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German Pages 228 Year 1998
WOLFGANG SEIDEL
Die mangelnde Bedeutung mitgliedschaftlicher Treupflichten im Willensbildungsprozeß der GmbH
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 114
Die mangelnde Bedeutung mitgliedschaftlicher Treupflichten im Willensbildungsprozeß der GmbH
Von Wolfgang Seidel
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme
Seidel, Wolfgang:
Die mangelnde Bedeutung mitgliedschaftlieber Treupflichten im Willensbildungsprozeß der GmbH I von Wolfgang Seidel. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 114) Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1997/98 ISBN 3-428-09420-4
Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 1998 Duncker &
ISSN 0582-026X ISBN 3-428-09420-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1997/98 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen. Für seine jederzeitige Förderung möchte ich mich ganz besonders bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Klaus Müller, bedanken. Weiterhin gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Watther Hadding, der sich neben meinem Doktorvater als Generalratgeber in allen wissenschaftlichen und universitären Fragen erwiesen hat, sowie Herrn Rechtsanwalt Dr. Ulrich Brink aus Mainz, dessen freier Mitarbeiter ich während der Anfertigung dieser Arbeit
war.
Mainz, im August 1998
Wolfgang Seidel
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Gegenstand der Untersuchung
17
1. Kapitel Grundlagen
19
I.
Stimmrecht und Beschlußfassung. .. .. ...... ........ .. ................. ........ .. ..... ................ . 19
II.
Interessenkonflikt und Lösungsmöglichkeiten .. .... .. .... .. .. .... ... ... .. .. .. .. .... .. .. .. .. .... 22 l. Nichtigkeit und Unwirksamkeit von Beschlüssen....................................... 22
a) Beschlußnichtigkeit aus inhaltlichen Gründen...................................... 22 b) Zustimmungserfordernisse.................................................................... 23 2. Stimmrechtsbeschränkungen ....................... ................................................ 24 a) Stimmverbote ........................................ ... .............................. ..... .......... 24 b) Das Ruhen des Stimmrechts.................................................................. 26 c) Das Verbot mißbräuchlicher Stimmrechtsausübung ............................. 26 3. Beschränkung der Vertretungsmacht des Stimmrechtsvertreters ................ 27 2. Kapitel Der Anwendungsbereich von Treupflichten zur Gewährleistung eines richtigen Ergebnisses der gesellschaftlichen Willensbildung
I.
29
Zustimmungserfordernisse .................................. ............................... ............... 30 l. Die Einziehung von Geschäftsanteilen, § 34 GmbHG ................................ 30
2. Der Ausschluß eines Gesellschafters........................................................... 33 3. Zweckänderungen nach § 33 Abs. l S. 2 BGB, insbesondere der Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabfllhrungsvertrages .................. 34 a) Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB im GmbH-Recht................. 34 b) Die Änderung des Gesellschaftszwecks................................................ 35
10
Inhaltsverzeichnis c) Vergleich des Abschlusses von Unternehmensverträgen mit der Regelung des Umwandlungsrechts ....................................................... 37 d) Die spätere Konzerneingliederung der abhängigen GmbH nach dem Abschluß eines Beherrschungsvertrages.. ............................................. 40 e) Die faktische Konzernierung................................................................. 40 4. Die Beeinträchtigung von Sonderrechten gemäß § 35 BGB ....................... 40 5. Die Vinkulierung von Geschäftsanteilen, § 15 Abs. 5 GmbHG .................. 41 a) Die nachträgliche Vinkulierung ............................................................ 41 b) Die Aufhebung einer Vinkulierung....................................................... 43 6. Leistungsverrnehrung, § 53 Abs. 3 GmbHG ............................................... 44 7. Eingriffe in den sogenannten Kernbereich der Mitgliedschaft.................... 46 a) Die Kernbereichslehre........................................................................... 47 b) Statuarische Zustimmungsvorbehalte und§ 33 Abs. I S. 2 BGB......... 48 aa) Der Entzug des Stimmrechts......................................................... 49 bb) Entzug und Einschränkung des Gewinnbezugsrechts...... ............. 49 cc) Die Veränderung der Liquidationsquote....................................... 51 dd) Zwischenergebnis.......................................................................... 52 8. Sonstige Zustimmungserfordernisse............................................................ 52
II.
Die Stimmverbote des§ 47 Abs. 4 GmbHG...................................................... 53 I. Normzweck und Grundtatbestände ............................................................. 53 2. Beschlüsse über die Vornahme eines Rechtsgeschäftes gegenüber einem Gesellschafter.............................................................................................. 55 a) Teleologische Reduktion....................................................................... 56 b) Drittgeschäfte ........................................................................................ 57 c) Bestellung und Anstellung von Organmitgliedern, Auswahl der leitenden Angestellten ........................................................................... 57 d) Die Einforderung noch ausstehender Stammeinlagen........................... 59 e) Satzungsänderungen.............................................................. ...... .......... 60 f)
Übertragung des Geschäftsanteils .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. ................ ............... 61
g) Einziehung, Ausschließung, Kaduzierung ...................... .... .. .... .. .. .. .. .. .. 63 h) Beherrschungs- und Gewinnabfilhrungsverträge .................. ................ 64
Inhaltsverzeichnis
11
i) Konzernbildende Gesellschafterbeschlüsse........................................... 64 j)
Umwandlungsbeschlüsse .. .................................................................... 68
k) AuflösungsbeschlUsse ............................. .............................................. 70 I) Zwischenergebnis.................................................................................. 70 3. Befreiung eines Gesellschafters von einer Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft .......... ........ .................... ....... ...... ........ ....... .. ....... ... ......... .... 71 4. Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites gegenüber einem Gesellschafter................................................................................................... 72 5. Die Entlastung eines Gesellschafters sowie die Verbote, in eigener Sache zu richten und bei Maßnahmen mitzuwirken, die sich aus wichtigem Grund gegen einen selbst richten............................................... 74 6. Nonnadressat............................................................................................... 76 a) Gesellschafter und Vertreter.................................................................. 76 b) Umgehung............................................................................................. 76 c) Näheverhältnis ...................................................................................... 76 d) Teleologische Reduktion....................................................................... 77 e) Befangenheit des mittelbar Beteiligten................................................. 78 f)
Befangenheit einer zweiten Gesellschaft, deren Gesellschafter oder Leitungsorgan der GmbH-Gesellschafter ist......................................... 80
7. Die Abbedingung des§ 47 Abs. 4 GmbHG ................................................ 81 a) Meinungsstand .................. ...................... .............................................. 81 b) Stellungnahme....................................................................................... 82 111.
Zwischenergebnis............................................................................................. 84
3. Kapitel Der Inhalt der Treupßicht bei Stimmabgabe und Beschluß
87
I.
Systematisierung nach Beschlußgegenständen.. ............ ........................ .... .. .. .... 87
II.
Gesellschafterentscheidungen in Geschäftsfllhrungsangelegenheiten und vergleichbare Beschlüsse................................................................................... 88 1. Abgrenzung der Beschlußgegenstände: Zuständigkeit der Gesellschafter zur Geschäftsfllhrung und der Geschäftsfllhrung vergleichbare Grundlagengeschäfte .. ..... ... .. ........................... .. .. .. ... ...... .. .. ... ....... .. ... ....... ... ...... .... 88
12
Inhaltsverzeichnis a) Primärzuständigkeit zur Geschäftsführung ............................ ............... 88 b) Organschaftliehe Weisungen gemäߧ 37 Abs. l GmbHG ................... 90 c) Der Geschäftsführung vergleichbare Beschlüsse.................................. 91 2. Rechtsprechung........................................................................................... 91 a) Maßgeblichkeit des Gesellschaftsinteresses.......................................... 91 b) Die Kontrolle der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit von Gesellschafterbeschlüssen ............................. .. ................. .... ....... .... .... .. ......... . 93 3. Literatur und eigene Stellungnahme............................................................ 95 a) Die ausschließliche Bindung an den Gesellschaftszweck ..................... 95 b) Der Beurteilungsmaßstab fllr eine Treupflichtverletzung ..................... 95 c) Insbesondere die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit von Gesellschafterentscheidungen ....................... .... ..... ... ....... .. ....... ......... ........ .. ... 97 d) Zweckmäßigkeitskontrolle in besonderen Fällen ................................. 100 e) Die Unterscheidung von wirtschaftlich unzweckmäßigen und gesellschaftszweckwidrigen Beschlüssen...................................................... I 0 I f) Die konzernabhängige GmbH .............................................................. 102
4. Zwischenergebnis: Sinn und Zweck der Treupflicht bei Gesellschafterentscheidungen in Geschäftsfllhrungs- und vergleichbaren Angelegenheiten .......................................................................................................... 107 III.
Sonstige, der Geschäftsfllhrung nicht vergleichbare Beschlüsse...................... I 08 l. Allgemeine Lösungsansätze der Literatur ..... ... ......... ....... .. ................... .. ... l 09
a) Die Kollision von Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen ........... 109 b) Kollision der Gesellschafterinteressen untereinander .......................... lll 2. Allgemeingültigkeit einzelner Aussagen der Rechtsprechung zur gesellschaftsrechtlichen Treupflicht ...... .. .... .. ... ........ .......... .. ......... .. ...... .. ........... . 114 3. Fallgruppen ................................................................................................ 114 a) Auflösungsbeschlüsse .......................................................................... 115 aa) Unterscheidung Inhaltskontrolle und sachliche Rechtfertigung... 115 bb) Eignung im Sinne einer funktionskonformen Kompetenzausübung ........................................................................................... 116 cc) Erforderlichkeit .. ........ ... .. .. .... .. ..... .... .. ..... ....... .. .... ....... .......... .... ... 119
Inhaltsverzeichnis
13
dd) Angemessenheil .......... ....... .. ... .. ........ ...... .. .. ... ... .. ... ...... ... ... ... .... .. . 119 ee) Zustimmungspflicht ..... .... .. .......... .. ... ..................... ............ .... .. .... 120 ff)
Zwischenergebnis......................................................................... 121
b) Ausschluß eines Gesellschafters und Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils .. .. ............. ........ .. .. .. ... .. ... ......... .. .. ..... ... .. ... .. ..... .. ... .... ..... .. 121 aa) Geeignetheil .... ..... ............................. ................................. .......... 122 bb) Erforderlichkeil ............................................................................ 122 cc) Angemessenheil ... .. ...... ..... ..... .. .... ............ .. .. .... .... .. ... ......... ..... .. .. . 125 dd) Positive Stimmpflichten ............................................................... 125 ee) Zwischenergebnis......................................................................... 125 c) Einschränkung und Entziehung einzelner Gesellschafterrechte........... 126 d) Kapitalerhöhungsbeschlüsse ................................................................ 129 aa) Bezugsrechtsausschluß bzw. Nichtzulassung zur Übernahme einerneuen Stammeinlage ........................................................... 129 bb) Zustimmungspflicht zur Kapitalerhöhung .. .... .. .. .. .. .. .............. .... . 131 ( 1) Zustimmungspflichten zu Satzungsänderungen im allgemeinen .................................................................................. 131 (2) Zustimmungspflichten zu Kapitalerhöhungen ...................... 133 (a) Notwendigkeit einer Existenzbedrohung ...................... 133 (b) Zumutbarkeit................................................................. 135 (3) Zwischenergebnis ................................................................. 136 e) Die Gewinnverwendung....................................................................... 137 aa) Verdeckte Gewinnausschüttung................................................... 137 bb) Bilanzpolitische Maßnahmen ....................................................... 138 (I) Pensionsrückstellungen .... .. .. .. .... .. .......... ... .. .. .. .. ... .. .. .. .. .. .... .. 13 8 (2) Aufwandsrückstellungen ......... ............................................. 139 (3) Treupflichten ........................................................................ 140 (a) Betriebswirtschaftliche Rechtfertigung von Rückstellungen ...................................................................... 142 (b) Rückstellungsbildung kurz vor dem Ausscheiden eines Gesellschafters .... .. ..... .. .. ...... ..... .. ..... .. .. .. .. ... ... ...... 143
14
Inhaltsverzeichnis (c) Aufgabe der Bilanzierungsstetigkeit ............................. 144 (d) Zwischenergebnis .......................................................... 144 cc) Verhinderung eines Bilanzfeststellungs- oder Ergebnisverwendungsbeschlusses ......................................................................... 145 (1) Verhinderung eines Feststellungsbeschlusses....................... 145 (2) Verhinderung eines Gewinnverwendungsbeschlusses.......... 147 dd) Berücksichtigung einer Ergebnisverwendung bereits bei Aufstellung der Bilanz ....................................................................... 149 ee) Ergebnisverwendungsbeschlüsse gemäߧ 29 Abs. 2 GmbHG .... 150 (1) Übermäßige Thesaurierung .................................................. 150 (2) Übermäßige Ausschüttung ................................................... 153 ff)
Auflösung von Rücklagen ............................................................ 154
gg) Zwischenergebnis......................................................................... 156 f) Abhängigkeitsbegründende bzw. konzernbildende Gesellschafterbeschlüsse ... ....... ..... ... .. .. ... .......... .. .. ........... ... ..... ......... .. .... .... ... ........ .. .. 157 aa) Vergleich Vertrags- und Nichtvertragskonzern............................ 157 bb) Fallgruppen konzernbildender Beschlüsse ................................... 158 cc) Zustimmungspflicht zu Satzungsänderungen zur Verhinderung einer Konzernbildung ................................................................... 159 dd) Zwischenergebnis......................................................................... 161 g) Verschmelzungsbeschlüsse .................................................................. 161 aa) Verschmelzungsbeschlüsse in einer übertragenden GmbH .......... 162 ( 1) Gesetzliche Interessenahwägung .... .. .. ... .. .. .. ... .. ...... .. .. .... ... ... 162 (2) Umgehung der gesetzlichen Interessenahwägung ................ 164 bb) Verschmelzungsbeschlüsse in einer aufnehmenden GmbH .. .. ..... 165 cc) Zusammenfassung ........................................................................ 166 IV.
Ergebnis: Der Beitrag der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht zur Gewährleistung eines richtigen Ergebnisses der kollektiven Willensbildung............... 166
V.
Geschichtlicher Rückblick ................................................................................ 169 l. Anfang des 20. Jahrhunderts...................................................................... 169
2. 1933- 1945 ··················.................................. ·············································173
Inhaltsverzeichnis
15
3. Nach 1945 .................................................................................................. 176 4. Ergebnis...................................................................................................... 176 4. Kapitel Die Rechtsgrundlagen der Wertung einer Stimmabgabe bzw. eines Beschlusses im Einzelfall als richtig oder falsch
176
I.
Die Unterscheidung zwischen den sogenannten organisationsrechtlichen und nicht organisationsrechtlichen Ansätzen ............ ......... ...................... ....... . 177
II.
Die statuarische Pflicht der Gesellschafter, den Gesellschaftszweck zu fördern, sowie die §§ 705 BGB, 243 Abs. 2 S. 1 AktG ........................................ 179
III.
Rücksichtnahmepflichten der GmbH auf Gesellschafterbelange - der Gesellschaftszweck und das Gleichbehandlungsgebot ............................................... 180
IV.
Die subsidiäre Geltung des§ 242 BGB ............................................................ 181
V.
Die Mitgliedschaft als absolut geschütztes "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ............................................................................................ 182 I. Schadensersatzpflicht und VerletzungsverboL........... ............. .. ... ....... .. .. . 182
2. Subjektives Recht....................................................................................... 183 3. Die Mitgliedschaft als absolutes Recht....................................................... 184 4. Reichweite des absoluten Schutzes der Mitgliedschaft .............................. 186
5. Eingeschränkte Anwendung des § 823 Abs. I BGB im gesellschaft-
lichen Innenverhältnis ... ........ .. .. .. .... .. ... .......... ......... ............ .. ....... ... ........... 188
6. Die Haftung der GmbH .............................................................................. 189 VI.
Die Generalklausel der guten Sitten, § 138 BGB in Verbindung mit§ 241 Nr. 4AktG ........................................................................................................ 190
VII. Stimmrechtsbindung als Gegengewicht zur Einwirkungsmöglichkeit der Gesellschafter ..... ....................... .. .. .. .. ........ ... ........... ...... ..... ..... ........... ...... ........ 190 VIII. Die personalistische Ausgestaltung der GmbH ................................................ 191 IX.
Die multikausale Ableitung der Treupflicht ..................................................... 191
X.
Ergebnis ............................................................................................................ 191
16
Inhaltsverzeichnis 5. Kapitel Schlußfolgerungen
193
I.
Keine gesteigerten Rücksichtnahmepflichten des Mehrheitsgesellschafters .... 194
II.
Abhängigkeit der innergesellschaftlichen Rücksichtnahmepflichten von der Realstruktur der GmbH .... .. .. .. .. .. .... ... .... .. .. .. .. .. ... .. ... .. ...... .. .. ... .. .. .. .. .... ... ... ........ 195
III.
Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen den Gesellschaftszweck und die §§ 705, 242, 823 Abs. 1 BGB .......................................................................... 197 1. Stimmabgabe und Beschluß .. ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. ................... ... .. .. .. .. .. .. ... ..... .. .. .. 197 2. Anfechtung und Schadensersatz................................................................. 199 3. Rechtswidrigkeit und Verschulden............................................................. 200
4. Aktiv- und Passivlegitimation, keine Notwendigkeit einer actio pro socio ........................................................................................................... 201 5. Darlegungs-und Beweislast ....................................................................... 203 IV.
Die Abbedingung des Schutzes durch den Gesellschaftszweck, die§§ 705, 242, 823 Abs. 1 BGB, kein "Untemehmensinteresse an sich" bei der GmbH . 204
V.
Das Verhältnis der Verpflichtung aus dem Gesellschaftszweck, den§§ 705, 242, 823 Abs. 1 BGB zu den sonstigen Verpflichtungen eines Gesellschafters............................................................................................................ 205 Ergebnis
208
Literaturverzeichnis
209
Stichwortverzeichnis
220
Einleitung: Gegenstand der Untersuchung Die vorliegende Arbeit untersucht die Funktion der Treupflicht im GmbHRecht anhand ihres wichtigsten Anwendungsfalles: der Begrenzung der gesellschafterlichen Stimmrechtsmacht zur Gewährleistung eines richtigen Ergebnisses der gesellschaftlichen Willensbildung. Die Rechtsfortbildung Treupflicht steht heute derart im Vordergrund der Rechtspraxis und wissenschaftlichen Diskussion - sie wurde schon als einer "der praktisch bedeutsamsten Beiträge" bezeichnet, "die Rechtswissenschaft und Rechtsprechung selbständig zur Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts geleistet haben" 1 -, daß darüber ihre Einbettung in den gesellschafts- und zivilrechtliehen Kontext vernachlässigt sowie die Frage nach ihrer Notwendigkeit nicht mehr gestellt wird2 • Es soll dabei natürlich nicht um einen Rückfall in eine Zeit gehen, da ein Beschluß nicht allein deshalb ungültig war, weil er eine rücksichtslose Ausnutzung der Majoritätsrechte bedeutete, auf willkürlichen und unvernünftigen Gründen beruhte oder gegen das Interesse der Gesellschaft verstieß3 • Das Ziel ist vielmehr unstreitig die Gewährleistung eines richtigen Ergebnisses der gesellschaftlichen Willensbildung. Nur gerät heute allzu schnell in Vergessenheit, daß die Treupflicht Mittel zur Erreichung dieses Zwecks, nicht Selbstzweck ist. Inwieweit sie geeignet und notwendig ist, dieses Ziel zu erreichen, welche anderen Lösungsmöglichkeiten es gibt, soll hier untersucht werden. Nach einem kurzen einfUhrenden Kapitel über die gesellschafterliehe Willensbildung in der GmbH beschäftigt sich das erste Hauptkapitel mit dem Anwendungsbereich mitgliedschaftlieber Treupflichten. Viel zu häufig wird ihre Anwendbarkeit unterstellt und nicht hinterfragt, ob es nicht vorrangige Rechtsbehelfe zur Gewährleistung eines richtigen Ergebnisses der gesellschaftlichen Willensbildung gibt. So z. B. in der !TI-Entscheidung von 1975, wonach Treupflichten bei der informellen Einflußnahme der Gesellschafter auf die Geschäftsführung genauso zur Anwendung kommen wie bei Weisungsbeschlüssen4. Als vorrangige Rechtsbehelfe sind insbesondere Zustimmungserfordernisse und Stimmverbote näher darzustellen.
