Die Kunst des Computer Game Design: Zur Produktionsästhetik von Computerspielen (1982-1996) im Spiegel der historischen Kunstliteratur 9783839448342

Was ist die Kunst des Game Design? Wie unterscheidet sie sich von Schriftstellerei oder vom Filmemachen? Welche Aufgaben

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German Pages 546 [544] Year 2023

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
A. Einleitung
I. Thema und Ziel der Untersuchung
II. Methode
B. Real art through computer games ... principles of aesthetics
I. »The art of« vs. »real art« – Kunstverständnisse im Widerstreit
II. »Similarities with Other Media« – Vergleiche von Computerspiel, Film und Literatur
III. Die Erfindung der Rolle als »Game Designer/in« – Profession, Autorschaft, Gemeinschaft
IV. »computer games« – Ontologien und Taxonomien eines Designgegenstandes
C. Abschluss
I. 1997-2001: Game Studies
II. 1982-1996: Die Produktionsästhetik des »Computer Game Design«
D. Literaturverzeichnis
I. Abkürzungen
II. Quellen
III. Forschungsliteratur
IV. Computerspiele
V. Filme und Videos
VI. Abbildungen und Tabellen
E. Anhang: Bibliografische Notizen
I. Game-Design-Literatur
II. Vorträge, Festivals und Konferenzen
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Die Kunst des Computer Game Design: Zur Produktionsästhetik von Computerspielen (1982-1996) im Spiegel der historischen Kunstliteratur
 9783839448342

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Björn Blankenheim Die Kunst des Computer Game Design

Design | Band 47

Meiner Familie

Björn Blankenheim (Dr. phil.), geb. 1982, ist Postdoktorand an der Bergischen Universität Wuppertal, wo er in Kunstgeschichte promovierte. Er lehrt und forscht zur Geschichte der Computer- und Videospiele sowie zu historischen Kunstlehren, insbesondere Rhetorik und Poetik in Kunstliteratur, Design und anderen Anwendungsfeldern.

Björn Blankenheim

Die Kunst des Computer Game Design Zur Produktionsästhetik von Computerspielen (1982-1996) im Spiegel der historischen Kunstliteratur

Das vorliegende Buch ist die überarbeitete und in Teilen gekürzte Fassung der Dissertation ›Real art through computer games ... (Computer Game Design, 1982-1996) Selbsttheoretisierung und Vermittlung einer Designpraxis‹, die der Verfasser im Jahre 2017 der Fakultät für Design und Kunst an der Bergischen Universität Wuppertal zum Erwerb des akademischen Grades ›Dr. phil.‹ vorgelegt hat. Die Arbeit wurde im Fach Kunstgeschichte angenommen und mit »summa cum laude« bewertet. Die Verteidigung fand am 30. April 2018 statt. Die Gutachter waren Prof. Dr. Ulrich Heinen und Prof. Dr. Claus Pias. Die Arbeit ist im Jahr 2018 vom Promotionsausschuss der Fakultät für Design und Kunst an der Bergischen Universität Wuppertal als herausragende Dissertation ausgezeichnet und ihre Veröffentlichung entsprechend bezuschusst worden. Die Drucklegung erfolgte schließlich mit freundlicher Unterstützung des Instituts für angewandte Kunst- und Bildwissenschaften (IAKB) an der Bergischen Universität Wuppertal.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. © 2023 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: © Franklin L. Avery (www.franklinavery.com) Atari 2600 Joystick Icon: © Mark Davis, 2014 (thenounproject.com) Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4834-8 PDF-ISBN 978-3-8394-4834-2 https://doi.org/10.14361/9783839448342 Buchreihen-ISSN: 2702-8801 Buchreihen-eISSN: 2702-881X Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt Vorwort | 9

A. Einleitung I.

Thema und Ziel der Untersuchung | 15

The Art of Computer Game Design | 15 Chronologischer Rahmen | 27 Stand der Forschung | 28 Geografischer Rahmen | 35 Aufbau der Untersuchung | 35 II.

Methode | 39

›Game Design‹ als intentionaler Werkprozess und kunsthistorischer Gegenstand | 39 rhétorike/téchnē – Selbsttheoretisierung und Vermittlung in Antike und Früher Neuzeit | 45 Selbsttheoretisierung | 47 Design als Rhetorik | 48 Gestaltungslehren und Designvermittlung | 49 Allgemeine Rhetorik | 53 Design als téchnē | 57 Produktionsästhetik und -theorie als Kulturtechnik – Eine Evolutionstheorie der problemlösenden Gestaltung | 65 Variation – Selektion – Transmission | 71 Analogie | 80 Homologie | 84 Homoiologie | 94

B. Real art through computer games ... principles of aesthetics I.

»The art of« vs. »real art« – Kunstverständnisse im Widerstreit | 99

Prolog: Fantics | 99 »Can a Computer Make You Cry?« | 106 »You don’t feel like this very often.« | 109 »art evokes emotion through fantasy« | 112 »one in-game moment that stirs up awe or profound emotion« | 114 Emotionalisierung als Ziel der Kunst und das dreifache Pathos | 116 ›The art of ...‹ | 141 Epilog | 149 II.

›Similarities with Other Media‹ – Vergleiche von Computerspiel, Film und Literatur | 157

›Interactive Movies ‹ und › Interactive Fiction‹ | 157 Interactive Movies I: Low-Interactive Entertainment | 160 Interactive Fiction I: Storytelling | 168 Interactive Movies II: Disney | 177 Interactive Fiction II: ›Graphic Adventure Games‹ und ›Interactive Fiction as Literature‹ | 180 Interactive Movies III: Hollywood | 192 Interactive Fiction III: Vom Theater zum Holodeck | 202 Paragone | 224 III.

Die Erfindung der Rolle als ›Game Designer/in‹ – Profession, Autorschaft, Gemeinschaft | 231

Inventor, Designer, Developer | 231 ›So You Want to Write a Computer Game‹ | 236 Listings und Amateure | 241 Atari Games Research Group | 245 ›Software Artists?‹ | 252 ›So You Still Want to Write a Computer Game‹ | 261 Game Designer/innen in der Computer Gaming World und bei Electronic Arts | 268 ›Building A Community ‹ | 276 »Florence during the Renaissance« | 284 Computer Game Developers’ Association | 292 › accomplished artist‹ | 313 ›Legends of Game Design‹ | 338 ›Professionalism‹ und ›Professionalization‹ | 350

IV.

›computer games‹ – Ontologien und Taxonomien eines Designgegenstandes | 357

»what a game is« | 357 Spielkategorien als Kunstgattungen | 371 Computer Game Design | 381 Die Geschichte der Computerspiele | 401 Der Tod und die Zukunft der Computerspiele | 409

C. Abschluss I.

1997-2001: Game Studies | 421

Von der Kunstliteratur zur Kunstwissenschaft | 421 »Creating a new discipline« | 423 ›Games as Literature‹ | 424 ›Games as Cinema‹ | 436 ›Games as »new media«‹ | 440 Zur Geschichtlichkeit disziplinärer Ontologien und Methodologien | 445 II.

1982-1996: Die Produktionsästhetik des › Computer Game Design‹ | 453

Zusammenfassung und Konklusion | 453

D. Literaturverzeichnis I. II. III. IV. V. VI.

Abkürzungen | 459 Quellen | 461 Forschungsliteratur | 477 Computerspiele | 521 Filme und Videos | 525 Abbildungen und Tabellen | 527

E. Anhang: Bibliografische Notizen I. II.

Game-Design-Literatur | 531 Vorträge, Festivals und Konferenzen | 541

Vorwort »Du hingegen sollst fortfahren, Dinge zu erfinden, wie du es tagtäglich tust, mit denen deine wunderbare schöpferische Fähigkeit sich fortdauernden Ruhm und Namen erwirbt; und wenn dir einmal Muße gewährt würde, gefiele es mir, wenn du dieses kleine Werk über die Malerei, das ich in deinem Namen in toskanischer Sprache verfertigte, durchsehen würdest. [...] und wenn dir etwas verbesserungswürdig erscheint, korrigiere mich. Kein Schriftsteller war je so gelehrt, dass ihm seine gebildeten Freunde nicht von größtem Nutzen hätten sein können; und ich wünsche mir vor allem Deine Belehrung, damit ich nicht von den Verleumdern zerfleischt werde.« Leon Battista Alberti/Über die Malkunst1

L

BATTISTA ALBERTI wandte sich in der Vorrede seiner in italienischer Sprache verfassten und 1436 veröffentlichten Schrift Della Pittura/Über die Malkunst nicht an die Liebhaber/innen von Kunstwerken oder gelehrten Texten, sondern an FILIPPO BRUNELLESCHI, den berühmten Künstler und Baumeister, dem er das Buch zugleich widmete. Dass der Humanist ALBERTI sein Lehrbuch der Malerei sowohl in gelehrtem Latein als auch in einer vulgärsprachlichen Fassung vorlegte, zeugt von seinem Willen, den Adressatenkreis für sein Werk deutlich zu erweitern und es eben auch jenen zugänglich zu machen, die des Lateinischen nicht mächtig waren. So sehr ihn die literarische Gattung der seit der Antike überlieferten Kunstschriftstellerei fasziniert haben mag, Anleitungsliteratur, die jenseits der ausführenden Tätigkeit in ihrem eigenen Kosmos existiert, war sein Anliegen nicht. Vielmehr buhlte ALBERTI um die Aufmerksamkeit der Künstler/innen seiner Zeit, denn während er zum einen den Verlust antiker Schriftzeugnisse und den damit einhergehenden Mangel an Reflexion beklagte, ist er zugleich voll des Lobes über die zeitgenössischen Florentiner Künstler/innen, denen es gelungen sei, ein Maß an Erfindungsreichtum zu entwickeln, wie es seit der Antike nicht bestanden habe. ALBERTI hatte sich eingehend mit der Malerei befasst, Künstler/innen in ihren Werkstätten besucht, beobachtet und befragt, ihre Techniken studiert und sich als sogar dilettierender Maler ver1

EON

L.B. Alberti: Das Standbild, die Malkunst, Grundlagen der Malerei. Darmstadt 2011. S. 364f. Vgl. auch L.B. Alberti: Über die Malkunst. Darmstadt 2002. S. 65.

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sucht. Auch betonte ALBERTI, wenn er sich etwa auf die Geometrie und die Optik bezog, dass er sich den Fragen der Malerei als Maler und nicht als Mathematiker widmen wolle, also stets darauf bedacht sei, den Anwendungszusammenhang nicht aus dem Auge zu verlieren. Dennoch war es sein Ziel, die Malerei mithilfe der sprachlichen und mathematischen Künste und des Wissens der Antike neu und wissenschaftlich zu begründen und damit – davon war er überzeugt – zur Vervollkommnung der Kunst beizutragen.2 Der Appell, den er in der Vorrede formuliert, lässt dennoch keinen Zweifel daran, dass ALBERTI dem Urteil der Kunstschaffenden, für die BRUNELLESCHI hier stellvertretend steht, in diesen Dingen mehr Gewicht gab, als etwa demjenigen der gelehrten humanistischen Gemeinschaft. Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis des Vorhabens, es ALBERTI in seinem Bemühen gleichzutun, wenn auch nicht am Gegenstand von Malerei, Bildhauerei oder Architektur, sondern an dem des Game Design, also der Erfindung, des Entwurfes und der Entwicklung von Computerspielen. Ähnlich wie die Malerei noch zu Anbeginn der Frühen Neuzeit, ihrer enormen Erfolge und Qualitäten zum Trotz, gilt auch die Produktion von Computerspielen vielfach als niedere Tätigkeit, bestenfalls als Handwerk und ohne jede künstlerische oder intellektuelle Ambition. Ähnlich wie ALBERTI angesichts der Künste seiner Zeit fühlte sich auch der Verfasser in besonderer Weise der Aufgabe gewachsen und verpflichtet, da er sich seit Jahren intensiv mit der professionellen Produktion von Computerspielen auseinandergesetzt und bereits eigene Erfahrungen im ›Game Design‹ gesammelt hatte. Und ähnlich wie die Reflexion der Künste in der Frühen Neuzeit wird auch das Game Design – davon ist der Verfasser überzeugt – durch die Anbindung an die lange Tradition der Kunstliteratur und nicht zuletzt durch die Wiederentdeckung älterer Textzeugnisse an Ansehen und Vervollkommnung gewinnen können. In diesem Sinne behandelt die vorliegende Arbeit nicht nur einen speziellen Gegenstand der Kunstliteratur, sondern sie tut dies zugleich mit den Mitteln der Kunstliteratur. Diese Dissertation dürfte die erste und wohl auch letzte sein, die aus der beruflichen Fachrichtung Gestaltungstechnik heraus entstanden ist, einem Studiengang, in den man sich zum Zeitpunkt der Abgabe seit bereits acht Jahren nicht mehr einschreiben kann. Ich verdanke meinem Studium der Gestaltungstechnik und den Menschen, mit denen und bei denen ich von 2002 bis 2008 studieren durfte, sehr viel für meine akademische, aber auch persönliche Bildung, und dies nicht zuletzt angesichts eines Faches, dass sich, ob seiner Ausrichtung auf die Lehrer- und Berufsbildung, einem steten Begründungszwang ausgesetzt sah. Ich hoffe, dieses Erbe auf den nachfolgenden Seiten bewahrt zu haben. Der Großteil des vorliegenden Textes entstand im Zeitraum von Mitte 2013 bis Ende 2016. Vor allem Forschungsliteratur ab 2015 konnte, von einigen Ausnahmen abgesehen, nicht mehr berücksichtigt werden. Im Frühjahr 2014 entstand für das Handbuch Medienrhetorik ein umfassender Artikel über den Zusammenhang von Rhetorik und Computerspiel, der komplementär zur vorliegenden Studie zu lesen ist und nur wenige Schnittmengen mit dem vorliegenden Text besitzt.3

2 3

Vgl. L.B. Alberti: Über die Malkunst. Darmstadt 2002. S. 3-10, 44-48. Vgl. B. Blankenheim: Game – Von der Persuasions- zur Produktionstheorie am Beispiel Mass Effect. In: A. Scheuermann, F. Vidal (Hg.): Handbuch Medienrhetorik. Berlin u.a. 2016. S. 545-572.

VORWORT | 11

Die Finanzierung des Dissertationsprojektes verdankt sich im Wesentlichen zweier unvorhergesehener Fügungen. Zum einen erhielt ich im letzten Jahr meines Studiums rückwirkend die Förderung der EHELEUTE-CARL-RUß-STIFTUNG für begabte und bedürftige Kinder der Stadt Solingen zugesprochen, die es mir erlaubte, mein Studiendarlehen zurückzuzahlen und mich ganz meiner Forschung zu widmen. Zum anderen konnte ich das Projekt durch die testamentarisch verfügte Berücksichtigung beim Verkauf des Hauses meiner bereits 2000 verstorbenen Tante GRETEL MADER ohne ein Stipendium oder Schulden beenden. Beide Hilfestellungen erreichten mich jeweils gänzlich unvorbereitet; für beide bin ich zutiefst dankbar. Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. ULRICH HEINEN, dessen Anspruch in Lehre und Forschung mich mein ganzes Studium hindurch gefordert und gefördert hat. Ihm ist es schließlich zu verdanken, dass die Arbeit ihren Kern als historische Studie zur Kunstliteratur gefunden hat, dass ich mich imstande sah, dieses Projekt anzugehen und Ende des Jahres 2016 abzuschließen. Ferner danke ich Prof. Dr. HEINER MÜHLMANN, dessen Offenheit gegenüber mir und dem Thema Game Design mich bereits zu Anfang meines Studiums ein größeres Forschungsprojekt ins Auge fassen ließ. Darüber hinaus danke ich den zahllosen Autorinnen und Autoren, deren Schriften für mich inhaltlich wie methodisch stete Begleiter waren; genannt seien nur NADIA J. KOCH, DIETMAR TILL und CLAUS PIAS, wobei sich Letzterer freundlicherweise bereit erklärte, die Arbeit als Zweitgutachter zu betreuen. Für Beistand und Anregungen im Verlauf des Entstehens der Arbeit danke ich darüber hinaus HENNING KRAUSPE, ULRICH SEISS, LAURA POPPLOW, ARNE SCHEUERMANN und RAINER GABRIEL, für Anmerkungen und Korrekturen danke ich KARIN WECKERMANN, PIERRE SMOLARSKI, SIDONIE ENGELS, ALICE RZEZONKA und SASCHA AULICH. Schließlich danke ich KIRSTEN RACHOWIAK für das Lektorat und Korrektorat und GUNNAR MUSAN für die Durchsicht der Druckfassung. Ich danke meiner Familie für die liebevolle Unterstützung, und vor allem meiner Mutter MONIKA BLANKENHEIM für ihre geduldige Begleitung des von mir eingeschlagenen Weges. Ganz besonderer Dank gilt auch meinem Bruder THOMAS KNIPPER, dem ich meine Liebe zu den Spielen zum großen Teil verdanke. Schließlich danke ich meiner Frau VERENA, meiner Tochter JOHANNA und meinem Sohn JAN, die mir durch all die Entbehrungen hindurch, die das langjährige Promotionsprojekt mit sich brachte, eine unverzichtbare Stütze waren. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Zu guter Letzt sei aber der Gemeinschaft der Designer/innen und Entwickler/innen all der Spiele gedankt, die uns fortwährend belehren, bewegen und erfreuen. Sie sollen fortfahren, wie sie es tagtäglich tun, Spiele zu erfinden, mit denen ihre wunderbare schöpferische Fähigkeit sich fortdauernden Ruhm und Namen erwirbt. Und wenn ihnen einmal Muße gewährt würde, gefiele es mir, wenn sie dieses kleine Werk über Game Design durchsehen würden. Falls ihnen etwas verbesserungswürdig erscheint, sollen sie mich gerne korrigieren. Niemals waren Schriftsteller/innen so gelehrt, dass ihnen freundschaftliche Ratschläge nicht von größtem Nutzen hätten sein können. Vor allem wünsche ich mir ihre Belehrung, damit ich nicht von den verleumderischen Stimmen zerfleischt werde. Björn C. Blankenheim

A. Einleitung

INHALTSANGABE Das einführende Kapitel umreißt zu Beginn das schwierige Verhältnis der Kunstgeschichte zum Computerspiel. (15-27) | Es folgt die Eingrenzung der Untersuchungszeitraums anhand der Quellenlage auf die Jahre von 1982 bis 1996. (27-28) | Daran schließt sich eine Darstellung des Forschungsstandes sowie der spezifischen Probleme der Geschichtsschreibung zum Computerspiel an. (28-34) | Der Abschnitt endet mit der Eingrenzung der Untersuchung auf eine bestimmte Region, die San Francisco Bay Area, und der Erläuterung des Ablaufes der nachfolgenden Kapitel. (35-36)

I. Thema und Ziel der Untersuchung Our primary problem is that we have little theory on which to base our efforts. We don’t really know what a game is or why people play games or what makes a game great. Real art through computer games is achievable, but it will never be achieved as long as we have no principles of aesthetics, no framework for criticism, and no model for development. Chris Crawford/The Art of Computer Game Design1

The Art of Computer Game Design

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er die öffentliche oder wissenschaftliche Diskussionen über Computer- und Videospiele verfolgt, kann den Eindruck gewinnen, als sei das kunsttheoretische Diktum ars (est) celare artem, wahre Kunst bestehe darin, Kunst zu verbergen, falsch ausgelegt worden2; die Kunst des ›Game Design‹, die Produktion elektronischer Spiele als intentionaler Werkprozess, ist in diesen Diskussionen unsichtbar. Es ist durchaus lohnend, dieser Abwesenheit schlaglichtartig nachzugehen. Im Verlauf der 1990er-Jahre entwickeln sich elektronische Spiele zu einem Phänomen mit umfassender gesellschaftlicher Präsenz. Noch weit bis in das neue Jahrtausend hinein, ist ihre Wahrnehmung vor allem in Deutschland jedoch geprägt von einer medienkritischen Diskussion, die sich von Fragen des Jugendschutzes über die Kritik an einer überforderten Medienwirkungsforschung und parteiischen Medienpädagogik bis hin zu einer immer wieder aufflammenden Debatte um »Killerspiele« erstreckt.3 1 2

C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. XIV. Zur dissimulatio artis vgl. D. Till: Verbergen der Kunst. In: HWdR, Bd. 9. Sp. 1034-1041. W.G. Müller: Ironie, Lüge, Simulation, Dissimulation und verwandte rhetorische Termini. In: C. Wagenknecht (Hg.): Zur Terminologie der Literaturwissenschaft. Stuttgart 1988. S. 189208, hier 193-197. Zur antiken Theorie der dissimulatio artis, vgl. C. Neumeister: Grundsätze der forensischen Rhetorik. München 1964. Kap. IV: ›Das Verbergen der rhetorischen Kunst‹, S. 130-155. Zum Diktum ars celare artem in der Malerei vgl. W. Brassat: Tragik, versteckte Kompositionskunst und Katharsis im Werk von Peter Paul Rubens. In: U. Heinen, A. Thielemann (Hg.): Rubens Passioni. Göttingen 2001. S. 41-69, hier 45-47. V. v. Rosen: Celare artem. In: U. Pfisterer, M. Seidel (Hg.): Visuelle Topoi. München u.a. 2003. S. 313-350.

