Mitglied der Prüfungskommission als auch für den sehr angenehmen wie spannenden inter- und transdisziplinären Rahmen bei GeStiK an der Universität zu Köln, der immer Raum für interessante Themen und Gespräche ermöglichte. Ich möchte auch Prof. Dr. Christine Wimbauer für den anregenden fachlichen Austausch während unserer Projekttreffen und darüber hinaus danken. Ebenso bin ich Prof. Dr. Ilse Lenz zu Dank verpflichtet. Weiterhin danke ich Prof. Dr. Ronald Hitzler für seine theoretische Aufgeschlossenheit und sein Interesse an meinen Forschungsfragen sowie für die vielen Diskussionen zwischen Phänomenologie und Dekonstruktion. Prof. Dr. Nicole Burzan danke ich für ihre interessierten und aufmerksamen Hinweise. Auch möchte ich beiden für die langjährige Organisation verschiedener Workshops an

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Die Regierung der Elternzeit

der TU Dortmund danken, der vielen neuen wie etablierten Wissenschaftler*innen die Möglichkeit bot, ihre Forschungsinteressen zu verfolgen und mit anderen zu teilen. Prof. Dr. Diana Lengersdorf danke ich für ihre stets zugewandte kollegiale Art und ihr offenes Ohr für promovierende Kolleg*innen. Die Umsetzung unseres Forschungsprojekts Väter in Elternzeit wäre ohne die Mitarbeit vieler Kolleg*innen undenkbar gewesen. Ich danke insbesondere Stefanie Aunkofer für die gute und fruchtbare Zusammenarbeit sowie die Mühe, die mit der kompetenten Organisation und Koordination der Arbeit der studentischen Hilfskräfte verbunden war. Auch danke ich ihr für die gemeinsame Realisierung vieler Paarinterviews und die unterhaltsamen Gespräche über Gott und die Welt auf unseren Reisen. Auch möchte ich besonders Bastian Capelle sowohl für seine Mitarbeit im Rahmen des Forschungsprojekts als auch für seine umfangreiche Arbeit darüber hinaus danken. Unsere Diskussionen sowie seine klugen Hinweise empfand ich immer als bereichernd und anregend. Zudem danke ich Dominik Dohmen, Maren Gottschling, Romana Jeworutzki, Sabrina König und Thomas Horstmann für ihre umfassende Unterstützung bei der Durchführung unseres Forschungsprojekts. Ohne ihr Interesse und Engagement hätte das Projekt sicher nicht in dieser Form realisiert werden können. Außerordentlicher Dank gebührt Dr. Jennifer Eickelmann, die mich stets mit Rat, Tat und unermüdlicher Zuversicht während des gesamten Entstehungsprozesses begleitet und unterstützt hat. Sie war immer eine kluge und kritische Diskussionspartnerin, deren aufmerksame Hinweise geholfen haben, so mancher Herausforderung zu begegnen. Weiterhin möchte ich meinen Kolleg*innen Nilgün Daglar-Sezer, Nicole Kirchhoff und Julia Wustmann vom Lehrgebiet Soziologie der Geschlechterverhältnisse sowie Dr. Miriam Schad, Dr. Paul Eisewicht, Dr. Silke Kohrs und Patrick Isiksacan vom Lehrstuhl Soziologie sozialer Ungleichheiten der TU Dortmund für die nette und kollegiale Zusammenarbeit über all die Jahre danken. Ebenso danke ich Prof. Dr. Kae Ishii für den sehr bereichernden Austausch während ihres Forschungsaufenthalts in Deutschland. Nicht zuletzt wäre diese Arbeit ohne die unbedingte Unterstützung meiner Familie nicht möglich gewesen. Ich danke meinen Eltern Joachim und Monika Neumann für ihre bedingungslose Unterstützung über all die Jahre sowie Madeleine, Philipp, Emily, Linus und Jannik Miekehs. Für ihre Freundschaft danke ich darüber hinaus Alexander Dumproff, Christin Scheurer, Alexander Kühner, Isabelle Sarther und Lukas Arp. Abschließender Dank gebührt auch dem Mercator Research Center Ruhr für die Förderung unseres Forschungsprojekts sowie – last, but not least – allen Paaren, die sich bereit erklärt haben, über ihre Elternzeit und Elternschaft zu sprechen.

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Elternschaft im Fokus von Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft »Wir müssen irgendwo, wo immer wir sind, beginnen, und das Denken der Spur, das sich des Spürsinns nicht entschlagen kann, hat uns bereits gezeigt, daß es unmöglich wäre, einen bestimmten Ausgangspunkt vor allen anderen zu rechtfertigen. Irgendwo, wo immer wir sind: schon in einem Text, in dem wir zu sein glauben.« (Derrida 2013 [1974]: 280f.)

1.1

Von ›neuen Vätern‹ zu umkämpfter Elternschaft

Wurde zu Beginn der 1960er Jahre noch der »Weg zur vaterlosen Gesellschaft« (Mitscherlich 1973) konstatiert, lassen diverse gesellschaftliche Entwicklungen der deutschen Nachkriegszeit, z.B. im Hinblick auf die feministische Frauenbewegung oder die Student(*inn)enbewegung, kritische Auseinandersetzungen mit den Geschehnissen und der elterlichen Verantwortung während des Zweiten Weltkrieges sichtbar werden. Die Erprobung alternativer Lebens- und Familienentwürfe lassen eine Folie entstehen, vor deren Hintergrund sowohl Entwürfe von Vaterschaft als auch Geschlechterverhältnisse prinzipiell anders denkbar werden (Walter 2002: 105; Meuser 2009d: 221; 2010). Spätestens seit den 1980er Jahren finden sich in Deutschland sichtbare Verschiebungen der Thematisierung von ›Vaterschaft‹1 . Zwar war die Subjektivität ›Va1 Die Verwendung einfacher Anführungszeichen (›, ‹) markiert eine kritische Distanzierung zu den jeweiligen Begriffen und verweist auf deren polysemischen Charakter (vgl. auch Villa 2011a: 157). Um den Lesefluss nicht zu stark zu mindern, werden diese als Marker an als relevant erachteten Stellen, jedoch nicht durchgängig eingesetzt. Die kritische Distanzierung zu vermeintlich eindeutigen Begriffen soll daher auch ohne den kontinuierlichen Einsatz erfolgen. Dort, wo in allgemeiner Form über vergeschlechtlichte Subjektivitäten gesprochen wird, wird aus Gründen der Sichtbarkeit mit dem Gendersterns (*) gearbeitet. Ziel ist dabei, sowohl Anteile von Frauen sprachlich/textlich sichtbar zu machen als auch den Text aus einer heteronormativen Veranke-

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Die Regierung der Elternzeit

ter‹ innerhalb dessen, was als ›Familie‹ gefasst wurde bzw. versucht wird zu fassen, nie eine homogene Angelegenheit, dennoch zeichnen sich während der letzten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts Verschiebungen ab, die einen sichtbaren Bruch zu früheren Diskursen um Väter, Vaterschaft bzw. deren Rolle innerhalb des familialen Kontextes darstellen.2 Die in dieser Zeit entstehende Subjektivität des ›neuen‹ oder ›aktiven‹ Vaters brachte die Wochenzeitschrift stern Mitte der 1980er Jahre unter der Überschrift »Die sanfte Revolution« breitenwirksam zum Ausdruck: »Männer sind jetzt dort zu finden, wo sie früher selten gesichtet wurden: an der Wickelkommode, am Herd beim Brei kochen und auf den Spielplätzen. Sie übernehmen diese Pflichten freiwillig, weil sie entdeckt haben, daß es nicht nur Spaß macht Vater zu werden, sondern auch Vater zu sein.« (stern 1986 zit.n. Schneider 1989: 40) Wie der Soziologe Wolfgang Walter (2002: 105) darstellt, drückt sich die neue Väterbewegung »nicht nur in Dokumenten, sondern auch in gemeinsamen Aktivitäten, Gruppen und Netzwerken« aus. »Parallel zur Männerbewegung auf der einen Seite und Bemühungen um die Neudefinition der Mutterrolle auf der anderen Seite sollte nach einem neuen Verständnis der Vaterrolle gesucht werden.« (Ebd. – vgl. auch Jurczyk/Lange 2009: 17; Matzner 2011: 223) Allerdings verweisen diese Verschiebungen nicht auf eine breite Basis von Vätern dieser Zeit, sondern können eher als Suchbewegungen bestimmter Väter(-Gruppen) charakterisiert werden, die sich intensiv(er) mit Fragen um Vaterschafts- und Mutterschaftspraxen, dem Verhältnis von Müttern, Vätern bzw. Eltern sowie ggf. mit Männlichkeit/Weiblichkeit befasst haben. Den gesellschaftlichen Mainstream an Vätern dieser Zeit charakterisiert Ulrich Beck unter Bezugnahme auf Ergebnisse einer Brigitte Studie mit der vielzitierten »Verbalen Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre« (Beck 1986: 169; Metz-Göckel/Müller 1986: 18). Der Großteil an Vätern orientiert sich zu dieser Zeit nach wie vor an einer ›klassischen‹ Aufgabenteilung der bürgerlichen Gesellschaft, wie sie im 19. Jahrhundert entstanden ist (Metz-Göckel/Müller 1986). Diese Bezugnahme auf ›tradierte‹ Arbeitsteilungen rung zu lösen und für eine Perspektive geschlechtlich‐sexueller Vielfalt zu öffnen. Dennoch wird auch im Rahmen dieses Textes von Männern und Frauen die Rede sein, genauso wie der Text durch eine spezifische Grammatik erzwungen wurde. »Wir verfügen über keine Sprache – über keine Syntax und keine Lexik –, die nicht an dieser Geschichte beteiligt wäre. Wir können keinen einzigen destruktiven Satz bilden, der nicht schon der Form, der Logik, den impliziten Erfordernissen dessen sich gefügt hätte, was er gerade in Frage stellen wollte.« (Derrida 1976a: 425) Durch den Fokus auf Sichtbarmachungen und einem sprachsensiblen Umgang wird jedoch der Versuch unternommen, dieser Problematik gerecht zu werden. 2 Womit nicht gesagt ist, dass ›Familie‹ zu einem gegebenen Zeitpunkt je eindeutig gewesen wäre. Siehe für Bezüge auf Familie als Herstellungsleistung z.B. Karin Jurczyk, Andreas Lange und Barbara Thiessen (2014), Pierre Bourdieu (1996). In Bezug auf Konzeptualisierungen von ver- und entgeschlechtlichten Affektkulturen z.B. Andreas Reckwitz (2008b: 177ff.; 2012) oder zu historischen Aufarbeitungen von ›Vaterschaft‹ u.a. Yvonne Knibiehler (1996), Barbara Drinck (2005), Dieter Thomä (2008; 2010), Heinz Walter (2002), Wolfgang Walter (2002).

1 Elternschaft im Fokus von Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft

in Haus- und Sorgearbeit spiegelt sich auch in der Inanspruchnahme des ab dem 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Erziehungsgeldes wider: So bezogen zwischen 1986 und 1988 pro Jahr 1,4 Prozent aller Väter Erziehungsgeld3 (Deutscher Bundestag 1990: 6). Dennoch zeichnet sich, wie Michael Meuser (2010: 143) aus soziologischer Perspektive konstatiert, in dieser Zeit im Hinblick auf Männlichkeit (und damit auch auf Väterlichkeit bezogen) ein »Reflexivwerden von Selbstverständlichkeiten« ab, bei dem Fraglosigkeiten und traditionelle Ordnungsgewissheiten zumindest tendenziell erschüttert werden (ebd.). Auch die öffentlich‐mediale Auseinandersetzung um vermeintliche Selbstverständlichkeiten von ›Männlichkeit‹ oder ›Vaterschaft‹ dieser Zeit kann als Indikator für besagte Verschiebungen gelesen werden. Dabei geht es weniger um die Rhetorik innerhalb der Diskurse um Männlichkeit oder Vaterschaft, sondern mehr um die (zumindest potenzielle) Öffnung der scheinbar geschlossenen Subjektivitäten Mutter/Vater, die im Rahmen dieser anderen elterlichen Praxen möglich werden. Zwar lässt sich über diverse historische Arbeiten der Vaterschafts- und Männlichkeitsforschung nachzeichnen, dass es nie ›den Vater‹ bzw. ›die‹ Männlichkeit als ontologische Essenz gab (z.B. Griswold 1993; Knibiehler 1996; Reckwitz 2008b; Thomä 2008; 2010; Matzner 2011; Reckwitz 2012), dennoch verweist die in den 1970er und 1980er Jahren zunehmend breitere öffentliche, aber auch sozial- sowie kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Subjektivitäten von Vaterschaft und Männlichkeit darauf, dass sich diese zumindest in Teilen auch breitenwirksam(er) öffnen. Wie Meuser anhand der Analyse verschiedener Publikationen der sogenannten »Männerverständigungsliteratur«, die sich seit Ende der 1970er Jahre auf dem Buchmarkt etablieren konnte und in der Männer »für sich und über sich, als Betroffene zu Betroffenen« (2010: 141f.) sprechen, illustriert, lässt sich auch im Hinblick auf Fragen zu Männlichkeit eine Öffnung feststellen. Selbst – oder gerade – dort, wo bestimmte Argumentationen daran interessiert sind, tradierte Formen von Männlichkeit (wieder) zu stärken, werden besagte Brüche bzw. Öffnungen sichtbar: »Wenn Männer [und auch Frauen! – Anm. B.N.], die an traditionellen Mustern von Männlichkeit festhalten bzw. die diese revitalisieren wollen, Bücher schreiben und die Medienöffentlichkeit suchen, um ihre Thesen ›unters Volk zu bringen‹, dann zeigt dies, daß die Basis traditioneller Männlichkeit brüchig zu werden beginnt bzw. daß es keine allgemeingültige Definition von Mannsein mehr gibt.« (Meuser 2010: 143f.)4 3 Das Erziehungsgeld war eine staatliche Ausgleichzahlung für zwischen dem 01.01.1986 und dem 31.12.2006 geborene Kinder, welche derjenige Elternteil erhielt, der vorwiegend die Sorge und Erziehung übernahm (siehe hierzu ausführlich Kapitel 4, Abschnitt 4.4). 4 Sämtliche Auszeichnungen und Hervorhebungen in den aufgeführten Zitaten wurden, soweit nicht anders kenntlich gemacht, bereits innerhalb des jeweiligen Originals verwendet.

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Die Regierung der Elternzeit

Besagte Öffnung wird auch in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen dieser Zeit sichtbar. So entsteht bspw. Raewyn Connells Konzept »hegemonialer Männlichkeit« mitsamt der Ausdifferenzierung verschiedener Formen von ›Männlichkeit‹.5 Allerdings werden mit Verschiebungen von Männlichkeit und Vaterschaft nicht nur diese Subjektivitäten fragil, sondern über die Relationalität – und in der Moderne erdachten Komplementarität – auch Weiblichkeit und Mutterschaft diskursiv geöffnet. Zur Disposition steht hierbei nicht lediglich die definitorische Re-/Konfiguration bestimmter Begriffe, d.h., was Männlichkeit/Weiblichkeit, Mütterlichkeit/Väterlichkeit etc. in Zukunft bedeuten soll, sondern grundsätzlich(er) der normative Rahmen von Elternschaft und Familie, in dem diese Begriffe zirkulieren. Die Philosophin Judith Butler formuliert aus einer dekonstruktiven Perspektive, die auch der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt: »Begriffe wie ›maskulin‹ und ›feminin‹ sind bekanntermaßen austauschbar; jeder der Begriffe hat seine Sozialgeschichte; abhängig davon, wer sich wen vorstellt und zu welchem Zweck, wandeln sich die Bedeutungen dieser Begriffe radikal.« (Butler 2012b: 23)6 Eine solche Perspektivierung wirft Fragen nach den Modalitäten ihrer Produktion und Reproduktion auf, da diese nicht als ›natürlich‹ gegebene geschlechtliche Wahrheiten erscheinen, sondern als diskursiver Effekt einer produktiven Form von Macht (siehe Kapitel 2 und 3). Die diskursive Öffnung fordert damit sowohl Wissensordnungen und damit verbundene Praxen von Mütterlichkeit und Weiblichkeit gleichermaßen heraus wie zu Väterlichkeit und Männlichkeit (Neumann 2015: 140). Das Interesse an familialen Verschiebungen, rund um das Phänomen ›neuer‹ oder ›aktiver‹ Väter, bekam mit der Jahrtausendwende innerhalb des deutschsprachigen sozialwissenschaftlichen und soziologischen Kontextes einen erneuten Aufschwung. Fragten Angelika Tölke und Karsten Hank (2005) noch im Titel 5 Siehe hierzu z.B. Tim Carrigan, Bob Connell und John Lee (1985); Robert William Connell (1987; 2015). Zwar folgt diese Arbeit Connells Auffassung männlicher Macht nicht, sondern orientiert sich maßgeblich an einem Machtverständnis, wie es Michel Foucault beschrieben hat, dennoch erscheint das Konzept »Hegemonialer Männlichkeit« als eine der bedeutendsten und vielzitiertesten Folien der letzten 40 Jahre, wenn über ›Männer‹ und ›Männlichkeit(en)‹ nachgedacht wurde – und wird (z.B. Meuser 2001; Böhnisch 2003; Hearn 2004; Connell/Messerschmidt 2005; Dinges 2005; Meuser/Scholz 2005; Beasley 2008; Elias/Beasley 2009; Meuser 2009d; 2009b; 2010; Spindler 2011; Hearn et al. 2012; Meuser 2012a; Sikeweyiya et al. 2015). 6 Damit wird jedoch nicht behauptet, dass die geführten Auseinandersetzungen über Männlichkeit/Weiblichkeit, Mutterschaft/Vaterschaft etc. hinsichtlich ihrer Ent-Essentialisierung innerhalb dieser Zeit in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert wurden. Die Darstellung soll vielmehr besagte Öffnung mitsamt ihrer möglichen Perspektivverschiebungen hervorheben. Auch innerhalb des wissenschaftlichen Kontextes gab (und gibt!) es nach wie vor Auseinandersetzungen um die Frage nach geschlechtlichen Differenzen, Differenzierungen und Essentialisierungen. Siehe hierzu z.B. die teils heftigen Reaktionen auf Judith Butlers Das Unbehagen der Geschlechter (2012a) zu Beginn der 1990er Jahre oder den Sammelband Der Streit um Differenz, Herausgegeben von Seyla Benhabib, Judith Butler, Drucilla Cornell und Nancy Frazer (1993).

1 Elternschaft im Fokus von Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft

des von ihnen herausgegebenen Sammelbandes, ob Männer »das ›vernachlässigte‹ Geschlecht in der Familienforschung« seien, differenzierte sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein sichtbar eigenes Forschungsfeld rund um die Themen ›neuer‹ Vaterschaft, Männlichkeit(en), Familie oder zur Aufteilung von Haus- und Sorgearbeiten aus (z.B. Bereswill/Scheiwe/Wolde 2006; Werneck/Beham/Palz 2006; Mühling/Rost 2007; Baur/Luedtke 2008; Walter 2008b; Bereswill/Meuser/Scholz 2009; Jurczyk/Lange 2009; Oechsle/Müller/Hess 2012; Walter/Eickhorst 2012; ZerleElsäßer/Li 2017). Einige Studien zu ›involvierter Vaterschaft‹ oder Herausforderungen egalitärer Partnerschaften verweisen auf das mögliche Konfliktpotenzial, welches sich durch eine stärkere Involvierung von Vätern in den familialen Binnenraum ergeben kann (z.B. Meuser 2009d, Bürgisser 2008; Behnke 2012). Diese Konfliktpotenziale betreffen häufig hierarchisierte Subjektpositionen zwischen den Eltern, die sich häufig in einer primären Sorgeverantwortung der Mütter und einer sekundären Position der Väter innerhalb des familialen Binnenraums ausdrückt. Wobei dieses Konfliktpotenzial nicht auf heterosexuelle Paarbeziehungen zu beschränken ist. Auch im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Partner- oder Elternschaft kann sich ein solches Potenzial ergeben, wenn Personen innerhalb der jeweiligen familialen Figurationen bestimmte Bereiche oder Aspekte als den eigenen verteidigen. Dies kann sowohl eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft im Hinblick auf die Differenz leiblicher und sozialer Elternschaft betreffen als auch gleichgeschlechtliche Elternschaft, bei der mehr als zwei Personen in den familialen bzw. elterlichen Kontext eingebunden sind. Bedeutsam scheint, dass sich beschleunigt seit den 1980er Jahren vielfältige Verschiebungen abzeichnen, die die Frage nach den Konstitutionsprozessen von Elternschaft in einer grundsätzlich anderen Form aufwerfen: So werden auch Forderungen nach Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen, wie sie 2001 durch das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) bzw. der im Jahr 2017 vom Deutschen Bundestag beschlossenen »Ehe für Alle« auf gesellschaftlicher Ebene in Bezug auf Elternschaft und Familie abzeichnen, relevant. Auch dem Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz (BEEG) kommt seit seiner Novellierung im Jahr 2007 in diesem Zusammenhang eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, die nachfolgend noch ausführlich besprochen wird. Die bisher skizzierten Entwicklungen tangieren Fragen nach dem Werden von Eltern in dieser Hinsicht dann auch in sehr grundsätzlicher Weise. Die Abstraktion zu Elternschaft, die den Blick auf Mutter- und Vaterschaft verschiebt, bedeutet nicht, dass diese Begriffe keine Rolle (mehr) spielen. Jedoch verweist dieser veränderte Fokus darauf, dass die vergeschlechtlichte und vergeschlechtlichende Spaltung in zwei Geschlechter ein möglicher Modus der Konstitution von Elternschaft sein kann, aber – wie im Rahmen der vorliegenden Arbeit noch zu diskutieren sein wird – kein zwingender bzw. nicht der einzige sein muss. Dabei geht es weder um eine Auflösung jener ›Gegensätze‹, wie dies im

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Die Regierung der Elternzeit

hegelschen Sinne der Fall wäre (Wartenpfuhl 1996: 198), noch darum, in normativer Weise Vorgaben über Lebensweisen von Eltern und deren Praxis zu einem allgemeingültigen Anspruch zu erheben. Das Nachdenken über Ent-/Hierarchisierungen von Elternschaft, die z.B. im Rahmen von Haus- und Sorgetätigkeiten nach wie vor vorhanden sind (Wengler/Trappe/Schmitt 2008: 92; Schulz 2010: 175; Meuser 2012b: 72) und an die ein bestimmtes Werden als Subjekt geknüpft ist, verfolgt das Ziel, die Produktivität bestimmter Diskurse und Regierungstechniken herauszuarbeiten. So wird noch zu zeigen sein, wie die Zuschreibung, nicht selten auch die Beanspruchung, der primären Sorgeverantwortung an und durch Mütter z.B. durch biologistische Diskurse konstituiert wird, aber auch in politische, demographische und wissenschaftliche Diskurse eingelassen ist. Dies wirft auch die Frage auf, ob und inwieweit, entsprechende Prozesse verschiebbar sein können, so dass daraus eine solche Hierarchisierung nicht in der gleichen Weise wiederholt werden muss. Diesbezüglich scheint der Begriffsvorschlag Elter von Karl Lenz (2013: 112; auch Vaskovics 2009) gewinnbringend. Im Unterschied zum englischsprachigen ›Parent‹ lässt sich im Deutschen das Singular von Eltern in unserem heutigen Sprachgebrauch kaum geschlechtsindifferent bilden, so dass auf die Begriffe Mutter oder Vater zurückgegriffen werden muss.7 Dies führt jedoch zum einen das Problem mit sich, dass sich mehr oder weniger auf geschlechtlich vereindeutigte Personen bezogen werden muss bzw. zum anderen – in Bezug auf den Begriff Elternteil – auf die plurale Anlage von Elternschaft verwiesen wird, obwohl es durchaus auch Familienformen gibt, in denen nur ein Elter als sorgeverantwortliche Person ihrer*seiner Sorgeverantwortung nachkommt (Ein-Elter-Familien). Der Begriff Elter erweitert damit nicht nur entsprechende Möglichkeiten des sprachlichen Bezugs, sondern bietet gleichzeitig die Möglichkeit der Adressierung von Elternpersonen, die sich geschlechtlich nicht vereindeutigen können oder wollen. Dadurch erweitert sich der Möglichkeitsraum der Reflexion über Elternschaft, Geschlecht und Familie. Die Auseinandersetzung mit den Entstehungsbedingungen bestimmter Subjektivitäten verschiebt in diesem Sinne die Grundlage auf der über diese Subjektivitäten nachgedacht werden kann und lässt andere Bezüge möglich werden, die vorher als solche nicht sichtbar waren.8 7 Ich lese diese ›Untrennbarkeit‹ von Eltern in ihrer Pluralform als Spur (vgl. zum Begriff der Spur – im Sinne Derridas – Kapitel 2) der bürgerlichen Gesellschaft im Anschluss an die Darstellung von Karl Lenz: »Eine über den bürgerlichen Familienbegriff transportierte Vorstellung der Eltern als Einheit von zwei Personen scheint zu dieser Verengung [des Elternbegriffs – Anm. B.N.] geführt bzw. diese begünstigt zu haben.« (Lenz 2013: 112) 8 Dennoch wird im Rahmen dieser Arbeit nicht kontinuierlich mit dem Begriff Elter gearbeitet, da die konkrete Umsetzung des Textes erhebliche grammatikalische Herausforderungen produzierte. Insofern wird sich im weiteren Verlauf auf Mütter und Väter bezogen, wenn diese konkret gemeint sind, ansonsten der Begriff Elternperson verwendet. Trotzdem erscheinen diese sprachsensiblen Bezüge für verschiebende Bezugnahmen auf Elter(n)schaft als zukünftige Her-

1 Elternschaft im Fokus von Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft

Entsprechende Verschiebungen können sich in der elterlichen Praxis ergeben, wenn sich bspw. eine Situation konstituiert, in der es mit dem Stillen über die Brust zu Komplikationen kommt und durch den*die Partner*in zugefüttert werden muss bzw. soll. Das Stillen über die Brust gilt sehr häufig als mehr oder weniger unumgängliche ›natürliche‹ Notwendigkeit, die erst infrage gestellt wird, wenn dies aus diversen Gründen erschwert oder verunmöglicht wird und so die vermeintliche Natürlichkeit brüchig wird. Die Situation, dass auch der*die Partner*in in die Ernährung des Babys einbezogen werden kann, ohne dass diese Ernährungsweise der kindlichen Entwicklung schaden muss, verschiebt zum einen den vormals häufig naturalisierten Vorrang zwischen ›biologischen‹ und ›sozialen‹ Eltern und eröffnet zum anderen Handlungsspielräume, die durch jene Naturalisierung verschlossen wurden (Neumann 2016a). Dies betrifft z.B. auch Adoptiveltern, die nur unter erschwerten Bedingungen über die Brust stillen könn(t)en und aufgrund dessen die Versorgung des Kindes über Ergänzungsnahrung gewährleisten.9 In jedem Fall verschiebt sich hierdurch die Grundlage des Möglichkeitsraums, in dessen Relation die Subjekte performativ entstehen. Die Frage nach den konstitutiven Prozessen von Elternschaft betrifft dabei sowohl die jeweiligen Praxen von mitsamt ihrer spezifischen Ausgestaltung im Hinblick auf Haushalts- und Sorgetätigkeiten als auch ihre Voraussetzungen, die eine bestimmte Konfiguration (z.B. in hierarchisierter Weise) hervorbringen. Diese Voraussetzungen re-/produzieren häufig besagte Modi, die eine Spaltung in Mutter/Vater sowie Mann/Frau sinnhaft wie notwendig erscheinen lassen. Viele der diskursiven Voraussetzungen schlagen sich dabei explizit wie implizit in unserer Sprache und unseren Praktiken nieder bzw. durchziehen diese, selbst wenn Gegenteiliges intendiert ist. So beschreibt der Soziologe Scott Coltrane (1996), dass sich mit dem stärkeren Einbezug von Vätern in den häuslichen- und fürsorglichen Kontext sowohl die Arbeitsteilung zwischen den Eltern egalisieren als auch die Ausgestaltung von Gender verschieben kann: »Through interaction with their children, and in concert, plenty of talk with their spouse, parents constructed images of fathers as sensitive and nurturing caregivers. The couples were ›doing gender‹ through the direct and indirect child care. […] My findings suggest that when domestic activities are shared equally, ›maternal thinking‹ develops in fathers as well as mothers, and the social meaning of gender begins to change.« (Coltrane 1996: 83) ausforderung und sollen an dieser Stelle nicht unterschlagen werden, sensibilisieren sie doch für andere, mögliche Bezüge auf Elter(n)schaft und Familie. 9 Auch Adoptiveltern werden Möglichkeiten in Aussicht gestellt, ihr Adoptivkind über die Brust zu stillen. Entsprechendes wird unter den Stichwörtern Relaktation sowie induzierte Laktation verhandelt. Ohne das Thema an dieser Stelle vertiefen zu können, wird deutlich, wie wirkmächtig der Diskurs um das Stillen über die Mutterbrust ist.

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Die Regierung der Elternzeit

Ich stimme mit Coltrane insofern überein, dass sich eine stärkere Partizipation von Vätern innerhalb des familialen Kontextes auf die Konstitution vergeschlechtlichter Elternschaft auswirken kann. Problematisch erscheint jedoch die Bezugnahme auf die Entwicklung des »maternal thinking« in Vätern und Müttern, da dies unterstellt, eine bestimmte Denkweise sei ›mütterlich‹ und entstehe nun auch in Vätern. Obwohl Coltrane den Versuch einer Distanzierung durch einfache Anführungszeichen unternimmt, wiederholt er eine vergeschlechtlichte essentialistische Zuschreibung bestimmter Tätigkeiten durch die Markierung bestimmter Denkweisen als ›mütterlich‹. Allerdings sind Aufgaben familialer Haus- und Sorgearbeit sowie Einstellungen hierzu nicht männlich/weiblich oder mütterlich/väterlich an sich, sondern werden entsprechend diskursiv vergeschlechtlicht. Was zunächst als semantische Spitzfindigkeit anmuten mag, offenbart jedoch die inhärente Logik der Wissensordnung, mit der häufig auf entsprechende Zusammenhänge und deren Verschiebungen Bezug genommen wird, da jene Sorgeaufgaben und -tätigkeiten zunächst lediglich zu erbringende Aufgaben oder Tätigkeiten sind, die jedoch vergeschlechtlicht und vergeschlechtlichend eingebettet werden.10 Eine kritische Bezugnahme eröffnet die Möglichkeit, über konstituierende Modi und deren Voraussetzungen nachzudenken, was Möglichkeiten der Verschiebung und Destabilisierung eröffnet. Eine solche andere Bezugnahme im Kontext elterlicher Praxis kann dazu führen, dass anfallende Aufgaben nicht mehr entlang der Kategorie Geschlecht, sondern entlang von Persönlichkeitsmerkmalen verteilt werden. Diese kann sich mit kulturellen Vergeschlechtlichungen überschneiden (oder auch nicht). Diese Bezugnahme verschiebt die Bedeutung dahingehend, dass Väter dann keine Aufgaben von Müttern – im Sinne von Entlastung oder Unterstützung – übernehmen, sondern einer Aufgabe als gleichwertiger Elter nachkommen. Ein Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, sich mit produktiven Voraussetzungen zu befassen und den Modus der Konstitution sichtbar zu machen, der in manchen Fällen spezifisch vergeschlechtlichte Subjekte als Mann/Vater bzw. Mutter/Frau und in anderen Fällen als Elter produziert, welches sich – zumindest hinsichtlich seiner Praktiken – nur bedingt geschlechtlich differenziert und in diesem Sinne die kulturell häufig vergeschlechtlichten und vergeschlechtlichenden Praxen nicht in gleicher Weise wiederholt. Eine solche Perspektive inkludiert damit sowohl gleich10 So z.B. auch eine Überschrift von Lieselotte Ahnert (2011: 70ff.): Wenn der Vater die Mutter ist. Womit in aller Deutlichkeit eingeschrieben wird, dass Väter Attribute und Aufgaben übernehmen, die weiblich/mütterlich ›sind‹. Väter werden in dieser Logik explizit zu ›Müttern‹. Sarah M. Allen und Allan J. Hawkins verweisen in ihrer Definition zu maternal gatekeeping darauf, dass es insbesondere Väter sind, denen »[…] opportunities for learning and growing through caring for home and children« (1999: 200) genommen werden. Auf diese Weise sind es vor allem Väter, denen ein Lernbedarf unterstellt wird, während dieser bei Müttern vorausgesetzt wird (Neumann 2016a: 69ff.).

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als auch verschiedengeschlechtliche Eltern.11 Dies erscheint im Hinblick auf die Diskussion über die produktiven Voraussetzungen und Effekte von Elternschaft hochrelevant, da viele Diskurse diesbezüglich nach wie vor von einer heteronormativen Matrix getragen werden und entsprechende normalisierende wie normierende Effekte re-/produzieren (siehe auch Abschnitt 1.3 zu den dieser Arbeit zugrunde liegenden Forschungsfragen).

1.2

Väter und Elternzeit – Zwischen Re- und Detraditionalisierung

Die beschriebenen Verschiebungen, die sich beschleunigend seit den 1980er Jahren des 20. Jahrhunderts vollzogen haben, finden sich in Deutschland in Familienpolitiken situiert, die programmatisch seit Mitte den 1970er Jahren mehr oder weniger erfolgreich den Versuch unternommen haben, Eltern Handlungsspielräume für eine erleichterte Verwirklichung gleichberechtigt‐egalitärer Partnerschaften zu schaffen. Das bereits Mitte der 1970er Jahre vorgeschlagene, jedoch erst 1986 eingeführte Erziehungsgeld sollte in diese Richtung weisen (BMJFG 1975: u.a.: x, 137; BMJFSJ 2008a: 12; kritisch z.B. Malzahn 1985: 184ff.; ausführlich Kapitel 4.2 und 4.4). Mit der Jahrtausendwende erfuhren die familienpolitischen Maßnahmen einen weiteren Ausbau, wobei ein Schwerpunkt auf der Überarbeitung des Erziehungsurlaubs lag, welcher seit 2001 Elternzeit heißt. Der damalige Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend argumentierte, dass die bisherige Bezeichnung zu Irritationen führe, da sie »die Kinderbetreuung und die Arbeit in der Familie mit der Vorstellung von Freizeit und Muße« (Deutscher Bundestag 2000: 1) verknüpfe. Elternzeit solle hierbei stärker auf eine mögliche Parallelität von Beruf und Familie hinweisen (Müller-Heine 2006: 58). Das (familien-)politische Klima dieser Zeit ist geprägt von vermeintlichen demographischen wie wirtschaftlichen Rejustierungserfordernissen sowie dem Ringen um ein konservativ‐tradiertes Familienbild. Auseinandersetzungen, die bis heute anhalten. Insofern erscheint eine Beschäftigung mit den öffentlich‐medialen Debatten ebenso relevant, da diese zum einen die Frage nach dem Werden elterlicher Subjektivitäten situieren und zum anderen durch die Darstellung des heterogenen Spektrums deutlich wird, dass Bemühungen um geschlechtliche Gleichstellung und Gleichberechtigung, egalitäre Arbeits- und Sorgeaufgaben etc. keineswegs unhinterfragbare Ziele einer politischen Agenda darstellen. 11 Ich spreche an dieser Stelle bewusst nicht von ›Paaren‹, da man – gerade im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Elternschaft – der Frage nachgehen könnte, ob Elternschaft immer einen dyadischen Charakter haben muss oder nicht entsprechend erweitert werden könnte. Dies macht ggf. normative Setzungen der Il-/Legitimität deutlich.

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Die Regierung der Elternzeit

Bereits 2004 beschrieb Ursula von der Leyen (CDU), als damalige Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, vor der Folie der »schwersten Krise seit Kriegsende« (Leyen 2004: 73, siehe auch Neumann 2016b), dass die wesentlichen Faktoren der Zukunftssicherung Deutschlands im »Wachstum« liegen. Wachstum solle Deutschland nicht nur wieder auf einen internationalen Spitzenplatz bringen, sondern auch dessen Zukunft sichern (Leyen 2004: 73). Weitere Faktoren seien hierbei ein flexibler Arbeitsmarkt, die Förderung von Innovationskraft sowie die Erhöhung des Bildungsniveaus. Allerdings gelten positive Entwicklungen diesbezüglich als nicht ausreichend, um die Wachstumsziele zu erreichen. Die »Überalterung der Gesellschaft« sei ein wesentliches Problem, welches das angestrebte Wachstum hemmen könne. »Mehr Kinder«, so von der Leyen, »sind eine wesentliche Voraussetzung für mehr Wachstum in Deutschland« (ebd.). Die Folie der Krise Deutschlands wird jedoch weiter zugespitzt: Würde jener Überalterung nicht begegnet, so sei die gegenwärtige Krise im Vergleich zu den zu erwartenden Auswirkungen »geradezu harmlos«: insbesondere, da die Sozialsysteme aufgrund der sinkenden Zahl von Beitragszahlenden in einen Finanzierungsengpass gerieten. Aufgrund dessen wird eine Steigerung der Geburtenzahlen als wesentliche Voraussetzung für die Wachstumssteigerung gesehen, weshalb, von der Leyen zufolge, Familienpolitik auch Wachstumspolitik sei (ebd.). »Kinder als Karrieremotor« fungiert als Leitidee, die sich über die vermeintliche Notwendigkeit der Verbindung von ›Wachstum‹ und ›Leistung‹ begründet (ebd.; kritisch auch Neumann 2016b: 3f.). Nach von der Leyen würden es die bisherigen politischen Bemühungen versäumen, sowohl die richtigen Weichen zu stellen, damit Familien sich selbst helfen können als auch die Arbeitswelt so zu gestalten, dass »Kind und Beruf miteinander in Einklang gebracht werden können und einander nicht ausschließen« (Leyen 2004: 73). Deutlich wird auch, dass Innovationskraft, Leistungsfähigkeit und Risikobereitschaft dezidiert an ›junge‹ Arbeitnehmer*innen und Unternehmer*innen geknüpft wird: »[D]ie Innovationskraft und Leistungsfähigkeit dieses Landes sind in Gefahr, weil die jungen Ingenieure und Wissenschaftler, weil die jungen Unternehmer fehlen, die bereit sind, ein Risiko einzugehen, zu investieren und neue Märkte zu erschließen.« (Ebd.) Allerdings sind die Debatten dieser Zeit nicht lediglich durch einen demographischquantitativen Mangel gekennzeichnet, sondern werden auch hinsichtlich qualitativer Aspekte problematisiert. Daniel Bahr, ehemaliger Sprecher der FDPBundestagsfraktion, wird mit folgenden Worten zitiert: »In Deutschland kriegen die Falschen die Kinder. Es ist falsch, dass in diesem Land nur die sozial Schwachen die Kinder kriegen […]. Wir brauchen mehr Kinder von

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Frauen mit Hochschulabschluss als von jenen mit Hauptschulabschluss.« (Butterwegge/Klundt/Belke-Zeng 2008: 102) Auf diese Weise werden die pronatalistischen Diskurse über Wachstum und Generativität der deutschen Bevölkerung mit einer Bewertung der Leistung(sfähigkeit) der vorhandenen wie zukünftig gewünschten Bevölkerung verknüpft, bei der der Reproduktion von Akademikerpaaren bzw. deren Kindern ein qualitativ höherer Stellenwert beigemessen wird als jener von Nicht-Akademikerfamilien (Neumann 2016b: 5). Die ›qualitative Problemlage‹, die Daniel Bahr benannte, solle laut Steffen Reiche, früherem SPD-Bundestagsabgeordneten sowie Bildungs- und Wissenschaftsminister Brandenburgs, mit der Reform des Elterngeld und -zeitgesetzes begegnet werden: »Mit dem Elterngeld will man bewusst auch besser verdienende Eltern anregen, wieder mehr Kinder zu bekommen. Man erhofft sich davon, dass auch die Gruppe mit der vermeintlich besseren genetischen Disposition einen höheren Beitrag zur demografischen Entwicklung leistet.« (Reiche 2006: 5; vgl. auch Butterwegge/Klundt/Belke-Zeng 2008: 102) Die Fokussierung auf den Aspekt der ›Leistungsgerechtigkeit‹, brachte Peer Steinbrück, damaliger Nordrhein-Westfälischer Ministerpräsident und späterer Kanzlerkandidat der SPD, wie folgt auf den Punkt: »Soziale Gerechtigkeit muss künftig heißen, eine Politik für jene zu machen, die etwas für die Zukunft unseres Landes tun, die lernen und sich qualifizieren, die arbeiten, die Kinder bekommen und erziehen, die etwas unternehmen und Arbeitsplätze schaffen, kurzum, die Leistung für sich und unsere Gesellschaft erbringen. Um die – und nur um sie – muss sich Politik kümmern.« (Steinbrück 2003; vgl. auch Butterwegge/Klundt/Belke-Zeng 2008: 101) Die hier beschriebene Leistungsorientierung greift nahtlos den von Ursula von der Leyen geforderten Beitrag an Unternehmen auf, »Humanvermögen nicht nur abzuschöpfen, sondern auch zu bilden« (Leyen 2004: 74). Aber nicht nur Unternehmen sollen in die Re-/Produktion von Humanvermögen/Humankapital investieren, sondern auch die einzelnen Subjekte. Insbesondere Arbeitnehmer*innen sind aufgerufen, in eigenverantwortlicher Weise in ihr Humankapital zu investieren und dieses vor Entwertung zu schützen. Insbesondere das Humankapital junger Frauen soll durch das Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz (BEEG) geschützt werden. Vor allem hochqualifizierte, gut verdienende Frauen sollen hierbei motiviert werden, mehr Kinder zu gebären und möglichst schnell wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (Butterwegge/Klundt/Belke-Zeng 2008: 100). Die Einführung sogenannter ›Partnermonate‹, durch die der andere Elternteil stärker in Haushalts- und Sorgeaufgaben eingebunden werden soll, soll vor allem mehr Vä-

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Die Regierung der Elternzeit

ter zu einer Elternzeitnahme bewegen. Auch die Zielsetzungen, die Martin Bujard (2013a: 140) im Rahmen seiner Diskursanalyse anhand von Bundestagsmaterialien zur Novellierung des BEEGs und durch Aussagen von Politiker*innen herausgearbeitet hat, verweisen auf eine dichotome familienpolitische Anlage, von der aus sich Mütter und Väter aufeinander zu bewegen sollen. Einerseits sollen Väter dazu bewogen werden, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen (der stärkere Einbezug in Haushaltstätigkeiten scheint häufig eher optional) und sich damit von der Sphäre der Erwerbsarbeit auf den familialen Kontext zubewegen, während andererseits Mütter darin unterstützt werden sollen, schneller wieder einer Erwerbsarbeit nachzugehen, um einer Entwertung ihres Humankapitals entgegenzuwirken und sich damit in Richtung der Sphäre der Erwerbsarbeit zu bewegen (auch Peukert 2015: 32ff.). Wie sehr bei den sozial- und familienpolitischen Verschiebungen nicht zuletzt um das ›bürgerliche‹ Familienideal gerungen wird, illustriert die öffentliche Auseinandersetzung zwischen Bischof Walter Mixa und Ursula von der Leyen. Als Reaktion auf von der Leyens Pläne zum Ausbau der Krippenplätze für Kinder unter drei Jahren, kritisierte Mixa die damaligen Familienministerin scharf. Die Schaffung staatlicher Anreize zur Kleinkindbetreuung erhebe die erwerbstätige Mutter »zum ideologischen Musterfall« (Petzsch-Kunze 2007) und degradiere sie zu »Gebärmaschinen« (Butterwegge/Klundt/Belke-Zeng 2008: 98; vgl. auch SpiegelOnline 2007a; 2007b). Dass hierbei nicht nur lediglich ›tradierte‹ Formen von Elternschaft hinsichtlich Art und Umfang von Haus- und Sorgetätigkeiten tangiert werden, sondern es auch explizit um die heterosexuelle Kleinfamilie geht, zeigt sich u.a. in den christlich‐konservativen Positionen der AfD-Politikerin und EUAbgeordneten Beatrix von Storch, die sich explizit gegen eine »zu frühe« und »zu umfassende« Einflussnahme staatlicher Stellen sowie für die Stärkung der traditionellen (heterosexuellen) Familie ausspricht (Hageböck 2015). Auch die Proteste der »Demo für alle« (Beverfoerde 2017; vgl. auch Fedders 2016), die sich explizit gegen die Pläne der baden‐württembergischen Landesregierung zur stärkeren Thematisierung sexueller Vielfalt im Schulunterricht positioniert, wurde von Beatrix von Storch sowie federführend von Hedwig von Beverfoerde und deren Netzwerken mitgetragen (Kemper 2014; Blech 2015; Renz 2015; Fedders 2016). Insofern wird ein sehr heterogenes Spannungsfeld deutlich, in dem die Debatten um Elternschaft und Familie zirkulieren. Die beschriebenen Konnotationen im Hinblick auf die angestrebte Verknüpfung von Leistungsanreizen, die Unterstützung von Müttern in einer schnelleren Rückkehr an deren Arbeitsplätze und nicht zuletzt der Versuch, mehr Väter durch die Einführung der ›Partnermonate‹12 stärker in den familialen Kontext zu 12 Obwohl mit der Formulierung ›Partnermonate‹ eine vermeintlich geschlechtsneutrale Formulierung intendiert war, wird diese Formulierung in den öffentlich‐medialen Debatten häufig

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integrieren, zeigen sich in der Novellierung des BEEGs im Jahr 2007 und dessen Zielsetzungen. Der Politikwissenschaftler Martin Bujard (2013a: 140) identifiziert diesbezüglich fünf Ziele: a) die Sicherung von Einkommen in der Familiengründungsphase, b) die Schaffung eines Schonraums im des ersten Lebensjahres des Kindes, c) eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Müttern, d) die Steigerung der Fürsorgebeteiligung von Vätern sowie e) die grundsätzliche Steigerung der Fertilität (vgl. auch Bujard 2013b). Das Bundesfamilienministerium verweist in einer seiner Studien auf ähnliche Zielsetzungen, betont jedoch die Setzung von Leistungs- bzw. Erwerbsanreizen stärker. Zu den dort genannten Zielen gehört erstens besagte Schaffung eines Schonraums für Eltern in den ersten 14 Lebensmonaten des Kindes, wenn Eltern die Pflege und Versorgung des Kindes selbst übernehmen. Zweitens eine nachhaltige Stärkung der wirtschaftlichen Grundlage der Familie »durch die Vermeidung negativer und die Setzung positiver Erwerbsanreize« (BMFSFJ 2008a: 14; siehe auch Deutscher Bundestag 2006)13 und drittens die Schaffung von mehr Wahlfreiheiten für Männer und Frauen durch eine einkommensabhängige Leistung, die auch dem*der besserverdienenden Partner*in eine Betreuung ermöglichen soll (BMFSFJ 2008a). Die Novellierung des Gesetzes sieht vor, dass Mütter und Väter, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, Elterngeld beziehen können. Dies gilt darüber hinaus auch für Auszubildende, Umschüler*innen oder für sich in Fortbildung befindliche Personen. Jedes Elternteil kann bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes Elternzeit in Anspruch nehmen. Dabei kann ein Anteil von zwölf Monaten der maximal dreijährigen Elternzeit auch nicht verwendet. Nicht selten finden sich Bezeichnungen wie ›Vätermonate‹, ›Papamonate‹ oder z.T. auch polemisch ›Wickelvolontariat‹ (vgl. Müller-Heine 2006: 60; Seubert 2008: 393; vertiefend zur Entwicklung der Partnermonate z.B. Fuchsloch/Scheiwe 2007: 16). Auch innerhalb des achten Familienberichts (BMFSFJ 2012) wird auf die Partnermonate als »Vätermonate« rekurriert (ebd.: 142). Insofern besitzt der Begriff, verstanden im Singular, eine vergeschlechtlichende Effektivität und adressiert zumindest implizit Väter, was seine Nutzung in Studien und diversen Publikationen unterstreicht. Im Unterschied hierzu könnten Begriffe wie ›Familien‹-›Eltern‹ oder ›Kindermonate‹ den Fokus auf eine paritätische(re) Aufteilung verschieben. In diese Richtung könnten Überlegungen der Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) weisen, das Elterngeld in ein Familiengeld auszubauen, was von dieser am 8. September 2016 erneut im Bundestag thematisiert wurde (vgl. Deutscher Bundestag 2016a; 2016b). Wobei der Fokus dieses Familiengeldes die teilzeitliche Stoßrichtung des ElterngeldPlus fortzuführen scheint und voraussetzt, dass beide Eltern ihre wöchentliche Arbeitszeit reduzieren (siehe hierzu auch FAZ 2016; Groll 2016). 13 Dass die Integration von Erwerbsanreizen auch von der damaligen großen Koalition des ersten Kabinetts Angela Merkels (2005 bis 2009) geteilt wurde, unterstreicht auch die Bezugnahme von Kerstin Griese (SPD), die von 2002 bis 2009 Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend war. Griese betont, dass die Neustrukturierung des Elterngeldes eine »neue Qualität in der Sozialpolitik« darstelle, »mit der wir Erwerbstätigkeit gezielt belohnen« (Griese 2006; vgl. auch FAZ 2006).

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Die Regierung der Elternzeit

auf die Zeit bis zum achten Geburtstag des Kindes übertragen werden, sofern die Zustimmung der Arbeitgeberseite vorliegt (ebd.: 19). Elternzeit kann von jedem Elternteil grundsätzlich in zwei Zeitabschnitte aufgeteilt werden. Weitere Splittungen sind, unter der Voraussetzung der Zustimmung der Arbeitgebenden, möglich. Die Elternzeit kann innerhalb des zur Verfügung stehenden Zeitraums ganz oder in Teilen von einem Elternteil alleine in Anspruch genommen werden. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass sich die Eltern die Elternzeiten aufteilen, d.h. diese abwechseln oder parallel nützen (ebd.). Das zwölfmonatige Elterngeld kann von einem Elternteil (oder beiden zusammen) genutzt werden. Zwei zusätzliche Monate Elterngeld kommen hinzu, wenn auch der andere Elternteil die Erwerbstätigkeit im Rahmen der ›Partnermonate‹ reduziert (Fuchsloch/Scheiwe 2007: 16). Die Höhe des Elterngeldes richtet sich nach der Höhe des Nettoeinkommens der letzten zwölf Monate und beträgt als Einkommensersatzleistung zwischen 65 Prozent und 100 Prozent des früheren monatlichen Nettoeinkommens.14 Die Höhe variiert dabei zwischen mindestens 300 Euro und maximal 1.800 Euro. Darüber hinaus besteht Kündigungsschutz während der Elternzeit.15 Das im Jahr 2015 eingeführte ElterngeldPlus soll Eltern die Möglichkeit verschaffen, die Bezugsdauer des Elterngeldes über den Zeitraum der zwölf (bzw. 14) Monate auszudehnen, sofern mindestens ein Elternteil in Teilzeit weiterarbeitet. Wie Spieß (2015) zusammenfasst, können dadurch aus einem Elterngeldmonat zwei ElterngeldPlus-Monate werden. Reduzieren beide Eltern ihre wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 30 Stunden pro Woche, verlängert sich die Bezugsdauer durch den sogenannten ›Partnerbonus‹ um bis zu vier Monate (ebd.). Allerdings halbiert sich dadurch die Höhe des monatlichen Elterngeldes (BMFSFJ 2016a: 4). Das ElterngeldPlus soll, wie Johannes Geyer und Alexandra Krause (2016: 2) darstellen, Eltern zusätzliche Anreize für eine teilzeitliche Erwerbstätigkeit während der Elternzeit setzen und ein »Zweiverdienermodell« als familiales Leitbild fördern. Das Familienministerium adressiert mit dem ElterngeldPlus insbesondere auch Väter. Dass die Sphäre der Erwerbsarbeit für viele Väter nach wie vor eine zentrale Rolle spielt, zeigt sich an dem Hinweis, dass Elternzeit für Väter 14 Allerdings ergibt sich eine 100 %ige Kompensation nur, sofern das »maßgebliche Nettoeinkommen« unter 1.000 Euro monatlich liegt (BMFSFJ 2013: 12). 15 Der heute möglicherweise selbstverständlich wirkende Kündigungsschutz markiert eine Verschiebung in Bezug auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern. Während der Einführung des Erziehungsgeldes (1985/1986) wurde dieser insbesondere von CDU/CSU und FDP aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten kritisch gesehen (vgl. ausführlich Kapitel 4.4). In diesem Sinne zeigt sich einerseits die Relevanz wirtschaftspolitischer Erwägungen, die auch bei der Einführung des Erziehungsgeldes eine Rolle gespielt haben, und andererseits, dass und wie sich bestimmte Argumentationsstrategien verschieben können, da eine entsprechende Debatte um den Kündigungsschutz der Elternzeit in dieser Form bei der Novellierung der Elternzeit 2007 nicht geführt wurde.

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nicht nur deren »gutes Recht« sei, sondern »von Arbeitgebern mittlerweile auch respektiert und befördert« (ebd.: 6) werde. Als Argument wiegt hierbei nicht nur die Unterstützung der eigenen Familie, sondern auch, dass die jeweiligen Arbeitgeber*innen hiervon profitieren würden: »Sie haben gute Gründe, im Dialog mit Ihren Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen selbstbewusst aufzutreten. Denken Sie daran, dass Sie mit Ihrem Engagement nicht nur Ihre Familie unterstützen. Vorausgesetzt, dass die Teilzeit gut vorbereitet und abgesprochen ist, profitiert auch Ihr Arbeitgeber. Er kann sich nicht nur auf einen zufriedenen, motivierten und loyalen Mitarbeiter verlassen, der sein Wissen und seine Kompetenz weiterhin einbringt. Er gewinnt mit Ihnen ebenso ein authentisches Aushängeschild für eine gute Unternehmenskultur.« (BMFSFJ 2016b: 6) Es wird deutlich, dass insbesondere Vätern vermittelt werden soll, dass deren familiales Engagement keine Absage an ihr erwerbsmäßiges Engagement darstellt, sondern auch die Arbeitgeber*innenseite von der Elternzeit profitieren kann.16 Dass Vätern im Kontext des Elterngeldes und der Elternzeit besondere Aufmerksamkeit zukommt, zeigt sich nicht nur innerhalb der formulierten Ziele des Gesetzes oder der hohen Aufmerksamkeit, die der Entwicklung paternaler Inanspruchnahme geschenkt wird, sondern auch durch eine (sozial-)wissenschaftlich gesteigerte Bearbeitung diverser, mit der Elternzeitnahme von Vätern und Paaren zusammenhängender Fragestellungen. Diese verstärkte Aufmerksamkeit auf Väter spiegelt sich in der Aufbereitung statistischer Daten bspw. des Statistischen Bundesamtes wider, welches die Entwicklung paternaler Elternzeitnahmen seit der Novellierung des Gesetzes aufbereitet. Die sozialwissenschaftlichen Fragestellungen resultieren insbesondere aus der seit der Novellierung im Jahr 2007 stark gestiegenen Inanspruchnahme von Elternzeiten durch Väter. Nahmen im Jahr 2006 nur lediglich 3,5 Prozent der Väter Elternzeit (Schutter/Zerle-Elsäßer 2012: 220; Geyer/Krause 2016: 8) stieg der Anteil seit 2007 kontinuierlich an: nahmen im Jahr 2008 bereits 20,8 Prozent aller Väter Elternzeiten in Anspruch, stieg dieser Anteil 2012 auf 29,3 Prozent und kulminiert derzeit bei rund 36 Prozent (Statistisches Bundesamt 2019b: 22). Obwohl sich der Anteil von Vätern in Elternzeit innerhalb von gut zehn Jahren verzehnfacht hat, nimmt von diesen 36 Prozent die überwiegende Mehrheit lediglich die ›Partnermonate‹ in Anspruch (75,2 Prozent), während 16 Dass dies nicht immer der Fall war, betont obiges Zitat durch die Einschränkung »mittlerweile«. Diverse Studien untersuchen die Herausforderungen von Vätern innerhalb der Erwerbssphäre, wenn sie ihre Arbeitszeit zugunsten der Familie reduzieren (wollen) (z.B. Gesterkamp 2007; Possinger 2009; 2010; Neumann 2015; Possinger 2015; Neumann/Meuser 2017; Aunkofer/Meuser/Neumann 2018).

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Die Regierung der Elternzeit

rund sechs Prozent für zehn bis zwölf Monate Elternzeit nützen (ebd.: 8). Im Kontrast dazu liegt der Anteil an Müttern, die für bis zu zwei Monate in Elternzeit gehen unter einem Prozent, während rund 75 Prozent zehn bis zwölf Monate und 13,5 Prozent 15 bis 23 Monate in Anspruch nehmen (ebd.). Dies verdeutlicht einerseits, dass sich hinsichtlich der Inanspruchnahme auf Seiten der Väter zwar sichtbare Veränderungen vollziehen, die überwiegenden Sorge- und Pflegeleistungen jedoch weiterhin von Müttern erbracht werden. Interessant scheint auch, dass die durchschnittliche Nutzungsdauer paternaler Elternzeiten im Zeitverlauf gesunken ist: Belief sich die durchschnittliche Nutzungsdauer im Jahr 2008 noch auf 3,7 Monate, sank diese mit Blick auf aktuelle Zahlen auf 3,4 Monate (BMFSFJ 2016b: 18; Statistisches Bundesamt 2019b: 7). Auch bestehen nach wie vor erhebliche regionale Unterschiede: Während die höchsten Inanspruchnahmen in Sachsen (44,2 Prozent), Bayern (41,7 Prozent) und Thüringen (40,5 Prozent) zu verzeichnen sind, wird in Mecklenburg-Vorpommern (27,7 Prozent), Bremen (26,1 Prozent) sowie im Saarland (23,0 Prozent) das Elterngeld bzw. die Elternzeit am wenigsten in Anspruch genommen (Statistisches Bundesamt 2016: 27). Die Bundesregierung bewertet auch die Einführung des ElterngeldPlus als Erfolg, da im Durchschnitt 28 Prozent der Eltern das ElterngeldPlus in Anspruch nehmen, was einer Verdopplung der Nutzung seit seiner Einführung gleichkommt (Deutscher Bundestag 2018: 4). Nach Informationen des Statistischem Bundesamtes wird es mit 34 Prozent insbesondere von Müttern genutzt (Statistisches Bundesamt 2019a). Obwohl auch zunehmend Väter das ElterngeldPlus nutzen, fällt deren Quote mit 13,8 Prozent deutlich geringer aus (Deutscher Bundestag 2018: 4). Dass die Anreizstruktur des Partnerschaftsbonus seine Wirkung entfaltet, wird auch dadurch deutlich, dass bundesweit 27 Prozent der Väter diesen nutzen (ebd.: 5). Väter realisieren vor allem dann eine längere Elternzeit, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit nicht vollständig unterbrechen müssen (ebd.). Trotz kontinuierlich gestiegener Elternzeitnahme von Vätern wurde von diversen Seiten für eine Abschaffung des Elterngeldes plädiert. So sprach sich Christian Lindner, damals Generalsekretär der FDP, bereits 2011 für die Abschaffung aus (Eubel/Sirleschtov 2011). Auch der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Volker Kauder, stellte das Elterngeld 2012 infrage und erklärte: »[I]n der nächsten Legislaturperiode [ab 2013 – Anm. B.N.] werden wir uns das Elterngeld und seine Wirkung noch mal anschauen müssen.« (Süddeutsche Zeitung 2012; siehe auch Zeit-Online 2012b) Als Grund für die Infragestellung wird die – bis zu diesem Zeitpunkt nicht gestiegene – Geburtenrate Deutschlands, genannt, was die Bedeutung des BEEGs als Instrument zur Steigerung der Generativität erneut hervorhebt. In diesem Sinne kommt, zumindest für den damaligen Vorsitzenden der CDU/CSU, der demographischen Entwicklung größere Bedeutung zu als der stärkeren Involvierung von Vätern oder der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die ebenfalls mit der Novellierung intendiert war. Kristina Schröder, damalige Bun-

1 Elternschaft im Fokus von Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft

desfamilienministerin (CDU), widersprach der Darstellung Kauders und wird mit den Worten zitiert: »Ich habe niemals gesagt, dass der Sinn des Elterngeldes ist, die Geburtenrate zu steigern.« (Zeit-Online 2012a) »Entscheidend« sei, so Schröder, »dass ich sage, dass das Elterngeld keine Gebärprämie ist« (ebd.). Einerseits wird dadurch zwar festgehalten, dass das Elterngeld, Schröder zufolge, zwar keine »Gebärprämie« darstellt, andererseits wird dennoch nicht in Abrede gestellt, dass die Elternzeit nicht auch der Steigerung der Geburtenrate dienen soll – dies hat Schröder nur niemals explizit gesagt bzw. damit jener Zielsetzung nicht widersprochen. Dass das Elterngeld innerhalb des öffentlich‐medialen Diskurses durchaus als Maßnahme zur Steigerung der Geburten diskursiviert wurde, zeigt auch ein Artikel des Berliner Tagesspiegels vom 2. Januar 2007, in dem die vermeintlichen (nicht) Auswirkungen des Elterngeldes auf die Geburten in Deutschland diskutiert werden (Der Tagesspiegel 2007). Auch die Volkswirtin Karin Müller-Heine konstatiert, dass das »Hauptziel des Elterngeldes […] aber eine höhere Geburtenrate« ist (Müller-Heine 2006: 59). Demnach wird deutlich, dass mit dem BEEG diverse Interessen verfolgt werden, die mindestens in Teilen auf die demographische Entwicklung hin ausgerichtet sind. Die ›Ehrenrettung‹ der Wirkung des Elterngeldes auf die demographische Entwicklung, insbesondere auf die Steigerung der Geburtenzahlen von Akademiker*innen, wurde auch von Stefan Schulz (2012) als hoffnungsvolle Perspektive in Aussicht gestellt. Dass die im Jahr 2012 geführte Debatte um die Wirkung(en) des Elterngeldes nicht lediglich eine Frage der Steigerung der Geburtenrate sei, sondern auch mit anderen Zielsetzungen in Verbindung stehe, betont der Ökonom Axel Börsch-Supan in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Börsch-Supan 2012). Börsch-Supan verweist hierbei auf seine Annahme, dass »das Elterngeld vor allem in der Kombination mit genügend Betreuungsplätzen positiv wirkt«, wobei besagtes Interview dennoch im Kontext der Steigerung der Geburtenrate geführt wurde. Olaf Gersemann fragt in einem Artikel für Welt.de vom 17.10.2016 unter dem Titel Das Elterngeld hat seine Schuldigkeit getan danach, ob »[…] es etwa wirklich noch eine Maßnahme wie das Elterngeld [braucht], das zwar den Bewusstseinswandel antrieb, aber im Grunde wenig zielgerichtet und enorm teuer ist? Sollte man nicht stattdessen lieber das Kindergeld ab dem dritten Kind erhöhen? Dafür spricht, dass Umfragen zufolge häufig finanzielle Gründe den Ausschlag geben, wenn Eltern nach dem zweiten Kind die Familienplanung abschließen.« (Gersemann 2016) Auch hier wird das Elterngeld als demographisches Instrument und zur Steigerung der Geburtenrate relevant gemacht. Zwar habe das BEEG Gersemann zufolge einen »Bewusstseinswandel« begleitet, dennoch sei das Gesetz »wenig zielgerichtet und enorm teuer« so dass er Überlegungen, wie dem hier impliziten Ziel der noch effektiveren Steigerung der Geburtenrate, nahelegt. Insofern lässt sich kon-

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Die Regierung der Elternzeit

statieren, dass die Novellierung zwar nicht ausschließlich auf die Steigerung der Geburtenrate abzielte, diese innerhalb des Diskurses jedoch eine wichtige Rolle einnahm. Über die zukünftige Ausgestaltung des BEEGs wird auch in aktuellen politischen Debatten gerungen. Überlegungen der ehemaligen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) zum Ausbau des Elterngeldes weisen in Richtung eines teilzeitlich orientierten ›Familiengeldes‹ (vgl. Deutscher Bundestag 2016b; FAZ 2016; Groll 2016), während im Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen zur FamilienZeitPlus (bzw. auch KinderZeitPlus) 24 Monate vorgesehen sind, die sich in je acht Monate für Mütter und Väter aufteilen während weitere acht Monate frei aufgeteilt werden können (Bündnis 90/Die Grünen 2015; 2016). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie sich Verschiebungen um Elternschaft, seien sie hinsichtlich der Fragen um ›aktive‹ oder ›neue‹ Väter, um Männlichkeit(en) oder den damit ggf. auch evozierten Fragen um ›Mütterlichkeit‹ und ›Weiblichkeit‹ bzw. grundsätzlicher: Fragen nach Prozessen der Vergeschlechtlichung, in dem Ringen um die Konstitutionen von Familie niederschlagen, die in den Auseinandersetzungen um die (heterosexuelle) Kleinfamilie deutlich werden. Gleichzeitig wurde sichtbar, wie dies in ein diskursives Spannungsfeld aus geschlechterpolitischen, wirtschaftlichen und demographischen Entwicklungen bzw. ›Notwendigkeiten‹ situiert ist. Auf diese Weise steht die Frage nach dem Werden elterlicher Subjektivitäten in einem untrennbaren Wechselverhältnis zu gouvernemental‐biopolitischen Techniken der Regierung und Regulierung, die im weiteren Verlauf untersucht werden sollen.

1.3

Fragestellung und Aufbau der Arbeit

Vorliegende Studien zum Thema Elternzeit von Vätern konzentrieren sich auf diverse Themen- und Fragenkomplexe: Viele, insbesondere quantitative Studien, untersuchen Fragen zu Wirkungen und Effekten des Elterngeldes und förderlichen wie hinderlichen Einflussfaktoren bestimmter Variablen (u.a. Pfahl/Reuyß 2009; Vogt 2010; Reich 2010; Boll/Leppin/Reich 2011; Geisler/Kreyenfeld 2011; Reich 2011; Geisler/Kreyenfeld 2012; Bujard 2013b; Geyer et al. 2013; Trappe 2013a; 2013b; 2013c; Pfahl et al. 2014; Bünning 2015; 2016; Brandt 2017; Peltz et al. 2017; Unterhofer/Wrohlich 2017; Zerle-Elsäßer/Li 2017); andere Arbeiten zielen auf die Entwicklung von Vätertypologien und Elternzeitmodellen (z.B. Ehnis 2009; Pfahl/Reuyß 2009; 2010; Richter 2011; Bambey/Gumbinger 2017) sowie auch auf Fragen nach betrieblichen Schwierigkeiten und Anreizen zur Förderung paternaler Elternzeit (u.a. Pfahl/Reuyß 2009; 2010; Possinger 2010; Pfahl/Reuyß/Hundt 2015; Possinger 2015; Neumann/Meuser 2017). Weitere Beiträge suchen nach Gründen, weshalb Väter Elternzeit beanspruchen und welche Bedeutungen hierbei relevant

1 Elternschaft im Fokus von Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft

erscheinen (z.B. Behnke 2012; Behnke/Meuser 2012; Behnke/Lengersorf/Meuser 2013; Peukert 2015; BMFSFJ 2016; Aunkofer/Meuser/Neumann 2018).17 Soziologische wie politikwissenschaftliche Arbeiten zu Familienpolitik und Wohlfahrtsstaat zeigen hinsichtlich des BEEGs, dass Reformen dieser sozialpolitischen Regelungen zwar versuchen tradierte sozialstaatliche Strukturierungsweisen aufzubrechen, jedoch nach wie vor Beharrungstendenzen in der geschlechtlichen Arbeitsteilung bestehen und Vereinbarkeitsprobleme nur ansatzweise verschoben werden (Auth/Leiber/Leitner 2011). Auch wird in diesen Beiträgen deutlich, wie besagte familienpolitische Rejustierungen von ökonomischen Rationalitäten durchzogen sind (Leitner 2008). Obwohl die vorliegende Arbeit sich auch für den wohlfahrtsstaatlichen Rahmen durch das BEEG interessiert, fokussiert sie hierbei jedoch stärker das konstitutive Verhältnis der familienpolitischen Rationalitäten mit den elterlichen Selbstverhältnissen. Viele der quantitativen Arbeiten zu Vätern und Elternzeiten versuchen hierbei, über die Analyse soziodemographischer Determinanten Einflussfaktoren auf Inanspruchnahmen herauszuarbeiten. Diesen Studien liegen häufig Modelle des (Neo-)Utilitarismus und Rational Choice zugrunde (Peukert 2015: 47; Neumann 2016a: 60f.), die nicht nur eine spezifisch ökonomisch-nutzenmaximierende Perspektive annehmen, sondern auch stark individualisieren. Für die Frage nach dem Werden von Eltern scheint dies wenig zielführend, da durch die spezifisch nutzenmaximierende Perspektive und den Fokus auf ›individuelle‹ Entscheidungsprozesse eine an ökonomischen Theoriemodellen orientierte, normative wie auch essentialisierte Grundannahme über Subjektivitäten impliziert wird, denen hier nicht gefolgt werden soll (kritisch hierzu auch Nassehi 2017). Darüber hinaus scheint es aus soziologischer Perspektive bedeutsam, den Versuch zu unternehmen, die relational‐konstitutiven Wechselbeziehungen nicht zu trennen, sondern in ihrer konstitutiven Bezüglichkeit in den Blick zu nehmen. Dass dies angezeigt erscheint, verdeutlichten auch die bisherigen Ausführungen. Eine Reduktion auf kosten-/nutzen‐maximierende Akteur*innen verfehlt hierbei die vielfältigen Relata, in welche die Subjekte verstrickt sind, und setzt sie als Akteure konstitutiv voraus. Dies würde auch der Frage nach den Prozessen des Werdens nicht gerecht werden. Qualitative Studien zu involvierter Vaterschaft und Elternzeit richten den Fokus eher auf die Analyse empirischer Befunde (z.B. Ehnis 2009; Richter 2011; Behnke 2012) und verfolgen diesbezüglich, häufig auch method(olog)isch begründet, eine theoretische Zurückhaltung. Darüber hinaus verstehen sich viele dieser Arbeiten als mikrosoziologische Studien, die ihren Fokus vor allem auf 17 Eine Auseinandersetzung mit dem Stand der Forschung zu paternaler Elternzeitnahme, die (auch) stärker den internationalen Forschungskontext berücksichtigt, findet sich z.B. bei Benjamin Neumann und Michael Meuser (2017) bzw. Stefanie Aunkofer, Michael Meuser und Benjamin Neumann (2018) und bei Benjamin Neumann (im Erscheinen).

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Die Regierung der Elternzeit

die Alltagspraxen und subjektive Sinnhorizonte – im Unterschied zu diskursiven Wissensordnungen – legen. Bislang fehlt es weitgehend an Studien, die hinsichtlich der Frage nach Elternschaft und Elternzeit den Versuch unternehmen, verschiedene gesellschaftliche Ebenen zusammenzuführen und diese bezüglich ihrer Produktivität zu befragen, d.h. den subjektivierenden (konstituierenden) Prozessen mit Blick auf bestimmte Konstitutionen von Elternschaft nachzugehen und diese Prozesse im Kontext des BEEG zu diskutieren. Des Weiteren soll durch die Anlage der vorliegenden Arbeit die soziologische Auseinandersetzung zur Gouvernementalitäts- und Biopolitikforschung im Anschluss an Michel Foucault weiter vorangetrieben und insbesondere durch die Arbeiten Judith Butlers ergänzt und erweitert werden. Eltern und Geschlecht in diesem Sinne nicht vorauszusetzen, sondern hinsichtlich ihrer konstitutiven Bedingungen zu befragen, erscheint insofern auch als gewinnbringend, als damit bestimmte Essentialisierungen vermieden werden, so dass bestimmte Formen von Elternschaft in Erscheinung treten, die vormals ggf. unsichtbar oder unmöglich erschienen. Auch ermöglicht ein solcher Bezug die Befragung des zugrunde liegenden Materials in Hinsicht auf die machtvoll‐produktiven Bezüge, die sich im Rahmen der Ausführungen der Familienberichte der Bundesregierung Deutschlands sowie der elterlichen Narrationen im Zusammenhang mit der Studie Väter in Elternzeit ergeben. Die Bezugnahme unterstreicht, wie im Rahmen diverser relationaler Verstrickungen nicht nur bestimmte elterliche Praxen un-/wahrscheinlich(er) werden, sondern sich spezifische Subjektivitäten zuvorderst konstituieren. Der Bezugsrahmen der Elternzeit von und durch Väter erscheint hierbei als ein besonderer, da insbesondere diese Form der Elternzeit einen Möglichkeitsraum konstituiert, in welchem sich nicht nur familienpolitische, wirtschaftliche wie demographische ›Herausforderungen‹ und ›Notwendigkeiten‹ mit den Themenkomplexen Elternschaft, Geschlecht, Arbeits- und Sorgeteilung kreuzen, sondern sich innerhalb dieses Raumes verschiedenste Möglichkeiten für Re- und Detraditionalisierungen dieser Themenfelder ergeben. Die Untersuchung dieses dispositiven18 Spannungsfeldes soll mithilfe der formulierten Forschungsfrage nach dem Werden elterlicher Subjekte im Kontext der Elternzeit als gouvernemental‐biopolitischem Instrument in den Blick genommen werden. In diesem Sinne fokussiert der Text auf Prozesse der Subjektivation innerhalb des Elternzeitkontextes in einem engen wie weiten Sinne. Das nachfolgende zweite Kapitel Elternsubjekte im Spannungsfeld von Staat und Ökonomie greift hierzu entlang der von Michel Foucault entwickelten Konzepte um Gouvernementalität und Biopolitik das Thema elterlicher Subjektivität auf und wendet diese Bezüge geschlechtertheoretisch durch die Arbeiten Judith Butlers. 18 Siehe zum Thema Elternzeit als Dispositiv auch ausführlicher Kapitel 3, Abschnitt 3.2, sowie Foucault 1978: 119-122; Foucault 2014a: 86; Neumann 2016b.

1 Elternschaft im Fokus von Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft

Diesbezüglich wird nicht nur der für diese Arbeit zentrale Begriff der Regierung einer vertiefenden Betrachtung unterzogen, sondern auch herausgearbeitet, wie Techniken des Regierens und Regulierens untrennbar mit Subjektivationsprozessen verschränkt sind. Auch die daran anknüpfenden Ausführungen zum biopolitischen Verhältnis von Bevölkerung und Einzelkörper werden in dieser Hinsicht geschlechtertheoretisch betrachtet. Die darauf folgende Auseinandersetzung mit den Bezügen um Liberalismus und Neoliberalismus unternimmt zum einen den Versuch, den relativ inflationären Gebrauch des Begriffs ›Neoliberalismus‹ differenziert in den Blick zu nehmen, um auf diese Weise eine Verfeinerung der Begrifflichkeit und deren Verwendung zu ermöglichen. Zum anderen geht es in diesem Abschnitt auch darum, die Ausführungen Foucaults in einem weiter gefassten Rahmen neuerer Forschungsliteratur zu situieren, um auf diese Weise eine kritische Distanz zur zugrunde gelegten Perspektive zu ermöglichen. Der zweite große inhaltliche Abschnitt des Kapitels befasst sich mit Mutter, Vater, Elter als performativen Subjektkategorien und führt diesbezüglich die Überlegungen zu Subjektivation weiter. Neben knappen, aber grundlegenden Setzungen zu Dezentrierung, Macht, Körper und Performativität finden sich dort auch maßgebende Überlegungen zur Dekonstruktion Jacques Derridas, die insbesondere entlang des Konzepts der différance entfaltet werden. Das zweite Kapitel wird hierbei von einem Zwischenfazit beschlossen. Das dritte Kapitel thematisiert die Method(olog)ischen Konsequenzen, die sich aus der eingenommenen gouvernementalen wie performativitätstheoretischen Perspektive ergeben. Hierzu wird zunächst entlang der Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Gender als epistemischem Ding der Fragen nach der Produktivität des Forschungsprozesses nachgegangen. Zentral scheint hierbei auch, dass Gender als epistemisches Ding sowohl den gesamten Forschungsprozess produktiv begleitet als auch durch seine Unabgeschlossenheit, Verschwommenheit und Vagheit zukunftsöffnende Potenziale bereithält. Auf der epistemologischen Grundlage des ›epistemischen Bruchs‹ betont ebenjene ›Phänomenotechnik‹ die untrennbare Verschränktheit von Theorie und Empirie. Der darauf folgende Abschnitt diskutiert Elternschaft als Dispositiv, um das konstitutive Netz, in welchem sich die elterlichen Subjekte materialisieren, in den Blick zu nehmen. Elternschaft wird hierbei als eine spezifische Macht-Wissen-Formation konzipiert, die nicht nur im ›Heute‹, sondern in Form eines ›Erbes‹ (Derrida) sowohl aus ›Vergangenheit‹ wie ›Zukunft‹ spricht. Abschnitt 3.3 diskutiert die aus der bisher erfolgten Perspektive resultierenden praktischen Erwägungen der Auseinandersetzung mit den wesentlichen Forschungsfragen. Neben einer kurzen Darstellung des Forschungsprojekts Väter in Elternzeit, aus dem ein wesentlicher Teil des hier herangezogenen Materials hervorgegangen ist, finden sich Bezüge auf das Thema des Interviewleitfadens als diskursivem Kristallisationspunkt wie auch eine Auseinandersetzung mit dem Verfahren des Interviews als Subjektivationstechnik. Auch findet sich in diesem

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Die Regierung der Elternzeit

Abschnitt eine Darstellung der Familienberichte, welche das Interviewmaterial ergänzen. Beschlossen werden diese Ausführungen durch eine Darstellung der Analysestrategie. Auch dieses Kapitel wird durch ein Zwischenfazit subsumiert. Das vierte Kapitel, Die Regierung der Elternzeit, arbeitet entlang der Familienberichte der verschiedenen Bundesregierungen die vielfältigen Verschränkungen von Familien-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkts- sowie Bevölkerungs- und Geschlechterpolitik heraus und perspektiviert diese in Bezug auf die Frage des Werdens elterlicher Subjekte innerhalb des Spannungsfeldes von Erwerbsarbeit und Familie. Hierbei treten nicht nur diverse Konstitutionen von Elternschaft zutage; die entwickelte Lesart des Materials kann zeigen, wie Familie, Partner- und Elternschaft von ökonomischen Rationalitäten durchdrungen werden und sich in einem teils spannungs- und konfliktreichen Verhältnis materialisieren – sowohl zwischen den Eltern als auch in Relation zur Erwerbsarbeit. Das Kapitel zeichnet hierzu in historisierter Perspektive die familienpolitischen Entwicklungen der 1970er und 1980er Jahre hin zur Einführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) 1986 nach und verfolgt die politischen Verschiebungen bis zur Novellierung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) 2007, mit der sowohl bereits vorhandene politische Zielsetzungen fortgeführt als auch ergänzt wurden. Das letzte Drittel des Kapitels widmet sich den neueren familienpolitischen Entwicklungen, wie sie bspw. innerhalb des achten Familienberichts von 2012 bis hin zur Einführung des ElterngeldPlus im Jahre 2015 ihren Ausdruck finden. Beschlossen wird die vorliegende Arbeit in Kapitel fünf durch ein zusammenfassendes Fazit und einen Ausblick.

2 Elternsubjekte im Spannungsfeld von Staat und Ökonomie »Von dem Moment an, wo die Bevölkerung […] als etwas auftaucht, das sich durchaus nicht auf die Familie reduzieren läßt, wechselt die Familie im Verhältnis zur Bevölkerung folglich auf eine niedrigere Ebene, sie erscheint als Element innerhalb der Bevölkerung. Sie ist also kein Modell mehr, sie ist ein Segment, ein einfach privilegiertes Segment, weil man, sobald man bei der Bevölkerung hinsichtlich des Sexualverhaltens, hinsichtlich der Demographie, der Kinderzahl, hinsichtlich der Konsumtion etwas erreichen will, sich an die Familie wenden muß.« (Foucault 2014c: 157)

Wie im vorherigen Kapitel deutlich wurde, wird in umfassender und komplexer Weise um das Thema Elternschaft gerungen. Das nachfolgende Kapitel nimmt diesen Faden dahingehend auf, als dass zunächst die grundlegenden Konzepte Gouvernementalität und Biopolitik in Anschluss an Michel Foucault dargestellt werden. Ergänzt werden diese durch die performativitätstheoretischen Überlegungen zu Geschlecht in Anschluss an Judith Butler. Die Verknüpfung scheint notwendig, da Foucault selbst nur vereinzelt und verstreut auf das Thema Geschlecht eingegangen ist. Diese geschlechtertheoretische Anreicherung erfolgt entlang des Themenbezugs der Elternzeit. Wie sich in Verbindung der Abschnitte 2.1 und 2.2 zeigen wird, erscheint für die Frage nach dem Werden elterlicher Subjektivitäten im Kontext der Elternzeit die wechselseitige Befragung der Perspektiven Foucaults und Butlers als sehr fruchtbar. Der zugrunde gelegte performativitätstheoretische Blick hebt hierbei insbesondere die wirklichkeitskonstituierenden Effekte jener von Foucault beschriebenen Regierungstechniken hervor, die, durch die dekonstruktive Perspektive Butlers, auch die Analyse der Geschlechterkonstitutionen schärft. Neben maß-

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Die Regierung der Elternzeit

geblichen Begriffen des Gouvernementalitätskontextes scheint, vor dem Hintergrund der Vorlesungen Foucaults von 1978 und 1979, eine Auseinandersetzung mit den Verständnissen von Liberalismus und Neoliberalismus relevant. Zwar geht es in diesem Sinne nicht darum, die Begriffe an und für sich zu ›klären‹, jedoch ihre Verwendung und Unterscheidung für die zugrunde liegende Arbeit herauszustellen. Der hieran anschließende Abschnitt 2.2 vertieft diese Überlegungen subjektivationstheoretisch. Dazu findet zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Thema Subjektivation in Anschluss an Foucault und Butler statt, welches insbesondere auf seine geschlechtlichen Wirkungen hin diskutiert werden soll. In diesem Zusammenhang werden die grundlegenden Überlegungen zur Dekonstruktion Jacques Derridas eingehend behandelt, die ebenso geschlechtertheoretisch orientiert erfolgt. Wie dieser zweite Abschnitt zeigen wird, erscheint für die Forschungsfrage nach dem Werden von Eltern im Kontext der Elternzeit eine gemeinsame Lektüre der Theorien Butlers und Foucaults insbesondere deswegen erforderlich, da sie zum einen wesentliche Begriffe in Anschluss an die Überlegungen Butlers herausstellt, zum anderen jedoch unterstreicht, wie Prozesse der Subjektivation in einem Rahmen ebenjener gouvernemental‐biopolitischen Rahmungen eingebettet betrachtet werden müssen. Auf diese Weise ergibt sich ein geschlechtertheoretisch gewendeter Blick auf das Thema Gouvernementalität, der hinreichender für die Frage nach dem Werden elterlicher Subjektivitäten scheint. Abschließend werden die hier entworfenen Überlegungen in einem Zwischenfazit subsumiert.1

2.1

Staat, Ökonomie und Körper im Kontext Elternzeit

2.1.1

Die Regierung der Regierung: Gouvernementalität

Den Begriff Gouvernementalität führt Foucault erstmals in seiner Vorlesungsreihe von 1978 bis 1979 unter dem Topos der Geschichte der Gouvernementalität ein.2 Er leitet 1 Da im Verlauf des Kapitels an einigen Stellen bereits exemplarisch auf Inhalte des Untersuchungsmaterials eingegangen wird, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine ausführliche Auseinandersetzung mit der method(olog)ischen Perspektive in Kapitel 3 erfolgt. 2 Die Forschungen zum Thema Gouvernementalität bzw. Studies of Gouvernementality (Osborne 2001 bzw. auch Kapitel 3) nahmen in programmatischer Weise, wie Thomas Lemke (2000: 31) festhält, zu Beginn der 1990er Jahre mit dem Sammelband The Foucault Effect. Studies in Gouvernementality (Burchell/Gordon/Miller 1991) ihren Lauf, wobei damit nicht gesagt werden soll, dass das Buch hierbei einen Ursprung darstellt, sondern ab diesem Zeitraum zahlreiche Monographien, Aufsätze und Vorträge entstanden sind. Ein umfassender Überblick ist hierbei kaum möglich. Siehe jedoch als Ausgangspunkte: Lemke 2000; Krasmann/Volkmer 2007; Reckwitz 2010; Bröckling/Krasmann/Lemke 2011; Lemke/Krasmann/Bröckling 2012; Bröckling 2017.

2 Elternsubjekte im Spannungsfeld von Staat und Ökonomie

sich vom französischen Adjektiv gouvernemental (d.h. »die Regierung betreffend«) her (Lemke 2008b: 260) und steht bei Foucault für diverse Handlungsformen und Praxisfelder, »die in vielfältiger Weise auf die Lenkung und Leitung von Individuen und Kollektiven zielen« (ebd.; vgl. auch Foucault 2005e: 116). Foucault erklärt in der Vorlesung vom 1. Februar 1978, dass er mit dem Begriff Gouvernementalität drei Dinge sagen möchte: »Ich verstehe unter ›Gouvernementalität‹ die aus den Institutionen, den Vorgängen, Analysen und Reflexionen, den Berechnungen und den Taktiken gebildete Gesamtheit, welche es erlauben, diese recht spezifische, wenn auch sehr komplexe Form der Macht auszuüben, die als Hauptzielscheibe die Bevölkerung, als wichtigste Wissensform die politische Ökonomie und als wesentliches technisches Instrument die Sicherheitsdispositive hat. Zweitens verstehe ich unter ›Gouvernementalität‹ die Tendenz oder die Kraftlinie, die im gesamten Abendland unablässig und seit sehr langer Zeit zur Vorrangstellung dieses Machttypus geführt hat, den man über alle anderen hinaus die ›Regierung‹ nennen kann: Souveränität, Disziplin und die einerseits die Entwicklung einer ganzen Serie spezifischer Regierungsapparate [und andererseits] die Entwicklung einer ganzen Serie von Wissensarten nach sich gezogen hat. Schließlich denke ich, daß man unter ›Gouvernementalität‹ den Vorgang oder vielmehr das Ergebnis des Vorgangs verstehen sollte, durch den der mittelalterliche Staat der Gerichtsbarkeit, der im 15. und 16. Jahrhundert zum Verwaltungsstaat wurde, sich nach und nach ›gouvernementalitisiert‹ hat.« (Foucault 2014c: 162f.) Die Auseinandersetzung um den Komplex der Regierung und des Regierens wurde als Korrektur bzw. Verschiebung in Foucaults Machtanalytik notwendig, die sich während der 1970er Jahren vollzog (ausführlich auch Saar 2007). Wie der Soziologe Thomas Lemke darstellt, folgte Foucault bis zu Überwachen und Strafen (Foucault 2014d) einer Konzeption von Macht, die mit Nietzsche gegen eine juridische Machtkonzeption argumentierte und Macht vor allem in Begriffen von Kampf, Krieg und Konfrontation dachte (Lemke 2008b: 261; vgl. auch Saar 2007: 36; Vogl 2017: 213). Foucaults »Mikrophysik der Macht« (Foucault 2014d: 41), wies, Lemke folgend, zwei zentrale Probleme auf: Einerseits lag der Schwerpunkt vorwiegend auf dem individuellen Körper und dessen disziplinierender Zurichtung, ohne jedoch Prozessen der Subjektivation in umfassender Weise Beachtung zu schenken; andererseits schien es unzureichend, dass Foucaults Kritik sich einseitig auf lokale Praktiken und spezifische Institutionen richtete (wie Gefängnis oder Klinik)3 ohne jedoch ›den‹ Staat selbst als Resultat gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse zu 3 Siehe hierzu Überwachen und Strafen (Foucault 2014d), Wahnsinn und Gesellschaft (2013c), Psychologie und Geisteskrankheit (2012c) oder Die Geburt der Klinik (2011) bzw. ergänzend auch die Vorlesungen Foucaults seit den 1970er Jahren am Collège de France (vgl. auch Saar 2007: 25ff.).

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Die Regierung der Elternzeit

begreifen (Lemke 2008b: 261; Lemke/Krasmann/Bröckling 2012: 8). Foucault zufolge wurde deshalb eine Verknüpfung der »Mikromächte« mit jenen »Makromächten« des Staates notwendig (2014c: 514; siehe auch Lemke 2007: 50; 2008b: 261). Der Begriff der Regierung nimmt hierbei eine bedeutsame Stellung innerhalb Foucaults Spätwerk ein, da die mit ihm verbundenen Verschiebungen im Rahmen der Foucault’schen Machtanalytik zum einen die Kritik an gängigen Konzepten und Vorstellungen von Macht beibehalten (Foucault 2005f: 259; 2005b)4 , zum anderen jedoch durch die Verknüpfung von Mikro- und Makromacht eine Scharnierfunktion (Foucault 2014c: 520-524; siehe auch Saar 2007: 30; Vogl 2017: 213) entsteht, die sowohl die genannten Kritikpunkte an der bisherigen Machtanalytik adressiert als auch darüber hinaus eine wichtige Funktionen erfüllt: »Erstens vermittelt er zwischen Macht und Subjektivität. Auf diese Weise wird es möglich zu untersuchen, wie Herrschaftstechniken sich mit ›Praktiken des Selbst‹ […] verknüpfen und Formen politischer Regierung auf Techniken des ›Sich‐selbstRegierens‹ rekurrieren. Zweitens erlaubt die Problematik der Regierung eine systematische Untersuchung der von Foucault immer wieder herausgestellten engen Beziehung zwischen Machttechniken und Wissensformen.« (Lemke 2008b: 261 – Kursivierung B.N.; vgl. auch Foucault 2005c: 889) Auf diese Weise bündelt der Begriff Gouvernementalität Aspekte der Regierung (›gouverner‹) sowie spezifischer Denkweisen bzw. Rationalitäten (›mentalité‹) (Lemke 2000: 32; siehe auch Lemke/Krasmann/Bröckling 2012: 8). Im Fokus seiner Geschichte der Gouvernementalität steht für Foucault nicht die Rekonstruktion der Entstehung und Transformation politischer Strukturen, sondern, wie Lemke (2008b: 261) ausführt, die »Institutionalisierung staatlicher‐rechtlicher Formen in ihrer Beziehung zu historischen Subjektivierungsmodi«. Der Begriff der Regierung ist hierbei nicht nur auf seine heutige politische Dimension beschränkt, sondern in einem weiten Sinne gefasst, den er bis zum Ende des Mittelalters besaß (Foucault 2005c: 900; 2014c: 181ff.;). ›Regierung‹ war zu dieser Zeit weder mit staatlichen Institutionen identisch noch auf das politische System beschränkt, sondern bezog sich auf die verschiedensten Formen der Führung von Menschen (Lemke/Krasmann/Bröckling 2012: 10). Foucault führt hierzu aus: 4 Hierbei handelt es sich um ein »produktivistisches Machtkonzept« (Reckwitz 2008a: 31), dass Macht nicht als etwas den Subjekten äußerliches oder ›negatives‹ fasst. Foucault erklärt: »Wenn wir […] davon ausgehen, dass Macht nicht in erster Linie die Funktion hat zu verbieten, sondern zu produzieren, Lust zu schaffen, können wir verstehen, warum wir der Macht gehorchen und uns zugleich daran erfreuen […], was nicht unbedingt als masochistisch einzustufen wäre.« (Foucault 2005a: 238; vgl. auch 2005b) Dieses produktive Verständnis von Macht wird auch in Foucaults späten Arbeiten zu ›Technologien des Selbst‹ weiter ausgearbeitet (z.B. 2005c; 2005d).

2 Elternsubjekte im Spannungsfeld von Staat und Ökonomie

»Der Ausdruck ›Führung‹ (conduite) vermag in seiner Mehrdeutigkeit das Spezifische an Machtbeziehungen vielleicht noch am besten zu erfassen. ›Führung‹ heißt einerseits, andere (durch mehr oder weniger strengen Zwang) zu lenken, und andererseits, sich (gut oder schlecht) aufzuführen, also sich in einem mehr oder weniger offenen Handlungsfeld zu verhalten. Machtausübung besteht darin, ›Führung zu lenken‹, also Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit von Verhalten zu nehmen. Macht gehört letztlich weniger in den Bereich der Auseinandersetzung zwischen Gegnern oder der Vereinnahmung des einen durch den anderen, sondern in den Bereich der ›Regierung‹ in dem weiten Sinne, den das Wort im 16. Jahrhundert besaß.« (2005b: 256) In diesem (weiten) Sinne bezieht sich der Begriff der Regierung(stechnologien und -techniken) einerseits auf die Führung von Menschen z.B. bezüglich der Regierung und Führung des Selbst, der Familie, der Kinder, der Seelen, aber auch des Gemeinwesens oder eines Geschäfts (Lemke 2008b: 261; Folkers/Lemke 2014: 17; vgl. auch Foucault 2005c). Er beinhaltet andererseits deutliche Aspekte der Regulierung, weshalb beides in eins fällt und Regierung in diesem Sinne immer auch Reg(ul)ierung ist.5 Wie Lemke hervorhebt, erscheint Foucaults Geschichte der Gouvernementalität damit auch als eine »Geschichte des Subjekts« (2008b: 261). Foucaults Arbeiten besitzen wenige Ausführungen in Bezug auf geschlechtertheoretische (und -politische) Fragen. Diese sind zwar vereinzelt vorhanden und über das Werk verstreut (Ludwig 2010: 43; Kerner/Saar 2015), dennoch besteht die Notwendigkeit, die Überlegungen zu Gouvernementalität geschlechtertheoretisch zu ergänzen.6 Eine solche Ergänzung wird nicht nur hinsichtlich der Forschungsfrage nach Konstitutionen von Geschlecht bzw. Elternschaft ergänzungsbedürftig, sondern auch, da die regierten Subjekte keine geschlechtlich ›neutralen‹ sind (Ludwig 2010: 45; vgl. auch Butler 1997: 32; Villa 2003: 87; Ludwig 2009: 90).7 Dies scheint auch in Bezug auf Biopolitik, Generativität und Reproduktionsarbeit als 5 Dieser weite Regierungsbegriff Foucaults erlaubt es, Thomas Lemke, Susanne Krasmann und Ulrich Bröckling (2012: 10) zufolge, wie Norbert Elias’ Zivilisationsbegriff »Subjektivierung und Staatsformierung unter einer einheitlichen Perspektive zu untersuchen«. Im Unterschied zu Elias geht es Foucault jedoch nicht darum, eine allgemeine Theorie der Zivilisation (bzw. des Staates) zu schreiben oder diese in einer einheitlichen historischen Entwicklungslogik aufgehen zu lassen, sondern um eine Analyse heterogener und diskontinuierlicher ›Regierungskünste‹ (ebd.; Lemke 2000: 33). 6 Wobei zu beachten ist, dass die je spezifische Färbung aus dem Spektrum der geschlechtertheoretischen Bezüge hier als konsequenzenreich‐konstitutiv für die so ergänzten gouvernementalen Analysen zu sehen ist (siehe auch Kapitel 3). 7 Siehe auch allgemein zum Verhältnis von Staat und Geschlecht bzw. feministischer Staatstheorie siehe Gundula Ludwig, Birgit Sauer und Stefanie Wöhl (2009) sowie Gundula Ludwig (2016) oder auch Regina Dackweiler und Reinhild Schäfer (2010).

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wesentlich (s.u.). Die zu regierenden wie regierten Subjekte werden dabei, in Butlers Perspektive, über die jeweiligen Regierungstechniken (und -technologien) konstituiert, die weitgehend einer heteronormativen Matrix folgen. Gundula Ludwig konstatiert hinsichtlich der Verbindung von Subjektivation und Selbsttechnologien in Anschluss an Butler: »Die Materialisierung von Geschlecht in einen weiblichen oder männlichen Körper, der als naturgegeben gelebt wird, ist ebenso ein entscheidendes Element, über den der Körper zum ›eigenen‹ und damit regierbar wird. Die Vorstellung eines inneren, eigentlichen vergeschlechtlichten Kerns wird zu einem wichtigen Transmitter, über den die Subjekte Regierungstechniken in Selbsttechnologien übersetzen, indem sie ein Selbstverhältnis zum eigenen Körper entwickelt.« (Ludwig 2010: 45) Dadurch werden, wie Ludwig treffend formuliert, jene ›freien‹ und ›souveränen‹ Subjekte immer als geschlechtliche adressiert (ebd.). Solche Verbindungen spielen insbesondere auch bezüglich des elternzeitlichen Kontextes eine wichtige Rolle, da auch hier nicht geschlechtlich neutrale Subjekte adressiert werden, sondern auf diese häufig in geschlechterdifferenzierender Weise als ›Mütter‹ und ›Väter‹ Bezug genommen oder bestimmte Tätigkeiten in naturalisierender Form an ein Geschlecht gebunden wird, wie dies bspw. häufig im Zusammenhang mit dem Stillen innerhalb der Interviews geschah. Eine geschlechtertheoretisch gewendete Gouvernementalitätsperspektive hat demzufolge jene Konstitutionsprozesse von Geschlecht im Blick, in dessen relationalem Gefüge sich ›Staat‹ sowie vergeschlechtliche und vergeschlechtlichende Subjektivität hervorbringen (siehe auch Bargetz/Ludwig/Sauer 2015). Ludwig betont, dass mit der Auseinandersetzung der Bedingtheiten jener historisch situierten Formen der Subjektivation gleichzeitig immer auch eine Kritik an jenen historischen Konstitutionsbedingungen ›des Staates‹ und vice versa verbunden ist. »Die Kehrseite des Arguments des ko‐konstitutiven Verhältnisses von Staat und vergeschlechtlichten Subjekten ist, dass die Kritik an bestehenden Formen von Subjektkonstitution zugleich auch den Versuch beinhaltet, eine andere Form von Staat zu ermöglichen.« (Ludwig 2010: 48 – Herv. B.N.) In diese Richtung weisen auch die neueren Arbeiten Butlers (Butler 2009; 2010; 2012b; 2012c; Butler/Athanasiou 2013; Butler 2016). Butler selbst macht dieses konstitutive Wechselverhältnis deutlich, wenn sie betont, dass man nicht zunächst von einer Ontologie des Körpers ausgehen könne, um sich anschließend bzw. nachträglich mit ihren sozialen Bedingungen zu befassen: »Körper sein heißt vielmehr, gesellschaftlichen Gestaltungskräften und Formierungen ausgesetzt sein, weshalb die Ontologie des Körpers immer schon soziale Ontologie ist.« (Butler 2010: 11) Geschlechtskörper sind diesen gesellschaftlich‐politischen Gestaltungskräften ausge-

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setzt wie auch den Forderungen des sozialen Zusammenlebens, seien es jene der Sprache, des Erwerbslebens, des Begehrens (ebd.) oder auch der Generativität bzw. Reproduktion. Im Zusammenhang mit Elternzeit wird das Thema der Sprache u.a. dergestalt relevant, als der Begriff ›Partnermonate‹ dahingehend performativ wirksam wird, dass er nicht selten zu ›Vätermonate‹ wird, in deren Kontext viele Väter lediglich die ihnen vermeintlich zugestandenen zwei Monate Elternzeit in Anspruch nehmen. Hier zeigt sich die Produktivität des generischen Maskulinums. Auch die Bedeutung der strukturierenden Wirkungen des Erwerbssystems kann in diesem Kontext kaum überschätzt werden. In den vergeschlechtlichten wie vergeschlechtlichenden Relationen von öffentlich/privat, bezahlter/unbezahlter Tätigkeit, die häufig auch in einem Verhältnis von Haus- und Sorgearbeit zu Erwerbstätigkeit stehen, re-/produzieren sich häufig vielfältige Geschlechter/in/differenzen (z.B. Ludwig 2009: 90, 100; Ludwig 2010: 45ff., 2011; Neumann 2016a; Neumann/Meuser 2017: 99). So konstituieren, um ein Beispiel zu nennen, betriebliche Programme zur Elternzeit, die sich dezidiert an Frauen oder Mütter richten, eine andere – in diesem Fall geschlechterdifferenzierende – Strukturierung hinsichtlich Familie und Elternschaft, als dies bei Maßnahmen der Fall wäre, die sich geschlechterindifferent an Eltern richten und die Elternteile in gleichwertiger Weise adressieren. Es stellt sich in Bezug auf das Begehren die Frage, ob und wenn ja, inwieweit sich eine heteronormative Matrix im Anschluss an die Arbeiten Butlers in Bezug auf das zugrunde liegende Material bzw. den Topos der Elternzeit zeigen lässt bzw. ob sich hierbei im Zeitverlauf Verschiebungen abzeichnen.8 In diesem Sinne sind 8 Über die Verbindung von staatlicher Heteronormativität in Relation zu technischer Bedingtheit berichtet bspw. der Berliner Tagesspiegel in einem Artikel über die »Ehe für alle«. Da die Software der Standesämter nur »Mann und Frau« kenne, muss sich ein Ehepartner/eine Ehepartnerin mit »falschem« Geschlecht registrieren lassen (Ziebula 2017). Zwar lässt sich argumentieren, dass sich solche technischen Probleme durch entsprechende Software-Updates beheben lassen, wie Patrick Beuth (2017) argumentiert. Die Notwendigkeit selbst verweist jedoch auf eine grundlegend heteronormative Strukturierung, die hier zu Problemen führt und gleichzeitig (auch) medientechnologisch bedingt ist, da ohne eine solche Strukturierung jene Softwareteile nicht aktualisiert werden müssten. Dass die Problematik geschlechtlich‐konstitutive Folgen nach sich ziehen kann, erklärt der im Artikel von Milan Ziebula (2017) zitierte Standesbeamte: »Volker Weber, Standesbeamter in Neukölln, rät gleichgeschlechtlichen Paaren, noch bis Ende 2018 zu warten mit der Hochzeit. ›Wenn wir zwei Männer als ›Frau‹ und ›Mann‹ ins elektronische Register eintragen, steht dann da auf immer und ewig drin, dass sie ›Mann‹ und ›Frau‹ sind.‹. Das sei zwar für den Alltag kaum relevant. Sollten die Partner später jedoch eine beglaubigte Abschrift des Eheregisters benötigen, lasse sich der Eintrag nicht ändern. Solch eine Abschrift wird in Scheidungsfällen gebraucht. ›Die Ehe für alle ist ja vor allem für Menschen wichtig, die adoptieren wollen. Wenn keine Adoption geplant ist, dann empfehlen wir den Paaren doch noch eine Weile zu warten‹, sagt Stadtrat Jochen Biedermann.« (Ebd.) Insbesondere in Bezug auf das Thema Adoption wird ersichtlich, wie jene heteronormativ strukturierte technische Bedingtheit konstitutiv das Werden diverser Elternsubjekte reguliert. Siehe bzgl. Heteronormativität und Staatlichkeit z.B. Gundula Ludwig (2017).

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all diese von Butler genannten Facetten auf die eine oder andere Art auch mit den Themen Generativität und Reproduktion(sarbeit) verschränkt, welche im Kontext der Elternzeit in Kapitel 4 noch vertiefend thematisiert werden. In diesem Zusammenhang schließen dann, neben der Frage nach geschlechterkonstitutiven und geschlechterregulierenden Techniken der Regierung, auch die Fragen nach Ambivalenzen, Widersprüchen oder Paradoxien an, da jene machtvoll‐konstitutiven Effekte im Sinne Foucaults und Butlers immer in einem Spannungsfeld von »Zwang und Freiheit« bzw. »autonomer Selbstführung und disziplinärer Unterwerfung« funktionieren (Lemke 2000: 41). Dadurch lässt sich der von Thomas Lemke benannte Problemkomplex der Gouvernementalitätsstudien zu Fragen nach sozialen Kämpfen und politischen Widerständen (ebd.: 42), um eine geschlechtliche Dimension ergänzen.9 Es zeigt sich, dass der Begriff der Regierung jenseits seiner aktuellen politischen Bedeutung auf ein ganzes Bouquet unterschiedlicher Handlungsformen und Praxisfelder rekurriert, welche »in vielfältiger Weise auf die Lenkung, Kontrolle, Leitung von Individuen und Kollektiven zielen und gleichermaßen Formen der Selbstführung wie Techniken der Fremdführung umfassen« (Lemke/Krasmann/Bröckling 2012: 10; siehe auch Lemke 2000: 37; Foucault 2005c; 2005d). In diesem Sinne zielen Foucaults Analysen dann auch auf die Untersuchung und Identifizierung spezifischer Rationalitäten der Regierung bzw. des Regierens (Lemke/Krasmann/Bröckling 2012: 12). Diese Ausübung der Macht, die auf eine bestimmte Art und Weise ›rationalisiert‹ wird, wirkt durch die Entstehung und Verwendung bestimmter Begriffe und Konzepte, der Spezifikation bestimmter Gegenstände, aber auch durch die Konstitution von Grenzen oder das Vorhandensein spezifischer Argumente oder Begründungen (Lemke 2000: 32). Dadurch ist der Foucault’sche Begriff der Regierung weder mit konkreten Inhalten oder einer bestimmten Methodik identisch, noch bezeichnet er, Lemke folgend, eine bestimmte Form der »Problematisierung«. Vielmehr performiert die(se) Reg(ul)ierung einen politisch‐epistemologischen Raum, in dem bestimmte Probleme auftauchen können, und bietet entsprechende Lösungs- und Bearbeitungsstrategien, die jedoch innerhalb dieses Raums selbst konfligierend oder widersprüchlich sein können (ebd.). Aufgrund dessen erscheint Regierung als eine bestimmte Interventionsfigur, die keineswegs neutral ist: »Eine politische Rationalität ist nämlich kein reines und neutrales Wissen, das die zu regierende Realität lediglich ›re‐präsentiert‹, sondern stellt selbst bereits eine intellektuelle Bearbeitung der Realität dar, an der dann politische Technologien 9 Selbstverständlich lässt sich der benannte Problemkomplex nicht nur um eine geschlechtliche Komponente, sondern um vielfältige weitere Differenzmarker ergänzen. Wobei im Kontext dieser Arbeit insbesondere auf die Frage nach Geschlecht abgehoben wird.

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ansetzen können. Darunter sind Apparate, Verfahren, Institutionen, Rechtsformen etc. zu verstehen, die es erlauben sollen, die Objekte und Subjekte einer politischen Rationalität entsprechend zu regieren.« (Ebd.: 32f.) Es geht hier, wie in den Untersuchungen Foucaults, also um die Auseinandersetzung mit bestimmten Formen ›politischen Wissens‹, womit nicht die Frage nach dem Verhältnis bestimmter Praktiken und Rationalität, ihrer Entsprechung bzw. Nicht-Entsprechung im Sinne einer mehr oder weniger verzerrten oder verkürzten ›Vernunft‹ gemeint ist, sondern die Legitimierung von Herrschaft vor dem Hintergrund einer spezifischen Rationalität, mit der häufig auch eine Verschleierung bestimmter Zwangs- oder Gewaltverhältnisse verbunden ist. Eine politische Rationalität ist dann, wie Thomas Lemke, Susanne Krasmann und Ulrich Bröckling (2012: 20) treffend konstatieren, eine spezifische Rationalität der Politik und keine bloße Reflexion über Politik. Das heißt, es geht insbesondere um die in das politische Handeln eingelassenen Wissensordnungen und die spezifischen Rationalitäten mit denen dieses Wissen das politische Handeln trägt und produktiv hervorbringt. Im Mittelpunkt steht für Foucault nicht die Frage, ob sich bestimmte Regierungspraktiken nach wie auch immer definierten Rationalitätsgrundsätzen richten (oder nicht), sondern sich vielmehr damit zu befassen, auf welcher Grundlage die vorfindbaren Rationalitäten10 gründen (ebd.). Wesentlich bleibt festzuhalten, dass jene gouvernementale Perspektive Foucaults ›den Staat‹ nicht im Rahmen einer Staatstheorie untersucht, da dies ein ›Wesen des Staates‹ unterstellen würde: »Es geht nicht darum, diese ganze Gesamtheit von Praktiken von dem abzuleiten, was das Wesen des Staates an und für sich selbst wäre. Wir müssen zuallererst ganz einfach deshalb auf eine solche Analyse verzichten, weil die Geschichte keine deduktive Wissenschaft ist und zweitens wohl noch aus einem wichtigeren und schwerwiegenderen Grund, weil nämlich der Staat gar kein Wesen hat. Der Staat ist kein Universale, der Staat ist an sich keine autonome Machtquelle. Der Staat ist nichts anderes als die Wirkung, das Profil, der bewegliche Ausschnitt einer 10 Der Rationalitätsbegriff, der hier zum Tragen kommt, bezieht sich Lemke, Krasmann und Bröckling zufolge nicht auf eine transzendentale Vernunft, sondern adressiert die diversen historischen Praktiken, die im Rahmen bestimmter Wahrnehmungs- und Beurteilungsstrategien konstituiert werden (2012: 20). Hierdurch ergibt sich keine normative Wertung, sondern vor allem eine relationale Bedeutung bzw. Beziehung. Es geht dabei also nicht darum, die Dinge an etwas Absolutem zu messen, sondern zu betrachten, wie bestimmte Rationalitätsformen sich selbst in Praktiken oder ganze Systeme von Praktiken einschreiben und die Frage, welche Rolle sie hierbei innerhalb dieser Systeme spielen (ebd.). Dieser relationale Charakter jener Rationalitäten bedeutet deshalb jedoch gerade nicht, dass es sich dabei um neutrale Wissensordnungen handelt.

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ständigen Staatsbildung oder ständiger Staatsbildungen, von endlosen Transaktionen, die die Finanzierungsquellen, die Investitionsmodalitäten, die Entscheidungszentren, die Formen und Arten von Kontrolle, die Beziehungen zwischen den lokalen Mächten und der Zentralautorität usw. verändern, verschieben, umstürzen oder sich heimtückisch einschleichen lassen. Kurz, der Staat hat keine Innereien – das ist bekannt –, nicht nur in dem Sinne, daß er keine Gefühle hat, weder schlechte noch gute, sondern er hat keine Innereien in dem Sinne, daß er kein Inneres hat. Der Staat ist nichts anderes als der bewegliche Effekt eines Systems von mehreren Gouvernementalitäten.« (Foucault 2006: 115 – Kursivierung B.N.) Womit jedoch nicht gesagt wird, dass es keinen ›Staat‹ gebe oder dass dieser keine Rolle innerhalb gouvernementaler Analysen spielen würde Es geht vielmehr darum, ›den Staat‹ nicht in homogenisierender Weise vorauszusetzen, sondern ihn als Verhältnis differenzieller Kräfteverhältnisse in den Blick zu nehmen (Lemke 2000: 41; vgl. auch Lemke 2007: 51ff.; Saar 2007: 33; Vogl 2017: 214f.). Auch die Foucault’sche Verwendung des Plurals in Bezug auf das »System von mehreren Gouvernementalitäten« verweist darauf, dass es auch innerhalb ›des‹ Staats zum einen verschiedene Regierungsrationalitäten geben kann und zum anderen auch verschiedene Formen von Biopolitik koexistieren können (Saar 2007: 34), so dass Gouvernementalität im Sinne Foucaults ein durchaus heterogener Kreuzungspunkt bleibt. Auch Butler folgt diesem diffundierten Verhältnis von Macht in Bezug auf Staatlichkeit (Butler 2013b: 124). Dies verhindere jedoch nicht, dass Macht in souveräner, zentrierter Weise »phantasiert oder arrangiert« werde (ebd.: 125). Foucaults historisch situierte Analysen11 münden dabei in einer Auseinandersetzung mit dem Aufkommen ›des‹ Liberalismus, die er dabei nicht, wie Lemke (2008b: 262) darstellt, als eine politische Ideologie oder ökonomische Doktrin, sondern als eine spezifische Kunst des Regierens begreift. Eine zentrale Frage, um die der Liberalismus Foucault zufolge kreist, lautet, wie viel (bzw. wenig) regiert werden sollte, um für die Individuen möglichst viel Freiheit zu garantieren. »Der Liberalismus ist vom Prinzip durchdrungen: ›Es wird stets zuviel regiert‹.« (Foucault 2006: 437) Die liberale Regierung zielt dabei, wie Lemke (2008b: 262) ausführt, weder auf ein jenseitiges Heil noch auf das Wohl des Staates, sondern bindet eine spezifische Rationalität der Regierung an ein ihr äußerliches Objekt: die bürgerliche 11 Wobei sich die gesamte Vorlesungsreihe Foucaults von 1977/1978 (2014c) mit der Entwicklung und Darstellung dieser historisierten These Foucaults befasst, weshalb auf eine tiefgreifendere Darstellung aus Platzgründen verzichtet wird. Die Entstehung dieses Regierungswissens reicht dabei »von den antiken griechischen und römischen Führungskonzepten über die frühzeitliche Staatsräson [insb. 2014c: 369ff.] und die Polizeiwissenschaft [ebd.: 458ff.] bis hin zu liberalen [2006: 49ff., 94] und neoliberalen Theorien [ebd.: 112ff.]« (Lemke 2008b: 262 – das Zitat wurde durch entsprechende Verweise auf Foucaults Vorlesungen von 1977 bis 1979 ergänzt, B.N.).

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Gesellschaft12 sowie die vermeintliche Naturalität der Bevölkerungsprozesse. Die Freiheit der Individuen wird dabei zum Maßstab des Regierungshandelns (ebd.: 263). Dabei verweist Foucault darauf, dass der Begriff der ›Freiheit‹ in diesem Kontext nicht mit einem Mehr an unkontrollierten »weißen Feldern« zu verwechseln sei und verdeutlicht damit zudem auch (s)einen konkreten Bezug auf den Begriff ›liberal‹: »Die Freiheit ist niemals etwas anderes – aber das ist schon viel – als ein aktuelles Verhältnis zwischen Regierenden und Regierten, ein Verhältnis, bei dem das Maß des ›zu wenig‹ an bestehender Freiheit durch das ›noch mehr‹ an geforderter Freiheit bestimmt wird. Wenn ich also ›liberal‹ sage, ziele ich folglich nicht auf eine Form der Gouvernementalität ab, die der Freiheit mehr weiße Felder überließe.« (Foucault 2006: 97) Nach Foucault geht es hierbei nicht darum, dass die liberale Regierungspraxis sich damit begnüge, die Freiheit zu respektieren oder zu garantieren, sondern sie performiert diese in einem tieferen Sinne, indem sie in regulativer Weise den Rahmen dieser Freiheit organisiert (auch Saar 2007: 37):13 »Die neue gouvernementale Vernunft braucht also die Freiheit, die neue Regierungskunst vollzieht Freiheit. Sie vollzieht Freiheit, d.h., sie ist verpflichtet, Freiheiten zu schaffen. Sie ist verpflichtet, sie zu schaffen und sie zu organisieren. Die neue Regierungskunst stellt sich also als Manager der Freiheit dar, und zwar nicht im Sinne des Imperativs: ›Sei frei‹, was den unmittelbaren Widerspruch zur Folge hätte, die dieser Imperativ in sich trägt. Es ist nicht das ›Sei frei‹, was der Liberalismus formuliert, sondern einfach Folgendes: ›Ich werde dir die Möglichkeit zur Freiheit bereitstellen. Ich werde es so einrichten, daß du frei bist, frei zu sein‹.« (Foucault 2006: 97) Damit wird deutlich, dass diese bedingte Freiheit selbst ein relationales Verhältnis darstellt: Das Performativ der Freiheit erzeugt diese nicht nur, sondern begrenzt diese zugleich und droht sie zu zerstören (ebd.: 98). So führt Foucault weiter aus: »Die Freiheit ist etwas, das in jedem Augenblick hergestellt wird. Der Liberalismus akzeptiert nicht einfach die Freiheit. Der Liberalismus nimmt sich vor, sie in jedem Augenblick herzustellen, sie entstehen zu lassen und sie zu produzieren mit der [Gesamtheit] von Zwängen, Problemen und Kosten, die diese Herstellung mit sich bringt.« (Ebd.: 99) 12 Siehe zur Rolle der bürgerlichen Gesellschaft auch die Vorlesung Foucaults vom 4. April 1979, insb. 405ff. 13 Im Hinblick auf das BEEG wird sich bspw. noch zeigen, wie eine ganz spezifische ›Wahlfreiheit‹ als Rahmen installiert wird (Kapitel 4).

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Mit diesem Mehr an Freiheit geht jedoch auch ein Mehr an Kontrolle einher, die notwendig scheint, um das fragile Gleichgewicht aufrecht zu halten. Foucault nennt dies die »Zweischneidigkeit« aller Dispositive, die man als »freiheitserzeugend« bezeichnen könnte. Diese führen immer auch die Gefahr mit sich, genau das Gegenteil hervorzubringen (ebd.: 105). Auch deshalb darf die liberale Freiheit nicht unbegrenzt gelten, sondern bedarf, aufgrund ihrer Fragilität, entsprechender Sicherheitstechnologien (ebd.: 99).14 Deren wesentliche Funktion liegt Foucault (2014c: 506) zufolge darin, nicht in die vermeintliche Natürlichkeit jener Wirtschafts- oder Bevölkerungsprozesse einzugreifen, sondern deren Zirkulation zu garantieren. Dabei steht das konstitutive Wechselverhältnis von Freiheit und Sicherheit im Zentrum dieser neuen gouvernementalen Vernunft (Foucault 2006: 100). Dies markiert einen wesentlichen Zug hinsichtlich dieser Form moderner, d.h. neo-/liberaler Gouvernementalität: Der Ausgangspunkt dieser Sicherheitstechnologien ist das (empirisch) ›Normale‹, an dem weitere Differenzierungen vorgenommen werden können: »Statt die Realität an einem zuvor definierten Soll auszurichten, nimmt die Sicherheitstechnologie die Realität selbst als Norm: als statistische Verteilung von Häufigkeiten, als Krankheits-, Geburten- und Todesraten etc.« (Lemke/Krasmann/Bröckling 2012: 13) Diese ›Dispositive der Sicherheit‹ ziehen dabei keine scharfen Grenzen zwischen Erlaubtem/Nicht-Erlaubtem, sondern spezifizieren ein ›optimales Mittel‹ mitsamt eines Korridors an Variationsmöglichkeiten (ebd.), an welchem sich jene Abweichungen konstituieren. Dadurch bedarf die durch den Liberalismus eingesetzte fragile Freiheit kontinuierlicher Interventionen, Regulationen und letztlich auch Überwachung und Kontrolle. So wird bspw. mit Bezug auf das Thema des BEEGs sehr genau erhoben, wer, wann, wie lange, wo in Deutschland Elternzeit und Elterngeld in Anspruch nimmt, wie sich diese Inanspruchnahme aufteilt, ob sie sich den Zielsetzungen entsprechend positiv oder negativ entwickelt usw. Damit ist jedoch auch eine Verschiebung zu früheren gouvernementalen Formen des Regierens angezeigt: Die Regierung des Staates hebt nicht mehr so sehr auf die einzelnen Individuen ab, die einer Reglementierung unterworfen sind, sondern vielmehr auf die Konstitution dieser neuen Wirklichkeit selbst (Foucault 2014c: 505). Dieses neue Grundprinzip ist darauf bedacht, die ›natürlichen‹ Prozesse zu achten, sie zu berücksichtigen, sie spielen zu lassen oder mit ihnen zu spielen (ebd.). Das meint, dass zwar Interventionen des Staates begrenzt werden (sollen), 14 Siehe zum Themenkomplex ›Sicherheit‹ im Kontext neo-/liberaler Staatlichkeit aus gouvernementaler Perspektive bspw. Patricia Purtschert, Katrin Meyer und Yves Winter (2008). Wobei ich den Autor*innen in ihrem Vorschlag, Foucaults Geschichte der Gouvernementalität als eine Staatstheorie zu lesen, nicht folge, da Foucault dies selbst ablehnte (siehe auch oben bzw. Foucault 2006: 115). Hilfreicher scheinen mir die Ausführungen Gundula Ludwigs (2010; 2011) zu einer poststrukturalistisch dezentrierten ›Staatstheorie‹ in Anschluss an Foucault und Butler.

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womit jedoch nicht lediglich eine Art negativer Grenze gemeint ist, sondern sich, so Foucault, ein ganzer Bereich an möglichen wie notwendigen Interventionen anschließt. Diese Interventionen zielen nicht in direkter Weise auf Reglementierung oder Disziplinierung, sondern versuchen über Beeinflussung, über das Setzen von Anreizen bestimmte Effekte zu zeitigen (ebd.: 506). Der Fokus liegt hierbei auf Verwaltung und weniger auf Reglementierung. Indem über eine bestimmte Rahmung bzw. Strukturierung Anreize gesetzt werden, die bestimmtes Verhalten wahrscheinlicher machen, kann Einfluss auf das Verhalten der Subjekte genommen werden, ohne diese in direkter Weise (z.B. über ein Verbot oder Bestrafung) reglementieren oder disziplinieren zu müssen. Exemplarisch lässt sich dies durch ein Zitat der Kommission des achten Familienberichts mit Blick auf Elterngeld und Elternzeit verdeutlichen: »Das Elterngeld zielt auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ab. Das kommt einerseits durch die maximal 14-monatige Bezugsdauer zum Ausdruck: Eine länger andauernde Phase des Erwerbsverzichts, in der die neu gegründete Familie für einen längeren Zeitraum im Mittelpunkt steht und die Erwerbstätigkeit erst später wieder eine Rolle spielt, wird dadurch nicht gefördert. Andererseits wird mit der Möglichkeit, bis zu 30 Wochenstunden erwerbstätig zu bleiben, ein durchgehender Kontakt zur Berufswelt aufrechterhalten, was die Arbeitsmarktpartizipation fördern und Anreize für einen frühen Wiedereinstieg in den Beruf setzen soll.« (BMFSFJ 2012: 71 – Kursivierung B.N.) Zwar scheint eine längere Erwerbsunterbrechung zwar prinzipiell möglich und wird damit nicht in direkter Weise sanktioniert, sie wird jedoch durch die Strukturierung des Gesetzes auch nicht gefördert bzw. soll nicht in gleicher Weise an Attraktivität gewinnen. Allerdings wird sowohl ein kontinuierlicher Kontakt zur jeweiligen Erwerbssphäre als auch ein schneller Wiedereinstieg explizit unterstützt. Auf diese Weise wird über die Strukturierung des Rahmens versucht, Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Entscheidungen der Eltern zu nehmen, ohne ihnen in direkter Weise (eher unerwünschte) Verhaltensweisen zu untersagen. Insofern erscheint auch die vielbeschworene ›Wahlfreiheit‹ der Eltern als eine bedingte Wahlfreiheit, da die elterliche Wahl vor allem im Sinne des gouvernementalen Rahmens erfolgen soll. Es wird deutlich, dass es hierbei nicht ausschließlich um Steuerung und Lenkung einzelner Subjekte geht, sondern die Reg(ul)ierung (auch) auf den Bevölkerungskörper als solchen abhebt, weshalb die bisher dargestellten Ausführungen zur Foucault’schen Gouvernementalität nachfolgend durch seine Überlegungen zur Biopolitik ergänzt werden. Der Begriff der Bevölkerung steht für Foucault hierbei an prominenter Stelle (2006: 42). Dass die Analyse von Biopolitik und gouvernementaler Rationalität eng verbunden ist, erklärt Foucault wie folgt:

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»Mir scheint jedoch, daß die Analyse der Biopolitik nur dann durchgeführt werden kann, wenn man die allgemeine Funktionsweise dieser gouvernementalen Vernunft verstanden hat, über die ich spreche, diese allgemeine Funktionsweise, die man die Frage nach der Wahrheit nennen könnte, zunächst nach der wirtschaftlichen Wahrheit innerhalb der gouvernementalen Vernunft, und dann, wenn man ein gutes Verständnis davon gewonnen hat, worum es bei dieser Funktionsweise des Liberalismus geht, der der Staatsräson entgegengesetzt ist oder sie vielmehr grundlegend modifiziert, ohne vielleicht die Grundlagen in Frage zu stellen. Wenn man also verstanden hat, was dieses Regierungssystem ist, das Liberalismus genannt wird, dann, so scheint mir, wird man auch begreifen können, was die Biopolitik ist.« (Ebd.: 43) Bevor jedoch auf die entscheidenden Modifikationen der Staatsräson bzw. neo-/liberaler gouvernementaler Vernunft eingegangen wird (Abschnitt 2.1.3), scheint es notwendig, Foucaults Überlegungen zum Begriff Biopolitik zu entfalten.

2.1.2

Die Regierung der Bevölkerung: Körper- und Biopolitik

Das Bundeselternzeit und Elterngeldgesetz (BEEG) markiert einen Schnittpunkt, an dem sich sowohl normative (gesetzlich, leitbildlich, Ziele) Vorgaben für einzelne Subjekte als auch bestimmte Zielsetzungen in Bezug auf Bevölkerung kreuzen. Selbstredend kann die Elternzeit bzw. das BEEG nicht losgelöst von anderen sozial- wie familienpolitischen Entwicklungen und Entscheidungen gelesen werden, soll aber als Ausgangspunkt für die Darstellung bestimmter Bezüge dienen, die sich innerhalb der familienpolitischen Debatten seit der Jahrtausendwende ergeben haben. Es werden nicht nur wirtschaftlich-ökonomische ›Notwendigkeiten‹ adressiert, sondern – damit konstitutiv in Verbindung stehend – auch Herausforderungen deutlich, die sowohl die demographische Entwicklung der Bundesrepublik betreffen als auch Elternschaft, Geschlecht und Arbeitsteilung. Dadurch spielt das Thema des ›Lebens‹ in direkter wie indirekter Weise eine wichtige Rolle innerhalb dieses Schnittpunktes. Nicht nur, weil das BEEG von Teilen der Politik als Instrument zur Steigerung der Geburtenrate gerahmt wird, sondern da u.a. insbesondere akademisch ausgebildete und besserverdienende Eltern adressiert werden und hierüber eine Verknüpfung von ›Qualität‹ und ›Quantität‹ erfolgt (vgl. Kapitel 1). Darüber hinaus spielt die Frage des Lebens auch hinsichtlich der Lebbarkeiten bestimmter Subjektivitäten, die in konstitutiver Weise mit den Regelungen des BEEGs einhergehen, eine Rolle, da nur jene elterlichen Praxen im Hinblick auf das Thema der ›Wahlfreiheit‹ gefördert werden, die der übergeordneten familien- und wirtschaftspolitischen Stoßrichtung zupass kommen, während andere (auch denk-

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bare) deutlich erschwert bis komplett verworfen werden. Mehr oder weniger direkt gehen damit auch Fragen nach Generativität, Elternschaft und Geschlecht einher. Wenngleich der Komplex Biopolitik im Anschluss an Foucault äußerst weitreichend und vielschichtig ist, was sich in einer mittlerweile fast unüberschaubaren Fülle an themenspezifischer Literatur ausdrückt15 , erscheint die Bezugnahme auf das BEEG auch deshalb aus einer biopolitischen Perspektive angezeigt, da sich sowohl innerhalb der untersuchten Familienberichte als auch innerhalb der öffentlich‐medialen Debatten in vielfältiger Weise demographische, wirtschaftliche, arbeitsmarktspezifische sowie geschlechtliche Facetten abzeichnen. Dadurch ergibt sich die Frage, wie diese diversen, teils disparaten Aspekte in den Blick zu nehmen sind. Der Foucault’sche Bezug auf Biopolitik bietet dabei ein Analyseraster, welches diese Aspekte in ihrem konstitutiven Zusammenwirken aufeinander bezogen zu denken vermag. Wie die Soziologen Andreas Folkers und Thomas Lemke konstatieren (2014: 9), zeichnen sich innerhalb Foucaults Werk drei Akzentuierungen des Begriffs ›Biopolitik‹ ab.16 Zum einen steht er für eine historische Zäsur des politischen Denkens und Handelns, die in Verbindung mit Verschiebungen souveräner Macht steht (auch Foucault 2014a); zum anderen thematisiert Foucault Biopolitik im Kontext seiner Auseinandersetzung mit der Entstehung modernen (Staats-)Rassismus (ebd.; auch Foucault 2001). Die dritte Bedeutung setzt Biopolitik »ins Verhältnis zu einer besonderen Kunst des Regierens, die erst in liberalen Gesellschaften entsteht« (Folkers/Lemke 2014: 9). Im weiteren Verlauf dieses Abschnittes werden, der Ausrichtung des Themas geschuldet, insbesondere die Aspekte der historischen Zäsuren und der Verhältnisse zu spezifischen Formen des Regierens interessieren, da der erste Aspekt auf wesentliche Verschiebungen verweist, die sich, ausgehend 15 Vgl. für einen selektiven Überblick zu Biopolitik und Gouvernementalität z.B. Daele 2005; Lettow 2005; Gehring 2006; Krasmann/Volkmer 2007; Wehling et al. 2007; Lemke 2008a; Wehling 2008; Bogner/Kastenhofer 2009; Daele 2009; Dean 2010; Bröckling/Krasmann/Lemke 2011; Dickel/Franzen/Kehl 2011; Lemke 2011; Lettow 2011; Muhle/Thiele 2011; Pieper et al. 2011; Viehöver/Wehling 2011; Wehling 2011; Folkers/Lemke 2014; Bargetz/Ludwig/Sauer 2015. 16 Der Topos des ›Lebens‹ ist jedoch, darauf weisen Folkers und Lemke (2014: 11) hin, bereits in Foucaults Arbeiten der 1960er Jahre Thema, bspw. in Die Geburt der Klinik (2011) oder in Die Ordnung der Dinge (2012a). Jedoch verschiebt sich, wie die Autoren darstellen, der Bezug Foucaults auf den Lebensbegriff dahingehend, dass nicht mehr lediglich nur die epistemischen Brüche oder diskursiven Veränderungen zwischen einzelnen Schwellen von Bedeutung sind, sondern über Konzepte wie Biopolitik/Biomacht eine neue Form der Machtausübung im Fokus stand (Folkers/Lemke 2014: 11). Obwohl Biopolitik und Biomacht in Foucaults Werk begrifflich nicht stringent auseinandergehalten werden, schlagen verschiedene Autor*innen vor, Biopolitik stärker hinsichtlich der konkreten politischen Machttechniken zu lesen, während mit Biomacht vielmehr auf allgemeine gesellschaftlich‐historische Kontexte Bezug genommen wird (vgl. Gehring 2006: 10ff.; Graefe 2008: 9; Folkers/Lemke 2014: 12). Diese Arbeit folgt dieser Differenzierung und verwendet vor allem den Begriff Biopolitik.