1 Pehle!Stimpel,
Rechtsfortbildung, S. 18. Anders nur Flume, ZIP 1996, 161; ders. , jur. Person, S. 269 ff. 3 Vgl. v. Tuhr, BGB AT I, S. 510. 4 BGHZ 65, 15, 19 f. 2
2 Seidel
18
Einleitung
In einem zweiten Hauptkapitel geht es um den Inhalt der Treupflicht bei verschiedenen Beschlußgegenständen, z. B. bei Geschäftsfilhrungsangelegenheiten oder Satzungsänderungen. Darin soll aufgezeigt werden, wie im Falle einer inhaltlichen Beschlußkontrolle die Belange von Gesellschaft und Gesellschaftern in den verschiedenen denkbaren Interessenkollisionen gewichtet werden und welchen Beitrag die Treupflicht zu dieser Wertung leistet. Erst im Anschluß daran, in einem dritten Hauptkapitel, wird dargestellt, aus welchen allgemeinen Rechtsgrundlagen Treupflichten abgeleitet werden können und inwieweit sie eine Konkretisierung dieser Rechtsgrundlagen in Richtung auf die zuvor geschilderten Einzelflille bedeuten. Der hier gewählte induktive Ansatz stellt also die Lösung von Interessenkollisionen bei GmbH-Gesellschafterbeschlüssen in den Vordergrund, nicht das Rechtsinstitut Treupflicht
1. Kapitel
Grundlagen I. Stimmrecht und Beschlußfassung Das Stimmrecht gehört zu den bedeutendsten Mitgliedschaftsrechten des GmbH-Gesellschafters. Es gewährt seine Beteiligung an der gesellschaftlichen Willensbildung 1• Wiedernano spricht einschränkend von dem Recht zur formalen Beteiligung an der gesellschaftlichen Willensbildung2 • Daran ist zutreffend, daß die Beschlußfassung innerhalb (§ 48 Abs. 1 GmbHG) und außerhalb (§ 48 Abs. 2 GmbHG) der Gesellschafterversammlung häufig nur noch einen formalen Charakter hat und die wesentlichen Entscheidungen informell getroffen werden, etwa durch Absprache mehrerer Gesellschafter vor der Beschlußfassung oder, wie in dem der IIT-Entscheidung3 zugrundeliegenden Sachverhalt, durch faktische Einflußnahme des Mehrheitsgesellschafters auf die Geschäftsftlhrung. Aber auch die Fähigkeit des Gesellschafters, die Geschicke der Gesellschaft informell zu beeinflussen, hängt von seiner Stimmrechtsmacht ab. Nur beim Zustandekommen der für einen Beschluß erforderlichen Mehrheit entfaltet die Absprache mehrerer Gesellschafter über ein einheitliches Abstimmungsverhalten die gewünschte Wirkung. Ein Geschäftsfilhrer wird sich den Wünschen des Mehrheits- eher als denen des Minderheitsgesellschafters beugen, weil ersterer jederzeit einen Beschluß über seine Abberufung bzw. eine organschaftliehe Weisung gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG herbeiftlhren kann. Auch wenn die gesellschaftliche Willensbildung also nicht ausschließlich im Wege der Beschlußfassung stattfmdet, gewährt das Stimmrecht des GmbHGesellschafters doch die Beteiligung hieran. Sein Umfang, die sogenannte Stimmkraft, ergibt sich nach § 47 Abs. 2 GmbHG aus der Höhe des Geschäftsanteils. Diese Bestimmung ist jedoch nicht zwingend. Die Satzung kann auch eine andere Regelung treffen, z. B. eine Abstimmung nach Köpfen oder den Ausschluß des Stimmrechts filr einzelne Geschäftsanteile vorsehen4 • Schranken, S. II. Wiedemann, GesR I, S. 367. 3 BGHZ 65, 15. 4 BGHZ 14, 264, 271; RGZ 167, 65, 73; Immenga/Werner, GmbHR 1976, 53; Kübler, GesR, S. 227. 1 Zöllner,
2
2*
20
I. Kapitel: Grundlagen
Die Stimmabgabe ist eine Willenserklärung5 gegenüber der durch den Versammlungsleiter - bzw. die Geschäftsführer im schriftlichen Verfahren - vertretenen GmbH6, mit der der Gesellschafter- einen konkreten Antrag gutheißt oder ablehnf bzw. sich ftlr eine von mehreren zur Wahl gestellten Alternativen entscheidet. Ein Beschluß bündelt alle wirksam abgegebenen Stimmen, gegebenenfalls nur eine, ist daher ein nicht notwendigerweise mehrseitiges Rechtsgeschäft8. Sein Regelungsinhalt ergibt sich aus dem Abstimmungsergebnis9 • 5 BGHZ 14, 264, 267; 48, 163, 173; Baumbach!Hueck!Zö//ner, § 47, Rn. 4; Scholz/K. Schmidt, § 45, Rn. 22; Rowedder/Koppensteiner, § 47, Rn. 20; Siegmund, BB 1981, 1674. 6 BGH, GmbHR 1988, 337, 338 (nur zur GmbH als Erklärungsempfängerin); Baumbach!Hueck!Zöl/ner, § 47, Rn. 4; Hübner, Interessenkonflikt, S. 279; Bartholomeyczik, ZHR 105, 293, 297; ders., AcP 144, 287, 329. A. A. Flume (in: juristische Person, S. 249), Bühler (in: DNotZ 1983, 588, 591) und Röll (in: NJW 1979, 627, 628 f.), die die Stimmabgabe als nicht empfangsbedürftige Willenserklärung werten. Bühler argumentiert, daß auch der allein bei einer Gesellschafterversammlung anwesende Gesellschafter Beschlüsse fassen kann und seine Stimmabgabe nicht von ihm selbst entgegenzunehmen ist. Ihre Rechtsnatur dürfe sich aber nicht allein deshalb ändern, weil ein Dritter als Erklärungsempfänger zur Verfügung stehe. Für Koppensteiner (in: Rowedder, § 47, Rn. 20) hingegen ist die Stimmabgabe grundsätzlich empfangsbedürftig, ausnahmsweise jedoch nicht, wenn der Beschluß durch die Abstimmung nur eines Gesellschafters zustande komme. Der Ansatz Bühlers überzeugt insoweit, als sich die Rechtsnatur der Stimmabgabe nicht danach richten kann, wie viele Personen zufälligerweise bei einer Gesellschafterversammlung anwesend sind und wie viele Gesellschafter sich an der Abstimmung beteiligen. Eine generelle Betrachtung erscheint vielmehr geboten. Da die Einmanngesellschaft bzw. das Desinteresse aller bis auf einen Gesellschafter nicht der Regelfall der GmbH ist, trifft die Argumentation Hübners (in: Interessenkonflikt, S. 272) zu, daß die Stimme von einem Adressaten entgegengenommen werden muß, weil sie andernfalls bei der Ermittlung des Beschlußergebnisses nicht berücksichtigt werden könnte. Nach Schilling (in: Rachenburg (7. Aufl.), § 45, Rn. 8) und Renkl (in: Gesellschafterbeschluß, S. 34) sind die Mitgesellschafter Erklärungsempfänger. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Stimmabgabe auf die Herbeiführung eines Willens der GmbH als einer von der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu unterscheidenden Person gerichtet ist. Als Erklärungsempfängerio ist daher die GmbH anzusehen. Ist ein abstimmender Gesellschafter als Versammlungsleiter oder Geschäftsführer gleichzeitig Empfangsvertreter der GmbH, dann liegt in seiner Wahl regelmäßig die Gestattung des damit verbundenen Insichgeschäftes (vgl. Baumbach!Hueck!Zöl/ner, § 47, Rn. 4). 7 Zöllner, Schranken, S. 13. 8 Zöllner, Schranken, S. 13; Scholz/K. Schmidt, § 45, Rn. 18; Larenz, BGB AT, s. 320. 9 Widersprüchlich Brandes, WM 1998, 1, 18. Für den Fall, daß der Versammlungsleiter nach der Abstimmung kein Beschlußergebnis festgestellt hat, meint Brandes zutreffend, mit einer Feststellungsklage könne die Frage geklärt werden, ob ein Beschluß eines bestimmten Inhalts überhaupt gefaßt wurde. Der Beschluß als Regelung setzt demnach keine Feststellung voraus; das feststellende gerichtliche Urteil dient nur der Klarstellung bereits geschaffener Fakten. Unzutreffend und diametral entgegengesetzt indessen die Wertung Brandes, wonach nichts vorhanden sei, wogegen sich eine An-
I. Stimmrecht und Beschlußfassung
21
Bei Erreichen der gesetzlich oder statuarisch erforderlichen Mehrheit ist der Antrag angenommen, eine Alternative gewählt, ansonsten nicht 10• Einige Angelegenheiten fallen zwingend in die Beschlußfassungskompetenz der Gesamtheit der Gesellschafter'', so z. B. Satzungsänderungen (§53 GmbHG), einschließlich Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen (§§55, 58 GmbHG), Verschmelzungen, Spaltungen, Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz, die Zustimmung zum Abschluß von Unternehmensverträgen, weiterhin Entscheidungen über die Erhebung der Ausschließungsklage gegen einen Gesellschafter, die Auflösung (§ 60 Abs. I Nr. 2 GmbHG) und Fortsetzung der Gesellschaft12 • Im übrigen ist das innere Zuständigkeitsgefilge der GmbH weitgehend dispositiv geregelt. Das GmbH-Recht kennt insbesondere keine dem § 23 Abs. 5 AktG entsprechende Bestimmung, sondern läßt eine abweichende Ausgestaltung des Innenverhältnisses durch die Satzung zu. Die Gesamtheit der Gesellschafter erhält somit eine Kompetenzen-Kompetenz, kann die ihr durch § 46 Nr. 1-8 GmbHG zugewiesenen Aufgaben an andere Organe abgeben oder ihre Zuständigkeit auf Kosten anderer Organe ausweiten. Zwingend sind jedoch ihre Satzungsautonomie sowie die Trennung von Gesellschaftergesamtheit als Willensbildungsorgan und GeschäftsfUhrern als Leitungsorgann. Weitere Einschränkungen gelten filr die mitbestimmte GmbH 14 •
fechtungsklage richten könne, wenn ein Beschlußergebnis durch den VersammlungsIeiter nicht festgestellt worden sei. 10 Auch die Ablehnung des Antrages/der zur Wahl gestellten Alternativen ist ein Beschluß. Die Regelung besteht darin, daß der Antrag/die Wahlvorschläge verbraucht sind (BGHZ 88, 320, 328; 97, 28, 30; Baumbach!Hueck/Zö/lner, § 47, Rn. 2; Scholz/K. Schmidt, § 45, Rn. 31; Hachenburg/Hüffir, § 47, Rn. 35; a. A.: Maier-Reimer, FSOppenhoff, S. 193, 198). 11 Nach h. M. (Kübler, GesR. S. 232 f.; Lutter!Hommelhoff, § 48, Rn. 1; Scholz/K. Schmidt, § 48 Rn. 1 und § 45, Rn. 5) ist die Gesellschaftergesamtheit das zuständige Organ und die Gesellschafterversammlung das übliche Verfahren für die Beschlußfassung. Abzulehnen ist eine Mindermeinung (Hachenburg/Hüffer, § 48, Rn. 3), nach der es zwei - verschiedene und doch wesensgleiche? - Organe geben soll, regelmäßig die Gesellschafterversamm1ung, ausnahmsweise die Gesamtheit der Gesellschafter. 12 Scholz/K. Schmidt, § 46, Rn. 178 ff. mit weiteren Beispielen. 13 Scholz/K. Schmidt, § 46, Rn. 1 f.; Hachenburg/Hüffer, § 46, Rn. 4; vgl. näher S. 90. 14 Das Montanmitbestimmungsgesetz von 1951, das Mitbestimmungsgesetz von 1976 sowie das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 orientieren sich am Regelungsmodell der Aktiengesellschaft und konzentrieren die Mitbestimmung der Arbeitnehmerseite auf das auch bei der GmbH zu bildende gesellschaftsrechtliche Organ des Aufsichtsrates. Zu den der Gesamtheit der Gesellschafter verbleibenden Befugnissen vgl. Kübler, GesR, S. 382 ff., insbes. S. 393 ff. m. w. N.
22
I. Kapitel: Grundlagen
II. Interessenkonflikt und Lösungsmöglichkeiten Die Willensbildung der GmbH verläuft nicht konfliktfrei. Sie vollzieht sich im Spannungsfeld der verschiedenen Interessen von Gesellschaft, einzelnen Gesellschaftern, aber auch von Nichtgesellschaftem. Zu denken ist hier insbesondere an die Belange von Stimmrechtsvertretem, Gläubigem, Angestellten sowie der Allgemeinheit. Die Ausübung des Stimmrechts filhrt daher regelmäßig zu einer Einwirkung auf fremde Interessenbereiche. Soweit diese schützenswert sind, begrenzt die Rechtsordnung die Privatautonomie der Gesellschafter bzw. ihrer Vertreter und gewährleistet dadurch die Richtigkeit der Willensbildung.
1. Nichtigkeit und Unwirksamkeit von Beschlüssen Die Rechtsordnung schützt vor der Macht der Mehrheitsgesellschafter, Beschlüsse herbeizufilhren, die besonders intensiv in die Interessenbereiche der Gesellschaft, der Minderheitsgesellschafter, außenstehender Dritter oder der Allgerneinheit eingreifen, indem sie solche Beschlüsse gleich fi1r nichtig erklärt oder ihre Wirksamkeit von der Zustimmung der betroffenen bzw. aller Gesellschafter abhängig macht.
a) Beschlußnichtigkeit aus inhaltlichen Gründen Nach dem im GmbH-Recht analog angewandten 15 § 241 Nr. 3 AktG sind Beschlüsse nichtig, deren Inhalt mit dem Wesen der GmbH nicht vereinbar ist, oder gegen Vorschriften verstößt, die zumindest überwiegend zum Schutz der Gläubiger oder im öffentlichen Interesse gegeben sind. Mit dem Wesen der GmbH unvereinbar ist die Entziehung unverzichtbarer Individualrechte, wie des Teilnahmerechts an der Gesellschafterversammlung (§ 48 GmbHG) in seinem Kemgehalt, des Anfechtungsrechts und des Austrittsrechts aus wichtigem Grund. Das gleiche gilt fi1r die Rechte einer Gesellschafterminderheit, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens den zehnten Teil des Stammkapitals betragen, auf Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 50 Abs. 1 GmbHG), Ankündigung von Gegenständen zur Tagesordnung (§50 Abs. 2 GmbHG), Erhebung der Auflösungsklage (§ 61 Abs. 2 GmbHG) sowie Beantragung der gerichtlichen Bestellung und Abberufung der Liquida15
Lutter/Homme/ho.IJ, Anh. § 47, Rn. 17; Baumbach/Hueck/Zö//ner, Anh. § 47,
Rn. 23 f.
II. Interessenkonflikt und Lösungsmöglichkeiten
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toren (§ 66 Abs. 2 und 3 GmbHG) 16• Dem Gläubigerschutz dienen alle Bestimmungen über die Kapitalaufbringung, -erhaltung und -herabsetzung (§§ 7 Abs. 2, 9, 9b, 19 Abs. 2 u. 3, 22, 24, 30-34, 58 GmbHG) sowie das Verbot der Überbewertung aus§ 253 HGB. Im öffentlichen Interesse zwingend sind bspw. die für die GmbH geltenden Regelungen des Mitbestimmungs- und Betriebsverfassungsgesetzes17• Entsprechend § 241 Nr. 4 AktG ist ein sittenwidriger Beschluß nur dann nichtig, wenn sein Inhalt gegen die guten Sitten verstößt. Es genügt also nicht die Sittenwidrigkeit des Verfahrens oder der Beweggründe einzelner bzw. aller abstimmender Gesellschafter. Allerdings gelten Ausnahmen, in denen auf den sogenannten inneren Gehalt des Beschlusses abgestellt wird. Nichtig sind danach Beschlüsse, die auf einem sittenwidrigen Machtmißbrauch der Mehrheit beruhen und gleichzeitig in unverzichtbare Gesellschafterrechte eingreifen oder die nicht anfechtungsberechtigten Gläubiger schädigen 18 •
b) Zustimmungserfordernisse
Zum Schutz der betroffenen Gesellschafter schreiben beispielsweise die §§ 35 BGB und 53 Abs. 3 GmbHG vor, daß Beschlüsse, die mitgliedschaftliehe Sonderrechte vermindern oder Leistungspflichten vermehren, nur mit ihrer Zustimmung wirksam werden. Der Änderung des Gesellschaftszwecks müssen nach § 33 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. dem dort zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken alle Gesellschafter zustimmen. Die Zustimmung ist eine empfangsbedürftige, der Gesellschaft gegenüber abzugebende Willenserklärung. Sie ist kein Bestandteil des Beschlusses, sondern zusätzliches Wirksamkeitserfordernis, kann antizipiert oder nachträglich erteilt werden. Es kommt nicht darauf an, ob der betroffene Gesellschafter überhaupt ein Stimmrecht hat. Nimmt er aber an der Gesellschafterversammlung teil und stimmt dort filr den Beschlußantrag, so liegt hierin auch seine Zustimmung; lehnt er ihn ab, bedeutet dies im Zweifel die Versagung der Zustimmung 19• Steht nur eine erforderliLutter/Hommelhoff, Anh. § 47, Rn. 18; Scholz/K. Schmidt, § 45, Rn. 73. Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47, Rn. 19; Baumbach!Hueck!Zö/lner, Anh. § 47, Rn. 24. 18 BGH, NJW 1987, 2514; Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47, Rn. 21; Hachenburg!Th. Raiser, Anh. § 47, Rn. 53 f.; Baumbach!Hueck!Zö//ner, Anh. § 47, Rn. 25; im Ergebnis auch Thöni, in: WB! 1992, 353, 357 ff., der zwar die analoge Anwendung des§ 241 Nr. 4 AktG im GmbH-Recht ablehnt, sittenwidrige BeschlUsse jedoch nur fllr relativ nichtig erklärt. Die relative Nichtigkeit ist eine dem deutschen Zivilrecht unbekannte Rechtsfolge im Österreichischen Recht, die der Anfechtbarkeit ähnelt und letztlich nur zur Umgehung der im Österreichischen Recht strengeren Anfechtungsfristen ftlhrt. 19 Scholz/Priester, §53, Rn. 93 ff. ; Baumbach!Hueck!Zö//ner, §53, Rn. 42; Lutter/Hommelhoff, §53, Rn. 23 ; Hachenburg!U/mer, §53, Rn. 78 ff. 16
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I. Kapitel: Grundlagen
ehe Zustimmung aus oder wird sie endgültig verweigert, ist der Beschluß grundsätzlich unwirksam. Fraglich ist jedoch, ob in einem Fall, in dem mehrere Gesellschafter zustimmen müssen und einige dies auch schon getan haben, diesen gegenüber eine Teilwirksamkeit eintreten kann. Eine Mindermeinung verneint diese Frage pauschaP0 • Dem Willen aller Beteiligten wird jedoch der differenzierende Ansatz der herrschenden Meinung eher gerecht. Danach muß zunächst überlegt werden, ob die beschlossene Regelung überhaupt einer Teilwirksamkeit zugänglich ist. Dies ist z. B. bei allen die Verfassung der Gesellschaft betreffenden Fragen zu verneinen. Wenn hingegen auch eine relative Wirksamkeit zulässig und sinnvoll erscheint, etwa bei der Vermehrung bestimmter Leistungspflichten, kommt es darauf an, ob die zustimmenden Gesellschafter hierzu erkennbar bereit waren und es daftlr besondere Anhaltspunkte gibt. Ansonsten ist der Beschluß absolut unwirksam21 .