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Die Diskussion um »Killerspiele« ist dokumentiert bei D. Kringiel: Computerspielanalyse konkret. München 2009. S. 11-19. Dass die deutsche Gewaltdebatte im Kern eine Auseinandersetzung von Disziplinen über Deutungshoheit und Meinungsführerschaft ist, zeigt sich vor al-

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Dennoch ist festzustellen, dass der Wandel in der politischen Bewertung elektronischer Spiele weniger aus ihrer Bedeutung für Alltagskultur, als vielmehr aus ihrer Eigenschaft als zunehmend wichtigem Wirtschaftsfaktor resultiert.4 So sind es denn auch Fachhochschulen, private Hochschulen und Akademien, die – im Ansinnen von Industrienähe und Ausbildung – Professuren zum Game Design besetzt und entsprechende Studiengänge entwickelt haben; die Ausschreibung eines universitären Lehrstuhles steht noch immer aus.5 Selbst jüngere Forschungsarbeiten entstehen daher vornehmlich in den bereits etablierten Disziplinen wie Kommunikations- und Medienwissenschaft, Literaturwissenschaft, Psychologie oder auch Pädagogik. Ihren Untersuchungsfokus richten diese allerdings auf ›die Spiele‹ als Phänomen oder Rezeptionsgegenstand oder auf ›die Spielenden‹ als Rezipierende, nicht jedoch auf die Herstellung der Spiele.6 Überschattet von diesen Ansätzen erscheint die Produktion elektronischer Spiele auf den ersten Blick als eine Form von Geheimwissen. Weder in der öffentlichen Diskussion noch in der wissenschaftlichen Bearbeitung spielt Game Design als zielgerichtete, gestalterische Tätigkeit eine tragende Rolle.7 Der Medienwissenschaftler ROLF F. NOHR geht in seiner Aufsatzsammlung unter dem vielsagenden Titel Die Natürlichkeit des Spielens – Vom Verschwinden des Gemachten im Computerspiel sogar so weit, die »Verschleierung« seiner »Gemachtheit« und die »Naturalisierung« der ideologischen, technischen und wissensbasierten Bestände des Spieles im Spiel als ihr wesentliches Merkmal zu bestimmen.8 Selbst die wenigen praxisnahen Publikationen, die ab Mitte der 1990er-Jahre im angloamerikanischen Raum erschienen, folgten stets der für Ratgeberliteratur gängigen

lem an dem Streit um den Band Computerspiele(r) verstehen, 2008 von Jürgen Fritz herausgegeben und kurz darauf, auf Drängen des kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, aus dem Verkauf genommen. Nachzulesen bei C. Schmidt: Das böse Buch. In: GameStar, Ausgabe Juli (08), München 2008. Höhepunkt dürfte der sog. Kölner Aufruf von 2008 als »Kriegserklärung gegen einen boshaften, gesichtslosen Feind« gewesen sein, den Branchenvertreter in ihrer Reaktion als »fanatisch« bewerteten konnten. Vgl. Ders.: Die Spielefeinde ma4 5

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chen mobil. In: GameStar.de, München 2008 (online). Dokumentiert auch durch die Publikation des Deutschen Kulturrates e.V., vgl. O. Zimmermann, Th. Geißler (Hg.): Streitfall Computerspiele. Berlin 2008. Vgl. B. Blankenheim: Zur Entwicklung und Ausbildung designnaher Medienberufe am Beispiel des Game Design in Deutschland. In: S. Knutzen, U. Heinen, A. Eder (Hg.): bwp@ Spezial 5 – HTBB 2011 (online). Von dem Bild, das die sog. Game Studies gegenwärtig insbesondere für die historische Forschung liefern, wird an anderer Stelle noch ausführlicher zu sprechen sein. Dieses mehr oder weniger sichtbare Wissen, das infolge der Brüche des 18. Jahrhunderts vielfach nur noch als nicht länger nachlesbares Kulturgut existiert, wieder als zusammenhängend und systematisierbar zu begreifen, geht wesentlich auf Impulse von Ulrich Heinen zurück. Vgl. U. Heinen: Bildrhetorik der Frühen Neuzeit – Gestaltungstheorie der Antike. In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 143-189, hier 162f. Vgl. R.F. Nohr: Die Natürlichkeit des Spielens. Münster 2008. S. 8-11. Ausgehend von der Prämisse, dass »Computerspiele wirken«, will Nohr gegenüber einer monokausalen Medienwirkungsforschung nachweisen, dass Computerspiele als »sublime Objekte« ihre Botschaft nur unterschwellig mitteilen.

T HEMA UND Z IEL DER U NTERSUCHUNG | 17

Marketingfloskel von bis dato verborgenen oder gar verbotenen Informationen, die nun erstmals in Schriftform offengelegt werden.9 1990 veröffentlichte GIL WILLIAMSON sein Buch Computer Adventures mit dem Untertitel ›A Secret Art‹.10 Auf der Titelseite der Juliausgabe 1994 der Computer Gaming World wird die Berichterstattung über die Computer Game Developer Conference angekündigt unter der Überschrift »Secrets of the Computer Game Developers«.11 1995 erschien Behind the Scenes at SEGA – The Making of a Video Game des Spielejournalisten NICHOLAS LAVROFF, das in Bild und Schrift die Entstehung eines Spieles dokumentiert. Es wirbt mit den Worten »Discover the Sega Wizardry Behind the Video Game Magic!«.12 Auf der Rückseite des Buches Inside Electronic Game Design aus dem Jahre 1996 von ARNIE KATZ und LAURIE YATES ist in großen Lettern zu lesen: »Become a Game Designer! Learn the Secrets of the Trade from Professionals«. Gleich daneben findet sich der Hinweis auf exklusive Interviews mit mehr als 24 »leading game designers«.13 1999 tauft der Journalist MARC SALTZMAN sein Buch, das er aus Interviews mit mehr als »100 industry professionals« kompilierte, Game Design – Secrets of the Sages, »Geheimnisse der Weisen«.14 Im Jahr darauf erschien mit Developer’s Guide to Computer Game Design von JOHN SCOTT LEWINSKI ein erstes Lehrbuch, das Game Design im Titel trägt, aber auch auf Interviews mit »13 top designers, writers, and other experts in the computer game/ interactive media industry« baut.15 Game Design wird auch hier als Geheimwissen inszeniert, das nur als individuelles Erfahrungswissen existiert und sich allein durch die Befragung langjähriger Fachpraktiker/innen und Dokumentation erschließen lässt.16 Jenseits dieser Darstellung stößt man nur vereinzelt auf Hinweise, dass zu diesem Zeitpunkt – spätestens Mitte der 1990erJahre – eine schon vorhandene Produktionsästhetik und -theorie bereits wieder in Vergessenheit geraten ist.17 LEWINSKI ebenso wie SALTZMAN oder LAVROFF verzichten auf 9

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Noch 2011 erschien in Deutschland zum Mysterium Spieleentwickler ein Heft zur Berufs- und Karriereberatung. F. Olschewski (Hg.): Mysterium Spieleentwickler. Berlin 2011. Vgl. auch O. Kramer: Verbotene Rhetorik. In: J. Knape, O. Kramer, T. Schirren (Hg.): Rhetorik. Berlin 2012. S. 165-180. »There is no doubt that the writing of adventure games is an art, in the same way that writing a book or a play is. It is also a secret art in that a only a handful of game writers seem to be able to produce a gripping game.« G. Williamson: Computer Adventures. Farnham 1990. S. 11. Vgl. CGW, No. 120, July 1994. N. Lavroff: Behind the Scenes at SEGA. Rocklin/CA 1995. Das Buch erschien bei Prima Publishing, die bis dahin allein Lösungsbücher zu bereits existierenden Spielen vertrieben. A. Katz, L. Yates: Inside Electronic Game Design. Rocklin/CA 1996. M. Saltzman: Game Design. Indianapolis/IN 1999. In der Titelei sind insgesamt 144 Namen genannt. J.S. Lewinski: Developer’s Guide to Computer Game Design. Plano/TX 1999. Auch Casey O’Donnell hat seine aufschlussreiche Studie über die Praxis der Spieleentwicklung als Beitrag zum »historical memory of the game industry«, das »under-documented, rarely studied, and widely misunderstood« sei, mit dem Untertitel ›The Secret World of Videogame Creators‹ versehen. Vgl. Ders.: Developer’s Dilemma. Cambridge/MA u.a. 2014. S. IX. Derart kompilierte Interviewbände haben auch weiterhin Konjunktur. Auch Ben Sawyer, dessen 1996 erschienenes Buch The Ultimate Game Developer’s Sourcebook noch die umfangreichsten Literaturangaben enthält, betont im Vorwort: »I realized that numerous books had been written on game programming but few books or articles had been pub-

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Literaturangaben. Inside Electronic Game Design nennt nur zwei Bücher zur Geschichte der Spieleindustrie, keines von ihnen ist vor 1993 erschienen.18 Allein GIL WILLIAMSONS Computer Adventures von 1990 zählt in der Bibliografie etwa CHRIS CRAWFORDS Bücher De Re Atari, The Art of Computer Game Design und das von CRAWFORD herausgegebene Journal of Computer Game Design auf.19 Es sind diese Werke, die in eine ältere Zeit verweisen – eine Zeit, in der Game Design sich erstmals aufmachte, eine Kunstform zu werden. Bereits 1984 erschien mit The Art of Computer Game Design von CHRIS CRAWFORD die erste Monografie zur Produktion von elektronischen Spielen.20 Zugleich beschrieb er bereits mit dem Titel seines Buches die Zielvorgabe für ein Vorhaben: die Theoretisierung des Game Design als Kunst. Sein Buch ist nur die sichtbarste Manifestation einer Bewegung, die weitaus größer ist. Mit Beginn der 1980er-Jahre erschienen in zuvor nicht dagewesener Dichte schriftliche Zeugnisse über Game Design. Diese Vortragsaufzeichnungen, Kolumnen, Artikel, Zeitschriften und Bücher sind nicht allein äußere Betrachtungen über elektronische Spiele, sondern von Produzierenden selbst verfasst. Game Designer/innen stellen sich selbst der Aufgabe aus ihrer Praxis heraus, eine Produktionsästhetik und -theorie für elektronische Spiele zu formulieren. Ziel dieser Arbeit ist es, die Produktionsästhetik des Game Design als historischen Gegenstand zu rekonstruieren, eine bisher nicht unternommene Aufgabe. JOHN A. WALKER zählt das Design von »Computer Hardware und Software« gar explizit zu den ungesicherten, von der Designgeschichte eher gemiedenen Themen. Jenseits des Themas sei zudem nicht nur der »Bedeutungsrahmen« infrage zu stellen, der dem Begriff ›Design‹ »zur Zeit« zugeschrieben werde (und von wem), sondern auch zu beachten, dass sich »seine Bedeutung historisch verändert hat«.21 Eine Geschichte des Game Design muss folglich sowohl dem Verständnis des Begriffes ›Game‹ nachgehen als auch dem des Begriffes ›Design‹ in seinen historischen, sich verändernden Kontexten.22 Die Rekonstruktion der historischen Produktionstheorie des ›Game Design‹ ist somit zugleich eingebettet in die noch ungeschriebene Geschichte der Designtheorie und methodologie selbst.23 BERNHARD BÜRDEK merkt an, »dass sich die traditionelle De-

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lished to really help game developers perfect their craft and tap into the vast sea of resources available.« Nach Sawyers umfangreichem, aber wohl wenig rezipiertem Versuch hat man die ältere Literatur beinahe vollständig ignoriert. Vgl. Ders.: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. XXVII. A. Katz, L. Yates: Inside Electronic Game Design. Rocklin/CA 1996. G. Williamson: Computer Adventures. Farnham 1990. Das 1984 erschienene Buch The Art of Computer Game Design von Chris Crawford wird auch in der Fachliteratur unentwegt falsch auf 1982 datiert, da häufig allein mit der Online-Version von 1997 gearbeitet wurde, die bis auf eine missverständliche Bemerkung im Vorwort kein Erstveröffentlichungsdatum enthält. Vgl. dazu Kap. B.V. Chris Crawford sowie C.I.1. »art evokes emotion through fantasy«. Vgl. J.A. Walker: Designgeschichte. München 1992. S. 45f. Beispielhaft für den Begriff ›Kunst‹ vgl. W. Ullrich: Was war Kunst? Frankfurt a.M. 2006. »A comprehensive history of the discipline of Design Theories and Methods (DTM) has yet to be written [...].« Siehe dazu den Prolog in J.-P. Protzen, D.J. Harris: The Universe of Design. London u.a. 2010. S. 1-19, hier 1. Eine wesentliche Studie hat Claudia Mareis vorgelegt, vgl. dies.: Design als Wissenskultur. Bielefeld 2011. Dies.: Theorien des Designs. Hamburg 2014.

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signmethodologie nahezu ausschließlich mit den Methoden des ›physischen Handelns‹ beschäftigt hat, [...] wohingegen Methoden des ›geistigen Handelns‹ im Design bisher wenig thematisiert werden«.24 Demgegenüber können die in dieser Arbeit dargelegten Grundprinzipien der Auseinandersetzung mit Design als Theorie und Praxis wesentliche inhaltliche und methodische Impulse für die sich konstituierende Designwissenschaft liefern. Die Arbeit greift daher den Gedanken auf, dass vor allem die berufswissenschaftliche Forschung geeignet ist, »die Aufgabe der Dokumentation, der systematisierenden Relationierung und Revision der historischen und aktuellen Erfahrungen, ihres Abgleichs mit bezugswissenschaftlichen Erkenntnissen, der Systematisierung, der Erarbeitung von Anregungen zu ihrer systematischen Ergänzung sowie der Publikation dieser gebündelten und systematisierten Erfahrungen und Reflexionen« zu unterstützen.25 In dieser Kombination aus – als berufliche Designpraxis verstandener – Gestaltungstechnik (›Applied Design Studies‹) und Kunstgeschichte kann die vorliegende Arbeit nicht nur zur Konstitution des Gegenstandes Game Design selbst beitragen, sondern im Rahmen der beruflichen Bildung auch zu einer schlüssigen Curriculumentwicklung und fachgerechten Ausbildung. Für die Berufsbildungsforschung, insbesondere im Feld der designnahen Berufe, kann sie – entgegen der aktuellen Konzentration auf rein empirische Lehr- und Lernforschung – beispielhaft für die Bedeutung der historischen Berufsfeldwissenschaft sowie für die Frage eines inhärenten Bildungsanspruches gestalterischer Berufe sein.26 Die Beschäftigung mit der Geschichte elektronischer Spiele gewinnt auch populär an Aufmerksamkeit. Im Winter 2012 erschien mit der retro* GAMER (eMedia, Hannover) nach britischem Vorbild eine Zeitschrift, die sich in wesentlichen Teilen mit »klassischen Spielen« befasst.27 Gemeinsam mit der bereits seit 2006 erscheinenden RETRO (CSWVerlag, Winnenden) als »Magazin für digitale Retrokultur« leistet der populäre Spielejournalismus in Deutschland sowohl in Inhalt als auch in Form die historische Spielforschung mehr oder weniger im Alleingang.28 Der Anspruch einer historischen Forschung 24 B.E. Bürdek: Design. Basel u.a. 2005. S. 226f. Vgl. dazu auch den Überblick zur Methodologie und Theorie des Designs, ebd., S. 225-342. 25 Vgl. dazu U. Heinen: Bildrhetorik der Frühen Neuzeit – Gestaltungstheorie der Antike. In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 143-189, hier 155. 26 Vgl. B. Blankenheim, J. Busmann, U. Heinen: Mediendesign und Designtechnik – eine berufliche Fachrichtung nach Landesrecht in bundesweiter Perspektive. In: J.-P. Pahl, V. Herkner (Hg.): Handbuch berufliche Fachrichtungen. Bielefeld 2010. S. 783-797. F. Rauner (Hg.): Handbuch Berufsbildungsforschung. Bielefeld 2006. 27 Ebenfalls im Winter 2012 erschien mit der CHIP PowerPlay (CHIP, München) ein vergleichbares Magazin, das aber schon nach Erscheinen der vierten Ausgabe im Winter 2013 eingestellt wurde. Getragen wurden beide Formate von den selbst ernannten »Spieleveteranen«, die Ende der 1980er- und im Verlauf der 1990er-Jahre wesentlich zur Begründung des deutschen Spielejournalismus beigetragen haben. Unter ihnen auch Winnie Forster, der u.a. als Verleger und Autor der Buchreihe ›GAMEplan‹ tätig ist. 28 Geschichtliches Interesse an Spielen reduziert sich leider bisher auf die Frage der Darstellung historischer Ereignisse in Computerspielen: A. Schwarz (Hg.): Wollten Sie auch immer schon einmal pestverseuchte Kühe auf Ihre Gegner werfen? Berlin 2012. C. Heinze: Mittelalter Computer Spiele. Bielefeld 2012. T. Fux: Geschichte für Gamer? Hamburg 2012. S. Bender: Virtuelles Erinnern. Bielefeld 2012. F. Kerschbaumer, T. Winnerling (Hg.): Frühe Neuzeit im Videospiel. Bielefeld 2014. Außerdem mögen Spiele selbst als Quellen der jüngeren Ge-

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muss es allerdings sein, detaillierter, (selbst-)kritischer oder zumindest überprüfbarer zu sein, als es der Spielejournalismus – in seinen marktwirtschaftlichen Grenzen – zu sein vermag.29 Da CRAWFORD selbst seine Schrift The Art of Computer Game Design nennt und feststellt, dass »real art through computer games« erreichbar sei, liegt die Frage auf der Hand, ob es sich hier nicht um einen genuinen Gegenstand der Kunstgeschichte handelt, was jedoch keinesfalls selbstverständlich ist. Dies hängt bis heute maßgeblich davon ab, welchen Begriff von ›Kunst‹ man bereit ist, im Kontext elektronischer Spiele anzuwenden oder welchen Ort man diesen in einem ›System der Künste‹ zugedenkt.30 Dabei erscheint es jedoch nicht sinnvoll, einen modernen Kunstbegriff zu bemühen, der in der Nachfolge von IMMANUEL KANTS ästhetischer Theorie im Ganzen durch das Postulat der Kunstverbergung (celare artem) bzw. der Kunstlosigkeit bestimmt ist.31 Dieses Kunstverständnis hat bereits in der Vergangenheit zu eigentümlichen Auslegungen des Gegenstandes geführt, geprägt von Verklärung bei gleichzeitiger Berührungsangst.32 Wie sehr der deutschsprachige Kunst- und Kulturbetrieb mit den ›Computerspielen‹ zu kämpfen hat, wird besonders an den Katalogen einschlägiger Ausstellungen deutlich. Schon 1993 fand mit der Ausstellung Künstliche Spiele, kuratiert von FLORIAN

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schichtsschreibung dienen: J.K. Saucier: Playing the Past. In: C.B. Potter, R.C. Romano (Hg.): Doing Recent History. Athens/GA u.a. 2012. S. 201-223. Es sei daran erinnert, dass sich auch die Kunstgeschichtsschreibung in ihren Ursprüngen maßgeblich aus der Kunstkritik speiste und diese zudem gerne mit Anekdoten und erzählerischtheoretischem Beiwerk ausschmückte (s.u. Abs. ›Chronologischer Rahmen‹). Vgl. P.O. Kristeller: Das moderne System der Künste. München 1976. So hat Henry Jenkins in Anlehnung an Gilbert Seldes’ The Seven Lively Arts von 1924 ›Games‹ als »New Lively Art« dem ›System der Künste‹ angenähert. Vgl. H. Jenkins: Games, the New Lively Art. New York/ NY u.a. 2007. Vgl. P.L. Oesterreich: Fundamentalrhetorik. Hamburg 1990. S. 96. Kant formuliert, Produkte der schönen Kunst müssen »natürlich erscheinen«, ihre Zweckmäßigkeit, »ob sie zwar absichtlich ist, doch nicht absichtlich scheinen; d.i. schöne Kunst muß als Natur anzusehen sein, ob man sich ihrer zwar als Kunst bewußt ist«. Vgl. I. Kant: Kritik der Urteilskraft. Hamburg 2006. § 45. Den daraus folgenden Bruch mit der rhetorischen Tradition hat Dietmar Till betont, vgl. Ders.: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 552f. Vgl. M. Salmond: Legitimizing Video Games as an Art-Medium. In: Donau-Universität Krems (Hg.): Media Art Histories Archive. Krems 2006-2015 (online). Der zweifelhafte Nutzen eines solchen Ansatzes ist beispielhaft vorgeführt bei D.M. Feige: Computer Games as Works of Art. In: J. Fromme, A. Unger (Hg.): Computer Games and New Media Cultures. Dordrecht u.a. 2012. S. 93-106. Vgl. auch S. Schwingeler: Kunstwerk Computerspiel. Bielefeld 2014. Der Autor beginnt seine Arbeit, die er die »erste fundierte kunstwissenschaftliche Untersuchung der Gattung Computerspiel« nennt, mit der Feststellung: »Seit 1995 ist zu beobachten, dass sich KünstlerInnen Computerspielen zuwenden, indem sie vorgefundene Games unter künst–lerischen Vorzeichen umgestalten und diese als Material verwenden.« Ebd., S.13. Abgesehen davon, dass die Arbeit einen anderen Zeitraum beschreibt und sich bild- und medienwissenschaftlicher Theorien bedient, geht sie nicht wesentlich über die Prämisse hinaus, dass Kunst ist, was Künstler/innen tun. Unabhängig von der ›künstlerischen‹ An- und Umeignung, markiert 1996 auch den Zeitpunkt, an dem Filmschaffende die Möglichkeiten der ›Computerspiele‹ für sich entdeckten. Vgl. D. Förster: Zehn Jahre Machinima. In: D. de Kerckhove, M. Leeker, K. Schmidt (Hg.): McLuhan neu lesen. Bielefeld 2008. S. 422-429.