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vom 17. Jahrhundert, in der Perspektive Foucaults abzeichneten und für die bspw. die Entstehung der modernen Statistik und Demographie wesentlich erscheint. Die Entstehung von ›Bevölkerung‹ bzw. eines verdateten Bevölkerungskörpers steht hierbei genauso im Fokus, wie Verbindungen zu letzterem Aspekt, einer spezifischen gouvernementalen Regierungskunst, die in Abschnitt 2.1.1 vorgestellt wurde. Wie Foucault in Der Wille zum Wissen (2014a) ausführt, beginnt sich seit dem 17. Jahrhundert eine Verschiebung innerhalb der Machtmechanismen der damaligen Gesellschaft(en) zu vollziehen. Er konstatiert die Entstehung der Biomacht, welche er der Souveränitätsmacht gegenüberstellt. Die Souveränitätsmacht ist vor allem um die Abschöpfung von Waren, Gütern, Diensten organisiert (Lemke 2013: 49). Die Besonderheit dieser Souveränitätsmacht liegt, Foucault zufolge, darin, dass der Souverän das »Recht über Leben und Tod« innehat (Foucault 2014a: 132). Zwar galt dieses Privileg zu dieser Zeit schon nicht mehr in seiner absoluten Form, die Souveränitätsmacht zeichnete sich dennoch durch das Prinzip aus, dass sie »sterben machen und leben lassen« konnte (ebd.). Die tiefgreifende Transformation, die das Abendland nach Foucault erfuhr, führte dazu, dass die Abschöpfung nur noch ein Element unter anderen Elementen war, die jetzt zusammen mit Anreizung, Verstärkung, Kontrolle, Überwachung, der Steigerung und Organisation der unterworfenen Kräfte arbeitete (ebd.). Ideen, die, wie bereits gezeigt wurde, auch heute noch eine wichtige Rolle spielen. Zentral ist hierbei, dass »diese Macht […] dazu bestimmt [ist], Kräfte hervorzubringen, wachsen zu lassen und zu ordnen, anstatt sie zu hemmen, zu beugen oder zu vernichten« (ebd.). Hierdurch zeichnet sich eine Verschiebung ab, die in produktiver Weise die Prozesse des Lebens, des Leben-Machens bzw. der Steigerung des Lebens in den Blick nehmen wird. Dabei ist diese Verschiebung nicht lediglich der Staatspolitik immanent, sondern selbst von Entwicklungen bedingt, die sich während des 18. Jahrhunderts vollzogen. Hierzu zählt bspw. die Steigerung industrieller- und landwirtschaftlicher Produktion oder die sich verbessernde medizinische Versorgung sowie wissenschaftliche Kenntnisse über den menschlichen Körper (Lemke 2013: 50). Dadurch ergibt sich eine (relative) Kontrollierbarkeit diverser auch lebensbedrohlicher Probleme wie Seuchen oder Hungersnöte (vgl. auch Foucault 2001: 287), die durch diese neuen Macht- und Wissensformen nun hinreichender reguliert werden können. Die Verschiebung hin zur Biomacht ist dadurch gekennzeichnet, dass sie »leben macht und sterben lässt« (Foucault 2014a: 135). Foucault beschreibt in seinen Ausführungen bzgl. der »Macht zum Leben« zwei Hauptformen bzw. Entwicklungsachsen dieser »politischen Technologie des Lebens«, die sich jedoch keineswegs als Gegensätze verstehen, sondern als durch vielfältige Zwischenbeziehungen gekennzeichnete Pole. Einerseits die »Disziplinierung des Individualkörpers« und andererseits die »Regulierung der Bevölkerung« (Lemke 2013: 50). Wesentlich ist, dass aufgrund der im 17. Jahrhundert auftauchenden Disziplinartechnologien durch Disziplin(ierung) und

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Dressur des Körpers, die Möglichkeit entsteht, dessen Kräfte für eine wirtschaftliche Nutzung zu steigern und diese gleichzeitig in ihrer politischen Unterwerfung zu schwächen. »Es ist diese Kopplung von ökonomischen und politischen Imperativen, die die Eigenart der Disziplin und ihren Status einer Technologie begründet«, wie Lemke konstatiert (ebd.: 51; vgl. auch Foucault 2001: 285). Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entsteht eine zweite Entwicklungsachse bzw. der andere Pol, der nicht auf den singulären Körper, sondern auf den kollektiven »Gattungskörper« der Bevölkerung abhebt (Foucault 2014a: 135; vgl. auch 2001: 286; Lemke 2013: 51). Foucault begreift diesen als eine eigenständige Entität, der sich durch die ihm eigenen Prozesse wie die Sterbe- und Geburtenrate, dem allgemeinen Gesundheitsniveau und der Lebenserwartung der Individuen, aber auch der Produktion sowie der Zirkulation von Reichtümern etc. konstituiert. Hierbei wird auch ersichtlich, dass dieser Bezug auf Bevölkerung ohne die Entstehung der modernen Statistik und Bevölkerungswissenschaft in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Auf dieser Ebene geht es nicht um die Dressur des individuellen Körpers, sondern darum, auf gesamtgesellschaftlicher Ebene spezifische Phänomene, wie das Senken der Sterblichkeitsrate oder die Stimulation der Geburten, zu beeinflussen. Ziel ist hierbei insbesondere, entsprechende Regulations- und Sicherheitsmechanismen einzuführen, die den »Zufallsmoment« dieser Prozesse in ein prognostizierbares Mittel überführen (Foucault 2001: 290), um so die Wahrscheinlichkeit des Auftretens zu regulieren bzw. zu modifizieren (ebd.: 294). Diese Sicherheitstechnologie zielt dabei auf die die Bevölkerung betreffenden Massenphänomene ab, um entsprechende Gefahren abzuwehren oder auszugleichen, welche sich aus dem gemeinsamen Zusammenleben einer biologischen Gesamtbevölkerung ergeben (Lemke 2013: 51). Folglich macht die Entstehung von ›Bevölkerung‹ die Vermessung der Bevölkerung zur Einflussnahme auf bestimmte Ziele sowohl nötig als auch, durch Statistik begründet, erst möglich (Foucault 2014c: 454f.; siehe auch Neumann 2016b: 16).17 17 Auch die ›Polizei/Polizey‹ hatte, darauf verweist Foucault im ersten Teil seiner Geschichte der Gouvernementalität, eine deutlich andere Bedeutung (und Aufgabe), als es der heutige Begriff impliziert. Die Polizei bildete damals den administrativen Schnittpunkt zwischen dem Wissen des Staates und der Bevölkerung, aber auch über das Wissen des Staates über andere Staaten: »Denn es ist gerade die Gesamtheit von Verfahrensweisen, die eingesetzt werden, um die Kräfte zu steigern, um sie zu kombinieren, zu entwickeln, diese ganze administrative Gesamtheit, die in jedem Staat gestatten wird zu bestimmen, worin seine Entwicklungsmöglichkeiten bestehen. Polizei und Statistik bedingen sich gegenseitig, und die Statistik ist ein gemeinsames Instrument für die Polizei und das europäische Gleichgewicht. Die Statistik ist das Wissen des Staates über den Staat, verstanden als Selbstwissen des Staates, aber auch als Wissen über die anderen Staaten. Und in diesem Maße befindet sich die Statistik am Angelpunkt der beiden technischen Einrichtungen.« (Foucault 2014c: 454f.) Siehe zur Rolle der ›Polizei/Polizey‹, der ›Polizeywissenschaft‹, ihrer Aufgaben (insbesondere auch auf Deutschland bezogen) die weiteren Ausführungen Foucaults (ebd.: 450ff., insb. 458ff.) bzw. auch zum ›Polizeistaat‹ (ebd.: 460ff.).

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Insofern variieren Disziplinar- und Sicherheitstechnologie, wie Lemke konstatiert, nicht nur im historisch‐zeitlichen Auftreten, in ihren Zielen, sondern auch ihre Institutionalisierung betreffend (Lemke 2013: 52). Während sich die Disziplin auf gesellschaftliche Handlungsfelder wie die Armee, die Schule, das Gefängnis oder das Krankenhaus bezieht, waren für die Sicherheitstechnologien in Bezug auf den Bevölkerungskörper insbesondere die Sammlung statistischer demographischer Daten, einschließlich demographischer Instrumente wie Sterbetafeln und Geburtenraten, notwendig (Foucault 2014a: 135).18 Foucault unterscheidet hierbei zwei ›Serien‹: zum einen »die Serie Körper – Organismus – Disziplin – Institution« sowie zum anderen »die Serie Bevölkerung – biologische Prozesse – Regulierungsmechanismen – Staat.« (Foucault 2001: 295). Obwohl es sich laut Foucault in beiden Fällen um Technologien des Körpers handelt, unterscheiden sich diese voneinander: »Eine Technologie, die zwar in beiden Fällen eine Technologie des Körpers ist, wo es sich aber in dem einen Fall um eine Technologie handelt, in der der Körper als mit Fähigkeiten ausgestatteter Organismus individualisiert wird, und im anderen um eine Technologie, in der die Körper durch die biologischen Gesamtprozesse ersetzt werden.« (Ebd.: 294) Allerdings darf, den Ausführungen Butlers (2012c: 72) folgend, das Verhältnis von Souveränität und Gouvernementalität nicht als ein kontinuierlicher Verlauf vorgestellt werden. Dies auch, da Foucault selbst darauf verwies, dass zwei Formen der Macht koexistieren können (Foucault 2001: 294). Butler kann in ihrer Arbeit jedoch zeigen, wie im Rahmen der jüngeren politischen Ereignisse, insbesondere nach dem Ereignis des 11. September 2001, durch das Aussetzen rechtsstaatlicher Verfahrensweisen, eine Form von Souveränität in die Gouvernementalität (wieder-)eingeführt wird, die jedoch nichts mehr mit einer einheitlich‐souveränen Macht ›des Staats‹ zu tun hat.19 Sie verweist darauf, dass die Gouvernementalität ein Feld politischer Macht beschreibt, in dessen Feld Taktiken und Ziele sowohl diffus geworden seien als auch die politische Macht keine einheitliche und kausale Form mehr annehme (2012c: 75). Butlers Argument lautet, 18 Durch diese statistischen wie demographischen Verfahrensweisen werden die Subjekte an einer (statistisch berechenbaren) Norm ausgerichtet, die diesbezüglich keine scharfe Trennlinie zwischen normal/anormal zieht, sondern sie eher im Rahmen eines Korridors ›normaler‹ Variation ausrichtet (Foucault 2014a: 139). Siehe hierzu auch die Arbeiten von Jürgen Link zu Normalismus (z.B. 2013). 19 Butlers Kapitel Unbegrenzte Haft setzt sich u.a. mit der Aussetzung rechtsstaatlicher Verfahrensweisen und Versuchen der Wiederherstellung nationalstaatlicher Souveränität sowie der äußerst prekären Situation der Gefangenen in Guantanamo auseinander (2012c: 69-120). Siehe in Bezug auf Gouvernementalität, Staatlichkeit und Souveränität auch die Ausführungen von Butler und Spivak in kritischer Abgrenzung zu den Arbeiten Giorgio Agambens (z.B. 2017: 28-33).

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»daß genau deshalb, weil unsere geschichtliche Situation durch die Gouvernementalität charakterisiert ist und dies in einem gewissen Grade einen Verlust der Souveränität beinhaltet, eine Kompensation dieses Verlusts durch das Wiederaufleben der Souveränität im Feld der Gouvernementalität erfolgt. Es wimmelt von kleinen Souveränen, die inmitten bürokratischer Einrichtungen der Armee herrschen und von Zielen und Taktiken der Macht mobilisiert sind, die sie weder einführen noch ganz steuern.« (Ebd.) Wesentlich, in Bezug auf diese »kleinen Souveräne«, ist, dass diese Verwaltungsbeamt*innen, auf die Butler verweist, mit der Macht ausgestattet sind, einseitig Entscheidungen zu treffen und zwar ohne sich vor dem Gesetz verantworten zu müssen oder über eine legitimierte Autorität zu verfügen (ebd.: 78). Insofern konstatiert sie: »Die wiedereingeführte Souveränität ist daher nicht die Souveränität der einheitlichen Gewalt unter den Voraussetzungen der Legitimität, derjenigen Form der Macht, die den repräsentativen Status politischer Institutionen garantiert. Es ist vielmehr eine gesetzlose und prärogative Macht, eine ›Schurkenmacht‹ par excellence.« (Butler 2012c: 75) Durch die Einführung eines ›Ausnahmezustands‹, welcher die regulären rechtsstaatlichen Verfahren außer Kraft setzt, wird, Butler zufolge, »von der Souveränität Gebrauch gemacht« (2012c: 80). Die Souveränität existiert »in eben dem Umfang, in dem ein vor dem Recht geschützter Bereich – die sogenannte ›Ausnahme‹ – geschaffen wird« (ebd.).20 Gleichzeitig wird damit eine spezifische Form von ›Souveränität‹ performativ hervorgebracht. Trotz dieser sehr verkürzten Bezüge auf die Ausführungen Butlers zu Gouvernementalität in Anschluss an ihre Auseinandersetzung mit der Prekarität der Gefangenen in Guantánamo, sollen vor allem zwei Aspekte festgehalten werden, die an der Butler’schen Perspektive auf Foucaults Gouvernementalitätskonzept bedeutsam erscheinen: Zum einen der performativitätstheoretische Bezug, der hervorhebt, wie in produktiver Weise versucht wird, durch staatliches Handeln staatliche Souveränität zu revitalisieren; zum anderen, dass durch Butlers Perspektive eine zeitgenössische Konfiguration von Souveränität sichtbar wird, die als eine »gespenstische Souveränität im Feld der Gouvernementalität«, Gouvernementalität auf spezifische Weise heimsucht (ebd.: 81).21 Die20 Dass die Schaffung entsprechender ›Ausnahmezustände‹ nicht lediglich auf die historischen Ereignisse nach dem 11. September beschränkt werden können, machen auch die jüngeren Ausnahmezustände nach diversen Anschlägen in Europa deutlich. 21 Butler knüpft mit dem Begriff des »Gespenstischen« meiner Lesart zufolge an Jaques Derridas Ausführungen zu »Hauntologie«, dem ›Gespenst(ischen)‹, aber auch des Erbens und der Erbschaft an, wie dieser es bspw. in Marx Gespenster (2014b; vgl. auch 2004) ausgeführt hat. Auf das Thema des Erbes und der Erbschaft wird in Kapitel 3 erneut Bezug genommen.

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se Form der Heimsuchung erscheint dabei als etwas Verworfenes, das nun in seiner verschobenen Form (wieder-)aufgeführt wird. Butler kann deutlich machen, dass jenes spezifische Verhältnis von Macht innerhalb der Gouvernementalität nicht auf das Recht als solches reduzierbar ist, da die Gouvernementalität zu einem Feld wird, »auf dem die wiedererstehende Souveränität ihr anachronistisches Haupt erheben kann, da die Souveränität ebenso wenig im Recht begründet ist« (ebd.: 114).22 Butlers Bezug auf Gouvernementalität zeigt, wie auch jene vormals vermeintlich vergangenen Ereignisse wiederholt und in den gouvernementalen Kontext wiedereingeführt werden. Kapitel 4 greift dazu an verschiedenen Stellen solche ›gespenstischen‹ Wiederholungen auf, wie sie innerhalb des Materials auftauchen. Diesbezüglich spielt die spezifische Verschränkung der Foucault’schen Pole ›Einzelkörper‹ und ›Bevölkerung‹ mitsamt ihrer zeithistorischen Situierung sowohl im Zusammenhang mit dem BEEG als auch allgemeiner, hinsichtlich bestimmter familienpolitischer ›Erfordernisse‹ eine entscheidende Rolle – nicht zuletzt mit Blick auf die hier interessierenden Subjektivationsprozesse. Das BEEG adressiert auf der Ebene der Bevölkerung nicht nur die Stimulation der Geburtenrate, sondern wird auch als spezifisches Instrument moderner Familien(zeit)politik konzipiert (BMFSFJ 2012), während die Fähigkeit der »Zeitkompetenz« als individuelle Fähigkeit auf der gleichen Ebene wie Sprach-, Sozialund Mobilitätskompetenz verortet und damit (auch) zu einer Fähigkeit der einzelnen Körper(-Subjekte) wird (ebd.: 13).23 Auch die in Kapitel 1 aufgeworfene öffentlich‐mediale Debatte darüber, ob Elternzeit und Elterngeld ihre, von einigen Politiker*innen zugeschriebene Funktion der Steigerung der Geburtenrate erfüllen konnte (z.B. Süddeutsche Zeitung 2012; Zeit-Online 2012b), verweist auf die demographische Komponente des Gesetzes. Darüber hinaus zeigte sich im Rahmen der Studie zu Väter in Elternzeit im Kontext der betrieblichen Interviews, dass jedes Unternehmen, mit dem ein Interview geführt werden konnte, mindestens einen Guide zur Elternzeit präsentierte, die sich teilweise als sogenannte (Self-)Coaching Guides verstanden, und damit eine Form von Manual anboten, um das Selbst auch während der Elternzeit möglichst optimal zu ›coachen‹ (auch Neumann 2016b: 10). Diesbezüglich variierten die Manuale in ihren Adressierungen z.B. in Bezug auf Geschlecht und Vereinbarkeitspraktiken: Während einige explizit ›Mütter‹ und ›Väter‹ und damit Eltern in geschlechterdifferenzierender Weise ansprachen, richteten 22 Wobei es Butler weniger um die Rechtsstaatlichkeit an sich geht, wie sie schreibt, »sondern vielmehr [um] den Stellenwert des Rechts in der Ausformulierung einer internationalen Konzeption von Rechten und Pflichten, die Ansprüche auf staatliche Souveränität beschränken und an Bedingungen knüpfen« (Butler 2012c: 118). 23 Die Kommission des achten Familienberichts erklärt: »Zeit kompetent zu verwenden ist eine individuelle Fähigkeit, die es gezielt zu entwickeln gilt. Sie kann auf einer Stufe mit anderen Fähigkeiten wie Sprach-, Sozial- oder Mobilitätskompetenz gesehen werden.« (BMFSFJ 2012: 13)

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sich andere in geschlechterindifferenter Weise vor allem an ›Eltern‹. Relevanz erlangen solche Differenzierungen insbesondere im Hinblick auf Fragen, wer in Bezug auf Vereinbarkeitsprobleme adressiert wird, da es auch für die Konstitution von Elternschaft und Geschlecht wesentlich scheint, ob jene Herausforderungen vor allem Frauen und Mütter betreffen oder fürsorgeverantwortliche Elternteile adressieren, da die entsprechenden Unterscheidungen variierende Subjektivitäten performieren: Entweder erfolgt die Grenzziehung in nicht selten ›defizitärer‹ Weise als ›Frauen‹ bzw. ›Mütterproblem‹ im Kontext der Erwerbsarbeit, was diese Problematik bezogen auf Vätern exkludiert und negiert oder die Unterscheidung verweist auf solche Schwierigkeiten mit Fokus auf fürsorgeverantwortliche in Relation zu nicht‐fürsorgeverantwortlichen Subjekten, was ebenjene Herausforderung als entsprechend geschlechterindifferent konstituiert und auf diese Weise andere Fragen aufwirft. Es macht insofern einen entscheidend‐produktiven Unterschied, ob jenes Vereinbarkeitsproblem zu einem ›Geschlechterproblem‹ im Sinne eines ›Frauen und Mütterproblems‹ oder aber zu einem grundsätzlichen Problem fürsorgeverantwortlicher Subjekte wird, die im Rahmen diskriminierender Erwerbs- und Karrierestrukturen fürsorgeverantwortliche Subjekte benachteiligen und es hierbei weniger darauf ankommt, welche Geschlechteridentität vorliegt. Dabei sind verschiedene Ebenen in konstitutiver Weise aufeinander bezogen, indem einerseits das ›Wissen‹ über demographische Herausforderungen (z.B. bzgl. der Sozialversicherung), die öffentlich‐medial zirkulieren und diskutiert werden, den meisten (wenn nicht allen) der befragten Paaren bekannt waren – was auch teilweise innerhalb der Interviews thematisiert wurde – und damit eine Folie darstellen, die in Verbindung mit besagten Manualen über familienfreundliche Maßnahmen bzw. spezifischer zur Elternzeit, Adressierungen von Eigenverantwortung entstehen lassen, in deren Zusammenwirken sich spezifische Subjekte konstituieren.24 Insbesondere jene Manuale, die in expliziter Weise auf das Selbst, d.h. auf das sich coachende, sich aktivierende Subjekt abheben, das in eigenverantwortlicher Weise an sich und seiner Karriere 24 Beispielsweise die ›Karrierefrau‹, die zur ›Rabenmutter‹ werden kann, oder der ›Wickelvolontär‹, der seine Karriere aufs Spiel setzt bzw. sich fragen lassen muss, wer jetzt für das familiale Auskommen sorge. Dass die Vereinbarkeitsproblematik nicht nur Mütter, Väter bzw. Elter in individualisierter Weise betrifft, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht relevant gemacht wird bzw. relevant gemacht werden muss, verdeutlicht ein Artikel von Anna Fischhaber (2017), in dem die Herausforderung zwischen Eltern, Unternehmen und Staat verortet wird. Zwar wird kritisiert, dass »die Privatwirtschaft« ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkomme, dennoch kann diese argumentativ scheinbar nur über ökonomische Argumente begründet werden, indem erklärt wird, dass sich ein Ausbau betrieblicher Betreuung und Vereinbarkeit für Unternehmen lohne, da sich so die Personalbindung erhöhen sowie die Personalkosten senken lassen (ebd.; auch Nelles 2012: 660). Dies scheint insofern bedeutsam, als es den Blick für die Modi schärft, in denen die Argumentationsweisen und -strategien funktionieren oder auch nicht.

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bzw. dem Verhältnis zum Unternehmen arbeitet, verweisen auf Anrufungen und Entwicklungen hin zu Subjektivitäten, die Unternehmer*innen ihrer Selbst sein sollen (siehe auch Bröckling 2013b). Es gilt dabei nochmals zu betonen, dass beiden Serien bzw. Pole (Disziplinierung/Regulierung bzw. Körper/Bevölkerung) nicht unabhängig voneinander zu betrachten sind, sondern sich wechselseitig konstituieren (Lemke 2013: 52; Folkers/Lemke 2014: 14). So konstatiert Thomas Lemke: »Die Disziplin ist nicht eine Form der Individualisierung, die auf gegebene Individuen ausgeübt wird, sondern setzt immer schon eine Vielheit voraus, ebenso stellt Bevölkerung die Vereinigung und Zusammenfassung individualisierter Existenzen zu einer neuen politischen Form dar. ›Individuum‹ und ›Masse‹ sind also weniger Gegensätze als zwei Seiten einer umfassenden politischen Technologie, die zugleich auf die Kontrolle des Körper-Menschen wie des GattungsMenschen zielt.« (Lemke 2013: 52) Foucault selbst weist auf jene »Doppelgesichtigkeit« dieses konstitutiven Verhältnisses (2014a: 135) hin. Auch Butler knüpft an Foucaults Konzept von Biopolitik an, wenn sie ihr Verständnis erläutert: »Unter Biopolitik verstehe ich die Mächte, die das Leben organisieren, auch diejenigen, die Leben im Rahmen eines umfassenderen Bevölkerungsmanagements durch staatliche und nichtstaatliche Maßnahmen selektiv der Prekarität ausliefern und gleichzeitig Maßstäbe zur ungleichen Bewertung des Lebens selbst aufstellen.« (Butler 2016: 252) Auch hier scheint vor allem das Management von Bevölkerung(en) durch (nicht-)staatliche Maßnahmen als auch deren Produktivität, insbesondere in Bezug auf die Konstitution diverser Ungleichheiten, zentral. Vor allem die Performativität dieser Bewertungsmaßstäbe scheint diesbezüglich beachtenswert. Mit dem Aufkommen liberaler Regierungsformen im 18. Jahrhundert entsteht eine Verschiebung, die wesentlich an der Bevölkerung orientiert ist. Liberalismus ist dabei, im Sinne Foucaults, wie bereits erwähnt, nicht als ökonomische Theorie oder politische Ideologie zu verstehen, sondern »als eine spezifische Kunst der Menschenführung, die sich an der Bevölkerung als einer neuen politischen Figur orientiert und über die Politische Ökonomie als Interventionstechnik verfügt« (Lemke 2013: 61). Dabei führt der Liberalismus eine Form politischer Ratio ein, die sich wesentlich von mittelalterlichen Herrschaftsformen oder der frühneuzeitlichen Staatsräson unterscheidet (ebd.; Foucault 2014c: z.B. 52ff., 371ff., 485ff.). Politische Ökonomie ersetzt, wie Lemke ausführt, »die moralisch‐dirigistischen Prinzipien der merkantilistischen und kameralistischen Wirtschaftssteuerung durch die Idee einer spontanen Selbstregulation des Marktes auf der Grundlage ›natürlicher‹ Preise« (Lemke 2013: 62; vgl. auch Folkers/Lemke 2014: 18). Das grundlegende

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Prinzip verschiebt sich von jenem des Rechts nun hin zum Paradigma des ›Marktes‹ (Foucault 2006: 149). Als vormals äußerliches Prinzip wird es nun zu einer, der Regierungspraktik innerlichen, Regulation: »Nicht mehr Legitimität oder Illegitimität, sondern Erfolg oder Misserfolg bilden die Koordinaten des Regierungshandelns, nicht mehr Missbrauch oder Anmaßung der Macht, sondern Unkenntnis ihres Gebrauchs steht im Zentrum der Reflexion.« (Lemke 2013: 62) Damit wird auch die Frage der ›Wahrheit‹ sowie die Forderung nach Selbstbeschränkung in der Politischen Ökonomie zum ersten Mal aufgeworfen (ebd.: 63; vgl. zur Veridiktion und zu ›Wahrheitspolitiken‹ auch Foucault 2006: 52ff.). Nun steht weniger im Fokus, wie der Souverän konform der »göttlichen, natürlichen, moralischen Gesetze« regieren kann, sondern die Suche nach der »Natur der Dinge« im Zentrum, welche gleichzeitig auch die Grenze des Regierungshandelns bildet (ebd.). Maßgeblich bestimmend ist hierbei dann nicht mehr so sehr, wie sich die Kräfte des Staates maximieren lassen, sondern ob ein bestimmtes Regierungshandeln nützlich und notwendig erscheint. Die These, dass stets zu viel regiert werde (Foucault 2006: 437), die dem Liberalismus nun als Prinzip dient, geht dabei weniger vom Staat als vielmehr von der Gesellschaft aus (Lemke 2013: 63). Mit diesem Verweis auf die Suche der ›Natur‹ oder der ›Natürlichkeit‹ ist jedoch eine spezifische Vorstellung verbunden, mit der nicht unbedingt eine Reduktion staatlicher Macht einhergeht: »Für die Liberalen ist Natur kein autonomer Bereich, in den prinzipiell nicht eingegriffen werden darf, sondern etwas, das von dem Regierungshandeln selbst abhängt; sie ist kein materielles Substrat, auf das die Regierungspraktiken Anwendung finden, sondern ihr ständiges Korrelat. Es ist zwar richtig, dass staatlichen Interventionen insofern eine ›natürliche‹ Grenze gesetzt ist, als sie mit der Naturalität der gesellschaftlichen Phänomene rechnen müssen. Dennoch ist diese Grenze keine negative; es ist vielmehr gerade die ›Natur‹ der Bevölkerung, die eine Reihe bis dahin unbekannter Interventionsmöglichkeiten eröffnet, die nicht notwendigerweise die Form von direkten Verboten und Vorgaben annehmen: ›laisser‐faire‹ [sic!] ›anspornen‹ und ›anreizen‹ werden wichtiger als reglementieren, verordnen und herrschen.« (Ebd.) Diesbezüglich wird auch die Bedeutung der bereits erwähnten Sicherheitstechnologien in Bezug auf Bevölkerung deutlich, die das fragile Verhältnis liberaler ›Freiheit‹ regulieren. Folkers und Lemke konstatieren hinsichtlich der Frage, ob man nun ›Freiheit‹ als einen »Zweig der Sicherheit« oder umgekehrt »Sicherheit als eine Bedingung der Freiheit« betrachtet: dass in jedem Fall ›Freiheit‹ und ›Sicherheit‹ die Pole liberaler Gouvernementalität aufspannen (2014: 19). Mit Blick auf Bevölkerung und die bereits erwähnte performative Kraft dieser realitätskon-

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stituierenden Sicherheitstechnologien erzeugen diese durch die Ausrichtung am Durchschnitt, d.h. an der durchschnittlichen Krankheits-, Sterbe- oder Geburtenrate (Lemke 2013: 64) oder auch Lebenserwartung eine spezifische Norm(alität) die hierbei keine absoluten Grenzen als kennt. Dass dies auch auf den Komplex der Elternzeit zutrifft, lässt sich insbesondere dann beobachten, wenn das Statistische Bundesamt in Wiesbaden neue Zahlen zur Elternzeit herausgibt und hierbei auch auf Unterschiede der Inanspruchnahme zwischen Müttern und Vätern hinweist, die nicht nur innerhalb des öffentlich‐medialen, sondern auch innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses breit aufgegriffen werden und auf diese Weise anhand jener statistischen Erfassung/Verdatung bestimmte ›Normalitätsfolien‹ über in-/aktive Väter und Mütter erzeugen. Dabei ist die Darstellung der ›Fakten‹ gerade nicht nur als bloße Darstellung eines empirisch vorfindbaren Verhältnisses zu sehen, sondern wird über die diskursive Rückbindung zu einer machtvoll‐produktiven Quelle, die jene elternzeitnehmenden Väter als ›positiv‹, ›modern‹ und/oder ›aktiv‹ in Relation zu all jenen (aus welchen Gründen auch immer verzichtenden) setzt, ohne dass diese per se in-/aktiv wären. Dies gilt in entsprechender Weise auch für Mütter, wenngleich damit nicht gesagt sein soll, dass es diesbezüglich keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern mehr gäbe. Der Punkt, auf den hierbei abgehoben wird, soll vielmehr das konstitutive Zusammenwirken diverser Ebenen verdeutlichen und betont insbesondere die Rolle jener quantifizierenden wie evaluierenden Verdatungen, durch die sich sowohl ›Bevölkerung‹ als auch ›Eltern‹, am Beispiel der Elternzeit- und Elterngeldstatistik, konstituieren. Die Ausführungen verdeutlichen, weshalb der Begriff der Regierung im Kontext von Gouvernementalität und Biopolitik nicht einseitig auf eine ›Körperpolitik‹ reduziert werden darf (Lemke 2013: 64). Regierung erweitert diese Perspektive im Sinne Foucaults, da sie die physisch‐biologischen Existenzformen mit der Untersuchung spezifischer Subjektivationsprogramme sowie moralisch‐politischer Existenzweisen verknüpft (ebd.: 64f.) und diese durch die performative Perspektive Butlers geschlechtertheoretisch ergänzt. Fragen, die hierdurch aufgeworfen werden, betreffen bspw. das Verhältnis von Technologien und Regierungspraktiken, d.h. die Frage, wie jene neo-/liberalen Regierungsformen auf Körpertechniken sowie Formen der (Selbst-)Steuerung zurückgreifen und wie sich dadurch spezifische Bedürfnisse, Interessen und geschlechtliche Präferenzstrukturen konstituieren. In diesem Sinne könnte dann durchaus die Frage aufgeworfen werden, ob und inwieweit der Anstieg der sogenannten ›Partnermonate‹ des BEEGs mitsamt seiner spezifischen Inanspruchnahme durch Mütter, Väter bzw. Eltern als Effekt ebensolcher Präferenzstrukturen gelesen werden kann, wenn diese auf bspw. bestimmten

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nutzenmaximierenden Begründungen beruhen.25 Des Weiteren werden, wie Lemke (2013: 67) ausführt, Fragen danach aufgeworfen, wie Individuen als ›aktive‹ und ›freie‹ Bürger*innen oder als Mitglieder »sich selbst managender Gemeinschaften und Organisationen, als autonom Handelnde, die in der Lage sind oder sein sollen, ihre Lebensrisiken vernünftig zu kalkulieren« (ebd. – Herv. B.N.). Insbesondere Aspekte der Förderung von (Selbst-)Ermächtigung bzw. (Selbst-)Befähigung oder das Thema der ›Wahlfreiheit‹ spielen innerhalb der Familienberichte der Bundesregierung immer wieder eine wichtige Rolle. Die Bezüge auf Liberalismus und Neoliberalismus, die sich bisher abzeichneten, sind eng mit ebenjenen Fragen verknüpft, so dass eine Auseinandersetzung mit den Begriffen zentral erscheint. Dies ist auch deshalb angezeigt, da sich im Anschluss an die Frage nach dem Werden von Eltern und dem zugrunde liegenden Material (siehe Kapitel 3) die Frage stellt, ob und falls ja, inwieweit neo-/liberale Formen der Regierungspraxis sich innerhalb des Themenkomplexes und Materials rund um die Elternzeit finden lassen. Hierzu soll jedoch zunächst der Komplex Neo-/Liberalismus ausführlicher dargestellt werden.

2.1.3

Die Regierung der Freiheit: Neo-/Liberalismus

Foucault diskutiert im zweiten Teil seiner Vorlesungsreihe zur Geschichte der Gouvernementalität insbesondere die Entwicklung frühliberaler Positionen, wie sie sich Mitte des 20. Jahrhunderts vollzogen haben, und konzentriert sich dabei auf zwei Formen des ›Neoliberalismus‹: den der deutschen Nachkriegszeit sowie jenen der Chicagoer Schule [Chicago School](Foucault 2006). Wie Lemke, Krasmann und Bröckling darstellen, zeigen sich hierbei insbesondere zwei Differenzen gegenüber den frühliberalen Konzeptionen (2012: 15). Zum einen in einer »Neudefinition des Verhältnisses von Staat und Ökonomie«, d.h., der Staat überwacht nun nicht mehr die Marktfreiheit, diese wird selbst zum »organisierenden und regulierenden Prinzip des Staates« (ebd.). Damit wird erneut jene Verschiebung hin zu einem inneren Organisations- und Regulationsprinzip des Staates deutlich, welches vormals als ein äußerliches gesehen werden konnte (vgl. auch Foucault 2006: 50ff.). Foucault bringt diese Verkehrung des regulativen Prinzips wie folgt auf den Punkt: »Nun, sagen die Ordoliberalen, muß man die Formel umdrehen und die Freiheit des Marktes als Organisations- und Regulationsprinzip einrichten, und zwar von Beginn seiner Existenz an bis zur letzten Form seiner Interventionen.« (Foucault 25 Beispielsweise untersucht die Soziologin Heike Trappe (2013a; 2013b; 2013c) in quantitativer Weise, ob der Nutzung der Elternzeit »nichts als ökonomisches Kalkül« zugrunde liegt. Auch einige der im Rahmen des Projekts Väter in Elternzeit befragten Eltern verwiesen darauf, dass sie sich insbesondere die Möglichkeit der Inanspruchnahme der 14-monatigen Elternzeit nicht entgehen lassen wollten bzw. diese ›mitnehmen‹ wollten.

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2006: 168) In diesem Sinne steht dann nicht mehr der Markt unter Aufsicht des Staates, sondern der Staat unter Aufsicht des Marktes (ebd.; Lagasnerie 2018: 46).26 Zum anderen wird eine »Differenz der Grundlage des Regierens« (Lemke/Krasmann/Bröckling 2012: 15) deutlich: Im Frühliberalismus wurde das Rationalitätsprinzip mit der Ratio der regierenden Individuen verbunden. Diese Form der Regierung ging von einem interessenmotivierten und freien Handeln einzelner Individuen aus, deren rationales Handeln sowohl den Markt hat optimal funktionieren lassen als auch die allgemeine Wohlfahrt sowie die Stärke des Staates gewährleisten sollte (ebd.; vgl. auch Lagasnerie 2018: 44). Zwar stellt die individuelle Freiheit im Frühliberalismus eine technische Bedingung der Regierung dar, deren Einschränkung ihre eigene Grundlage gefährden würde; jedoch bindet der Neoliberalismus das regulative Prinzip der Regierung nicht mehr an eine ›natürliche Freiheit‹ die es zu respektieren gelte, sondern findet es in einer künstlich arrangierten Freiheit, im Sinne unternehmerischer Verhaltensweisen ökonomisch‐rationaler Subjekte (ebd.; Lagasnerie 2018: 43ff.).27 Wenngleich sich sowohl der deutsche Ordoliberalismus als auch die neoliberalen Bezüge der Chicago School gegen »Staatsinterventionismus« und »Staatsdirigismus« sowie das unkontrollierte Anwachsen einer überbordenden Bürokratie aussprechen, kennzeichnen beide jedoch teils tiefgreifende Differenzen (Lemke/Krasmann/Bröckling 2012: 16; vgl. auch Renner 2000: 48; Foucault 2006: 117), auf die vertiefend Bezug genommen werden soll, da sie wesentlich für die nachfolgenden Auseinandersetzungen mit der Politischen Ökonomie sein werden, die auch mit Blick auf das BEEG relevant scheinen. Während die deutschen Ordoliberalen im Sinne einer ›Sozialen Marktwirtschaft‹28 von einer Vorstellung eines Marktes aus26 Insofern verkehrt sich der Ansatzpunkt dieser Regierungsform, wie Foucault erklärt: »Die Regierung, das versteht sich von selbst, da wir uns in einem liberalen System befinden, soll die Wirkungen des Marktes nicht beeinflussen. Sie soll auch nicht – und das unterscheidet den Neoliberalismus etwa von den Wohlfahrtspolitiken oder ähnlichen Dingen, die von 1920 bis 1960 im Schwange waren – die zerstörerischen Wirkungen des Marktes auf die Gesellschaft korrigieren. Sie soll gewissermaßen keinen Kontrastpunkt oder eine Trennwand zwischen der Gesellschaft und den Wirtschaftsprozessen darstellen. Sie soll auf die Gesellschaft selbst einwirken, auf ihre Struktur und Zusammensetzung. […]. Es wird keine ökonomische Regierung, sondern eine Regierung der Gesellschaft sein.« (Foucault 2006: 206f. – Herv. B.N.). 27 Foucault geht in seinen Vorlesungen 4 und 5 vom 31. Januar 1979 und 7. Februar 1979 insbesondere auch auf den deutschen Nachkriegskontext des Zweiten Weltkriegs ein und setzt sich bspw. ausführlich mit den wirtschaftlichen Positionen Ludwig Erhards (CDU) (z.B. 119ff., 150ff.) sowie mit der Transformation der Nachkriegs-SPD (131ff.), dem sogenannten ›Weberismus‹ in Anlehnung an den Soziologen Max Weber (153) sowie auch mit den Aufgaben auseinander, die sich die Freiburger Schule der Nationalökonomie stellte (155ff.) bzw. auch mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen im Vergleich zum ›klassischen Liberalismus‹ (170ff., 187ff.), welche an dieser Stelle nur sehr begrenzt aufgegriffen werden können. 28 Siehe zum Begriff der ›Sozialen Marktwirtschaft‹ Müller-Armack (1976: 78ff.).

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gingen, der beständig durch politische Regulierungen und Interventionen gestützt und getragen werden müsse, wozu bspw. Wohnungspolitik oder auch Leistungen der Sozialversicherung gehören29 , besteht die Problematik für die Ökonomen der Chicago School dagegen darin, wie ökonomische Formen in konsequenter Weise auf das Soziale ausgeweitet werden können (Lemke/Krasmann/Bröckling 2012: 16). So konstatiert auch Foucault: »Im amerikanischen Neoliberalismus geht es in der Tat immer darum, die ökonomische Form des Marktes zu verallgemeinern.« (2006: 336) Er verweist im zweiten Band seiner Geschichte der Gouvernementalität an diversen Stellen auf Gemeinsamkeiten (z.B. ebd.: 117), aber auch auf Unterschiede (ebd.: 302ff.) zwischen amerikanischem und europäischem Neoliberalismus, dennoch bleibt seine Aufteilung, nach eigenen Worten, »etwas willkürlich« (ebd.: 117)30 , weshalb die Auseinandersetzung mit dem Begriff Neoliberalismus im weiteren Verlauf etwas systematischer entfaltet werden soll. Dies scheint notwendig, als dass hierdurch auch der Frage nachgegangen werden kann, inwieweit – spätestens seit dem fünften Familienbericht (BMFSFJ 1994) – Aspekte der Humankapitaltheorie bzw. des Humanvermögens in die Regierungsüberlegungen Einzug gehalten haben, deren Wurzeln in ihrer modernen Form aus den Vereinigten Staaten kamen bzw. der Chicago School zuzurechnen sind.

Neoliberale Strömungen Der Begriff ›Neoliberalismus‹ entstand, wie Andreas Renner unter Bezug auf Wilhelm Röpke ausführt, während des sogenannten Walter Lippmann Kolloquiums 1938 in Paris (2000: 49).31 Die begriffliche Verschiebung des ›Neu‹ bzw. ›Neo‹ wurde wäh29 Was bspw. auch verdeutlicht, dass, wie Hermann Hesse (2007: 222, 228) aufzeigt, sich ein »starker Staat« und neoliberale Positionen nicht ausschließen müssen. Im Kontrast dazu sind Positionen wie jene von Ludwig von Mises (welcher der Österreichischen Schule zuzurechnen ist) abzugrenzen, die sich explizit gegen jede Form staatlicher Aktivität aussprechen (ebd.). 30 Was nicht heißen soll, dass Foucaults Ausführungen zu diesem Thema ›falsch‹ wären. Foucault hat die wesentlichen Entwicklungen zwischen Liberalismus und Neoliberalismus nachgezeichnet und in seinen Vorlesungen tauchen alle wichtigen Akteure dieser Entwicklungen auf, auf die auch in anderen, ökonomisch ausgerichteten Quellen Bezug genommen wird. Vielmehr entwickelt er, wie Hesse (2007: 230ff.) bemerkt, eine originelle Lesart liberaler bzw. neoliberaler Entwicklungen, die in dieser Form von Seiten der Ökonomie wenig rezipiert wurde. 31 Ob das Kolloquium als Gründungsursprung bezeichnet werden kann, bleibt indes fraglich. So sieht Hesse (2007: 218) den Ursprung des deutschen Neoliberalismus eher in der Weltwirtschaftskrise von 1929-1932, obwohl auch er dem Kolloquium einige »paradigmatische Bedeutung« beimisst (ebd.). Andere Autor*innen verweisen im Hinblick auf den in diesem Zeitraum – historisch – situierten ›Neoliberalismus‹ darauf, dass dieser eher als ›Proto-Neoliberalismus‹ zu bezeichnen wäre (Prinz/Wuggenig 2007: 244), wobei die Autor*innen ihre Ausführungen vor allem auf den Flügel der Österreichischen Schule um Ludwig von Mises beziehen und damit weniger auf den deutschen Ordoliberalismus der Freiburger Schule in engem wie weitem Sinne. Besagte Walter-Lippmann-Konferenz findet sich auch ausführlich in Foucaults Auseinandersetzung: vgl. 2006: Vorlesung 6, 14. Februar 1979; Vorlesung 7, 21. Februar 1979.

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rend des Kolloquiums gebraucht, um die neueren liberalen Strömungen von jenen abzugrenzen, die sich auf den ›alten‹ Laissez‐faire-Liberalismus des 19. Jahrhunderts bezogen. Obwohl dieser Sammelbegriff im Kreis der Neoliberalen32 selbst nicht unumstritten war, fungierte er dennoch, Renner zufolge, als das »geistige Rüstzeug der Sozialen Marktwirtschaft« (ebd.; vgl. auch Lemke/Krasmann/Bröckling 2012: 16; Hesse 2007: 218). Wesentlich erscheint auch die Forderung im Sinne einer Ordnungspolitik, d.h., dass zwar die institutionellen Rahmenbedingungen von Seiten der Politik zu gestalten seien, nicht jedoch ein direkter Eingriff in das Marktgeschehen selbst (Renner 2000: 49). Obwohl der Begriff nahelegt, dass es sich hierbei um eine einheitliche Strömung handeln könnte, unterteilt sich der deutsche Neoliberalismus selbst wiederum in drei zentralen Strömungen: zum einen in den Ordoliberalismus der Freiburger Schule, zu dem u.a. Walter Eucken oder Franz Böhm gerechnet werden; zum anderen in den sogenannten soziologischen Liberalismus33 um Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow oder Alfred Müller-Armack sowie den Evolutorischen Liberalismus um insbesondere Friedrich August von Hayek (ebd.: 50), der hier u.a. auch als Österreichische Schule bezeichnet wird.34 Der Ordoliberalismus der Freiburger Schule versteht sich als eine normativ‐ethisch fundierte Konzeption, in deren Mittelpunkt die Frage nach einer »guten«, d.h. funktionsfähigen und menschenwürdigen Ordnung steht (Renner 2000: 51). Renner gibt als Kernbotschaft eine in umfassendem Sinne zu verstehende Wettbewerbsordnung an, die den wirtschaftlichen, sozialen (und heute wohl auch) ökologischen Belangen gerecht werden soll (vgl. auch Foucault 2006: 170ff.). Um dies zu erreichen, sollen, im Sinne einer institutionellen Absicherung des »Leistungswettbewerbs«, die Unternehmen um die Gunst der Konsument*innen und Arbeitnehmer*innen konkurrieren. Durch die konzeptionelle Abwesenheit willkürlicher wirtschaftlicher Machtausübung sollen für die Menschen gesellschaftlich 32 Zu denen bspw. Walter Eucken, Franz Böhm, Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow, Alfred MüllerArmack sowie teilweise Friedrich August von Hayek gezählt wurden. Als umfassendes Sammelwerk zu Grundlagentexten des deutschen Ordoliberalismus bzw. der Freiburger Schule, das wesentliche Texte der genannten Autoren bündelt ist bspw. das Werk von Nils Goldschmidt und Michael Wohlgemuth (2008) zu nennen. 33 Auch Foucault beschäftigt sich mit dem ›soziologischen‹ Neo-/Liberalismus: vgl. z.B. 2006: 207, siehe dort auch Anm. 51/S. 221. 34 Obwohl im Rahmen dieser Arbeit nicht auf die einzelnen ›neoliberalen‹ Akteure eingegangen werden kann, scheint mir der Ausweis bzw. die Darstellung der Zuordnung zu den diversen Strömungen in Auseinandersetzung mit den Ausführungen Foucaults bedeutsam, da sich Foucault selbst ausführlich mit diesen beschäftigt und eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Foucault’schen Bezügen vor einem anderen Hintergrund geschehen kann. Nachfolgend beschränke ich mich, im Anschluss an die Ausführungen von Renner (2000) und Hesse (2007), auf die Darstellung der einzelnen Strömungen als solcher. Eine kritische Auseinandersetzung und Einordnung des Ordoliberalismus in Anschluss an Foucaults Ausführungen findet sich z.B. bei Hesse (ebd.).

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Spielräume entstehen, in deren Rahmen sie ihre eigenen Lebenspläne verwirklichen können. »Eine funktionsfähige Wettbewerbsordnung ist damit zugleich eine menschenwürdige Ordnung.« (Renner 2000: 51) Die Ausrichtung einer Ordnung am Prinzip des Wettbewerbs sowie der hier bereits mehr oder weniger angelegte Aspekt der ›Wahlfreiheit‹ bei der ›eigenen‹ Lebensgestaltung wird im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem BEEG noch näher beleuchtet. Eine zweite Strömung, der soziologischen Liberalismus, teilt in weiten Teilen die Argumentation der Freiburger Schule, ergänzt diese, wie Renner darstellt, jedoch um »soziologische Überlegungen« (Renner 2000: 51; vgl. auch Prinz/Wuggenig 2007: 244, 250). Kritisiert wird von dessen Vertreter*innen vor allem die »ökonomische Einengung« der traditionellen (wirtschafts-)liberalen Perspektive. Diese gelte es, um eine angemessene Berücksichtigung der »soziologischen Grenzen«, die der Marktfreiheit gesetzt seien, zu ergänzen (Renner 2000: 51f.; Hesse 2007: 218). Foucault zitiert den Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Röpke, der auf die Probleme verweist, eine Gesellschaft auf Grundlage von »Konkurrenz« zu gründen: »Der Wettbewerb ist ein Ordnungsprinzip auf dem Gebiet der Marktwirtschaft, aber er ist kein Prinzip, auf dem man die ganze Gesellschaft aufbauen könnte. In moralischer und gesellschaftlicher Hinsicht ist der Wettbewerb eher ein auflösendes als ein vereinendes Prinzip.« (Foucault 2006: 355 – Herv. B.N.; vgl. auch Renner 2000: 52; Hesse 2007: 228) Röpke erklärt auch, dass eine auf dem Prinzip der marktorientierten Koordination beruhende Gesellschaft zu »sozialer Unterernährung« neige und die Politik dazu angehalten sei entgegenzusteuern. Diesbezüglich weist er dem Staat eine ganze Reihe von Aufgaben zu, die sich nach Renner insbesondere in zwei Gruppen unterteilen: einerseits Maßnahmen zur Sicherung der Wettbewerbsordnung und andererseits gesellschaftspolitische Maßnahmen, zu denen Raumplanung sowie Dezentralisierung gehören. Diese Politik soll als »Vitalpolitik« insbesondere auf die Lebenslagen der Menschen abzielen (2000: 52). In diesem Sinne konstatiert Renner auch, dass der soziologische Liberalismus deutlich interventionsfreudiger sei als die ordoliberale Konzeption der Freiburger Schule. Die dritte Strömung, die Renner der Österreichischen Schule zuordnet und als evolutorischen Liberalismus bezeichnet, folgt einerseits der Tradition der Freiburger Schule, betont jedoch stärker »evolutorisch gewachsene Strukturen«. Exemplarisch für diese Position gelten die Arbeiten Friedrich August von Hayeks, der, wie Hesse (2007: 219) konstatiert, als »Schlüsselfigur« des amerikanischen Neo-/Liberalismus gesehen werden kann. Renner führt diesbezüglich aus: »Während die ›Freiburger‹ um Eucken die Möglichkeit der aktiven Gestaltung der institutionellen Rahmenordnung hervorheben, zeigt Hayek (und mit ihm Karl Popper) auf, daß Institutionen einen Erfahrungsschatz darstellen, der oftmals

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erst dann erkannt wird, wenn diese gewaltsam beseitigt wurden. Institutionelle Reformen sollten daher behutsam angegangen werden.« (Renner 2000: 53) Dabei lässt sich festhalten, dass die neo-/liberalen Positionen der Österreichischen Schule jenen des ›amerikanischen‹ Neoliberalismus der Chicago School am nächsten stehen. Diese Ausprägung neo-/liberaler Positionen spricht sich dabei auch, wie Hesse darstellt, gegen jede Form staatlicher Intervention aus (2007: 222, 228). Dies verdeutlicht die Breite des Spektrums der in der Literatur dargestellten neo-/liberalen Strömungen, die ihrerseits ein heterogenes Verhältnis zueinander verdeutlichen. Hierdurch werden auch differenzielle Positionen der Verhältnisse der Reg(ul)ierungsweisen von (Staats-)Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sichtbar. Mit der Orientierung einer neo-/liberalen Ordnung des Wettbewerbs ist auch der Fokus auf eine spezifische Form von Gesellschaft verbunden, die Foucault als eine »Unternehmergesellschaft« beschreibt: »Was man also zu erreichen sucht, ist nicht eine Gesellschaft, die dem Wareneffekt unterliegt, sondern eine Gesellschaft, die der Dynamik des Wettbewerbs untersteht. Keine Gesellschaft von Supermärkten, sondern eine Unternehmergesellschaft. Der homo oeconomicus, den man wiederherstellen will, ist nicht der Mensch des Tauschs, nicht der Mensch des Konsums, sondern der Mensch des Unternehmens und der Produktion.« (Foucault 2006: 208)35 Es ist, Foucault zufolge, gerade diese Vervielfachung der Unternehmensform innerhalb des Gesellschaftskörpers, welche den Neoliberalismus auszeichnet (ebd.: 210; auch Bröckling 2002; 2013b). So entwirft bspw. auch der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg eine Welt, in der das Unternehmen bzw. der Unternehmer als Sinnstifter gelten: »Erst Sinnhaftigkeit schafft wahres Glück. […] Um eine Welt zu erschaffen, in der jeder Sinnhaftigkeit erlebt, sehe ich drei Wege: sinnvolle Großprojekte gemeinsam angehen; ein neues Verständnis von Gleichheit, damit jeder die Freiheit hat, nach Sinn zu streben; weltumspannende Gemeinschaften aufbauen. […] Heute denken wir alle unternehmerisch, ob wir ein neues Projekt angehen oder nach

35 Feministische Kritik am Androzentrismus des Konzepts des Homo oeconomicus findet sich bspw. bei Friederike Habermann (2008). Foucault bezieht sich im zweiten Teil seiner Geschichte der Gouvernementalität an verschiedenen Stellen auf den Homo oeconomicus (vgl. z.B. Vorlesung 6 vom 14. Februar 1979, Vorlesung 9 vom 14. März 1979 oder auch Vorlesung 11 vom 28. März 1979 – siehe hierzu Foucault 2006: 208ff., 314ff. bzw. 367ff.

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unserer Rolle suchen. Und das ist toll. Nur dank unserer Kultur des Unternehmertums erschaffen wir Fortschritt.« (Mark Zuckerberg zit.n. Musso 2017: 3)36 Auch Peter Diamandis, Mitbegründer der von Google finanzierten Singularity University und verschiedener Raumfahrtprojekte, der auch als einer der »Gurus des Silicon Valley« gilt (Musso 2017: 3), konstatiert: »Ich vertraue der Macht der Unternehmer mehr als der Macht von Politikern und der Politik überhaupt.« (Ebd.) Dies unterstreicht nicht nur Foucaults Beobachtung, sondern verweist darüber hinaus auf ein spannungsreiches Verhältnis im Kontext der Politischen Ökonomie. Die Verallgemeinerung des ›Unternehmens‹ ist auch folgenreich für die Konzeption des Subjekts im Ordoliberalismus, wie Hesse konstatiert: »Der Ordoliberalismus rückt ein vollständig eigenverantwortliches Individuum in den Mittelpunkt des Wirtschaftsprozesses, dessen Existenz als eine Voraussetzung für jegliche Entstehung des Wettbewerbs gesehen wird« (Hesse 2007: 229) Obwohl der Begriff des Neoliberalismus während der 1960er und 1970er Jahre, d.h. während der Blütezeit der Sozialen Marktwirtschaft, Renner zufolge deutlich an Bedeutung verlor, taucht er zu Anfang der 1990er Jahre erneut innerhalb des wissenschaftlichen- wie politischen Diskurses auf (Renner 2000: 53).37 Die Wiederentdeckung des Begriffs steht in engem Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der sozialistischen osteuropäischen Staaten sowie der sich in diesem Zuge global ausbreitenden kapitalistischen Marktgesellschaft mit zunehmender Wettbewerbsintensität (ebd.: 54; Dahrendorf 1999: 18). Während Befürworter*innen der Globalisierung argumentieren, dass es sich hierbei um eine systemimmanente Entwicklung handele, argumentieren Kritiker*innen, dass jene Entwicklungen von Seiten der Politik bewusst im Sinne einer Marktliberalisierung befördert würden. So verstanden, steht der Begriff des Neoliberalismus für eine radikale Marktgesellschaft, in der die Politik »zum Erfüllungsgehilfen der Märkte degradiert wird« (Renner 2000: 54). Insofern wird auch deutlich, dass diese Kritik in gewissem Sinne eine Wiederholung des marktradikalen Laissez‐faire-Liberalismus des 19. Jahrhunderts unterstellt, obwohl die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, dass eine solche Kritik vor allem unter Verweis auf neoliberale Konzeptionen im Sinne der 36 Der englische Originaltext von Zuckerberg findet sich im Internet unter: http://news.harvard. edu/gazette/story/2017/05/mark‐zuckerbergs-speech‐as-written‐for-harvards‐class-of-2017/ – zuletzt aufgerufen am 08.03.2019. 37 Damit ist jedoch nicht gesagt, dass bestimmte ›neoliberale‹ Theorien und Arbeiten, wie die der Chicago School, keine Rolle (mehr) spielten. Im Gegenteil: So gingen die Nobelpreise für Wirtschaftswissenschaften 1974 an Friedrich von Hayek; 1976 an Milton Friedman und 1979 an Theodore W. Schultz, auf den im Zuge der Humankapitaltheorie noch Bezug genommen wird (vgl. auch Prinz/Wuggenig 2007: 258). Gary S. Becker, auch ein Vertreter der Chicago School, der auch in Bezug auf die Humankapitaltheorie eine entscheidende Rolle spielt, erhielt 1992 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

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Chicago School38 zutreffend erschiene, da (ordoliberale) Prinzipien der ›Sozialen Marktwirtschaft‹ von den Kritiker*innen des Neoliberalismus häufig nicht abgelehnt werden bzw. auf diese sogar positiv rekurrieren. Dadurch entsteht eine paradoxe Situation, wie sie Andreas Renner auf den Punkt bringt: »Die heutigen Kritiker des Neoliberalismus greifen – zumeist unwissentlich – jene Ökonomismus-Kritik auf, die vor 50 Jahren von einer Gruppe von Ökonomen entwickelt wurde, die sich selbst als ›neoliberal‹ bezeichneten. Neoliberalismus steht somit heute für diejenigen Konzeptionen, gegen die sich die Neoliberalen ursprünglich wandten.« (2000: 54) In seiner heutigen Verwendung dient der Begriff Neoliberalismus insbesondere für die Markierung einer Extremposition eines ›Marktfundamentalismus‹ bzw. des Minimalstaats, mit dem sich auch innerhalb der Soziologie intensiv beschäftigt wurde, wobei beides häufig synonym verwendet wird (Renner 2000: 55; vgl. z.B. Giddens: 1997: 29; Bourdieu 1998a; Dahrendorf 1999; Giddens 1999: 22; Bourdieu 2016; siehe kritisch dazu z.B. Lemke 2007: 49).39 Renner weist darauf hin, dass entsprechende Schlagwörter treffender den »›marktradikalen‹, ›libertären‹ Minimalstaatskonzeptionen Murray Rothbards, Israel Kirzners und anderen [zuzuordnen wären – B.N.], welche die Tradition der Österreichischen Schule heute in den USA fortführen« (Renner 2000: 55). Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen nicht nur verschiedene Konzeptionen von ›Neoliberalismus‹, sondern auch die Notwendigkeit zur Differenzie38 Diese, bereits aufgeworfene, zu verallgemeinernde ökonomische Perspektive beschreibt Foucault wie folgt: »Der Liberalismus Amerikas ist statt dessen [sic!] eine ganze Seins- und Denkweise. Er ist viel eher eine Art von Beziehung zwischen Regierenden und Regierten als eine Technik der Regierenden gegenüber den Regierten. […] [W]ährend in einem Land wie Frankreich der Streitgegenstand zwischen den Individuen und dem Staat sich um das Problem der Dienstleistungen und der öffentlichen Dienstleistungen dreht, der Streitgegenstand in den [USA] zwischen Individuen und der Regierung die Gestalt des Problems der Freiheiten annimmt. Deshalb glaube ich, daß der amerikanische Liberalismus sich gegenwärtig nicht nur allein und so sehr als eine politische Alternative darstellt, sondern sozusagen als eine Art von globaler, vielgestaltiger, mehrdeutiger Forderung mit einer Verankerung in der Linken und in der Rechten. Er ist auch eine Art von utopischem Mittelpunkt, der immer wieder neu aktiviert wird. Er ist außerdem eine Denkmethode, ein ökonomisches und soziologisches Analyseraster.« (Foucault 2006: 304) 39 Aktuelle Auseinandersetzungen zwischen neoliberalem Marktradikalismus und Demokratie werden von Butler und Athanasiou mit dem Neologismus »debtocracy« (Butler/Athanasiou 2013: 11) diskutiert, der in Relation zu »neoliberalen Mutationen« der Demokratie gesehen wird (ebd.: 198). So erklären die Autorinnen: »In neoliberal frames of privatization, financialization, and management of crises, jobs are being taken away, hopes are obliterated, and bodies are instrumentalized and worn out. But new life forms and forms of subjectivity are also being produced (that is, human life turned into capital), as ›debt‹ becomes a fundamental technology of biopolitical governmentality – a political and moral economy of life itself.« (Ebd.: 12)

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rung und Konkretisierung, da sich die ›neoliberalen‹ Ordoliberalen selbst gerade gegen jenen marktradikalen Neoliberalismus aussprachen, wie er seit den 1990er Jahren kritisiert wird. Die Differenzierung wird jedoch auch dadurch notwendig, als sie auf diese Weise die gouvernementalen Verschiebungen zu analysieren erlaubt, die durch eine homogenisierte Verwendung bzw. eines indifferenten Bezugs auf das Thema, unsichtbar bleiben würden bzw. sich ggf. abzeichnende ›Mischformen‹ nicht in den Blick gerieten (siehe auch Hesse 2007: 214; Prinz/Wuggenig 2007: 240ff.). Es konnte herausgearbeitet werden, dass in den 1990er Jahren nicht nur die Debatte um ›den‹ Neoliberalismus reaktualisiert wurde, sondern spezifische Bezüge in die Sozial- und Familienpolitik eingeführt wurden, die in dieser Form vormals nicht enthalten waren, wie dies bereits am Beispiel der Theorie des Humankapitals bzw. Humanvermögens, auf die gleich noch weiter eingegangen wird, erwähnt wurde. Dies verdeutlicht, wie in diesem Zeitraum Konzeptualisierungen in die Überlegungen des Regierungshandelns Einzug gehalten haben, die sich von ›klassischen‹ Überlegungen der ›Sozialen Marktwirtschaft‹ der deutschen Nachkriegszeit unterscheiden und seitdem eine Rolle in den Überlegungen der Bundesregierung sowie der wissenschaftlichen Kommissionen der Familienberichte spielen.

Zur Theorie des Humankapitals Zwar ist die Perspektivierung menschlicher Subjekte als Ressource bzw. ›Kapitalsorte‹ nicht ausschließlich durch die Theorie des Humankapitals bzw. Humanvermögens besetzt. Ulrich Bröckling (2011) zeigt dies in seiner Auseinandersetzung mit der sogenannten »Menschenökonomie« Rudolf Goldscheids, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele diesbezügliche Überlegungen vorwegnahm: »Menschenökonomie is the effort to acquire our cultural qualities with an ever smaller consumption of human material, an ever smaller wastage of human life, the effort at a more economic exploitation, a more economic exhaustion of human working capacity as well as human life in general. . . . Menschenökonomie presses towards technology of the organic, it studies the constitution, volume, and breakdown of working capacities, teaches us to economize on organic capital and how to exercise economic efficiency in our dealings with the most valuable natural treasure a country possesses: economic viability with human working capacity.« (Goldscheid 1912 zit.n. Bröckling 2011: 250). Entsprechende Überlegungen gewannen jedoch seit dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere in den 1960er Jahren durch Arbeiten diverser Vertreter*innen der Chicago School wie bspw. Theodore W. Schultz oder Gary Becker, besondere Bedeutung und spielen, wie Bröckling (2011: 256; auch Prinz/Wuggenig 2007: 250) darlegt, im Zusammenhang mit Erziehungs- und Entwicklungsökonomie eine bedeutende Rolle. Aufgrund dessen, dass auch innerhalb der Familienberichte der Bundesregie-

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rungen Anschlüsse an die Theorie des Humankapitals und des Humanvermögens auftauchen, soll diese Perspektive nachfolgend kurz dargestellt werden, da diese Bezüge beim vierten Kapitel im Kontext der Elternzeit eine Rolle spielen werden und eine Klärung deshalb sinnvoll erscheint. Die Aufmerksamkeit der Humankapitaltheorie liegt in den Aspekten von ›Qualität‹ und ›Qualifikation‹, wobei diese für Theodore W. Schulz so zentral sind, dass sie seines Erachtens die Zukunftsaussichten der Menschheit bestimmen werden: »The thrust of my argument is that the investment in population quality and knowledge in large parts determines the future prospects of mankind« (Schultz 1981 zit.n. Bröckling 2011: 256), wobei die getätigten Investitionen sowohl auf Ebene der Bevölkerung als auch auf jener einzelner Subjekte operieren, weshalb auf Ebene der Bevölkerung häufig(er) der Begriff des Humanvermögens bzw. auf singulärer Ebene von Humankapital die Rede ist. Gary Becker begründet die Relevanz des Humankapitals in ähnlicher Weise wie Schultz: »Human capital is important because productivity in modern economies is based on the creation, dissemination, and utilization of knowledge.« (Becker 1993 zit.n. Bröckling 2011: 256f.) Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erklärt Humankapital wie folgt: »Menschen [investieren] in ihre Aus- und Fortbildung […], um einen Bestand an Fähigkeiten und Fertigkeiten (ein Kapital) aufzubauen, der sich langfristig lohnen soll. Diese Investition kann auch der Volkswirtschaft von Nutzen sein und dazu beitragen, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.« (OECD 2007: 2)40 Ein bedeutender Unterschied, auf den Ulrich Bröckling im Vergleich zu früheren ökonomischen Ansätzen wie Goldscheids ›Menschenökonomie‹ hinweist, besteht darin, dass Goldscheid in seinen Ausführungen noch explizit von einer normativen ökonomischen Wissenschaft ausging, während die Theoretiker*innen der Humankapitaltheorie ihre Arbeit als deskriptiv verstehen: »They do not inquire into the ways human beings should economically arrange their individual actions and social cooperations, but assume that they already do so.« (Bröckling 2011: 257) Butler und Athanasiou weisen diesbezüglich auch auf die ›Unreinheit‹ des Ökonomischen hin, was auch aufgrund des normativen Gehalts wesentlich scheint. Althena Athanasiou konstatiert: »I have no doubt that ›economy‹ is today a diffuse, insidious, and powerful interpellation through which subjects (and non‐subjects) are called into formation and reformulation. But I would argue that the current historical moment is not 40 Siehe ausführlich für die OECD auch Brian Keeley (2007). Kritische Bezüge zum Thema Humankapital, Geschlecht und Gender Mainstreaming finden sich z.B. bei Wetterer 2003; Bereswill 2004; Meuser/Neusüß 2004; Meuser 2009a.

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merely about the economy itself (if such a thing exists), and, even more significantly, economy is not merely about the economic ›itself‹. […] there is nothing merely economic about economics.« (Butler/Athanasiou 2013: 39) In der Theorie des Humankapitals wird der*die Arbeitnehmer*in zu einem aktiven Wirtschaftssubjekt, zu einem Unternehmer/einer Unternehmerin seiner*ihrer Selbst, wobei Foucault betont, dass es hierbei weniger um das Individuum oder die Prozesse oder Mechanismen an sich geht, sondern um die Anerkennung »des Unternehmens« (2006: 313). Die Verschiebung innerhalb der Konzeption des Homo oeconomicus hin zu einem Subjekt des Unternehmens seiner*ihrer Selbst verändert auch den Blick auf das Thema Lohn (ebd.: 314, ausführlich 368ff.). Der Lohn ist in dieser Perspektive dann nichts anderes als ein Einkommen, welches einem bestimmten (Human-)Kapital zugeordnet ist. Damit ist es jedoch auch nicht mehr von dem jeweiligen Subjekt trennbar, welches dieses Kapital ›ist‹ (ebd.: 315; Butler/Athanasiou 2013: 13). Bildung wird dadurch zur Investition: sei es in das ›eigene‹ Kapital oder in jenes der Kinder41 , wobei diese Investitionsperspektive durch die bereits aufgeworfenen Aspekte der Qualifikation und der Qualität gleichzeitig auch auf Bevölkerungsebene Relevanz erlangen. So konstatiert Foucault: »Sobald eine Gesellschaft sich selbst die Frage nach der Verbesserung ihres Humankapitals im allgemeinen stellt, ist es unmöglich, daß das Problem der Kontrolle, der Auswahl, der Verbesserung des Humankapitals der Individuen in Abhängigkeit natürlich von den Vereinigungen und der anschließenden Fortpflanzung nicht aufgeworfen oder zumindest nicht gefordert wird. Das politische Problem der Verwendung der Genetik stellt sich also in Begriffen der Konstitution, des Wachstums, der Akkumulation und der Verbesserung des Humankapitals.« (Foucault 2006: 318) Diese politische Problematik wurde bereits im Kontext der Elternzeit in einem der mit der Novellierung des BEEGs verbunden Ziele angesprochen, nämlich auch mehr akademische bzw. besserverdienende Eltern dazu zu bringen, sich fortzupflanzen; dies wurde dadurch gefördert, dass insbesondere Anreize zur Inanspruchnahme gesetzt wurden, während geringverdienende Eltern durch die Reform schlechter gestellt wurden (Butterwegge/Klundt/Belke-Zeng 2008: 100; 41 Die Verallgemeinerung der Marktperspektive, wie sie insb. von den US-amerikanischen Neoliberalen vertreten wird, wird in Foucaults Ausführungen zur Theorie des Humankapitals und des Homo oeconomicus auch in Bezug auf die Sphäre der Familie dargestellt. Er bezieht sich hierbei u.a. auf die Arbeiten Gary Beckers und diskutiert die Ausweitung des Marktes hinsichtlich Investitionsentscheidungen, Kosten/Nutzen Verhältnissen insbesondere für Mütter und ihre Kinder (Foucault 2006: 337). Eine geschlechtertheoretische Kritik der Einseitigkeit dieser Perspektivierung findet sich in den Ausführungen Foucaults indes nicht (kritisch dazu z.B. Kerner/Saar 2015: 129f.).

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auch Reiche 2006: 5; Pühl 2008: 118; Kerner/Saar 2015: 125; Neumann 2016b: 3; Kaufmann 2017; vgl. auch Kapitel 4). Auch die bereits zitierte Aussage von Daniel Bahr (FDP) bezüglich des vermeintlichen Umstands, dass in Deutschland »die Falschen« die Kinder bekämen und ein entsprechender Bedarf an Eltern mit Hochschulabschluss – im Vergleich zu jenen mit Hauptschulabschluss – bestehe (Butterwegge/Klundt/Belke-Zeng 2008: 108) verweist darauf, dass diesbezüglich ein dezidiert qualitativer und ökonomisch relevanter Unterschied bezüglich der Generativität gesehen wird. Das Konzept der Humankapitaltheorie gibt besagter Unterscheidung nicht nur ihre ›Legitimität‹, sondern produziert ebenjenen ›qualitativen Unterschied‹ zuvorderst. Durch sie erscheinen Investitionen in das Humanvermögen der Bevölkerung ebenso plausibel wie zur Steigerung und Verbesserung vor allem diejenigen mit der vermeintlich höherwertigen Genetik gebraucht werden, wie Reiche (2006: 5) folgert.42 Die hier zugrunde liegende Rationalität der qualitativen Steigerung sowie des ›Menschenmanterials‹ als knapper Ressource ist der Humankapitaltheorie an und für sich inhärent. Diese Bezüge sind insofern also nicht lediglich deskriptive Einlassungen zu einem Thema, sondern Performativa, die nicht nur spezifische Subjektivitäten (höher/minderwertig in Relation zum erreichten Bildungsabschluss Hoch-/Hauptschüler*innen etc.) erzeugen, sondern sich letztlich auch institutionell in der Ausgestaltung entsprechender Gesetze, Förderungen usw. konstituieren. Insofern geht es sowohl darum, Zugriff auf jenes ›rare Gut‹, auf jene Subjekte mit der vermeintlich ›höherwertigen Qualität‹ zu erhalten als auch steuernd dafür zu sorgen, dass sich diejenigen Entwicklungen vollziehen, die als wünschenswert und ertragreich gelten.43 Darüber hinaus wird deutlich, dass zwar in das einzelne Subjekt, andererseits jedoch gleichzeitig auch in Bevölkerung, d.h. in doppelter Hinsicht ›investiert‹ wird. Damit ist verbunden, dass die einzelnen Subjekte nicht nur dazu angehalten sind, als Unternehmer*innen ihrer Selbste in ›sich‹ zu investieren, sondern diese Investitionen im Rahmen dieser doppelten Geste auch Investitionen in 42 Ulrich Bröckling illustriert die Verbindung von ökonomisch‐utilitaristischen Überlegungen (und Praxen) mit Biopolitik exemplarisch wie folgt: »The lower the number of children per parents and the higher the costs the parents invest in their qualification, the more important the quality of the raw product becomes and the more probable it is that children with prenatal diagnosable maladies or handicaps will remain unborn. In some countries, the embryo only needs to have the ›wrong‹ sex for an abortion to follow or, if preimplantation genetic diagnostics is used, for implantation simply not to take place. Individual management of quality has stepped in for terroristic selection by the state. One may fully support the right of a mother to decide to abort an embryo with Down’s syndrome, but there can be no doubt that this decision is an individual eugenic choice.« (Bröckling 2011: 261) 43 Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen auch die gouvernemental‐biopolitische Dimension des Claims Ursula von der Leyens (Kapitel 1), dass »Familienpolitik auch Wachstumspolitik« sei und bündeln hierbei sowohl wirtschaftlich-ökonomische Aspekte der ›Wachstumspolitik‹ mit ›demographisch‐generativ-geschlechtlichen‹.

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das gesamtgesellschaftliche Humanvermögen darstellen. Die den Subjekten zugeschriebene Eigenverantwortung (vgl. auch Lemke 2000: 38) führt en passant eine Ebene mit, in der auch der*die Einzelne für die Qualität und den Erhalt des gesellschaftlichen Humanvermögens aktiv (mit-)verantwortlich gilt (vgl. auch Prinz/Wuggenig 2007: 251). Die ›Ich-AG‹ hält auf diese Weise gleichzeitig auch Aktien an der ›Deutschland-AG‹, in deren positive Entwicklung sie aktiv (mit-)verantwortlich einbezogen wird.44 Auch zeigt sich, wie die gouvernementale Regierungspraxis mit jenen biopolitischen Komponenten verschränkt ist bzw. die beiden Foucault’schen Serien ›Körper‹ und ›Bevölkerung‹ konstitutiv aufeinander verweisen und gleichzeitig einer geschlechtertheoretischen Ergänzung bedürfen. Fragen, die sich hieraus ergeben, lauten dann, ob (und falls ja in welcher Weise) Verschiebungen in der ordoliberalen Ausrichtung einer Sozialen Marktwirtschaft, bspw. durch das Auftauchen neoliberaler Elemente im Sinne eines amerikanischen Neoliberalismus, sich hinsichtlich des BEEGs und der damit verbundenen elterlichen Subjekte auswirken: d.h. in welcher Weise finden sich Adressierungen im Sinne eines unternehmerischen Selbsts? Werden Mütter/Väter/Eltern in unterschiedlicher Weise adressiert, bspw. mit verschiedenen Herausforderungen in Verbindung gesetzt? Müssen Mütter/Väter/Eltern in vergeschlechtlichter Weise verschiedene Unternehmer*innen seiner*ihrer Selbst im Kontext der Elternzeit sein? In welcher Weise spielen geschlechtliche Differenzierungen in Hinblick auf neo-/liberaler Subjektivitäten eine Rolle? Gibt es Anzeichen dafür, dass die heteronormative Matrix im Sinne Butlers diesbezüglich Verschiebungen erfährt? Das vierte Kapitel dieser Arbeit greift diese und weitere Fragen wieder auf.

2.2

Mutter, Vater, Elter – performative Subjektkategorien

Die vorangegangenen Erläuterungen zeigen, dass die Foucault’schen Konzepte zu Gouvernementalität und Biopolitik untrennbar in Verbindung mit spezifischen Weisen der Subjektbildung stehen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass diese Konzepte durch eine geschlechtertheoretische Erweiterung sinnvoll angereichert werden können, was insbesondere für die Auseinandersetzung mit der Forschungsfrage nach dem Werden elterlicher Subjekte zentral erscheint. Hierzu sollen nachfolgend auf das Thema Subjektivation eingegangen werden, das insbesondere mit Blick auf Geschlecht aus einer performativitätstheoretisch‐dekonstruktiven Perspektive vertieft wird. Damit ergibt sich eine Verbindung zur Foucault’schen gouvernementalen Perspektive, die im Zuge der Anreicherung 44 Im Zuge eines ›aktivierenden Sozialstaats‹ als dass sich das Konzept der Ich-AG innerhalb des damaligen Bezugsrahmens vor allem an Erwerbslose richtete.

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durch die Arbeiten Butlers auch Bezüge der Dekonstruktion Jacques Derridas erhält. Der im Rahmen dieser Arbeit häufig verwendete Begriff des Subjekts im Anschluss an Foucault und Butler meint kein Subjekt im Sinne ›klassischer‹ Subjektphilosophie nach René Descartes, Thomas Hobbes oder John Locke (Reckwitz 2008a: 11; vgl. auch 2013 bzw. noch umfassender 2012). Wenngleich es sicherlich vereinfachend wäre, von ›der‹ klassischen Subjektphilosophie zu sprechen, weisen alle Stränge dennoch eine gemeinsame Grundannahme auf, wie der Soziologe Andreas Reckwitz betont (2008a: 12), da sie von der Autonomie des Subjekts ausgehen: »[Das autonome Subjekt] erscheint als eine irreduzible Instanz der Reflexion, des Handelns und des Ausdrucks, welche ihre Grundlage nicht in den kontingenten äußeren Bedingungen, sondern in sich selber findet. Das klassische Subjekt ist als ›Ich‹ eine sich selber transparente, selbstbestimmte Instanz des Erkennens und des – moralischen, interessegeleiteten oder kreativen – Handelns.« (Ebd.; vgl. auch Saar 2013: 17) Wenn im Rahmen der vorliegenden Arbeit vom Subjekt die Rede ist, wird stattdessen von einem dezentrierten Subjekt ausgegangen: »Das Subjekt wird ›dezentriert‹, indem es seinen Ort als Null- und Fixpunkt des philosophischen und humanwissenschaftlichen Vokabulars verliert, es erweist sich selber in seiner Form als abhängig von gesellschaftlich‐kulturellen Strukturen, die ihm nicht äußerlich sind und in deren Rahmen es seine Gestalt jeweils wechselt.« (Reckwitz 2008a: 13) In diesem Sinne ist das Subjekt keine Transzendentalie mit Eigenschaften, die es vor aller Erfahrung (a priori) besäße; es lässt sich auch nicht in seiner mentalen Struktur unabhängig von kulturell‐gesellschaftlichen Kontexten zum Objekt empirischer Forschung machen, wie Reckwitz schreibt (2008a: 13; vgl. auch Foucault 2012a: 384f.).45 Demzufolge sind jene Subjekte, die im Fokus dieser Arbeit stehen, spezifische Korrelate diverser Subjektivationsweisen, die sich kontinuierlich 45 Hans-Jörg Rheinberger, auf dessen Arbeiten in Kapitel 3 noch näher eingegangen wird, konstatiert, dass es im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts eine ›Problemumkehr‹ ergibt: »Die Reflexion des Verhältnisses von Begriff und Objekt, die vom erkennenden Subjekt ihren Ausgang nahm, wird ersetzt durch die Reflexion des Verhältnisses von Objekt und Begriff, die am zu erkennenden Objekt ansetzt. […] die Frage gilt jetzt vielmehr den Bedingungen, die geschaffen wurden oder geschaffen werden müssen, um Gegenstände unter jeweils zu bestimmenden Umständen zu Gegenständen empirischen Wissens zu machen.« (2007: 11f. – Herv. B.N.) Aus diesem Verständnis heraus ergibt sich auch, dass die Epistemologie eine historische sein muss, genau wie das Material, mit dem gearbeitet wird, die Forschenden und letztlich die empirisch (temporären) Ergebnisse nur historisch situiert zu verstehen sind: »Historisierung der Epistemologie heißt somit auch, die Erkenntnistheorie einem empirisch‐historischen Regime zu unterwerfen und ihren Gegenstand selbst als einen historisch variierenden zu fassen, anstatt ihn einer transzendentalen Voraussetzung oder einer apriorischen Norm zu unterwerfen.« (Ebd.)

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im Prozess des Werdens befinden. Relevant scheinen aus dieser Perspektive auch Fragen nach Ein- und Ausschlüssen, Verwerfungen und Verdrängungen etc. (siehe hierzu weiterführend auch Butler z.B. 2013b: 216ff.; 2013c: 27ff., 129ff.) durch welche die, wie es Birgit Wartenpfuhl auf den Punkt bringt, »Subjekte niemals kohärent sein können« (1996: 193), da die Ein- und Ausschlüsse als gleichermaßen konstitutiv gesehen werden. Das heißt auch, dass es – vor dem Hintergrund der eingenommenen dekonstruktiven Perspektive – keine Präsenz außerhalb des unendlichen Spiels von Differenzen gibt. »Es gibt nichts Originäres, sondern nur Supplemente einer unendlichen Bezeichnungskette« (Wartenpfuhl 1996: 193; auch Derrida 1976a: 424) Der Philosoph und Verleger Peter Engelmann konstatiert in Bezug auf Derridas Philosophie, dass diese »den Boden für eine differentielle Theorie der Bedeutungskonstitution bereitet [hat], weil sie das Ich als konstituiert erweist und damit das Subjekt nicht als Ursprung, sondern als Kreuzungspunkt zu erforschender Konstituenten begreift. Die Entstehung von Bedeutung wird nicht mehr als Sinngebung eines Subjekts, sondern als vom Ich unabhängiger und von ihm nicht gesteuerter Prozess verstanden.« (2009: 13 – Herv. B.N.) Reckwitz (2008a: 13) verweist darauf, dass, wenn man die Universalität der Struktur des Subjekts als moderne Fiktion annimmt, sich das Interesse auf die historisch‐spezifischen kulturellen Praktiken mitsamt der Diskurse und ihrer Subjektivationsweisen richten müsse, auf »Bildung und Umbildung besonderer Subjektformen in ihrer Konflikthaftigkeit und Widersprüchlichkeit […], so wie sie den Individuen selber, die sich durch sie formieren, regelmäßig intransparent bleiben« (ebd.). Diese Subjektivitäten sind insofern nicht pre‐existent, sondern werden in Prozessen der Subjektivation46 erst kontinuierlich hervorgebracht. Die Perspektive Judith Butlers, die seit den 1990er Jahren und mit dem Erscheinen ihrer Bücher Das Unbehagen der Geschlechter (2012a) und Körper von Gewicht (1997) einiges an ›Gender Trouble‹ – nicht nur in der deutschsprachigen Geschlechterforschung – ausgelöst hat, soll innerhalb dieser Arbeit als zentraler Bezugspunkt auf die soeben aufgeworfenen Fragen nach Subjektivation und Geschlecht dienen. In dieser Hinsicht erscheint zunächst bedeutsam festzuhalten, dass ›Individuen‹ bzw. ›Personen‹ nicht identisch mit ›dem Subjekt‹ sind bzw. nie vollständig in diesem aufgehen. So schreibt Butler: »Über ›das Subjekt‹ wird oft gesprochen, als sei es austauschbar mit ›der Person‹ oder ›dem Individuum‹. Die Genealogie des Subjekts als kritischer Kategorie verweist darauf, daß das Subjekt nicht mit dem Individuum gleichzusetzen, sondern 46 Im Anschluss an Foucault und Butler verwende ich den Begriff der Subjektivation. Während Subjektivierung das Missverständnis beinhalten kann, dass das Subjekt als gegeben vorausgesetzt wird, wird mit Subjektivation »die diametral entgegengesetzte Frage danach begrifflich gefasst«, wie jene Subjekte gemacht werden und wie sie sich selbst dazu machen (Ricken 2013: 71f.; siehe ausführlich z.B. auch Bröckling 2013a und 2013c).

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vielmehr als sprachliche Kategorie aufzufassen ist, als Platzhalter, als in Formierung begriffene Struktur. Individuen besetzen die Stelle, den Ort des Subjekts (als welcher ›Ort‹ das Subjekt zugleich entsteht), und verständlich werden sie nur, soweit sie gleichsam zunächst in der Sprache eingeführt werden. Das Subjekt ist die sprachliche Gelegenheit des Individuums, Verständlichkeit zu gewinnen und zu reproduzieren, also die sprachliche Bedingung seiner Existenz und Handlungsfähigkeit. Kein Individuum wird Subjekt, ohne zuvor unterworfen/subjektiviert zu werden oder einen Prozeß der ›Subjektivation‹ […] zu durchlaufen.« (Butler 2013c: 15f.) Dieser Prozess des Unterworfenwerdens durch Macht, im Sinne einer diskursiven Identitätserzeugung, findet Butler zufolge immer und unausweichlich statt, da Subjekte durch Sprache bzw. Diskurse zuallererst gesellschaftliche Intelligibilität erlangen (vgl. auch Neumann 2016c). So erklärt auch die Soziologin Paula Villa im Anschluss an Butler, dass wir zwar immer ein ›konkretes‹ Jemand seien, jedoch durch Anrufungen und Adressierungen zu einem solchen gemacht werden und jene Namen, Bezeichnungen, Identitätskategorien usw. darüber hinaus ein Eigenleben führen (2003: 41f.), welches die Subjekte übersteigt. Durch die Überlegungen Butlers zu Dezentrierung, Macht und Diskurs, verschiebt sich auch der Bezug auf das Thema Souveränität und Handlungsfähigkeit. Butler betont in Bezug auf Kritiker*innen, die durch die Dezentrierung den Tod der Handlungsfähigkeit sehen, dass gerade in der Anerkennung radikaler Bedingtheit zugleich immer auch Möglichkeiten zu Handeln mitgeführt werden: »Während einige Theoretiker die Kritik der Souveränität als Zerstörung der Handlungsmacht mißverstehen, setzt meiner Ansicht nach die Handlungsmacht gerade dort ein, wo die Souveränität schwindet. Wer handelt (d.h. gerade nicht das souveräne Subjekt), handelt genau in dem Maße, wie er oder sie als Handelnde und damit innerhalb eines sprachlichen Feldes konfrontiert sind, das von Anbeginn an durch Beschränkungen, die zugleich Möglichkeiten eröffnen, eingegrenzt wird.« (Butler 2013b: 32) Diese Konzeption von Bedingtheit und bedingter Handlungsfähigkeit, wird unter dem Begriff Postsouveränität gefasst (vgl. auch Villa 2003: 37ff.). Diese Konzeption von Postsouveränität ergibt sich auch durch die Foucault’sche Konzeption von Macht, die das Subjekt als grundlegend durch Macht konstituiert und in Machtbeziehungen verstrickt sieht. Dabei zeichnet Macht im Sinne Foucaults aus, dass dem Subjekt bis zuletzt ein Feld von Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung steht. Ist diese Bedingung nicht (mehr) erfüllt, würde es sich um eine Beziehung von Gewalt handeln (Foucault 2005b: 255). In diesem Sinne gibt es kein Außerhalb dieser Machtbeziehungen.

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Auch der Begriff des Diskurses im Sinne Foucaults, an den auch Butler anknüpft, ist eng mit dem Thema Macht verbunden. Die zu einer bestimmten Zeit »gängigen Weltdeutungs- und Erkenntnismuster« sind einer »redebeherrschenden Macht unterworfen, die sich selbst fortschreibt und dabei nach Grundsätzen verfährt, die nicht leicht zu durchschauen sind. Sie wird keineswegs von den Redenden und Schreibenden allein ausgeübt, ja ihre Anwendung liegt überhaupt nicht in deren Ermessen. Es sind Ordnungsprinzipien jenseits der einzelnen Personen, die alle jene Aussagen bestimmen, in denen die menschliche Kenntnis der Welt aufbewahrt (archiviert) wird. Diese Ordnung erscheint im Diskurs, in der Menge aller zugelassenen Aussagen […]. Ordnung regiert den Diskurs, sie prägt ihm ihre Machtstruktur ein, ohne daß durch eine reale Person oder faßbare Instanz Herrschaft ausgeübt würde – und insofern geschieht dies auch ohne jedes auf ein Ziel gerichtetes Interesse.« (Baasner 1996: 130 – Kursivierung B.N.) Insofern ist Macht keinem einzelnen Menschen zuzuschreiben, da die Dezentrierung der Macht in dieser Perspektive gerade die Zersetzung einer solchen metaphysischen Grammatik im Blick hat. Butler schreibt diesbezüglich: »[W]enn Macht die Bildung und Erhaltung der Subjekte orchestriert, dann läßt sich Macht nicht darstellen, als wäre sie von den Bestimmungen her das ›Subjekt‹, das ja ihre Wirkung ist.« (Butler 1997: 32) Diese konstitutive Macht darf dabei nicht als etwas Einmaliges missverstanden werden. Die performativen Akte47 versteht Butler »als die ständig wiederholende und zitierende Praxis, durch die der Diskurs die Wirkungen erzeugt, die er benennt« (ebd.: 22). Dass bei Butler Diskurs oder ihr Bezug auf Geschlecht nicht lediglich auf Semiotik oder Sprache zu reduzieren ist, macht diese in ihrem Buch Körper von Gewicht (1997) deutlich, wenn sie darauf verweist, dass die Debatte zwischen Konstruktivismus und Essentialismus das Wesentliche an der Dekonstruktion verkenne. Sie führt aus, dass es ihr nie darum ging zu behaupten, dass »alles diskursiv konstruiert« sei, was einem »diskursiven Monismus« bzw. »Linguistizismus« entsprechen würde (ebd.: 30). Butler zufolge darf ›der‹ Diskurs bzw. ›die‹ Linguistik schon deshalb nicht zu einer alles umschließenden monistischen Position erhoben werden, weil dies »die konstitutive Kraft des Ausschlusses, der Auslöschung, der gewaltsamen Zurückweisung und der Verwerflichmachung [abjection] und deren aufsprengende Wiederkehr gerade unter den Bedingungen diskursiver Legitimität« (ebd.) bestreiten und letztlich eine metaphysische Position re-/produzieren würde. Wesentlich an der Position Butlers scheint diesbezüglich auch die Zurückweisung einer Perspektive von ›Konstruktion‹ zu sein, die diese als einseitigen Prozess, ausgehend von einem vorgängigen Subjekt, denkt und unterstellt, »daß dort, wo Tätigkeit ist, ein initiierendes und 47 Das Thema der Performativität wird hierbei im nachfolgenden dritten Kapitel auch hinsichtlich der method(olog)ischen Konsequenzen für die Umsetzung dieser Arbeit vertiefend diskutiert.

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absichtsvolles Subjekt dahintersteckt« (ebd.: 31). Infolgedessen schlägt Butler eine Konzeption von ›Konstruktion‹ vor, die den »Begriff der Materie, jedoch nicht als Ort oder Oberfläche [vorstellt], sondern als ein[en] Prozess der Materialisierung, der im Laufe der Zeit stabil wird, so daß sich die Wirkung von Begrenzung, Festigkeit und Oberfläche herstellt« (ebd.: 32 – Kursivierung B.N.) und infolgedessen als Materie bezeichnet wird. »Daß Materie immer etwas zu Materie gewordenes ist«, muss, so Butler weiter, »mit Bezug auf die produktiven und eben auch materialisierenden Effekte von regulierender Macht im Foucault’schen Sinne gedacht werden« (ebd.; siehe auch 2003). In diesem Sinne ist diese produktive Macht nicht als etwas dem Subjekt Äußerliches oder ihm Vorgängiges zu verstehen; sie kann jedoch auch nicht ausschließlich mit dem Subjekt identifiziert werden.48 Die Bedingungen der Macht, die ebenjene Subjekte bedingen, müssen kontinuierlich wiederholt werden, um fortzubestehen (Butler 2013c: 20). Insofern plädiert die Butler’sche Perspektive auch nicht dafür, Geschlecht, Sexualität oder Körper als etwas ›frei‹ Konstruierbares zu fassen, sondern spricht sich dezidiert dafür aus, sich auch mit den regulativen Zwängen, Einschränkungen und Verwerfungen zu befassen (Butler 1997: 138; Villa 2003: 84). Die diskursive Macht reguliert die geschlechtlichen Konstruktionen, d.h., sie ermöglicht und begrenzt sie zugleich (Villa 2003: 84). Die performative Kraft von Geschlechterdiskursen reguliert hierbei in vielfältiger Weise auch weit verbreitete Alltagserfahrungen zu Geschlecht, wie sie sich auch heute noch häufig in der bekannten Sex/Gender-Unterscheidung finden lassen (ebd.: 82) und die darüber hinaus in vielfältige wissenschaftliche Geschlechter- und Körperdiskurse eingelassen ist.49 In Butlers Bezug auf Geschlecht erweist sich die Unterscheidung von ›sex‹ (als ›anatomisches‹) und ›gender‹ (als ›kulturelles‹) Geschlecht für nicht haltbar: »Die Geschlechtsidentität darf nicht nur als kulturelle Zuschreibung von Bedeutung an ein vorgegebenes anatomisches Geschlecht gedacht werden (das wäre 48 Das heißt auch, dass, in Bezug auf die Frage nach Handlungsfähigkeit, durchaus eine solche gegeben ist (vgl. Butler 2013c: 22; Bröckling 2013b: 19f.). Bröckling führt hierzu aus: »Das Subjekt ist weder ausschließlich gefügiges Opfer, [sic!] noch nur eigensinniger Opponent von Machtinterventionen, sondern immer schon deren Effekt. Auf der anderen Seite kann Macht nur gegenüber Subjekten ausgeübt werden, setzt diese also voraus.« (Bröckling 2013b.: 20) 49 Siehe z.B. die Ausführungen von Heinz-Jürgen Voß zum Geschlechtsdiskurs innerhalb der Biologie bzw. Genetik (Voss 2009; ausführlich 2011b) oder die Arbeiten Thomas Laqueurs zur Entwicklung des anatomischen Geschlechts(-Körpers) (Laqueur 1992). Um Dopplungen zu vermeiden, sei darauf hingewiesen, dass das dritte Kapitel das Verhältnis von Sprache, Performativität und Diskurs erneut aufgreift und einerseits betont, dass ›Diskurs‹ im Sinne Butlers (und Foucaults) nie ›nur Sprache‹ ist sowie andererseits hervorhebt, dass auch Foucaults Perspektive auf Diskurs durchaus als ›performativ‹ zu lesen ist. Dort wird auch auf die vielfältige Produktivität von Geschlechterdiskursen bzw. Gender als epistemischem Ding vertiefend Bezug genommen.

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eine juridische Konzeption). Vielmehr muß dieser Begriff auch jenen Produktionsapparat bezeichnen, durch den die Geschlechter (sexe) selbst gestiftet werden. Demnach gehört die Geschlechtsidentität (gender) nicht zur Kultur wie das Geschlecht (sex) zur Natur. Die Geschlechtsidentität umfaßt auch jene diskursiven/kulturellen Mittel, durch die eine ›geschlechtliche Natur‹ oder ein ›natürliches Geschlecht‹ als ›vordiskursiv‹, d.h. als der Kultur vorgelagert oder als politisch neutrale Oberfläche, auf der sich die Kultur einschreibt, hergestellt und etabliert wird. […] Diese Produktion des Geschlechts als vordiskursive Gegebenheit muß umgekehrt als Effekt jenes kulturellen Konstruktionsapparats verstanden werden, den der Begriff ›Geschlechtsidentität‹ (gender) bezeichnet.« (Butler 2012a: 24) Insofern ist auch der ›anatomische Leib‹ immer bereits kulturell interpretiert (ebd.: 26), so dass sich auch Fragen nach Prozessen von Naturalisierung stellen. Deshalb ist Materie bzw. die Materialisierung als Effekt jener Geschlechterdiskurse keine ›neutrale‹ Angelegenheit. (Geschlechts-)Körper sind so immer bereits in entsprechende Diskurse eingelassen bzw. nur vor dem Hintergrund eben dieser Diskurse intelligibel, d.h. versteh- und erkennbar (Butler 2012a: 24; vgl. auch Butler 1997: 32; 2003: 66; Butler/Athanasiou 2013: 98). Dabei kommt der Intelligibilität der Geschlechter50 eine zentrale Rolle zu: Der Zwang zu geschlechtlicher Vereindeutigung, der mit der Erwartung (und häufig auch Forderung) der Kohärenz von ›anatomischem‹ Geschlecht, ›Geschlechtsidentität‹, ›Begehren‹ und ›sexueller Praxis‹ verbunden ist, re-/produziert gleichzeitig jene vermeintlich stabile und kohärente, binäre Struktur von Geschlecht. Kommt diese Kohärenz in Gefahr bzw. wird diese destabilisiert, kann dies den Begriff ›Person‹ Butler folgend grundsätzlich infrage stellen (2012a: 38) und damit auch die Über-/Lebensfähigkeit des Subjekts gefährden. Dadurch erscheint Geschlecht im Sinne Butlers als Norm, die nicht deckungsgleich mit dem ist, was man ›ist‹ oder was man ›hat‹: »Gender ist weder genau das, was man ›ist‹, noch das, was man ›hat‹. Gender ist der Apparat, durch den die Produktion und Normalisierung des Männlichen und Weiblichen vonstatten geht – zusammen mit den ineinander verschränkten hormonellen, chromosomalen, psychischen und performativen Formen, die Gender voraussetzt und annimmt.« (Ebd.: 74) In Butlers Werk spielt diesbezüglich auch der Begriff der Heteronormativität als regulative (Geschlechter-)Norm eine wesentliche Rolle (z.B. 2012a: 44ff., 219; 2012b: 50 Butler beschreibt dies wie folgt: »›Intelligible‹ Geschlechtsidentitäten sind solche, die in bestimmtem Sinne Beziehungen der Kohärenz und Kontinuität zwischen dem anatomischen Geschlecht (sex), der Geschlechtsidentität (gender), der sexuellen Praxis und dem Begehren stiften und aufrechterhalten.« (2012a: 38; vgl. auch 2012b: 84)

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84, 92ff.; vgl. auch Hartmann et al. 2007; Ludwig 2017), die u.a. jene Erwartung und Forderung nach Kohärenz und Vereindeutigung reguliert bzw. erzwingt. Heteronormativität meint hierbei die normativ‐regulatorische Funktion, heterosexuelles Begehren als universell bzw. allgemeingültig anzusehen, während andere Formen (häufig in hierarchisierender Weise) als Abweichung von der Norm(alität) fungieren. Die regulative und konstitutive Dimension zeigt sich in der häufig zugrunde liegenden ›Selbstverständlichkeit‹, die davon ausgeht, dass ›Männer‹ per se ›Frauen‹ und vice versa begehren, wobei die heterosexuelle Matrix auch dann noch ihre Wirkmächtigkeit behält, wenn auch ›Homosexualität‹ gesellschaftlich‐kulturell intelligibel geworden ist, da mit dem Intelligibel-Werden keine Verschiebung aus dem Bereich der Abweichung von der Norm(alität) verbunden sein muss. Butler verweist unter Bezug auf Foucault darauf, dass die binäre, heterosexuelle Regulierung u.a. auch eng mit dem Thema der Fortpflanzung verbunden ist: »Die binäre Regulierung der Sexualität unterdrückt die subversive Mannigfaltigkeit einer Sexualität, die mit den Hegemonien der Heterosexualität, der Fortpflanzung und des medizinisch‐juristischen Diskurses bricht.« (Butler 2012a: 41) In Bezug auf das Thema der vorliegenden Arbeit, nach Subjektwerdung von ›Eltern‹ bzw. nach geschlechtlicher In-/Differenzproduktion, stellt sich insofern auch die Frage, ob und inwieweit sich innerhalb des Untersuchungsmaterials jene regulatorischen Bezüge aufzeigen lassen. Insbesondere der Hinweis auf das Themenfeld der Reproduktion wirft Fragen auf, die das an Foucault auch Butler anschließende Feld von Biopolitik und Gouvernementalität tangieren. Dabei ist, Butler weiter folgend, die Produktion dieser kohärenten Binarität selbst kontingent, da auch all jene verworfenen bzw. ausgeschlossenen Spielarten von Geschlecht über deren Ausschluss dennoch konstitutiver Teil des Geschlechts sind (ebd.). Butler weist bereits in Das Unbehagen der Geschlechter darauf hin, dass es in ihrer Perspektive nicht darum gehen kann, lediglich das Verhältnis der »Biologie als Schicksal« in ein kulturell‐geschlechtliches »anything goes« zu übersetzen, denn dann käme ›Kultur‹ eine genauso determinierende Funktion zu wie ›Biologie‹ (ebd.: 25). Vielmehr verweist sie an vielerlei Stellen ihres Werks auf die performative Potenzialität von Geschlecht, mit der immer auch die Potenzialität des Scheiterns mitgeführt wird (z.B. Butler 2013c: 21). Aufgrund dieser konzeptionellen Unabgeschlossenheit besteht für sie immer die Möglichkeit zur Verschiebung: »In der Tat könnte genau der Apparat, der die Norm einzusetzen versucht, gleichfalls bewirken, dass ebendieser Vorgang untergraben wird.« (Butler 2012b: 74) Ein Ziel Butlers in Das Unbehagen der Geschlechter ist es, vorzuführen, wie bzw. weshalb Geschlecht aus ihrer Perspektive sich nicht aus einer »innere[n] Wahrheit der Anlagen oder Identitäten« speist, »sondern eine performative inszenierte Bedeutung ist (und damit nicht ›ist‹)« (ebd.: 61) und auf ein kontinuierliches Werden verweist. Versuche, durch Subversion, Verschiebung oder Irritationen die geschlechtlichen Bezüge zu destabilisieren, liegen für Butler dabei nicht in einem

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utopischen Jenseits (ebd.), sondern können nur aus der Systematik selbst, aus dem ›Inneren‹ performativer Praxis, erfolgen und Effekte zeitigen. Gerade das Moment der Uneindeutigkeit, des Unabgeschlossenen bzw. der Polysemie unterstreicht die dekonstruktive Geste in Butlers Werk.51 Die Anlage von Performativität als zitatförmige Wiederholung führt zum einen immer die Potenzialität des Scheiterns, zum anderen auch die Möglichkeit der Verschiebung mit, da die Wiederholung der Diskurse nie in einer vollständig identischen oder mechanischen Weise erfolgt: »Das Subjekt ist der Ort dieser Wiederholung, einer Wiederholung, die niemals bloß mechanischer Art ist.« (Butler 2013c: 20) Da, wie Butler erklärt, »die Übernahme von Macht keine geradlinige Aufgabe [ist], etwa so, daß Macht von der einen Stelle übernommen, intakt übertragen und dann zur eigenen gemacht wird« (Butler 2013c: 17) können hierbei auch Verschiebungen, Brüche oder Widersprüche evoziert werden, d.h.: »[D]er Aneignungsakt kann eine Veränderung der Macht beinhalten, so daß die übernommene oder angeeignete Macht gegen jene Macht arbeitet, die diese Übernahme ermöglicht hat.« (Ebd. – Herv. B.N.) Das heißt, dass jene Elternsubjekte zwar als Machteffekte zu verstehen sind, die Unterwerfung jedoch nie spurlos vor sich geht. In der Wiederholung bzw. Zitation liegt also immer auch das Potenzial für Verschiebung begründet. So verweist Butler darauf, dass nicht primär die Frage ist, ob wir wiederholen, sondern wie wir wiederholen (Butler 2012a: 217). Aus dieser nicht‐mechanischen Konzeption von Wiederholung ergeben sich Potenziale der Verschiebung, da sich bspw. zwar auf Subjektivitäten wie Mutter/Vater bezogen werden ›muss‹, diese Bezugnahme jedoch in verschiebender Weise erfolgen kann. So erklärte etwa das Paar Cramer im Rahmen der in der Studie Väter in Elternzeit durchgeführten Interviews52 , dass sie sich nicht als Mutter und Vater »im herkömmlichen Sinne« verstehen, sondern als ›Eltern‹, d.h. als zwei Personen, die sich um ein Kind kümmern. Zwar bleibt der Bezug der Cramers dennoch sprachlich (auch) auf Mutterund Vaterschaft gerichtet (Mutter und Vater im herkömmlichen Sinne), jedoch wird durch die Art der Wiederholung die häufig streng vergeschlechtlichte Bezüglichkeit auf Elternschaft nicht in gleicher Weise wiederholt. Indem sich beide als Eltern anstatt dezidiert als Mutter/Vater verstehen, wird ebenjene tradierte Separierung eindeutig voneinander abzugrenzender Subjektivitäten verschoben. 51 Insofern sind die Bezüge Butlers eher im Sinne einer Heterotopie als einer Utopie angelegt (siehe zum Begriff der Heterotopie z.B. Foucault 2013b; Günzel 2017: 97ff.; zu dieser Lesart von Butler im Verhältnis zu einer utopischen Bezüglichkeit Pierre Bourdieus auch Villa 2011b: 53). Zu Verschiebungen, Irritationen, dem potenziellen Gelingen/Scheitern performativer Akte z.B. auch Butlers Buch Hass Spricht. Zur Politik des Performativen (2013b) oder die subversive Lektüre Butlers der Antigone von Sophokles (Antigones Verlangen: Verwandtschaft zwischen Leben und Tod), mit der durchaus Fragen nach ›anderen‹ Familien- und Verwandtschaftsformen aufgeworfen werden können (2013a). 52 Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3, Abschnitt 3.3.

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Mit der prozesshaften Anlage von Macht verzeitlicht die Reiteration der Macht nicht lediglich jenes Unterworfensein bzw. jene Unterordnung, sondern erweist deren Bedingungen als nicht‐statisch, mit einer aktiven und produktiven Zeitlichkeit versehen. Butler bringt dies wie folgt auf den Punkt: »Die durch die Wiederholung erzielte Verzeitlichung bahnt den Weg für die Verschiebung und Umkehr der Erscheinung der Macht. Die Perspektive der Macht verändert sich: Sie wird aus dem, was von Anfang an und von außen auf uns einwirkt, zu dem, was in unserem gegenwärtigen Handeln und seinem in die Zukunft ausgreifenden Wirkungen unseren Sinn für die Handlungsfähigkeit ausmacht.« (Butler 2013c: 21) Insofern sind Subjekte nicht von und durch Macht determiniert, sie bewegen sich jedoch nie außerhalb dieser Machtbeziehungen. Aufgrund dessen wiederholt die Zitation bestimmter Bezüge auf Väter/Mütter/Eltern zwar jene Subjektivitäten bzw. erzeugt diese zuvorderst; dennoch ergibt sich aus der nicht‐mechanistisch angelegten Form der Wiederholung, dass damit auch Möglichkeitsräume für Verschiebungen vorhanden sind, wenngleich diese nicht unmittelbar sichtbar sein müssen. Hieraus ergibt sich, dass im Rahmen elterlicher Praxis jedes Mal aufs Neue Raum für Verschiebungen enthalten ist. So kann die Möglichkeit des Nicht‐stillen-Könnens oder Wollens bspw. dazu führen, dass der Raum für eine andere Stillpraxis eröffnet wird, in welchem zum einen andere Formen des Stillens (z.B. über die Flasche stillen) als akzeptierte Möglichkeiten der kindlichen Versorgung gelten können. Zum anderen kann sich dadurch auch die Positionierung der Subjekte in ihrer elterlichen Praxis zueinander verschieben, indem auf diese Weise auch Väter bzw. Co-Eltern stillen und diesbezüglich inkludiert werden. Diese andere Art der Wiederholung verschiebt in diesem Sinne nicht nur die Möglichkeit der Praxis, sondern eröffnet auf diese Weise den Einbezug von Co-Eltern, der in einer engen, biologistisch‐naturalisierten Konzeption unmöglich erschien. Ein Gewinn der performativitätstheoretischen Perspektivierung Butlers liegt in der Betonung, dass kein Subjekt die Effekte einer Tat vollständig kontrollieren kann bzw. die Effekte einer Handlung ihre ggf. intendierten Absichten verfehlen können. Zum anderen betont sie die radikale sozial‐kontextuelle Bedingtheit jener Subjektivitäten, die nur durch die differenziellen Verweisungszusammenhänge, durch distinktive Praxis Bedeutung erlangen und keinen definitiven Ursprung kennen. Gleichzeitig ergibt sich hierdurch kein Determinismus, sondern eine bedingte Handlungsfähigkeit, die immer an ihre spezifischen Kontextbedingungen gebunden ist. Zwar kann das, was sich als Ordnungsmuster im »großen unaufhörlichen und ordnungslosen Rauschen des Diskurses« (Foucault 2012a: 33) zeigt, durch entsprechende Einschnitte einem Subjekt ›ursächlich‹ zugeschrieben werden, dennoch ist damit gleichzeitig ein erzeugender, produktiv‐handelnder Schnitt vollzogen, der selbst jenes Ordnungsmuster (mit-)bedingt, als das es sich letztlich konstituiert

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(z.B. Butler 2012c: 23, 28). Darüber hinaus ließe sich dieses Ursprungsspiel unendlich weitertreiben, da die Frage nach dem Ursprung und der Bedingtheit dieser Einschnitte immer wieder aufs Neue gestellt werden könnte. Die Unterstellung, dass dort, wo eine Tätigkeit sei, auch gleichzeitig ein intendierendes Subjekt vorhanden sein müsse, würde gerade die fragwürdige Ursprünglichkeit wieder in das Subjekt verlagern. So schreibt Butler: »Unter einem solchen Gesichtspunkt wird der Diskurs oder die Sprache oder das Soziale personifiziert, und in der Personifizierung wird die Metaphysik des Subjekts wiederum konsolidiert.« (Butler 1997: 31) Diskurse besitzen hierbei auch eine Ordnungsfunktion, wie die Soziologinnen Hannelore Bublitz und Andrea D. Bührmann zusammen mit den Medienwissenschaftlerinnen Christine Hanke und Andrea Seier ausführen: »[I]ndem sie das Wahre vom Falschen, das Vernünftige vom Unvernünftigen, das Normale vom Nicht-Normalen trennen und damit den Prozess steuern, in dem sich die Gesellschaft gegen das von der Normalität Abweichende verteidigt, das Diskurse als gesellschaftliche Wahrheit erst konstruiert haben.« (Bublitz et al. 1999: 12f.) Die Motive der Wiederholung und Iteration, der Verzeitlichung, des Aufschubs sowie des Raums und der Verräumlichung verweisen dabei auf wesentliche Elemente der Dekonstruktion Jacques Derridas, auf die – in Bezug auf Geschlecht – nachfolgend skizzenhaft eingegangen werden soll, da sie einerseits wichtige Überlegungen Butlers nachvollziehbarer werden lassen, sie andererseits jedoch auch für die in Kapitel 3 diskutierten weiteren Überlegungen zu Performativität zentral erscheinen.

Dekonstruktion und Geschlecht Der Begriff Dekonstruktion des französischen Philosophen Jacques Derridas setzt sich aus der Verbindung von ›Destruktion‹ – im Sinne Martin Heideggers – und Konstruktion zusammen. Ein wesentlicher Punkt der Dekonstruktion stellt der Umstand dar, dass es ihr immer um eine den Kontexten angepasste Perspektivierung bzw. Lektüre geht. Dieses so angepasste Lesen kann und soll dabei gerade keine verallgemeinerbare Methode darstellen, da der hiermit verbundene Anspruch nach Verallgemeinerbarkeit, Wiederholbarkeit und Übertragbarkeit, die idiomatischen Eigenheiten sozialer Phänomene mehr oder weniger ignorieren muss (Wartenpfuhl 1996: 195). Peter Engelmann fasst dies wie folgt zusammen: »Dekonstruktion soll nämlich gerade keine allgemeine Methode sein, sie ist vielmehr ein bewegliches, sich jeweiligen Kontexten anpassendes Lesen (Handeln), das auf diese Art eine Alternative zum totalisierenden Zugriff allgemeingültiger Methoden entwickeln will. Was von der Dekonstruktion immer wieder gefordert

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wird, steht also im Widerspruch zu dem, was sie sein will und was sie letztlich nur ist, wenn sie sich der Zu- und Einordnung, die von ihr gefordert wird, verweigert.« (Engelmann 1990: 27) Zentral in der Derrida’schen Perspektive ist die Frage nach dem Prozess des Unterscheidens, nach Differenzen, die im Rahmen der Dekonstruktion leitend sind. Wie Wartenpfuhl (1996: 196; vgl. ausführlicher auch 2000) darstellt, geschieht dies im Sinne einer Kritik an der abendländisch‐philosophischen Denktradition, die als »identifizierendes Denken« zur Folge hat, dass das nicht zu Identifizierende ausgeschlossen bleibt. »Das heißt, daß die ›begriffliche Totalität‹ nichts offen läßt, so daß alles, was sich ihm nicht fügt, als Widerspruch, als das Nicht-Identische angenommen wird.« (Wartenpfuhl 1996: 197) Dekonstruktive Lektüren interessieren sich deshalb auch für das Verworfene und Ausgeschlossene, d.h. das NichtGedachte, Nicht-Gesagte, Nicht-Sagbare sowie das Nicht-Begriffliche (ebd.). Da es in diesem Denken kein Außerhalb der vorherrschenden Sprache gibt, ist Dekonstruktion nur ›von innen‹ heraus möglich, wodurch sie so immer auch mit dem zu Dekonstruierenden verhaftet bleibt (ebd.).53 Insofern kommt der Auseinandersetzung mit spezifischen Begrifflichkeiten, die im Kontext der vorliegenden Arbeit eine wesentliche Rolle spielen (z.B. Mutter, Vater, Elter) eine bedeutsame Rolle zu, da sie in performativer wie abgrenzender Weise nicht lediglich beschreiben, sondern Differieren und in diesem Sinne vergeschlechtlichte Subjekte konstituieren. Differenzen sind damit, wie Antke Engel, darstellt, keine positiven, prädiskursiven Entitäten, sondern »werden – mittels des Identitätsprinzips – als Effekte sozio‐diskursiver Machtmechanismen hervorgebracht. Differenzen sind Effekte der Differenzierung. Sie bestehen nicht per se, sondern nur in Relation, womit die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Terme hervortritt.« (Engel 2002: 112) Im Prozess der Dekonstruktion geht es dabei nicht bloß um die Sichtbarmachung diverser Dualismen wie Natur/Kultur oder Mutter/Vater, sondern darum, in einem zweiten Schritt jene Dualismen selbst zu durchkreuzen, indem der Hierarchisierung nicht etwas entgegengesetzt, sondern, wie Engelmann treffend formuliert, etwas danebengesetzt wird:54 53 Dieser Punkt im Hinblick auf das Potenzial der Aneignung und Umarbeitung (Resignifikation) in den Arbeiten Butlers wurde bereits angesprochen, dennoch ist dieser Prozess nicht ohne seine historisch gewachsene Situierung zu denken. Butler führt dies u.a. am Begriff ›queer‹ im letzten Kapitel von Körper von Gewicht vor (1997: 307ff., ausführlich auch Engel 2007; Butler 2013b). 54 Derrida erklärt die Ausübung dekonstruktiver Praxis u.a. wie folgt: »Im allgemeinen [sic!] folgt die Ausübung der Dekonstruktion zwei verschiedenen Bahnen oder Stilen, die sie meistens einander aufpfropft. Der eine Stil ist von begründender und dem Anschein nach ungeschichtlicher Art: vorgetragen, vorgeführt werden logisch‐formale Paradoxien. Der andere, geschichtlicher und anamnestischer, scheint der eines Lesens von Texten zu sein, einer sorgfältigen Interpretation und eines genealogischen Verfahrens.« (Derrida 2014a: 44)

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»Entgegensetzung hält das Entgegengesetzte im System der Entgegensetzung fest, ist also keine Alternative zur herrschenden, totalisierenden Sprache und Logik. Der Ausdruck ›danebensetzen‹ soll auf die Gefahr aufmerksam machen, in der ein kritischer Text immer steht, wenn der Impuls zur Kritik die Reflexion über die Kritik-Strategie verdrängt.« (Engelmann 1990: 19; vgl. auch Engel 2002: 112) Die bloße Kritik an begrifflichen wie praktischen Hierarchisierungen der Subjektpositionen ›Mutter‹ und ›Vater‹ würde innerhalb jener dualistischen Logik verbleiben, die bspw. durch den Begriff Elter verschoben wird, da dieser zum einen jene teils naturalisiert‐essentialistische Hierarchisierung herausfordert – und sie auf diese Weise destabilisieren und irritieren kann – sowie zum anderen auch in Bezug auf gleichgeschlechtliche Subjektivitäten und Familienformen offen ist (vgl. Neumann 2016a). Diese »doppelte Geste« der »verschobenen und verschiebenden Schreibweise« (Wartenpfuhl 1996: 198) markiert dabei den Abstand zwischen »der Inversion auf der einen Seite, die das Hohe herabzieht und ihre sublimierende oder idealisierende Genealogie dekonstruiert, und dem plötzlichen Auftauchen eines neuen Begriffs auf der anderen Seite, eines Begriffs dessen, was sich in der vorangegangenen Ordnung nicht mehr verstehen läßt, ja sich niemals verstehen hat lassen.« (Derrida 2009: 66f.) Diesem Abstand, der durch diese Zweiseitigkeit markiert wird, würde eine nur auf eine der beiden Seiten ausgerichtete Perspektive nicht gerecht werden (Wartenpfuhl 1996: 198; Derrida 2009: 66f.).55 Mit jenem Abstand, der von Derrida als das Unentscheidbare bezeichnet wird, versucht er, eine neue Entweder/oder-Position zu vermeiden, da diese erneut in einem binären oder dualistischen Verhältnis stehen würde. Zentral hierbei ist, dass der eine Begriff nicht durch den anderen aufgehoben wird. »Das Unentscheidbare soll das weder/noch ausdrücken.« (Wartenpfuhl 1996: 198) Dieses weder/noch bzw. der Bezug zur Derrida’schen Dekonstruktion spielt auch in der Philosophie Butlers und ihrer Bezugnahme auf das Thema Geschlecht eine zentrale Rolle, worauf noch vertiefend eingegangen wird. In der Dekonstruktion Derridas kommt dabei dem ›Begriff‹ différance eine wichtige Funktion zu. Mit différance versucht Derrida, jenen »Abstand« bzw. jenes »Unentscheidbare« zu verdeutlichen (ebd.). Das Verb »différer« besitzt hierbei zwei Bedeutungen: zum einen, »die Tätigkeit, etwas auf später zu verschieben […] die ökonomische[s] Kalkül, Umweg, Aufschub, Verzögerung, Reserve, Repräsentation 55 Soziologisch gewendet könnte man sagen, dass Niklas Luhmanns Konzept von System/Umwelt durch eine, nur auf eine der beiden Seiten (System oder Umwelt) ausgerichtete Perspektive zu kurz greifen würde. System und Umwelt funktionieren nur in ihrer relational‐konstitutiven Funktion zueinander (Luhmann 1987: 242ff.). Auseinandersetzungen mit Bezügen von Systemtheorie und Dekonstruktion finden sich u.a. bei dem Soziologen Urs Stäheli (z.B. 2000a; 2010).

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impliziert« (Derrida 1999a: 36; auch 2013: 44).56 Derrida bündelt diese erste Bedeutung im Begriff der Temporisation (Verzeitlichung). Darüber hinaus ist mit dieser Verzeitlichung gleichzeitig auch eine Temporalisation (Verräumlichung) verbunden, ein »Zeit-Werden des Raumes und Raum-Werden der Zeit«, eine »›originäre Konstitution‹ von Zeit und Raum würde die Metaphysik oder die transzendentale Phänomenologie in jener Sprache sagen, die hier kritisiert und verschoben wird« (Derrida 1999a: 36; siehe auch 2009: 50f.).57 Zum anderen, und darin liegt die zweite Bedeutung von différer, meint dies »nicht identisch sein, anders sein, erkennbar sein« (ebd.: 1999a: 36). Daraus ergibt sich einerseits, dass einer Konzeption von Entitäten eine Absage erteilt wird, die als mit sich selbst identisch gedacht werden. Andererseits wird damit betont, dass sich eine Bestimmung nur in seiner Differenz, d.h. in seiner kontinuierlichen Verkettung mit den Kontexten, in denen sie steht, ergibt (vgl. auch Engel 2002: 113). Die différance produziert damit, wie Engel auf den Punkt bringt, »eine Gleichheit der Verschiedenheit, die Hierarchie unterminiert« (ebd.).58 Die différance darf damit jedoch nicht als Ursprung von Differenzen (miss-)verstanden werden, da sie an sich »weder ein Wort noch ein Begriff« ist (Derrida 1999a: 32). Derrida versucht dies folgendermaßen zu schärfen: »Was sich différance schreibt, wäre also jene Spielbewegung, welche diese Differenzen, die Effekte der Differenz, durch das ›produziert‹, was nicht einfach Tätigkeit ist. Die différance, die diese Differenzen hervorbringt, geht ihnen nicht etwa in einer einfachen und an sich unmodifizierten, in‐differenten Gegenwart voraus. Die différance ist der nicht volle, nicht‐einfache Ursprung der Differenzen. Folglich kommt ihr der Name ›Ursprung‹ nicht mehr zu.« (Ebd.: 40) Die différance ist die Verweisung einer »Spur« auf die andere. Dies korrespondiert mit der bereits erwähnten Diffundierung des Subjekts und der Erteilung einer Absage an jedwedes Ursprungsdenken, denn die Spur ist weder Grund, Begründung noch Ursprung (Derrida 2009: 78; 2013: 44). Susanne Lüdemann bringt den Unterschied zwischen différence (mit e) und différance (mit a) wie folgt auf den Punkt: »Während die différence (mit e) üblicherweise das Statische eines gegebenen Unterschieds bezeichnet (den klassischen Begriff der Differenz zwischen ›posi56 Siehe bzgl. der Begriffe der »Verspätung« oder des »Aufschubs« weiterführend z.B. auch Derrida 1976b: 311f. 57 Siehe für eine vertiefende Auseinandersetzung Derridas bzgl. ›Zeit‹, ›Temporisation‹, ›Temporalisation‹ und ›Geschichte‹ – neben dem hier zugrunde gelegten Text Die différance (1999a) auch die Texte Ouisa und gramme (1999c), Fines hominis (1999b) bzw. weiterführend Johanna Hodge (2015: 106); Hans-Dieter Gondek (1997: 206). 58 Diskussionen über konzeptionelle Verschiebungen der Stellung von différance und Gabe im Werk Derridas können hier nicht weiter verfolgt werden, weshalb an dieser Stelle lediglich auf diese hingewiesen werden kann (vertiefend z.B. Gondek 1997).

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tiven Einzelgliedern‹), verschiebt die Endung -ance (statt -ence), ihrer Nähe zur Verlaufsform wegen, den Akzent auf die Bewegung oder das Geschehen des aufschiebenden Unterscheidens oder der zeitigenden Differenzierung als solcher, eines Geschehens ohne Subjekt […].« (Lüdemann 2011: 73f.) Derrida vermeidet diesbezüglich auch den Begriff der »Differenz«, da bspw. in der Perspektive der »sozialen« oder »biologischen« Differenzierung59 die Vorstellung einer – in welcher Form auch immer – gegebenen Substanz hervorgerufen wird, welche sich dann nachträglich ausdifferenziere (ebd.: 74). Das konstitutive Prinzip der différance findet sich, um ein thematisch gelagertes Beispiel zu geben, in der absoluten Relation der Begriffe von Mutter und Vater wieder, welche sich gegenseitig bedingen. »Der eine [Begriff] ist nur der aufgeschobene andere (différé), der eine vom anderen verschieden (différant). Der eine ist der andere in der différance, der eine ist die différance des anderen.« (Derrida 1999a: 48) In diesem Sinne können, wie Birgit Wartenpfuhl schreibt, alle Gegensatzpaare, auf die sich die Philosophie gründet, aufgelöst werden, jedoch »nicht in der Form, daß der Gegensatz aufgelöst wird, sondern in einer Notwendigkeit der Anerkennung, daß ein Begriff des Gegensatzpaars als ›différance‹ des anderen erscheint« (1996: 201). So ist, um ein Beispiel der Autorin aufzugreifen, das Intelligible zwar vom Sinnlichen unterschieden, jedoch als aufgeschobenes Sinnliches (und umgekehrt) (ebd.). In diesem Sinne sind das Intelligible und das Sinnliche dasselbe, unterscheiden sich jedoch durch die Aufschiebung (ebd.).60 Die différance scheint für die Fragen nach dem Werden jener Mütter/Väter/Eltern und der Frage danach, wie dies im Kontext der Elternzeit als gouvernemental‐biopolitischem Instrument gelesen werden kann, hilfreich. Es geht darum, Mütter/Väter/Eltern mitsamt der zugeordneten Praxis nicht einfach vorauszusetzen, sondern nach den prozesshaften Entstehungsbedingungen zu fragen, an die diese Subjekte gebunden sind und mit denen häufig bestimmte Hierarchisierungen einhergehen, bspw. wenn Müttern aufgrund ihres ›Mutterseins‹, ihres ›Mutterinstinkts‹ oder ihrer ›Natur als Frau‹ eine größere Kompetenz im Umgang mit Säuglingen und Kleinkindern zugeschrieben wird. Dies ist etwas anderes, als zu behaupten, dass es nicht tatsächlich Kompetenzunterschiede zwischen einzelnen 59 Derrida erklärt zu der Frage, ob man das, was er différance nennt, nicht einfach auch »Differenzierung« hätte nennen können: »Neben anderen Mißverständnissen könnte ein solches Wort den Gedanken an irgendeine organische, originäre und homogene Einheit nahelegen, die es unter Umständen dazu bringt, sich zu entzweien, die Differenz als Ereignis zu empfangen. Vor allem würde es, da von dem Verb differenzieren abgeleitet, die ökonomische Bedeutung des Umwegs, des temporisierenden Aufschubs, des ›différer‹ zunichte machen.« (Derrida 1999a: 42) 60 Siehe auch weiter oben die Strukturierung im Sinne einer binären, heterosexuellen Matrix von Geschlecht, wie sie in kritischer Weise in den Arbeiten Butlers zu sehen sind. Weitere Beispiele wären z.B. Natur/Kultur, öffentlich/privat oder die innerhalb des wissenschaftlichen Kontextes häufig anzutreffende Trennung von Theorie und Empirie (siehe hierzu auch kritisch Kapitel 3).

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Subjekten geben kann. Mütter/Väter/Eltern verfügen über bestimmte Kompetenzen und dies ggf. auch umfangreicher als der Partner/die Partnerin, aber nicht, weil sie Mütter oder Väter sind. Es geht darum, sich mit den performativen Subjektivationsprozessen auseinanderzusetzen, die soziale Realitäten wie Mütter, Väter oder Eltern hervorbringen.61 Dies zielt nicht auf eine Aufhebung von Gegensätzen im hegelschen Sinne (Wartenpfuhl 1996: 198) ab, sondern darauf, darüber nachzudenken, wie Diskurse um Mutterschaft und Vaterschaft ihre oftmals hierarchisierten geschlechtlich‐dichotomen Bedeutungen62 re-/produzieren, an die bestimmte Kompetenzunterschiede gebunden sind. Hieran knüpft die Frage an, wie solche Entgegensetzungen in einer Form verschoben werden können, dass sich Begriffe wie ›Mutter‹ oder ›Vater‹ zwar nicht auflösen müssen, sie jedoch so umgearbeitet werden können, dass dabei die hierarchisierende Logik, die in vielerlei Kontext mit den Begriffen und Praxen verbunden ist, nicht in gleicher Weise wiederholt wird.63 So verweigert sich der Begriff Elter der geschlechtlichen Trennung zwischen Mutter und Vater und wiederholt damit eine andere Bezüglichkeit auf das Thema Elternschaft, die zwar auf Begriffe und Bedeutungen von Mutter/Vater produktiv Bezug nimmt, jedoch keine geschlechtliche Vereindeutigung erzwingt. Die Bezugnahme auf zwei oder mehrere Eltern löst nicht unbedingt die Vielheit von Müttern und Vätern auf, kann sie hinsichtlich der Bezugnahme jedoch so verschieben, dass Praxen zwischen Müttern und Vätern nicht in erster Linie besser/schlechter, sondern vor allem bezüglich der Differenzen als anders erscheinen bzw. in ihrer Andersartigkeit akzeptiert werden, da anders nicht per se mit einer Auf- oder Abwertung verbunden sein muss. Zwar könnte argumentiert werden, 61 Derrida erklärt, dass das »bewusste und sprechende Subjekt, von dem System der Differenzen und der Bewegung der différance abhängig ist, dass es vor der différance weder gegenwärtig noch vor allem selbstgegenwärtig ist; es schafft sich seinen Platz in ihr erst, indem es sich spaltet, sich verräumlicht, sich ›verzeitlicht‹, sich differiert.« (Derrida 2009: 53). 62 Neben dem bereits erwähnten Verweis auf den ›Mutterinstinkt‹ findet sich häufig der verbreite Glaube, dass ein Kind in erster Linie seine ›leibliche‹ oder ›biologische‹ Mutter (im Gegensatz zu einem anderen ›sozialen‹ Elternteil) brauche. Dies schlägt sich häufig in diversen hierarchisierten Bezugnahmen zu Elternschaft, Haus- und Sorgearbeit nieder (vgl. z.B. Neumann 2016a). 63 Damit wird auch nach dem Werden diverser Grenzziehungsprozesse gefragt. Den Vollzugscharakter von Grenzziehungsprozessen bringen Bröckling et al. treffend auf den Punkt: »Wirklichkeitsbereiche sind nur solange voneinander getrennt, wie sie durch reale Operationen separiert werden. Mit anderen Worten: Grenzen existieren nur in actu.« (2015: 28) Dies betrifft sowohl hierarchisierende Grenzziehungen zwischen Müttern und Vätern, betrifft jedoch auch Prozesse, in denen von ›Elter(n)‹ die Rede ist, wenngleich dieser Prozess andere Differenzierungen betont. Dadurch wird auch deutlich, dass bestimmte Differenzierungen auf jene zitatförmigen Wiederholungen angewiesen sind, wie auch schon bei Butler deutlich wurde. Ohne diese Wiederholung würden diese Differenzierungen »zerfallen« (ebd.). Dies unterstreicht erneut, dass im Prozess der Wiederholung immer auch ein verschiebend‐iterativer Moment des (er-)möglichen(den) Anderen enthalten ist.

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dass es für eine solche Enthierarchisierung den Begriff ›Elter‹ nicht braucht. Jedoch besitzt der Begriff eine destabilisierende Potenzialität, die bedeutsam scheint: Zum einen bezogen auf das entnaturalisierendes Potenzial in Relation zu Begriffen wie Mutter/Vater, zum anderen da er Raum für all jene Subjektivitäten bereithält, die sich geschlechtlich nicht vereindeutigen können oder wollen. Dabei geht es gerade nicht darum, Elter gegenüber Mutter oder Vater zu privilegieren bzw. letztere Begriffe aufzugeben. Dies würde eine Hierarchisierung zugunsten des Begriffs Elter wiederholen. Vielmehr soll dieser eine Alternative danebensetzen, die Raum für Verschiebungen bietet. Dem Infragestellen solcher Hierarchien liegt dabei das Interesse an der Funktionsweise der Modi jener Hierarchisierungen und Subjektivationen zugrunde, die durch ihre Infragestellung als solche problematisiert werden können.64 Mary Poovey bringt dies wie folgt auf den Punkt: »[I]n its demystifying mode, deconstruction does not simply offer an alternative hierarchy of binary oppositions; it problematizes and opens to scrutiny the very nature of identity and oppositional logic and therefore makes visible the artifice necessary to establish, legislate, and maintain hierarchical thinking.« (Poovey 1988: 58) Der Versuch der Umarbeitung und Veränderung jener Begriffe – wie hier am Beispiel von Mutter/Vater – hebt, in Relation zum Begriff Elter, auf die Artifizialität dieser häufig hierarchisierenden Differenzierungen ab. Durch das Durchkreuzen jener Dichotomien, durch das Angebot anderer Bezüge, kann einerseits die aus feministisch‐geschlechterpolitischer Perspektive problematisch erscheinende Hierarchisierung sichtbar gemacht werden und – über diese »doppelte Geste« der Dekonstruktion – eine Alternative danebengesetzt werden, die jene Systematik unterläuft. Wie Wartenpfuhl darstellt, unternimmt Derridas Dekonstruktion den Versuch, »ein anderes Verhältnis von Nicht-Identität als das Andere zu bestimmen«, womit innerhalb der dekonstruktiven Verfahrensweise eine Verschiebung intendiert ist, die jedoch »der Bedingung der Anerkennung der Notwendigkeit des Einen für das Andere [folgt]. Kein Begriff darf zu Gunsten des Anderen verworfen werden, sondern ein Begriff stellt die Notwendigkeit für den anderen dar.« (Wartenpfuhl 1996: 202) So lässt sich ein Begriff wie ›Männlichkeit‹ nicht ohne ›Weiblichkeit‹ 64 Es geht u.a. auch um eine Verschiebung des Fokus bzw. der ›Gewichte‹, um es mit den Worten von Bröckling et al. zu sagen: »Von der Ordnung auf ihr Anderes und schließlich zum Verhältnis beider« (2015: 15), was innerhalb der Auseinandersetzung von Bedeutung scheint, womit – darauf verweisen die Autoren des Weiteren – zuvorderst eine Befreiung aus entsprechenden Asymmetrien verbunden ist.

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bestimmten bzw. das Eine kann konstitutiv nur mit und durch das Andere existieren. Mit der Forschungsfrage dieser Untersuchung wird dabei sowohl das Ziel verfolgt, dem Werden von Eltern nachzuspüren als auch zu diskutieren, was sich aus entsprechenden Verschiebungen für Möglichkeitsräume zum Thema Elternschaft und Familie ergeben können. In diesem Sinne geht es hier nicht darum, in wertender Weise einem Modus von ›richtig‹ oder ›falsch‹ bzw. ›guter‹ oder ›schlechter‹ Elternschaft zu folgen. Vielmehr soll durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Subjektivationsweisen innerhalb des gouvernementalen Rahmens und dessen Effekten diskutiert werden, wie dieser bestimmte Formen von Elternschaft und Familie hervorbringt bzw. auch un-/wahrscheinlicher macht. Auf diese Weise soll durch die Auseinandersetzung ein anderes ›Denken‹ ermöglicht und damit zumindest angeboten werden, das dann eine Auseinandersetzung mit den Themen Elternschaft, Familie und Geschlecht auf einer anderen Grundlage ermöglicht.65 Vor dem Hintergrund der dargestellten dekonstruktiven Perspektive stellt Wartenpfuhl (1996: 203) die Frage, welche Folgen sich aus einer solchen Bezugnahme für feministische Theoriebildung ergeben. Sie erläutert, dass wir mit Derrida nie erfassen können, was ein Mann/eine Frau ›ist‹, sondern nur die Heterogenität solcher Kategorien anerkennen können. Sie hebt hervor, dass sich im Sinne der différance die Geschlechterdifferenz nicht bestimmen lässt, da weder Männer noch Frauen ›sind‹, sondern beide Begriffe, ebenso wie ›männlich/weiblich‹, auf den jeweils anderen verweisen (ebd.; vgl. auch Butler 1997; 2012b: 23). Sie betont weiter, dass in den Arbeiten Butlers »die Dekonstruktion Derridas mindestens genauso deutlich zu uns spricht wie der diskurstheoretische Ansatz Foucaults« (Wartenpfuhl 1996: 203), da es in Butlers Werk sowohl um die Auseinandersetzung mit den vielfältigen identitären Verstrickungen geht, in die wir verwickelt sind, als auch um die Frage nach den konstitutiven Ausschlüssen und Verwerfungen. Insofern gerät mit der Frage nach dem Werden jener elterlichen Subjektivitäten auch die Frage nach den (notwendigen) konstitutiven Ein- und Ausschlüssen bzw. Verwerfungen in den Blick, die mit bestimmten Identifizierungen verbunden sind und über die die Subjekte unaufhörlich ihre Grenzen konstituieren (Butler 1997: 163; 65 Bröckling und Krasmann verweisen in Bezug auf Jacques Rancière darauf, dass Wissenschaft – ähnlich wie die Polizei – eine Ordnungsfunktion besitzt: »Die Wissenschaft […] gehört […] zur Ordnung der Polizei, sie vollzieht eine ›Aufteilung des Sinnlichen‹, weist Dingen wie Menschen bestimmte Plätze zu. Die Widerstände dagegen sind politisch, sie markieren eine Unterbrechung, eine Störung auch der Ordnung wissenschaftlicher Klassifizierungen und Erklärungsmodelle.« (2010: 36; siehe auch Rancière 2016: 39ff.) Insofern ist auch in diesem Sinne die Irritation, die die kritische Befragung bestimmter Begriffe, bestimmter Perspektivierungen usw. bedeutet, politisch, stört und irritiert sie doch ›gesichertes‹ Wissen, etablierte Traditionen, Denkweisen, Verfahren, die sich innerhalb des disziplinären Rahmens wie den epistemologischen und method(olog)ischen Verfahrensweisen etabliert haben. Dieser Spur wird im nachfolgenden dritten Kapitel weiter gefolgt.