2. Stimmrechtsbeschränkungen
Im Interesse von GmbH und Mitgesellschaftern wird weiterhin die gesellschafterliche Stimmrechtsmacht unmittelbar beschränkt.
a) Stimmverbote
In bestimmten Konfliktsituationen, in denen typischerweise die Gefahr besteht, daß der abstimmende Gesellschafter seine Eigen- über die Verbandsinteressen stellt, wird sein Stimmrecht zum Schutz von Gesellschaft und Mitgesellschaftern generell und abstrakt ausgeschlossen. Die Teilnahme an der Gesellschafterversammlung und die Aussprache zum Beschlußgegenstand sind ihm hingegen nicht verwehrf2. Nach § 47 Abs. 4 GmbHG darf ein Gesellschafter nicht mitstimmen bei Beschlüssen, die seine Entlastung, seine Befreiung von einer Verbindlichkeit, die Vomahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung bzw. Erledigung eines Rechtsstreits ihm gegenüber betreffen. Derartige Stimmverbote werden als starre Stimmrechtsschranken bezeichnet, weil sie unabhängig von den Umständen des Einzelfalles zur Anwendung kommen23. Lutter!Homme/hof!, § 53, Rn. 23. 21 Hachenburg/U/mer, §53, Rn. 81; Baumbach/Hueck/Zö//ner, §53, Rn. 42; Scholz/Priesler, §53, Rn. 96; Rowedder/Zimmermann, §53, Rn. 53. 22 Hachenburg/Hü.ffer, § 47, Rn. 181; Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 176. 23 Zöllner, Schranken, S. 97. 20
II. Interessenkonflikt und Lösungsmöglichkeiten
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Bei einem Beschluß über die Vomahme eines Rechtsgeschäfts gegenüber einem Gesellschafter soll bspw. verhindert werden, daß der betreffende Gesellschafter, der der Gesellschaft wie ein Dritter gegenübersteht, seine privaten Vermögensinteressen über die der GmbH stellf4 • Nun sind aber auch Fälle denkbar, in denen das Geschäft für beide Parteien günstig und der Gesellschafter keinem Interessenkonflikt ausgesetzt ist. Wegen der generellen und abstrakten Geltung des§ 47 Abs. 4 GmbHG darf er dennoch an der Beschlußfassung nicht teilnehmen. Stimmverbote weisen somit eine überschießende Tendenz auf, greifen stärker in das Mitgliedschaftsrecht des betroffenen Gesellschafters ein als eine einzelfallbezogene Kontrolle seines Abstimmungsverhaltens, erscheinen dafür aber im Normalfall praktikabler5 • Eine verbotswidrig abgegebene Stimme ist nach teilweise vertretener Ansicht nichtig26, nach einer anderen Meinung unwirksam27 • Sie darf jedenfalls bei der Auszählung der abgegebenen Stimmen nicht mitgerechnet werden und geht nicht in das Abstimmungsergebnis ein28 , es sei denn dieses wird notariell beurkundet oder durch den Versammlungsleiter fi>rmlich festgestellt und verkündet. Dann kommt aus Gründen der Rechtssicherheit ein Beschluß mit dem beurkundeten/festgestellten Inhalt zustande. Er kann jedoch angefochten werden, wenn die Annahme oder Nichtannahme des Antrages/Wahlvorschlages auf der verbotswidrig abgegebenen Stimme beruht. Im Fall der Nichtannahme kann die Anfechtung auch mit einer positiven Beschlußfeststellungsklage verbunden werden29 •
Lutter/Homme/hoff, § 47, Rn. 22. Zöllner, Schranken, S. 159, 170. 26 Baumbach/Hueck/Zö//ner, § 47, Rn. 71; Hachenburg/Hüffir, § 47, Rn. 182; Hachenburg (7. Aufi.)/Schilling, § 47, Rn. 81. 27 Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 175; Rowedder/Koppensteiner, § 47, Rn. 69; MeyerLandrut, § 47, Rn. 56. 28 Neben den in den beiden vorherigen Fußnoten Genannten auch Lutter/Hommelhoff, § 47, Rn. 25. Anders jetzt Roth/Aitmeppen, § 47, Rn. 79, 45; § 38, Rn. 36 ff. Aus der von ihnen vertretenen Wirksamkeit einer mißbräuchlichen Stirnrnrechtsausübung folgern sie ohne nähere Begründung die Wirksamkeit der gegen ein Stimmverbot verstoßenden Stimmabgabe. Dagegen spricht, daß im Falle eines Stirnrnrechtsausschlusses der betroffene Gesellschafter gar kein Stimmrecht hat, das er ausüben könnte und dessen Ausübung dann wirksam wäre. 29 BGHZ 88, 320, 328; 97, 28, 30; 104, 66, 69; Zöllner/Noack, ZGR 1989, 524, 526 f.; Hachenburg/Hü.ffer, § 47, Rn. 28, 182; Scho1z/K. Schmidt, § 48, Rn. 58; Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47, Rn. 41. A. A. Meyer-Landrut, § 47, Rn. 56; Rowedder/Koppensteiner, § 47, Rn. 9 (Anfechtung nur, wenn die notarielle Beurkundung oder Beschlußfeststellung durch die Satzung vorgegeben sind). 24
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I. Kapitel: Grundlagen
b) Das Ruhen des Stimmrechts An eigenen Geschäftsanteilen der GmbH ruht das Stimmrechf0 • Das Ruhen des Stimmrechts bedeutet wie ein Stimmverbot kein Erlöschen, sondern eine Ausübungssperre, die jedoch unabhängig von dem Beschlußgegenstand und folglich dem Vorliegen eines generell abstrakten Interessenkonfliktes eingreift31. Sie soll verhindern, daß die GeschäftsfUhrer und mittelbar die hinter ihnen stehende Gesellschaftermehrheit ihren Einfluß zu Lasten der Minderheit verstärken, ohne jedoch im gleichen Ausmaß ihr kapitalmäßiges Risiko zu vennehren32• Ab einer Mehrheitsbeteiligung der GmbH an sich selbst wären die GeschäftsfUhrer, die die Mitgliedschaftsrechte in Beteiligungsgesellschaften ausüben, sogar von der Gesamtheit der Gesellschafter unabhängig33 • Aufgrund derselben Interessenkonstellation unterliegen auch von der GmbH abhängige Unternehmen und Dritte, die den GmbH-Anteil fUr Rechnung der GmbH oder eines abhängigen Unternehmens halten, der Ausübungssperre34 • Ein Verstoß hiergegen hat dieselben Auswirkungen wie eine Stimmabgabe trotz Stimmver-
bot
c) Das Verbot mißbräuchlicher Stimmrechtsausübung
Die dritte Möglichkeit der Stimmrechtsbeschränkung ist das aus der Treupflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern abgeleitete Verbot mißbräuchlicher Stimmrechtsausübung. Es hindert den Gesellschafter nicht an der Mitwirkung bei der Beschlußfassung, sondern bindet ihn hinsichtlich des Inhalts seiner Stimmabgabe35, d. h. legt ihn in der häufig schon auf zwei Alternativen reduzierten Entscheidungssituation auf eine Alternative fest, auf die Zustimmung zum Antrag oder dessen Ablehnung. Diese inhaltliche Bindung folgt aus den Umständen des Einzelfalles, berücksichtigt die konkret vorliegenden Interessen der verschiedenen Beteiligten. In Abgrenzung zu den Stimmverboten kann man daher von einer beweglichen Stimmrechtsschranke sprechen36. Eine treuwidrig abgegebene Stimme ist nach herrschender Meinung 30 BGHZ 119, 346, 356; Hachenburg!Hohner, § 33, Rn. 58; Hachenburg!Hüffir, § 47, Rn. 43; Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 24; Zöllner, Schranken, S. 142 f.; Lutter!Hommelhojf, § 33, Rn. 9. 31 Zöllner, Schranken, S. 128. 32 Zöllner, Schranken, S. 132, 142; Hachenburg/Hüffir, § 47, Rn. 43. 33 Vgl. ScholzJEmmerich, Anh. Konzemrecht, Rn. 76. 34 BGHZ 119, 346, 355 f. (nur zu abhängigen Unternehmen); Hachenburg/Hüffir, § 47, Rn. 44; Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 24; Baumbach/Hueck/Zöl/ner, § 47, Rn. 40. 35 Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 99. 36 Zöllner, Schranken, S. 97.
li. Interessenkonflikt und Lösungsmöglichkeiten
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nichtig. Hinsichtlich der beschlußrechtlichen Konsequenzen gilt das zu den Stimmverboten Gesagte37•
3. Beschränkung der Vertretungsmacht des Stimmrechtsvertreters § 181 BGB entzieht einem Vertreter die Vertretungsmacht bei Rechtsgeschäften, die er mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten vornimmt. Das Stimmrecht des GmbH-Gesellschafters wird also nicht unmittelbar beschränkt, doch ist die Stimmabgabe seines Vertreters mangels Vertretungsmacht unwirksam. Ihre beschlußrechtlichen Folgen entsprechen denen des Verstoßes gegen ein Stimmverbof8 • § 181 BGB will die Belange des Vertretenen vor dem Vertreter in einem unterstellten Interessengegensatz beim Selbstkontrahieren schützen. Daher läßt sich kein Vorrang des§ 47 Abs. 4 GmbHG, der eine völlig andere Schutzrichtung hat, feststellen39• Aus Gründen der Rechtssicherheit ist ein konkreter Interessenwiderstreit zur Tatbestandserfiillung zwar weder erforderlich noch ausreichend, doch verbietet sich auch eine vom Zweck der Vorschrift losgelöste, ausschließlich formale Betrachtungsweise, kann in Fällen, in denen typischerweise ein vergleichbarer Konflikt besteht, eine Analogie vorgenommen werden40 • Es ist daher nicht gerechtfertigt, die Anwendung des § 181 BGB auf Gesellschafterbeschlüsse abzulehnen, weil sie nicht die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander, sondern nur zur GmbH regeln41 • Denn dann dürfte inkonsequenterweise ein Vertreter den Gesellschaftsvertrag ändern oder die GmbH auflösen, obwohl er beim Vertragsschluß unstreitig keine Vertretungsmacht hat42 • Bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages liegt die von § 181 BGB vorausgesetzte Situation vor. Alle Beteiligten stehen sich wie Geschäftsgegner gegenüber, die versuchen, ihre Rechtsposition zu Lasten des jeweils anderen zu stärken. Eine Anwendung des Vertretungsverbotes ist daher gerechtfertigt,
Vgl. S. 25. Vgl. S. 25. 39 ScholzJK. Schmidt, § 47, Rn. 178; Baumbach!Hueck!Zö/lner, § 47, Rn. 41; a. A. Lutter/Hommelhoff, § 47, Rn. 16 (vollständige Verdrängung); Hachenburg/Hü.ffer, § 47, Rn. 110 f. (teilweise Verdrängung). 40 BGHZ 30, 67, 69; 51, 209, 215; 56, 97, 102; 64, 72, 76; 65, 93, 97; 77, 7, 9; 91, 334, 336; Larenz, BGB AT, S. 596 ff.; Hachenburg/Hü.ffer, § 47, Rn. 109; Baumbach!Hueck!Zö/lner, § 47, Rn. 41; Schilling, FS-Ballerstedt, S. 257, 267 f.; Fischer, FSHauß, S. 61, 72 f.; SoergeVLeptien, § 181, Rn. 6. A. A. Winkler, NIW 1971 , 1355. 4 1 Fischer, FS-Hauß, S. 61, 78. 42 Zutreffend Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 180. 37
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I. Kapitel: Grundlagen
wenn ein Nichtgesellschafter zwei Gesellschafter oder ein Gesellschafter einen Mitgesellschafter vertritt43 • Grundlagenentscheidungen betreffend Umwandlungen, die Auflösung oder Fortsetzung der Gesellschaft, den Ausschluß eines Gesellschafters stehen Satzungsänderungen insoweit gleich44 • Anders sieht es hingegen bei gewöhnlichen Beschlüssen aus, z. B. in Geschäftsfilhrungsangelegenheiten, wenn alle Gesellschafter auf der bestehenden Vertragsgrundlage den Gesellschaftszweck verfolgen45. § 181 BGB ist weiterhin einschlägig bei Beschlüssen, die die Rechtsverhältnisse des Vertreters selbst betreffen, etwa seine Bestellung zum Geschäftsfilhrer. Hier liegt typischerweise ein Konflikt seiner Interessen mit denen des Vertretenen vor46. Zulässig sind allerdings Insichgeschäfte, die der Vertretene - nicht die Satzung - gestattet hat, etwa konkludent durch unbeschränkte Bevollmächtigung eines Mitgesellschafters filr eine Gesellschafterversammlung, wenn satzungsändernde Beschlüsse angekündigt worden sind47. Eine Stimmabgabe ohne Vertretungsmacht kann analog§ 177 BGB genehmigt werden48.
43 BGH, GmbHR 1988, 337, 338 zur GmbH, unter Bezug auf BGHZ 65, 93, 97 f. zur KG; Hachenburg/Hüffir, § 47, Rn. 114. Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 180; Wiedemann, GesR I, S. 182; Hübner, S. 278. 44 K. Schmidt (in: Scholz, § 47, Rn. 180) stellt auf die vertragsändernde Wirkung ab, Hüffer (in: Hachenburg, § 47, Rn. 115) auf das Erfordernis einer qualifizierten Beschlußmehrheit. A. A. zum Auflösungsbeschluß noch BGHZ 52, 316, 318, allerdings mit der heute nicht mehr aufrechterhaltenen Begründung, dieser stelle einen Sozialakt
dar.
45 So die in der vorletzten Fußnote Genannten bis auf Wiedemann (in: GesR I, S. 182), der nur Beschlüsse betreffend die GeschäftsfUhrung aus dem Anwendungsbereich des§ 181 BGB herausnimmt. 46 BGHZ 51, 209; Rowedder/Koppensteiner, § 47, Rn. 67; Hübner, S. 281; Flume, jur. Person, S. 238; Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 178. A. A. (Vorrang des§ 47 Abs. 4 GmbHG) Hachenburg/Hüffer, § 47, Rn. II I. 47 BGHZ 112, 339, 343; Hachenburg/Hüffer, § 47, Rn. 116. 48 BGHZ 51,209, 217; Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 182.
2. Kapitel
Der Anwendungsbereich von Treupflichten zur Gewährleistung eines richtigen Ergebnisses der gesellschaftlichen Willensbildung Das vorangegangene Kapitel hat aufgezeigt, daß die mitgliedschaftliehe Treupflicht nur eine von mehreren Möglichkeiten ist, die die Rechtsordnung kennt, um eine richtige gesellschafterliehe Willensbildung in der GmbH zu gewährleisten. Daher stellt sich die Frage, inwieweit ihr Anwendungsbereich durch die dargestellten weiteren Rechtsinstitute eingeschränkt wird. Da Treupflichten dem Schutz von Gesellschaft und Mitgesellschaftern dienen, können Lösungsansätze, die in erster Linie andere Interessenbereiche schützen, sie nicht verdrängen. Zu denken ist hier etwa an die Beschlußnichtigkeit analog § 241 Nr. 3 AktG wegen Verstoßes gegen gläubigerschützende Vorschriften oder an das Vertretungsverbot aus§ 181 BGB im alleinigen Interesse des bei der Stimmabgabe vertretenen Gesellschafters. Nur soweit eine gesetzliche Regelung ebenfalls die Gesellschaft und Mitgesellschafter schützt, kommt überhaupt ihr Vorrang vor einer Treubindung des Stimmrechts in Betracht. Dieser folgt aber nicht schon aus der beschlußrechtlichen Konsequenz eines möglichen Verstoßes. Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit analog § 241 Nr. 3 AktG beim Entzug unverzichtbarer Mitgliedschaftsrechte oder der Unwirksamkeit bei Nichterteilung einer notwendigen Zustimmung begründen keinen Vorrang dieser Rechtsinstitute vor Treupflichten, selbst wenn deren Verletzung "nur" zur Anfechtbarkeit fUhren. Denn ein Beschluß kann gleichzeitig unter Nichtigkeits-, Unwirksamkeits- und Anfechtungsmängeln leiden 1• Maßgeblich ist ein anderer Gesichtspunkt. Die alleinige Legitimation dieser Rechtsfortbildung ist die Schutzbedürftigkeit von Gesellschaft und Mitgesellschaftern. Anders etwa als bei einem kodifizierten Stimmverbot kann man gerade nicht mit dem Gedanken der Rechtssicherheit oder des Vorrangs der gesetzlichen vor der richterlichen Wertung filr eine Anwendung auf Konstellationen plädieren, die keine Stimmrechtsschranke erfordern. Dazu gehören alle Situationen, in denen die Mehrheit zwar Belange der Minderheit beeinträchtigt, jeder betroffene Gesellschafter aber sich selbst und die Gesellschaft schützen kann, weil die Wirksamkeit des gefaßten Beschlusses von seiner Zustimmung 1
Scholz/K. Schmidt, § 45, Rn. 37.
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
abhängt2 • Der Anwendungsbereich von Treupflichten der Mehrheitsgesellschafter bei der Stimmabgabe läßt sich also negativ abgrenzen durch das Nichteingreifen von Zustimmungserfordernissen. Weiterhin kommt eine inhaltliche Stimmrechtsbindung nicht in Betracht, soweit das Stimmrecht infolge eines Stimmverbotes oder seines Ruhens erst gar nicht ausgeübt werden darf. Auch hier sind die GmbH sowie die Mitgesellschafter nicht mehr schutzbedürftig. Der Anwendungsbereich von Treupflichten soll daher im folgenden negativ abgegrenzt werden durch die Darstellung der wichtigsten Zustimmungserfordernisse und Stimmverbote. Zum Ruhen des Stimmrechts wird auf die Ausftlhrung des ersten Kapitels verwiesen.