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RÖTZER eine erste Annäherung an das Phänomen statt. Dabei lassen die Herausgeber des Kataloges allerdings schon im Vorwort eine deutliche Distanz erkennen, wenn sie beschreiben, dass Computerspiele »jenseits künstlerischer Ambitionen« entstünden. Selbst wenn sich nicht wenige Essays zumindest beiläufig auch mit kommerziellen Computerspielen befassen, nennt der Ausstellungskatalog nicht ein einziges. Die Nähe von »Computerkunst und Computerspiel« wird hier zum Problem der Medienkunst, ›ernst‹ genommen zu werden, weshalb diese umso mehr auf der Betonung einer »Differenz« besteht – und man ist sich dieses Widerspruches bewusst: »Obwohl die Kunst vielleicht aus dem Spiel entstanden ist, hat sich in unserer Kultur eine scharfe, wenn auch vielfach bekämpfte Trennung zwischen Kunst und Spielen eingebürgert, analog zur Differenz von Kunst und Unterhaltung, die ebenfalls durch künstlerische Impulse immer wieder ins Wanken gerät. Diese Differenz ist trotz postmoderner Einsprüche gleichwohl wenig artikuliert und zumindest in Europa mit einer hohen ideologischen Mauer umgeben.«33

In der Folge macht die Kunstgeschichte demonstrativ einen großen Bogen um elektronische Spiele wie im Rahmen der Ausstellung InterAct! zu den »Schlüsselwerken Interaktiver Kunst« in Duisburg 1997. Getragen von den Verheißungen eines vieldeutigen Interaktionsbegriffes, der die Trias von Künstler/in, Kunstwerk und Betrachter/in infrage stelle, wird das ›Spielerische‹ zwar gerne für Produzierende und Rezipierende in Anspruch genommen, doch im Falle des ›Kunstwerkes‹ ausgeblendet.34 ERKKI HUHTAMO sieht sich in diesem Kontext sogar gezwungen, interaktive Kunst selbst gegen »gut gemachte« Videospiele abzugrenzen, indem er erklärt, Videospiele könnten zwar »außerordentlich komplex gestaltet« sein, blieben aber dennoch eine »eindeutig zielgerichtete Aktivität«. Dagegen gebe es für ein interaktives Kunstwerk »keine endgültige ›Lösung‹ und auch keine Möglichkeit, sein Sinnpotential vollständig auszuschöpfen.« Ein Kunst33 G. Hartwagner, S. Iglhaut, F. Rötzer (Hg.), Ausstellungskatalog: Künstliche Spiele. München 1993. S. 10f. Als Teil der Ausstellung werden unter den »Anwendungen aus der Wissenschaft und dem Spielebereich« nur »Interaktive Medizin-Lernprogramme« und ein Spiel zur politischen Bildung genannt. Vgl. ebd., S. 355-351. 34 Vgl. S. Dinkla, C. Brüninghaus-Knubel (Hg.), Ausstellungskatalog: InterAct! Ostfildern 1997. Dort insbesondere der Beitrag von Dinkla, ›Vom Zuschauer zum Spieler‹. Vgl. auch die Arbeit von Dinkla zu den ›Pionieren Interaktiver Kunst‹, die Computerspiele folgerichtig – selbst in ihrem Abriss der Computergeschichte – vollständig ausblendet. Dinkla geht nur ein Mal auf die »grundlegenden Differenzen zu Computerspielen« ein, wenn sie beschreibt, diese würden auf Repräsentation, im aristotelisch-poetischen Sinne auf »Einheit der Handlung« (Erzählung) sowie auf tiefe, robuste und logisch kohärente Vorstellungen von Strukturelementen und Dynamik zielen, was interaktive Kunst gerade zu vermeiden suche. Sie verweist dabei auf Brenda Laurels für interaktive Kunst »weitgehend unbrauchbare« theoretische Arbeit. Schließlich wendet sich Dinkla gegen die Ausstellung von Rötzer, die auch »stereotype Computerspiele« umfasst habe, belässt es aber bei der Bemerkung, dass die »offensive Konfrontation« verdeutlicht habe, dass es kaum möglich sei, »Interaktive Kunst mit außerkünstlerischen Anwendungen zu verwechseln«. Dennoch habe Rötzer die Chance ungenutzt gelassen, Kriterien vorzuschlagen, die der interaktiven Kunst gerecht würden. Inwieweit es den ausgestellten ›künstlerischen‹ Arbeiten gelungen ist, wie von Rötzer gefordert und von Dinkla unterstellt, Strategien der Computerspiele nicht bloß zu unterbieten oder zu vermeiden, bleibt allerdings offen. Vgl. S. Dinkla: Pioniere Interaktiver Kunst. Ostfildern 1997. S. 11f., 20f., passim.

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werk erfordere noch ein »gewisses surplus an Inspiration und Bedeutung«, das die »nach rationalen Prinzipien zusammengesetzten ›Maschinenteile‹« transzendiere, um ihnen »eine raison d’être auf einem höheren Abstraktionsgrad« zu verleihen. Dies sei etwas grundsätzlich anderes »als einen fesselnden Plot für ein Videospiel« zu schreiben. HUHTAMO schließt mit der Feststellung, interaktive Kunst erschöpfe sich nicht darin, »Kontexte zu erschaffen«; ihr gehe es darum, bestimmte Arten von Kontexten zu kreieren, nämlich »solche mit Intelligenz«.35 In dem 2001 erschienenen Sammelband Formen Interaktiver Medienkunst wird der einzige Artikel, der sich explizit mit ›Computerspielen‹ befasst – »verwandte Phänomene [...] in der Low-culture«, wie der ›Überblick‹ erklärt –, an das Ende des Buches gesetzt, in eine eigene Sektion mit dem Titel ›Jenseits des Kunstsystems‹.36 Während die Kunstwissenschaft ein vitales Interesse daran hat, die Deutungshoheit über ein zumindest potenziell ›künstlerisches‹ Medium nicht abzugeben, wird dieses dennoch auf Abstand gehalten.37 Auch in dem 2009 erschienenen Heft der Kritischen Berichte als ›Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften‹ wird diese Haltung deutlich, wenn erklärt wird: »Die Autoren zeigen unterschiedliche Ansätze, das Computerspiel als gesellschaftlich relevantes Medium zu begreifen und seine künstlerischen und ästhetischen Potentiale anzuerkennen, ohne es dabei pauschal als Kunstform zu adeln.«38 Wenn sich Kunstausstellungen mit elektronischen Spielen befassen, so widmen sie sich »Computerspielen von KünstlerInnen« als Bereich der Medienkunst wie im Rahmen der Ausstellungen games in Dortmund, GameArt in der Völklinger Hütte, beide 2003, oder artgames 2005/06 in Aachen.39 ›Kunst‹ entwirft sich im Schatten eines ›übermächtigen‹ Unterhaltungsmarktes als Gegenprogramm, das sich der ›Computerspiele‹ von außen annimmt, diese »nicht als gegeben akzeptiert, sondern modifiziert,

35 Vgl. E. Huhtamo: Sieben Mißverständnisse über Interaktive Kunst. Ostfildern 1997. S. 24. Dass solcherlei Definitionsversuche bloß den seit Emanuele Tesauro (1592-1675) und Matteo Pellegrini (1595-1652) in der Kunstliteratur verbreiteten und in der Aufklärung überhöhten Topos der ›acutezza‹ wiederholen, der die Funktion des Kunstwerkes darauf reduziert, auf ›scharfsinnige‹ Weise ›Bewunderung‹ zu erregen, bleibt Huhtamo jedoch verborgen. Vgl. K.-P. Lange: Theoretiker des literarischen Manierismus. München 1968. 36 Vgl. P. Gendolla et al. (Hg.): Formen interaktiver Medienkunst. Frankfurt a.M. 2001. Hier S. 16. Eine eher kritische Auseinandersetzung mit den Verheißungen von ›Medienkunst‹ und Medientheorie in ebenjenem Band bei N.M. Schmitz: Medialität als ästhetische Strategie der Moderne. In: Ebd., S.95-139. 37 Mit der Umformung der Kunstwissenschaft zur Bildwissenschaft wird zwar der Wille zur Deutungshoheit bekräftigt, aber die Situation keinesfalls besser. Siehe dazu Abschnitt ›Chronologischer Rahmen‹ (Kap. A.). 38 U. Gehring, S. Schwingeler (Hg.): The Ludic Society. Marburg 2009. S. 5. 39 hartware medien kunst verein, T. Baumgärtel (Hg.), Ausstellungskatalog: games. Frankfurt a.M. 2003. M.M. Grewenig, O. Letze (Hg.), Ausstellungskatalog: GameArt. Ostfildern 2003. H. Kunde, K. Esmailzadeh, P. vom Dorp (Hg.), Ausstellungskatalog: artgames. Aachen 2005. Keiner der Kataloge benennt ein einziges kommerzielles Computerspiel als ›Kunstwerk‹. Allein Carsten Walter, Autor der Dokumentation Games Odyssey, plädiert im Katalog GameArt – im Anschluss an Jenkins – für die Wahrnehmung von ›Video- und Computerspielen‹ als Kunstform. Vgl. ebd., S. 23-29.

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manipuliert, missbraucht und zweckentfremdet«.40 CLAUS PIAS hat in diesem Kontext allerdings darauf hingewiesen, dass Computerspiele wie das 1962 entwickelte Spacewar! bereits in ihrem Ursprung ein Ergebnis der künstlerischen »Aneignung« und Zweckentfremdung von Militärtechnologie gewesen sind. Die damit einhergehenden Ideale seien jedoch – so sein Zugeständnis – verloren gegangen, »sobald der Begriff Computerspiel nicht mehr ein Experiment, sondern ein käufliches Produkt bezeichnete«.41 Auch wenn sich im angloamerikanischen Raum lange Zeit ähnliche Tendenzen zeigten42, geben inzwischen diverse Bewegungen vermehrt dazu Anlass, eine differenziertere Herangehensweise zu entwickeln43, die allerdings in der deutschsprachigen Forschung noch kaum vorzufinden ist.44 So fand 2012 im Washingtoner Smithsonian American Art Museum die Ausstellung The Art of Video Games statt, in der 80 ausgewählte Spiele präsentiert wurden. Im gleichnamigen Ausstellungskatalog wird festgestellt: »Video games present a unique and powerful form of expression.« Wie das Vorwort ebenfalls deutlich 40 Vgl. hartware medien kunst verein, T. Baumgärtel (Hg.), Ausstellungskatalog: games. Frankfurt a.M. 2003. S. 7. Beispielhaft darin G. Gohlke: Genre i.G. In: Ebd., S.18-25. Der größte Spieleverlag der Welt habe sich vor allem deshalb den Namen ›Electronic Arts‹ gegeben, weil der »Kunstbegriff der SpieleprogrammiererInnen nichts dem umsatzfeindlichen Individualismus künstlerischer Karrieren gemein« habe. »Eine neue Generation von KünstlerInnen begreift die erfolgreiche Massenunterhaltung von Electronic Arts nicht als Kunst, vielmehr als relevantes künstlerisches Material, und beginnt sowohl Software als auch Hardware zu manipulieren.« Vgl. ebd., S. 19f., 22. 41 Vgl. C. Pias: Appropriation Art & Games. In: Ebd., S.26-31. Das Bild des Verfalls revolutionärer Potenziale und utopischer Wertvorstellungen durch kapitalistische Korruption, wie es bei Pias durchscheint, lässt sich etwa aus Steven Levys früher Studie der Hackerkultur herauslesen. S. Levy: Hackers. New York/NY 1994. Die Erfolgsgeschichte der Unterhaltungsindustrie (Musik, Film) ab Ende der 1970er-Jahre ist – nicht ohne Wehmut und in ihrer Argumentation sehr einfach – schon häufiger als ›Ausverkauf‹ der Counterculture geschrieben worden. Vgl. F. Goodman: The Mansion on the Hill. New York/NY 1997. P. Biskind: Easy Riders, Raging Bulls. New York/NY 1998. 42 A. Clarke, G. Mitchell (Hg.): Videogames and Art. Chicago/IL u.a. 2007. R. Catlow, M. Garrett, C. Morgana (Hg.): Artists Re:thinking Games. Liverpool 2010. 43 Einen Versuch hat Matteo Bittanti im 2006 in Italien erschienenen Katalog Gamescenes vorgelegt, der sich in Tradition der Medienkunst stehend weder für »Videogames as art« oder »Art as a game« interessiere – was beides freimütig als gegeben angenommen wird – noch für »game art« (›Spielgrafik‹) oder »Art games« (Spiele, die für ›künstlerische‹ Zwecke entwickelt worden seien), sondern für »Game Art«, also Kunst, die sich – analog oder digital – mit dem Medium, der Ästhetik und der Kultur der ›Videogames‹ auseinandersetze und diese ggf. modifiziere. Vgl. M. Bittanti: Game Art. Mailand 2006. 44 Es mag für die öffentliche Wahrnehmung des Mediums hilfreich sein, unter dem Titel The Art of Video Games schwerwiegende ›Coffee-Table-Books‹ im Stile populärer Kunst- und Designbücher zu veröffentlichen und mit den darin enthaltenen Sammlungen großformatiger Qualitätsdrucke für dessen visuell-künstlerische Qualität werben – begleitet von einer Schallplatte (!) mit neu abgemischten Spielemelodien –, doch der inhaltlichen Diskussion ist damit kaum Genüge getan. So sind etwa die kurzen Einleitungstexte und der abschließende Essay ›The Art of Video Games‹ von Stephan Günzel, Professor für Medientheorie an der Berliner Technischen Kunsthochschule, aus Sicht der historischen Forschung kaum der Rede wert. Vgl. J. Bendinelli Negrone (Hg.): Push Start. Hamburg 2014. Insbesondere S. 370-379.

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macht, werden vor allem solche »videogames as an art form« behandelt, die sich durch »incredible graphics« auszeichnen oder die »visual artistry with narrative, audio, and player interaction« kombinieren, um »immersive and meaningful experiences« zu erschaffen.45 So werden die »künstlerischen« Qualitäten der Spiele vor allem auf ihre visuellen und filmischen, erzählerischen oder technologischen Eigenschaften reduziert; folglich ist der Großteil des Bandes – was der Natur einer Ausstellung geschuldet sein mag – mit großflächigen Abbildungen gefüllt.46 Die Ausstellung im Smithsonian fällt zusammen mit dem wachsenden Ankauf von elektronischen Spielen sowohl durch die ›Library of Congress‹ (die Sammlung besteht im Jahr 2012 aus etwa 3000 Titeln)47 als auch beginnend mit 14 Titeln im Jahr 2012 durch das New Yorker ›Museum of Modern Art‹ (MoMA) als Teil seiner Ausstellung Applied Design48. Diesen Ankäufen voraus ging eine Diskussion über die Erhaltungs- bzw. Kunstwürdigkeit elektronischer Spiele, die in den USA. weiterhin lebhaft geführt wird; so wird diesen zunehmend kulturelle und historische Relevanz zugestanden, was sie zumindest immer weiter in die Nähe der ›Kunst‹ rückt.49 45 Vgl. C. Melissinos, P. O’Rourke (Hg.): The Art of Video Games. New York/NY 2012. S. 7. Auch in der Einleitung des Kurators Chris Melissinos wird das expressive Verständnis von Kunst betont: »I believe that my definition of art is more serviceable. When the viewer is able to understand the artist’s intent in a work and finds something in it that resonates with him or her on a personal level, art is achieved. If it elicits an emotion – from disdain to delight – it can be viewed as art.« Vgl. ebd., S. 8. Eine erste Ausstellung unter dem Titel Hot Circuits: A Video Arcade, gewidmet den Automaten der frühen 1980er- und gefolgt von weiteren, hatte bereits 1989 im American Museum of the Moving Image stattgefunden. Vgl. R. Slovin: Hot Circuits. In: M.J.P. Wolf (Hg.): The Medium of the Video Game. Austin/TX 2001. S. 137-154. 46 Einzig in den Kurzbeiträgen der Spieleentwickler/innen sowie wenigen Nebenbemerkungen in den Beschreibungen finden Aspekte wie »gameplay mechanic« Erwähnung. Vgl. ebd., S. 57, 126, 176. Das Alleinstellungsmerkmal (»unique«) von ›elektronischen Spielen‹ als Kunstform wird im Rahmen des Bandes, der sich auf visuelle und ›synästhetische‹ Qualitäten konzentriert, kaum deutlich. Auch Josh Jenisch, Journalist der Los Angeles Times, formuliert in seinem 2008 erschienen Buch The Art of the Video Game: »I’m here to make the argument, that video games should be considered art. I believe that great video games can move and excite and inspire people, that they are every bit as worthy of our attention as great films, great paintings, great novels, and great symphonies.« Ders.: The Art of the Video Game. Philadelphia/PA 2008. S. 4. Der Autor versteht ›video games‹ allerdings allein als ›new visual medium‹ und versammelt im Band allein Abbildungen von ›concept-art‹, ›development art‹ und ›in-game-art‹, wobei letztere Spielgrafik zeigen, jedoch keine Bildschirmfotos – also keinerlei Interfaces. Die Bilder sind ›künstlich‹, von der visuellen Erfahrung der Spielenden wird nichts erfasst. Zudem stammt die Mehrzahl der Abbildungen aus Spielen der Jahre von 2006 bis 2008, das älteste genannte Spiel aus dem Jahr 2003. Auf der Grundlage seiner ›Brief History of Video Game Art‹ entsteht der Eindruck, dass man von dieser überhaupt erst seit den 1990ern sprechen könne. Vgl. ebd., S. 7-15, 16, 160. 47 Vgl. T. Owens: Yes, The Library of Congress Has Video Games. In: The Library of Congress, Washington/DC 2012. (Online) 48 Vgl. P. Antonelli: Video Games – 14 in the Collection, for Starters. In: Inside/Out, New York/NY 2012. (Online) 49 Die besondere Situation in den USA dürfte nicht zuletzt mit der 2011 gefällten Entscheidung des Supreme Court zusammenhängen, dass die freie Meinungsäußerung, die durch den ersten

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Vom wachsenden Interesse gegenüber den elektronischen Spielen auch im deutschsprachigen Raum mögen die Artikel des Feuilletons zeugen, den DIE ZEIT Ende 2012 dem »Schwerpunkt Computerspiele« widmete. Ausgehend von der Feststellung, dass sich eine »Verbreitung der Computerspiele quer durch die Gesellschaft« abzeichne und sie auf dem Weg seien »zum Leitmedium des 21. Jahrhunderts aufzusteigen«, behandelt der Aufmacherartikel ihrer Beschreibung durch die »Sphäre des Spieles«, die Narration, den »sozialen Austausch« und darüber hinaus der Interaktivität. Der Artikel gipfelt in der Feststellung: »Je stärker Computerspiele auf die Erzählung ausgerichtet sind, desto mehr gehören sie in den Bereich der Kunst. Nimmt man hinzu, dass Computerspiele als visuelles Spektakel aufbereitet werden, zeigt sich bei ihnen gelegentlich ein starker Hang zum Gesamtkunstwerk. Steht hingegen das Spielelement im Vordergrund, sind Computerspiele aufgebrezelte Versionen von Dosenwerfen und ähnlichem Kirmes-Krempel. Das Soziale wiederum hält sich in der Mitte. Es kann den Kunstcharakter eines Spiels stärken oder sich zum Amüsement neigen.«50

Im Folgeartikel wird nach der Seriosität von Computerspielen, der Notwendigkeit der Kulturförderung und der Zugehörigkeit der »Game-Designer/innen« zur Künstlersozialkasse gefragt. Trotz – oder gerade wegen – der Vorbehalte aufseiten der Gamesbranche sowie des Kulturbetriebes falle die Antwort auf die Frage, ob sich die Kreativen dieser Branche als ›Künstler/innen‹ sehen, noch immer unterschiedlich aus. »Berührungsängste seien normal in einer Branche, die vom etablierten Kulturbetrieb bisher eher Kritik als Lob einstecken musste. Der Graben zwischen der angeblich guten, hohen Kunst und der vermeintlich niedrigen Unterhaltung – hier scheint er besonders tief. Das künstlerische Selbstverständnis der Games-Szene bildete sich deshalb nur zäh heraus.«51