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vgl. Wartenpfuhl 1996: 203).66 Jene Prozesse kontinuierlich‐wiederholter Grenzziehungen werden dann relevant, wenn bspw. innerhalb des Materials von vermeintlich ›natürlichen‹ Unterschieden zwischen Männern und Frauen oder »Grenzen der Gleichstellung« die Rede ist, »die sich einfach nicht wegkonzeptualisieren lassen«, wie dies im Rahmen diverser Narrationen der geführten Interviews expliziert wurde. Solche Grenzziehungen fungieren dabei nicht lediglich als bloße Aussage oder Meinung eines Subjekts, sondern konstituieren gleichzeitig über diese Zitationen jene Grenzen, die sich über bestimmte Ausschlüsse und Verwerfungen ergeben. Foucaults Konzepte zu Gouvernementalität und Biopolitik durch die dekonstruktive Perspektive Butlers zu betrachten, erscheint auch insofern gewinnbringend, als dass der so entwickelte Blick die Auseinandersetzung mit dem zugrunde liegenden Material im Sinne der Forschungsfragen sensibilisiert. Wenn, mit Butler, Geschlecht als Tätigkeit (Doing), als »Praxis der Improvisation im Rahmen des Zwangs« (2012b: 9) gefasst wird, die zusammen mit anderen und für andere vollzogen wird, selbst wenn dieses andere/diese anderen nur vorgestellt ist bzw. sind, dann verweist dies einerseits auf besagtes Unterworfensein unter jene produktive Formen von Macht, andererseits jedoch auch auf jene Art von (zumindest relativen) »Zwängen«, wie sie sich im Rahmen bestimmter gouvernemental‐biopolitischer Reg(ul)ierungstechniken materialisieren. Dabei hängt, Butler folgend, das ›eigene‹ Geschlecht gerade auch von Bedingungen ab, die von Anfang an außerhalb des Subjekts liegen (ebd.), die in vielfältiger Weise auch mit Bedingungen staatlicher Institutionen verknüpft sind, wie dies in Abschnitt 2.1 bereits aufgeworfen wurde und in Kapitel 4 ausführlicher vertieft wird. Butler erklärt in Bezug auf jenes ›andere‹: »Was ich als das ›eigene‹ Gender bezeichne, erscheint manchmal als etwas, dessen Urheber ich bin oder das ich sogar besitze. Die Bedingungen, die das eigene Gender kreieren, liegen jedoch von Anfang an außerhalb meiner selbst, wurzeln außerhalb meiner selbst in einer Sozialität, die keinen einzelnen Urheber kennt.« (Butler 2012b: 9 – Kursivierung. B.N.) Diese konstitutive Verwiesenheit auf ein anderes, welches ›mein‹ Selbst ausmacht, ohne dass jenes ›ich‹ nicht existieren könnte, greift Butler auch in ihren Texten über Trauer und Verlust auf und illustriert damit eindrücklich die wechselseitige Bedingtheit jener Subjekte. Wobei diese Bedingtheit nicht im Sinne zweier pre‐existenter Entitäten angelegt ist, sondern sich das Verhältnis ich/du über die relationale Beziehung konstituiert und damit ein interdependentes Verhältnis übersteigt. Sie verweist darauf, dass, im Kontext von Verlust und Trauer, möglicherweise auch 66 Hinsichtlich Gemeinsamkeiten wie Unterschieden bzgl. der Figur des konstitutiven Außens bei Butler und Derrida siehe z.B. Engel (2002: 114ff.), die an dieser Stelle jedoch nicht weiter verfolgt werden.

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etwas von dem enthüllt wird, wer wir sind, da dieses Etwas die Bindungen beschreibt, die wir zu anderen haben, »was uns zeigt, daß diese Bindungen das darstellen, was wir sind, Bindungen oder emotionale Bande, die uns ausmachen« (2012c: 39). Sie erklärt weiter: »Es ist nicht so, als ob hier auf dieser Seite ein ›Ich‹ unabhängig existiert und dann schlicht ein ›Du‹ als Gegenüber verliert, besonders dann nicht, wenn die Zuneigung zu dem ›Du‹ ein Teil von dem ausmacht, wer ›ich‹ bin.« (Ebd.)67 In diesem Sinne findet dieser Gedanke seine Zuspitzung in der Frage: »Wer ›bin‹ ich ohne dich?« Butlers Argumentation, nach der diese Beziehungsförmigkeit weder ausschließlich auf jenem ›mir‹ noch aus ›dir‹ besteht, sondern als »die Bindung vorgestellt werden muß, durch die diese Ausdrücke differenziert und aufeinander bezogen sind« (ebd.) illustriert das Prinzip der Derrida’schen différance dabei plastisch. Diese Bezüge mögen verdeutlichen, weshalb sich die dieser Arbeit zugrunde gelegte(n) Fragen auf diese Weise stellen. Durch die perspektivische Anlange der Butler’schen Subjektivationstheorie geraten insbesondere auch die Konstitutionsprozesse und Bedingungen in den Blick, die über Ein- und Ausschlüsse operieren und die Subjekte nicht nur fortlaufend hervorbringen, sondern auch bedrohen. Die Frage danach, welche (auch institutionell‐staatlichen) Machtaspekte bestimmte Subjekte hervorbringen, bestimmte Formen von Familie befördern und andere erschweren bzw. verwerfen, knüpft hierbei an die von Foucault aufgeworfenen Fragen nach Biopolitik und Gouvernementalität an, die ihrerseits eng mit diversen politischen und ökonomischen Aspekten ›des‹ Staates, der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes bzw. der Erwerbsarbeit in Zusammenhang stehen. Die hier dargestellte dekonstruktive Perspektive auf das Subjekt geht mit einer Perspektive auf Gesellschaft einher, die diese differenztheoretisch denkt. So legt der Soziologe Urs Stäheli (2000b: 9; auch Derrida 2009: 50) dar, dass ein differenztheoretischer Ansatz Gesellschaft nicht aus seinen ›Letztelementen‹ heraus erklärt, sondern diese ihre Bedeutung erst aus dem dynamisch temporären Beziehungsgeflecht erhalten: »Erst durch die Position in einem derartigen Gewebe, und somit durch Abgrenzung von anderen Positionen, kommen ›Elemente‹ zustande. Wenn also kein Ele67 Diese radikale konstitutive Alterität gehört dabei zu den zentralsten Themen Derridas und der Dekonstruktion. Wie auch Geoffrey Bennington darstellt, muss das Subjekt, um es selbst zu sein, sich selbst auf sich als einen anderen beziehen. ›Identität‹ »verdankt sich der Alterität, sie wird vom anderen an- und hervorgerufen« (Bennington/Derrida 1994: 152). In diesem Sinne ist dieser Selbstbezug auch nicht als eine Spiegelung zu denken. Die Alterität geht dabei jedem Selbst ursprünglich voraus (ebd.). Es geht, mit anderen Worten, um »[d]as andere ›im‹ Selben, welches es im Zuge seiner Kontamination hervorruft« (ebd.).

2 Elternsubjekte im Spannungsfeld von Staat und Ökonomie

ment aus sich heraus bestimmt werden kann, dann bekommt die Beziehung zu dem, was es nicht ist, eine zentrale Bedeutung.« (Stäheli 2000b: 9) Damit verfügt ›Gesellschaft‹ über kein Wesen und ist ›den Subjekten‹ auch nicht äußerlich. Eine solche dezentrierte Perspektive markiert in diesem Sinne eine deutliche Abkehr von, wie Stäheli konstatiert, mancherlei, innerhalb der Soziologie gut etablierter, ›Traditionen‹, da »[w]eder die Ökonomie, der Marxismus noch ein zentrales Unterdrückungsverhältnis wie das Patriarchat oder eine Perspektive gesellschaftlichen Fortschritts wie sie Modernisierungstheorien vertreten, […] Gesellschaft aus dieser Perspektive als Fundament dienen« (ebd.) können.

2.3

Zwischenfazit

Die vorangegangenen Ausführungen haben zunächst entlang der Foucault’schen Überlegungen zu Gouvernementalität, Biopolitik und Neo-/Liberalismus einen Rahmen entfaltet, der über die Scharnierfunktion des Begriffs Regierung in der Lage ist, staatspolitische Regierungstechniken genauso in den Blick zu nehmen wie Techniken des Sich‐selbst-Regierens. Gleichzeitig wurde deutlich, dass Foucaults Ausführungen zu Gouvernementalität insbesondere durch geschlechtertheoretische Bezüge ergänzt werden müssen. Diese Anreicherung erfolgt durch die performativitätstheoretisch‐dekonstruktiven Arbeiten Butlers. Durch Verbindung beider Perspektiven konnte gezeigt werden, wie jene gouvernemental‐biopolitischen Reg(ul)ierungstechniken mit Prozessen der Subjektwerdung verschränkt sind. An verschiedenen Beispielen in Bezug auf das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) wurde deutlich, wie vergeschlechtlichte (Selbst-)Regierungstechniken wirtschaftliche und demographische ›Notwendigkeiten‹ bündeln und dadurch auf Ebene der Bevölkerung, jedoch auch auf Ebene der einzelnen elterlichen Subjekte produktive Wirkungen zu entfalten versuchen, indem bspw. nur bestimmte Formen der Elternzeitnahme gefördert werden, während andere zwar nicht verwehrt, jedoch deutlich erschwert werden. Das BEEG stellt damit einen Kreuzungspunkt der von Foucault beschriebenen Pole Bevölkerung und Einzelkörper dar, der durch die Butler’schen Überlegungen um eine geschlechtertheoretische Dimension erweitert und damit geschärft werden kann. Die performativitätstheoretischen Ausführungen Butlers machen darüber hinaus deutlich, dass mit der machtförmigen Produktivität der Reg(ul)ierungstechniken immer auch die Potenzialität des Scheiterns und der Verschiebung mitgeführt wird, so dass Fragen nach Verschiebungen, Widerständigkeiten oder dem Unterlaufen jener Reg(ul)ierungsversuche auftauchen, die in Bezug auf die Frage nach dem Werden elterlicher Subjekte ebenso zentral erscheinen. Eine kritische Auseinandersetzung mit besagten Reg(ul)ierungsweisen, mit Verwerfungen und

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Ausschlüssen, macht die Artifizialität der zugrunde gelegten Techniken bzw. auch von ›naturalistischen‹ oder ›biologistischen‹ Konzeptionen um Elternschaft und Geschlecht deutlich. Bevor jedoch diesen Aspekten vertiefend nachgegangen wird, sollen im nachfolgenden Kapitel 3 zunächst einige epistemologisch‐method(olog)ische Überlegungen zur Umsetzung und zur Untersuchung des Themas dargestellt werden, da diese wesentlich für die in Kapitel 4 diskutierten Ergebnisse scheinen.

3 Method(olog)ische Konsequenzen »Es ist immer möglich, daß man im Raum eines wilden Außen die Wahrheit sagt; aber im Wahren ist man nur, wenn man den Regeln einer diskursiven ›Polizei‹ gehorcht, die man in jedem seiner Diskurse reaktivieren muß.« (Foucault 2012b: 25)

3.1

Eine Frage des Wissens – Geschlecht als epistemisches Ding

In diesem Kapitel erfolgt ein Blick auf die eingenommene Forschungsperspektive sowie die Entstehung des Materials, mit dem das Werden von ›Eltern‹ im Kontext der Elternzeitnahme von Vätern1 untersucht wird. Hierdurch wird einerseits der konstitutive Charakter des Forschungsprozesses im Hinblick auf die ›empirischen‹ Befunde deutlich, auf die sich im weiteren Verlauf der Arbeit bezogen wird, zum anderen jedoch auch, dass es diese Ergebnisdarstellungen nicht ohne eine spezifische Forschungsperspektive bzw. ohne eine bestimmte Lesart des Materials zu einer bestimmten Zeit, geben kann, die im Hinblick auf ihre Argumentation und Plausibilisierung darzulegen ist. Auch soll, durch die Umkehr der Fragerichtung, mit der Frage nach dem Werden von Eltern in den Blick genommen werden, wie eine spezifische Ordnung im Sinne von Differenzierungen z.B. nach Mütter/Väter/Eltern zustande kommt.2 Darüber hinaus erscheint es notwendig, die in der vorliegenden 1 Damit soll nicht gesagt werden, dass der Fokus dieser Arbeit ausschließlich auf Väter gerichtet ist, da bereits gezeigt wurde, dass das Subjekt ›Vater‹ konstitutiv auf ein anderes (z.B. ›Mutter‹, ›Kind‹, rechtliche Anerkennung etc.) verweist. Jedoch entstand ein wesentlicher Teil des Untersuchungsmaterials dieser Arbeit im Rahmen einer Studie, die ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf die Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse von Paaren im Zusammenhang mit der Elternzeiten von Vätern richtete. Siehe hierzu Abschnitt 3.3.1. 2 So schreiben Ulrich Bröckling, Christian Dries, Matthias Leanza und Tobias Schlechtriemen – allgemeiner gewendet – in Bezug auf das Andere der Ordnung: »Der Versuch, das Verhältnis zwischen Ordnung und ihrem Anderen symmetrisch oder wenigstens probehalber einmal die Ordnung von ihrem Anderen her zu denken, statt umgekehrt dieses von der Ordnung abzuleiten, trägt so zu einer Entselbstverständlichung epistemischer, normativer und praktischer Regime

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Arbeit eingenommene diskursanalytische Perspektive darzustellen, da insbesondere unter dem Dach der Diskursforschung in den letzten Jahren ein kaum mehr zu überblickendes Spektrum heterogener Bezugnahmen entstanden ist (vgl. z.B. Angermuller et al. 2014), die hierbei unterschiedlichen epistemologischen bzw. auch methodologischen Grundannahmen folgen (vgl. z.B. Diaz-Bone 2013). Die Sichtbarmachung der hier eingenommenen theoretisch‐method(olog)ischen Perspektive unterstreicht jene, noch weiter darzustellenden produktiven Verwicklungen innerhalb des Forschungsprozesses; sie trägt jedoch auch zu einer besseren Nachvollziehbarkeit der Argumentationen bei. Das heißt, es geht gerade nicht darum, die vorliegende Arbeit hermetisch abzuriegeln, sondern – im Gegenteil – dazu einzuladen und aufzufordern, sich kritisch zu beteiligen, lose Enden aufzunehmen und weiter zu spinnen. In diesem Kapitel wird, neben der Darstellung der Entstehung des zugrunde liegenden Materials als solchem, erörtert, wie eine bestimmte ›theoretische‹ Lesart nicht nur konstitutiv für das Material, sondern auch für die aus dem Material resultierenden Ergebnisse ist. Das heißt, es geht zum einen darum, den Prozess der Entstehung des Materials transparent und nachvollziehbar darzulegen und diesen Prozess selbst kritisch zu betrachten. Zum anderen soll jedoch zusätzlich eine Auseinandersetzung mit erkenntnisleitenden ›Dingen‹ (insbesondere der Herstellung der Geschlechterdifferenz bzw. von Geschlecht im Allgemeinen) stattfinden, da eine solche Auseinandersetzung sowohl die dargelegte Argumentation transparenter gestaltet als auch den Punkt der Performativität des Forschungsprozesses mitsamt seiner konstituierenden Wirkung(en) auf und durch das ›empirische‹ Material sichtbar wird.3 Insofern folgt dieser Text einer Tradition französischer Epistemologie, bei.« (Bröckling et al. 2015: 52) Damit verbunden ist der Versuch, vermeintliche Selbstverständlichkeiten wie bspw. eine ›notwendige‹ Geschlechterdifferenzierung von Eltern (Mutter/Vater) zu diskutieren, um so u.a. mehr über die Funktionsweisen solcher Subjektivationsprozesse zu erfahren. Das heißt bspw. zu diskutieren, wie über Modi der Naturalisierung bzw. Biologisierung vermeintliche Zwänge entstehen, die sich im Rahmen anderer Subjektivationsweisen nicht in der gleichen Weise ergeben müssen. So können entsprechende ›Selbstverständlichkeiten‹ selbst erschüttert werden (siehe Kapitel 4). 3 Die vorliegende Arbeit folgt damit einer repräsentationskritischen Perspektive (z.B. Derrida u.a. 1976b: 302ff.; Butler u.a. 2012a: 15-22; Foucault 2012a: 31ff.). Der wesentliche Punkt dieser Kritik betrifft die Abkehr von einer Logik der Abbildung. Es geht aus dieser Perspektive dann mehr um die Frage nach den Darstellungsweisen, die sich zwangsläufig von dem unterscheiden, was sie ›vorgeben‹ zu repräsentieren: »In dem Moment, in dem die Realität nicht mehr an die Repräsentation, sondern an die Frage der Mittelbarkeit gebunden ist, erhält die Darstellung eine in vielen Hinsichten neue Bedeutung.« (Deuber-Mankowsky 2007b: 282; 1998; vgl. auch z.B. Eickelmann 2017: 38ff.) Auch wenn durch diese (repräsentations-)kritischen Bezüge das »Dilemma der Repräsentation« nicht gelöst wird (z.B. Deuber-Mankowsky o.J.; 1998: 25), folge ich der Argumentation Peter Engelmanns mit Blick auf die Dekonstruktion Derridas: »Dekonstruktion verhält sich […] einerseits wie die traditionelle Aufklärung, indem sie totalitäre Strukturen kritisiert und eman-

3 Method(olog)ische Konsequenzen

die, wie der Soziologe Rainer Diaz-Bone ausführt, davon ausgeht, dass Empirie und ihre Objekte nicht in direkter Weise beobachtbar sind. Zwischen die Objekte und Menschen treten die zugrunde gelegten Instrumente, die letztlich als Materialisierungen von Theorie aufgefasst werden (Diaz-Bone 2013: [5]). »Die empirischen Sachverhalte sind«, wie Diaz-Bone betont, »also nicht einfach gegeben, die Analysepraxis ist selbst eine konstruierende Praxis.« (Ebd.). In diesem Sinne spricht der französische Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Gaston Bachelard von der ›Phänomenotechnik‹: »Ein Begriff wird wissenschaftlich in dem Grade, in dem er technisch wird, indem er von einer Realisierungstechnik begleitet wird.« (Bachelard 1993: 152) Auch der Wissenschaftshistoriker Hans-Jörg Rheinberger verweist auf ein bewegliches Verhältnis von epistemischen und technischen Momenten im Forschungsprozess und knüpft in direkter Weise an Bachelard an: »Phänomenotechnik findet ihre Untersuchungsgegenstände nicht vor, sie muß die Bedingungen erst schaffen, unter denen sie zum Vorschein kommen, sie ›lernt aus dem, was sie konstruiert‹.« (Rheinberger 2001: 28; siehe auch 2004: 299) Dadurch bekommt der Begriff ›Technik‹ eine deutlich weitere Fassung, als seine Reduktion auf technische Apparate, Messinstrumente, Maschinen etc. häufig impliziert: Auch ein Interview oder Forschungskorpus, der sich im Rahmen eines Forschungsprojekts ergibt (angefangen von der Konzeption, dem Sampling, der Erhebung und Auswertung usw.) erscheint als spezifischer Apparat bzw. als eine Zusammenstellung diverser Apparaturen, die bestimmten technischen Verfahrensweisen gleichkommt, in denen sich bestimmte Wissensbestände in angewandter Form bündeln und dadurch bestimmte ›Evidenzen‹ bzw. ›empirische‹ Ergebnisse hervorbringen. Dies rekurriert auf einen Begriff von Technik, wie ihn die Medien- und Kulturtheoretikerin Astrid Deuber-Mankowsky auf den Punkt bringt: »Technik bezeichnet nicht nur die materielle Basis, die Maschinen, Instrumente und Dinge, sondern Technik meint – in Anlehnung an den griechischen Begriff der Techne –zugleich ein Vermögen, eine Kunst im Sinne eines auf ein Herstellen gerichtetes Können, das sich wiederum in den technischen Dingen materialisiert.« (Deuber-Mankowsky 2007a: 85 – Kursivierung B.N.) Der Bachelard’sche Neologismus ›Phänomenotechnik‹ bezieht sich, wie der Medienwissenschaftler Friedrich Balke darstellt, darauf, dass, laut Balke »alle modernen zipatorische Werte vertritt. Ihr Wissen um ihre Befangenheit in der unhintergehbaren Metaphysik unserer Sprache hält jedoch das Bewusstsein wach, dass auch Kritik und Emanzipation aus diesem strukturellen Grund ständig der Gefahr ausgesetzt sind, selbst zu totalitären Systemen zu erstarren. […]. Dekonstruktion kann vielmehr als Aufklärung verstanden werden, die sich der strukturellen Gefahr bewusst ist, selbst so zu werden, wie das von ihr Kritisierte. Gerade dieses Bewusstsein macht den kleinen aber entscheidenden Unterschied aus, den wir mit der Dekonstruktion gegenüber früheren Formen der Aufklärung gewinnen.« (Engelmann 2009: 19)

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Wissenschaften die Schwelle von den positivistischen Fakten-Wissenschaften zu den Effekten-Wissenschaften überschritten haben, indem sie die von ihnen untersuchten Phänomene radikal entnaturalisieren und in die Definition ihrer Begriffe bereits deren Anwendungsbedingungen aufnehmen« (Balke 1993: 244f.).4 Ein klassisches Methodenverständnis, wie es im Feld der quantitativen wie qualitativen Sozialforschung – entgegen der Einschätzung Balkes – immer noch teilweise zum Ausdruck kommt, verweist auch etymologisch, wie der Soziologe Urs Stäheli aufzeigt, auf ›Methodos‹, d.h. einen Weg, mit dessen Hilfe Wahrheiten erzeugt werden sollen (2010: 225). Methode wird hierbei nicht nur zum Hilfsmittel von Wahrheitserzeugung, sondern in impliziter Weise auch zu Wahrheitspolitik, deren Weg telelogisch‐linear angelegt ist (ebd.). Zwar verweist auch in poststrukturalistischer Perspektive der Diskursbegriff auf die Metapher des Weges, wie Stäheli weiter ausführt, jedoch in entschieden anderer Weise: im Sinne eines iterativen Hin und Her und dadurch mit jener telelogischen Anlage brechend (ebd.). In dem vorliegenden Kapitel wird versucht aufzuzeigen, weshalb eine solch klassisch‐telelogische Konzeption von ›Methode‹ zu problematisieren ist. Diese Perspektivierung greift eine Verschiebung auf, die, wie Rheinberger darstellt, den früheren Fokus darauf, eine möglichst allgemeinverbindliche, ›richtige‹ Methode zu finden, dahingehend verschiebt, als sie ein gesteigertes Interesse darin verdeutlicht, »was Wissenschaftler tun, wenn sie ihre jeweilige Forschung betreiben« (Rheinberger 2007: 12). So erklärt Rheinberger in Anschluss an die Perspektive Bachelards hinsichtlich der Produktivität von Methoden: »Methoden sind Strategien des Wissenserwerbs, die den prekären Status besitzen, ›sich in einem neuen Erwerb zu riskieren aufgrund der Legitimation durch einen früheren Erwerb.‹ Sie sind nicht bloße Katalysatoren, die ihrem Gegenstand äußerlich bleiben, sie modifizieren und verbrauchen sich zugleich in ihrer eigenen Anwendung.« (Bachelard 2004: 302) In diesem Zuge steht auch die Reflexion der ›eigenen‹ Situierung, die konstitutiven Anteile im Rahmen des Forschungsprozesses im Fokus der Betrachtung dieses Kapitels. Im Unterschied zu Begriffen wie Methodenlehre, Methodenkanon oder Methodenpluralität etc., die alle bestimmte Konzeptionen des Forschens mitsamt ihrer Pluralität enthalten, betont dann auch der hier verwendete Begriff der 4 Rainer Diaz-Bone verweist aus soziologischer Perspektive darauf, dass es jedoch zum einen nicht nur offen ist, in welcher Form sich die provozierten Phänomene zeigen bzw. zum anderen, dass nicht vorab festgelegt ist, welche sozialwissenschaftlichen Interpretationen diesen gerecht werden können. Laut Diaz-Bone habe hier nun ›die Empirie‹ ihren Anteil, obwohl der Begriff der Phänomenotechnik anti‐positivistisch sei: »Die Phänomenotechnik ist damit zugleich anti‐positivistisch, da eine Theorie der Beobachtung (›der Empirie‹) vorausgeht, als auch realistisch, da sie in der Wirklichkeit eine Konstruktion anstrebt, die selbst Resultat empirischer Bedingungen ist und selbst Wirkungen ausüben kann.« (Diaz-Bone 2017: 36)

3 Method(olog)ische Konsequenzen

Forschungsperspektive (Wedl/Herschinger/Gasteiger 2014), dass bei ›Methoden‹ immer bestimmte erkenntnis- wie wissenschaftstheoretische sowie sozial- und gesellschaftstheoretische Verständnisse implizit wie explizit eingelassen sind (ebd.: 538), wenngleich diese häufig unsichtbar bleiben. Gleichzeitig wird mit dem Verweis auf eine Forschungsperspektive nicht gesagt, dass es sich um ein kohärentes Paradigma oder eine in sich geschlossene Perspektive handelt. Eine solche Abgeschlossenheit erscheint insofern auch kontraproduktiv, als sie von vorneherein wichtige Irritationspotenziale abwehren würde, aus denen sich jedoch im Laufe der Forschungspraxis fruchtbare Verschiebungen ergeben können. Trotz aller Heterogenität der Diskursforschung lassen sich dennoch einige Gemeinsamkeiten benennen, die, mehr oder weniger ausgeprägt, alle Diskursperspektiven verbindet.5 So konstatieren Juliette Wedl, Eva Herschinger und Ludwig Gasteiger (2014: 539) die epistemisch‐methodologische Orientierung am ›epistemologischen Bruch‹ Gaston Bachelards (vgl. z.B. Bachelard 1993; 2015; 2016) als eine solche Gemeinsamkeit sowie der mit ihm einhergehenden Bezugnahme auf ›Wahrheit‹ und der Betonung der reflexiven »Verschränkung von Theorie, Gegenstandsbezug, Analyseinstrumentarium und Kritik« (Wedl/Herschinger/Gasteiger 2014: 539; auch Diaz-Bone 2013: [5]). Mit dem epistemologischen Bruch wird eine Konzeption wissenschaftlichen Wissens beschrieben, die nicht in linear‐kontinuierlicher Weise zu immer mehr wahrem Wissen führt, sondern sich etappenweise bewegt und damit durch verschiedene Brüche im Denken gekennzeichnet ist (Lepenies 2016: 17), die nicht nur das Denken über einen bestimmten Gegenstand, sondern auch den Gegenstand selbst in fundamental anderem Licht erscheinen lassen können. Dabei verweist die Konstitution eines ›Bruchs‹, wie Foucault schreibt, auf eine Paradoxie, indem ein solcher zugleich Instrument und Gegenstand der Untersuchung ist; er grenzt gerade jenes Feld ab, dessen Wirkung er ist; er gestattet die Vereinzelung von Gebieten, kann jedoch nur durch deren Vergleich festgestellt werden (2013a: 18), was die konstitutive Verwiesenheit beider Gebiete aufeinander betont. Auch bezieht sich Foucault in der Archäologie des Wissens u.a. auf Bachelard, wenn er schreibt: »[S]ie [erkenntnistheoretische Akte und Schwellen – Anm. B.N.] heben die unbegrenzte Aufhäufung der Erkenntnisse auf, brechen ihr langsames Reifen und lassen sie in eine neue Zeit eintreten, schneiden sie von ihrem empirischen Ursprung und von ihren anfänglichen Motivationen ab, säubern sie von ihren imaginären Komplizitäten. Sie schreiben so der historischen Analyse nicht mehr die Suche nach den stillen Anfängen, nicht mehr das endlose Rückschreiten hin zu 5 Eine Auseinandersetzung mit epistemologischen Aspekten erscheint auch deshalb angezeigt, da, wie Diaz-Bone treffend konstatiert, innerhalb der deutschsprachigen Diskursforschung zwar früh diverse theoretische Konzeptionen von Diskurstheorie diskutiert, ihre epistemologischen wie methodologischen Anteile jedoch eher wenig erkannt blieben (Diaz-Bone 2017.: 33).

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den ersten Vorläufern, sondern das Auffinden eines neuen Typs von Rationalität und seiner vielfältigen Wirkungen vor.« (Foucault 2013a: 11) Infolgedessen besitzen auch Begriffe keine festgelegten universalen Bedeutungen, sondern können im Sinne eines iterativen Prozesses immer wieder verschoben bzw. de- und re‐kontextualisiert werden. Der Historiker Philipp Sarasin illustriert dies mit Bezug auf Foucault dergestalt, dass er hervorhebt, dass ein bestimmter sprachlicher Ausdruck zwar seit der Antike ›kontinuierlich‹ zur Verfügung stehen könne, sich jedoch sein semantischer Gehalt, seine jeweilige Bedeutung, entsprechend der historisch‐diskursiv variierenden Zusammenhänge zum Teil tiefgreifend ändern und voneinander unterscheiden kann (Sarasin 2009: 155).6 Butler geht mit ihrem Bezug auf die Iterabilität über jenen Bezug des bloßen begrifflichen Wandels hinaus, wenn sie in Körper von Gewicht ausführt: »Die konstitutive Instabilität des Begriffs, seine Unfähigkeit, jemals vollständig beschreiben zu können, was er benennt, wird genau von dem produziert, was ausgeschlossen wird, damit die Determinierung stattfindet.« (Butler 1997: 298) Sie illustriert ihren Punkt im weiteren Verlauf des Buches an dem spannungsreichen Verhältnis des Begriffs »queer« (vgl. ebd.: 310ff.). Wenngleich diese Auseinandersetzung an dieser Stelle nicht ausgeführt werden kann, bleibt doch festzuhalten, dass Begriffe immer in Verbindung zu ihrer spezifischen Geschichte stehen, jedoch durch sie nicht determiniert werden. Butler konstatiert in Bezug auf dieses historisch‐zukünftige Verhältnis am Beispiel des Begriffs Queer: »Wenn der Begriff ›queer‹ ein Ort kollektiver Auseinandersetzung sein soll, Ausgangspunkt für eine Reihe historischer Überlegungen und Zukunftsvorstellungen, wird er das bleiben müssen, was in der Gegenwart niemals vollständig in Besitz ist, sondern immer neu eingesetzt wird, umgedreht wird, durchkreuzt wird [queered] von einem früheren Gebrauch her und in die Richtung dringlicher und erweiterungsfähiger politischer Zwecke.« (Ebd.: 313) Dieser Aspekt der Iterabilität, der Notwendigkeit der Wiederholung mitsamt der konstitutiven Spaltung in Bezeichnetes/Ausgeschlossenes erscheint hierbei zentral, da auf diese Weise nicht nur die historische Wandelbarkeit bestimmter Begriffe deutlich wird, sondern darüber hinaus betont wird, dass die begriffliche Bedeutung immer einen Überschuss, eine Potenzialität zur Verschiebung mitführt. So beschreibt auch Foucault in Bezug auf die Arbeiten Georges Canguilhems7 in der Archäologie des Wissens: 6 Siehe hierzu z.B. die sich verschiebenden Bezüge auf Diskurse um ›Mutterschaft‹ und ›Vaterschaft‹, wie sie bei Claudia Opitz (2002) in historischer Perspektive diskutiert werden. 7 Zu diversen Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen von Bachelard, Canguilhem und Foucault siehe z.B. Dominique Lecourt (1975) und Thomas Ebke (2017). Eine Auseinandersetzung mit dem

3 Method(olog)ische Konsequenzen

»[S]ie [Canguilhems Analysen zu Deplatzierung und Transformation der Begriffe – Anm. B.N.] zeigen, daß die Geschichte eines Begriffs nicht alles in allem die seiner fortschreitenden Verfeinerung, seiner ständig wachsenden Rationalität, seines Abstraktionsanstiegs ist, sondern die seiner verschiedenen Konstitutionsund Gültigkeitsfelder, die seiner aufeinander folgenden Gebrauchsregeln, der vielfältigen theoretischen Milieus, in denen sich seine Herausarbeitung vollzogen und vollendet hat.« (Foucault 2013a: 11) Der Bezug Foucaults auf Bachelard und Canguilhem erscheint hierbei passend, lassen sich Canguilhems Bezüge auf Begriffsgeschichte, vor allem auch als eine »Geschichte von Problemverschiebungen« verstehen, »die es in ihren historischen Kontexten zu rekonstruieren gilt« (Rheinberger 2007: 100). Diese stehen für Canguilhem in einer notwendigen Reflexion der Geschichte der Wissenschaften selbst, da eine Epistemologie, die diese nicht berücksichtigt, ihm zufolge lediglich eine überflüssige Verdopplung darstellen würde (Canguilhem 1979: 24). Solche Problemverschiebungen lassen sich dabei sowohl hinsichtlich wissenschaftlicher Probleme in epistemologischer, methodologischer oder methodischer Weise im Umgang mit bestimmten Phänomenen erkennen als auch z.B. mit Blick auf sich wandelnde politische Probleme, wenn es um Verschiebungen von Gouvernementalitäten geht (vgl. Kapitel 2 und 4). Sie lassen sich jedoch noch allgemeiner auf das Thema der vorliegenden Arbeit ausweiten, wenn man an Debatten über die Wirkmächtigkeit von Sprache, Notwendigkeiten des Gendersterns oder über die Frage diskutiert, wie man bestimme Konstitutionen von Elternschaft in Relation zu Sexualität und Familie angemessen beschreiben kann. Entsprechend wird deutlich, dass sich solche Problemverschiebungen zwar auch auf den Bereich der Wissenschaft auswirken, dieser jedoch ein Raum innerhalb dieser diskursiven Kontexte ist, der weder lediglich auf solche Verschiebungen reagiert noch diese genuin produziert. Insofern ist die Auseinandersetzung mit dem Werden, den diversen ›Erbschaften‹8 der Soziologie, mitsamt den diversen Verschiebungen begrifflicher Natur auch im Hinblick auf die zugrunde liegende Arbeit wesentlich; formen doch die jeweiligen Wissensordnungen mit ihren zur Verfügung stehenden Perspektiven und Begriffen die zu untersuchenden Phänomene in fundamentaler Weise mit.9 So eröffnet Begriff des Lebens bei Foucault und Canguilhem im Zusammenhang mit Biopolitik findet sich bei Maria Muhle (2008). 8 Den Prozess des Erbens bzw. die Figur der Erbschaft in Anschluss an Derrida werde ich innerhalb des Abschnitts Elternschaft als Dispositiv nachfolgend vertiefend aufgreifen (siehe Kapitel 3.2.). 9 Deshalb kommt Begriffen eine performative, ordnende Funktion zu, die eine bestimmte Ordnung hervorbringt. Bröckling et al. stellen hierzu fest: »Das identifizierende, begriffliche Denken ist ein ordnendes Denken […]« (2015: 12), um im weiteren Verlauf ihres lesenswerten Aufsatzes darüber nachzudenken, wie dem ›Anderen der Ordnung‹ ein Platz jenseits von Asymmetrien eingeräumt werden kann (ebd.: 14f.). In diesem Sinne verstehe ich auch die in dieser Arbeit zugrunde gelegte Forschungsfrage nach dem Werden jener Subjekte im Hinblick auf die Frage nach

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der Bezug auf das Phänomen des Werdens von Eltern mit den Begriffen ›Mutter/Vater‹ deutlich andere Möglichkeiten und führt andere historisch gewachsene Bedeutungsketten mit, als es beim Begriff ›Elter‹ der Fall ist. Wenngleich damit keine Wertung verbunden wird, soll dennoch auf die konstitutive Wirkmacht von Sprache verwiesen werden, die auch innerhalb des Forschungsprozesses Effekte zeitigt. Rheinberger verweist unter Rückbezug auf Canguilhem darauf, dass »wir den Wissenschaften auf die Finger sehen« müssen, »[w]enn wir erfahren wollen, wie das wissenschaftliche Erkennen funktioniert« (Rheinberger 2007: 100). Mit dem Bezug auf Bachelard, Canguilhem und letztlich auch Foucault, wird einer Vorstellung eine Absage erteilt, die davon ausgeht, dass wissenschaftliches Wissen zu einem linearen Anstieg von Sichtbarkeiten beiträgt, die letztendlich zu einer vollumfänglichen Erhellung bzw. Aufdeckung führen. So schreibt auch Sarasin im Hinblick auf die (wissenschaftliche) Metapher: »Im selben Moment, in dem die Metapher einen spezifischen Blick auf einen Gegenstand ermöglicht, verdunkelt sie durch ihre Eigentümlichkeiten andere Gegenstandsbereiche. Wissenschaftliche Erkenntnis erscheint so nicht als Prozess zunehmender und schattenloser Rundum-Erhellung der Welt, sondern wird stets mit einer partiellen Verdunkelung, mit einem Stück Nichtwissen im Wissen erkauft. Allein, wenn die wissenschaftliche Erklärung des Neuen damit unausweichlich von den Eigentümlichkeiten der explizierenden Metapher abhängt, ist es wohl angemessener, ihre aktive, kaum zu kontrollierende Wirkungsweise zu betonen: Die Metapher ist nicht bloß ein passives Instrument, sondern infiziert die Erkenntnis, sie ist aktiv und lebendig, sie verändert die Dinge und treibt das Denken in neue Richtungen.« (Sarasin 2009: 82) Auch Foucault geht es im Rahmen seiner Diskursanalyse darum, die Möglichkeitsbedingungen zu untersuchen, die bestimmte Sichtbarkeiten und Sagbarkeiten (und damit auch Praktizierbarkeiten) zu untersuchen (Rheinberger 2007: 106; Foucault 2013a: 15). Diskurse um diverse Formen von Elternschaft sowie ihre begriffliche Verortungen besitzen eine ordnende Kraft, die nicht nur auf das Sichtbare im Rahmen von Elternschaft, auf Inklusionen Bezug nimmt, sondern gleichzeitig auch durch jenes konstitutive Außen der Exklusion konstituiert wird. Insofern wird auch deutlich, dass Diskurse um Mutterschaft/Vaterschaft oder Elternschaft in unterschiedlicher Weise ordnen, über andere konstitutive Einund Ausschlüsse operieren. Der Diskurs um Mutter- und Vaterschaft verweist sowohl innerhalb einer gleich- wie ungleichgeschlechtlichen Kontextualisierung auf eine heteronormative Ordnung, während Bezüge auf Elternschaft zwar auch Ent-/Hierarchisierungen von Elternschaft, der Frage nach dem konstitutiven ›Anderen‹ innerhalb dieses Kontextes, wie es auch in Derridas dekonstruktivem Denken und der Figur der différance angelegt ist.

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in einer solchen operieren können, diese jedoch nicht reproduzieren müssen, was Raum für Verschiebungen eröffnet (vgl. Neumann 2016a) und gleichzeitig jene Aktivität und Produktivität hervorhebt, auf die sich Sarasin im Hinblick auf die wissenschaftliche Metapher bezog bzw. die mit Butler und ihrem Beispiel ›queer‹ gestreift wurden. Zwar beziehen sich diverse Subjekte im Rahmen des Untersuchungsmaterials auf jene diskursiven Ordnungen, produzieren und reproduzieren diese, jedoch nicht als deren Ursprung, sondern situiert in einem Bereich des Wissens, »wo das Subjekt notwendigerweise angesiedelt und abhängig ist, ohne daß es dort jemals als Inhaber auftreten kann (sei es als transzendentale Aktivität, sei es als empirisches Bewußtsein)« (Foucault 2013a: 260). Genauso wie die Metapher in den Worten Sarasins eine »aktive und kaum zu kontrollierende Wirkungsweise« besitzt (Sarasin 2009: 82), nicht passiv ist, sondern in aktiver Weise die Erkenntnis infiziert und verändert, erscheint der Blick auf Geschlecht als ›epistemisches Ding‹ relevant und soll nachfolgend aufgegriffen werden.

Geschlecht als epistemisches Ding Der nachfolgende Abschnitt geht den Fragen nach, wie ›Geschlecht‹ als entscheidender Bezugspunkt für die Konstitution wissenschaftlichen Wissens gelten kann und wie sich diese Wissensbestände, in Bezugnahme an die im vorherigen Abschnitt beschriebenen epistemischen Brüche, verschieben können. Dazu wird in Anlehnung an die Arbeiten der Medien- und Kulturtheoretikerin Astrid DeuberMankowsky (2008a; 2008b; 2012) in knapper, fokussierter Weise auch auf technologische Aspekte des Forschungsapparats eingegangen, wie sie im Forschungsprozess vorhanden sind, z.B. im Kontext von Interviewsituationen, bei Transkriptionen usw. Des Weiteren wird hiermit zusätzlich geschärft, wie die jeweiligen Wissensbestände, die dem Forschungsprozess konstituierend zugrunde liegen, an der Hervorbringung bestimmter empirischer Ergebnisse beteiligt sind.10 Ich folge Deuber-Mankowsky in ihrem Vorschlag, Gender als eine Frage des Wissens zu begreifen (2008b: 170; vgl. auch 2012: 223ff., hier 224), welche – in Anschluss an die Konzeption des ›epistemischen Dings‹ Rheinbergers – weitreichende, konstitutive Konsequenzen im Rahmen des Forschungsprozesses birgt. Epistemische Dinge11 im Sinne Rheinbergers sind: 10 Eine grundsätzliche(re) Auseinandersetzung zu Geschlecht als philosophische Kategorie, der ›Methode‹ (dem Weg) des Forschens entlang der Kategorie Geschlecht, findet sich z.B. bei Deuber-Mankowsky (2001). 11 Rheinberger knüpft mit seinem Verständnis von ›Epistemologie‹ nicht in einfacher Weise an den (im deutschsprachigen Raum häufig) synonymen Gebrauch von ›Erkenntnistheorie‹ an: »Ich fasse unter dem Begriff der Epistemologie hier vielmehr, an den französischen Sprachgebrauch anknüpfend, die Reflexion auf die historischen Bedingungen, unter denen, und die Mittel, mit

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»[…] die Dinge, denen die Anstrengung des Wissens gilt – nicht unbedingt Objekte im engeren Sinn, es können auch Strukturen, Reaktionen, Funktionen sein. Als epistemische präsentieren sich diese Dinge in einer für sie charakteristischen, irreduziblen Verschwommenheit und Vagheit.« (Rheinberger 2001: 22) An anderer Stelle bringt Rheinberger seine Konzeption epistemischer Dinge wie folgt zusammenfassend auf den Punkt: »Sie [die epistemischen Dinge – Anm. B.N.] sind erstens von einer je spezifisch zu fassenden Materialität. Zweitens kommt ihnen so etwas wie Eigenwilligkeit zu. Drittens leisten sie ihrer begrifflichen Erfassung Widerstand, und viertens müssen sie noch zu wünschen übrig lassen.« (Rheinberger 2014: 38) Wie Deuber-Mankowsky (2008b: 170; 2012: 224) betont, steht hierbei für Rheinberger der Primat der im Werden begriffenen wissenschaftlichen Erfahrung gegenüber ihrem »begrifflichen und verfestigtem Resultat« im Fokus seiner Bemühungen. Die von Rheinberger betonte »Verschwommenheit und Vagheit« erscheint dabei nicht als Nachteil oder Mangel, sondern als »handlungsbestimmend und das meint zukunftsöffnend« (2008a: 139; vgl. auch 2008b: 170). Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts werden noch jene zukunftsöffnenden Potenziale angesprochen, die sich – historisch betrachtet – im Rahmen der Geschlechterforschung immer wieder ergeben haben und die für Veränderungen wie Verschiebungen innerhalb des Forschungskontextes gesorgt haben, in welchem sich auch die vorliegende Arbeit bewegt. »Das epistemische Ding ist«, wie Deuber-Mankowsky schreibt, »zugleich als Frage, die den Forschungsprozess eröffnet, wie auch als dessen Ergebnis zu verstehen« (2008a: 139; vgl. auch 2008b: 170). Es ist dabei jedoch nicht als Passivum zu denken, sondern nimmt den gesamten Zeitraum des Forschungsprozesses aktiv an diesem Teil und drückt sich durch die Widerstände und Irritationen aus, die sich hieraus für die Forschenden ergeben (ebd.). Fragen nach Geschlechtlichkeit in Bezug zu Elternschaft, die in einem biopolitisch‐gouvernementalen Rahmen gesetzt werden, produzieren damit gleichzeitig gerade auch jene zu untersuchenden Gegenstände, evozieren Fragen im Laufe der Forschungen, wie bspw. nach den heterogenen Bezüglichkeiten von Mutterschaft/Vaterschaft zu Elternschaft oder hinsichtlich der Auseinandersetzung mit bestimmten Voraussetzungen, die dem Prozess des Forschens selbst, immer schon vielfältiges Wissen voraussetzen – seien es nun Dinge des Alltagswissens oder auch spezifisch disziplinäre Wissensordnungen. Insofern wird deutlich, dass sowohl der Forschungsprozess an bestimmte denen Dinge zu Objekten des Wissens gemacht werden, an denen der Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung in Gang gesetzt sowie in Gang gehalten wird.« (Rheinberger 2007: 11) Es geht also weniger um eine Theorie des Erkennens, sondern mehr um die Frage nach dem prozessualen Werden bestimmter Wissensobjekte bzw. epistemischer Dinge.

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Voraus-Setzungen konstitutiv gebunden ist als auch jenes Irritations- und Widerstandspotenzial, welches sich während der Forschungspraxis ergeben kann und das auch durch die kritische Auseinandersetzung mit der ›eigenen‹ Forschungsgrundlage zutage treten kann, die jedoch immer schon in spezifischen Kontexten situiert ist. Aufgrund dessen ist die ›eigene‹ Forschungsgrundlage nie voll und ganz die ›eigene‹, da sie immer schon auf die Historizität ihrer konstitutiven Entstehungsbedingungen verweist und jenes ›eigene‹ nur in Relationen zu jenem disziplinären Erbe denkbar ist. In diesem Sinne verstehe ich auch Deuber-Mankowsky, wenn sie unter Rückbezug auf Rheinberger schreibt: »Epistemische Dinge sind Diskursobjekte und präsentieren sich in einer ›charakteristischen, irreduziblen Vagheit und Verschwommenheit‹ – eben darin erweist sich ihre Materialität, ihre Produktivität und Zukunftsfähigkeit.« (DeuberMankowsky 2008b: 170) Die Zukunftsfähigkeit ergibt sich gerade aus jener Vagheit, jener nicht‐totalisierten, nicht abschließbaren Bestimmung, die in der Rheinberger’schen Konzeption des epistemischen Dings angelegt ist und die insbesondere auch im Rahmen der Geschlechterforschung eine wesentliche Rolle spielt. Die Auseinandersetzung mit der ›eigenen‹ Situiertheit im Forschungsprozess spielt innerhalb der Geschlechterforschung seit jeher eine wesentliche Rolle (vgl. z.B. Riegraf 2010: 15). So hat, wie Deuber-Mankowsky (2008a: 141f.; 2008b: 171f.) unter Bezug auf die Kulturwissenschaftlerin Gabriele Dietze (2003) ausführt, der Begriff Gender selbst vielfältige Brüche und Verschiebungen erfahren. Angefangen bei dem Wort ›Gender‹ als solchem, das sich zunächst gegen den diagnostizierten Androzentrismus wendete. Die Kritik der Women of Color an der universalistischen Gleichsetzung aller Frauen mit ›weißen‹ Frauen aus der Mittelschicht, kann als ein zweiter epistemischer Bruch gesehen werden (Deuber-Mankowsky 2008a: 141; vgl. auch 2008b: 171; 2012: 225f.), der u.a. mit der Entwicklung der Intersektionalitätsforschung in Verbindung gebracht wird (z.B. Winker/Degele 2009: 11). Auf diese Weise wurde, DeuberMankowsky und Dietze folgend, von Seiten der Gender Studies mit dem Konzept der ›Whiteness‹ im Sinne einer unsichtbaren wie hegemonialen Norm reagiert, die eine Forschungsperspektive eröffnete, die sich kritisch mit Relationen und Interdependenzen diverser Kategorien wie Race bzw. Ethnicity, Class und Gender befasst. Eine weitere Perspektivverschiebung ergab sich aus der Erschütterung der Sex/Gender-Unterscheidung und der mit ihr einhergehenden Privilegierung von Heterosexualität, wie sie zu Beginn der 1990er Jahre vor allem auch durch die Arbeiten Butlers erfolgte (Deuber-Mankowsky 2008a: 141; 2008b: 171; vgl. Butler 2012a). Butlers kritische Auseinandersetzung mit den produktiven Ein- und Ausschlüssen der »heterosexuelle Matrix« (2012a: 219f.; auch 2012b: 93 – siehe auch Kapitel 2) und ›Heteronormativität‹ führten dazu, ebenjene Produktivitäten im Rahmen feministischer Theoriebildung und den Gender Studies zu reflektieren. Eine vierte Ver-

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schiebung verortet Dietze (2003: 12) in Forschungsbemühungen zu Intersexualität sowie der Kritik an körperlich fixierter geschlechtlicher Binarität, womit eines der wichtigsten Zeichensysteme, »der Übereinkunft, dass es nur zwei mögliche Körper gibt« (Dietze 2003: 13; vgl. auch Deuber-Mankowsky 2008a: 141f.; 2008b: 172) ins Wanken gerät.12 Die bereits genannten Brüche machen deutlich, wie sich das Wissen entlang der Kategorie Geschlecht zum Teil radikal verschieben kann,13 wobei viele dieser Brüche nicht programmatisch zu sehen sind, sondern unvorhersehbar waren und als krisenhaft beschrieben werden (Deuber-Mankowsky 2008b: 171).14 Es wird darüber hinaus deutlich, wie sich die Kategorie Geschlecht und das damit verbundene Wissen vervielfältigt, was wiederum Auswirkungen auf ›Geschlecht‹ an sich besitzt, aber – und dies erscheint im Rahmen der Auseinandersetzungen dieser Arbeit und der performativitätstheoretischen Perspektive noch bedeutsamer – sich auch das in den Blick genommene Phänomen mitsamt der beobachtbaren empirischen Evidenzen kaleidoskopartig verschiebt, je nachdem welche konstitutive Situ12 Überblicke über die Ausdifferenzierung der soziologischen Geschlechterforschung finden sich z.B. bei Brigitte Aulenbacher, Michael Meuser und Birgit Riegraf (2010) oder bei Regine Gildemeister (2012). Regine Gildemeister weist darauf hin, dass bereits der Begriff »Konstruktion je nach theoretischem Kontext mit unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen ist« (ebd.: 219), was eine Subsumtion unter dem Dach einer »Konstruktivistischen Geschlechterforschung« als irreführend erscheinen lässt. Dadurch wird, neben den bereits dargestellten epistemischen Brüchen, erneut deutlich, wie auch einzelne Begriffe nicht nur unterschiedlichen Definitionen und Verwendungen unterliegen, sondern teils in variierende historische wie disziplinäre Wissensordnungen eingelassen sind. Dies ist letztlich für den Forschungsprozess und die resultierenden Ergebnisse konstitutiv. 13 Wobei die dargestellten epistemischen Brüche keineswegs als ›erschöpfend‹ zu betrachten sind. Deuber-Mankowsky verweist – über Dietze hinausgehend – bspw. auf die Entwicklungen der Mens bzw. Masculinity Studies (2008a: 142; 2008b: 172) oder auf die unterschiedlichen Bezüge diverser Disziplinen hinsichtlich der Kategorie Gender (ebd.). 14 Siehe hierzu die teils sehr heftige Auseinandersetzung um Butlers Das Unbehagen der Geschlechter, die sich im deutschsprachigen Kontext bspw. in einer Ausgabe der Feministischen Studien dokumentiert (1993, Nr. 2). Damit gewinnt auch Derridas Argument, dass es nie den »entscheidenden Bruch« (2009: 47) gebe, Plausibilität. Derrida geht performativitätstheoretisch nicht von der »Einmaligkeit eines epistemischen Einschnitts« aus. Er argumentiert: »Die Einschnitte geraten fatalerweise immer wieder in ein altes Gewebe, das man endlos weiter zerstören muss. Diese Endlosigkeit ist weder zufällig noch kontingent; sie ist wesentlich, systematisch und theoretisch. Das lässt aber keineswegs die bedingte Notwendigkeit und Wichtigkeit bestimmter Einschnitte, des Auftauchens oder der Festlegung neuer Strukturen verschwinden.« (Ebd.) In diesem Sinne können epistemische Brüche Perspektivierungen zwar radikal verschieben, sind aber dennoch an die Historizität, durch die sie bedingt werden, gebunden. So konstatieren auch Butler und Athanasiou im Hinblick auf Widerständigkeiten gegenüber subjektivierenden Ordnungen: »Acts of resistance will take established orders of subjection as their resource, but they are not condemned to hopelessly reproducing or enhancing these orders.« (Butler/Athanasiou 2013: 15)

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ierung erfolgt. Auch zeigt sich, wie jene unvorhergesehenen, krisenhaften Brüche historisch kontingent sind bzw. wie diese im Rahmen eines spezifisch historischen Kontextes ihren ›Sinn‹ erhalten. Vielleicht lässt sich dadurch nicht nur die Kontingenz jener sozialen Phänomene betonen, sondern auch die »kontingenten Grundlagen« (Butler 1993), anhand derer diese Phänomene im Rahmen des Forschungsapparats prozessiert werden. Die Ausführungen verdeutlichen auch, weshalb, mit Foucault und Deleuze gesprochen, »das Sichtbare und das Sagbare« Wissen (Deleuze 2013: 69ff.) bestimmte Gegenstandsbereiche erhellt, während andere gleichzeitig verdunkelt werden.15 Diese Produktivität besagter Phänomenotechnik folgt dabei einer Perspektivierung, wie sie in Anschluss an Butler bereits in Bezug auf die Performativität von Gender gezeigt wurde. Dennoch scheint eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Begriff zielführend, besitzt eine Forschungsperspektive, die den Versuch unternimmt, konsequent performativitätstheoretisch zu verfahren, doch erhebliche Konsequenzen im Vergleich zu Vorgehensweisen, die eher auf eine konstativ‐empirische Beschreibung von Phänomenen abheben. Grundsätzlich verweist der Begriff Performativität auf vielfältige Debatten innerhalb des kulturwissenschaftlichen Kontextes (z.B. Butler 1997; Derrida 1999d; Wirth 2002; Schuegraf 2008: 68ff.; Butler 2013b; Fischer-Lichte 2016), die jedoch auch innerhalb der Soziologie an Bedeutung gewonnen haben. So verweist der Soziologe Herbert Kalthoff (2008: 18) darauf, dass soziologische Beobachter*innen »mit der Frage nach dem Verhältnis von durch Forschungsmethoden erzeugter Empirie und sozialer Realität« konfrontiert werden. Er verweist auf das Argument, »daß die Forschungsmethoden den empirischen Gegenstand konstituieren, mit dem es die Soziologie dann zu tun hat. Demnach machen Methoden Realitäten nicht in realistischer Weise sichtbar, sondern zeigen, wie sie – im Lichte der verwendeten Methoden – vorgestellt werden können.« (Ebd.) Der weitere Hinweis von Kalthoff, dass das, was sich den Forschenden als ›Datum‹ bzw. ›empirische Evidenz‹ darbietet, etwas ist, was durch den Forschungsprozess hervorgebracht wird (ebd.), ist auch dahingehend instruktiv, als eine performativitätstheoretische Perspektive infolgedessen auch den häufig verwendeten Begriff der ›Daten‹ selbst kritisch in den Blick nehmen muss, denn aus dieser Perspektive erscheint es angebracht(er), den Begriff Material zu verwenden, da der Begriff Daten als Datum ein bzw. etwas faktisch Vorhandenes impliziert – und damit innerhalb einer repräsentationalen Logik verbleibt – während der Begriff des Materials die method(olog)isch begründete Kontingenz des Phänomens betont und erhält. 15 Deleuze bringt dabei auf den Punkt: »Man kann in der Tat sagen, daß es ›Wahrheitsspiele‹ oder vielmehr Prozeduren des Wahren gibt. Die Wahrheit ist untrennbar mit einer Prozedur verbunden, die sie etabliert.« (Deleuze 2013: 90)

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Eine Performativität betonende Perspektive bedeutet, hierin liegt, wie Uwe Wirth (2002: 10) darstellt, die sprachphilosophische Provokation, dass performative Äußerungen keine logisch‐semantischen Wahrheitsbedingungen haben. Insofern kann aus dieser Perspektive nicht nach einem Wahrheitswert an sich, sondern nur nach den Bedingungen des Gelingens gefragt werden. »Im Gegensatz zur ›konstativen Beschreibung‹ von Zuständen, die entweder wahr oder falsch ist, verändern ›performative Äußerungen‹ durch den Akt des Äußerns Zustände in der sozialen Welt, das heißt, sie beschreiben keine Tatsachen, sondern sie schaffen soziale Tatsachen.« (Ebd.: 10f.) Darüber hinaus lässt sich festhalten, wie Rodolphe Gasché ausführt, dass performative Akte auch konstitutiv für sich selbst sind: »Genauer gesagt bringt in der performativen Wende (der Akt des) Sagen(s) nicht nur einfach ein Gesagtes hervor, sondern ein Gesagtes, das sich zunächst auf sich selbst anwendet, bevor es eine Anwendung auf irgend etwas sonst erfährt.« (Gasché 1997: 271) Damit ist der performative Akt zuvorderst (auch) wirklichkeitskonstituierend auf ›sich‹ und nicht nur hinsichtlich seiner (möglichen) wirklichkeitsstiftenden Wirkungen. Dennoch besteht, wie Butler (z.B. 2013b) betont, eine Kluft zwischen dem performativen (perlokutionären) (Sprech-)Akt und den Effekten, die dieser zeitigt. In diesem Sinne besitzen ›klassische‹ Kriterien qualitativer wie quantitativer Sozialforschung wie Objektivität, Reliabilität und Validität im Rahmen der hier vertretenen diskurs- und performativitätstheoretischen Perspektive eine deutlich andere Gewichtung (vgl. z.B. auch Diaz-Bone 2014: 112; Wedl/Herschinger/Gasteiger 2014: 551-552). Grundsätzlich spielt der Aspekt der Reliabilität, wie Juliette Wedl, Eva Herschinger und Ludwig Gasteiger zeigen, im Rahmen der meisten Diskursanalysen kaum eine Rolle (Wedl/Herschinger/Gasteiger.: 551), setzt diese doch, wie Diaz-Bone argumentiert, »eine spezifische Metaphysik des zu messenden Sachverhalts voraus: nicht nur, dass er eine der Messung vorgängige epistemologische Realität hat, sondern auch, dass er über eine ihm eigene Stabilität verfügt« (Diaz-Bone 2014: 112f.). Der Aspekt der Validität spielt nur in bestimmten Ausrichtungen diskursanalytischer Arbeiten eine Rolle, wie Wedl, Herschinger und Gasteiger zeigen (2014: 551). Auch der Topos Objektivität bzw. der Unabhängigkeit von einer beobachtenden Person als Gütekriterium erscheint aus einer solchen Perspektive fraglich, da der Annahme gefolgt wird, dass Bedeutung nicht zu fixieren bzw. auf eine eindeutige Bedeutung zu reduzieren sei (ebd.: 552). Aspekte wie die Problematisierung methodologischer Prinzipien, die Notwendigkeit einer kritischen (Selbst-)Reflexivität, eine kritische Distanz zum Gegenstand sowie einer Positionierung, die von einer ›Un-/Möglichkeit‹ des Verstehens ausgeht (ebd.) stehen diskursanalytisch im Fokus. Dabei soll durch die Reflexion der Ordnungsschemata eine Distanz zu etablierten Vorkonzepten erzeugt werden, wie die Autor*innen darstellen. Basis für eine solche Analysepraxis ist hierbei die auch diesem Text zugrunde liegende epis-

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temologische Perspektive des epistemischen Bruchs sowie die »Ausklammerung des subjektiven Sinns« (ebd.; auch Diaz-Bone 2006; 75ff.). Ich folge Wedl, Herschinger und Gasteiger in ihrer an Foucault geknüpften Einschätzung, dass auch der Punkt der Reproduzierbarkeit nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt, da »eine Analyse aufgrund der bereits vorliegenden Erkenntnisse – oder Erfahrungen – niemals gleich aussehen kann, da wir ›am Ende des Buches zu dem, um das es geht, in neue Beziehungen treten können‹« (Foucault zit.n. Wedl/Herschinger/Gasteiger 2014: 552). Insofern geht es aus der hier vertretenen Perspektive eher um die Nachvollziehbarkeit und Plausibilität der dargestellten Schlussfolgerungen (ebd.).16 Neben diesen Unterschieden, die sich aus der hier vertretenen diskursanalytisch‐performativitätstheoretischen Perspektive ergeben, dürfen performative Akte, wie bereits dargestellt, nicht als einmaliger Akt missverstanden werden, sondern sind als zitathaft wiederholende Praxis zu sehen (Butler 1997: 22). So gesehen erhält auch die qualitative Spaltung zwischen ›Müttern‹ und ›Vätern‹ ihre Geltung, indem sie in kontinuierlicher Weise zitatförmig den vergeschlechtlichten und vergeschlechtlichenden Diskurs um Unterschiede zwischen Müttern und Vätern wiederholt – im Gegensatz zum geschlechtlich indifferenten Begriff Elter. In diesem Sinne ist Diskurs niemals nur Sprache. Eine solche Reduktion würde auch die Intention Foucaults deutlich verkürzen: Foucault schreibt im Hinblick auf die Analyse von Diskursen: »Eine Aufgabe, die darin besteht, nicht – nicht mehr – die Diskurse als Gesamtheit von Zeichen (von bedeutungstragenden Elementen, die auf Inhalte oder Repräsentationen verweisen), sondern als Praktiken zu behandeln, die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen. Zwar bestehen diese Diskurse aus Zeichen; aber sie benutzen diese Zeichen für mehr als nur zur Bezeichnung der Sachen. Dieses mehr macht sie irreduzibel auf das Sprechen und die Sprache. Dieses mehr muß man ans Licht bringen und beschreiben.« (Foucault 2013a: 74)17 16 Womit jedoch nicht gesagt werden soll, dass es innerhalb des sozialwissenschaftlichen Kontextes nicht Versuche zur Bestimmung der Gütekriterien von Diskursanalysen gebe. Siehe hierzu z.B. Jäger/Diaz-Bone 2006; Angermuller/Schwab 2014. Zur Frage der Verallgemeinerbarkeit von Gütekriterien in der qualitativen Sozialforschung siehe z.B. Eisewicht/Grenz 2018. 17 Damit bricht Foucault jedoch auch grundlegend mit dem Strukturalismus, dessen Bezug auf die Theorie des Signifikanten er zu den Verfahren zählt, die die Macht und die Wirkungsweise von Diskursen verschleiern (Sarasin 2008: 123). Foucault erklärt in Die Ordnung des Diskurses: »Der Diskurs verliert […] seine Realität, indem er sich der Ordnung des Signifikaten unterwirft.« (Foucault 2012b: 33) Deshalb müsse die Analyse »die Souveränität des Signifikaten aufheben« (ebd.). Insofern unterscheidet sich Foucaults diskursanalytische Perspektive auch, wie er in der Archäologie des Wissens (2013a: 41f.) schreibt, von einer »Sprachanalyse«: »Die von der Sprachanalyse hinsichtlich eines beliebigen diskursiven Faktums gestellte Frage ist stets: gemäß welchen Regeln ist eine bestimmte Aussage konstruiert worden und folglich gemäß welchen Regeln können andere ähnliche Aussagen konstruiert werden? Die Beschreibung der diskursiven Ereignis-

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Das heißt, wie auch Sarasin (2008: 123) ausführt, dass die Diskurse Zeichen benutzen, um Ordnung zu stiften und die Grenzen des Sagbaren zu errichten und damit ›epistemische Dinge‹ hervorbringen. All jenes, was Diskurse über die bloße Bezeichnungsfunktion der in ihnen vorkommenden Signifikanten hinaus als Effekt bewirken und bedeuten, macht sie, wie Foucault sagt, irreduzibel auf das Sprechen bzw. die Sprache. Darüber hinaus verdeutlicht das Zitat, dass die Diskursperspektive Foucaults auch als eine performative zu lesen ist, da Diskurse »die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen« (Foucault 2013a: 74; zur Performativität Foucaults z.B. Mersch 1999: 171; Veyne 2015: 36ff.). Damit sind Diskurse über ›aktive Vaterschaft‹ (Kapitel 1) oder bezüglich der Frage, wann eine Mutter in welchem Umfang wieder in den Beruf zurückkehren sollte, nicht lediglich Auseinandersetzungen oder Diskussionen über ein Thema, sondern erzeugen über die jeweiligen diskursiven Ein- und Ausschlüsse eine spezifische Ordnung, die konstitutiv für die entsprechende Materialisierung des Diskurses ist. Diskurse sind damit auch mehr als bloße Diskussionen über einen Gegenstand. Diskurse über in-/aktive Väter, über ›gute‹ Mütter bzw. ›Rabenmütter‹ bilden nicht nur Aussagen oder Positionen über jene Subjekte ab, sondern konstituieren gleichzeitig zuvorderst jene spezifischen Subjekte bis in die affektiv‐leiblichen Selbstverhältnisse hinein, so dass sich bspw. der Diskurs um ›Rabenmütter‹ mitsamt der negativen Konnotationen des damit verbundenen Drucks etc. auch körperlich konstituieren kann.18 Die Subjekte sind deshalb vor allem Träger*innen solcher Diskurse und nicht deren Ursprung (vgl. z.B. auch Ahmed 2004). Aus der zugrunde liegenden performativitätstheoretischen Perspektive erscheint die Auseinandersetzung mit Diskursen um Elternschaft, deren Verschiebungen bedeutsam, wie dies im Rahmen der vorliegenden Arbeit am Beispiel von Elternzeit diskutiert werden soll. Die Art und Weise, wie das zirkulierende Wissen se stellt eine völlig andere Frage: wie kommt es, daß eine bestimmte Aussage erschienen ist und keine andere an ihrer Stelle?« (Ebd.: 42) Dabei steht die Spezifizität bzw. Individualität jener historischen Strukturen im Fokus, bei deren Analyse linguistische Mittel nicht zielführend erscheinen (Sarasin 2008: 124; Veyne 2015: 29). 18 Exemplarisch kann dies auch anhand einer Passage aus einem mit Gitta und Georg Graf-Gabler (alle Namen im Rahmen wurden anonymisiert) geführten Interview verdeutlicht werden, in welchem Gitta ihr Unwohlsein bei der Vorstellung zum Ausdruck bringt, ihr Baby »wegzugeben«: »[…] aber das könnt ich als Mama nich […]. Also diese Vorstellung dass ich nach acht Wochen wieder abeiten gehe wär schrecklich für mich. Ich könnte ihn jetz auch nich in ne Kita oder so geben würd ich nich über’s Herz bringen. Ich fänds auch komisch jetzt abeiten zu gehn und er würd zuhause bleiben«. Auch die Vorstellung, dass Georg an ihrer Stelle zu Hause bleibt und sich um das Baby kümmert, empfindet Gitta als ›komisch‹, was verdeutlicht, dass die Änderung etablierter Sorgearrangements auch körperlich erfahrbaren Irritationen führen kann und diesbezüglich kein rein sprachliches Phänomen darstellt. Es zeigt sich auch, wie dies unmittelbar mit der Subjektivität »als Mama« verknüpft ist (auch Neumann 2016a: 64; Aunkofer/Meuser/Neumann 2018).

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über Elternschaft, die Bedeutungen des Elternseins aussehen bzw. aussehen sollen, d.h. wie sich deren normative Bezüge gestalten und verändern, spielt hinsichtlich der Frage nach dem Werden von Müttern/Vätern/Eltern eine zentrale Rolle, da mit jenen Wissensordnungen variierende performativ‐produktive Effekte verbunden sind. Daran schließt jedoch ggf. die Frage an, wie aus einer solchen Perspektive ›neues‹ oder ›überraschendes‹ im Prozess der Forschung entstehen kann, möchte man nicht auf jene krisenhaft unvorhersehbaren epistemischen Brüche warten: Wenn wir nicht nur Geschlecht, sondern auch die Konstitution von ebenjenen Müttern, Vätern bzw. Eltern als kontinuierlich zu wiederholende Formen der Subjektivation denken, dann liegt gerade auch in der Verfehlung bestimmter Normen, im kreativen Umgang mit jenen Anrufungen und Adressierungen, in Bezug auf die notwendig‐zitathafte Form jene Kontingenz, die neues bzw. anderes ermöglicht: »Die Materialität von Gender erweist sich in den Verfehlungen von repetitiven Anweisungen, die binären Geschlechtercodes zu wiederholen. Gender wird ebenso wie das epistemische Ding als ein Diskursobjekt gedacht, dessen Stabilität durch regelgeleitete Wiederholungen von Aussagen und den Einsatz von bestimmten Technologien, Medien und Darstellungsweisen garantiert wird. Dabei korrelieren Materialität und Widerständigkeit darin, dass sich in der Verfehlung der Wiederholung Unberechenbares, eben Kontingentes ereignet, das zugleich neue Möglichkeiten und die Möglichkeit der Subversion identitätsfixierten und reduktionistischen Denkens eröffnet.« (Deuber-Mankowsky 2008b: 184) Dies verdeutlicht, wie in der iterativen Bewegung immer auch ein Möglichkeitsraum für Verschiebung und Irritation mitgeführt wird. In dem genutzten Interviewleitfaden sind bspw. vielfältige Wissensbestände über Erwerbsarbeit, Elternschaft, Arbeitsteilung, Geschlecht etc. eingelassen, die sich in diversen narrativen Fragen bündelten, wobei die durch sie produzierten Ordnungen im Kontext der Interviews zum Teil auch unterlaufen wurden. So könnte kritisiert werden, dass die Frage »Was bedeutet Vatersein und Muttersein für Sie?« eine heteronormativ‐dichotome Spaltung in Mütter und Väter wiederholt und die Sorge evoziert, die befragten Paare würden in jedem Fall in ihrer Antwort beeinflusst werden. Dennoch lehnten einige der befragten Paare diese Adressierung für sich ab und wiesen darauf hin, dass sie sich als »Elternpersonen« und nicht als ›Mütter‹ und ›Väter‹ im »klassischen« Sinne verstünden (z.B. Paar Cramer). Ein anderes Paar stellte auf die Frage, was für sie »Männlichkeit und Weiblichkeit ausmache« die Rückfrage, ob es nicht eher darauf ankäme zu fragen, was »menschlich« sei und verwies im Rahmen der Erzählung auf bestimmte biographische Erfahrungen.19 Allerdings zeigte sich 19 So erklärt Orna Ortmann: »Äh so dass ich eigentlich irgendwie mich immer gefragt hab wozu ist eigentlich ein Mann da. (lacht leise) Äh ähm äh was ist so die Rolle eines Mannes zu Hause

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in praktischer Hinsicht auch, dass Fragen nach Vorstellungen zu Geschlecht und Elternschaft (zu Mutterschaft/Vaterschaft, zu Männlichkeit/Weiblichkeit etc.) für viele Befragte bereits äußerst abstrakte Themen darstellen, deren Beantwortung einigen durchaus schwer fiel. Eine zusätzliche Abstraktion (z.B. durch geschlechterindifferente Bezüge wie den Begriff ›Elter‹) oder verkomplizierende(re) Sprachregelungen könnten diese Schwierigkeit(en) weiter steigern. Damit wird zwar nicht gesagt, dass nicht über die Produktivität von Sprache und die Verwendung bestimmter begrifflicher Bezüge nachzudenken ist, dass jedoch bei aller wünschenswerter Sensibilität solche forschungspraktischen Aspekte ebenso bedacht werden müssen. Es geht an dieser Stelle vor allem darum, aufzuzeigen, dass zwar vielfältiges historisch situiertes Wissen den Forschungsapparat konstituiert und auch in einer spezifischen Weise formt, dass dieser jedoch nicht in determinierender Weise wirkt, wenn Raum für Widerspruch vorhanden ist. Die eben genannten Reaktionen unterlaufen exemplarisch die in der Frage enthaltene Setzung und relativieren damit nicht nur die Ordnung, die für die Art der Frage grundlegend war, sondern eröffnet auch andere thematische Bezugnahmen und Wiederholungen – im Rahmen des Forschungsprozesses wie in der alltagsweltlich gelebten Praxis. Hierdurch werden auch (empirische) Widerspenstigkeiten im Prozess des Forschens deutlich, wenn implizite Erwartungen und Adressierungen unterlaufen werden, so dass nicht lediglich der Prozess des Forschens das Material konstituiert, sondern sich der Prozess selbst in einem konstitutiven Wechselverhältnis von theoretischen, method(olog)ischen sowie empirischen Bezügen materialisiert, die nicht voneinander zu trennen sind und sich wechselseitig herstellen. An dieser Stelle lohnt es, erneut den Hinweis Butlers aufzugreifen: »Die Frage ist nicht: ob, sondern wie wir wiederholen.« (2012a: 217 – Kursivierung B.N.) Die Auseinandersetzung mit Geschlecht als epistemischem Ding ist diesbezüglich auch für die Frage nach dem Werden von elterlichen Subjektivitäten gleichermaßen relevant; sind doch jene familialen Bezüge, die Gründung einer Familie bspw., ohne die Verschränkungen ›Geschlecht‹ und ›Sexualität‹ kaum denkbar, tragen sie doch maßgeblich zur vergeschlechtlichenden Ordnung von Familie und Beziehung bei, die gerade auch bzgl. der strukturierenden Funktion der Subjektformen Mutter/Vater bzw. Elter eine konstitutive wie tragende Rolle spielen. Insofern findet nicht nur eine Auseinandersetzung mit Geschlecht, sondern auch mit Elternschaft als epistemischem Ding statt. Diskurse um Mutterschaft wie Vaterschaft re-/produzieren und regulieren in diesem Sinne immer unweigerlich vergeschlechtlichte wie vergeschlechtlichende Bezüge auf das Thema Geschlecht als auch Elternschaft. Der Begriff der Elternperson ist in dieser Hinsicht zwar auch relational an in einer Familie. Und so weiter. In einer Ehe weil wenn alles die Frauen selber machen äh einschließlich das Brot verdienen und so ähm aber ähm ja was ist weiblich? Ich glaub viel wichtiger ist zu fragen was ist (leicht lachend) menschlich vielleicht.«

3 Method(olog)ische Konsequenzen

die Verbindung zu ›Familie‹ geknüpft, entzieht sich jedoch einer unmittelbaren geschlechtlichen Bestimmung, was ihn in diesem Sinne (auch) für andere Bezugnahmen auf Elternschaft jenseits heteronormativer Konventionen öffnet. In dieser Hinsicht erscheint dann auch eine (ver-)sozialwissenschaftlichende ›Methodisierung‹ von Diskursanalysen als problematisch, die soziale Phänomene nach einem wiederholbaren Muster zu fassen versucht (Bröckling/Krasmann 2010: 39f.; Stäheli 2010: 226).20 Die Vorstellung, man könne soziale Phänomene mit einem vorgefertigten ›Katalog‹ oder schematisierten Ablaufplan greifen, ›normalisiert‹ nicht nur Diskursanalysen innerhalb des akademischen Feldes (Bröckling/Krasmann 2010: 39f.), sondern reproduziert gleichzeitig auch eine vermeintliche Objektivität. Dabei sind auch wissenschaftliche Erklärungen und Deutungen Gegenstand der Untersuchung von Diskursanalysen und nicht deren Ergebnis (ebd.), wie in Kapitel 4 an diversen Stellen deutlich wird. Problematisch erscheint auch, dass durch ein solches Bestreben ein Potenzial für Verschiebungen erschwert bzw. sogar eingeebnet wird, wie Ulrich Bröckling, Christian Dries, Matthias Leanza und Tobias Schlechtriemen problematisieren: »Ereignisse, Ausnahmen und Diskontinuitäten entziehen sich der klassifizierenden Abstraktion. Wenn sie rubriziert, kategorisiert, subsumiert, systematisiert werden […] verflüchtigt sich ihre inkommensurable, exzeptionelle, disruptive Qualität.« (Bröckling et al. 2015: 20f.) Performativitätstheoretisch betrachtet würde dadurch auch jenes konstitutive Prozessieren, welches das soziale Phänomen erst in seiner spezifischen Form hervorbringt, aus dem Blick geraten. Ein Überführen von Diskursanalysen in einen wiederholbaren Modus erscheint auch aus Perspektive der Geschlechterforschung kritisch, läuft sie doch Gefahr, in Kategorien ontologischer ›Tatsachen‹ zurückzufallen. Damit gilt die Reflexion der Produktivitäten, wie sie eben am Beispiel zweier narrativer Fragen des Interviewleitfadens kritisiert wurde, der Frage, was wie wiederholt – und damit (wieder-)aufgeführt wird – als wesentlich. Zwar bedeutet dies nicht, dass die ›bloße‹ Reflexion dessen, was von Seiten der Forschenden bspw. in der Frage nach Vorstellungen über »Mutterschaft und Vaterschaft« wiederholt und damit re-/produziert wird, davor schützt, nicht in andere Voraussetzungsfallen zu tappen; es verschiebt jedoch die Grundlage des Nachdenkens an sich, sensibilisiert für entsprechende Problematiken und erhellt, wie bestimmte soziale Phänomene durch den Prozess der Forschungspraxis (mit-)hervorgebracht werden. Es verdeutlicht, dass das Subjekt immer schon Teil dieser diskursiven Prozesse gewesen ist 20 Foucault argumentiert in solch einer Weise, wenn er sagt: »Ich bin ein Experimentator und kein Theoretiker. Als Theoretiker bezeichne ich jemanden, der ein allgemeines System errichtet, sei es ein deduktives oder ein analytisches, und es immer in gleicher Weise auf unterschiedliche Bereiche anwendet.« (Foucault 2005e: 52)

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Die Regierung der Elternzeit

und verabschiedet sich von einer Perspektive, welche die Forschenden außerhalb dieser Verstrickungen verortet. Nachfolgend wird dieser Punkt durch die Derrida’sche Figur des ›Erbes‹ weiter ausgeführt. Bevor dies aufgegriffen wird, erscheint die Auseinandersetzung mit der Frage, ob Elternschaft im Sinne eines Dispositivs verstanden werden kann, zunächst bedeutsam.

3.2

Elternschaft als Dispositiv im Kontext der Elternzeit

Die bisherigen Ausführungen zeigen, wie sich Subjekte in einem relationalen Beziehungsgefüge konstituieren, was nicht nur die Frage nach ›dem‹ Subjekt evoziert, sondern auch die Perspektive für ebenjenes Netz öffnet, in welchem sich diese konstituieren. Foucault hat mit dem Begriff des Dispositivs einen Versuch unternommen, jenes konstitutive Netz begrifflich zu fassen. Kapitel 1 und 2 haben gezeigt, wie elterliche Subjekte auf unterschiedlichsten Ebenen adressiert werden und in ein (auch staatlich‐institutionelles) Beziehungsgefüge verstrickt sind, welches es näher zu beleuchten gilt. In diesem Sinne stellt der nachfolgende Abschnitt die Frage, ob und inwiefern Elternschaft als Dispositiv im Sinne Foucaults gelesen werden kann. Durch die bisherigen Ausführungen wurde auch deutlich, dass weder die Entwicklungen in Bezug auf Elternschaft noch die gerade diskutierten method(olog)ischen Reflexionen ohne ihren historischen Kontext auskommen, so dass hieran Überlegungen zu den Begriffen des Erbes und der Erbschaft im Sinne Derridas angeschlossen werden. Unter dem Begriff des Dispositivs versteht Foucault, wie er in einem Interview gegen Ende der 1970er Jahre ausführt: »[…] ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl [sic!] wie Ungesagtes umfasst. […] Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann.« (Foucault 1978: 119f. – Kursivierung B.N.) Diese »Strategien von Kräfteverhältnissen, die Typen von Wissen stützen und von diesen gestützt werden« (ebd.: 123), besitzen die zentrale Aufgabe, »zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt […] auf einen Notstand (urgence) zu antworten« (ebd.: 120). Entsprechende Diskurse mitsamt der sich abzeichnenden Verschiebungen um ›neue‹ oder ›aktive‹ Väter, Vaterschaft, Mutterschaft oder allgemeiner Elternschaft sind dabei auch an spezifische Institutionen gebunden, z.B. im Rahmen der Elternzeit bzw. des Elterngeldes oder im Sinne von Netzwerken von Vätern und Vätergruppen, wie sie in den 1980er Jahren entstanden sind (Kapitel 1) und sich heute auch noch in diversen Eltern- oder Eltern-Kind-Gruppen zeigen, aber

3 Method(olog)ische Konsequenzen

auch dahingehend in institutionalisierter Form in Erscheinung treten, als bspw. bestimmte Elternkurse angeboten werden, in deren Rahmen Elternschaft (nicht selten geschlechtlich differenziert für Väter und Mütter ausgerichtet) als etwas zu Erlernendes angeboten wird.21 Aber auch bestimmte Beratungseinrichtungen oder Gesetze bzgl. Elternschaft und BEEG sind institutionalisiert, ebenso wie sie sich architektonisch bspw. im Sinne der Elterngeldstellen oder des Jugendamts materialisiert haben.22 Auch finden sich spezifische Reglementierungen und Gesetze sowohl hinsichtlich Elternschaft als auch zum BEEG, wobei das Bundeselterngeldgesetz als gesetzliche Norm bereits sichtbar wurde. Hierzu zählen auch entsprechende administrative Maßnahmen einzelner Behörden/Institutionen, die Elternschaft im Laufe der Elternzeit(en) reglementieren. Wissenschaftliche Aussagen, philosophische Positionen sowie moralische und philanthropische Lehrsätze finden sich in entsprechenden Untersuchungen, Studien, Beiträgen und Abhandlungen der teils institutionell gebundenen und auch professionell legitimierten Expert*innen, die auf historisch verfügbares Wissen zurückgreifen, welches im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen produziert wird. Dies beinhaltet auch die impliziten oder expliziten normativen Setzungen darüber, was zu einem gegebenen Zeitpunkt als ›das Beste‹ für die kindliche Entwicklung gilt, was Eltern tun oder lassen sollen sowie wer aus welchen Gründen im Rahmen von Elternschaft als in-/akzeptabel gilt.23 Es betrifft auch das Gesagte wie das Ungesagte, betrachtet man die spezifischen Diskurse über ›aktive Vaterschaft‹, die zwar einerseits die Forderung und Thematisierung von ›Aktivierung‹ und ›Aktivität‹ von Vätern sichtbar machen, andererseits jedoch häufig ›aktive Mutterschaft‹ implizit voraussetzen (im Kontrast zu geteilter Elternschaft – vgl. dazu z.B. Peukert 2015: 31ff.) sowie in einer heteronormativen Perspektive verbleiben, da häufig keine Formen gleichgeschlechtlicher Elternschaft in diesen Bezugnahmen inkludiert sind. Zwar könnte man argumentieren, dass im Rahmen ›aktiver Vaterschaft‹ immerhin gleichgeschlechtliche Väter mitinbegriffen werden, jedoch blieben dann alle darüber hinausgehenden Formen ausgeschlossen und damit unsichtbar (Neumann 2016a). Die bereits gestellte Frage 21 Womit gleichzeitig sowohl die Notwendigkeit des Erlernens spezifischer Dinge markiert als auch eine bestimmte normative Dimension (was soll bzw. muss gelernt werden) deutlich wird. Damit verbunden sind gleichzeitig auch normalisierende Effekte im Sinne der Setzung dessen, was als ›normal‹ für Eltern zu lernen gilt. 22 Ein Beispiel für die Materialisierung von Diskursen um Kindheit lässt sich möglicherweise durch das Beispiel des städtischen Kindergartens Wolfartsweier in der Nähe von Karlsruhe illustrieren, der architektonisch einer Katze nachempfunden wurde und auch die Bezeichnung »die Katze« trägt (vgl. www.karlsruhe.de/b4/stadtteile/bergdoerfer/wolfartsweier/leben_ wolfartsweier.de – zuletzt aufgerufen am 14.03.2019). 23 Was an Diskursen über gleich- und verschiedengeschlechtliche Elternschaft sichtbar wird und sich im Rahmen der Studie zu ›Vätern in Elternzeit‹ auch anhand der beschriebenen Herausforderungen ausdrückt, mit denen das gleichgeschlechtliche Väterpaar im Kontrast zu den verschiedengeschlechtlichen Paaren konfrontiert war.

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nach den Voraussetzungen von Elternschaft korrespondiert auch mit dem Aspekt der in der Definition von Foucault genannten Kräfteverhältnisse, die Typen von Wissen stützen und von diesen gestützt werden – und damit auch re-/produzieren. Dass bestimmtes Wissen über Elternschaft, bestimmte empirische Evidenz im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten mitsamt deren qualitativer wie quantitativer Ver-Datung oder auch institutionalisiert in Form von Broschüren sowie Kursen spezifischer Organisationen auf bestimmtes Wissen rekurrieren, dieses jedoch auch gleichzeitig hervorbringen und stützen, wird noch zu zeigen sein. Betrachtet man die öffentlich‐medialen Debatten und Auseinandersetzungen, die im Rahmen der Novellierung des BEEG stattfinden, sowie die gezeigten Thematisierungen mitsamt ihrer Argumentationen, wird auch auf einen spezifischen historischen Notstand geantwortet. Erinnert sei hier an das Krisenszenario von Ursula von der Leyen (2004), die Debatten über die Geburtenrate oder die vermeintliche Gefährdung der heterosexuellen Kleinfamilie (Kapitel 1).24 Elternschaft fungiert dabei als ein Netz zwischen all diesen Elementen. Foucault beschreibt, als wesentlich für ein Dispositiv, die Form eines »doppelten Prozesses« aus »einer funktionalen Überdeterminierung, sofern nämlich jede positive oder negative, gewollte oder ungewollte Wirkung in Einklang oder Widerspruch mit den anderen treten muß und eine Wiederaufnahme, eine Readjustierung der heterogenen Elemente, die hier und da auftauchen, verlangt« (Foucault 1978: 121) sowie den 24 Der Siebte Familienbericht spricht zwar auch von tiefen gesellschaftliche Umwälzungen, Unsicherheiten, globalen Herausforderungen, sinkenden Geburtenzahlen etc., die vor dem Hintergrund der Transformation von einer Industrie- zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft und nicht nur Deutschland vor entsprechende Herausforderungen stellen (BMFSFJ 2006: 1f.), stellt jedoch auch positive Herausforderungen dar: »Eine der größten und positivsten neuen Herausforderungen in der Entwicklung von familialen Beziehungen ist die Änderung der Lebensläufe der Bevölkerung in den meisten europäischen Staaten. Längere Lebenserwartungen, höhere Qualifikationen eines großen Teils der Bevölkerung und eine größere Vielfalt von beruflichen und privaten Lebensabschnitten in einem längeren Lebenslauf bedürfen einer ganz anderen Strategie der Bewältigung dieser vielfältigen Herausforderungen als die familialen Lebensläufe der Industriegesellschaft mit einer klaren und weitgehend auch gesellschaftlich vorgegebenen dreigeteilten Struktur von Kindheit und Jugend als Lernphase, dem Erwachsenenalter als Arbeits- und Familienphase und dem Rentenalter als Ruhestand. Diese Zeitstrukturen der Industriegesellschaft haben nach Auffassung der Kommission keine Zukunft mehr. Daher verstehen wir auch die familialen Beziehungen im Lebenslauf zwischen Partnern, Eltern und minderjährigen Kindern sowie erwachsenen Kindern und Eltern als eine ›Herstellung von Familie‹, um zu verdeutlichen, welche Chancen, Risiken, Probleme und neue Perspektiven sich im Laufe eines solchen Herstellungsprozesses im Lebenslauf ergeben können.« (Ebd.: 2) Zwar wird der Begriff der Krise nicht explizit genannt, jedoch die Notwendigkeit der Anpassungsleistungen, der kontinuierlichen Herstellungsleistungen betont, die durch die Erosion industriegesellschaftlicher Zeitstrukturen erforderlich scheinen. Dies unterstreicht jedoch den Notstand, mit dem man sich konfrontiert sah (und sieht) und zu dessen Begegnung bspw. die Novellierung des Erziehungsgeldes ein Element darstellt(e).

3 Method(olog)ische Konsequenzen

»Prozess einer ständigen strategischen Wiederaufführung andererseits«, die teilweise unvorhergesehene Effekte produzieren kann (ebd.). Die Readjustierung der heterogenen Elemente zeigt sich an den vielfältigen Diskursen um Elternschaft, Mutterschaft, Vaterschaft, dem Ringen verschiedener Leitbilder von Familie und Elternsein bzw. Elternwerden, an der ganz diverse politische, öffentlich‐mediale, wissenschaftliche und kirchliche Akteure beteiligt sind; während die strategische Wiederaufführung auf jene Verschiebungen verweist, die im Rahmen gesellschaftlicher Transformationsprozesse als notwendig erscheinen und in gesetzlichen Novellierungen wie dem BEEG gebündelt werden. Besagte unintendierten Effekte können bspw. dadurch sichtbar werden, dass die Allverfügbarkeit der Arbeitskraft von Männern (vgl. z.B. Born/Krüger 2002; Meuser 2009d; 2012a; 2012b) innerhalb der erwerbswirtschaftlichen Sphäre als Garant gebrochen wird, familiale Veränderungen neue Berufs- und Ausbildungszweige entstehen lassen oder sich Elternschaft und Familie von biologischen und biologistischen Elementen löst (z.B. Lenz 2013) und damit Effekte produziert, die eine vorhersehbaren Steuerung und Regulierung unterlaufen.25 Diesbezüglich nehmen Studien über Gouvernementalitäten, wie Ulrich Bröckling und Susanne Krasmann darstellen, etwas Spezifisches in den Blick: »Gouvernementalitätsanalysen präparieren heraus, wie sich bestimmte Annahmen darüber, was als wahr bzw. vernünftig anzuerkennen ist, mit spezifischen Problemdiagnosen verbinden, denen wiederum spezifische Strategien zu ihrer Bewältigung korrespondieren, an die dann bestimmte Techniken und Verfahren anschließen, die ihrerseits neue Objekte und Subjekte des Regierens hervorbringen können.« (Bröckling/Krasmann 2010: 24) Beide weisen darauf hin, dass es ihrer Ansicht nach wenig fruchtbar erscheint, die Verschränkung von diskursiven und nicht diskursiven Praktiken analytisch aufzulösen, um sie anschließend in einer Dispositivanalyse wieder zusammenzuführen, da: »Dispositive […] ›Macht-Wissens-Formationen‹ [sind], in denen Aussageordnungen und Machtpraktiken nicht in einem additiven Verhältnis zueinander stehen, sondern strategisch miteinander verknüpft sind. Die Untersuchung dieser strategischen Verschränkungen (und nicht die bloße Tatsache, dass sie den Blick sowohl auf die handlungs(an)leitende Macht von Diskursen wie auf die diskursive Verfasstheit von Sozial- und Selbsttechnologien lenken) machen Gouvernementalitätsanalysen zu Dispositivanalysen.« (Ebd. – Kursivierung B.N.) 25 Siehe bzgl. des Aspekts der ›Wiederaufführung‹ z.B. die Ausführungen Butlers zur Resouveränisierung, oder die Verschiebungen zwischen Liberalismus und Neoliberalismus (Kapitel 2), bzw. bezogen auf die Frage nach Widerständigkeiten im Kontext von Gouvernementalität(sstudien) z.B. Lemke 2000: 42f.

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In diesem Sinne interessiert sich die vorliegende Arbeit nicht nur für jene Prozesse der Subjektivation im Hinblick auf das Werden von Eltern, sondern insbesondere auch für jene gouvernemental‐biopolitische Regierungspraxis, die spezifische Verschränkungen von Aussageordnungen und Machtpraktiken herausbildet, wie am Beispiel des BEEGs sichtbar wird. Auf diese Weise schließen die Fragen der Arbeit durchaus an die Studies of Gouvernementality26 an. Wichtig scheint die Betonung, dass es sich bei der zugrunde gelegten Konzeption des Dispositivbegriffs nicht um ein additives Verhältnis von Komponenten handelt, sondern um ein spezifisches konstitutives Netz, welches zu einem bestimmten Zeitpunkt auf bestimmte Notwendigkeiten reagiert. Seine Besonderheit entsteht gerade durch die je spezifische Konfiguration. Damit ergibt sich nicht nur eine bestimmte Praxis des Regierens, d.h. der Fremd- und Selbstregierung, sondern es ergeben sich auch diverse Bezüglichkeiten auf den Komplex Elternschaft und Geschlecht und damit auch auf Familie, Generativität und Reproduktion, Elternschaft, Sexualität usw. (vgl. auch Foucault 2014c: 157). Da sich die Frage nach dem Werden von Elternsubjekten immer in Verbindung mit der Verschränkung von Aussagesystemen und Macht-Wissen-Formationen stellt, wird der Bezug auf Elternschaft als Dispositiv plausibel. Der Kontext der Elternzeit eignet sich hierbei besonders, da anhand des Materials sichtbar gemacht werden kann, in welch heterogener Weise das Dispositiv jene elterlichen Subjekte konstituiert, deren Effekte sich kontextuell sehr divers niederschlagen. Dies verweist erneut auf die Frage nach den Voraussetzungen und Effekten, da die Subjekte als Effekt von Macht von einer Sozialität bedingt sind, d.h. durch die gesellschaftlich‐kulturellen Gegebenheiten, auf die das Dispositiv Elternschaft zu einem historischen Zeitpunkt im Sinne eines Erbes antwortet. Das Erbe bzw. die Erbschaft verweist und betont einerseits die gesellschaftlich‐historische Soziabilität der Subjekte, verdeutlicht jedoch andererseits auch ei26 Zwar wird häufig eher der Begriff der Gouvernementality Studies verwendet, dennoch folge ich mit der Bezeichnung Studies of Gouvernementality u.a. der Auffassung von Thomas Osborne (2001; vgl. z.B. auch Lemke 2000: 40ff.; Krasmann/Volkmer 2007: 17; Bröckling/Krasmann 2010: 33). Dabei analysieren die Studies of Gouvernementality die historisch wie kontextspezifischen Rationalitäten bestimmter Regierungen bzw. Regierungsweisen und -techniken (Kapitel 2) und deren wirklichkeitskonstituierende Effekte. In Kontrast dazu kritisiert Osborne: »Das Problem scheint mir dabei zu sein, dass eine Aneignung des Foucault’schen Werkes durch die positiv‐empirischen Sozialwissenschaften nicht so einfach möglich ist – weder deskriptiv noch normativ. Um das Foucault’sche Erbe von jeglicher Form des Soziologismus abzugrenzen, was nicht heißt, dass Foucaults Werk nicht Teil der Humanwissenschaften ist, genügt es vielleicht daran zu erinnern, dass seine Arbeit immer an ein bestimmtes Prinzip und an ein bestimmtes Erkenntnisinteresse gebunden war: Erstens das Prinzip methodologischer Unzeitgemäßheit, zweitens sein Interesse an einer Art Beobachtung zweiter Ordnung der Denksysteme. Beides liegt scheinbar auf der Hand, jedoch wird beides nur zu oft von jenen vergessen beziehungsweise vernachlässigt, die Foucaults Erbe durch Formen des Soziologismus zu normalisieren suchen.« (Osborne 2001: 12 – Herv. B.N.)

3 Method(olog)ische Konsequenzen

ne bestimmte Form von Handlungsfähigkeit.27 Insbesondere weil sich jene Bezüge auf Elternschaft, auf Geschlecht, aber auch mit Blick auf das BEEG in einem historischen Zusammenhang bewegen, ist es wichtig, diese Bezüge und ihre Verschiebungen in den Blick zu nehmen. Dies gilt sowohl für die variierenden Subjektivationsweisen und Subjektentwürfe in Bezug auf Elternschaft28 , wie auch für die gouvernemental‐biopolitischen, historisch variierenden ›Notwendigkeiten‹, durch die sich ebenjene Dispositive transformieren können. Im Anschluss an Jacques Derridas Ausführungen zu Erbe und Erbschaft (z.B. 2014b; 2004), verweist das Erben nicht auf einen passiven, sondern auf einen aktiven Prozess (vgl. auch Lüdemann 2011: 138): »Ein Erbe versammelt sich niemals, es ist niemals eins mit sich selbst. Seine vorgebliche Einheit, wenn es sie gibt, kann nur in der Verfügung bestehen, zu reaffirmieren, indem man wählt. Man muß, das heißt: Man muß filtern, sieben, kritisieren, man muß aussuchen unter den verschiedenen Möglichkeiten, die derselben Verfügung innewohnen. Die ihr auf widersprüchliche Weise innewohnen, um ein Geheimnis herum. Wenn die Lesbarkeit eines Vermächtnisses einfach gegeben wäre, natürlich, transparent, eindeutig, wenn sie nicht nach Interpretation verlangen und diese gleichzeitig herausfordern würde, dann gäbe es niemals etwas zu erben. Man würde vom Vermächtnis affiziert wie von einer Ursache – natürlich oder genetisch. Man erbt immer ein Geheimnis – ›Lies mich!‹ sagt es, ›Wirst du jemals dazu imstande sein?‹ Die kritische Wahl, nach der jede Reaffirmation des Erbes verlangt, ist gleichzeitig, wie das Gedächtnis selbst, die Bedingung der Endlichkeit. Das Unendliche erbt nicht, und es vererbt sich nicht. Die Verfügung selbst (wähle und entscheide in dem, was du erbst, fordert sie stets) kann nur eins sein, indem sie sich teilt, sich zerreißt, sich in sich selbst differenziert und aufschiebt (se différant elle‐même), indem sie gleichzeitig mehrfach spricht – und mit mehreren Stimmen.« (Derrida 2014b: 32f.) Die Auseinandersetzung mit Konstitutionen und Adressierungen von und über Elternschaft, Ausformungen und Praxen von Geschlecht können als eine Auseinan27 Eine Handlungsfähigkeit, die nicht unabhängig von Anderen (z.B. in Form von ›Personen‹) bzw. einem Anderen (z.B. einer Idee, einem Begehren) besteht, sondern immer nur in bedingter Weise zu denken ist. Butler argumentiert: »Wenn man diese Fragen [nach dem Verhältnis individueller und kollektiver Verantwortung – Anm. B.N.] stellt, behauptet man nicht, daß die Verhältnisse schuld sind und nicht mehr das Individuum. Sie dienen vielmehr dazu, die Beziehung zwischen Voraussetzungen und Handlungen neu zu durchdenken. Unsere Handlungen sind nicht selbsterzeugt, sondern bedingt. Einerseits wird auf uns eingewirkt, andererseits handeln wir, und unsere ›Verantwortung‹ liegt in der Verbindung zwischen den beiden.« (Butler 2012c: 33 – Herv. B.N.) 28 In Kapitel 4.3 wird zu sehen sein, wie weit bestimmte Wissensordnungen z.B. um ›Mutterliebe‹ und ›Vaterliebe‹ zurückreichen, um in aktualisierter Form wieder aufzutauchen.

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dersetzung mit den kulturellen Erbschaften gelesen werden, der sich nicht entzogen werden kann. Dieses Wählen, Filtern, Kritisieren eröffnet eine Bandbreite von Möglichkeiten, die diskursiv zirkulieren und besagten Prozess kontinuierlich antreiben. Erben ist damit kein einmaliger Akt, sondern eine zitatförmige Wiederholung und Bezugnahme und damit auch unmittelbar mit Fragen der Anerkennbarkeit verknüpft (Butler 1997: 22). Insofern übersteigt die Auseinandersetzungen mit Erbschaften und den konstitutiven Effekten auf und für bestimmte Subjekte eine subjektzentrierte Perspektivierung. Vielmehr sind hierbei alle Ebenen untrennbar miteinander verwoben, die an besagten Konstitutionsprozessen beteiligt sind.29 Sowohl die ›Individuen‹30 , die vereinzelnde Subjektpositionen besetzen, setzen sich vor dem Hintergrund eines je spezifischen gesellschaftlich‐historischen Kontextes mit diesen Erbschaften auseinander, durch welche sie gleichzeitig bedingt sind als auch entsprechende Auseinandersetzungen auf Meso- und Makroebene stattfinden. Exemplarisch zeigt sich dies hinsichtlich der diskursiven Materialisierung im Rahmen bestimmter Institutionen oder diverser Gesetze (bzw. deren Reformierung und Novellierung). Auf diese Weise lässt sich keines dieser ›Elemente‹ als konstitutives ›Letztelement‹ (Stäheli 2000b: 9) bestimmen, sondern nur über den Verweisungscharakter innerhalb dieses konstitutiven Gefüges. Die große Bandbreite, die sich aus dem Prozess des Erbens im Hinblick auf Konstitutionen von Elternschaft bzw. elterlicher Praxis ergibt, lässt sich innerhalb des untersuchten Materials verdeutlichen. Das von Derrida beschriebene »gleichzeitige, mehrfache Sprechen« mit »mehreren Stimmen« der Verfügung unterstreicht jene Heterogenität sowie die Uneinheitlichkeit ebenjener »sprechenden Stimmen«. Es verweist auf das kontinuierliche diskursive Ringen um bestimmte Positionen, die einer ständiger Wiederholung bedürfen und fortlaufend verschoben werden: »Das Erbe ist niemals ein Gegebenes, es ist immer eine Aufgabe. Sie bleibt vor uns, ebenso unbestreitbar wie wir, noch bevor wir es antreten oder ablehnen, die Erben sind, und zwar trauernde Erben, wie alle Erben. […] Wir sind Erben – 29 Entsprechende Auseinandersetzungen finden auf allen Ebenen statt (die soziologisch häufig in mikro, meso und makro unterschieden werden und dabei untrennbar miteinander verwoben sind). Dies zeigt sich auch in Foucaults Dispositivbegriff: »Sie [die Einheit des Dispositivs] funktioniert in den einfachen und endlos wiederholten Räderwerken des Gesetzes, des Verbotes und der Zensur: vom Staat bis zur Familie, vom Fürsten bis zum Vater, vom hohen Gericht bis zum Kleingeld der alltäglichen Strafen, von den Instanzen der gesellschaftlichen Herrschaft bis zu den konstitutiven Strukturen des Subjektes selber – auf allen Ebenen immer wieder eine allgemeine Machtform. Diese Form ist das Recht – mit dem Spiel des Erlaubten und des Verbotenen, der Überschreitung und der Züchtigung.« (Foucault 2014a: 86) 30 Wobei an dieser Stelle mit ›Individuum‹ die einzelne Person gemeint ist. Die einfachen Anführungszeichen weisen auf eine Mehrdeutigkeit hin, da ›Individuum‹, ›Individuierung‹ oder auch ›Individualisierung‹ selbst als Form(en) der Subjektivation gesehen werden können.

3 Method(olog)ische Konsequenzen

daß soll nicht sagen, daß wir dies oder das haben oder bekommen, daß irgendeine Erbschaft uns eines Tages um dies oder das bereichern wird, sondern das Sein dessen, was wir sind, in erster Linie Erbschaft ist, ob wir es wollen und wissen oder nicht.« (Derrida 2014b: 81) Deshalb kommt den Voraus-Setzungen und ihren Effekten, sei es auf bestimmte Konstitutionen des Materials oder allgemeiner von Elternschaft, eine wesentliche Bedeutung zu. Hierbei interessiert vor allem, wie, d.h., vor welchen Folien Elternschaft auf welchen Grundlagen re-/produziert wird und ob bzw. wie im Rahmen der Elternzeit bestimmte Verschiebungen möglich werden. Damit geht jedoch kein Abschluss einher, denn der Prozess der Subjektivation – als kontinuierlich konstitutiver – verlangt damit auch eine Auseinandersetzung mit den sich verschiebenden Subjektpositionen, Zielen, Bedarfen sowie der Modi der Begründen. Diese Aufgabe bezieht sich, wie Derrida schreibt (ebd.), dann nicht nur auf etwas ›Vergangenes‹, auf ein »seit …« oder ein »von her …«, sondern in seiner Unabgeschlossenheit auch auf etwas Zukünftiges, das räumlich wie zeitlich vor uns liegt: »Von der Zukunft her also, aus der Vergangenheit als absoluter Zukunft, vom Nicht-Wissen und Nicht-Eingetretenen eines Ereignisses her, dessen, was zu sein (to be): zu tun und zu entscheiden bleibt […].« (Ebd.: 33) Diese Perspektive Derridas unterstreicht auch – im Kontext eines sehr weiten Textbegriffs31 –, dass ein Text nicht einen Ursprung oder eine Wurzel hat. Der Text erscheint hier als ein System von Wurzeln: und zwar in der Form, dass es zugleich den Begriff des Systems und der Wurzel streicht (Kofman 2012: 45; Derrida 2013: 179). In diesem Sinne verweist Derrida auch darauf, dass ein Text immer mehrere Lebensalter habe (ebd.). Das Erbe, z.B. im Hinblick auf die Frage nach dem Werden von Elternschaft, verweist damit auf eine heterogene Strukturierung verschiedener Zeitalter. So arbeitet die Historikerin Claudia Opitz (2002) heraus, wie Diskurse um Mutter- und Vaterliebe nicht nur Produkte ›ihrer‹ Zeit sind, sondern auch mit medientechnischen Verbreitungsmöglichkeiten in Verbindung stehen (ebd.:). Gleichzeitig wird durch Opitz Text darüber hinaus deutlich, wie bzw. dass viele Spuren der geschlechtlichen Adressierungen und Anrufungen an Mütter und Väter bzw. Eltern Effekte zeitigen bzw. diskursiv zirkulieren, weshalb Subjektivationsprozesse in ihrer Historizität in den Blick zu nehmen sind. Damit begründet sich die Frage, wie Prozesse der Subjektivation in einem bestimmten historischen Zeitraum ›Eltern‹ zu etwas werden lassen, als das sie letzt31 Siehe Kapitel 2 bzw. auch ausführlich Engelmann 1990: 20ff.; Bennington/Derrida 1994: z.B. 57; Thiel 1997; Kofman 2012.

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lich in Erscheinung treten bzw. als was sie haben in Erscheinung treten können.32 Insofern scheint auch die Frage danach, wie und in welchen Formen Elternschaft möglich sein kann (und sein soll), als eine stets vor uns liegende Aufgabe, deren Beantwortung wir uns immer wieder widmen müssen, da sie nicht nur auf politischer, sondern auch auf wissenschaftlicher Ebene immer wieder neu zu verhandeln sein wird. Die Unabgeschlossenheit dieses Erbes bzw. dieser Aufgabe betrifft damit auch das Thema von Verschiebungen und Widerständigkeiten. Bröckling und Krasmann konstatieren mit Bezug auf den Umgang mit Widerstand und Kritik im Rahmen der Studies of Gouvernementality: »Nicht nur die gouvernementalen Programme, sondern auch die widerständigen Praktiken wären daraufhin zu befragen, wie sie die Probleme bestimmen, auf die sie antworten, mit welchen Subjektpositionen und Subjektivierungsmodi sie operieren, welcher Interventionsformen sie sich bedienen und welche Plausibilisierungsstrategien sie einsetzen, um diese zu begründen, schließlich welche Verheißungen sie daran knüpfen und welche Ziele sie damit zu erreichen hoffen.« (Bröckling/Krasmann 2010: 37) So erscheint in der Auseinandersetzung mit dem Werden bestimmten elterlichen Subjektivitäten zwar durchaus interessant, wie, d.h. über welche Modi bestimmte Elternsubjekte hervorgebracht werden, wie diese Prozesse begründet werden und welche Ziele an diese geknüpft werden. Dennoch darf an dieser Stelle auch bei den Verschiebungen – z.B. in Richtung des Begriffs Elter im Kontrast zu ›klassischen‹ Formen von Mutter und Vater – nicht halt gemacht werden. Auch diese Verschiebungen folgen, wie Bröckling und Krasmann hervorheben, bestimmten Plausibilisierungsstrategien, Zielen, Verheißungen etc., die es hinsichtlich ihrer Effekte und Möglichkeitsräume in den Blick zu nehmen und in Relation zu jenem Dispositiv Elternschaft zu setzen gilt. Hierdurch wird verständlich, weshalb jenes Erbe, von dem Derrida spricht, nie ein Gegebenes ist, sondern eine Aufgabe, ein aktives Prozessieren, das auch den Bereich der Wissenschaft(ler*innen) miteinschließt. Aufgrund dessen darf das Feld der Wissenschaft nicht außerhalb des Prozesses des Beerbens verortet werden, da auch der Forschungsprozess wie das daraus resultierende Material immer innerhalb eines spezifischen wissenschaftshistorischen Kontextes situiert ist. Es wurde bereits deutlich, wie sich über epistemische Brüche der Blick und das Wissen über einen Gegenstand(sbereich) verschieben kann, dass (und wie) mit bestimmten Begriffen gearbeitet wird und wie diese 32 So stellt sich die Frage nach Elternschaft(en) und Familienformen von heteronormativen Figurationen abweichenden Formen vor allem dann, wenn jene alternierenden Figurationen zum Möglichkeitsraum des Sichtbaren und Sagbaren gehören.

3 Method(olog)ische Konsequenzen

konstituierenden Perspektiven das zugrunde liegende Material letztlich in spezifischer Weise entstehen lassen. Dies zeigt auch, dass jene Begriffe selbst ein Eigenleben führen sowie darauf hinweisen, dass auch ›Empirie‹ nicht außerhalb des Forschungsprozesses und seiner Apparate und Techniken erscheinen kann, diesen jedoch auch in widerständiger Weise irritieren, herausfordern oder unterlaufen kann. Die Situierung der Forschenden, die Effekte der Disziplinen, ›Schulen‹ und Epochen, in deren Kontext sie entstehen, können als Erbe begriffen werden, wie es soeben in einem gesellschaftlich‐kulturellen Zusammenhang skizziert wurde. Die Thematisierung dieser Produktivität verschiebt die Grundlage, auf der die Forschungspraxis abläuft, da sie die grundlegende Bedingtheit der Forschenden, des empirischen Materials und der Ergebnisse betont und dadurch sichtbar macht, dass diese grundsätzlich kontingent sind. Diese Sichtbarmachung eröffnet – in Relation zum Begriff des Erbes – auch die Möglichkeit, sich kritisch zu bestimmten, vermeintlich ›gesicherten‹ Erkenntnissen zu positionieren, und gibt dadurch Raum, darüber nachzudenken (zu handeln), wie mit eben jenem disziplinären Erbe umzugehen ist, wie bestimmte Begriffe, Perspektiven, Theorien etc. herauszufordern, zu irritieren und ggf. umzuschreiben sind, damit Raum für andere Begriffe und anderen Begreifungen, d.h. für andere Näherungen an (soziale) Phänomene entstehen (können). Insofern stimme ich Heinz-Jürgen Voß zu, dass es vor allem (auch) darum geht »[…] sich und die eigenen Veröffentlichungen immer wieder neu zu befragen und herauszufordern. Mit solch einem stets ›neuen Sehen‹ im Ringen mit verschiedenen Positionen können auch – an den verschiedensten Ausarbeitungen und Betrachtungsweisen informierte – neue wissenschaftliche Sichtweisen aufkommen, die beispielsweise für ›Geschlecht‹ durch das aktuelle stete Erleben zweier Geschlechter in der Bundesrepublik Deutschland schier unmöglich schienen.« (Voß 2011a: 50) Dies meint nicht nur einen aktiven Umgang mit jenem Erbe, sei es nun wissenschaftlich oder gesellschaftlich gesehen, sondern verdeutlicht auch, dass es im Rahmen des Forschungsprozesses durchaus produktiv sein kann, den Versuch zu unternehmen, sich bestimmten ›Tradierungen‹ zu entziehen bzw. diese in kritischer Weise anders zu befragen. In der Problematisierung und Destabilisierung jener Ordnungssysteme besteht letztlich auch Potenzial für ›anderes‹, indem, wie Bröckling et al. (2015: 16) schreiben, ggf. marginalisierte Konzepte fokussiert werden, ihr Status neu bewertet wird oder vertraute Konzepte neu gedacht werden können. Rainer Diaz-Bone (1999: 127) argumentiert, dass erst die Entwicklung einer theoriegestützten Reflexionsebene, die während des gesamten Forschungsprozesses mitgeführt werde, eine Kontrolle »zwischen den eingebrachten und notwendigen Konstruktionsakten einerseits und Artefakten andererseits unterscheiden kann«. Eine performativitätstheoretische Perspektive kann dies leisten, da sie

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Die Regierung der Elternzeit

sowohl die Konstitutionsprozesse des verwendeten Materials als auch die damit entstehenden Subjektivitäten in den Blick nehmen kann. Die Fassung von Elternschaft als Dispositiv, die hier im Kontext der Elternzeitnahme von Vätern erfolgt und das Werden von Eltern in einem weiteren Sinne befragt, versucht diesbezüglich durch das Zusammendenken verschiedener Bezüge – hier der Figur des Dispositivs, einer biopolitisch‐gouvernementalen Lesart nach Foucault sowie einer prozesshaft‐performativen Hervorbringung von Geschlecht im Sinne Butlers –, dem Thema selbst sowie anderen Forschungen zu Vätern, Müttern, Eltern, Familie etc. Impulse zu geben, die einen Raum eröffnen sollen, um sowohl die losen Enden dieser Arbeit aufzugreifen als auch ggf. mit einem anderen Blick auf bestehende Aspekte zu blicken.

3.3

Praktische Erwägungen und Umsetzung

Nachfolgend wird dargestellt, wie das diese Arbeit stützende Material entstanden ist. Diese Auseinandersetzung ist instruktiv, da einerseits der Entstehungsprozess des Materials verdeutlicht wird, andererseits diskutiert werden soll, wie auch der Forschungsprozess in subjektivierender Weise performativ tätig ist. Dies betrifft nicht nur das gewordene Material als Effekt des Forschens, sondern auch die mit diesem Prozessieren verbundene Entstehung der forschenden wie beforschten Subjekte selbst.33 Infolgedessen stellt die nachfolgende Darstellung des praktischen Vorgehens des Forschungsprojekts zu »Väter[n] in Elternzeit« vor allem einen Überblick dar, der die wichtigsten Aspekte hinsichtlich der Genese des Materials illustriert. Hauptaugenmerk bzw. Schwerpunkt dieser Darstellung bleibt jedoch die Beschreibung der Analysestrategie der vorliegenden Arbeit, obwohl das Forschungsprojekt sowie das Dissertationsprojekt durch wichtige Gemeinsamkeiten wie das Interviewmaterial getragen werden.34 Neben einer grundsätzlichen Diskussion der Performativität des Forschungsprozesses werden insbesondere die Techniken des Interviewleitfadens sowie des Interviews selbst vertiefend diskutiert. In diesem Sinne teile ich Rainer Diaz-Bones Aufforderung, die sozialwissenschaftlichen Instrumente selbst kritisch zu befragen: 33 In dieser Hinsicht knüpft die vorliegende Arbeit auch an Diskussionen zu Performativität innerhalb der Sozialwissenschaften an (siehe z.B. Denzin 2001; Wirth 2002; Jones et al. 2008; Gergen/Gergen 2011; Diaz-Bone 2014; 2017). 34 Ausführlichere Darstellungen des methodischen Vorgehens des Forschungsprojekts selbst finden sich bspw. in Neumann/Meuser 2017; Aunkofer/Meuser/Neumann 2018. Auch variieren Forschungsfrage und Analyseperspektive zwischen dem Forschungsprojekt und dem vorliegenden Dissertationsprojekt.

3 Method(olog)ische Konsequenzen

»Dies einmal daraufhin, wie in diese Instrumente sozialwissenschaftliche Theorien eingehen und wie die Instrumente damit zu wissenschaftlichen Vorkonstruktionen für die mit ihnen dann bewerkstelligte Forschungspraxis werden; dann zum anderen daraufhin, wie sich diese Instrumente als Vorkonstruktionen performativ auf die Datenkonstruktion und die Wissensorganisation sowie Wissenspräsentation auswirken. Denn statistische Verfahren, Softwareprogramme, Klassifikationen, Fragebögen, Leitfäden und andere Instrumente sind epistemologisch nicht neutral.« (Diaz-Bones 2014: 109 – Kursivierung B.N.) Eine erste Auseinandersetzung erfolgte in diesem Sinne bereits innerhalb des Abschnitts zu Gender als epistemischem Ding in Anschluss an die Ausführungen von Rheinberger und Deuber-Mankowsky und soll nun noch konkreter auf die Entstehung des Materials bezogen werden.

3.3.1

Das Forschungsprojekt Väter in Elternzeit

Ein wesentlicher Teil des verwendeten Materials entstand im Rahmen des Forschungsprojekts Väter in Elternzeit. Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse zwischen Paarbeziehung und Betrieb35 , das eine Rekonstruktion von Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen der befragten Paare und deren Entscheidungsfindungsprozessen für eine paternale Elternzeitnahme zum Ziel hatte. Maßgebende Fragen der Studie waren hierbei: Warum nehmen Väter Elternzeit?, Wie entscheiden Paare, wer wie lange Elternzeit nimmt?, und: Welche Faktoren in den Betrieben erleichtern es Vätern, Elternzeit zu nehmen – und welche erschweren dies? bzw. auch: Welche Rolle spielen Vorstellungen von Vaterschaft, Mutterschaft und Geschlecht hierbei? Diese Fragen resultierten u.a. aus dem Rückbezug auf bereits vorliegende themenbezogene Studien des Themenfeldes Väter und Elternzeiten, die Fragen nach förderlichen wie hinderlichen Einflussfaktoren stellen (u.a. Vogt 2010; Trappe 2013a; 2013b; 2013c), die sich mit der Entwicklung von Vätertypologien und Elternzeitmodellen befassten (z.B. Ehnis 2009; Pfahl/Reuyß 2010; Richter 2011) oder betriebliche Schwierigkeiten sowie Anreize zur Förderung paternaler Elternzeit (u.a. Pfahl/Reuß 2009; Possinger 2010; Pfahl/Reuyß/Hundt 2015; Possinger 2015) in den Blick nahmen (vgl. auch Kapitel 1). In diesem Kontext wird bzw. wurde bereits das Phänomen von Vätern, die in Elternzeit gehen, als untersuchungswürdiges Forschungsthema ausgemacht und gleichzeitig auch in seiner Relevanz (mit-)hervorgebracht. Dies setzt eine Besonderheit des Phänomens, mit der dieses aus einer bestimmten Selbstverständlichkeit herausgehoben wird. Indem Väter in Elternzeit als untersuchungswürdiges bzw. -bedürftiges Phänomen 35 Das Projekt wurde im Rahmen der Universitätsallianz Ruhr vom Mercator Research Center Ruhr von Februar 2014 bis Januar 2017 gefördert. An dem Projekt beteiligt waren: Stefanie Aunkofer, Ilse Lenz, Michael Meuser, Benjamin Neumann, Katja Sabisch und Christine Wimbauer.

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Die Regierung der Elternzeit

ausgemacht werden, wird jenes Engagement auch gleichzeitig zu etwas ›Besonderem‹, was es jedoch nicht per se ist bzw. sein muss. Das heißt auch, dass durch die thematische Setzung als untersuchungswürdiges Phänomen die Praxis von Vätern zu etwas Besonderem, Außeralltäglichem, von der Norm abweichendem hervorgehoben wird – was zumindest dem normativen Anspruch nach Selbstverständlichkeit in diesem Sinne zuwider läuft. Auf diese Weise vollzieht sich die deskriptiv vorfindbare ›Realität‹, d.h., dass Väter selten(er) in Elternzeit gehen bzw. nie ohne entsprechende Übersetzungsleistungen. Insofern ist die Sichtbarkeit bestimmter Realitäten durchaus keine eindeutige Angelegenheit, wenn bspw. bestimmte Väter ›elternzeitartige‹ Strategien zur Umsetzung ihrer Fürsorgetätigkeiten nutzen, ohne dass diese in die amtliche Statistik eingehen oder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich sind. So verwenden einige Väter u.a. ihren Jahresurlaub nicht nur innerhalb des elternzeitlichen Kontextes, sondern zum Teil auch alternierend zur Elternzeit. Dies kann auch der Fall sein, wenn es sich um Regelungen ›unter der Hand‹ handelt, die weder das Kollegium wissen noch offiziell sichtbar werden sollen.36 Dadurch wird jedoch mindestens durch die Aufmerksamkeit auf das Phänomen und seine Bearbeitung eine Besonderung (mit-)getragen. Im Hinblick auf die Fragen des Projekts schlossen zunächst auch Fragen nach der zu befragenden Zielgruppe an, d.h. wer konkret in die Auswahl der zu Befragenden ein-/ausgeschlossen werden soll. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurde dabei nach Paaren gesucht, bei denen die Väter entweder in Elternzeit waren oder noch in Elternzeit sind, die entweder einem akademischen oder nicht‐akademischen Milieu zugeordnet werden konnten und die aus den Metropolregionen Ruhr (Nordrhein-Westfalen) bzw. Nürnberg-Fürth-Erlangen (Franken/Bayern) stammten. Dadurch sollen Fragen des Projekts auch im Hinblick auf regionale Unterschiede untersucht werden. Andere potenziell (auch) interessierte Paare, bei denen die Väter bspw. arbeitslos oder freiberuflich tätig waren, wurden nicht aufgenommen.37 Dabei wird deutlich, dass diesbezüglich auch eine sozialstrukturell ausgerichtete Homogenisierung des Samples stattfindet, die sich innerhalb der 36 Dass entsprechende Elternzeitregelungen in manchen Unternehmen eher ›inoffiziell‹ oder ›unter der Hand‹ ablaufen sollen, lässt sich anhand von folgendem Interviewauszug des Paares Buchholz illustrieren: »Dann war ich dann ja bei meinem Vorgesetzten hab dem das nochmal erläutert und der hat jetzt halt gesagt ja inoffiziell aufm kleinen Dienstweg wo kein Kläger da kein Richter […]. Aber es darf halt kein anderer mitbekommen […]. Weil die ja da Angst haben dass dann halt andere auch ankommen.« 37 Dies gilt bspw. auch für einen, im Rahmen dieser Arbeit durchaus interessanten Vergleich zwischen West- und Ostdeutschland bspw. die elterlichen Praxen und Elternschaft betreffend, jedoch auch hinsichtlich eines Vergleichs der gouvernemental‐biopolitischen Settings von BRD und DDR in diesem Kontext. Da im Rahmen der Studie Väter in Elternzeit keine Paare aus den ›neuen‹ Bundesländern aufgenommen wurden, wird hier auch auf entsprechende Vergleiche verzichtet.

3 Method(olog)ische Konsequenzen

Elterngeld/-zeitnorm bewegt. All jene Elternteile (in diesem Falle vor allem Väter), die sich umfänglich um die Sorge des Kindes kümmern, werden dann nicht von der Norm und der Homogenisierung des Samplingprozesses erfasst, wenn sie sich gegen eine angemeldete Elternzeitnahme entscheiden und dies mit der ohnehin zur Verfügung stehenden Zeit aufgrund von Erwerbslosigkeit, freiberuflicher/selbstständiger Tätigkeiten oder sonstiger Regelungen erklären. Diese Fälle väterlichen Engagements gehen auf diese Weise nicht in die durch Statistik produzierte ›Evidenz‹ des statistischen Bundesamtes (oder anderer quantitativer Erhebungen) wie auch in qualitativ ausgerichtete Forschungsprozesse und deren Ergebnisse ein (vgl. auch Neumann 2016c: 15). Obwohl diese Auswahlprozesse vielfältigen Diskussionen und Reflexionen unterliegen und sie in dieser Hinsicht gut begründet sind, wird doch ersichtlich, wie diese Ein- und Ausschlussverfahren – so begründet sie sein mögen – konstitutiv für das zustande kommende Material sind. Weiterhin wird deutlich, wie über diese produktiven Prozesse spezifische Un-/Sichtbarkeitsordnungen hervorgebracht werden, die das empirische Material mitsamt des zugehörigen Möglichkeitsraums strukturieren. Durch die Homogenisierung wird darüber hinaus eine spezifische Auswahl vorgenommen, die der Vorstellung der ›Objektivität‹ und ›Vergleichbarkeit‹ folgt, da unterstellt wird, dass jene Paarkontexte durch ›gleiche‹ soziodemographische Kontexte vergleichbarer sind bzw. werden. Denn es ist keineswegs klar bzw. eindeutig, ab wann dieser Prozess des Vergleichbarmachens zu beenden ist. In jedem Fall entsteht über eine bestimmte Zuordnung und einer unterstellter Nähe der zu vergleichenden Paarkontexte, die häufig implizit bleibt und nicht weiter reflektiert wird, obwohl gerade jene (Zu-)Ordnungsmuster im Rahmen dieser Entstehungsprozesse konstitutiv für ihre Subjekte sind, ebenjene Ähnlichkeit bzw. Vergleichbarkeit. Die diesen Prozessen zugrunde liegenden ›Selbstverständlichkeiten‹, die häufig an etablierte Prozeduren des Wissens und Forschens geknüpft sind, sind darüber hinaus wiederum selbst an bestimmte Forschungsperspektiven, -logiken und Evidenzen rückgebunden die diese selbst bedingen. Auf diesen Umstand weist Foucault in Die Ordnung der Dinge hin, wenn er fragt: »Wenn wir eine reflektierte Klassifizierung einführen, wenn wir sagen, daß die Katze und der Hund sich weniger ähneln als zwei Windhunde, selbst wenn diese beiden gezähmt oder einbalsamiert sind, selbst wenn sie beide wie Irre laufen und wenn sie gerade einen Krug zerbrochen haben, von welchem Boden aus können wir es mit aller Gewißheit feststellen? Auf welchem ›Tisch‹, gemäß welchem Raum an Identitäten, Ähnlichkeiten, Analogien haben wir die Gewohnheit gewonnen, so viele verschiedene und ähnliche Dinge einzuteilen? […] Nichts ist tastender, nichts ist empirischer (wenigstens dem Anschein nach) als die Einrichtung einer Ordnung unter den Dingen.« (Foucault 2012a: 21f.)

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Die Regierung der Elternzeit

Mit den vorgenommenen Ein- und Zuordnungen wird nicht nur lediglich ein bestimmtes Phänomen beschrieben oder abgebildet, sondern in grundlegender Weise (mit-)begründet – und zwar im Doppelsinn des Begriffes: zum einen dahingehend, dass die Auseinandersetzung mit dem Phänomen ›Elternzeit durch Väter‹ begründet und erklärt bzw. in bereits bestehende Forschungskontexte rückgebunden werden muss; zum anderen, indem das Phänomen in spezifischer Weise (mit-)begründet wird. Um Paare und Expert*innen für die Interviews zu finden, wurde zum einen über Kontaktgesuche zu Kindertageseinrichtungen (Kindergärten, Tagesmütter, Krippen etc.) nach Multiplikator*innen gesucht. Die Einrichtungen wurden gebeten, entsprechendes Informationsmaterial (Poster und Flyer) auszulegen bzw. aufzuhängen. In diesem Rahmen wurde zu rund 300 Einrichtungen im Ruhrgebiet und Mittelfranken Kontakt aufgenommen. Die Resonanz auf die einzelnen Anfragen verlief dabei höchst unterschiedlich, fiel jedoch insgesamt recht gering aus. Schätzungsweise 10-15 Prozent der Einrichtungen meldeten sich auf die Anfrage zurück, wobei hiervon nicht alle bereit waren, das Forschungsvorhaben zu unterstützen. Erfolgreicher verlief die Suche nach Paaren über das sogenannte ›Schneeballprinzip‹, das diverse Freundes- und Bekanntenkreise bzw. Netzwerke sowohl privater als auch beruflicher Art umfasste. Über diesen Zugang war es deutlich einfacher, entsprechende Kontakte zu knüpfen bzw. vermittelt zu bekommen. Auch die Paare selbst boten teilweise an, Kontakte in deren Bekannten- und Freundeskreisen zu vermitteln oder Informationsmaterial zu verteilen. Im Falle der Expert*inneninterviews erfolgte die Suche nach möglichen Gesprächspartner*innen vor allem über bestimmte Firmennetzwerke oder Kontaktanfragen bei ausgewählten Unternehmen der beiden Regionen. Auch hier erleichterten persönliche Kontakte die Gesprächsbereitschaft erheblich. Neben Aspekten wie der nicht unbedingt gegebenen Anonymität der hierüber akquirierten Paare erscheint auch eine mögliche Engführung durch den Bezug auf die jeweiligen persönlichen Netzwerke möglich, was hinsichtlich des produzierten Materials erneut Einschränkungen sowie Homogenisierungen bedeuten kann. Abgesehen von der grundlegenden erzeugenden Identifikation eines Phänomens als untersuchungswürdiges bzw. -nötiges Phänomen werden bereits zu diesem Zeitpunkt entsprechende Subjektbildungen vorgenommen: zum einen in theoretischer Hinsicht bzgl. der Fragen wer, d.h. welcher Jemand befragt werden soll und welche Charakteristika dieser*diese aufweisen soll(en). Zum anderen dann jedoch auch durch die konkrete Adressierung als ein Jemand – z.B. als ›Vater‹ in Elternzeit bzw. als ›aktiver‹ oder ›neuer‹ Vater. In diesem Sinne zeigt sich auch, wie jene Selbst- und Fremdkonstitutionen zusammenfallen können, wenn sich jene Subjekte im Sinne der Althusser’schen Anrufung durch die Adressierung im Kontext der Akquise von Interviewpartner*innen angesprochen fühlen und sich damit der subjektivierenden Macht jener Adressierung unterwerfen, indem sie

3 Method(olog)ische Konsequenzen

entsprechenden Anfragen nachkommen (vgl. ausführlich z.B. Butler u.a. 2013b: 44ff.; 2013c: 101ff.). In Bezug auf die Verfahrensweise der Untersuchung der Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse des Forschungsprojekts stellte sich auch die Frage, ob Einzel- oder Paarinterviews zu führen wären bzw. ob eine Mischform aus beidem zu bevorzugen sei.38 Im Rahmen des Projekts wurden dabei ausschließlich Paarinterviews geführt, d.h. ein Gespräch mit beiden Partner*innen anstatt zweier Einzelinterviews oder einer Kombination aus Einzel- und Paarinterview.39 Das biographisch‐narrative Paarinterview sollte hierbei die Möglichkeit bieten, nicht nur spezifisch gelagerte Informationen des jeweiligen Themas von den Befragten zu erhalten, sondern auch in den Blick zu nehmen, wer in welcher Form welche Themenbereiche besetzt oder in welcher Weise beide Partner die gemeinsam in der Gesprächssituation zu entwickelnde (Paar-)Narration erzählen. Darüber hinaus sollten durch die gemeinsame Befragung nicht nur mögliche Aushandlungsprozesse hinsichtlich des Themas der Elternzeit erfragt werden, sondern auch sichtbar werden, ob eine Narration konsensual oder konfliktreich hervorgebracht wird. Zwar stehen im Rahmen dieser Arbeit weder die einzelnen ›Fälle‹, Paare oder Einzelpersonen im Fokus, dennoch erscheint eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Modi, in dem bestimmte thematische Besetzungen erfolgen, wesentlich. Insofern wird hierbei weniger relevant, ob bzw. was Paar X konkret denkt, sondern bspw. bedeutsamer, dass die Besetzung bestimmter Themenbereiche sich als ein bestimmtes Ordnungsmuster abzeichnet, welches gleichzeitig an diverse Begründungslogiken bzw. Rationalitäten geknüpft ist. Das heißt, es geht dabei in erster Linie um die Systematik, in welche die Aussagen eingebunden sind, wenngleich diese anhand von konkreten Beispielen des Untersuchungsmaterials illustriert werden. Die Subjekte werden insofern nicht als Ursprung der Diskurse, sondern als Träger von Diskursen gesehen.

38 Da sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit insbesondere auf das Material der Paarinterviews bezogen wird, findet diesbezüglich keine gesonderte Auseinandersetzung mit der Vorgehensweise im Rahmen der Expert*inneninterviews statt. Diesbezüglich verweise ich auf entsprechende Darstellungen, die andernorts geführt wurden z.B. Neumann 2016b; Neumann/Meuser 2017. 39 Siehe zu den Standards qualitativer Sozialforschung ausführlicher z.B. Kvale 2007; Hermanns 2012; Hopf 2012; Misoch 2015. Da für die vorliegende Forschungsfrage eine Auseinandersetzung mit den Techniken des Leitfadens und des Interviews von großem Interesse zu sein scheint, setze ich die Kenntnis entsprechender Verfahren qualitativen Forschens voraus. Grundlegend zum Thema der Paarinterviews bzw. zu den im Rahmen qualitativer Sozialforschung diskutierten Vor- und Nachteilen solcher Interviewverfahren z.B. Christine Wimbauer und Mona Motakef (2017a; 2017b).