I. Zustimmungserfordernisse 1. Die Einziehung von Geschäftsanteilen, § 34 GmbHG Die Einziehung eines Geschäftsanteils nach § 34 GmbHG, früher auch Amortisation genannt, bedeutet dessen Vernichtung ohne Veränderung des Stammkapitals3 • Sie muß im Gesellschaftsvertrag generell zugelassen sein, § 34 Abs. 1 GmbHG, und erfolgt durch Gesellschafterbeschluß mit einfacher Mehrheit4. Wirksamkeitsvoraussetzung ist nach § 34 Abs. 2 GmbHG entweder die Zustimmung der Anteilsberechtigten oder - bei der praktisch wesentlich relevanteren Zwangseinziehung, die auch eine Form der Ausschließung eines Gesellschafters sein kann5 - die Regelung ihrer Voraussetzungen durch den Gesellschaftsvertrag. Darunter sind zumindest ihre Gründe zu verstehen, die so genau formuliert sein müssen, daß sich die Gesellschafter darauf e.instellen können und eine gerichtliche Nachprüfung möglich ist. Beispiele sind die Pfändung eines Geschäftsanteils, die Beerbung durch andere Personen, als im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, oder das Erreichen eines bestimmten Alters. Auch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist zulässig6•
2 So in bezugaufden Abschluß von Unternehmensverträgen auch Timm, ZGR 1987, 403, 429; und Baumbach/Hueck!Zö/lner, Schlußanh. I, Rn. 47. 3 ScholvH. P. Westermann, § 34, Rn. I; Lutter/Homme/hoff, § 34, Rn. I f. 4 Baumbach/Hueck/G. Hueck, § 34, Rn. 11. 5 BGH, NJW 1977, 2316; Pau/ick, GmbHR 1978, 124. 6 BGHZ 112, 103, 108; Lutter/Hommelhoff, § 34, Rn. 18 f.; ScholvH. P. Wes/ermann, § 34, Rn. 13, 15; Hachenburg/U/mer, § 34, Rn. 38; Baumbach/Hueck/G. Hueck, § 34, Rn. 6. Zur Zulässigkeit der pfändungs- und konkursbedingten Zwangseinziehung und dem Einwand der sittenwidrigen Gläubigerbenachteiligung vgl. Kesse/meier, Ausschließungsregelung, S. 88, und Scholz/H. P. Westermann, § 34, Rn. 14m. w. N.
I. Zustimmungserfordernisse
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Nach überwiegender Meinung kann die Zwangseinziehung grundsätzlich nicht in das Belieben der Mehrheit oder bestimmter Gesellschafter gestellt werden7. Dies folgt allerdings nicht aus dem Klarheitsgebot des § 34 Abs. 2 GmbHG, da auch eine solche Regelung hinreichend verständlich ist und sich jeder betroffene Gesellschafter darauf einstellen kann8• Die herrschende Meinung argumentiert, eine solche Satzungsbestimmung sei sittenwidrig, weil ein Teil der Gesellschafter mit der immer gegenwärtigen Drohung der Einziehung den anderen Gesellschaftern seinen Willen aufzwingen könne9 • Nur ist die freiwillige Unterordnung eines Gesellschafters unter den Willen eines anderen im Rahmen eines Stimmbindungsvertrages doch grundsätzlich zulässig 10• Das Problem der ins Ermessen bestimmter Gesellschafter gestellten Möglichkeit, ihre Mitgesellschafter hinauszukUndigen, liegt genauer in der Unbegrenztheit des Abhängigkeitsverhältnisses. Bei einem Stimmbindungsvertrag kann sich der Verpflichtete einer sittenwidrigen Weisung widersetzen, weil er weder zu einer entsprechenden Stimmabgabe noch zur Leistung von Schadensersatz verurteilt werden wird. Anders verhält man sich, wenn man den Verlust der Mitgliedschaft - gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt- befiirchten muß 11 • Nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 2 GmbHG hat die Festsetzung der Voraussetzungen einer Zwangseinziehung zeitlich vor dem Erwerb des Geschäftsanteils zu erfolgen. Der Sinn und Zweck dieser Regelung besteht darin, zu gewährleisten, daß sich jeder betroffene Gesellschafter der durch die Satzung begründeten Mehrheitsmacht freiwillig untergeordnet hat12• Folglich muß eine Zwangseinziehung auch möglich sein, wenn sie durch eine nachträgliche Satzungsänderung mit Zustimmung aller Betroffenen eingefiihrt oder erleichtert 7 BGHZ 112, 103, 108; Hachenburg/U/mer, § 34, Rn. 42 f.; Lutter/Hommelhoff, § 34, Rn. 21; Scholz!H P. Westermann, § 34, Rn. 16; Baumbach!Hueck/G. Hueck, § 34, Rn. 6; a. A. Kesse/meier, Ausschließungsregelung, S. 85 f. Die parallele Frage nach einem Ausschließungsrecht im Belieben der Mehrheit bejaht Grunewald (in: Ausschluß, S. 229 f., 288) flir die GmbH mit geringer MitgliederzahL Zur Ausnahme von diesem Grundsatz vgl. einerseits die äußerst seltene Fallgestaltung in BGHZ 112, 103, 110 f. und andererseits den zutreffenden Hinweis von Grunewald (in: Ausschluß, S. 248 f.), daß bei manchen in der Literatur genannten Beispielen gar kein freies Ausschlußrecht vorliegt, sondern die Auslegung der Satzung eine Beschränkung ergibt. 8 Kesse/meier, Ausschließungsregelung, S. 85 f.; Hachenburg/Ulmer, § 34, Rn. 43. 9 BGHZ 112, 103, 108; Hachenburg/U/mer, § 34, Rn. 42 f.; Lutter/Hommelhoff, § 34, Rn. 21. 10 Baumbach!Hueck!Zöllner, § 47, Rn. 77. 11 Wenn sich der hinauskündigende Gesellschafter geschickt verhält, also die Einziehung in ausreichendem zeitlichen Abstand von der "Gehorsamsverweigerung" erklärt, läßt sich ein Zusammenhang damit nicht nachweisen. Dann hilft die von Grunewald vorgeschlagene korporationsinterne Diskussion des Ausschlusses (in: Ausschluß, S. 222) genausowenig weiter wie das Verbot, den Ausschluß als Reaktion auf die Ausübung unabdingbarer Mitgliedschaftsrechte zu erklären (a. a. 0., S. 249). 12 BGH, NJW 1977, 2316; Hachenburg/U/mer, §34, Rn. 33.
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
wird 13 • Ohne die Zustimmung der derzeit betroffenen Gesellschafter ist die Einfiihrung der Zwangseinziehung aber auch nicht mit Wirkung filr ihre Rechtsnachfolger möglich, wie es der Wortlaut des § 34 Abs. 2 GmbHG nahelegen könnte 14. Denn maßgeblicher Zeitpunkt der Umgestaltung der Mitgliedschaft ist bereits die Satzungsänderung, nicht erst der spätere rechtsgeschäftliche Anteilserwerb15. Anders sieht es wiederum aus, wenn die Festlegung erst filr neu zu schaffende Geschäftsanteile erfolgt. Hier genügt die satzungsändernde Mehrheit, weil es sich nur um eine Modalität einer späteren Kapitalerhöhung handelt16. Schließlich ist es selbstverständlich, daß die Zwangseinziehung schon gegenüber den Gründungsgesellschaftern vorgenommen werden kann, wenn der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag ihr Einverständnis enthält17 •
§ 34 Abs. 2 GmbHG ist entsprechend auch auf Einschränkungen des Abfmdungsrechts eines Gesellschafters fiir den Fall seines Ausscheidens anwendbar, da hierdurch die Einziehung seines Geschäftsanteils wirtschaftlich erleichtert wird 18 . Eine ganz andere Frage als die nach der Zustimmung der Betroffenen ist, ob fiir die Zulassung der Einziehung gemäß § 34 Abs. 1 GmbHG durch nachträgliche Satzungsänderung ein Beschluß mit Dreiviertelmehrheit genügt oder die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist. Teilweise wird angenommen, es liege ein Fall des § 53 Abs. 3 GmbHG vor. Die Leistungspflichten der Gesellschafter könnten sich dadurch erhöhen, daß bei Eintritt einer Ersatzpflicht nach den §§ 24, 31 Abs. 3 GmbHG weniger Gesellschafter haften würden und deshalb jeder verbleibende ftlr einen höheren Betrag aufkommen müßte 19. Dem ist entgegenzuhalten, daß ein entsprechendes Risiko einer erhöhten Ernstandspflicht auch bei einer Kapitalerhöhung besteht, diese nach ganz überwiegender Meinung aber nicht zustimmungsbedürftig isf0 • Eine Ungleichbehand13 BGH, NJW 1977, 2316; BGHZ 116,359, 363; Lutter/Homme/hoff, § 34, Rn. 17; Baumbach!Hueck/G. Hueck; § 34, Rn. 7. 14 So aber Paulick, GmbHR 1978, 121, 124; Hachenburg (7. Aufl.)/Hohner, § 34, Rn. 26. 15 So zutreffend Hachenburg/U/mer, § 34, Rn. 36. G. Hueck (in: Baumbach!Hueck, § 34, Rn. 7) verweist auf die Beeinträchtigung des Rechts auf die freie Veräußerbarkeit des Geschäftsanteils. 16 Baumbach/Hueck/G. Hueck, § 34, Rn. 7; Hachenburg/U/mer, § 34, Rn. 35. 17 Hachenburg/U/mer, § 34, Rn. 33. 18 BGHZ 116, 359, 363; Hachenburg/U/mer, § 34, Rn. 78; Baumbach!Hueck!G. Hueck, § 34, Rn. 18. 19 BGHZ 9, 157, 160; BGH, WM 1976, 204, 206; BayObLG, DB 1978, 2164 f.; Pau/ick, GmbHR 1978, 121, 123 f.; Lutter/Hommelhoff, § 34, Rn. 7; Rowedder, § 34,
Rn. 7. 20
Vgl. S. 45.
I. Zustimmungserfordernisse
33
lung beider Vorgänge erscheint jedoch nicht geboten. §53 Abs. 3 GmbHG ist vielmehr auch hier teleologisch zu reduzieren21 •
2. Der Ausschluß eines Gesellschafters Der Ausschluß eines Gesellschafters aus wichtigem Grund ist auch ohne satzungsmäßige Grundlage durch ein rechtsgestaltendes Urteil möglich. Die von der GmbH zu erhebende Ausschließungsklage setzt wie die Auflösung nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG einen mit Dreiviertelmehrheit gefaßten Gesellschafterbeschluß voraus22, bei dem der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht hat23 • Deshalb ist auch der Ausschluß eines Mehrheitsgesellschafters möglich. Die Argumentation der Gegenauffassung, die einen mit einfacher Mehrheit gefaßten Beschluß ftlr ausreichend erachtet24 , überzeugt nicht. Zwar kann die in ihrer Wirkung vergleichbare Einziehung gemäß § 46 Nr. 4 GmbHG mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, doch setzt sie eine mit mindestens Dreiviertelmehrheit zustande gekommene Grundlage in der Satzung voraus25 • Der Vergleich mit § 61 Abs. 2 GmbHG paßt nicht, weil diese Vorschrift dem Schutz der Minderheit dient26, während der Ausschluß aus wichtigem Grund die Weiterverfolgung der Verbandsziele ohne einen störenden Mitgesellschafter gewährleistet27 • Die Satzung kann auch eine geringere Mehrheit, einen Ausschluß unmittelbar durch Gesellschafterbeschluß sowie weitere Ausschlußgründe28 vorsehen. Jede dadurch erfolgende Vereinfachung eines Ausschlusses bedarf der Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter9 • Dies folgt zwar nicht aus § 53 Abs. 3 GmbHG, weil die Rechtsverkürzung der Leistungsvermehrung nicht 21 Baumbach/Hueck/G. Hueck, § 34, Rn. S; Hachenburg/U/mer, § 34, Rn. 17; ScholzJH. P. Westermann, § 34, Rn. 10. Wer aus dem Anwendungsbereich des §53 Abs. 3 GmbHG die nur mittelbare Leistungsvermehrung herausnimmt (vgl. hierzu näher S. 44) müßte konsequenterweise schon mit dieser Argumentation die Zustimmungsbedürftigkeit verneinen (so auch Meyer-Landrut/Miller/Niehus, § 34, Rn. 3). 22 BGHZ 9, 157, 177; OLG Frankfurt, DB 1979, 2127; Hachenburg/U/mer, Anh. § 34, Rn. 24; Lutter/Homme/hojf, § 34, Rn. 27; Rowedder, § 34, Rn. 51. 23 Vgl. hierzu S. 63. 24 Baumbach/Hueck/G. Hueck, Anh. § 34, Rn. 9; Soufleros, Ausschluß, S. 59; Sudhojf, Gesellschaftsvertrag, S. 500; Wolany, Rechte, S. 99, 150. 25 Vgl. S. 30. 26 Baumbach!Hueck!Schulze-Osterloh, § 61, Rn. I; ScholzlK. Schmidt, § 61, Rn. 1. 27 Grunewald, Ausschluß, S. 24. 28 Zu den Anforderungen hieran gilt das zur Einziehung Gesagte, vgl. S. 30 f. 29 Hinsichtlich der Zulässigkeit einer Abfindungsbeschränkung gilt das zur Einziehung Gesagte, vgl. S. 32.
3 Seidel
34
2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
gleichstehf0 , aber aufgrund der vergleichbaren Interessenlage mit der Zwangseinziehung aus§ 34 Abs. 2 GmbHG. Deshalb ist auchjede31 , nicht nur eine wesentliche32 Erleichterung der Ausschlußmöglichkeit zustimmungspflichtig
3. Zweckänderungen nach § 33 Abs. 1 S. 2 BGB, insbesondere der Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages a) Anwendbarkeit des§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB im GmbH-Recht Die ganz überwiegende Meinung wendet § 33 Abs. I S. 2 BGB auch im GmbH-Recht an bzw. sieht in dieser Vorschrift die Formulierung eines allgemeingültigen gesellschaftsrechtlichen Grundsatzes33 • Danach ist zur Änderung des Zwecks einer Gesellschaft die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. Die Gegenauffassung vertritt Kort. § 53 GmbHG sei im Hinblick auf Mehrheits- und Zustimmungserfordernisse grundsätzlich abschließend und könne erst recht nicht durch die gemäß § 40 BGB dispositive Norm des § 33 Abs. I S. 2 BGB verschärft werden34• Dem ist entgegenzuhalten, daß §53 GmbHG nur insoweit abschließend ist, als die Satzung keine von Abs. 2 S. I abweichenden geringeren Mehrheiten vorsehen oder das Zustimmungserfordernis des Abs. 3 ausschließen kann35• Auch der Verweis auf die Dispositivität des § 33 Abs. I S. 2 BGB überzeugt nicht. Aus § 40 BGB läßt sich nämlich nur zweierlei ableiten. Zum einen kann die ursprüngliche Satzung durch eine ausdrücklich auf Zweckänderungen bezogene und daher dem Bestimmtheitsgebot genügende Regelung auch Zweckänderungen im Wege eines Gesellschafterbeschlusses gestatten. Dafilr beruht der Gesellschaftsvertrag auf den übereinstimmenden Willenserklärungen aller Gründungsgesellschafte~6 • Zum anderen erlaubt es § 40 BGB, im Rahmen einer späteren Satzungsänderung auf das Zustimmungserfordernis bei Zweckänderungen zu verzichten. Damit die ausdrückliche Unterscheidung des § 33 Abs. I BGB zwischen bloßen Satzungsän30 31
Vgl. S. 46.
So im Ergebnis BGHZ 9, 157, 160.
32 So Hachenburg/U/mer, §53, Rn. 130; Scholz/Priester; §53, Rn. 115. 33 Lutter/Homme/hoff, §53, Rn. 21; Scholz/Priester, §53 Rn. 183; Zöllner, Schranken, S. 30; Hachenburg/U/mer, §53, Rn. 103; K. Schmidt, BB 1987, 556 ff.; M. Winter,
Treubindungen, S. 199 f.; Ebenroth/A. Müller, BB 1989, 358, 359; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, S. 412; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 169 ff. 34 Kort, Abschluß, S. 113. 35 M. Winter, Treubindungen, S. 199; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 171; Scholz/Priester, §53, Rn. 78; Baumbach!Hueck/Zö//ner, §53, Rn. 32 f.; Lutter/Hornme/hoff, § 53, Rn. 6. 36 M. Winter, Treubindungen, S. 200; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 170.
I. Zustimmungserfordernisse
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derungen, ftlr die eine qualifizierte Mehrheit ausreicht, und Zweckänderungen, die der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen, nicht leerläuft, müssen dieser Satzungsänderung aber alle Gesellschafter zustimmen37• Aus § 40 BGB ergibt sich also nicht, daß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB im GmbH-Recht nicht anwendbar ist. Wiedernano sieht in dieser Vorschrift eine Sondernorm des eingetragenen Vereins, die die Mitglieder vor einer Verfälschung ihrer idealen Ziele schützen soll. Er verweist auf gesetzlich geregelte Fälle der Zweckänderung - den Auflösungsbeschluß gemäß § 60 GmbHG, weiterhin die §§ 262, 293 AktG und 78 GenG -, in denen eine satzungsändernde Mehrheit genügt. Folglich könne in § 33 BGB kein Satz gesellschaftsrechtlichen Naturrechts gesehen werden38 • Auch diese Argumentation überzeugt nicht. Da die genannten Bestimmungen nur einen Teil aller möglichen Zweckänderungen erfassen, sind sie als Sonderregelungen zu verstehen. Mangels einer allgemeinen Regelung der Voraussetzungen einer Zweckänderung im GmbH-Gesetz ist auf die Vorschrift des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. den darin enthaltenen Rechtsgedanken bei Zweckänderungen einer GmbH zurückzugreifen39•
b) Die Anderung des Gesellschaftszwecks Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter dem Vereinszweck im Sinne der genannten Vorschrift nur der oberste Leitsatz der Vereinstätigkeit, die große Linie, um deretwillen sich die Mitglieder zusammengeschlossen haben, zu verstehen. Eine Zweckänderung liegt demnach nur vor, wenn sich der Charakter eines Vereins ändert, nicht hingegen, wenn sich der Verein ohne Aufgabe der prinzipiellen Zielrichtung in praktikabler Weise auf den Wandel der Zeit einstellt40 • Die Literatur umschreibt den Vereinszweck sinngemäß, als festes Ziel, das nicht ohne weiteres geändert werden darf' 1, als Grundlage42, Lebensgesetz43 , Leitidee44, oder Identität45 des Vereins. Norm-
37 So ausdrücklich Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 170; Reuter, ZGR 1987, 475, 484. 38 Wiedemann, GesR I, S. 156 f.; zustimmend Kort, Abschluß, S. 114. 39 Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 172. 40 BGH, ZIP 1986,368,370. 41 Zöllner, Schranken, S. 29. 42 K. Schmidt, BB 1987, 556, 558. 43 Wiedemann, GesR I, S. I 0. 44 Beuthien, BB 1987, 6, 7. 45 Reuter, ZGR 1987, 475, 480.