30 Jahre, nachdem CHRIS CRAWFORD seine Überlegungen zu The Art of Computer Game Design festhielt, erschien – ebenfalls 2012 – das erstmals 2008 veröffentlichte The Art Zusatzartikel der Verfassung garantiert ist, auch auf »video games« und ihre spezifischen Wege der Kommunikation anzuwenden ist. »Video games qualify for First Amendment protection. Like protected books, plays, and movies, they communicate ideas through familiar literary devices and features distinctive to the medium. And ›the basic principles of freedom of speech ... do not vary‹ with a new and different communication medium.« Vgl. Supreme Court of the United States (Hg.): Brown, Governor of California, et al. v. Entertainment Merchants Association et al. 27.6.2011. (Online) S. 1. 50 Vgl. M. Probst: Ballern ist nicht alles. In: DIE ZEIT, N° 50, Hamburg (6.12.2012). S. 65f. Diese Feststellung im Feuilleton mutet eigentümlich an, wurde doch insbesondere die deutschsprachige, hohe, ›kulturell wertvolle‹ Literatur mindestens bis in die 1990er-Jahre mit dem Vorwurf konfrontiert, unwillens oder auch unvermögend zu sein, eine Geschichte zu ›erzählen‹. Zu dieser Diskussion, die auch andere ›Kunstformen‹ betreffen mag, vgl. A. Köhler, R. Moritz (Hg.): Maulhelden und Königskinder. Leipzig 1998. 51 Vgl. F. Bulban, K. Trotier: Wir können auch Kunst! In: DIE ZEIT, N° 50, Hamburg (6. Dezember 2012). S. 67. »Wie Filme befriedigen Spiele unterschiedliche Bedürfnisse – Blockbuster haben ihre Berechtigung genauso wie Arthouse-Produktionen. In beiden gibt es Schrott und Langeweile. Aber es gibt auch Entwickler mit Hingabe und außergewöhnlichen Fähigkeiten.«

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of Game Design von JESSE SCHELL in deutscher Übersetzung unter dem Titel Die Kunst des Game Designs.52 Angesichts der zunehmenden Präsenz elektronischer Spiele im weiteren und engeren Umfeld der ›Kunst‹, ist es auch für die Kunstgeschichte überfällig, einen historischen Zugang zu der Frage zu bieten, welche die spezifischen Leistungen, Mittel und Ziele einer ›Kunst‹ des Game Design sind bzw. – um mit WOLFGANG ULLRICH zu sprechen – was die ›Kunst‹ des Game Design in seinen Ursprüngen einmal war. Die vorliegende Untersuchung sieht sich nicht als Beitrag zur Diskussion um die Auflösung des Begriffes, zum Bedeutungsverlust, zur ›Simulation‹ oder gar zu einem ›Ende der Kunst‹ – bis hin zu einer sich an einem idealisierten Kunstbegriff abarbeitenden Kritik einer ›Kulturindustrie‹ (oder ihrem Gegenteil, das zwischen ›Hochkunst‹ und Massenkultur nicht mehr differenziert).53 Wenn man dagegen elektronische Spiele als genuin kunstwissenschaftlichen Gegenstand akzeptiert, so gilt es vor allem jenem Begriff von ›Kunst‹ (›art‹) Rechnung zu tragen, wie er in diesem speziellen Kontext verwendet und diskutiert wurde und wird. ›Kunst‹ soll nicht als externe Kategorie oder Erklärungsmuster an elektronische Spiele herangetragen, sondern die Verständnisse von Kunst, wie sie im Game Design selbst angelegt sind, dargestellt und analysiert werden. Dabei ist von gewisser Ironie, dass sich ausgerechnet der Begriffs- und Methodenapparat der frühneuzeitlichen Kunstgeschichte als anschluss- und leistungsfähig erweist. Schon ERWIN PANOFSKY (1892-1968) hatte sich in seinem US-amerikanischen Exil mit bemerkenswert geringen Berührungsängsten dem Hollywoodkino der 1930er-Jahre als ›kommerzieller Kunst‹ gewidmet und dessen Entstehung mit dem Gemeinschaftsbau mittelalterlicher Kathedralen verglichen54: »Dieser Vergleich mag wie Gotteslästerung klingen, nicht nur weil es verhältnismäßig weniger gute Filme als gute Kathedralen gibt, sondern auch, weil der Film ein Geschäft ist. Wenn man jedoch kommerzielle Kunst als jede Kunst definiert, die nicht nur zur Befriedigung des schöpferischen Dranges der Hersteller produziert wird, sondern in erster Linie, um die Ansprüche eines Auftraggebers oder eines zahlenden Publikums zu erfüllen, dann ist nicht-kommerzielle Kunst nicht die Regel, sondern die Ausnahme und zwar eine ziemlich neue und nicht immer beglückende. Während es einerseits durchaus zutrifft, daß kommerzielle Kunst immer Gefahr läuft, als Prostituierte zu en52 Vgl. J. Schell: The Art of Game Design. Burlington/MA 2008. Deutsche Fassung: Ders.: Die Kunst des Game Designs. Heidelberg u.a. 2012. Schon das 2001 erschienene Buch Game Design von Bob Bates trug den Untertitel »The Art & Business of Creating Games«, der es jedoch weder auf den Titel der deutschen Übersetzung, noch auf den der zweiten Ausgabe von 2004 schaffte. 53 Vgl. W. Ullrich: Kunst/Künste/System der Künste. In: ÄGB, Bd. III. S. 556-616, hier 556562, 565f. Ders.: Was war Kunst? Frankfurt a.M. 2006. 54 Vgl. E. Panofsky: Style and Medium in the Motion Pictures (1934/1947). In: D. Talbot (Hg.): Film – An Anthology. New York/NY 1959. S. 15-33. »Es ist also kein Zufall, dass eben Panofsky als Vertreter der alten Kunstgeschichte – wenngleich nur im Rahmen eines kleinen Essays – dieses Medium des 20. Jahrhunderts im Gegensatz zu den Vertretern einer Kunstgeschichte der Moderne vorbehaltlos akzeptieren konnte. Gerade da, wo er – was oft moniert wurde – als Kunsthistoriker im herkömmlichen Sinne den Anschluss an die Moderne verpasste, gelegentlich gar zum Vertreter einer überfälligen Inhaltsästhetik zurechtgestutzt wurde, eröffnet sich ihm der angemessene Blick auf die visuelle Kultur seiner Gegenwart.« Vgl. N.M. Schmitz: Arnheim versus Panofsky/Modernismus versus Ikonologie. In: R. Borschtschow, L.C. Grabbe, P. Rupert-Kruse (Hg.): Bewegtbilder. Köln 2013. S. 69-85, hier 82. (Online)

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den, so trifft es andererseits auch zu, daß nicht-kommerzielle Kunst immer Gefahr läuft, als alte Jungfer zu enden.«55

Elektronische Spiele als kunst- und kulturhistorisches Phänomen ernst zu nehmen, muss bedeuten, sich ihnen – jenseits politischer und medientheoretischer Diskurse – mit gleicher Detailgenauigkeit und Unvoreingenommenheit zu nähern, wie es für Gegenstände der Geschichtswissenschaft selbstverständlich ist. Gleichzeitig kann die historische Betrachtung womöglich einige Kurzschlüsse revidieren, die aus der Rückprojektion aktueller Diskurse entstanden sind und diese in einer längeren Entwicklung verorten. Schließlich kann die kunstgeschichtliche Aufarbeitung des ›Game Design‹ wesentliche Impulse für die Geschichtsschreibung der Spiele, aber auch der ›kommerziellen Kunst‹ liefern. Chronologischer Rahmen

Der chronologische Rahmen der vorliegenden Arbeit wird durch den Entstehungs- und Erscheinungszeitraum der untersuchten Quellen bestimmt, die in Kapitel B differenziert beschrieben und aufgeführt werden. Wollte man einen Startpunkt ausmachen, so fiele die Wahl auf das Jahr 1982, in dem CHRIS CRAWFORDS Artikel ›So you want to write a Computer Game‹ in der Zeitschrift Computer Gaming World erschien.56 Der Untersuchungszeitraum endet 1996 mit der Veröffentlichung der letzten Ausgabe des Journal of Computer Game Design, das ab 1987 von CRAWFORD herausgegeben wurde und das die letzten drei Jahre vor seiner Einstellung den Titel Interactive Entertainment Design trug.57 Im Verlauf dieser 15 Jahre setzten umfassende Bemühungen zur Selbsttheoretisierung und Vermittlung der Produktionspraxis des Game Design ein; Bemühungen, derer man sich in den Veröffentlichungen ab der Jahrtausendwende kaum noch erinnerte.58 Der auf diese Weise abgesteckte Zeitraum von 1982 bis 1996 benennt dabei allein den Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung. Die Selbsttheoretisierung des ›Game Design‹ geschah allerdings weder ohne Vorbilder noch ohne bereits existierende Bezugssysteme. Es gilt also, das ›Game Design‹ im Kontext der Geschichte der elektronischen Spiele, der Kunst-, Ideen- und Kulturgeschichte und ihrer Techniken zu verorten, ohne 55 »This comparison may seem sacrilegious, not only because there are, proportionally, fewer good films than there are good cathedrals, but also because the movies are commercial. However, if commercial art be defined as all art not primarily produced in order to gratify the creative urge of its maker but primarily intended to meet the requirements of a patron or a buying public, it must be said that noncommercial art is the exception rather than the rule, and a fairly recent and not always felicitous exception at that. While it is true that commercial art is always in danger of ending up as a prostitute, it is equally true that noncommercial art is always in danger of ending up as an old maid.« Vgl. E. Panofsky: Style and Medium in the Motion Pictures (1934/1947). In: D. Talbot (Hg.): Film – An Anthology. New York/NY 1959. S. 1533, hier 30. (Dt. ders: Stilarten und das Medium des Films. In: A. Silbermann (Hg.): Mediensoziologie, Bd. I – Film. Düsseldorf u.a. 1973. S. 106-122, hier 119f.) 56 C. Crawford: So you want to write a Computer Game. In: CGW, Vol. 2, No. 2, Mar.-Apr. 1982. S. 10f. Ders.: Design Techniques and Ideals for Computer Games. In: BYTE, Vol. 7, No. 12, Dec. 1982. S. 96-108. 57 Vgl. dazu den entsprechenden Abschnitt im Anhang E.I. Game Design Literatur. 58 Vgl. dazu Kapitel A.I.1. Gegenstand.

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sie dabei ihrer medienspezifischen und originären Errungenschaften zu berauben. Zu diesem Zweck werden einzelne Entwicklungslinien jedoch auch über den chronologischen Rahmen hinaus zurückverfolgt. Die wesentlichen Begriffe und Kategorien dieser Untersuchung liefern die Quellen als Zeitzeugnisse selbst. Diese historische Rekonstruktion des Game Design soll damit zugleich jenen Theorien gegenübergestellt werden, die eine ahistorische und universelle Definition des Gegenstandes zu liefern versuchen wie etwa KATIE SALENS Artikel ›Game Design‹ im Wörterbuch Design von 2008.59 Allerdings steht die historische Aufarbeitung des Phänomens noch immer an ihrem Anfang. Stand der Forschung

Zur Historie elektronischer Spiele ist eine Vielzahl von Büchern veröffentlicht worden, die den hier benannten Zeitraum behandeln. Der Softwarehistoriker MARTIN CAMPBELL-KELLY merkt 2004 in seiner Geschichte der Softwareindustrie über diese Literatur an: »Enthusiasts have not done such a good job of recording the corporate and intellectual history of videogames.«60 Der finnische Medienwissenschaftler ERKKI HUHTAMO hat in seiner Konstruktion einer »Archäologie des elektronischen Spieles« auf diverse Probleme dieser Praxis der Geschichtsschreibung hingewiesen.61 Er subsumiert diese Schriften unter der »Ära der Chronik«, die in erster Linie damit beschäftigt seien »Daten zu sammeln und zu ordnen«. Mit ihrem eingeschränkten Fokus auf die »Geschichte der Videospiele« und die Frage nach dem »ersten Videospiel«, seien sie blind geworden für das Einordnen in einen größeren Zusammenhang, zum Beispiel der Medienkultur. Da die Verfasser/innen als Kinder der 1970er-Jahre ihren Gegenstand »mit den Augen des Fans und Insiders« sähen, entwickle keiner der »veröffentlichten historischen Abrisse« eine »kritische und analytische Haltung gegenüber seinem Gegenstand«. Zudem offenbarten sie methodische Schwächen, wenn sie sich als Kompilationen aus Interviews und Bildmaterial wie etwa STEVEN L. KENT in einem »naiven ›Polylog‹« »weitgehend auf wörtliche Zitate« verließen.62 Insbesondere der hohe Stellenwert, der in beinahe all diesen Darstellungen den Erinnerungen von Zeitzeugen – selbst nach vielen Jahren – noch beigemessen wird, ist problematisch. Diese Probleme bleiben jedoch im Bestand einer Geschichtsschreibung erhalten, die zwar durchaus kritische Bemerkungen gegenüber diesen offensichtlichen Diskrepanzen formuliert, sich aber dennoch – ohne zusätzliche Nachweise anzubringen – weiterhin auf diese Werke verlässt. Die noch jungen ›Game Studies‹, die sich als Medien- und Kulturwissenschaft verstehen, haben wenig dazu beigetragen, diese Verwirrungen aufzuklären. Selbst im erstmals 2005 erschienenen Handbook of Computer Game Studies – in dem auch die eng59 K. Salen: Game Design. In: M. Erlhoff, T. Marshall (Hg.): Wörterbuch Design. Basel u.a. 2008. S. 163-167. 60 M. Campbell-Kelly: From Airline Reservations to Sonic the Hedgehog. Cambridge/MA 2004. S. 342, Anm. 2. Als Ausnahme nennt er explizit Leonard Hermans Phoenix (Second Edition, 1997). Auf diese Probleme hingewiesen haben ebenfalls Frans Mäyrä (An Introduction to Game Studies. Thousand Oaks/CA 2008. S. 56), der noch zwei Quellen aus dem World Wide Web nennt, die hier nicht mehr berücksichtigt wurden, und Carl Therrien (Video Games Caught Up in History. Detroit/MI 2012. S. 19), ohne jedoch das ganze Ausmaß des Problems zu erfassen. 61 Vgl. E. Huhtamo: Neues Spiel, neues Glück. In: C. Pias, C. Holtorf (Hg.): Escape! Köln u.a. 2007. S. 15-43. 62 Vgl. ebd., S. 17-19. Außerdem seien sie fast vollständig auf die USA und Japan konzentriert.

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lische Fassung von HUHTAMOS Entwurf der ›Spielearchäologie‹ abgedruckt ist – gehen STEVEN MALLIET und GUST DE MEYER im Kapitel ›History of the Video Game‹ nicht etwa möglichen Quellen, Methoden oder Anforderungen einer Geschichtsschreibung nach, sondern präsentieren wiederum eine eigene Historie. Es ist in jeder Hinsicht bezeichnend für die Inkonsistenzen des ganzen Forschungsfeldes, dass die Autoren vornehmlich auf Darstellungen aus dem World Wide Web berufen.63 Eine detailliertere Auseinandersetzung mit der Methodologie der »game history« hat FRANS MÄYRÄ 2008 im Rahmen seiner Einführung in die ›Game Studies‹ vorgelegt. MÄYRÄ sieht die ›digital game history‹ als Teilgebiet der ›Game Studies‹, stellt aber zugleich fest, es sei »not yet established in any systematic sense«.64 Speziell mit Blick auf die Kunstgeschichte kommt er zu dem Schluss: »An art historical investigation into digital games will describe in formal and aesthetical terms the development of digital games, and detail what are the artistic and aesthetic criteria for games of both audiovisual and interaction design in different decades, and how the concept of a ›good‹ or original game has changed during the years. To date there is very little published academic research into this fundamental games history area.«65

Beispielhaft widmet er sich daraufhin verschiedenen Fragestellungen in der ›game history‹ der 1970er-, 1980er-, 1990er-Jahre sowie des ›new millennium‹. Dass MÄYRÄ dabei explizit auf jene Literatur verweist, die er zuvor als wenig verlässlich, unprofessionell sowie durch »anecdotal evidence« und »personal histories« dominiert bezeichnet hat, unterstreicht jedoch einmal mehr die methodologische Uneinigkeit des Feldes.66 In einer unglücklichen Nähe zu den Medien- und Spieltheorien des 20. Jahrhunderts neigen Arbeiten der ›Game Studies‹ dazu, in deduktiver Manier abstrahierte Medien- oder auch Spieldefinitionen unterschiedlichster Auslegung auf ihren Gegenstand zu projizieren. Noch 2012 resümiert die deutsche GAMESCOOP – namentlich BENJAMIN BEIL, TIMO SCHEMER-REINHARD, BRITTA NEITZEL, JOCHEN VENUS, THOMAS HENSEL und PHILIPP BOJAHR –, dass sich eine »›ontologische Verortung‹ des Computerspieles« letztlich als »ebenso problematisch wie unproduktiv« erweisen müsse. Jenseits »disziplinärer Zuständigkeitsbekundungen« manifestiere sich dagegen der »multidisziplinäre Charakter der Game Studies« in »einer Vielzahl von Methoden und Forschungsperspektiven«.67 Die »ausstehende Konsolidierung« des jungen Forschungsfeldes, das sich erst in den späten 1990er-Jahren zu formieren begonnen habe, schlage sich in der unübersichtlichen Lage von Veröffentlichungen und entsprechender »Schulen« nieder, sodass »um die Etablierung von Standards immer noch heftig gestritten« werde.68 63 Vgl. S. Malliet, G. de Meyer: The History of the Video Game. Cambridge/MA u.a. 2011. 64 Vgl. F. Mäyrä: An Introduction to Game Studies. Thousand Oaks/CA u.a. 2008. S. 30f. Als wesentliche Gründe für diese Situation benennt er die fehlenden Museen und Archive, »lack of reliable professional research«, und den Status der ›games‹ als ›low culture‹. Es ist in vielerlei Hinsicht typisch für die Game Studies, dass das Kapitel sich daraufhin in Definitionsversuchen für ›games‹ verliert. Vgl. ebd., S. 30-50. 65 Ebd., S.30f. 66 Vgl. ebd., S. 52-151, hier 30, 55f. 67 Vgl. GamesCoop: Theorien des Computerspiels zur Einführung. Hamburg 2012. S. 9-12. 68 Die Verfasser/innen sehen sich selbst als Vertreter/innen verschiedener »medien(kultur)wissenschaftlicher« Standorte aus unterschiedlichen »Erfahrungsräumen« heraus analysierend; auf

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Dankbar knüpfen zum Beispiel Bildwissenschaft bzw. ihr angloamerikanisches Pendant, die ›Visual Culture‹ (Studies), an die – in sich bereits fruchtlose – Diskussion um den Begriff des ›Video Game‹ an. Hier spiegelt sich das Anliegen einer an sich selbst zweifelnden Kunstgeschichte, den abstrahierten Konsensbegriff ›Bild‹ in den Mittelpunkt einer neuen Disziplin zu stellen; dass es sich in deren Verständnis beim ›Computerspiel‹ um ein ›visuelles Medium‹ handelt, erklärt sich da von selbst. Besonders der Film- und Fernsehwissenschaftler MARK J.P. WOLF hat sich als Verfechter des Begriffes ›Video Game‹ hervorgetan, obwohl er selbst zugibt wie etwa in seinem 2008 erschienenen Buch The Video Game Explosion, diverse Gründe »have resulted in a broad, popular defnition of the term, the boundaries of which remain as blurred as ever as new software and hardware continue to appear«.69 So haben auch seine anderen Publikationen das Ziel verfolgt, den in den USA. populären Begriff ›Video Game‹ als wissenschaftlichen Terminus zu etablieren und damit die Deutungshoheit medien- bzw. bildwissenschaftlicher Herangehensweisen zu behaupten.70 Ausgehend von der visuellen Darstellungsform gehe damit auch die Interaktivität letztlich in der Erforschung einer »interactive imagery« auf.71 Unterschiedliche Perspektiven und Schwerpunkte bringen auch unterschiedliche Ansätze historischer Einteilung hervor, sei es die wirtschaftliche Entwicklung der Industrie72, die Theorie und Praxis des Game Design, die Qualität und Originalität der Spiele (soweit überhaupt objektivierbar) oder die gesellschaftliche Rezeption bis hin zur Nostalgie. Dennoch werden Erklärungskonzepte mit diesen Ansätzen nach wie vor importiert und nicht weiter hinterfragt. Auf dieser Grundlage lässt sich schwerlich ein ›Stand

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die Nähe zu Bild- und Medienwissenschaften deutet zudem die Platzierung im Junius Verlag hin. Ausdrücklich wird dort auf die »bislang in den Game Studies eher vernachlässigte Bildwissenschaftliche Position« hingewiesen. Vgl. ebd., S. 12. M.J.P. Wolf (Hg.): The Video Game Explosion. Westport/CT 2008. S. 7. Wolfs Buchtitel verweist wohl auf das evolutionstheoretische Konzept der Kambrischen Explosion, das insbesondere durch Stephen J. Gould popularisiert wurde. Ders.: Wonderful Life. New York/NY u.a. 1989. Dieses findet sich beispielsweise bei J.C. Herz im Kapitel ›A Natural History of Videogames‹ explizit formuliert. Vgl. dies.: Joystick Nation. Boston/MA u.a. 1997. S. 24. Wolf begründet aber weder seine Titelwahl, noch greift er das Konzept im Buch an irgendeiner Stelle auf. M.J.P. Wolf (Hg.): The Medium of the Video Game. Austin/TX 2001. Ders., B. Perron (Hg.): The Video Game Theory Reader. New York/NY u.a. 2003. B. Perron, Ders. (Hg.): The Video Game Theory Reader 2. New York/NY u.a. 2009. Die von ihm 2012 herausgegebene Encyclopedia of Video Games ist auf der Grundlage dieser Prämisse gerade in historischer Hinsicht kaum zu gebrauchen. M.J.P. Wolf (Hg.): The Video Game Explosion. Westport/CT 2008. S. 22-28. Eigentümlicher Weise kommt das Buch auf seinen 310 Textseiten nur auf 44 monochrome Abbildungen, von denen nur 38 tatsächlich im weitesten Sinne Spielgeschehen auf einem Bildschirm (Screenshots) zeigen und die zudem weitestgehend aus dem Internet stammen. Dies führt nicht nur zu reichlich belanglosen Bemerkungen über die visuelle Aufbereitung der Spielinhalte, sondern zudem zu sehr fragwürdigen Ausschlusskriterien einer Geschichtsschreibung, die völlig ignoriert, dass Begriffe selbst Gegenstände historischer Konstruktion sind. Trotz des häufigen Verweises auf wirtschaftlichen Erfolg werden beeindruckend selten Zahlen genannt. Eine der wenigen Ausnahmen: D. Williams: A Brief Social History of Game Play. In: P. Vorderer, J. Bryant (Hg.): Playing Video Games. Mahwah/NJ u.a. 2006. S. 197-212.