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3.3.2

Der Leitfaden als diskursiver Kristallisationspunkt

Die zu führenden Interviews wurden dabei durch einen thematisch zugeschnittenen Leitfaden strukturiert, der einerseits bestimmte – als relevant erachtete – Bereiche wie den beruflichen Werdegang, die Umsetzung der Elternzeit innerhalb des Betriebs, der Elternzeit als solche, aber auch die Arbeitsteilung bzgl. Haushalt und Kinderbetreuung, die Vorstellungen über Mutter- und Vaterschaft, Männlichkeit/Weiblichkeit, der Paarbeziehung an sich oder auch Fragen zum jeweiligen persönlichen Nahbereich und zu sozialstaatlichen Leistungen enthielt. Obwohl dadurch eine inhaltliche Fokussierung vorgegeben wird, werden die einzelnen Bereiche durch eine narrative Einstiegsfrage eingeführt, die vor allem eine erzählgenerierende Funktion besitzen soll. Dadurch soll vermieden werden, dass die Relevanzsetzungen der Befragten von Seiten der Forschenden beeinflusst werden, so dass im Sinne einer rekonstruktiven Forschungslogik insbesondere die Setzungen der Paare in den Blick genommen werden können. Durch die strukturierende Funktion fungiert der Leitfaden als eine aktive, produktive Technik, die gebündelte, spezifische Ordnungsmuster produziert und befragt und damit keineswegs als neutral anzusehen ist. In diesem Sinne konstatiert Rheinberger in Anschluss an Bachelard: »Der Apparat ist nicht ein passives Gerät, das zwischen einen Cartesischen Geist und die Welt gestellt wird, um die Unterscheidungsfähigkeit des Erkennenden zu schärfen. Das Instrument repräsentiert zu jedem gegebenen Zeitpunkt in materieller Verdrahtung einen Korpus von Wissen. Das Phänomen wird als Effekt an seinem Horizont hervorgerufen und mag neue Begriffe erfordern, um es verfügbar zu machen. Phänomen und Instrument, Objekt und Erfahrung, Begriff und Methode, sie alle sind sich gegenseitig stützende Bestandteile eines Prozesses wechselseitiger Instruktion.« (Rheinberger 2004: 304) Auch mit Diaz-Bone wurde bereits darauf verwiesen, dass »statistische Verfahren, Softwareprogramme, Klassifikationen, Fragebögen, Leitfäden und andere Instrumente […] epistemologisch nicht neutral [sind]« (2014: 109 – Herv. B.N.). Über die Bestimmung thematisch relevanter wie mehr oder weniger irrelevanter, d.h. vor allem auch als ›verzichtbarer‹ zu behandelnder Inhalte wird eine inhaltliche Ordnung erzeugt, die Relevanzsetzungen der Forschenden enthält, in der nicht lediglich konsequenzenlos ›theoretisches Vorwissen‹ einfließt, sondern – im Gegenteil – gerade diese Rahmungen konstitutiv für den entstehbaren empirischen Möglichkeitsraum sind. Zwar ist damit nicht gesagt, dass im Rahmen des zu führenden Interviews nicht auch andere Themen oder Aspekte auftauchen können, die der Leitfaden nicht erfasst, dennoch gibt dieser eine entsprechende Stoßrichtung vor, die zum einen das zu beforschende Thema – und damit auch das soziale Phänomen selbst – auf konkrete Art umreist und herstellt, indem durch bestimm-

3 Method(olog)ische Konsequenzen

te Relevanzsetzungen eine konkrete Kontur entworfen wird. An dieser Stelle geht es nicht darum zu diskutieren, welche Themenkomplexe einbezogen bzw. nicht einbezogen werden hätten sollen, sondern darum, hervorzuheben, wie ebenjene Setzungen das zugrunde liegende Material im Rahmen des Forschungsprozesses formen und ggf. die Lesarten substanziell verändern können. In diesem Sinne erscheint der Leitfaden durchaus als ein machtvolles Scharnier bei der Erzeugung empirischer Beobachtungsmöglichkeiten. Die inhaltliche Ausgestaltung des Leitfadens illustriert darüber hinaus die Ausrichtung an bzw. nach den epistemischen Dingen Geschlecht und Elternschaft. Diese Komplexe sind dabei sowohl forschungsleitend wie konstitutiv: zum einen für die Entstehung des Untersuchungsmaterials, zum anderen jedoch auch für jene im Forschungs- und Interviewprozess entstehenden elterlichen Subjekte, die im Sinne der Anrufung/Adressierung als spezifische Eltern innerhalb des Prozesses zu diesen werden. Wenn man Elternschaft als epistemisches Ding mitsamt seiner Vagheit und Verschwommenheit begreift, in der gerade auch seine Produktivität, Zukunftsfähigkeit und Materialität liegen (Deuber-Mankowsky 2008b: 170), dann lässt sich in Bezug auf den Leitfaden sagen, dass dieser den Versuch unternimmt, eine diskursive Offenheit zu bewahren, obwohl er ausgewählte Diskursbündel bzgl. Elternschaft wie die Planungen und Aushandlungen zu Elternzeit(en), Aufgabenteilung von Haus- und Sorgetätigkeiten, Partnerschaft, Konzepte von Elternschaft und Geschlecht usw. in sich vereint und in eine (sozial-)wissenschaftliche Prozessionslogik übersetzt. Diesbezüglich werden dann die damit zu befragenden Subjekte nicht nur als solche hervorgebracht, sondern auch am Kontext der prozessierten Diskurse ausgerichtet, d.h., es findet nicht nur eine bloße inhaltliche Ausgestaltung eines Leitfadens statt, sondern darüber hinaus eine Wiederholung von Diskursen im Kontext Elternschaft, der sowohl Forschende wie Beforschte an diesem Rahmen ausrichtet. Der Leitfaden ist damit nicht lediglich eine nicht‐neutrale Technik innerhalb des Forschungsprozesses, sondern gleichzeitig ein aktiv‐produktiver, zeitlich situierter, thematisch ausgerichteter Knotenpunkt, in dem sich als ir-/relevant erachtete Diskurse um Elternschaft kreuzen. Diese Auseinandersetzung erscheint bezogen auf die Frage nach dem Werden von Eltern, insbesondere auch hinsichtlich der Frage nach situierenden Effekten jener kultureller Muster eine Rolle zu spielen: Wer kann in und durch welche Weise als Vater/Mutter/Elter an-/erkennbar werden? Insbesondere auch deshalb, weil mit dem Fragebogen eine spezifische Anerkennungsordnung im Kontext situierten Wissens gestiftet wird, lässt sich, mit Butler allgemeiner gewendet, fragen, »wie bestehende Normen Anerkennung ab- und ausgrenzend zuweisen« (2010: 14). Wie tragen jene zitatförmigen Bezugnahmen auf Diskurse um Elternschaft und Geschlecht innerhalb des Forschungsprozesses dazu bei, dass forschende wie beforschte Subjekte auf diese Bezug nehmen müssen, um intelligibel zu sein? Butler verweist in grundsätzlicher Weise darauf: »Wie Normen der Anerkennbarkeit den

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Weg zur Anerkennung ebnen, so bedingen und erzeugen Schemata der Intelligibilität erst diese Normen der Anerkennbarkeit« (Ebd.) Dies verdeutlicht, wie jene ordnende Funktion des Fragebogens mit jenem ›Sichtbaren und Sagbaren‹ und damit mit Fragen nach Anerkennung und Anerkennbarkeit verschränkt ist. Weitere Fragen betreffen hierbei Veränderungen im Umgang mit Elternschaft und Geschlecht im Hinblick auf Irritationen, Brüche und Verschiebungen innerhalb des Forschungsprozesses, um dadurch andere Bezüge herzustellen.

3.3.3

Das Interview als Technik der Subjektivation

Da sich das Untersuchungsmaterial dieser Arbeit zu einem wesentlichen Teil auch aus den Interviews der Studie Väter in Elternzeit ergibt, erscheint eine Auseinandersetzung mit dem Themenbereich ›Interview‹ bedeutsam. Einerseits, weil durch diese Technik das Material auf spezifische Weise in einer artifiziellen (Ausnahme-)Situation hervorgebracht wird, andererseits, weil die Interviewsituation konstitutiv für die Erzeugung der durch sie entstehenden Subjekte ist – sowohl der Interviewten als auch der Interviewenden. Auch wenn es an dieser Stelle nicht darum gehen kann, eine Erörterung ›aller‹ Formen des qualitativ‐sozialwissenschaftlichen Interviews zu liefern, erscheint mir eine kritische Auseinandersetzungen mit bestimmten impliziten Setzungen dieser Forschungstechnik vor dem Hintergrund der zugrunde liegenden epistemisch‐methodologischen Ausrichtung erforderlich.40 Insbesondere aufgrund der in Kapitel 2 diskutierten Dezentrierung des Subjekts erscheint eine eingehendere Beschäftigung mit grundsätzlichen Gemeinsamkeiten verschiedener Interviewverfahren innerhalb der qualitativen Sozialforschung relevant. Folgende Fragen stehen dabei im Fokus: Welche expliziten wie impliziten Setzungen liegen der Technik des Interviews zugrunde? Lässt sich eine Perspektive, die von der Dezentrierung des Subjekts ausgeht, überhaupt mit Interviewverfahren der qualitativen Sozialforschung vereinbaren? Was kann aus einer performativitätstheoretischen Lesart der Technik des Interviews hinsichtlich des Materials als auch seiner Subjektivitäten folgen? Was kann das Interview sein, wenn es performativitätstheoretisch gewendet wird? Die dieser Arbeit zugrunde liegende dekonstruktive Perspektive scheint auf den ersten Blick schwer mit weitläufig geteilten Annahmen qualitativer Sozialforschung vereinbar. Da jedoch das Ausgangsmaterial insbesondere auch aus biographisch‐narrativen Paarinterviews besteht, kommt einer Auseinandersetzung hier40 Damit wird keine Homogenisierung verschiedenster Formen qualitativer Interviews angestrebt, da sich diese durch zum Teil große method(olog)ische Unterschiede auszeichnen (vgl. auch Bender 2010: 313). Vielmehr geht es darum, wesentliche Prozesse und Setzungen der Technik des Interviews zu reflektieren und auch zu problematisieren, da hierdurch ggf. neue Impulse für die Auseinandersetzung mit entsprechenden Verfahrensweisen provoziert werden können.

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mit eine entscheidende Rolle zu. Wie sich anhand der Ausführungen von Uwe Flick, Ernst von Kardorff und Ines Steinke (2012: 20f.) zusammenfassen lässt, stehen im Rahmen qualitativer Sozialforschung (a) die Fokussierung auf die Rekonstruktion subjektiver Sichtweisen und Deutungsmuster sozialer Akteure sowie (b) die Analyse von Kommunikations- und Interaktionsprozessen. Des Weiteren (c) die subjektive Deutung vermeintlich ›objektiver‹ Indikatoren wie Bildung, Beruf, Alter, Wohnsituation etc., die durch hermeneutische Interpretationsverfahren versucht, den subjektiven Sinn, »der im Rahmen eines vorgängigen, intuitiven alltagsweltlichen Vorverständnisses für jede Gesellschaft objektivierbarer und idealtypisch beschreibbarer Bedeutungen verstehbar wird und damit individuelle und kollektive Einstellungen und Handlungen erklärbar macht« bzw. machen soll und (d) dass Realität interaktiv hergestellt und subjektiv bedeutsam wird. Andere Teile qualitativer Sozialforschung interessieren sich noch stärker für kollektive Orientierungen sowie kollektive Deutungsmuster (vgl. z.B. auch die Ausführungen von Bohnsack 2010: 20ff.; Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014: 11ff.; Misoch 2015: 25ff.). Dadurch werden verschiedene Punkte deutlich: Zum einen stehen die handelnden Akteure, deren subjektive Sinnhorizonte erschlossen werden sollen, (häufig) im Zentrum des Forschungsinteresses. Zum anderen wird eine Subjekt-ObjektDialektik deutlich, wie sie auch häufig in der Trennung von Struktur und Handlung, Individuum und Gesellschaft usw. expliziert wird. Des Weiteren werden sowohl verschiedene Entitäten miteinander in Verbindung gesetzt, die kommunikativ‐interaktionistisch in die Konstruktion sozialer Wirklichkeit verstrickt sind (vgl. auch Bender 2010: 296). Gleichzeitig bleiben jedoch ›Realität‹ bzw. (soziale) ›Wirklichkeit‹ weitgehend intakt und werden – wie durch entsprechende Voraussetzungen von ›Gesellschaft‹ oder ›objektiver‹ Indikatoren (s.o.) – vorausgesetzt. Das im Rahmen biographisch‐narrativer Interviews erzählende Subjekt wird dazu aufgefordert, ›seinen‹ Lebens(ver)lauf in eine zeitlich geordnete, sinnhafte Struktur zu überführen (ebd.: 297; vgl. auch Tuider 2007: [23]), was nicht nur jenes schließbare und vermeintlich geschlossene Konstrukt ›Biographie‹ hervorbringt, sondern auch implizit auf die Notwendigkeit biographisch‐narrativer Interviewverfahren verweist, dass ›Biographie‹ in einer sinnhaft geordneten Weise erzählbar sein muss, damit diese den Erfordernissen des Forschungsprozesses entspricht. In diesem Sinne konstituiert nicht nur die Unterstellung einer einheitlichen Biographie, die thematische Herstellungsleistung einer (Forschungs-)Frage mit dem Verlauf eines Lebens in Verbindung zu setzen und die Erzählaufforderung im Rahmen einer Interviewsituation, sondern auch die Notwendigkeit der geordneten Erzählung der Forschungspraxis als solche jene Figur ›Biographie‹. Die Technik des Interviews führt weiterhin eine Wertung von Gesagtem bzw. Nicht-Gesagtem ein, die den genannten Inhalten größere thematische Priorität einräumt im Vergleich zu den nicht-angesprochenen wie auch nichtausgesprochenen Aspekten. Zwar wird durch die potenzielle Offenheit der

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narrativen Struktur und der ›freien‹ Relevanzsetzung innerhalb der artifiziellen Interviewsituation versucht zu gewährleisten, dass die Subjekte die für sie ›relevanten‹ bzw. ›relevanteren‹ Dinge explizieren, dennoch werden diese häufig bereits thematisch situiert als auch durch das Leitfadeninstrument zu kontrollieren versucht. Auch sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass sowohl die zeitliche Dimension eines Interviews einen engen Rahmen für jene thematischen Relevanzen setzt sowie die Entfaltung einer spezifischen Narration durch vielfältige unkontrollierbare Einflüsse mitbestimmt wird, so dass die Entwicklung jener (Paar-)Geschichte mit ihren Relevanzsetzungen zu einem anderen Zeitpunkt ggf. andere Gewichtungen bzw. Verschiebungen enthalten kann. Das heißt, die entwickelte Narration besitzt auf diese Weise einen ereignishaft‐singulären Charakter, der nicht wiederholbar ist.41 Aufgrund dessen erscheint es bedeutsam, das im Rahmen jener Interviews gewonnene Material in seiner kontingenten Fragilität ernst zu nehmen. Darüber hinaus wird im Rahmen biographisch‐narrativer Interviews, wie Désirée Bender (ebd.: 298) feststellt, auch auf ein sehr spezifisches Subjekt abgehoben, das sowohl einen eigenen Erfahrungshorizont besitzt als auch dazu in der Lage ist, diesen in sprachlicher Weise zu explizieren. Dies gilt auch für die implizite Voraussetzung der Reflexivität zum ›eigenen‹ Selbst (ebd.), was nicht nur ebenjene Fähigkeit als solche voraussetzt, sondern auch eine klare Abgrenzbarkeit in ›eigene‹ wie ›fremde‹ Reflexivität unterstellt bzw. die Frage aufwirft, wo ›meine‹ Biographie im Verhältnis zu ›deiner‹ anfängt und endet, sofern man – postsouveränitätstheoretisch an Butler anschließend – auf die untrennbar‐konstitutive Verwiesenheit jenes Verhältnisses von Ich/Du verweist (Butler 2012c: 39). So weist auch Derrida (2011: 161, vgl. ausführlicher auch 2003) auf die wesentlich vorgängig‐konstitutive Bedeutung nicht nur von Sprache, sondern verschiedener Sprachen hin: »Man muß schon wissen, in welcher Sprache ich gesagt wird, ich mich ausspreche. Man denkt hier sowohl an das ich denke als auch an das grammatikalische oder linguistische Ich, an das Ich oder an das Wir in ihrem identifikatorischen Status, so wie er von kulturellen, symbolischen und soziokulturellen Figuren gebildet wird. Man weiß sehr wohl, daß von all diesen Gesichtspunkten aus, die nicht allein grammatikalischer, logischer oder philosophischer Natur sind, das Ich der sogenannten autobiographischen Anamnese, das Ich‐mich des ich erinnere mich sich je nach Sprache verschieden produziert und äußert. Es geht ihnen niemals vorher, es ist also nicht unabhängig von der Sprache im allgemeinen [sic!]. Das ist wohlbekannt, aber selten von denen in Erwägung gezogen worden, die sich mit der Autobiographie im allgemeinen [sic!] beschäftigen […].« (Derrida 2011: 161) 41 Dies würde auch dann gelten, wenn exakt die gleiche Narration zu einem anderen Zeitpunkt entfaltet würde, da hierbei in jedem Falle der Zeitpunkt der Erzählung ein anderer wäre und damit auch die Narration innerhalb des relationalen Gefüges eine andere wäre.

3 Method(olog)ische Konsequenzen

Die häufig angenommene Trennbarkeit einer Makro- zu einer Mikroebene, in der das Subjekt in einer wechselseitigen Beziehung zu den es umgebenden Gegebenheiten stehen soll, geht, wie Bender treffend schlussfolgert die basale Prämisse voraus, dass »die imaginierte Separierung von einem Subjekt auf der einen und ›der Gesellschaft‹ bzw. ›objektiven‹, dem Subjekt äußerlichen sozialhistorischen Begebenheiten auf der anderen Seite« (2010: 298) möglich sein soll voraus, die innerhalb der Soziologie aus unterschiedlichen Perspektiven kritisiert wurde (z.B. Bourdieu 1998b; Stäheli 2000b; Alheit 2010; Bourdieu 2012; Reckwitz 2012). Zusammenfassend konstatiert Bender: »Das Subjekt nimmt auf theoretischer Ebene in biographischer Forschung und entsprechend in der methodischen Realisierung in narrativ‐biographischen Interviews eine so zentrale Rolle ein, dass die Fragwürdigkeit desselben und seiner unterstellten, nicht reflektierten, spezifischen Erscheinungsform gar nicht mehr auftreten kann: sie bleibt unsichtbar.« (Bender 2010: 299) Wenn also im Sinne einer Dezentrierung des Subjekts im Rahmen von Interviewverfahren weder von einem zentrierten Subjekt ausgegangen werden kann noch eine Rezentrierung des Subjekts erfolgen soll, was folgt dann daraus für die Technik des Interviews? Wenn, wie bereits beschrieben, es bei ›Performativität‹ nicht darum geht, in konstativer Weise Zustände zu beschreiben, sondern durch die Prozesshaftigkeit performativer Äußerungen bzw. Tätigkeiten soziale ›Tatsachen‹ geschaffen werden (Wirth 2002: 11), dann darf, dieser Perspektive folgend, der Prozess des Interviews nicht als rekonstruktiv verstanden werden, wie dies im Rahmen anderer method(olog)ischer Setzungen möglich ist (vgl. z.B. Bohnsack 2010). Eine performativitätstheoretische Perspektive kann nicht versuchen, Sozialität zu rekonstruieren, weder durch die Erhebung einzelner Narrationen noch im Rahmen der Komparation diverser Narrationen. Mit Deleuze davon ausgehend, dass ›die Wahrheit‹ »untrennbar mit einer Prozedur verbunden [ist], die sie etabliert« (2013: 90), betont eine performativitätstheoretische Perspektive auf die Technik des Interviews, wie durch diese, im Sinne einer Prozedur ›des Wahren‹, jene sozialen ›Tatsachen‹ zuvorderst hervorgebracht werden und diese vor dem Hintergrund der bereits beschriebenen Abläufe des Forschungsprozesses sich in spezifischer Weise im Rahmen und durch das Interview materialisieren. Insofern geht es nicht darum, zu behaupten, dass sich, performativitätstheoretisch, Dinge ›aus dem Nichts‹ (creatio ex nihilo) konstituieren, sondern auf die Produktivität des Forschungsapparates zu verweisen, die im Rahmen von Interviewverfahren spezifische Subjektivationsweisen zeitigt und damit die Möglichkeiten des Erscheinens als eine je spezifische Subjektivität reg(ul)iert. Désirée Bender beschreibt, wie innerhalb biographisch‐narrativer Interviews spezifische Subjekte durch den Forschenden/die Forschende mittels spezifischer Anrufungen bzw. Adressierungen hervorgebracht werden und wie diese Subjektivitäten spätestens durch den Erzählstimulus der Macht des (Wissen-

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schafts-)Diskurses unterworfen werden (2010: 306; vgl. zum Thema der Anrufung auch z.B. Butler u.a. 2013b: 44ff.; 2013c: 101ff bzw. hinsichtlich der Verbindung von Diskursanalyse und Biographieforschung auch weiterführend Völter/Schäfer 2005; Tuider 2007; Spies/Tuider 2017). Allerdings scheint mir innerhalb der Reflexionen Benders unterbelichtet zu bleiben, dass sowohl innerhalb des gesamten Forschungsprozesses als auch spezifisch innerhalb der Interviewsituation selbst, nicht nur jene zu Beforschenden, sondern auch die forschenden Subjekte durch jene Macht(-Wirkungen) konstituiert werden. Sei es durch das Befolgen bzw. des Unterworfen-Werdens (und sich Unterwerfens) unter bestimmte »ethische Grundprinzipien qualitativer Interviews« (Misoch 2015: 15ff.) oder – konkreter – der Initiierung einer forschenden Person als ›forschendes‹ bzw. ›wissenschaftliches‹ Subjekt, der Einhaltung und Befolgung bestimmter daran (möglicherweise) geknüpfter Erwartungen, die sich bspw. auf äußerliche, habituelle Aspekte oder auch auf ›seriöse‹ Fragen usw. beziehen können, was letztlich wiederum diskursiv rückgebunden ist. Dabei setzt jene Subjektkonstitution im Rahmen des Interviews nicht nur die Möglichkeit zur Sprache und Verbalisierung innerhalb des Verfahrens voraus, sondern bindet das Entstehen jener Subjektivitäten sowohl an die situative Prozessualität des Interviews als auch an die zu entfaltende wie entfaltete Narration. Sie weist damit jedoch auch prospektiv über sie hinaus: auf die weiteren Prozeduren des Forschungsprozesses, auf die Komparation der Narrationen bzw. des Materials, auf bestimmte Re-/Kontextualisierungen, auf Prozesse der Übersetzung und Verarbeitung des Materials im Sinne von digitalen Aufzeichnungs- und Verarbeitungstechniken, von Transkriptionen sowie des Auswertungsprozesses für Publikationen usw. Diesbezüglich wird durch eine performativitätstheoretische Betrachtungsweise sichtbar, wie im Sinne jener Prozeduren des Wahren nicht nur ›Wahrheiten‹ über das Material bzw. das Material als empirisches ›Datum‹ hervorgebracht werden, sondern zusätzlich soziale Wirklichkeit über jene Prozesse der Subjektivation re-/produziert wird, die alle Subjektivitäten, die an und in den Forschungsapparat ein- und ausgeschlossen werden, hervorbringt. Gleichzeitig werden damit auch theoretische wie method(olog)ische Wissensformationen sowie – wie weiter unten zu sehen sein wird – auch Geschlecht re-/konstituiert. Die biographisch‐narrativen Paarinterviews erscheinen so als materialisierte Wissen-Macht-Komplexe, die als Subjektivationsweisen gelesen werden, in deren Rahmen sich Technologien des Selbst wie des Anderen über entsprechende (Selbst-)Techniken temporär manifestieren. Der Fokus auf die wirklichkeitserzeugenden Effekte performativer Akte (Wirth 2002: 11) entspricht dabei dem Interesse der Forschungsfrage nach dem Werden jener elterlichen Subjekte und ihrer Konstitutionsbedingungen, da zum einen hervorgehoben werden kann, dass und wie jene Subjektivitäten innerhalb des Interviewprozesses sich als bestimmte (und damit auch in bestimmender) Weise Subjekte konstituieren und als ›Väter/Mütter/Eltern‹ in Erscheinung treten.

3 Method(olog)ische Konsequenzen

Zum anderen tritt jedoch darüber hinaus hervor, dass jene Konstitutionsprozesse als Produkte jener diskursiven An-/Ordnungen gelesen werden können, die den jeweiligen Einzelpersonen in historischer Perspektive überhoben sind, deren machtvoller Effekt sie werden/sind ohne von dieser Macht determiniert zu sein (wie dies bspw. im Hinblick auf den Topos des ›Erbes‹ zu sehen war). Die Technik des Interviews erscheint so als spezifisches Ordnungsmuster, in dessen Rahmen sich jene ›konkreten‹ Subjektivitäten mitsamt der zugehörigen Wissensformationen materiell abzeichnen. Dennoch verdeutlicht dies auch, dass mit diesen Bestimmungsprozessen immer ein unbestimmter ›Überschuss‹ mitgeführt wird. Unter Rückbezug auf bereits beschriebene Ausführungen zu Subjekt und Subjektivation (Kapitel 2) wird sichtbar, wie die Technik des Interviews als diskursiver Raum für Fremd- und Selbstkonstitution im Sinne Foucault’scher Techniken des Selbst verstanden werden kann.42 Wobei, aus dieser Perspektive betrachtet, deutlich wird, dass jenes ›Selbst‹ nicht als in sich geschlossene, abgrenzbare Entität verstanden werden darf, sondern in seiner radikalen Relationalität erhalten bleiben muss. Jene ›Selbste‹ entstehen diesbezüglich nicht nur in Relation zu der jeweiligen Prozesshaftigkeit der Forschung, sondern durch die bedingte und bedingende Zusammenkunft innerhalb dieses Diskursraumes. Selbst dort, wo Foucault auf den Übungscharakter jener Selbsttechnologien verweist, der sich durch alle der »großen« Arbeiten Foucaults zieht (Bahlke 2008: 286-287), scheint dieser Übungscharakter nicht als etwas, was ein Individuum lediglich ›für sich‹ als abgrenzbare Entität täte, sondern als etwas, das – in einer wie auch immer gearteten Weise – ein ›Selbst‹ in Relation zu einem ›anderen‹ hervorbringt, ohne das jenes ›Selbst‹ nicht als solches bestehen könnte. Die Fragen, die sich hieran anschließen, betreffen dann insbesondere Prozesse des Differierens, das jene vorgebliche Möglichkeit der Trennung und Trennbarkeit, der ›Eigenheit‹ zuvorderst augenscheinlich werden lässt. Es geht hierbei vor allem um die Technik des Erzählens, des Erzählen-Machens, des Sich‐in-Beziehung-Setzens und des In-Beziehung‐gesetzt-Werdens. Wobei diesen Aspekten bereits die Setzung vorausgeht, dass dort ein ›Selbst‹ sei, welches auf diese Weise(n) überhaupt prozessierbar ist. Das heißt auch, dass zum einen nicht nur die Technik des Interviews, seine Verfahrensweise(n) usw. entsprechende Subjektivitäten hervorbringen, sondern diese Subjekte an das gebunden sind, was sag- und verstehbar (intelligibel) bzw. erzählbar ist. Sowohl die interviewende als auch die interviewte Subjektivität sind an jene Diskurse, wie bspw. wissenschaftliche Spezialdiskurse zu qualitativer Forschung, zu Geschlecht, Elternschaft, Familie usw., gebunden und werden durch diese im Sinne der Zitatförmigkeit 42 Siehe für einen Überblick z.B. Bahlke 2008; bzw. vertiefend die späten Vorlesungen von Foucault zu Beginn der 1980er Jahre sowie viele Texte, die sich im vierten Band der Dits et Ecrits finden (z.B. Foucault 2009; 2005c; 2005d; 2005g).

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ihrer Wiederholung bedingt, die sich innerhalb des Interviewkontextes entfaltet. Dabei vollzieht sich durch die Trennung von interviewtem und interviewendem Subjekt eine Spaltung, welche die vermeintliche Trennbarkeit beider wiederholt. Vermeintlich insbesondere deshalb, weil beide Subjektivitäten innerhalb des Interviewkontextes sich nur in Relation zueinander konstituieren, d.h. die différance (›Forschungssubjekt/Forschungsobjekt‹) innerhalb dieser Sozialität entsteht.43 Jene sich konstituierenden Selbste sind in dieser Hinsicht auch an den bereits erwähnten narrativen Möglichkeitsraum gebunden. Die sich (und hierüber auch die Subjektivität) entfaltende Narration besitzt dabei ein unkontrollierbares Moment, das sowohl in actu jene bisherigen Subjektivitäten riskiert, bspw. wenn jene Subjektivationen als Wissenschaftler*in oder als ein bestimmter/eine bestimmte Vater/Mutter/Elter bzw. Paar scheitert, weil etwas zum Ausdruck gekommen ist, was vielleicht nicht hätte zum Ausdruck kommen dürfen oder sollen – nun aber dennoch ›in der Welt‹ ist. Auch nachträglich kann sich dies noch verschieben oder weiter prozessiert werden: sowohl durch den Prozess der Aufzeichnung mit einem Aufnahmegerät als auch durch die Transkriptionen die die Narrationen innerhalb der Paarinterviews verarbeiten und ›übersetzen‹ und sie damit (mit-)bedingen, indem sie bspw. Teile der Narration nicht aufzeichnen konnten oder diese als nicht transkribierbar/unverständlich gelten44 ; oder auch wenn im Zuge von Interpretationsverfahren bestimmte Subjektentwürfe entstehen. Auch die Frage des Körpers darf hierbei nicht außer Acht gelassen werden, da durch die Aufzeichnung des Tons vor allem bestimmte Diktionen, Betonungen, Stimmlagen usw. aufgezeichnet werden, jedoch Aspekte wie Gestik oder Mimik nicht erfasst werden bzw. über die Erfassung im Rahmen von Protokollen oder Memos in jedem Fall einer zusätzlichen technischen Übersetzung bedürf(t)en und damit weitere Herausforderungen mit sich führen. In diesem Sinne stellt sich auch die Frage nach der körperlichen Dimension (Affekte, Praxis etc.), die einer technischen Prozessierung bedarf und im Zuge des Interviews in der gesprochenen Narration aufgehen (müssen) und ggf. ausgeschlossen wird. Die Beachtung der gerade erwähnten zukunftsgerichteten Nachträglichkeit der Prozessierung jener Narrationen erscheint dabei als ein weiterer beachtenswer43 Zwar sind Subjekte mitsamt ihrer Subjektpositionen selbstredend auch in vielfältige andere Kontexte verwickelt, was vermeintlich eine bestimmte Position festigt, dennoch lassen sich diese Positionierungen nicht außerhalb eines komplexen Beziehungsgeflechts denken, welches aufgrund seines Umfangs und seiner Komplexität gänzlich unüberschaubar bleiben muss. 44 In dieser Hinsicht scheint es bedeutsam, den technischen Apparaturen, die innerhalb des Forschungsprozesses eine wichtige Rolle spielen, vertiefte Aufmerksamkeit zu schenken, da diese in maßgeblicher Weise an der Konstitution des Möglichkeitsraums dessen beteiligt sind, was letztlich ›empirisch‹ in Erscheinung treten kann. Aufgrund des Themas der vorliegenden Arbeit kann diesem Aspekt der Technizität und Medialität an dieser Stelle leider nicht weiter nachgegangen werden.

3 Method(olog)ische Konsequenzen

ter Punkt, da die Prozessierung zukünftig ist, weil sie in der ›Zukunft‹ des Forschungsprozesses zu der innerhalb der Interviewsituation entfalteten Erzählung hinzukommt, durch die Verzeitlichung aber nachgelagert ist. Hierdurch erweisen sich jene Subjekte, mit denen innerhalb des Forschungsprozesses (weiter) gearbeitet wird, erneut als kontingent. Diese Prozessierungen entziehen sich dabei den ›interviewten Subjekten‹, so dass auch in dieser Hinsicht die sich entfaltende Subjektivität als nicht abgeschlossen gelten kann. Eine Abschließung bzw. Festlegung wird vielmehr erst durch die weiteren Verfahrensweisen erzwungen, die auf eine Vereindeutigung angewiesen sind, indem z.B. Vätertypen gebildet werden, um diese miteinander vergleichen zu können, oder hinsichtlich der Ergebnispräsentation, die in der Regel konkrete Ergebnisse vorweisen soll. Diese prozessierte Festlegung fügt sich letztlich wiederum in einen Stand der Forschung bspw. zu ›aktiven‹ oder ›neuen‹ Vätern, ›geteilter Elternschaft‹ etc., der den Forschungsprozess kontinuierlich begleitet. In diesem Rahmen werden dann vor allem bestimmte, d.h. einen Bestimmungsprozess durchlaufen habende, prozessierte, Subjekte sichtbar, während andere – potenziell auch mögliche – verworfen bleiben. Die Narration als Narration muss in diesem Sinne konsequenterweise als eine solche verstanden werden. Die sich in den Interviews entfaltenden Narrationen besitzen dabei immer eine Kluft zwischen ›sagen‹ und ›handeln‹ bzw. dem Gesagten und seiner Effektivität (siehe dazu z.B. auch Rosenthal 1995; 2010). Die sich entfaltende Narration entspricht in diesem Sinne nicht einem illokutionären Sprechakt: Würde man einem solchen Verständnis folgen, würden Aussagen und Wirkungen im Akt des Aussagens zusammenfallen und damit in effektiver Weise im Akt der Handlung/des Sprechens das Besagte auch bewirken. Butler schreibt zu der Unterscheidung von illokutionärem und perlokutionärem Sprechakt: »Der illokutionäre Sprechakt ist […] selbst die Tat, die er hervorbringt, während der perlokutionäre Sprechakt lediglich zu bestimmten Effekten bzw. Wirkungen führt, die nicht mit dem Sprechakt selbst zusammenfallen.« (Butler 2013b: 11) Sie weist mit Bezug auf Äußerungen Foucaults in einer Gesprächssituation darauf hin (2007: 149), dass die Rechenschaft, die Foucault der Fragen stellenden Person gibt, auf den Vorannahmen basiert, die sich innerhalb der gestellten Fragen finden und sich in den Reaktionen der fragenstellenden Person widerfinden. Diese Rechenschaft ist dabei eine jene, die er dieser Person mit ihren spezifischen Fragen gibt (ebd.) und die sich aufgrund des Ereignischarakters nicht außerhalb des Gesprächs verstehen lässt: »Sagt er [Foucault – Anm. B.N.] die Wahrheit über sich, oder geht er nur auf die Vorgaben des Gesprächspartners ein?« (Ebd.) Diese Rückfrage Butlers verdeutlicht, dass die entfalteten Narrationen zwar tatsächlich geäußert worden sein können, sich jedoch nicht klären lässt, ob dies auch tatsächlich so gemeint gewesen ist oder nur als Reaktion auf bestimmte Fragen zu verstehen ist. Die entfaltete Narration erzeugt zuvorderst jene ›Tatsachen‹ über das vorgeb-

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liche Selbst. So konstatiert Butler in Bezug auf die Arbeiten Foucaults zur Beichte, dass diese zur »sprachlichen und körperlichen Szene der Selbstdemonstration des Subjekts« wird. Das Subjekt »spricht sich selbst, wird dadurch aber erst, was es ist« (ebd.: 150). In diesem Sinne wird auch deutlich, dass durch den sprachlichen Ausdruck, durch die performative Herstellung eines Selbst (bzw. von Selbsten sowie einem Kollektivsubjekt ›Paar‹) eine bestimmte ›Wahrheit‹ hervorgebracht wird. Die Narration fungiert hierbei als der vermeintliche Beweis dieser Manifestation (ebd.: 151). Butler konstatiert weiter: »In diesem Sinn ist die Manifestation kein ›Ausdruck‹ eines Selbst, sondern sie tritt an dessen Stelle, und sie erreicht diese Substitution durch eine Transformation des besonderen Selbst in eine äußere Erscheinung.« (Ebd.) Die Narration, die sich im Rahmen der Interviews über die Elternzeit der Väter, über die Paargeschichte usw. entfaltet, konstituiert damit jenes Selbst/jene Selbste, anstatt diese in essentialistischer Weise ›auszudrücken‹. Die narrative Erzählung ist dabei, Butler (ebd.: 21) weiter folgend, an die Fähigkeit geknüpft, bestimmte Ereignisse in eine plausible Form zu bringen und hängt dabei nicht nur von der narrativen Stimme und Autorität ab, sondern ist an ein Publikum gerichtet, welches es zu überzeugen gilt. Das narrative Interview wird so als Technik der Subjektivation lesbar, die zum einen über die Aufforderung zum Sprechen dazu anregt, von sich als einem Selbst Rechenschaft abzulegen und damit als eine spezifische (Selbst-)Technologie gelesen werden kann, in der sich das sich‐sprechende Subjekt konstituiert. Es wird zudem aber auch die nachträgliche Bedingtheit deutlich, der sich die Subjekte im Rahmen bestimmter Ein- und Zuordnungen ausgesetzt sehen. Es zeigt sich, wie durch die Technik des Interviews bzw. des Interviewens Subjektivitäten entstehen, die in ihrer Relationalität konstitutiv aufeinander verweisen (z.B. Forschungssubjekte/Forschungsobjekte); wie diese Konstitutionen selbst jedoch fragil bleiben und sich einer vollständigen Abschließbarkeit entziehen, wenngleich diese im Rahmen des Forschungsprozesses abgeschlossen bzw. festgelegt werden. Obwohl dieser Abschnitt insbesondere auf das Thema des Interviews als Technik der Subjektivation abhebt, sollte dennoch nicht außer Acht gelassen werden, dass auch diese Prozesse entsprechend situiert zu betrachten sind: Es wurde auch deutlich, wie verschiedene Wissensformationen, des (sozial-)wissenschaftlichen Diskurses, des Stands der Forschung zu einem bestimmten als untersuchungswürdigen Phänomen, die sich thematisch rückgebunden innerhalb des Interviewleitfadens kristallisieren (im Kontext der Elternzeit: die Erwerbsarbeit, Familie, Arbeitsteilung, Partnerschaft, Geschlecht etc.), aber auch technische Apparate und deren Übersetzungsleistungen miteinschließen, einen produktiver Macht-Wissen-Komplex konstituieren.

3 Method(olog)ische Konsequenzen

Eine solche Perspektivierung unterstreicht damit eine Facette des von Butler thematisierten ›Ausgesetztseins‹ bzw. jener postsouveränen Bedingtheit, wie sie in Kapitel 2 bereits aufgeworfen wurde. Dieses Ausgesetztsein lässt sich, Butler zufolge, nicht erzählen. Butler macht diesen Punkt in folgendem Auszug deutlich: »Ich kann es [dieses Ausgesetztsein – Anm. B.N.] nicht darstellen, auch wenn es alle meine Darstellungen strukturiert. Die Normen, nach denen ich mich anerkennbar zu machen suche, sind nicht wirklich meine. Sie kommen nicht mit mir in die Welt; die Zeitlichkeit ihres Erscheinens deckt sich nicht mit der Zeitlichkeit meines eigenen Lebens. Indem ich also mein Leben als anerkennbares Wesen führe, lebe ich einen Vektor von Zeitlichkeiten, von denen einer auf meinen Tod zuläuft, von denen aber ein anderer in der gesellschaftlichen und historischen Zeitlichkeit der Normen besteht, durch die ich anerkennbar werde und bleibe. Diese Normen sind mir (meinem Leben und meinem Tod) gegenüber gleichsam indifferent. Weil Normen nach einer Zeitlichkeit, die nicht dieselbe ist wie die Zeitlichkeit meines Lebens, entstehen, sich wandeln und fortdauern und weil sie zudem in mancher Hinsicht die Verständlichkeit meines Lebens sichern, unterbricht die Zeitlichkeit der Normen meine Lebenszeit.« (Butler 2007: 50) Diese Verstrickungen unterschiedlicher Zeitlichkeiten der Leben einzelner Subjekte im Verhältnis zu anderen Zeitlichkeiten (wie z.B. der des sozial-/wissenschaftlichen Feldes) illustrieren die Bedingtheit jener Subjektkonstitutionen innerhalb narrativer Interviews im Speziellen sowie im Forschungsapparat im Allgemeinen. In diesem Sinne betrifft dieses Ausgesetztsein bzw. diese Bedingtheit auch nicht nur ein menschliches anderes, sondern gleichermaßen auch jene (sozial-)wissenschaftlichen Wissensformationen. Die Passage macht darüber hinaus auch klar, wie die Narration über ›sich‹ als Technik zur Erzeugung eines ›Selbst‹ verstanden werden kann, die jedoch gleichzeitig konstitutiv von jenem ›anderen‹ und den Möglichkeiten des Explizierbaren abhängt. In diesem Sinne ist der Forschungsprozess am ›Selbst-Werden‹, am ›Subjekt-Werden‹ durch die Technik des Interviews bedingend involviert, da diese Zusammenkunft konstitutiv für diese Selbst-Werdungen der Forschenden wie der Beforschten ist. ›Wer‹, ›was‹ und ›wie‹ jene Selbste werden, wird dabei innerhalb des Forschungsapparats prozessiert.45 Hierbei erscheint notwendig zu untersuchen, welche Aussagesysteme sich in den Erzählungen finden, d.h. danach zu fragen, wie bzw. nach welchen Modi sich diese Subjekte konstituieren und konstituiert werden und sich konstituieren können; gleichzeitig aber scheint erforderlich, auch das Material dahingehend zu befragen, was ausgeschlossen oder verworfen wurde, da dies nicht minder konstitutiv 45 Wobei an dieser Stelle auf die idealtypisch‐isolierende Betrachtung des Forschungsprozesses, genauer des Interviews, verwiesen wird; obwohl dieses nicht von anderen kulturellen wie gesellschaftlichen Feldern zu trennen ist.

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und relevant zu erachten ist. Die Frage nach dem Ausgeschlossenen scheint dabei nicht rein spekulativ, da gerade die spezifischen Thematisierungen dessen, als was sich entworfen wird, wechselseitig mit jenen Abgrenzungen und Verwerfungen konstitutiv verbunden sind. In diesem Sinne ist dann auch das Nicht-Gesagte, jenes »Andere der Ordnung« (Bröckling et al. 2015) konstitutiv für jene empirischen Beobachtungen, die sich aus dem Material und seiner Kontextualisierung ergeben. Eine solche Perspektivierung nimmt jene Prozeduren des Wahren in den Blick, die – hier im Hinblick auf die Narrationen der Paarinterviews – eine bestimmte soziale Wirklichkeit als ›Wahrheit‹ performativ hervorbringen: sei es die ›Wahrheit‹ der familialen (Eltern- und Paar-)Biographie oder der ›eigenen‹ Subjektivität. Die Frage lautet dann nicht mehr, wie viel ›Wahrheit‹ ›tatsächlich‹ in den Narrationen steckt, sondern der Fokus richtet sich auf die Prozessionen der Forschung selbst, d h., wie innerhalb des Forschungsprozesses jene Subjektivitäten als Subjektivitäten prozessiert werden bzw. grundlegender: prozessierbar gemacht werden, damit sie in Erscheinung treten können.

3.3.4

Ergänzungen des Materials

Obwohl das im Rahmen des Forschungsprojekts Väter in Elternzeit generierte Interviewmaterial einen wesentlichen Teil des Materials ausmacht, ist es für die eingenommene performativitäts- wie diskurstheoretische Perspektive unumgänglich, die Interviews in ihrem familien- und sozialpolitischen Kontext zu betrachten, da dieser sowohl für die Situierung der Aussagensysteme der Narrationen als auch für die Entwicklung und Argumentation der entfalteten Lesart des Materials relevant scheint. Die Kontextualisierung des Forschungsprojekts und das daraus hervorgehende Material sind in diesem Sinne konstitutiv an die Novellierung des BEEG 2007 gebunden, weshalb es notwendig erscheint, sich mit dem Gesetz, seinen Zielsetzungen und dem familienpolitischen Klima auseinander zu setzen, in dem diese Novellierung stattfand. Hierzu wird sich mit den Familienberichten der Bundesregierungen Deutschlands auseinandergesetzt, da sich diese über einen Zeitraum von gut 50 Jahren (der erste Bericht erschien 1968) mit dem Themenkomplex Familie befassen und sich in ihnen darüber hinaus vielfältige weitere Bezüge kreuzen. Es wird davon ausgegangen, dass sich in den Stellungnahmen der jeweiligen Bundesregierungen als auch in den Empfehlungen der Expert*innenkommissionen diverse Rationalitäten des Regierens finden lassen, die gleichzeitig zeitkontextuell variieren und so einen Vergleich von möglichen Verschiebungen bieten. Da sich innerhalb des ersten Familienberichts von 1968 keine Bezüge zum Mitte der 1980er Jahre eingeführten Erziehungsgeld finden lassen, wurde, aufgrund des thematischen Fokus auf das spätere Elterngeld bzw. die Elternzeit, dieser Bericht nicht in die Auseinandersetzung mitaufgenommen. Beginnend mit dem zweiten Familienbericht des damaligen Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit (BMJFG

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1975) bis zum achten Familienbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ 2012) stehen nicht nur variierende Bezüge auf Elternschaft, Geschlecht und Arbeitsteilung im Fokus der Betrachtung, sondern auch damit verbundene Themen der Wirtschaft(lichkeit), Erwerbsarbeit und Bevölkerungspolitik/Demographie.46 Auf diese Weise kann die Auseinandersetzung mit dem BEEG um wesentliche politisch-ökonomische Facetten ergänzt und gleichzeitig in einen historisierten Zusammenhang gesetzt werden. Um die Lesart des so gewonnenen (und ergänzten) Materials zu schärfen und ggf. zu irritieren, wird die Auseinandersetzung mit den Familienberichten durch diverse themenbezogene Beiträge, Studien und Expertisen abgeglichen und in Bezug gesetzt. Über diese Vorgehensweise wird Interviewmaterial zur Elternzeit von Vätern auf eine Weise kontextualisiert47 , die in den Blick nimmt, wie im Rahmen spezifischer sozial- und familienpolitischer Diskurse durch die Novellierung des BEEGs ein Möglichkeitsraum entsteht, in welchem spezifische elterliche Subjekte entstehen, in dem sich bspw. demographische, wirtschaftlich-ökonomisch‐erwerbsspezifische, aber auch geschlechter- und gleichstellungspolitische Facetten kreuzen. Der Philosoph und Medientheoretiker Stephan Günzel verweist, in Bezug auf Foucaults archäologische Vorgehensweise, auf die Bedeutung behördlicher Schriftstücke und Gesetzestexte: »Vor allem Schriftstücke, die von Behörden erstellt wurden, können dazu dienen, einen gesellschaftlichen Raum zu rekonstruieren, in dem dessen juridisch‐politische Machtstrukturen analysiert werden konnten, also Gesetzeserlass, -anwendung oder Vorschriften zur Lebensführung etc.; nicht um damit nachvollziehen zu wollen, wie die Menschen in einer Epoche lebten, sondern um zu beschrieben, wie die Struktur ihrer Handlungsfelder aufgebaut war.« (Günzel 2016: 19 – Kursivierung B.N.) Auch hierdurch lässt sich das Interesse für die dem Material zugrunde liegenden Familienberichte der Bundesregierung weiter unterstreichen, da sich darin abzeichnende Verschiebungen wesentliche Auswirkungen auf die Konstitution diverser Möglichkeitsräume und ihre elterlich‐familialen Subjektivitäten besitzen. 46 Die Untersuchung beschränkt sich hierbei auf den westdeutschen Kontext. Für einen Überblick über die Situation in der DDR, auch bzgl. des dortigen ›Babyjahrs‹ sei z.B. auf die Ausführungen von Agathe Israel (2017) verwiesen. 47 Dieser Kontext ist zwar nicht beliebig, dennoch muss die Frage nach der ›Vollständigkeit‹ des Material›korpus‹ zwangsläufig offen bleiben, da eine Erweiterung praktisch infinit geschehen kann. Als wichtig gilt jedoch der Umstand, dass eine Re-Kontextualisierung konstitutive Konsequenzen für das zugrunde liegende Material besitzt. Das heißt auch, dass es nicht darum gehen kann, eine ›tiefere Wahrheit‹ aus dem Material herauszuarbeiten, sondern sichtbar zu machen, wie im Rahmen spezifischer Prozeduren des Wahren (Deleuze) jene ›empirischen Wahrheiten‹ des Materials erzeugt werden.

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Die Kontextualisierung des (Interview-)Materials ist darüber hinaus auch als ›Kontrollinstanz‹ innerhalb des Forschungsprozesses nützlich, da sie ermöglichen kann, unsichtbar bleibende, implizite Aspekte innerhalb des Materials als auch des Forschungsprozesses sichtbar(er) zu machen. Insbesondere auch, wenn man davon ausgeht, dass das Material nicht aus sich selbst heraus – ohne einen spezifischen Kontext – verstehbar ist, werden Reflexionspotenziale über ebenjene Kontextualisierungen provoziert, die sonst verdeckt blieben. Die Berücksichtigung des ergänzenden Materials erscheint auch aufgrund weiterer Punkte relevant: Zum einen wird das Interviewmaterial vor dem Hintergrund der familien- und sozialpolitischen Veränderungen spezifisch lesbar, was hinsichtlich der Forschungsfrage, der Elternzeit als gouvernemental‐biopolitischem Instrument, hochrelevant erscheint. Durch die spezifische Rückbindung wird die Auseinandersetzung an die Foucault’schen Überlegungen zu Biopolitik und Gouvernementalität sowie auch an konkrete politische (Zeit-)Dokumente rückgebunden und diese miteinander verglichen. Zum anderen scheint für das diskurstheoretische Vorgehen eine historisierte Perspektive erforderlich, die versucht, Veränderungen der (politischen) Diskurse um Geschlecht, Familie und Elternschaft herauszuarbeiten. Dadurch grenzt sich ein solches Vorgehen u.a. auch von inhaltsanalytischen Untersuchungsstrategien ab (vgl. u.a. Wedl/Herschinger/Gasteiger 2014). Die zentrale Frage nach Prozessen der Subjektivation, dem Werden jener Elternsubjekte, erhält auf diese Weise eine besondere Kontur, da sowohl die Überlegungen Foucaults zu Formen der Regierung als auch jener von Butler zu Geschlecht in spezifischer Weise zusammengeführt und angereichert werden. Dadurch ergibt sich in Verbindung mit dem Material eine Lesart, die die Auseinandersetzung mit den Aussagesystemen innerhalb des Interviewmaterials im Kontext von Familien-, Wirtschafts- und Erwerbspolitik als auch von Geschlechter- und Gleichstellungsdiskursen begreifbar macht. Es wird auch ersichtlich, wie im Rahmen dieses Forschungsunternehmens nicht nur jenes Material oder die daran geknüpften Subjektivitäten performativ hervorgebracht werden, sondern auch jenes ›theoretisch‐empirische‹ Handeln gleichzeitig die ›theoretische‹ Lektüre in ›empirischer‹ Weise wechselseitig hervorbringt, so dass jene spezifische Lesart auf diese Weise auch Potenziale bereithält, Dinge zu sehen, die vormals ggf. unsichtbar waren bzw. nicht in den Blick gerieten. Gleichzeitig soll an dieser Stelle jedoch auch auf die durchaus vorhandene perspektivische Brüche aufmerksam gemacht werden, wie sie z.B. durch die Zusammenführung der Positionen Derridas und Foucaults entstehen, die zwar viele Gemeinsamkeiten, aber sicherlich ebenso viele Unterschiede aufweisen.48 Diese 48 Siehe im Hinblick auf Konvergenzen und Brüchen zwischen Derrida und Foucault entsprechende Thematisierungen z.B. bei Dieter Mersch (1999: 170f.) Susanne Lüdemann (2011: 54), Philipp Sarasin (2005: 66f.; 2008: 122), Judith Butler (1993: 33) sowie Goeffrey Bennington und Jacques Derrida (1994: 93ff.), die innerhalb des internationalen Forschungskontextes bzgl. zukünftiger

3 Method(olog)ische Konsequenzen

Sichtbarmachung ist nicht nur dem Umstand geschuldet, dass sich beide Perspektiven nicht nahtlos ineinander überführen lassen, obwohl sich durchaus sinnvolle wie produktive Bezüge herstellen lassen – die Arbeiten Judith Butlers belegen dies nachdrücklich–, sondern auch deshalb, weil eine solche Sichtbarmachung in konsequenter Weise der Argumentation des Aushaltens und der produktiven Nutzung von Irritationen und Brüchen entspricht. Es soll in dieser Hinsicht gerade nicht darum gehen, Diskrepanzen und Brüche in eine homogenisierte bzw. homogenisierende Theorieperspektive zu überführen, sondern ein Instrumentarium zusammenzustellen, welches bei der Auseinandersetzung mit der Forschungsfrage dienlich ist. Dies entspricht dabei auch einer Bezugnahme auf ›queer‹ bzw. ›Queerness‹, die in der Lage ist, jene theoretischen Begriffe und Bezüglichkeiten »zukunftsöffnend« zu durchque(e)ren. Mit dieser Durchque(e)rung vermeintlich feststehender Konventionen, sei es nun im Hinblick auf der Fragen nach Geschlecht und Elternschaft oder auf den Bereich qualitativer Sozialforschung, sollen nicht nur vermeintlich ›gesicherte‹ Konventionen destabilisiert und in Bewegung versetzt werden, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der ›eigenen‹ Perspektivierung herausgefordert werden. Wie lassen sich diverse unterschiedliche Positionen zusammenbringen? Was könnte funktionieren, was schließt sich aus? Was irritiert innerhalb der Arbeit mit jenen Perspektiven? Welche Erwartungen werden und wurden hinsichtlich des Materials irritiert? Welche theoretisch‐method(olog)ischen Setzungen liegen hier zugrunde? Welche Konsequenzen ergeben sich für den Forschungsprozess hieraus? Das heißt letztlich dann auch, dass jenes ›Queering‹ nicht vor der ›eigenen‹ Perspektive haltmachen darf, sondern auch diese immer wieder neu herausfordern muss (vgl. Voß 2011a: 50). Vor dem Hintergrund der zugrunde gelegten Ausführungen wird deutlich, dass die hier vorgeschlagene Lesart des Phänomens immer nur eine mögliche Lesart sein kann und soll. Eine Lesart, die keine Verallgemeinerbarkeit beansprucht, jedoch über ihre Argumentation nachvollziehbar und plausibel sein soll. Ich folge dabei der Argumentation von Bröckling und Krassmann (2010: 40), die deutlich machen, dass der Untersuchungsgegenstand wie das entsprechende Analyseverfahren allenfalls als provisorisch zu stabilisieren sind. Beide bringen dies wie folgt treffend Perspektiven auf Genealogie und Dekonstruktion nach wie vor diskutiert werden (siehe z.B. Custer/Deutscher/Haddad 2016; Deutscher 2017) und die Frage aufwerfen, ob sich wirklich zwischen Genealogie und Dekonstruktion – im Sinne von entweder/oder – entschieden werden muss. Der vorliegende Text beantwortet diese Frage mit einem klaren Nein, da bspw. nicht zuletzt über die Arbeiten Butlers deutlich wurde, wie eine äußerst fruchtbare Verknüpfung beider Perspektiven gelingen kann. Einen Vergleich zwischen Butler und Foucault liefert z.B. Christine Hauskeller (2000). Eine weiter gefasste Auseinandersetzung mit diversen Positionen im Bereich der Gender/Queer Studies im Kontext von Dekonstruktion findet sich bei Antke Engel (2002).

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Die Regierung der Elternzeit

auf den Punkt: »Experimentieren, statt perfektionierter how to-Anleitungen, lokale Kartografien statt general theory.« (Ebd.)

3.3.5

Analysestrategie im Umgang mit dem Material

Die nachfolgend dargestellte Analysestrategie im Umgang mit dem gebildeten Material ist nicht als allgemeine oder eine zu verallgemeinernde Methode zu verstehen, sondern eher als Darstellung einer Vorgehensweise, die als solche immer nur eine von vielen möglichen sein kann (und sein will). Die folgenden Schritte orientieren sich dabei an den Vorschlägen von Rainer Diaz-Bone zur Durchführung von Diskursanalysen (1999; 2005; 2006). Ein erster Schritt betrifft in dieser Hinsicht die Identifikation eines untersuchungswürdigen sozialen Phänomens, welchem mit einer diskursanalytischen Perspektive begegnet wird. Dieses sieht jene werdenden Eltern als diskursiv‐machtvolle Effekte, die gleichzeitig an den spezifischen Kontext des Elterngeld und -zeitkontextes rückgebunden sind. Diese Kontextualisierung erfolgt dabei vor dem Hintergrund der Überlegungen Foucaults und Butlers, wie sie bereits dargestellt wurden. In diesem Sinne erfolgt eine theoretisch/method(olog)ische Rahmung des ausgemachten Phänomens, die in einem zweiten Schritt in eine Sondierungsphase des Materials überführt wurde. Da das Thema der vorliegenden Arbeit auch an Inhalte des Forschungsprojekts Väter in Elternzeit angebunden ist, entsteht ein Teil des Materials aus diesem Projektzusammenhang, der, wie bereits erläutert, zu kontextualisieren war. Dies erfolgte, ausgehend von den Ausführungen Foucaults zu Biopolitik und Gouvernementalität (2001; 2006; 2014a; 2014b; 2014c) sowie einschlägiger Forschungsliteratur (z.B. Lemke 1997; Krasmann/Volkmer 2007; Foucault 2010; Bröckling/Krasmann/Lemke 2011; 2012; Lemke 2013; Folkers/Lemke 2014), die zur Rahmung der Fragestellung beigetragen haben, aber auch als Orientierung für die inhaltliche Ergänzung des Materials dienten. Diese Phase war gleichzeitig mit der Sammlung von öffentlichen Positionierungen diverser Politiker*innen bzw. deren Auseinandersetzungen mit anderen Akteur*innen des öffentlichen Lebens und Parteien gekennzeichnet, um einen Überblick über das diskursive Feld um die Zeit der Novellierung des Elterngeldgesetzes im Jahr 2007 und der Zeit danach zu verschaffen. Diese Auseinandersetzung wurde durch eine Sichtung diverser Fachpublikationen zum Elterngeld ergänzt (bspw. dem Schwerpunktheft der Zeitschrift für Familienforschung 2/2013), durch die deutlich wurde, dass nicht nur eine Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen des Gesetzes um die Novellierung angezeigt scheint, sondern diese Reformen in einen größeren historischen Kontext gesetzt werden müssen. Die Erweiterung der Perspektive erscheint insbesondere hinsichtlich der Fragen zu Verschiebungen von Elternschaft und Geschlecht sinnvoll, da nicht nur im Rahmen der Novellierung des Gesetzes 2007 sich verändernde Bezüge sichtbar werden, sondern sich

3 Method(olog)ische Konsequenzen

entsprechende Verschiebungen seit dem zweiten Familienbericht von 1975 noch deutlicher abzeichnen und sich dadurch stärker konturieren lassen. Dadurch entstand im Laufe des Forschungsprozesses (der Umsetzung des Forschungsprojekts sowie der Arbeit am vorliegenden Text mit seinen eigenen Fragestellungen) in iterativer Weise ein Materialfundus, dessen Entstehung keineswegs in linearer Weise vonstattenging. Die Genese war vielmehr durch vielfältige Suchbewegungen, Überlegungen, Diskussionen und Reflexionen mit Kolleg*innen sowie auf Tagungen, in Workshops etc. gekennzeichnet, die in gewisser Hinsicht auch dazu dienten, wiederkehrende Fragen, Themen und bestehende Leerstellen zu diskutieren und zu füllen, so dass hiermit auch erneut deutlich wird, dass an einem solchen Text immer ›mehrstimmig‹ gearbeitet wird. Die nächste Phase war durch die Identifizierung verschiedener Themen, Begriffe und Argumentationsweisen gekennzeichnet. Aus diesen heuristischen Fragestellungen ergibt sich, wie Diaz-Bone (2006: [23]) schreibt, ein theoretisches Raster zur Identifikation relevant erscheinender Textstellen. Hieran schließt die weitere ›Feinanalyse‹ des Materials an, d.h., was findet sich hinsichtlich der Fragestellung regelmäßig? Welche Beziehungen, Verknüpfungen und Oppositionen lassen sich ermitteln? Welche Zielsetzungen werden aufgeworfen? Welche Diskrepanzen lassen sich innerhalb des Materials finden? Welche Einschlüsse, Ausschlüsse, Oppositionen finden sich? Lassen sich Widersprüche oder Brüche identifizieren? Das weitere Vorgehen versucht, von diesen Identifikationen ausgehend, die Analyse weiter zu verfeinern, indem nach fundamentalen Schemata gesucht wird. Lassen sich bspw. Oppositionen ausmachen, die entscheidend für das Funktionieren jener diskursiven Formationen sind (ebd.: [25])? So kann exemplarisch bereits an dieser Stelle genannt werden, dass die meisten der Auseinandersetzungen – sowohl bezüglich der politisch-öffentlichen Inhalte als auch in Bezug auf das Interviewmaterial – einer heteronormativen, binär‐geschlechtlichen Logik folgen, die wesentlich für das Funktionieren bestimmter Bezüge scheint. Die letzte Phase der von Diaz-Bone vorgeschlagenen Analyseschritte ist durch Aufbereitung der Ergebnisse und deren Rückbezug gekennzeichnet (ebd.: [26]). Je nach Fragestellung (und Perspektive) bieten sich hierbei unterschiedliche Vorgehensweisen an. Im Sinne der Ausrichtung dieser Arbeit findet die Ergebnisdarstellung entlang von thematisch relevanten Themensträngen statt. In den jeweiligen Abschnitten werden, aufgrund der Untrennbarkeit des Materials, die Familienberichte mit dem Interviewmaterial miteinander ins Gespräch gebracht. Die historischen Verschiebungen werden dabei insbesondere zur Kontrastierung, z.B. diverser Argumentationen, Zielsetzungen usw. eingesetzt, so dass die Argumentation der vorgestellten Lesart nachvollziehbar und plausibel gemacht werden kann. Auf diese Weise kann auch die konstitutive Verwiesenheit der ›einzelnen‹ Ebenen in ihrem Zusammenwirken deutlicher betont und herausgearbeitet werden, als dies

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Die Regierung der Elternzeit

eine Trennung in separate Stränge (Familienberichte, Interviewmaterial) ermöglichen würde.

3.4

Zwischenfazit

Ausgehend von einer performativen Rahmung des Forschungsprozesses hat das Kapitel versucht aufzuzeigen, wie Geschlecht als ein Objekt des Wissens produktiv wirksam ist. Entlang von Beispielen verschiedener epistemischer Brüche zeigte sich einerseits, wie sich innerhalb des Feldes der Forschungen zu Geschlecht durch diverse epistemische Brüche teils fundamentale perspektivische Verschiebungen vollzogen haben; wie sich jedoch andererseits im Lichte der jeweiligen Perspektivierungen nicht nur entsprechende Forschungsfragen, sondern auch die sich in diesem Lichte konstituierenden ›empirischen‹ Ergebnisse substanziell verschieben können. Als weitere Vertiefung der Diskussion der Frage nach dem Werden von elterlicher Subjektivitäten im Kontext der Elternzeit wurde vor dem Hintergrund des Foucault’schen Dispositivbegriffs der Frage nachgegangen, inwieweit die Elternzeit als Dispositiv – und in diesem Sinne auch Elternschaft als Dispositiv – begriffen werden muss, um die Diskussion der Verschränkung verschiedenster Facetten als auch Ebenen hinreichender entsprechen zu können. Die hieran anschließenden Ausführungen zum Begriff des Erbes und des Erbens, in Anschluss an Derrida, betonen hierbei erneut die vielfältigen historischen Verstrickungen, in denen sich das vorliegende Forschungsprojekt befindet, und zeigt zudem auf, wie entsprechende Fragen als auch ebenjene forschenden Subjektivitäten durch diese Verstrickungen kontextualisiert sind. Damit werden durch eine solche performativ‐dekonstruktive Perspektive auch Fragen nach (Forschungs-)Ethik und Verantwortung aufgeworfen, die an anderer Stelle erneut aufzugreifen sein werden. Der darauf folgende Schritt konkretisiert die Entstehung des dieser Arbeit als Basis dienenden Materials und bindet entsprechende Darstellungen dazu an die in den Kapiteln zwei und drei entfaltete performative Subjekttheorie. Dadurch kann der Leitfaden als spezifischer (technischer) Kristallisationspunkt eines produktiven Macht-Wissen-Komplexes sichtbar gemacht sowie die konstitutive Rolle des Interviews als Technik der Subjektivation diskutiert werden. Die Ausführungen betonen insbesondere das performative Wechselverhältnis von ›Theorie‹ und ›Methode‹, welches als folgenreich für das Material und die nachfolgenden Ergebnisse gilt.

4 Die Regierung der Elternzeit »Wenn man diese Bewegung der Regierbarmachung der Gesellschaft und der Individuen historisch angemessen einschätzt und einordnet, dann kann man ihm, glaube ich, das zur Seite stellen, was ich die kritische Haltung nenne. […], eine moralische und politische Haltung, eine Denkungsart, welche ich nenne: […] die Kunst nicht dermaßen regiert zu werden.« (Foucault 1992: 12)

4.1

Eine Frage der Darstellung

Vor der Auseinandersetzung mit dem Material und den Ergebnissen der Studie sollen kurz – in Anschluss an das vorangegangene Kapitel – einige Überlegungen zur Darstellung der Ergebnisse erfolgen. Dies führt die bisherigen method(olog)ischen Überlegungen fort, bezieht sich jedoch in sehr konkreter Weise auf die zugrunde liegende Herausforderung der Darstellung der Ergebnisse und schlägt damit eine Brücke zwischen beidem. Eine performativitätstheoretische Perspektive nimmt insbesondere die wirklichkeitskonstituierenden Prozesse und ihre Effekte in den Blick. Wenn davon ausgegangen wird, dass die produktiven Verstrickungen in den Forschungsprozess sowohl Forschende, Beforschte als auch das Material hervorbringen, dann gilt dies auch für die Strukturierung und Aufbereitung der Darstellung in der Auseinandersetzung mit der Materialsammlung, da diese prinzipiell so, aber auch anders erfolgen könnte. Deshalb ist die Darstellung dieser Auseinandersetzung immer als eine von vielen Möglichkeiten, die durch die zu begründende Entscheidung für sie zwar betont, aber dennoch von diesen anderen Möglichkeiten konstitutiv bedingt wird. Insofern ist erneut darauf hinzuweisen, dass es gerade nicht um eine Frage nach ›Wahrheit‹ gehen kann, sondern um die Frage nach Plausibilität, wenn nicht einer ›natürlichen‹, ›objektiven‹ oder ›reinen‹ Auffassung von ›Empirie‹ gefolgt wird (vgl. auch Nassehi 2017: 29f.). Gerade weil davon ausgegangen wird, dass es keine reine, d.h. theorielose Empirie geben kann, müssen auch die nachfolgenden Dar-

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Die Regierung der Elternzeit

stellungen immer als artifizielle behandelt werden, die in diesem Sinne vor allem produktiven Charakter besitzen. Armin Nassehi verweist in Bezug auf die Ästhetik der soziologischen Systemtheorie (etwas, dass auch für die poststrukturalistischen Perspektive dieser Arbeit zutreffend ist), darauf, dass sie »[…] in erster Linie die Selbsterfahrung der Autologie und der epistemologischen Verunsicherung [pflegt], indem sie an sich selbst exekutiert, was sie ihrem Gegenstand einschreibt: die selbsttragende Konstruktion einer unhintergehbaren Perspektive, die gesellschaftlich stets hintergehbar ist – darin trifft sie sich mit der Kybernetik zweiter Ordnung, mit Theorien transklassischer Logik, auch mit dem Poststrukturalismus. […] [E]ine Ästhetik, die den Zeichner in das Bild hineinzieht. […] Das grundlegende ästhetische Prinzip besteht hier darin, dass sie ihre eigenen Konstruktionsprinzipien in ihrem eigenen Gegenstandsbereich auffindet.« (Nassehi 2017: 29) Nassehi verdeutlicht dieses Prinzip mit einem treffenden Vergleich, den er aus der Malerei entlehnt: »War die Sichtbarkeit des Pinselstrichs in der naturalistischen Malerei ein Hinweis auf technische Unfertigkeit, ist die Sichtbarkeit des Pinselstrichs als Pinselstrich in der abstrakten Malerei ein Hinweis auf die Konkretheit des Malens und die Beobachtung des Malers. Die Ästhetik der Systemtheorie [und in diesem Sinne auch des ›Poststrukturalismus‹ – Anm. B.N.] ist dementsprechend eine Ästhetik des Pinselstrichs, d.h. sie bemüht sich erst gar nicht darum, den Gegenstand so aufscheinen zu lassen, wie er ist, weil er ja nur so ist, wie er theoretisch gemalt ist.« (Ebd.: 30) Die Sichtbarmachung und Auseinandersetzung mit den Entstehungsprozessen, mit denen sich im vorangegangenen Kapitel befasst wurde, sowie die Einschreibung in und durch die produktive Tätigkeit die dieser Befassung zukommt, entspricht der Betonung und Verdeutlichung der Pinselstriche, auf die Nassehi hier verweist. Aufgrund dessen sollen nachfolgend die Entscheidungen über die Art und Weise der Darstellung der an das Material herangetragenen Lesart skizziert werden. Zunächst stellte sich die Frage, wie die Auseinandersetzung mit dem Material angeordnet wird: Sollen zunächst die Familienberichte befragt werden, um anschließend dieselben Fragen an das Interviewmaterial zu stellen? Dies schien zumindest auf den ersten Blick eine gangbare Weise, weil es eine übersichtliche ›Schritt‐für-Schritt‹-Präsentation der vorgenommenen Lesart verspricht. Allerdings re-/produziert eine solche Bezugnahme auf das Material auch ebenso eine vermeintliche Trennbarkeit. Insbesondere wenn aus einer performativitätstheoretischen Perspektive argumentiert wird, würde eine solche Trennung die vorgenommene Argumentation unterlaufen, da weiterhin von vorgängigen Entitä-

4 Die Regierung der Elternzeit

ten ausgegangen würde. Eine Trennung, selbst wenn diese ›nur‹ aus ›analytischen Gründen‹ vorgenommen würde, würde darüber hinaus auch Gefahr laufen, die konstitutiven Verschränkungen der spezifischen Konfigurationen aus dem Blick zu verlieren. So verweisen auch Bröckling und Krasmann darauf, dass es sich bspw. im Hinblick auf Dispositivanalysen als wenig fruchtbar erweist, die »Verschränkung zunächst analytisch aufzulösen und feinsäuberlich diskursive und nicht‐diskursive Praktiken voneinander [zu] trennen, um sie anschließend in einer Dispositivanalyse wieder zusammenzuführen. Dispositive sind ›MachtWissens-Formationen‹, in denen Aussageordnungen und Machtpraktiken nicht in einem additiven Verhältnis stehen, sondern strategisch miteinander verknüpft sind.« (Bröckling/Krasmann 2010: 24) So wird deutlich, dass es hierbei vor allem um die spezifische Konfiguration geht, in welcher die Ausführungen zu betrachten sind. Isoliert man einen dieser Aspekte, verändert sich das gesamte Gefüge. Aus diesen Gründen wird das Material der Familienberichte wie auch das verfügbare Interviewmaterial nicht voneinander getrennt, sondern an diversen Stellen aufeinander bezogen, wie dies im Rahmen des begrenzten Umfangs der Arbeit möglich ist. Eine weitere Frage betraf die Entscheidung, ob die hier darzulegenden zentralen Punkte bspw. entlang einzelner begrifflicher Themenkomplexe gegliedert werden sollen (bspw. nach ›Leistung‹, ›Familie‹, ›Effizienz‹, ›Eltern/Geschlecht‹ etc.), oder ob das Material entlang eines historischen Verlaufs durchquert werden soll, der sich entlang des Materials ergibt. In dieser Hinsicht gibt es sicherlich für beide Varianten der Aufbereitung passende Argumente. Da vor allem auch die Verschiebungen in ihrem Zeitkontext eine wichtige Rolle spielen und eine Ahistorisierung des Materials in jedem Fall vermieden werden sollte, wird versucht diesem Aspekt Rechnung zu tragen, indem sich wiederholende Themenkomplexe zwar erneut aufgegriffen und diskutiert werden, jedoch in ihrer zeitlichen Situierung belassen werden. Dadurch können diese hinreichend(er) mit anderen Aspekten der jeweiligen Zeitkontexte in Beziehung gesetzt und Verschiebungen zu früheren und/oder späteren Zusammenhängen kontrastierend herausgestellt werden. Im Hinblick auf die Frage nach dem Werden spezifischer Elternsubjekte im Kontext des BEEGs wird hierbei insbesondere auf zwei Themenkomplexe ausführlich Bezug genommen, die sich in dieser Hinsicht als miteinander verschränkt erweisen: einerseits eine Ökonomisierung des Privaten im Kontext der Elternzeit, die verdeutlicht, wie sich die Bezüge auf Elternschaft, Familie und Erwerbsarbeit im Kontext der Familienberichte der letzten 30 bis 40 Jahre verschoben haben und wie diese in variierender Weise mit bevölkerungspolitischen Aspekten untrennbar verknüpft werden. Andererseits, damit verbunden, die Bewegung von einer Naturalisierung zu einer (zumindest vordergründigen) ›Neutralisierung‹ von Elternschaft und Geschlecht, welche wesentlich mit den ökonomisch‐erwerbsspezifischen wie

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Die Regierung der Elternzeit

demographischen Facetten verschränkt ist. Auf diese Weise lassen sich die konstitutiven Wechselwirkungen zwischen diesen Beziehungen sichtbar machen, die bestimmte elterlichen Subjektivitäten innerhalb der gouvernemental‐biopolitischen Rahmung hervorbringen bzw. un-/wahrscheinlicher werden lassen.

4.2

Familiale Bezüge vom zweiten Familienbericht bis hin zum Bundeserziehungsgeldgesetz

Nicht erst durch die Novellierung des BEEGs im Jahr 2007 und die dessen Neuerungen umgebenden Verschiebungen lassen sich ökonomisch und demographisch ausgerichtete Abwägungen innerhalb der Familienpolitik nachzeichnen. Bereits in den 1970er Jahren zeigen sich vielfältige solcher Bezüge in den familien- und sozialpolitischen Überlegungen sowohl der Kommission des zweiten Familienberichts als auch der damaligen Bundesregierung. Sowohl der zweite als auch dritte Familienbericht des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit (BMJFG 1975; Deutscher Bundestag 1979) fallen in die Regierungszeit der sozial‐liberalen Koalition aus SPD und FDP unter dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (1974-1982).1 Wie der Politikwissenschaftler Karlheinz Niclauß ausführt, sah sich die Regierung Schmidt Mitte der 1970er Jahre mit vielfältigen neuen Herausforderungen konfrontiert (2015: 163), die in vielerlei Hinsicht mit »binnen- und außenwirtschaftlichen Problemen der siebziger Jahre« in Verbindung stehen (ebd.). Schmidt kann, Niclauß folgend, als der erste Kanzler gesehen werden, der – abgesehen von einer kurzen Phase der Rezession zur Zeit Ludwig Erhards – nicht durch das deutsche Wirtschaftswunder unterstützt wurde (ebd.: 164). Zentral für den gesellschaftlichen wie auch familienpolitischen Kontext dieser Zeit können einerseits die beiden Ölpreiskrisen 1973 und 1979 gesehen werden, die den wirtschaftlichen Abschwung auch für die breite Wähler*innenschaft spürbar machte (ebd.). Dies drückte sich insbesondere durch wesentliche Anstiege der Kurzarbeit als auch der Arbeitslosigkeit aus, wodurch, zu Beginn der Kanzlerschaft Schmidts, die Zeit der Vollbeschäftigung innerhalb der Bundesrepublik zu Ende ging (ebd.). So lag die Arbeitslosenquote 1975 knapp über der Millionengrenze und sank bis 1980 nur knapp darunter (889.000) (ebd.). Andererseits zeigt sich auch, dass die Kanzlerschaft Schmidts bzw. die Regierung der sozial‐liberalen Koalition von vielerlei Krisen begleitet wurde. Niclauß verdeutlicht jedoch auch, dass sich mit dem Kanzlerwechsel von Willy Brandt zu Helmut Schmidt ein Wandel der politischen Grundstimmung innerhalb der Bundesrepublik vollzog, der sich insbesondere durch eine »zunehmende Skepsis gegenüber großangelegten Reformprojek1 Siehe zur Kanzlerschaft Schmidts ausführlich z.B. Karlheinz Niclauß (2015), Thomas Birkner (2016), Wolfgang Jäger und Werner Link (1987).

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ten« (ebd.: 166) ausdrückte, die auch von der breiten Wähler*innenschaft insofern geteilt wurde, als sich für wesentliche Teile der Bevölkerung durch die politischen Reformen der vorangegangenen Jahre nur in wenigen Fällen konkrete Verbesserungen der »Lebens- und Einkommensverhältnisse« ergaben (ebd.). Insofern sind die nachfolgenden Ausführungen des zweiten und dritten Familienberichts in einem gesellschaftlichen Klima situiert, in welchem sowohl ökonomische Krisen als auch eine ausgeprägte Skepsis gegenüber grundlegenden Reformen eine wichtige Rolle spielen.

Zum zweiten Familienbericht (1975) Innerhalb des zweiten Familienberichts (BMJFG 1975) fokussiert die damalige Bundesregierung unter Helmut Schmidt2 einen Begriff von Familie, der zum einen eng an die Ehe geknüpft ist und zum anderen die sogenannte ›Elternverantwortung‹ stark betont. Zwar erfolgt dies unter Bezug auf Artikel 6 des Grundgesetzes, in dem es in Abs. 1 heißt »Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.«3 , dennoch bewertet die damalige Bundesregierung die Ehe als eine zwischenmenschliche Bindung, »deren Bedeutung mit keiner anderen menschlichen Bindung verglichen werden kann« (ebd.: vi) und deren Eingehen »nicht lediglich ein Bekenntnis und eine Institutsgarantie, sondern eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts« (ebd.) darstellt. Insofern bildet die Ehe eine gesellschaftliche Institution, die für die damalige Bundesregierung mit keiner anderen Art der Bindung oder einem institutionellen Bündnis vergleichbar war. Von Bedeutung scheint hierbei zum einen, insbesondere auch hinsichtlich der Auseinandersetzung mit bzw. der Untersuchung von ›Familie‹, dass von einer aktuell (em-

2 Zum damaligen Kabinett unter Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) gehörten u.a. HansDietrich Genscher (FDP) als Vizekanzler und zuständig für Auswärtiges, Werner Maihofer (FDP), zuständig für Inneres, Hans-Jochen Vogel (SPD) als Bundesminister für Justiz, Hans Apel (SPD), zuständig für Finanzen, Hans Friedrichs (FDP) als Bundesminister für Wirtschaft sowie Katharina Focke (SPD), verantwortlich für Jugend, Familie und Gesundheit. Siehe für einen weiteren Überblick z.B. Karlheinz Niclauß (2015: 165). 3 https://dejure.org/gesetze/GG/6.html

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pirisch) vorfindbaren Familie ausgegangen wird4 , wobei damit kein Idealbild von Familie vorgegeben werden soll5 : »Ausgangspunkt für die Familienpolitik der Bundesregierung ist die Familie in ihrer heutigen Struktur, mit ihrem derzeitigen Selbstverständnis und mit den Funktionen, die sie in der sozialen und gesellschaftlichen Wirklichkeit wahrnimmt. Eine Familienpolitik, die sich an einer idealisierten Familie orientieren würde, hätte für die Familie keinen Nutzen.« (Ebd.: vii) Das heißt, Familienpolitik beruht in diesem Sinne auf der empirisch vorfindbaren Familie, die nicht an einem spezifischen Familienideal auszurichten sei. Wobei die Ausführungen der damaligen Bundesregierung zur Unvergleichbarkeit der Bindungsform Ehe hier zwar keine Pflicht zur Eheschließung vorsehen, jedoch auf normativer Ebene eine wesentliche Bewertung und Betonung mitführen, welche die Ehe als unterschwelliges normatives Leitbild sichtbar werden lassen. Dass sich darüber hinaus auch vielerlei andere explizite wie implizite Familien- und Geschlechternormen sowie wirtschaftliche und bevölkerungspolitische ›Erfordernisse‹ finden lassen, an denen ›Familie‹ ausgerichtet wird, wird sich noch an vielen Stellen zeigen. Zwar wird kaum ein konkretes Idealbild von Familie oder Elternschaft explizit gezeichnet, dennoch werden durch die spezifischen familienpolitischen Rahmungen bestimmte Formen elterlicher Subjektivität deutlich erwünschter als andere. 4 Dies verweist darauf, wie im Kontext bestimmter Wissensproduktionen, mithilfe spezifischer Formen der Datengenerierung entlang einer ›empirisch‹ vorfindbaren Normalität sich entsprechende Normen konstituieren. Die Relevanz der Wissenschaft wird von Seiten der damaligen Bundesregierung betont: »Da sich die gesellschaftliche Realität im Zeitablauf ständig wandelt und auch die politischen Maßnahmen selbst Veränderungsprozessen unterliegen, kann dieser Erkenntnisprozeß zu keinem Zeitpunkt als abgeschlossen angesehen werden. Vielmehr besteht die Notwendigkeit, einmal gewonnene Daten fortlaufend an der Wirklichkeit zu kontrollieren. Diese Notwendigkeit bedingt die Rolle der Wissenschaft im politischen Entscheidungsprozeß.« (BMJFG 1975: xi) Es wurde bereits deutlich, dass ebenjene Prozessierung nicht lediglich ›Realität‹ abbildet, sondern diese zuvorderst konstituiert. Besagte ›Notwendigkeiten‹ verweisen darüber hinaus auch auf das konstitutive Zusammenwirken bzw. Ineinandergreifen diverser Sphären wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und dem Verhältnis öffentlich/privat etc. Auch wird Mitte der 1970er Jahre bereits eine enge Zusammenarbeit mit freien Trägern zur Planung und Durchführung familienpolitischer Maßnahmen explizit gewünscht (ebd.: xiif.). Diese Verbindung von öffentlich‐privaten Partnerschaften, die hier bereits angelegt ist, diskutiert Detlef Sack (2006) vor dem Hintergrund der Diskurse um ›aktivierende‹ Staatlichkeit im Kontext von Anrufungen zur Selbst-Führung und der Neuvermessung des Verhältnisses zwischen Staat, Markt und Gesellschaft. 5 Wobei im Hinblick auf die Auseinandersetzungen mit dem zweiten Familienbericht auch sehr kritische Töne in Bezug auf die Konzeptualisierung von Familie deutlich werden, die z.B. monieren, dass Familie nicht mehr in ihrem Eigenwert berücksichtigt wird (z.B. Willecke/Willecke 1976; Rauscher 1979).

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Die Kommission6 des zweiten Familienberichts definiert zunächst Familie als das Beziehungsgefüge eines Elternpaares mit einem oder mehreren Kindern (Kernfamilie), wobei diese sowohl leiblich als auch adoptiert sein können (ebd.: 17). Eine erste ›qualitative‹ Differenzierung von Familie wird dabei in ihrer ›Un-/Vollständigkeit‹ hervorgebracht: »Dieser enge Begriff der Kernfamilie legt fest, daß Kinder in einer ›vollständigen‹ Familie einen Vater und eine Mutter besitzen. Ist sie ›unvollständig‹, weil ein Elternteil aufgrund von nicht‐ehelicher Geburt, Trennung oder Verwitwung fehlt, kann von Mutter- bzw. Vaterfamilie im Unterschied zur Elternfamilie gesprochen werden.« (Ebd.: 17) Bedeutsam scheint hierbei nicht nur die heteronormative Fassung von Familie im Sinne einer Vater-Mutter-Kind-Familie, sondern darüber hinaus, dass eine Familie nur dann als ›vollständig‹ gelten konnte, sofern diese durch eine Eheschließung getragen wird, was in dieser Hinsicht auf eine normative Privilegierung der heterosexuellen Ehe sowie elterlicher, vergeschlechtlichter Subjektivität verweist. Darüber hinaus werden zwar auch all jene Familien als unvollständig adressiert, in denen ein Elternteil tatsächlich fehlt (bspw. durch Verwitwung), jedoch ausgeblendet, dass auch ein ›anwesender‹ ehelicher Elternteil, bspw. durch extensive Erwerbsarbeit als ›abwesend‹ gelten könnte, z.B. wenn dieser aufgrund beruflicher Abwesenheit häufig(er) nicht verfügbar ist.7 Neben den als heterosexuell adressierten Eltern wird so auch eine Form von Familie und elterlicher Subjektivität erzeugt, die sich durch physische Anwesenheit realisiert. Obwohl die damalige Bundesregierung betonte, dass es nicht ihre Aufgabe sei, in die, innerhalb der rechtlichen Ordnung variierenden, familialen Lebensformen einzugreifen, stellt sie dennoch eine klare Ausrichtung eines familienpolitischen Rahmens vor, an welchem sich ihre Familienpolitik orientiert und die dezidiert 6 Die Expert*innenkommission des zweiten Familienberichts setzte sich aus dem Soziologen Friedhelm Neidhardt als Vorsitzendem sowie folgenden Mitgliedern zusammen: Kurt-Günther Gehrken, Senatsdirektor der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung Hamburgs, Ursula Lehr, Professorin für Pädagogik und pädagogische Psychologie, Klaus Mollenhauer, Professor für Sozialpädagogik, Franz Pöggeler, Prof. für Pädagogik, Hermann Schubnell, Direktor des Statistischen Bundesamts sowie Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, und Emily Stahl, Professorin für Pädagogik. Geschäftsführer der Kommission waren die Soziologen Rudolf Pettinger sowie Klaus Wahl. 7 Man denke bspw. auch an die als abwesend geltenden Väter im und nach dem Zweiten Weltkrieg, die entweder tatsächlich physisch abwesend waren, indem sie bspw. im Krieg gefallen waren oder aber auch in moralischer Hinsicht als ›abwesend‹ galten und nicht als moralisches Vorbild dienen konnten (vgl. z.B. H. Walter 2002; W. Walter 2002; Limmer 2007; H. Walter 2008a; Matzner 2009).

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auf das gerade gezeigte Leitbild abhebt. Zum einen wird ein eher bürgerlich‐konservatives Familienbild deutlich, wenn darauf verwiesen wird, dass die Regierung von »dem überlieferten und weithin von der Gesellschaft bejahten Leitbild der im Grundsatz lebenslangen ehelichen Gemeinschaft« (ebd.: viii) ausgehe. Dennoch wird zum anderen auch auf ein anderes Geschlechterverhältnis verwiesen: »einem neuen, zunehmend anerkannten auf Gleichberechtigung und Partnerschaft beruhenden Rollenverständnis von Mann und Frau« (ebd.) bzw. auch auf eine Berücksichtigung und Miteinbeziehung kindlicher Interessen und der gesellschaftlichen Anerkennung lediger Eltern mit Kindern als eine Familie (ebd.). Allerdings zeigt sich, wie die Historikerin Wiebke Kolbe (2002: 308) darstellt, dass sich der Begriff »Gleichberechtigung« im Sprachgebrauch der Parlamentarier*innen der 1970er Jahre vor allem auf »Chancengleichheit« von Frauen und Männern in beruflicher Hinsicht bezog. Wenn sich auf das Geschlechterverhältnis bezogen wurde, sprachen Politiker*innen »in der Regel nicht von Gleichberechtigung, sondern von Partnerschaft« (ebd.). Geschlechtertheoretisch ist dieser Punkt insofern von Bedeutung, als dass die Unterscheidung von ›Partnerschaft(lichkeit)‹ und ›Gleichberechtigung‹, Kolbe folgend, dazu diente, eine Verwechslung mit geschlechtlicher »Gleichheit« zu vermeiden (ebd.). Insofern wird ein spezifisches Verhältnis zu Familie, Elternschaft und Geschlecht deutlich. Obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt von Seiten der Bundesregierung auf Bestrebungen der Gleichstellung zwischen Männern und Frauen hingewiesen und »die Beseitigung der gesetzlichen Verankerung des Leitbildes der sog. Hausfrauenehe« (ebd.: viii) angestrebt wird, geht es zu diesem Zeitpunkt familienpolitisch nach wie vor insbesondere paradigmatisch darum, die »Hausfrauentätigkeit« aufzuwerten und mit der Erwerbsarbeit gleichzustellen: »Um aber eine übermäßige Belastung eines Ehegatten mit Erwerbstätigkeit und Hausarbeit oder die Vernachlässigung der Kinder zu vermeiden, legt der Gesetzentwurf ausdrücklich fest, daß auf die beiderseitigen Belange der Ehegatten und der Familie Rücksicht zu nehmen ist. Eine Aufwertung der Hausfrauentätigkeit, insbesondere der Pflege und Erziehung von Kindern, bezweckt die Vorschrift, daß der Beitrag zum Familienunterhalt durch Haushaltsführung dem durch Erwerbstätigkeit gleichsteht.« (Ebd. – Kursivierung B.N.) In dieser Hinsicht wird deutlich, dass – und in welcher Weise – die Gleichstellung und Partnerschaft zwischen Männern und Frauen, Müttern und Vätern zu interpretieren ist. Zwar sollen beide Eltern innerhalb der Ehe gleichberechtigt und gleichwertig sein, dennoch bleibt eine klare Aufgaben- und Sphärenteilung in vergeschlechtlichter, heteronormativer Weise erhalten. Insbesondere die Vermeidung »übermäßiger Belastungen« eines Elternteils, die auch zu Lasten der Kinder gehen könne, wird als Argument vorgebracht. Dass hierbei der Haushalt sowie Sorgeaufgaben dezidiert ›mütterliche‹ Aufgaben sind, wird durch den Verweis der

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Aufwertung der Hausfrauentätigkeit sowie die damit verknüpfte Pflege und Erziehung von Kindern zum Ausdruck gebracht. Zwar geht es der damaligen Bundesregierung um eine – von ihr intendierte– »Aufwertung« des ungleichen, asymmetrischen Verhältnisses zwischen Sorge- und Erwerbsarbeit, dennoch bleiben die Sphären in dieser Hinsicht klar voneinander getrennt und Sorgetätigkeiten dezidiert (Haus-)Frauentätigkeiten. Die damalige Bundesregierung betont, dass sie die Schwierigkeiten auf dem Weg hin zu einer »partnerschaftlichen Familie« (ebd.: ix) abbauen möchte und weist damit mindestens implizit doch auf ein spezifisches ›Familienideal‹ hin.8 Zwar wird auf die Notwendigkeit einer oder auch mehrerer konstant verfügbarer Bezugspersonen (ebd.) hingewiesen und damit Elternschaft, zumindest potenziell, nicht ausschließlich an Mütter gebunden, dennoch verweist die damalige Bundesregierung auf die Notwendigkeit der Verbesserung der frühkindlichen Entwicklung. Sie problematisiert im darauffolgenden Satz die zunehmende Erwerbstätigkeit beider Eltern (ebd.): »Schwierigkeiten ergeben sich vor allem bei zunehmender Erwerbstätigkeit beider Elternteile. Zum Teil liegt die Ursache darin, daß nach traditionellem Rollenverständnis die Erziehung des Kindes als eine fast ausschließliche Aufgabe der Frau angesehen wird. Je mehr sich die partnerschaftliche Familie durchsetzt, in der Mann und Frau gemeinsam für Haushalt und Erziehung verantwortlich fühlen, desto eher werden sich bessere Wege finden, Frauen die Chancen zur wahlfreien Lebensgestaltung zu geben, ohne den Kindern die Chance einer optimalen Sozialisation zu nehmen. Notwendig ist allerdings, daß sich die außerfamilialen Lebensbereiche, insbesondere der Arbeitsbereich mit seinen Arbeitsbedingungen auf die von der partnerschaftlichen Familie gemeinsam wahrgenommene Sozialisationsaufgabe einstellen, sie erleichtern und begünstigen.« (Ebd.) Einerseits werden zwar tradierte Rollenverständnisse zwischen den Geschlechtern sowie der Verweis von Frauen auf die Sphäre des Haushalts und Sorgetätigkeiten problematisiert, andererseits wird jedoch jene Zuschreibung im Kontext der »Aufwertung der Hausfrauentätigkeit« mitsamt der geschlechtlichen Zuschreibungen an bestimmte Subjekte re-/produziert: Obwohl ein positiver Bezug zu einer familialen ›Partnerschaftlichkeit‹ zwischen Müttern und Vätern prospektiv hergestellt wird, sind es vor allem Frauen, denen eine größere Wahlfreiheit der Lebensgestaltung gegeben werden müsse, ohne dass dadurch den Kindern eine optimale Entwicklung tangiert wird. Zwar waren es, historisch betrachtet, zu diesem Zeitpunkt 8 Kolbe (2002: 308) verdeutlicht, dass es bei dem Bezug auf eine »partnerschaftliche[n] Ehe« weniger um eine geschlechtlich symmetrische Aufgabenteilung handelte als darum, die anfallenden Aufgaben des gemeinsamen Zusammenlebens im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln. Auch sollte damit die Gleichwertigkeit von Haus- und Erwerbsarbeit betont werden (ebd.).

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tatsächlich vor allem Frauen, denen diesbezüglich eine größere Wahlfreiheit eingeräumt werden musste, dennoch bleibt durch die Art und Weise der Thematisierung und politischen Rahmung dieser Punkt zum einen einseitig auf die Wahlfreiheiten von Frauen/Müttern beschränkt – entsprechende Wahlfreiheiten von Männern/Vätern sind zu diesem Zeitpunkt scheinbar noch kaum ein Thema (vgl. auch Kolbe 2002: 309); Zum anderen wird diese mütterliche Freiheit in direkter Weise zur potenziellen Gefahr für die kindliche Entwicklung, denn die Wahlfreiheit soll in Bahnen verlaufen, die ebenjene Entwicklung nicht gefährdet und steht dabei in einem unmittelbarem konstitutiven Bezug zu den Emanzipationsbemühungen von Frauen, die darüber hinaus insofern an die Bedingung geknüpft sind, dass die kindliche Entwicklung nicht gefährden wird (auch Lüscher 1976: 287). Dadurch wird insbesondere der emanzipatorische Anspruch von Müttern (nicht aber das Fernbleiben von Vätern) zu einem Risiko der kindlichen Sozialisation, was erneut die primäre Zuständigkeit von Frauen und Müttern hinsichtlich Sorgetätigkeiten unterstreicht und festigt. Zwar erklärt das obige Zitat auch die Notwendigkeit der Veränderung der Arbeitswelt, welche sich auf die gemeinsam erbrachte Sozialisationsaufgabe durch beide Eltern einstellen müsse, dennoch wird die Strukturierung der Subjektpositionen Mutter und Vater in ihrem asymmetrischen Verhältnis in puncto Sorgearbeit sowie in Relation zur Erwerbsarbeit nicht grundlegend aufgebrochen, da für die (früh-)kindliche Entwicklung vor allem die Wahlfreiheit und Lebensgestaltung der Mütter zum Thema gemacht wird, nicht jedoch gleichermaßen die Väter bzw. allgemeiner der Elternteile.9 Die Problematisierung der Doppelverdienerpaare macht auch deutlich, dass scheinbar kaum Rahmungen oder Entwürfe denkbar waren, in der elterliche Praxis auch mit zwei vollzeiterwerbstätigen Eltern möglich schien. Der zugrunde liegende Referenzrahmen bleibt somit jener der bürgerlichen Kernfamilie mit einem männlichen Hauptverdiener und einer Sorgearbeit leistenden Mutter. Auch innerhalb der Forschungsliteratur wird in diesem Zusammenhang von einer Entweder/oderEntscheidung der Elternteile (vor allem von Müttern) ausgegangen (Lüscher 1976: 287). Vor dem Hintergrund psychologischer Forschung zur Bindungstheorie konstatiert der Psychologe Klaus Grossmann: »Diese Ergebnisse verbieten eine institutionelle Alternative und auch leichtfertig akzeptierte Möglichkeit beider Eltern, bald nach der Geburt des Kindes wieder voll berufstätig zu sein.« (Grossmann 1976: 291) Die Forschungsergebnisse legen für Grossmann auch den Schluss nahe, dass »diese Tatsachen schwer vereinbar mit Zielen der Emanzipation und den Egoismen eines hypertrophierenden Individualismus« (ebd.) sind. Allerdings erklärt dies nicht die zumeist einseitige Fokussierung auf die Mutter-Kind-Bindung 9 Diese asymmetrische Anlage bzw. auch die Ausblendung von Co-Eltern kann hierbei als Effekt des geschlechtlich‐konzeptionellen Rahmens, d.h. der gouvernementalen Vermeidung von Geschlechter›gleichheit‹ gesehen werden.

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bzw. die Kritik an Emanzipationsbemühungen von Frauen, da, wie Kolbe zeigt, sich während der 1970er Jahre entwicklungspsychologische Studien zunehmend (auch) auf die Vater-Kind-Beziehung konzentrierten (2002: 309). Der Wirtschaftswissenschaftler Willi Albers verweist darauf, dass die Verantwortung gegenüber den Kindern »Opfer für die Familie gebieten kann« (1976: 300), wobei diese Opferbereitschaft einseitig von den Müttern erwartet wird. In indirekter Weise wird damit ein Diskurs um Mutterschaft zitiert, in welchem vor allem das Subjekt Mutter dasjenige ist, das sich aufopfernd, behütend und sorgend selbst zurücknimmt, um für ihre Nachkommen zu sorgen. Entsprechende Emanzipationsbemühungen werden dabei zur Gefährdung der (früh-)kindlichen Entwicklung eines egoistischen Muttersubjekts. Der hier aufgerufene Diskurs, unterstützt durch wissenschaftliche Evidenzproduktion im Sinne einer Regulierung von Sichtbarkeiten, verweist dabei sowohl Mütter als auch Väter auf ›ihre‹ Plätze. Mitte der 1970er Jahre werden zwar bereits Überlegungen für ein »Erziehungsgeld« angestellt, jedoch »mit Rücksicht auf die Haushaltssituation« (BMJFG 1975: x) als zurzeit nicht umsetzbar angesehen. Vor dem Hintergrund der eingangs geschilderten ökonomischen und gesellschaftlichen Situierung der 1970er Jahre, mitsamt des grundlegenden wirtschaftlichen Abschwungs, erscheint dieser Punkt durchaus nachvollziehbar. Bis zur Einführung des Erziehungsgeldes sollte es noch gut zehn Jahre dauern. Auch bleibt für die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt offen, ob die Einführung eines Erziehungsgeldes »langfristig volkswirtschaftlich tragbar« wäre (ebd.) bzw. »mit welcher Verminderung des Arbeitskräftepotentials in den verschiedenen Produktions- und Dienstleistungsbereichen zu rechnen ist und wie sich diese Verminderung arbeitsmarktpolitisch und volkswirtschaftlich auswirkt« (ebd.: xvii). Hierzu zählen auch offene Fragen danach, ob es einer Arbeitsplatzgarantie bedarf oder in welcher Beziehung das Erziehungsgeld zur Renten- oder Krankenversicherung stehen soll bzw. wie sich dieses Instrument zu jenem der Sozialhilfe allgemein stellt (ebd.). Bereits in diesen Überlegungen Mitte der 1970er Jahre wird die Relevanz des Erziehungsgeldes bzw. der Elternzeit als arbeitsmarktpolitisches wie volkswirtschaftliches Instrument deutlich. Strategisch setzt man soweit es die die Reg(ul)ierungspraxis zu dieser Zeit betrifft eher auf ein breit gefächertes Angebot an familialen Unterstützungsleistungen: »Nach Auffassung der Bundesregierung löst aber ein staatliches Erziehungs- oder Karenzgeld allein die Probleme frühkindlicher Erziehung nicht. Der Entscheidungsfreiheit von Mann und Frau hinsichtlich ihres Rollenverständnisses in Familie und Gesellschaft entspricht am ehesten ein breit gefächertes System von Hilfen, die eine auf den Einzelfall zugeschnittene Förderung der Familienerziehung ermöglichen.« (Ebd.: x) Hierbei bleibt anzumerken, dass neben der zu prüfenden Finanzierbarkeit eines Erziehungsgeldes auch bestehende Steuerpläne wie das Ehegattensplitting nicht

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angetastet werden sollen (ebd.). Insbesondere das Ehegattensplitting entspricht in dieser Hinsicht der von der damaligen Bundesregierung angestrebten Aufwertung der Hausfrauentätigkeit. Es gilt als »Ausdruck der Gleichwertigkeit der Arbeit von Mann und Frau, und zwar unabhängig davon, wo diese Arbeit geleistet wird, ob im Erwerbsleben oder im Haushalt und bei der Kinderbetreuung.« (Ebd.: xvii) Dabei dient dieser Ausdruck der ›Gleichwertigkeit‹ über die Strukturierung des Ehegattensplittings insbesondere auch dazu, die geschlechtliche Sphärentrennung zu erhalten. Dass auch das Hauptproblem dieser ›partnerschaftlichen‹ Entwicklungen auf Seiten der Frauen gesehen wird, unterstreichen diverse Bezüge innerhalb des zweiten Familienberichts sowohl von Seiten der damaligen Bundesregierung als auch der Kommission. So soll durch Förderung der Elementarerziehung neben dem Abbau von Chancenungleichheit insbesondere »die verheiratete Frau« (ebd.: x) entlastet werden. Auch wird dem »Rollenproblem der Frau« von Seiten der Expert*innenkommission ein eigener Abschnitt gewidmet (ebd.: 138ff.), in welchem Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zwar durchaus als beachtenswerte familienpolitische Themenfelder relevant gemacht, jedoch einseitig in Bezug auf Frauen problematisiert werden. Zwar lässt sich zu Recht argumentieren, dass die Problematik zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich insbesondere für Frauen und Mütter ein wesentliches Rollenproblem darstellte; jedoch bleibt – auch vor dem Hintergrund einer Thematisierung zunehmender »Partnerschaftlichkeit« (s.o.) – eine weiterführende Reflexion aus bzw. wird durch die grundlegend dichotome Konzeption der Subjektentwürfe versperrt. Wiebke Kolbe konstatiert entlang der bereits aufgeworfenen begrifflichen Differenzierung von ›Gleichberechtigung‹, ›Chancengleichheit‹ und ›Partnerschaftlichkeit‹: »Während das Geschlechterverhältnis in Ehe und Familie im Sinne von Partnerschaft und Wahlfreiheit bestimmt wurde, blieb Gleichberechtigung nicht nur auf den Erwerbsbereich beschränkt, sondern wurde zudem […] in der Regel als reines ›Frauenproblem‹ erörtert.« (Kolbe 2002: 308f.) Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen, wie Subjektivitäten um Mutter- und Vaterschaft regulativ hervorgebracht werden, indem bspw. insbesondere die Erwerbstätigkeit des Subjektentwurfs Mutter zur Gefahr der kindlichen Entwicklung wird, während sie mit Blick auf das Subjekt Vater nicht generell zum Thema wird. Eine kritische Diskussion dieses für Elternschaft konstitutiven Strangs, wie dem stärkeren Einbezug von Subjektentwürfen um Vaterschaft in den familialen Binnenraum, wird – im Kontext der Familienberichte – weitestgehend noch 20 Jahre auf sich warten lassen und zum ersten Mal in ausführlicher Weise im Rahmen des

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fünften Familienberichts (BMFSFJ 1994) erfolgen.10 Dass es sich hierbei vor allem um vergeschlechtlichte Strukturprobleme handelt, wird nicht vertiefend reflektiert. Dies scheint umso problematischer, als damit auch die Produktivität ebenjener subjektivierender Adressierungen unsichtbar bleibt, die insbesondere Frauen bzw. Mütter zu einem defizitären (Eltern-)Subjekt erklärt, ohne dabei die Entstehungsbedingungen bzw. die Bedingtheiten ebenjener Zurichtungen in den Blick nehmen zu können, die dafür sorgen, dass Frauen/Mütter zu ebenjenen Subjekten werden. Die Verfolgung der Spuren familienpolitischer Entwicklungen scheint hier zentral, da sich, gerade auch in Bezug auf das Thema der Elternzeit sowie der Frage nach dem Werden spezifischer Subjektivitäten, in den vergangenen 30 bis 40 Jahren wesentliche Verschiebungen ergeben haben. Der einseitige Bezug auf ein ›Rollenproblem von Frau‹ wird ebenso innerhalb der Forschungsliteratur aufgegriffen und häufig auch in dieser Weise re-/produziert. So finden sich bspw. innerhalb des Diskussionsforums der Zeitschrift für Soziologie von 1976 zwar einige Beiträge, die sich in diverser Weise kritisch (aber auch lobend) mit dem zweiten Familienbericht befassen, im Hinblick auf die Diskussion der geschlechterpolitischen Ausrichtung aber dennoch weitestgehend eine tradierte Rollenaufteilung zwischen Müttern und Vätern wiederholen (vgl. Lüscher 1976; Grossmann 1976; Hassenstein 1976; Albers 1976; Kaufmann 1976). Wobei Väter innerhalb des Beitrags des Soziologen Kurt Lüscher zumindest auftauchen, wenn er darauf verweist, dass ein kleines Kind einer ständigen Bezugsperson bedarf und Väter – zumindest bisweilen – als günstigste Lösung erscheinen (Lüscher 1976: 287); oder wenn der Verhaltensbiologe Bernhard Hassenstein konstatiert, dass der Vater »etwa in Notfällen auch zur Hauptbezugsperson für einen Säugling werden« (1976: 295) kann. Insgesamt fällt dennoch auf, dass dem Subjektentwurf Mutter im Rahmen der meisten Beiträge dieser Zeit die primäre Sorgeverantwortung zugeschrieben wird, während Väter lediglich in Ausnahmesituationen Berücksichtigung finden. Zwar formuliert die Kommission des zweiten Familienberichts die Aufgabe der Erbringung entsprechender familialer Leistungen in einer nicht näher geschlechtlich spezifizierten Weise, dennoch scheint auch für sie relativ eindeutig zu sein, dass die Pflege- und Erziehungsleistungen auf Seiten der Mütter liegen (sollen), wenn diese in Bezug auf die Einschränkung bzw. das Aufgeben ihrer Erwerbstätigkeit im Kontext des Elterngeldes genannt werden: 10 Was nicht bedeutet, dass dies während der 1980er Jahre kein gesellschaftliches oder politisches Thema gewesen wäre. Eine gleichberechtigte Beteiligung von Vätern (oder andere Formen von Elternschaft) standen Ende der 1970er Jahre weder für CDU/CSU noch für die SPD im Fokus (Kolbe 2002: 309). Bezüglich der politischen Debatten der 1980er Jahre verschob sich dieser Fokus insofern, als nun, zu Zeiten der Regierung Helmut Kohls (CDU), auch die SPD – und insbesondere die sich neu etablierenden Grünen – versuchten, den sozialen Wandel zu beschleunigen (ebd.: 356ff.).

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»Ein lebensalterspezifisches Problem betrifft hier vor allem die Phase der ersten Lebensjahre des Kindes: In dieser Zeit wird von der Familie erwartet, daß sie exklusiv die Erziehung der Kinder leistet. Angesichts der absoluten Abhängigkeit des Kindes in dieser Altersphase von den Pflege- und Erziehungsleistungen seiner Betreuungspersonen sind diese Leistungen seitens der Familien vielfach nur durch eine Einschränkung in der Lebensführung zu erreichen, etwa durch die Aufgabe der mütterlichen Erwerbstätigkeit. Die Einführung eines Erziehungsgeldes ist hier als Anerkennung dieser von den Familien erwarteten Sozialisationsleistung konzipiert.« (BMJFG 1975: 75 – Kursivierung B.N.) So wird die Anerkennung der familialen Leistung durch das Erziehungsgeld insbesondere auch zu einer Anerkennungsleistung mütterlicher Leistungen, wodurch das Elterngeld in gewissem Sinne feminisiert wird. Zwar weist die Kommission darauf hin, dass ebenjenes »Honorar« prinzipiell auch von Vätern bezogen werden könne und deshalb nicht »Müttergeld« heißen solle, dennoch bleibt die Konnotation, insbesondere durch die kritischen Bezugnahmen auf die Erwerbsarbeit von Müttern, erhalten. Das Erziehungsgeld soll einerseits eine Anerkennung der familialen Leistung darstellen, verdeutlicht andererseits jedoch auch, dass es in diesem Entwurf von 1975 vor allem als eine weitgehend auf Mütter ausgerichtete Leistung konzipiert wurde, die besagter »Aufwertung der Hausfrauentätigkeit« entspricht. Dass es aus Sicht der Kommission tatsächlich um »Zielkonflikte« zwischen den Emanzipationsbemühungen vieler Frauen im Sinne einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit und den Anspruch des Kindes »auf eine gesicherte Entwicklung und Erziehung« (ebd.) geht, unterstreicht erneut die kritische Bezugnahme auf das Thema weiblicher Erwerbstätigkeit, die bereits angesprochen wurde. Die Emanzipationsbemühungen erwerbstätiger Mütter werden auf diese Weise zur Gefahr für die kindliche Entwicklung, was durch die mütterzentrierte Perspektive in Bezug auf Sorgeverantwortung noch verschärft wird. Insofern steht die Erwerbstätigkeit von Müttern auch in direkter Weise gegen das Recht des Kindes »auf eine gesicherte Entwicklung« und performiert durch diese Perspektivierung eine vergeschlechtlichte Verantwortungslosigkeit, die an eine spezifische Subjektivationspraxis gebunden ist. Dieser Anspruch bzw. das Recht des Kindes ist dabei in expliziter Weise an die Mutter gerichtet (nicht aber an den Vater oder gegenüber den Eltern allgemein), so dass in dieser Hinsicht dem Verweis auf eine zunehmende gleichberechtigte ›Partnerschaftlichkeit‹ nur innerhalb des konzeptionellen Rahmens der spezifischen familienpolitisch‐begrifflichen Bezüge auf ›Gleichberechtigung‹ und ›Partnerschaftlichkeit‹ entsprochen wird. Dass entsprechende Konzeptionen von Elternschaft prinzipiell anders denkbar sind, wurde bereits aufgeworfen und wird sich in den familienpolitischen Verschiebungen der nachfolgenden Familienberichte konkretisieren. Indes wird die konstitutive Produktivität besagter familienpolitischer Rahmungen deutlich. Wie ›gefährlich‹ Überlegungen eines

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Erziehungsgeldes in diesem Zeitraum als Motivator mütterlicher Erwerbstätigkeit waren, zeigt sich auch darin, dass die Berichtskommission darauf verzichtet, einen ausgearbeiteten Entwurf des Elterngeldes vorzulegen, um Müttern nicht einen Abbruch ihres Betreuungsverhältnisses in den ersten drei Lebensjahren nahezulegen (ebd.: 94). Mütter, die sich trotz Erziehungsgeld für eine Erwerbstätigkeit entscheiden, sollten dieses an institutionalisierte Betreuungspersonen vollständig abtreten müssen (ebd.). Auch dies betont eine Präferenz mütterlicher Sorgetätigkeit gegenüber ihren Emanzipationsbemühungen. Darüber hinaus zeigt sich, wie die familienpolitischen Erwägungen einen Rahmen installieren, der nicht nur eine bestimmte Form mütterlicher fürsorgeverantwortlicher Subjektivität (in Relation zu einem auf Erwerbsarbeit ausgerichteten Vatersubjekt) erzeugt, sondern über diese Rahmung eine Strukturierung hervorgebracht wird, die es insbesondere Müttern nahelegen soll, von einer ausgeprägten Erwerbstätigkeit Abstand zu nehmen und sich auf diese Weise in der so erhöhten Wahrscheinlichkeit ihres Gelingens selbst realisiert. In Teilen der Forschungsliteratur im Kontext des zweiten Familienberichts wird ebenfalls ein zentraler Konflikt zwischen den »Emanzipationsbewegungen« der erwerbstätigen Mütter und den Kindern deutlich (z.B. Albers 1976; 300; Grossmann 1976: 292; Hassenstein 1976: 294; Lüscher 1976: 287; Willeke/Willeke 1976: 9; Rauscher 1979: 52). Willi Albers sieht dies als »[e]ine der umstrittensten Fragen der Familienpolitik« (Albers 1976: 300). In Widerstreit stehen hierbei einerseits der Vorschlag für Tagesmütter und das Erziehungsgeld andererseits (ebd.). Insgesamt scheinen die Einlassungen innerhalb der Forschungsliteratur dieser Zeit negativ gegenüber einer ausgeprägt(er)en mütterlicher Erwerbstätigkeit eingestellt, da auch hier negative Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung befürchtet werden. Das zu dieser Zeit, Mitte bis Ende der 1970er Jahre, zumindest geplante Erziehungsgeld, wird als Alternative für Mütter gesehen. So empfiehlt Bernhard Hassenstein bspw.: »Im Rollenkonflikt der Mutter zwischen Familie und Berufstätigkeit sollte sich die Familienpolitik kompromisslos zum Anwalt der Familie und damit der Kinder machen; für die Gegenposition gibt es Anwälte genug.« (Hassenstein 1976: 298) Auch der Theologe und Sozialethiker Anton Rauscher konstatiert mit Bezug auf das Modellprojekt ›Tagesmütter‹11 und der Ablehnung des Erziehungsgeldes innerhalb des zweiten Familienberichts: 11 Das Modellprojekt Tagesmütter war das erste Forschungsprojekt dieser Art in der Bundesrepublik Deutschland und wurde vom 1. Juli 1974 bis zum 1. Juli 1979 vom Deutschen Jugendinstitut durchgeführt. Ausführliche Informationen dazu finden sich auf der Seite des DJI: https://www. dji.de/ueber‐uns/projekte/projekte/modellprojekt‐tagesmuetter/weiter.html – zuletzt aufgerufen am 25.03.2019. Wie Kolbe (2002: 320) darstellt, stieß das Projekt sowohl in der Öffentlichkeit als auch innerhalb der CDU/CSU auf erhebliche Kritik, so dass keine weiteren Maßnahmen für eine weitere bzw. umfassendere Förderung ergriffen wurden.

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»Von dieser Argumentationsbasis her erhält das Erziehungsgeld nicht mehr den Vorrang gegenüber jenen Ersatzlösungen, wie es ›Tagesmütter‹ – ein anthropologischer Unbegriff ! – sind. Es ist ein Skandal, daß für ein derartiges Experiment [gemeint ist das Tagesmütter-Modellprojekt – Anm. B.N.] Millionenbeträge aufgewandt werden, während das Erziehungsgeld noch nicht einmal im Ansatz ernsthaft erwogen wird. Sogar kommunistische Staaten – wie die DDR – haben inzwischen eine Art ›Babyjahr‹ eingeführt.« (Rauscher 1979: 52) Erneut wird nicht nur eine Privilegierung des Erziehungsgeldes gegenüber einem Konzept wie dem der Tagesmütter deutlich, wenn Rauscher hier den nicht gewährten »Vorrang gegenüber jenen Ersatzlösungen« beklagt, sondern letztlich auch das Konzept von Tagesmutterschaft als anthropologisches Unding gerahmt, dem darüber hinaus lediglich die abwertende Rolle einer Ersatzlösung zugeschlagen wird. Vor dem Hintergrund, dass mit dem Erziehungsgeld insbesondere die Aufwertung mütterlicher Sorgetätigkeit forciert werden soll, wird damit Stellung gegen eine zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen artikuliert. Des Weiteren trifft die Behauptung von Rauscher, dass ein Modellversuch zum Erziehungsgeld nicht in Erwägung gezogen wurde, nicht zu: Das Land Niedersachsen führte einen entsprechenden Versuch zwischen dem 1. Juli 1978 und dem 31. Dezember 1980 durch (vgl. Speil 1981: 10).12 Andere Autoren bringen den »Geschlechterrollentausch« bzw. eine »Geschlechterrollendiffusion« gar mit der Entwicklung psychischer Erkrankungen wie Schizophrenie in Verbindung: »Die Schizophrenieforschung (Lidz) hat überzeugend nachgewiesen, daß Geschlechterrollentausch und -diffusion als ausschlaggebende Ursachen für die Entstehung von Schizophrenie angesehen werden müssen.« (Willeke/Willeke 1976: 10) Dadurch wird auch auf dieser Ebene eine tradierte Rollenteilung in geschlechterdifferenzierender Weise begründet und im Kontext wissenschaftlicher Wissensproduktion begründet wie legitimiert. Durch diese normativen Rahmungen wird insbesondere die Erwerbstätigkeit von Müttern (nicht aber der Väter!) zu einem vielschichtigen Problem. Besagter »Tausch« der Geschlechtsrollen setzt dabei voraus, dass die vergeschlechtlichten wie vergeschlechtlichenden Rollen auf natürliche Weise mit dem zugewiesenen Geschlecht verschränkt sind. Auch eine Diffusion dieses ›evidenzbasierten‹ wissenschaftlichen Ordnungsschemas gerät dabei nicht 12 Rudolf Pettinger (2000: 244) verweist darauf, dass die damalige »konservative« Bundesregierung, die Mitte der 1980er Jahre das Erziehungsgeld einführte, sich vor allem dazu verpflichtet sah, dass die Erziehung und Sorge in den ersten Lebensjahren des Kindes von den Familien selbst übernommen werden sollte. Dies zeige sich auch an der Beendigung des Modellprojekts zu Tagesmüttern (ebd.).

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nur zur Gefahr für das elterliche Subjekt, indem ein pathologisierender Zusammenhang von Schizophrenie und normabweichendem arbeitsteiligen wie sorgeverantwortlichen Verhalten hergestellt wird, sondern in diesem Sinne auch für die kindliche Entwicklung. Das Wohl und die Entwicklung der Kinder werden zu dieser Zeit häufig als Argument eingesetzt, um einerseits bestehende familienpolitische Entscheidungen zu stützen, andererseits um bestimmte vergeschlechtlichte Zuschreibungen zu legitimieren. Die Expert*innenkommission des zweiten Familienberichts ist diesbezüglich in ihrer Bezugnahme etwas zurückhaltender. Sie verweist darauf, dass, zugespitzt formuliert, eine zufriedene, arbeitende Mutter für das Kind immer noch besser sei als eine unzufriedene, nicht arbeitende Mutter: »Hiermit soll im Hinblick auf das Kind auch der Kenntnis Rechnung getragen werden, daß eine gegen die Wünsche der Mutter erzwungene Aufgabe der Berufstätigkeit und die damit einhergehende Unzufriedenheit mit der ausschließlichen Rolle als Hausfrau für die Sozialisation der Kinder sich negativer auswirken kann als eine die Mutter befriedigende Berufstätigkeit.« (BMJFG 1975: 76) Die Grenze markiert in dieser Hinsicht – wie auch unter Rückbezug auf verschiedene Beiträge der Forschungsliteratur zu sehen war – immer die optimale Entwicklung der Kinder – und ist damit ebenso ein wichtiger biopolitischer Bezugspunkt, der später im Kontext von Humankapital und Humanvermögen in modifizierter Gestalt (wieder) auftaucht. Zwar wird einerseits, von Seiten der Kommission, vom Schutz vor den »Emanzipationsforderungen der Eltern« gesprochen (ebd.), dennoch beziehen sich diese einseitig auf Mütter.13 Damit wird eine spezifische Reg(ul)ierungsweise in staatspolitischer Hinsicht deutlich, die ebenso von wissenschaftlichen Diskursen dieser Zeit getragen wird, die konstitutiv für einen bestimmten Rahmen mütterlichen bzw. elterlichen Handlungsspielraums ist. Dieser Rahmen sieht eine Form von ›Partnerschaftlichkeit‹ vor, der auch die Notwendigkeit bzw. den Bedarf nach erwerbstätigen Frauen und Müttern unter einem anderen ›rationalen‹ Gesichtspunkt betrachtet (bspw. in Relation von Mutter und Kind), als dies ab den 1990er Jahren und noch verstärkt nach der Jahrtausendwende der Fall sein wird. Gleichzeitig wird deutlich, dass mit diesen Reg(ul)ierungsweisen entgegengesetzte elterliche Subjektpositionen konstituiert werden, die den 13 Dies zeigt sich auch im Kontext der Debatten um den »Mutterschaftsurlaub« Ende der 1970er Jahre. Insbesondere Politiker*innen der CDU/CSU fokussierten dabei das »Kindeswohl«, welches den Emanzipationsbemühungen von Frauen Grenzen setze. Der renommierte Familienund Bevölkerungswissenschaftler Max Wingen, der an vielen Familienberichterstattungen beteiligt war, argumentierte in paternalistischer Weise, dass sich »von den Bedürfnissen und Ansprüchen des (Klein)Kindes her Grenzen der Emanzipation ergeben können«, so dass er »einen Schutz der heranwachsenden jungen Frau gegen eine fehlgeleitete Emanzipationsvorstellung« forderte (Max Wingen zit.n. Kolbe 2002: 315).

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familialen Raum, trotz der Bezüge auf die ›partnerschaftliche Familie‹, weitgehend als ein Verhältnis zwischen Mutter und Kind entwerfen. Das Subjekt Vater taucht hier vor allem als Erwerbssubjekt auf und würde – unter Rückbezug auf die Forschungsliteratur – bei einer umfassenderen Übernahme familialer Sorgeaufgaben sogar Gefahr laufen, im Hinblick auf die erwähnte ›Geschlechterrollendiffussion‹ in den Bereich des Abweichenden bzw. mit Blick auf die Schizophreniethese, des Pathologischen zu geraten. Die Überschreitung dieser normativen Setzungen wird auf diese Weise zu einer unmittelbaren Gefahr für die mit ihr verbundenen Subjektivitäten. Auch die damaligen Überlegungen der Kommission zum Erziehungsgeld verweisen darauf, dass vor allem Mütter die Wahlfreiheit erhalten sollen, in den ersten drei Lebensjahren ihres Kindes einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (oder auch nicht). Dass hiermit vor allem auch das Thema der ›Notwendigkeit‹ mütterlicher Erwerbsarbeit in negativer Weise adressiert wird, verdeutlicht sich in der Stellungnahme der Kommission dadurch, dass »für die überwiegende Mehrzahl von Frauen das Erfordernis einer Berufstätigkeit aus finanziellen Gründen« entfallen soll (ebd.: 93). Das Erziehungsgeld dient diesbezüglich – wie bereits im Kontext der Stellungnahme der damaligen Bundesregierung gesehen – als Aufwertung der häuslich‐fürsorglichen Tätigkeit, die weitestgehend von Müttern erbracht wird bzw. werden soll (ebd.). Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in den bisherigen Ausführungen der vorangegangenen Kapitel deutlich wurde, betrifft die Frage nach Bezügen zur Bevölkerung(sentwicklung) und Demographie. Obwohl diese Themen – auch hinsichtlich entsprechender Steuerungs- und Entwicklungsprozesse – bereits Mitte der 1970er Jahre angelegt sind, werden sie nur sehr vorsichtig aufgegriffen. Auch hier verweist die Rhetorik der damaligen Bundesregierung auf die ›Wahlfreiheit‹ der Eltern: »Die Bundesregierung sieht es als ein grundlegendes Menschenrecht an, daß die Ehepartner über die Zahl ihrer Kinder und den Zeitpunkt der Geburt frei und verantwortlich entscheiden. Die Familienpolitik hat nach Auffassung der Bundesregierung die Aufgabe, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Partner ihren Wunsch nach Kindern auch tatsächlich verwirklichen können.« (Ebd.: xi) Hierzu werden neben Hilfen zur Erziehung auch die Stärkung der ökonomischen Grundlage, Maßnahmen zur Gestaltung eines kindgerechten Umfeldes sowie die Förderung einer kinderfreundlichen Einstellung der Gesellschaft sowie städte- bzw. wohnungsbauliche Maßnahmen genannt (ebd.). Dennoch macht die Bundesregierung auch deutlich: »Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß familienpolitische Maßnahmen Wirkungen auf das generative Verhalten der Bevölkerung haben können. Ihre familienpolitischen Maßnahmen sind aber nicht dazu bestimmt, mit einer bestimmten

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Tendenz auf die Bevölkerungsentwicklung Einfluß zu nehmen. Gleichwohl hat die Bundesregierung – u.a. durch die Errichtung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung – Vorsorge getroffen, daß die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur, ihre Ursachen und Auswirkungen eingehender analysiert werden; damit können wichtige Entscheidungsgrundlagen bereitgestellt werden für die Entwicklung von Leitvorstellungen über verantwortbare Formen einer in die gesamte Gesellschaftspolitik integrierten Rahmensteuerung des Bevölkerungsprozesses, dessen Verlauf durch die Vielzahl der einzelehelichen Entscheidungen im generativen Bereich maßgeblich mitbestimmt wird.« (Ebd.) Der Bevölkerungskörper und sein generatives Verhalten sollen zwar nicht in direkter Weise beeinflusst, jedoch vorsorgliche Vermessungen und Mechanismen zur Beobachtung installiert werden. Dieses Thema wurde bereits in Kapitel 2 unter Bezug auf die Foucault’schen Begriffe des Sicherheitsdispositivs und der Entstehung eines dezidierten Bevölkerungskörpers im Kontext von Statistik und Demographie deutlich. Zwar wird, wahrscheinlich auch vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der NS-Zeit, davon abgesehen, in wesentlicher Weise steuernd in die generative Entwicklung von Familie und Bevölkerung einzugreifen (auch Cromm 1989: 13) dennoch scheint die Erhebung und Entwicklung ebenjener Wissensbestände ein wesentlicher Bestandteil des Regierungswissens und -handelns zu sein. Die bisherigen Ausführungen erscheinen mindestens aus zwei Gründen relevant: Zum einen, weil das Erziehungsgeld bzw. das spätere Elterngeld, welches zu diesem Zeitpunkt u.a. noch aufgrund der Haushaltslage, der Kosten und des volkswirtschaftlichen Nutzens etc. infrage steht, sich in den folgenden 30 bis 40 Jahren zu einem Teil ›aktiver‹ (und aktivierender) Wirtschaftspolitik werden wird, der gerade auch im Hinblick auf den Bevölkerungskörper und die Entwicklung des Humanvermögens eine wichtige Rolle spielt.14 Zum anderen weil durch die innerhalb des zweiten Familienberichts diskutierte Förderung verschiedener Elternbildungseinrichtungen im Rahmen unterstützender Institutionen öffentlicher und freier Träger (BMJFG 1975: 108ff.) die Behauptung, das keine steuernden Eingriffe in bevölkerungspolitischer Hinsicht erfolgen, infrage gestellt werden kann. Obwohl die damalige Bundesregierung deutlich gemacht hat, dass sie in Bezug auf Familie keine familiales »Leitbild« zur Ausrichtung der familienpolitischen Maßnahmen im Blick habe und vorgeben möchte, verweist sie 14 Zwar verweist die wissenschaftliche Kommission des zweiten Familienberichts darauf, die »Aufgabe von Familienpolitik […] in der Sicherung der gesellschaftlichen Funktionsfähigkeit von Familien zu sehen: etwa in der Gewährleistung ihrer Reproduktions-, Haushalts-, Sozialisationsund Freizeitfunktionen« (BMJFG 1975: 73), was Familien durchaus in der eben genannten Hinsicht eine aktive Rolle zuweist, die sich jedoch im weiteren Verlauf noch deutlich stärker (auch) auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Re-/Produktion von Humanvermögen etc. erstrecken wird.

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hinsichtlich des Bevölkerungskörpers dennoch darauf, dass durch bevölkerungsspezifische Untersuchungen, wie sie im Rahmen der Errichtung des Instituts für Bevölkerungsforschung entstehen »wichtige Entscheidungsgrundlagen bereitgestellt werden [, die] für die Entwicklung von Leitvorstellungen über verantwortbare Formen einer in die gesamte Gesellschaftspolitik integrierten Rahmensteuerung des Bevölkerungsprozesses, dessen Verlauf durch die Vielzahl der einzelehelichen Entscheidungen im generativen Bereich maßgeblich mitbestimmt wird« (Ebd.: xi) als relevant erscheinen. Ob und inwieweit die demographischen Leitvorstellungen, deren Realisierung von ebenjener der »einzelehelichen Entscheidungen« letztlich zu trennen ist, bleibt dabei fraglich. Insbesondere auch deshalb, weil über die indirekten Steuerungsversuche, die Erzeugung eines spezifischen familienpolitischen Rahmens, sich durchaus in direkter Weise Eingriffe in den »einzelehelichen«, familialen Handlungs(spiel)raum ergeben. Von Seiten der Kommission des zweiten Familienberichts werden hierzu, mit Blick auf die elterliche (früh-)kindliche Sozialisation, diverse Vorschläge unterbreitet, um Eltern in ihrer Erziehungsleistung zu unterstützen und so auch »Zugangsbarrieren« für die sogenannten »gesellschaftlichen Unterschichten« zu eröffnen (ebd.: 116). Die Neustrukturierung und der Ausbau entsprechender Beratungsangebote für Eltern soll dabei auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen, was mit Hinblick auf die familienpolitisch‐rahmende Ausrichtung in jedem Fall entsprechende Steuerungsversuche verdeutlicht, die jedoch durch die niedrigschwellige Anlage der Angebote auch in einer alltagspraktischen Weise relevant erscheinen (bspw. in Form von Elternbildungsangeboten in Funk- und Fernsehen) (ebd.: 115ff.). Auf diese Weise zeigt sich zum einen, dass das Regierungshandeln zumindest implizit ein gewisses ›Leitbild Familie‹ herstellt, das in ebenjene Angebote und Maßnahmen eingeschrieben ist, die zugleich auch wissenschaftlich‐empirisch begründet und stabilisiert werden; zum anderen zeigt sich jedoch auch, wie diesem Regierungshandeln auf allen Ebenen Aspekte der Regulierung inhärent sind, die nicht lediglich einen ›neutralen‹ Rahmen vorgeben, sondern durchaus in in-/direkter Weise das Bevölkerungsgeschehen zu beeinflussen suchen. Das vorgebliche Bemühen, in erster Linie einen steuernden Rahmen (vgl. Kapitel 2, Abschnitt 2.2.3) zu entwerfen, anstatt in das (Marktoder Bevölkerungs-)Geschehen in direkter Weise einzugreifen, findet sich insofern spätestens in den 1970er Jahren des letzten Jahrhunderts. Dieses Prinzip des Regierens deckt sich dabei mit den bereits dargestellten ordoliberalen Prinzipien und scheint, aufgrund der tendenziellen ›Interventionsfreudigkeit‹ hinsichtlich spezi-

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fischer Programme und Maßnahmen in gewissem Sinne dem ›soziologischen Liberalismus‹ zurechenbar (vgl. Abschnitt 2.2.3).15 Obwohl der zweite Familienbericht die sozialisatorischen Leistungen von Familien fokussiert, spielt das Thema familialer Hilfen auch in ökonomischer Hinsicht sowie in Fragen gesellschaftlich‐hierarchisch strukturierter Positionen eine wesentliche Rolle. Es werden hierbei nicht nur Bezüge zu einer wettbewerbsförmigen Ordnung sichtbar, sondern auch eine leistungsorientierte Anreizstruktur, die sich insbesondere dadurch trägt, dass in individualisierender Weise der*diejenige der*die ›mehr‹ Leistung erbringt, in der gesellschaftlichen Hierarchie auch entsprechend bessere Positionen einnimmt bzw. einnehmen kann und soll. Die in diversen Teilbereichen stattfindenden Familienhilfen sollen dem Willen der damaligen Bundesregierung nach so abgestimmt sein, dass ebenjenes soziale Abstandsgebot nicht verletzt wird: »Die Bundesregierung sieht z. Z. eine größere Gefahr darin, daß bei steigendem Erwerbseinkommen der gleichzeitige Wegfall von ökonomischen Hilfen insgesamt (also nicht nur der auf die Deckung des Familienunterhalts gerichteten Hilfen) eine übermäßige Belastung des jeweiligen Mehrverdienstes mit sich bringen und in Extremfällen sogar dazu führen kann, daß Familien mit einem geringeren Erwerbseinkommen sich besser stehen als gleich große Familien mit einem höheren Erwerbseinkommen. […] Dieser Effekt ist sozialpolitisch unerwünscht und dem Leistungsgedanken ausgesprochen abträglich.« (Ebd.: xiv – Kursivierung B.N.) Dies unterstreicht, dass es in den Regierungsbemühungen, wie sie von der damaligen Bundesregierung zum Ausdruck gebracht werden, nicht um eine Form von Egalisierung im Sinne eines sozialen Ausgleichs geht, sondern darum, wie Foucault unter Bezug auf die Sozialpolitik der Ordoliberalen ausführt, um »die Grenzübertragung eines Maximums auf ein Minimum und keineswegs um die Erziehung eines Mittelwerts« (Foucault 2006: 204), d.h., was hierbei im Fokus steht, ist die Sicherung eines Existenzminimums und nicht die Nivellierung sozialer Ungleichheit (ebd.). Foucault erklärt dies damit, dass für die Ordoliberalen »eine Sozialpolitik, die als vorrangiges Ziel eine Egalisierung hätte, auch wenn sie relativ sein mag, nur anti-ökonomisch sein [kann]. Eine Sozialpolitik kann sich die Gleichheit nicht zum Ziel setzen. Sie muß im Gegenteil die Ungleichheiten spielen lassen.« (Ebd.: 203) Ulrich Bröckling konstatiert diesbezüglich aus soziologischer Perspektive auch: 15 Wobei damit nicht gesagt werden soll, dass das Regierungshandeln der damaligen Bundesregierung in homogener, oder ›reiner‹ Weise diesem Strang neo-/liberaler Ordnungspolitik zuzurechnen wäre. Vielmehr wird versucht, entsprechende zum Teil bereits ausgeführte Verbindungslinien (wieder) aufzugreifen, die auch Spuren der Krise der keynesianischer Wirtschaftspolitik u.a. durch die beiden Ölpreiskrisen der 1970er Jahre tragen könnte(n). Wobei eine vertiefende Auseinandersetzung andernorts erfolgen könnte bzw. müsste.