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
zweck des § 33 Abs. I Satz 2 BGB ist der Schutz der Mitgliedschaft vor einer solchen grundlegenden Umgestaltung46. Auf die GmbH angewandt, liegt nach Grauer eine Änderung des Charakters, der Leitidee der Gesellschaft nur vor, wenn von ihren drei möglichen Grundzielen - der Verfolgung ideeller, erwerbswirtschaftlicher oder sonstiger wirtschaftlicher Zwecke - eines durch ein anderes ersetzt wird, neben einem schon vorhandenen ein weiteres Grundziel verfolgt wird oder eines von mehreren Zielen aufgegeben wird47. Diese Schlußfolgerung überzeugt nicht. Verändert ein derartiger Wechsel der Zielsetzung auch zweifellos den Charakter der GmbH grundlegend, so gibt es doch die Mitgliedschaft vergleichbar treffende Vorgänge. Hierzu gehört auch der Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabfiihrungsvertrages mit einem anderen Unternehmen, weil dadurch die gleichmäßige Ausrichtung auf die Interessen aller Gesellschafter aufgehoben wird48 . Natürlich kann der Mehrheitsgesellschafter aufgrund seiner Stimmrechtsmacht die Geschäftspolitik des Unternehmens alleine gestalten. Doch muß er die Eigenständigkeit der den Interessen aller Gesellschafter dienenden GmbH beachten. Nach dem Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabfiihrungsvertrages verliert die Gesellschaft jedoch ihre Selbständigkeit. Ein Beherrschungsvertrag legalisiert ihre Ausrichtung am übergeordneten Konzerninteresse und die Erteilung fiir sie auch nachteiliger Weisungen durch das herrschende Untemehmens49. Infolge eines Gewinnabfiihrungsvertrages wirtschaftet die GmbH nicht mehr eigennützig und damit im erwerbswirtschaftlichen Interesse aller Gesellschafter, sondern allein auf Rechnung ihres Vertragspartners, an den sie jeden erzielten Gewinn abfUhren muß 50•
46 K. Schmidt, BB 1987, 556, 558; Beuthien, BB 1987, 6, 7; Reuter, ZGR 1987, 475, 480; Lutter/Homme/hoff, §53, Rn. 21. 47 Grauer, Konzembildungskontrolle, S. 173. 48 LG Bochum, AG 1987, 322, Zöllner, ZGR 1992, 173, 174; Priester, ZGRSonderheft 6, 151, 162 f. und DB 1989, 1013; Fleck, ZGR 1988, 104, 134; Ebenroth/A. Müller, BB 1989, 358, 359; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, S. 412, 423; Hachenburg/U/mer, §53, Rn. 145; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 617; a. A.: Lutter!Hommelho!J, Anh. § 13, Rn. 44; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 158 f., 161; Rowedder!Koppensteiner, Anh. §52, Rn. 43; Rowedder!Zimmermann, §53, Rn. 29; Timm, GmbHR 1992,213, 215; ders., GmbHR 1989, 11, 14; ders., GmbHR 1987,8, 11. 49 So auch Lutter!Hommelhoff(in: NJW 1988, 1240, 1241) und Grauer (in: Konzernbildungskontrolle, S. 158 f.), die das Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter aus § 33 Abs. 1 S. 2 BGB beim Abschluß von Beherrschungs- und Gewinnabflihrungsverträgen verneinen; vgl. hierzu Lutter/Homme/ho!J, Anh. § 13, Rn. 44; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 173. 50 Lutter!Homme/ho!J, NJW 1988, 1240, 1241; Grauer, Konzernbildungskontrolle, s. 161.
I. Zustimmungserfordernisse
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Für den Abschluß eines Teilgewinnabfiihrungsvertrages gelten die obigen Ausruhrungen entsprechend. Es ist zu fragen, wann die Gesellschafter nicht mehr als erwerbswirtschaftlich beteiligt gewertet werden können. Eine Zweckänderung müßte zu bejahen sein, wenn mehr als die Hälfte des erzielten Gewinnes abgefilhrt werden soll, die Gesellschafter also überwiegend fremdnützig tätig sind. Eine geringere Quote kann aber auch schon eine Zustimmungspflicht auslösen, wenn der herrschende Gesellschafter gleichzeitig eine im Verhältnis zum Gewinn beachtliche Geschäftsfilhrervergütung oder sonstige Nebenleistungen erhält. Teilweise wird der Gesellschaftszweck noch konkreter als hier bestimmt. Nach Zöllner hat der von einer erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Korporation verfolgte Zweck regelmäßig einen Doppelcharakter: die Gewinnerzielung filr die Körperschaft und die Verteilung des Gewinnes an die Mitglieder 1• Die gleichmäßige Ausrichtung der GmbH auf die erwerbswirtschaftlichen Ziele aller Gesellschafter muß sich also in einer Ausschüttung des erzielten Gewinnes niederschlagen, die Wertsteigerung des Geschäftsanteils infolge einer vollständigen Thesaurierung genügt nicht52• Ähnlich argumentieren Lutter und Hommelhoff, filr die eine Satzungsänderung unter § 33 Abs. I S. 2 BGB flillt, die eine Einstellung des gesamten Gewinnes in die RUcklagen vorsieht53 • Auch nach dieser Meinung ändert ein Gewinnabfiihrungsvertrag , der den gesamten Gewinn regelmäßig dem herrschenden Unternehmen zuweist, den Zweck der GmbH. Daher widersprechen sich Lutter und Hommelhoff, wenn sie an anderer Stelle ausfUhren, der Abschluß eines Untemehmensvertrages, also auch eines Gewinnabfiihrungsvertrages, sei nicht zustimmungsbedürftig54•
c) Vergleich des Abschlusses von Unternehmensverträgen mit der Regelung des Umwandlungsrechts
Nach den vorherigen Ausfiihrungen erscheint eine vermittelnde Auffassung Timms sehr interessant. Er verweist auf die Regelung der Verschmelzung und hält eine Dreiviertelmehrheit in der abhängigen GmbH dann fiir ausreichend, wenn ihren dissentierenden Gesellschaftern neben einer Ausgleichs- und Abfmdungszahlung eine vollwertige Gesellschafterstellung in der Obergesellschaft angeboten wird55• Auch Timm sieht folglich die gleichmäßige AusriebZöllner, ZGR 1988,392,418. Vgl. näher S. 51. 53 Lutter/Hommelhoff, §53, Rn. 21. 54 Lutter/Hommelhoff, Anh. § 13, Rn. 44. 55 Timm, GmbHR 1992, 213, 215; ders., GmbHR 1989, 11, 14; ders., GmbHR 1987, 8, 11. 51
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
tung der Gesellschaft auf die Interessen aller Gesellschafter als Grundlage des Verbandes an. Im Unterschied zu dem ausdrücklichen Wortlaut des§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach die Änderung des Zwecks einer konkreten Gesellschaft maßgeblich ist, wählt er aber eine Konzerngesamtbetrachtung56• Es genügt, wenn anstelle der abhängigen GmbH der Konzern den Interessen der Minderheitsgesellschafter der GmbH dient. Somit kann Timms Vorschlag nicht gefolgt werden. Bommelhoffkritisiert die Systembrüche im GmbH-Recht, die daraus entstehen, daß Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen, während Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel, die sich auf ihre Mitgliedschaft noch viel stärker auswirken, mit einer Dreiviertelmehrheit entschieden werden57• Diese Argumentation bedeutet jedoch eine zu starke Vereinfachung. Zunächst ist festzuhalten, daß bei der Abspaltung und Ausgliederung (§ 123 Abs. 2, 3 UmwG) die GmbH fortbesteht, ihre Gesellschafter nicht ihre Mitgliedschaft verlieren. Weiterhin müssen beim Wechsel der Rechtsform einer GmbH in eine Personengesellschaft alle zukünftig persönlich haftenden Gesellschafter und beim nicht verhältniswahrenden Wechsel in eine andere Kapitalgesellschaft alle nicht entsprechend ihrem bisherigen Anteil beteiligten Gesellschafter zustimmen, §§ 233, 241 Abs. 1 UmwG. Die Zustimmung aller Gesellschafter ist nach§ 128 UmwG auch notwendig bei nicht verhältniswahrenden Spaltungen. Nicht jede Umwandlung bedeutet also eine Änderung des Gesellschaftszwecks, und nicht fUr jede Zweckänderung reicht ein mit Dreiviertelmehrheit gefaßter Beschluß. Somit widerspricht nicht das neue Umwandlungsgesetz als Ganzes dem Rechtsgedanken des § 33 Abs. 1 S.2BGB. Ziel der Bereinigung des Umwandlungsrechts war es, die schon bestehenden Möglichkeiten der Umstrukturierung von Unternehmen zu systematisieren und Lücken der gesetzlichen Regelungen zu schließen58• Dabei wurde die Geltung der Vorschriften, welche die Organisation der einzelnen Gesellschaftsformen regeln, vorausgesetzt, sollten diese möglichst wenig und auch nur dort angetastet werden, wo die besonderen Erfordernisse der verschiedenen Umwandlungsvorgänge dies unumgänglich machten oder geboten erscheinen ließen59• Wenn also einzelne Vorgänge, wie die Verschmelzung oder Aufspaltung zum
56 Vgl. Emmerich/Sonnenschein, in: Konzemrecht, S. 56 f., die Entwicklungstendenzen in Richtung einer Konzerngesamtbetrachtung feststellen. 57 Hommelhoff, ZGR 1993, 452, 457; ebenso Rowedder!Koppensteiner, Anh. §52, Rn. 43. 58 Vgl. Begr. zum RegE, BR-Drucks. 75/94, S. 71 ; Begr. zum Gesetzesentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P., BT-Drucks. 12/6699, S. 71. 59 Begr. zum RegE, BR-Drucks. 75/94, S. 80, Begr. zum Gesetzesentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P., BT-Drucks. 12/6699, S. 80.
I. Zustimmungserfordernisse
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Untergang der übertragenden GmbH und der Mitgliedschafren in ihr fUhren, damit den Gesellschaftszweck ändern, ohne an die Zustimmung aller Gesellschafter gebunden zu sein - §§50 Abs. 1, 56, 125 UmwG -, besteht zwar ein vom Gesetzgeber fUr unumgänglich erachteter Wertungswiderspruch zu § 33 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser läßt sich auch nicht durch den Verweis auf die neue Beteiligung an und unternehmerische Betätigung in der Konzernobergesellschaft ausräumen60• Doch darf er andererseits auch nicht überbewertet werden, da er nur den Teil einer Spezialregelung betrifft, die nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers allgemeingültige Rechtsgedanken im übrigen nicht in Frage stellen sollte. Daher bleibt es dabei, daß dem Abschluß von Beherrschungs- und Gewinnabfilhrungsverträgen wegen ihres zweckändernden Charakters gemäߧ 33 Abs. 1 S. 2 BGB alle Gesellschafter zustimmen müssen61 •
60 U/mer (in: Hachenburg, §53, Rn. 145), Fleck (in: ZGR 1988, 104, 134) und Priester (in: ZGR Sonderheft 6, S. 151, 163) betonen zwar zu Recht, daß die Gesellschafter der übertragenden GmbH Anteile an einer selbständigen Gesellschaft erhalten und damit bessergestellt werden als beim Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Nur reicht dies zur Verneinung eines Wertungswiderspruchs dann nicht aus, wenn die Zustimmung aller Gesellschafter zum Abschluß eines Unternehmensvertrages mit seinem gesellschaftszweckändernden Charakter begrundet wird. Dieser liegt nämlich in beiden Fällen vor. Insoweit ist der Einwand der Mindermeinung durchaus zutreffend. 61 Andere Argumentationen filr und gegen das Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter überzeugen nicht. §53 Abs. 3 GmbHG (so Priester, DB 1989, 1013, 1015; Emmerich/Sonnenschein, Konzemrecht, S. 412) betrifft nur Leistungsvermehrungen, keine Rechtsverkürzungen, vgl. S. 32. Die Kernbereichslehre (so U/mer, BB 1989, 10, 14) ist im GmbH-Recht nicht einschlägig, vgl. hierzu S. 48. Auch der Gleichheitssatz, auf den U/mer (in: Hachenburg, § 53, Rn. 145) abstellt, rechtfertigt das Wirksamkeitserfordemis individueller Zustimmung nicht, da selbst die willkürliche Ungleichbehandlung eines Gesellschafters den Beschluß anfechtbar, nicht aber unwirksam macht (Lutterffimm, NJW 1982,409, 418). Das OLG Düsseldorf(in: BB 1981, 1482, 1483) und Esch (in: BB 1986, 272, 276) entnehmen § 17 KStG (früher § 7a KStG), wonach ein zustimmender Gesellschafterbeschluß mit Dreiviertelmehrheit zum Abschluß eines Gewinnabfilhrungsvertrages Voraussetzung seiner steuerlichen Anerkennung ist, daß auch für die gesellschaftsrechtliche Wirksamkeit keine weitergehenden Anforderungen zu stellen sind. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die genannte Vorschrift die zivilrechtliche Wirksamkeit des Unternehmensvertrages nicht präjudiziert, sondern ausdrücklich voraussetzt. Auch kann die Wertung des Steuergesetzgebers nicht zur Schließung von Lücken im Gesellschaftsrecht verwandt werden (so aber Kort, Abschluß, S. 78 f.), weil trotz einheitlicher Gesetzgebungskompetenz zwischen beiden Rechtsgebieten ein zweckbedingter Unterschied besteht (BGH, NJW 1989, 295, 298; Hachenburg/U/mer §53, Rn. 145; Timm, BB 1981, 1491, 1492; Emmerich, JuS 1992, 102, 103; Hönle, DB 1979, 485, 489).
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
d) Die spätere Konzerneingliederung der abhängigen GmbH nach dem Abschluß eines Beherrschungsvertrages Da der wirksame Abschluß eines Beherrschungsvertrages die Unterordnung der abhängigen GmbH unter das Konzerninteresse legitimiert, bedürfen die weiteren Schritte ihrer organisatorischen Eingliederung in den Konzern nicht mehr gemäß § 33 Abs. I S. 2 BGB der Zustimmung aller Gesellschafter. Hier liegt keine erneute Zweckänderung vor, sondern wird der bereits zuvor geänderte Zweck konsequent umgesetzt.
e) Die faktische Konzernierung Die bloße Begründung der Abhängigkeit der GmbH von einem anderen Unternehmen und ihre nichtvertragliche Einbeziehung in einen Konzern ändern den Gesellschaftszweck nicht. Eine normative Kraft des Faktischen ist nicht anzuerkennen. Folglich ergibt sich auch aus § 33 Abs. 1 S. 2 BGB kein Wirksamkeitserfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter62 •
4. Die Beeinträchtigung von Sonderrechten gemäß § 35 BGB Nach der auch im GmbH-Recht anwendbaren Vorschrift des § 35 BGB63 können die Sonderrechte eines Gesellschafters nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden. Sonderrechte sind solche Verwaltungs- und Vermögensrechte, die nach der Satzung nur einzelnen Gesellschaftern oder einer Gruppe von ihnen, jedenfalls nicht allen Gesellschaftern gleichmäßig zustehen. Sie können mit einem Geschäftsanteil verbunden oder einem GmbH-Gesellschafter persönlich übertragen sein. Als Beispiele lassen sich anführen: Ein erhöhtes Stimmrecht, ein Recht auf Geschäftsführung und Geschäftsführerbestimmung, Entsendungsrechte in den Aufsichts- oder Beirat sowie ein erhöhter Gewinnanteil64. Grundsätzlich bedarf jeder Beschluß, der zumindest mittelbar eine Entziehung oder Einschränkung derartiger Sonderrechte erwarten läßt, der Zu-
62 Wie hier auch Binnewies, Konzemeingangskontrolle, S. 249. Zu den möglichen anderen Begründungsansätzen fllr eine Zustimmungspflicht gilt das zum Abschluß eines Beherrschungs- und Gewinnabfllhrungsvertrages in der letzten Fußnote Gesagte. 63 RGZ 80, 389; Hachenburg/Ulmer, § 53, Rn. 60; ScholzJPriester § 53, Rn. 48; Lutter/Hommelho.ff, § 53, Rn. 22. 64 ScholzJPriester §53, Rn. 48.
I. Zustimmungserfordernisse
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stimmungaller betroffenen Gesellschafter65 • Diese ist im Falle eines wichtigen Grundes jedoch entbehrlich, d. h. wenn Umstände vorliegen, die nach Abwägung aller beteiligten Interessen, das unveränderte Bestehen des Sonderrechts unzumutbar erscheinen lassen66 •
5. Die Vinkulierung von Geschäftsanteilen, § 15 Abs. 5 GmbHG
Nach § 15 Abs. 1 GmbHG sind die Geschäftsanteile frei übertragbar, die Absätze 3 und 4 verlangen lediglich die notarielle Form der Abtretung und der Verpflichtung dazu. Die Satzung kann die Anteile an der GmbH jedoch gemäß § 15 Abs. 5 GmbHG vinkulieren, d. h. ihre Abtretung erschweren oder sogar ganz ausschließen, wodurch das Austritts- und Kündigungsrecht aus wichtigem Grund aber nicht berührt wird67 • Vinkulierungsklauseln sind überwiegend bei personalistisch ausgestalteten Gesellschaften anzutreffen und sollen deren Überfremdung verhindern. So kann bspw. die Übertragung der Geschäftsanteile von der Zustimmung der Gesellschaft, einzelner bzw. aller Gesellschafter abhängig gemacht oder zu ihren Gunsten ein "dingliches" Erwerbsvorrecht begründet werden - ein bloß schuldrechtlich wirkendes Vorkaufsrecht beschränkt die freie Abtretbarkeit des Geschäftsanteils hingegen nicht.
a) Die nachträgliche Vinkulierung
Ein Vorerwerbsrecht kann so ausgestaltet sein, daß der Geschäftsanteil erst dann wirksam an einen Dritten übertragen werden kann, wenn er zuvor dem Berechtigten zum Erwerb angeboten wurde und dieser von seinem Vorerwerbsrecht keinen Gebrauch macht. Ein solchermaßen "dinglich" wirkendes Erwerbsvorrecht kann gemäß § 53 Abs. 3 GmbHG nur mit der Zustimmung des davon betroffenen Gesellschafters nachträglich in die Satzung aufgenommen werden, weil es mit der Anbietungspflicht eine Nebenleistungspflicht im Sinne des§ 3 Abs. 2 GmbHG statuiert68 • 65 RG, WamRspr 1918, Nr. 133; Pa1andt!Heinrichs, § 35, Rn. 5; MüKo/Reuter, § 35, Rn. 7; Scholz!H Winter, § 14 Rn, 26. 66 Scholz!H Winter, § 14 Rn, 27; Scholz!Priester, §53, Rn. 28; Baumbach!Hueck/G. Hueck; § 14, Rn. 18; Wolany, Rechte, S. 180 f. ; Flume, jur. Person, S. 192. 67 RGZ 80, 175, 179; Baumbach/Hueck/G. Hueck, § 15, Rn. 37; Scholz!H Winter, § 15, Rn. 80 ff., 102; Scholz!Priester, §53, Rn. 160; Lutter/Homme/hoff, § 15, Rn. 21 f.; Meyer-Landrut, § 15, Rn. 3; Rowedder, § 15, Rn. 92. 68 Reichert, BB 1985, 1496, 1500 f.; Hachenburg/U/mer, §53, Rn. 126; Lutter/Hommelhoff, § 15, Rn. 52; G. Hueck, FS-Larenz, S. 756 ff.
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
Auch eine Regelung, wonach die Abtretung der Beteiligung nur mit der Zustimmung der Gesellschaft, einzelner oder aller Gesellschafter wirksam werden soll, bedarf der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters. Das folgt zwar nicht aus §53 Abs. 3 GmbHG69, weil die Beschränkung der freien Veräußerbarkeit keine Leistungsvermehrung bedeutet1°. Auch § 35 BGB kommt nicht zur Anwendung71 , da ein allen Gesellschaftern zustehendes Recht und somit kein Sonderrecht12 betroffen ist. Schließlich überzeugt allein die Feststellung, daß die freie Veräußerbarkeit eines Geschäftsanteils ein grundsätzlich oder relativ unentziehbares Mitgliedschaftsrecht darstellt13, nicht, solange nicht begründet wird, woraus die Unentziehbarkeit folgen soll. Maßgeblich ist vielmehr der Rechtsgedanke des § 180 Abs. 2 AktG. Nach dieser Vorschrift kann nur mit Zustimmung der betroffenen Aktionäre die Übertragung ihrer Namensaktien und Zwischenscheine vom Erfordernis der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Sowohl bei der Aktiengesellschaft als auch bei der GmbH entspricht nun die Erschwerung der Abtretung von Gesellschaftsanteilen dem Bedürfnis, Einfluß auf den Bestand der Mitglieder zu nehmen und dadurch die Gesellschaft personalistisch zu prägen. Die allgemeinen Strukturunterschiede zwischen beiden Gesellschaftsformen sind insoweit unerheblich74, so daß der in § 180 Abs. 2 AktG enthaltene Rechtsgedanke auch im GmbH-Recht Anwendung fmdet15 • Fette wendet ein, daß der Gesetzgeber der GmbH-Reform von 1980 in Kenntnis dieser Bestimmung darauf verzichtet habe, die Vinkulierung an die Zustimmung aller Gesellschafter zu binden, spreche dafilr, daß die starre Regelung des Aktienrechts nicht in das GmbH-Recht übernommen werden sollte76. Dagegen spricht, daß es im Jahre 1980 nach dem Scheitern einer Gesamt69 So aber lmmenga, Kapitalgesellschaft, S. 79; Möhring, GmbHR 1963, 201, 204.