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historischer Forschung‹ bestimmen, da für die Mehrzahl der Anekdoten und Chroniken eine systematische und quellengeleitete Überprüfung noch aussteht. Erst in der jüngeren Vergangenheit hat man sich daran gemacht, diesen Missstand durch die Ausrichtung einschlägiger Konferenzen zu beheben.73 Vom 4. bis 6. Februar 2010 fand in Atlanta an der Universität von Georgia das internationale Symposium ›The Art History of Games‹ statt, organisiert von IAN BOGOST, MICHAEL NITSCHE und JOHN SHARP. Die Vorträge und Diskussionen sind als Videomitschnitte im Internet verfügbar.74 Eine vergleichbare Veranstaltung folgte dann mit der ›History of Games International Conference‹ vom 21. bis 23. Juni 2013 im kanadischen Montreal, betitelt mit ›Working With, Building, and Telling History‹ und organisiert von ESPEN AARSETH, RAIFORD GUINS, HENRY LOWOOD und CARL THERRIEN. Leider ist nur ein Teil der Beiträge an verschiedenen Orten in Online-Publikationen veröffentlicht worden.75 Unter der Leitung der kanadischen Universitäten wurde die Konferenz als ›Game History Annual Symposium‹ in reduzierter Form und mit wechselnden Schwerpunkten fortgeführt: ›Cultural History of Video Games‹ (2014), ›History of Gender in Games‹ (2015), ›Preserving/Prolonging/Remixing Play‹ (2016) und ›The Rise(s) and Fall(s) of Video Game Genres‹ (2017), wobei die Beiträge nur vereinzelt publiziert vorliegen.76

73 Vor entsprechenden Fachkonferenzen wurden Fragestellungen von Kunstgeschichte und ›neuen Medien‹ etwa auf der seit 2005 alle zwei Jahre stattfindenden Konferenzen der ›Histories of Media Art, Science and Technology‹ behandelt (www.mediaarthistory.org). Vgl. das OnlineArchiv, gepflegt von der Donau-Universität für Weiterbildung Krems, DUK (Hg.): MAH Archive. Krems 2006-2015. (Online) 74 O.A.: Art History of Games Symposium. In: SMARTech, Georgia Tech Library 2010. (Online) Einen ähnlichen Schwerpunkt bot erst die Tagung ›In and Out of Art History: The Video Games Conundrum‹, die anlässlich der zweiundvierzigsten, jährlich stattfindenden Konferenz der ›Association of Art Historians‹ (AAH) vom 7. bis 9. April 2016 an der Universität von Edinburgh stattfand, organisiert von Bill Balaskas und Joseph Taylor (University for the Creative Arts, UK). (https://www.forarthistory.org.uk) 75 E. Aarseth, R. Guins, H. Lowood, C. Therrien (Hg.): History of Games. Montreal 2013. (Online) E. Aarseth (Hg.): Game History – A special issue. In: Game Studies, Vol. 13, Is. 2, Dec. 2013. (Online) C. Therrien, H. Lowood, M. Picard (Hg.): History of Games International Conference Proceedings. In: Kinephanos, Montreal 2014. (Online) Die zweite internationale ›History of Games Conference‹ fand erst fünf Jahre später im Rahmen der ›Game Studies Triple Conference‹ vom 13. bis 17. August 2018 an der IT-Universität von Kopenhagen und dem dortigen ›Center For Computer Games Research‹ statt. Die Themenwahl ›From the Colosseum to the Computer‹ zeugt allerdings vom Zweifel der Veranstalter/innen, ausreichend Einreichungen zu einer spezifischen Fragestellung zu bekommen (gameconference.itu.dk). 76 O.A.: Game History Annual Symposion. Montreal 2014. (Online) In den Folgejahren sind einzelne Beiträge in Sonderausgaben des Online-Magazins Kinephanos erschienen (www.kinephanos.ca); viele andere, wie auch etwaige Videomitschnitte sind leider nicht vorhanden oder weithin verstreut.

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Bleibt zu hoffen, dass es diesen sehr jungen Bestrebungen gelingt, bleibende Impulse für die Geschichtsschreibung der Spiele zu entwickeln.77 Es fehlt vor allem an Institutionen, Organisationen und Publikationen, die bestehende Erkenntnisse sammeln und der wissenschaftlichen Diskussion zuführen.78 So ist es nicht unüblich, dass die schlüssigsten Untersuchungen zur Historie elektronischer Spiele eben nicht aus der Wissenschaft, sondern aus dem Spielejournalismus stammen; wichtige Quellen oder Zeitzeugenberichte werden teilweise nur durch ›Fans‹ und Privatsammler/innen bewahrt, die zudem zunehmend selbst beginnen, die Historien ihrer favorisierten Spiele und Entwickler/innen aufzuarbeiten (meist jedoch mit mangelhaftem methodischem Instrumentarium)79; und nicht selten zeugen Einträge in der freien Enzyklopädie Wikipedia oder anderen von ›Fans‹ betreuten Online-Datenbanken wie etwa MobyGames von größerem Sachverstand und sind besser durch Quellen belegt als mancher Beitrag aus der akademischen Forschung – was den unreflektierten Umgang mit diesen Materialien nicht weniger problematisch macht. Vor allem in Deutschland ist die quellengeleitete Grundlagenforschung zur Geschichte elektronischer Spiele an exemplarischen Gegenständen – jenseits großtheoretischer medien- oder kulturwissenschaftlicher Überbauten – auch wegen des anhaltenden Disziplinenstreites um die Deutungshoheit weiterhin ein Desiderat. Ohne das Erschließen, Zugänglichmachen und kritische Nachhalten von Quellen, ohne detaillierte Analysen ausgewählter Gegenstände und ihre historische Einordnung ergehen sich viele Artikel in der Aneinanderreihung von Spieletiteln. Für die vorliegende Untersuchung muss dies bedeuten, dass bisher kaum methodisch verlässliche und belastbare historische Forschungsergebnisse zu elektronischen Spielen im Umfeld der Game Studies vorliegen. Vor diesem Hintergrund erscheint es ratsam, andere Richtungen historischer Forschung, ihre Methoden und Grundkonzepte als Orientierungsgrößen heranzuziehen. Dies sind vor allem die Informatikgeschichte (›History of Computing‹), die historische Spielforschung (›Board Game Studies‹) und die Kunstgeschichte, deren Analyseapparat sich besonders für die Untersuchung von Kunstliteratur in diesem Kontext als nützlich erwiesen hat.80 Der ›History of Computing‹ können – der Einfachheit halber – verschiedene Ansätze zugerechnet werden: von den sehr subjektiven und populären Historien eines HOWARD RHEINGOLD oder DOUGLAS G. CARLSTON, die (beide 1985 erschienen) selbst als Quelle

77 Vgl. dazu etwa auch den methodologischen Entwurf von Carl Therrien, der sich allerdings auf eine Gegenstands- und Rezeptionsgeschichte konzentriert. C. Therrien: Video Games Caught Up in History. In: M.J.P. Wolf (Hg.): Before the Crash. Detroit/MI 2012. S. 9-29. 78 Erst 2015 haben Henry Lowood und Raiford Guins mit ›Game Histories‹ eine Publikationsreihe bei der MIT Press ins Leben gerufen, die im Speziellen der Geschichtsschreibung über Spiele gewidmet ist. (www.gamehistoriesbookseries.org) Bisher erschienen sind zwei Sammelbände: H. Lowood, R. Guins (Hg.): Debugging Game History – A Critical Lexicon. Cambridge/MA u.a. 2016. P. Harrigan, M. Kirschenbaum (Hg.): Zones of Control – Perspectives on Wargaming. Cambridge/MA u.a. 2016. 79 G. Penn: Sensible Software 1986-1999. o.O. 2013. J.W. Szczepaniak: The Untold History of Japanese Game Developers, vol. 1. o.O. 2014. 80 Die vielfältig anschlussfähigen Studien zur Geschichte der Kunstliteratur, auch in Hinsicht auf Rhetorik- und Frühneuzeitforschung, werden an anderer Stelle dargestellt. Vgl. Kap. A.II.1.-2.

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zu betrachten sind81, über die wissenschaftliche Aufarbeitung der Technik-, Personenoder Industriegeschichte82 bis hin zur Geschichte einzelner Disziplinen, die im Umfeld des Computers entstanden sind, wie ›Computer Science‹ und Programmierung83 oder ›Human-Computer Interaction‹84. Gegen eine oft technikzentrierte ›History of Computing‹ hat HANS DIETER HELLIGE die Geschichten der Informatik herausgehoben.85 Dabei ist das Bild der Geschichtsschreibung seit den 1980er-Jahren zunehmend komplexer geworden und hat sowohl Ansätze einer Ideen- und Kulturgeschichte des Computers86 als auch einer ›sozialen Konstruktion von Technologie‹87 aufgenommen. In diesen weiteren Rahmen der Informatikgeschichte können auch jüngere Arbeiten zur Medien- und Kulturgeschichte eingeordnet werden wie etwa die Kultur- und Technikgeschichte des Programmierens von GEORG TROGEMANN und JOCHEN VIEHOFF.88 Die vorliegende Arbeit orientiert sich insbesondere an der Dissertation Computer Spiel Welten, in der CLAUS PIAS die historische Emergenz elektronischer Spiele umfassend aufgearbeitet hat.89 PIAS’ grundlegende Studie weist dabei, »gegen eine fortschrittsgläubige Technikgeschichte, gegen eine ihren aufklärerischen Ursprüngen verpflichtete Pädagogik und gegen eine technikvergessene Hermeneutik«90 auf die vielfältigen kulturellen Praxen (Computer Science, Kybernetik, Simulation oder auch Arbeitswissenschaft) hin, mit denen die Herausbildung elektronischer Spiele als Medium eng verbunden ist. Der Frage »Warum gibt es Computerspiele?« folgend, endet PIAS’ ›Geschichte‹ jedoch bewusst mit dem Einsetzen der kommerziellen Spieleindustrie sowie der Professionalisierung der Spielentwicklung ab Anfang der 1980er-Jahre.91 81 H. Rheingold: Tools for Thought. Cambridge/MA u.a. 2000. (Erstmals 1985) D.G. Carlston: Software People. New York/NY 1985. 82 Grundlegende historische Darstellungen hat Martin Campbell-Kelly vorgelegt, zum einen gemeinsam mit William Aspray zum Computer als ›Information Machine‹ (dies.: Computer. New York/NY 1996), zum anderen zur Softwareindustrie (Ders.: From airline reservations to Sonic the Hedgehog. Cambridge/MA u.a. 2004), jeweils mit starkem Fokus auf die USA. Ergänzend P.E. Ceruzzi: A History of Modern Computing. Cambridge/MA u.a. 2003. 83 N. Ensmenger: The Computer Boys Take Over. Cambridge/MA u.a. 2010. 84 H.D. Hellige (Hg.): Mensch-Computer-Interface. Bielefeld 2008. D. Meister: The History of Human Factors and Ergonomics. Mahwah/NJ u.a. 1999. 85 Zu diesem Geschichtsbegriff vgl. H.D. Hellige: Sichtweisen der Informatikgeschichte. In: Ders. (Hg.): Geschichten der Informatik. Berlin u.a. 2004. S. 1-28, hier 1-10. 86 Vgl. R.W. Hamming: We Would Know What They Thought When They Did It. New York/NY u.a. 1980. K.O. May: Historiography. A Perspective for Computer Scientists. New York/NY u.a. 1980. 87 W.E. Bijker, T.P. Hughes, T. Pinch (Hg.): The Social Construction of Technological Systems. Cambridge/MA u.a. 2012. (Erstmals 1987) Vgl. auch P.E. Ceruzzi: A History of Modern Computing. Cambridge/MA u.a. 2003. S. 2-5. 88 G. Trogemann, J. Viehoff: Code@Art. Wien 2005. 89 C. Pias: Computer Spiel Welten. München 2002. 90 Vgl. ebd., S. 1f., hier 2. 91 Vgl. ebd., S. 2f. So schließt der erste Teilabschnitt über die Entwicklung der zeitkritischen Actionspiele mit Pong (Atari, 1972) bzw. PacMan (Namco, 1980/81), der zweite Teilabschnitt über das entscheidungskritische Moment der Adventures mit ZORK (Infocom, 1980) und der umfassendste dritte Teilabschnitt über die konfigurationskritischen Strategiespiele mit TANKTICS von Chris Crawford (1978). Vgl. ebd., S. 110-118, 174f., 187-189, 299.

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Schließlich haben die ›Board Game Studies‹, trotz ihrer vergleichsweise schwachen institutionellen Anbindung, mit ihrer methodischen Nähe zu Archäologie, Geschichte und Kunstgeschichte eine eigene Forschungstradition begründet, an der es sich zu orientieren lohnt. Die ›Board Game Studies‹ weiten nicht nur den Blick auf ›Spiele‹ als Artefakte von über 5000 Jahren Menschheitsgeschichte, sondern weisen ›Game Design‹ darüber hinaus als eine Produktionstätigkeit aus, die weit über die (mehr oder weniger schlüssig begründeten) Ursprünge der ›Video Games‹ in den 1960er-Jahren hinausreicht. Erst als Kulturtechnik jenseits der künstlich gezogenen Grenzen ›elektronischer‹ Spiele entsteht ein vollständiges Bild des ›Game Design‹.92 Dennoch nehmen auch die jüngeren ›Analog Game Studies‹, die sich letztlich in Abgrenzung zu den ›Digital Games‹ definieren, ältere Forschungen zu ›Board Game Studies‹ kaum zur Kenntnis, sondern knüpfen viel eher an Erkenntnisse der ›(Digital) Game Studies‹ an.93 Die vorliegende Arbeit versteht sich in diesem Sinne als Untersuchung eines spezifischen Feldes kultureller Produktionspraxis. Mit den kommerziellen Spielen etablierte sich auch das Game Design, hier insbesondere das ›Computer Game Design‹ als Kulturtechnik auf der Basis anderer Kulturtechniken, als ›Kunst‹, deren Ausübung, Reflexion und Entwicklung sich jenseits ihrer Produkte vor allem durch ihre schriftlich überlieferte Selbsttheoretisierung manifestiert. Es gilt, Game Design als genuine Produktionspraxis zu begreifen, deren Geschichte sich nicht allein als Summe von Entwicklungen aus ihren Teilen (Technologie-, Militär-, Wirtschafts-, Spielgeschichte etc.) ableiten lässt, geschweige denn in ihnen aufgeht. Es geht hier nicht um eine Geschichte der Spiele (›Games‹) oder des Spielens (›Play‹), sondern um eine historische und systematische Darstellung der Theorie und Praxis des Spielemachens (›Game Design‹) selbst.

92 Unter den deutschsprachigen Publikationen seien beispielhaft genannt: F.V. Grunfeld, E. Oker: Spiele der Welt. Frankfurt a.M. 1976. W. Endrei: Spiele und Unterhaltung im alten Europa. Hanau 1988. C. Zangs, H. Holländer (Hg.), Ausstellungskatalog: Mit Glück und Verstand. Aachen 1994. E. Glonnegger: Das Spiele-Buch. Uehlfeld 1999. F. Meier: Von allerley Spil und Kurzweyl. Ostfildern 2006. U. Schädler (Hg.): Spiele der Menschheit. Darmstadt 2007. M.J. Kobbert: Kulturgut Spiel. Münster 2010. Erstmals 1995 und seit 2001 jährlich findet die internationale Tagung der ›Board Game Studies‹ statt. Vgl. D. Parlett: David Parlett’s Introduction to Board Game Studies. In: David Parlett Gourmet Games, 2004-2017. (Online) Neben unregelmäßig erschienenen Tagungsbänden wurden seit den 1990er-Jahren mehrere Schriftenreihen begründet und wieder eingestellt, die einen Überblick über den derzeitigen Forschungsstand zulassen. Von 1991 bis 2000 erschienen unter dem Titel HOMO LUDENS – Der spielende Mensch insgesamt zehn thematisch gefasste Bände zur Spielforschung, hg. von Günther G. Bauer am Institut für Spielforschung und Spielpädagogik der Universität Mozarteum, Salzburg; der angekündigte elfte Band ist wohl nie erschienen. Von 1998 bis 2004 erschienen sieben Ausgaben des Board Game Studies – International Journal for the Study of Board Games, hg. von der ›Research School CNWS‹ der Universität Leiden. Als Nachfolgepublikation wurde schließlich 2014 erstmals das Board Game Studies Journal Online veröffentlicht, das die Aufgabe des zentralen Publikationsorgans übernehmen soll und das seit 2016 (Ausgabe 10) bei de Gruyter erscheint. J.N. Silva (Hg.): Board Game Studies Journal Online. Lissabon 2014. (Online) 93 E. Torner, A. Trammell, E. Leigh Waldron (Hg.): Analog Game Studies. o.O. 2014. (Online)

T HEMA UND Z IEL DER U NTERSUCHUNG | 35

Geografischer Rahmen

Der geografische Rahmen der vorliegenden Arbeit wird durch die Erscheinungsorte der untersuchten Quellen sowie die Wirkungsorte ihrer Verfasser/innen bestimmt. Der Schwerpunkt liegt dabei im angloamerikanischen Sprachraum, insbesondere in den USA und dort in der ›San Francisco Bay Area‹. Die Festlegung dieses geografischen Rahmens hat gleich mehrere Gründe. Die Publikationen sind beinahe ausschließlich in diesem Gebiet entstanden. Auch wenn sie darüber hinaus rezipiert wurden, ist für die vorliegende Untersuchung ihr Entstehungsort doch wesentlich. Verbunden mit dieser Region ist ein relativ identisches historisches, gesellschaftliches und politisches Umfeld, das für die hier untersuchten Verfasser/innen als weitestgehend ähnlich angesehen werden kann. Zudem ist der Umstand, dass diese Publikationen in englischer Sprache verfasst sind, von Bedeutung, da die verwendete Terminologie und Struktur einem gemeinsamen Sprachverständnis entspringen. Die Konstruktion von Begriffen ist also nicht allein – wie bereits angedeutet – von ihrem historischen und soziokulturellen Kontext abhängig, sondern ebenso von dem Medium der Sprache, in dem sie formuliert werden. Allen voran hat JOHAN HUIZINGA auf die Komplexität der Etymologie gerade im Kontext der Begriffe ›Spiel‹ und – im Vergleich dazu – von ›Game‹ und ›Play‹ hingewiesen.94 Aber auch die Begriffe ›Art‹ und ›Design‹ sowie die weiteren für diese Arbeit relevanten Terminologien werden auf ihren genauen sprachspezifischen Bedeutungsrahmen hin untersucht. In der Konsequenz blendet die vorliegende Arbeit große Teile der Entwicklung aus, wie sie insbesondere in Japan, in Australien oder in der damaligen UdSSR stattgefunden hat.95 Selbst jene in Europa wird nur relativ zur Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes herangezogen. Verweise bieten sich nur dort an, wo tatsächlich nachweisbare Verbindungen bestehen oder auf konvergent bzw. divergent verlaufende Entwicklungen hingewiesen werden kann, die zur Präzisierung beitragen, deren ausführliche Darstellung jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengt. Aufbau der Untersuchung

Der einleitende Teil A schließt mit einer Darstellung der methodischen Grundlagen ab, die im Rahmen der Untersuchung zum Einsatz kommen. Die Arbeit zieht die ausführliche Darstellung fachlicher Ansätze vor, da diese, dem interdisziplinären Anspruch der Arbeit folgend, immer nur bei einem Teil der Leserschaft als vertraut vorausgesetzt werden können. Wesentlich ist hier das Konzept der Produktionsästhetik und -theorie, das im Folgenden in seinem komplexen Verhältnis zu ihrer am besten untersuchten Ausprägung, der Rhetorik, ausführlich dargestellt wird: Zum einen aus historischer Perspektive, vor allem in Abhängigkeit zum Stand der Rhetorikforschung, zum anderen aus systematischer Perspektive in Bezug zu Konzepten und Terminologien der Evolutionstheorie, 94 J. Huizinga: Homo Ludens. Reinbek 2001. S. 37-56. Dies ist von besonderer Bedeutung für den Vergleich mit rhetorischer Terminologie, von dem noch die Rede sein wird. Vgl. Abs. A.II. ›Homologie‹. 95 Die Mehrzahl historischer Darstellungen ist US-zentristisch, ohne dies zu problematisieren. Ansätze zu einer Weltgeschichte der ›Video Games‹ bei T. Donovan: Replay. East Sussex 2010. Dazu Ders.: Rewriting History. In: Kinephanos, Montreal 2015. (Online)

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um die unterschiedlichen Ausprägungen von Produktionsästhetik und -theorie miteinander zu vergleichen. Teil B orientiert sich an dem der Einleitung vorangestellten Zitat von CRAWFORD. Anhand von Quellenliteratur wird die Produktionsästhetik des Game Design, wie sie sich in den Schriften unterschiedlichster Verfasser/innen entfaltet, rekonstruiert und ihre wesentlichen Kategorien systematisch dargestellt. Ein wesentliches Ziel der Arbeit bestand darin, das vorgefundene Material zu ordnen und daraufhin in einen historischen sowie terminologischen Kontext zu stellen. Die vorliegende Arbeit wird sich dabei alleine den von CRAWFORD genannten »principles of aesthetics« widmen, um zu bestimmen, was die Kunst des Computer Game Design in seinen Ursprüngen einmal war und geworden ist. Eine historische und systematische Aufarbeitung der beiden anderen von CRAWFORD benannten Theoriefelder »framework for criticism« und »model for development« konnte im Rahmen der Dissertation nicht abschließend behandelt werden und ist als Nachfolgepublikation geplant. Die Arbeit schließt dann in Teil C mit der Betrachtung des Widerspruches zwischen der produktionsästhetischen Systematik und den rezeptionsästhetischen Setzungen, die die Game Studies seit ihrer Entstehung Ende der 1990er-Jahre begleiten und angesichts der Untersuchungsergebnisse einer Revision bedürfen.