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»Entschieden wehren sich die Ordoliberalen gegen eine Politik der Umverteilung, welche sich die Egalisierung sozialer Unterschiede auf die Fahnen schreibt. Wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen, die auf einen Ausgleich im Zugang zu den Konsumgütern zielen, sind nach ihrer Auffassung mit marktwirtschaftlichen Prinzipien unvereinbar, gerechtfertigt sind allenfalls geringfügige Umschichtungen von den höchsten Einkommen auf jene, die vorübergehend oder langfristig ihre Existenz nicht selbst sichern können und durch entsprechende Unterstützung überhaupt erst in die Lage versetzt werden sollen, dauerhaft als Marktsubjekte zu agieren.« (Bröckling 2013b: 84)16 Dies verweist auch auf eine spezifische Bezugnahme auf das Thema ›Leistung‹, auf das immer wieder zurückzukommen sein wird. Die Ausführungen des zweiten Familienberichts und der Forschungsliteratur verdeutlichen zusammenfassend ein (mindestens) ambivalentes Verhältnis auf zu diesem Zeitpunkt sichtbar(er) werdende gesellschaftliche wie familiale Veränderungen, wie eine zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern,17 der im Kontext des zweiten Familienberichts, tendenziell skeptisch bis ablehnend begegnet wird. Dem »Vereinbarkeitsproblem der Frau« soll dadurch begegnet werden, 16 Hans-Werner Sinn, Vertreter ordoliberaler Positionen im Sinne der Freiburger Schule nach Eucken, erklärt in einem Gastbeitrag für die Zeit, dass die Marktwirtschaft effizient, aber nicht gerecht sei bzw. dass es der Staat mit Umverteilungsmaßnahmen nicht zu weit treiben dürfe (2016). Wobei diese Effizienz vor allem über den Konkurrenzkampf auf dem Markt getragen werde. Insbesondere auch Anreize, weniger zu arbeiten, werden kritisch gesehen. Letztlich bestehe ein Zielkonflikt »zwischen der Größe des Kuchens und der Gleichmäßigkeit seiner Verteilung. Wenn man es übertreibt und die private Vermögensbildung zu sehr diskriminiert, leidet das Wachstum. Möglicherweise leiden selbst diejenigen, denen man die eingenommenen Steuermittel zufließen lässt.« (Ebd.) Vor allem das »Möglicherweise« verweist hierbei auf einen Möglichkeitsraum, der ebenjene Prognose auch als nicht eintretend erscheinen lässt. In diesem Zusammenhang sei bspw. auch an die Thesen erinnert, der – in Europa weitgehend verbreitete Mindestlohn – würde bei seiner Einführung viele Arbeitsplätze kosten etc., die nicht eingetreten ist. Noch schärfer äußerte sich bspw. Werner Müller, Wirtschaftsminister innerhalb des ersten rot‐grünen Kabinetts zum Verhältnis von Gleichheit und Ungleichheit: »Eine Gesellschaft lebt dynamischer, wenn es Ungleichheiten gibt.« (Werner Müller zit.n. Meuser 2009c: 105) HansPeter Müller zufolge gelte in Deutschland seit den 1980er Jahren die Devise: »So viel Ungleichheit wie möglich, so viel Gerechtigkeit wie nötig« (ebd.), so dass die ›klassische‹ Gleichung, wie sie in vielen modernen Gesellschaften seit 1789 gelte, umgedreht wird, wie Meuser konstatiert (ebd.). 17 Insofern kann dies auch als ein Anhaltspunkt für sich wandelnde gesellschaftliche Bezüge auf Weiblichkeit und Mutterschaft verstanden werden. Wiebke Kolbe (2002: 317) konstatiert im Hinblick auf die ausgehenden 1970er Jahre, dass in Kontrast zu den 1950er und 1960er Jahren eine Aufgabe der mütterlichen Erwerbstätigkeit keineswegs mehr selbstverständlich war. Vielmehr existierten innerhalb des damaligen politischen Diskurses und der sozialen Praxis divergierende Frauen- und Mutter›rollen‹ nebeneinander.

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dass durch eine Aufwertung der familial‐häuslichen Sphäre und der dort geleisteten Sorgetätigkeiten eine umfassendere mütterliche Erwerbstätigkeit nicht notwendig wird, was insbesondere auch mit möglichen negativen Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung begründet wird. Gleichzeitig wird der, für die heterosexuell‐dichotome Konzeption von Familie und Elternschaft konstitutive Strang um Vaterschaft weitestgehend ausgeblendet und innerhalb dieses Rahmens hinsichtlich Sorgetätigkeiten und Vereinbarkeitsfragen nicht diskutiert. Fürsorgeaufgaben bleiben auf diese Weise zuvorderst feminisierte Tätigkeiten. Die gouvernementale Rationalität hält diesbezüglich nicht nur weitgehend an tradiert vergeschlechtlichten elterlichen Subjekten im Sinne der Versuche der Aufwertung der Hausfrauentätigkeit von Müttern sowie der väterlichen Erwerbssubjekte fest, sondern diskutiert, mit Blick auf die Konzeption des Erziehungsgeldes dieser Zeit, welches sich vor allem an Mütter richtet, ein Instrument, das diese geschlechterdifferenzierende Adressierung zusätzlich stützt. Zwar wurde zu diesem Zeitpunkt die Einführung eines Erziehungsgeldes aus wirtschaftlichen Erwägungen verworfen, die Bezüge verdeutlichten jedoch die Wirkmächtigkeit des sich abzeichnenden familienpolitischen Rahmens in seiner geschlechtlichen Dimension, die in vielfältiger Weise auch durch wissenschaftliche Evidenzproduktion gestützt wird. Die Ausführungen illustrieren darüber hinaus eine spezifische Verschränkung ökonomischer und familienpolitischer Rationalität, die in puncto Herstellung von Geschlecht und Elternschaft insbesondere jene mütterlichen Emanzipations- und Erwerbsbemühungen als Gefahr für die kindliche Entwicklung konzipiert und einen Anspruch nach dezidiert mütterlicher Präsenz einfordert und strukturell zu realisieren versucht. Das ›gute‹ Subjekt Mutter ist, dieser Konzeption folgend, ein innerfamilial präsent sorgendes, das zum Wohle der Familie (nicht zuletzt der Kinder) bereit ist, sich selbst zurückzunehmen und Opfer zu erbringen. Obwohl die damalige Bundesregierung betont, kein familiales Leitbild vorgeben zu wollen, zeigen sich in ihren Stellungnahmen – sowie jenen der Kommission – vielfältige normative Setzungen, die an einer tradierten, heterosexuell‐bürgerlichen Kleinfamilie orientiert sind. Themen der Bevölkerung und Demographie werden innerhalb des zweiten Familienberichts eher vorsichtig thematisiert, obwohl an verschiedenen Stellen durchaus deutliche Steuerungs- und Regulierungsversuche hervortreten.

Zum dritten Familienbericht (1979) Ende der 1970er bzw. zu Beginn der 1980er Jahre werden mit dem dritten Familienbericht (Deutscher Bundestag 1979) von Seiten des zweiten Kabinetts der Bundesregierung Helmut Schmidts erneut Familie, Ökonomie und Bevölkerung betreffende Themen aufgegriffen. Dabei wird die definitorische Unterscheidung des zweiten Familienberichts im Sinne von »vollständigen« und »unvollständigen« Familien auch hier wiederholt, jedoch um eine Facette erweitert. Die Definition von

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Familie wird beibehalten und verweist auf eine heterosexuelle Kleinfamilie, die entweder durch leibliche Zeugung oder Adoption zustande gekommen ist. Diese Form der »Normalfamilie« wird dabei von anderen Formen explizit abgegrenzt (ebd.: 13). Nicht der ›Normalität‹ entsprechende Familien sind hierbei alleinerziehende Mütter oder verwitwete Väter mit Kind(ern), die exemplarisch genannt werden. Der erweiterte Bezug von un-/vollständiger zur a-/normalen Familie kann dabei als subtile Verschiebung gelesen werden, die dabei nicht nur eine Un-/Vollständigkeit bestimmter familialer Lebensformen konstatiert, sondern nun Familien jenseits der bürgerlichen Kleinfamilie potenziell in den Bereich der Anomalie verschiebt. Dennoch findet der Begriff der ›vollständigen Familie‹ weiterhin seinen Bezug durch die Bundesregierung, die eine solche als eine »aus zwei Generationen bestehende Gruppe von Eltern und ihren ledigen Kindern, die zusammen leben« (ebd.) fasst. In dieser Hinsicht kreuzt sich hier die ›normale‹ Kernfamilie mit einer ›vollständigen‹ Familie und gibt so einen perspektivischen Blick auf Familie vor. Die Bundesregierung schreibt der Familie sechs Funktionen zu: Als erste Aufgabe wird die generative Funktion zur Reproduktion der Bevölkerung genannt, eine zweite Funktion entspricht der sozialisatorischen Funktion, die Familie für die nachwachsenden Generationen übernehmen solle; drittens erfüllt die Familie eine Platzierungsfunktion, die im Sinne sozialstruktureller, insbesondere beruflicher Platzierungen, eine entsprechende Aufgabe erfüllt. Viertens soll Familie eine regenerative Funktion erfüllen, die hierbei auch die »Daseinsvorsorge« weiter unterstreicht und sich in alle generationalen Richtungen erstreckt. Die Haushaltsfunktion, die fünftens genannt wird, stellt über den familialen Haushalt den Rahmen bereit, in dem diese Aufgaben erfüllt werden sollen und die sechstens in ein arbeitsteiliges Verhältnis zwischen Familie und Gesellschaft mündet (ebd.: 17). Auffällig ist, dass die Themen bzw. Aufgaben in ihrer geschlechtlichen Dimension in keiner Weise thematisiert werden, d.h. Bezüge zu asymmetrischer Aufteilung von Hausoder Reproduktionsarbeit genauso wenig Erwähnung finden wie Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern im Kontext der Erwerbsarbeit, obwohl dies gerade auch in Bezug auf die genannten Aufgabenfelder von Familie als ein bedeutender Aspekt elterlicher Praxis anzusehen ist. Die Bundesregierung betont, dass der mit der Industrialisierung verbundene familiale Wandel nicht ausschließlich als Funktionsverlust, sondern eher als Funktionswandel anzusehen (ebd.) sei. Dennoch habe dieser Wandel Anpassungen notwendig gemacht, die bis zum Ende der 1970er bzw. zu Beginn der 1980er Jahre »keineswegs befriedigend gelöst sind« (ebd.). Hierbei hebt die Bundesregierung insbesondere auf die Erwerbstätigkeit von verheirateten Frauen und Müttern ab, welche ihnen nicht in ausreichendem Maße eine Teilzeitbeschäftigung ermöglicht, damit sie, wie in der vorindustriellen Zeit, am Erwerbsleben beteiligt sein können (ebd.: 18). Wo im zweiten Familienbericht die Erwerbstätigkeit von Müttern noch tendenziell problematisiert wurde, z.B. hinsichtlich einer übermäßigen Belastung eines Ehepartners oder in Bezug auf die kind-

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liche Entwicklung, wird sie hier – zumindest beim Thema Teilzeiterwerbstätigkeit – bereits zu einem mehr oder weniger unvermeidlichen (notwendigen), von vielen Frauen und Müttern gewünschten Aspekt. Allerdings verbleibt das Thema der Vereinbarkeit von Sorgeverantwortung und Berufstätigkeit nach wie vor einseitig auf Seiten der Mütter. So stellt die Bundesregierung fest, dass die Betreuung von Kindern häufig mit den Arbeitsbedingungen räumlich und zeitlich kollidiere, verweist jedoch darauf, dass bestehende Angebote zur Vereinbarkeit auch nur unzureichend genutzt werden (ebd.): »Jedoch gibt es im sozialen und gesellschaftlichen Bereich Möglichkeiten zur Betätigung, die bisher nur unzureichend genutzt werden. Die Gründe liegen einerseits darin, daß die Mütter die Möglichkeiten, solche Aufgaben zu übernehmen, nur zum Teil ausnutzen, daß sie andererseits auch nicht attraktiv genug ausgestaltet sind.« (Ebd.) Zwar räumt die damalige Bundesregierung durchaus ein, dass bestimmte, bereits verfügbare Angebote nicht attraktiv ausgestaltet und damit verbesserungswürdig seien, sie verweist jedoch auch in kritischer Weise auf den Unwillen der Mütter selbst, wenn sie auf die Möglichkeiten des sozialen und gesellschaftlichen Bereichs verweist, die von Seiten der Mütter nur »unzureichend« genutzt würden. Wie auch immer man diese Passage lesen mag (denn es bleiben diverse mögliche Lesarten des Textes erhalten), wird dennoch deutlich, dass die Sorgeverantwortung erneut einseitig bei den Müttern verhaftet bleibt und deren Erwerbstätigkeit nach wie vor eher negativ konnotiert ist bzw. falls überhaupt überwiegend im Bereich der Teilzeiterwerbstätigkeit gesehen wird.18 Infolgedessen wiederholt auch der dritte Familienbericht eine vergeschlechtlichte Verantwortlichkeit zwischen den elterlichen Subjekten, wobei sich dennoch hinsichtlich weiblicher Erwerbstätigkeit erste Verschiebungen abzuzeichnen beginnen. Im Hinblick auf das Verhältnis von öffentlich/privat verweist die Bundesregierung auf ein subsidiäres Verhältnis gegenüber staatlichen Eingriffen.19 Ein staatli18 Siehe hierzu auch soziologische Arbeiten zum Thema »Doppelte Vergesellschaftung« von Frauen in Haus- und Erwerbsarbeit (z.B. Riegraf 1987; Aulenbacher 2010: 40). 19 Wobei das Verhältnis von öffentlich/privat im Sinne der Stellungnahme des dritten Familienberichts mehr oder weniger ›klar‹ abzugrenzen ist. Privat der Bundesregierung zufolge vor allem jenes, was sich als »Privatangelegenheit« dem Öffentlichen entzieht »und außerhalb des eigenen Haushalts niemand etwas angeht« (Deutscher Bundestag 1979: 19). Dass eine solche ›klare‹ Unterscheidung kaum haltbar ist, verdeutlicht z.B. Birgit Sauer: »Es handelt sich um komplementäre, einander ausschließende, ja voneinander in Schutz zu nehmende Sphären. ›Öffentlichkeit‹ wird auf die Institutionen Staat, Parteien, Kunst und Medien reduziert, ›Privatheit‹ zu Ehe, Familie, Freundeskreis und Markt – zum im emphatischen Sinne ›staatsfreien Raum‹ –vereindeutigt. Doch die Vereindeutigung blieb immer arbiträr und ambivalent: Aus der Perspektive des Staates galt der Markt als ›privat‹, aus der Perspektive der Familienökonomie als ›öffentlich‹.« (Sauer 2001: 6; vgl. auch Hausen 1992) Ein vergleichbares Verständnis von öffentlich/pri-

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ches Eingreifen wäre ihr zufolge in dreifacher Hinsicht bedenklich: zum einen weil dies dem Vorrang der Eltern nach Artikel 6, Abs. 2 des Grundgesetzes widerspricht; zum anderen auch, weil es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gerecht werde. Der dritte Grund ist hierbei ein dezidiert ökonomischer: »Es widerspricht dem ökonomischen Prinzip, Aufgaben dem Kollektiv zu übertragen, wenn ihre Erfüllung dadurch erheblich verteuert wird, ohne daß generell bessere Erfolge erreicht werden.« (Ebd.) Es wird darauf folgend ein Vergleich von Heimunterbringungskosten bzw. durch familiale Unterstützung in Form des Kindergelds gezogen. Überraschend scheint, dass neben zwei grundlegenden Prinzipien, die sich aus dem Grundgesetz bzw. dem Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, eine dritte, ökonomische Begründung angeführt wird (bspw. im Kontrast zu einer ethischen o.Ä.). Die Bundesregierung lässt die Fragen, weshalb hier insbesondere ökonomische Abwägungen zwischen der einzelnen Familie und der Gesamtgesellschaft eine Rolle spielen sollen oder wie diese Abwägungen zu treffen sind, unbegründet bzw. begründet diese lediglich mit ökonomischen Argumenten. Zwar müssen die »Gesichtspunkte für die Abgrenzung der Aufgaben zwischen Familie und Gesellschaft […] sorgfältig abgewogen werden« (ebd.), dennoch wird klar, dass, perspektivisch gesehen, ökonomische Prinzipien ebenjene Grenzziehungs- und Abwägungsprozesse ebenso moderieren wie rechtsstaatliche oder das Grundgesetz und diesen scheinbar ein gleichwertiger Stellenwert beigemessen wird. Jedoch korrespondiert dies mit einer weiteren Position der Stellungnahme der Bundesregierung zu Beginn der 1980er Jahre: »Mit steigendem Wohlstand ist auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie gestärkt worden, so daß es zumutbar ist, ihr mehr Aufgaben zu übertragen.« (Ebd.) In diesem Sinne wird durch den behaupteten generalisiert gestiegenen Wohlstand eine Aufgabenverschiebung zu Lasten der Familie begründet und gerechtfertigt. Möglicherweise drückt sich dadurch bereits eine Verschiebung weg von klassischer wohlfahrtsstaatlicher Expansion aus, die sich bereits mit der ersten Ölpreiskrise 1973 ankündigt: »The end of this period of massive welfare state expansion is marked by the first oil crisis in 1973, which gave way to the era of retrenchment« (Frank Nullmeier und Franz-Xaver Kaufmann 2010 zit.n. in Gottschall/Dingeldey 2016: 543), welche sich auch in diversen politischen Privatisierungs- und Kürzungskampagnen der 1980er Jahre ausdrückte. Es wird noch deutlich werden, dass und wie die Bedeutung weiblicher bzw. mütterlicher Arbeitskraft, wie sie während der 1970er und 1980er Jahre zum politischen wie wissenschaftlichen Gegenstand wurde, sich durch Veränderungen von einer ›Industriegesellschaft‹ hin vat scheint innerhalb des dritten Familienberichts angelegt zu sein, wobei sich entsprechende Brüche bereits im Rahmen des zweiten Familienberichts in Form der vielfältigen ›öffentlichen‹ Einflussnahmen in den familialen Kontext zeigten.

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zu einer dienstleistungsorientierten ›Wissensgesellschaft‹ verschieben wird. Dies erscheint insofern als äußerst bedeutsam, als es nicht nur zu einem deutlichen Anstieg der Erwerbsbeteiligung von Frauen führt (vgl. Gottschall/Dingeldey 2016: 544), sondern auch das grundlegende Verhältnis in Bezug auf fürsorgeverantwortliche Elternschaft und Erwerbsarbeit verschiebt, welches sich auch nachdrücklich in der Novellierung des BEEGs im Jahre 2007 niederschlagen soll und im Rahmen des ElterngeldPlus seit 2015 weitergeführt wird. Im Kontrast zu der bisher deutlich gewordenen gouvernementalen Rationalität ergibt sich so eine sichtbar andere Verschränkung von Ökonomie und Familie bzw. auch von ökonomischer Ratio und geschlechtlich‐elterlichen Subjektivationsweisen. Bevor erneut auf das Thema Leistung bzw. Leistungsfähigkeit im Kontext des dritten Familienberichts eingegangen wird, lohnt es sich an dieser Stelle, einen Blick auf das Verhältnis der Expert*innenkommission20 zu Bevölkerung, Familie und Generativität zu werfen, da diese Verhältnisbestimmung im Kontext der späteren Familienberichte seit den 1990er Jahren eine sichtbar andere Ausrichtung erhalten hat. In der Perspektive der Kommission verschränkt sich mit dem dargelegten Begriff von Bevölkerung eine abstrakte wie konkrete Bestimmung: »Mit Bevölkerungsfragen hat es eine merkwürdige Bewandtnis. Sie erscheinen abstrakt und unpersönlich; und doch gehört jeder einzelne Mensch zur Bevölkerung und jeder einzelne bestimmt durch sein persönliches Verhalten die Entwicklung der Bevölkerung über Generationen hinweg. Er bestimmt sie quantitativ, indem er sich individuell entscheidet, wie viele Kinder er haben will und hat. Er bestimmt die Entwicklung aber auch qualitativ mit der Erziehung seiner Kinder, der Ausbildung, die er ihnen gewährt und der Entscheidung über ihren Beruf.« (Deutscher Bundestag 1979: 96f.) Abgesehen davon, dass 1979 demzufolge Eltern noch deutlich häufiger über den Beruf ihrer Kinder entschieden haben, verweist der Bezug gleichzeitig auf die abstrakt‐konkrete Zusammensetzung eines Bevölkerungskörpers, der sich sowohl in qualitativer wie quantitativer Weise ausdrückt. Dennoch bezieht sich die Definition auf eine individualisierte Perspektive, in welcher der »einzelne Mensch« über sein generatives Verhalten entscheiden würde, mehr oder weniger unabhängig von diversen Diskursen oder einer Entscheidungsfindung als Paar. Diese Perspektivie20 Mitglieder der Expert*innenkommission des dritten Familienberichts waren Willi Albers, Professor für Volkswirtschaftslehre, Rosemarie von Schweitzer, Professorin für Wirtschaftslehre des Haushalts und Verbrauchsforschung, Herrmann Schubnell, Professor für Bevölkerungswissenschaft, sowie Rita Süssmuth, Professorin für Pädagogik. Als Geschäftsführer*innen tätig waren der Soziologe Helmuth Holzmüller, die Volkswirtin Alice Münscher sowie der Soziologe Jürgen Sass.

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rung wird auch dadurch zusätzlich geschärft als die Kommission in Bezug auf die Zeugung von Kindern konstatiert: »Nun werden Kinder gewiß nicht deshalb geboren, weil das Paar, das sie zeugt, und vor allem die Frau, die sie gebärt, damit bewußt ihrer gesellschaftlichen Aufgabe der Reproduktion nachkommen will. Die Beweggründe, warum Menschen sich fortpflanzen, sind persönlicher, nicht gesellschaftlicher Art, wenngleich sie sozialkulturellen, sozialökonomischen, politischen und anderen gesellschaftlichen Einflüssen, Werthaltungen und Normen der Gesellschaft unterliegen.« (Ebd.: 97 – Kursivierung B.N.) Die Trennung von Individuum einerseits und Gesellschaft andererseits wird im Rahmen dieser Ausführungen zwar deutlich, erweist sich jedoch bereits in sich als hochgradig artifiziell, da die Rahmung selbst darauf verweisen muss, wie sehr entsprechende Entscheidungen durch einen sozio‐kulturellen Rahmen verschränkt sind. Auffallend ist auch, dass das generative Verhalten zwar zunächst hinsichtlich einer Paarentscheidung thematisiert wird, letztlich jedoch zu einer Entscheidung »der Frau« wird, die »ihrer gesellschaftlichen Aufgabe der Reproduktion« nachkommt, weil sie es ist, welche die Kinder gebärt. Wenngleich diese Aufgaben häufig unbewusst bzw. unintendiert stattfinden, wird deutlich, dass Generativität als eine gesellschaftliche Aufgabe von Frauen gesehen wird und in diesem Sinne eine ausbleibende Reproduktion einer Nicht-Erfüllung dieser Aufgabe gleichkommt. Zumal bereits die Formulierung »gesellschaftliche Aufgabe« deutlich hervorhebt, dass es sich hierbei nicht bloß um eine »persönliche Entscheidung« handelt, sondern diese Entscheidung bereits durch ein diskursives Wissen strukturiert ist, mit welchem besagte »persönliche Entscheidung« untrennbar verstrickt ist. Diese »gesellschaftliche Aufgabe« wird in gewissem Sinne dann auch zur generativen Aufgabe bzw. Anforderung, insbesondere für den Subjektentwurf ›Frau‹.21 Parallel zur weiter oben dargestellten ›Normalfamilie‹ lässt sich konstatieren, dass die ›Normalität‹ dieses Subjektentwurfs aus dieser Sicht die Mutterschaft darstellt und eine ausbleibende Reproduktion (aus welchen Gründen auch immer) eine Verschiebung in den Bereich der ›Anomalie‹ vollzieht, da eine kinderlose Frau ihrer »gesellschaftliche Aufgabe« nicht nachkommt. So wird Frau›sein‹ nicht nur auf Gebärfähigkeit, sondern vor allem auf Gebärtätigkeit ausgerichtet. Auch lässt sich folgern, dass der konstitutive ›Beweis‹ des Frau›seins‹ die Mutterwerdung darstellt – vor diesem Werden bleibt das Subjekt Frau in diesem Sinne nicht nur den Beweis schuldig, son21 Obwohl Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre vielfältige Debatten innerhalb des politischen Spektrums zur Auf- und Umwertung von Mutterschaft und/oder auch zur Anerkennung von Haus- und Sorgetätigkeiten als Arbeit stattfanden, konstatiert Kolbe, dass dennoch die meisten Politiker*innen an der Konzeption »Mutterschaft als weiblicher Pflicht« festhielten (2002: 318).

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dern auch ihre Leistung für die Gesellschaft. Diesem Gedanken weiter folgend, ist somit auch das Frauwerden konstitutiv mit Mutterwerden verknüpft. In diesem Kontext entsteht insbesondere für Frauen durch die (zumindest potenzielle) Möglichkeit der Generativität eine Perspektive der Verwirklichung des Selbst, wie die Kommission ausführt: »Kinder haben wird vielfach aber auch als eine Art Selbsterfüllung und Selbstverwirklichung begriffen, insbesondere auch als Wunsch, sich mit einem geliebten Menschen gemeinsam zu verwirklichen. Der archaische Wunsch nach einem Kind kann auch als Bestreben verstanden werden, das Leben fortzusetzen, nicht allein zu sein, Schutz zu bieten und Schutz zu haben, sich einen eigenen Lebenskreis aufzubauen und ›etwas zu hinterlassen‹, einen Lebensinhalt zu schaffen.« (Ebd.: 103f.) Obwohl man an dieser Stelle einwenden könnte, dass besagter »archaische Wunsch« nicht ausschließlich auf das Subjekt ›Frau‹ reduziert wird und damit potenziell auch Männern bzw. Nicht-Frauen als Subjektentwürfen zugeschrieben werden kann, erscheint dennoch die Fokussierung auch aufgrund der primären Verknüpfung der Generativität mit dem Subjektentwurf ›Frau‹ bzw. ›Mutter‹ zumindest als eher zu diesem zugehörig – zumal bereits deutlich wurde, wie innerhalb des gesellschaftspolitischen Klimas der 1970er Jahre Mutterschaft häufig konzeptualisiert wurde. Vor dem Hintergrund der Ausführungen zur »gesellschaftlichen Aufgabe« der Reproduktion, entsteht ein Bezug, der diesbezüglich vor allem Frauen/Müttern eine Selbstverwirklichungsperspektive im reproduktiven Bereich zuschreibt (und perspektivisch offeriert) und diesen über den »archaischen Wunsch nach einem Kind« auf urwüchsige Weise naturalisiert. Eine solche Lesart scheint darüber hinaus auch im Sinne einer ›klassisch‹ vergeschlechtlichten Natur/Kultur-Differenz von Elternschaft und Geschlecht stimmig (vgl. z.B. Deuber-Mankowsky 2013; 2017). Dass es sich hierbei keineswegs um eine besonders abwegige Lesart der Bezüge des dritten Familienberichts handelt, verdeutlicht auch die folgende Bezugnahme des damaligen Arbeitsministers Norbert Blüm (CDU), der zu Beginn der 1980er Jahre von der Unersetzbarkeit der Mütter bzw. Mütterlichkeit schwärmte, welche für ihn insbesondere in drei Schlagworten zum Ausdruck kam: »Treue! Hüten! Verzicht! Mütterlichkeit ist das Symbol für diese Werte« und insofern auch »[mehr] […] als Erwerbsarbeit« (Norbert Blüm zit.n. Gerste 1982). Diese Trias der Treue, des Hütens und des Verzichts, die Blüm zufolge ein Symbol von Mütterlichkeit ausmacht, führt explizit auch eine vergeschlechtlichende Konnotation mit sich, da Blüm ausdrücklich nicht von ›Väterlichkeit‹ bzw. ›Elterlichkeit‹ spricht und dadurch Nicht-Frauen exkludiert. So gesehen, werden in dieser Logik dann auch all jene Väter oder sonstige Elternteile, sofern sie entsprechende Tätigkeiten übernehmen (würden), zu ›Müttern‹. Auch macht das Zitat deutlich, dass im Rahmen dieses Subjektent-

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wurfs eine Mutter, die sich dieser Art der Anrufung wiedersetzt bzw. ihr nicht entspricht, einen Treuebruch gegenüber ihrem Kind begeht, die hierbei nicht nur eine bestimmte Zuschreibung zu einer bestimmten Sphäre zum Ausdruck bringt, sondern auch ein moralisches Urteil mitführt, denn Mütter, die dieser Tugend nicht entsprechen, begehen gleichzeitig ein Vergehen gegenüber dem Kind, dem sie letztlich als zur Treue verpflichtet gelten. Im Kontext der »gesellschaftlichen Aufgabe« ergibt sich folglich auch ein Treuebruch gegenüber der Gesellschaft und dem Bevölkerungskörper. Auch gilt dieses treue Hüten der Mutter über den Verzicht, sei es auf Erwerbsarbeit oder die Einschränkung von Bedürfnissen, als »Akt der Befreiung«, da »Mutterarbeit mehr ist als Erwerbsarbeit.« (Ebd.). Dieses Mehr, das jenseits der Erwerbsarbeit liegt, kann – auf diese Weise mit Mutterschaft verknüpft – dann auch nicht durch andere Subjektivitäten substituiert werden, da es untrennbar ›natürlich‹ an das Subjekt ›Mutter‹ gebunden wird. An Relevanz gewinnt diese Einlassung Blüms auch deshalb, weil sie in der Funktion des Arbeitsministers zum Ausdruck kommt, d.h., es geht vor allem darum, dass der Kontext des Zitats auch eine spezifische Relation des Subjektentwurfs Mutter zur Position des Arbeitsministeriums der damaligen Zeit artikuliert. Insofern steht und vollzieht sich diese Subjektivationsweise in enger Verbindung zu den Arbeitsmarktpolitiken dieser Zeit. Obwohl sich innerhalb damaligen gesellschaftspolitischen Kontextes, insbesondere auch durch die Frauenbewegung und ihren Forderungen nach körperlicher Selbstbestimmung (Kolbe 2002: 318), sichtbare Verschiebungen abzeichneten und sicherlich viele Frauen der vorangegangenen Reduktion auf ihre generative Fähigkeit widersprachen, gehörte innerhalb des damaligen öffentlichen und politischen Klimas ein Kind unter drei Jahren zu seiner Mutter (ebd.: 319). Weder Väter noch sonstige außerhäusige Betreuungseinrichtungen konnten, Kolbe zufolge, hierbei als Äquivalent gelten. Die öffentliche Meinung gegenüber familienergänzenden Erziehungseinrichtungen war in der damaligen Bundesrepublik, Kolbe weiter folgend, vor allen in Bezug auf Kleinkinder unter drei Jahren als äußerst skeptisch zu bezeichnen (ebd.). Insofern wird zwar ein gesellschaftliches wie politisches Spannungsfeld deutlich, die dargestellten Ausführungen und Einlassungen hinsichtlich der »gesellschaftlichen Aufgabe« von Müttern stellen somit jedoch keine Eigenarten der Familienberichterstattung oder einzelner Politiker*innen dar. Dass der generative Prozess der Bevölkerungsreproduktion innerhalb des dritten Familienberichts nicht ausschließlich eine quantitative Dimension besitzt, hat bereits obige Bezugnahme auf Bevölkerung deutlich gemacht. Die qualitative Dimension verschränkt diesbezüglich ›Qualität‹ mit ›Leistungswillen‹. Diese Form der Qualität hebt auf den Leistungswillen einzelner Subjekte ab, wird jedoch selbst zur Qualität erhoben (Leistungswillen als Qualität einzelner Subjekte). Die Kommission bringt dies wie folgt auf den Punkt:

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»Der Feststellung, daß die Wohlhabenderen heute im Durchschnitt kinderreicher sind, steht nicht entgegen, daß asoziale oder randständige Familien besonders viele Kinder haben. Hier ist nicht das geringe Einkommen die Ursache einer großen Kinderzahl, sondern der geringe Bildungsgrad, das Fehlen sozialen Aufstiegsstrebens, Lethargie, mangelndes Verantwortungsbewußtsein, Debilität, Trunksucht und unkontrolliertes Handeln. An der Gesamtzahl der Familien machen die randständigen allerdings nur einen kleinen Teil aus; ihre hohe Kinderzahl beeinflußt die Entwicklung der Bevölkerung daher nicht.« (Deutscher Bundestag 1979: 110)22 Zunächst wird deutlich, dass eine ähnliche, wenn auch nicht so drastisch formulierte, qualitative Differenzierung entlang von Einkommens- und Bildungsgrad bereits im Kontext der Novellierung des BEEGs sichtbar wurde, bei der insbesondere auch finanziell besser gestellte Eltern und Akademiker*innenfamilien dazu bewogen werden sollten, mehr Kinder zu bekommen (im Sinne Daniel Bahrs [FDP]: »Mehr Kinder von Hochschulabsolventen, weniger von Hauptschulabsolventen« – vgl. Kapitel 1 und 2). Entsprechend zeigt sich, dass solche Wertungen auch im Kontext der beginnenden 1980er Jahre relevant gemacht wurden und damit keine neue Erscheinung sind. Beim obigen Zitat fällt auf, dass ein ausgeprägtes generatives Verhalten (»besonders viele Kinder«) vor allem dann negativ konnotiert ist, wenn sich – dem Tenor des Zitats folgend – »asoziale oder randständige Familien« reproduzieren.23 Im Vergleich zu obigem Bezug Bahrs hinsichtlich der Hauptschulund Hochschulabsolvent*innen um das Jahr 2005 wird Ende der 1970er Jahre die qualitativ‐negative Konnotation nicht lediglich an die »soziale Schwäche« der Familien rückgebunden, sondern die Familien hierüber selbst als ›randständige‹ bzw. 22 Die Kommission kommt aufgrund folgender rechnerischer Darstellung zu dieser Feststellung: »Aus dieser [der vorher dargestellten Rangordnung hinsichtlich der Kinderzahl nach diversen Gruppen, wie Landwirte, Beamte etc. – Anm. B.N.] Rangordnung der Fruchtbarkeit kann die erwähnte Einkommensabhängigkeit nicht unmittelbar abgeleitet werden, denn die Arbeiter weisen eine höhere Fruchtbarkeit als die Angestellten und Beamten auf, obwohl ihr Einkommen kleiner ist. Untersucht man jedoch die Höhe der Fruchtbarkeit innerhalb einer Sozialschicht, stellt man höhere Werte bei den Besserverdienenden fest. So entfielen auf 100 Ehen zum Beispiel bei den gutverdienenden Beamten 198, bei den weniger verdienenden nur 171 Kinder. Die gleiche Tendenz ist bei Angestellten und Arbeitern festzustellen. Die wenigsten Kinder, 164 je 100 Ehen, haben die mäßig verdienenden Angestellten.« (Deutscher Bundestag 1979: 110). 23 Wobei die negative Bezugnahme auf das generative Verhalten besagter »randständiger oder asozialer Familien« in Hinblick auf die »gesellschaftlichen Aufgabe« von Frauen, dem Gebären von Kindern, diesbezüglich nicht reflektiert wird. So ließe sich argumentieren, dass gerade besagte »randständige oder asoziale Familien« ihrer »gesellschaftlichen Aufgabe« in besonderer Weise entsprechen, während die ausbleibende Generativität der Akademiker*innen kritikwürdig erschiene. Hierdurch wird ersichtlich, wie Generativität und ›Qualität‹ auf eine hierarchisierende Weise miteinander verschränkt sind.

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gar ›asoziale‹ gewendet. Auf diese Weise performiert insbesondere der Bezug ›asozial‹ nicht nur eine sozial‐hierarchische Positionierung, sondern wendet das familiale Verhalten dezidiert auch gegen das Soziale der Gesellschaft im Sinne von gesellschaftsschädigendem Verhalten. Dass diese Überlegung auch für die Kommission von Bedeutung ist, unterstreicht ihr Verweis, dass die hohe Kinderzahl solcher Familien die Entwicklung der Bevölkerung nicht beeinflusse. Was es bedeuten kann, ein ›randständiges‹ oder gar ›asoziales‹ (Kollektiv-)Subjekt zu werden bzw. in welchem Spektrum sich diese Subjektivierungsweisen bewegen, verdeutlicht die Kommission ebenso. Auffallend ist, dass sehr heterogene Facetten wie ein »niedriger Bildungsgrad« oder das »Fehlen sozialen Aufstiegsstrebens« mit »Debilität«, »Lethargie« oder »Trunksucht« vermengt werden. Letztlich stehen alle genannten Aspekte im Zeichen »mangelnder Kontrolle« und damit auch geringen bzw. fehlendem (»mangelndem«) Verantwortungsbewusstsein und Eigenverantwortung. Letzterer Bezug unterstreicht erneut die gegen die Gesellschaft bzw. den Bevölkerungskörper gerichtete ›Asozialität‹, die im Sinne eines ›ausgeprägte(re)n‹ Verantwortungsbewusstseins oder umfassender(er) (Selbst-)Kontrolle andere Züge annähme. Demzufolge wird das generative Verhalten solcher Familien zu »unkontrolliertem Handeln«. Abgesehen von diesen äußerst fragwürdigen Bezügen bleiben zwei Dinge festzuhalten: Zum einen wird, entgegen der bisherigen, im dritten Familienbericht dargestellten, verschränkten Perspektivierung von Individuum und Gesellschaft, (Eigen-)Verantwortung, Leistung usw. individualisiert: Der Topos der Leistung (bzw. fehlender, nicht erbrachter Leistung) wird unmittelbar mit einem »fehlendem Aufstiegsstreben« in Verbindung gebracht. Leistung wird hierbei zu etwas, dass das Subjekt in autonom‐eigenverantwortlicher (souveräner) Weise erbringt und zu vertreten hat. Zum anderen wird deutlich, dass der Leistungsbezug in diesem Kontext als etwas in Erscheinung tritt, was der Bevölkerungskörper zwar als Ganzes erbringt, jedoch in dem differenzierenden Sinne der Kommission, durch das Unvermögen und den mangelnden Leistungswillen der ›asozialen‹ und ›randständigen‹ Familien, eher gehemmt oder blockiert wird.24 Auf diese Weise verschränken sich ›Leistung‹ und ›Qualität‹ wechselseitig und konstituieren elterliche Subjektivitäten, die relational am Verhältnis von Qualität und Leistung bzw. Leistung als Qualität ausgerichtet werden. Das spezifische negative Verhältnis, dem bestimmte Eltern bzw. Familien innerhalb eines Bevölkerungskörpers zugerechnet werden, unterstreicht insbesondere der Hinweis der Kommission, dass »die hohe Kinderzahl [besagter Familien – Anm. B.N.] […] die Entwicklung 24 Obwohl die Kommission darauf hinweist, dass die »hohe Kinderzahl« besagter »asozialer« Familien die Bevölkerungsentwicklung nicht negativ beeinflusst, wird dennoch deutlich, dass sich hieraus – zumindest potenziell – auch ein Risiko ergibt, welches das Leben (die hohe Kinderzahl ebenjener qualitativ ›minderer‹ Familien) gegenüber dem Leben des übrigen Bevölkerungskörpers stellt.

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der Bevölkerung daher nicht [beeinflußt]« (ebd.). Diese Bezüge auf das Verhältnis von Subjekt und Bevölkerung sind auch deshalb bedeutsam, da sie sich im Kontext der weiteren Familienberichte sichtbar verschieben werden. Die zitierte Passage verdeutlicht, wie sowohl generative als auch wirtschaftliche Qualität und Quantität mit einer spezifischen Subjektivationspraxis verschränkt sind, die – ausgehend von jenen produktiven Normen – ein Ordnungsmuster einrichten, entlang welchem die elterlich‐familialen Subjekte im Positiven wie Negativen konstitutiv ausgerichtet werden. Obwohl verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen für das grundsätzliche Sinken der Geburten in Deutschland genannt werden, bspw. dass keine Notwendigkeit der Zeugung von Kindern im Sinne der Altersvorsorge bestehe, bleibt vor allem die Erwerbstätigkeit von Frauen und deren Emanzipationsbemühungen im Fokus der Aufmerksamkeit. So erklärt die Kommission, dass aufgrund der gesunkenen Zwänge im Zuge der wohlfahrtsstaatlichen Absicherung eine Erwerbstätigkeit nicht nur aus Einkommensgründen, sondern auch als Befriedigung von der Tätigkeit her gesehen werden kann und das hierdurch insbesondere »für die Frau« die Chance steige, ihre »erweiterten Bedürfnisse auch außerhalb der Familie befriedigen zu können« (Deutscher Bundestag 1979: 115). Dabei wird insbesondere auch auf die Kosten-Nutzen-Rechnungen von Müttern verwiesen, deren Kosten steigen, wenn sie vielfältige aushäusige Alternativen zur gesellschaftlichen Teilhabe besitzen: »Die Kosten für die Übernahme der Mutterrolle werden, gemessen am Wert der im außerfamilialen, insbesondere beruflichen Bereich entgangenen Status- und Gratifikationschancen, größer.« (Ebd.: 117) Interessanterweise bricht die Kommission des dritten Familienberichts damit selbst die Teils naturalistische Argumentation (des »archaischen Wunsches«), wenn sie in ökonomischer Perspektive vor allem auf die Kosten-Nutzen-Rechnungen der (als nutzenmaximierend entworfenen) Mütter verweist, welche die ihnen zugeschriebenen ›naturwüchsigen‹ oder ›archaischen‹ Wünsche infrage stellt. Die Argumentation, die insbesondere auf diese Vereinbarkeitsprobleme von Müttern verweist, lässt sich dabei auch so lesen, dass es insbesondere Mütter sind, die aus ihrer ›natürlichen‹ Sphäre versuchen auszubrechen und dabei aus einem Streben nach Status und Gratifikation ihre »gesellschaftliche Aufgabe« nach Generativität und Reproduktion zunehmend verweigern, wodurch eine subtile Kritik und Ablehnung deutlich wird, die jene mütterlichen emanzipativen Bestrebungen in ein egoistisch‐kalkulatorisches Licht rücken. In dieser Hinsicht kann, laut der Kommission, auch die Sozialisationsfähigkeit der Familie als solche gestört werden und sich negativ auf das Mutter-KindVerhältnis auswirken, wenn durch Ambivalenzen Selbstwertprobleme der Mutter auftreten, wodurch auch auf diese Weise ein Risiko- und Gefahrenszenario per-

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formiert wird. Entsprechend negative Bezüge und Zweifel wurden bereits im Kontext des zweiten Familienberichts deutlich. Das Augenmerk und die Adressierungen der Expert*innenkommission richten sich nach wie vor insbesondere um den Subjektentwurf ›Mutter‹. Hinzu kommt, dass es insbesondere die Erwerbstätigkeit bzw. der Wunsch nach Erwerbstätigkeit von Müttern ist, die bzw. welcher zu Ambivalenzen und damit zur Belastung der Mutter-Kind-Beziehung in Form von Selbstwertproblemen führt. In diesem Sinne wird besagtes Problem zum Teil, wie weiter oben bereits beschrieben, individualisiert, da es insbesondere die Selbstwertprobleme der Mütter sind, nicht etwa die strukturelle Abwertung unbezahlter Sorgetätigkeit, die mangelnde Unterstützung durch den Partner/die Partnerin o.Ä., die ebenso problematisiert werden könnten. Die Ausführungen wiederholen auch einen Subjektentwurf von Mutterschaft, der in seinen Emanzipationsbemühungen auch zu einem Risiko für Familie und Gesellschaft werden kann, da sich diese negativ auf besagte Sozialisationsfähigkeit auswirken könnte und damit erneut sowohl die kindliche Entwicklung als auch prospektiv die Gesellschaft als Ganzes gefährdet. Das Subjekt Mutter wird damit zumindest zum risikobehafteten Einfallstor und potenziellen Unsicherheitsfaktor, wenn von der mit diesem Entwurf zugeschriebenen Verortung zu weit abgewichen wird. Hierdurch wird auch erneut deutlich, wie Diskurse über Elternschaft und Geschlecht Bezüge auf das Thema mütterlicher Erwerbsarbeit und damit verbundene vermeintliche Konsequenzen hervorbringen und im Sinne dieses Macht-Wissen-Komplexes ordnen. Allerdings wird auch ersichtlich, dass die Entscheidung gegen Kinder tendenziell mit einer moralisch aufgeladenen Kritik verwoben wird: »An den Anspruchs- und Prestigebedürfnissen kinderloser oder kinderarmer Ehen orientieren sich die Wertmaßstäbe der Mehrkinderfamilien. Dominieren ökonomische Kriterien beim generativen Verhalten, wird deshalb häufig gegen Kinder entschieden. Die Aufrechterhaltung einer Konsumnorm erscheint dann wichtiger als Kinder.« (Ebd.: 117 – Kursivierung B.N.) Dass die Expert*innenkommission hierbei selbst weitestgehend auf ökonomische und sozialpsychologische Erklärungsansätze zurückgreift, wird dabei nicht weiter reflektiert. Dies offenbart indirekt auch eine unterstellte Bedürfnisstruktur »der Frau«, die bis zu diesem Zeitraum vermeintlich ausschließlich aus dem familialen Bereich zu erwachsen schien, während die gesellschaftlich-(wohlfahrts-)staatlichen Entwicklungen dazu führen, dass sich deren Bedürfnisse erweitern konnten. Die »individuelle Freiheit«, die sich insbesondere durch jenes vermeintliche gesellschaftliche Außerhalb der Familie ergibt, gilt dabei als Gut, welches im Wettbewerb mit anderen Gütern steht (ebd.). Allerdings werden insbesondere die Zeiten der Mütter gebunden:

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»›Individuelle Freiheit‹ gilt dem heutigen Menschen, dessen Lebenslauf in der industriellen Arbeitswelt überwiegend von außen bestimmt wird, sehr viel. Man will diese individuelle Freiheit in der Freizeit, in der man eigene Pläne ohne Zwang von außen verwirklichen kann, genießen. Kinder aber legen die Zeitpläne der Eltern, vor allem der Mutter, fest.« (Ebd.: 115 – Kursivierung B.N.) Sorgetätigkeit wird weiterhin vor allem als Aufgabe der Mütter gesehen, bei der Väter oder Co-Eltern keine explizite Erwähnung finden.25 Die »individuelle Freiheit« wird aber im Kontext des generativen Verhaltens auch zum Problem, wenn im Rahmen des Wettbewerbs konkurrierender Bedürfnisbefriedigungen auf die Gründung einer Familie verzichtet wird. Obwohl die Kommission Mütter nicht für ihre Erwerbstätigkeit kritisiert, legt der weiter oben zitierte Satz der »erweiterten Bedürfnisse« von Frauen, im Sinne von Selbstverwirklichung durch die Erwerbsarbeit, zumindest tendenziell nahe, dass insbesondere Frauen zugunsten der eigenen Selbstverwirklichung auf die Gründung einer Familie verzichten. Auf »Egoismen eines hypertrophierender Individualismus« (Grossmann: 1976: 291), die im Zuge von Emanzipationsbemühungen die Bindungen zwischen Müttern und Kindern gefährden können, wurde bereits in den Debatten zum zweiten Familienbericht hingewiesen, was erneut verdeutlicht, in welchem politischen Klima entsprechende Bezüge zirkulieren. Debatten über sogenannte ›Rabenmütter‹ existieren in Deutschland auch im Jahr 2019 nach wie vor und heben nicht selten auf ›Verantwortungslosigkeiten‹ erwerbstätiger Mütter ab. Dieser Umstand erscheint erwähnenswert, da eine Infragestellung väterlicher Erwerbsarbeit in keiner vergleichbaren Weise innerhalb dieser Diskurse in Erscheinung tritt bzw. jene Selbstverwirklichungsbestrebungen von und durch Männer diesbezüglich nicht zur Disposition stehen.26 Das Thema erscheint darüber hinaus auch vor dem Hintergrund des Themas ›Leistung‹ relevant, da zu diesem Zeitpunkt der Erwerbstätigkeit von Frauen nicht die 25 Auch das generative Verhalten wird, wenn nicht einseitig, doch mindestens asymmetrisch auf Seiten der Frauen gesehen: »Dabei [bei der Geburtenplanung] ist zu vermuten, daß den Wünschen der Frau ein größeres Gewicht zukommt. Die zur Verfügung stehenden empfängnisverhütenden Mittel versetzen sie in die Lage, allein darüber zu entscheiden, ob sie schwanger werden will oder nicht.« (Deutscher Bundestag 1979: 119). Die Zuständigkeit und Verantwortung bleibt dabei also größtenteils bei den Frauen/Müttern sowie auch die Entscheidung für eine Familiengründung, in welcher der Partner/die Partnerin nur eine bedingte/begrenzte Rolle spielt. 26 Zwar erwähnt die Kommission des dritten Familienberichts: »Die Frau wird als Hausfrau, als Erwerbstätige und als Mutter mehrfach belastet. Der Mann wird in seinem Lebensbereich weit weniger von solchen Schwierigkeiten betroffen. Von der Aufgabenverteilung her ist jede Mutter – nicht nur diejenige der vaterlosen Familie – ›eine alleinstehende‹« (Ebd.: 118), dennoch erfolgten keine grundsätzliche Kritik oder explizite Forderungen, bspw. auch Väter stärker in den familialen Kontext mit einzubeziehen, wie dies ab dem fünften Familienbericht (BMFSFJ 1994) der Fall sein wird.

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gleiche Bedeutung beigemessen wurde, wie dies ab den 1990er Jahren fortfolgend der Fall sein wird. Mit Blick auf das Verhältnis von Familien- zu Bevölkerungspolitik beklagt die Kommission des dritten Familienberichts »die Vernachlässigung der Bevölkerungspolitik« (Deutscher Bundestag 1979: 129). Der Bericht verweist darauf, dass sich »erste bevölkerungspolitische Ansätze« in der Bundesrepublik abzeichnen, bspw. in Sachen der Situation des Kindes, in Fragen der langfristigen Bevölkerungsentwicklung oder der Sicherung des Generationenvertrags, wobei der Begriff »Bevölkerungspolitik sorgfältig vermieden« werde (ebd.: 130). Diese Einschätzung der Kommission scheint zutreffend. Der Soziologe Jürgen Cromm verweist darauf, dass sich die Disziplin der Bevölkerungswissenschaft in Deutschland »erst spät von dem Desaster erholt [habe], in das sie in der Zeit des Nationalsozialismus geraten war, so daß Bevölkerungspolitik bis in die 70er Jahre nicht diskutiert wurde, einerseits aus bewußter Abkehr von nationalsozialistischen Ideen, andererseits hatte die Bevölkerungsentwicklung keinen Anlaß dazu gegeben.« (Cromm 1989: 13) Die Klage der Kommission lässt in dieser Hinsicht dann auch eine gewisse Notwendigkeit hinsichtlich demographischer Betrachtungen deutlich werden, die mit sich abzeichnenden bevölkerungspolitischen Entwicklungen in Verbindung gebracht werden. Der, wenngleich auch historisch begründete, Verzicht auf Bevölkerungspolitik wird von Seiten der Berichtskommission mit negativen Auswirkungen in Verbindung gebracht. Deshalb mahnt die Kommission: »Von einer Bevölkerungspolitik willentlich abzusehen ist gleichbedeutend mit dem Treibenlassen einer Entwicklung, also einer passiven Politik, bei der man sich auf die freie Entscheidung der Bürger zurückzieht, damit aber auf eine Rahmensteuerung, wie sie in vielen anderen Politikbereichen selbstverständlich ist, verzichtet. Ein solcher Verzicht ist aber bei der Bedeutung der Bevölkerungstrends für das gesellschaftliche und staatliche Leben nicht vertretbar.« (Deutscher Bundestag 1979: 130) Gefordert wird eine aktive Bevölkerungspolitik, die zwar nicht in direkter Weise in die Entscheidungsfreiheit der Subjekte eingreifen, diese aber dennoch indirekt über eine Rahmung steuernd beeinflussen soll (vgl. hierzu auch Foucault 2005b: 256). Dass ein solches Vorgehen in anderen Politikbereichen laut der Kommission bereits durchgeführt wird, dient hierbei als Begründung für eine Übertragung dieser Prinzipien auf die Familienpolitik, die so mit demographischen Themen verschränkt werden soll. Wie weit die Kritik an der vermeintlich ausbleibenden Bevölkerungspolitik reicht, unterstreicht folgendes Zitat, in dem sich die Kommission kritisch auf bisherige Positionen der damaligen Bundesregierung bezieht:

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»In der Antwort der Bundesregierung taucht der Begriff Bevölkerungspolitik zwar auf, jedoch ihn gleichsam abwehrend: Der Schutz von Ehe und Familie verpflichte den Staat nicht dazu, die kinderreiche Familie als bevölkerungspolitisches Ziel anzustreben. Die Bundesregierung sei nicht der Auffassung, daß bereits jetzt der Zeitpunkt zum Einsatz direkter bevölkerungspolitischer Maßnahmen gekommen wäre (Große Anfrage); Kindergeld sei primär familien- und sozialpolitisch, nicht bevölkerungspolitisch motiviert (Kleine Anfrage). Die Bundesregierung sieht es als ihre Aufgabe an, ›. . . die bevölkerungsrelevanten Auswirkungen von Maßnahmen in den verschiedenen Politikbereichen künftig verstärkt zu beachten‹ (Kleine Anfrage). Man sieht also die Probleme, aber man scheut sich davor, sich zu einer aktiven Bevölkerungspolitik zu bekennen.« (Deutscher Bundestag 1979: 130) Neben divergierenden Zielsetzungen hinsichtlich der Generativität der Familie offenbart sich jedoch auch, dass, zumindest perspektivisch, für die damalige Bundesregierung »bevölkerungspolitische Maßnahmen« denkbar wären (»[…] sei nicht der Auffassung, daß bereits jetzt der Zeitpunkt […]« [ebd. – Herv. B.N.]). Dennoch macht die damalige Bundesregierung deutlich, dass sie die bevölkerungsrelevanten Auswirkungen ihrer Instrumente über die diversen Politikbereiche zukünftig stärker in den Blick nehmen werde. Allerdings besitzen familienpolitische Maßnahmen immer auch demographische Aspekte, wie Cromm ausführt: »Die gleichen Maßnahmen, die familienpolitischen Intentionen unterliegen, sind auch zur Erreichung bevölkerungspolitischer Ziele einsetzbar.« (Cromm 1989: 13)27 Insofern scheint hierin auch die ›Unreinheit‹ jener kategorialer Trennungen von Familienund Bevölkerungspolitik auf, die weniger an ein Label an sich gebunden ist, sondern gleiche Instrumente in einem anderen Rahmen nutzt, so dass entsprechende politische Interessen, seien sie familienpolitisch- oder bevölkerungspolitisch ausgerichtet, als miteinander verschränkt erscheinen. Wie in Kapitel 2 ausgeführt, zeigt sich ein konstitutives Wechselverhältnis zwischen den von Foucault beschriebenen Polen Körper und Bevölkerung (Foucault 2001: 295). Wenngleich auch innerhalb des zweiten Familienberichts das generative Verhalten der Bevölkerung oder Fragen der Reproduktion eine Rolle spielen, wird dieses Thema von der Kommission des dritten Familienberichts deutlich stärker betont sowie problematisiert und gerät, bei weiterer »Missachtung«, zu einer nicht 27 Cromm zählt in seinem Aufsatz über Bevölkerungspolitik familienpolitische Instrumente wie Kindergeld, Mutterschutz, Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub (mit Arbeitsplatzgarantie), die Berücksichtigung von Erziehungszeiten bzgl. der Rente genauso wie Steuerfreibeträge für Kinder oder auch Wohnhilfen auf (1989: 13). Kaufmann (2000) verweist, die Perspektive von Cromm differenzierend, in Anlehnung an die familienpolitische Perspektive Max Wingens darauf, dass »Familienpolitik und … [sic!] Bevölkerungspolitik […] je unterschiedliche Zielsetzungen [haben], […] bei der Zielverwirklichung teils jedoch gleiche Mittel ein[setzen]« (ebd.: 42).

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vertretbaren Regierungspraxis im Sinne des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens. Es geht diesbezüglich um die Frage, wie eine bestimmte Weise elterlicher ›Freiheit‹ herzustellen bzw. reg(ul)ieren ist, die nicht in direkter Weise in das bevölkerungspolitische Marktgeschehen eingreift, die Marktkräfte spielen lässt und das Treiben dennoch im Sinne einer regulierten Freiheit zu kontrollieren versucht, da mit besagtem Mehr an Freiheit im Kontext des Neo-/Liberalismus immer auch ein Mehr an Kontrolle verbunden war bzw. ist (vgl. Kapitel 2; Foucault 2006: 105, 2014c: 506). Insofern lässt sich die Kritik der Kommission auch als eine Kritik an der gouvernemental‐biopolitischen Reg(ul)ierungspraxis lesen. Das Treiben der Bevölkerung soll dabei gerade nicht im Sinne des Laissez faire dem willkürlichen oder zufälligen Verhalten der einzelnen Subjekte überlassen werden, sondern im Sinne einer überwachten und damit auch ›gesicherten‹ Technologie der Bevölkerungssteuerung zirkulieren können. Das Beispiel verdeutlicht neben dem strittigen Punkt einer ›hinreichenden‹ Familien- und Bevölkerungspolitik auch ein enges Verhältnis nicht nur von Politik und Ökonomie, sondern auch eine wesentliche Verschränkung wissenschaftlichen (Expert*innen-)Wissens mit Konfigurationen gouvernementaler Regierungspraxis, da über die Expertise der Kommission(en) einerseits empirisches Material im Hinblick auf die Fragestellungen mit Gewicht versehen wird und sich dies andererseits in direkter wie indirekter Weise auf in den Blick geratende wie auch in den Blick zu nehmende ›Probleme‹ auswirken kann. Darüber hinaus zeigt sich, wie dieses wissenschaftliche ›Wissen‹ selbst wiederum in ebenjene historisch situierten Wissenschafts- (und Geschlechter-)diskurse eingelassen ist und so in das Reg(ul)ierungshandeln selbst eingelassen ist. Es wird deutlich, wie eine geschlechterpolitische Dimension in sämtlichen Bezügen in direkter wie indirekter Weise mitgeführt wird und in engen heteronormativen Bahnen verläuft. Dabei bleibt vor allem die spezifische Herstellung des Subjekt Frau/Mutter im Sinne eines gebährtätigen Körpers zentraler Dreh- und Angelpunkt, sowohl der generativen Notwendigkeiten als auch hinsichtlich der Risiken, die sich aus einem Ausbleiben dieser reproduktiven Tätigkeiten ergeben können. So kreuzen und materialisieren sich Diskurse um Geschlecht(skörper), Erwerbsarbeit als auch Bevölkerung und richten dabei ihre Subjekte an besagten Notwendigkeiten aus. Beim dritten Familienbericht zeigt sich zusammenfassend, dass sich dort eine gewisse Aufweichung der strikten Trennung der Sphären ergibt, die es insbesondere dem Subjektentwurf Mutter zugesteht, zumindest teilzeitlich erwerbstätig zu sein, obwohl auch der dritte Familienbericht die grundsätzliche Stoßrichtung fortführt, die bereits in den Positionen des zweiten Familienberichts zu sehen war. Nach wie vor entwirft die familienpolitische Rationalität ein Muttersubjekt, das nicht nur über körperliche Präsenz und ein enges Mutter-Kind-Verhältnis realisiert werden soll, sondern, dies unterstreichen die bisherigen Ausführungen, nun auch auf Ebene der gesellschaftlichen Reproduktion an Bedeutung gewinnt. Die Aus-

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führungen verdeutlichen dabei ein konflikthaftes Spannungsverhältnis zwischen Emanzipations- und Erwerbsbemühungen von Frauen, die zwar durch das Zugeständnis teilzeitlicher Erwerbstätigkeit zu integrieren versucht werden, die jedoch gleichzeitig ein latentes Risiko darstellen: sowohl für das generative Verhalten als auch der Sozialisationsfähigkeit der Familie. Aufgrund dessen gerät das Risiko durch ebenjene Emanzipationsbemühungen in dieser familienpolitischen Perspektive nicht mehr lediglich zu einem Risiko für die (früh-)kindliche Entwicklung, sondern erstreckt sich nunmehr auch auf die Re-/Generativität der Gesellschaft. Vätern wird, in diesem Entwurf eines familialen Gefüges, nach wie vor nur eine randständige oder sekundäre Rolle zugewiesen und sie bleiben vor allem in ihrer Subjektivität ein familiales Erwerbssubjekt.

4.3

Zum Diskurs der Naturalisierung von Mutterschaft

Bevor auf die Einführung des Bundeserziehungsgeldes 1986 eingegangen wird, soll an dieser Stelle das Thema der ›Naturalisierung‹ bzw. ›Biologisierung‹ von Mutterschaft aufgegriffen und vertieft werden. Wie deutlich wurde, wird sowohl innerhalb des politischen- wie wissenschaftlichen Diskurses dem Subjekt Mutter ein zentraler (primärer, fürsorgeverantwortlicher) Status zugewiesen, dessen Infragestellung nicht nur mit Blick auf die Emanzipationsbemühungen von erwerbsorientierten Frauen bzw. Müttern, sondern auch im Hinblick auf die (früh-)kindliche Entwicklung kritisch gesehen wird. Eine Vertiefung scheint auch deshalb angezeigt, um einerseits nachfolgende politisch-ökonomische Verschiebungen innerhalb der weiteren Familienberichterstattung einzuordnen und sie andererseits, damit verbunden, hinsichtlich der Subjektivationsprozesse mit dem elterlichen Spektrum ins Gespräch zu bringen, das innerhalb des Interviewmaterials sichtbar wurde. Obwohl durch diese Inbezugsetzung der (familien-)politischen und wissenschaftlichen Diskurse sowie der Narrationen der Interviews kein kausaler Zusammenhang unterstellt wird, wird dennoch die Wirkmächtigkeit entsprechender diskursiver Formationen beim Thema Elternschaft deutlich. Die Naturalisierung von Mutterschaft wiederholt eine lange Tradition der Trennung von ›weiblicher‹ Natur auf der einen und ›männlicher‹ Kultur auf der anderen Seite, die bis in die griechische Antike zurückreicht. Wie die Medien- und Kulturtheoretikerin Astrid Deuber-Mankowsky zeigt, wird der Gegensatz von Natur/Kultur insbesondere im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einem eigenständigen Gegenstand des Wissens (2013: 327, 2017). Obwohl innerhalb der Literatur, die mit der Entstehung der Diskurse um ›Mutterliebe‹ häufig auf die Aufklärung und das 18. Jahrhundert bezogen wird (z.B. Badinter 1981; vgl. kritisch Opitz 1998: 14; 2002: 154f.), bleibt häufig(er) unbeachtet, dass sich in dieser Zeit auch Bezüge auf eine ›Vaterliebe‹ finden lassen (z.B. Knibiehler 1996; Opitz 2002). Aufgrund dessen er-

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scheint eine Berücksichtigung der – auch historischen – Kontextualisierung der elterlichen Relationen bedeutsam. Dies insbesondere auch, da innerhalb der bisherigen Familienberichterstattung sowie des damaligen Forschungskontextes weitestgehend einseitig auf die Mutter-Kind-Beziehung abgehoben wurde. Dass diesbezüglich eine einseitige Perspektive, die auch die Aufklärung ausschließlich auf die Entstehung von ›Mutterliebe‹ reduziert, zu kurz greift, lässt sich, wie die Historikerin Claudia Opitz festhält (2002: 155), sogar an Rousseaus Werk Émile zeigen, das für viele Autor*innen als eine der Ursprünge besagter Natur/Kultur-Dichotomie sowie der ›Mutterliebe‹ gilt. Rousseau schreibt: »Wie die Mutter die wahre Amme ist, so ist der Vater der wahre Lehrer […]. Wenn ein Vater Kinder erzeugt und ernährt, so erfüllt er damit erst ein Drittel seiner Aufgabe. Er ist dem Menschengeschlecht Menschen schuldig, den Gemeinschaften sozial denkende Menschen und dem Staate Bürger. Jeder, der diese dreifache Schuld nicht zahlen kann und nicht zahlt, verdient Strafe, die vielleicht noch größer ist, wenn er seine Pflicht nur halb erfüllt. Wer die Pflichten eines Vaters nicht erfüllen kann, hat kein Recht, es zu werden.« (Jean-Jacques Rousseau zit.n. Opitz 2002: 156; vgl. auch Schütze 1988: 119) Wie Opitz ausführt, sind die Väter darüber hinaus durch eine emotionale Haltung charakterisiert, die als ebenso natürlich betrachtet wird wie die Mutterliebe. Die Diskurse der frühen Neuzeit bis ins 18. Jahrhundert hinein unterstrichen dabei insbesondere die ›väterliche Zuwendung‹ im Sinne einer Aufsicht und Erziehung der Kinder (vor allem der Jungen), während, wie Opitz weiter darstellt, der Mutter eine vergleichsweise geringere Rolle zukam, obwohl diese in Bezug auf Zeugung und dem Gebären der Erben nicht unwesentlich, jedoch vor allem auf die physische Reproduktion fokussiert war (Opitz 2002: 156). Beachtenswert ist diesbezüglich auch der Hinweis, dass sich noch innerhalb des Conversationslexikon für das deutsche Volk 1838 unter dem Stichwort »Liebe« zwar »Elternliebe« neben »Gatten-« oder »Kinderliebe« findet, jedoch ein Stichwort »Mutter« oder »Mutterliebe« nicht aufgeführt wird, während dem Begriff »Vater« zwei Seiten in Bezug auf dessen Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind gewidmet werden (ebd.; Schütze 1988: 120; vgl. zum Wandel der Vaterrolle in der Aufklärung auch Opitz 1998). So konstatiert Opitz zusammenfassend: »Wenn man also mit Badinter die Auffassung vertreten will, daß die ›Mutterliebe‹ ein neuer Wert im 18. Jahrhundert war, der auf die Hervorhebung, ja, Idealisierung der mütterlichen Zuwendung und Pflege für das Gedeihen des Kindes etwa durch Rousseau beruht, dann kann man mit mindestens derselben Berechtigung (und aufgrund derselben Quellen!) auch behaupten, daß die ›Vaterliebe‹ von der Aufklärung erfunden wurde, die in engem Zusammenhang mit der Entwicklung einer neuen, bürgerlichen Familienform stand, welche sich gegen Ende

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des 18. Jahrhunderts herausbildete, aber auch als Modell und Grundlage einer neuen, auf ›natürlichen‹ Grundlagen basierenden Gesellschaftsordnung gesehen und gewünscht wurde.« (Opitz 2002: 156) Opitz kann zudem zeigen, dass entsprechende Diskurse bereits im Kontext des Humanismus des 15. und 16. Jahrhunderts zirkulierten. Exemplarisch sei hier Erasmus von Rotterdam zitiert, der erklärt: »So wie die kaum halbe Mütter sind, die ein Kind nur zur Welt bringen und nicht erziehen, so sind diejenigen kaum halbe Väter, die zwar für das leibliche Wohl ihrer Kinder bis zum Überfluß sorgen, ihrem Geist jedoch keinerlei moralische Bildung zukommen lassen […]. Die Vernunft ist es, die den Menschen ausmacht; sie kann dort nicht Platz greifen, wo alles der Diktatur der Leidenschaften unterworfen ist.« (Erasmus von Rotterdam zit.n. Opitz 2002: 158) Hierdurch wird dann auch der Abstand zu den Argumentationen der Aufklärer, wie Opitz zusammenfasst, deren Vorstellungen ebenfalls durch Verweise auf ›Natur‹ und ›Vernunft‹ begründet werden, brüchig, wenn nicht aufgelöst (ebd.). Weshalb zeichnet sich, diesen historischen Bezügen folgend, eine Engführung von Elternschaft auf die Mutter-Kind-Beziehung ab? Ein Grund kann darin gesehen werden, dass, wie der Kultur- und Wissenschaftshistoriker Thomas Laqueur (1992) herausgearbeitet hat, bis in das 18. Jahrhundert die Geschlechterdifferenz durch den Begriff des Ein-Geschlechter-Modells geprägt war. Laqueur beschreibt die Verschiebung hin zum Zwei-Geschlechter-Modell, das auch eng mit Verschiebungen der physiologischen wie anatomischen Bezüge auf die Ausdeutung der Geschlechtsorgane verbunden war (vgl. auch Deuber-Mankowsky 2013: 329). So konstatiert Astrid Deuber-Mankowsky: »Die Entstehung eines kulturwissenschaftlichen Diskurses über den unterschiedlichen Beitrag der Geschlechter zur Entstehungsgeschichte der Kultur geschah […] zeitgleich mit einer Zäsur in der physiologischen Anthropologie und Anatomie. So wurden ›Organe, die bislang einen Namen miteinander geteilt hatten – Ovarien und Testikel‹, nun sprachlich unterschieden und Organe, die nicht durch einen eigenen Namen unterschieden worden waren, etwa die Vulva, erhielten nun einen eigenen Namen.« (Ebd.) So fasst Laqueur dann auch zusammen: »[M]an erfand zwei biologische Geschlechter, um den sozialen eine neue Grundlage zu geben.« (Laqueur 1992: 173; vgl. auch Deuber-Mankowsky 2013: 329) Ein weiterer Grund für diese zunehmende Fokussierung auf die Mutter-Kind-Beziehung kann darin gesehen werden, dass jene ›natürlichen‹ geschlechtlichen Unterschiede zwischen den Subjektentwürfen Mutter und Vater im 18. Jahrhundert durch die Ausdifferenzierung der Wissenschaften weiter vorangetrieben – und damit auch wissenschaftlich gestützt – wurde. Wie Deuber-

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Mankowsky, mit Bezug auf die Arbeit Claudia Honeggers, zeigt, entwickelten sich zwischen 1750 und 1850 eine allgemeine und eine weibliche Sonderanthropologie (ebd.: 334; vgl. auch Honegger 1991: 126ff.). Deuber-Mankowsky bringt diese Verschiebung treffend auf den Punkt: »Im Zeitalter der positiven Wissenschaften wurde die natürliche Ungleichheit der Geschlechter ihrerseits ›wissenschaftlich‹ und nicht mehr im Rekurs auf eine gottgegebene Ordnung begründet.« (Deuber-Mankowsky 2013: 334) Entsprechende historische Rejustierungen wurden bisher auch entlang der Arbeiten Foucaults und Butlers innerhalb des zweiten Kapitels mit Blick auf die Souveränitätsmacht deutlich. Auch die Verschiebungen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, wie sie sich während des 19. Jahrhunderts noch umfassender vollzogen, mit ihrer ausgeprägten Sphärentrennung und ihren dichotomen Geschlechtercharakteren, die bis in das 20. Jahrhundert hineinreichten und mit dem »Golden Age of Marriage« in den 1950er und 1960er Jahren ihren Höhepunkt fanden, könnten hierbei als weitere Gründe für jene Engführung von Elternschaft gesehen werden (vgl. auch Reckwitz 2008b: 177ff.; 2012). Wie diesbezüglich auch der (sozial-)wissenschaftliche Diskurs an der Re-/Produktion bestimmter Wissensordnungen beteiligt ist, zeigte sich innerhalb der vorangegangenen Ausführungen bereits. Obwohl diesen Spuren hier nicht weiter nachgegangen werden kann, wird doch deutlich, dass die Bezüge der Familienberichte bis Mitte der 1980er Jahre hinsichtlich Mutterschaft, Vaterschaft bzw. Elternschaft wesentlich von Geschlechterdiskursen und Subjektentwürfen durchtränkt sind, die historisch weit zurückreichen. In diesem Sinne wurde jedoch auch klar, dass die politischen wie wissenschaftlichen Bezüge dabei insofern einer spezifischen Rahmung folgen, als sie jene wesentlichen Bezüge auf ›Vaterschaft‹ und die Rolle von Vätern in der Familie mehr oder weniger ausblenden. Aufgrund dessen erscheinen diese Bezugnahmen in gewisser Hinsicht doppelt artifiziell, nicht nur, weil sie die historisch‐kulturellen diskursiven Konstitutionen ebenjener Naturalisierungen und Biologisierungen unterschlagen, sondern weil sie selbst innerhalb dieses Kontextes (z.B. der Aufklärung, in Bezug auf Rousseau) jene Bezüge auf Vaterschaft bzw. auch auf Elternschaft häufig ausblenden. Dies betont zum einen die Nicht-Natürlichkeit jener Subjektivitäten mitsamt der ihnen zugeschriebenen Charakteristika, zum anderen jedoch auch, wie weitreichend die Produktivität jener Macht-Wissen-Formationen und ihrer Subjektivationsweisen ist, welche sich auch in einigen der geführten Interviews, um Rahmen der Studie Väter in Elternzeit materialisieren, auf die gleich noch stärker Bezug genommen wird. Damit wird jedoch von Seiten der damaligen Bundesregierungen wie der Kommissionen auf ein Einheitssubjekt ›Frau‹ bzw. ›Mutter‹ in Relation zu ›Mann‹ und ›Vater‹ verwiesen, welches auch jenseits des sicherlich vorhandenen Wissens darüber, dass nicht alle Männer/Väter bzw. Frau-

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en/Mütter gleich sind, auf identitätspolitische Weise wirksam wird. Zwar wurde auf die »komplexe Identität« von Frauen hingewiesen und es verschieben sich bis in die 1980er Jahre hinein die Bezüge auf Mutterschaft hin zu einer zunehmenden Öffnung im Hinblick auf maternale Erwerbstätigkeit, jedoch zeigt sich auch, wie weitreichend und persistent ebenjene Bezüge diesbezüglich sind, die maßgeblich auch den politischen Rahmen konstituieren, in dem bestimmte elterliche Subjekte entstehen und in dem sich diese bewegen können. Dadurch kann der Frage Butlers zugestimmt werden, die in Das Unbehagen der Geschlechter bereits 1991 fragte: »Werden die angeblich natürlichen Sachverhalte des Geschlechts nicht in Wirklichkeit diskursiv produziert, nämlich durch verschiedene wissenschaftliche Diskurse, die im Dienste anderer politischer und gesellschaftlicher Interessen stehen?« (Butler 2012a: 23f.; vgl. auch Deuber-Mankowsky 2017: 7). Das Zusammenwirken verschiedener wissenschaftlicher Diskurse wurde bereits an diversen Stellen deutlich, ebenso wie die verschiedenen politisch-ökonomischen Interessen, die mit spezifischen Bezügen auf das Thema der Bevölkerungspolitik verschränkt sind. Dass sich auch innerhalb des Gesprächsmaterials der Studie Väter in Elternzeit entsprechende naturalisierende wie biologisierende Bezüge auf Elternschaft und Geschlecht abzeichnen, soll nachfolgend aufgegriffen werden, da diese Rationalitäten sich nicht nur in vielen der Interviews finden lassen, sondern sich im Rahmen dieser Diskurse auch spezifische elterliche Subjektentwürfe konstituieren. Dennoch eröffnet sich über die Breite der einzelnen Gespräche ein Spektrum elterlicher Subjektivitäten, welches durch die variierenden narrativen Bezüge im weiteren Verlauf des Kapitels herausgearbeitet werden soll, so dass diverse Subjektformen mitsamt diverser Un-/Möglichkeiten elterlicher Praxis in Erscheinung treten (auch Neumann 2016a). Im Hinblick auf naturalistische oder biologistische Bezüge innerhalb des Interviewmaterials wird deutlich, dass solche naturalistischen Diskurse um Elternschaft und Geschlecht, wie die Auseinandersetzung mit den Familienberichten der 1970er Jahre gezeigt hat, sich auch innerhalb des Interviewmaterials wiederfinden und wiederholen. Zwar soll damit nicht gesagt werden, dass die jeweiligen Paare unmittelbar auf die Familienberichte als solche Bezug nehmen, jedoch deutlich werden, wie bestimmte, weit zurückreichende Diskurse in spezifischer Weise wiederholt werden. Damit wird auch ersichtlich, dass bestimmte historische Bezüge keineswegs ›hinter uns‹ liegen, sondern letztlich immer als potenziell möglicher Bezug gespenstisch mitgeführt werden (Derrida 2004; Butler 2012c; Derrida 2014b; vgl. auch Kapitel 2, Abschnitt 2.1.2). Dichotomisierungen im Sinne von Männlich/Weiblich finden sich in sehr expliziter Weise in einigen der Paarnarrationen, wobei der in der Narration entfalten Gegensätzlichkeit eine wichtige Funktion zukommt und jene Geschlechterdifferenzierungen produktiv stützt. Das Paar Engelhardt-Erdmann steht hierfür exemplarisch und erklärt:

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Esther: »Ich glaube was aber sehr sehr weiblich ist ist immer noch diese Emotionalität dahinter. Also wie oft wir waren doch schon öfters hier in der Situation gerade als Emma ganz klein war dass man als Frau wirklich dann völlig mit den Nerven am Ende ist irgendwie. Schlafmangel weil man vielleicht auch nachts irgendwie das Kind gestillt hat. Das kann halt nur die Mutter machen. Und irgendwann hat man das Gefühl die ganze Welt bricht über einem zusammen nur weil eigentlich alle nicht geschlafen haben. Und dann find ich ist es sehr männlich dass der ruhende Pol kommt und sagt komm ist irgendwie alles nicht so schlimm. Du legst dich jetzt hin. Ich geh mit dem Kind um den Block. Und da irgendwie so Ruhe und Konstanz irgendwie reinbringt.« Erik: »Ja gut irgendeinen Unterschied muss es ja immer geben zwischen Männern und Frauen.« Kurz darauf erklärt Esther weiter: »Und ich glaube auch durch die Schwangerschaft und alles was mit dem Körper der Frau passiert ist das auch einfach von der Natur her von vornherein irgendwie so vorgegeben dass alles so bei der Frau weicher ist. Also auch irgendwie der Geist und die Emotionen dass man da irgendwie sowohl im Guten wie im Schlechten sehr stark so in diese Grenzbereiche irgendwie kommt. Und bei dem Mann da einfach wesentlich mehr ja das ausgeglichen ist.« In diesen beiden längeren Passagen stechen einige wesentliche Punkte hervor: Zum einen fällt die klare, als weiblich konnotierte Emotionalität auf, die in diesem Sinne ›klassisch‹ der männlichen ›Rationalität‹ gegenübersteht bzw. von und durch diese bedingt wird. Auch ist es Esther, die im Kontext des nächtlichen StillenMüssens emotional »völlig am Ende« ist. Die geschlechtsspezifisch‐arbeitsteilige Strukturierung, die hier entfaltet wird, wird insbesondere dadurch gestützt, dass Esther erklärt, dass nur die Mutter das Kind stillen könne – ein Argument, welches noch in verschiedenen anderen Erzählungen in dieser Form auftaucht. Dabei realisiert das arbeitsteilige, geschlechterdichotom strukturierte Arrangement eine Belastungssituation Esthers, die den Eindruck einer größeren Emotionalität dadurch stützt, dass Erik dieser Belastung gar nicht ausgesetzt wird (im Unterschied zu anderen Vätern, die über ähnliche Belastungen wie Esther berichten). Dies performiert nicht nur die – auch körperlich erfahrbare – Emotionalität und Belastung, sondern stabilisiert auch die dichotome Anlage selbst, da Erik aufgrund der anderen strukturellen Einbindung überhaupt erst zum »ruhenden Pol« werden kann. Das erwähnte Zusammenbrechen der Welt über Esther (»weil alle nicht geschlafen haben«), kann in dieser Hinsicht als ein Zusammenbruch gedeutet werden, der auch eng mit der vergeschlechtlichten Zuständigkeit primärer Sorge verknüpft ist, die mit diesem Subjektentwurf von Mutterschaft einher geht: die Bebzw. Überlastung lässt in diesem Sinne dann in erster Linie Esthers Welt in doppel-

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ter Hinsicht zusammenbrechen: Zum einen, weil sie innerhalb des Diskurses um sorgende, aufopfernde Mutterschaft nicht nur an ihre Grenzen gerät, sondern diese sogar zusammenbrechen; zum anderen, da hiermit auch ihre spezifische Subjektivität als un-/fähige ›Mutter‹ auf dem Spiel steht. Obwohl grundsätzlich auch Erik in der Formulierung, dass alle nicht geschlafen haben, einbezogen sein könnte, taucht dieser in der Narration nicht auf und die Zuständigkeit verbleibt klar bei Esther. Erik erscheint jedoch in anderer Form, nämlich dann, wenn es darum geht, Esther als Muttersubjekt zu stabilisieren, indem er als ruhender Pol seiner ›männlichen Aufgabe‹ entspricht und dem weiblich‐emotionalen ›Chaos‹ Struktur und Ordnung verleiht. Auf diese Weise stabilisiert sich gleichzeitig auch Eriks zugeschriebene ›männliche‹ Rationalität und ausgleichende Stärke, die mit diesem Entwurf eines Vatersubjekts einhergeht. In dieser Anlage konstituieren sich Esther und Erik wechselseitig nicht nur in ihrer Zugehörigkeit als Elternpaar, sondern bis in die materiell‐affektive Strukturierung ihrer Körperlichkeit, die besagte Emotionalität/Ruhe leiblich erfahrbar werden lässt. Eriks Kommentar (»Ja gut irgendeinen Unterschied muss es ja immer geben zwischen Männern und Frauen.«) verweist auf Zustimmung und kann so gelesen werden, als dass es – bei allen geschlechterpolitischen Angleichungen – ›irgendwelche‹ Unterschiede zwischen Männern und Frauen geben muss. Genauer betrachtet zeigt seine Formulierung, dass bei allen Veränderungen ein Unterschied zwischen ›Männern‹ und ›Frauen‹ »immer« bestehen oder bleiben muss, da sonst jene Trennung an sich zusammenbrechen würde. Dadurch wird nicht nur die Produktivität dieses Unterschieds betont, die auf diese Weise klar voneinander abgrenzbare Mutter- und Vatersubjekte erzeugt, sondern auch die Überzeitlichkeit dieser Unterscheidung deutlich. Auch die zweite Passage von Esther unterstreicht diese Lesart, ergänzt sie jedoch noch um die Dichotomie weich/hart, die hierbei explizit auf Veränderungen des weiblichen Körpers bezogen werden, der »von der Natur her von vorneherein irgendwie« vorgibt, »dass alles so bei der Frau weicher ist«. Diese Weichheit gilt auch entsprechend für den »Geist und die Emotion«, so dass Weiblichkeit vor allem mit einer weicheren, zarteren, sanfteren Emotionalität verbunden ist, welche ›Männern‹, möchten sie ›Mann‹ sein, nicht zur Verfügung steht. Dabei weist diese Form der Emotionalität »im Guten wie im Schlechten« eine (mögliche) Form der Grenzgängerschaft auf, die in dieser extremen Weise dem besonnen‐rationalen ›Männlichen‹ nicht zu eigen ist. In dieser Perspektive bleibt die Natur des Weiblichen in hierarchischer Weise auf die regulierende Kultivierung des Männlichen angewiesen und re-/produziert die asymmetrische Anordnung von männlich/weiblich, die in der Narration entfaltet wird. Innerhalb des Gesprächs mit dem Paar Albert findet sich eine Argumentation, die ebenso wie bei den Engelhardt-Erdmanns den Unterschied zwischen Männern und Frauen betont, jedoch dahingehend über die Feststellung Eriks (»irgendeinen Unterschied muss es ja immer geben zwischen Männern und Frauen«) hinausgeht,

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als dass sich dort nicht lediglich ein immerwährender Unterschied konstituiert, sondern dieser als Horizont für das gleichstellungspolitisch Mögliche fungiert: Achim: »Ansonsten denk ich […] es gibt einfach Unterschiede zwischen Männern und Frauen dass Männer keine Kinder kriegen können und Frauen können Kinder kriegen. Und bei allem was in Richtung Gleichstellung oder äh Gleichbehandlung unternommen wird das lässt sich halt nicht weg denken oder weg konzipiern. Das das ist einfach in der Natur der Sache genauso auch wie die Bindung zwischen Mutter und Kind grundsätzlich erstmal ›ne stärkere ›ne engere ist. Ähm gibt’s einfach Grenzen was man da erreichen kann und da denk ich muss man sich immer im Klaren sein wo wo man überhaupt landen kann wenn’s richtig gut läuft. Und das heißt eben nicht dass ne Mutter ihr Kind kriegt und dann vierzig Stunden wieder arbeitet. Das ist ähmm nicht natürlich aus meinem Dafürhalten und das würd auch nicht gut sein fürs Kind.« Anna: »Ich denk mir auch dafür krieg ich kein Kind ne dass ich das sofort (Achim: Mhm) wieder abgebe.« Besagte Grenzen der Gleichberechtigung oder der Gleichstellung bzw. das, was man diesbezüglich erreichen kann, werden innerhalb der Narration deutlich durch die naturalisierte bzw. biologisierte Perspektive auf Geschlecht und die Eltern-Kind-Beziehung getragen. Eine rasch in den Beruf zurückkehrende, vollzeiterwerbstätige Mutter fordert damit nicht nur besagte ›Natur‹ heraus, sondern gefährdet in der Narration auch das Wohl des Kindes (»Das ist ähmm nicht natürlich aus meinem Dafürhalten und das würd auch nicht gut sein fürs Kind«). Die Narration der Alberts wiederholt damit Diskurse, die im Kontext der mütterlichen Erwerbstätigkeit sowie des Risikos der Emanzipationsbemühungen von Frauen innerhalb des zweiten und dritten Familienberichts bereits sichtbar wurden. Die Einlassung Annas, dass sie »dafür« kein Kind bekommen habe, um es »sofort wieder abzugeben«, greift einerseits ebenso jene Diskurse um fürsorgeverantwortliche, präsente Mutterschaft auf, wie sie andererseits eine negative Abgrenzung zu einem Subjektentwurf von Mutterschaft realisiert, der jenes ›Abgeben‹ vor allem in ein negativ konnotiertes Licht rückt. Auf diese Weise entsteht Anna nicht nur in Relation zu Achim als ein spezifisches Muttersubjekt, sondern auch in negativer Abgrenzung zu anderen Entwürfen von Mutterschaft, die ihr Kind abgeben bzw. rasch wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren (wollen). Aufgrund der vermeintlich unveränderbaren Unterschiede zwischen den Geschlechtern, der »grundsätzlich engeren Beziehung« zwischen Mutter und Kind und der Gefährdung für die (früh-)kindliche Entwicklung durch eine frühzeitige Rückkehr der Mutter in den Beruf ergibt sich – der Narration folgend – durch eine vollständige Gleichstellung eine widernatürliche Gefährdung für das Kindeswohl. Zwar schließt dies keine Gleichstellungsbemühungen aus, diese werden weder in der Narration noch grundsätzlich infrage gestellt – jedoch zieht die biologistische

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Konzeptualisierung in produktiver Weise eine Grenze, die insbesondere aus Gründen des Kindeswohls nicht zu überschreiten sei. Allerdings ergeben sich hierdurch auch im Zusammenhang mit der Erwerbsarbeit unmittelbare Konsequenzen: Nicht nur gefährdet eine vollzeiterwerbstätige Mutter in unverantwortlicher Weise das Wohl des Kindes, was diesbezüglich höchstens eine teilzeitliche Tätigkeit (nach einer gewissen Zeit) in Betracht kommen lässt, sondern es begründet letztlich auch das hierarchische Verhältnis zwischen den elterlichen Subjekten: In Bezug auf die Erwirtschaftung des familialen Auskommens konstituiert Achim ein Vatersubjekt, welches als Hauptverdiener den finanziellen Rahmen der Familie trägt, während Anna als Muttersubjekt monetär unterstützend teilzeitlich tätig ist. Die familiale Haus- und Sorgetätigkeiten betreffend gerät Anna in diesem Verhältnis zur primären Sorgeverantwortlichen, während Achim, der (auch innerhalb seiner zweimonatigen Elternzeit) vor allem unterstützend tätig ist. Die Gleichstellungsbemühungen geraten innerhalb der Narration dort an ihre Grenzen, wo sie die ›natürliche‹, ›biologische‹ Ordnung zum Wohle des Kindes riskieren, die hierbei den Subjektentwürfen ›Mutter‹ und ›Vater‹ nicht nur eine innerfamiliale Hierarchisierung zwischen primärer- und sekundärer Sorgeverantwortung einschreibt, sondern diese vergeschlechtlichte Asymmetrie auch im Hinblick auf die Erwerbsarbeit realisiert. Eine vergleichbare Bezugnahme auf den Komplex ›Natur(alisierung)‹ findet sich auch innerhalb der Bezüge des Paares Inan. Allerdings steht sie – anders als bei den Engelhardt-Erdmanns – für eine noch konkretere, praktische Separierung der Sphären zwischen den Subjektivitäten Mutter und Vater: Isa: »Ich denk also normalerweise meine Antwort darauf ist eigentlich was die Natur also wie die Natur den Mann und die Frau definiert. Aber es ist so aber ich Natur ist eigentlich auch das der richtige Begriff. Natur ist richtig. Also normal ist nicht richtig aber Natur weil die normalen normal würde sich ja mit jeder Gesellschaft ändern aber die Natur ist eigentlich einzigartig. (lacht). Wie hat die Natur den Menschen den Mann erschaffen er hat die Natur die Frau erschaffen. Also die Frau ist ich meine ist Natur ges- natürlich ist es so dass die Frau wirklich die Mutterrolle die die die schützende Mutterrolle und der Vater also der äh der der E- der Mann der typische Jäger oder keine Ahnung ich mein ich bin jetzt nicht ein Jäger aber so der typische (leicht lachend) draußen der da. Ich denk so sollte so ich weiß nicht ich möch- ich kann jetzt keine bestimmte Person da nennen jetzt äh die eine perfekte Vater- äh perfekte Mannrolle macht. Aber wie ich schon mal gesagt hab so diese klassische Rolle also Weiblichkeit also ›ne Frau sollte wirklich Kinder haben meine Meinung also jetzt äh für mich jetzt. Eine Frau sollte Kinder eine Frau meiner Meinung nach also wirklich ihr größtes ihr größtes Werk sollte ein oder ihr sollten ihre Kinder sein. Also sie für mich also aber das Gott sei Dank

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ist also meine Frau ist also äh und ein gut erzogenes Kind sollte viel mehr Wert sein als keine Ahnung ’ne Karriere im Job. Meiner Meinung nach.« Beachtenswert scheint in dieser längeren Passage zunächst die dezidierte Unterscheidung zwischen Natur auf der einen und Normalität auf der anderen Seite. Normalität ist in diesem Zuge etwas Wandelbares, was explizit jedoch in Bezug auf das Thema Geschlecht bzw. Elternschaft abgegrenzt wird. Zwar wird diesbezüglich kein Ideal eines Vatersubjekts benannt, dennoch wird klar, »dass die Frau wirklich die […] schützende Mutterrolle« in diesem Kontext ausfüllt bzw. ausfüllen soll. Dem Subjektentwurf Mutter (nicht jedoch explizit dem Vater) wird damit die Aufgabe des ›Schutzes‹ überantwortet. Dabei wird gegen Ende der Passage auch deutlich zum Ausdruck gebracht, was innerhalb des dritten Familienberichts hinsichtlich der »gesellschaftlichen Aufgabe« sichtbar wurde: die Generativität als zentraler wie konstitutiver ›Sinn‹ des Subjekts Frau, der auch hier deutlich wird (»Eine Frau sollte Kinder eine Frau meiner Meinung nach also wirklich ihr größtes ihr größtes Werk sollte ein oder ihr sollten ihre Kinder sein«). Die Narration verdeutlicht dabei auch, dass besagtes größtes Werk, die Gebärtätigkeit, auch unweigerlich mit einer Gebärfähigkeit verschränkt ist, da innerhalb dieses Subjektentwurfs um Mutterschaft eine gebähruntätige Frau ihr größtmögliches Werk nicht nur nicht vollbringt, sondern – aus welchen Gründen auch immer – eine gebährunfähige Frau ihren Wert als ›Frau‹ verliert, da sie im Rahmen dieses Entwurfs einer Natur/Kultur-Dichotomie, weder ihrer ›natürlichen‹ Aufgabe nachkommen kann, noch zu einem ›kulturellen‹ Werk ebenbürtiger Qualität fähig ist. Wesentlich scheint in diesen Auseinandersetzungen die Spurensuche innerhalb der Materialquellen, die nicht nur deutlich macht, wie spezifische, historisch situierte Diskurse sich re-/produzieren, sondern in ihrer Performativität ein bestimmtes dichotomes Verhältnis der Elternsubjekte hergestellt wird, das damit auch einen bestimmten Raum elterlicher Praxis eröffnet bzw. schließt. Dies wurde bereits in den vorangegangenen elterlichen Bezügen – auch in familienpolitischer Hinsicht – deutlich. Wie weiter oben bereits aufgeworfen, spielt auch das Thema des Stillens in vielen Erzählungen der Eltern eine wichtige Rolle. Die Naturalisierung des Stillens lässt sich exemplarisch im Kontext der Narration des Paares Niem verdeutlichen: Nadine: »Also es ist ein Säugling und der gehört einfach zu seiner Mutter. Ja? Und mir war es dann auch schon wichtiger äh lange so lange wie möglich äh zu stillen und auch wirklich tatsächlich zu stillen und nicht die Flasche zu geben ähm und äh einfach das dem Kind auf die Art und Weise einen guten Start ins Leben zu geben als dass ich dann mit aller Gewalt so früh wie möglich wieder voll arbeite. Er hätte die Betreuung mit Sicherheit auch übernehmen können. Aber da sind halt nun mal die physischen Gegebenheiten dass halt nun mal die Frau das nur das Stillen kann. Und dann war das eigentlich mir das Wichtigere. So muss er dann ja das Geld irgendwie ranschaffen.« […]

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Nico: »Wobei also Familieneinkommen wär in der Konstellation dann doch wieder höher. Weil sie halt Studienrätin ist. Ich bin Amtmann. Also A dreizehn zu A elf. Also von daher wär das sicherlich ähm also wirtschaftlich…« Nadine: »…Wirtschaftlich gesehen schon lukrativ.« Nico: »Wirtschaftlich gesehen schon günstiger für uns. Aber ähm ja wie gesagt das ist aber denk ich auch unser Rollenverständnis dass natürlich nur du halt stillen kannst.« Die Passage zeigt, dass ein Kind nicht nur zu seiner Mutter gehört, sondern dass es in diesem Zusammenhang auch wichtig scheint, das Kind »so lange wie möglich äh zu stillen und auch wirklich tatsächlich zu stillen und nicht die Flasche zu geben«, so dass hierbei nicht nur die Länge des Stillens eine wichtige Rolle dafür spielt, »dem Kind auf die Art und Weise einen guten Start ins Leben zu geben«, sondern auch der Umstand, dass »auch wirklich tatsächlich [ge]stillt« wird, womit eine explizite Absage an das Stillen über die Flasche geäußert wird. Als wirkliches, tatsächliches, um nicht zu sagen ›echtes‹ oder ›richtiges‹ Stillen kann in diesem Sinne nur das Stillen über die Mutterbrust gelten. Ein kürzeres Stillen bzw. eine schneller(e) Rückkehr in den Beruf wird dabei deutlich abgelehnt (»als dass ich dann mit aller Gewalt so früh wie möglich wieder voll arbeite«). Wobei die Formulierung »mit aller Gewalt« darüber hinaus betont, dass diesbezüglich gegen einen Widerstand – man könnte auch sagen, eine ›natürliche‹, ›biologische‹ Ordnung – mit Gewalt vorgegangen werden müsste, würde man möglichst früh wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren versuchen. Darüber hinaus entwirft die Narration ein Muttersubjekt, das nicht nur eine hierarchische geschlechtliche Relation zur Erwerbsarbeit produziert (des mütterlichen Stillens gegenüber der Erwerbstätigkeit), sondern die Zuwiderhandlung als eine Form der Gewalt gegenüber dem Kind gelesen werden kann, da die Überwindung des besagten Widerstands ggf. auch den »guten Start ins Leben« des Kindes riskiert. Eine solche Argumentation wurde innerhalb des zweiten und dritten Familienberichts bereits deutlich, in deren Kontexte die Emanzipationsbemühungen von Müttern konzeptuell gegen die Ansprüche bzw. Rechte des Kindes standen. Die Narration offenbart dabei eine Ordnung, die, wie auch im Falle des Paares Engelhardt-Erdmann, über eine ›natürlich‐körperliche‹ Fähigkeit von Müttern argumentiert, die jedoch gleichzeitig das Verworfene im Sinne der Möglichkeit des Stillens mithilfe eines Fläschchens zwar mitführt, jedoch ausschließt. Dies wird nicht lediglich mit der physischen Fähigkeit des Stillens der Mutter (bzw. der Unfähigkeit innerhalb des Subjektentwurfs Vater) begründet, sondern durch die kindliche Entwicklung legitimiert und begründet, die auch nicht durch eine rasche Rückkehr in den Beruf gefährdet werden soll. In diesem Sinne spielt dann auch die Länge des ›echten‹ Stillens in Relation zur Erwerbstätigkeit und den dort ggf. vorhandenen Einschränkungen eine wesentliche Rolle. Die

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potenzielle Möglichkeit, dass Nico sich ebenfalls um das Kind kümmert, wird innerhalb dieses Subjektentwurfs zwar thematisiert, jedoch aufgrund der physischen Un-/Fähigkeiten verworfen (»Er hätte die Betreuung mit Sicherheit auch übernehmen können. Aber da sind halt nun mal die physischen Gegebenheiten dass halt nun mal die Frau das nur das Stillen kann«). Ersichtlich wird, wie insbesondere der biologistische Bezug auf das Thema des Stillens regulierend wie stabilisierend wirksam wird, denn es ist gerade die enge Verknüpfung des Stillens an den (›fähigen‹) weiblichen Körper, der den Möglichkeitsraum der Fürsorgetätigkeiten mit Blick auf elterliche Subjektivität äußerst eng zieht. Selbst ein anderer, zwar ebenso biologistisch begründeter Bezug, wie bspw. das Stillen durch ein Fläschchen mit abgepumpter Muttermilch, würde in diesem Kontext bereits einen anderen Handlungsspielraum konstituieren und so auch (Ein-)Bezüge von Nico ermöglichen. Letztlich wird über die enge Biologisierung des Stillens auch die Hierarchisierung der Sorgeverantwortung zwischen Mutter- und Vatersubjekt begründet. Dem Subjektentwurf Vater kommt indes vor allem die Funktion zu, das Geld für das familiale Auskommen »ranzuschaffen«. Obwohl innerhalb der Narration deutlich wird, dass Nico als spezifisches Vatersubjekt prinzipiell als dazu in der Lage gesehen wird, jene Sorgetätigkeiten ebenfalls zu leisten, wird – und bleibt – er im Horizont der Erzählung vor allem ein Erwerbssubjekt. Diese Rahmung ist so stabil, dass auch ein anderes Arrangement, wie die angeführte wirtschaftlich günstigere Situation, sofern Nico sich um die Fürsorge kümmern würde, nicht in Betracht gezogen wird. Dies unterstreicht der Verweis auf das gemeinsam geteilte »Rollenverständnis«. Die Wirkmächtigkeit jener Geschlechterdiskurse, die innerhalb der Narration der Niems sichtbar wird, steht damit auch über anderen – häufig als ökonomisch‐rational geltenden – Bezügen. Dass besagtes »Rollenverständnis« jedoch nicht ausschließlich durch ebenjene Biologisierung getragen wird, zeigt sich an anderer Stelle innerhalb des Interviews durch die nachfolgende längere Passage: Interviewer*in: »Können Sie Ihre Partnerin dann auch unterstützen beim Stillen? Also zum Beispiel dass Sie mal ein Fläschchen geben oder vorbereiten oder ähm handhaben Sie das dann schon so dass Sie [Nadine] vor allem stillen?« Nico: »Ich weiß nicht ob Sie Kinder haben aber (Nadine lacht leise) da geb‹ ich Ihnen einen ganz guten Tipp achten Sie drauf dass Ihre Frau stillen kann. (Nadine lacht leise). Weil der ganz große Vorteil ist wenn die Frau stillen kann ist der Papa an der Stelle schon mal draußen. Äh und wir können momentan noch voll stillen. Wir wollen jetzt zwar erst mal probieren ob man dann auch mit Fläschchen zufüttern und so weiter. Aber bisher haben wir das Glück gehabt dass es eben nicht so eingetreten ist. Äh wenn das nicht wäre…« Interviewer*in: »…Draußen sein heißt? Also aus diesem Stillprozess draußen oder?« Nico: »Ja man kriegt’s dann mit. Äh man bringt dann auch mal ein Tee oder

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irgendwas ne? Äh ganz klar. Aber man ist jetzt halt nicht so gefordert. Vor allem auch nachts nicht gefordert. Also äh weil äh w- äh sie kann mich dann zwar wecken dann werden wir beide wach aber das bringt niemandem was.« Zwar wird auch innerhalb dieser Passage deutlich, dass es darum geht, den Stillprozess über die Mutterbrust so lange wie möglich aufrecht zu halten, was auch durch den »ganz guten Tipp« betont wird, sich eine Partnerin zu suchen, die stillen könne. Dennoch wird in dem Text auch die Möglichkeit des Zufütterns durch die Flasche dahingehend mitgeführt, dass das Paar diese zwar nicht nützt bzw. nicht nützen muss (»Aber bisher haben wir das Glück gehabt dass es eben nicht so eingetreten ist«), jedoch kann der nachfolgende Halbsatz so gelesen werden, dass, wenn dieses »Glück« nicht eingetreten wäre, das Zufüttern über die Flasche eine Option gewesen wäre (»Äh wenn das nicht wäre…«). Der ›Tipp‹, sich eine Partnerin zu suchen, die stillen kann, verweist sowohl auf eine präventive Kontrolle der Laktationsfähigkeit (bspw. mittels der Prüfung und Überwachung der Prolaktinwerte) der Mutter als auch auf einen funktional‐instrumentellen Bezug, der hierbei wesentlich scheint. In diesem diskursiven Rahmen taucht der Mutterkörper als dis/funktionaler biologischer Risikofaktor auf, weshalb der Tipp in dieser Hinsicht zumindest als Hinweis (und gewisser Weise auch als Warnung) zur präventiven Prüfung bzw. zur Risikominimierung gelesen werden kann. Die Überantwortung der Prüfung und Kontrolle der Funktionsfähigkeit des Mutterkörpers durch den anderen Elternteil, aber auch, damit verbunden, durch den medizinisch‐technischen Überwachungs- und Kontrollapparat, lässt sich an Diskurse zur Medikalisierung des weiblichen Körpers anknüpfen.28 Das biologistische Konzept, das in der Narration der Niems zum Ausdruck kommt, führt dazu, dass der Subjektentwurf des Vaters hinsichtlich des Stillens »an der Stelle schon mal draußen« ist und lediglich unterstützend – wenn überhaupt – tätig werden kann. Dass diese unterstützende Tätigkeit ihre Grenzen hat, verdeutlicht auch folgende Erklärung: Nico: »Aber man ist jetzt halt nicht so gefordert. Vor allem auch nachts nicht gefordert. Also äh weil äh w- äh sie kann mich dann zwar wecken dann werden wir beide wach aber das bringt niemandem was.« Insofern könnte Nico dieser Logik zufolge auch weiterschlafen, da sich durch sein Wachwerden bzw. (Mit-)Aufstehen in Bezug auf die Anlage dieser Subjektivität von Vaterschaft ohnehin nichts ändern würde. So wird zusätzlich sichtbar, wie die biologistische Argumentationsweise gleichzeitig auch Effekte zeitigt, in der andere Einbezüge väterlicher Subjektivität auf Abstand gehalten werden, da sich hier zwar 28 Ohne das Thema an dieser Stelle vertiefen zu können, sei diesbezüglich weiterführend bspw. auf die Arbeiten von Claudia Honegger (1983) oder Marita Metz-Becker (1997) verwiesen.

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die potenzielle Möglichkeit des Einbezugs artikuliert, letztlich aber wieder verworfen wird. Eine nicht ganz so enge Auslegung des Stillprozesses – z.B. über das Fläschchenstillen mit Muttermilch – könnte Nico als Vatersubjekt auf eine Weise in den Stillprozess integrieren, die ihm potenziell nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Zuständigkeit zuweisen würde bzw. könnte, ebenso wie Nadine, Teil des Stillgeschehens zu sein. Der Abstand selbst wird dabei durch eine Rationalität reguliert, die vor dem Hintergrund jener Biologisierung plausibilisiert wird. Hierdurch zeigt sich, in welch produktiver Weise nicht nur bestimmte Diskurse um Elternschaft und Geschlecht(-skörper) wirksam werden, sondern auch in konkreter Weise die praktische Dis-/Funktionalität bestimmter körperlicher Un-/Fähigkeiten Grenzen zieht und dadurch Möglichkeitsräume reguliert und stabilisiert. Die diskursive Rahmung, in der diese (und vergleichbare) Bezüge zirkulieren, performieren dabei ein Muttersubjekt, welches über die körperliche Dis-/Funktionalität eine spezifische ›Qualität‹ als ›Mutter‹ mitführt. Gleichzeitig wird damit jedoch ein Unterschied in Relation zur Subjektivität ›Vater‹ gezogen. Die Wirkmächtigkeit des Diskurses verdeckt dabei alternierende Möglichkeiten, wie sie sich bspw. über das Stillen über die Flasche ergeben könnten und blockiert dabei auch andere Subjektivationsweisen von Mutter-/Vater-/Elternschaft und deren Relationen. Allgemeiner gewendet und auf den Kontext der Familienberichte bezogen, finden sich auch in der Narration der Niems die Themen der ›Treue‹, des ›Hütens‹ und des ›Verzichts‹, die sowohl in Bezug auf die Erzählung der EngelhardtErd‐manns als auch innerhalb des Zitats des damaligen Arbeitsministers Norbert Blüm (CDU) zu Beginn der 1980er Jahre angesprochen wurden. Auch hier wird die vergeschlechtlichte ›Treue‹ dem Kind gegenüber ebenso sichtbar, wie auch das Hüten des Kindes als primäre Aufgabe des Subjekts Mutter erscheint, die darüber hinaus als ›treue Hüterin‹ zugunsten der (früh-)kindlichen Entwicklung auf eine rasche Rückkehr in die Berufstätigkeit verzichtet. Dieses Mehr, dass Mutterschaft dabei auszeichnen soll, um auf das Zitat von Blüm zurückzukommen, ist dabei durch eine Opferbereitschaft gekennzeichnet, die in der bisher diskutierten – biologistisch‐naturalistischen – Sicht untrennbar mit dem als weiblich konzipierten Körper verschränkt ist, der aufgrund seiner Fähigkeit dazu verpflichtet wird, ebenjene Opfer zugunsten des Kindes zu erbringen. Deutlich wird damit auch, dass die Sphäre der Ökonomie und konkreter der Erwerbsarbeit auch im Kontext des ›Verzichts‹ mitgeführt und so Teil der sich materialisierenden Ordnungsmusters ist. Mit Blick auf Elternzeit zeigen diese Passagen der Interviews, dass und wie bestimmte Diskurse, wenn auch in sich historisch wandelnder Form, nichts an Wirkmächtigkeit eingebüßt haben, da jene Spuren in der ein oder anderen (gespenstischen) Weise (wieder) auftauchen. Entsprechend zeigen sich in den Bezügen der Interviews verschiedene biologisierend‐naturalisierende Bezüge, wie sie innerhalb der Debatten um das BErzGG der 1970er und 1980er Jahre zu sehen bzw.

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im nachfolgenden Abschnitt zu sehen sein werden. Es wird deutlich, wie entsprechende Diskurse bis in die alltäglichen Selbstverhältnisse der Subjekte reichen und hierbei die Elternzeitnahme(n) reg(ul)ieren. Bedeutsam scheint somit insbesondere, dass die variierenden Bezüge auf Elternschaft und Geschlecht in und von einem historischen Kontext situiert sind, der zwar keinen letztgültigen Ursprung kennt, jedoch nichtsdestoweniger produktiv wirksam ist. Von daher geht es an dieser Stelle nicht darum, die dargestellten Positionen zu kritisieren, sondern – auch in Bezug auf den weiteren Verlauf des Kapitels – diese mit anderen (möglichen) Bezügen in Verbindung zu setzen und hinsichtlich der sich daraus ergebenden Möglichkeitsräume zu diskutieren.

4.4

Die Einführung des Erziehungsgeldes 1986

Zu Beginn der 1980er Jahre vollzogen sich nicht nur wichtige familienpolitische Ereignisse wie die Einführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) 1986, sondern es erfolgte 1982 auch ein wesentlicher Regierungswechsel, der die sozial‐liberale Koalition unter Helmut Schmidt durch ein Misstrauensvotum beenden sollte (Niclauß 2015: 203). Wie Karlheinz Niclauß ausführt, änderte der neue Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU)29 die Zahl und den Zuschnitt der damaligen Ministerien nicht. Zwar verlor die FDP zum damaligen Zeitpunkt das von ihr geführte Innenministerium, übernahm jedoch zum Ausgleich das Justizressort, welches nun von Hans A. Engelhard geführt wurde (ebd.: 204).30 Obwohl es zu Beginn der 1980er Jahre ob der Koalitionswende, die das Ergebnis der Bundestagswahl von 1980 herausforderte, vielfältige öffentlich‐mediale Debatten gab und u.a. auch über ›Verrat‹ und ›Wahlbetrug‹ diskutiert wurde (ebd.), kann das Ergebnis der Bundestagswahl von 1983 durchaus als deutlicher Sieg der christlich‐liberalen Koalition 29 Zwar kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur sehr schematisch auf den Regierungs- und Politikwechsel der damaligen Bundesregierungen eingegangen werden. Eine entsprechende Kontextualisierung erscheint jedoch wichtig, da sie insbesondere in familien-, wirtschafts- wie auch sozialpolitischen Fragen einen anderen Kurs des Regierungshandelns bedeutet, der sich auch in den nachfolgenden Familienberichten niederschlägt. Deshalb sei an dieser Stelle auf diverse weiterführende Literatur in Bezug auf die Kanzlerschaft Helmut Kohls verwiesen, bspw. Göttrik Wewer (1998), Günter Buchstab, Han-Otto Kleinmann und Hanns Jürgen Küsters (2010), Karlheinz Niclauß (2015) sowie Lea Gallon, Tina Lindeburg und Achim Winckler (2016). 30 Die Regierung Kohl setzte sich 1982 wie folgt zusammen: Hans-Dietrich Genscher (FDP) war, wie unter Schmidt, Vizekanzler und zuständig für Auswärtiges; für Inneres zuständig war Friedrich Zimmermann (CSU), für Justiz Hans A. Engelhard (FDP). Das Ressort Wirtschaft unterstand Otto Graf Lambsdorff (FDP), während Gerhard Stoltenberg (CDU) für Finanzen zuständig war. Norbert Blüm (CDU) war zum damaligen Zeitpunkt zuständig für Arbeit und Sozialordnung und Heiner Geißler (CDU) für Jugend, Familie und Gesundheit. Eine vollständige Übersicht findet sich bei Niclauß (2015: 205).

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bewertet werden. Die CDU/CSU konnte 48,8 Prozent der Zweitstimmen auf sich vereinen (SPD: 38,2 Prozent) und auch die FDP etablierte sich mit 7,0 Prozent als drittstärkste Partei nach der SPD (Niclauß 2015: 208). Dieses Ergebnis erscheint auch deshalb relevant, da sich hiermit nicht nur ein sichtbarer Kurswechsel der politischen Führung im Vergleich zur Ära Schmidt abzeichnet, sondern diese Neuausrichtung auch durch den Willen breiter Teile der Bevölkerung getragen wurde. Unter Kohl entstand, als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, im Juni 1986 auch das Umweltministerium (ebd.: 214). Die Familienminister*innen dieser Zeit waren Anke Fuchs (SPD, bis Oktober 1982), Heiner Geißler (CDU, 1982 bis 1985), in dessen Amtszeit sowohl die Entwicklung der Bundesstiftung Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens (s.u.) sowie die Schaffung des Erziehungsurlaubs im Rahmen des Bundeserziehungsgeldgesetzes fällt. Auf Geißler folgte im Zeitraum von 1985 bis 1988 Rita Süssmuth (CDU), in deren Amtszeit erstmals drei Jahre Kindererziehungszeiten von Müttern und Vätern bzgl. der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt wurden. Auf Süssmuth folgte von 1988 bis 1991 Ursula Lehr (CDU), die, den Informationen des Familienministeriums folgend, in heftige Kontroversen mit ihrer Bundestagsfraktion geriet, nachdem sie sich für frühkindliche Betreuungseinrichtungen für unter Dreijährige und die Eröffnung von »Krabbelstuben« einsetzte.31

Zum vierten Familienbericht Innerhalb des vierten Familienberichts (Deutscher Bundestag 1986)32 des zweiten Kabinetts der Bundesregierung unter Helmut Kohl (1983 bis 1987) verweist die damalige Regierung darauf, dass – wahrscheinlich der thematischen Ausrichtung des Berichts auf die Situation älterer Menschen geschuldet – sich der Blick in der Vergangenheit zu sehr auf die Kernfamilie aus Elternteilen und Kindern gerichtet habe 31 Siehe diesbezüglich den Überblick über die historische Entwicklung des Bundesfamilienministeriums unter https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/ministerium/geschichte – zuletzt aufgerufen am 27.03.2019. 32 Der Expert*innenkommission des vierten Familienberichts gehörten die spätere Familienministerin und Vorsitzende der Kommission Ursula Lehr, Direktorin des Psychologischen Instituts der Universität Bonn sowie Max Wingen, stellvertretender Vorsitzender und Präsident des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg. Des Weiteren die Medizinerin Ingeborg Falck, Clemens Geißler, Direktor des Instituts für Entwicklungsplanung und Strukturforschung sowie Philipp Herder-Dorneich, Direktor des Seminars für Sozialpolitik, des Seminars für Genossenschaftswesen und des Forschungsinstituts für Einkommenspolitik und soziale Sicherung. Ebenfalls gehörten dazu Rosemarie von Schweitzer vom Institut für Wirtschaftslehre des Haushalts und Verbrauchsforschung sowie Fritz-Joachim Steinmeyer, Vizepräsident des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche Deutschlands, Direktor der Hauptabteilung Sozial- und Jugendhilfe, Stuttgart. Die Geschäftsführung der Kommission übernahmen Lerke Gravenhorst, Konrad Leube und Jutta Stich, die alle dem Deutschen Jugendinstitut angehörten.

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und aufgrund dessen eingeengt sei. In diesem Sinne sollte insbesondere das Generationenverhältnis sowie »Familie als dynamischer Prozess« stärker in den Blick genommen werden (ebd.: ii). Das Familienbild der christlich liberalen Bundesregierung Mitte der 1980er Jahre gibt sich dabei betont progressiv: »Die Bundesregierung geht bei ihrer Politik ebenso wie die Kommission von einem Familienverständnis aus, das sich auch an der Lebenswirklichkeit mit unterschiedlichen Familienformen orientiert. Sie begreift Familie als eine dynamische Form menschlichen Zusammenlebens, die Veränderungen unterliegt und von den kulturellen Vorstellungen und Werthaltungen ebenso geprägt ist wie von den sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten einer Gesellschaft. In unserer Gesellschaft mit Pluralität und unterschiedlichen Lebensvorstellungen der einzelnen Bürgerinnen und Bürger gibt es unterschiedliche und differenzierte Vorstellungen von Familienlieben.« (Deutscher Bundestag 1986: iii) Auch in diesem Bericht wird betont, dass die Bürger*innen nach ihren eigenen Vorstellungen ihr Leben gestalten können sollen und dass ihnen hierbei kein bestimmtes Leitbild vorgegeben werden solle. Dabei bleibt die Frage offen, ob und falls ja, inwiefern sich über entsprechende steuernde Eingriffe in den familialen Rahmen nicht doch ideologische Vorgaben abzeichnen, welche zwar nicht als explizite Anrufung im Sinne eines »Du sollst« geäußert, jedoch implizit in die Ausgestaltung ebenjenes Rahmens einfließen und dergestalt bestimmte familiale bzw. elterliche Arrangements – im Vergleich zu anderen ebenso möglichen – begünstigen. Die Frage stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund, da bereits im Kontext des zweiten sowie dritten Familienberichts deutlich wurde, dass zwar häufiger für eine ›partnerschaftliche(re)‹ Aufteilung familialer Arbeits- und Sorgeverhältnisse argumentiert wird, dennoch aber eine Reg(ul)ierungspraxis verfolgt wird, in und durch die sowohl eine eher bürgerlich tradierte Form von familialer Arbeitsteilung konserviert und Erwerbsarbeit von Frauen kritisch gesehen wird. Die damalige Bundesregierung konstatiert in ihrer Stellungnahme, dass sich das Aufgabenspektrum von Familie durch die sozialstaatlichen Sicherungssysteme gerade nicht verringert, sondern eher verschoben bzw. sogar erweitert habe: »Die Aufgaben der Familie haben einen Wandel erfahren. Heute sind die wirtschaftlichen Funktionen des erweiterten Familienverbundes aufgrund unserer sozialen Sicherungssystems in den Hintergrund getreten, dafür haben Familien andere Aufgaben übernommen, so daß sich – insgesamt gesehen – das Aufgabenspektrum der Familien nicht verringert, sondern erweitert hat. […] Die Familien übernehmen diese zusätzlichen Leistungen, obwohl sich die Rahmenbedingungen erheblich verändert haben. Einmal leben die Generationen nur selten unter einem Dach, und zum anderen sind die Frauen, die diese Versorgungs- und Pflegeleistun-

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gen in der Regel übernehmen, schon durch ihre verstärkte Integration in das Erwerbssystem belastet.« (Ebd.: iv – Kursivierung B.N.) Die Bundesregierung betont weiter, dass die Ausgestaltung dieser mehrgenerationalen Beziehungen nicht an »sozialen Schwierigkeiten und strukturellen Bedingungen unserer Gesellschaft« scheitern sollen. Diese Punkte erscheinen bedeutsam, da die Regierung somit in direkter Weise auf die Mehrfachbelastung vieler Frauen und Mütter verweist. Dabei versucht sie im Rahmen ihrer Familienpolitik, teils recht heterogenen Positionen gerecht zu werden (vgl. auch Deutscher Verein 1984; Malzahn 1985: 185). Hierzu zählen u.a. der Abbau von Spannungen zwischen Erwerbsarbeit und Familie oder die Stärkung des Schutzes des ungeborenen Lebens (Deutscher Bundestag 1986: iv). Die Bundesregierung verweist weiterhin darauf, dass durch die »Einführung des Erziehungsgeldes und des Erziehungsurlaubs die Arbeit in der Familie aufgewertet« wurde und Väter und Mütter nunmehr wählen können sollen, wer von beiden den Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen möchte. Obwohl gleich noch vertiefend auf das Erziehungsgeld eingegangen wird, soll an dieser Stelle insbesondere der Aspekt des ›Schutzes des ungeborenen Lebens‹ thematisiert werden, da dieser zum einen eine biopolitisch‐bevölkerungsspezifische Position gegen Abtreibungen der christlich‐liberalen Koalition aus CDU/CSU und FDP markiert und diese auch innerhalb des fünften Familienberichts 1994 weiter Bestand haben wird (BMFSFJ 1994). Dass das Erziehungsgeld sowohl zur Prävention von Abtreibungen als auch in Bezug auf eine positive Bevölkerungsentwicklung konzipiert wird, zeigt sich innerhalb der Begründung des Gesetzes selbst. Dieses solle es erleichtern – ggf. ergänzt durch Hilfen der vom damaligen Familienminister Heiner Geißler (CDU) gegründeten Bundesstiftung Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens – dass »schwangere Frauen, die sich aus wirtschaftlichen Gründen in einer Konfliktsituation befinden, die Entscheidung für das Kind« zu treffen (Malzahn 1985: 185 – Herv. B.N.).33 Auch die explorative Studie von Frank Käthler (1995) zum Erziehungsgeld fokussiert dezidiert auf den möglichen Einfluss des Erziehungsgeldes auf generative Entscheidungen junger Mütter.34 Auf diese Weise verschränken sich mit dem Erziehungsgeld klare pronatalistische Diskurse, 33 So konstatiert auch die Kommission des fünften Familienberichts im Kontext von ›Geschlechtergerechtigkeit‹ und ›Geschlechtersolidarität‹: »Die Geschlechtersolidarität ist besonders herausgefordert, wenn es um die Vermeidung von Schwangerschaftsunterbrechungen geht. Denn wer das ungeborene Leben schützen will, muß sich für gesetzlich gesicherte, zwischen beiden Geschlechtern gerechte Leistungs- und Belastungsverteilungen auch und vor allem für das geborene Leben verantwortlich zeigen.« (BMFSFJ 1994: 28) Dieser Aspekt wird im Kontext des fünften Familienberichts weiter unten erneut aufgegriffen und vertieft. 34 Die Studie von Käthler ist auch insofern interessant, da sie u.a. die Entstehung und Entwicklung des Erziehungsgeldes (1995: 72ff.) sowie die gesetzlichen Änderungen bis zur Mitte der 1990er Jahre in den Blick nimmt (siehe diesbezüglich auch Wingen 1997: 214ff; Hönsch 2001).

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die auch – wider der Darstellung der Bundesregierung – dahingehend ein gesellschaftliches Leitbild verfolgen, als dass die Generativität von Frauen nicht nur als ein zu förderndes Ziel sichtbar wird, sondern ein Schwangerschaftsabbruch präventiv verhindert werden soll. Indirekt wird damit der Subjektentwurf ›Mutter‹ fortgeführt, der auch in den vorangegangenen Familienberichten deutlich wurde: Das Mutterwerden einer Frau soll in diesem Sinne nicht nur gefördert, sondern ein Schwangerschaftsabbruch explizit verhindert werden. Die Gebärtätigkeit bleibt so weiterhin im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Bundesregierung selbst erklärt auch, dass es ihr erwerbspolitisch um eine »flexiblere Gestaltung des Arbeitslebens« sowie um die »Verbesserung der Bedingungen für Teilzeitarbeit und für die Rückkehr in den Beruf nach Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wegen Familientätigkeit« gehe, was nicht nur Familien mit kleinen Kindern, sondern auch jene mit pflegebedürftigen älteren Menschen betrifft (Deutscher Bundestag 1986: iv). In diesem Zusammenhang wird auch der Erziehungsurlaub als »ein Gebot der Generationen-Solidarität« gesehen (ebd.: v) sowie darauf hingewiesen, dass bspw. »Eltern-Kind-Gruppen, an denen auch die Großeltern mitwirken, eine wertvolle Bereicherung erfahren« (ebd.: vi) würden.35 Obwohl es der damaligen Bundesregierung in ihrer Stellungnahme thematisch auch um das Thema »Frauen zwischen Familie und Beruf« geht, fokussiert sie in ihrer Bezugnahme vor allem die Erwerbstätigkeit junger Frauen, die für die überwiegende Mehrheit dieser »selbstverständlicher Bestandteil [der] Lebensplanung« (ebd.: xii) sei. Auf eine familiale oder sorgespezifische Perspektivierung wird nicht eingegangen, obwohl sie im Kontext des damaligen Gesetzgebungsprozesses zum Erziehungsgeld und der letztlich umgesetzten Ausgestaltung eine nicht unbedeutende Rolle spielen würde. Dabei wird in den Ausführungen auch deutlich, dass es insbesondere erneut junge Frauen sind, die hier Familie und Beruf vereinbaren wollen, sollen und müssen, während Männer und Väter in den Ausführungen nach wie vor kaum eine Rolle spielen. Zwar verweist die Bundesregierung darauf, dass das Erwerbsinteresse von Frauen mit einer »größer werdenden Bereitschaft der jungen Männer, sich ihrerseits an den Familienaufgaben zu beteiligen, vor allem an der Erziehung ihrer Kinder« (ebd.), einherginge, dennoch drückt sich dieses Engagement, bspw. hinsichtlich der Inanspruchnahme des Erziehungsgeldes, kaum in konkreten Praxen aus.36 Allerdings ist dem vierten Familienbericht insofern zuzu35 Der Aspekt des Einbezugs älterer Familienangehöriger wird bspw. in Form der ›Großelternzeit‹ in Anschluss an die Novellierung des BEEGs des Jahres 2007 innerhalb des achten Familienberichts (BMFSFJ 2012) erneut aufgegriffen (siehe auch Abschnitt 4.7). 36 Nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bezogen 1986 1,5 Prozent aller Väter Erziehungsgeld bzw. Erziehungsurlaub (1988). Diese geringe Inanspruchnahme setzte sich auch in den 1990er Jahren fort: Bis Ende des Jahrtausends beanspruchten 2,7 Prozent aller Väter das Erziehungsgeld bzw. Elternurlaub (Bothfeld 2005: 29; vgl. auch Pettinger 2000: 247). Selbst in einer Broschüre des Bundesfamilienministeriums wird selbstkritisch auf

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stimmen, als das sich ab Mitte der 1980er Jahre ein wachsendes sozialwissenschaftliches Forschungsinteresse zu Männern und Vätern zu entwickeln beginnt, welches besagte gesellschaftliche Verschiebungen in den Blick nimmt. Entsprechende wissenschaftliche und journalistische Bezüge firmieren fortan unter Bezeichnungen wie ›aktive‹ oder ›neue‹ Väter und diskutieren Veränderungen von Männlichkeitskonzepten, Formen und Praxen von Vaterschaft oder die Aufteilung von Haus- und Sorgearbeit (vgl. auch Kapitel 1).

Das Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) Die Ausgestaltung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) sieht vor, dass eine Unterbrechung der Erwerbsarbeit durch ein Erziehungsgeld in Höhe von 600 DM monatlich für zehn Monate (ab 1988 für zwölf Monate) aufgewogen wird (Kolbe 2002: 332f.; ausführlich auch Käthler 1995: 74ff.) Dies beinhaltet einen Kündigungsschutz, der die Rückkehr in das vorherige Arbeitsverhältnis gewährleisten soll. Allerdings war der Kündigungsschutz in Bezug auf das Erziehungsgeld Mitte der 1980er Jahre ein umkämpftes Thema: Insbesondere von Seiten des ›Unternehmerflügels‹ der damaligen Koalition aus CDU/CSU und FDP wurde in diesem Zusammenhang auf ›Gefahren‹ und potenzielle wirtschaftlicher Schäden für kleine und mittlere Unternehmen verwiesen (Martens 1985; Kolbe 2002: 337). Der Kündigungsschutz sei, so argumentierte Otto Graf Lambsdorff (FDP) entsprechend: »Ein Einstellungshindernis par excellence«, welches jedoch explizit eine geschlechtsspezifische Konnotation mitführt. Sowohl Lambsdorff, der damalige Wirtschaftsminister Martin Bangemann (FDP) als auch dem damaligen Vorsitzenden des CDUWirtschaftsrates, Heinrich Weiss erschienen insbesondere junge Frauen durch den Kündigungsschutz gefährdet. So argumentierten diese, dem Spiegel (1985) zufolge, dass »eine Arbeitsplatzgarantie« nur dazu führen werde, »daß junge Frauen im gebärfähigen Alter erst gar nicht beschäftigt würden« (ebd.: 31). Auch Prinz und Klanberg verweisen darauf, dass die Arbeitsplatzgarantie »in den Unternehmen die Opportunitätskosten der Besetzung eines Arbeitsplatzes mit einer Frau« (1985: 460) erhöhe und so die »eingeschränkten Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen, die auf Arbeit angewiesen sind, weiter [verringert werden]« (ebd.). Die sich in diesen Narrationen artikulierenden Subjektentwürfe (junge) Frau (aber indirekt diesen Umstand hingewiesen: »Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub sind allerdings nahezu vollständig eine Angelegenheit der Frauen. Der jeweilige Anteil der Männer beträgt rund 3 bzw. rund 2 %. Das geltende Bundeserziehungsgeldgesetz fördert, wie auch diese Zahlen verdeutlichen, die partnerschaftliche Aufgabenverteilung in der Familie und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur unvollkommen. Deshalb wollen wir mit den bevorstehenden gesetzlichen Verbesserung die Förderung wirksamer ausgestalten und auch Väter ermutigen, für ihre Kinder da zu sein.« (BMFSFJ 1999: 2)

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auch Mutter) werden insofern weiterhin als Sonderfall des Arbeitsmarktes gesehen, und werden gleichzeitig auch mit einem Risiko behaftet entworfen. Dabei ist diese Subjektivität insbesondere (auch) mit arbeitsmarktpolitischen Rationalitäten verschränkt, die versuchen, das insbesondere für Arbeitende entstehende Risiko einer schwangeren Frau argumentativ so zu verkehren, dass es – der dargestellten Argumente folgend – vor allem die jungen Frauen sind, die geschützt werden müssen. Auch der Verweis auf die entstehenden Opportunitätskosten für Unternehmen stützt hierbei die These der risikoaversen Entscheidung gegen eine Arbeitnehmerin. Über die mit dem Subjektentwurf Frau verknüpfte Gebärfähigkeit konstituiert sich besagte Verbesonderung mitsamt des ökonomischen Risikos, das auf diese Weise der Subjektivität eingeschrieben wird. Dadurch wird auch deutlich, dass das Subjekt ›Erwerbsmann‹ nach wie vor für ›Normalität‹ steht, an dem die Abweichungen ausgerichtet werden. Die produktive Norm bleibt in diesem Sinne erneut eine androzentrische, die hierbei insbesondere von ökonomischen Interessen getragen wird. Die Gesetzesbegründung des Erziehungsgeldes greift diese Problematisierung auf, argumentiert hierbei jedoch entgegengesetzt zu den genannten Positionen von CDU/CSU und FDP, indem sie erklärt, dass die Inanspruchnahme des Erziehungsgeldes nicht immer erfordert, »daß der betreffende Elternteil den Kontakt zur Arbeits- und Berufswelt völlig aufgibt. Eine Erwerbstätigkeit, die die Erziehung und Betreuung des Kindes nicht zu sehr behindert, kann sogar zur Ausgeglichenheit des Elternteils beitragen und damit dem Wohl des Kindes dienen. Die Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit in Grenzen erleichtert überdies die spätere Rückkehr in das Arbeitsleben und kann damit den Entschluß, sich in den für die Entwicklung des Kindes besonders wichtigen Jahren mit Vorrang dessen Pflege und Erziehung zu widmen, fördern.« (Gesetzesbegründung zu §2, Abs. 4 BErzGG-E, zit.n. Malzahn 1985: 186) Gleichzeitig werden durch das sog. Beschäftigungsförderungsgesetz befristete Beschäftigungsverhältnisse mit einer Laufzeit von bis zu 18 Monaten erleichtert, wodurch eine teilzeitliche Tätigkeit genauso wie eine Vollzeitbeschäftigung abgesichert werden sollen (Deutscher Bundestag 1986: xiii). Das Erziehungsgeld wird dabei in den ersten sechs Monaten einkommensunabhängig an alle Eltern gezahlt, wobei es sich danach degressiv entlang spezifischer Einkommensgrenzen verringert. Darüber hinaus wird dem beanspruchenden Elternteil die Möglichkeit gegeben, bis zu 18 Wochenstunden teilzeitlich zu arbeiten (Kolbe 2002: 333; auch Malzahn 1985: 184). Durch die ›geschlechtsneutrale‹37 Formulierung des Erziehungsgeldes soll eine Forderung umgesetzt werden, die bereits die Kommission des zweiten Familienberichts aufgeworfen hatte: das Erziehungsgeld 37 Siehe zur Frage der ›Geschlechtsneutralität‹ des BErzGG ausführlich auch Wiebke Kolbe (2002: 346ff.).