70 Vgl. hierzu S. 46. A.A. G. Hueck (in: FS-Larenz, S. 749, 758), der einer Abtretungsbeschränkung die Verpflichtung entnimmt, jede der Beschränkung zuwiderlaufende Abtretung zu unterlassen, und deshalb § 53 Abs. 3 GmbHG anwendet. Dies überzeugt jedoch nicht. Dem betroffenen Gesellschafter wird kein Unterlassen geboten, vielmehr ist die Abtretung ohne Einhaltung der Beschränkung einfach unwirksam. 71 So aber RGZ 68, 211 , 212. 72 Vgl. zum Begriffdes Sonderrechts S. 40. 73 So Baumbach/Hueck/G. Hueck, § 15, Rn. 39; Scholz/Priester, §53, Rn. 161; Zöllner, Schranken, S. 114. 74 So ausdrUcklieh lmmenga, Kapitalgesellschaft, S. 78 f., der inkonsequenterweise aber nicht den Rechtsgedanken des § 180 Abs. 2 AktG in das GmbH-Recht überträgt, sondern die Übertragung durch den Gesetzgeber für notwendig erachtet. De lege lata begrUndet er das Zustimmungserfordernis mit § 53 Abs. 3 GmbHG, s.o. 75 Baumbach/Hueck!Zö//ner, §53, Rn. 18; Hachenburg/U/mer, §53, Rn. 124; Hachenburg/Zutt, § 15, Rn. 101; Rowedder/Zimmermann, §53, Rn. 26; Wiedemann, GesR I, S. 401. 76 Fette, GmbHR 1986, 73, 75.
I. Zustimmungserfordernisse
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reform des GmbH-Gesetzes die ausdrückliche Absicht des Gesetzgebers war, nur einige dringliche Änderungen alsbald zu verwirklichen77 • Seinem Schweigen zu bekannten, aber nicht geregelten Problemkreisen darf also nicht entnommen werden, es gebe keine ausfilllungsbedürftigen Gesetzeslücken78 • Meyer-Landrut erachtet wie die herrschende Meinung die Zustimmung der von einer nachträglichen Vinkulierung ihrer Geschäftsanteile betroffenen Gesellschafter grundsätzlich als notwendig, macht jedoch eine Ausnahme fUr den Fall eines wichtigen Grundes, weil auch die meisten Mitgliedschaftsrechte aus wichtigem Grund entzogen werden könnten 79• Ähnlich argumentieren Lutter und Timm, wonach eine Zustimmung der Anteilsberechtigten dann entbehrlich ist, wenn die nachträgliche Vinkulierung allein die Selbständigkeit der Gesellschaft auch fUr die Zukunft sichern soll80• Beide Auffassungen bedeuten jedoch einen weit über das Ziel hinausschießenden, also unverhältnismäßigen Eingriff in die betroffenen Mitgliedschaften. Letztlich geht es um den Schutz der GmbH vor einem ftlr sie untragbaren Gesellschafter, wobei sich dessen Unzumutbarkeit auch aus der Absicht ergeben kann, die Selbständigkeit der GmbH in Frage zu stellen. Die Vinkulierung betrifft jedoch generell die Veräußerung an jeden möglichen Interessenten. Daher bleibt es dabei, daß die nachträgliche Vinkulierung nur mit Zustimmung aller betroffenen Anteilsinhaber wirksam wird.
b) Die Aufhebung einer Vinkulierung
Wenn die Satzung die Übertragung eines Geschäftsanteils von der Nichtausübung eines Erwerbsvorrechtes durch alle bzw. bestimmte Gesellschafter oder von deren Zustimmung abhängig macht, dann beschränkt sie nicht nur das Recht der betroffenen Gesellschafter auf die freie Veräußerbarkeit der Geschäftsanteile. Vielmehr gewährt sie nach überwiegender Meinung im Zweifel den berechtigten Gesellschaftern im Zweifel gleichzeitig ein relativ unentziehbares, d. h. nicht ohne deren Einverständnis entziehbares, Mitgliedschaftsrecht des Inhalts, die Abtretung der Geschäftsanteile und damit den Kreis der Gesellschafter kontrollieren zu können81 •
Begr. zum RegE, BT-Drucks. 8/ 1347, S. 27. Hachenburg/U/mer, Allgem. Ein!., Rn. 60. 79 Meyer-Landrut, § 15, Rn. 12. 80 Lutterfl'imm, NJW 1982, 409, 416. 81 OLG DUsseldorf, GmbHR 1964, 250; H. Winter, GmbHR 1964, 251 , 252; Hachenburg/Zutt, § 15, Rn. 102; Hachenburg/U/mer, §53, Rn. 124; Baumbach/Hueck/ Zöllner,§ 53, Rn. 18; Baumbach!Hueck/G. Hueck, § 15, Rn. 39; Schol:zJPriester, §53, Rn. 162. 77 78
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
Eine Mindermeinung wendet allerdings zurecht ein, daß die Unentziehbarkeit nicht einfach festgestellt werden darf, sondern begründet werden muß82• Maßgeblich ist die Auslegung der konkreten Satzung nach den §§ 157, 133 BGB. Das bloße Eigeninteresse des berechtigten Gesellschafters begründet zwar die Einordnung als Individualrecht, aber noch nicht als unentziehbares83 • Dafiir spricht vielmehr erst die Prägung der Gesellschaft durch ein enges persönliches Vertrauen zwischen den Gesellschaftern. Die Vinkulierung muß also ein grundlegendes Strukturelement der konkreten Gesellschaft betreffen84• Das kann bspw. nicht der Fall sein, wenn Vorkehrungen fehlen, die im Falle des Todes eines Gesellschafters das Eindringen von Dritten in die GmbH verhindern, und ein Teil der Gesellschafter bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages noch minderjährig war85 •
6. Leistungsvermehrung, § 53 Abs. 3 GmbHG
§ 53 Abs. 3 GmbHG verlangt die Zustimmung jedes betroffenen Gesellschafters zur Vermehrung seiner ihm durch den Gesellschaftsvertrag auferlegten Leistungspflichten. Hierzu gehört die Einführung oder Erweiterung aller Arten von Pflichten, die über das ursprüngliche Beteiligungsrisiko hinausgehen, nicht nur Zahlungs-, sondern auch Tätigkeits- und Unterlassungspflichten. Unerheblich ist dabei, ob sie nur für einzelne Gesellschafter oder fiir alle gleichmäßig gelten sollen86• Unter die Vorschrift des §53 Abs. 3 GmbHG fällt nach der ganz herrschenden Meinung nur die unmittelbare, nicht auch die mittelbare Vermehrung derartiger Pflichten87• Diese Einschränkung wird zumeist nicht begründet,_sondern einfach festgestellt. Priester hält sie fiir nicht unbedenklich, stimmt ihr aber im Ergebnis zu, weil sie sowohl der Rechtssicherheit als auch der verminderten Aktualisierungsgefahr Rechnung trägt88• Die Gegenposition vertritt Möhring. Unter Leistungsvermehrung sei jede vermögensmäßige Beeinträchtigung des
82 OLG Stuttgart, NJW 1974, 1566, 1567; H. Winter, GmbHR 1964,251, 252; Henrich, Vorvertrag, S. 337. 83 So aber BezG Dresden, GmbHR 1994, 123, 124; Reichert, BB 1985, 1496, 1502. 84 OLG Stuttgart, NJW 1974, 1566, 1567; H. Winter, GmbHR 1964,251, 252; Henrich, Vorvertrag, S. 337. 85 OLG Stuttgart, NJW 1974, 1566, 1567. 86 Hachenburg/U/mer, §53, Rn. 75; Scholz/Priester, §53 Rn, 50. 87 RGZ 93, 251, 253; 122, 159, 153; Hachenburg/U/mer §53, Rn. 75; Rowedder!Zimmermann, §53 Rn, 46; M. Winter, Treubindungen, S. 137; Scholz/Priester §53, Rn. 53; Rachenburg (6. Aufl.)/Schilling, § 53, Anm. II. 88 Scholz/Priester, §53, Rn. 53.
I. Zustimmungserfordernisse
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Gesellschafters zu verstehen, nicht nur die unrnittelbare89• Der Mindermeinung ist im Ergebnis zuzustimmen, da dem Gesetzeswortlaut des § 53 Abs. 3 GmbHG eine derartige Beschränkung nicht zu entnehmen ist. Auch gilt es, einen Wertungswiderspruch zu anderen Zustimmungserfordernissen zu vermeiden. Unter § 35 BGB fällt nämlich schon die mittelbare Verkürzung von Sonderrechten90. § 33 Abs. I S. 2 BGB stellt auf die Intensität des Eingriffs, nicht auf das Verhältnis der eingreifenden Handlung zu ihrer Wirkung ab91 • Die Beschränkung des § 53 Abs. 3 GmbHG auf unmittelbare Leistungsvermehrungen durch die herrschende Meinung dient vor allem dazu, bei mehrheitlich beschlossenen Kapitalerhöhungen die Ausfallhaftung auch der dissentierenden Gesellschafter nach den §§ 24, 31 GmbHG nicht unter Hinweis auf ihre fehlende Zustimmung verneinen zu müssen92 • Es überzeugt jedoch mehr, · gleich mit dem Gesetzeszweck des § 24 GmbHG zu argumentieren und § 53 Abs. 3 nur insoweit teleologisch zu reduzieren. Das Gläubigerinteresse an der Autbringung des Stammkapitals erfordert die Haftung aller Gesellschafter, unabhängig davon, ob. sie der Kapitalerhöhung zugestimmt haben oder nicht93 • Dies wird auch nicht durch die anderslautende Regelung des § 51 UmwG in Frage gestellt, wonach zum Schutz vor ihrer Ausfallhaftung94 die Zustimmung aller Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft dann notwendig ist, wenn auf die Geschäftsanteile der aufnehmenden Gesellschaft noch nicht alle Leistungen bewirkt sind. Die genannte Bestimmung betrifft ausdrücklich nur den Sonderfall der Verschmelzung95 • Möhring, GmbHR 1963, 201, 205. Vgl. S. 40. 91 Vgl. S. 35 ff. 92 RGZ 93, 251, 253; 122, 159, 163; Rowedder!Zimmermann, §53, Rn. 46; Hachenburg/U/mer, § 53, Rn. 75; Schol:zJPriester, §53, Rn. 53; a.A. noch Feine, GmbH, S. 335, Rachenburg (6. Aufi.)!Schmidt/Goerdeler, § 24, Anm. 19 a. 93 Auf den Gesetzeszweck des § 24 GmbHG stellt Emmerich, in: Scholz, § 24, Rn. 17, ab. Ohne den Umweg, § 24 GmbHG auf unmittelbare Leistungsvermehrungen einzuschränken, bejahen die Ausfallhaftung der dissentierenden Gesellschafter auch Baumbach!Hueck/G. Hueck, § 24, Rn. 5; Baumbach!Hueck!Zö//ner, §53, Rn. 17; Rowedder, § 24, Rn. II; Lutter/Hommelhoff, § 24, Rn. 6. Den der Kapitalerhöhung widersprechenden Gesellschaftern steht jedoch ein unverzüglich geltend zu machendes Austrittsrecht aus wichtigem Grund zu, wenn die damit verbundene Risikovermehrung für sie nicht mehr zurnutbar ist (LG Mönchengladbach, ZIP 1986, 306, 307; Schol:zJEmmerich, § 24, Rn. 17; Hachenburg/U/mer, § 53, Rn. 75; Schol:zJPriester, § 55, Rn. 23; Baumbach!Hueck/G. Hueck, § 24, Rn. 5). 94 So die ausdrückliche Begründung zu §51 UmwG des RegE, BR-Drucks. 75/94, S. 100 und des Gesetzesentwurfs der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P., BIDrucks. 12/6699, S. 100. 95 Vgl. Begr. zu Art. I UmwBerG des RegE, BR-Drucks. 75/94, S. 80 und des Gesetzesentwurfs der Fraktionen von CDU/CSU u. F.D.P., BI-Drucks. 12/6699, S. 80; vgl. auch S. 39 in dieser Arbeit. 89 90
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
Streitig ist ferner, ob § 53 Abs. 3 GmbHG dahingehend weit auszulegen oder analog anzuwenden ist, daß auch die Verkürzung mitgliedschaftlieber Rechte nur mit Zustimmung der betroffenen Gesellschafter wirksam wird. Ein Teil der Literatur setzt eine solche Beschränkung der Leistungsvermehrung gleich96• Möhring begründet dies mit der vermögensmäßigen Beeinträchtigung des Gesellschafters in beiden Fällen97 • Scholz verweist auf die ausdrückliche Gleichstellung in §50 Abs. 4 des Österreichischen GmbH-Gesetzes98 • Diese Meinung überzeugt jedoch nicht99 • Die vermögensmäßige Beeinträchtigung eines Gesellschafters kann sehr unterschiedlich ausfallen und rechtfertigt eine Gleichsetzung noch nicht. Denn während eine Verkürzung mitgliedschaftlieber Rechte allein das in der Gesellschaft gebundene Vermögen eines Gesellschafters berührt, greift eine Leistungsvermehrung auf sein ungebundenes Vermögen über 100• §50 Abs. 4 des Österreichischen GmbH-Gesetzes betrifft nur die Einschränkung von einzelnen Gesellschaftern gewährten Sonderrechten tot. Aus §53 Abs. 3 GmbHG folgt daher weder direkt noch analog, daß die Verkürzung der einem Gesellschafter zustehenden mitgliedschaftliehen Rechte seiner Zustimmung bedarf.
7. Eingriffe in den sogenannten Kernbereich der Mitgliedschaft Als ungeschriebene Wirksamkeitsvoraussetzung eines Beschlusses, der in den sogenannten Kernbereich der Mitgliedschaft eingreift, verlangt ein Teil der Literatur die Zustimmung des betroffenen GmbH-Gesellschafters. Vier Nuancen dieser Auffassung lassen sich unterscheiden. Am weitesten äußern sich Flume und Zöllner. Es gebe Mitgliedschaftsrechte - welche wird nicht gesagt -, die nur mit Zustimmung der Betroffenen beeinträchtigt werden dürfetlt 02 • Am engsten ist die Meinung G. Huecks und Schillings, wonach die Gesellschafter dann zustimmen müssen, wenn ihre Grundmitgliedsrechte Stimmrecht, Gewinnrecht und Recht auf den Anteil am Liquidationserlös vollständig beseitigt 96 Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 208; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 153; H P. Westermann, Pro GmbH, S. 23, 41; K. Müller, GmbHR 1973, 97, 99; Hönle, DB 1979, 485, 486 und die in den beiden folgenden Fußnoten Genannten. 97 Möhring, GmbHR 1963, 201, 205. 98 Scholz (4. Aufl.), §53, Rn. 21. 99 Dagegen: BGHZ 116, 359, 362 f.; BezG Dresden, GmbHR 1994, 123, 124; M Winter, Treubindungen, S. 137; Hachenburg/U/mer, §53, Rn. 77 und die in den beiden folgenden Fußnoten Genannten. 100 v. Heyl, Vermehrung, S. 43; Schoi'ZiPriester, §53. Rn. 54; Fette, GmbHR 1986, 73, 74; Reichert, BB 1985, 1496, 1497; Grauer, Konzembildungskontrolle, S. 177 f. lOt Hachenburg (6. Autl.)!Schilling, §53, Anm. 11; v. Heyl, Vermehrung, S. 41. 102 Flume,jur. Person, S. 274; Baumbach/Hueck/Zö//ner, §53, Rn. 19.
I. Zustimmungserfordernisse
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werden sollen 103 • Vermittelnde Positionen beziehen K. Schmidt und Priester, die den Eingriff in den Kernbereich dieser Grundmitgliedsrechte für maßgeblich halten 104, sowie Ulmer, M. Winter, H. Winter und Grauer, ftlr die die vollständige Entziehung oder unmittelbare Beeinträchtigung entscheidend ist 105 •
a) Die Kernbereichslehre Als häufigste Begründung dieser in verschiedenen Nuancen vertretenen Auffassung wird die Kernbereichslehre angeftlhrt. Danach soll es allgemein anerkannt sein, daß der Kernbereich der Mitgliedschaft über die gesetzlichen Zustimmungserfordernisse hinaus mehrheitsfest ist106• 1984 entschied der Bundesgerichtshof zweimal zur Publikums-KG, daß es eine durch Mehrheitsentscheidung unentziehbare rechtliche und vermögensmäßige Position eines Gesellschafters in der Gesellschaft gibt und Eingriffe in diesen Kernbereich von Rechten grundsätzlich zustimmungsbedürftig sind107• Sollte sich aus irgendeinem Grund eine Pflicht des Betroffenen zur Zustimmung ergeben, müsse er in einer dem gesetzlichen Leitbild entsprechenden Kommanditgesellschaft hierauf erst verklagt werden. Im Falle einer aus seiner Treubindung erwachsenden Zustimmungspflicht gebiete es jedoch die Besonderheit der Publikumsgesellschaft und das Interesse am Erhalt ihrer Funktionsflihigkeit, daß der Beschluß nicht erst mit der Rechtskraft des der Zustimmungsklage stattgebenden Urteils als wirksam zu erachten sei. Die nicht oder pflichtwidrig abgegebene Stimme sei vielmehr so zu behandeln, als sei sie pflichtgemäß abgegeben worden 108 • Der Bundesgerichtshof hat also nur den Kernbereich der Mitgliedschaft eines Personengesellschafters für mehrheitsfest erklärt und hiervon bei Publikumsgesellschaften sehr starke Abstriche gemacht. Auch der überwiegende Teil der Literatur, die sich mit der Kernbereichslehre befaßt, bezieht sich dabei 103 Baumbach!Hueck/G. Hueck, § 14, Rn. 16; Hachenburg (7. Aufl.)!Schilling, § 14, Anm.l5. 104 K. Schmidt, GesR, § 16 III 3 a) bb), S. 478 ff.; Scholz!Priester, §53, Rn. 47. 105 Hachenburg/U/mer, §53, Rn. 59; M Winter, Treubindungen, S. 138 f.; Scholz/H Winter, § 14, Rn. 37; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 181 f. 106 Hachenburg/U/mer, § 53, Rn. 59; M Winter, Treubindungen, S. 138, Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 180 ff.; K. Schmidt, GesR, § 16 III 3 a) bb), S. 478 ff.; Scholz!Priester, §53, Rn. 47. 107 BGH, NJW 1985, 972, 973; NJW 1985, 974. 108 So ausdrücklich BGH, NJW 1985, 974. Inhaltlich entsprechend auch BGH, NJW 1985, 972, 973, wonach ein Beschluß, der möglicherweise in den Kernbereich der Rechte eines Gesellschafters einer Publikums-KG eingreift, jedenfalls deshalb wirksam ist, weil der Betroffene zur Zustimmung verpflichtet war.