INHALTSANGABE Das Anfangskapitel führt in den Forschungsansatz ein und erklärt die Begriffe ›Produktionsästhetik‹ sowie ›Produktionstheorie‹ im Kontext der Kunstgeschichte. (39-45) | Das zweite Kapitel beschreibt die Grundfunktionen der Produktionsästhetik und -theorie anhand des Verhältnisses von Rhetorik, Design und Kunstlehre. Ausgehend vom antiken Modell der Systemrhetorik, wird die Theoriebildung aus der Praxis für die Praxis erläutert. (45-48) | Im Anschluss wird umrissen, wie die Rhetorik für die Theorie und Vermittlung des Designs sowie die Gestaltungslehre nutzbar zu machen ist, wobei der Gestaltbegriff und das Verhältnis von Lehre und Begabung behandelt werden. (48-53) | Zudem wird der Ansatz der Untersuchung von dem der allgemeinen Rhetorik abgegrenzt. (53-57) | Schließlich werden drei Ansätze vorgestellt, Design in den erweiterten systematischen und historischen Kontext der Kunstlehre (téchnē) zu stellen. (57-64) | Als Vertiefung des methodischen Ansatzes für Design und Rhetorik widmet sich das dritte Methodenkapitel der Evolutionstheorie, um mit ihrer Hilfe die Anwendung von Produktionsästhetik und -theorie zu erläutern. | Zunächst werden Kunstlehren wie Rhetorik, Malereitheorie und Game Design als Repertoires an Regeln definiert, die systematisch bei der Lösung von spezifischen Gestaltungsproblemen helfen. (65-71) | Am Beispiel der Geschichte und Systematik der Rhetorik zeigt es die Wirkmechanismen des Entstehens von Regeln (›Variation‹), ihrer Auswahl (›Selektion‹) und Weitergabe (›Transmission‹) auf. (71-79) | Schließlich werden anhand konkreter Beispiele die Begriffe ›Analogie‹, ›Homologie‹ und ›Homoiologie‹ im Kontext dieses Ansatzes definiert und handhabbar gemacht. (80-96)

II. Methode Die Rhetorik also – denn so wollen wir ohne Angst vor dem Streit um Worte unsere Kunst nennen – läßt sich, glaube ich, am besten gliedern, wenn man von der Kunst, dem Künstler sowie dem Kunstwerk handelt. Kunst soll dabei soviel heißen wie Lehrfach, das heißt also: sie ist die Lehre von der guten Rede. Der Künstler ist der Mann, der diese Lehre empfangen hat, das heißt also der Redner, dessen Ziel es ist, gut zu reden. Das Werk ist das, was von dem Künstler hervorgebracht wird, das heißt also die gute Rede. Quintilian/Institutionis Oratoriae II.14.5

›Game Design‹ als intentionaler Werkprozess und kunsthistorischer Gegenstand

D

ie vorliegende Arbeit folgt einem induktiven Ansatz. Sie geht dazu von einem begrenzten, ggf. bisher weitestgehend unerschlossenen Daten- und Quellenbestand aus, der als Untersuchungsgegenstand möglichst genau beschrieben und dargestellt wird. In einem zweiten Schritt wird das Material auf spezifische Kontexte hin untersucht, wobei es gilt, dieses (BAXANDALL folgend) als Zeugnis von ›Intentionen‹ zu lesen, das heißt, die in ihm entwickelten Definitionen von Problemen sowie ihre spezifischen Lösungsstrategien zu bestimmen. Die technische, gestalterische, ideologische Ausbildung und Erfahrung von Designer/innen ist dabei ebenso von Bedeutung wie kulturspezifische, zeitgenössische Problemsphären und entsprechende Erfahrungen und Fertigkeiten, die von der Kultur zu ihrer Lösung jeweils bereitgestellt werden.1 Vor diesem Hintergrund wird schließlich der Frage nachgegangen, für welchen größeren Sachverhalt dies ein Dokument ist, für welche Gruppe von Phänomenen der untersuchte Gegenstand typisch ist und welche Welthaltung sowie -anschauung, bewusst oder unbewusst, in ihm zum Ausdruck kommt. Die Arbeit vollführt in diesem Sinne einen Dreischritt in Anlehnung an die ikonologischen Methode nach ERWIN PANOFSKY. Dabei ist es allerdings gerade nicht ihr Anliegen, ein Kunstwerk zu analysieren, sondern mit der Erschließung entsprechen-

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Vgl. M. Baxandall: Ursachen der Bilder. Berlin 1990. Zum Begriff ›Intention‹ sowie der damit verbundenen Kontexte siehe auch Abs. A.II.3.

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der Kunstliteratur einen zentralen Anhaltspunkt für zukünftige Analysen überhaupt erst zugänglich zu machen.2 Um die in diesem Kontext zusammengetragenen Schriften zum ›Game Design‹ als Produktionsästhetik und -theorie zu begreifen, stellt die Arbeit sie in einen bis in die Antike zurückreichenden historischen und systematischen Rahmen, der die nachfolgende Untersuchung anleitet. Im Anschluss an NADIA KOCH ist unter Produktionstheorie die reflektierende Durchdringung des Werkprozesses zu verstehen. Diese impliziere aber stets auch eine bestimmte Rezeptionstheorie und damit also aus dem Blickwinkel der Herstellung, Wahrnehmung und Wirkung aller möglichen Konfrontationen von Künstler/innen, Werk und Betrachter/innen. Die Produktionsästhetik als umfassendere Forschungsrichtung beschreibt darüber hinaus die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die soziale Stellung der Künstler/innen usw. In diesem Sinne bilde das bereits in der Antike entstandene Modell der téchnē den gemeinsamen Ursprung und die systematische Schnittstelle zu heute eher konkurrierenden Produktionstheorien wie der Rhetorik und der Kunsttheorie.3 KOCH hinterfragt damit zugleich die zentrale Rolle, die der »TextProduktionstheorie«-Rhetorik4 in vielen Untersuchungen zukommt, gegenüber anderen medienspezifischen Kunsttheorien, etwa zu Malerei, Bildhauerei oder Architektur.5 GERT UEDINGS (zugespitzte) Feststellung, die sich noch auf das Fortleben der Rhetorik im 18. Jahrhundert bezieht, bei der historischen Untersuchung der speziellen Künste Neuland werde betreten, gilt wohl, wenn auch unter den angedeuteten veränderten Vorzeichen, genauso für die nachfolgenden Jahrhunderte: »[D]er Einfluß der Rhetorik auf die Theorie der speziellen Künste ist erst in wenigen Ansätzen erforscht. Der Bann, den die idealistische Ästhetik des 19. Jahrhunderts über die Rhetorik verhängt hat, wirkt sich bis heute aus und hat dazu geführt, daß fast die gesamte Forschungsliteratur über die neuzeitliche Kunst-, Architektur- und Musiktheorie von falschen Voraussetzungen ausgeht und nur eingeschränkt brauchbar ist. Das verwundert um so mehr, als die Zuständigkeit der Rhetorik als der für alle Künste grundlegenden Produktionstheorie, die damit auch für die Auslegung der Werke unverzichtbare Voraussetzung ist, in allen kunsttheoretischen Schriften spätestens seit Aristoteles ausdrücklich wird. Das gilt für die ästhetischen Prinzipien ebenso wie für die Systematiken und Terminologien.«6 2 3

4

5

6

Vgl. E. Panofsky: Ikonographie und Ikonologie. In: Ders.: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst. Köln 1975. S. 36-67. Vgl. N.J. Koch: Die Werkstatt des Humanisten. In: J. Knape (Hg.): Bildrhetorik. Baden-Baden 2007. S. 161-179, hier 166f. Vgl. K. Semsch: Produktionsästhetik. In: HWdR, Bd. 7. S. 140-154. Zum Aspekt der Adressierung siehe insbesondere U. Heinen: Rubens zwischen Predigt und Kunst. Weimar 1996. S. 15f., 73-79, 93-100. »Die originäre Konzeption der Rhetorik [ist die] einer Text-Produktionstheorie.« Vgl. J. Kopperschmidt: Rhetorik nach dem Ende der Rhetorik. In: Ders. (Hg.): Rhetorik, Bd. 1. Darmstadt 1990. S. 1-34, hier 22f. Vgl. U. Heinen: Bildrhetorik der Frühen Neuzeit – Gestaltungstheorie der Antike. In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 143-189, hier 160, 185-189. Vgl. G. Ueding: Moderne Rhetorik. München 2000. S. 47-55, hier 48. Uedings wichtiger Hinweis bekommt unter dem Deckmantel des ›Einflusses‹ allerdings den Charakter einer Verschwörungstheorie, wenn er beschreibt, dass das »Band der einheitlichen rhetorischen Produk-

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Damit grenzt sich die Arbeit zugleich von jenen zur Rezeptionsästhetik ab. Wie im Folgenden deutlich werden wird, herrscht kein Mangel an Veröffentlichungen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, eine Ästhetik des Computer- und/oder Videospieles zu formulieren. Doch verstehen diese Ansätze den Begriff Ästhetik jedoch beinahe ausschließlich aus der quasiobjektiven Beschreibung des Gegenstandes (ontologisch) oder der Erfahrungssituation der Spielenden heraus argumentierend (rezeptionsästhetisch). Abhängig von akademischen Diskursen bekommen diese Ästhetiken zudem häufig normative Züge und stellen aus ihren jeweiligen Perspektiven Ansprüche, was nicht selten durch die Bezugnahme auf ein – in einer jeweils nahestehenden Disziplin gängiges – Theoriegebäude gerechtfertigt wird.7 Wenn jedoch in erster Linie über Nutzung, Wirkung oder pädagogische Eignung gesprochen wird, entsteht eine eigentümliche Distanz zur historischen Produktion des Gegenstandes, als ob ›Computerspiele‹ immer ein in die Lebenswelt importiertes Phänomen darstellten, das den eigenen Ausdrucksmöglichkeiten fremd ist und allein durch seine interpretierende Aneignung erfahrbar wird – eine Perspektive, die eher mit der geschichtlichen Situation in Deutschland zusammenhängen mag, als gemeinhin anerkannt wird. Denn jenseits eines kleinen Zirkels von Personen war das bestimmende Verhältnis zu ›Computerspielen‹ im Deutschland der 1980er- und 1990er-Jahre (in dem auch die Mehrzahl derjenigen, die heute in diesem Feld forschen, aufwuchsen) ein konsumierendes.8

7

8

tionstheorie« bei der theoretischen Reflexion in den Lehrbüchern nicht mehr habe thematisiert werden müssen, oder dass sich, vermittelt über die Wirkungsästhetik, in der Kunst eine »Rhetorik ›après la lettre‹« erhalten habe, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. wieder »eine bewusste Verbindung mit der rhetorischen Produktionstheorie« eingehe. Ebd., S. 51, 108. Dagegen wird zu zeigen sein, dass sich – jenseits allgemeinrhetorischer Transfers – zumindest Teile der Systemrhetorik tatsächlich in den speziellen Kunsttheorien nachweisen lassen. Vgl. K. Semsch: Rezeptionsästhetik. In: HWdR, Bd. 7. S. 1363-1374. Zum Begriff und zur Historie der Ästhetik vgl. N. Schneider: Geschichte der Ästhetik von der Aufklärung bis zur Postmoderne. Stuttgart 1996. Eine Rezeptionsgeschichte, welche den Besonderheiten regionaler und auch sozialer Ungleichverteilung von Hard- und Software Rechnung trägt, ist noch immer Desiderat. Denn ironischerweise wurde eben jener Zeitraum auf dem amerikanischen Kontinent vielfach vor allem als eine Phase des Importes, wenn nicht gar der Invasion von japanischer Kultur erlebt. Während populäre Nacherzählungen dieser Zeit im deutschsprachigen Raum sich besonders gerne der gängigen Heimcomputer und der Raubkopierkultur erinnern, tragen US-amerikanische Veröffentlichungen vor dem Hintergrund der enormen Verbreitung von Spielkonsolen solch geistvolle Untertitel wie ›How Nintendo Zapped an American Industry, Captured Your Dollars, and Enslaved Your Children‹ (später: ›How Nintendo Conquered The World‹), ›How Japanese Video Games Gave the World an Extra Life‹ oder ›Sega, Nintendo, and the Battle That Defined a Generation‹. D. Sheff: Game Over. New York/NY 1993. C. Kohler: Power-Up. Indianapolis/IN 2004. B.J. Harris: Console Wars. New York/NY 2014. Dagegen: M. Mertens, T.O. Meißner: Wir waren Space Invaders. Frankfurt a.M. 2002. C. Stöcker: Nerd Attack! München 2011.

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Im Vergleich mit frühen feuilletonistischen Schriften wie etwa KONRAD LISCHKAS Spielplatz Computer zur ›Kultur, Geschichte und Ästhetik des Computerspiels‹9 erscheint es sogar so, dass mit der zunehmenden Akademisierung des Diskurses das Interesse an den Produzierenden und an der Herstellung des Gegenstandes eher zurückgegangen ist. Nachdem die Diskussion in Deutschland noch in den 1990ern vornehmlich von Medienpädagogik und Medienwirkungsforschung beherrscht wurde10, ist inzwischen eine kaum noch zu überblickende Zahl von Schriften erschienen, die direkt oder indirekt der ›Ästhetik des Computerspiels‹ gewidmet ist.11 Zuletzt haben etwa SERJOSCHA WIEMER mit ihrer vornehmlich auf Medien- und Bildtheorie fußenden Arbeit Das geöffnete Intervall eine ›Ästhetik des Videospiels‹ vorgelegt wie auch DANIEL MARTIN FEIGE seine Studie Computerspiele – Eine Ästhetik, wobei er sich auf die philosophische Ästhetik und Kunsttheorie modernen Zuschnitts stützt.12 Allen diesen Ansätzen ist unbenommen, dass sie zum Verständnis von Spielerfahrung und Spielkultur beitragen können, doch operieren sie zumeist mit einem bereitwillig akzeptierten ›blinden Fleck‹. Im Gegensatz zu diesen Ansätzen ist der nachfolgende Abschnitt ganz der Produktionsästhetik gewidmet, vermittelt durch die Schriften und Aussagen der Produzierenden 9

K. Lischka: Spielplatz Computer. Heidelberg 2002. In der Tradition etwa: A. Rosenfelder: Digitale Paradiese. Köln 2008. In englischer Sprache vergleichbar: S. Poole: Trigger Happy. New York/NY 2004. 10 Kaum eine Person hat die Diskussionen in Deutschland in der Frühphase der Auseinandersetzung mit Computerspielen so prägen können wie der inzwischen im Ruhestand befindliche Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Fritz am Institut für Medienforschung und Medienpädagogik (IMM) der Fachhochschule Köln. Hingewiesen sei hier vor allem auf seine frühen Veröffentlichungen: J. Fritz, B. Dorst, J. Metzner: Videospiele – regelbare Welten am Draht. Bamberg 1983. J. Fritz (Hg.): Warum Computerspiele faszinieren. Weinheim u.a. 1995. Zudem haben Jürgen Fritz und Wolfgang Fehr ab 1992, zwei Jahre vor Gründung der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) zur Alterskennzeichnung von Computer- und Videospielen, bei der Bundeszentrale für politische Bildung die Heftreihe Computerspiele auf dem Prüfstand herausgegeben, die sich über viele Jahre mit der pädagogischen Beurteilung von Spielen befasste. 11 Eine vollständige Darstellung kann in diesem Rahmen nicht geleistet werden. Daher sei hier nur beispielhaft auf Untersuchungen zur Ästhetik des Computerspieles hingewiesen mit so unterschiedlichen Bezugsgrößen wie ›Spiel‹, ›Medium‹, ›Bild‹, ›Kultur‹ oder ›Narrativität‹. N. Adamowsky: Spielfiguren in virtuellen Welten. Frankfurt a.M. u.a. 2000. M. Rautzenberg: Spiegelwelt. Berlin 2002. A. Korn: Zur Entwicklungsgeschichte und Ästhetik des digitalen Bildes. Aachen 2005. M. Butler: Would you like to play a game? Berlin 2007. M. Kocher: Folge dem Pixelkaninchen! Zürich 2007. Über die Vielfalt der disziplinären, methodischen und ästhetischen Ansätze in der deutschen Forschungslandschaft geben auch diverse Sammelbände Auskunft, die ›multidisziplinäre Zugänge‹ bzw. ›polyperspektivische Betrachtungen‹ versprechen. Beispielhaft seien genannt: B. Neitzel, R.F. Nohr (Hg.): Das Spiel mit dem Medium. Marburg 2006. J. Distelmeyer, C. Hanke, D. Mersch (Hg.): Game over!? Bielefeld 2008. M. Bopp, R.F. Nohr, S. Wiemer (Hg.): Shooter. Münster 2009. B. Neitzel, M. Bopp, R.F. Nohr (Hg.): »See? I’m real ...« Münster 2010. T. Hensel, B. Neitzel, R.F. Nohr (Hg.): »The cake is a lie!« Münster 2015. 12 S. Wiemer: Das geöffnete Intervall. Paderborn 2014. D.M. Feige: Computerspiele – Eine Ästhetik. Berlin 2015.