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nicht »Müttergeld« zu nennen, damit entsprechend auch Väter inkludiert werden können. Dennoch kann Marion Malzahn (1985) nach wie vor erhebliche geschlechtsspezifische Schwierigkeiten hinsichtlich der gesetzlichen Ausgestaltung des Erziehungsgeldgesetzes herausarbeiten, die in vielfältiger Weise auch den Bezug zur Erwerbsbeteiligung von Frauen in grundsätzlicher Weise sowie das implizit durchscheinende – und letztlich über die konkrete gesetzliche Ausgestaltung auch geförderte – Familienbild der Bundesregierung verdeutlichen. Zunächst erscheint bedeutsam festzuhalten, dass die strukturelle Anlage des Erziehungsgeldgesetzes eine Wahlfreiheit zwischen den Sphären der Berufs- und Familienarbeit ermöglichen solle: »Erziehungsgeld ermöglicht oder erleichtert es, daß … [sic!] die Mutter oder der Vater ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit verzichten können« (Gesetzesbegründung zum BErzGG-E zit.n. Malzahn 1985: 186). Der Fokus liegt dabei darauf, einen temporären Verzicht auf Erwerbsarbeit ganz oder in Teilen zu ermöglichen.38 Zwar besteht auch während des Erziehungsurlaubs für einen Elternteil die Möglichkeit, bis zu 18 Stunden erwerbstätig zu sein, dennoch ist dies gleichzeitig an wesentliche Bedingungen geknüpft. Relevant scheint auch, wie Malzahn festhält, dass mit dem Erziehungsgeld insbesondere »der komplexen Identität« von Frauen Rechnung getragen werden solle: »Mit dem Erziehungsgeld-Entwurf wird zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte der komplexen Identität von Frauen familienpolitisch Rechnung getragen, Frauen werden hier weder in ihrer Familien- noch in ihrer Berufsidentität diskriminiert oder in Frage gestellt; es wird ihnen während der Familienphase Zugang zu eigenem Geld geschaffen und der Zugang zum Beruf aufrecht erhalten.« (Arbeitsgruppe des Deutschen Jugendinstituts 1985 zit.n. Malzahn 1985: 186) Einerseits verweist die Stellungnahme auf ein familienpolitisches Bemühen für eine hinreichendere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, andererseits werden hierbei jedoch vor allem Frauen/Mütter in ihrer »komplexen Identität« adressiert. Insbesondere vor dem Hintergrund der Ausführungen der Bundesregierung zu einem stärkeren Einbezug von Vätern in den familialen Kontext, bleiben diese innerhalb des Zitats von Malzahn unerwähnt. Auch in der Studie Mütter zwischen Beruf und Familie bezieht sich die Arbeitsgruppe Familienpolitik des Deutschen Jugendinstituts weitgehend auf Mütter, wie bereits der Titel anzeigt (Erler/Jaeckel/Sass 1983). Väter tauchen zwar inhaltlich auf, dennoch wird deutlich, dass der Fokus auf den Müttern liegt. Zwar zeichnet sich ein erweiterter Bezug auf mütterliche Erwerbstätigkeit ab, dennoch vollzieht sich ein vergleichbarer (Ein-)Bezug von Vätern in den familialen Kontext – wenn er überhaupt stattfindet – nur sehr begrenzt. 38 Dieser Punkt wird sich im Kontext der Novellierung des BEEGs im Jahr 2007, aber vor allem durch die Einführung des ElterngeldPlus im Jahr 2015 sichtbar verschieben bzw. umkehren.

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Bedeutsam scheint beim Thema Elternschaft und Geschlecht der Gebrauch der vermeintlich ›neutralen‹ Verwendung des Begriffs ›Eltern‹ bzw. ›Elternteil‹. Zwar hat sich dessen Verwendung, wie die Historikerin Wiebke Kolbe darstellt, im Vergleich zu den 1970er Jahren verschoben, so dass die Begriffe nicht mehr mit ›Mutter‹ gleichgesetzt werden, sondern auch Väter inkludieren sollte (Kolbe 2002: 360f.). Dennoch bezog sich der Begriff ›Eltern‹ innerhalb des bundesdeutschen Kontextes der 1980er Jahre, anders als beispielsweise in Schweden, nicht auf zwei Elternteile, sondern auf Mütter und Väter (Kolbe 2002: 361; ähnlich auch Beckmann 2014). Ohne an dieser Stelle ausführlicher auf die familienpolitische Situierung in Schweden einzugehen, zeigt sich damit, wie sich innerhalb eines politischen Rahmens heteronormative Konzepte von Elternschaft (im Falle Deutschlands) re-/produzieren. Insbesondere für die CDU/CSU stand damals fest, dass »Vater und Mutter […] nicht beliebig austauschbar [sind]« (ebd.). Während sich innerhalb des schwedischen Diskurses der 1970er Jahre, Kolbes Ausführungen weiter folgend, »sämtliche Geschlechterdifferenzen im Konzept von einem Elter aufgelöst hatten« (2002: 361), vollzieht sich innerhalb des bundesdeutschen familienpolitischen Diskurses eine Verschiebung, die weniger an einer ›Geschlechtsneutralität‹ als mehr an einer zwei Geschlechter inkludierenden Geschlechtsspezifik orientiert (ebd.) ist. Diesbezüglich konkludiert Kolbe: »Das Bemühen, beide Geschlechter als Eltern zu konzipieren, wurde schließlich konterkariert durch die Fülle geschlechterspezifischer Bezüge, die sich vor allem in der öffentlichen Diskussion, aber auch im Gesetz [dem Bundeserziehungsgeldgesetz – Anm. B.N.] und seiner Begründung fanden. Sie bestätigten den bisherigen Status Quo von Mutter- und Vaterschaft, mit Müttern als Kinderbetreuerinnen und Vätern als Familienernährern, und standen in offenem Widerspruch zum neuen geschlechterübergreifenden Elternschaftskonzept, hoben es deshalb jedoch nicht auf.« (Kolbe 2002: 362) Obwohl mit dem Erziehungsgeld Mütter und Väter in gleichberechtigter Weise als anspruchsberechtigt adressiert werden, zeigt sich des Weiteren, in welch produktiver Weise ein geschlechtsspezifisch-ökonomisches Muster wirksam wird: Aufgrund der gesetzlichen Regelung, dass mit der Inanspruchnahme des Erziehungsgeldes eine vollständige oder zumindest weitgehende Aufgabe der Erwerbstätigkeit notwendig wird, wird in der Regel derjenige Elternteil seine Erwerbstätigkeit zurückstellen, der über das geringere Auskommen verfügt – ein ökonomisches Argument, welches sich nicht nur empirisch im Kontext des Erziehungsgeldes zeigt, sondern auch hinsichtlich des Elterngeldes (ab 2007) immer wieder in vielen Studien als Begründung vorgebracht wird (z.B. Müller-Heine 2006; Pfahl/Reuyß 2010; Trappe 2013a). Auch in einigen der durchgeführten Interviews wurden solche Argumente geäußert (Neumann/Meuser 2017; Aunkofer/Meuser/Neumann 2018). Durch die strukturelle Anlage des Erziehungsgeldes wird es seit der Einführung Mitte

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der 1980er Jahre fast ausschließlich von verheirateten Müttern in Anspruch genommen, da der Vater in nicht‐ehelichen Lebensgemeinschaften von vorneherein von einer Inanspruchnahme ausgeschlossen wurde (Malzahn 1985: 187). So wird – entgegen der positiven Bezugnahme der Bundesregierung hinsichtlich der Pluralisierung der Lebensformen – die Ehe als bevorzugte Form der Partnerschaft auch dort privilegiert.39 Aufgrund dessen subsumiert Marion Malzahn treffend: »Favorisiert wird die Familie, in der die Frau sich ausschließlich oder zumindest hauptsächlich der Familien- und Kinderarbeit widmet. Nur sie kann – das ist offensichtlich Ansicht der Bundesregierung – eine gesunde Entwicklung des Kleinkindes gewährleisten.« (Malzahn 1985: 187) Entsprechend scheint auch die Aussage der Gesetzesbegründung wesentlich, dass, nur wer »der Pflege und Betreuung des Kindes Vorrang vor der Erwerbstätigkeit einräumt und sein Kind selbst betreut und erzieht, […] finanziell belohnt werden [soll]« (Gesetzesbegründung zum BErzGG-E zit.n. Malzahn 1985: 188 – Herv. B.N.) So muss die berufstätige Mutter bei Antragstellung des Erziehungsgeldes eine Versorgung bzw. Betreuung des Kindes »gewährleisten« und »glaubhaft machen« (ebd.). Obwohl diesbezüglich noch vielfältige Ungleichbehandlungen nicht nur zwischen Müttern und Vätern, sondern auch zwischen verschiedenen Formen von Mutterschaft festzustellen wären (vgl. vertiefend Malzahn 1985 sowie Kolbe 2002: 345-362) wird durch die bisherigen Ausführungen bereits deutlich, dass der familienpolitische Rahmen, in den auch die Einführung des Erziehungsgeldes 1986 fällt, zwar rhetorisch für Wahlfreiheit, für eine plurale partnerschaftliche Ausgestaltung von Eltern- und Partnerschaft plädiert, die Regierungspraxis eine solche Umsetzung für viele Eltern aber deutlich erschwert bzw. mit hohen Kosten versieht. Yvette Lamm-Heß und Charlotte Wehrspaun (1993) verweisen in ihrer Auseinandersetzung mit dem dritten und vierten Familienbericht auf vergleichbare Ergebnisse: Die Autorinnen kommen in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass insbesondere der dritte Familienbericht in einem tradierten Familienbild verhaftet bleibt, welches wiederholt die negativen Konsequenzen mütterlicher Erwerbstätigkeit für die kindliche Entwicklung betont, da auf diese Weise die Mütter ihre »erzieherischen und haushälterischen Aufgaben nicht mehr in vollem Umfang« (ebd.) erfüllen können. Wobei die Autorinnen auch betonen, dass entsprechende Überlegungen des dritten Familienberichts mit einer sinkenden Generativität in Verbindung gebracht werden: »Die ›Doppelbelastung‹ der Frau hat im Bericht sowohl für die Familie (hier besonders hervorgehoben die Kinderbetreuung) als auch für die Frau [selbst] ne39 Zur Inanspruchnahme des Erziehungsgeldes kamen damals u.a. auch noch die Voraussetzungen eines gemeinsamen Haushaltes sowie eine zustehende Personensorge für das Kind (ebd.).

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gative Auswirkungen, da ihre Gesundheit durch Überlastung gefährdet wird. Im Dritten Familienbericht wird die mütterliche Erwerbstätigkeit unter den Aspekten der ›Doppelbelastung‹ und ›Kinderbetreuung‹ auch unter dem Gesichtspunkt des ›Geburtenrückgangs‹ thematisiert.« (Lamm-Heß/Wehrspaun 1993: o.S.) Die Autorinnen konstatieren für den vierten Familienbericht, dass dieser – wie auch hier deutlich wurde – eine (gewisse) Öffnung hin zu einem pluraleren und partnerschaftlicheren Familien- und Partnerschaftsarrangement vollzieht, wobei sie feststellen, dass der Bericht diese partnerschaftliche Perspektive nicht immer konsequent durchhält und an diversen Stellen durchaus für eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung plädiert (ebd.). Aloys Prinz und Frank Klanberg verweisen in ihren ökonomischen Betrachtungen des Erziehungsgeldes darauf, dass das Erziehungsgeld Mütter dazu animieren soll »›Erziehungsarbeit‹ einer Beschäftigung vorzuziehen« (1985: 460). Die vorangegangenen Ausführungen arbeiten deutlich heraus, dass, trotz partieller perspektivischer Verschiebungen, sich an den vergeschlechtlichten Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichen der elterlichen Subjektentwürfe Mutter und Vater nur geringfügige Veränderungen ergeben, bzw. verschiedene strukturelle Anlagen innerhalb des familienpolitischen Rahmens andere Möglichkeiten elterlicher Praxis deutlich erschweren. Die Ausgestaltung des Erziehungsgeldgesetzes unterstreicht dies plastisch. Das BErzGG litt insbesondere in den 1990er Jahren zunehmend unter diversen Problemen, wie einzelne Beiträge im Rahmen verschiedener Weiterentwicklungsvorschläge nahelegen: bspw. zu einer Anhebung des Erziehungsgeldes zum Ausgleich des Kaufkraftverlusts seit 1986; einer Anpassung der Einkommensgrenzen, um den Kreis der Berechtigten wieder zu erweitern; einer als notwendig erachteten Flexibilisierung der Bezugszeiten oder dem Vorschlag eines gemeinsamen Zeitbudgets für beide Eltern (Wingen 1997: 217ff.; Pettinger 2000: 243f.; Vaskovics 2000: 238ff; Kolbe 2002: 343ff.; Müller-Heine 2006: 58;). Studien dieser Zeit verweisen vor allem – auch im Hinblick auf die geringe Inanspruchnahme der Väter – darauf, dass viele Eltern sowohl eine stärkere finanzielle Entlastung, mehr Betreuungsplätze sowie eine Orientierung des Erziehungsgeldes am bisherigen Erwerbseinkommen forderten (Sass/Jaeckel 1996: 37, 163; Pettinger 2000: 245; Fthenakis/Minsel 2002: 322; Kolbe 2002: 343ff.). Rudolf Pettinger, damaliger stellvertretender Direktor des Deutschen Jugendinstituts, konstatiert (2000: 245), dass insbesondere die finanzielle Ausstattung viele Paare dafür verantwortlich sei, dass Väter kein Erziehungsgeld nutzen. Allerdings zeigt sich in Studien dieser Zeit auch, dass – trotz der Möglichkeit der partnerschaftlichen Inanspruchnahme des Erziehungsgeldes – viele der befragten Paare eine alleinige Inanspruchnahme durch die Mutter bevorzugen (Vaskovics 2000: 235; auch BMFSFJ 1996: 292ff.; Vaskovics/Rost 1999). Wenn Väter das Erziehungsgeld nutzten, dann vor allem, wenn nur geringe Gehaltsunterschiede zwischen den Eltern bestanden. Eine akademische Ausbildung beider

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erhöhte die Chance zusätzlich (BMFSFJ 1996: 293). Die Form des BErzGG beförderte jedoch, entgegen der artikulierten politischen Intention, in ausgeprägter Form eine tradierte Arbeitsteilung zwischen den Elternteilen: sowohl innerfamilial als auch beruflich (Vaskovics 2000: 238). Studien aus dem Erhebungszeitraum der 1990er Jahre (BMFSFJ 1996; Sass/Jaeckel 1996; Vaskovics/Rost 1999; Fthenakis/Minsel 2002) verdeutlichen jedoch auch, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Forschungsinteresse an der Erziehungsgeld- und Erziehungsurlaubsnutzung von und durch Väter vorhanden war, welches sich allerdings erst nach der Novellierung des BEEGs im Jahr 2007 – mit Blick auf das Thema Väter und Elternzeit(en) – deutlich verstärken und zu einem zentralen Forschungsschwerpunkt werden sollte. Die Auseinandersetzung mit den Familienberichten sowie dem BErzGG der 1980er und 1990er Jahre verdeutlicht zusammenfassend, wie über die konstitutive Verschränkung von (Familien-)Politik und Ökonomie ein steuernder Rahmen installiert wird, dessen Subjektivationsprozesse mit bestimmten ökonomischen, (familien-)politischen aber auch demographisch‐generativen Rationalitäten verschränkt sind und hierbei spezifische geschlechterdifferenzierte Subjektentwürfe konstituieren. Die Ausführungen heben hervor, wie vor dem Hintergrund dieser gouvernemental‐biopolitischen Vernunft besagte Aspekte auf diversen Ebenen (Bevölkerung/Einzelkörper) untrennbar miteinander verbunden sind: Zum einen soll den einzelnen Subjekten – insbesondere den Müttern – die Möglichkeit eingeräumt werden, familiale und berufliche Interessen miteinander zu verbinden, während Väter in diesem Kontext nur bedingt eine Rolle spielen. Gleichzeitig sind diese Interessen wiederum in einem Spannungsfeld geschlechtlicher wie ökonomischer ›Erfordernisse‹ situiert, da Mütter- und Vätersubjekte nach wie vor in asymmetrischer Weise aufeinander bezogen bleiben, adressiert werden und sich hierüber eine variierende Situierung ergibt, die jedoch auch in Relation zu ökonomischen Rationalitäten des Arbeitsmarktes zu sehen ist. Darüber hinaus stehen diese Punkte in Verbindung zu generativer Re-/Produktion und dem Thema, ob und inwiefern sich insbesondere die mütterliche Erwerbstätigkeit negativ auf die (früh-)kindliche Entwicklung auswirkt, wodurch nicht nur die prospektive Entwicklung des (Einzel-)Körpers tangiert, sondern auch die Entwicklung des (Bevölkerungs-)Körpers berührt wird. Zum anderen werden diese Aspekte auch in einer gesamtgesellschaftlichen Weise innerhalb der Familienberichte thematisiert, die verdeutlicht, wie sehr auch wirtschaftliche und demographische Überlegungen zur Strukturierung des Regierungshandelns in die Ausarbeitung ebenjener gouvernementalen Rahmungen einfließen. Die Ausführungen zur strukturellen Anlage des Bundeserziehungsgeldgesetzes verdeutlichte dies eindrücklich. Hinzu kommt, dass, entlang der bisherigen Ausführungen, insbesondere auch ein heteronormativer Rahmen zwischen Müttern und Vätern mitgeführt wird, der

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sich argumentativ in biologistischer Weise niederschlägt.40 Entsprechend re-/produziert sich hierdurch nicht nur eine geschlechtliche und vergeschlechtlichende Asymmetrie zwischen den geschlechterdifferent angelegten elterlichen Subjektentwürfen, sondern auch zwischen den hierarchisierten Sphären der Haus- und Sorgearbeit sowie der Erwerbsarbeit, da einerseits zwar auf die Erwerbsarbeit von Frauen und Müttern (insbesondere in teilzeitlicher Hinsicht) Bezug genommen wird und diese – wenn auch (relativ) widerwillig – in zunehmendem Maße in die Sphäre der Erwerbsarbeit Einzug halten, andererseits eine solche Öffnung im Hinblick auf väterliches Engagement innerhalb der Familie zwar auf einer rhetorischen Ebene möglich, praktisch aber kaum realisiert wird. Auf diese Weise bleibt die Asymmetrie zwischen Sorge- und Erwerbstätigkeit nicht nur in geschlechtlicher Hinsicht, sondern auch zwischen den Sphären von Familie und Erwerbsarbeit erhalten.

4.5

Zur Ökonomisierung von Elternschaft im Kontext von Humanvermögen

Als wesentlich für die Kontextualisierung der weiteren Familienberichterstattung der 1990er Jahre gilt die Entscheidung des damaligen Kanzlers Kohl, nach der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl vom 2. Dezember 1990 auch Politiker*innen aus den neuen Bundesländern in das Kabinettw der Regierung zu berufen: Neben Günther Krause (CDU, Verkehrsministerium) und Rainer Orleb (FDP, Minister für Bildung und Wissenschaft), übernahm Angela Merkel, in den Worten von Karlheinz Niclauß, das »etwas schmale […] Ministerium für Frauen und Jugend« (Niclauß 2015: 215). Dass diesem Ministerium – und damit auch der Familienpolitik – nur ein geringer Stellenwert beigemessen wurde, artikuliert sich nicht nur in Niclauß Einschätzung, sondern durchzieht auch den Tenor vieler Familienberichte selbst. Bedeutsam erscheint auch, dass nach dem Wahlsieg im Dezember, wie Niclauß darstellt, das Ministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit in drei Ministerien aufgeteilt und mit drei Ministerinnen besetzt wurde. Dadurch sollten vor allem die CDU/CSU-Frauen besser innerhalb des Kohl’schen Kabinetts Vertretung finden (ebd.: 216). In der letzten Legislaturperiode Kohls (1994 bis 1998), in die auch der fünfte Familienbericht fällt, wurde die damals 28-jährige Claudia Nolte (CDU) zur Familienministerin berufen (ebd.: 218). Nolte wurde Ministerin 40 So kann Marion Malzahn bspw. im Kontext der Gesetzesbegründung des BErzGG zeigen, dass die frühkindliche Betreuung, die durch das Erziehungsgeld gewährleistet werden soll, entwicklungspsychologisch begründet von Seiten des Gesetzgebers an die leiblichen Eltern in der Begründung gebunden wurde (1985: 187). Vergleichbare Argumentationen finden sich auch in Bezug auf Auseinandersetzungen mit dem zweiten Familienbericht in Form der soziobiologischen Überlegungen zur Bindungstheorie von Klaus Grossmann (1976).

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des damals, aus der erneuten Zusammenlegung zweier Ministerien, geschaffenen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).41

Zum fünften Familienbericht (1994) Obwohl der fünfte Familienbericht (1994) des Kabinetts V der schwarz‐gelben Bundesregierung unter Helmut Kohl einige der bereits dargestellten Bezüge fortführt, ergeben sich in diesem jedoch auch deutliche Verschiebungen im Vergleich zu den früheren Berichten der 1970er und 1980er Jahre. Der Bericht stellt dabei den ersten Familienbericht innerhalb des geeinten Deutschlands dar und unternimmt den Versuch, »mit Hilfe des Konzepts vom Humanvermögen die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Leistungen von Familien zu erfassen« (BMFSFJ 1994: iii). Obwohl die Bundesregierung auch in diesem Bericht darauf verweist, dass sie keine Vorgaben hinsichtlich eines bestimmten familialen- oder partnerschaftlichen Leitbildes machen möchte, schränkt sie ihre Position insbesondere hinsichtlich des Themas familialer ›Leistungsfähigkeit‹ unmittelbar ein: »Allerdings sieht die Bundesregierung ebenso wie der Familienbericht eine besondere Verpflichtung, diejenigen Lebensformen zu schützen und zu fördern, die nicht nur für die Beteiligten selbst, sondern auch für die Gesellschaft wichtige und notwendige Leistungen erbringen.« (Ebd.: iv) Bevor der Punkt der Leistungsfähigkeit spezifischer Familien näher betrachtet wird, scheint ein Blick auf das Verständnis von Humanvermögen des Berichts notwendig. Die damalige Bundesregierung bezieht sich dabei auf den Begriff wie folgt: »Sie [die Kommission] versteht unter Humanvermögen sowohl die Gesamtheit der Kompetenzen aller Mitglieder einer Gesellschaft wie auch das Handlungspotenzial des einzelnen, d.h. alles, was ihn befähigt, sich in die komplexe Welt kompetent einzubringen und sich darin zu bewegen. Die Kommission sieht ebenso wie die Bundesregierung in der Familie den bevorzugten Ort der Entstehung und Erhaltung von Humanvermögen.« (Ebd.: iv)42 41 Siehe hierzu auch die Seite der Geschichte des Bundesministeriums: https://www.bmfsfj.de/ bmfsfj/ministerium/geschichte – zuletzt aufgerufen am 28.03.2019. Obwohl der fünfte Familienbericht noch die Bezeichnung Bundesministerium für Familie und Senioren trägt, zitiere ich ihn unter dem Kürzel BMFSFJ. 42 Die Familie als zentraler Ort der Verknüpfung individueller wie gesellschaftlich‐bevölkerungsspezifischer Reproduktion findet sich dabei auch in verschiedenen theoretischen Bezügen (vgl. z.B. Foucaults Ausführungen zur Theorie des Humankapitals: Vorlesung 9, 2006: 300ff., oder auch Bourdieus Arbeiten im Hinblick auf seine Kapitalsorten z.B. 1983; 1998b: 35ff.). Wobei anzumerken ist, dass damit nicht behaupten werden soll, dass beide Autoren die einzigen wären, die sich mit entsprechenden Fragen der Re-/Produktion individueller wie gesellschaftlicher

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Dabei bleibt die Beschreibung insgesamt recht weit gefasst und es wird nicht klar, in welcher Beziehung bspw. der Begriff Humanvermögen zum verwandten Begriff des Humankapitals steht. Der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann, stellvertretender Vorsitzender der Berichtskommission des fünften Familienberichts43 , erklärt, dass im Rahmen des Berichts zwei »Brückenkonzepte« zur »Volkswirtschaftslehre und zur Gesellschaftstheorie« entwickelt wurden (Kaufmann 2000: 45). Dabei bezieht sich das Konzept des Humanvermögens auf erstere These zur Volkswirtschaft, während sich die These zur strukturellen Rücksichtslosigkeit auf die zweite bezieht (ebd.). Er verweist in seinen weiteren Ausführungen darauf, dass der Begriff des Humanvermögens einerseits zwar die in der Volkswirtschaftslehre eingeführte humankapitaltheoretische Argumentation abdeckt, diese jedoch über den wirtschaftlichen Bereich hinausgehend erweitert (ebd.: 46). Es geht hierbei laut Kaufmann nicht nur um das wirtschaftlich genutzte Arbeitsvermögen wie Fachkompetenzen und Berufsqualifikationen, sondern auch um die Qualifikation bzgl. der übrigen Dimensionen des menschlichen Lebens als Staatsbürger*in, Mutter, Vater oder ehrenamtlich tätige Person. Auf diese Weise erhält das Konzept des Humanvermögens über die individualisierte Perspektive des Humankapitals hinaus eine qualitative, bevölkerungsspezifische Dimension, die bis in die existenzielle Grundlage als »Daseinskompetenz« reicht: »Die Sachverständigenkommission für den Fünften Familienbericht bezeichnet Schlüsselqualifikationen des modernen Lebens wie ›Beweglichkeit, Lernfähigkeit, Problembewußtsein, Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Denken in Zusammenhängen und anderes mehr‹ als ›Daseinskompetenzen‹, welche die Qualität der Beteiligung in allen gesellschaftlichen Teilsystemen unter den gegenwärtigen komplexen Bedingungen maßgeblich bestimmen.« (Ebd.: 46) Ressourcen, befasst haben. Vielmehr bezieht sich Foucault in seinen Ausführungen zu Gouvernementalität auf die Humankapitaltheorie und steht damit im Blick der zugrunde liegenden Perspektive; Bourdieu verwendet in seinem relationalen Verhältnis von ›Akteur‹ und ›Gesellschaft‹ dezidiert ökonomische Begriffe (Kapitalsorten), die diesbezüglich sehr nahe bei den Ausführungen Foucaults liegen – ohne dass Foucault in seinen Vorlesungen jedoch direkt auf Bourdieu Bezug genommen hätte. 43 Der Expert*innenkommission des fünften Familienberichts gehörten an: Rosemarie von Schweitzer, Universität Gießen, Institut für Wirtschaftslehre des Haushalts und Verbrauchsforschung sowie der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann als stellvertretender Vorsitzender und Clemens Geißler, Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung. Des Weiteren die Juristin Anita Grandke, Hans-Günter Krüsselberg, Institut für Allgemeine Volkswirtschaftslehre, der VWL-Professor Heinz Lampert sowie die Familiensoziologin Rosemarie Nave-Herz an. Auch Max Wingen vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg war für elf Monate Angehöriger der Kommission. Hans Rudolf Leu, Lerke Gravenhorst, Carsten Rummel und Heidemarie Hanke, alle vom Deutschen Jugendinstitut, übernahmen die Geschäftsführung des Berichts.

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Wobei dieses »Dasein« mit einer spezifischen »Kompetenz« verknüpft wird, d.h., es wird mit einer spezifischen competentia, einer Eignung, Fähigkeit und Befähigung versehen, die in dieser Hinsicht zielgerichtet ist. Sowohl auf das unmittelbare Dasein als auch in Bezug auf eine bestimmte bevölkerungs- und wirtschaftlich ausgerichtete Kompetenz und Nutzbarkeit. Der Familie kommt hier, wie Kaufmann weiter ausführt, zwar nicht die alleinige Leistung zu, jedoch übernimmt diese einen zentralen Teil dieser Aufgabe. Dass hierbei jedoch in vor allem ökonomischer Begrifflichkeit argumentiert wird, wird durch die Subsumtion Kaufmanns deutlich: »Mit der Kategorie des Humanvermögens, welche auf der Mikroebene im Sinne des englischen ›capabilities‹ und auf der Makroebene im Sinne von ›capital‹ oder ›assets‹ verstanden werden kann, ist ein Brückenkonzept gefunden, das gleichermaßen das Ergebnis individueller Sozialisationsprozesse als auch die Erfordernisse gesellschaftlicher Teilsysteme und ihrer Organisation erfaßt.« (Ebd.: 46) Die Begriffe der Qualität und Qualifikation im Kontext der Humankapitaltheorie wurden als Humanressourcen bereits diskutiert (Abschnitt 2.1.3). Während insbesondere auf der Mikroebene der Aspekt der qualitativen Befähigung (»capabilities«) betont wird, verweist das Konzept auf der Makroebene dezidiert auf den Aspekt des Kapitals (»capital«) bzw. der Vermögenswerte (»assets«). Dabei macht insbesondere der Begriff des ›Vermögens‹ die Mehrdeutigkeit deutlich, die hierbei im Spiel ist: Vermögen im Sinne von Kapital, als Ressource, aber auch in Bezug auf Befähigung, Qualifizierung verschränkt so diese Aspekte miteinander. Der Soziologe Kurt Lüscher verweist darauf, dass mit dem Begriff des Humanvermögens zwei Sichtweisen »vereinigt« werden: eine ökonomische und eine soziologische (2000: 51). Er verdeutlicht, dass die familial erbrachten Leistungen innerhalb des fünften Familienberichts »näherungsweise in ihrem Geldwert« berechnet wurden, auch um die »Kinderkosten« in Erfahrung zu bringen. Allerdings erwähnt er auch, dass der Begriff des Humanvermögens nicht mit dem des Humankapitals vermengt werden sollte, da »Kapital […] ›Geld für Investitionszwecke‹ bezeichnet« (ebd.). Dass das Konzept des Humanvermögens die ökonomische Perspektive in diesem Zusammenhang um eine ›soziologische‹ Komponente im Hinblick auf die Bevölkerung erweitert, wurde in den Ausführungen Kaufmanns deutlich. Für Lüscher entspricht diese Verschränkung dabei dem vorherrschenden Zeitgeist: »Zu unterstreichen ist – man könnte sagen: durchaus dem Zeitgeist entsprechend – die Annäherung an eine ökonomische, mithin eine materielle Begründung, die einhergeht mit einer pragmatisch‐sozialökologischen Orientierung, welche die alltäglichen Lebensbedingungen in den Blick nimmt.« (Lüscher 2000: 51)

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Heinz Lampert, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre, verweist in einem Beitrag im Kontext der »Bedeutung der Familie für die Humanvermögensbildung« auf eine Definition von Humanvermögen: »Das Humanvermögen läßt sich – bezogen auf Individuen – definieren als die Gesamtheit der körperlichen, psychischen und geistigen Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Menschen. Ein wesentliches Segment dieses Humanvermögens ist das Arbeitsvermögen oder Humankapital als die Gesamtheit der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit eines Menschen bestimmenden Fähigkeiten und Fertigkeiten. Es ist eine Voraussetzung für die Existenzsicherung der einzelnen und für das Arbeitskräftepotenzial einer Gesellschaft.« (Lampert 2000: 59 – Kursivierung B.N.) In diesem Bezug auf das Konzept Humanvermögen wird vor allem auch der Aspekt der qualitativen Befähigung bzw. des Vermögens deutlich, in welchem das zukunftsgerichtete Potenzial eines Einzelkörpers mit einem Bevölkerungskörper verschränkt ist. Auch Lampert verweist darauf, dass das Humankapital – auch hinsichtlich der qualitativen Re-/Produktion bzw. Entwicklung der Kultur – vor allem der Sozialkultur im Sinne der Qualität von Kunst, Wissenschaft, Politik und Sport ist (ebd.). Dennoch stellt er, darauf folgend, erneut die Relevanz des Humanvermögens für das wirtschaftliche Potenzial der Gesellschaft heraus: »Das Humanvermögen ist sowohl quantitativ als auch qualitativ gesehen eine entscheidende Determinante des wirtschaftlichen Potenzials einer Gesellschaft und seiner Entwicklungsmöglichkeiten. Die wirtschaftlich relevanten handwerklichen, körperlichen, mentalen, intellektuellen und sozialen Fähigkeiten beeinflussen die Leistungsfähigkeit, die Innovationsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der arbeitsteilig und kooperativ organisierten Volkswirtschaft und damit die wirtschaftliche Wohlfahrt der Gesellschaft. Die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und das soziale Klima in der Wirtschaft hängen von sozialen Eigenschaften und Fähigkeiten ab wie Zuverlässigkeit, Korrektheit, Einordungsbereitschaft, Achtung der Menschenwürde, Rechtsbewußtsein, Kollegialität, Solidarität usw.« (Ebd.: 60 – Kursivierung B.N.) Auffallend ist zum einen, dass erneut sehr ausführlich die Relevanz für die Wirtschaft betont und in ihrer Verschränktheit von Einzel- und Bevölkerungskörper deutlich wird. Zum anderen jedoch, dass Lampert innerhalb dieser Passage auch Aspekte wie Solidarität oder die Achtung der Menschenwürde insbesondere hinsichtlich ihrer Relevanz für die »Funktionsfähigkeit der Wirtschaft« und des »sozialen Klimas in der Wirtschaft« herausstellt, die jedoch eine bloße wirtschaftliche Relevanz deutlich übersteigen. Der erneute Hinweis darauf, dass die Relevanz des Humanvermögens auch für andere gesellschaftliche Bereiche ebenso relevant sei, findet sich lediglich in einer Fußnote und räumt dieser in jedem Falle nicht den gleichen Stellenwert ein wie die Relevanzsetzungen in Bezug auf die wirtschaft-

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lichen Aspekte. Auch er hebt im weiteren Verlauf seines Textes vor allem auf den »ökonomischen Wert« der Beiträge der Familie ab, die Familien hinsichtlich der Bildung und Pflege des Humanvermögens leisten (ebd.: 61). So konstatiert er mit Blick auf den Stellenwert von Familienpolitik: »Der Stellenwert der Familienpolitik und die politische Rationalität einer Familienpolitik lassen sich erst dann angemessen erfassen, wenn man die Größenordnung des ökonomischen Beitrags der Familien zur Sicherung der biologischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Reproduktion der Gesellschaft kennt.« (Ebd.: 62 – Kursivierung B.N.) Hier zeigt sich, dass sich sogar der grundsätzliche familienpolitische Stellenwert an der Größenordnung des Beitrags bemisst, den Familien hinsichtlich der Sicherung des Humanvermögens (auf Bevölkerungsebene) sowie des Humankapitals (auf Ebene der Einzelsubjekte) erbringen. Gleichzeitig wird dies mit einem Bezug auf familienpolitische Rationalität versehen, die andere Bezüglichkeiten damit potenziell in den Bereich des Irrationalen verschieben, so dass eine spezifische ordnende Funktion und ökonomische ›Rationalität‹ deutlich wird. Es wird damit sichtbar, dass das Konzept von Humanvermögen innerhalb des fünften Familienberichts in seiner Definition zwar nicht auf rein wirtschaftliche Aspekte beschränkt bleibt, sondern auch sozialisatorische Aspekte miteinschließt und über die Humankapitaltheorie hinausgehen soll – obwohl sie deren ökonomische Perspektive, dem stellevertretenden Vorsitzenden der Kommission zufolge, einschließt. Dennoch stehen im Kontext des Berichts sowie verschiedener wissenschaftlicher Bezüge vor allem auch generativ‐reproduktive ›Leistungen‹ der Familie im Vordergrund, die insbesondere in Bezug auf wirtschaftliche Prosperität relevant gemacht werden und hierbei sowohl die einzelnen Subjekte als auch den Bevölkerungskörper insgesamt in den Blick nehmen.44 Die Bundesregierung erinnert in diesem Zusammenhang daran, »daß der Erwerbstätigkeit eines jeden Menschen stets die Sozialisation in Familie und Schule vorausgeht; nur wenn diese erfolgreich zum Abschluß gebracht ist, 44 Auch bzgl. der Zusammensetzung der Berichtskommissionen zeigen sich sichtbare Verschiebungen: Während in der Kommission des zweiten Familienberichts um 1975 zwei Pädagogen, jeweils ein Sozialpädagoge, ein Psychologe und Demograph, ein Senatsdirektor und ein Soziologe als Vorsitzender vertreten waren sowie die zugehörige Geschäftsstelle von zwei Soziologen besetzt war (vgl. auch Lüscher 1976: 285), finden sich innerhalb der Kommission des fünften Familienberichts drei Mitglieder mit einer (volks-)wirtschaftlichen Ausrichtung, ein Soziologe mit Schwerpunkt auf Bevölkerung und Wirkungsforschung, ein Mitglied mit Schwerpunkt Familiensoziologie sowie je ein Mitglied mit Blick auf Entwicklungsplanung und Strukturforschung, zu Zivilrecht und Demographie mit Schwerpunkt auf Familien- und Bevölkerungsforschung (vgl. BMJFSJ 1994: 14).

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ist auch eine effiziente Teilhabe am Wirtschaftsleben möglich. Während die Schulbildung vor allem spezifisches Wissen und berufsbezogene Fähigkeiten vermittelt, bildet und sichert die Familie die emotionalen und moralischen Grundlagen. Die dabei in der Familie erworbenen Fähigkeiten sind mitentscheidend für Erfolg oder Mißerfolg im Leben allgemein und einer aktiven Teilnahme am Wirtschaftsleben im besonderen [sic!].« (BMJFSJ 1994: v – Kursivierung B.N.) Zwar trifft die Beschreibung bestimmte Setzungen für eine Integration in die bestehende Gesellschaftsstruktur und -ordnung, dennoch wird ein spezifischer Fokus auf Wirtschaft und Erwerbstätigkeit sichtbar, während andere – auch mögliche – Schwerpunkte (z.B. Solidarität oder ein Fokus auf Gemeinschaft und Familie) nicht in gleicher Weise thematisiert werden. Wie die Soziologin Birgit Riegraf konstatiert, trifft eher das Gegenteil im Kontext solcher ökonomisch perspektivierten Überlegungen zu: »Annahmen einer Handlungsorientierung von gesellschaftlichen Akteuren, die sich an Motiven ausrichten, die jenseits der unmittelbaren Eigeninteressen verortet sind, oder Annahmen, die gar von altruistischen Handlungen und Handlungsorientierungen ausgehen, was beispielsweise gesellschaftliche Anforderungen an Fürsorgearbeiten durchaus erfordert, werden als ›naiv‹ zurückgewiesen.« (Riegraf 2013: 134) Dies gilt insbesondere dann, wenn laut der Bundesregierung »Einigkeit« darüber besteht, »daß über den Erfolg moderner Volkswirtschaften mehr denn je die Ausstattung mit Humankapital entscheidet« (BMJFSJ 1994: v). Die Realisierung bestehender Kinderwünsche bzw. das generative Verhalten allgemein, werden innerhalb des fünften Familienberichts nach wie vor weitestgehend einseitig im Rahmen der Subjektentwürfe von Frauen und Müttern zugeschrieben (ebd.: vi). Eine solche (mindestens tendenzielle) primäre Verantwortlichkeit für Generativität, aber auch Sorgetätigkeiten zeigt sich zudem auch innerhalb des Kommentars der damaligen Regierung zur Einführung des Erziehungsgeldes: »Mit der Einführung des Erziehungsgeldes ist erstmals für alle Mütter – wahlweise auch für Väter – eine monetäre Anerkennung der Erziehungsleistung für die besonders bedeutsame erste Lebensphase des Kindes eingeführt worden, ohne dass dafür ein Arbeitsverhältnis vorausgesetzt wird.« (Ebd.: x) Auffällig ist, dass in diesem Kontext nicht grundsätzlich von Eltern die Rede ist, obwohl sich das Instrument vermeintlich geschlechtsneutral allgemein an Eltern richten soll, sondern dezidiert zunächst Mütter genannt werden, während Väter »wahlweise« auch Erziehungsgeld in Anspruch nehmen können. Obwohl die Bundesregierung explizit die Relevanz von Haus- und Sorgearbeit betont und hervorhebt, dass Familienarbeit den gleichen Stellenwert besitze wie Erwerbsarbeit,

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bleibt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für sie dennoch eine frauenpolitische Aufgabe (ebd.: xvii), womit spezifische Entwürfe weiblicher Subjektivität, die bereits in früheren Familienberichten deutlich wurden, fortgeführt werden. Zwar verweist sie darauf, dass »langsam auch der Anteil der Männer zu[nimmt], die bereit sind, wegen der Kinder ihre Erwerbstätigkeit für eine Zeit lang einzuschränken« (ebd.), dennoch erhebt sie dies nicht zu einer grundsätzlicheren familienund geschlechterpolitischen Forderung an und für sich. Das Vereinbarkeitsproblem bleibt damit dezidiert ein ›Frauen‹problem, welches eher darauf abzielt, die (auch generativen) Familientätigkeiten mit der Erwerbsarbeit zu vereinbaren als die unhinterfragte, vermeintlich ›natürliche‹ Situierung der ›Erwerbsmänner‹ zu einem Vereinbarkeitsproblem für Väter – oder von fürsorgeverantwortlichen Eltern allgemein – zu machen. Damit wird die Vereinbarkeitsproblematik erneut zum »Rollenproblem der Frau«, das im Kontext des zweiten Familienberichts benannt wurde und diesbezüglich wiederholt wird. Auf diese Weise behält auch die Erwerbsarbeit ihre privilegierte Stellung gegenüber Fürsorge- und Familientätigkeiten, da weder der Status erwerbstätiger Männer/Väter mitsamt deren beruflicher Involvierung grundsätzlich infrage gestellt noch der asymmetrische Verweis auf besagtes ›Frauenthema‹ reflektiert wird. Hierdurch wird ein defizitärer Mangel fürsorgeverantwortlicher Mütter wiederholt – und zwar auch bzw. obwohl, die Vereinbarkeitsproblematik aufgeworfen wird, da zum einen die Nicht-Infragestellung der Strukturierung der Erwerbssphäre (mindestens implizit) – aufgrund der vermeintlichen Unantastbarkeit – eine Privilegierung re-/produziert. Zum anderen wird auch geschlechterpolitisch zwischen fürsorgeverantwortlichen Eltern, hier: Müttern und Vätern, dadurch gerade keine Gleichwertigkeit erzeugt. Dass entsprechendes berufliches Engagement im Hinblick auf väterliche Subjektentwürfe zu diesem Zeitpunkt eine Normalitätsfolie darstellt, verdeutlicht auch besagte Feststellung der Bundesregierung (»Es nimmt langsam auch der Anteil der Männer zu, die bereit sind, wegen der Kinder ihre Erwerbstätigkeit für eine Zeit lang einzuschränken.«). Eine solche berufliche Einschränkung, wurde, in Bezug auf das Erziehungsgeld, lediglich von 2,7 Prozent aller Väter vorgenommen (Bothfeld 2005: 29, vgl. auch den vorherigen Abschnitt 4.4). Darüber hinaus wird die Erwerbsarbeit »eingeschränkt«, was in diesem Sinne einen Schwerpunkt innerhalb der Sphäre der Erwerbsarbeit verdeutlicht: So wird in Kontrast zu einem bspw. ›erweiterten Engagement innerhalb der Familie‹ eine ›negativ‹ konnotierte Einschränkung zu Ungunsten der Erwerbsarbeit zum Ausdruck gebracht. Dennoch ist diese subtile Verschiebung insofern beachtenswert, als dass die Bemühungen um den Einbezug (und damit auch die Erweiterung des Subjektentwurfs) von Männern und Vätern die vermeintliche ›Natürlichkeit‹ der primären Zuständigkeit von Müttern unterschwellig herausfordert, weil die Verschiebung markiert, dass Frauen nicht mehr exklusiv mit einem Problem konfrontiert sein sollen, sondern vielmehr mit vor einer Herausforderung stehen, bei deren Bewältigung

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es sie zu unterstützen gilt. Gerade weil das Subjekt Frau mit jenen Vereinbarkeitsproblemen konfrontiert ist, soll dieses im Sinne von »Geschlechtersolidarität«, das auch im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen noch zum Thema werden wird (BMFSFJ 1994: 28), durch die Väter unterstützt werden. Allerdings bleibt damit auch das hierarchisierte Verhältnis zwischen Müttern und Vätern bestehen, indem Väter zwar ihre Partnerinnen unterstützen und entlasten sollen, ihnen damit als Unterstützende und Entlastende jedoch insbesondere eine sekundäre Sorgeverantwortung zugewiesen wird. Obwohl argumentiert werden könnte, dass auch eine Unterstützungs- und Entlastungsfunktion ›auf Augenhöhe‹ stattfinden kann, sei daran erinnert, dass in diesem Kontext die fokussierte Konstitution erwerbstätiger Väter (z.B. hinsichtlich des Umfangs) nicht infrage gestellt wurde und dadurch der Möglichkeitsraum für eine gleichmäßige(re) bzw. egalitäre(re) Verteilung von Erwerbs-, Haus- und Sorgearbeit nicht grundlegend verschoben wird. Eine Egalisierung wird damit zumindest deutlich erschwert.45 Dennoch kann diese subtile Verschiebung als eine Grundlegung für die Öffnung hin zu einem egalitäreren Partnerschaftsarrangement gelesen werden. Mit Blick auf die geschlechterdifferenzierenden Subjektentwürfe, die sich innerhalb des fünften Familienberichts an dieser Stelle abzeichnen, werden zwar vielfältige Asymmetrien wiederholt, dennoch zeichnen sich zumindest subtile Verschiebungen innerhalb der Konzeptionen elterlicher Subjektivitäten und deren Verhältnis zueinander ab. Zwar bleibt das Subjekt Vater weitgehend der Erwerbssphäre zugeordnet, dennoch zeichnet sich in den Ausführungen eine, zu dieser Zeit, mindestens familienpolitisch in den Blick geratende Verschiebung der Konzeption des Subjekts Vater und seiner innerfamilialen Bedeutung ab, die auch konstitutiv für Verschiebungen der Bezüge auf Mutterschaft sorgt. Letztlich stellt sich im Kontext der Familienberichterstattung auch die Frage, ob eine Perspektivierung von Familienpolitik im Kontext einer Humanvermögensbzw. Humankapitalperspektive dazu geeignet ist, eine ›Gleichwertigkeit‹ bzw. ›Enthierarchisierung‹ diverser Sphären zu vollziehen, da über diese Perspektive in maßgeblich ökonomischer Weise auf die Sphäre ›Familie‹ geblickt wird, mitsamt der ihr eigenen Operationalisierungen von ›Leistungen‹, ›Kosten/NutzenRechnungen‹, ›Effizienzkriterien‹ usw. Dies schließt keineswegs eine Forderung nach einer Aufwertung diverser Sphären in Relation zueinander aus. Jedoch bleibt offen, ob dies mit dezidiert ökonomischen Begriffen gelingen kann, oder ob diese nicht grundsätzlich eine asymmetrische Verwertungs- bzw. Kosten/NutzenRationalität mitführen, welcher wichtige Facetten hinsichtlich familialer Sor45 Insbesondere auch mit Blick auf die Art und Weise, wie viele der an der Studie Väter in Elternzeit teilnehmenden Paare ihre Verteilung von Haus-, Sorge- und Erwerbsarbeit begründeten. Viele Paare argumentierten bezüglich ihrs Arbeitsteilungsarrangement insbesondere mit der unterschiedlichen Involvierung in die Erwerbsarbeit.

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getätigkeiten verloren gehen. Auch schließt hieran die Frage an, ob vielleicht spezifische Formen von ›Egalität‹ hervorgebracht werden, die auf bestimmte Weise ökonomisch‐funktional gewendet werden und so mit besagten Perspektivierungen vereinbar sind bzw. deren Funktionieren sogar gewährleisten. Diese (Rück-)Frage erscheint auch insofern wesentlich, da die Berichtskommission selbst erwähnt, dass die »Attraktivität von Familie […] auf immateriellem Gebiet [liegt]« (BMFSFJ 1994: 26 – Herv. B.N.). Insbesondere da sich die immateriellen Facetten deutlich schwerer (z.B. auch in verdatender, quantifizierender Hinsicht) erfassen lassen, stellt sich die Frage, ob die ökonomischen Begrifflichkeiten diesen Aspekten gerecht werden (können) und falls ja, in welcher Weise. In Bezug auf die Rationalität einer Marktlogik bzw. den Mechanismen des Marktes gibt auch die Soziologin Birgit Riegraf zu bedenken: »Die Vorstellung, dass der Staat z.B. über die öffentliche Verwaltung am Ziel der Erstellung ›öffentlicher Güter‹ oder gar sozialer Gerechtigkeit orientiert ist, ist aus einer solchen Perspektive völlig absurd.« (2013: 132.). Auch innerhalb des siebten Familienberichts wird die Argumentation der Aufwertung der familialen Sphäre fortgeführt (z.B. BMFSFJ 2006: 244). Dort wird von Seiten der Kommission betont, dass es um die Anerkennung von Formen von Arbeit geht, die derzeit, weil sie innerhalb der Gewinnrechnung nicht rentabel erscheinen, zur ›Privatsache‹ werden. Dennoch bleibt diese Perspektive in einer Logik verhaftet, die dezidiert einem ökonomischen Nutzenkalkül entspricht, denn es wird kritisiert, dass bestimmte Formen der Arbeit nicht anerkannt werden, weil sie innerhalb der Gewinnrechnung keine Rolle spielen. Dies kann als Kritik an der Gewinnrechnung selbst gelesen werden, die insbesondere kritisiert, dass der familiale Nutzen nur nicht begriffen oder wertgeschätzt wird und deshalb mit in die Rechnung einbezogen werden sollte.46 Damit würde jedoch der familiale Wert weiterhin auf seinen ökonomischen Nutzwert im Rahmen einer Gewinnrechnung reduziert und in dieser verbleiben. Was hingegen nicht grundsätzlich infrage gestellt wird, ist die Unterwerfung vormals nicht-ökonomischer Gesellschaftsbereiche (vgl. auch übereinstimmend hierzu die Ausführungen Foucaults in Kapitel 2, bzw. auch 2006: 305ff., 337ff.) unter ein durch und durch ökonomisiertes Regime gouvernementaler Rationalität. In jedem Falle wird deutlich, dass sich mit der Übertragung verschiedener, insbesondere auch mikro-ökonomischer Modelle eine sichtbare Ökonomisierung der Familienpolitik vollzieht (vgl. zur Ökonomisierung des gesellschaftlichen Bereichs der Daseinsfürsorge bspw. auch Aulenbacher/Riegraf 2012; Riegraf 2013: 133). Diese Überlegungen greifen dabei in den Topos Eigen-/Verantwortung, der bereits im Kontext neo-/liberaler Gouvernementalität in Kapitel 2 diskutiert wurde. 46 Dass solche Versuche zumindest »annäherungsweise« bereits im Kontext des fünften Familienberichts erfolgten bzw. mit einbezogen werden sollten, wurde bereits deutlich.

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Dieser wird im fünften Familienbericht von Seiten der Bundesregierung sehr konkret thematisiert. Eine wesentliche Argumentationslinie verläuft dabei sowohl in den Ausführungen der damaligen Bundesregierung als auch jenen der Kommission bzgl. des Abbaus »struktureller Rücksichtslosigkeit« – dem zweiten, stärker auf Gesellschaft ausgerichteten »Brückenkonzept« (Kaufmann 2000: 45) – gegenüber fürsorgeverantwortlichen Familien, die im Verhältnis zu kinderlosen Personen systematisch benachteiligt würden, was sich (auch) auf das generative Verhalten und die Sicherung der Bevölkerung niederschlage. So konstatiert die Bundesregierung: »Familie ist Privatsphäre; gleichzeitig sind Staat und Gesellschaft auf die Leistungen von Familien angewiesen. Die Entscheidungen von Paaren für Kinder und die Zahl ihrer Kinder entscheidet zugleich auch über die Zukunft unserer Gesellschaft.« (BMFSFJ 1994: xxxiii) Damit wird ein ambivalentes Verhältnis von Privatheit/Öffentlichkeit sichtbar, welches bereits an anderen Stellen feststellbar war. Diese gesellschaftliche Notwendigkeit bzw. Dringlichkeit wird jedoch noch deutlicher hervorgehoben und gleichzeitig mit Aspekten von Aktivierung und Verantwortung verknüpft: »Ohne bewußte Korrekturen durch die Politik ist die Gesellschaft in Gefahr, sich immer mehr an Bedingungen und Ansprüchen einzelner und an den Lebensstilen von Kinderlosen zu orientieren und gegenüber Familien strukturell rücksichtslos zu sein. Familie und damit auch Familienpolitik ist in einem demokratischen Gemeinwesen an erster Stelle Sache der Familien selbst. Sie sind keineswegs nur Objekte von Familienpolitik, sondern vor allem auch handelnde Subjekte der Politik.« (Ebd. – Kursivierung B.N.) Die Herstellung eines aktiven politischen Gestaltungspotenzials zeigt sich innerhalb des fünften Familienberichts zum ersten Mal in dieser expliziten Form und markiert damit durchaus eine wesentliche Verschiebung hin zu einem Einbezug der familial‐elterlichen Subjekte in eine Bevölkerungspolitik, die insbesondere auch auf Erhalt und Reproduktion der wirtschaftlich-ökonomischen Humanressourcen abhebt. Verantwortung bezieht sich dabei nicht auf eine Form von partizipierender Mit-Verantwortlichkeit, sondern wird von Seiten der damaligen Bundesregierung »absolut« gesetzt: »Familien sind selbständige Gemeinschaften, in der mehrere Generationen verbunden sind, nicht unabhängig in einer arbeitsteiligen, rechtlich geordneten und dicht besiedelten Welt, aber unbedingt eigenverantwortlich. Familien entscheiden über ihre Lebensstile und Familienformen selbst.« (Ebd. – Kursivierung B.N.) Dass diese »unbedingte Eigenverantwortlichkeit« zwar einerseits Verantwortlichkeiten in aktivierender Weise auf die Familien verschiebt, jedoch durch den von Seiten der Politischen Ökonomie gestalteten Rahmen bedingt wird, verweist erneut

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auf das neo-/liberale Paradigma des gestaltenden Rahmens ohne direkte Eingriffe. Es verdeutlicht diesbezüglich, durch die sichtbare Verschiebung ab den 1990er Jahren, jedoch zusätzlich auch eine Bezugnahme der Regierung, welche die Subjekte sowohl aktiv in den Prozess der Bevölkerungsentwicklung und Generierung des Humanvermögens integriert als auch ihnen hierbei auch eine Verantwortlichkeit zuschreibt. Zwar erklärt die Bundesregierung, dass Familien nicht fremdbestimmt werden, »sich nicht für volkswirtschaftliche, bevölkerungspolitische oder ideologische Zwecke instrumentalisieren lassen [wollen]. Sie wollen nicht von staatlicher oder gesellschaftlicher Macht verplant werden. Politik des Staates und der gesellschaftlichen Gruppen soll helfen, Familien Spielräume und Wahlfreiheiten zu erhalten und damit ihre Handlungskompetenz zur Bewältigung ihrer vielfältigen Aufgaben zu stärken.« (Ebd.) Dass und inwiefern besagte Wahlfreiheiten innerhalb der gouvernementalen Rationalität immer nur bedingte Wahlfreiheiten darstellen, wurde bereits deutlich und wird sich noch an diversen Stellen zeigen. Die Kenntnis dieses Macht-WissenKomplexes darüber, dass sich Familien nicht zu wirtschaftlichen oder bevölkerungspolitischen Zwecken instrumentalisieren lassen möchten, verdeutlicht dabei die Notwendigkeit, auf eine direkte, steuernde Einflussnahme zu verzichten und ebenjene Einflussnahme in anreizender Form über die konkrete Ausgestaltung der Rahmenbedingungen vorzunehmen, in deren Kontext sich die ›Wahlfreiheiten‹ der elterlichen Subjekte entfalten können bzw. sollen. Letztlich erkennt die Regierung zwar an, dass sich die Subjekte nicht instrumentalisieren lassen wollen, dennoch werden sie durch die zugrunde gelegte Humanvermögens bzw. -kapitalperspektive zu einer entsprechend kostbaren Ressource und damit zu einem wesentlichen Faktor von Bevölkerungs- und Wirtschaftspolitik, die in indirekter Weise nicht nur erschlossen, sondern auch generiert werden soll.47 Insofern wird auch in dieser Hinsicht die produktive Verschränkung ökonomischer Bezüge auf Elternschaft und Geschlecht deutlich, da hierüber Elternsubjekte entworfen und zu realisieren versucht werden, die vor allem auch als qualitativ hochwertige Humanressource von wesentlichem Interesse scheint. Der pronatalistische wie abtreibungskritische Diskurs, der bereits im Kontext des dritten und vierten Familienberichts seit Beginn der 1980er Jahre deutlich wur47 Dass die Wahlfreiheit der Subjekte auch insofern eine bedingte ist, zeigt sich auch daran, dass bspw. die Ehe nach wie vor als zentrale, zu vermittelnde Wertvorstellung von Seiten der Bundesregierung genannt wird (in gleicher Weise wie Verlässlichkeit, Vertrauen, Toleranz oder Solidarität), womit zwar keine Position gegen Eheschließung an sich bezogen, jedoch deutlich gemacht werden soll, dass durchaus normative Wertvorstellungen den familienpolitischen Diskurs und ebenjene gouvernementale Rationalität bestimmen und damit ein familiales Leitbild in Erscheinung tritt, wenngleich dies auf rhetorischer Ebene in Abrede gestellt wird.

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de, wird innerhalb der Ausführungen der Kommission des fünften Familienberichts wiederholt. Diese nimmt u.a. auf den dritten Familienbericht direkten Bezug und verweist darauf, dass das Thema der Familien- und Bevölkerungspolitik »neu thematisiert« werden müsse (Ebd.: 16). Auch hier spielt der Einbezug von Vätern in die familienpolitische Konzeption eine Rolle. So werden bspw. in Bezug auf die Ausführungen zu §218 BGB (Schwangerschaftsabbruch) nicht nur Mütter genannt, sondern es wird auch auf Väter verwiesen, da diese an der Zeugung des Kindes ebenso beteiligt waren. Allerdings erfolgt der Bezug auf das Thema Abtreibung in dezidiert negativer bzw. ablehnender Weise: »Die Nöte der Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, sind das Spiegelbild einer Gesellschaft, in der familiale Aufgaben und familiale Verantwortungen verweigert werden oder keinen angemessenen Stellenwert erhalten.« (Ebd.) Das Zitat lässt sich so lesen, dass ein Schwangerschaftsabbruch einer Verweigerung familialer Verantwortung gleichkommt bzw. dieser keinen Stellenwert beigemessen werde, obwohl die Gründe für einen solchen äußerst heterogen sein können. »Geboten« sei, laut der Kommission: »[…] vor allem auch der Schutz und die Förderung des geborenen Lebens, insbesondere dann, wenn es der Pflege und der Rücksichten bedarf und zudem, wenn es alt, krank oder behindert ist.« (Ebd. – Kursivierung B.N.) Hierdurch wird auch deutlich, dass es der Kommission nicht nur um den Schutz des geborenen Lebens geht, sondern auch um dessen Förderung. In diesem Sinne argumentiert die Kommission weiter, dass die Vermeidung von Schwangerschaftsabbrüchen auch eine Herausforderung von »Geschlechtersolidarität« sei: »Die Geschlechtersolidarität ist besonders herausgefordert, wenn es um die Vermeidung von Schwangerschaftsunterbrechungen geht. Denn wer das ungeborene Leben schützen will, muß sich für gesetzlich gesicherte, zwischen beiden Geschlechtern gerechte Leistungs- und Belastungsverteilungen auch und vor allem für das geborene Leben verantwortlich zeigen.« (Ebd.: 28) Die Argumentation der Geschlechtergerechtigkeit folgt hierbei einer Logik, die darauf beruht, dass Schwangerschaftsabbrüche junger Frauen insbesondere aufgrund des mangelnden Engagements von Vätern sowie der daraus resultierenden Doppelbelastung bzw. reduzierten Erwerbs- und Karrierechancen entstehen. Dabei erscheint der Appell an die Geschlechtergerechtigkeit zumindest in emanzipatorischer Hinsicht keineswegs auf eine emanzipierende, ›freie‹ Entscheidung werdender Mütter bzw. Eltern abzuzielen, sondern vielmehr darauf gerichtet zu sein, in stimulierender Weise auf das generative Verhalten und damit die Bevölkerungsentwicklung einzuwirken. Auch wird versucht, das Humankapital von Frauen

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nicht zu entwerten, wodurch erneut die Verschränkung ökonomischer und bevölkerungspolitischer Facetten im Hinblick auf die Subjektentwürfe Mutter und Vater zum Tragen kommt. Es geht also nicht darum eine ›Wahlfreiheit‹ zu ermöglichen, sondern die hier artikulierte normative biopolitische Position (pro Leben) zu befördern bzw. einen Rahmen zu schaffen, der diesbezüglich positiv‐anreizend wirkt. Als emanzipatorisch können diese Positionen auch deshalb nicht gelten, da sie letztlich auch die Selbstbestimmung über den Körper infrage stellen. Innerhalb des (bevölkerungs-)politisch-ökonomischen Bezugs der Kommission entstehen damit spezifische elterliche Subjektivitäten, die nicht lediglich Familien gründen (sollen), sondern darüber hinaus nun auch in den verantwortlichen Prozess der Erhaltung und Förderung des Lebens der Bevölkerung als solcher miteinbezogen werden. Die bereits an diversen Stellen angemerkte Forderung der Berichtskommission, eine ausgeprägtere Familienorientierung in den Subjektentwurf zu Vaterschaft zu integrieren, drückt sich an diversen Stellen des fünften Familienberichts aus. So betont die Kommission, dass ihr nicht nur eine stärkere Familienorientierung, sondern insbesondere auch der Einbezug von Vätern ein besonderes Anliegen sei: »Der Fünften Familienberichtskommission ist es ein besonderes Anliegen, ›Familienorientierung‹ im Denken, Entscheiden und Handeln nicht nur den Frauen abzuverlangen, sondern allen Menschen dieser Gesellschaft, aber besonders den Männern und Vätern aufzuerlegen. Familienorientierung kann auch nicht nur eine Privatsache sein, wenn alle davon Nutzen haben. Sie muß aber weitgehend eine Privatsache bleiben und in die persönliche Verantwortung beider Geschlechter gelegt werden.« (Ebd.: 16) Auffallend ist, dass »Familienorientierung« zu einer konkreten Forderung (»abverlangen«) erhoben wird, die zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) nur konzeptionell die Subjektivität Frau/Mutter adressiert, sondern nunmehr explizit Väter in den konzeptionellen Rahmen inkludiert. Wobei die Bezüge des Berichts verdeutlichen, dass innerhalb des Subjektentwurfs ›Vater‹ das Engagement von Vätern eher im Sinne einer ›geschlechtergerechten‹ Entlastung von Frauen thematisiert wird als dieses entweder im Sinne einer eigenständigen Bedeutung (weiterhin geschlechterdifferenzierend) oder alternativ in geschlechterindifferenter Weise zu diskutieren. Dieser Aspekt erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der Frage nach der Re-/Produktion primärer/sekundärer Sorgeverantwortung bzw. einer auf Egalität, und, in diesem Sinne dann auch zunächst geschlechterindifferenten Bezugnahme auf Elternschaft relevant. Aufgrund des allgemeinen Nutzens einer Familienorientierung sei diese auch keine ausschließliche Privatsache, wenngleich sie primär eine »persönliche« Angelegenheit der Eltern bzw. der Geschlechter bleiben soll und dadurch auch eine elterliche Präsenz fortführt, die auch in früheren Berichten hinsichtlich der elterlichen Subjektentwürfe zum Ausdruck gebracht wur-

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de.48 Diese – die artifizielle Trennung von öffentlich/privat öffnende Bezugnahme – auf Privatheit, begründet die Kommission damit, dass »Familie […] in unserer Gesellschaft wieder leichter lebbar und gestaltbar sein [muß], soll sie den allseits erwarteten individuellen und gesellschaftlichen Nutzen erbringen« (ebd.: 16 – Kursivierung B.N.). Insbesondere der gesellschaftliche Nutzen wird laut der Kommission durch die strukturelle Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien gefährdet. Sie »begründet soziale Problemlagen von Familien, die nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen, sondern auch mit Rücksicht auf ihre nachteiligen Folgen für die Humanvermögensbildung eine Herausforderung für die Politik darstellen« (ebd.: 20f.). In dieser Hinsicht dreht sich die ›Sorge‹ der Kommission auch um die ›Vermögensbildung‹ der durchaus kostbaren Ressource Mensch. Zwar steht auch innerhalb des fünften Familienberichts die ›Normalfamilie‹ (ebd.: 24) weiter im Fokus, wenngleich die Pluralisierung familialer Lebensformen thematisiert wird. Auffallend ist, dass die Pluralisierung diesbezüglich in einem negativen Licht erscheint und Aspekte wie bspw. eine sinkende Heiratsneigung oder eine geringere Bedeutung der Ehe mit einem Rückgang der Geburten und – in diesem Zuge – sinkenden »Leistungsfähigkeit« der Familie (ebd.: 21) im Vergleich zu früher verknüpft wird. In diesem Kontext kritisiert die Kommission erneut die strukturellen Rücksichtslosigkeiten sowie die damit verbundenen Konstruktionsfehler und gesellschaftlichen Bedingungen in Bezug auf sorgeverantwortliche Personen, wobei über diesen Argumentationsstrang betont wird, dass Elternschaft und Familie nicht als ausschließliche ›Privatsache‹ zu sehen seien (ebd.: 22). Dabei wird die »Privatisierung der Elternverantwortung« wiederum in eine Wettbewerbs- bzw. Konkurrenzperspektive eingebettet, die »Konkurrenzvorteile« der Kinderlosen gegenüber »direkte[n] und Opportunitätskosten des Kinderhabens« (ebd.) sieht. Allerdings stellt die Kommission fest, dass diese Entwicklungen die Geschlechter nicht in egalitärer Weise betreffen. So vermutet die Kommission, dass insbesondere Frauen auf eine Ehe verzichten würden, um nicht in tradierte Rollenmuster zurückzufallen. Laut der Kommission lässt sich eine familiale Restabilisierung nur mithilfe einer »deutlich stärkeren Einbeziehung der Männer in die Aufgaben der privaten Lebensführung erreichen […]« (ebd.: 22f.). Wesentlich im Kontext der grundsätzlichen Bezugnahme der Kommission auf Formen von Familie und Elternschaft erscheint auch, dass innerhalb des Berichts sehr explizit eine klare Wertigkeit zwischen verschiedenen Familienformen hergestellt wird, in welchem sich in negativer Weise auf ebenjene Pluralisierung der Lebensformen bezo48 Der Verweis auf die »persönliche« Angelegenheit der Elternteile erscheint vor allem deshalb bemerkenswert, da sich dieser Aspekt im Kontext des siebten und achten Familienberichts vor dem Hintergrund der positiven Bezugnahme auf familienunterstützende »haushaltsnahe Dienstleistungen« verschieben wird und in diesem Zuge nicht mehr in gleicher Weise an die unmittelbare ›persönlichen‹ Elter geknüpft wird, obwohl diese weiterhin erhalten bleibt.

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gen wird, da diese häufig(er) auf eine generative Tätigkeit verzichten und aufgrund dessen weniger Leistung(en) für die Gesellschaft erbringen würden. Die Kommission konstatiert: »So wird heute gelegentlich die Forderung erhoben, die verschiedensten Formen privater Lebensführung als gleichwertig anzuerkennen. Demgegenüber ist festzuhalten, daß jede Gesellschaft ein vitales Interesse daran haben muß, diejenigen privaten Lebensformen besonders auszuzeichnen, zu schützen und zu fördern, welche Leistungen erbringen, die nicht nur für die Beteiligten, sondern auch für die übrigen Gesellschaftsbereiche notwendig sind.« (BMFSFJ 1994: 24 – Kursivierung B.N.) Die Ungleichwertigkeit der familialen Lebensformen wird über ein »vitales« Interesse begründet, welches ›Leistungen‹ auch für die Gesellschaft bieten soll. Dieses Interesse ist dabei eng mit dem generativen Verhalten und dem Erhalt des Humanvermögens verknüpft. Gleichzeitig wird jedoch auch die Unterstellung sichtbar, die davon ausgeht, dass familiale Lebensformen jenseits der ›Normal-/Kernfamilie‹ in individuell‐egoistischer Weise an sich denken, anstatt in solidarischer Weise auch Leistung für die Gesamtgesellschaft zu erbringen. Bedeutend erscheint dabei festzuhalten, dass diese Bestandsaufnahme der Kommission sich insbesondere auf quantifizier- und messbare Leistungen reduziert, während indirekte oder implizite Leistungen der Nicht-Normalfamilien aus dem Blick geraten.49 Hierdurch werden insbesondere diejenigen Familien(-entwürfe und -konzepte) privilegiert, die in einer zielgerichteten, ökonomischen Verwertungslogik den operationalisierten Zugriffen zugänglich werden. Die sich im weiteren Verlauf des Berichts anschließenden Funktionen und Aufgaben des familialen- und elterlichen Kontextes (z.B. im Hinblick auf Sozialisationsleistungen) scheinen hierbei dann vor allem diese zugrunde gelegte Funktionalität zu erweitern. 49 Zwar weist die Kommission selbst darauf hin, dass ›private‹ Leistungen der Haushalte, die häufig unentgeltlich von Frauen erbracht werden, nur schwer mit dem ökonomischen Instrumentarium zu erfassen sind (BMFSFJ 1994: 139ff.). Dennoch steht die von der Kommission aufgeworfene, ambivalent bearbeitete Perspektivierung in Zusammenhang mit der in den 1980er und 1990er Jahren erfolgten Reorganisation wohlfahrtsstaatlicher Prinzipien, die sich weniger an Prinzipien wie Chancengleichheit, sondern mehr an jenen marktbezogener Leistungsgerechtigkeit orientiert (Riegraf 2013: 131), was diesbezüglich mit der perspektivischen Verschiebung innerhalb der Familienberichte zusammenpasst. Auch der vermeintlich ›eindeutige‹ Bezug auf das Thema Leistung, wie es innerhalb des Berichts zu finden ist, erscheint hierbei problematisch: Die marktförmigen Leistungsprinzipien setzen dabei voraus, »dass ein klares Verständnis davon vorliegt, was Leistung in der Gesellschaft ist, die es zu belohnen gibt, wer diese Leistung letztlich genau erbringt, also dass sich Leistungen und die Leistungserbringer_innen ohne Weiteres bestimmen lassen.« (Ebd.). Obwohl die Berichtskommission selbst auf diese Problematik im Hinblick auf die häufig unsichtbaren Leistungen von Frauen und Müttern im Haushalt verweist, stellt sie die Perspektivierung an sich nicht infrage.

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Die bereits erwähnte Öffnung der familialen Privatheit ergibt sich für die Kommission auch dadurch, dass Familien Leistungen erbringen, die auch für andere gesellschaftliche Teilbereiche zentral scheinen: zum einen die Nachwuchssicherung; zum anderen die Stabilisierung des sozial‐moralischen Zusammenhangs zwischen den Generationen sowie einen Beitrag zur psychischen Stabilisierung und physischen Regeneration (auch) der erwachsenen Personen (ebd.: 26). Diese Bereiche bilden für die Sachverständigenkommission den »Beitrag der Familie zur Bildung und Erhaltung von Humanvermögen« (ebd.). ›Familie‹ ist der gemeinsame Knotenpunkt für alle übrigen Teilbereiche und ihr kommt eine entsprechende Scharnierfunktion zu. Die Familie gewährleistet die Sicherung und Qualität des Humanvermögens wie -kapitals. Einerseits über die Befähigung zur Bewältigung des Alltagslebens (Vitalvermögen). Andererseits aber auch durch die Befähigung zur Lösung qualifizierter gesellschaftlicher Aufgaben, die innerhalb einer »Wirtschaftsgesellschaft« von Relevanz sind (ebd.: 28). In diesem Schnittpunkt treffen sich die unterschiedlichen Schwerpunkte von Humanvermögen und Humankapital, in einer Perspektive auf Gesellschaft, die, wie der Text angibt, primär als Wirtschaftsgesellschaft gerahmt wird (ebd.). Dies stellt sicherlich eine Perspektive auf ›Gesellschaft‹ dar, es stellt sich jedoch die Frage, ob sich ›Gesellschaft‹ in ihrer wirtschaftlichen Dimension erschöpft. Jedoch wird damit ein dezidiert wirtschaftlicher Blick auf Gesellschaft, der gleichzeitig eine bestimmte ›Wahrheit‹ über Familie hervorbringt, sichtbar. Zwar changiert der entsprechende Abschnitt des Berichts zwischen volkswirtschaftlichen Relevanzen, die einerseits auf die Berechnung und den Wert des Humanvermögens hinweisen, andererseits jedoch werden auch humanitäre, geistig‐soziale Relevanzen auf einer gesellschaftlichen Ebene betont, weshalb ›Familie‹ auch aus dieser Sicht für die Kommission keine ausschließliche Privatsache bleiben kann. Die Basis für »Wohlstandssteigerung« und »Wohlstandsbewahrung« wird in einer grundlegenden Basis an Humanvermögen gesehen. Fehlt eine solche, können, so die Kommission, auch kulturelle und moralische Werte nicht übertragen werden (ebd.: 27). Damit wird in jedem Fall eine Privilegierung des Wirtschaftlichen sichtbar. In diesem Sinne werden diejenigen Formen von elterlicher Subjektivität und Familie privilegiert, die einen gesellschaftlichen Nutzen versprechen und die den ›Erfordernissen‹ einer Wirtschaftsgesellschaft gerecht werden können. Entsprechend bindet diese Perspektive die Produktivität aller Subjekte ein und differenziert diese nach anderen Kriterien, als dies noch innerhalb des dritten Familienberichts im Kontext der »randständigen« und »asozialen« Familien der Fall war. Die Differenzierung verläuft nunmehr innerhalb des Spektrums derjenigen, deren generatives Verhalten ausbleibt und jenen, die alle ihnen zugeschriebenen Verantwortlichkeiten zur Re-/Produktion von Humanvermögen und Humankapital selbstständig erbringen. Familien, die hierbei institutioneller Unterstützung bedürfen, werden nicht mehr als Problem des Bevölkerungskörpers konzipiert, sondern als aktive, im

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Prozess der allgemeinen Steigerung der Qualität des Humanvermögens durch Unterstützungsleistungen zu fördernde Ressource entworfen.50 So erklärt die Kommission: »Hier steht nicht nur die Hilfe für sozial Schwache und die Kompensation von Benachteiligungen an, wie sie sonst für zahlreiche sozialpolitische Maßnahmen charakteristisch ist, hier geht es vielmehr um die präventive Sicherung der Rahmenbedingungen, unter denen sich Familien und damit das Humanvermögen in der Gesellschaft allein entfalten können.« (Ebd. – Kursivierung B.N.) Auch die immer wieder aufscheinende geschlechterpolitische Dimension innerhalb des fünften Familienberichts spielt neben diesen Überlegungen eine wichtige Rolle. Der Bericht schlägt Mitte der 1990er Jahre bereits eine geschlechterpolitische Richtung ein, die hinsichtlich der von der Kommission festgelegten Zielsetzungen auch für die zukünftigen Familienberichte sowie für die weitere familien- und geschlechterpolitische Ausrichtung der nachfolgenden Familienberichte wesentlich scheint und insbesondere seit der Novellierung des BEEG im Jahr 2007 vorangetrieben wird. Auffallend ist auch, dass, obwohl die Bezugnahme der Kommission in geschlechterdifferenzierender Weise (Frauen/Mütter, Männer/Väter) erfolgt, sich die Zielsetzungen dennoch eher auf die Benachteiligungen fürsorgeverantwortliche Eltern konzentrieren (»Diese Benachteiligung der in der Familientätigkeit stehenden Frauen und wenigen Männer« – ebd.). Die Zielsetzungen der Kommission lassen sich wie folgt zusammenfassen: Zum einen soll eine Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbstätigkeit hergestellt werden; zum anderen soll die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbstätigkeit erleichtert werden (ebd.: xviii, 280); es soll einen Familienleistungsausgleich geben, d.h. dass diejenigen Subjekte die »keinerlei« familial-bedeutsamen Leistungen erbringen, mehr belastet werden sollen; und darüber hinaus die Bedeutung von Geschlechtergerechtigkeit im Bildungssystem beiden Geschlechtern vermitteln werden soll (ebd.: 29). Auf diese Weise wird eine spezifische Form von ›Leistung‹ in die Subjektentwürfe eingeschrieben, ohne dass dabei eine generelle Differenz zwischen den Subjektivitäten Mann/Frau zum 50 Diese Verschiebung kann auch dahingehend gelesen werden, als dass es in den Bezügen des fünften Familienberichts nicht mehr um eine, im Foucault’schen Sinne, disziplinierende, angleichende oder auch korrigierende Bezugnahme auf Normabweichungen der elterlich‐familialen Lebensweisen geht, wie dies im Rahmen des dritten Familienberichts in Bezug auf die »asozialen und randständigen Familien« zu sehen war. Vielmehr wird nun versucht, die Vielfalt familialer Lebensformen in Bezug auf die Generierung des Humanvermögens insgesamt miteinzubeziehen. Wie auch das obige Zitat unterstreicht, zielt der Einbezug vor allem auch auf die präventive Sicherung und Entwicklung des Humanvermögens ab, die durch die Unterstützung »sozial schwacher Familien« gestützt werden soll. Insofern ließe sich argumentieren, dass es sich hier eher um einen Ausdruck von ›Kontrollgesellschaft‹ handelt (vgl. Deleuze 2014). Insbesondere, weil versucht wird, die Vielfalt selbst spielen zu lassen und produktiv zu integrieren.

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Ausdruck kommt. Auch wird erneut zum einen die gouvernemental‐biopolitische Verschränkung von Einzel- und Bevölkerungskörper deutlich, zum anderen stellen die Ziele recht offensichtlich heraus, dass sich die elterlichen dichotom‐vergeschlechtlichten, heterosexuellen Subjekte aufeinander zubewegen sollen. Obwohl die Kommission an verschiedenen Stellen des Berichts auf das Ziel einer Enthierarchisierung von Erwerbs- und Familientätigkeit verweist und auch versucht, diese in ihre Subjektentwürfe zu integrieren, bleibt mindestens eine Privilegierung des Ökonomischen durch die bisherigen Ausführungen erhalten. Es stellt sich die Frage, ob und falls ja, inwiefern sich eine Aufwertung der familialen Sphäre im Kontext der nachfolgenden Jahrzehnte abzeichnet oder ob sich nicht vielleicht eher die Sphäre der Familie selbst in gewissem Sinne transformiert. Lässt sich eine Angleichung der Sphären von Erwerbsarbeit und Familie feststellen? Transformiert sich vielleicht gar die Erwerbsarbeit? Welche Verschiebungen ergeben sich mit Blick auf die Themen Geschlechteregalität und Partnerschaftlichkeit? Diese Fragen sollen u.a. nachfolgend erneut aufgegriffen werden. Sie erscheinen auch deshalb äußerst bedeutsam, da sich mit ihnen – auch das hat sich bisher bereits angedeutet – unterschiedliche Modi der Subjektivation abzeichnen, die einerseits eng mit der gouvernemental‐biopolitischen Rationalität der Regierung und des Regierungshandelns verknüpft sind, andererseits aber über die – im Zeitkontext variierenden – Anrufungen elterlicher Subjekte in sehr konkreter Weise ganz unterschiedliche Elternsubjekte (Mütter, Väter, Elter) performieren. Dass eine Gleichstellung der Erwerbssphäre und der familialen Sphäre als Ziel gefordert wird, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass von Seiten der Kommission weniger für eine grundsätzliche Aufwertung unbezahlter Haus- und Sorgetätigkeiten, als vielmehr für eine zunehmende bzw. intensivere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Müttern argumentiert wird, was diesbezüglich die entlohnte Erwerbssphäre (auch hinsichtlich des Erhalts und der Steigerung des Humanvermögens bzw. Humankapitals) privilegiert.51 So verweist die Kommission auf Überlegungen der Bundesanstalt für Arbeit (BfA) aus dem Jahr 1974, die nicht‐erwerbstätigen, jedoch gut ausgebildeten jungen Frauen als ein »gesamtwirtschaftlich […] brachliegendes Potenzial« (BMFSFJ 1994: 166) zu sehen, was auch deren Grundrecht auf Chancengleichheit und Selbstverwirklichung entspräche. Darüber hinaus konstatiert die BfA: »Für die Volkswirtschaft und den Arbeitsmarkt bringt die bessere Eingliederung der Frau in das Erwerbsleben eine Ausschöpfung vorhandener Ressourcen und 51 Selbstverständlich gibt es viele weitere gute Gründe, für eine stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Müttern zu argumentieren, sei es nun in Bezug auf grundsätzliche Fragen der Geschlechtergerechtigkeit oder zentrale existenzielle Fragen der Begegnung von Altersarmut, die insbesondere Frauen betrifft.

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getätigter Investitionen in Ausbildung, auf die langfristig nicht verzichtet werden kann« (Ebd.) Auch dies unterstreicht, dass es sich hierbei um eine kostbare Ressource handelt, die prospektiv keineswegs brachliegen darf. Die BfA verweist zu diesem Zeitpunkt bzgl. Frauen und Müttern auf einen »Zielkonflikt zwischen voller gesellschaftlicher Teilhabe« und der »Fixierung auf Hausfrauen- und Mutterrolle«, welcher »einer Lösung« (ebd.) bedarf. Wie schwer sich die damaligen Familienpolitiken mit diesen Herausforderungen getan haben, lässt sich auch daran ablesen, dass zwischen den Ausführungen der BfA (1974) und dem fünften Familienbericht (1994) gut 20 Jahre liegen, die keineswegs eine einheitlich geforderte und gewollte politische Stoßrichtung darstellten, wie dies im Rahmen der bisherigen Ausführungen sichtbar wurde. Diese Bezüge stehen dabei in einem wesentlichen Spannungsfeld, was auch von der Kommission bemerkt wird, wobei für sie die Entscheidung für Ehe und Familie zu einer individuellen Entscheidung geworden ist, die hierbei wesentlich auch an die »Emanzipationswünsche der Frauen« sowie die Trennung von »Sexualität und Fortpflanzung, Ehe und Elternschaft« gebunden wird: »Jedoch haben im Spannungsfeld zwischen den Emanzipationswünschen der Frauen und dem traditionalen Ehe- und Familienverständnis und angesichts der immer unproblematischeren Trennbarkeit von Sexualität und Fortpflanzung, Ehe und Elternschaft in jüngster Zeit an Selbstverständlichkeit zunehmend verloren; sie sind zu einer Sache der individuellen Entscheidung geworden. Das ist die grundlegende neue Herausforderung, vor der heute die Familienpolitik steht.« (Ebd.: 271) Durch die zunehmende erwerbsspezifische Involvierung von Frauen und Müttern emanzipieren sich diese zumindest insofern von der ihnen zugeschriebenen »gesellschaftlichen Aufgabe« der Generativität, als dass diese, um verlässlich aufrecht erhalten zu werden, nunmehr einen stärkeren Einbezug von Vätern in entlastend‐unterstützender Form bedarf, damit Frauen und Mütter – und dies scheint letztlich noch zentraler – nicht auf eine Ehe und häufig(er) damit verbunden, auf eine Familiengründung verzichten. Entsprechende Kritik des fünften Familienberichts an den Familien- und Partnerschaftsformen, die keine (generative) ›Leistung‹ für die Gesellschaft erbringen, wurde bereits deutlich. Zwar geht es zu diesem Zeitpunkt insbesondere darum, Frauen und Müttern durch die Ausdehnung des ›Frauenproblems‹ eine Familiengründung zu erleichtern, wenngleich es nicht in grundsätzlicher Weise aufgebrochen wird. Dennoch lässt sich argumentieren, dass durch den Einbezug der Väter im Hinblick auf die Entlastung und Unterstützung der Frauen und Mütter auch die »gesellschaftliche Aufgabe« der Reproduktion zu einer Aufgabe der Väter wird bzw. diesen in gewisser

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Hinsicht die Aufgabe mitüberantwortet. Dadurch wird, bezogen auf die Konzeption der elterlichen Subjektentwürfe Mutter/Vater, auch die gesellschaftliche Reproduktion nicht mehr in der gleichen Weise auf das Subjekt Frau bezogen, wie dies noch Ende der 1970er Jahre der Fall war, da dem väterlichen Subjektkonzept nun ein deutlich aktiverer und verantwortlicherer Anteil hinsichtlich der Familiengründung zukommt. Damit zeichnet sich eine grundsätzlichere Verschiebung innerhalb der familienpolitischen Rationalität und dem Geschlechterverhältnis ab: Obwohl entsprechende Veränderungen und Vorschläge eher zögerlich anmuten und bspw. die starke Erwerbsorientierung in Bezug auf das Subjekt Vater nicht grundsätzlich infrage gestellt wird, verweist diese Entwicklung auf eine Öffnung, in der beide Elternteile sich zwar noch nicht (idealtypisch) aufeinander zu bewegen sollen (dies wird noch einige Jahre dauern), jedoch der familiale Rahmen so erweitert wird, dass auch Väter in unterstützender Weise aktiv in Haus- und Sorgearbeit einbezogen werden sollen. Obwohl die weitere (familien- und geschlechterpolitische) Entwicklung kontingent bleibt und entsprechende Effekte keineswegs vorhersehbar sind, entsteht mit besagter Öffnung eine Potenzialität, die jene geschlechtliche Asymmetrie weiter herausfordert und zu verschiebt bzw. verschieben kann. Es geht zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so sehr darum, die Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern z.B. hinsichtlich der (früh-)kindlichen Entwicklung zu problematisieren, sondern darum, nach Wegen zu suchen, den Trend der Erwerbstätigkeit durch Frauen (vor allem aus wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Gründen) anzureizen und zu unterstützen, ohne zu radikale Veränderungen zu erzwingen. Die ›brachliegende‹ Humanressource ›Frau/Mutter‹ soll hierbei stärker wirtschaftlich und bevölkerungspolitisch‐generativ nutzbar gemacht und gefördert werden, weshalb es sich hierbei auch weniger um Gleichstellungs- oder Geschlechterpolitik an sich handelt. Im Interesse der Kommission steht dabei auch, dass zukünftig zu entwickelnde Humanvermögen präventiv zu schützen (Ebd.: 271).52 Dieser Schutz sowie die Förderung des gesellschaftlichen Humanvermögens werden in den Überlegungen der Kommission auch den Arbeitgeber*innen und zugehörigen institutionellen Subjekten überantwortet: »Ohne Zweifel würde ein bedeutendes Volumen an Humanvermögen vernachlässigt, wenn sich Unternehmensleitungen sowie Betriebs- und Personalräte nur für diejenigen einsetzten, die in Erwerbsarbeit jeweils aktiv sind, und nicht zugleich für die, die in den Familien Leistungen erbringen, die der gesellschaftlichen Daseinssicherung dienen. Die Frage der beruflichen Weiterqualifizierung im Hinblick auf die Anerkennung und/oder Anrechnung von Qualifikationen aus 52 Auch die vier Prinzipien einer zielgerichteten Familienpolitik knüpfen an die in Kapitel 2 dargestellten neo-/liberalen Überlegungen der Freiburger Schule an und werden eng an Walter Euckens Prinzip der Konstanz der Wirtschaftspolitik rückgebunden (BMFSFJ 1994: 272).

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Familienarbeit erhält in diesem Zusammenhang einen besonderen Stellenwert.« (Ebd.: 280) Auch in dieser Hinsicht zeigt sich, in welch umfassender Weise, kontrastierend zum dritten Familienbericht, die einzelnen Subjekte in verantwortlicher Weise in Erhalt und Steigerung des Humankapitals und Humanvermögens einbezogen werden. Die Zentralität dieser Mobilisierung erinnert dabei an die in Kapitel 2 dargestellten Überlegungen Theodore W. Schulzes: »Den Leistungen der Familien verdankt die Gesellschaft ihre Zukunft. Die familialen ›Investitionen in den Menschen‹ entscheiden nicht nur über die Wirtschaftspotenziale von morgen, sondern zugleich über die Kultur des menschlichen Zusammenlebens.« (Ebd.: 320 – Kursivierung B.N.) Eine Missachtung dieser Perspektive gilt hierbei nicht lediglich als wirtschaftlich irrational, sondern, darüber hinausgehend, als Bedrohung für die »Kultur des menschlichen Zusammenlebens« selbst, die dazu führe, dass die »Freude und Bereitwilligkeit junger Menschen, ja zu sagen zu den zahllosen Anforderungen, die das Leben mit Kindern bedingt« (ebd.), auf dem Spiel steht. Die Verschiebung der Subjektentwürfe um Mutter- und Vaterschaft, insbesondere durch den stärkeren Einbezug von Vätern in den familialen Kontext, der sich innerhalb des fünften Familienberichts abzeichnete und Mütter in ihrer primären Sorgeverantwortung unterstützen soll, artikuliert sich auch in den einigen der Narrationen des Interviewmaterials. Dies illustriert eine weitere Facette des elterlichen Spektrums innerhalb des Materials. In der Narration des Paares Albert wird diese unterstützende Funktion dahingehend deutlich, dass dort vor allem der Mutter ein besserer Überblick über den Bereich der Haus- und Sorgearbeit zugeschrieben wird, da sich diese aufgrund der zeitlichen Involvierung intensiver mit besagten Tätigkeiten befasse. Zwar wird hinsichtlich der Strukturierung hervorgehoben, dass es »ansonsten« keine grundlegenden (»exklusiven«) Aufgaben gebe, jedoch realisiert die variierende Einbindung der Alberts nichtsdestotrotz eine primäre/sekundäre Sorgeverantwortung und Zuständigkeit. Die asymmetrische, unterstützende Position, die Achim als Vatersubjekt konstituiert, wird dabei insbesondere erwerbsspezifisch begründet: Achim: »Klar hast du den besseren Überblick wie viel haben wir von jeder Größe und wann müssen wir wieder neue Sachen kaufen weil du einfach viel mehr dich damit befasst aber ansonsten gibts da eigentlich nich so (Anna: Mh) exklusive Aufgaben wie das macht immer der das macht immer der.« Anna: »Isʼ jetzt auch nicht das ich jetzt sagen müsste könntest du ihm mal die Windeln wechseln ich hab irgendwie die letzten drei Tage schon achtmal den…« [Überlappende Rede:] »…Stinker ausgebaut oder so ne…« Achim: »…äh also wenn einer merkt das ist nötig dann macht ders der der grad da is und is ja gut ne…«

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Anna: »…ja dann nimmt er ihn halt mit und dann…« Achim: »Und auch ins Bett bringen oder sich drum kümmern oder nachts aufstehen also das haben wir zum Beispiel äh gewandelt (Anna: Ja) äh das war gaganz lange Zeit so das du immer die Nachtschichten übernommen hast und ich schlafen durfte weil ich eben mehr gearbeitet hab. Da hast du aber auch nur zwei Tage gearbeitet.« Das Argument der erwerbsspezifischen Einbindung reguliert das Arbeitsteilungsarrangement der Alberts dahingehend, dass der*diejenige, der*die in einem größeren Umfang erwerbstätig ist, von den nächtlichen Aufgaben des Pflegens, Kümmerns und Versorgens entbunden ist (»weil ich eben mehr gearbeitet hab«). Allerdings führt dies nicht so weit, dass auch Anna in diesem Kontext eine – zumindest geringfügigere – Freistellung erhält bzw. erhalten könnte, da dieses Arrangement sich vor allem auf Achim und seine primäre Verortung als Hauptverdiener bezieht. Die Aussage »Du hast aber auch nur zwei Tage gearbeitet« deutet nicht darauf hin, dass Anna eine vergleichbare Unterstützung seinerseits erhalten hätte oder beide diesbezüglich an Annas Arbeitstagen die Aufgaben getauscht hätten. In der Passage kann diesbezüglich auch ein spezifischer Bezug auf ›Arbeit‹ gesehen werden, da sich argumentieren lässt, dass Annas Arbeiten – sowohl in Bezug auf Hausals auch Erwerbsarbeit – nicht in gleicher Weise als Arbeit anerkannt werden wie Achims primäre Erwerbstätigkeit. Vor dem Hintergrund der bereits dargestellten Bezüge des Paares über eine ›grundsätzlich engere Mutter-Kind-Bindung‹ und den ›Grenzen der Gleichstellung‹ erscheint diese Lesart nicht abwegig (vgl. Abschnitt 4.2) und unterstreicht zum einen erneut die dichotom angelegten Subjektentwürfe, zum anderen jedoch auch, dass selbst eine teilzeitliche Erwerbstätigkeit, die in der Narration zum Ausdruck kommt, nicht dazu ausreicht, die klare Sphärentrennung und primäre/sekundäre Zuständigkeit zwischen den elterlichen Subjekten aufzuweichen, obwohl Achim unter Anleitung unterstützend tätig wird. Dies betont die Flexibilität bzw. Strapazierfähigkeit jener Subjektkonzepte, die entsprechend keine starre Anlage darstellen, sondern zumindest bis zu einem gewissen Grad entsprechende Ambivalenzen, Widersprüche und/oder Paradoxien aushalten und sich anpassen. Im weiteren Verlauf des Interviews wird die Inanspruchnahme der beiden Partnermonate durch Achim auch damit erklärt, dass das Unternehmen, in dem Achim arbeitet, als konservativ entworfen wird und diese Form der Elternzeitnahme aufgrund der Betriebskultur bereits etwas Besonderes sei. Die Relation zwischen dem dargestellten Subjektentwurf von Achim und dem als konservativ angezeigten Arbeitsplatz konstituiert dabei ein Vatersubjekt, welches in diesem spezifischen Kontext progressiv erscheint, da Achim auf diese Weise, auch in Relation zu den übrigen Kollegen, ein Vorreiter entsteht, obwohl die Nutzung der beiden Partnermona-

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te in Relation zu den übrigen Elternzeit nehmenden Vätern als ›durchschnittlich‹ gilt. So wird erneut auch die produktive Kraft einer entsprechenden Kontextualisierung deutlich. Darüber hinaus kommt innerhalb der Narration der Alberts hinzu, dass für Anna »klar« war, dass sie für mindestens zwölf Monate in Elternzeit gehen wird: »Also ich hatte halt gesagt ich nehmʼ das eine Jahr Elterngeld mit und das ist auch meine Erfahrung dass das viele machen auch im Freundeskreis. Ähm und deshalb hatte ich eben ja vor mindestens zwölf Monate zu Hause zu bleiben eher dreizehn vierzehn Monate. Und jetzt ist es endlich letztendlich anders gekommen das heißt für die letzten zwei Monate wurde das Elterngeld ja dann nur angerechnet aber das war mir dann auch egal. Weil dafür dass ich dann eben gut wieder einsteigen konnte mit dem was mir Spaß macht. Und ja wie gesagt von daher war sowieso klar dass ich das ich auf jeden Fall das Elterngeld mitnehme wobei ich aber zwanzig Monate Elternzeit angemeldet hab. Weil ich nicht so richtig sicher war wie ich das mit der Teilzeit danach mache. Letztendlich habʼ ich aber das Teilzeitarrangement unabhängig von der Elternzeit ja auch weiter behalten und damit mein Vollzeitanspruch abgegeben. Ich hätt jetzt ja natürlich auch drei Jahre Elternzeit anmelden können und dann danach wieder Vollzeit. Da ich aber gesagt hab ich will sowieso nicht in Vollzeit geh’n bis Adrian und diverse andere folgenden Kinder […] an der Zahl irgendwie in im Grundschulbereich sind kann ich mir das jetzt heute sowieso nicht vorstellen. Außerdem sind meine Arbeitgeber da eh eigentlich flexibel und das ich da keine Ansprüche durchfechten müsste. Von daher war das bei mir eigentlich relativ schnell klar wie’s läuft.« Diese längere Passage verdeutlicht exemplarisch, was innerhalb des Samples an Paaren, nicht nur für die Alberts, häufig gilt: Die Elternzeit strukturiert sich entlang der Subjektentwürfe zu Mutterschaft, die diese in der ihr zugeschriebenen primären Sorgeverantwortung auch dahingehend stützen, als dass die väterlichen Subjektivitäten vor allem als Entlastung oder Unterstützung in den familialen Bereich eintreten. Einerseits da häufig (aus diversen, auch strukturellen Gründen) weder deren primäre Vollzeiterwerbstätigkeit infrage gestellt wird, andererseits weil durch die Zuschreibungen einer primären Sorgeverantwortung, einer biologisierenden engeren Mutter-Kind-Bindung etc. ein kompetenteres Muttersubjekt performativ hervorgebracht wird, dass – und dies verdeutlicht die Narration der Alberts sehr klar – Anna aufgrund ihrer umfänglicheren zeitlichen Involvierung einen größeren Überblick über das familiale Geschehen verschafft. Entsprechend wird durch die Zuordnung in primäre- und sekundäre Verantwortlichkeit nicht nur eine Hierarchie zwischen den Eltern re-/produziert, sondern auch die familiale Sphäre mitsamt der in ihr erbrachten Tätigkeiten feminisiert. Der Anspruch, eine längere Elternzeit nutzen zu wollen, wird dabei konzeptionell im Rahmen des mütterlichen Subjektentwurfs eingeholt und vollzieht sich so quasi ›natürlich‹ im

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Sinne der naturalisierenden Zuschreibungen. Dies drückt sich im Kontext der Erwerbsarbeit dahingehend aus, dass die Elternzeitansprüche, werden sie von Seiten der Mütter geäußert, sich weitestgehend als unproblematisch in der Umsetzung erweisen (mit wenigen Ausnahmen)53 . Die Beanspruchung der beiden Partnermonate sind hierbei in ihrer Durchsetzung an deutlich größere Schwierigkeiten gebunden (Neumann/Meuser 2017; Aunkofer/Meuser/Neumann 2018). Auch erscheinen sie innerhalb vieler Paarnarrationen, in denen den väterlichen Subjektentwürfen vor allem eine unterstützende Funktion zugestanden wird, häufig(er) als ›Mitnahmeeffekt‹, den man sich, häufig ökonomisch begründet, nicht entgehen lassen möchte. Letztlich ergibt sich jedoch ein komplexes relationales Gefüge aus erwerbsspezifischer Strukturierung, paarinterner Ordnung sowie gesetzlicher Regelung des BEEGs, die diese Art des elternzeitlichen Paararrangements befördert: Zum einen unterstützen die Bezüge auf Elternschaft und Geschlecht, wie sie bisher deutlich wurden, häufig eine primäre Sorgeverantwortung der Mutter, die dabei von naturalisierenden‐biologistischen Argumenten getragen wird (Abschnitt 4.2). Zum anderen reguliert die Betriebskultur des Unternehmens, in dem die Alberts beide beschäftigt sind, einen flexiblen und unproblematischen Ausstieg von Anna (mitsamt eines unproblematischen Wiedereinstiegs in Teilzeit) und einer eher kritisch gesehenen Elternzeitnahme von Achim, die in der Erzählung des Paares nach wie vor etwas Besonderes darstellt. Gleichzeitig erzeugt die Struktur des BEEGs bzw. der beiden Partnermonate, dass diese Auszeit in vielen Unternehmen zwar mittlerweile als gut etabliert gelten kann, jedoch auch eine Grenze hinsichtlich der innerbetrieblichen Routinen etabliert hat, die jedoch nicht ohne Weiteres überwunden werden kann, ohne die betrieblichen Abläufe als auch die vergeschlechtlichten Normen der Erwerbsarbeit herauszufordern (ausführlich Neu‐mann/Meuser 2017). Dies verdeutlicht, wie die Verschränkung dieser diversen Ebenen ein komplexes Gefüge realisiert, in dem nicht nur die Alberts als spezifische Eltern in Relation entstehen, sondern wie die Strukturierungen dieses Gefüge bestimmte elterliche Subjektivitäten un-/wahrscheinlicher werden lassen als andere ebenso mögliche.

53 Orna Ortmann, die in einem international ausgerichteten Unternehmen auf höherer Managementebene tätig ist, berichtete im Kontext ihrer Elternzeitnahme, dass von Seiten des Unternehmens erwartet wurde, dass sie spätestens nach drei bis vier Monaten wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehre. Otto Ortmann, der in vergleichbarer beruflicher Position tätig war, nahm als einer der wenigen Väter des Samples länger als zwei Monate Elternzeit und beanspruchte insgesamt elf Monate Elternzeit. Franziska Friedrich beschrieb innerhalb des Interviews bereits Ängste, dass ihre Stelle nach der Rückkehr aus der Elternzeit nicht verlängert werden würde, da sie dies in gleicher Weise mit ihrer, ebenfalls schwanger gewordenen Vorgängerin erlebt hatte. Wie sich nach dem Interview herausstellte, traf Franziskas Befürchtung zu und sie musste sich kurz nach der Rückkehr aus der Elternzeit einen neuen Arbeitsplatz suchen.

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Obwohl an dieser Stelle nicht auf alle Paararrangements und elterlichen Subjektivationsprozesse zwischen Paarbeziehung und Erwerbsarbeit eingegangen werden kann, kann nicht nur die Strukturierung des elterlichen Arrangements mit Blick auf Arbeitsteilung, sondern auch die vergeschlechtlichte wie vergeschlechtlichende Anlage der dichotom konzipierten Elternsubjekte als exemplarisch für viele der vorliegenden Narrationen gelten. In zahlreichen Erzählungen der Paare realisiert sich (manchmal auch gegen den artikulierten Wunsch) ein ›modernisiertes Versorgermodell‹, welches den Vater als Hauptverdiener der Familie und die Mutter als Zuverdienerin bzgl. der Erwerbsarbeit einsetzt sowie dies in einer umgekehrten Weise hinsichtlich der familialen Haus- und Sorgearbeit konstituiert. Dabei zeigt sich, wie die verschiedenen Bezüge aus Erwerbsarbeit, Eltern- und Geschlechterkonzeption als auch den gesetzlichen Regelungen miteinander verschränkt sind. Obwohl damit keineswegs die einzelnen Subjekte und Paarkonstellationen in ihren komplexen singulären Gefügen homogenisiert werden sollen, soll dennoch verdeutlicht werden, wie bestimmte Strukturierungen durch ihr konstitutives Zusammenwirken nicht nur bestimmte arbeitsteilige (auch elternzeitliche) Arrangements wahrscheinlicher machen als andere, sondern auch spezifische Subjektivitäten hervorbringen: In der Narration der engeren Bindung von Anna und dem Kind, die ›natürlich‹ eine engere aufgrund der behaupteten grundsätzlich engeren Bindung zwischen Mutter und Kind sei (Abschnitt 4.3), realisieren sich spezifische Diskurse über Elternschaft und Geschlecht, aber auch über (früh-)kindliche Entwicklung, die ebenjene ›natürliche, engere Bindung‹ sowohl leiblich‐affektiv erfahrbar werden lässt als auch bewirkt, dass Anna als ›gute‹, d.h. präsente, sorgende Mutter zum Wohle des Kindes erst nach einer längeren Pause teilzeitlich wieder in den Beruf zurückkehrt. Diese Diskursbündel konstituieren dabei ein spezifisches Subjekt, in dessen Relation das in Erscheinung tritt, was innerhalb der Narration als ›natürlich‹ unterstellt wurde. Das weitere Kapitel wird zeigen, dass es sich hierbei keineswegs um einen Determinismus handelt, sondern das elterliche Spektrum auch andere, egalitärere Paar-, Erwerbs- und Elternzeitarrangements beinhalten kann. An welche Bedingungen und Herausforderungen sind diese gebunden? In welchem Bezug steht dies zu anderen Diskursen um Elternschaft und Geschlecht? In welchem Verhältnis steht dies zur Frage nach De-/Naturalisierung von Elternschaft und Geschlecht? Die nachfolgenden Abschnitte werden diese Fragen weiter verfolgen. Die Narration der Alberts zeigte exemplarisch, dass Subjektentwürfe zu Mutterschaft und Vaterschaft als eine Form der Unterstützung und Zuarbeit durch Väter zum Ausdruck kommen, die in vergleichbarer Weise innerhalb des fünften Familienberichts im Sinne der gewünschten »geschlechtersolidarischen« Unterstützungsleistungen gewünscht wurde. Auch die beiden Partnermonate, die durch die Novellierung des BEEGs 2007 hinzugekommen sind, haben dieses entlastende oder

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unterstützende Konzept weiter ausgebaut, da gerade keine gleichverteilte Exklusivität der Monate für einen Elter realisiert wurde. Mit dem Wunsch einer stärkeren Involvierung von Vätern (oder Co-Elternteilen) wird jedoch nicht nur der Rahmen für eine umfassendere Unterstützung der Mütter ausgestaltet, sondern potenziell auch das elterlich‐geschlechtliche Arrangement als solches herausgefordert. Die bisherigen Ausführungen verdeutlichten, wie beide Elternteile weitestgehend konfliktfrei, an besagter primären/sekundären Ordnung ausgerichtet, in Erscheinung traten. Mit der stärkeren Involvierung wird jedoch ggf. auch die häufig vergeschlechtlicht‐zugeschriebene, Sorgeverantwortung des Subjektentwurfs Mutter herausgefordert und verläuft, wie diverse Studien zeigen, nicht immer konfliktfrei (vgl. Meuser 2011; Behnke/Meuser 2012; Neumann 2015; Aunkofer/Meuser/Neumann 2018). Die nachfolgenden Ausführungen sollen diesem Punkt weiter vertiefen. Innerhalb der Narration der Dietrich-Dorstens wird herausgestellt, dass Dirk, insbesondere beim zweiten Kind, einen wesentlichen Teil der Haus- und Sorgetätigkeiten übernimmt. Begründet wird dies mit einer zusätzlichen beruflichen Auszeit nach der achtmonatigen Elternzeit, die er in Anspruch genommen hat. Zwar macht die Narration deutlich, dass Doris als Mutter diese Realisierung von Vaterschaft stützt und sich positiv auf die Umsetzung von Dirks Tätigkeiten hinsichtlich der Haus- und Sorgearbeit bezieht; dennoch verdeutlicht das Gespräch auch, dass damit eine hierarchische Strukturierung des Verhältnisses zwischen den Entwürfen von Mutter und Vater nicht unmittelbar durchkreuzt wird. Exemplarisch deutlich wird dies am Beispiel des Wäschewaschens: Gefragt, wie das Paar mit der anfallenden Hausarbeit umgehe, entwickelt sich folgende Konversation zwischen beiden: Dirk: »Also ich ähh ich mach mhh bis auf die Wäsche…« Doris: »…Eigentlich alles.« Dirk: »Komplett alles.« […] Dirk: »Wäsche (Doris lacht auf) würd ich auch gern machen. Das verrate ich jetzt einfach mal.« Dirk: »Jaa du darfst das verra- (auflachen).« (Doris und Interviewer*in1 lachen) Dirk: »Aber wenn ich Wäsche aufhänge dann hängt sie immer um.« Interviewer*in1: (auflachen) Doris: »Und ich hänge naach (auflachen).« Dirk: »Sie hängt naaach.« Interviewer*in2: »Was heißt nachhängen?« (Doris lacht) Dirk: »Dass sie es nicht so akzeptieren kann wie ich die Wäsche aufhänge.« Doris: »Ja.« Dirk: »Und sie (Doris: auflachen) geht dann nochmal an die Wäsche und hängt sie um.«

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Doris: »Und hänge ich um.« Dirk: »Und seitdem (Doris lacht auf) da habʼ ich gesagt das kann…« Doris: »…Und ziehe nochmal glatt oder so. Also ähhm das ist so mein…« Dirk: »…Das da hab ich gesagt das kann…« Doris: »…mein spezieller (Dirk: Ja) Schlag…« Dirk: »…Das kann’s nicht…« Doris: »…Das ist (auflachen)…« Dirk: »…Da hab ich gesagt das kann nicht sein dass zwei dann da noch also…« Doris: »…Ne. Das alles (Dirk: Da an der) nochmal anfassen. Obwohl in der Erzählung das Geschlechterverhältnis hinsichtlich der Hausarbeit zunächst – im Vergleich zur überwiegenden Mehrheit der Narrationen der bisherigen Paare – invertiert scheint, bleibt es dennoch Doris in ihrer Subjektivität als Frau und Mutter54 , der, im Falle der Wäsche, das Urteil zukommt, darüber zu entscheiden, ob bzw. wie die Wäsche ›richtig‹ oder ›falsch‹ aufgehängt wird. Die Möglichkeit, dieses machtvolle Urteil zu fällen, bzw. die performative Kraft dieses Urteilsspruchs wird auch dadurch gestützt, dass Dirk sich – zwar widerwillig – von dieser Tätigkeit zurückzieht und damit Doris die Legitimität zugesteht, diesbezüglich ein Urteil zu fällen.55 Zwar begründet sich der Rückzug Dirks über eine Rationalisierungsstrategie, die auch von Doris mitgetragen wird (Dirk und Doris überlappend am Ende der Passage), dennoch re-/produziert sich jene hierarchische Strukturierung durch die ›negative‹ Anerkennung, die in Dirks Rückzug sichtbar wird. Des Weiteren zeichnet sich ab, dass das Thema der ›Wäsche‹ nicht das einzige Thema ist, an welchem sich jene hegemoniale Deutungshoheit re-/produziert: Auch die Spülmaschine dient als weiteres Beispiel (s.u.). Insofern realisiert sich besagte Hierarchisierung zwischen den Eltern nicht lediglich im Rahmen des – nach wie vor häufig – hochgradig feminisierten Bereichs der Wäsche, sondern erstreckt sich auch auf weitere Bereiche des Haushalts (vgl. auch Kaufmann 2005). Die hegemoniale Anlage der asymmetrischen Strukturierung zwischen den beiden Elternsubjekten erscheint diesbezüglich auch dahingehend flexibel bzw. anpassungsfähig zu sein, als dass in der Narration deutlich wird, dass sich das arbeitsteilige Verhältnis zwischen den Eltern auch ›wider besseren Wissens‹ realisiert. Hier zeigt sich die Wirkmächtigkeit vergeschlechtlichter arbeitsteiliger Strukturen (s.u.), die sich

54 Dass sich Doris explizit als ›Frau‹ entwirft, zeigt sich u.a. auch in den nachfolgenden Passagen. 55 Im weiteren Verlauf des Kapitels wird sich durch die narrativen Sequenzen des Paares Peters noch zeigen, dass ein Rückzug aus diesen Tätigkeiten nicht die einzig mögliche Reaktion ist. Im Falle der Peters pocht Patrick als Vater sehr deutlich auf das gleichwertige Verhältnis zu seiner Partnerin, welches auch von Paula mitgetragen wird. Dadurch wird im Kontext der Narration der Peters eine asymmetrische Anlage – wie im Falle des Paares Dietrich-Dorsten – nicht in der gleichen Weise re-/produziert.

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in diesem Sinne wahrscheinlich auch nicht durch pädagogisierende, aufklärende Konzepte oder ein ›Bewusstsein‹ beseitigen ließen. Obwohl in der Narration deutlich wird, dass Doris realisiert, dass die Darstellung dieses Themas als ›übergriffig‹ gelesen werden könnte und dies auch paarintern immer wieder zu Diskussionen führt, gelingt es nicht, sich der Macht der vergeschlechtlichten Diskurse um Elternschaft und Arbeitsteilung zu entziehen, die bis in die leiblich‐affektive Ebene hineinreichen und reflexiv sogar zu einer (Selbst-)Pathologisierung von Doris führen. In der Narration weiter oben erhält die kritische Distanzierung von der Praxis des »Nachhängens« eine umgangssprachliche psychisch‐krankhafte Kontextualisierung (»mein spezieller Schlag«)56 . Dass es hierbei nicht lediglich um Doris als Einzelsubjekt geht, sondern diese Art »einen Schlag wegzuhaben« zu einem »Frauending« erhoben wird, zeigt sich in der nachfolgenden Passage, die auf das Thema Diskussionen rund um die Verteilung der anfallenden Hausarbeiten abhebt: »Ja: das haben wir am Anfang aber schon (Dirk: Ja) glaub ich oder? Oder auch mehr. Also ich hab mir des für mich so gedacht weil ich wurde das auch öfter gefragt was und dein Mann macht das dann alles. Ich sagʼ joa der isʼ gelernter Krankenpfleger der kann das alles. Bezweifle ich jetzt nicht. Und ich kenne ihn schon lange ich weiß dass er das und das kann. Und hab aber auch gemerkt ich muss für mich einfach von diesem Anspruch von dieser Anspruchshaltung oder wenn man die überhaupt hat aber ich glaub die hat jeder auch wegkommen und sagen die Sachen werden ja gemacht. Die werden nicht immer so gemacht wie ich das jetzt machen würde aber ich muss damit leben dass die dass der Weg dahin vielleicht ein anderer ist. Damit hab ich aber auch manchmal ʻn Problem wo ich sagʼ ähh voll umständlich also ich würdʼ das total an- so Beispiel diese Wäscheaufhängen. Da da komm ich aus meinem Ding irgendwie auch nicht raus. Das da kann ich nicht (leicht lachend) über meinen Schatten springen so leid es mir tut (Lachen). Da geht’s nicht. Es gibt andere die schlichten immer noch die Spülmaschine nach das mach ich auch ich weiß schon. Das ist so (leicht lachend) vielleicht echt so’n Frauending da werde ich [unverständlich] aber ansonsten denk ich mir ey ne ist doch wurscht wenn da jetzt noch was liegt. Ich hätt’s vielleicht gesehen vielleicht hat er’s auch gesehen vielleicht war’s noch nicht da was weiß ich aber was gibt mir das was bringt mir das wenn ich mich dann aufrege oder sage ho du sollst dies und jenes machen. Das das geht auch gar nicht das schaffʼ ich ja gar nicht (Dirk: Ja und ich) also ich schaff’s e- schaff’s gar nicht das alles zusätzlich zu machen oder dann meinem Partner noch zu sagen mach dies und das und jenes und und mach das bitte auch noch so und und nicht so. Ehm da 56 Im regionalen Kontext der Narration lese ich dieses Zitat als mit dem fränkischen ›Badscher‹ vergleichbar, d.h. einen ›Schlag weg‹ haben, ›eine Macke‹ haben bzw. ›nicht ganz richtig im Kopf sein‹. Dies ergibt sich aus der regional‐vergleichenden Anlage des Forschungsprojekts Väter in Elternzeit – vgl. Abschnitt 3.3.

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muss man dann irgendwie auch damit leben dass Sachen anders gemacht werden auch mal vielleicht nicht gemacht werden was ich jetzt gleich gemacht hätte. Der andere macht’s zwei Tage später oder so und hat da ›ne andere Reihung. Ehm das hat aber am Anfang haben wir da schon mehr drüber diskutiert.« Auffallend ist, dass einerseits dem Subjektentwurf Vater ein gewisses Vertrauen entgegengebracht wird, wenn es um die Umsetzung der Haus- und Sorgetätigkeiten geht, andererseits jedoch auch, dass diese Vertrauensbasis zuvorderst durch eine berufliche Profession (Krankenpfleger) getragen wird. Insofern lässt sich argumentieren, dass das hier vorhandene Vertrauensverhältnis an die Bedingung der Professionalisierung qua Berufsposition gebunden ist. Zum anderen zeigt sich, dass sich die Frage nach Expertise und damit zusammenhängender Legitimität der Sorge weitgehend nur im Kontext väterlicher Subjektivität abzeichnet, während sie im Rahmen vieler Subjektentwürfe zu Mutterschaft sehr häufig vorausgesetzt wird. Die Wirkmächtigkeit jener vergeschlechtlichter Diskurse gerät innerhalb der Narration zu einer ›unüberwindbaren‹ Angelegenheit, wie am Beispiel des »nicht über den eigenen Schatten springen Könnens« zum Ausdruck kommt. Letztlich verwirft diese Art der Anlage das Potenzial zur Veränderung bzw. auch für minimalste Verschiebungen, die mit der Metapher des »nicht über den eigenen Schatten springen Könnens« als unmöglich verdeutlicht wird.57 Die hegemoniale Anlage der Strukturierung des Subjektentwurfs ›Mutter‹ bzw. ›Frau‹, der innerhalb der Narration zum ›Frauending‹ erhoben wird, naturalisiert damit auch die diskursiven Machtwirkungen, die hier produktiv am Werk sind. Hierbei wird gleichzeitig ein ›irrationales‹ Subjekt Frau re-/produziert, das insbesondere durch die sichtbar werdende Distanzierung (wider besseren Wissens des Nachhängens der Wäsche bzw. Nachsortierens der Spülmaschine) die ›weibliche Irrationalität‹ in Relation zur männlichen ›Rationalität‹ stützt. Die konzeptionelle Rahmung des Subjektentwurfs Vater, der als ›aktiver‹ Vater in der Familie präsent sein soll, wird innerhalb der strukturellen Anlage der vergeschlechtlichten familialen Tätigkeiten nicht in derselben Weise mit ir-/rationalen Bezügen konfrontiert, da es hier vor allem in ›irrationaler Weise‹ die Mütter sind, die vermeintlich nicht über ihren Schatten springen können, obwohl beide Subjektentwürfe durch unterschiedliche Strukturierungen realisiert werden. Die beiden Passagen der Dietrich-Dorstens verdeutlichen, dass mit einer stärkeren Involvierung von Vätern in den familialen Kontext, wie sie bereits innerhalb 57 Beispielsweise im Unterschied zu einer Anlage, die konstatiert, dass man immer wieder versuchen müsse, über den eigenen Schatten zu springen, wodurch zwar ebenso eine strukturelle Herausforderung benannt, aber das Potenzial zur Verschiebung in die Metapher eingelassen wäre. Auf diese Weise zeigt sowohl der Bezug der Narration als auch das hier gegebene Beispiel die vorhandene Kontingenz der zugrunde gelegten Metapher, die, so betrachtet, immer auch ein widerständiges Potenzial offenbart.

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der Forderungen des fünften Familienberichts deutlich wurde, aber auch in den folgenden Berichten in ausgeweiteter Form ersichtlich sein werden, Konflikte zwischen elterlichen Subjekten entstehen können, die es – im Kontext vormals ›klarer‹ getrennter Sphären und abgrenzbarer(er) Subjektentwürfe – in dieser Form nicht gab. Besonders deutlich tritt dies in der Narration des Paares Graf-Gabler hervor, in dessen Kontext Gitta für zwei Jahre in Elternzeit gehen wollte, während Georg zunächst keine Elternzeit beanspruchen, jedoch für drei Wochen Urlaub nach der Geburt des Kindes nehmen wollte. Nachdem es bzgl. dieses vereinbarten Urlaubs zu Problemen mit Georgs Arbeitgeber kam, entschloss sich das Paar, dass auch Georg für zwei Monate in Elternzeit geht. Inklusive Krankmeldung, Übergangs- und Elternzeit war Georg insgesamt für vier Monate zu Hause. Obwohl das Verhältnis der Graf-Gablers einerseits hinsichtlich der Arbeitsteilung sehr tradiert anmutet und in gewisser Hinsicht auch von beiden geteilt wird, zeigen sich innerhalb der Narration jedoch Unterschiede zu jenen, die in Abschnitt 4.3 dargelegt wurden: Zwar artikuliert sich in der Narration Gittas ein Subjektentwurf, der, ähnlich zu anderen Bezügen vorher, Schwierigkeiten, das gemeinsame Kind zurückzulassen, zeigt. Dies obwohl Georg als Vater angeboten hatte, die Aufgaben zu tauschen: »Also es war im Grunde von vorneherein klar dass ich halt zu Hause bleibe und er arbeiten geht. Er hat immer gesagt er würd’s auch umgekehrt machen aber das könnt ich als Mama nichʼ […]. Ich fänd’s auch komisch jetzt arbeiten zu gehen und er würd zuhause bleiben.« Auch hier war es im Kontext des Subjektentwurfs Mutter vermeintlich »von vorneherein klar«, dass es vor allem die Mutter ist, die zu Hause bleibt, obwohl auch die Möglichkeit anderweitiger Regelungen bestanden hätte. Dies unterstreicht auch, dass hierbei scheinbar wenig Diskussionsgrundlage für andere Aufteilungen elterlicher Sorge bestand. Die »Klarheit« wird in der Erzählung dabei erneut an eine Unmöglichkeit in Bezug auf Mütterlichkeit rückgebunden, der erneut eine leiblich‐affektive Ebene miteinschließt. Gitta hätte es »als Mama« nicht gekonnt, nach der Geburt schnell wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren, während Georg als Vater die Sorge des Kindes übernommen hätte. Dabei wird auch an dieser Stelle erneut die Wirkmächtigkeit der affektiven Dimension deutlich, die diesbezüglich als ausschlaggebend genannt wurde. Die »komische« Empfindung, als Mutter arbeiten zu gehen, während der Vater zu Hause bleibt und sich um das Kind kümmert, bringt diesbezüglich die affektiv‐leibliche Dimension jener vergeschlechtlichten arbeitsteiligen Norm(alität) zum Ausdruck, die hier produktiv tätig ist. Besagte Konflikthaftigkeit wird innerhalb der Narration insbesondere an der Stelle deutlich, in der eine längere Elternzeit des Vaters unmittelbar in Konkurrenz zum Entwurf mütterlicher Subjektivität und der Anlage der Mutter-Kind-Beziehung steht:

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Georg: »Also jetzt so im Nachhinein ärgerʼ ich mich das ich nicht drei Monate genommen hab oder vier oder fünf. Aber ich glaub da hättest du die Krise bekommen…« Gitta: »(lacht) irgendwann reicht es. Da freut man sich dann auch drauf dass man dann diesen Alltag zu zweit endlich mal erlebt ne. Ich mit Baby alleine. Das isʼ schon das isʼ dann auch wieder was ganz anderes. Ne. Da hat man die Verantwortung alleine tagsüber. Ja.« Dass der umfassendere Einbezug des Vaters in den familialen Kontext an Grenzen stößt, wird in dem Kommentar »irgendwann reicht es« deutlich. Erneut ist es hierbei der hegemoniale Bezug auf Mutterschaft, der in anerkannter Weise eine solche Grenzziehung vollzieht. Dass dabei ein bestimmter Subjektentwurf Mutter stabilisiert wird, der für sich exklusive Zeit mit dem Kind beansprucht, wird ebenso deutlich. Dieser ist durch die grenzziehende, exkludierende Anlage auch geeignet, ein intensiveres Mutter-Kind-Verhältnis zu realisieren. In diesen Konzeptionen elterlicher Subjektivität wird erneut deutlich, dass dem Subjekt Mutter eine Entscheidungsgewalt zugestanden wird, der sich Georg als Vater nicht lediglich fügt oder zu fügen hat, wenn sie als Konflikt ausgetragen wird, sondern die als Annahme bereits so wirkmächtig ist, dass Georg als Vater trotz der positiven Erfahrungen während seiner Elternzeit auf eine Realisierung verzichtet hat. Die Erwähnung des Konflikts, den eine entsprechende Artikulation bzw. Beanspruchung möglicherweise ausgelöst hätte, verweist nicht nur auf eine konfliktreiche asymmetrische Strukturierung der elterlichen Subjektentwürfe, sondern darüber hinausgehend darauf, wie auch mit der Verschiebung väterlicher Subjektivität im Sinne einer stärkeren Involvierung in den familialen Kontext eine historisch gewachsene Grenzziehung re-/aktualisiert wird bzw. werden kann.58 An anderer Stelle der Narration wird deutlich, dass, selbst wenn das Subjekt Vater als kompetent erachtet wird, dies nicht unbedingt dazu führen muss, dass sich jene vergeschlechtlichten Sorgetätigkeiten verschieben. Sie bleiben in diesem Sinne nach wie vor ein »Mamajob« und damit konstitutiv an den Subjektentwurf ›Mutter‹ gebunden: »Weils mein kleines Baby ist (auflachen). Klar ist er auch gut aufgehoben ne aber ich weiß nicht wie das wäre wenn er [Georg] jetzt zu Hause ist nur jetzt im Moment sieht man das halt das er [der Sohn] im Grunde auf mich schon mehr fixiert ist ne das sich von mir gut beruhigen lässt auch nachts und so ich weiß nicht wie’s wär wenn er [Georg] mehr zuhause wär ob’s dann umgekehrt wärʼ ne aber 58 Dies korrespondiert mit diversen Studien zum Thema ›Maternal Gatekeeping‹, wie sie seit Ende der 1990er Jahre innerhalb des sozialwissenschaftlichen Kontextes diskutiert werden (vgl. hierzu z.B. Allen/Hawkins 1999; Fagan/Barnett 2003; Gaunt 2008; Meuser 2011; Behnke/Meuser 2012; Behnke 2012; Trappe 2013a; Neumann 2015, 2016a; Neumann/Meuser 2017).

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nein eine Mama gehört nach Hause. Auch so schön das ist das Papas das auch mittlerweile können aber irgendwie ist das Mamajob.« Das Zitat zeigt erneut, dass es weniger um ein Vertrauensproblem gegenüber dem Partner geht, sondern vielmehr der grundsätzliche Bezug auf das Thema Geschlecht und Mutterschaft wesentlich reg(ul)ierend wirksam wird. Das Phantasma eines intensiveren Mutter-Kind-Verhältnisses re-/produziert sich vor allem dadurch, dass Gitta als Mutter in der konzeptionellen Anlage dieser elterlichen Subjektivitäten deutlich mehr Zeit mit dem Kind verbringt (und aufgrund des Arrangements auch verbringen kann), was letztlich dazu führt, dass sie in der Lage ist, das gemeinsame Kind schnell(er) zu beruhigen. Verdeckt bleibt dabei zum Teil, wie diese artifizielle Regulierung eine ›Evidenz‹ konstituiert, die hierbei von der Regulierung selbst sowohl abhängt als diese auch stützt. Mit anderen Worten: Die aufgerufenen Diskurse um Elternschaft, Geschlecht und Arbeitsteilung im Rahmen des »Mamajobs« strukturieren eine Form von Arbeitsteilung, in deren Zuge sich die vermeintliche ›Natürlichkeit‹, in der Gitta als Mutter das Kind schneller beruhigen kann, einstellt, was wiederum die Konzeption der engeren Mutter-Kind-Beziehung mitsamt des Mamajobs selbst stützt. Ein unmittelbares Gegenbeispiel zu der Konzeption eines Mamajobs findet sich innerhalb der Narration der Ortmanns, in der Otto als Vater die Hauptverantwortung für die kindliche Sorge und den Haushalt durch seine elfmonatige Elternzeit übernommen hat, während Orna nach vier Monaten Elternzeit wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt ist. Das Thema des Beruhigens des Kindes wird auch dort zu einem wichtigen Punkt, unterstreicht jedoch den artifiziellen Charakter jener Vergeschlechtlichungen des Mamajobs: Orna: »ähm dass sie sich oft von mir nicht beruhigen lässt. Das heißt ähm äh abends müde ist und dann fängt sie an zu quengeln. Und dann versuch ich sie natürlich früher hab ich sie immer am Abend ins Bett gebracht das war immer so wenn ich nach Hause kam hab ich sie übernommen. Bis zu dem Zeitpunkt bis sie eingeschlafen ist. Ähm und ähm und jetzt ist es halt wirklich so dass sie manchmal auch dann äh sich zwar von mir ins Bett bringen lässt einschläft nach ›ner halben Stunde wieder wach wird. Und dann ähm geh ich hin und versuch sie zu beruhigen. Und dann schreit sie aber wie am Spieß und wie auch immer. und dann braucht sie ihre Zeit bis sie sich beruhigt und dann steht dann schon Otto da so voller Panik so was ist jetzt mit ihr? Warum weint sie jetzt und gib sie mir ich ich kann sie schneller beruhigen. Ist meistens auch so. Äh…« Otto: »Ja die [unverständlich] auf meinem Arm ist sie halt ruhig gleich ne?« Orna: »Auf der Stelle ruhig aber äh das find ich halt nicht gut weil ich möchte dass sie sich auch ja und ich finde das irgendwie so ich fühl mich da so irgendwie so ja komm gib her. So. Und dann fühl ich mich so allein gelassen und ich find das einfach nicht gut. Also ich fühl mich in dem Moment dann verlier ich die Lust

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ähm und äh und ich will mir einfach das nicht nehmen lassen auch selbst mein Kind zu beruhigen. Ja? Andere wären vielleicht froh wenn sie ein schreiendes kreischendes Kind abgeben können aber das ist bei mir nicht so. Ich möchte mein Kind ja auch beruhigen und ähm und das ist schon sehr bitter für ›ne Mutter äh auch wenn’s nun der Vater ist aber wenn man halt nicht erste Prio ist fürs Kind. Ne? Und das wenn’s weint nicht einem zu zukommt und sagt (leicht weinerlich) Mama. Ja? Sondern immer Papa.« Die längere Passage unterstreicht anschaulich die generelle Problematik desjenigen Elternteils, die entstehen kann, wenn dieser zwar erwerbstätig sein möchte (oder umfänglich sein soll bzw. muss), aber auch gemeinsame Zeit mit dem Kind realisieren möchte. Der Vergleich der beiden Passagen der Graf-Gablers und der Ortmanns zeigt, dass es hierbei weniger in direkter Weise einzig um die Frage nach Geschlecht(lichkeit) geht, sondern die spezifische Konfiguration aus den Verhältnissen (von Familie, Erwerbsarbeit, zu Elternschaft und Geschlecht) sich eine spezifische Verhältnisbestimmung konstituiert, die die elterlichen Subjekte (auch in Relation zum Kind) hervorbringt und ausrichtet. Zusammenfassend zeigt sich, dass mit dem stärkeren Einbezug zweier Eltern in den familialen Kontext Herausforderungen entstehen können, die nicht unbedingt in dieser Form absehbar gewesen sind: Zwar wird im Zusammenhang mit den bisher dargestellten Familienberichte ab Mitte der 1990er Jahre zunehmend auf den Einbezug von Vätern in Haus- und Sorgetätigkeiten hingewiesen und eine Intensivierung gefordert, dennoch finden sich zu diesem Zeitpunkt keine kritischen Reflexionen dazu, dass mit der Herausforderung ›tradierter‹ vergeschlechtlichter Konzeptionen elterlicher Subjektivität auch ein nicht unwesentliches Konfliktpotenzial verbunden sein kann. Auch der ökonomische Aspekt spielt dabei in vielen Paarkontexten eine nicht unwesentliche Rolle, sei es in Bezug auf die (tatsächliche) Notwendigkeit der Erwirtschaftung des familialen Einkommens oder auch als Argumentationslinie zur Rationalisierung des vergeschlechtlichten arbeitsteiligen Arrangements. Die Ökonomisierungsprozesse des ›Privaten‹ bzw. der Familie, die bisher im Kontext der Familienberichte nachvollziehbar waren, treibt auch besagte ›Gleichstellungsprozesse‹ voran, die in diesem Sinne gerade keinem geschlechterpolitischen Impetus entspringen, sondern vor allem durch ökonomische ›Notwendigkeiten‹ getragen werden, die einen politischen Rahmen konstituieren, der in diesem Sinne auch reg(ul)ierend maßgeblich für die Subjektentwürfe Mutter und Vater ist. Der so installierte Rahmen ist hierbei nicht nur konstitutiv für die Subjekte, sondern auch für deren Handlungsspielraum innerhalb der Elternzeit. Dies gilt in zunehmender Weise auch für die weiteren Familienberichte nach der Jahrtausendwende, die nachfolgend näher beleuchtet werden. Auffällig war in dieser Hinsicht auch, dass trotz einer egalitären Rhetorik – sowohl innerhalb des fünften Familienberichts als auch innerhalb der Narratio-

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nen der Paare – ›tradierte‹ normative Strukturierungen zu Elternschaft, Geschlecht und Arbeitsteilung sichtbar wurden, die die inszenierte Egalität zumindest fragwürdig erscheinen lassen. Beim fünften Familienbericht wird den Subjektentwurf ›Vater‹ betreffend zwar eine stärkere familiale Orientierung deutlich, die jedoch vor allem in einer Unterstützung und Entlastung des Subjektentwurfs um Mutterschaft zum Tragen kommt und damit keine Konzeption elterlicher Subjekte hervorbringt, die als gleichwertig zu bezeichnen wäre, sondern nach wie vor einer asymmetrischen Anlage folgt. Auch in Bezug auf die Narrationen der Paare wurde trotz egalitärer Rhetorik deutlich, wie sehr viele der dortigen elterlichen Subjektentwürfe und der vergeschlechtlichten arbeitsteiligen Arrangements eine – auch historisch gewachsene – Asymmetrie re-/produzieren. Die gouvernementale Anlage unterstreicht dabei, wie diese egalitäre Rhetorik dazu dient, einerseits den Subjektentwurf ›Mutter‹ auf eine Weise stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren, die das mütterliche Humankapital nicht entwertet und gleichzeitig auch auf der Ebene des Bevölkerungskörpers zur Erzeugung und Steigerung von Humanvermögen dient. Andererseits wird, dieser Rationalität folgend, auch der Subjektentwurf ›Vater‹ auf eine Weise verschoben, die diesen zwar weiterhin primär innerhalb der Erwerbsarbeit situiert, jedoch auf eine Weise in den familialen Kontext zu integrieren versucht, als dass darüber auch Frauen und Mütter als erwerbstätige Subjekte stärker aktiviert werden können.

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Eltern im Spannungsfeld ›nachhaltiger‹ Familien- und Arbeitsmarktpolitik

Der nachfolgend behandelte siebte Familienbericht (BMFSFJ 2006) fällt zeithistorisch in den Übergang der vorzeitig beendeten Regierung unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (1998 bis 2005) sowie der zweiten großen Koalition bundesdeutscher Politik unter Angela Merkel (CDU), die am 22. November 2005 zur Bundeskanzlerin gewählt wurde; die erste große Koalition entstand 1966 unter dem damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (Niclauß 2015: 338). In dieser ersten Regierungszeit Angela Merkels konnte die Union sieben Ministerien, die SPD acht Ministerien beanspruchen und den Vizekanzler stellen.59 Franz Müntefering wurde zum Vizekanzler unter Merkel, bis dieser im Jahr 2007 das Amt des 59 Das erste Kabinett Merkel setzte sich im Frühjahr 2006 wie folgt zusammen: Neben Angela Merkel als Bundeskanzlerin, übernahm Franz Müntefering (SPD) die Funktion des Vizekanzlers und war zuständig für Arbeit und Sozialordnung. Frank-Walter Steinmeier (SPD) war zuständig für Auswärtiges, während Wolfgang Schäuble (CDU) Innenminister wurde. Brigitte Zypries (SPD) war zuständig für Justiz, Peer Steinbrück (SPD) übernahm das Amt des Finanzministers und Ursula von der Leyen (CDU) wurde zur Bundesfamilienministerin berufen. Eine vollständige Übersicht findet sich bei Niclauß (2015: 340).