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
ausdrücklich auf Personengesellschaften, erzielt aber keine Einigkeit über den genauen Anwendungsbereich und Inhalt dieses Rechtsinstituts 109• Von einer allgemeinen Anerkennung im Recht der GmbH darf man daher nicht sprechen. Im übrigen ist bereits der Ansatzpunkt der Kernbereichslehre wenig überzeugend, da § 33 Abs. I S. 2 BGB als gesetzlicher Zustimmungsvorbehalt bei Eingriffen in den "Kernbereich" der Mitgliedschaft übersehen wird.
b) Statuarische Zustimmungsvorbehalte und§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB
Teilweise wird die Notwendigkeit der Zustimmung des betroffenen GmbHGesellschafters zur Entziehung seines Stimm- oder Gewinnrechts mit einer Auslegung des Gesellschaftsvertrages begründet. Dieser könne bestimmen, daß ein Mitgliedschaftsrecht nur mit dem Einverständnis seines Inhabers entzogen werden dürfe. Wegen ihres die Art des Zusammenschlusses und die Beteiligung grundlegend prägenden Charakters seien das Stimmrecht und bei Erwerbsgesellschaften das Gewinnrecht regelmäßig als unentziehbar gewollt110• Richtig ist der Ausgangspunkt dieser Meinung. Die Satzung kann mehrheitsfeste Mitgliedschaftsrechte gewähren. Eine solche Regelung muß auch nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann durch Auslegung ermittelt werden. Jedoch müssen im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die auf einen entsprechenden Gesellschafterwillen schließen lassen lll. Ob hingegen generell aus der wesentlichen Bedeutung eines Rechts, nicht aus seiner Ausformung durch di~ konkrete Satzung, folgt, daß es nicht ohne den Willen seines Inhabers beseitigt werden kann, ist anhand der Wertung des § 33 Abs. I S. 2 BGB zu entscheiden. Diese Vorschrift kommt nach ihrem Wortlaut zwar nicht zur Anwendung, wenn nur einzelne Mitgliedschafren durch den Entzug fundamentaler rechtlicher und wirtschaftlicher Positionen geändert werden, da der Zweck der Gesellschaft als Ganzes nicht berührt wird. Ihre Intention, alle Mitgliedschafren vor einer derart grundlegenden Änderung zu schützen 112, gebietet jedoch die entsprechende Anwendung in Fällen, in denen es nur um einzelne Mitgliedschafren geht. Denn zum einen ist die Auswir-
109 Gäbe/, Mehrheitsentscheidungen, S. 107 ff. u. 178 ff. ; Röttgen, Kernbereichslehre, S. 125 ff. ; Wiedemann, GesR I, S. 362; R. Fischer, FS-Barz, S. 33, 43; Immenga, ZGR 1974, 385, 422 ff. ; Martens, DB 1973, 413, 417 f. ; Schlegelberger/Martens, § 161, Rn. 71; Lößler, NJW 1989, 2656 ff. ; Menk, Verhältnis, S. 116 ff. ; Hennerkes/Binz, BB 1983,713, 716; Mecke, BB 1988,2258,2264. 110 Scholz/H. Winter, § 14, Rn. 37. 111 Vgl. RG, LZ 1914, 571, 572; RGZ 170, 358, 367 f.; OLG Stuttgart, NJW 1974, 1566, 1567. 112 Vgl. S. 36.
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kung auf die Betroffenen die gleiche und der Schutz einzelner in dem Schutz aller enthalten. Zum anderen könnte die Mehrheit das Zustimmungserfordernis dadurch umgehen, daß sie nicht den Gesellschaftszweck auf einmal, sondern alle Mitgliedschaften einzeln der Reihe nach umgestaltet. Daher ist zu untersuchen, ob durch eine Entziehung der Grundmitgliedsrechte Stimmrecht, Gewinnrecht und Recht auf den Liquidationsanteil aus der Sicht des betroffenen Gesellschafters die große Linie verlassen wird, um deretwillen er sich einst mit seinen Mitgesellschaftern zusammengeschlossen hat.
aa) Der Entzug des Stimmrechts Der Entzug des Stimmrechts ohne den Willen des Berechtigten bedeutet eine Satzungsänderung, die gemäß § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG einer Beschlußfassung mit Dreiviertelmehrheit bedarf. Der unfreiwillige Verlust dieses Mitgliedschaftsrechts betriffi daher regelmäßig einen Minderheitsgesellschafter, der sich auch zuvor nicht gegenüber der Mehrheit durchsetzen und Einfluß auf die Gestaltung der Geschäftspolitik nehmen konnte. Die GmbH ist jedoch weiterhin auf die Interessen aller Gesellschafter ausgerichtet. Zustimmungserfordernisse, Stimmverbote und Treubindungen verhindern, daß die Gesellschafter, deren Stimmrecht nicht beseitigt wurde, die Gesellschaft ihren privaten Belangen unterordnen. Erst der Abschluß eines Beherrschungsvertrages würde die Ausrichtung der GmbH auf ein übergeordnetes Konzerninteresse rechtfertigen113. Die bloße Entziehung des Stimmrechts ist daher nicht als so schwerer Eingriff in die Mitgliedschaft des Betroffenen zu werten, daß aus seiner Sicht die große Linie verlassen wird, um deretwillen sich einst alle Gesellschafter zusammengeschlossen haben.
bb) Entzug und Einschränkung des Gewinnbezugsrechts Das Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters einer erwerbswirtschaftlich ausgerichteten GmbH ist neben dem Anspruch auf den Liquidationserlös der bedeutendste vermögensrechtliche Bestandteil der Mitgliedschaft. Es kann vom Geschäftsanteil nicht abgetrennt werden und gewährleistet die Beteiligung jedes Gesellschafters am bis zum Ablauf einer bestimmten Periode erzielten Teil des Gesamtgewinnes 114• Zu einem fälligen, unbedingten schuldrechtlichen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Gewinnausschüttung verdichtet sich dieses 113 114
Vgl. S. 36. Hachenburg/Goerde/er/W Müller, § 29, Rn. 6.
4 Seidel
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Gewinnstammrecht erst, wenn nach Ablauf des Geschäftsjahres ein Jahresabschluß aufgestellt wird, darin ein Gewinn ausgewiesen wird, die Gesellschaftergesamtheit den Jahresabschluß feststellt und die zumindest teilweise Ausschüttung des Gewinnes beschließt115 • Damit steht aber nicht das Gewinnbezugsrecht selbst zur Disposition einer einfachen Mehrheit116• Diese entscheidet zwar gemäß § 29 Abs. 2 GmbHG über die Ergebnisverwendung und damit die Ausschüttungsansprüche aller Gesellschafter. Eine auch nur teilweise Abbedingung des mitgliedschaftliehen Gewinnbezugsrechts kann jedoch weiterhin nur mit satzungsändernder Mehrheit beschlossen werden. Fraglich ist nun, welche Einschränkung des Gewinnbezugsrechts der Zustimmung des Betroffenen bedarf, weil sie aus seiner Sicht den Gesellschaftszweck ändert. Wie im Zusammenhang mit dem Abschluß eines Beherrschungsund Gewinnabfiihrungsvertrages bereits erörtert, bedeutet die Ausrichtung der GmbH auf die regelmäßig erwerbswirtschaftlichen Ziele aller Gesellschafter die große Linie, um deretwillen sie sich zusammengeschlossen haben 117• Wenn eine Satzungsänderung alle künftigen Gewinne den Rücklagen zuweist, ändert sich daran nichts. Die Gesellschafter erhalten zwar keine jährlichen Gewinnauszahlungen mehr. Dafiir steigt aber der Wert des Gesellschaftsvermögens und damit jedes einzelnen Geschäftsanteils. Der Erfolg der Gesellschaft kommt also immer noch jedem Gesellschafter im Verhältnis seiner Beteiligung zugute118. Anders sieht es hingegen aus, wenn das Gewinnbezugsrecht einzelner Gesellschafter zugunsten ihrer Mitgesellschafter beseitigt wird. In diesem Fall ist die GmbH nicht mehr auf die erwerbswirtschaftlichen Interessen der betroffe-
115 So die ganz h. M.: RGZ 87, 383, 386; 98, 318, 320; 143, 136, 139; 167, 65, 68; BayübLG, GmbHR 1988, 102 f.; Hachenburg/Hüffir, § 46, Rn. 19; Baumbach/Hueck/G. Hueck, § 29, Rn. 49; Scholz/Emmerich, § 29, Rn. 40 ff.; 148; Scholz/K. Schmidt, § 46, Rn. 26; Zöllner, ZGR 1988, 392, 418 f.; Hachenburg/Goerdeler/W: Müller,§ 29, Rn. 6. Entsprechend zur AG: BGHZ 23, 150, 154. A. A. Lutter/Hommelhoff, § 29, Rn. 4; Hommelhoff, FS-Rowedder, S. 171, 179 ff., wonach der Auszahlungsanspruch bereits mit der Feststellung des Jahresabschlusses dem Grunde nach entsteht und mit der Beschlußfassung über die Ergebnisverwendung in genauer Höhe fällig wird. Ähnlich OLG Hamm, DB 1989, 167. 116 So aber Scholz/Emmerich, § 29, Rn. 41. 117 Vgl. S. 36 f. 118 Von einem anderen dogmatischen Ausgangspunkt - der Kernbereichslehre und § 53 Abs. 3 GmbHG - kommen zum gleichen Ergebnis: Priester (in: Scholz, § 53, Rn. 142), der einen Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft durch eine solche Satzungsänderung verneint, sowie Ulmer (in: Hachenburg, §53, Rn. 113) und Herfs (in: Einwirkung, S. 154). Die beiden Letztgenannten nehmen vor dem Hintergrund, daß für ein Zustimmungserfordernis aus § 53 Abs. 3 GmbHG oder der Kernbereichslehre nach herrschender Meinung ein unmittelbarer Eingriff erforderlich ist, nur einen mittelbaren Eingriff in das Gewinnbezugsrecht an.
I. Zustimmungserfordernisse
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nen Gesellschafter ausgerichtet. Schilling argumentiert zutreffend, daß sich aus ihrer Sicht der Erwerbszweck in einen idealen ändert 119• Eine weitergehende Auffassung vertritt Zöllner. Für ihn ist die Ausschüttung des Gewinnes an die Gesellschafter genauso Bestandteil des Zwecks einer erwerbswirtschaftlich ausgerichteten GmbH wie die Gewinnerzielung120• Er bezieht zwar nicht zur Frage einer übermäßigen Rücklagenzuführung durch eine Satzungsänderung Stellung. Die Konsequenz seines Ansatzes ist es jedoch, eine solche Maßnahme als Gesellschaftszweckänderung einzustufen. Entsprechend äußern sich Lutter und Hommelhoff ftlr den Fall, daß eine neue Satzungsbestimmung den gesamte Gewinn den Rücklagen zuweist121 . Für eine 90 %ige Zuweisung dürfte aber nichts anderes gelten. Letztlich müßte es darauf ankommen, ob nach einer Wertung im Einzelfall die Rücklagenzufuhr übermäßig ist. Dem Ansatz Zöllners ist zuzustimmen, daß es zu einseitig wäre, den Verbandszweck lediglich in der Gewinnerzielung filr das Vermögen der Gesellschaft122, also ausschließlich aus der Perspektive der GmbH zu sehen. Nur geschieht dies nach der hier vertretenen Auffassung gar nicht. Der Unterschied zur Position Zöllners besteht lediglich darin, daß die Art der Realisierung der Gesellschafterinteressen an einer Gewinnteilhabe nicht mehr als Bestandteil des Gesellschaftszwecks angesehen wird. Bei einem teilweisen Entzug des Gewinnrechts gelten die obigen Ausfilhrungen entsprechend, d. h. es ist zu fragen, ob die Beseitigung schon so weitgehend ist, daß der betroffene Gesellschafter nicht mehr als erwerbswirtschaftlich beteiligt gewertet werden kann. Hier kann auf die kurzen Ausfilhrungen zum Teilgewinnabfilhrungsvertrag verwiesen werden 123 •
cc) Die Veränderung der Liquidationsquote Das Recht auf den Liquidationsanteil dient nach der Wertung des Gesetzgebers der Minderheit als Ausgleich dafilr, daß sie - abweichend von der Grundregel des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB - die Beendigung des Gesellschaftszwecks auch gegen ihren Willen hinnehmen muß, wenn eine Dreiviertelmehrheit gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG die Auflösung der Gesellschaft beschließt. Wenn der Schutz der Mitgliedschaft durch den Gesellschaftszweck aber aufgegeben 119 Rachenburg (7. Aufl.)!Schilling, § 14, Rn. 15. 120 Zöllner, ZGR 1988, 392, 418. 121 Lutter/Hommelhoff, §53, Rn. 21. 122 Zöllner, ZGR 1988, 392, 418. 123 Vgl. S. 36 f.
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
wird und an seine Stelle ein Anspruch auf fmanziellen Ausgleich für den Verlust der Gesellschafterstellung tritt, dürfen an die Beeinträchtigung dieses Anspruchs keine geringeren Anforderungen gestellt werden als an die Änderung des Gesellschaftszwecks. Jede nachteilige Veränderung der Liquidationsquote bedarf daher der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters 124•
dd) Zwischenergebnis Die Argumentation mit dem Gesellschaftszweck ist stets einzelfallbezogen. Gerade hierdurch wird aber der Vielgestaltigkeit des gesellschaftlichen Lebens Rechnung getragen. Mehr Rechtssicherheit vermag zudem auch die im GmbHRecht abzulehnende Kernbereichslehre nicht zu gewährleisten. Was zum Kernbereich der Mitgliedschaft gehört, ist nicht einfacher zur ermitteln als die Leitidee der Gesellschaft. Das Erfordernis der Zustimmung eines GmbH-Gesellschafters bei Eingriffen in seine wesentlichen Mitgliedschaftsrechte kann somit im Falle besonderer Anhaltspunkte der Satzung durch Auslegung nach den §§ 157, 133 BGB entnommen werden, folgt ansonsten aus dem Rechtsgedanken des § 33 Abs. I S. 2 BGB.
8. Sonstige Zustimmungserfordernisse Weitere Zustimmungserfordernisse können sich aus Spezialgesetzen125 oder der Satzung 126 ergeben.
124 Im Ergebnis ganz herrschende Meinung. Ohne Begründung: Lutter/Homme/ho.IJ, § 72, Rn. II; ScholzJK. Schmidt, § 72, Rn. 3, 14; Grunewald, Ausschluß, S. 289. Auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stellt Rasner (in: Rowedder, § 72, Rn. 11) ab, was jedoch nicht überzeugt, weil ein Verstoß dagegen- anders als die Nichterteilung einer erforderlichen Zustimmung - kein Unwirksamkeitsgrund ist. Auf die hier bereits abgelehnte Kernbereichslehre beziehen sich Ulmer (in: Hachenburg, § 53, Rn. 59), M Winter (in: Treubindungen, S. 138), Grauer (in: Konzernbildungskontrolle, S. 181 f.) und H Winter (in: Scholz, § 14, Rn. 37). Schulze-Osterloh (in: Baumbach!Hueck, § 72, Rn. 13) verlangt sogar einen einstimmigen Beschluß. Für Priester (in: Scholz, § 53, Rn. 47) und Hohner (in: Hachenburg, § 72, Rn. 8) hingegen sind nur Eingriffe in den Kernbereich des Anteils auf den anteiligen Liquidationserlös zustimmungspflichtig, filr Schilling (in: Hachenburg(7. Aufl.), § 14, Rn. 15) lediglich sein vollständiger Entzug. 125 Vgl. S. 38 zum UmwG. 126 Diese kann bspw. gern. § 53 Abs. 2 S. 2 GmbHG künftige Satzungsänderungen von der Zustimmung eines, mehrerer oder aller Gesellschafter abhängig machen.
II. Die Stimmverbote des § 47 Abs. 4 GrnbHG
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II. Die Stimmverbote des§ 47 Abs. 4 GmbHG 1. Normzweck und Grundtatbestände
Die vier wichtigsten gesetzlichen Stimmverbote ergeben sich aus § 47 Abs.4 GmbHG. Regelungszweck ist es, den gesellschaftlichen Willensbildungsprozeß von den mit dem Verbandsinteresse kollidierenden Sonderinteressen des abstimmenden Gesellschafters freizuhalten 127 und dadurch seine Richtigkeit zu gewähren 128• Diese Richtigkeit ist jedoch kein Selbstzweck und auch nicht der bloße Ausfluß einer objektiven Rechtsordnung 129• § 47 Abs. 4 GmbHG dient vielmehr ausschließlich dem Schutz der Gesellschaft, vor allem des Gesellschaftsvermögens, und der Gesamtheit der Gesellschafter 130 • "Richtig" ist daher
127 ScholzJK. Schmidt, § 47, Rn. 100; Hachenburg/Hü.ffer, § 47, Rn. 120; Baurnbach!Hueck!Zö//ner, § 47, Rn. 44, Roth/Altrneppen, § 47, Rn. 50, 52; Rowedder/Koppensteiner, § 47, Rn. 46; Lutter/Homme/hoff, § 47, Rn. 13; Immenga/Werner, GmbHR 1976, 53, 59. 128 ScholzJK. Schmidt, § 47, Rn. 100; Hachenburg/Hü.ffer, § 47, Rn. 120. 129 So aber Teichmann im Hinblick auf das Stimmverbot aus§ 47 Abs. 4 S. 1 Alt. 1 GmbHG bei Entlastungsbeschlüssen und das darin zum Ausdruck gekornrnene Verbot des Richtens in eigener Sache. Für ihn zieht sich das Prinzip der Trennung von Verwaltung und Kontrolle als Grundelement durch zahlreiche Institutionen. Auch privatrechtliche Personenverbände können sich diesem Prinzip innerhalb einer demokratisch legitimierten Gesellschaft nicht entziehen. Nicht geschützt seien dadurch konkrete Interessen, etwa der juristischen Person oder der Minderheit, auf die diese dann verzichten könnten (Teichmann, WuB II C. § 47 GmbHG 1.89, S. 1318, 1319; ders., Gestaltungsfreiheit, S. 114). Zustimmend OLG München, NJW-RR 1993, 1507, 1509. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Teichmann vorschwebende personelle Gewaltentrennung zwar in der Lehre Montesquieus (vgl. hierzu Stein, Staatsrecht, S. 108 f.) ihren Ausdruck gefunden hat, nicht jedoch in der Staatsorganisation der Bundesrepublik Deutschland. Das Grundgesetz kennt lediglich eine eingeschränkte funktionelle Gewaltenteilung (Maunz/Zippe/ius, Staatsrecht, S. 90 f.). So können etwa der Bundeskanzler und andere Mitglieder der Bundesregierung als Abgeordnete bei einem konstruktiven Mißtrauensvotum gern. Art. 67 GG oder der Verabschiedung von Haushaltsgesetzen, die üblicherweise als Generalabrechnung mit der Regierung verstanden werden, mitstimmen. Der Bundeskanzler darf also nach dem Grundgesetz von 1949 etwas, was ein Gesellschafter-Geschäftsfilhrer nach dem GmbH-Gesetz von 1892 nicht darf: seine eigene Amtsführung billigen. Einmal abgesehen von der prinzipiellen Schwierigkeit der Übertragung von rechtlichen Grundsätzen und Wertungen aus dem Staats- in das Gesellschaftsrecht - hierauf weist Flume (in: Personengesellschaft, S. 190) zutreffend hin - läßt sich gar kein gemeinsamer Grundsatz bezüglich der Trennung von Verwaltung und Kontrolle in den beiden Institutionen Bundesrepublik Deutschland und GmbH finden. 130 BGHZ 105, 324, 333; BGH, NJW 1980, 1527, 1528 (insoweit in BGHZ 76, 154, 158 nicht abgedruckt); Lutter/Hommelhoff, § 47, Rn. 13; Immenga/Werner, GmbHR 1976, 53, 54 f.; Schneider, ZHR 150, 609, 612; Priester, FS-Rowedder, S. 369, 381; abweichend, aber ohne Begründung Koppensteiner, in: Rowedder, § 47, Rn. 46, der die Mitgesellschafter nicht als geschützt ansieht.