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selbst. Im Sinne einer breiter gefassten Kunstlehre behandelt die Produktionsästhetik gerade auch jene Bedingtheiten und Kontexte, die über den Werkprozess im engeren Sinne, welcher im Rahmen der Produktionstheorie reflektiert wird, hinausgehen. Jenseits der methodischen Anleitungsliteratur finden sich theoretische Ausführungen zu Status und Rangordnung der auszuführenden Tätigkeit sowie zur geschichtlichen Verortung von Gegenständen und Profession. Eng damit verwoben thematisieren Anekdotik und Biografik zu einzelnen Personen immer auch Fragen des Anspruches, der Bildung und Lebensführung, der Berufs- und Arbeitsethik sowie der Rolle der Künstler/innen in Gemeinschaft und Gesellschaft. An der Grenze zum Werkprozess stellen sich schließlich produktionsästhetische Fragen zur Fassung, Abgrenzung und Beschreibung des Gegenstandes, zur Begründung von Kennerschaft und Kritik sowie zur Kanonbildung, nicht selten tief durchdrungen von der Problematik der Vermittlung.13 Die schriftlich reflektierte Praxis des ›Game Design‹ in die Historie der Produktionsästhetik und -theorie einzureihen, macht sie zugleich zu einem Gegenstand kunstgeschichtlicher Betrachtung, wobei diese hier einem Kunstbegriff verpflichtet bleibt, der mit Einschränkungen von der Antike bis zum Ende der Frühen Neuzeit Bestand hatte und nur noch entfernt mit modernen Theorien von Kunst zusammenzubringen ist.14 Ihr Vorzug liegt in der Offenlegung maßgeblicher Bezüge in der abendländischen Kultur, die Ansätze der Rezeptionstheorie gerne übersehen – nicht selten, weil die Rezipierenden sich für schlauer halten als die Produzierenden des jeweilig betrachteten und analysierten Mediums.15 Die Produktionstheorie steht nicht in Konkurrenz zu rezeptionstheoretischen Ansätzen, sondern ergänzt diese nach Möglichkeit, um jenes Wissen über Spiele sowie die Spielenden und ihre Adressierung zutage fördern, das Produzierende über viele Jahre und in besonderer Nähe zum Gegenstand entwickelt haben.16 Die vorliegende Ar13 Vgl. K. Semsch: Produktionsästhetik. In: HWdR, Bd. 7. S. 140-154. U. Heinen: Historische Kunstlehre. In: A. Glas et al. (Hg.): Kunstunterricht verstehen. München 2015. S. 261-282, hier 270-276. Hier finden sich auch jene Themenfelder wieder, die Ulrich Pfisterer im Rahmen seiner kleinen Geschichte der Kunstliteratur der italienischen Renaissance nutzte, um seine Quellensammlung zu strukturieren, darunter Fragen zur Person des Künstlers, zu den Vorstellungen vom Ursprung und der historischen Entwicklung der Künste, den unterschiedlichen Kunstgattungen und ihrer Wertschätzung, den Funktionen des Kunstwerkes, seinem Publikum, ästhetischen Kriterien und Vokabular sowie schließlich zum Rangstreit der Künste. Vgl. U. Pfisterer (Hg.): Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Stuttgart 2002. Insbesondere zum Werkprozess werde ich eine eigene Studie publizieren, die die Spielekritik und die Produktionstheorie des ›Game Design‹ der Jahre von 1982 bis 1996 zum Thema hat. 14 Vor allem dieses Spannungsverhältnis zu klären, wird ein Teil dieser Arbeit sein. 15 Vgl. dazu A. Scheuermann: Moving Picture Audience – Affektkommunikation im populären Film. In: A. Zika (Hg.): The moving image. Weimar u.a. 2004. S. 113-131. 16 Die produktionstheoretische Herangehensweise soll hier vor allem als eine vernachlässigte Perspektive gegenüber rezeptionsbasierten oder auch ontologischen Ansätzen rehabilitiert werden, wobei Schwächen oder ›blinde Flecke‹ durchaus eingestanden werden. Zum einen wird nicht die enge Bindung der ›Produktionstheorie‹ (schon als Terminus) an ökonomische Sachzwänge geleugnet, wie etwa Axel Gellhaus im Grundsatz (wenn auch in einem anderen Sinne) bemerkt: »Schon der Terminus Produktionstheorie verrät ja den Geist einer Zeit, die sich alles nur als Produkt, wenn nicht gar als Ware vorstellen kann.« Vgl. Ders.: Textgenese zwischen Poetologie und Editionstechnik. In: Ders. et al. (Hg.): Die Genese literarischer Texte. Würz-

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beit versteht sich daher als Modellvorschlag, welcher der Produktionsästhetik der gestalterischen Praxis Rechnung trägt und die gestaltete Welt nicht nur aus der Position der Rezipienten interpretiert, sondern die Interpretation durch eine Betrachtung der Praxis bereichert und ergänzt.17 In aristotelischer Tradition ist es im englischen Sprachraum nicht unüblich, alle möglichen Formen von medienspezifischer Produktionstheorie und -ästhetik unter dem Terminus ›Poetics‹ zu versammeln.18 So hat etwa JULIAN KÜCKLICH bemerkt, dass die »books on game design« als »normative poetics of digital gaming« gesehen werden können, wie zum Beispiel die Regeln aus The Art of Computer Game Design von CHRIS CRAWFORD, verwendet diese jedoch vornehmlich zur Analyse gängiger Genrekonventionen: »While this [the implementation of a rule in a game today, Anm. d. Verf.] is not necessarily a result of Crawford’s writing, it draws attention to the fact that normative poetics can amplify existing trends within a game genre. In all likelihood, Crawford’s rule was derived from personal experience with games [...]. By observing this trend in game design and stating it as an explicit rule, Crawford amplified this trend [...]. Thus, games with this feature gained an advantage over other games.«19

Trotz dieser Überlegungen liegt bis heute keine produktionsästhetische oder -theoretische Untersuchung des ›Game Design‹ vor. Diese Arbeit will diesen Missstand beheben, indem sie die Inhalte der Schriften über ›Game Design‹ in den historischburg 1994. S. 311-326, hier 311f. Zum anderen soll keine Verklärung der Produzierenden in dem Sinne stattfinden, dass tatsächlich sämtliche Rezeptionsweisen auf deren bewusste Intention zurückzuführen sind, was angesichts der Komplexität gestalterischer und technischer Prozesse kaum erwartet werden kann und worauf etwa Ulrich Richtmeyer am Beispiel der Fotografie hingewiesen hat. Vgl. Ders.: Kants Ästhetik im Zeitalter der Photographie. Bielefeld 2009. S. 46-59. Im Kontext der schriftlich verfassten Produktionstheorien ist vielmehr von Interesse, ob und wie diese Problemfelder wahrgenommen und thematisiert werden. 17 Vgl. G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik – Einleitung. In: dies. (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 11-15, hier 11. 18 »poetics may be used as a label for any formal or informal survey of structures, devices, and norms that enable a discourse, genre, or cultural system to produce particular effects. [...] When employed in this expanded sense, poetics is often implicitly opposed to hermeneutics, i.e., the practice of interpretation. In other words, one explains how something works, not what it means.« B.M. Reed: Poetics, Western. In: PEPP. S. 1058-1064, hier 1059. Vgl. zu den ›Poetics of Cinema‹ Kap. C.I.1. Emotionalisierung als Ziel der Kunst und das dreifache Pathos. 19 Julian Kücklich beschreibt, aus der Literaturwissenschaft kommend, »poetics« als jenen Teil des »process of fiction-making«, der mit »the act of creation« befasst sei, stellt aber kurz darauf fest, dass es einen Wandel weg von normativen Poetiken, etwa der aristotelischen Poetik, hin zu deskriptiven Poetiken, etwa der Morphologie des Märchens von Vladimir Propp, gegeben habe, sodass er »poetics« definiert als »the study of literary conventions and rules«. Er trennt diese von den »Hermeneutics: the study of literature’s meaning« und schließlich den »Aesthetics: the study of literature’s effects«. Vgl. J. Kücklich: Literary theory and digital games. In: J. Rutter, J. Bryce (Hg.): Understanding Digital Games. London u.a. 2006. S. 95-111, hier 99-103, insb. 99, 101. Zum angesprochenen Wandel siehe etwa H. Schanze: Rhetorik und Literaturwissenschaft. In: H.F. Plett (Hg.): Rhetorik. München 1977. S. 62-76.

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systematischen Kontext der Produktionsästhetik einordnet und entsprechende Vergleiche anstellt.20 Die im Folgenden bearbeiteten »principles of aesthetics« versammeln die in den Quellen vorgefundenen Themen und Diskussionen um vier Schwerpunkte21: Der erste Schwerpunkt befasst sich mit dem Kunststatus der ›Art of Game Design‹ und den künstlerischen Möglichkeiten des Mediums. Der zweite Schwerpunkt ist dem Vergleich und Wettstreit der Medien Computerspiel, Film und Literatur gewidmet, der sich durch weite Teile der historischen Schriften zieht. Es folgt als dritter Schwerpunkt die Konstruktion des ›Game Designers‹ als Produzent/in, den Fragen der Anforderungen, Professionalisierung und der Differenz zu anderen Tätigkeiten. Der vierte Schwerpunkt befasst sich schließlich, neben Fragen der Gattungslehre, mit Wesensbestimmungen sowie Qualitätskriterien für Spiele oder mit den Worten von CRAWFORD: »What is a game?« und »What makes a game great?«22 Von besonderem Interesse wird zudem sein, welche allgemeinen Aussagen über Kunstliteratur und besonders ihr Verhältnis zur Rhetorik sich anhand dieses spezifischen Einzelfalls formulieren lassen, sowohl in Bezug auf die Selbsttheoretisierung als auch die Vermittlung von Gestaltungswissen – ein Zusammenhang der jedoch einer gesonderten Erklärung bedarf. rhétorike/téchnē – Selbsttheoretisierung und Vermittlung in Antike und Früher Neuzeit

Die Rhetorik ist ein komplexes System aus Begriffen, Methoden und Kriterien zum Konzipieren, Formulieren und Vortragen von Reden. Seit ihren Ursprüngen in der Sophistik des antiken Griechenlandes entwickelte sich die Rhetorik als Theorie der Redekunst aus der Praxis und für die Praxis, die sich im täglichen Gebrauch in Gerichts- und Senatssälen, auf Versammlungsplätzen oder vor Festpublikum bewähren musste.23 Für antike Redner/innen diente sie als pragmatische Produktions- und Rezeptionstheorie, um sowohl die eigenen Gedanken zu ordnen, in Worte und Gesten zu fassen als auch gegnerische und vorbildhafte Reden zu analysieren. Kernstücke der rhetorischen Tech20 Dabei stellt sich die Frage, welche Rolle die Theorie für die Praxis spielen und welche Funktionen sie erfüllen kann. Dabei gilt die Grundsatzvermutung, dass Regel- und Anleitungsliteratur tatsächlich Rückschlüsse auf praktische Werkprozesse zulässt und nicht allein als losgelöste Kategorie ›Kunstliteratur‹ fungiert. Die schriftlich verfasste Systematik soll daher – wann immer im Rahmen einer solchen Arbeit möglich – auch an andere als schriftliche Zeugnisse rückgebunden werden. Letztlich handelt es sich dabei jedoch um ein zweites Forschungsvorhaben, das hier nicht vollständig realisiert werden kann. 21 Für die ursprüngliche Anlage der vorliegenden Arbeit waren zwei weitere Kapitel vorgesehen, die der produktionsseitigen Konstruktion des ›Players‹ als Rezipient/in und Adressat/in, von Fragen der Geschmacksbildung bis zur Gender-Diskussion und dem sich entwickelnden Kommunikationsmodell der ›Interaktion‹, das die genannten Elemente miteinander verbindet, gewidmet waren. Diese Kapitel konnten angesichts des ausufernden Umfangs der Dissertation nicht mehr vollständig und abschließend bearbeitet werden. Der Verfasser beabsichtigt jedoch, diese Kapitel an einem anderen Ort zu veröffentlichen. 22 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. XIV. 23 Vgl. M. Fuhrmann. Die antike Rhetorik. Düsseldorf 2008. K.-J. Hölkeskamp: Oratoris maxima scaena. In: M. Jehne (Hg.): Demokratie in Rom? Stuttgart 1995. S. 11-49.

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nik sind der Prozess der Redegestaltung – vom Auf- und Erfinden der Argumente, über deren Anordnung und Ausarbeitung bis hin zum Einprägen und Vortragen der Rede – sowie das Wissen um die affektive Beeinflussung der Zuhörer.24 Besonders im Gerichtswesen der hellenischen und römischen Antike erlebte die Rhetorik ihre Blütezeit. So galt es als ihre vordringlichste Aufgabe, das Überzeugende eines jeden Redegegenstandes zu bestimmen und so die Handlungen und Haltungen des Publikums im Sinne der Vortragenden zu beeinflussen sowie ggf. zu verändern. Die Anwendung der Rhetorik war also stets intentions- und wirkungsgebunden und musste sich an den erreichten Zielen messen lassen.25 In dieser Form gehört die Rhetorik seit der Antike zu einem festen Bestandteil des abendländischen Bildungskanons, der septem artes liberales, und avancierte damit zu einer der ›Leitwissenschaften‹ der westlichen Kultur, insbesondere seit der Renaissance ab 1400, an der sie maßgeblichen Anteil hatte.26 Angesichts ihrer langen Rezeptionsgeschichte in der Frühen Neuzeit muss man mit DIETMAR TILL allerdings eine Pluralität von Rhetorikbegriffen feststellen: Es gibt nicht die ›eine‹ Rhetorik. Von Beginn an ist die frühneuzeitliche Anknüpfung an die antike Rhetoriktradition heterogen, die antiken Quellen selbst regen zu unterschiedlichen Rezeptionen an. Sie geriet vielfach in Bedrängnis: durch Nachbardisziplinen, durch pragmatische Kontexte und durch den philosophischen Rationalismus ab Mitte des 17. Jahrhunderts, der zunächst die Topik, schließlich jedoch den Traditionalismus des gesamten Theoriegebäudes infrage stellte. Mit dem Erstarken idealistischer, philosophischer Ästhetiken um 1800, die an diese Diskussionen anknüpften, verschwand die Rhetorik schließlich auch zunehmend aus den Lehrplänen und damit aus der öffentlichen Präsenz.27 Gegen die Relativierung des rhetorischen Lehrgebäudes lassen sich allerdings – mit den strukturalistischen Ansätzen – die wesentlichen Säulen der Schulrhetorik bestimmen, wie sie in rhetorischen Lehrbüchern aller Art auftauchen und somit Tradition sowie Auseinandersetzung bestimmt haben. Als bestimmende Konstanten einer solchen ›Systemrhetorik‹ erscheinen fünf Strukturmerkmale, die sowohl Inhalt als auch Aufbau vorgeben28: erstens die ›Arbeitsgänge des Redners‹ (opera oratoris)29, zweitens die ›Teile der Rede‹ (partes orationis)30, drittens 24 Zur Systematik der Rhetorik G. Ueding, B. Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Stuttgart u.a. 2005. S. 207-333. Ergänzend C. Ottmers: Rhetorik. Stuttgart u.a. 1996. 25 G.A. Kennedy: A new history of classical rhetoric. Princeton/NJ 1994. 26 Vgl. G. Ueding: Klassische Rhetorik. München 2005. S. 101-105. 27 Dietmar Tills umfassende Untersuchung lässt sich auch als Emergenzgeschichte der ›Kritik der Urteilskraft‹ lesen, in der sich langwierige rhetorikkritische Diskussionen schließlich (auf vernichtende Art) entladen. Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 96f., 549-566, passim. 28 Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 71-76, 77-95. Vgl. auch B. Vickers: In Defence of Rhetoric. Oxford 1989. Die strukturalistische Systematik in extenso bei H. Lausberg: Handbuch der literarischen Rhetorik. Stuttgart 2008. 29 Die Rhetorik unterscheidet die Arbeitsphasen als »gegliederte, systematische und zeitliche Stufenfolge« von den kognitiven bzw. konzeptionell-entwerfenden Teilen der inventio (›Finden‹ der Argumente) und dispositio (Anordnen), dem sprachlich-textuellen Teil der elucutio (›Vertextung‹) und den performativen Teilen der memoria (Auswendiglernen) und actio/pronuntiatio (Vortrag). Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 71f. 30 Weitgehender Konsens besteht über die vierteilige Gliederung. Vgl. ebd.

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die Gattungslehre (genera causarum)31, viertens die Überzeugungsmittel in Form der ›Aufgaben des Redners‹ (officia oratoris), eng verwandt mit den Stilen (genera dicendi)32 sowie fünftens die Stellungnahme zum Status der Disziplin33. Für die vorliegende Untersuchung ist die rhétorike téchnē aus drei Gründen von Interesse. Erstens bietet sie ein komplexes sowie reflektiertes Begriffs- und Regelsystem, das aus der Praxis für die Praxis selbst entwickelt worden ist (Selbsttheoretisierung). Zweitens ist dieses Begriffs- und Regelsystem zur intentionsgeleiteten Gestaltung eines spezifischen Gegenstandes geeignet (Design). Drittens ist die Lehr- und Lernbarkeit des Begriff- und Regelsystems immer schon wesentlicher Bestandteil ihrer Verfassung (Vermittlung) gewesen. Selbsttheoretisierung

Von besonderer Relevanz für die nachfolgende Untersuchung ist die an der antiken Rhetorik beispielhaft vollzogene Selbsttheoretisierung, also die Theoriebildung aus der Praxis für die Praxis. Eine erste methodische Fundierung erhält dieser Ansatz bereits bei ARISTOTELES, der seine Theorie der Rhetorik aus der reinen Beobachtung ableitet, aber eindeutig benennt, dass der Erfolg einer Rede – unabhängig davon, ob er durch Zufall oder Gewohnheit zustande kommt – auch in Form einer Methode erfassbar sein müsse, die Rhetorik also in eine lehr- und lernbare téchnē zu überführen sei.34 JOACHIM KNAPE nennt in seiner Einführung in seine Allgemeine Rhetorik sieben Leistungen, welche die Rhetoriktheorie seit ihren Anfängen in der Antike auszeichnet und ihren Status als Theorie und Handlungswissenschaft unterstreicht. Erstens stelle sie ihre Erkenntnisse als hochkomplexes sprachliches Gebilde, das heißt als in sich geschlossenen Text dar: entweder in Form des Lehrbuches aus fertigen Lehrsätzen (praecepta) oder in Form der Abhandlung bzw. des Traktates, welche diese zusätzlich erörtert und reflektiert. Zweitens definiere sie ihren Sachbereich (in steter Verteidigung und Reformulierung) als die Disziplin aller Aussagen mit Wahrscheinlichkeits- oder Sollenscharakter und formuliere damit einen Anspruch im Spannungsfeld von »Sprachhandlungswissenschaft« und »Kommunikationstechnik«. Drittens integriere sie empirische Aussagen über ihren Gegenstandsbereich durch Akkumulation und Analyse und entwickle eine spezifische (sogar umfassende) Terminologie zu ihrer Beschreibung: entweder mit dem Schwerpunkt auf der vortragenden Person selbst oder auf ihren Instrumenten. Viertens systematisiere sie die beobachteten Phänomene und ihre Beziehung untereinander in einer ausdifferenzierten Produktionstheorie (kognitive und sprachliche »Vertextungslehre«, »Performanzlehre«) sowie einer analytisch-hermeneutischen Rezeptionstheorie 31 Vgl. ebd., S. 72f. 32 Vgl. ebd. 33 Hier finden sich i.d.R. Angaben zum Verhältnis von regelgeleiteter ›Kunst‹ (ars) und angeborener Begabung (natura) bzw. anderen personenbezogenen Voraussetzungen. Vgl. ebd., S. 7787. In diesem Kontext wird sich in der Folge die Gegenüberstellung von ›Kunst‹ und Wissenschaft entfalten. Vgl. ebd., S. 87-97. 34 Da das Argumentieren »auf beide Weisen (planlos, gewohnheitsmäßig) möglich ist, so ist klar, daß es auch möglich sein muß, dies zu methodisieren; denn man kann die Ursache untersuchen, weshalb die einen Erfolg erzielen aufgrund der Gewohnheit, die anderen durch Zufall [...].« Arist. Rhet. I.1.2

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(Text- und Literaturtheorie). Fünftens abstrahiere sie von ihren empirischen, spekulativen oder normativen Grundlagen zu Strukturmodellen (Angemessenheitslehre etc.), Wirkungsprinzipien (Affektenlehre etc.) und Ordnungssystemen (Figurenlehre etc.). Sechstens expliziere sie Erklärungen und Gesetzmäßigkeiten für die Phänomene ihres Gegenstandsbereiches, wobei sich ihre Grundlagentheoretiker mit ähnlichen schwer fassbaren Beschreibungsproblemen der Text-, Sprachhandlungs- und Verhaltenstheorie konfrontiert sahen, wie sie noch heute bestehen. Schließlich ermögliche sie siebtens das Aufstellen von Prognosen, um durch Anwendung von Regeln und Modellen und den effizienten Einsatz kommunikativer Mittel eine bestimmte Wirkung zu erzielen.35 Design als Rhetorik

Dass die Wissensbestände der antiken Rhetorik in besonderer Weise anschlussfähig für die Theoriebildung des Designs sein können, ist bei Weitem kein Konsens der noch jungen Designforschung.36 So stellt BEAT SCHNEIDER noch 2005 fest, dass Design sich nicht für Theorie interessiere, wohl aber für ›Rhetorik‹ – verstanden als inhaltsleere Verkaufskompetenz; eine Manipulation und Überredung, einzig interessiert am Wie und nicht am Warum und Wofür.37 Die antike Rhetorik ist dennoch bereits verschiedentlich auch in komplexen Zusammenhängen für das Design nutzbar gemacht worden.38 Dass dies überhaupt möglich ist, wurde in der Forschung unterschiedlich begründet. Exemplarisch für die Nutzbarmachung formuliert etwa GESCHE JOOST, dass die Rhetorik schon immer »transmedial« und »interdisziplinär« gewesen sei und alle mit ihr verbundenen Teilwissenschaften durch das Ziel »strategisch wirkungsvoller Kommunikation« zusammengehalten würden. So sei ihre Lehre »in andere Bereiche transferierbar« und auch das Design könne – verbunden durch das gleiche Ziel – strukturell »an die Rhetorik anknüpfen«. Diese Prämisse dient als Grundlage, um in einem von JOOST vorgeschlagenen Verfahren aus »Abstraktion, Kontextualisierung und Weiterführung« funktional anschlussfähiges, anwendungsbezogenes Wissen oder übergeordnete Modelle der Rhetorik in das Design zu integrieren und medienspezifisch weiterzuentwickeln. »Durch den Theorietransfer entsteht insgesamt eine neue Perspektive auf das Design: Es wird zu einer regelbasierten Kunstfertigkeit (›ars‹), wirkungsvoll und erfolgreich zu gestalten.« Schließlich seien umfassende Rhetoriken (jenseits von Einzelergebnissen) der unterschiedlichen Medien, zum Beispiel des »Game«, noch zu schreiben.39 35 J. Knape: Allgemeine Rhetorik. Stuttgart 2000. S. 9-22. 36 Vgl. etwa C. Mareis: Theorien des Designs. Hamburg 2014. S. 136-143. Dort nur ein Ansatz unter vielen. 37 Vgl. B. Schneider: Design – Eine Einführung. Basel u.a 2005. S. 260. 38 Zur Geschichte der Rhetorik-Rezeption im Kontext von Kunst und Design vgl. U. Heinen: Bildrhetorik der Frühen Neuzeit – Gestaltungstheorie der Antike. In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 143-189, hier 163-169. Vgl. die Überblicksdarstellungen bei G. Joost: Bild-Sprache. Bielefeld 2008. S. 15-49, sowie A. Scheuermann: Zur Theorie des Filmemachens. München 2009. S. 17–53. 39 Vgl. G. Joost: Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 350-352. Ihre eigene Dissertation zur audiovisuellen Rhetorik des Filmes sieht sie selbst abschließend als Unterstützung der These: »Der Rhetor ist Kommunikations-Designer.« Dies.: Bild-Sprache. Bielefeld 2008. S. 222 (Auszeichnung im Text).