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Arbeits- und Sozialministers niederlegte, welches nun von Olaf Scholz (SPD) ausgeführt wurde. Zum Nachfolger als Vizekanzler wurde der damalige Außenminister und spätere Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) ernannt (ebd.: 341). Obwohl Angela Merkel in dieser Zeit häufig eine vermittelnde Rolle zugeschrieben wird, unterstützte sie, wie Niclauß darstellt, durchaus wesentliche Reformen verschiedener Minister*innen ihres Kabinetts: Die Reform der »Rente mit 67«, wurde vom Arbeits- und Sozialministerium unter Müntefering vorbereitet und konnte so, wie Niclauß konstatiert, »den Grundgedanken der Agenda 2010 im Bereich der Alterssicherung durchsetzen« (ebd.: 344). Zu diesen Unterstützungen ist auch die von der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorbereitete Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) zu rechnen, die, wie Niclauß weiter darstellt, insbesondere aufgrund der Einführung der »Vätermonate« innerhalb der CDU auf Vorbehalte stieß. Vor allem die Kritik an den Partnermonaten aus den Reihen der CDU/CSU und damit einer stärkeren Beteiligung von Vätern bzw. Co-Elternteilen an Haus- und vor allem Betreuungsarbeit erscheint familienpolitisch wie auch im Kontext der weiteren Ausführungen zur Novellierung des BEEGs beachtenswert. Erinnert sei an dieser Stelle auch an die in Kapitel 1 dargestellten Debatten um die Wirksamkeit des Elterngeldes als bevölkerungspolitisches Instrument, die im weiteren Verlauf des Kapitels weiter thematisiert werden und die in die zweite Legislaturperiode unter Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Koalition aus CDU/CSU und FDP fallen (ebd.: 344).

Zum siebten Familienbericht (2006) Der siebte Familienbericht (BMFSFJ 2006) breitet bereits in seinem Titel Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit das Spannungsfeld aus, in welchem sich Elternschaft und familiale Konstellationen bewegen.60 Die innerhalb des Berichts erfolgte Verschiebung hin zu einer »nachhaltigen Familienpolitik« ist in seiner Zielsetzung auch mit demographischen und ökonomischen Argumenten begründet und wird in Kontrastierung zu anderen europäischen Ländern diskutiert 60 Zur Expert*innenkommission des siebten Familienberichts gehörten: Der Vorsitzende Hans Bertram, Professor für Mikrosoziologie, Helga Krüger, stellvertretende Vorsitzende und Professorin für Familiensoziologie sowie Jutta Allmendinger, Direktorin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), und Wassilios E. Fthenakis, Direktor des Staatsinstituts für Frühpädagogik und Professor für Entwicklungspsychologie und Anthropologie. Des Weiteren Uta Meier-Gräwe, Professorin für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft, die Familien- und Bildungsökonomin C. Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie Marc Szydlik, Professor für Soziologie. Karin Jurczyk, Leiterin der Abteilung »Familie und Familienpolitik« des Deutschen Jugendinstituts (DJI) wird als ständiger Gast der Kommission geführt. Die Geschäftsführung bestand aus Hiltrud Bayer, Annemarie Gerzer-Sass, Jürgen Sass sowie Christine Fassbauer.

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(siehe auch Barth 2006; Bertram 2006a; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung [DIW] 2006; Schwitzky 2007).61 Diese Verschiebung scheint auch deshalb beachtenswert, da ein Fehlen demographischer Aspekte noch im dritten Familienbericht explizit beklagt wurde, während ökonomische Begründungen im Sinne von Humanvermögen-/Humankapital spätestens seit dem fünften Familienbericht Verwendung finden, wie auch innerhalb des vorangegangenen Abschnittes sichtbar wurde. Es wird deutlich, wie die bereits dargestellten Forderungen nach der Integration bevölkerungspolitischer Aspekte ebenso wie eine grundlegende Berücksichtigung ökonomischer Überlegungen eine prägende Verschiebung markieren und so familienpolitisch integriert werden. Diesbezüglich versprechen familienpolitische Maßnahmen für die damalige große Koalition auch einen ökonomischen Nutzen: »Familienfreundliche Arbeitsbedingungen haben nicht nur positive Effekte für die Unternehmen und Mitarbeiter, sondern auch auf makroökonomischer Ebene.« (BMFSFJ 2006: xxiv).62 Dabei lässt sich die Aussage im Sinne einer ›Win‐win-Situation‹ für alle Beteiligten lesen, sie wirft jedoch auch die Frage auf, wie es um jene Arbeitsplätze stünde, wenn diese sich bspw. auf makroökonomischer Ebene nicht positiv auswirken würden oder gar einen negativen Effekt hätten. Die Regierung verweist auch auf ein Gutachten ›Bert‹ Rürups63 der auf die Notwendigkeit der Mobilisierung der ›Stillen Reserve‹ – gemeint sind hier insbesondere Frauen mit kleinen Kindern – verweist. Diese stille(nde) Reserve solle dazu entweder ihren (in diesem Kontext vorausgesetzten) Erwerbswunsch umsetzen oder die vorhandene Teilzeittätigkeit erweitern (ebd.: xxv). Eine hinreichendere Koordination würde sich, so Rürup, zudem wahrscheinlich in einem Anstieg der Geburtenrate niederschlagen. Beide Entwicklungen sollten auch zu einem »nennenswert höheren wirtschaftlichen Wachstum« führen (ebd.). In diesem Sinne konstatiert die Bundesregierung: »Leitlinie einer nachhaltigen Politik für Familien ist: mehr Kinder in den Familien und mehr Familie in der Gesellschaft.« (Ebd.) Als bevölkerungspolitisches Ziel gibt die Bundesregierung 61 Siehe diesbezüglich auch diverse Stellungnahmen des Besprechungsforums zum siebten Familienbericht der Zeitschrift für Soziologie (ZfS), welches thematisch sowohl Fragen »nachhaltiger Familienpolitik« (Huinink 2007; Kaufmann 2007; Ostner 2007), nach »Lebenslauf- und Generationenpolitik« (Kohli 2007) als auch nach »Geschlechterverhältnissen« (Burkart 2007) diskutiert. 62 Obwohl die Ausführungen der Bundesregierung stark auf eine ökonomische Perspektive abheben, finden sich zumindest in Teilen einiger Ausführungen der Berichtskommission auch kritische Hinweise – insbesondere zur Zukunftsfähigkeit der Verknüpfung von Einkommen und Erwerbsarbeit (BMFSFJ 2006: 244) oder in Bezug auf eine einseitige Flexibilisierung zu Lasten von fürsorgeverantwortlichen Arbeitnehmer*innen (ebd.: 237). 63 Hans-Adalbert ›Bert‹ Rürup ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler und war von 2000 bis 2009 Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die auch als ›Wirtschaftsweisen‹ bekannt sind.

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vor, dass »[i]m Rahmen der Neuausrichtung zu einer nachhaltigen Familienpolitik […] Deutschland bis zum Jahr 2010 zu den familienfreundlichsten Ländern Europas aufschließen [soll]« (ebd.: xxv). Die Ausführungen zeigen, dass der Wettbewerbscharakter auf europäischer Ebene sowohl bevölkerungspolitisch als auch volkswirtschaftlich zu lesen ist. Die Verbindung der diversen Aspekte illustriert, wie die ökonomischen Erfordernisse mit Bevölkerungs- und Arbeitsmarktpolitik verflochten sind und auch geschlechterpolitische Relevanz besitzen. Als weiteres zentrales Ziel gilt, »Elternschaft und Erwerbsarbeit« (ebd.) in Einklang zu bringen. Zwar spielte das Thema ›Vereinbarkeit von Familie und Beruf‹ auch früher bereits eine Rolle, dennoch erscheint diese Formulierung insofern von Bedeutung, als dass das Thema Elternschaft (häufig allerdings vorläufig) in einer geschlechtsindifferenten Weise adressiert wird und nicht, wie dies in älteren Familienberichten bereits zu sehen war, in spezifisch vergeschlechtlichter Weise, in der u.a. die Erwerbstätigkeit von Müttern noch als problematisch oder als nur schwer mit ihren »gesellschaftlichen Aufgaben« vereinbar gesehen wurde.64 Allerdings bedeutet dies keineswegs, dass damit nicht weiterhin ein dualistisches Konzept von Geschlecht hergestellt wird. Dennoch zeichnet sich hierbei eine semantische Verschiebung ab, die bspw. das Vereinbarkeitsproblem nicht mehr ausschließlich als »Rollenproblem der Frau« fasst, wie dies noch in früheren Familienberichten der Fall war. Dadurch inkludiert dieser politische Bezug – zumindest potenziell – auch Väter bzw. Co-Elternteile. Dennoch kann bspw. die Soziologin Almut Peukert, mit Bezug auf den Kontext der Elternzeit, in den politischen Darstellungen changierende Bezüge auf die, von Peukert unterschiedenen, Leitbilder »aktiver Vaterschaft« und »geteilter Elternschaft« herausarbeiten (2015: 31ff.). Sie kommt zu dem Schluss, dass »[w]ährend zuerst i.d.R. allgemein auf Familie und erwerbstätige Paare Bezug genommen wird, […] anschließend der explizite, geschlechterdifferenzierende Hinweis auf die sozialpolitische Unterstützung von Vätern in ihrer Betreuungsverantwortung und von Müttern in ihrer Erwerbstätigkeit [folgt].« (Ebd.: 32) In diesem Sinne sollte die ausgemachte semantische Verschiebung keineswegs überbewertet werden, obwohl mit ihr dennoch die Potenzialität eines auch weitreichenderen anderen Bezugs auf Elternschaft mitgeführt wird. 64 Innerhalb des siebten Familienberichts verweist die Kommission (BMFSFJ 2006: 253) – im Gegenteil zu früheren Kommissionen – auf die Notwendigkeit, durch familienpolitische Maßnahmen insbesondere auch die gut qualifizierten, beruflich sehr engagierten jungen Frauen in den Blick zu nehmen, die häufig auf die Gründung einer Familie verzichten würden. In diesem Sinne zeigt sich, wie sich besagte »gesellschaftliche Aufgaben« (siehe die Ausführungen zum dritten Familienbericht in diesem Abschnitt) von Müttern zumindest erweitert, wenn auch nicht grundlegend verändert haben.

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Der Volkswissenschaftler Hans Barth verweist darauf, dass Maßnahmen, die zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen abzielen, insbesondere auch auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerichtet sein müssen, wenn die Berufstätigkeit von Müttern nicht zu Lasten der Entscheidung für Kinder gehen und damit die demographischen Probleme verschärfen soll (Barth 2006: 390). Auch hier wird eine feine Verschiebung in Bezug auf maternale Erwerbstätigkeit deutlich, die nicht auf negative Folgen der Erwerbstätigkeit von Müttern auf die kindliche Entwicklung abhebt, sondern darauf, dass deren Berufstätigkeit sonst zu Lasten der Entscheidung für Kinder gehen könne. Insofern steht Barths Bezug auf die Mitte der 2000er Jahre ablaufenden familienpolitischen Maßnahmen eher im Kontext demographischer Veränderungen und Probleme. Dass hierbei jedoch auch dezidierte Wettbewerbsinteressen eine Rolle spielen, wird an folgendem Zitat deutlich: »Familienpolitik als Standortfaktor im internationalen Wettbewerb muss sich mit anderen Worten daran messen lassen, wie leicht oder auch wie schwer sie es Paaren und dabei insbesondere Frauen macht, Erwerbstätigkeit und Realisierung von Kinderwünschen miteinander in Einklang zu bringen.« (Barth 2006: 390) Zwar bleibt auch in Barths Ausführungen ein zentrales Augenmerk bei Frauen und Müttern, dennoch verschiebt sich einerseits die Thematisierung (und Problematisierung – wie bereits erwähnt) und andererseits werden diese nicht mehr exklusiv in den Blick genommen wie noch im Rahmen früherer Bezüge. Die Erwerbsarbeit von Frauen und Müttern steht dabei weit weniger (wenn überhaupt) grundsätzlich zur Debatte und der Blick wird diesbezüglich tendenziell stärker auf das Elternpaar gerichtet. Ein weiterer Fokus wird in der Stellungnahme der damaligen Bundesregierung unter Angela Merkel auf den Ausbau der Klein(st)kindbetreuung für unter Dreijährige gelegt (BMFSFJ 2006: xxvi). Dies gibt eine Stoßrichtung vor, welche die professionalisierte, familienexterne Betreuung zu fördern sucht und sich auch in dieser Hinsicht von einer »persönlichen« elterlichen, mehr oder weniger ausgeprägten ›Privatsache‹ zu einer (auch) öffentlich‐staatlichen und professionalisierten (Unterstützungs-)Leistung der Eltern verschiebt. Dieser Punkt wird dadurch weiter vertieft, dass im Rahmen der »Allianz Familie« auch mit Blick auf Unternehmen ein freiwilliges Engagement zum Thema gemacht wird, das den Ausbau von betrieblichen und/oder betrieblich unterstützten Kinderbetreuungsmaßnahmen fordert (ebd.: xxvii). Die Bundesregierung betont hierbei, dass sich, aus »Unternehmensperspektive«, »betriebswirtschaftliche« Vorteile ergeben. Auch hier ist der Verweis auf wirtschaftliche Vorteile, positive Effekte bzw. Gewinne ein zentrales Argument in der Begründung dieser Maßnahmen. Dass die Vereinbarmachung von Elternschaft nicht nur insbesondere auf die Integration von Müttern in das Erwerbssystem abzielt, sondern auch darauf, deren Humankapital nicht zu entwerten, verdeutlicht die Bundesregierung wie folgt:

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»Nur wenn Elternschaft und Erwerbstätigkeit sich besser vereinbaren lassen, wird es möglich, mehr Frauen, insbesondere Mütter in den Arbeitsmarkt zu integrieren und die vorhandenen Bildungs- und Erfahrungsressourcen angemessen zu nutzen.« (Ebd.: xxvii).65 Entsprechend wird ersichtlich, dass es weniger darum geht, die Erwerbsarbeit von Eltern mit der Familie kompatibel zu machen als vielmehr darum, einen Rahmen zu gestalten, in dem Familie sowie Sorgetätigkeiten so zugerichtet werden, dass sie mit einer umfassenden Erwerbstätigkeit der Eltern in Einklang stehen. Die Verschränkung der Facetten (Fürsorgeverantwortung, Fremdbetreuung, Erwerbsarbeit) wird zusätzlich noch um eine schichtspezifische Komponente66 erweitert, indem die Regierung in ihrer Stellungnahme erklärt: »Die Erkenntnisse des Siebten Familienberichts stützen auch die Bedeutung der Ganztagsschulen sowohl für eine optimale Förderung aller Kinder und Jugendlichen, insbesondere auch derjenigen aus sozial benachteiligten Schichten, als auch für die bessere Vereinbarung von Familien- und Berufsleben. Ganztagsschulen sollen Schülerinnen und Schülern die Chance geben, durch eine frühe und stärkere individuelle Förderung besser zu lernen, und zugleich helfen, den negativen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland zu überwinden. Durch ganztägige Angebote wird es zudem Eltern leichter gemacht, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.« (Ebd.: xxvii) Ohne diese Perspektivierung darauf beschränken zu wollen, bleibt festzuhalten, dass sie u.a. auch darauf abzielt, Eltern stärker in die Sphäre der Erwerbsarbeit zu integrieren und sie dort vor allem auch zu halten. Dabei verweist die Bundesregierung insbesondere auf die ökonomische Rationalität »guter pädagogischer Angebote«: »Der Familienbericht sieht eine staatliche Förderung guter pädagogischer Betreuung ausdrücklich als ›ökonomisch rational‹ und ›sehr rentabel‹ an, da der spätere Nutzen die Kosten um ein Vielfaches übersteigt.« (Ebd.) 65 Auch die Sachverständigenkommission stellt in ihrem Bezug auf Familie als Herstellungsleistung die wirtschaftliche Dimension heraus: »Die Betonung von Familie als einer gemeinsamen Herstellungsleistung aller Mitglieder der Familie unterstreicht, dass wir die Familie als eine Produktionsgemeinschaft sehen, deren Herstellungsleistungen nicht nur für den privaten Konsum, sondern auch für die gesellschaftliche Entwicklung, einschließlich der wirtschaftlichen Prozesse der Gesamtgesellschaft, von großer Bedeutung sind.« (Ebd.: 247) 66 Hans Bertram verweist in seinen zusammenfassenden Ausführungen zwar auf die Humankapitalperspektive, welche mit dem fünften Familienbericht eingeführt wurde, macht in seinem Text jedoch auch Fragen nach Gerechtigkeit stark, zum einen zwischen fürsorge- und nicht‐fürsorgeverantwortlichen Eltern, zum anderen mit Blick auf zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten und Lebenschancen von Kindern (2006b: 17).

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Dies wirft erneut die Frage auf, ob auch für entsprechende Verschiebungen der Familienpolitik plädiert würde, wenn diese keine ökonomisch rationale Rentabilität versprechen würden. Karin Jurczyk (2007) weist darauf hin, dass das Aufgreifen familienpolitischer Themen, die »seit 30 Jahren auf der Agenda einer emanzipatorischen Familienpolitikforschung stehen« (ebd.: 531; vgl. auch Krüger 2006) zwar »derzeit« – gemeint ist der Zeitraum des siebten Familienberichts – Eingang in den politischen Mainstream fänden, damit jedoch keine »feministische Familienpolitik« betrieben werde. Jurczyk zufolge wirkt insbesondere der Geburtenrückgang alarmierend, was zu einer »Umdefinition der ›guten‹« Mutter oder dem Versuch des stärkeren Einbezugs von Vätern in Haus- und Sorgetätigkeiten bspw. im Rahmen der Einführung der Partnermonate durch die Novellierung des BEEGs führe (Jurczyk 2007: 531). Auch verweist sie auf die politische Erkenntnis eines sich abzeichnenden Fachkräftemangels und die begrenzten Möglichkeiten diesem entgegenzuwirken, ohne dabei deutliche Veränderungen innerhalb der Einwanderungspolitik in Bezug auf ausländische Arbeitskräfte vorzunehmen (ebd.; vgl. bzgl. des Fachkräftemangels auch DIW 2006: 63; BMFSFJ 2008b: 21). Insofern lässt sich bisher festhalten, dass für die zugrunde liegende gouvernemental‐biopolitische Vernunft nicht in erster Linie geschlechterpolitische Forderungen nach Egalität im Vordergrund stehen, sondern diese insbesondere dann fokussiert werden, wenn sie als ökonomisch und bevölkerungspolitisch lukrativ bzw. als ›notwendig‹ erachtet werden. Aus dieser Sicht erscheint der von Jurczyk genannte Versuch des siebten Familienberichts, »die Gleichstellung der Geschlechter systematisch zu integrieren« (Jurczyk 2007: 532), mitsamt der Benennung zentraler Bausteine (ebd.) vor allem von und durch eine ökonomische Perspektive getragen, da, wie bereits gesehen, sich die Integration dieser geschlechterpolitischen Themen vor allem aufgrund ebenjener ›Notwendigkeiten‹ vollzieht und offenbleibt, ob sich diese Verschiebungen auch ergeben hätten, wenn entsprechende ›Notstände‹ nicht oder deutlich geringer ausgeprägt wären. Auch ist Jurczyk zuzustimmen, wenn sie argumentiert, dass mit der bisherigen Gegenüberstellung von Familien- und Gleichstellungspolitik gebrochen und sie in eine partielle Integration überführt wird (ebd., vgl. auch 535ff.). Diese gouvernementalen Verschiebungen verändern jedoch auch die Subjektivationsweisen: Durch das steigende politische Interesse, zunehmend mehr Frauen und Mütter als Ressource des Arbeitsmarkts auszuschöpfen, gleichzeitig jedoch die demographische Entwicklung zu fördern, erscheint es zunehmend nicht nur ›notwendig‹, sondern auch rational, einen anderen Subjektentwurf zu Mutterschaft zu entwerfen und als Leitbild zu verfolgen. Einerseits steht zu diesem Zeitpunkt die Erwerbstätigkeit junger Frauen kaum noch zur Debatte und auch Mütter arbeiten häufig mindestens in Teilzeit nach einer gewissen beruflichen Auszeit weiter, andererseits erscheint eine weitere Nicht-Erschließung, Förderung und Nutzung der Humanressource Frau bzw. Mutter sowohl ökonomisch als auch bevölkerungspolitisch unverantwortlich. Es wird sich im Kontext der No-

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vellierung des BEEGs noch zeigen, dass sich auch die familienpolitischen Subjektivationsweisen in Bezug auf Vaterschaft sichtbar verschieben werden. Deutlich wird in den bisherigen Ausführungen des siebten Familienberichts auch, dass die vorgestellten Überlegungen sich nicht nur auf den binnendeutschen Kontext beziehen, sondern auf einen wettbewerbsförmigen Vergleich zu anderen europäischen Ländern, der in dieser Hinsicht auch die Prosperität des gesamtdeutschen Humanvermögens im Wettbewerb zu verschiedenen anderen Bevölkerungskörpern sieht. Auch das Thema »Volksgesundheit«, das bereits innerhalb des fünften Familienberichts von Seiten der damaligen Kommission angesprochen wurde (BMFSFJ 1994: 27), wird innerhalb des siebten Familienberichts wieder aufgegriffen. Hierbei hat die damalige Regierung insbesondere auch Kinder im Blick: »Das Gesundheitsbewusstsein der Kinder soll mit Settingangeboten so früh wie möglich entwickelt werden, um die Chance für ein Leben in guter Gesundheit zu verbessern (BMFSFJ 2006: xxvi) Indem über entsprechende Angebote bereits Kinder so früh wie möglich ein entsprechendes Gesundheitsbewusstsein entwickeln sollen, wird die Gesundheit des Bevölkerungskörpers auf eine Weise relevant gemacht, die einen möglichst frühen eigenverantwortlichen Bezug bereits von Kindern einfordert. Insbesondere das Bewusstsein von ›gesundem Verhalten‹ führt ein Wissen über ›ungesundes Verhalten‹ mit sich und überantwortet damit bereits Kindern (mindestens teilweise) (Eigen-)Verantwortung für ihre Lebensführung, wenngleich dies nicht explizit ausgesprochen wird. In Relation zu den vorangegangenen Ausführungen wird auch hier deutlich, in welch vielfältiger Weise die bevölkerungspolitischen und ökonomischen Facetten mit spezifischen Subjektivationsweisen verschränkt sind. Dass auch für die Expert*innenkommission des siebten Familienberichts die Notwendigkeit der Anreizung der einzelnen Subjekte zur Investition in deren Humankapital von zentraler Bedeutung ist, wird in folgendem Befund deutlich: »In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist es gelungen, Jungen wie Mädchen dazu zu bringen, viel mehr als noch die Elterngeneration in die eigene Ausbildung und das eigene Humankapital zu investieren und sich einem langen Bildungsprozess zu unterziehen. Ebenso ist es gelungen, dass junge Frauen sich heute in vielen gesellschaftlichen Bereichen genauso wettbewerbsorientiert und leistungsbezogen in der Berufswelt durchsetzen wie ihre männliche Konkurrenten.« (Ebd.: 256) Auffällig ist dabei einerseits die Betonung des Gelingens (»ist es gelungen«), denn diese verweist ausdrücklich auf entsprechende Versuche, die Personen durch das Regierungshandeln dazu zu bringen, entsprechende Investitionen vorzunehmen. Hätten sich diese Effekte lediglich ›zufällig‹ eingestellt, könnte diesbezüglich nicht von einem Gelingen gesprochen werden. Andererseits gehört(e) gleichzeitig zu besagter Zielsetzung, auch mehr Frauen in eine leistungsbezogene Wettbewerbsordnung zu integrieren, wodurch erneut ein sichtlich anderer Bezug auf weibliche

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Erwerbstätigkeit erkennbar wird. Frauen gelten ihren männlichen »Konkurrenten« dabei als gleichwertig. Für die Kommission gelten Eltern dabei als »Investoren« sowohl in die Zukunft ihrer Kinder, in ihre eigenen Eltern sowie in die Zukunft der Nachbarschaft und Gemeinde (ebd.: 262, 277), wodurch nachvollziehbar wird, dass hierbei nicht lediglich in das eigene Humankapital investiert, sondern – weiter gefasst – Investitionen in das Humanvermögen der Nachbarschaft und damit prinzipiell auch gesellschaftlich vorgenommen werden. Allerdings agieren in der Perspektive der Bundesregierung nicht nur die einzelnen Subjekte als in ihr Humankapital (bzw. weiter gefasst: in das Humanvermögen) investierende ›Akteure‹; der vermeintlich ›private‹ Raum der Familie wird hier selbst zum Markt: »Private Haushalte sind in Deutschland ein noch viel zu wenig berücksichtigter Bereich für neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Eine moderne Dienstleistungsgesellschaft muss sich gerade auch in diesem Bereich entwickeln und ihre Potenziale entfalten können.« (Ebd.: xxix) Die Ausführungen der Bundesregierung verdeutlichen, dass in der ihr vorschwebenden Dienstleistungsgesellschaft potenziell jede*r zu einem (wirtschaftlichen) Anbieter von Dienstleistungen werden kann und soll, womit die artifizielle Grenzziehung zwischen privat/öffentlich bzw. auch ökonomisch/privat unterminiert wird (vgl. auch z.B. Hausen 1992; Sauer 2001) und zudem eine Marktlogik in den familialen Nahbereich eingeführt wird. »Familienunterstützenden Dienstleistungen« (Ebd.) gelten der Bundesregierung als Voraussetzung für eine bessere Balance zwischen Erwerbsarbeit und Familie, die Familien gleichzeitig auch mehr Zeit für sich geben soll.67 Darüber hinaus stehen diese haushaltsnahen Dienstleistungen für die Erschließung zusätzlicher Potenziale von Wachstum und Beschäftigung. Zwar erklärt die Regierung, dass diese Dienstleistungen nicht auf ökonomische Aspekte zu reduzieren seien, dennoch wird deutlich, dass sie, neben einer hinreichenderen Vereinbarkeitsbalance für Familien, vor allem auch die Erschließung wirtschaftlicher Wachstums- und Beschäftigungspotenziale sieht, da Familien als Arbeitgebende von Minijobs in Form der haushaltsnahen Dienstleistungen gefördert werden sollen (ebd.). Mit Blick auf die Familie argumentiert die Kommission des Berichts, dass ein Ausbau solcher Dienstleistungen in den nächsten Jahren 67 Als »familienunterstützende« bzw. »haushaltsnahe« Dienstleistungen definiert die Kommission des achten Familienberichts: »Unter familienunterstützenden bzw. haushaltsnahen Dienstleistungen sind dabei solche zu verstehen, die einen engen Bezug zum Haushalt haben und auch im Haushalt ausgeübt werden. Dazu zählen beispielsweise Pflege- und Betreuungsleistungen, die Reinigung der Wohnung, aber auch Kosten für Handwerker, z.B. für Reparaturen oder Gartenpflege.« (BMFSFJ 2012: 82; vgl. allgemeiner zum Überblick über den Themenkomplex haushaltsnaher Dienstleistungen Sojka 2012)

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»dringend« anstehe.68 Dabei bleibt auch in der Argumentation der Kommission eine erwerbswirtschaftliche Perspektive erhalten: »Der Ausbau dieser haushalts- und personenbezogenen Dienstleistungen steht in den nächsten Jahren in Deutschland dringend an, weil dadurch die Balance zwischen Haushaltsführung, Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit insbesondere von qualifizierten Müttern (und Vätern) erleichtert und Zeitstress vermieden wird. Indem sie bereit sind, einen Teil ihres Erwerbseinkommens in diese Dienste zu investieren, entlasten sie sich und zugleich entstehen in den Kommunen neue Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich […]. Auf diese Weise können zudem sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsperspektiven auch für Frauen der mittleren und unteren Bildungsgruppen erschlossen werden.« (Ebd.: 221 – Kursivierung B.N.) Dass insbesondere »qualifizierte« Eltern hierbei einen Teil ihres Einkommens re-/investieren (müssen), um mit den Belastungen der Erwerbslebens im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zurecht zu kommen, wird dabei von Seiten der Kommission als geeignetes Mittel zur Erzeugung einer ›Balance‹ bzw. hinreichenderen Vereinbarkeit und zur Reduktion von Zeitstress gesehen. Die Verantwortungsverschiebung auf die Eltern wird dabei nicht kritisch reflektiert, sondern – im Gegenteil – als Gewinn dargestellt, da die Eltern in diesem Subjektentwurf sich einerseits durch die Re-/Investition ihres Einkommens vom Druck des Vereinbarkeitsproblems (zumindest teilweise) freikaufen können und gleichzeitig der familiale Bereich als Raum sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse – insbesondere »auch für Frauen der mittleren und unteren Bildungsgruppen« (ebd. – Kursivierung B.N.) – erschlossen werden soll. Dadurch wird die geschlechtliche Konnotation sowohl von Dienstleistungen allgemein als auch von Sorgetätigkeiten als dezidiert feminisierte Angelegenheit re-/produziert. Die Belastungssituation, von der bspw. viele Akademiker*innen bzw. -eltern betroffen sind, wird gleichzeitig dadurch produktiv‐funktional nutzbar gemacht, als sie vor allem durch ›weniger gebildete‹ Frauen substituiert werden soll und dadurch deren prekäre Positionierung geschlechtlich‐konnotiert verwertbar integriert werden soll. Väter tauchen hier vor allem innerhalb des Kontextes derjenigen Subjekte auf, die sich von besagten Tätigkeiten entlasten (können bzw. wollen). Entsprechend zielen die Maßnahmen insbesondere auf die Unterstützung von »qualifizierten« Müttern und Vätern aus akademisch geprägten 68 Eine mangelhaft ausgebaute Infrastruktur bezüglich haushaltsnaher bzw. familienbezogener Dienstleistungen beschreibt auch Hans Barth (2006: 398f.) in seinen Ausführungen. Neben einem Mangel öffentlicher Betreuungseinrichtungen wird hier insbesondere das Fehlen eines privaten Marktes für Kinderbetreuung thematisiert, der sich – bspw. im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern – in Deutschland nie entwickelt habe (ebd.: 399).

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Milieus ab und nicht auf Eltern im Allgemeinen. Der Fokus dieser Unterstützung könnte sich dabei aus dem Umstand ergeben, dass, laut der Kommission, die Bundesrepublik als ›Wissensgesellschaft‹ zukünftig einen größeren Bedarf nach mehr gut ausgebildeten Akademiker*innen entwickeln wird als dies derzeit der Fall ist (ebd.: 284). Sehr klar scheint jedenfalls, dass in diesen Subjektentwürfen Sorgetätigkeiten asymmetrisch Frauen und Müttern zugeschrieben bleiben, was deren Vergeschlechtlichung entsprechend fortschreibt. Obwohl damit zeitlich vorgegriffen wird,69 argumentiert die Bundesregierung innerhalb des achten Familienberichts (BMFSFJ 2012) zwar ähnlich, begründet ihre Befürwortung haushaltsnaher Dienstleistungen jedoch mit einer entlastenden Wirkung für viele Mütter, die ihrer Meinung nach zu mehr ›Geschlechtergerechtigkeit‹ führen solle. Eine Argumentation, die innerhalb des siebten Familienberichts vor allem von Seiten der Berichtskommission geführt wurde. Im achten Familienbericht argumentiert nun auch die Bundesregierung: »International vergleichende Analysen belegen […], dass die Inanspruchnahme solcher Dienstleistungen vor allem zur Entlastung der Mütter beiträgt, die die Hauptlast nicht nur bei Fürsorgeaufgaben, sondern auch bei der Hausarbeit tragen, und zu einer geschlechtergerechteren Arbeitsteilung in der Familie beitragen kann.« (Ebd.: xv) Allerdings wird hierbei lediglich eine augenscheinliche Geschlechtergerechtigkeit erzeugt, die zwar den Eindruck von ›Egalität‹ zwischen den Partner*innen erzeugt, da sie diejenigen Mütter entlastet, die sich innerhalb ihres familial‐partnerschaftlichen Kontextes entsprechende Dienstleistungen leisten können und auch die zugehörigen Partner*innen (Mütter wie Väter) von Haushalts- und Sorgetätigkeiten befreit. Dadurch ändert sich jedoch keineswegs eine grundlegende Verantwortlichkeit oder Zuschreibung von Sorgearbeit mitsamt der feminisierten Subjektivitäten, sondern verschiebt lediglich die Zuständigkeit für besagte Tätigkeiten in einer Weise, die die vermeintlich egalisierenden ›geschlechtergerechten‹ Wirkungen über die Zuteilung an (zumindest sehr häufig) andere Frauen und Mütter erkauft. In diesem Sinne ergibt sich aus dieser Form von Egalisierung keine geschlechterpolitische Neuerung, da Männer und Väter auf diese Weise kaum intensiver in familiale Aufgaben eingebunden werden, sondern – im Gegenteil – sich durch ein umfassendes Erwerbsengagement noch stärker von solchen Aufgaben monetär befreien können. Durch die zunehmende Integration gut gebildeter Frauen und Mütter in die Erwerbssphäre ergeben sich darüber hinaus zusätzliche Substitutionsmöglich69 Der Vorgriff auf den achten Familienbegriff ergibt sich deshalb, da das Thema der haushaltsnahen Dienstleistungen auch dort vertiefend diskutiert wird und so inhaltliche Dopplungen vermieden werden.

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keiten als auch -notwendigkeiten. Dies erkennt auch die Kommission des achten Familienberichts, wenn sie festhält: »Neben Anstrengungen für eine bessere Passung der Zeitstrukturen wird es zukünftig auch darum gehen, Zeit für Verantwortung für Familie durch die Entwicklung und Förderung gezielter Substitutionsmöglichkeiten zu schaffen. Substitutionen von Familienarbeit und von haushaltsnahen Tätigkeiten können durch öffentliche Einrichtungen, marktwirtschaftliche Angebote, zivilgesellschaftliche Formen der Unterstützung, etwa im Rahmen von Nachbarschaftshilfe, sowie durch Familienmitglieder erbracht werden. Die Schaffung von Anreizstrukturen zur Entwicklung solcher Angebote erscheint dabei durchaus überlegenswert« (BMFSFJ 2012: 15 – Kursivierung B.N.) Dies verdeutlicht, dass insbesondere die auf den familialen Kontext bezogenen Tätigkeiten zu substituieren sind und dass auf diese Weise insbesondere der Komplex Familie und familiale Tätigkeiten auch hinsichtlich zeitlicher Erfordernisse re-/arrangiert werden sollen, um eine hinreichendere Erwerbsförmigkeit aller Eltern zu gewährleisten. Deutlich wird also, dass diese Form der Egalisierung insbesondere als ein ökonomisches Beiprodukt gelesen werden kann, welches vor allem dazu dient, das Funktionieren der Erwerbssubjekte nicht nur zu gewährleisten, sondern noch reibungsloser stattfinden zu lassen. Deshalb gerät eine wesentliche Verschiebung in den Blick, die auch von hoher geschlechterpolitischer Bedeutung ist: Einerseits sollen zunehmend beide Eltern (insbesondere auch die Mütter umfänglich) einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder diese ausweiten, was zunächst als ein Abbau der geschlechtsspezifischen Asymmetrie zwischen sorgeverantwortlichen Eltern im Verhältnis zu deren Erwerbstätigkeit gelesen werden kann (s.o., vgl. hierzu auch kritisch Scheele 2009: 176). Andererseits bleibt die geschlechtsspezifische Asymmetrie dadurch erhalten, dass ebenjene haushaltsnahen Dienstleistungen im Zusammenhang mit Haushalts- und Sorgetätigkeiten vor allem (wenn auch nicht ausschließlich) von Frauen erbracht werden. Das Thema der haushaltsnahen Dienstleistungen erscheint vor allem auch deshalb spannend, da diese als entlohnte familiale Dienstleistung eine Verschränkung Erwerbs- und familialer Sphäre vollzieht bzw. eine entsprechende Verbindung im Kontext des verstärkten Einbezugs aller Eltern noch intensiviert.70 Gleichzeitig wird damit auf staats- bzw. familienpolitischer Ebene eine ökonomische Dimension in den familialen Kontext noch ausgeprägter eingeführt, der Eltern nicht nur zu Inanspruchnehmenden, sondern auch zu Arbeitgebenden macht. Es stellt sich dabei die Frage, ob und falls ja, inwieweit entsprechende Dienstleistungen einen 70 Wobei noch deutlich wird, dass nicht jede Inanspruchnahme haushaltsnaher- bzw. familienunterstützender Dienstleistungen in entlohnter Form ablaufen muss. So wurden bspw. einige der befragten Elternpaare auch durch die Großeltern unentgeltlich unterstützt.

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Abbau geschlechterasymmetrischer Verhältnisse bewirken können oder ob diese nur unmittelbar verschoben und aus dem familial‐elterlichen Kontext ausgelagert werden. Dieser Frage soll nachfolgend weiter nachgegangen werden.

Die Bedeutung haushaltsnaher Dienstleistungen im Kontext der Elternzeit Studien zum Thema haushaltsnaher Dienstleistungen – insbesondere auch mit Blick auf transnationale Dienstleistungsmigration – bestätigen diese Einschätzung (vgl. z.B. Rerrich 2006; Englert 2007; Lutz 2008; Aulenbacher/Riegraf 2009; Lutz/Palenga-Möllenbeck 2010; Metz-Göckel 2010; Rerrich 2010a; 2010b; Strüver 2011; Riegraf 2013). Ohne diesen, für sich bereits hochkomplexen Themenbereich übermäßig vertiefen zu können, erweist sich die Verschränkung von Geschlecht, Erwerbsarbeit und Sorge nicht nur innerhalb der Relationen von fürsorgeverantwortlichen Eltern und nicht‐fürsorgeverantwortlichen (vgl. auch Jurczyk 2015: 270) als zentral, sondern erscheint innerhalb verschiedener Formen von Geschlecht, Nationalität und sozio-ökonomischer Positionierung differenziert.71 So konstatiert Anke Strüver: »Wirtschaftliche Beziehungen und Prozesse erweisen sich damit als geschlechtlich codierte Bereiche, die im Zuge der Globalisierung Geschlechternormen und Subjektivitäten neu definiert haben. Dazu gehören insbesondere die veränderten symbolischen wie ökonomischen Wertigkeiten weiblicher und männlicher Erwerbstätigkeiten, die sich als erfolgreiche neoliberale Gleichstellung im Hinblick auf die Bildungs- und Arbeitsmarktchancen von Frauen und Männern interpretieren lassen.« (Strüver 2011: 198) Dass entsprechende Verschiebungen vor allem zu einer vordergründigen Egalisierung der Geschlechterverhältnisse führen, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass häufig jene Migrantinnen, die in Deutschland haushaltsnahe Dienstleistungen erbringen, selbst z.B. wiederum auf entsprechende Unterstützungsleistungen angewiesen sind, da, wie Barbara Ehrenreich und Arlie Hochschild (2004) erklären, diese selbst häufig zu versorgende Kinder, Eltern oder pflegebedürftige Angehörige zurücklassen, um die sich wiederum Migrantinnen aus noch ärmeren Ländern kümmern. Dadurch entstehen sogenannte »Nanny Chains« bzw. »Global Care Chains« (Strüver 2011; Ehrenreich/Hochschild 2004).72 71 Jurczyik (2015: 273) weist auf den Umstand hin, dass sich in der Verbindung der Delegation diverser Care-Tätigkeiten neue soziale Ungleichheiten vor allem zwischen Frauen ergeben. Auch werde deutlich, »dass sich Familien in Armutslagen und die vielen Haushalte der unteren Mittelschicht keine Entlastung kaufen können« (ebd.). 72 Wobei festzuhalten ist, dass, dies zeigt bspw. der Text von Strüver (2011) sehr eindrücklich, die zu erbringenden und erbrachten haushaltsnahen Dienstleistungen nicht ausschließlich als eine Art von Ausbeutungsverhältnis zu lesen sind, sondern durchaus auch als Ressource fungie-

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Diese Entwicklungen stehen in Verbindung mit wohlfahrtsstaatlichen Verschiebungen hin zu einem Adult-Worker-Modell, nach dem jede*r Erwachsene einer Erwerbsarbeit nachgeht (Englert 2007: 83; auch Beckmann 2014: 119; Lewis 2001), wodurch in konsequenter Weise durch den wohlfahrts- bzw. sozialstaatlichen Umbau auch vielfältige Leistungen im Sinne eines Workfare-States73 (im Kontrast zum früheren Welfare-State – siehe z.B. Mohr 2009; Gottschall/Dingeldey 2016) an eine Erwerbstätigkeit geknüpft werden.74 Entsprechende Perspektiven sind dabei sowohl eng mit dem Erhalt und der Steigerung von individuellem Humankapital verbunden und zielen dabei insbesondere auch auf die Aktivierung der jeweiligen Subjekte (vgl. Englert 2007: 83) ab. Ausgehend von einer Perspektive, die einerseits die gouvernemental‐staatspolitischen Regulierungen in den Blick nimmt und sich andererseits für konkrete Materialisierungen interessiert, dient der Kontext der Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen oder des Sich‐unterstützen-Lassens durch nicht‐monetäre Leistungen als ein Beispiel, in welchem sich ebenjene staatspolitischen Ziele und alltagspraktische Nutzungen einzelner Subjekte kreuzen, ohne dabei in direkter kausaler Weise voneinander ableitbar zu sein. Im Kontext der elterlichen Entscheidungen, die im Rahmen der Studie Väter in Elternzeit deutlich wurden, zeigen sich jene konstitutiven Verstrickungen alltagspraktisch sehr eindrücklich, da die Elternzeit seit der Novellierung im Jahr 2007 deutlich an die Erwerbsarbeit geknüpft ist bzw. sichtbare Erwerbsanreize in das Gesetz eingeflossen sind (vgl. auch Schutter/Zerle-Elsäßer 2012: 216). ren können, da sich die Migrantinnen als spezifisches Subjekt in Relation zu den variierenden sozialstrukturellen, nationalen Kontexten konstituieren und diesbezüglich immer wieder aufs Neue formiert werden. Strüver kann darüber hinaus auch auf methodologischer Ebene herausarbeiten, wie der »methodologische Nationalismus der Sozialwissenschaften« (ebd.: 202) infrage gestellt wird und dabei Teil entsprechender Macht-Wissen-Relationen ist. Auf diese Weise konstatiert die Autorin: »Die Migration wird erst durch die Unterschiede zwischen Herkunftsund Arbeitsland und durch den anhaltenden Wechsel zwischen den Ländern sowie zwischen Care und Career als Ressource initiiert.« (Ebd.: 203) 73 Obwohl der Begriff ›Workfare‹ keineswegs eindeutig ist und auch innerhalb der Forschungsliteratur unterschiedlich verwendet wird, lässt sich, der Beschreibung Katrin Mohrs folgend, dennoch festhalten, dass »in den meisten westlichen Ländern in den letzten Jahren Reformen der sozialen Absicherung bei Erwerbslosigkeit und der Arbeitsförderung stattgefunden [haben], bei denen es darum ging, staatliche Unterstützungsleistungen stärker von Pflichten zur Mitwirkung an der eigenen Vermittlung und/oder der Teilnahme an aktivierenden Arbeitsfördermaßnahmen abhängig zu machen und Anreizstrukturen so zu restrukturieren, dass [eine] Teilhabe an Erwerbsarbeit maximiert wird.« (Mohr 2009: 50) 74 Auch Kerstin Jürgens (2015) weist darauf hin, dass mit der Verschiebung hin zu einem AdultWorker-Modell, nach wie vor eine grundlegende kulturelle und praktische Basis für eine adäquate Umsetzung fehlt. Jürgens konkludiert: »Die anhaltenden Widersprüche von Familie und Beruf werden folglich nicht politisch gelöst, sondern den Betroffenen zur Lösung überantwortet.«(Ebd.: 299)

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Insbesondere da durch die bisherigen Ausführungen gezeigt wurde, wie ebenjene staatspolitischen Reg(ul)ierungsmaßnahmen im Kontext von Bevölkerungs-, Familien-, Erwerbs- und allgemeiner Wirtschaftspolitik einen Raum konstituieren, in dem sich jene elterlichen Erwerbssubjekte bewegen müssen, stellt sich die Frage, in welch heterogenen Weisen sich entsprechende Bezüge in den Alltagspraxen der Eltern materialisieren. Dies knüpft auch unmittelbar an die Frage nach einem spezifischen Werden elterliche Subjektivitäten an, die nachfolgend entlang des Themenkomplexes der haushaltsnahen Dienstleistungen in den Narrationen der geführten Paarinterviews verfolgt werden sollen, da diese auch innerhalb des Elternzeitkontextes eine Rolle gespielt haben. Obwohl selbstverständlich auch vielfältige andere Aspekte an dieser Stelle hätten aufgegriffen werden können, erfolgt die Vertiefung in Bezug auf die Interviews vor allem auch aufgrund des Umstands, dass sich innerhalb des Diskurses um haushaltsnahe Dienstleistungen verschiedene Facetten von Elternschaft, Geschlecht, der Erwerbsarbeit sowie des Arbeitsmarktes kreuzen, die gleichzeitig innerhalb des ›Schonraums‹ der Elternzeit relevant gemacht werden. Die gouvernementalen Verschränkungen von geschlechtlichen, ökonomischen und erwerbsspezifischen Aspekten konstituiert elterliche Subjektivitäten, die in diverser Weise auch im Kontext der Elternzeit auf die Unterstützung haushaltsnaher Dienstleistungen angewiesen sind bzw. diese aus diversen Gründen in Anspruch nehmen. Dabei zeigt sich im Rahmen der Studie ein heterogenes Spektrum hinsichtlich Bedeutung und Nutzungsweise und letztlich auch der konstituierend‐performativen Wirkung in Bezug auf die Subjekte selbst. Von den 16 befragten Paaren berichteten neun Paare davon, kernfamilien‐externe Unterstützung in Anspruch genommen zu haben: Sieben der Paare schilderten, dass sie eine Haushaltshilfe bezahlen, die je nach Zusammenhang sowohl Reinigungsund Aufräumarbeiten, in manchen Fällen aber auch das Waschen und Bügeln übernimmt. Aufgrund des elternzeitlichen Kontextes und der teils sehr jungen Kinder der Studie, erscheint es nicht unbedingt überraschend, dass die Eltern keine auch pädagogisch‐betreuenden haushaltsnahen Dienstleistungen, wie bspw. ein Kinder- oder Au-Pair-Mädchen, in Anspruch nahmen.75 Der überwiegende Teil der Paare, die haushaltsnahe Dienstleistungen im Sinne einer zumeist weiblichen »Putzfrau« oder »Putzhilfe« in Anspruch nahmen, betrachtete diese insbesondere als Ressource zur Gewinnung von Zeitsouveränität, die entweder (allerdings seltener) dazu genutzt wurde, weiter an der eigenen beruflichen Karriere zu arbeiten oder (häufiger) als Entlastung, sowohl in rekreativer Hinsicht als auch 75 Wobei auch diesbezüglich bereits in der sprachlichen Bezeichnung dieser dienstleistenden Tätigkeiten eine starke geschlechtliche Strukturierung erkennbar wird. Auch sei darauf hingewiesen, dass damit die Tätigkeit eines Au-Pair-Mädchens nicht mit einer sozialversicherungspflichtigen entlohnten Tätigkeit gleichgesetzt werden soll.

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zur Schaffung von Zeiträumen für gemeinsame Familienzeit. Was zeigt sich nun hinsichtlich der These des achten Familienberichts in Bezug auf die Frage nach Geschlechtergerechtigkeit im Kontext der Elternzeit? In einem Teil des Spektrums der Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen werden diese insbesondere als Entlastung und Unterstützung der Mütter konzipiert, die sich auch daraus ergibt, dass die Väter sich insbesondere den haushälterischen Tätigkeiten entziehen oder diese auslagern. In diesen Subjektentwürfen bleibt die Hausarbeit damit weit(est)gehend eine Angelegenheit von Mutterschaft bzw. Frauen, die in manchen Fällen zwar auch innerhalb des Subjektentwurfs Vater auf Akzeptanz stößt, wenn die Umstände es erfordern, jedoch nach Möglichkeit ausgelagert werden soll. Die folgende Passage der Narration der GrafGablers illustriert dies: Gitta: »Also wie gesagt bevor wir ein Kind hatten wir eine Putzfrau die alle zwei Wochen gekommen ist und einmal so groß rein gemacht hat. Weil ich ja auch halt so viel weg war. Ja von morgens fünf bis sechszehn siebzehn Uhr und dann war ich halt auch müde ich hab gesagt wir können uns das im Moment leisten warum sollen wir’s nicht machen.« Georg: »Ja weil ich aber auch gesagt hab ich mach’s nicht bevor ich’s mache bezahl ich jemand derʼ s macht. Ist im Nachhinein natürlich dumm oder vielleicht ein bisschen chauvi‐mäßig aber wenn man es sich leisten kann und die können es gebrauchen dann stell ich mich nicht nach der Arbeit hin und putz hier die Bude. Und also wenn ich jetzt ehrlich bin mach ich wenig bis gar nichts im Haushalt.« Zum einen fällt auf, dass nicht das Kind als Grund für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen genannt wird, sondern vor allem die umfassende Erwerbstätigkeit von Gitta. Zwar übernimmt Gitta als Mutter in der Beziehung die Rolle der Hausfrau, seit das gemeinsame Kind geboren wurde, dennoch arbeitete sie vorher in Vollzeit in ihrem Beruf als Erzieherin. Relevant erscheint in diesem Zusammenhang auch ihr Hinweis darauf, dass der Umstand des »sich leisten Könnens« für die Entscheidung, eine Haushaltshilfe zu beanspruchen, wesentlich war. Bedeutsam scheint hierbei auch Georgs ablehnende Haltung zu sein, eher eine externe Haushaltshilfe zu beschäftigen, als selbst die Tätigkeiten zu erledigen. Der erwähnte Aspekt, dass diese Einstellung ggf. chauvinistisch gelesen werden könnte, macht diesbezüglich eine geschlechtliche Konnotation dieser Haltung in Relation zum Geschlecht der dienstleistenden Person sichtbar. Interessant erscheint darüber hinaus die Begründung, dass sofern man sich die Inanspruchnahme einer solchen Dienstleistung leisten könne, diese auch nutzen kann. Dadurch fallen Nutzungsmöglichkeit und tatsächliche Nutzung mehr oder weniger zusammen. Die Inanspruchnahme gerät innerhalb der Narration auch insofern zu einem ›guten Geschäft‹ für beide Seiten, da nicht nur die Inanspruchnehmenden sich einen Nutzen versprechen, sondern auch auf die Bedarfe der anbietenden Seite verwie-

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sen wird. So wird besagte Inanspruchnahme zu einer ›Win‐win-Situation‹ für alle Beteiligten erklärt, welche die Nutzung fast zu einer wohltätigen Angelegenheit erhebt, da auf den vermeintlichen »Bedarf« (»die können es gebrauchen«) des Geschäfts verwiesen wird, während jedoch der eigene Bedarf tendenziell unterbelichtet bleibt. Bei den Juliusʼ gestaltet sich die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen aufgrund der sich artikulierenden Position von Jasmin, »niemand Fremdes« aufgrund von Unstimmigkeiten mit Jochens Schwiegermutter im Haus haben zu wollen, schwieriger. Allerdings zeigt sich, dass sich diese Position nicht grundlegend auf die Unterstützung durch haushaltsnahe Dienstleistungen an und für sich erstreckt:76 Jochen: »Da sind wir auch das ist zum Beispiel ein Thema was ich schon diskutieren wollte ja ich bin da schon ein Freund dafür ich lass mir gerne helfen. Ja wenn ich auf einem gewissen Level bin wo ich sag ich brauch ein bisschen Regenerationszeit dann sag ich…« Interviewende*r1: »Wäre noch mal nicht schlecht zwischendurch (lacht).« Jochen: »…Gerne mal genommen wenn mir jemand sagt kann ich dir was abnehmen. Wie zum Beispiel eine Putzhilfe ja? Aber da können wir uns auch momentan nicht einigen weil sie niemand Fremdes im Haus haben will. Es fängt schon es ist für mich okay aber dann sag ich auch dann muss du es machen.« Jasmin: »Ja aber Putzhilfe hatten wir jetzt da war eher deine Mutter das Problem.« Jochen: »Äh ja wir können auch eine externe nehmen ist mir scheiß- ist mir wurscht.« Jasmin: »Na dann können wir noch mal drüber reden (lacht).« Innerhalb dieser Sequenz werden weitere Punkte sichtbar. Einerseits wird auch hier der Stellenwert eines ökonomischen Status für die Inanspruchnahme jener Dienstleistungen deutlich, andererseits taucht das Thema der rekreativen Nutzung auf, die als Kontrast zur Erwerbstätigkeit von Bedeutung ist. Zwar scheint auch hier ein »gewisser Level« eine Entlastung von häuslichen Aufgaben ökonomisch zu ermöglichen, diese wird jedoch auch durch diese begründet, d.h. zum einen mit einem ökonomischen Argument erklärt sowie zum anderen durch die intensive Einbindung in den Erwerbskontext erzeugt und notwendig. Darüber hinaus zeichnet sich innerhalb der Narration ein Subjektivationsprozess ab, der Jochen und Jasmin als relationales Gegensatzpaar entstehen lässt77 : 76 Es wird eine Form (unbezahlter) familialer Unterstützung sichtbar, auf die später noch ausführlicher – auch im Kontext des achten Familienberichts – zu sprechen kommen sein wird. 77 Zwar finden auch innerhalb der anderen bisher dargestellten Interviewpassagen Subjektivationsprozesse statt, der obige Auszug bietet sich jedoch für eine illustrative Vertiefung besonders an, da dort nicht nur über ein bestimmtes Thema gesprochen wird, sondern vor allem auch über ein ebenfalls an der Gesprächssituation beteiligtes Subjekt.

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Die Narration entwirft Jochen als offen, als ein Jemand, das sich gerne »etwas abnehmen lässt«, während Jasmin abwehrend‐verschlossen, als ein Jemand, das »niemand Fremdes im Haus« haben möchte, in Erscheinung tritt. Über diesen Verweis hinaus verfügt Jochens Aussage, dass besagtes Nicht‐abgeben-Wollen seinerseits zwar akzeptiert werde, jedoch dann als Folge in den Zuständigkeitsbereich von Jasmin übergehe, in einer Weise über Jasmin, die recht eindeutig klarstellt, dass er die anfallenden Tätigkeiten nicht übernehmen wird und hierbei kein Spielraum besteht. Dass auch in diesem Zusammenhang die haushälterischen Tätigkeiten als eher feminisiert konnotiert gelesen werden können, wird zum einen durch die Verweigerung zur Übernahme deutlich, die sich in Jochens Narration artikuliert, zum anderen jedoch auch dadurch, dass Jasmin im Kontext der Putzhilfe auf Jochens Mutter verweist, welche ihnen bis dato unterstützend zur Seite stand. In beiderlei Hinsicht erfolgen die zu erbringenden Tätigkeiten im Rahmen der Subjektivitäten ›Frau‹, ›Mutter‹ und ›Schwiegermutter‹. Die Sequenz verdeutlicht darüber hinaus, wie im Rahmen des Interviews die Möglichkeitsbedingungen der Inanspruchnahme der externen haushaltsnahen Dienstleistung entstehen, die sich – in Widerspruch zu Jochens Narration – im Kontext der Erfahrungen mit ihrer Schwiegermutter für eine externe Unterstützung offen zeigt. Dabei wird an anderer Stelle der Narration auch die Fragilität des elterlichen »Funktionierens« deutlich: »Was als Paar die Zeiten die wir halt vorher vor den Kindern hatten die gibt’s nicht mehr also das ist schon so wir leben für die Kinder das ist Fakt. Und wir funktionieren. Wie lang das so ist ist gut wenn’s gut geht aber wir müssen auch sehen dass wir uns irgendwann jetzt wieder zurück Zeit für uns gewinnen. Das versuch ich schon mehr wie sie. Im Sinne von dass wir die Diskussion um die Putzfrau oder Putzhilfe ja schon länger ich schon länger angeschoben hab dass ich mir gerne das Zeug abnehmen lasse was ich abgeben kann sagen wir’s mal so. Um Zeit für uns zu gewinnen dass man mal essen gehen kann das man ins Kino gehen kann.« Viele der Eltern, mit denen Interviews geführt wurden, verwiesen in unterschiedlichen Ausprägungen darauf, mehr oder weniger ausschließlich für das Kind bzw. die Kinder zu leben. In diesem Sinne wird auch innerhalb der Narration deutlich, wie eng häufig die elterlichen Handlungsspielräume im Spannungsfeld der diversen Anforderungen aus Familien- und Erwerbsarbeit sind, die letztlich nur noch ein mechanistisches »Funktionieren« übrig lassen, welches solange trägt, wie es eben trägt. Dies unterstreicht, wie die diversen, konstitutiven Verstrickungen zwischen erwerbsspezifischer, familial‐elterlicher Sorge und Partnerschaft ein spezifisches Subjekt konstituieren, das– im Sinne Butlers – insbesondere in dieser komplexen Relationierung entsteht und gleichzeitig konstitutiv in und mit diesem anderen (Personen, die Erwerbsarbeit, die Belastung, Dis-/Funktionalität etc.) verstrickt ist. Obwohl sich die elterlichen Subjektivitäten im Sinne von Müttern und Vätern nach

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wie vor häufig(er) unterscheiden, erscheint ebenjenes ›Funktionieren‹ jedoch für beide auf ihre Weise zu gelten. Gleichzeitig setzt Jochen sich und Jasmin durch die vorgenommenen Adressierungen in eine spezifische Beziehung, wenn er betont, dass er stärker als sie wieder Zeit für sich als Paar gewinnen möchte. Jasmin nimmt dabei die konstituierende Rede als Subjekt an, indem sie den Adressierungen nicht widerspricht und diese insofern mitträgt. Auf diese Weise konstituiert sich Jasmin als Mutter in und durch Jochens Narration einerseits zwar als (noch) aufopfernderes Elternteil, andererseits jedoch auch als ein Subjekt, das zugunsten seiner Mutterschaft die gemeinsame Zeit als Paar hinten anstellt. Gleichzeitig entsteht jedoch auch Jochen als spezifisches Vatersubjekt in dieser Relation.78 Die Passage zeigt jedoch auch, dass der Wunsch in Jochens Erzählung, haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, weniger mit einer grundsätzlich vergeschlechtlichten Ablehnung von Hausarbeit begründet wird, als vielmehr durch den Versuch, gemeinsame Zeit als Paar zu gewinnen. Zwar wird – im Kontext dieses Wunsches – die Beziehung auf diese Weise insofern egalisiert, als dass für eine Entlastung Jasmins von haushälterischen Tätigkeiten gesorgt werden soll, damit beide gemeinsame Zeit als Paar und als Eltern mit dem Kind verbringen können, dennoch bleibt offen, ob diese Form der Entlastung selbst nicht lediglich auf eine andere Frau verschoben würde.79 Je nach Kontextualisierung würde die übergeordnete geschlechtliche Asymmetrie damit intakt bleiben, zumal es innerhalb der Narration immer vor allem ›Jasmins Tätigkeit‹ bzw. die ihrer Schwiegermutter bleibt, die zu substituieren ist. Auch im Kontext der Narration der Kaisers wird eine ökonomische Argumentation des »es sich leisten Könnens« sowie des Themas der gemeinsamen Zeit, die nicht durch die anfallenden haushälterischen Tätigkeiten blockiert werden soll, sichtbar. In Katjas Narration taucht jedoch ein Bezug auf haushaltsnahe Dienstleistungen auf, der auf das spannungsreiche Verhältnis von Erwirtschaftung und Reinvestition der monetären Ressourcen verweist, welches so in keiner der anderen Narrationen in dieser expliziten Form auftauchte: »Ja ich mein auch das abgeben kostet ja wiederum Geld ja? Also muss ja jemand kommen den müssen wir bezahlen und oder auch zum Bügeln jemand bezahlen. Das kostet ja alles Geld. Und da denk ich mir immer also mein Gedanke war dann oft ähm ja können wir ja auch machen. Wieso müssen wir’s abgeben? Also könnten wir genauso stemmen. Wenn wir an einem Strang ziehen würden aber 78 Obwohl dies konstitutiv für alle Subjekte gilt, die innerhalb der einzelnen Narrationen erscheinen, wird dieser Punkt hier aufgegriffen, da Jochen in der zitierten Passage in direkter Weise Jasmin adressiert und in ihrer Anwesenheit gleichzeitig zu und über sie spricht. 79 Zumindest wenn es bei einer »Putzfrau« bleiben würde. Allerdings ist dies innerhalb der Narration des Gesprächs nicht eindeutig, da Jochen diesbezüglich auch von »Putzhilfe« spricht, die eine Vergeschlechtlichung zumindest nicht unmittelbar in den Begriff eingeschrieben trägt.

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er sagt wir gut ich weiß er hat keine Zeit und so aber ich denke wenn er da ein bisschen mithelfen könnte wär’s natürlich noch besser. Kann er aber nicht. Und der Gedanke schwingt trotzdem bei mir immer wieder mit das ich sag wenn wir aber jetzt zusammen das machen würden dann würden wir uns das sparen. Da wo wir’s an anderer Ecke wieder einnehmen müssen damit wir das wiederum bezahlen und dann wär er daheim also das ist so ein bisschen ja gut aber eine Lösung muss ja her. Jetzt haben wir ja eine Lösung. Wir haben ja die Putzfrau und dann ist es ja trotzdem entspannt sich ja die Situation zwischen uns dadurch ne?« Das Thema der notwendigen finanziellen Aufwendungen wird zwar auch hier aufgeworfen, jedoch vor dem Hintergrund der Überlegung, dass diese Ausgaben prinzipiell nicht unbedingt notwendig wären, wenn es ihrem beruflich und karrierespezifisch stark eingebundenen Mann möglich wäre, mit ihr gemeinsam »an einem Strang« hinsichtlich der haushälterischen Aufgaben zu ziehen. Auf einer strukturellen Ebene wird somit ein Vergleich zwischen verschiedenen Subjektentwürfen deutlich, der eine andere Involvierung von Kurt als Vater und Partner imaginiert, der jedoch als unmöglich verworfen wird. Dennoch wird diese Potenzialität weiter mitgeführt (»Und der Gedanke schwingt trotzdem bei mir immer wieder mit«). Das Spannungsfeld, welches hier aufgeworfen wird, zwischen dem Wunsch nach einer Veränderung des elterlichen Sorgeverhältnisses und den Zugzwängen, denen man sich ausgesetzt sieht, gerät in der Narration selbst zu etwas Paradoxem, wenn nicht gar Irrationalem, wenn Katja erklärt: »Da wo wir’s an anderer Ecke wieder einnehmen müssen damit wir das wiederum bezahlen und dann wär er daheim also das ist so ein bisschen ja gut aber eine Lösung muss ja her« Dabei performiert die ›Lösung‹ der Kaisers selbst jene Paradoxie, da sie einerseits die Aufwendung monetärer Ressourcen zur Unterstützung und Entlastung von Katja als Mutter verlangt, die Erwirtschaftung der Ressourcen jedoch andererseits zu Kurts Abwesenheit führt, die es letztlich unterminiert, dass beide »an einem Strang« hinsichtlich der Haus- und Sorgearbeiten ziehen können. Gleichzeitig blockiert diese paradoxe Strukturierung sowohl die Möglichkeitsbedingung einer egalitär(er)en Arbeitsteilung innerhalb der Familie, da für eine solche die zeitlichen Möglichkeiten aller Beteiligten ausgeglichen(er) sein müssten80 , wie sie auch eine mehr oder weniger ›tradierte‹ Arbeitsteilung in den Entwürfen elterlicher Subjektivität um Mutter- und Vaterschaft re-/produziert. Auch das Potenzial der Ausweitung der Inanspruchnahme, sei es hinsichtlich der Aufstockung der Stundenzahl der dienst80 Zwar ist damit nicht gesagt, dass eine gleichmäßige(re) Verteilung von Anwesenheit oder zeitlicher Ressourcen auch tatsächlich zu einer egalitär(er)en Arbeitsteilung in praktischer Hinsicht führt, jedoch ergibt sich diesbezüglich zumindest die Möglichkeit, dass deren Bedingung die zeitliche Verfügbarkeit der Elter darstellt.

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leistenden Person oder im Hinblick auf die Anstellung einer zweiten Person, wird innerhalb der Narration mitgeführt: Katja: »Wir haben es jetzt ja erst mal gelöst mit der Putzfrau. Und Bügelfrau kommt irgendwann auch noch (lacht leise).« Kurt: »Bevor ich drei Stunden bügele geh ich lieber drei Stunden in die Vorlesung und verdien (Katja: Ja) das Geld dass eine Putzfrau zehn Stunden kommen kann oder so.« Der obige Auszug unterstreicht jedoch vermeintlich gegensätzliche Positionen im Umgang mit diesem Spannungsverhältnis: Kurt entwirft sich als karriereorientiertes Erwerbssubjekt, das eher dazu bereit ist, drei Stunden in einen Teil seiner Erwerbstätigkeit als Gastdozent zu investieren und entsprechende Ressourcen zu erwirtschaften, um haushaltsnahe Dienstleistungen im Wert von zehn Stunden zu generieren, als sich selbst zu involvieren. Die Vermeintlichkeit besagter gegensätzlichen Positionen wird durch die Zustimmung Katjas sichtbar, da mit dieser Zustimmung Kurts Position zu einer gemeinsamen wird. Die Lösung verbleibt damit stark innerhalb eines auf die Erwerbsarbeit und Karriere des Vaters ausgerichteten Raumes, da die vorher ins Spiel gebrachte, zumindest potenzielle Möglichkeit, Kurt könnte als Vater seine Erwerbstätigkeit reduzieren und sich dadurch familial‐partnerschaftlicher Handlungsspielraum ergeben, nicht (mehr) auftaucht. Dass eine solche Möglichkeit innerhalb des Subjektentwurfs Vater vor allem in Kurts Narration nicht in Betracht kommt, verdeutlicht die Antwort auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, bspw. seine Promotion zugunsten familialer Zeit zurückzustellen: »Nee aber zum Beispiel jetzt die Promotion würd jetzt nie zur Disposition stehen. Weil das was ist was ich schon lange im Kopf hab und es ist jetzt nicht dass ich sag ähm da hängt jetzt ein gewisser Karriereweg dahinter.« Dies verdeutlicht, dass die haushaltsnahen Dienstleistungen zwar als Substitutionsmöglichkeit fungieren, jedoch nicht unbedingt nur auf den familialen Kontext, sondern auch zur Verfolgung karrierespezifischer Ziele beansprucht werden können. Darüber hinaus zeigt sich innerhalb der Narrationen der Kaisers, neben der geschlechtlichen Asymmetrie hinsichtlich der Haus- und Sorgearbeit, eine Privilegierung bezahlter Erwerbsarbeit, die auch dann erhalten bleibt, wenn sie durch besagte Paradoxien gekennzeichnet ist. Diese Privilegierung konstituiert Kurt als karriereorientiertes, väterliches Erwerbssubjekt auch dahingehend, dass die elterliche Arbeitsteilung sich um seine Subjektposition drapiert und von dieser aus strukturiert wird – und zwar auch gegen alternativ‐mögliche Formen partnerschaftlich(er)er Arbeitsteilung und ggf. als paradox anmutender Re-/Investitionen monetärer Ressourcen.

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Die geschlechtliche Asymmetrie im Hinblick auf sorgespezifische Zuständigkeiten bleibt in manchen Paarkontexten, wie dem der Friedrichs, auch in Ausnahmesituationen wie einem Bandscheibenvorfall der Mutter mit deren Subjektentwurf verschränkt: »Als ich mit den Zwillingen schwanger war hatte [ich] im März leider einen Bandscheibenvorfall und war dann erstmal vier Wochen im Krankenhaus. Und dann braucht ich kam dann 36. Woche wieder raus und dann sagt er ja es sind jetzt nur noch maximal vier Wochen bis die Kinder auf die Welt kommen. Nur für diese vier Wochen brauch ich eine Haushaltshilfe weil ich durfte oder konnte meine Dreijährige nicht mehr auf den Arm nehmen die wollte aber immer. Konnte da auch nicht auf den Spielplatz weil ich kann sie nicht auf die Schaukel setzen. […]. Ich konnte kein Auto mehr fahren. Also da brauchte ich eh jemand der sie auch abholt weil Fred konnte das natürlich nicht. Da hatten wir dann ne Haushaltshilfe. Das war dann über die Krankenkasse organisiert weil die dann jemanden aussuchen und dann geht das sehr schnell weil wir selbst hätten gar nicht gewusst wo wir so schnell jemanden herbekommen. Und dann kam eine Frau von einem Pflegedienst. Die war jetzt natürlich nur auf Demenzkranke spezialisiert. Hatte eigentlich mit Kindern nicht viel am Hut außer dass sie mal selbst eine Tochter [hatte]. Das war dann schon mal ganz gut also bisschen private Erfahrungen hat sie gehabt. […]. In dem Fall hat es nicht so gut gepasst. Aber da ist dann wirklich eine absehbare Zeit weil das hört dann direkt mit der Geburt auf […] und ich war dann auch froh dass die dann nicht mehr gekommen ist weil’s einfach nicht geklappt hat. Aber sie hat mir damit zwei Stunden am Tag geholfen meine Tochter abzuholen.« Bzw. auch im Kontext nachfolgender Passage: »[W]ir haben jetzt einfach auch eine gute finanzielle Situation dass wir das jetzt da jetzt auch eh ja wir haben im Moment eine Putzhilfe für drei Stunden seitdem Fred wieder arbeiten gegangen ist weil ich das auch nicht alles noch schaffe hier das Haus dann immer blitzblank zu putzen. Ich hab’s gerne sauber und das ist dann auch wieder ein Problem. Man hats gerne sauber aber man kommt nicht dazu. Das ist dann auch so immer die kognitive Dissonanz die entsteht. Und ja deswegen bin ich jetzt auch an einem Punkt wo ich sage also sonst werde ich glaub ich ziemlich da kann ich ziemlich ungemütlich werden hier in dem Familienleben.« Die beiden Auszüge verdeutlichen, wie in vielen der anderen Paarkontexten auch, dass die Hauptverantwortung für Sorge- und familiale Organisationstätigkeiten auch dann dem Subjektentwurf Mutter zugeschlagen wird, wenn Franziska als Mutter infolge eines Bandscheibenvorfalls stark eingeschränkt ist. Selbst eine solche Ausnahmesituation führt in diesem Falle nicht dazu, dass entsprechende ver-

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geschlechtlichte Zuständigkeiten aufweichen und bspw. Fred als Vater im Rahmen der letzten vier Wochen vor der Geburt seine Erwerbstätigkeit einschränkt. Vielmehr wird ein Substitutionsversuch durch familienunterstützende Dienstleistungen deutlich, der nicht nur die asymmetrische geschlechtliche Strukturierung zwischen den Eltern re-/produziert, sondern auch Fred in seiner Funktion als Hauptverdiener bzw. Erwerbssubjekt stützt. Auch der zweite Gesprächsauszug unterstreicht die entlastende Funktion, die der Haushaltshilfe im Kontext der Friedrichs zukommt, da Franziska durch die Sorge ihrer drei Kinder während der Elternzeit stark unter Druck steht. Im Kontext des Subjektentwurfs von Mutterschaft, der in der Narration von Franziska artikuliert wird, erhält die monetäre Dimension vor allem auch dahingehend eine wesentliche Rolle, als sie verdeutlicht, wie die haushaltsnahen Dienstleistungen zu einem wesentlichen unterstützenden Teil der Situierung von Mutterschaft werden: Sie gewährleisten, insbesondere nach Freds Rückkehr in den Beruf nach dessen Elternzeit, dass Franziska als Mutter funktionieren kann. Dieses Funktionieren-Können steht dabei unmittelbar in Verbindung mit bestimmten Ansprüchen an ›Sauberkeit‹ (»das Haus blitzblank putzen«), der auch dahingehend konstitutiv mit Mutterschaft verschränkt ist, als dass eine Nicht-Entsprechung Franziska mindestens in ihrer primären Zuständigkeit als Mutter ›beschädigen‹ würde. Zwar verdeutlicht die Narration, dass ›sie‹ es gerne sauber hat, dennoch wird ›ihr‹ Anspruch zu einem allgemeinen Anspruch erhoben (»Man hat’s gerne sauber«), der auf diese Weise zu einem grundsätzlichen Anspruch an das Subjekt Mutter wird.81 Dass es hierbei wesentlich um einen spezifischen Entwurf von Mutterschaft geht, unterstreicht auch der sozialpsychologische Verweis auf »kognitive Dissonanz«, der zwar auf besagten ›inneren‹ Widerspruch verweist und der sich in diesem Sinne vor allem ›in‹ Franziska bzw. deren Konzeption von Mutterschaft realisiert, jedoch durch diese Kontextualisierung verschleiert, dass die strukturelle Anlage des vergeschlechtlichten arbeitsteiligen Arrangements der Eltern im Rahmen der jeweiligen Subjektentwürfe Mutter/Vater dieses Spannungsverhältnis mitsamt der zugehörigen Elternsubjekte maßgeblich erzeugt. Die Unterstützung durch die Putzhilfe stabilisiert damit durch ihre entlastende Funktion gleichzeitig die asymmetrische Anlage besagter elterlicher Subjekte. Fred als Vater taucht nur bedingt auf, da sein Engagement innerhalb der Narration zwar nicht gänzlich auf die Erwerbsarbeit fokussiert bleibt, seine primäre Verantwortung und Zuständigkeit als Vater und Hauptverdiener der Familie jedoch nie grundsätzlich infrage gestellt wird. 81 Auch sei an dieser Stelle auf grundlegend kulturell vergeschlechtlichte Standards der Haushaltsführung verwiesen. Die kulturelle Situierung ist damit konstitutiv mit Franziskas Ansprüchen verschränkt, die illustriert, wie Franziska zur Trägerin spezifischer Diskurse wird. Jenes mütterliche Selbstverhältnis konstituiert sich diesbezüglich dann gerade innerhalb dieses dissonanten Spannungsverhältnisses, das Franziska weiterführend darstellt.

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Wie bereits erwähnt, finden sich jedoch auch Paare, die kernfamilien‐externe Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die nicht monetär entlohnt werden. Neben der Erwähnung in der Narration des Paares Julius, in der sich eher in kritischer Weise auf die Unterstützung durch eine der Schwiegermütter bezogen wurde, taucht in der Narration der Alberts eine solche Inanspruchnahme im Kontext der Elternzeit auf, die jedoch variierende Fokussierungen durch die Schwiegermütter deutlich machen: Anna: »Also meine Schwiegermutter macht alles auch was Julian angeht. Aber wenn ich dann mal zwischendurch sagʼ kannst du vielleicht mal d- also sie hängt dann auch mal eine Wäsche auf oder so. Aber man merkt schon das ihr das eigentlich nicht so was ist. Also sie will uns dann helfen aber sie hilft uns natürlich in allererster dann am liebsten mit Sachen die das Kind betreffen.« Achim: »Meine Mutter zum Beispiel nicht. Also die sagt kümmer dich um dein Kind ich mach dir den Haushalt.« Dies verdeutlicht einerseits zwar auch eine Inanspruchnahme unterstützender Leistungen von Seiten der Alberts, verweist jedoch andererseits darauf, dass, im Unterschied zu den monetarisierten haushaltsnahen Dienstleistungen, diese Unterstützungsleistungen weit weniger von Seiten der Eltern bestimmt werden (können), sondern sich diese innerhalb des komplexen Gefüges von Elternteil(en), dem Enkelkind sowie den spezifischen Präferenzen des Großelternteils konstituiert. Strukturell zeichnet sich diesbezüglich ein qualitativ anderes Bedingungsverhältnis ab, als dies im Kontext bezahlter häuslicher Dienstleistungen der Fall ist. Dennoch wird der familiale Kontext durch diese Art großelterlicher Unterstützungsleistungen nicht in der gleichen Weise (monetär) ökonomisiert wie innerhalb der bezahlten Dienstleistungen, da in diesem Zusammenhang altruistische Motive dem eigenen Kind sowie dem*der Enkel*in gegenüber denkbar sind.82 Das andere Ende des Spektrums der Nutzung der haushaltsnahen Dienstleistungen, die sich im Kontext der Elternzeit ergeben haben, markiert das Paar Cramer. Zum einen sind beide innerhalb des akademischen Mittelbaus in Teilzeit deutlich gleicher verteilt in den Erwerbskontext eingebunden, wobei Christine über eine frühere Ausbildung und Verbeamtung ein höheres Einkommen erzielt als Clemens, was im Rahmen der befragten Paare auf die überwiegende Mehrheit der Mütter nicht zutrifft. Beide wurden in einem naturwissenschaftlichen Fach promoviert und arbeiten nach einer egalitären Form der Elternzeitnahme, in der bei82 Dies gilt bspw. auch für das befragte Paar Halil, welches auch von den Müttern des Paars unterstützt wird. Auch diesbezüglich wird erneut eine deutlich asymmetrische Strukturierung der Haus- und Sorgetätigkeiten sichtbar, in der es die Mütter sind, die hier unterstützend tätig werden.

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de jeweils sieben Monate in Anspruch nahmen, jeweils 30 Stunden pro Woche in Teilzeit. Beide schilderten innerhalb des Gesprächs Ambitionen, zukünftig eine Professur zu besetzen und ihre Karrieren weiter zu entwickeln. Das Paar Cramer erscheint als Kontrastierung zu den meisten anderen der befragten Paaren bemerkenswert, da sich in ihren Narrationen zwar auch die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen abzeichnet, jedoch deutlich andere Bezüge auf Elternschaft und Geschlecht deutlich werden.83 Die Substitution durch haushaltsnahe Dienstleistungen dient im Falle der Cramers einerseits dazu, die auf Geschlechteregalität und -parität ausgerichteten elterlichen Subjektentwürfe zu realisieren, andererseits auch dafür, eine egalitäre Strukturierung und Aufteilung von Hausund Erwerbsarbeit beider Eltern zu ermöglichen. Die Elternwerdung hat die Inanspruchnahme hierbei erhöht, wie Christine erklärt: »Ja wir haben uns eine Putzfrau gegönnt. Also wir hatten schon jemand bevor das Kind kam aber wir haben jetzt auch erhöht die Frequenz mit der die kommt. Und das heißt also so außer Wäsche waschen und einmal die Woche vielleicht saugen haben wir mit Haushalt also wirklich nichts mehr zu tun.« Dabei zeigt sich innerhalb der Narration, dass die Hausarbeit so weit substituiert wurde, dass beide Eltern weitgehend von dieser entkoppelt sind. Insofern impliziert die Passage auch, dass durch die Auslagerung der Tätigkeiten in gewisser Hinsicht auch die elterlichen Subjektkonzepte selbst tangiert werden, da durch die weitgehende Entkopplung von der Hausarbeit bestimmte Konfliktfelder und Fragen, die im Kontext anderer Eltern- und Paararrangements wichtig wurden, nicht in der gleichen Weise zum Thema werden. Allerdings eröffnet eine andere Passage des Gesprächs auch einen Einblick in die Fragilität dieser beruflich‐partnerschaftlichen Egalität. In Christines Darstellung wird dies deutlich: »Also wie gesagt ich nehm’s gar nicht mehr so wahr weil die kommt auch wenn wir arbeiten sind oder so. Ist irgendwie so ein unsichtbares Heinzelmännchen (lachen) die da so sauber macht. Aber ich hab letztens noch gedacht wenn die jetzt wenn wir die nicht mehr hätten oder wir haben schon oft gesagt auch so mit dem Elterngeld wussten wir dann auch nicht wie das so finanziell alles hinkommt. Und das ist auch ein teurer Posten. Also wir haben die auch über so eine Firma und ganz offiziell dann ist es ja auch immer noch teurer als wenn man das so unter der Hand macht. Und da haben wir aber immer schon gesagt (klatscht in die Hände) das Geld muss da sein. Für die (lachen) also dann sparen wir irgendwo 83 Dies wird im weiteren Verlauf des vierten Kapitels erneut aufgegriffen und vertieft werden. Mit Bezug auf das Paar Cramer, wird in dieser Passage konsequent von ›Elter(n)‹ gesprochen, da sich beide weniger als ›Mutter‹ oder ›Vater‹ im herkömmlichen Sinne entwerfen, sondern betonen, dass sie eher ›Elternpersonen‹ sind.

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anders aber das sparen wir uns irgendwie zusammen. Ja man gewöhnt sich da total dran. Ich kann mir das gar nicht mehr vorstellen.«84 Der Stellenwert der haushaltsnahen Dienstleistung im Kontext der Cramers wird an verschiedenen Punkten deutlich: Zum einen durch die betonte finanzielle Einschränkung, die sich durch die Reduktion des zur Verfügung stehenden elterlichen Einkommens während der Elternzeit(en) ergibt; zum anderen aufgrund dessen, dass die Nutzung der Dienstleistungen seit der Geburt des Kindes intensiviert wurde. Gleichzeitig ist die Inanspruchnahme derart etabliert, dass sie hinsichtlich ihres Stellenwertes kaum mehr wegzudenken ist (»[…] das Geld muss da sein. Für die (lachen) also dann sparen wir irgendwo anders aber das sparen wir uns irgendwie zusammen«). Die Nutzung der Dienstleistung kann als so bedeutsam für das Gefüge aus elterlicher Subjektivität und Erwerbsarbeit gesehen werden, dass alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um ›sich‹, über das so realisierte Gefüge konstitutiv zu ermöglichen. Durch die Bedingtheit dieses Arrangements erscheint es jedoch gleichzeitig kontinuierlich bedroht, d.h. dem Risiko der Auflösung oder des Zusammenbruchs ausgesetzt, welche(s) gleichzeitig auch diese elterlichen Subjektentwürfe als auf dem Spiel stehend unterstreicht. Dass das Arrangement der Cramers durch die familienunterstützenden Dienstleistungen getragen und entlastet wird, wird in der Narration von Christiane auch an anderer Stelle deutlich: »Deswegen haben wir ja eine Putzfrau. (lacht auf) Die war jetzt im Sommer sechs Wochen im Urlaub. Das haben wir ganz schön (leicht lachend) gemerkt. Das was man da dann wieder für na ja das das klingt jetzt echt bescheuert. Aber was man für Zeit dann da reinsetzt. Weil die geht da in drei Stunden zackig durch. Das ist für die ihr Job und die Energie hast du aber zu Hause ja dann irgendwie nach der Arbeit auch nicht mehr.« Dieses spannungsreiche Verhältnis aus elterlicher Verantwortung, dem egalitär‐partnerschaftlichen Anspruch und den beruflichen Karriereambitionen in Verbindung mit der erwerbsspezifischen Belastung führt dabei jedoch nicht minder zu Herausforderungen, die diesbezüglich konstitutiv mit den elterlichen Subjektivitäten verschränkt sind. Zum einen mit Blick auf die entlastende Wirkung durch die Haushaltshilfe in der vorangegangenen Sequenz und deren potenziellem Wegfall und zum anderen im Hinblick auf Subjektivationsweisen als ein ›leistungsfähiges Erwerbssubjekt‹ im Falle der Erkrankung des Kindes: Christine: »[U]nser Kind ist halt auch nicht besonders problematisch das ist auch schön. Ähm ja unzufrieden bin ich wenn sie [das Kind – Anm. B.N.] krank ist also 84 Im Hinblick auf Subjektivitäten und Subjektivation erscheint der Bezug auf die Haushaltshilfe als »Heinzelmännchen« bspw. in Bezug auf die Frage nach Un-/Sichtbarkeit dieser monetären Dienstleistungen spannend, kann jedoch an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden.

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wir hatten so eine Phase jetzt vor zwei Monaten (Clemens: Jaja) da war sie dauernd krank und dann ist das natürlich auch beruflich (Clemens: Das ist die Hölle) schlimm.« Clemens: »Weil einer bleibt immer zu Hause dann und gut wir können’s abwechselnd machen aber die Arbeit bleibt alles liegen dann kann man Fristen nicht einhalten und das ist dann wirklich ärgerlich und das war auch schwer.« Christine: »Und das ist natürlich auch…« [Überlappende Rede:] »…dahin…« Clemens: »…Dann… muss man alles abends machen und so also…« [Überlappende Rede:] »…das war also recht hart.« Christine: »…Und man hat auch… wenn man mit ihr zu Hause bleibt nicht so wirklich die schöne Zeit mit ihr weil ihr geht’s ja dann auch schlecht und sie ist nur (Clemens: Ja) am Quengeln oder will nur auf den Arm das ist ja auch nicht ähm das man so wie wenn man sich jetzt einen Tag frei nimmt und Zeit mit ihr verbringt sondern das ist einfach nur ätzend. Eigentlich und es ging über ich weiß nicht vier Wochen oder so (Clemens: Ja) das war dann ging’s ihr mal wieder gut und dann wieder nicht und das war hart ja.« Clemens: »Und die Chefs gucken dann auch immer komisch weil man dann irgendwie dann schon wieder absagen muss und das ist dann schwierig.« Interviewende*r1: »Kommt ja vor.« Clemens: »Ja (Christine: Ja) nee für uns es gibt auch keine andere Möglichkeit das ist ganz klar aber Spaß macht das dann einfach nicht mehr. Nein… auf der Arbeit einfach…« Christine: »…Und dann ist man auch unzufrieden halt…« Clemens: »Weil man immer Probleme dadurch verursacht (Christine: Ja) das ist das Problem also zu Hause sowieso nicht wenn sie krank ist weil dann geht’s ihr ja schlecht aber dann auf der Arbeit auch nicht weil man dann ankommt und alles liegen geblieben ist und jeder fragt warum ist das noch nicht fertig warum funktioniert das nicht.« Obwohl sich eine grundlegende Umgangsstrategie mit diesen Herausforderungen an Vereinbarkeit abzeichnet (»Weil einer bleibt immer zu Hause dann«), wird insgesamt deutlich, wie sich über die Verschränkung diverser Sphären und ihre Kontextualisierung nicht nur spezifische Anforderungen, sondern auch die Elternsubjekte als solche konstituieren. Sie entstehen innerhalb des Spannungsfeldes einerseits als Elternteile, welche den familial‐fürsorglichen Anforderungen gerecht werden sollen bzw. müssen; sie werden andererseits jedoch als ›leistungsfähige‹ Arbeitnehmer*innen herausgefordert und letztlich auch infrage gestellt. Die MachtWissen-Formation, die in Relation der Anforderungen der konkreten Arbeitsplätze, den Betriebskulturen (»die Chefs gucken komisch«), den Karriereambitionen sowie dem tatsächlichen wie antizipierten Wissen entsteht, reg(ul)iert hierbei sowohl

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die sichtbar werdenden Umgangsstrategien der Eltern (bspw. wenn die Erledigung liegen gebliebene Aufgaben in die Abendstunden verschoben und so aufgefangen wird) als auch die in Erscheinung tretenden Elternsubjekte selbst. Die artikulierte Irritation der Vorgesetzten deutet dabei auf eine spezifische Konzeption eines Erwerbssubjekts hin, welche durch fürsorgeverantwortliche Aufgaben in ihrer Norm(alität) irritiert wird. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass jene Fürsorgeverantwortung in der Narration der Cramers mit dem »Verursachen von Problemen« in Verbindung gestellt wird und sich diesbezüglich ein entsprechendes elterliches Erwerbssubjekt ergibt. Auch die Relationierung zu den Kolleg*innen performiert hierbei in Kategorien wie In-/Effizienz, Nicht-/Verlässlichkeit, Nicht-/Belastbarkeit, Un-/Produktivität usw. ein konstitutiv‐bedingendes Verhältnis, dass sowohl die Cramers als auch deren Kolleg*innen in spezifischer Weise hervorbringt und ausrichtet.85 Auch die Relation zwischen den Eltern und der gemeinsamen Tochter wird, über den Gesundheitszustand der Tochter vermittelt, zu einem konstitutiven Faktor, wenn es schwerfällt, den Anforderungen aus Terminen und Fristen gerecht zu werden. Dabei zeigt sich, wie letztlich die gesamte kontextuelle Konfiguration ihre spezifischen Subjekte hervorbringt, die gleichzeitig darüber hinaus nicht nur an den alltagspraktischen Rahmen der Cramers, sondern auch im Kontext der erwerbsspezifischen Strukturierungen des akademischen Mittelbaus, seiner Karrierepfade usw. eingebettet sind. Die Elternzeit erscheint bei den Cramers als ein ambivalenter Raum, der es einerseits ermöglicht, der Fürsorgeverantwortung paritätisch‐egalitär nachzugehen.86 Ebenso wird durch die gemeinsame Reduktion der Erwerbstätigkeit auch ein Konflikt- und Stresspotenzial deutlich, welches sich in dieser Weise im Kontext der asymmetrischen Sorgeverantwortung vieler anderer Paare eher hinsichtlich der Subjektentwürfe von Mutterschaft auswirkt. Damit soll keineswegs eine Wertung der jeweiligen Arrangements in Relation von Erwerbs- zu Sorgetätigkeit vorgenommen werden, jedoch betont werden, dass entsprechende Strukturierungen insbesondere diejenigen Subjekte privilegieren, die möglichst umfassend erwerbstätig sind und dies auch bleiben können. Die staats- bzw. familienpolitischen Verschiebungen hin zu einem AdultWorker-Modell bzw. in Richtung eines Workfare States stehen vor allem dann in 85 Zwar müssen diese Kategorien nicht im Sinne einer strikten Entweder/Oder-Relation gedacht werden, sondern können auch als zwei Pole konzipiert sein, dennoch werden die jeweiligen Positionierungen auch hier relational konstituiert. Selbst jenes ›nicht so effizient wie…‹ gilt, vor dem Hintergrund ebenjener ›Wettbewerbsgesellschaft‹, wie sie in der gouvernementalen Rationalität bisher deutlich wurde als wichtiger konstitutiver Faktor im Verhältnis von Eltern und Nicht-Eltern. 86 Sowohl Clemens als auch Christiane haben jeweils sieben Monate in Anspruch genommen, wobei es zwei sich überschneidende Monate (einen zur Geburt der Tochter sowie einen Übergabemonat) gab.

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einem ambivalenten Verhältnis zu den sich artikulierenden gleichstellungspolitischen Zielen, wenn diese in Konflikt mit ökonomischen- oder erwerbsspezifischen ›Erfordernissen‹ geraten. Die verschiedenen Ausführungen verdeutlichen, dass die Substituierungen durch familienunterstützende Leistungen, seien sie monetär erkauft oder unentgeltlich durch Freunde, Verwandte oder Großeltern ermöglicht, zwar nicht ausschließlich, aber vor allem erfolgen, um den Erfordernissen der Erwerbsarbeit entsprechen zu können. Die Spannungen und Belastungen, die sich in den Narrationen der Eltern artikulieren sowie die hochgradige Fragilität dieser Vereinbarkeitskonstruktionen bleiben dabei weitgehend unsichtbar, konstituieren in diesen relationalen Verhältnisbestimmungen jedoch – gerade auch im Verhältnis zu anderen, nicht‐fürsorgeverantwortlichen Subjekten – häufig wenig(er) ›leistungsfähige‹ Arbeitnehmer*innen, da sich einerseits die Bewertungen von Produktivität, Leistung, Effizienz etc. an quantitativ operationalisierbaren Maßstäben bemessen, die wiederum nach wie vor häufig ausschlaggebend für berufliche Karrieren oder die Verlängerung befristeter Anstellungsverhältnisse sind (vgl. hierzu auch Jurczyik 2015: 270). Andererseits orientieren sich diese Kategorien häufig an Subjektentwürfen, bei denen Fürsorgeverantwortung die konzeptionellen Norm(alität)en eines Erwerbssubjekts eher irritiert anstatt als weitere Möglichkeit in Betracht zu kommen. Zwar scheint Elternschaft in dieser Perspektive dennoch vereinbar mit den (erwerbs-)wirtschaftlichen Bedarfen des Arbeitsmarktes, jedoch zeigt sich, wie sehr insbesondere Karriereambitionen nach wie vor an Konzeptionen erwerbsförmiger Subjektivität gebunden sind, die entweder keiner Fürsorgeverantwortung beinhalten oder entsprechende Lösungsstrategien den Subjekten selbst überantworten. Strukturprobleme werden auch in der Narration von Clemens im Kontext des akademischen Mittelbaus deutlich: »Und alles andere ist einfach so wie bei uns die Politik ist glaub ich gerade mit diesem Gesetz mit diesen zehn zwölf Jahren an der Uni und dann darf man halt nie mehr an der Uni eine befristete Stelle haben. Ist ja der größte Quatsch […]. Alles läuft über befristete Stellen der Mittelbau wird abgebaut und wenn man nicht gerade in so einem Industriefach ist oder sowas und das bin ich nicht […] dann steht man irgendwann schlecht da. Und das find ich schon ein ganz großes Problem.« Die Strukturierung des akademischen Mittelbaus durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) mitsamt deren äußerst verbreiteten befristeten Anstellungsverhältnisse konstituiert hierbei insbesondere auch einen Zeitdruck, der sich durch Fürsorgeaufgaben noch verschärft. An anderer Stelle wird die Ambivalenz zwischen familial‐elterlicher Subjektivität als Elternteil und der Beschäftigungssituation der Cramers in Clemens Narration erneut deutlich:

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»[D]ie starke Bindung die meine Tochter zu mir hat ist mit dadurch bedingt dass wir halt so viel Zeit in der Elternzeit hatten irgendwie. Und das find ich eigentlich sehr sehr schön und würd das eigentlich jeder Zeit wieder machen. Ich muss halt trotzdem immer ein Auge drauf haben dass ich nicht zu lange weg bin und dass ich immer noch genug Zeit für die eigentliche Arbeit hab weil meine Uhr läuft ja ab sozusagen für diese (Christine: Befristete Stelle) dass ich an der Universität arbeiten darf. Was auch immer im Hinterkopf ist.«87 Abgesehen davon, dass die »eigentliche Arbeit« in der Narration von Clemens mit der entlohnten Erwerbsarbeit verknüpft bleibt, wird das belastende befristete Erwerbsverhältnis sichtbar, welches, dem sehr positiven Bezug auf die Elternzeit zum Trotz, immer im Hinterkopf mitschwingt. So wird deutlich, dass das elterliche Subjektkonzept hier immer auch konstitutiv mit der Erwerbsarbeit verschränkt bleibt. Die einzelnen Narrationen verdeutlichen, in ihrem je spezifischen Kontext das dispositive Netz, das sich zwischen diesen heterogenen Facetten spannt. Auf diese Weise konzentrieren sich insbesondere auch in den Elternzeiten Kraftfelder, in deren Zusammenwirken sich die je spezifischen elterlichen Subjektivitäten konstituieren. Die bisherigen Ausführungen in Bezug auf den siebten Familienbericht wie auch auf das Interviewmaterial hinsichtlich der Inanspruchnahme der haushaltsnahen Dienstleistungen unterstreichen zusammenfassend, wie sich auf (familien-)politischer Ebene aus wirtschaftlichen wie demographischen ›Notwendigkeiten‹ heraus eine gouvernemental‐biopolitische Vernunft abzeichnet, die darauf abzielt, insbesondere auch die als vernachlässigt geltenden ›Humanressourcen‹, als die junge Frauen und Mütter konzipiert werden, aktiv in die Erwerbsarbeit zu integrieren und somit deren Humankapital nicht nur vor Entwertung zu schützen, sondern auch effektiv(er) abzuschöpfen. Eltern sollen dabei nicht nur in aktiver Weise dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sondern im Rahmen haushaltsnaher, familienunterstützender Dienstleistungen selbst zu Arbeitgebenden werden. Im Vergleich zu früheren Familienberichten stößt die Erwerbstätigkeit junger Frauen – und insbesondere von Müttern – nicht mehr in gleicher Weise auf Skepsis, wie dies noch in den Bezügen auf eine ausgeprägte mütterliche Präsenzkultur im Rahmen der Mutter-Kind-Beziehung der 1970er und 1980er Jahre der Fall war. Zwar verbleibt die Hauptfürsorge nach wie vor bei den Eltern selbst, wird jedoch nicht mehr an eine dermaßen ausgeprägte Präsenzkultur geknüpft. Vielmehr können (und sollen) entsprechende Haus- und Sorgetätigkeiten nun auch 87 Das Zitat unterstreicht erneut, was bereits im vorangegangenen Abschnitt mit Blick auf das Eltern-Kind-Verhältnis deutlich wurde. Wesentlich für die Bindung zum Kind ist weniger ein essentialistischer Bezug auf Mutter- oder Vaterschaft, sondern insbesondere die Etablierung einer sicheren, tragfähigen Beziehung und Bindung, welche durch die relationalen Situierungen (z.B. des) Erwerbssystems bzw. der beruflichen Anstellung (mit-)vermittelt wird.

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durch familienunterstützende, haushaltsnahe Dienstleistungen substituiert werden. Dies korrespondiert mit einer umfassenden Aktivierung als Erwerbssubjekte, die nicht nur jene Angebote nachfragen und nutzen, sondern als Arbeitgebende auch anbieten sollen, wodurch eine entsprechende arbeitsmarktpolitische Dimension dieser familienpolitischen Entwicklung deutlich wird. Auch wurde deutlich, dass viele der Vereinbarkeit und Gleichstellung abzielenden Maßnahmen weniger von feministisch‐emanzipatorischen bzw. geschlechterpolitischen Intentionen getragen werden, sondern deutlich stärker von ökonomischen Rationalitäten durchzogen sind. Auch zeigte sich, dass die Verweise auf die unterstellten egalisierenden Wirkungen des siebten Familienberichts dann egalisierend wirken, wenn die elterliche Subjektivität einerseits besagten ökonomischen Strukturierungen entspricht bzw. entsprechen kann und sich andererseits Haus- und Sorgetätigkeiten, bspw. durch haushaltsnahe Dienstleistungen, externalisieren lassen, wobei die feminisierte Anlage ebenjener Sorgetätigkeiten weitgehend erhalten bleibt. Die Narrationen innerhalb des Interviewmaterials verdeutlichen diesbezüglich, dass vor allem die feminisierten Hausarbeiten im Kontext der Subjektentwürfe vieler Väter eher ausgelagert als selbst erbracht werden. Auf diese Weise re-/produzieren sich nicht nur vielfältige geschlechtliche Asymmetrien mit Blick auf Haus- und Sorgearbeit, sondern auch spezifisch vergeschlechtlichte, ›tradierte‹ Subjektentwürfe um Mutter- und Vaterschaft. Abweichende Konzeptionen elterlicher Subjektivität werden diesbezüglich zwar nicht verunmöglicht, sehen sich aber mit ambivalenten Anforderungen konfrontiert, die sich vor allem aus der bestehenden asymmetrischen Struktur von Familien- und Erwerbsarbeit ergeben, die diejenigen Subjektentwürfe protegiert, die keiner Fürsorgeverantwortung nachkommen (müssen) oder die diese in eigenverantwortlicher Weise mit den Anforderungen des Erwerbssystems in Einklang bringen können.

4.7

Die Novellierung des BEEGs als Instrument aktivierender Familien(zeit)politik

Die Expert*innenkommission des siebten Familienberichts sieht in der Einführung des einkommensabhängigen Elterngeldes eine Bedeutung, die zwar auf Familie gerichtet ist, jedoch konzeptionell in einer Logik der Erwerbs- bzw. Investitionslogik argumentiert.88 Sie erklärt diesbezüglich, dass »[e]in einkommensabhängiges Elterngeld […] die gleiche Bedeutung [hat] wie die eigene Fortbildung für den Beruf, denn es ist eine Freistellung von der Erwerbsar88 Siehe zur Entwicklung des einkommensabhängigen Elterngeldes als Teil einer »nachhaltigen Familienpolitik« z.B. Hans Bertram und Carolin Deufhard (2013).

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beit zur Unterstützung der Entwicklung von Humankapital einer Wissensgesellschaft.« (BMFSFJ 2006: 288) Womit erneut die Relation der Humankapitalperspektive zwischen den Serien ›Körper‹ und ›Bevölkerung‹ (Kapitel 2) sichtbar wird. Gleichzeitig macht die Kommission deutlich, dass das Elterngeld bzw. die Elternzeit als ein Instrument zur Steigerung des individuellen wie gesellschaftlichen Humankapitals/Humanvermögens konzipiert wird. Alexandra Scheele gibt hinsichtlich der Novellierung des BEEGs zu bedenken, dass mit dieser scheinbar eine alte feministische Forderung nach finanzieller Anerkennung von Betreuungs- und Erziehungsleistungen sowie einer (zumindest partiellen) gleichberechtigten Arbeitsteilung zwischen Müttern und Vätern erfüllt werde und das Leitbild der Hausfrau und Mutter aufgebrochen werden solle (Scheele 2009: 176). Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass von der Rahmung als einkommensabhängigem Elterngeld insbesondere erwerbstätige Eltern »mit mittleren und höheren Einkommen profitieren«, während insbesondere gering qualifizierte Eltern durch die Verkürzung der Elternzeit von 24 auf 12 (respektive 14) Monate schlechter gestellt werden (Scheele 2009: 176; Butterwegge/Klundt/Belke-Zeng 2008: 100; vgl. auch Wimbauer/Henninger/Dombrowski 2008: 21; Jurczyk 2015: 274). Auch wird das Elterngeld seit 2011 vollständig auf staatlichen Transferleistungen des zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) angerechnet (Jurczyk 2015: 274; auch Mayer/Rösler 2013: 181; Beckmann 2014: 119). Darüber hinaus zeigt Scheele u.a., wie das Elterngeld als Teil der mit der Agenda 2010 durchgeführten Verschiebung hin zu einem »aktivierenden Sozialstaat« verknüpft ist: »Analog zum eigentlichen Kern dieses Politikwechsels, den Harz-Reformen, soll mit der Verkürzung der Bezugsdauer (hier Elternzeit) der Anreiz – bzw. bei Eltern mit geringem Einkommen der Zwang –, möglichst schnell wieder in die Erwerbsarbeit zurückzukehren, erhöht werden.« (Scheele 2009: 177) Eine solche Anreizpolitik zeigte sich bereits innerhalb dieses Kapitels und sie findet sich auch weiterhin dezidiert in den Ausführungen des nachfolgenden achten Familienberichts. Es wird ersichtlich, wie die einzelnen familienpolitischen Instrumente als innerhalb eines umfassenderen politischen Rahmens rückgebunden betrachtet werden müssen. Insofern konstatiert auch Scheele: »Zusammenfassend bedeutet das, dass der Ansatz der aktivierenden Arbeitsmarktund Sozialpolitik, der sich auch in den Elternzeitregelungen wiederfindet, auf eine Arbeitsmarktsituation trifft, in der die Anforderungen einer individuellen Risikoabsicherung (z.B. im Bereich von privater Altersvorsorge, Pflege oder Gesundheitsversicherung) nur noch partiell realisiert werden kann, mit der Folge, dass die bereits in der ›Urform‹ des Sozialstaats vorzufindende institutionalisierte Struktur sozialer Ungleichheit [u.a. auch hinsichtlich Geschlecht – Anm.

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B.N.] auch im modernisierten Sozialstaat – sowohl des ›liberalen‹ als auch des ›konservativ‐korporalistischen‹ Typs – vorzufinden ist.« (Ebd.) Insofern kann Scheele auch darlegen, wie sich aus der hier eingenommenen gouvernementalitätstheoretischen Perspektive der Umbau des Sozialstaats insbesondere in Begriffen wie Selbststeuerung, Eigeninitiative und Aktivierung niederschlägt (ebd.: 178). Die bisher dargestellten Ausführungen zu Zielen, Rahmungen, der Umsetzung in Form der gesetzlichen Ausgestaltung sowie die Inanspruchnahme der Eltern im Rahmen ihrer Elternzeit(en) verdeutlichen nicht nur die Zusammenhänge der einzelnen Maßnahmen, sondern zeigen auch, wie sich Eltern in diesem Zusammenhang bewegen können bzw. nicht bewegen können. Die, neben vielen anderen Maßnahmen, innerhalb des siebten Familienberichts betonten (und hier exemplarisch herausgegriffenen) haushaltsnahen Dienstleistungen, die in ihrer Doppelfunktion sowohl ›geschlechteregalisierend‹ als auch Arbeitsplätze generierend fungieren sollen, schlagen sich auch innerhalb der in den Blick genommenen Elternzeitnahmen nieder. Sie greifen dabei einen Aspekt der Aktivierung auf, der sowohl der Elternzeit selbst, in ihrer rahmenden Wirkung inhärent ist, sich aber auch im Kontext der familienunterstützenden haushaltsnahen Dienstleistungen materialisiert: Einerseits sollen diese die Eltern entlasten und ihnen zum Teil noch mehr Zeit für Familie bzw. für Beruf/Karriere eröffnen; andererseits sollen damit gleichzeitig auch sozialversicherungspflichtige Anstellungsverhältnisse aktiviert bzw. generiert werden. Zwar sind die haushaltsnahen Dienstleistungen nur ein Aspekt innerhalb des elternzeitlichen Kontextes, der auch nicht von allen Eltern in gleicher Weise in Anspruch genommen wurde bzw. werden konnte. Sie machen jedoch in anschaulicher Weise das konstitutive Spannungsfeld um Erwerbsarbeit und Familie deutlich, in dem Eltern als spezifische Subjekte in Erscheinung treten. Die Nutzung der haushaltsnahen Dienstleistungen verschränkt dabei eindrücklich ökonomische, geschlechtliche und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen mit dem familialen elterlichen Kontext. Während die Familienberichte bisher die Verschiebung von einer skeptischen Haltung insbesondere gegenüber weiblicher/mütterlicher Arbeitskraft hin zu einem immer ausgeprägteren Einbezug in das Erwerbssystem und den präventiven Versuchen der Vermeidung der Entwertung ihres Humankapitals verdeutlichen (vgl. zur Vermeidung der Entwertung des Humankapitals von Frauen/Müttern auch Müller-Heine 2006: 59), unterstreichen die dargestellten Interviewpassagen, wie variabel die einzelnen Paare besagte Zielsetzungen in ihren familialen alltagspraktischen Kontext integrieren. Das Dispositiv der Elternzeit bündelt dabei diese familien- und geschlechterpolitischen wie ökonomischen Diskurse und spannt hierbei einen spezifischen Möglichkeitsraum, in dem Eltern in bestimmter Weise entstehen. Der Kontext der Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleis-

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tungen oder die Unterstützung durch nicht‐monetäre Leistungen dient dabei als ein Beispiel, in welchem sich Ziele und alltagspraktische Nutzung der Familienberichte und der Paare auf diverse Weise kreuzen.89 Auch andere Zielsetzungen, die mit dem Elternzeitgesetz in Verbindung stehen, wie die schnelle Rückkehr von Müttern in den Beruf oder der stärkere Einbezug von Vätern in den familialen Kontext werden noch intensiver erläutert. Letztlich werden durch die spezifische Rahmung des BEEGs und die innerhalb des Regierungshandelns verfolgten familien- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen auch diejenigen Eltern konstituiert, die sich diesen Anreizstrukturen wiedersetzen, z.B. indem sie nicht möglichst schnell in den Beruf zurückkehren (können oder wollen) oder indem Sie keine unterstützenden Dienstleistungen in Anspruch nehmen (können oder wollen), da diese in Relation zu besagten Zielsetzungen wie auch anderen Eltern auf ihre Plätze verwiesen werden und zwar ausgerichtet an einem normativen Raster, in dem sich besagte familienpolitische, demographische und ökonomischen ›Erfordernisse‹ kreuzen (vgl. z.B. auch Scheele 2009: 176).90 Auffällig ist hierbei, dass weder die gouvernemental‐biopolitischen Maßnahmen noch die elterlichen Handlungen darauf abzielen, ein balanciertes Verhältnis zwischen Substitutionen familialer und erwerbsspezifischer Aufgaben zu ermöglichen. Obwohl sich variable Formen der Substitution zeigen, sind diese dennoch vor allem um den Erwerbskontext drapiert, wobei dies auch den zentralen familienpolitischen Zielsetzungen sowie den spezifischen Zielen der Novellierung des BEEGs entspricht.

Zum achten Familienbericht (2012) Die Berichterstattung des achten Familienberichts (BMFSFJ 2012) sowie die zugehörige Stellungnahme der Bundesregierung fielen zeitlich in die zweite Legislatur89 Entsprechende Entlastungsstrategien in Bezug auf Sorgearbeit und bezahlte bzw. nicht‐bezahlte familiale Unterstützungen führt auch Jurczyk (2015: 271ff.) aus. Sie konstatiert, wie dies in den der Ausführungen zu familienunterstützenden haushaltsnahen Dienstleistungen deutlich wurde, »eine neue Aufspaltung von Care in der Familie zwischen ›wertvoller‹ Kindererziehung und ›wertarmer‹ Hausarbeit und Pflege« (ebd.: 272). 90 So gilt, das wird bspw. innerhalb der im Rahmen des Projekts durchgeführten Expert*inneninterviews deutlich, eine dreijährige Elternzeitnahme von Müttern, die früher durchaus üblich war, mittlerweile in vielen Betrieben als unüblich und ›lang‹; während sich diesbezüglich eine Auszeit von 10 bis 14 Monaten als ›Normalitätskorridor‹ herausgebildet hat. Eine noch kürzere mütterliche Elternzeitnahme – wie z.B. von Orna Ortmann in der durchgeführten Studie – von vier Monaten mit anschließender vollzeitlicher Rückkehr in den Beruf, gilt jedoch nach wie vor als eher irritierend. Bei den Vätern erfolgt dies in umgekehrter Weise, d.h. während sich eher kürzere Elternzeiten von einem bis drei Monaten mittlerweile gut etabliert haben, stoßen längere Auszeiten, auch aufgrund der betrieblichen Routinen vieler Unternehmen, nach wie vor auf mehr oder weniger große Widerstände (vgl. auch Neumann/Meuser 2017).

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periode der Regierungszeit Angela Merkels (2009 bis 2013). Da sich die Kanzlerin zur Zeit des damaligen Bundestagswahlkampfes bereits sehr früh für eine Koalition mit der FDP aussprach und diese im Zuge der Wahl mit 14,6 Prozent ihr bestes Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik erzielten (Niclauß 2015: 363), konnte sie, trotz einem historisch schlechten Abschneiden der CDU/CSU mit 33,8 Prozent, die von ihr gewünschte christlich‐liberale Koalition eingehen.91 Aufgrund des starken Abschneidens der Liberalen bei der Bundestagswahl, konnten diese fünf der 16 Ministerien für sich reklamieren, während der CSU drei und der CDU acht Ministerien zukamen. Die frühere Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) wechselte in diesem Kabinett Merkels in das Amt der Arbeits- und Sozialministerin, welches von Niclauß als »gewichtigeres« politisches Ressort eingeschätzt wird (2015: 367) und erneut die eher geringe Bedeutung unterstreicht, die der Familienpolitik beigemessen wird. Dies konnte bereits innerhalb des Abschnitts des fünften Familienberichts zu Beginn der 1990er Jahre im Kontext der Kanzlerschaft Helmut Kohls konstatiert werden. Auf von der Leyen folgte die CDU-Politikerin Kristina Schröder in das Amt der Bundesfamilienministerin. Neben bereits erwähnten Anpassungen wie der vollständigen Anrechnung des Elterngeldes auf staatliche Transferleistungen (seit 2011) (Jurczyk 2015: 274; auch Mayer/Rösler 2013: 181) und den aufgezeigten Verbindungen des Elterngeldes als Teil der Agenda 2010 im Sinne eines »aktivierenden Sozialstaats« (Scheele 2009: 177), wurden auch im Bereich der Gesundheitspolitik entsprechende privatisierende Maßnahmen eingeführt. Zum einen in Form einer Kommission zur Reform des Gesundheitsfonds; zum anderen in Bezug auf eine Arbeitsgruppe, die Vorschläge für eine private Zusatzversicherung zur Pflege vorbereiten sollte (Niclauß 2015: 366). In dieser Regierungsperiode setzte die CDU im Jahr 2012 auch das umstrittene ›Betreuungsgeld‹ durch, dass als Sozialleistung insbesondere diejenigen Familien fördern soll, die ihre Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Angebote wie Tagesmütter oder Kindertagesstätten etc. betreuen.

91 Der Regierung unter Angela Merkel gehörten im Mai 2010 folgende Minister*innen an: Guido Westerwelle (FDP) als Außenminister und Vizekanzler; Thomas de Maizère (CDU) als Innenminister; Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als Justizministerin; Wolfgang Schäuble (CDU) als Finanzminister; Rainer Brüderle (FDP) als Wirtschafts- und Technologieminister; Ursula von der Leyen (CDU), die nun Arbeits- und Sozialministerin wurde, und auf die Kristina Schröder (CDU) als Familienministerin folgte. Eine vollständige Übersicht findet sich erneut bei Niclauß (2015: 365).

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Der achte Familienbericht (BMFSFJ 2012)92 der damaligen christlich‐liberalen Bundesregierung fokussiert insbesondere das Themenfeld ›Zeit‹ bzw. ›Zeitpolitik‹ und greift Überlegungen des siebten Familienberichts erneut auf oder erweitert diese.93 Hierzu zählen bspw. die familienunterstützenden haushaltsnahen Dienstleistungen sowie die Ausweitung der elternzeitlichen Perspektive auf die Großelternzeit. Die damalige Bundesregierung verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass die überwiegende Mehrheit der Mütter die Hauptlast des Vereinbarkeitsund Zeitmanagements übernehmen, was sich auch in einem Großteil der Narrationen der Studie zu Väter in Elternzeit sowie in den bisher dargestellten Ausschnitten zeigte. Dies erscheint auch deshalb bedeutend, da die Regierung einerseits verdeutlicht, dass das Elterngeld »zu einer unverzichtbaren Unterstützung für junge Familien geworden« (BMFSFJ 2012: xiii) sei, andererseits jedoch explizit hervorhebt, dass insbesondere Müttern Anreize für eine kurze Elternzeit bzw. eine schnelle Rückkehr in den Beruf gesetzt werden sollen: »Der Bericht verweist zu Recht darauf, dass das Elterngeld Müttern Anreize dafür setzt, lange Phasen der Erwerbsunterbrechung zu vermeiden und so die Rückkehr in das Erwerbsleben zu fördern. Das entspricht den Wünschen der Mehrzahl der Mütter und trägt dazu bei, dass sie ihr Erwerbspotenzial besser ausschöpfen können. Das Elterngeld stärkt die Einbeziehung von Vätern in die Familienarbeit und unterstützt damit eine von der Mehrzahl gewünschte moderne Aufgabenund Rollenverteilung in der Familie.« (Ebd.) Gleichzeitig dient das Elterngeld auch dazu, dass Mütter ihr Erwerbspotenzial besser ausschöpfen können bzw. dieses ausschöpfen (können) sollen. In dieser Hinsicht ergibt sich nicht nur ein vermeintlicher Bedarf von Seiten der Mütter, sondern zumindest die Notwendigkeit, dass das Erwerbspotenzial »besser« ausgeschöpft wird, womit indirekt auch das Thema der Entwertung von Humankapital angeschnitten wird. Darüber hinaus gilt das Elterngeld als Stärkung des Einbezugs von 92 Zur Expert*innenkommission des achten Familienberichts gehörten Vorsitzende Gregor Thüsing, Direkter des Instituts für Arbeitsrecht und soziale Sicherheit sowie in stellvertretender Position Fabienne Becker Stoll, Direktorin des Instituts für Frühpädagogik und Hans-Peter Klös, Leiter des Wissenschaftsbereichs Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik des Instituts der deutschen Wirtschaft an. Weitere Mitglieder waren: Andreas Kruse, Leiter des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg; Joachim Möller, Leiter des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB); Jutta Rump, Leiterin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE); Helmut Schneider, Direktor des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik und Inhaber des SVI-Stiftungslehrstuhls für Marketing und Dialogmarketing der SteinbeisHochschule Berlin, sowie Norbert F. Schneider, Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB). Die Geschäftsführung übernahm die Geschäftsstelle des ifo Instituts München mit Wolfgang Auer, Wido Geis, Herbert Hofmann und Helmut Rainer. 93 So werden wesentliche Aspekte ›nachhaltiger‹ Familien(zeit)politik, wie sie bspw. um das Jahr 2006 bereits diskutiert wurden, weitergeführt und vertieft (siehe z.B. Bertram 2006a; 2006b).

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Vätern in den familialen Kontext und unterstützt eine, auf diese Weise gerahmte, »moderne Aufgaben- und Rollenverteilung in der Familie«, der jedoch in dieser Perspektive vor allem eine eher unterstützende bzw. entlastende Funktion der Mütter zukommt, wie sie mit Blick auf den fünften Familienbericht bereits ausführlich diskutiert wurde.94 Neben der Ausschöpfung des mütterlichen Humankapitals fällt auf, dass von einer Geschlechterdifferenz ausgegangen wird, in der sich beide Geschlechtscharaktere aus unterschiedlichen Sphären aufeinander zu bewegen sollen. Die große erwerbsspezifische Bedeutung der Elternzeit wird diesbezüglich auch von Seiten der Berichtskommission wie folgt auf den Punkt gebracht: »Das Elterngeld zielt auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ab. Das kommt einerseits durch die maximal 14-monatige Bezugsdauer zum Ausdruck: Eine länger andauernde Phase des Erwerbsverzichts, in der die neu gegründete Familie für einen längeren Zeitraum im Mittelpunkt steht und die Erwerbstätigkeit erst später wieder eine Rolle spielt, wird dadurch nicht gefördert. Andererseits wird mit der Möglichkeit, bis zu 30 Wochenstunden erwerbstätig zu bleiben, ein durchgehender Kontakt zur Berufswelt aufrechterhalten, was die Arbeitsmarktpartizipation fördern und Anreize für einen frühen Wiedereinstieg in den Beruf setzen soll.« (Ebd.: 71) Auf diese Weise verdeutlicht auch die Kommission des achten Familienberichts, dass es der familienpolitischen Steuerung insbesondere um eine schnelle Rückkehr in den Beruf geht und längere Auszeiten zugunsten der Familie explizit nicht 94 Wobei die bisherige grundlegend heteronormative Bezugnahme auf Familie zumindest aufzuweichen scheint, betrachtet man die Bezugnahme des achten Familienberichts auf Familie: »Gleichzeitig nehmen die Abweichungen von jener als klassisch erachteten Familienform zu. Prominente Beispiele für diese Tendenz zur Pluralisierung der Lebensformen sind die wachsende Verbreitung nicht miteinander verheirateter Eltern, alleinerziehender Eltern, homosexueller Paare mit Kindern sowie die Zunahme von Familien mit zwei vollzeiterwerbstätigen Eltern.« (BMFSFJ 2012: 4) Dennoch wird in weiten Teilen von einem heterosexuellen Bild von Elternschaft ausgegangen: Exemplarisch hierfür: »Die Praxis der heutigen Familie wird nach wie vor durch ein tradiertes Rollenverständnis geprägt, indem Mann und Frau innerhalb der Familie bestimmte Rollen für sich übernehmen und sich entsprechend der gesellschaftlichen Erwartungen verhalten.« (Ebd.: 118) Es geht dabei nicht darum, in Abrede zu stellen, dass sich ›empirisch‹ ggf. vorwiegend heterosexuell strukturierte Formen von Elternschaft finden, sondern darum deutlich zu machen, wie die Perspektive der Berichte nach wie vor auf eine entsprechende Weise strukturiert ist. Eine andere Bezugnahme, d.h. eine heteronormativitätskritische, könnte bspw. die Frage aufwerfen, ob nach wie vor einer dichotomen Konzeption von Elternschaft (Mutter/Vater) gefolgt werden soll oder ob hier nicht Konzeptionen im Sinne von ›Elternperson‹, wie dies im Kontext der 1970er und 1980er Jahre am Beispiel Schwedens deutlich wurde, angemessener wären. Dies umso mehr, als prospektiv, durch die Anerkennung der »Ehe für alle« und die Einführung des »Dritten Geschlechts«, auch Familien- und Elternformen jenseits heteronormativer Figurationen möglich werden.

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gefördert werden. Durch diese Nicht-Förderung längerer Familienzeiten wird eine familienpolitische Stoßrichtung deutlich, die insbesondere eine Erwerbstätigkeit, nicht jedoch eine Familientätigkeit fördern möchte. Damit wird auch eine Privilegierung der Erwerbstätigkeit gegenüber jener Familientätigkeit deutlich. Gleichzeitig unterstreicht die Kommission die Möglichkeit der Teilzeitarbeit von bis zu 30 Wochenstunden. Dies ist insofern beachtenswert, da sich der Umfang der Möglichkeit zur Teilzeitarbeit im Kontext der Entwicklung des Erziehungsgelds bzw. der Elternzeit seit den 1980er Jahren sichtbar erhöht hat: Waren in den 1980er Jahren innerhalb des Erziehungsgeldgesetzes noch bis zu 20 Wochenstunden vorgesehen, sind seit der Novellierung des BEEGs im Jahr 2007 30 Wochenstunden teilzeitlicher Erwerbsarbeit möglich. Insofern wird auch auf dieser Ebene eine Ausweitung erwerbsspezifischer Bezüge deutlich, insbesondere, da mit der Konzeption des Erziehungsgeldes Mitte der 1980er Jahre ein temporärer »Verzicht« auf Erwerbsarbeit für den betreuenden Elternteil ermöglicht werden sollte (vgl. Malzahn 1985: 186). Die Bezüge zwischen Elternzeit und Erwerbsarbeit werden innerhalb des achten Familienberichts auch dadurch vertieft, dass das Thema der Weiterbildung umfangreicher als zuvor eingeführt wird. Damit eröffnet sich im Kontext der Elternzeit eine Bedeutung, die nicht ausschließlich auf Familie, sondern auch auf die Erwerbsarbeit bezogen ist. Zwar könnte argumentiert werden, dass es in der ›Wahlmöglichkeit‹ des Subjekts bzw. der ›Freiwilligkeit‹ der Entscheidung liegt, eine Weiterbildungsmaßnahme in Anspruch zu nehmen oder nicht, jedoch zeichnete sich bereits an diversen Stellen ab, dass es weder mit besagter ›Wahlfreiheit‹ so einfach ist, noch dass unproblematisch von einer ›freien‹ Entscheidung des Subjekts auszugehen ist. Das Erscheinen des Themas Weiterbildung spannt dabei gerade keinen neutralen Möglichkeitsraum auf, insbesondere vor dem Hintergrund der dargestellten Anreizstruktur, die die Bundesregierung hinsichtlich der Elternzeit ausgeführt hat. Die Möglichkeit der Weiterbildung konstituiert einen Anreiz, der darauf abzielt, mindestens mit der Erwerbsarbeit verbunden zu bleiben bzw. auch (um nicht zu sagen sogar) während der Elternzeit mit dem Unternehmen in Kontakt zu stehen oder sich darüber hinausgehend weiterzubilden. So ließ sich z.B. im März des Jahres 2017 in den Foren der Süddeutschen Zeitung eine Debatte darüber verfolgen, ob das Elterngeld als eine Art ›Urlaubsgeld‹ genutzt werden dürfe, bzw. ob Eltern – insbesondere während der Elternzeit der Väter – ein gemeinsamer Familienurlaub erlaubt sein solle oder nicht95 (vgl. z.B. auch Kramper 2017; Lottritz 2017). Spannend an diesem Diskurs ist nicht nur die moralisch aufgeladene Debatte über richtiges/falsches Verhalten innerhalb der Elternzeit, sondern 95 Die ausführliche Debatte findet sich Online unter: www.sueddeutsche.de/leben/leserdis kussion‐urlaub-finanziert‐mit-elterngeld‐ist-das‐verwerflich-1.3422258 – zuletzt aufgerufen am 15.05.2019.

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es wäre in diesem Sinne auch die Frage zu stellen, ob und inwieweit die Durchführung einer Weiterbildungsmaßnahme während der Elternzeit ähnlich kontrovers diskutiert würde. Dass jedoch auch eine Unternehmensgründung innerhalb der Elternzeit eine relevante Frage für den Elternzeit-Ratgeber der Süddeutschen Zeitung darstellt, unterstreicht eine ausführliche Antwort des »SZ-Jobcoachs« Ina Reinsch auf die Frage einer Leserin.96 Auch die ›richtige‹ Nutzung der Elternzeit für den Beruf thematisierte die Zeitung bereits 2015, indem Eltern (insbesondere Mütter) darauf hingewiesen werden, dass die Elternzeit kein vollständiger Rückzug aus dem Erwerbsleben bedeuten sollte. Die Empfehlung der Expertin zur Länge der Elternzeit (wiederum vor allem für Frauen) lautet diesbezüglich: »So lange wie nötig. So kurz wie möglich.« Wobei die Forderung einer schnellen Rückkehr sehr deutlich hervortritt (siehe Grass 2015). Am 12. April 2016 lassen sich Tipps für die Nutzung der Elternzeit für den Beruf finden.97 Dies unterstreicht, dass die diskutierte Öffnung der Elternzeit hin zu einer beruflichen Nutzung durchaus ein relevantes Thema geworden ist. Eine entsprechende öffentliche Debatte darüber wie im Kontext ›Elternzeit und Urlaub‹ findet sich indes nicht. In diesem Zusammenhang lässt sich mit einigem Recht schlussfolgern, dass eher die ›nicht richtige‹ Nutzung der Elternzeit im Sinne eines rekreationalen Familienurlaubs zu einer öffentlichen Debatte führt, während sich bisher keine Auseinandersetzungen mit Blick auf eine eher berufliche Nutzung ergeben haben. Einerseits könnte dies mit einer geringen Relevanz von Weiterbildungen für viele Eltern zu tun haben, andererseits jedoch auch darauf hinweisen, dass Weiterbildungen und Ähnliches durchaus innerhalb des Rahmens einer ›richtigen‹ Nutzung der Elternzeit zirkulieren können. Hierdurch wird eine ökonomische Rationalität sichtbar, die sich in asymmetrisch‐privilegierender Weise dem Erwerbskontext zugewandt zeigt, der dezidiert die Erosion jener Grenzziehungen zwischen Familie und Beruf befördert, da eine solche Einfassung nicht für einen elternzeitlichen Schonraum steht, in welchem sich Eltern von erwerbsförmigen Anforderungen frei machen können und/oder sollen. Zwar berichten im Rahmen der Studie manche Paare von Ambitionen der Weiterbildung, jedoch zerschlugen sich diese Pläne nach der Geburt äußerst schnell. Die Einführung der Möglichkeit zur Weiterbildung im Kontext der Elternzeit erscheint dabei als eine machtvoll‐produktive Anreizstrategie, die den Eltern eine Potenzialität in Aussicht stellt, an der dieser Rahmen sie ausrichtet. Es geht dabei nicht um ein – im Foucault’schen Sinne disziplinierendes – »Du sollst«, sondern eher um ein »Du könntest« bzw. ein »Du sollst wollen«, welches die 96 Siehe hierzu: www.sueddeutsche.de/karriere/frage‐an-den‐sz-jobcoach‐kann-ich‐waehrendder‐elternzeit-eine‐firma-gruenden-1.2295420 – zuletzt aufgerufen am 15.05.2019. 97 Siehe weiterführend: www.sueddeutsche.de/news/karriere/arbeit‐so-nutzt‐man-die-eltern zeit-fuer‐den-job‐dpa.urn‐newsml-dpa‐com-20090101-160411-99-536631 – zuletzt aufgerufen am 15.05.2019.