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2. Kapitel: Der Anwendungsbereich von Treupflichten
eine Willensbildung im Interesse der Gesellschaft und damit aller Gesellschafter131. Außenstehende Dritte, etwa Gläubiger und Arbeitnehmer werden hingegen nicht geschützt132• Nach herrschender Meinung beruhen die Stimmverbote des § 47 Abs. 4 GmbHG auf zwei Grundtatbeständen, dem Verbot des Richtens in eigener Sache, das in S. I Alt. I zum Ausdruck gekommen ist, und dem Verbot des Insichgeschäftes in den anderen drei Altemativen 133 • Eine zweite Auffassung sieht § 47 Abs. 4 GmbHG ausschließlich als Ausprägung des Verbotes eines Insichgeschäftes 134, beruht damit auf der Prämisse, daß Entlastungsbeschlüsse innergesellschaftliche Rechtsgeschäfte darstellen m. Die Auseinandersetzung um die Rechtsnatur von Entlastungsbeschlüssen und somit zwischen diesen beiden Meinungen kann aber aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 47 Abs. 4 S. I Alt. I GmbHG dahinstehen 136• Maßgeblich ist eine ganz andere Frage. Wertet man das Stimmverbot bei Entlastungsbeschlüssen als gesetzlichen Niederschlag eines allgemeingültigen Verbotes, in eigener Sache zu richten, dann kann man entweder diese Bestimmung auf vergleichbare Interessenkonflikte analog anwendenm oder derartige Sachverhalte direkt unter das generelle Prinzip subsumieren 138• Der ersten Meinung geht es also nicht darum, die Systematik des§ 47 Abs. 4 GmbHG zu beschreiben. Die behauptete Systematik dieser Vorschrift dient vielmehr ihrerseits als Rechtfertigung eines über sie hinausreichenden allgemeinen Stimmrechtsausschlusses. Dagegen wendet sich eine dritte Auffassung, die § 47 Abs. 4 GmbHG als kasuistische, durchaus analogieflihige, aber nicht notwendig auf ein oder zwei Grundtatbestände rückfUhrbare Regelung betrachtet139• An dieser Stelle kann zunächst nur festgestellt werden, daß ein hinter dem gesetzlichen stehendes allgemeingültiges Stimmverbot nur dann eine eigenständige Bedeutung erlangt, wenn es§ 47 Abs. 4 GmbH in vom Wortlaut nicht So ausdrücklich Priester, FS-Rowedder, S. 369, 381. Immenga/Werner, GmbHR 1976, 53, 55; Lutter/Homme/hoff, § 47, Rn. 13; Priester, FS-Rowedder, S. 369, 381; ScholzJK. Schmidt, § 47 Rn. 100. 133 BGHZ 9, 157, 178 u. 97, 28, 33 f. zum Verbot des Richtens in eigener Sache; BGHZ 51,209,215 zum Verbot des Insichgeschäftes; ScholzJK. Schmidt § 47, Rn. 102; Lutter/Hommelhoff, § 47, Rn. 13; Meyer-Landrut, § 47, Rn. 35; Rowedder/Koppensteiner, § 47, Rn. 46. 134 Flume, jur. Person, S. 221; Wilhelm, Rechtsform, S. 66 ff.; ders. JZ 1976, 674, 675 ff. 135 Wilhelm, Rechtsform, S. 74. 136 Hachenburg/Hü.ffer, § 47, Rn. 122. 137 BGHZ 97, 28, 33 f. 138 ScholzJK. Schmidt, § 47, Rn. 132 ff.; Lutter/Homme/hoff§ 47, Rn. 19. 139 Zöllner, Schranken, S. 161 ff.; Baumbach/Hueck/Zöl/ner, § 47, Rn. 44, Hachenburg/Hü.ffer, § 47, Rn. 122. 131
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gedeckten Fällen sinnvoll zu erweitern, in vom Wortlaut umfaßten Situationen sachgerecht einzuschränken vermag 140• Dies wird im Zusammenhang mit den verschiedenen von S. 2 Alt. 1 gemachten Ausnahmen noch erläutert werden 141 • Einigkeit besteht zwischen den dargestellten Auffassungen jedenfalls, daß § 47 Abs. 4 GmbHG nicht auf alle Kollisionsfälle zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterinteresse anwendbar ist 142 •
2. Beschlüsse über die Vornahme eines Rechtsgeschäftes gegenüber einem Gesellschafter § 47 Abs. 4 S. 2 Alt 1 GmbHG schließt das Stimmrecht eines Gesellschafters bei Beschlüssen über ein ihm gegenüber vorzunehmendes Rechtsgeschäft aus. Dazu gehören nicht nur Verträge, sondern auch einseitige Rechtsgeschäfte wie Kündigung und Anfechtung, zudem rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, bspw. eine Mahnung 143 • Der Beschluß muß das Rechtsgeschäft nicht selbst vornehmen, sondern sich damit befassen. Ausreichend ist eine Anweisung der Geschäftsfiihrung 144• Auch eine Ermächtigung der Geschäftsfilhrer fällt unter das Stimmverbot, wenn feststeht oder in Betracht kommt, daß Geschäftspartner ein Gesellschafter werden wird, und nur offensteht, ob und zu welchen Bedingungen das Geschäft abgeschlossen wird 145• Schließlich umfaßt § 47 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 GmbHG die Genehmigung bereits geschlossener konkreter Rechtsgeschäfte der GmbH mit einem Gesellschafter 146• Nicht ausgeschlossen ist ein Gesellschafter hingegen von der Mitwirkung an der Entlastung eines GeHachenburg/Hüffir, § 47, Rn. 122. Vgl. S. 56 ff. 142 BGHZ 68, 107, 109; 97, 28, 33 f.; Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 101 ; Lutter/Hommelhoff, § 47, Rn. 14; Rowedder!Koppensteiner, § 47, Rn. 47; Flume, juristische Person, S. 221 ; Zöllner, Schranken, S. 161; Baumbach!Hueck/Zö/lner, § 47, Rn. 44; Hachenburg/Hüffir, § 47, Rn. 120; Wilhe/m, Rechtsform, S. 84. 143 Baumbach!Hueck/Zö/lner, § 47, Rn. 49; Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 109; Lutter/Hommelhoff, § 47, Rn. 22. 144 Baumbach!Hueck/Zö/lner, § 47, Rn. 59; Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 120; Hachenburg/Hüffir, § 47, Rn. 154; Rowedder!Koppensteiner, § 47, Rn. 59; MeyerLandrut, § 47, Rn. 47. 145 OLG Stuttgart, GmbHR 1992, 48, 49; Scholz/K. Schmidt, § 47 Rn. 120; Baumbach!Hueck/Zö/lner, § 47, Rn. 59; Rowedder!Koppensteiner, § 47, Rn. 59; allgemeiner Meyer-Landrut, § 47, Rn. 47 ("wenn der Geschäftsfilhrung kein Entscheidungsspielraum verbleibt"); enger BGHZ 68, 107, 112 ("wenn sowohl Inhalt als auch Beteiligte des Rechtsgeschäftes feststehen"). Auch bei freiem Ermessen der Geschäftsführung fordert Wilhelm (in: Rechtsform, S. 100) ein Stimmverbot 146 Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 121; Hachenburg/Hüffir, §47, Rn. 143; Rowedder!Koppensteiner, § 47, Rn. 59; Baumbach!Hueck/Zö/lner, §47, Rn 60; offengelassen in BGH, WM 1977,361, 362. 140 Zutreffend 141
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schäftsfiihrers, mit dem er im Entlastungszeitraum ein Geschäft abgeschlossen hat, sofern sich die Entlastung nicht speziell daraufbezieht 147•
a) Teleologische Reduktion Ganz überwiegend wird die teleologische Reduktion dieses Stimmverbotes gefordert. Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur nehmen die sogenannten Sozialakte bzw. korporativen Geschäfte aus seinem Anwendungsbereich heraus. Gemeint sind Beschlüsse, die - wie z. B. Wahlen - die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft betreffen, bei denen der Gesellschafter der GmbH nicht wie ein Dritter- bspw. ein Lieferant- gegenübersteht. Hier ergebe sich die materielle Richtigkeit der Beschlußfassung aus der Beteiligung aller Mitglieder, gebühre der mitgliedschaftliehen Betätigung der Vorrang vor dem Kollisionsschutz 148 • Eine zweite Auffassung stellt auf den Gesetzeszweck des § 47 Abs. 4 GmbHG ab und sieht eine Einschränkung des Stimmverbotes dann als gerechtfertigt an, wenn der Gesellschafter mit seiner Stimmabgabe mitgliedschaftliehe und nicht private Interessen verfolgt. In diesem Fall sei typischerweise die Orientierung des Beschlußinhaltes am Gesellschaftsinteresse nicht durch Sonderinteressen des Gesellschafters getahrdet149• Für den Verzicht auf eine Abgrenzungsformel mit Allgemeingültigkeitsanspruch und ihren Ersatz durch eine fallgruppenspezifische Orientierung plädiert eine dritte Meinung, weil bis heute keine hinreichend klaren Abgrenzungskriterien entwickelt worden seien 150• Nach einem entgegengesetzten Ansatz bedarf der Stimmrechtsausschluß bei Rechtsgeschäften zwischen der GmbH und einem Gesellschafter gar keiner teleologischen Reduktion. Es liege nämlich schon nach der - von der herrschenden Meinung vernachlässigten - Meinung des Gesetzgebers im Innenbereich 147 BGH, WM 1977, 361, 362; Hachenburg/Hüffer, § 47, Rn. 143; Siegmund, BB 1981, 1674, 1676. K. Schmidt (in: Scholz, § 47, Rn. 152) verweist zutreffend darauf, daß es hier um§ 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG und nicht um die Ausdehnung des S. I geht. 148 RGZ 74, 276, 278 f. ; RG, DJZ 1919, 757; RG, DR 1944, 247, 248; BGHZ 18, 205, 210; 48, 163, 167; 51 , 209, 216; BGH, GmbHR 1974, 107, 109; 1977, 81, 82; 1990, 452 f. ; Lutter/Homme/hoff § 47, Rn. 24; Scholz/K. Schmidt § 47, Rn. 110 f.; Meyer-Landrut, § 47, Rn. 45; Kübler, GesR, S. 227. 149 Zöllner, Schranken, S. 231; Baumbach!Hueck/Zö//ner, § 47, Rn. 48; Hachenburg/Hüffer, § 47, Rn. ISO; Hüffer, FS-Heinsius, S. 337, 339 f.; Roth/Aitmeppen, § 47, Rn. 52. 150 Immenga/Werner, GmbHR 1976, 53, 57, f. ; Rowedder!Koppensteiner, § 47, Rn. 60.
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der Gesellschaft dann kein verbotenes Insichgeschäft vor, wenn es in erster Linie um die Abgrenzung der mitgliedschaftliehen Rechte der Gesellschafter untereinander oder um ihre Wahrnehmung gehe. In diesem Fall kommen allein die Stimmverbote betreffend die Entlastung eines Gesellschafters und seine Befreiung von einer Verbindlichkeit zur Anwendung 151 • Dafilr stelle sich die umgekehrte Frage, ob die gesetzliche Aufzählung der Stimmrechtsausschlüsse abschließend oder in bestimmten Situationen zu erweitern sei 152• Inwieweit die dargestellten Ansätze geeignet sind, den Anwendungsbereich des § 47 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 GmbHG sachgerecht einzuschränken, soll anband der folgenden Fallgruppen aufgezeigt werden.
b) Drittgeschäfte
Der Normalfall dieses Stimmverbotes ist das eindeutige Dritt-, d. h. Verkehrsgeschäft mit einem Gesellschafter, z. B. ein Kauf-, Werk-, Dienst- oder MietvertragiSJ. Umstritten ist, ob auch die Erfilllung solcher Verträge darunter fällt 154 • Eine solche Einschränkung hat jedoch weitgehend theoretischen Charakter, da die erneute Beschlußfassung der Gesellschafter zeigt, daß es um mehr geht als die bloße Durchfilhrung des zuvor gültig Vereinbarten. Dann greift aber auch das Stimmverbot bei Rechtsgeschäften wieder ein m .
c) Bestellung und Anstellung von Organmitg/iedern, Auswahl der leitenden Angestellten
Die rechtsgeschichtlich älteste Ausnahme vom Stimmverbot des§ 47 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 GmbHG sind wegen ihres korporationsrechtliehen Charakters bzw. der von allen Gesellschaftern typischerweise verfolgten mitgliedschaftliehen Interessen Beschlüsse über die Bestellung und Abberufung von Organmitglie-
Wilhelm, Rechtsform, S. 84. Wilhelm, JZ 1976, 674, 676. 153 Baumbach!Hueck/Zö//ner § 47, Rn. 49; Hachenburg/Hü.ffer, § 47, Rn. 152; Lutter/Hommelhoff, § 47, Rn. 22. 154 Dafilr ScholzJK. Schmidt, § 47, Rn. 109; Baumbach!Hueck!Zö//ner, § 47, Rn. 49; Roth/Altmeppen, § 47, Rn. 64; Hachenburg (7. Aufl.)/Schilling, § 47, Rn. 64; dagegen Rowedder/Koppensteiner, § 47, Rn. 58; Meyer-Landrut, § 47, Rn. 45; Baumbach!Hueck (13. Aufl.), § 47, Anm. 5 B; ausdrücklich offengelassen bei Lutter/Hommelhoff, § 47, Rn. 22. 155 Hachenburg/Hü.ffer, § 47, Rn. 152. 151
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dem 156 . Eine Meinung macht eine Ausnahme von dieser Ausnahme, wenn in der Person des betreffenden Gesellschafters ein wichtiger Grund vorliegt, weil es zwar ein privates Interesse, aber kein mitgliedschaftliebes Recht gibt, eine Organfunktiontrotz Unflihigkeit oder grober Pflichtverletzung fortzufilhren 157• Andere Auffassungen wenden S. 2 Alt. I nicht an, leiten einen Stimmrechtsausschluß daftlr her aus dem Verbot, in eigener Sache zu richten 158, dem allgemeinen Grundsatz, daß niemand durch seine Stimme Maßnahmen verhindem darf, die sich aus wichtigem Grund gegen ihn richten 159, der Natur der Sache 160 und bei der Abberufung von Geschäftsfilhrem aus wichtigem Grund auch aus dem Normzweck des § 38 Abs. 2 GmbHG 161 .
Infolge des Sachzusammenhangs mit der Bestellung und Abberufung von Organmitgliedern dürfen die betroffenen Gesellschafter auch bei Beschlüssen über die Festlegung der Anstellungsbedingungen, einschließlich der Ruhestandsbezüge, mitstimmen 162 . Dieser sachliche Zusammenhang ftlhrt nun aber nicht zu einer sozialrechtlichen Prägung des Anstellungsvertrages 163 . Denn der Einwand der Gegenmeinung, daß der betreffende Gesellschafter primär Eigeninteressen verfolgen wird und die Gefahr einer verdeckten Gewinnausschüttung durch die Vereinbarung einer unangemessenen Vergütung besteht164, ist durchaus berechtigt. Er kann auch nicht durch den Hinweis auf eine Inhaltskontrolle165 ausgeräumt werden, weil eine inhaltliche Bindung des Stimmrechts erst dann in Betracht kommt, wenn dieses nicht ausgeschlossen ist. Treupflichten können das Nichteingreifen eines Stimmverbotes nicht rechtfertigen, sondern nur erträglich machen. Entscheidend ist vielmehr der Gesichtspunkt, daß 156 RGZ 74,276,278 f.; RG, DR 1944,248, 249; BGHZ 18,205, 210; 51,209, 215; Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 118; Baumbach!Hueck/Zö/lner, § 47, Rn. 51; Hachenburg/Hü/fer, § 47, Rn. 169; Lutter!Hommelhoff, § 47, Rn. 24; Rowedder!Koppensteiner, § 47, Rn. 61 ; Meyer-Landrut, § 47, Rn. 49; Wilhelm (in: Rechtsform, S. 88, 90) stellt darauf ab, daß der Innenbereich der Gesellschaft betroffen ist. 157 Hachenburg/Hü/fer, § 47, Rn. 173. 158 Scholz/K. Schmidt § 46, Rn. 76; Lutter/Hommelhoff§ 38, Rn. 17. 159 Rowedder/Koppensteiner, § 47, Rn. 64. 160 Wi/helm, Rechtsform, S. 90. 161 BGHZ 86, 177, 179, Lutter/Hommelhoff, § 38, Rn. 17. 162 RGZ 74, 276, 279 f. ; BGHZ 18, 205, 210; Scholz/K. Schmidt, § 47, Rn. 118; Hachenburg/Hü/fer, § 47, Rn. 171 ; Lutter/Hommelhoff, § 47, Rn. 24, Baumbach/Hueck/Zö//ner, § 47, Rn. 54; Rowedder/Koppensteiner, § 47, Rn. 61. 163 In diese Richtung aber K. Schmidt (in: Scholz, § 46, Rn. 75), filr den die Arbeitsbedingungen des Gesellschafter-Geschäftsfilhrers Bestandteil der inneren Organisation der GmbH sind. Zutreffend dagegen Baumbach!Hueck/Zö/lner, § 47, Rn. 54; Hachenburg/Hü/fer, § 47, Rn. 171. 164 Immenga/Werner, GmbHR 1976, 53, 58; Roth/Altmeppen, § 47, Rn. 57; auf ein Insichgeschäft stellt Wilhelm, in: Rechtsform, S. 89 f., ab. 165 So Scholz/K. Schmidt, § 46, Rn. 75; Hachenburg (7. Aufl.)/Schilling, § 47, Rn. 69; Wank, ZGR 1979, 222, 240 ff.
li. Die Stimmverbote des§ 47 Abs. 4 GmbHG
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eine gesetzliche Regelung, die es dem Mehrheitsgesellschafter erlaubt, an seiner Bestellung zum Geschäftsfilhrer mitzuwirken, dann aber der Minderheit ermöglicht, diese Bestellung durch die Gestaltung der Anstellungsbedingungen zu konterkarieren, in sich unschlüssig wäre 166 • Deshalb darf der betroffene Gesellschafter auch bei Beschlüssen über die Änderung und Aufhebung seines Dienstvertrages mitstimmen 167• Eine Ausnahme gilt wiederum filr die Kündigung aus wichtigem Grund 168• Die Auswahl der leitenden Angestellten fiillt grundsätzlich in den Aufgabenbereich der Geschäftsfilhrer. Bei diesbezüglichen Weisungen ist das Stimmrecht der Betroffenen ausgeschlossen. Falls nun die Satzung die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung festlegt, liegt nach einer Meinung genauso wie bei der Erteilung von Prokura oder Generalhandlungsvollmacht nach § 46 Nr. 7 GmbHG ein korporativer Organisationsakt vor, der eine Ausnahme vom Stimmverbot des § 47 Abs. 4 S. 2 rechtfertigt 169• Vorzugswürdig erscheint je