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Verantwortung für die eigene Karriere, das eigene Humankapital in aktivierender Weise auf das Subjekt verschiebt. Entsprechend werden hier eher Verschiebungen hin zu einer ›Kontrollgesellschaft‹ im Deleuze’schen Sinne (2014) deutlich bzw. lässt sich auch an Ausführungen des Soziologen Ulrich Bröcklings zum »Unternehmerischen Selbst« anknüpfen (2013b). Er beschreibt in Bezug auf das Unternehmerische Selbst: »Das unternehmerische Selbst bezeichnet überhaupt keine empirisch beobachtbare Entität, sondern die Weise, in der Individuen als Personen adressiert werden, und zugleich die Richtung, in der sie verändert werden und sich verändern sollen.« (Bröckling 2013b: 46) Die Schaffung besagten Möglichkeitsraums der Weiterbildung innerhalb der Elternzeit schafft damit einen Rahmen, der mit jenen Adressierungen des »Selbstmanagements« in Verbindung steht, von denen Bröckling schreibt: »Für den Unternehmer seiner selbst hat es nichts Anrüchiges, ›sich gut zu verkaufen‹, im Gegenteil: Genau daraus bezieht er sein Selbstwertgefühl. Er führt sein Leben als permanentes Assessment Center und weiß, dass es nicht reicht, Kompetenzen vorzuweisen, sondern vor allem darauf ankommt, diese zugleich als authentischen Ausdruck der eigenen Persönlichkeit erscheinen zu lassen. Als bloßes Rollenspiel würde das Selbstmarketing seine Wirkung verfehlen; der Einzelne muss sein, was er darstellen will.« (ebd.: 72 – Kursivierung B.N.) Insbesondere diejenigen Subjekte, die eine ausgeprägte Karriereorientierung aufweisen, sind durch die Schaffung eines solchen Möglichkeitsraums immer mit der Frage nach ihrem beruflichen Engagement, ihrem Karrierewillen etc. konfrontiert. Das Ausschlagen der Weiterbildung wird so gleichermaßen nicht nur zu einer Nicht-Nutzung besagter Möglichkeit, sondern auch zu einem Ausweis mangelnden beruflichen Engagements oder Karrierewillens. Eine vergleichbare relationale Potenzialität wurde z.B. im Kontext der Narrationen des Paares Cramer sichtbar, deren ›Wissen‹ über ihre ›mangelnde‹ Produktivität sich aus der Relation zu ihren Kolleg*innen und Vorgesetzten sowie den grundlegenden Strukturierungen des akademischen Mittelbaus ergab. Beim Thema Weiterbildungen im Zusammenhang mit Elternzeit ergibt sich somit eine weitere Dimension der Ökonomisierung des Privaten, die nicht nur – wie im Kontext der familienunterstützenden haushaltsnahen Dienstleistungen – die Eltern zu Arbeitgebenden macht, sondern die den vorgeblich familienexklusiven Schonraum für Zugriffe öffnet, die insbesondere in ökonomisch‐erwerbsförmiger Weise in Erscheinung treten. Damit wird eine ökonomische Verantwortlichkeit in die Konzeption der elterlich‐erwerbsförmigen Subjekte in eine Weise eingeschrieben, die das Subjekt auffordert, sich auch (eigen-)verantwortlich während familialer (Eltern-)Zeit(en) um Investitionen in und den Schutz des Humankapitals zu

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kümmern. Dass sich diese Forderung zur Fort- und Weiterbildung nicht nur als implizite (An-)Forderung, sondern durchaus als Drohung verstehen lässt, beschreibt die Berichtskommission im Abschnitt Fortbildungen während der Elternzeit wie folgt: »Manche Berufe sind fortbildungsintensiv. Steigt ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Elternzeit zeitweise aus dem Beruf aus, so gelingt ihm der Wiedereinstieg nicht ohne weiteres, wenn er sich nicht auch während der Elternzeit Fortbildungsmaßnahmen unterzogen hat.« (BMFSFJ 2012: 126) Allerdings könnte die Arbeitsmarkt- bzw. Arbeitsplatzorientierung diesbezüglich an ihre Grenzen stoßen, wenn besagte Fort- und Weiterbildungen in einem Maße (familiale) Zeit binden, die die (bereits möglichen) 30 Wochenstunden teilzeitlicher Arbeit weiter übersteigen, da sich dabei die Frage stellt, weshalb eine Elternzeitnahme überhaupt beansprucht wird bzw. noch beansprucht werden soll, wenn jene Fort- und Weiterbildungen einen vollzeitnahen Umfang annehmen. Letztlich stellt sich auch die Frage, wie weitreichend die erwerbsförmige Zurichtung der elterlichen Subjektivitäten erfolgen kann bzw. innerhalb der Rationalität des Regierungshandelns erfolgen soll. Wobei von Seiten der Berichtskommission keine grundsätzliche Aufweichung vorgeschlagen wird, sondern die Implementierung einer gesetzlichen Ausnahmeregelung in das Teilzeitgesetz vorgesehen ist, die es den elternzeitnehmenden Personen erlaubt, die 30 Wochenstunden teilzeitlicher Arbeit zu überschreiten (ebd.). Zwar kann es als Lösung gelten, dass die Arbeitgeber*innenseite Sorge tragen soll, dass ihre Arbeitnehmer*innen an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen können, dennoch löst dies keineswegs die aufgeworfene Problematik, die sich vor allem aus dem erwerbsspezifischen Zugriff auf Eltern ergibt, die während der Elternzeit zusätzliche Fort- und Weiterbildungen besuchen (sollen), noch klärt es die Frage, ob mit solchen Regelungen das Ziel eines elterlichen bzw. familialen Schonraums im ersten Lebensjahr des Kindes nicht ad absurdum geführt wird. Obwohl die Kommission darauf verweist, dass eine Elternzeitnahme nicht zum Risikofaktor innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses werden dürfe, begründet sie ihre Forderung zur ›ausnahmsweisen‹ Überschreitung der teilzeitlichen Grenze von 30 Stunden mit der Prävention der Entwertung der beruflichen Eignung der Arbeitnehmer*innen und verweist damit indirekt auf die Entwertung des Humankapitals: »Dies deshalb, weil die regelmäßige Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen bei einigen Berufsgruppen ein unbedingtes Qualifikationserfordernis darstellt. Bildet sich der Arbeitnehmer nicht fort, so verliert er seine berufliche Eignung.« (Ebd.) Wie eng die Aspekte – insbesondere auch jener der Aktivierung mütterlicher Erwerbstätigkeit – darüber hinaus auch mit demographischen und wirtschaftlichen

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Herausforderungen verknüpft sind, verdeutlicht die Bundesregierung unter Verweis auf flexible(re) Arbeitszeiten: »Nur mit flexiblen Arbeitszeiten, die die familiäre Verantwortung von Männern und Frauen berücksichtigen und mit betrieblichen Interessen ausbalancieren, kann es angesichts des demografischen Wandels und des drohenden Fachkräftemangels gelingen, insbesondere mehr qualifizierte Mütter in den Arbeitsmarkt zu integrieren und gleichzeitig verlässliche Zeit für Familien zu ermöglichen.« (Ebd.: xvi) Entsprechend wird die Bedeutung von Aktivierung auf unterschiedlichen Ebenen deutlich. Ob diesbezüglich ein »Ausbalancieren« der elterlichen mit betrieblichen Interessen möglich ist, und falls ja, in welcher Form, muss zumindest insofern infrage gestellt werden, als sich insbesondere die abhängig beschäftigten Eltern nicht in einer symmetrischen Verhandlungsposition befinden. Diese asymmetrischen Machtverhältnisse und die sich daraus ergebenden Konflikte finden sich auch innerhalb des Interviewmaterials (vgl. z.B. ausführlich Neumann/Meuser 2017; Aunkofer/Meuser/Neumann 2018); diese werden dabei auch in anderen Forschungsarbeiten – auch im Kontext der Elternzeit – umfänglich diskutiert (siehe auch Kapitel 1.3). Der »Flexibilisierung der Elternzeit« wird innerhalb der Stellungnahme der Bundesregierung ein eigener Abschnitt eingeräumt (BMFSFJ 2012: xvii). Neben der Weiterführung des Themas haushaltsnaher Dienstleistungen erscheint für die Bundesregierung insbesondere die Ausweitung der Großelternzeit interessant und prüfenswert »soweit sie im Einklang mit dem Ziel zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung Älterer« steht (ebd.: xviii). Die angesprochenen Aspekte verweisen dabei mindestens auf zweierlei: zum einen darauf, dass es Überlegungen gibt, die Elternzeit weiter zu flexibilisieren und hierzu u.a. auch auf die ›Humanressource‹ älterer Menschen zurückzugreifen bzw. den engeren Familienkreis der Großeltern. Mit dieser Thematisierung wird auch die ›Notwendigkeit‹ aufgeworfen, dass die Elternzeit als solche einer Flexibilisierung bedarf. Zum anderen macht das Zitat deutlich, dass dieser Einbezug nicht so weit führen darf bzw. soll, dass dieser mit dem Ziel der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer*innen konfligiert. In diesem Sinne wird einerseits erneut eine grundsätzliche aktivierende Regierungsrationalität sichtbar, die nicht nur auf jüngere Arbeitnehmer*innen und Eltern (insbesondere Mütter) abzielt (siehe auch Leyen 2004), sondern auch am Schutz, Erhalt und Einbezug des Humankapitals älterer Arbeitnehmer*innen Interesse zeigt. Andererseits wird durch diese Bezugnahme der Bundesregierung erneut eine Privilegierung der Erwerbstätigkeit gegenüber familialer Unterstützung deutlich, da besagte Überlegungen zu einer Großelternzeit nicht mit der Aktivierung des Erwerbspotenzials älterer Arbeitnehmer*innen in Konflikt geraten sol-

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len.98 Insofern sollen ältere Arbeitnehmer*innen in erster Linie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und erst in zweiter Linie, sofern eine Erwerbstätigkeit nicht in Betracht kommt, der Familie im Sinne einer familienunterstützenden Tätigkeit. Damit zusammenhängend wird jedoch auch deutlich, dass das Spektrum der Unterstützungen für Familien zwar durch die Überlegungen zum Einbezug der Großeltern in den Kontext der Elternzeit – die haushaltsnahen Dienstleistungen übersteigend – erweitert, die Sorge um die Unterstützungen als solche damit aber auf die Eltern verschoben wird. Nicht nur die haushaltsnahen Dienstleistungen sollen durch die Re-/Investition eines Einkommensanteils von Seiten der Eltern eingekauft bzw. arbeitgebend ermöglicht, sondern auch die Inanspruchnahme der Großelternzeit vom erweiterten Familienkreis subsidiär privat geleistet werden.99 Zwar plädiert die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme für einen weiteren Ausbau von Ganztags- und (früh-)kindlichen Betreuungsreinrichtungen, jedoch wird die elterliche (Eigen-)Verantwortung dabei nicht infrage gestellt. Dem weiteren Ausbau von Betreuungseinrichtungen wird sehr positiv begegnet, wenngleich die Regierung darauf verweist, dass im Rahmen einer Elternbefragung des zweiten KiFöG(Kinderförderungsgetzes)-Berichts »Zeitflexible Betreuungslösungen letztlich Vorrang vor dem Vorhandensein von Ganztagsbetreuungsplätzen haben« (BMFSFJ 2012: xiii). Neben einem quantitativen Ausbau der flächendeckenden Kinderbetreuungseinrichtungen soll auch eine Qualitätssteigerung bestehender und zu etablierender Angebote erreicht werden. Auch, da die Regierung auf den elterlichen Bedarf hinweist, dass deren Kinder nicht nur »betreut und versorgt, sondern insbesondere auch gut gebildet und erzogen werden.« (Ebd.) sollen. Dem Ausbau (früh-)kindlichen Betreuungseinrichtungen wird insofern positiv begegnet, als die Qualität solcher Angebote als gewährleistet gilt. Die frühen Förderungen werden dabei u.a. auch als Unterstützung für Kinder aus »bildungsfernen Milieus« gerahmt. Das Interesse an einer grundsätzlichen frühen Betreuungs- und Förderungsstruktur erfüllt dabei sowohl den Anspruch auf »Chancengleichheit« als auch auf elterliche Unterstützung die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betreffend. Sie verschiebt jedoch durch das frühe Einsetzen gezielter Förderung, Bildung und Entwicklung das Bild von ›Kindheit‹ als Schonoder Freiraum.100 Diesbezüglich kann argumentiert werden, dass ein möglichst 98 Wobei die Kommission des achten Familienberichts sich ausdrücklich für eine Ausweitung der Großelternzeit komplementär zur Elternzeit ausspricht (BMFSFJ 2012: 2). 99 Die Überlegungen der Kommission zur Großelternzeit besitzen insbesondere auch eine Entlastungsfunktion für die einer Erwerbsarbeit nachgehenden Personen. Als Beispiel werden sich noch in der Ausbildung befindliche Personen genannt, wobei die Großelternzeit nicht gleichzeitig zur Elternzeit der Eltern stattfinden kann. (ebd.: 130) bzw. soll. Insofern zeigt sich auch, dass die jeweilige konzeptionelle Ausgestaltung weitreichende Konsequenzen nach sich zieht. 100 Erinnert sei an dieser Stelle auch an die Entwicklung eines (früh-)kindlichen Gesundheitsbewusstsein z.B. in Bezug auf Ernährung, das bereits deutlich wurde.

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früher Zugriff auf die kindliche Entwicklung einen Versuch der Entwicklung und Sicherung des (zukünftigen) Humankapitals der Kinder bzw. des gesellschaftlichen Humanvermögens darstellt und somit durchaus als eine ›sinnvolle Investition‹ der Regierungsrationalität gelten kann. Insbesondere auch, weil die bereits beschriebene Verschiebung innerhalb der familienpolitischen Perspektive, die möglichst alle Subjekte aktiv in Produktion und Erhalt des Humankapitals/Humanvermögens einbezieht, seit Mitte der 1990er Jahre eine wichtige Verschiebung, bspw. im Kontrast zu den Ausführungen innerhalb des dritten Familienberichts von 1979, markiert. Der Ausbau von Ganztagsbetreuung verbessert hierbei, laut der damaligen Bundesregierung u.a. auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und soll zudem die Erwerbstätigkeit der Eltern, insbesondere der Mütter, unterstützen. Diese Möglichkeit der Verbindung solle dabei mit dem Schuleintritt der Kinder erhalten bzw. möglich bleiben. Halbtagsschulen werden insbesondere aufgrund einer Vereinbarkeitsproblematik kritisiert, während der Ganztagsbetreuung eine relativ ausführliche Darstellung hinsichtlich ihrer positiven Effekte von Seiten der Bundesregierung gewidmet wird. Auffällig ist in diesen Überlegungen, wie bereits mehrfach aufgeworfen, dass es der Bundesregierung vor allem darum zu gehen scheint, einen Rahmen zu gestalten, in dessen Konzeption sich elterliche Subjekte sowie familiale Entwürfe realisieren, die insbesondere um die Erwerbsarbeit choreographiert sind. Zwar wird in den Familienberichten seit den 1990er Jahren darauf verwiesen, dass auch die Erwerbssphäre ›familienfreundlicher‹ werden müsse, Arbeitsplätze sich an den Bedarfen von Eltern orientieren sollen etc., jedoch weisen die Überlegungen in den Familienberichten nicht in eine Richtung, die bspw. Erwerbsarbeit von dem Komplex Familie aus denkt, sondern verweisen eher darauf, dass der Ausgangspunkt der Überlegungen zu Familie die Erwerbsarbeit darstellt. Die Verstrickung der Eltern in die konstitutiven Bezüge aus Erwerbsarbeit und Familie korrespondieren in diesem Sinne mit einer Perspektive eines eigenverantwortlichen, marktförmigen Subjekts innerhalb einer neoliberalen Ordnung, die auch mit einer zunehmenden Individualisierung der Zeitstrukturen einhergeht. Die Kommission macht deutlich, dass viele Unternehmen angeben, sich für das Thema der Familienfreundlichkeit101 zu interessieren und z.B. flexibilisierte Modelle der Arbeitszeit im Rahmen der Elternzeit eingesetzt werden. Karin Jurczyk weist zu Recht kritisch darauf hin, dass »der Begriff ›Freundlichkeit‹ [eher] Generosität als einen berechtigten, geschweige denn rechtsfähigen Anspruch an die Unternehmen« signalisiert (Jurczyk 2015: 270). Auch verdeutlicht sie, dass sich »Familienfreundlichkeit« sehr häufig vor allem an Mütter richte und damit tradierte 101 Dass sich besagte ›Freundlichkeit‹ und das unternehmerische ›Interesse‹ vor allem (auch) ökonomisch begründen, werden die Ausführungen zum Väterreport 2016 (BMFSFJ 2016b) weiter unten zeigen.

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Geschlechterklischees re-/produziere. Des Weiteren wird in ihren Ausführungen deutlich, dass diese Leistungen keinen Anspruch darstellen, sondern immer wieder erneut ausgehandelt werden müssen und sich häufig darüber hinaus vor allem an hoch qualifizierte Eltern richten. Auch lässt das sogenannte »flexibility stigma« insbesondere Männer von der Inanspruchnahme besagter Maßnahmen zurückschrecken. In diesem Sinne konstatiert Jurczyk, vor dem Hintergrund, dass weniger als ein Prozent der deutschen Unternehmen als »familienfreundlich« auditiert sind, zusammenfassend: »Das Gros [der Beschäftigten – Anm. B.N.] geht leer aus beziehungsweise sieht sich einem steigenden Wettbewerbs- und Erfolgsdruck ausgesetzt, bei dem im Zweifelsfall diejenige Arbeitskraft im Vorteil ist, die nicht durch Sorgeaufgaben eingeschränkt ist, unabhängig von ihrem Geschlecht.« (Ebd.) Wobei auch die Kommission des achten Familienberichts darauf hinweist, dass eine Flexibilisierung der Arbeitszeit(en) die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zwar erleichtern kann, aber nicht unbedingt von familienbewussten Motiven getragen sein muss (BMFSFJ 2012: 8). Man könnte darüber hinaus einwenden, dass eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten dazu führen kann, dass auch Arbeit(szeit) mit in den familialen Kontext übernommen wird und auf diese Weise die Flexibilisierung zumindest kontraproduktiv hinsichtlich des Aspekts ›mehr Zeit für Familie‹ wirken kann, sofern zusätzlich noch von zu Hause gearbeitet wird bzw. werden muss (vgl. diesbezüglich auch kritisch Bogedan 2015: 30; Hoffmann et al. 2015; Jürgens 2015: 301ff.). Die Interviewauszüge zu den Inanspruchnahmen der haushaltsnahen Dienstleistungen verdeutlichten bereits, dass Eltern bestimmte Tätigkeiten in die Abendstunden verschieben (müssen), um den diversen Anforderungen gerecht werden zu können. Otto Ortmann, ein weiterer Vater der Studie, der aus seiner Position des oberen Managements eines international tätigen Unternehmens heraus für elf Monate in Elternzeit ging, während seine ebenso international tätige Partnerin nach vier Monaten Elternzeit wieder in ihren Beruf zurückkehrte, schildert in dem Gespräch den Beginn seiner Elternzeit wie folgt: »Auch ein Grund für mich bin ja elf Monate insgesamt in Elternzeit war eben auch ein Grund zwei Monate was ja doch etliche Männer machen hätte dazu geführt dass ich da nie rausgekommen wäre ich hätte es hätte sich ergeben dass ich kenn das ja von von Kollegen wenn man dann in den Urlaub geht dann sind da doch drei vier Termine und plötzlich hat man jeden Tag irgendwie ein Conference Call in seinem Kalender stehen. Und deswegen hätt ich diese zwei Monate gar nicht entspannt genießen können insbesondere weil meine Frau ja auch dann gearbeitet hat. Ich bin hab musste sie ja jetzt alleine versorgen. Und hab das gemerkt ich bin im Mai in Elternzeit gegangen sie war drei Monate alt zu dem Zeitpunkt und ich habe bis ich glaub Juli gebraucht bis dann so alle Restanten abgearbei-

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tet waren. Äh Projekte die noch liefen Mandanten die immer noch angerufen haben. Die das zwar wussten aber ja ich musste manches Telefonat abbrechen weil sie dann einfach geschrien hat dann hab ich gesagt es geht jetzt nicht. Und irgendwann hab ich mein Telefon zur Seite gelegt meinen Laptop nicht mehr angemacht.« Die längere Narration illustriert dabei zum einen, wie weitreichend in bestimmten Berufen erwerbsspezifische Eingriffe auch in den Kontext der Elternzeit reichen können, zum anderen jedoch auch, die Verschwommenheit der Grenze zwischen Erwerbs- und Familiensphäre. Im Kontext der Flexibilisierung von Arbeitszeiten liegt – wie an den verschiedenen Beispielen deutlich wird – zumindest der Schluss nahe, dass eine Flexibilisierung zwar durchaus eine Möglichkeit darstellen kann, bspw. auf eine Erkrankung des Kindes reagieren zu können, sich hierdurch jedoch auch anfallende berufliche Aufgaben in den Raum der Familie verschieben können. Claudia Bogedan verweist, vor dem Hintergrund von Technikentwicklung und Digitalisierung darauf, dass sich aus diesen grundlegenden Veränderungen auch die Verhältnisbestimmung zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in verschiebt: »Mit den neuen technischen Möglichkeiten entwickelt sich zudem ein neuer Typus von Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hin zu einer Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung, die den bisherigen Regulierungsgegenstand Guter Arbeit, nämlich das Beschäftigungsverhältnis, verflüchtigt. Die dabei entstehenden Organisationsformen […] tragen aktuell eher die Züge eines Manchesterkapitalismus.« (Bogedan 2015: 26)102 Auf diese Weise wird nicht nur die ›interne‹ Spannung dieser familienpolitischen Subjektentwürfe um Mutter- und Vaterschaft deutlich, die sich einerseits zwar als Elternsubjekte zunehmend aufeinander zu bewegen sollen, andererseits sich hinsichtlich der zugeschriebenen wie realisierten Familien- und Sorgearbeit(en) nach wie vor voneinander unterscheiden; sondern auch, wie das zunehmende Ineinanderfließen von Familien- und Erwerbsarbeit auch den familialen Rahmen nicht nur neu strukturiert, sondern nachhaltig verändert. Gleichzeitig unterstreicht dies, wie die elterlichen Subjektentwürfe selbst wiederum durch Verschiebungen innerhalb der Erwerbssphäre konfiguriert werden. Der Trend zu einer Individualisierung der Arbeitszeiten bzw. deren Verschiebung wird auch von Seiten der Berichtskommission herausgestellt. Die Regelungen entsprechen damit immer weniger kollektiven Regelungen, sondern verschieben sich in Richtung individueller Ziel- und Leistungsvereinbarungen: 102 Wobei hier unter ›Manchesterkapitalismus‹ u.a. Formen eines Laissez‐faire-Liberalismus zu verstehen sind, die innerhalb des zweiten Kapitels diskutiert wurden.

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»Die optimale Nutzung von Arbeitszeit wird zunehmend durch die Beschäftigten selbst betrieben, nicht mehr durch Vorgesetzte. Dadurch wachsen Zeitdruck und die Erfordernis zu einem optimierten Zeitmanagement auf Seiten der Beschäftigten. Zeitdruck und Zeitkoordinationsprobleme führen zu einer spürbaren subjektiven, oft auch objektiven Verdichtung und Beschleunigung.« (BMFSFJ 2012: 8) Die Kommission problematisiert hierbei insbesondere auch die »Zeitbudgetkonkurrenz«: »Die Argumentation über die Taktgeber der Zeitgestaltung verdeutlicht, dass externe Rahmenbedingungen zu einer Zeitbudgetkonkurrenz in bestimmten Lebenslagen beitragen und zu Zeitmangel und fehlender Zeitsouveränität für Familien führen können.« (Ebd.: 10) Allerdings bleibt die Diskussion der Frage aus, ob ebenjene Strukturierungen bzw. Konkurrenzen vor allem ›Investitionen‹ in entlohnte Erwerbsarbeit belohnen, während jene in unbezahlte Reproduktions- und Sorgearbeit (mindestens) nicht entlohnt bzw. ggf. konsequenzenreich ›bestraft‹ werden, wenn entsprechendes Engagement z.B. in einem Bruch des Karriereverlaufs mündet. Diesbezüglich konkurrieren nicht lediglich Zeitressourcen, die auf verschiedene Sphären zu verteilen wären, sondern zwei Sphären, die in hierarchischer Weise nach wie vor aufeinander bezogen sind. Der Fokus liegt hierbei vor allem auf einem aktiven Erwerbssubjekt und zwar in Kontrast zu den (aus erwerbsspezifischer Perspektive) mehr oder weniger ›inaktiven‹ fürsorgeleistenden Familiensubjekt. Eine solche nach wie vor bestehende Hierarchisierung konstatiert auch Kerstin Jürgens (2015: 297) unter Berücksichtigung von Ergebnissen der Familienforschung. Somit wird nicht nur eine Hierarchie zwischen Familien- und Erwerbssphäre, sondern auch einer nach wie vor bestehenden Wertigkeit, zwischen fürsorgeverantwortlichen- und nicht‐fürsorgeverantwortlichen Subjekten deutlich, die zwar seit dem fünften Familienbericht (BMFSFJ 1994) problematisiert wird, sich jedoch durch die gouvernementale Privilegierung der ökonomischen Sphäre kontinuierlich re-/produziert. Diese Asymmetrie erhält sich auch dadurch, dass viele abhängig beschäftigte Eltern zur Erwirtschaftung ihres Lebensunterhalts auf ihre Erwerbstätigkeit angewiesen sind. Eine unentgeltliche Übernahme von Fürsorgeverantwortung, die zumindest auch eine denkbare Alternative darstellen kann, wird in diesem Kontext vollends in den Bereich des Verworfenen verschoben. Die In-/Aktivität der Subjekte konstituiert sich damit weiterhin entlang der Möglichkeiten von Operationalisierung und Quantifizierung, die einer ökonomischen Rationalität unterworfen sind. Der achte Familienbericht rahmt seine elterlichen Subjektivitäten diesbezüglich selbst als ›Investoren‹, die aufgrund der Zeitbudgetkonkurrenz ggf. »Unterinvestitionen« in die Familie vornehmen (BMFSFJ 2012: 7) – was in diesem Sinne bereits eine öko-

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nomische Semantik103 deutlich macht. Er betont darüber hinaus auch Aspekte, die aus bevölkerungs-, geschlechterpolitischer und (volks-)wirtschaftlicher Perspektive nachteilig erscheinen, wie bspw. eine geringere als erwünschte Geburtenrate, eine geringe Qualität elterlicher Fürsorge, unzureichende Bildungsinvestitionen oder eine volkswirtschaftliche Verteuerung der Pflege (ebd.). Allerdings kann es laut der Kommission auch zu einer »Überinvestition in die Familie« kommen, »was zu einem Verlust an volkswirtschaftlicher Wertschöpfung durch Erwerbstätigkeit sowie zu einer signifikanten Verschlechterung der ökonomischen Lage der Familie führen kann« (ebd.). Entsprechend wird deutlich, dass die grundlegende Rationalität hierbei auf eine Optimierung und Effizienzsteigerung der Zeitstrukturen ausgerichtet ist und nicht bspw. darauf, Eltern oder Familien einen größeren zeitlichen Handlungsspielraum zu verschaffen. Auch wird erneut deutlich, wie im Rahmen dieser gouvernemental‐biopolitischen Thematik ökonomische und bevölkerungspolitische Aspekte untrennbar miteinander verschränkt sind: Auf ›individueller Ebene‹ wird vor allem Zeitstress genannt, wobei auch hier kein Hinweis auf die Asymmetrie verschiedener Bereiche erfolgt oder Entsprechendes in den Text oder die Überlegungen einfließt. Die Feststellung der Verdichtung von Zeitanforderungen und damit verbundenen Problemen führen zu der Folgerung der Kommission, dass dadurch die »individuellen Ansprüche« steigen würden, die eigene Zeit nutzenmaximierend zu gestalten, was wiederum auf eine Perspektivierung nutzenmaximierender Subjekte verweist und dabei unterschlägt, dass die ökonomischen Rahmungen und Forderungen nach Optimierung, Effizienzsteigerung etc. konstitutiv für ein ›nutzenmaximierendes‹ Subjekt als solches sind, das auf diese Weise performativ hervorgebracht wird und sich hervorbringt. Karin Jurczyk kritisiert mit Blick auf einen weitgefassten Bezug auf ›Care‹, der, neben Fürsorge(-Praxis) auch Selbst- und Lebenssorge, Zuwendung und Pflege bis hin zur Umwelt umfasst (2015: 263), dass die gesellschaftliche Relevanz von Care nicht in den Blick gerate: »Das auch durch EU-Normen gesetzte neue Leitbild der Zweiverdienerfamilie und das sozialstaatliche Gebot der Beschäftigungsfähigkeit für alle verhindern viel103 Die grundlegende ökonomische Rationalität in den Ausführungen des achten Familienberichts wird. auch innerhalb des Abschnitts Familienzeitpolitische Handlungsfelder deutlich, in dem der Bezug auf »Zeitkonten« Zeit zwischen einzelnen Personen im Sinne einer Ware oder tauschbaren Ressource konzipiert: »Zeitkonten können in diesem Sinne lebensphasenbezogen weiter entwickelt werden, gleichsam zu einer ›Zeittankstelle‹ im Lebensverlauf werden. Zeit tanken kann aber auch bedeuten, interpersonal Zeitguthaben zu erarbeiten, die in anderen Phasen eingelöst werden können. Ähnlich wie Güter oder Geld kann Zeit gelagert, gespart und getauscht werden. Zeitkonten können deshalb auch interpersonal angelegt werden, wodurch die Tauschmöglichkeiten von Zeit zwischen Personen verbessert werden können. Über Arbeits- und Dienstleistungen kann zudem Zeit ver- und gekauft werden.« (BMFSFJ 2012: 12) Auf diese Weise erhält auch die Einführung von familialer »Qualitätszeit« (s.u.) eine spezifische Warenqualität.

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mehr, Care in seiner eigenen Wertigkeit und seiner gesellschaftlichen Bedeutung zu betrachten. Das Gelingen fürsorglicher Beziehungen wird auf das Problem eines besseren individuellen Zeitmanagements reduziert und mit punktuellen, höchst zwiespältigen familien-›freundlichen‹ Maßnahmen zur ›Work-Life-Balance‹ abgepuffert.« (Jurczyk 2015: 266f. – Kursivierung B.N.) Insbesondere die von Jurczyk thematisierte Fokussierung auf ›individuelle Zeitkompetenzen‹, die mit der Konzeption der Subjekte verschränkt wurde, konnte innerhalb des achten Familienberichts bereits beobachtet werden. Gleichzeitig stellt sich jedoch auch die Frage, von welchem Begriff von ›Work-Life-Balance‹ grundsätzlich zu sprechen ist, da viele der bisherigen Ausführungen der Familienberichte die Frage aufwerfen, ob es innerhalb der zugrunde liegenden gouvernementalen Rationalität um eine Balance von ›Work‹ und ›Life‹ geht oder sich der Term nicht eher in Richtung eines ›Work-Life-Blendings‹ verschoben hat, bei dem insbesondere das Arbeitsleben fokussiert wird, während andere Bereiche tendenziell zur Peripherie geraten.104 Darüber hinaus kann Jurczyk treffend herausarbeiten, dass sich die verschobenen Wünsche von Männern und Frauen nicht in gleicher Weise in Anpassungen von »Bildungs-, Ausbildungs-, Berufs- und Karrierestrukturen« niederschlagen. Gleichzeitig verdeutlicht sie jedoch auch eine nach wie vor bestehende, asymmetrische Geschlechterstruktur: »Ausbildungs- und Berufsverläufe erfordern heute zunehmend von beiden Geschlechtern kontinuierliches Engagement, Allzeitverfügbarkeit und räumliche Mobilität. Insbesondere Karrierepfade sind am männlichen durchgängigen Erwerbsverlauf und an der Vollzeitnorm orientiert, wie sich kürzlich an dem absurden Angebot größer US-Unternehmen zum Einfrieren weiblicher Eizellen (›Social Freezing‹) exemplarisch zeigte. Der weibliche Körper wird so zur zeitlich verfügbaren Biomasse entlang geschlechtslos konstruierter und von Sorgeaufgaben ›befreiter‹ Erwerbsverläufe, die sich an optimierten Unternehmenslogiken orientieren.« (Ebd.: 267)105 Diesbezüglich wird damit erneut die produktive Verschränkung zwischen den beiden Serien Foucaults (Körper/Bevölkerung) innerhalb des biopolitischen Kontextes 104 Diese semantische Verschiebung greift Christian Scholz (2016) in einem Artikel für das Manager Magazin in Bezug auf den Begriff des Work-Life-Blendings auf. Während es beim Thema Work-Life-Balance noch um besagte Balance zwischen zwei Sphären ging, macht der Bezug auf Work-Life-Blending das Verschmelzen beider Sphären deutlich. 105 »Social Freezing bezeichnet das vorsorgliche Einfrieren von unbefruchteten Eizellen ohne medizinischen Grund.« (Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Social_Freezing) Zu einem größeren medialen Interesse kam es im Oktober 2014, als die beiden großen US-amerikanischen Unternehmen Apple und Facebook bekannt gaben, dass sie gegenüber ihren weiblichen Angestellten anbieten, die Kosten für das Einfrieren ihrer Eizellen zu übernehmen (siehe z.B. Rudzio 2014; Vorsamer 2014; Jürgens 2015: 300).

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deutlich, die dabei untrennbar von geschlechtlichen Bezügen erscheint. Die »Befreiungen« bzw. »Befreiungsversuche« der Erwerbsverläufe, auf die Jurczyk hier verweist, wurden bereits im Zusammenhang mit den familienunterstützenden haushaltsnahen Dienstleistungen thematisiert, wobei im Rahmen der Paarnarrationen die geschlechtliche Dimension eine wesentliche Rolle spielte, da vor allem herausgearbeitet werden konnte, wie sich innerhalb bestimmter elterlicher Subjektkonzepte von haushälterischen Tätigkeiten zu befreien versucht wurde und diese außerdem weitgehend feminisiert blieben. Darüber hinaus unterstreicht das Beispiel Jurczyks die Verschränkung von Ökonomie und Biopolitik innerhalb der Debatten um »Social Freezing« im Kontext von Erwerbsarbeit. Mit Bezug auf die Themen »Zeit« und »Zeitpolitik« verweist die Kommission des achten Familienberichts auch auf das Thema »Qualitätszeit« in und für Familien: »Unter Qualitätszeit für Familie ist die selbstbestimmt verbrachte Zeit mit der Familie gemeint, deren Umfang groß genug ist, dass dadurch nicht zwangsläufig Zeitknappheit und Zeitstress entstehen. Zusätzliche Zeitanforderungen, etwa aus dem Erwerbsleben, müssen dann nicht unbedingt als Einschränkung von Qualitätszeit wahrgenommen werden, wenn durch Lage und Flexibilität eben diese Qualitätszeit für Familie gesichert werden kann. Im Hinblick auf die bloße Quantität kann sogar davon ausgegangen werden, dass es auch ein ›Zuviel‹ an Zeit für Familie geben kann, etwa wenn mehr Zeit für Erwerbstätigkeit gewünscht wird und dies nicht umsetzbar ist oder wenn Zeit für die eigene Rekreation fehlt.« (BMFSFJ 2012: 7) ›Qualitätszeit‹ ist hierbei vor allem zielgerichtete, ›produktive‹ Zeit, der ein direkter effektiver Nutzen zugewiesen wird. Dabei teilt die Einführung des Begriffs die familiale Zeit zudem, indem durch sie einerseits ›Qualitätszeiten‹, andererseits familiale Zeiten ohne ›Qualität‹ hervorgebracht werden. Mit einer solchen Verknüpfung familialer Zeit an den Begriff der ›Qualität‹ wird einerseits ein bestimmte Zielsetzung, andererseits jedoch auch ein expliziter Anspruch artikuliert, dem diese Zeiten entsprechen sollen: Zeit in und mit der Familie soll vor allem effizient genutzt werden und damit effektiv sein und nicht im Sinne einer ›nicht‐qualitativen Zeit‹ verpuffen.106 Gleichzeitig erscheint das ebenfalls erwähnte ›Zuviel‹ an Familienzeit hauptsächlich darin zu bestehen, dass Subjekte von ihren Erwerbsinteressen abgehalten werden können oder – so ließe sich die Aussage des Berichts auch lesen – wenn Familienzeiten nicht produktiv‐zielgerichtet genutzt und die so entstehenden ›Zeitüberschüsse‹ nicht optimal allokiert werden. Interessanterweise 106 Selbiges gilt bspw. für Thematisierungen ›erfolgreicher‹ Elternzeiten (vgl. auch Neumann 2016b: 11), die auf diese Weise mit einem zu erzielenden ›Erfolg‹ bzw. auch der Möglichkeit des ›Misserfolgs‹ verknüpft werden.

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wird diesbezüglich keine Form von Subjektentwurf thematisiert, in dem sich ein ›zu wenig‹ an familialer Zeit artikuliert. Die innerhalb des Zitats erwähnte fehlende Rekreationszeit in der Familie kann diesbezüglich tatsächlich als ein Problem gesehen werden, findet hierbei jedoch nur eine knappe Erwähnung. Nicht zielgerichtete familiale Zeit, gemeinsame Mußestunden des ›Nichtstun‹ scheinen auf diese Weise zumindest fragwürdig, wenn sie sich keiner konkreten Zweckbestimmung zuordnen lassen. Die Elternzeit gilt der Kommission auch auf der Ebene gesellschaftlicher Rahmenbedingungen als bedeutsam: Sie wird als arbeitszeitliche Maßnahme beschrieben, die Einfluss auf die Verfügbarkeit von Zeit für Familien ausübt (ebd.: 14). Laut des Berichts erscheint eine Prüfung solcher lenkender finanzieller und rechtlicher Eingriffe generell als empfehlenswert. Hierdurch erscheinen die bereits mehrfach thematisierten Punkte um Lenkung und Steuerung erneut. Diese Aspekte werden auch dahingehend deutlich, als dass von Seiten der Kommission darauf verwiesen wird, dass die rechtlichen Regelungen auch auf »unintendierte« Effekte der Zeitverwendung hin zu kontrollieren seien. Zwar wird exemplarisch auf das Ehegattensplitting bzgl. traditionalisierender Geschlechterrolleneffekte verwiesen, der Aspekt von Lenkung und Steuerung ist dementsprechend dann jedoch auch auf andere rechtliche Regelungen zu übertragen. Es wurde bereits diskutiert, dass bspw. die lenkende und steuernde Funktion des BEEGs seit 2011 hinsichtlich ihrer als unzureichend empfundenen geburtenfördernden Effekte von Teilen der Politik auf den Prüfstand gestellt wurde (Kapitel 1). In jedem Falle erscheint das Elterngeld bzw. die Elternzeit deutlich als ein Lenkungs- und Steuerungsinstrument, welches kontinuierlich auf seine Effektivität hin zu kontrollieren ist. Ausgangspunkt für die Perspektive der Zeitpolitik der Kommission stellt der Aspekt Zeitkompetenz dar (ebd.: 15), der wesentlich mit der Konzeption der Subjekte verschränkt wird. Bedeutend erscheint dabei der Hinweis der Kommission, dass es nicht darum gehen soll, in direkter Weise auf die Zeitpräferenzen selbst einzuwirken: »Zurückhaltung erscheint angebracht gegenüber politischen Versuchen, direkt auf die Präferenzen der Zeitverwendung einzuwirken. Hingegen erscheint es legitim, durch die Gestaltung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen indirekt Einfluss nehmen zu wollen.« (Ebd.: 15 – Kursivierung B.N.) Treffender lässt sich die produktiv‐machtförmige Anreizstruktur in einem neoliberalen Sinne nicht auf den Punkt bringen, was auch die Bezüge zur ›Wahlfreiheit‹ im Kontext der Subjektentwürfe in ein spezifisches Licht rückt, denn diese ›Wahlfreiheit‹ stellt so lange eine ›freie Wahl‹ dar, wie sie sich innerhalb der durch die

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gouvernementale Rationalität gesetzten Rahmungen bewegt.107 Auch steht dieser Bezug der Kommission in Kontrast zu einer im weiteren Verlauf des Berichts geäußerten These: »Nur wenn Quantität, Qualität, Platzierung, soziale Passung und inhaltliche Gestaltung der Zeitverwendung den subjektiven Interessen der Familie entsprechen, kann Familie ihre unverzichtbaren Aufgaben erfüllen.« (Ebd.: 68) Abgesehen davon, dass es diesbezüglich keineswegs ausschließlich um »subjektive Interessen« der Familie oder einzelner Subjekte geht, wird hierbei auch die normative Dimension der Normalitätsfolie auf Familie unterschlagen. Dass diese Herstellungsleistung ›Familie‹ nicht in gleicher Weise für alle Familien gilt bzw. auch Rahmungen von Normalität irritiert und herausfordert, zeigt sich bspw. auch im Rahmen sozialpädagogischer Familienhilfen, die auch innerhalb des Familienberichts erwähnt werden und die insbesondere solche Normalitäten (wieder) herzustellen versuchen, wodurch der normative Bezugspunkt als solcher in Erscheinung tritt. Auf diese Weise wird deutlich, wie über Lenkungs- und Steuerungsversuche Einfluss auf Elternpraxen genommen bzw. diese strukturiert wird und vor diesem Hintergrund spezifische Elternsubjekte ausgerichtet an einer gesellschaftlich Norm(ierung) erzeugt werden, die wesentlich an Aspekten der ökonomischen Verwertbarkeit und Funktionalität des ›Humanmaterials‹ interessiert ist. Da Zeit innerhalb des achten Familienberichts als Ware und Gut sowie knappe Ressource zur Herstellung von Familie konzeptualisiert wird, gilt es laut der Kommission, »zeitproduktivitätssteigernde Ansatzpunkte zu identifizieren und zu mobilisieren.« (Ebd.: 64). Neben der bereits aufgeworfenen ökonomischen Perspektivierung wird deutlich, dass es der Kommission in erster Linie um eine Optimierung der Zeitstrukturen bei gleichzeitiger Produktivitätssteigerung und weniger um eine ›Entzerrung‹ oder ›Entschleunigung‹ der spezifischen Verstrickungen geht. Diese Optimierung unterliegt damit einer kapitalistischen Steigerungslogik, wie sie sich im allgemeinen Mantra des ›Wachstums‹ bzw. der produktiven Steigerung ausdrückt. Als ›Problem‹ sieht die Kommission insbesondere die individuellen Kompetenzdefizite, die es zu fokussieren gelte (ebd.: 64f.). Wobei weniger die struktu107 Dass die verschiedenen Anreizstrukturen hinsichtlich ihrer Steuerungsfunktion teils widersprüchliche Zielsetzungen verfolgen, illustriert Claudia Bogedan wie folgt: »Unterschiedliche gesetzliche Regelungsbereiche verfolgen teilweise konträre Steuerungsziele, wie die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und die Einführung eines Betreuungsgeldes oder die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Erwerbsbiographie mit Durchschnittslohn für eine auskömmliche Rente und die Ausweitung des Niedriglohnsektors.« (2015: 29; vgl. zum Aspekt des Betreuungsgeldes auch Bertram/Deufhard 2013: 168; Mayer/Rösler 2013: 177ff.). Als weitere Widersprüche, die sich aus dem Ziel der »Vereinbarkeit von Kind und Karriere« ergeben, kann diesbezüglich auch die unzulängliche Betreuungssituation kleiner Kinder genannt werden (Jürgens 2015: 299).

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rellen Schwierigkeiten oder die – zumindest potenziell – hinterfragbare Steigerungslogik unberührt bleiben. Insbesondere die (noch) unberührten Produktivitätsressourcen, die laut den von der Kommission zitierten Studien auf Seiten der Väter vorhanden sind, sollen für die Familie mobilisiert werden – nicht zuletzt, da die nach wie vor bestehenden Ungleichheiten hinsichtlich Haus- und Sorgetätigkeiten ein Fertilitätshemmnis darstellen (Ebd.: 65). Mit Blick auf Reformen der Elternzeit werden dadurch auch unternehmerische Interessen deutlich, die zu berücksichtigen seien. Der Vorschlag zur zeitlichen Begrenzung der Elternzeit wird durch eine große organisatorische wie finanzielle Belastung für die Unternehmen bei gleichzeitigem Absinken des Qualifikationsniveaus der Eltern begründet und zwar je länger die Elternzeit andauere. Dies stützt weiter die These der angestrebten Nicht-Entwertung des Humankapitals der elternzeitnehmenden Subjekte. Zur Lösung dieser Problematik und zur Entlastung der Unternehmen wird von Seiten der Kommission vorgeschlagen, eine Verkürzung der Elternzeit auf zwei Jahre zu prüfen. Auch wird ein Stufenmodell vorgeschlagen, bei dem nur im ersten Jahr der Elternzeit ein voller Ausstieg möglich wäre (Ebd.: 126). Anschließend solle die Möglichkeit zur Elternzeit nur noch bei parallel ausgeübter Erwerbstätigkeit eingeräumt werden, was erneut die insbesondere erwerbsförmige Einbindung der Elternteile im Sinne eines Adult-Worker-Modells betont. Obwohl die Kommission gegen Ende des achten Familienberichts darauf verweist, dass mit der Steigerung der Zeitproduktivität: »[…] explizit nicht die ›Ökonomisierung‹ des Lebensbereichs Familie im Sinne einer Übernahme betrieblicher Arbeitszeitlogiken in den Kontext Familie gemeint [ist]. [Sondern es]Vielmehr […] darum [geht], unfreiwillige Zeitproduktivitätseinbußen der Familienmitglieder in Folge unzureichender Zeitkompetenzen zu vermeiden.« (Ebd.: 143) erscheint dieser Hinweis vor dem Hintergrund der bisher dargestellten Bezüge der Bundesregierung wie auch der Kommission äußerst fragwürdig. Zumindest lässt sich die Aussage so interpretieren, dass der Kommission ihre eigenen Bezüge selbst so uneindeutig zu sein scheinen, dass sie die Notwendigkeit erkennt, auf ihre Intention hinzuweisen. Dass sich jedoch in vielfältiger Weise eine Ökonomisierung des Privaten vollzieht, die durchaus auch als im Sinne des Berichts stehend gelesen werden kann, machen die vorangegangenen Ausführungen deutlich. Die Elternzeit wird hierbei als explizites Steuerungsinstrument miteingeschlossen und konzeptualisiert, was mindestens die gerade zum Ausdruck gekommene Intention der Kommission infrage stellt. Dabei beschränken sich diese Aspekte nicht auf den achten Familienbericht, sondern ließen sich, wie die vorherigen Abschnitte zeigten, in unterschiedlichen Formen durch alle Familienberichte verfolgen. Von den Effekten aus gesehen, spielt die vermeintliche Nicht-/Intentionalität der Berichtskommission letztlich auch keine ausschlaggebende Rolle, da die dargestellten

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Lenkungs- und Steuerungsaspekte einen wirklichkeitskonstituierenden Rahmen einrichten, der seine Effektivität auch ohne Intentionalität entfaltet. Bevor sich abschließend mit der Situierung des ElterngeldPlus befasst wird, das im Jahr 2015 in Kraft getreten ist, soll nachfolgend auf das andere Ende des elterlichen Spektrums eingegangen werden, welches mit den sehr naturalisierenden bzw. biologisierenden Bezügen in Abschnitt 4.3 eröffnet wurde. Dieses andere Ende des elterlichen Spektrums mit seiner egalitär‐partnerschaftlichen Ausrichtung entspricht nicht nur in wesentlichen Punkten den politisch forcierten Zielsetzungen, sondern macht Formen von Partner- und Elternschaft im Kontext des Werdens elterlicher Subjektivitäten deutlich, die einen anderen Möglichkeitsraum konstituieren, der in vielen Narrationen der übrigen Paare als (mehr oder weniger) undenkbar erscheint. Exemplarisch für diese Form von Elternschaft kann der Subjektentwurf gelten, die sich innerhalb der Narration des Paares Cramer ausdrückt. Ein erster, knapper Einblick ergab sich hierbei bereits innerhalb des Abschnitts bzgl. der Nutzung familienunterstützender Dienstleistungen. Das Konzept von Elternschaft der Cramers steht dabei in Kontrast zu vielen anderen Narrationen, die sich innerhalb des Interviewmaterials finden lassen und die entsprechend in den Abschnitten 4.3 und 4.5 entfaltet wurden. Der elterliche Subjektentwurf, der sich diesbezüglich artikuliert, wiederholt nicht in derselben Weise einen qualitativen Unterschied zwischen ›Müttern‹ und ›Vätern‹. Zwar tauchen auch innerhalb des Gesprächs mit den Cramers Bezüge auf ›Mutterschaft‹ und ›Vaterschaft‹ auf, jedoch wird dieser sprachliche Unterschied dahingehend verschoben, dass er, nicht wie in anderen Narrationen, unmittelbar an bestimmte vergeschlechtlichte ›Wesensmäßigkeiten‹ gekoppelt ist. Clemens erklärt diesbezüglich: »Also ich find eigentlich dass wir Eltern sind […] weil sie trinkt nichʼ mehr an deiner Brust sozusagen das heißt ähm jetzt sind wir im Prinzip Eltern und da wir auch wirklich halbe‐halbe machen sind wir zwei Personen die sich um ein Kind kümmern.« Obwohl auch hier das Thema des Stillens eine zentrale Rolle spielt, welches nicht nur die Verteilung der Sorgearbeit, sondern auch konzeptionell reguliert, ab wann beide zum Subjekt ›Elternteile‹ werden können, wird dennoch ein deutlich anderer Bezug auf das Thema elterlicher Subjektivität und Geschlecht deutlich: Im weiteren Verlauf der Narration wird klar, dass auch Clemens als Vater die gemeinsame Tochter Carla über die Flasche mit abgepumpter Muttermilch stillen konnte, was im Rahmen der bisherigen Subjektentwürfe zu Mutter- und Vaterschaft in dieser Form nicht möglich schien. Obwohl auch innerhalb des Subjektentwurfs Unterschiede zwischen ›Müttern‹ und ›Vätern‹ nicht negiert werden, werden diese jedoch nicht an einen naturalisierten oder biologisierten Entwurf von Geschlecht, sondern

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an individuelle, d.h. »persönliche« Unterschiede als Einzelsubjekt rückgebunden. Clemens drückt dies wie folgt aus: »Aber nichʼ weil ich der Vater bin sondern weil das meine Persönlichkeit isʼ und du bringst deine Persönlichkeit mit rein aber im Prinzip sind wir Eltern aber nicht klassische Vater-Mutter-Rolle.« Eine »klassische Vater-Mutter-Rolle« dient in diesem Punkt dann auch als Kontrastfolie, vor deren Hintergrund sich besagter Subjektentwurf abzeichnet. In dieser Hinsicht variiert jedoch nicht nur der Bezug auf ein Subjekt Vater/Elter, sondern auch die Konzeption von Mutterschaft, was in der Narration von Christine deutlich wird: »[…] ähm dass viele halt denken die Mutter hat es so angeboren das braucht das Kind jetzt […] und so weiter und ich würd jetzt speziell auch aus unserem Fall denken dass du das oft ähm besser einschätzen kannst auch wo sie kl- sehr klein war oder das weil du halt auch sehr empathisch irgendwie bist und also ich hab’s auf jeden Fall nichʼ angeboren ich hab das mit der Zeit ich musste das Kind auch erstmal kennenlernen und so weiter.« Einerseits taucht in der Narration der Diskurs des ›Mutterinstinkts‹ auf, der unterstellt, dass Frauen/Mütter von Natur aus wüssten, wie sie mit einem Kind umzugehen haben. Vergleichbare Priorisierungen (und Privilegierungen) wurden in Subjektentwürfen zu Mutterschaft bereits in anderen Interviewauszügen sichtbar. Auffallend ist, die Denaturalisierung betreffend, auch, dass Clemens als derjenige in Erscheinung tritt, der besser als Christine einschätzen kann, was Carla braucht(e). Einerseits bleibt diese Begründung logisch innerhalb der Systematik von Mutter/Vater, wird andererseits jedoch durch eine ›persönliche‹ Eigenschaft konzeptionell eingeholt, indem Clemens über die Adressierung als ein Jemand mit ausgeprägter(er) Empathiefähigkeit (in Relation zu Christine als Mutter) entworfen wird. Damit wird auch diese ›persönliche‹ Eigenschaft nicht, wie in anderen Kontexten, im Sinne einer ›geschlechtlichen‹ Eigenschaft wiederholt. Auch die explizite Erklärung, dass diese empathische Fähigkeit »auf jeden Fall nich‹ angeboren« sei, verweist auf eine denaturalisierte Anlage der Subjektentwürfe, die im Kontext der Cramer’schen Narration deutlich werden. Bemerkenswert erscheint diese konzeptionelle Anlage auch deshalb, da durch diese besagte Fähigkeit als etwas in Erscheinung tritt, was nicht nur gelernt werden muss, sondern was entsprechend auch gelernt werden kann – und damit potenziell für alle Eltern, unabhängig ›ihres‹ Geschlechts – potenziell möglich wird. Die Kontrastierung des Subjektentwurfs, der sich in Christines Narration realisiert, wird auch dadurch verstärkt, dass eine ›natürliche‹ Mutter-Kind-Beziehung nicht vorausgesetzt wird (»ich musste das Kind auch erstmal kennenlernen«). Auch dieser Umstand bricht mit biologisierten

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Bezügen, die im Kontext einer »grundsätzlich engeren Mutter-Kind-Beziehung« in anderen Narrationen deutlich wurden. Auch innerhalb der Narration der Peters wird ein sichtbar anderer Bezug auf Konzeptionen von Mutter- und Vaterschaft im Vergleich zu bisherigen Subjektentwürfen deutlich Patrick: »Puh ich sehʼ da keinen großen Unterschied ehrlich gesagt also (lacht) ne? Also ich hab jetzt also deine Aufgaben quasi übernommen.« Paula: »Meine Aufgaben? (leicht lachend) Was sind denn meine Aufgaben?« Patrick: »Ja das wär jetzt…« Paula: »Was meinst du denn?« Patrick: »So was wie Stillen oder so was angeht hab ich ja quasi (Paula: na gut) dann auch sogar (Paula lacht) übernommen. Zumindest ne?« Paula: »Mit der Flasche ja (lacht leise).« Patrick: »Mit der Flasche. Durch die Flasche. Ja. Aber pff also ich glaub ich konnte da jetzt auch so alles umsetzen was du dem Kind auch hättest geben können und umgekehrt ja auch. Ne? Also ich wüsste jetzt nicht (Paula lacht leise) also ich wüsste jetzt also (.) ne?« Paula: »Ich versteh die Frage (leicht lachend) irgendwie nicht. (Peter lacht) (.) Deswegen nickʼ ich einfach nur (lacht).« Zwar zeigen sich auch in dieser Sequenz Spuren ›tradierter‹ Bezüge auf eine dichotome Anlage von Elternschaft, was die Persistenz ebenjener Strukturierungen (allein auch auf sprachlicher Ebene) betont, wenn Patrick Paula im Sinne von »deine Aufgaben« adressiert. Dass hierbei eine vermeintliche Dissonanz in Bezug auf die elterlichen Subjektentwürfe deutlich werden könnte, unterstreicht Paulas irritiert‐amüsierte Rückfrage, was denn »ihre Aufgaben« seien. Dies wird auch durch die Schwierigkeit der Benennung der »Aufgaben« deutlich, die auch nach der erneuten Rückfrage »Was meinst du denn?« nicht nur auf eine Irritation eines vermeintlichen Konsenses bzgl. der Strukturierung der elterlicher Aufteilung, sondern auch des Verhältnisses der Elternsubjekte selbst werden kann. Obwohl auch in Patricks nachfolgender Erzählung das Thema des Stillens aufgeworfen wird, überrascht die Fortführung der Erklärung insofern, als deutlich wird, dass er als Vater »sogar« das Stillen selbst übernommen hat (»So was wie Stillen oder so was angeht hab ich ja quasi […] dann auch sogar […] übernommen«). Dies unterstreicht einerseits die Artifizialität der Verschränkung des Subjektentwurfs von Mutterschaft und Stillen als exklusive »Frauenaufgabe«, lässt jedoch die obige Aussage (»deine Aufgabe«) vollends absurd erscheinen. Dies verdeutlicht jedoch auch die Herausforderung, mit der sich elterliche Subjektentwürfe jenseits ›tradierter‹ Konzeptionen konfrontiert sehen: eine Sprache zu entwickeln, die jenen Subjektentwürfen in anderer Weise gerecht werden kann. Zwar wird auch in der Narration Paulas – ähnlich wie in der Narration der Niems – eine qualitative Unterscheidung des Stillens

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deutlich (»Mit der Flasche ja«), wodurch über die Einführung einer körperlichen Un-/Fähigkeit ein Unterschied zwischen beiden Subjekten erzeugt wird. Dennoch wird diese qualitative Unterscheidung selbst herausgefordert, indem Patrick als Vater den Anspruch der Gleichwertigkeit seiner Stillpraxis beansprucht, wenn darauf verwiesen wird, dass es nichts gegeben habe bzw. gegeben hätte, was von ihm als Vater nicht auch hätte geleistet werden können. Als zentral erweist sich diesbezüglich auch die Anlage des Verhältnisses der elterlichen Subjektivitäten zueinander, die sich innerhalb der Narration ausdrückt, wenn darauf verwiesen wird, dass dies in umgekehrter Weise für Paula als Mutter ebenso gelten würde, da auf diese Weise gerade kein qualitativer, asymmetrisch‐hierarchisierender Unterschied re-/produziert wird. Wenngleich sich das Verhältnis der elterlichen Subjektentwürfe zunächst als konfliktreich darzustellen schien, verdeutlicht die Narration der Peters – auch wenn sich dies nicht so explizit artikuliert wie im Falle der Cramers – dass auch deren Subjektentwürfe als zwei Elternpersonen gelesen werden können, die sich um ein Kind kümmern. Auch innerhalb der Narration von Orna Ortmann wird dieses Thema in der Darstellung biographischer Erfahrungen indirekt aufgegriffen: »[J]a Weiblichkeit? Was ist für mich Weiblichkeit? Das kann ich (lacht leise) als Frau schlecht äh schlecht sagen. Ich äh entspreche vielleicht auch nicht jetzt der typischen weiblichen Rolle. Ähm wir hatten auch ich hatte selbst auch nie einen Vater zu Hause. Also immer alleinstehende Frauen um mich ›rum gehabt die alles immer selber machen mussten und äh handwerklich organisatorisch und sonstige Dinge. Äh so dass ich eigentlich irgendwie mich immer gefragt hab wozu ist eigentlich ein Mann da (lacht leise). Äh was ist so die Rolle eines Mannes zu Hause in einer Familie. Und so weiter. In einer Ehe weil wenn alles die Frauen selber machen äh einschließlich das Brot verdienen und so ähm aber ähm ja was ist weiblich? Ich glaub viel wichtiger ist zu fragen was ist (leicht lachend) menschlich vielleicht.« Die dargestellte Erfahrung der Eigenständigkeit der sie umgebenden Frauen, evoziert die Frage nach der Relevanz – nicht unbedingt von ›Männern‹ an und für sich, sondern vielmehr mit Blick auf deren Aufgaben – die mit der Frage nach der »Rolle eines Mannes zu Hause in einer Familie« deutlich wird. Dass sich diese Frage nicht lediglich auf den familialen Kontext beschränkt, sondern sich auch auf die Erwerbsarbeit bezieht, wird im darauf folgenden Satz deutlich. So wird ersichtlich, wie dadurch auch die Konzeptionen der Subjektentwürfe zu Mutterschaft, jedoch insbesondere auch zu Vaterschaft (und in einem weiter gefassten Sinne auch bzgl. tradierter Vergeschlechtlichungen der Erwerbsarbeit) herausgefordert werden. Zwar bleiben diese innerhalb der Narration aufeinander bezogen, jedoch wird durch die geschilderte Erfahrung als Subjekt Frau bzw. Mutter, auch als ›männlich‹ vergeschlechtlichte Aufgaben erledigen zu können, der Subjektentwurf um Männ-

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lichkeit und Vaterschaft sichtbar herausgefordert, obwohl auch in dieser narrativen Sequenz Männer vor allem als Erwerbssubjekte in Erscheinung treten. Die über die Frage nach Konzeptionen von Geschlecht hinausweisende Antwort, was »menschlich« sei, kann in dieser Beziehung als ein untergeordneter Stellenwert der Frage nach Geschlecht gelesen werden. Die ›Unterordnung‹ ergibt sich hierbei durch die Überführung auf eine grundlegend noch abstraktere Ebene des ›Menschlichen‹. Wenngleich auch innerhalb der Narration der Ortmanns der Verweis auf die »persönlichen Charakteristika« nicht in expliziter Weise erfolgt, lässt sich Ornas erweiterter Bezug darauf, was denn ›menschlich‹ sei, auch dahingehend lesen, dass er in diesem Sinne nicht nur das Verhältnis spezifischer Subjektentwürfe um Elternschaft und Geschlecht innerhalb des Kontinuums von De-/Naturalisierung tangiert, sondern diese auch in grundsätzlicher(er) Weise öffnet. Zusammenfassend zeigt sich, wie eng die variierenden elterlichen Subjektentwürfe mit diversen Diskursen um Elternschaft und Geschlecht verschränkt sind, in deren regulierendem Rahmen besagte Subjekte hervorgebracht werden. Damit wird ein kontingenter Möglichkeitsraum sichtbar, der durch die variierenden Subjektentwürfe auch insofern reguliert wird, als dass über bestimmte Konzeptionen, wie bspw. einer ›natürlichen‹ engeren Mutter-Kind-Beziehung, die arbeitsteiligen Verhältnisse zwischen den Eltern reg(ul)iert werden, die nicht zuletzt im Kontext der Elternzeit zu variierenden Inanspruchnahmen führen. Die Auseinandersetzung mit den strukturellen Anlagen der verschiedenen elterlichen Subjektentwürfe verdeutlicht so, wie bestimmte Möglichkeitsbedingungen in produktiv‐bedingender Weise mit den Subjektentwürfen der Eltern verschränkt sind und sich auch auf praktischer Ebene bestimmte Handlungsspielräume ergeben oder versperrt werden. Zwar ergeben sich durch die narrativen Bezüge auf den Subjektentwurf »Elternperson« nicht zwangsläufig egalitäre Partnerschaftlichkeiten, jedoch verschiebt sich hiermit potenziell die konzeptionelle Grundlage von Elternschaft an sich, als dass diese auf einer Grundlage der Gleichheit nicht an naturalistisch‐essentialisierte Ungleichheit mitsamt entsprechender Zugzwänge gekoppelt ist und so andere, d.h. egalitär‐denaturalisierte Arrangements von Partnerschaftlichkeit und Arbeitsteilung möglich werden (vgl. auch Neumann 2016a: 65ff.). Geschlecht als eine strukturierende Kategorie wird auch in solchen Bezügen nicht irrelevant. Auch bei den sich als egalitär verstehenden Eltern wurde deutlich, dass geschlechtliche Bezüge (z.B. auf Vater- und Mutterschaft) erhalten bleiben, jedoch in anderer Weise wiederholt werden. Gleichzeitig wurde in den Ausführungen zur Inanspruchnahme der familienunterstützenden haushaltsnahen Dienstleistungen deutlich, dass viele der egalitär‐geschlechterparitätischen Subjektentwürfe an vielfältige wesentliche Voraus-Setzungen gebunden bleiben, die diesen Möglichkeitsraum und seine Subjekte als solchen einerseits bedingen, andererseits jedoch diesbezüglich auch vor andere Herausforderungen stellen, mit welchen die übrigen Subjektentwürfe nicht in gleicher Weise konfrontiert waren. Der Subjektentwurf

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›Elter(nperson)‹ erscheint des Weiteren auch deshalb von einiger Bedeutung, da er konzeptionell offen für gleichgeschlechtliche Elternschaft gelten kann. Legt er einen heteronormativen Fokus auf ›Mütter/Väter‹ doch nicht nur, sondern inkludiert sowohl auf sprachlicher wie konzeptioneller Ebene Personen jedweder sexueller Orientierung und hebt damit grundsätzlich auf eine Ausgestaltung von Elternschaft, Geschlecht und Familie ab, die in viele Richtungen offen ist (vgl. auch ebd.: 68f.).108 Wie deutlich wurde, steht das spezifische Werden innerhalb des elterlichen Spektrums in Relation zu den diversen Situierungen, die hierbei keineswegs nur auf die ›Einstellungen‹ der jeweiligen Subjekte oder Paare zu reduzieren sind, sondern in wesentlicher Hinsicht sowohl durch die jeweilige erwerbsspezifischen Bezüge als auch die Möglichkeiten gebunden sind, die durch die Ausgestaltung eines gouvernementalen Rahmens vermittelt werden und darüber hinaus auch durch öffentlich‐mediale Debatten wie auch wissenschaftliche Evidenzproduktion(en) gestützt werden. Dabei zeigte sich innerhalb der bisherigen Ausführungen nicht nur, wie stark sich dieser Rahmen selbst wandeln kann, sondern wie sich dieser, z.B. im Kontext der Bezüge auf die Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern, in sein Gegenteil verkehren und einer anderen ›Rationalität‹ folgen kann. Aufgrund der Relevanz dieser historischen Situiertheiten soll nachfolgend kurz auf die Einführung des ElterngeldPlus im Jahr 2015 eingegangen werden, da dieses im Rahmen der aktuellen familienpolitischen Debatten eine wichtige Rolle spielt und – wie im Kontext des achten Familienberichts sichtbar wurde – eine Erwerbsfokussierung mitführt, die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht unberücksichtigt bleiben soll.

Zur Kontextualisierung des ElterngeldPlus (2015ff.) Die Einführung des ElterngeldPlus zum 1. Juli 2015 führt die bisher dargelegten politischen Bemühungen der Familienberichte fort. Seitdem können Eltern das Elterngeld in einer Weise beanspruchen, durch die die Bezugsdauer des BasisElterngeldes über den Zeitraum von zwölf bzw. 14 Monaten ausgedehnt werden kann, sofern mindestens ein Elternteil in Teilzeit weiterarbeitet. Durch die Verknüpfung von Teilzeitarbeit und Elternzeit können aus einem ›klassischen‹ Elterngeldmonat zwei ElterngeldPlus-Monate werden. Wenn beide Elternteile ihre Ar108 Zum Beispiel, wenn man Elternschaft nicht als Dyade denkt, sondern als ›soziale‹, ›biologische‹ und ›genetische‹ Elternschaft (Triade) oder im Sinne einer Elterngruppe, die sich um ein oder mehr(ere) Kind(er) kümmert. Dies gilt auch für die Produktivität spezifischer Diskurse zu Elternschaft, die häufig zwischen den Polen ›aktiver Vaterschaft‹ und ›geteilter Elternschaft‹ zirkulieren, jedoch verschiedene Möglichkeitshorizonte in Bezug auf das Werden spezifischer elterlicher Subjektivitäten besitzen (vgl. ausführlich Neumann 2016a: 67ff.; aus anders gelagerter Perspektive auch Peukert 2015: 32ff.).

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beitszeit auf 25 bis 30 Wochenstunden reduzieren, »verlängert sich die Bezugszeit des Elterngelds im Rahmen des Partnerschaftsbonus nochmals um bis zu vier Monate« (Spieß 2015: 620). Allerdings halbiert sich dadurch auch die Höhe des monatlichen Elterngeldbezugs (BMFSFJ 2016a: 4). Der Partnerschaftsbonus setzt dabei einen Anreizrahmen, der verdeutlicht, dass insbesondere dieses gemeinsame Teilzeitmodell das präferierte familiale Modell darstellt (vgl. auch Geyer/Krause 2016: 2; siehe auch Kapitel 1). Zum einen wird der Versuch gefördert, dass beide Elternteile gleichzeitig sowohl in die Haus- und Sorgearbeit als auch in die Erwerbsarbeit involviert werden; zum anderen wird jedoch vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen deutlich, dass das ElterngeldPlus auch als ein Versuch gelesen werden kann, die Subjekte kontinuierlich aktiv innerhalb der Erwerbsarbeit zu halten, so dass deren Humankapital nicht entwertet, sondern weiterhin nutzbar bleibt. Obwohl in den Familienberichten bisher viel über die Aktivierung mütterlicher Erwerbstätigkeit zu lesen war, geht es dem Bundesfamilienministerium explizit auch darum, Väter hinsichtlich familialer Aufgaben zu aktivieren. Dass in der Perspektive des Ministeriums die Sphäre der Erwerbsarbeit für viele Väter nach wie vor eine zentrale Rolle spielt, zeigt sich bspw. an dem Hinweis, dass Elternzeit für Väter nicht nur deren »gutes Recht« sei, sondern »von Arbeitgebern mittlerweile auch respektiert und befördert« (ebd.: 6) wird. Als Argument wiegt hierbei scheinbar nicht nur die Unterstützung der eigenen Familie, sondern auch, dass die jeweiligen Arbeitgeber*innen hiervon profitieren: »Sie haben gute Gründe, im Dialog mit Ihren Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen selbstbewusst aufzutreten. Denken Sie daran, dass Sie mit Ihrem Engagement nicht nur Ihre Familie unterstützen. Vorausgesetzt, dass die Teilzeit gut vorbereitet und abgesprochen ist, profitiert auch Ihr Arbeitgeber. Er kann sich nicht nur auf einen zufriedenen, motivierten und loyalen Mitarbeiter verlassen, der sein Wissen und seine Kompetenz weiterhin einbringt. Er gewinnt mit Ihnen ebenso ein authentisches Aushängeschild für eine gute Unternehmenskultur.« (BMFSFJ 2016a: 6) Es wird deutlich, dass insbesondere Vätern vermittelt werden soll, dass deren familiales Engagement keine Absage an deren erwerbsmäßiges Engagement darstellt, sondern ggf. auch die Arbeitgeber*innenseite von der Elternzeit profitieren kann, z.B. wenn diese Väter zu einem »Aushängeschild für eine gute Unternehmenskultur« werden. Dass es aus Sicht des Ministeriums hierfür sogar »Applaus aus der Business-Lounge« (ebd.) gebe, unterstreicht einerseits die Zustimmung der Unternehmensseite, jedoch auch die vermeintliche Relevanz dieser Goutierung. Auffällig ist in den Ausführungen auch, dass Vätern in ihrem Wunsch entgegengekommen werden soll, sich nicht zwischen Erwerbs- und Familientätigkeit entscheiden zu müssen, wobei diese in ihrer Rolle als Sorgeverantwortliche für das familial‐mone-

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täre Auskommen nicht infrage gestellt werden. So erklärt die ehemalige Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) im Vorwort der Broschüre des Ministeriums: »Väter möchten lieber flexibel arbeiten, als sich zwischen Vollzeittätigkeit und zeitweisem Ausstieg zu entscheiden. Sie wünschen sich mehr Zeit mit ihrem Kind; gleichzeitig möchten sie ihrer Familie einen sicheren Rahmen bieten und beruflich nicht den Anschluss verlieren.« (Ebd.: 2) Relevant erscheint in diesem Zusammenhang erneut die unmittelbare Verknüpfung mit der Erwerbstätigkeit von Vätern und den Interessen von Arbeitgebenden: »In Gesprächen mit dem Arbeitgeber ist das ElterngeldPlus ein Argument für Väter, Zeit für die Familie einzufordern – andersherum trägt die wachsende Anerkennung engagierter Väter im Unternehmen dazu bei, Männer bei der Entscheidung für die Familie zu stärken. Immer mehr Unternehmen schätzen zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Zugewinn an Erfahrung und sozialer Kompetenz, den sie aus der Familie mitbringen.« (Ebd.: 3) So verdeutlichen die vorangegangenen Zitate, wie sehr der Subjektentwurf Vater nach wie vor mit der Erwerbsarbeit verschränkt bleibt und auch durch eine, mindestens von Seiten des Ministeriums, als relevant erachtete Anerkennungsstruktur aus den Reihen der »Business-Lounge« (mit-)konstituiert wird. Die erweiterten Möglichkeiten des Elterngeldes, die das ElterngeldPlus in Form von teilzeitlicher Erwerbstätigkeit bietet, stellen, dies macht das letzte Zitat deutlich, ein Argument für »Arbeitgeber« dar, dass Väter ihre Elternzeitnahme beanspruchen können. Auch die Veränderung der Anerkennungsstruktur innerhalb dieses Erwerbskontextes führe dazu, dass sich Väter häufiger für eine Elternzeit entscheiden. Einerseits zeigt das obige Zitat, dass sich hinsichtlich des Themas Anerkennung Verschiebungen vollziehen, die es ermöglichen, dass das Subjekt ›Vater‹ auch außerhalb des Erwerbskontextes möglich scheint, wenngleich die Situierung nach wie vor dezidiert von Anerkennungsstrukturen der Erwerbssphäre und des Kollegiums abhängig bleibt. Väterliche Subjektivität bleibt damit konstitutiv nicht nur mit der Erwerbsarbeit verschränkt, sondern auch mit einer Form wirkmächtiger Anerkennung, die sich für das Subjekt ›Vater‹ scheinbar nicht in gleicher Weise aus anderen Bereichen wie der Familie ergibt – zumindest liegt der Schwerpunkt der Rahmung und auch des Begründungskontextes der ElterngeldPlus-Broschüre, die sich explizit an Väter richtet, im Bereich der Erwerbsarbeit. Der Väterreport 2016, der in seinen inhaltlichen Profil seinen Fokus auf Elternzeit und ElternzeitPlus richtet, führt bspw. in dem Kapitel Väter als Gewinn (BMFSFJ 2016b: 44ff.) aus, weshalb ›aktive‹ Väter einen vielfältigen Gewinn darstellen. Dabei werden insbesondere Familie und Unternehmen als relevante Bereiche unterschieden. Als eine positive Auswirkung für die Väter wird eine Entlastung von alleiniger finanzieller Verantwortung für die Familie genannt (ebd.), wobei diesbezüglich an-

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zumerken ist, dass eine ›aktive‹ Vaterschaft bzw. ein aktives Engagement innerhalb des familialen Kontextes nicht per se mit einer grundsätzlichen Verschiebung der elterlichen Aufgaben(zuschreibungen) verbunden sein muss, was sich auch im Rahmen der Studie zeigte. Genannt wird auch eine Steigerung des Wohlbefindens der Väter (ebd.), auf die auch in anderen Studien verwiesen wird (vgl. z.B. Bresinski 2012: 644ff.; Nelles 2012: 660ff.). Bedeutsam scheint hierbei die mögliche Relativierung der beruflichen Perspektive (BMFSFJ 2016b: 44; vgl. auch Bünning 2015: 743) von der auch einige der an der Studie Väter in Elternzeit teilnehmenden Väter berichteten. In Bezug auf Kinder und die kindliche Entwicklung wird darauf verwiesen, dass eine Elternzeitnahme von Vätern nicht nur die Bindung zu den Kindern intensivieren, sondern diese auch in ihrer kognitiven Entwicklung fördern kann (BMFSFJ 2016b: 44). Mit Blick auf die Partnerinnen bleibt die Perspektive wie in den meisten entsprechenden Bezügen auf eine heterosexuelle Paarbeziehung beschränkt. Jedoch wird dennoch eine Verschiebung deutlich, welche die Aktivität in puncto Vaterschaft nicht ausschließlich auf eine unterstützende Rolle reduziert, sondern die mittel- und langfristigen Effekte darin konstatiert, ein eigenständiger Elternteil zu werden: »Denn hierdurch entwickeln sie Fähigkeiten und das Verantwortungsbewusstsein, um die Mütter nicht nur zu unterstützen, sondern um dauerhaft selbst ein aktiver Partner sein zu können.« (Ebd.: 45). Dies stellt eine sichtbare Verschiebung zu früheren Bezügen, bspw. im Rahmen des fünften Familienberichts (BMFSFJ 1994) darstellt. Die darüber hinausreichenden positiven Aspekte in Bezug auf die Partnerinnen beziehen sich, daran anschließend, unmittelbar auf deren Erwerbsbiographie und Karriere, die sowohl für eine schnelle maternale Rückkehr in den Beruf als auch hinsichtlich ihrer Karrieren als förderlich gelten. Der Report weist des Weiteren auf die hoch relevanten Sozial- bzw. Rentenversicherungsansprüche, die Mütter durch eine umfängliche Erwerbstätigkeit generieren könnten, insbesondere auch, wenn diese in einer umfassenderen Teilzeittätigkeit rasch beruflich aktiv werden sowie auf geringere Lohndifferenzen zwischen Männern und Frauen bei einer kürzeren beruflichen Auszeit (ebd.) hin. Damit wird jedoch auch deutlich, dass die Strukturierung dieser wohlfahrtsstaatlichen Sicherungssysteme auf diejenigen zugerichtet ist, die sich durch eine aktive Erwerbstätigkeit für entsprechende Leistungen qualifizieren (können). Hiervon abweichende Lebens- bzw. Familienentwürfe werden – dies wurde bereits deutlich – explizit nicht gefördert. Dass Elternzeiten und aktive Vaterschaft jedoch auch als relevant für Unternehmen gelten, verdeutlicht der hieran anschließende Abschnitt 8.2 des Väterreports (BMFSFJ 2016b: 47ff.). Die Gewinne für die Unternehmen werden bspw. in einer besseren Mitarbeiter*innenakquise sowie in deren Bindung gesehen, so dass innerhalb des Reports gefolgert wird, dass sich eine betriebliche Familienpolitik in Bezug auf sinkende Fehlzeiten, eine höhere Zufriedenheit und gesteigerte Produktivität auswirkt (ebd.). Darüber hinaus soll ein höheres Enga-

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gement von Vätern in der Familie zusätzlich bzw. weiterhin auch familienpolitisch die Erwerbstätigkeit von Müttern erhöhen: »Väter, die ihre Berufstätigkeit zugunsten der Familie reduzieren, ermöglichen ihren Partnerinnen einen leichteren beruflichen Wiedereinstieg sowie vollzeitnahe Beschäftigungspensen und Karrieren. Das Arbeitskräftepotenzial von den heutigen gut qualifizierten und äußerst berufsorientierten Müttern lässt sich hierdurch besser erschließen.« (Ebd.: 47) Die Förderung des familialen Engagements von Vätern soll, dieser Rationalität folgend, indirekt eine umfassendere und effizientere Nutzung, Ausschöpfung und Re-/Produktion des Humankapitals/Humanvermögens gewährleisten, insbesondere jenes der Mütter. Weiterhin verweist der Väterreport 2016 darauf, dass sich durch eine weitere familienbewusste Modernisierung der Arbeitswelt ein Renditepotenzial von 40 Prozent ergeben könne (ebd.). Dass mit der Förderung der »neuen« Vereinbarkeit und einer stärkeren Partizipation von Vätern in den familialen Kontext auch gesamtwirtschaftliche Interessen verbunden sind, betont der Bericht in diesem Abschnitt sehr deutlich: »Eine zukunftsgerichtete Familienpolitik, die junge Mütter und Väter dabei unterstützt, ihr präferiertes partnerschaftliches Familienmodell zu leben, bietet auch gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsgewinne. Der zentrale Hebel ist das gesamtwirtschaftliche Arbeitsangebot, denn perspektivisch wird die Reduzierung des Erwerbsumfangs familienaktiver Väter dadurch überkompensiert, dass Mütter ihre Arbeitszeiten erhöhen könnten/würden: Arbeiten Väter im Durchschnitt 38,9 Wochenstunden statt wie bisher 41,5 Wochenstunden, könnte die Müttererwerbstätigkeit auf rund 78 Prozent und ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 31,1 Stunden steigen. Im Saldo nimmt das Arbeitsangebot um rund 1,1 Mio. Vollzeitstellen zu. Damit einher gehen steigende Haushaltseinkommen sowie geringere Armuts- und Transferquoten und schließlich positive gesamtwirtschaftliche Effekte von rund 70 Mrd. Euro p. a.« (Ebd.: 48) Zwar kann nicht unterstellt werden, dass die gleichstellungs- und familienpolitischen Bemühungen vor allem durch die immer wieder von Seiten der Bundesregierungen, der Berichtskommissionen und der Publikationen des Familienministeriums hervorgehobenen wirtschaftlichen Interessen besagte politische Bemühungen angetrieben werden. Dennoch verdeutlichen die Bezüge, dass die Themen um Fragen zu Vereinbarkeit, Geschlechteregalität, Elternschaft und Familie durchaus durch eine effizienz- und gewinnorientierte ökonomische Perspektive getragen werden, die mindestens den argumentativen Druck sichtbar macht, dass sich etwaige politische Ziele »rechnen« müssen bzw. durch eine ökonomische Perspektivierung in spezifischer Weise geformt werden. Die Darstellung der Gewinne für »Unternehmen« erscheint auch insofern beachtenswert, als diese als ebenso rele-

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vant gesetzt werden wie die »Gewinne« für Familie, was erneut die Frage aufwirft, ob eine aktive Vaterschaft in gleicher Weise forciert würde, wenn diese ›lediglich‹ positive Auswirkungen auf den partnerschaftlichen- und elterlichen Kontext hätte. Insbesondere wenn die politischen und unternehmerischen Bezüge auf Themenfelder wie Gender Mainstreaming und Diversity Management betrachtet werden, die seit der Jahrtausendwende zirkulieren, fällt auf, dass hierbei ein spezifisches »Gender-Wissen« mit ökonomisch fundierten Managementstrategien und Interessen innerhalb der Politischen Ökonomie verwoben wird. Die ehemalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) beschreibt diesen »unternehmerischen Ansatz« bezüglich des Gender Mainstreamings äußerst plastisch: »Der unternehmerische Ansatz, die individuellen Fähigkeiten so intensiv wie nur möglich nutzbar zu machen, verbietet per se die Schlechterstellung eines Geschlechts, denn damit würde das Ziel der höchstmöglichen Personalausschöpfung der Belegschaft nicht erreicht, der Betrieb bliebe dann unter seinen Möglichkeiten und das ginge zu Lasten des Unternehmens.« (Renate Schmidt zit.n. Meuser 2009c: 99) Insofern finden diese, hier ökonomisch gewendeten, geschlechterpolitischen Forderungen vor allem dann Widerhall innerhalb des politischen Diskurses, wenn sie im Rahmen ökonomischer Nutzbarmachung einen Gewinn für Unternehmen sowie auf volkswirtschaftlicher Ebene versprechen (siehe auch hinsichtlich der Verknüpfung von Gender Mainstreaming, Diversity Management und Humankapital(-Theorie) ausführlich z.B. Meuser 2009c; 2013). Darüber hinaus unterstreichen die bisherigen Ausführungen, dass sich eine Argumentationslinie für väterliche Elternzeit häufig über die Erwerbsarbeit vollzieht. Dies verwundert aufgrund der historischen Situierung von Vätern (zumindest seit dem 19. Jahrhundert) nicht unbedingt (siehe in Bezug auf die Rolle von Vätern in historischer Perspektive auch Abschnitt 4.3 bzw. auch Knibiehler 1996; H. Walter 2002; W. Walter 2002; Drinck 2005; Thomä 2008; 2010), verdeutlicht jedoch auch, dass die politischen Subjektentwürfe zu Vätern normativ nicht zu ›Hausmännern‹ führen sollen, sondern letztlich beide Partner*innen möglichst vollzeitnah erwerbstätig sein und bleiben sollen, was nicht zuletzt über demographische und wirtschaftlich‐unternehmerische Interessen begründet wird. Wenngleich dieser Punkt zunächst nicht überraschend anmutet, verweist er dennoch zum einen auf eine bestimmte Rationalität des Regierungshandelns, in welcher die Vereinbarkeit von Familie und Elternschaft insbesondere auch über ökonomische und arbeitsmarktpolitische Interessen moderiert wird, an denen die re-/produktiven (z.B. Humankapital) wie re-/generativen (z.B. Kinder/Bevölkerung, Erholung) Interessen ausgerichtet werden. Zum anderen werden damit Bezüge auf die Kontexte von Elternschaft und Familie tendenziell unsichtbar, die Lebensentwürfe jenseits von aktiven elterlichen Karriere- und Statusbestrebungen als auch denkbare Alternativen offerieren.

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Die vielbeschworene ›Wahlmöglichkeit‹ der Eltern erscheint damit insbesondere durch eine Rationalität gouvernemental‐biopolitisch reg(ul)iert, die ihre ›Notwendigkeit‹ und ihren ›Nutzen‹ insbesondere in der Effizienzoptimierung elterlicher Humanressourcen sieht. Das insbesondere seit dem fünften Familienbericht von 1994 immer wieder geäußerte Ziel der Aufwertung von fürsorgeverantwortlicher, unbezahlter Tätigkeit, wird in diesem Sinne einerseits aufgegeben, andererseits – so ließe sich auch folgern – transformiert, da durch die Ökonomisierung der familialen Sphäre, wie am Beispiel haushaltsnaher Dienstleistungen sichtbar wurde, vormals nicht entlohnte Tätigkeiten in entlohnte Arbeitsplätze überführt werden (sollen). Dies erscheint insofern beachtenswert, als dass auf diese Weise die – nach wie vor – häufig feminisierten Sorgetätigkeiten gerade keine grundsätzliche Aufwertung erfahren, sondern nur insofern erfahren (können), wie sie durch eine ökonomisch‐rationalisierte Rahmung im Sinne der gouvernementalen Rationalität aufgewertet werden. Auf diese Weise bleibt nicht nur die Abwertung der familialen Sphäre zugunsten der Erwerbssphäre intakt, sondern es wird auch eine abwertende Differenzierung zwischen den für das berufliche Fortkommen und die späteren Sozialversicherungsansprüchen ›nützlichen‹ (im Vergleich zu ›unnützen‹) Tätigkeiten vorgenommen. Zwar werden bestimmte Aufgaben als ›notwendig‹ angesehen, dennoch gelten diese als mit und durch den Kontext der familienunterstützenden Dienstleistungen substituierbar. Beide Elternteile sollen ›gleichberechtigt‹ einer Erwerbsarbeit nachgehen und durch die Nutzung jener Dienstleistungen Anstellungsmöglichkeiten schaffen. Insbesondere in den dargestellten Sequenzen der Paarnarrationen wurde deutlich, dass in vielen der sichtbar gewordenen Subjektentwürfe zu Vaterschaft sich zwar eine den Kindern zugewandte Haltung artikuliert, jedoch haushälterische Tätigkeiten keinen vergleichbaren Stellenwert einnehmen. Sofern es die finanzielle Lage zulässt, werden diese Aufgaben nach Möglichkeit ausgelagert, d.h. sowohl in praktischer Hinsicht als auch weit(est)gehend aus dem korrespondierenden Subjektentwurf selbst. Dort, wo die Karrierebestrebungen und der finanzielle Rahmen es erlauben, wird darüber hinaus gehend auch der Subjektentwurf der Mütter von den vergeschlechtlichten Hausarbeiten befreit. Auch hierdurch ergibt sich keine Verschiebung der feminisierten Haushaltsaufgaben in Richtung einer geschlechtsindifferenten Bezugnahme. In diesem Sinne erscheinen die ›aktiven Väter‹ (wenn auch nicht nur) als bedeutsame ›Ressource‹, um ihre Partner*innen insoweit zu entlasten bzw. zu unterstützen, als dass auch diese umfänglich(er) erwerbstätig sein können. Die häufig dichotom‐vergeschlechtlichte Anlage der Subjektentwürfe um Vater- und Mutterschaft bleibt auf diese Weise mit Blick auf die vergeschlechtlichte Arbeitsteilung weitgehend intakt und/oder wird vor dem Hintergrund entsprechender Ressourcen ausgelagert. Mit der zunehmend stärker ausgeprägten kontinuierlichen Erwerbstätigkeit der Eltern verschiebt sich auch die elterliche Praxis zwischen Familie und Erwerbssphäre (nicht nur bzgl. des ElterngeldPlus) von einer sequenziellen zu einer gleichzei-

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tigen Choreographie.109 Während die ›klassische‹ Elternzeit in dieser Hinsicht eher auf eine sequenzielle Abfolge von Zeitabschnitten abzielt, verweisen die neueren familienpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung(en) auf einen Anspruch der Gleichzeitigkeit von Sorge- und Berufstätigkeit, wie er im Sinne der Weiterentwicklung bzw. Erweiterung des BEEGs durch die Einführung des ElterngeldPlus sichtbar wurde.110 Dennoch müssen sich durch diese Gleichzeitigkeit, wie im Kontext der Unterstützung von und durch die haushaltsnahen Dienstleistungen sichtbar wurde, nicht unbedingt auch geschlechteregalisierende Wirkungen hinsichtlich Sorgearbeit ergeben, wie dies auch an verschiedenen Beispielen der Auszüge aus den Narrationen der Studie zu Väter in Elternzeit deutlich wurde. Die spezifische gouvernemental‐biopolitische Verschränkung, die sich innerhalb des sich abzeichnenden Verhältnisses Politischer Ökonomie abzeichnet, zeigt, wie stark ebenjene Reg(ul)ierungsweisen um einen Fokus auf ein Adult-WorkerModell mitsamt des mit diesem eng verbundenen Workfare-States sind. Die Ökonomisierung des Privaten zielt, dies wurde am Beispiel haushaltsnaher Dienstleistungen deutlich, sowohl darauf ab, Eltern selbst als Arbeitgebende in den Arbeitsmarkt zu integrieren als auch darauf, sie gleichzeitig, trotz Sorgeverantwortung, als Arbeitnehmende möglichst kontinuierlich integriert zu halten. Dies markiert die Art und Weise, wie das Interesse nach Erhalt, Steigerung und möglichst effektiver Nutzung singulärem Humanvermögen einerseits und dem bevölkerungsspezifischen Humanvermögen andererseits miteinander verschränkt sind. Das Instrument der Elternzeit kann deshalb, insbesondere seit dem Jahr 2007 und seiner kontinuierlichen Weiterentwicklung bis ins Jahr 2015 fortfolgend, als ein Kreuzungspunkt biopolitisch‐gouvernementaler Regierungstechnik angesehen werden, da es sowohl ebenjene generativen wie ökonomischen Interessen bündelt. Letztlich zeigt sich in den vorangegangenen Ausführungen, insbesondere in der Familienberichterstattung, dass der Ausgangspunkt des Reg(ul)ierungshandelns vor allem in einer wirtschaftlichen Rationalität gesehen werden kann, die als wesentlich für die zu treffenden Entscheidungen gilt. Damit bestätigt sich eine Einschätzung Foucaults zur neoliberalen Gouvernementalität. Geoffroy de Lagasnerie bringt dies wie folgt auf den Punkt, der sich vor dem Hintergrund der vorliegenden Ausführungen bestätigt: 109 Wobei der Begriff ›parallel‹ diesbezüglich bewusst nicht gewählt wird, da dieser zwei parallele, voneinander separierte Bahnen bzw. Aspekte konstatieren würde. Im Rahmen des ElterngeldPlus fallen jedoch zur gleichen Zeit Erwerbs- und Elternzeit zusammen und verweisen damit konstitutiv aufeinander. 110 Womit nicht gesagt werden soll, dass Elternschaft und Erwerbsarbeit nicht bereits sehr häufig auf die eine oder andere Weise miteinander verschränkt waren – vor allem, wenn die ökonomische Notwendigkeit für eine doppelte Erwerbstätigkeit berücksichtigt wird. Vielmehr soll damit eine familien- und erwerbspolitische Verschiebung innerhalb des Elternzeitkontextes verdeutlicht werden.

4 Die Regierung der Elternzeit

»Es ist die Wirtschaft, welche die Grundlage für die Politik bildet und welche die Art und Form öffentlicher Interventionen bestimmt.« (Lagasnerie 2018: 46; vgl. auch Foucault 2006: 186) Zwar lässt sich argumentieren, dass sich im Sinne des ElterngeldPlus eine zunehmende ›Egalität‹ zwischen den Subjektentwürfen zu Mutter- und Vaterschaft realisiert, indem beide Elternteile sowohl Haus- und Sorgetätigkeiten erbringen als auch erwerbstätig sind (und bleiben), allerdings machen die vorangegangenen Ausführungen auch deutlich, dass diese Form der ›Egalität‹ als eine spezifisch ökonomische in Erscheinung tritt, die vor allem das reibungslose Funktionieren ökonomischer Interessen gewährleistet. Die spezifische konstitutive Verschränkung von Politik und Ökonomie bleibt hier (weitestgehend) unsichtbar und wird dadurch innerhalb des staats- wie familienpolitischen Rahmens nicht reflektiert bzw. reflektierbar. Diese ökonomisch bestimmte Form von Egalität tangiert dabei auch einen wesentlichen Punkt, der auch in Bezug auf (Gesellschafts-)Kritik und Widerständigkeit bedeutsam erscheint. Ulrich Bröckling konstatiert: »Ganz offensichtlich hat die aktuelle Ort- und Orientierungslosigkeit von Gesellschaftskritik ihren Grund nicht zuletzt in der unbequemen Einsicht, dass der vermeintliche Sand, mit dem man das Getriebe aufhalten zu können hoffte, diesem inzwischen als Schmiermittel dient und dafür sorgt, dass es besser läuft. Was ehedem Widerstandspositionen markierte, fungiert heute als Innovationsgenerator.« (Bröckling 2017: 379) Insofern erscheint es durchaus angebracht, dieser so bestimmten Form von ›Egalität‹ mit einiger Skepsis zu begegnen, da sie in ihrer spezifischen Rationalität nur diejenigen Subjektentwürfe von Elternschaft protegiert, die ihr reibungsloses Funktionieren stützen. Andere Formen werden hierbei zwar nicht disziplinierend unterbunden, ihre Lebbarkeit jedoch deutlich erschwert. Der Fokus dieser ökonomischen Rationalität konstituiert damit nicht nur spezifische Elternsubjekte, sondern reg(ul)iert als äußerst wirkmächtige Anerkennungsstruktur darüber hinaus auch das relationale Verhältnis der Subjekte zueinander: sowohl der fürsorgeverantwortlichen wie nicht‐sorgeverantwortlichen Subjektentwürfe. Ob sich durch die politische Zielsetzung der zunehmenden Vereinnahmung aller im Sinne eines Adult-Worker-Modells gleichzeitig auch die Entwicklungs- und Karrierestrukturen (mit-)verschieben oder weiterhin vor allem diejenigen Subjektivitäten entsprechende Möglichkeiten realisieren können, die keine Sorgeverantwortung tragen, bleibt indes äußerst fraglich. Die bisherigen Ausführungen in diesem Kapitel haben Verschiedenes gezeigt: zum einen, inwieweit sich der familienpolitische Rahmen und die Rationalität des Regierungshandelns in den vergangenen 40 Jahren verschoben haben, von einer (mindestens) als skeptisch zu bewertenden Haltung gegenüber weiblicher

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Erwerbsarbeit hin zu vielfältigen Versuchen, diese als bedeutsame Ressource des gesellschaftlich‐wirtschaftlichen Humanvermögens zu aktivieren. Zum anderen zeigten sich auch variierende Subjektentwürfe zu Vaterschaft, die seit dem fünften Familienbericht bzw. den 1990er Jahren zunehmend in den familialen Kontext integriert werden sollen. Es wurde deutlich, wie auch das Bundeselterngeld und Elternzeitgesetz als Teil einer aktivierenden Arbeits-, Bevölkerungs- und Wirtschaftspolitik gelesen werden kann, die einen spezifischen Rahmen für das Werden elterlicher Subjektivitäten eröffnet. Dabei folgen die diversen politischen Konfigurationen zur ›Vereinbarkeit von Familie und Beruf‹ einem Apparat neoliberaler Rationalität, der sich in spezifischer Weise in Form der sichtbar gewordenen gouvernemental‐biopolitischen Reg(ul)ierungstechniken artikuliert.

5 Fazit und Ausblick »There is no political position purified of power, and perhaps that impurity is what produces agency as the potential interruption and reversal of regulatory regimes.« (Butler 2008: xxviii)

5.1

Zusammenfassendes Fazit

Die vorliegende Arbeit untersucht zwei aufeinander bezogene Fragen: zum einen die Frage nach dem Werden elterlicher Subjekte und zum anderen nach den gouvernemental‐biopolitischen Rahmenbedingungen, die dieses Werden bedingen. Der Kontext der Elternzeit in Deutschland stellte dabei einen Kristallisationspunkt der Untersuchung dar, da sich diese einerseits als ein, durch diverse familien- sozial- aber auch wirtschafts- und bevölkerungspolitische Rationalitäten, konstituierter Raum abzeichnete, der andererseits in regulatorischer Weise nicht nur an der Konstitution spezifischer elterlicher Subjektentwürfe beteiligt ist, sondern auch die korrespondierenden Nutzungsbedingungen und -möglichkeiten hervorbringt, an welche die Subjekte gebunden sind. Auf staatspolitischer Ebene werden Subjektentwürfe aktiv gefördert, die gleichzeitig zur Elternzeit mit ihrer Erwerbstätigkeit verbunden bleiben bzw. die möglichst schnell wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren sollen, um die Investitionen in das elterliche Humankapital (insbesondere auch jenes der Mütter) nicht zu entwerten. Auch zeigte sich, wie sehr diese Rationalitäten gleichzeitig das ökonomische wie generative Humanvermögen des Bevölkerungskörpers zu steigern versuchen. Andere Subjektentwürfe, die keine vergleichbar umfangreiche Erwerbsorientierung aufweisen, werden zwar nicht verunmöglicht, jedoch – auch dies konnte im Kontext der Familienberichte gezeigt werden – explizit nicht gefördert. In diesem Sinne zeigten sich nicht nur hinsichtlich der politischen Einlassungen, z.B. zu der Frage ob und falls ja Elternzeit ein Instrument der Geburtensteigerung sei bzw. sein kann oder mit Blick auf die Rolle, die Mütter, Väter bzw. Eltern innerhalb der Familie spielen (können und sollen), verschiedenste Positionen, sondern auch auf der Ebene der Eltern ein äußerst breites und teils disparates Spektrum in Bezug auf Elternschaft und Geschlecht. Es konnte gezeigt werden, wie sehr dieses Spektrum

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elterlicher Subjektivität selbst relational mit wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen ›Notwendigkeiten‹ und ›Rationalitäten‹ verschränkt ist, die bestimmte Formen von Elternschaft aus ökonomischen Interessen zu fördern versuchen, während andere, im Rahmen politischer Steuerungsversuche, mindestens nicht gefördert werden. So zeigte sich innerhalb der Familienberichte, dass die häufig betonte ›Wahlfreiheit‹, die den Eltern ermöglicht werden soll, vor allem als eine bedingte Wahlfreiheit hervortritt, die das Spektrum der elterlichen Wahlmöglichkeiten vor allem auf den von politischer Seite gestalteten Rahmen beschränkt. Die gouvernementale Rationalität bündelt die staatspolitischen Interessen hinsichtlich des Themas ›Vereinbarkeit von Familie und Beruf‹ in einer Weise, die vielmehr darauf abzielt, Familie, Geschlecht und die zugehörige familial‐geschlechtliche Aufgabenteilung mit ökonomischen Interessen und der Erwerbsarbeit zu vereinbaren als diese mit Elternschaft und Familie in Einklang zu bringen. Dadurch bleibt die asymmetrische Strukturierung zwischen Erwerbs- und Familienarbeit weitgehend intakt, wenngleich besagte Grenzziehungsprozesse, wie dies auch im Kontext des Materials zu sehen war, verschwimmen (können). Das Instrument der Elternzeit, insbesondere seit der Novellierung im Jahr 2007, soll dazu dienen, einen Subjektentwurf ›Mutter‹ zu realisieren, dessen Erwerbsunterbrechung möglichst kurz bleibt, während dem favorisierten Subjektentwurf ›Vater‹ ein umfassenderes Engagement in den familialen Kontext eingeschrieben wird. Das im Jahr 2015 eingeführte ElterngeldPlus versucht dabei besagte erwerbsspezifische Abstinenz der Eltern dahingehend zu schließen, als dass damit vor allem Subjektentwürfe gefördert werden, die gleichzeitig sowohl Erwerbs- als auch Sorgearbeit erbringen. Vor dem Hintergrund elterlicher Subjektentwürfe, die auf Erwerbsarbeit und Karriere ausgerichtet sind, kann dies durchaus als ›Win‐win-Situation‹ erscheinen, zumal bspw. auch entsprechende Sozialversicherungsansprüche eng an eine Erwerbstätigkeit geknüpft sind. Andere Entwürfe von Elternschaft und Familie, die dieser Rationalität nicht folgen können oder wollen, werden aktiv nicht gefördert. Der installierte Rahmen diszipliniert abweichende Lebensentwürfe zwar nicht in direkter Weise durch Sanktionen, er konstituiert jedoch eine in indirekter Weise wirksame Strukturierung, in der diese elterlichen Subjekt- und Lebensentwürfe zumindest unwahrscheinlicher werden (sollen). Damit bleibt auch zu konstatieren, dass entsprechenden Versuche einer Aufwertung unbezahlter Fürsorgetätigkeiten, wie sie in den Familienberichten teilweise zum Thema wurden, eine indirekte Absage erteilt wird. Dies stützt sowohl die Privilegierung von Erwerbsarbeit als auch von entlohnter- gegenüber nicht‐entlohnter (Sorge-)Arbeit. Diese Verschiebungen hin zu elterlichen Subjektentwürfen im Sinne eines Adult-Worker-Modells wurden auch mit Bezug auf die Dauer der Elternzeit diskutiert: Zum einen verschob sich die Rahmung der Elternzeit dahingehend, dass die Konzeption des Bundeserziehungsgeldgesetzes der 1980er Jahre noch vorsah,

5 Fazit und Ausblick

dass ein Elternteil ganz oder in Teilen auf eine Erwerbsarbeit verzichten können sollte, was auch dadurch deutlich wird, dass dem in Anspruch nehmenden Elternteil lediglich die Möglichkeit gewährt wurde, bis zu 20 Wochenstunden parallel zu arbeiten. Im Zuge der Novellierungen des BEEGs 2007 wurde diesbezüglich eine teilzeitliche parallele Erwerbstätigkeit von bis zu 30 Stunden ermöglicht und entsprechend nicht nur um zehn Stunden pro Woche erhöht, sondern auch von dem damaligen Ziel des kompletten oder weitgehenden Rückzugs von einer Erwerbstätigkeit abgerückt. Weiterhin wurde ersichtlich, wie in diversen familienpolitischen, aber auch öffentlich‐medialen Debatten der elternzeitliche ›Schonraum‹ dahingehend aufgeweicht wird, als die vormals zu fördernde Abstinenz der Erwerbsarbeit in ein – mindestens – Kontakthalten mit dem Arbeitsplatz bis hin Überlegungen zu Weiterbildungen während der Elternzeit überführt wurde. Das ElterngeldPlus, als zusätzliche Option für erwerbs- und karriereorientierte Eltern, konstituiert damit noch deutlicher eine spezifischen Anreizstruktur, in der Elternsubjekte nicht nur mit dem Arbeitsplatz in Verbindung bleiben (sollen), sondern darüber hinausgehend auch während der Elternzeit teilzeitlich arbeiten. Als wesentlich erwies sich innerhalb der Auseinandersetzung mit den Verschiebungen in den Familienberichten der jeweiligen Bundesregierungen auch, dass es sich bei der an vielen Stellen deutlich gewordenen Egalitätsrhetorik um eine spezifische handelt, als sie sich in ihrer Strukturierung als besonders anschlussfähig für die ökonomischen ›Notwendigkeiten‹ erwies, die sich innerhalb der (volks-)wirtschaftlichen Bezüge der einzelnen Berichte abzeichneten. Als Spezifikum dieser Art sich abzeichnender ›Egalität‹ gilt, dass sie untrennbar mit jenen ökonomischen Rationalitäten verwoben ist. Die Verschränkung dieser vergeschlechtlichten Egalität, in der sich insbesondere die Subjektentwürfe Mutter und Vater aus den ihnen zugeschriebenen geschlechterdifferenzierten Sphären aufeinander zu bewegen sollen mit jener neo-/liberal‐eigenverantwortlichen Ausrichtung, fungiert dabei als ›Schmiermittel‹, welches das Funktionieren des wirtschaftlichen Apparates mehr oder weniger reibungslos gewährleistet bzw. gewährleisten soll. Diese spezifische Egalität erwächst dabei unmittelbar aus der gouvernementalen Rationalität, die sie performativ ermöglicht. Auf diese Weise unterscheidet sich diese spezifische Form von Egalität auch von an verschiedenen Stellen aufgeworfenen Egalitätsbemühungen, wie sie innerhalb geschlechterpolitischem und/oder feministischem Engagement zum Ausdruck kommt, welchem eher eine Stör- oder Irritationsfunktion zukommt, anstatt besagte Prozesse in ihrem reibungslosen Ablauf zu unterstützen. Dies wurde in Kapitel 4, bspw. mit Blick auf das Thema Gender Mainstreaming sowie Managing Diversity deutlich: Auch dort ging es zuvorderst darum, Geschlecht als Ressource möglichst effektiv wie effizient ökonomisch nutzbar zu machen, während diese ökonomischen Bedarfe gleichzeitig von einer egalitären Rhetorik getragen wurden. Insofern zeigt sich, dass es hierbei keineswegs um eine grundsätzliche Egalität geht, in der verschiedenste Subjekt- und Lebensentwürfe

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nebeneinander stehen, sondern diese dezidiert mit ökonomischen Interessen verschränkt werden bzw. sind und aus ebenjenen Rationalitäten erwachsen. Des Weiteren wurde innerhalb der Narrationen der Paarinterviews ersichtlich, dass auch diejenigen elterlichen Subjektentwürfe vor Herausforderungen stehen, die dem Rahmen der politischen Agenda einer geschlechteregalitären Partnerschaft bei gleichzeitig reduzierter vollzeitnaher Teilzeitbeschäftigung entsprechen. Dies betont auch das nur bedingt kontrollierbare Potenzial besagter politischer Steuerungs- und Reg(ul)ierungsweisen, die Effekte zeitigen, die in ihrer Produktivität und Tragweite als kaum abschätzbar gelten müssen. Obwohl es an dieser Stelle nicht darum gehen kann, die je individuellen Situierungen einzelner Paare zu verallgemeinern, tritt die vermeintlich paradoxe Verbindung von Egalität und Ökonomie in spezifischen Paarkontexten deutlich hervor, insbesondere dann, wenn jene egalitären Bemühungen mit besagten ökonomischen Erfordernissen konfligieren. Die Situierung des Paares Cramer verdeutlicht hier exemplarisch die paradoxe Verschränkung von geschlechteregalitärem Eltern(-zeit-)arrangement und der neoliberal‐eigenverantwortlichen Anreizstrukturen der elternzeitlichen, aber auch arbeitsmarktpolitischen Regulierungen sehr plastisch. Einerseits entspricht das Paar den familienpolitischen (Ziel-)Vorgaben und den elterlichen Subjektentwürfen, die im Rahmen der Novellierung des BBEGs seit 2007 verfolgt werden, bspw. im Sinne einer paritätischen Aufteilung der Elternzeit oder auch der egalitären Aufteilung der anfallenden Haus- und Sorgetätigkeiten. Andererseits geraten die elterlichen Subjektentwürfe gerade deshalb in ein spannungsreiches Verhältnis zwischen Familie und Erwerbsarbeit. Das egalitäre 50-zu-50-Arrangement bleibt dabei sowohl abhängig von der Inanspruchnahme familienunterstützender Dienstleistungen als auch der Möglichkeit zur Re-/Investition eines Teils des Einkommens. Der so entstehende Handlungsspielraum konstituiert damit einerseits jene egalitären Subjektentwürfe, bleibt jedoch andererseits zwingend an diese Möglichkeitsbedingungen gebunden, die sie damit gleichzeitig auch gefährden. Es zeigt sich jedoch auch, dass die Strukturierung vielfältiger Karrierewege nach wie vor jene Subjektentwürfe protegiert, die keine Fürsorgeverantwortung tragen, was insbesondere hinsichtlich der Relationen der Cramers zu ihren Kolleg*innen deutlich wurde: Die Strukturierung erzeugt damit zuvorderst jene un-/produktiven, (nicht-)leistungsbereiten, (nicht-)karriereorientierten Subjekte, in deren Relation sowohl die Cramers als auch die Kolleg*innen entstehen und auf ihre Plätze verwiesen werden. Die nach wie vor bestehende Asymmetrie zwischen fürsorgeverantwortlichen und nicht‐fürsorgeverantwortlichen Subjektentwürfen im Kontext der Erwerbsarbeit – bzw. der vielfältiger politischen Konzeptionen allgemein – befördert in dieser Beziehung eher ›tradierte‹ Elternsubjekte im Sinne eines modernisierten Versorgermodells, da auf diese Weise die strukturelle Benachteiligung nur einen der elterlichen Subjektentwürfe (meistens jenen um Mutterschaft) benachteiligt.

5 Fazit und Ausblick

Die gouvernementale Rationalität entwirft, insbesondere seit dem siebten Familienbericht elterliche Subjekte, die auch mit arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen verschränkt sind: Einerseits sollen Eltern einen Teil ihres Einkommens zur Gewinnung von ›Zeitsouveränität‹ in haushaltsnahe Dienstleistungen re-/investieren, andererseits auch als Arbeitgebende dieser Dienstleistungen fungieren, was dadurch nicht zuletzt dem Arbeitsmarkt zugutekommen soll. Die so konzipierte ›Vereinbarkeit von Familie und Beruf‹ erhält auf diese Weise gleichzeitig einen wirtschaftlichen- wie arbeitsmarktpolitischen Nutzen. Auch unterstreicht dies erneut entsprechende Versuche der umfassenden Aktivierung aller im Sinne aktiver Erwerbssubjekte. Indem Eltern einen Teil ihres Einkommens re-/investieren (sollen), um sich von erwerbsspezifischem Druck zu befreien, jedoch auch über die Ressourcen verfügen müssen, um diese Möglichkeit der Vereinbarkeit nutzen zu können, wird ein Rad deutlich, welches sich umso schneller dreht, je ausgeprägter die Karriereambitionen der Eltern sind. Dass auch die Elternzeit diesbezüglich nicht als ein entsprechender Schonraum konzipiert ist, verdeutlichten die Bezüge des achten Familienberichts bspw. bei den Überlegungen zu Weiterbildungsmaßnahmen während der Elternzeit. Die zugrunde gelegten Narrationen des Interviewmaterials illustrieren zum einen deutlich, dass haushaltsnahe Dienstleistungen auch während der Elternzeit für viele Eltern eine wichtige unterstützende Funktion übernehmen. Zum anderen zeigen sie, dass die These innerhalb des achten Familienberichts zur Beförderung von »Geschlechtergerechtigkeit« durch die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen nur bedingt realisiert wird: Die Narrationen der Paarinterviews belegen, dass insbesondere häufig der Subjektentwurf ›Mutter‹ durch entsprechende Dienstleistungen entlastet wird bzw. werden soll, während der Subjektentwurf ›Vater‹ deutlich geringer in die zu erbringenden Hausarbeiten involviert bleibt. Vielmehr wird das gemeinsam erwirtschaftete Einkommen dazu aufgewendet, die nach wie vor häufig hochgradig feminisierten Hausarbeiten wie Wäsche, Putzen etc. an andere Frauen auszulagern – seien es weibliche Putzhilfen oder die Schwiegermütter. Auf diese Weise vollzieht sich weder eine grundlegende Verschiebung innerhalb der so gelagerten väterlichen Subjektentwürfe, noch wird dadurch die vergeschlechtlichte Strukturierung solcher Hausarbeiten durchkreuzt. Obwohl sich mit Blick auf das Verhältnis der elterlichen Subjektivitäten ›Vater‹ und ›Mutter‹ zueinander vordergründig ggf. eine Form von geschlechtlicher Egalität konstituiert, wird dennoch eine geschlechtliche Asymmetrie des Subjektentwurfs Mutter in Relation zu anderen Frauen re-/produziert. Mit anderen Worten: Die so erkaufte ›Egalität‹ der elterlichen Subjektivitäten realisiert sich dennoch über eine asymmetrische Struktur, wenngleich diese nun häufig(er) familienextern re-/produziert wird. In vielen der Narrationen artikuliert sich der Bedarf, sich von den Belastungen des Berufs freikaufen zu wollen, um entweder mehr gemeinsame familiale Freizeit verbringen oder (seltener) an der eigenen Karriere arbeiten zu können. Dies verdeutlicht, wie sich eine

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vergeschlechtlichte arbeitsteilige Strukturierung re-/produziert, in der die elterlichen Subjektentwürfe mit spezifischen ›Notwendigkeiten‹ verschränkt sind, die sich nicht zuletzt aus der je spezifischen familial‐beruflichen Situierung, aber auch der familien-, erwerbs- und arbeitsmarktpolitischen Rahmung ergeben. Die politisch‐normativ geforderte Egalität wird dabei jedoch – in Relation zur Produktivität der Kolleg*innen – gleichzeitig auch zu einem Karrierehindernis, wie dies exemplarisch am Beispiel Cramer deutlich wurde, da bzgl. der weiteren Karrierewege nach wie vor diejenigen Subjekte im Vorteil sind, die keine Fürsorgeverantwortung tragen und sich eine Enthierarchisierung des Verhältnisses von Erwerbs- und Fürsorgearbeit nicht abzuzeichnen scheint. Im Rahmen neo-/liberal eigenverantwortlicher Ordnung wird jene ›Un-/Produktivität‹ unmittelbar zu einem verantwortlichen Verschulden des Subjekts selbst, während die paradoxe Strukturierung als solche unsichtbar bleibt.1 Die vermeintliche ›Win‐winSituation‹ dieser ökonomischen Egalität trägt hierbei lediglich insofern, als sie auf wirtschaftlicher Ebene produktivitätssteigernd anreizend wirken soll, während die gleichzeitig damit verbundenen Schwierigkeiten individualisiert werden. Somit wird den Subjekten zwar eine ›Gleichheit‹ hinsichtlich ihrer Erwerbsbeteiligung oder Karrierewege in Aussicht gestellt, die sich vermeintlich jenseits ›tradierter‹ Geschlechterkategorien und elterlichen Rollenkonzepten befindet, diese ›Enttraditionalisierung‹ jedoch nur insofern berücksichtigt, soweit sie dazu dient, produktivitätssteigernd zu wirken, während gleichzeitig vielschichtige Vergeschlechtlichungen in anderen Bereichen re-/produziert werden.2 1 So konstatiert Ulrich Bröckling im Anschluss an Jan Masschelein und Maarten Simons im Sinne einer ›kapitalistisch gewendeten Aufklärung‹: »Im Zeichen eines generalisierten Wettbewerbs wird die fortwährende Selbstbefragung zur elementaren Tugend. Kapitalistische Aufklärung fordert den ›Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unproduktivität‹.« (2017: 379 – Kursivierung B.N.) 2 Dass im Kontext neoliberaler Gouvernementalität der Bezug auf Geschlecht zwischen Affirmation und Auflösung von Geschlechterstereotypen changiert, beschreibt auch Ulrich Bröckling in seiner Auseinandersetzung mit Erfolgsratgeberliteratur, die sich explizit an Frauen richtet. Bröckling konstatiert hierbei u.a.: »Um sämtliche Ressourcen mobilisieren und sich flexibel auf alle Herausforderungen einstellen zu können, sollen sich Frauen einerseits auf ihr fundamentales Anders-Sein besinnen, wozu dann selbst das traditionellste aller Weiblichkeitsmodelle aus der Mottenkiste geholt wird [das Muttersein – Anm. B.N.]. Andererseits sollen sie sich vom Verhaftetsein an ihr Geschlecht lösen und zu Virtuosinnen in der Kunst des identity‐switching werden, die das Spiel der Männer zu spielen wissen, wenn es nötig ist, deren Überlegenheit sich aber darin zeigt, dass sie aus diesem Spiel auch jederzeit aussteigen und nach ihren eigenen Regeln weiterspielen können. Nicht auf Maskulinisierung der Frauen oder Kultivierung ihrer Weiblichkeit, ebenso wenig auf ein wie auch immer geartetes Ideal von Androgynität sind die Selbstmanagement-Programme geeicht, sondern auf souveräne Anpassung an wechselnde Kundenanforderungen und Konkurrenzverhältnisse, die mal das eine, mal das andere und manchmal auch das dritte verlangen.« (Bröckling 2002: 191)

5 Fazit und Ausblick

Obwohl die überwiegende Mehrheit der sich im Interviewmaterial gezeigten elterlichen Subjektentwürfe eher einem modernisierten Versorgermodell zugerechnet werden kann, scheint eine solche Konzeption elterlicher Subjektivitäten nicht (mehr) primär im Fokus der politischen Rationalität zu stehen und kann – zumindest retrospektiv – als eine Art Etappe auf dem Weg zu einer gleichmäßig(er)en Involvierung und Aktivierung aller Erwerbssubjekte gelesen werden. Zwar gilt diese Konstellation innerhalb des politischen Diskurses nach wie vor als eine gangbare Variante sequenzieller Elternzeit, insbesondere im Verhältnis zu einem ›klassischen‹ ›Male‐breadwinner-Modell‹, jedoch weist der politische Diskurs in Richtung eines Zweiverdienermodells als politischem Leitbild, welchem auch mit dem ElterngeldPlus begegnet wird. Dies erweist sich insbesondere auch ökonomisch begründet und getragen, wie dies in den Abschnitten 4.6 und 4.7 deutlich wurde.3 Bei den Narrationen des Interviewmaterials wurde weiterhin deutlich, dass die strukturelle Anlage des BEEGs mit seinen beiden ›Partnermonaten‹, trotz einer vermeintlich geschlechterneutralen Semantik, eine primäre/sekundäre Elternverantwortung begünstigt. Einerseits wird sowohl innerhalb der öffentlich‐medialen Debatten wie auch der geführten Interviews diese Formulierung oft nicht verwendet. Es finden sich Bezeichnungen wie ›Vätermonate‹ oder ›Papamonate‹. Dies erscheint insofern bedeutsam, als sich auch innerhalb des Interviewmaterials gezeigt hat, wie wörtlich der Begriff ›Partnermonate‹ im Sinne von ›Vätermonaten‹ zum Teil genommen wurde, indem davon ausgegangen wird, dass diese Monate exklusiv für Väter reserviert seien. Andere Begriffe wie Eltern- oder Familienmonate könnten solche Missverständnisse vermeiden. Andererseits wird über die juridische Strukturierung der ›Partnermonate‹ keine Form von Elternschaft begünstigt, die dazu geeignet wäre, die Gleichwertigkeit der Subjektentwürfe ›Mutter‹ und ›Vater‹ bzw. abstrakter Elter1 und Elter2 etc. zu betonen, wie es bspw. im Rahmen exklusiver paritätischer Eltern/Familienmonate (7:7) möglich wäre. Empirisch materialisiert sich dies häufig in Wiederholungen feminisierter primärer Sorgeverantwortung: indem diese entweder dem Subjektentwurf ›Mutter‹ zugeschrieben wird oder bspw. auch ›Väter‹ zu ›Müttern‹ erklärt werden. Die familienpolitischen Bezüge zeigen diesbezüglich, dass dieser Problematik insbesondere über eine ökonomische Rationalität begegnet werden soll. Die Elternzeit stellt dabei zwar nicht das einzige, jedoch ein wichtiges familien-, arbeitsmarkt- und bevölkerungspolitisches Instrument dar, welches 3 Dass das Elternzeitmodell, welches mit der Novellierung im Jahr 2007 eingeführt wurde, nach wie vor Aktualität besitzt, zeigt sich auch daran, dass sie nicht durch die Einführung des ElterngeldPlus ersetzt wurde, sondern das ElterngeldPlus als eine zusätzliche Variante eingeführt wurde. Nichtsdestotrotz zeigt das vorangegangene Kapitel, dass das ElterngeldPlus den jüngeren politischen Interessen eher gerecht wird.

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diese teils disparaten Anforderungen bündelt und in spezifischer Weise die Vereinbarkeit bzw. Vereinbarmachung reguliert. Auf der einen Seite sollen Elternsubjekte generativ tätig werden und in gleichberechtigter Weise ›Qualitätszeit‹ mit und in der Familie verbringen; sie sollen sich jedoch auf der anderen Seite auch beruflich qualifizieren, an ihren Karrieren und ihrem Humankapital arbeiten bzw. dieses vor ›Entwertung‹ schützen, indem sie familiale ›Leerzeiten‹ jenseits der auf Produktivität und Aktivität ausgerichteten »Qualitätszeit« vermeiden. Wie in Kapitel 4 (Abschnitt 4.7) gezeigt wird, wird in dieser Perspektive nicht nur Zeit zur Ware, sondern die Eltern selbst zu managenden Buchhalter*innen, die ihre jeweiligen »Zeitkonten« eigenverantwortlich sowohl zu verwalten als auch zu optimieren haben. Auch ist deutlich geworden, wie (Selbst-)Disziplinierungen im Foucault’schen Sinne an den Erwerb spezifischer »Zeitkompetenzen« gebunden werden, die wiederum nicht nur als ›Investition‹ in das Humankapital des Einzelsubjekts, sondern auch in kollektiver Weise für das gesamtgesellschaftliche Humanvermögen gelten. Die Inkohärenzen des elternzeitlichen ›Schonraums‹ einerseits und die aktivierenden erwerbsspezifischen Bemühungen andererseits finden dabei zugleich statt. Auf diese Weise erscheint die innerhalb des familienpolitischen Diskurses häufig bemühte ›Vereinbarkeit‹ von Familie und Beruf auch im Kontext der Elternzeit als Versuch, die diversen politischen Ziele im Hinblick auf Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Demographie auf eine Weise zu regulieren, die dieses Spannungsfeld gerade nicht auflöst, sondern produktiv zu nutzen sucht, was durch entsprechende Neuregelungen wie dem ElterngeldPlus weiter ausgebaut wird. Bemühungen, den Erfordernissen des jeweiligen Unternehmens bzw. Arbeitsplatzes zu entsprechen, finden sich dabei in vielen der geführten Interviews, während Widerständigkeiten gegenüber dem Betrieb oder der Betriebskultur eher zur Ausnahme gehören. Entsprechende Adressierungen der Eigenverantwortlichkeit zeichneten sich auch innerhalb des zweiten Kapitels im Zusammenhang verschiedener betrieblicher Leitfäden bzw. (Self-)Coaching Guides zur Elternzeit ab, die erneut deutlich machen, dass es auch im Kontext der Inanspruchnahme der Elternzeit für viele Unternehmen das ›Selbst‹ der Arbeitnehmer*innen ist, welches nicht nur eines Coachings bedarf, sondern in eigenverantwortlicher Weise durch das Subjekt selbst erfolgen soll (vgl. auch Neumann 2016b).4 Die Ausführungen verdeutlichen, wie die gouvernemental‐biopolitische Rationalität über die Strukturierung des BEEGs jene teils widersprüchlichen Anforderungen auf eine Weise organisiert, die sowohl den Zielen einer Politischen Ökonomie entspricht als auch, daran gebunden, spezifische Formen von elterlicher Subjektivität an diesen ausrichtet. 4 Siehe in Bezug auf die Expert*inneninterviews, die im Rahmen der Studie Väter in Elternzeit geführt wurden, auch Neumann/Meuser 2017; Aunkofer/Meuser/Neumann 2018.

5 Fazit und Ausblick

Damit verbunden korrespondieren jedoch weiterhin zahlreiche geschlechtliche Asymmetrien zwischen den Eltern. Zwar sollen alle Arbeitnehmer*innen zunehmend einer Erwerbsarbeit nachgehen, dennoch zeigte nicht nur die Auseinandersetzung mit den Familienberichten die häufig nach wie vor stattfindenden geschlechterdifferenzierenden Bezugnahmen, welche Eltern hierbei weniger als Elter(nteil), sondern mehr als dezidiert ›Mutter‹ und ›Vater‹ adressieren. Obwohl – sowohl innerhalb der Familienberichte wie auch der Narrationen – häufig eine Gleichheitsrhetorik bemüht wird, finden dennoch Geschlechterdifferenzierungen statt. Und zwar einerseits im Sinne der ›feminisierten‹ familialen Sphäre sowie der ›männlich‹ geprägten Erwerbssphäre oder aber in den ›eigenständigen‹ Bedeutungen von ›Müttern‹ und ›Vätern‹ in ihrem Stellenwert für die kindliche Entwicklung, wodurch nicht nur entsprechende Essentialisierungen von Geschlecht re-/produziert werden, sondern letztlich auch heteronormative Familien bzw. Elternformen privilegiert werden. Dennoch zeigten sich in der Auseinandersetzung mit dem elterlichen Spektrum der Paarinterviews auch Subjektentwürfe jenseits dichotomer geschlechtlicher Anlagen, die sich, im Unterschied zum Großteil der übrigen Paare, dezidiert als ›Elternpersonen‹ entwerfen und entsprechende Eigenschaften nicht an das biologische Geschlecht, sondern an individuelle Charaktereigenschaften binden. In den Narrationen dieses Endes des elterlichen Spektrums realisiert sich eine deutlich egalitärere Arbeitsteilung der Haus- und Sorgetätigkeiten sowie der Nutzung der Elternzeiten.

5.2

Ein Ausblick

Die konstitutive Verschränkung diverser Ebenen, die im Rahmen der Arbeit nicht nur deutlich herausgearbeitet, sondern hinsichtlich ihrer spezifischen Produktivität in den Blick genommen wurde, unterstreicht den Erkenntnisgewinn den die Auseinandersetzung mit dem Thema ›Elternzeit‹ gebracht hat. Durch die geschlechtertheoretisch gewendete gouvernemental‐biopolitische Perspektive im Anschluss an die Arbeiten Judith Butlers ließ sich das gesammelte Material nicht nur in Bezug auf diverse Reg(ul)ierungsweisen hin untersuchen, sondern gleichzeitig auch um die Dimension Geschlecht erweitern, die zwar in den Überlegungen Foucaults nicht abstinent war, jedoch nicht in konstanter Weise mitgeführt wurde. Die Untersuchung zeigt, dass (und wie) die Auseinandersetzung mit jenen gouvernemental‐biopolitischen Politiken auf das Engste mit Subjektivierungsprozessen verschränkt ist, die eine geschlechtertheoretisch gewendete Gouvernementalitätsforschung notwendig machen.5 Insofern beschränkt sich der theoretisch‐me5 Womit selbstverständlich nicht gesagt werden soll, dass Geschlecht die einzige Dimension sei, die innerhalb gouvernementaler Analysen zu berücksichtigen wäre. Vielmehr handelt es sich

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thod(olog)ische Zugewinn dieser Arbeit durch die performativitätstheoretische Anlage nicht auf den Forschungskontext der Elternzeit allein, sondern knüpft darüber hinausgehend auch an aktuelle Debatten um Gouvernementalität und Geschlecht an (z.B. Ludwig/Sauer/Wöhl 2009; Ludwig 2017; Bargetz/Ludwig/Sauer 2015; Ludwig 2011). Die Auseinandersetzung hat ebenso hervorgehoben, dass auch analytisch eine Trennung diverser Aspekte und Ebenen, z.B. Gouvernementalität, Biopolitik und Geschlecht (in Kapitel 2), Geschlecht als Gegenstand des Wissens sowie die konstitutive Verschränkung von Theorie/Empirie (in Kapitel 3) oder das Verhältnis Familienpolitiken und Einzelsubjekte (in Kapitel 4) aufgrund besagter Verschränkungen für die zugrunde liegenden Forschungsfragen als wenig zielführend erschien. Dabei wurde versucht, einen Vorschlag zu unterbreiten, wie diese diversen Bezüge in ihrem Zusammenwirken in den Blick genommen werden können. Die Anreicherung durch Butlers performativitätstheoretisch‐dekonstruktive Perspektive erlaubte es hierbei darüber hinausgehend, Essentialisierungen von Elternschaft und Geschlecht nicht vorauszusetzen, sondern Prozesse von De-/Naturalisierung selbst in den Blick zu nehmen und mit dem elterlichen Werden im Rahmen der gouvernemental‐biopolitischen Bezüge zu untersuchen. Weiterhin wurde deutlich, dass innerhalb der spannungsreichen Adressierungen des elternzeitlichen Kontextes variierende elterliche Subjektivitäten (›Mütter‹, ›Väter‹ ›Elter‹) hervorgehen können, die jedoch nichtsdestotrotz an die konstitutive Macht des BEEGs gebunden bleiben. Wenn mit Butler davon ausgegangen wird, dass es nicht dasselbe ist, innerhalb der »Matrix der Macht« zu operieren oder unkritisch bestehende Herrschaftsverhältnisse zu re-/produzieren (2012a: 57), dann liegt vielleicht gerade hierin ein Schlüssel für eine Form widerständiger Praxis, die zwar nicht jenseits der juridischen Möglichkeiten des BEEGs mitsamt der vielfältigen politischen ›Notwendigkeiten‹ und Zielsetzungen operiert, jedoch – auch hierfür konnten vereinzelte Beispiele angeführt werden – kreative Umgangsstrategien ermöglicht und jene politischen Anforderungen auf die ein oder andere Weise unterläuft. Obwohl die kritische Bezugnahme auf das BEEG selbst nicht unbedingt eine Verschiebung zeitigt, wird mit ihr eine Potenzialität mitgeführt, nicht »dermaßen« regiert zu werden (Foucault 1992: 12) und sich so auf eine andere Weise innerhalb jener Matrix der Macht zu bewegen. Insbesondere auch hinsichtlich der ökonomischen Perspektivierungen sowie Adressierungen, die mit dem politischen Kontext des BEEGs verwoben sind, stellen sich Fragen danach, inwiefern andere Perspektiven auf Elternschaft, Familie, Geschlecht, Generativität, aber auch Wirtschaft(lichkeit) und Ökonomie selbst, wie sie sowohl innerhalb der Familienberichte als auch des Interviewmaterials zu sehen waren, auch andere familienpolitische Bezüge und Sichtweisen ermöglichen (können). Wenn laut Foucault bspw. hierbei um einen theoretischen Fokus, der konstitutiv für das Augenmerk der vorgelegten Untersuchung war.

5 Fazit und Ausblick

der Homo oeconomicus oder die Theorie des Humankapitals/Humanvermögens als spezifische Konstruktionen gelesen werden müssen, dann eröffnet sich hierdurch zum einen die Frage, ob und wie diese Konstruktionen wiederholt werden. Zum anderen macht der Verweis auf die Konstruiertheit den artifiziellen Charakter dieser Bezüge deutlich, denen potenziell immer etwas daneben gesetzt werden kann. Wie in Kapitel 2 deutlich wurde, verstehen bspw. viele Theoretiker*innen der Humankapitaltheorie ihre Bezüge als deskriptiv (vgl. auch Bröckling 2011: 257), wodurch der normative Charakter dieser Bearbeitungen von ›Wirklichkeit‹ verschleiert wird. Die performativitätstheoretische Grundlage der vorliegenden Arbeit sensibilisiert dabei gerade für solche wirklichkeitskonstituierenden Vollzüge, deren Bedingungen und die Frage nach ihren Gelingensbedingungen. Die Auseinandersetzung mit der Artifizialität besagter Konzepte wie auch mit der Funktionsweise jener ökonomisch gewendeten Form von Egalität oder auch den damit verbundenen variierenden de-/naturalisierenden Bezügen auf Elternschaft und Geschlecht innerhalb der Elternzeit unterstreicht dabei ein Potenzial für Veränderung sowie den postsouveränen Handlungsspielraum, der solchen verschiebenden Wiederholungen eigen ist. Sowohl die Auseinandersetzung mit den Familienberichten der verschiedenen Bundesregierungen als auch mit dem Interviewmaterial lässt ein ambivalentes Verhältnis mit Blick auf die Frage nach Persistenzen und Wandel erkennen, wie dies bereits hinsichtlich der ökonomisch gewendeten Form von Egalität zu sehen war: Einerseits zeichneten sich wesentliche familienpolitische Veränderungen seit den 1970er Jahren ab, die sich auch in deutlich sichtbar anderen Bezügen zwischen dem Bundeserziehungsgeldgesetz von 1986ff. und der Novellierung des Bundeselternzeit- und Elterngeldgesetzes seit 2007 in puncto Elternschaft und Geschlecht ausdrücken. Insbesondere die variierenden Subjektentwürfe um Mutterschaft und Erwerbsarbeit verdeutlichen dies nachdrücklich. Dies gilt auch für Subjektentwürfe um Vaterschaft und das mit diesen verbundene Verhältnis zu Familie, welches seit Mitte der 1980er Jahre diskutiert und seit den 1990er Jahren auch innerhalb der Soziologie auf ein größer werdendes Forschungsinteresse stößt. Auch der kontinuierliche Anstieg an Elternzeit(en) von Vätern kann als ein Indiz gelesen werden, welches auf Veränderungen väterlicher Praxis hindeutet. Andererseits wurde auch deutlich, dass diese Verschiebungen mit Ökonomisierungsprozessen des familialen Kontextes verschränkt sind und so einem Regime unterliegen, dem es weniger um eine grundsätzliche Egalität an und für sich geht, sondern diese als positiven Effekt mitführt, wenn sie mit den wirtschaftlichen Interessen und Rationalitäten kompatibel erscheint. Diese Bedingungen machen dabei eine (auch weitere) Auseinandersetzung mit den strukturellen wie politischen Rahmenbedingungen erforderlich, in deren Kontext das BEEG als ein spezifisches Steuerungsinstrument funktioniert, in welches ebenjene neoliberal aktivierende Politik ebenso eingeschrieben ist wie jene subjektivierenden

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Adressierungen um Elternschaft und Geschlecht (bspw. ›in-/aktive‹ Mütter und Väter oder geschlechterdifferenzierenden Rahmungen betreffend). Die kritischen Bezüge, welche in der Auseinandersetzung mit den Familienberichten als auch mit dem Interviewmaterial aufgeworfen wurden, verdeutlichen dabei ebenso wie das heterogene Spektrum der Subjektentwürfe um Elternschaft, dass der Überlegung Butlers, wonach es weniger die Frage ist, ob wir wiederholen, sondern vielmehr wie wir wiederholen (2012a: 217), ein entscheidendes Gewicht zukommt. Obwohl damit das teils prekäre Spannungsfeld zwischen Erwerbsarbeit und Familie nicht aufgelöst wird, macht Butlers Hinweis dennoch deutlich, dass es sowohl auf politischer-, forschungspraktischer sowie auch elterlicher Ebene lohnend sein kann, der Frage nachzugehen, wie bestimmte Politiken, aber auch Praxen wiederholt werden können und sollen. Dies schließt in familienpolitischer Hinsicht eine Auseinandersetzung mit einer an wirtschaftlichen Interessen ausgerichteten Politik ebenso ein wie Fragen nach der zukünftigen Ausgestaltung der elternzeitlichen Regelungen. Deutlich wurde indes, dass die gouvernementale Vernunft es unterlässt, die Problematik und Verantwortlichkeit für Herausforderungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch dezidiert(er) im Kontext wirtschaftlichökonomischer bzw. unternehmerischer Rationalitäten zu diskutieren.6 Dies kann als ›blinder Fleck‹ einer neoliberalen Politischen Ökonomie gelesen werden, die ausschließlich auf das Verhältnis von Individuum und Staat fokussiert und die ökonomische Dimension der politischen Rationalität tendenziell unsichtbar macht bzw. sie einer Kritik entzieht. Darüber hinaus wurde hinsichtlich der Subjektentwürfe zu Vater-, Mutter- und Elternschaft durch die Beschäftigung mit Prozessen von Subjektivation und De-/Naturalisierung zwar die Wirkmächtigkeit jener naturalisierenden oder biologisierenden Diskurse deutlich, des Weiteren jedoch auch, dass diese teils kritisch und/oder kreativ unterlaufen werden, ohne sich diesen indes gänzlich entziehen zu können. Wichtig bleibt darüber hinaus festzuhalten, wie sehr Subjektivität mit dem gouvernementalen Rahmen verschränkt ist, der ebenjene Möglichkeitsbedingungen in machtvoller Weise reguliert. Nicht »dermaßen« regiert zu werden, kann dann vielleicht bedeuten, jene ›Selbstverständlichkeiten‹ oder ›Gewissheiten‹ herauszufordern, welche sowohl in Bezug auf wirtschaftliche Rationalitäten als auch in Bezug auf Elternschaft und Geschlecht deutlich wurden. Zwar zeitigt eine solche 6 Zwar tauchen vergleichbare Kritiken innerhalb des politischen wie öffentlich‐medialen Diskurses auf, jedoch führen diese selten zu einer grundsätzlich(eren) kritischen Auseinandersetzung bzw. Infragestellung der zugrunde gelegten Prinzipien. Auch soll hiermit keineswegs dafür plädiert werden, der Seite der Unternehmenden die alleinige Verantwortlichkeit zu übertragen. Vielmehr geht es darum, die relationalen Verstrickungen zu betonen, die in der Art der politischen Bezugnahmen häufig nur in spezifischer Weise in den Blick geraten.

5 Fazit und Ausblick

Distanzierung nicht zwangsläufig verschiebende Effekte, sie offeriert jedoch einen alternierenden Handlungsspielraum, der eine Wiederholung auf andere Weise möglich macht. Dies gilt ebenso für den unterbreiteten Vorschlag der Verwendung des Begriffs ›Elter‹ (im Kontrast zu ›Mutter‹ bzw. ›Vater‹), da dieser einerseits Diskurse um ›aktive Vaterschaft‹ wie ›geteilte Elternschaft‹, andererseits jedoch auch Formen von Elternschaft und Familie inkludiert, die jenseits heteronormativer Bezüge liegen. Zwar garantiert nichts jene Effektivität der Verschiebung, jedoch markiert die Veränderung des Bezugs auf Elternschaft die Möglichkeit, der Spektralität elterlicher Subjektivität in anderer Weise gerecht zu werden.

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Februar 2019, 246 S., kart. 24,99 €(DE), 978-3-8376-4474-6

Sybille Bauriedl, Anke Strüver (Hg.)

Smart City – Kritische Perspektiven auf die Digitalisierung in Städten 2018, 364 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-4336-7 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4336-1 EPUB: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4336-7

Weert Canzler, Andreas Knie, Lisa Ruhrort, Christian Scherf

Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende Soziologische Deutungen 2018, 174 S., kart., zahlr. Abb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-4568-2 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4568-6 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4568-2

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Soziologie Gianna Behrendt, Anna Henkel (Hg.)

10 Minuten Soziologie: Fakten 2018, 166 S., kart. 16,99 € (DE), 978-3-8376-4362-6 E-Book: 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4362-0

Heike Delitz

Kollektive Identitäten 2018, 160 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3724-3 E-Book: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3724-7

Anna Henkel (Hg.)

10 Minuten Soziologie: Materialität 2018, 122 S., kart. 15,99 € (DE), 978-3-8376-4073-1 E-Book: 13,99 €(DE), ISBN 978-3-8394-4073-5

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