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Gestaltungslehren und Designvermittlung

Ihrer Anlage als téchnē entsprechend waren Schriften zur Rhetorik von Beginn an entweder als reines Lehr- und Handbuch oder als theoretisches Traktat angelegt, jeweils mit dem Ziel, die Fachsystematik der Disziplin zu vermitteln und ggf. zu diskutieren. Damit fügt sie sich zugleich in die Geschichte und spezifischen Fragestellungen der Gestaltungs- bzw. Designlehre, etwa Curriculumsentwicklung oder Didaktik, ein. Der Begriff ›Gestaltung‹ ist dabei allerdings weiter zu fassen als im heute gängigen Sprachgebrauch. Gestaltung geht hier explizit über rein visuelle Qualitäten hinaus: Der Begriff ›Gestaltung‹ im engeren Sinne besitzt erst aus der Tradition des Bauhauses kommend seine feste Bedeutung als Form- und Farbgebung, als Anwendung visueller Darstellungsmittel.40 ›Gestaltungslehren‹ wurden daher, wenn überhaupt, allein im Kontext visueller Gestaltung reflektiert, wenn auch mit universellem Geltungsanspruch.41 Der Begriff ›Gestalt‹ hatte zu Zeiten der Etablierung der Gestaltpsychologie im ausgehenden 19. Jahrhundert bereits eine gut 200 Jahre dauernde »Diskursgeschichte« hinter sich und sich in ihrem Verlauf mit einem »Ensemble zumeist unausgesprochener Leitannahmen« verknüpft, darunter Konzepten wie Ganzheitlichkeit, Harmonie oder die Konstitution des Menschen selbst.42 Gleich dem ›Gebilde‹, dem ›Gebäude‹ oder dem ›Gedanken‹, sei die ›Gestalt‹ immer schon ein Gemachtes, ein In-die-Welt-Gestelltes. ›Gestalt‹ erscheine immer als Produkt einer Handlung und erfordere somit einen Handelnden, »die charismatische Figur eines gestaltend Tätigen und Wirkenden. Zur Gestalt gehört [...] mit einer nahezu unwiderlegbaren inneren Folgerichtigkeit und Plausibilität ein Akteur – der ›Gestalter‹«.43 Dabei ist die Frage nicht unbedingt einheitlich beantwortet worden, ob ›Gestalter/in‹ bloß Rezipient/in oder auch Produzent/in meint. So notiert etwa CONRAD FIEDLER in einem Essay von 1876: »die Kunst« habe »es nicht mit Gestalten zu tun, die sie vor ihrer Tätigkeit und unabhängig von derselben vorfindet, sondern Anfang und Ende ihrer Tätigkeit liegt in der Schaffung der Gestalten, die durch sie überhaupt erst zum Dasein gelangen.« In diesem Sinne kann FIEDLER folgern, es sei die Funktion der Kunst, »die Welt erst durch und für das künstlerische Bewußtsein« zu erzeugen.44 Besonders in den Ursprüngen der Gestaltpsychologie wird deutlich, dass ›Gestalt‹ kein rein visuell wirkendes Prinzip ist, sondern eines von Wahrnehmung und Kognition 40 Die Satzung des Staatlichen Bauhauses von 1921 fasst unter dem Begriff ›Gestaltungslehre‹ explizit »(Zeichnen, Malen, Modellieren, Bauen), Lehre von den Grundformen, Gestaltung von Fläche, Körper und Raum, Kompositionslehre«; später unter ›Gestaltung‹ »1. Raumlehre, 2. Farblehre, 3. Kompositionslehre«. Vgl. V. Wahl (Hg.): Das Staatliche Bauhaus in Weimar. Köln u.a. 2009. S. 118, 133, 284, 392, 395. 41 Vgl. T. Neu: Von der Gestaltungslehre zu den Grundlagen der Gestaltung. Ravensburg 1978. S. 11f., passim. Vgl. auch H. Ronge: Kunstlehre früher und heute. Ratingen 1965. 42 Vgl. A. Simonis: Gestaltheorie von Goethe bis Benjamin. Köln u.a. 2001. S. 1-22, passim. Eine solche komplexe »Diskursgeschichte« teilt sich der Begriff ›Gestalt‹ etwa mit den Begriffen ›Bildung‹ und ›Spiel‹. 43 Vgl. ebd., insbesondere S. 10-13, hier 11. 44 Vgl. C. Fiedler: Über die Beurteilung von Werken der bildenden Kunst (1876). Köln 1977. S. 55. Hinweis bei A. Simonis: Gestaltheorie von Goethe bis Benjamin. Köln u.a. 2001. S. 144.

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überhaupt. So stammen die frühen Überlegungen zum Gestaltphänomen, die ERNST MACH 1886 anstellt, aus der Musik; ein Umstand, der CHRISTIAN VON EHRENFELS bei der Begründung eines visuellen Gestaltbegriffes noch sehr bewusst ist. So schreibt 1890 EHRENFELS in der Begründung seiner Wahrnehmungstheorie Über ›Gestaltqualitäten‹, dass sich die räumliche, zeitliche oder tonale (sprachliche sowie musikalische) Gestalt, wie sie im menschlichen Bewusstsein erscheint, nicht auf die einzelnen äußeren Bestimmtheiten reduzieren lässt, sondern das Bewusstsein diese stets zu einer ›Wahrnehmungsentität‹ ergänze.45 Die Gestaltpsychologie richtete sich damit gegen die Kunsttheorien der Mimesis (Naturnachahmung), da sie die Unumgänglichkeit des Wahrnehmungsprozesses betonte, die eine objektive Welterfahrung unmöglich mache. EHRENFELS öffnet damit den Weg zur wissenschaftlichen Institutionalisierung und Systematisierung der Wahrnehmung, den jedoch erst MAX WERTHEIMER beschreiten sollte.46 So verweisen WOLFGANG KÖHLER und MAX WERTHEIMER, wie WOLFGANG METZGER betont, explizit auch auf verwandte Gesetze »im Vorstellen und Denken«.47 In seinen Untersuchungen über ›Produktives Denken‹ hatte sich WERTHEIMER auf der Grundlage der Versuche »über Gestaltgesetze« zudem mit den Gesetzen, der Logik und Dynamik des Denkens sowie mit gedanklichen Strukturen befasst und sich dabei auch gegen die Annahme gestellt, dass diese erlernt oder erworben seien.48 Im Rahmen des Denkprozesses werden Ausgangssituationen, die von Lücken oder strukturelle Unklarheiten bestimmt seien, je nach ihren Eigentümlichkeiten und den Forderungen der Sache in Zielsituationen überführt, in denen das Problem oder die Spannung gelöst sei. »Diese Entwicklung ist bestimmt durch das sogenannte Prägnanz-Prinzip, durch die Tendenz zur guten Gestalt, durch die verschiedenen Gestaltgesetze.«49 So treibe zum Beispiel das Prinzip der Prägnanz zur Auseinandersetzung und Problemlösung an, verführe aber zugleich zu voreiligen Schlüssen und Vereinfachungen.50 ›Gestaltung‹ meint 45 Vgl. C. v. Ehrenfels: Über »Gestaltqualitäten« (1890). München u.a. 1990. Vgl. B. Smith: Gestalt Theory. München u.a. 1988. S. 15, passim. »Its specific interest here, however, lies in the generality with which Ehrenfels formulated his proposal. For even though he himself applied his idea of a generalized geometry of Gestalten in greatest detail to the specific case of our perception of melodies and similar formations, he recognized that the idea is applicable, in principle, to all varieties of experience, both perceptual and non-perceptual.« 46 Vgl. ebd., S. 129-149. Diesen Anspruch hatte schon Gustav Theodor Fechner 1876 in seiner Vorschule der Ästhetik als empirische Ästhetik »von unten« formuliert. Zur Geschichte der psychologischen Ästhetik überblicksweise siehe E. Mai (Hg.): Ideengeschichte und Kunstwissenschaft. Berlin 1983. 47 Vgl. W. Metzger: Gesetze des Sehens. Frankfurt a.M. 1975. S. 645-647. 48 »Diese nämlich haben ihren Schwerpunkt in Gesetzen der Organisation und der sinnvollen Struktur; sie sind eher eine Folge der strukturellen Art und Weise, in der unser Geist und Gehirn arbeitet, als die Folge blinder Assoziationen«. Vgl. M. Wertheimer: Produktives Denken. Frankfurt a.M. 1957. S. 73-76, hier 74. Das Register verweist unter dem Stichwort ›künstlerische Gestaltung‹ beinahe allein auf Beispiele aus der Musik. Vgl. ebd., S. 260, 97, 113, 229f. 49 Vgl. ebd., S. 224-230, hier 225. 50 »Es gibt ein Streben nach struktureller Klarheit, Überschaubarkeit, nach Wahrheit im Gegensatz zum Blick auf Belanglosigkeit – das Verlangen sich nicht selbst zu betrügen. Wenn dieses Verlangen, die wahre Struktur gewissenhaft zu erfassen, schwach ist, dann überwiegt

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also immer auch, Entscheidungen auf der Grundlage des menschlichen Wahrnehmungsund Verstehensprozesses zu treffen; die Physiologie, Erwartungshaltung und Imagination – also das für den Rezipienten nicht sichtbare – in den Werkprozess aufzunehmen. Der Begriff ›Gestaltung‹ im weiteren Sinne bezeichnet im Folgenden also Herstellungsprozesse in unterschiedlichsten Medien, die von Prozessen der Wahrnehmung und Kognition ausgehen. So können spezifische, nicht visuelle ›Gestaltungslehren‹ als grundlegende Lehrsysteme methodisch getrennter, elementarer Gestaltungsmittel und zunehmend komplexeren Verfahren ihrer Anwendung verstanden werden, die Sensibilität, kognitive Fähigkeiten im Gestaltungsprozess sowie Kreativität entwickeln sollen. »Gestaltungslehren liegen als reflektiertes Ergebnis der Unterrichtsprozesse in einer fixierten Form vor, als Text, Buch, Aufsatz, Katalog o.ä. Damit erst sind Gestaltungslehren als Konzepte oder Programme des eigentlichen Unterrichts öffentlicher Diskussion zugänglich, im vorliegenden Fall ist dadurch eine theoretisch-analytische Betrachtung möglich.«51

Ob die derzeit im deutschsprachigen Raum vorherrschende ›Lehre‹ im Universitätsstudium des ›Designs‹ tatsächlich Modellcharakter für Designausbildungen hat, ist allerdings anzuzweifeln.52 Wesentliche Kritikpunkte fasst GUIDO KÜHN zur Einrichtung der Plattform ›Designdidaktik‹ zusammen: Vielfach werde die Lehre des Designs eben nicht auf einer planbaren Struktur aufgebaut, sondern vielmehr die Meinung vertreten, die Ausbildung hänge vor allem von Willen und Talent der Lernenden ab, welche durch Aufnahmeprüfungen sichergestellt würden. Eine Prüfung der pädagogischen oder fachlichen Eignung der Lehrenden anhand objektiver Kriterien spiele hingegen keine Rolle. So herrsche nicht nur ein methodisches Durcheinander, sondern es würde zugleich die Akademisierung der Designausbildung vorangetrieben, da die aktuelle Lehrendengeneration ebenfalls nur von »De-facto-Autodidakten« unterrichtet worden sei. Diese »ungesteuerte und willkürliche Ausbildung« stehe im krassen Widerspruch zum Handlungswissen der Berufspraxis und den Zwängen der Wertschöpfungsketten, innerhalb derer sich das Berufsfeld bewege: »Man preist die Freiheit der Lehre, sucht aber bei Lichte oftmals [...] nur den einfacheren Weg, [...] ohne eine disziplinwürdige, ja diese erst bildende übergreifende Diskussion. Inhalte, Ziele und Vermittlung werden wenig überraschend blumig wortreich beschwiegen oder fragmentiert in kleinen und kleinsten Bezügen besprochen. Gleichsam wie in der Kunstausbildung organisiert sich die Lehre oft in mentalen Zugehörigkeitsräumen um einzelne Professoren. Die Professorenschaft ihrerseits gliedert sich in Lager oft unausgesprochener Nähen. Eine Diskussion scheitert oft schon an strukturelle Vereinfachung in irgendeiner gewünschten Richtung.« Vgl. ebd., S. 230-232, hier 321. 51 T. Neu: Von der Gestaltungslehre zu den Grundlagen der Gestaltung. Ravensburg 1978. S. 11f. 52 Das Design als gestalterische Praxis existiert bis heute mit dem ungelösten Widerspruch, zugleich zulassungsbeschränkter Studiengang zu sein, dessen Zugang durch künstlerisch-gestalterische Eignungsprüfungen geregelt ist und doch den Anspruch einer Hochschuldisziplin mit Curricula und Kompetenzen zu formulieren. Es ist gerade dieser ungelöste Widerspruch über die Vermittelbarkeit des Designs der eine ungeahnte Anziehungskraft auch auf andere Disziplinen ausübt.

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der fehlenden gemeinsamen Sprache, gelegentlich wohl auch Willen und verbleibt in Folge allzu oft im vagen und damit im für alle unbequemen. [sic!] Die Problematik inhaltlicher Auseinandersetzung wird daher gerne durch Substitute umschifft oder unwidersprochen von außen gesetzt.«53

Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass in der frühneuzeitlichen Rhetoriktradition (anders als bei der Poetik) – wie DIETMAR TILL anhand der ›Naturaars-Dialektik‹ aufgezeigt hat – stets ihre Lehr- und Lernbarkeit betont wird. Zumindest verlange das Verhältnis von angeborener Begabung und regelgeleiteter Kunst, das eine Vielzahl frühneuzeitlicher Diskussionen bestimmte, immer wieder nach eindeutiger Stellungnahme.54 Wie TILL zudem zeigt, sind die Ursprünge einer genieästhetischen ›Natura‹-Auslegung – die schließlich maßgeblich zur Abkehr vom rhetorischen Lehrgebäude ab 1700 beitrug – bereits im direkten Umfeld der frühneuzeitlichen Rhetorik selbst, den praxisorientierten Begründungszusammenhängen der Hofberedsamkeit und der Konversationstheorie nachzuweisen,55 die sich damit gegen die ›Pedanterie‹ der ›Schulrhetorik‹ wendeten, um vielmehr nicht erlernbare ›Natürlichkeit‹ und ›Anmut‹ einzufordern.56 Gegen die vereinfachende Vorstellung von der »genialischen Inspiration« verbindet auch GESCHE JOOST die Formulierung einer Rhetorik des Designs mit dem Ziel einer auf Selbsttheoretisierung bauenden Vermittlung des Designs:

53 Vgl. G. Kühn: Designdidaktik!? In: Designdidaktik.de, 23.10.2013. (Online). Vgl. auch M. Gold: Der Designunterricht steckt im Sumpf. In: Hochparterre, Bd. 15, H. 5, 2002. S. 40f. (Online) 54 Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 77-87. Till kommt in seiner Untersuchung mehrfach auf diese Kernproblematik zurück. Vgl. zur ›Natura-ars-Dialektik‹ bei Quintilian auch die Diskussion der entsprechenden Textstellen, ebd., S. 380-385. 55 Gleichzeitig vollzog sich innerhalb von ›galanter‹ Hofberedsamkeit, Konversations- und Brieftheorie eine Abkehr vom Gattungssystem und der Dreistillehre der Schulrhetorik sowie eine Betonung des ›Individualstiles‹ und der authentischen Affekthaltung, die auf persönlichem Ingenium gründeten. Insgesamt führte dies zu einer schleichenden Unterminierung der Rhetorik als lehr- und lernbarer techne, noch bevor sie durch Aufklärungspädagogik und romantische Genieästhetik gänzlich verworfen wurde. Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. Insbesondere Kap. II, auch S. 361-375, passim. Dass sich diese rednerische Exklusivität ausgerechnet im Umfeld der Hofberedsamkeit entwickeln konnte, mag nicht allein in pragmatischen Anforderungen, sondern auch in der höfischen Gesellschaft selbst begründet sein, bleibt doch – bei aller Kritik – vor allem die standesabhängige Angemessenheitslehre des aptum unangetastet – mit besonders zynischen Folgen für heutige Vertreter genieästhetischen Gedankengutes. Vgl. N. Elias: Die höfische Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1989. Insbesondere ihre ›Ubiquität‹ wird für die ›Schulrhetorik‹ damit zum Problem, war sie doch, wie Barner nachgewiesen hat, als Allgemeinwissen tief in den Lehrinstitutionen des Barock verankert. Auflösungserscheinungen der Rhetorik als System zeigen sich ja stets in Auseinandersetzung mit dieser. Vgl. W. Barner: Barockrhetorik. Tübingen 1970. Zum Antagonismus von Universität und Hof vgl. W. Kühlmann: Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat. Tübingen 1982. 56 Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 7f., 146-181. Auch muss vor dem Hintergrund der Forderung nach ›Nachlässigkeit‹ das gegenwärtige Anbändeln des Designs mit dem Dilettantismus bewertet werden. Vgl. C. Zachow, D. Reibestein (Hg.): Design + Dilettant = Dilemma? Berlin 2012.

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»Wird eine rhetorische Design-Theorie und -Praxis für die Design-Ausbildung genutzt, entsteht ein zusammenhängendes Lehrgebäude, das ein umfassendes Verständnis über die Instrumente und Prozesse der Gestaltung vermittelt. Theorie und Praxis greifen in diesem Gebäude ineinander, da die Theorie aus der Praxis abgeleitet wird und diese wiederum beeinflussen kann.«57

Mit der engen Verzahnung der Produktionstheorie, wie sie beispielhaft in der Rhetorik vorliegt, und einem spezifischen Designfeld knüpft diese Arbeit an mehrere Forschungslinien an, die im Folgenden kurz skizziert werden sollen. Zuvor soll aber noch kurz auf die Allgemeine Rhetorik eingegangen werden, deren Paradigmen sich für die vorliegende Arbeit als problematisch und daher nur begrenzt anknüpfungsfähig erwiesen haben. Allgemeine Rhetorik

Jenseits ihres historischen, kulturellen oder philosophischen Kontextes wurde ab Mitte des 20. Jahrhunderts von verschiedenen Richtungen – meist jedoch vor sprach-, argumentations- oder zeichentheoretischem Hintergrund und »vielfach unverbunden nebeneinander« – versucht, die Rhetorik als allgemeine Systematik erneut nutzbar zu machen.58 Wesentliche Beiträge zur Wiederentdeckung der Rhetorik wurden bereits in den 1950er-Jahren vorgelegt. Unter dem Stichwort ›New Rhetoric‹ wurden dabei so unterschiedliche Ansätze zusammengefasst wie die auf einer ausführlichen AristotelesRezeption fußenden Argumentationstheorie des belgischen Juristen CHAIM PERELMAN (1912–1984) oder die Umformulierung der Rhetorik zur Kommunikationswissenschaft durch den amerikanischen Schriftsteller KENNETH BURKE (1897–1993).59 Ähnliche Bemühungen lassen sich im Rahmen des vornehmlich französischen Strukturalismus beobachten, die etwa zur Aufnahme des rhetorischen Figurenkataloges in die Semiotik führten.60 Als einer ihrer Vertreter wendete sich ROLAND BARTHES 1964/65 recht ausführlich dem Gesamtsystem der ›alten Rhetorik‹ zu und äußerte sich zudem kritisch gegenüber »dem Widersinn, der die Rhetorik auf die ›Figuren‹ beschränkt«.61 Mit seinem Artikel zur ›Rhetorik des Bildes‹ hatte BARTHES selbst bereits 1964 einen auf Figuren konzentrierten Text vorgelegt, der wohl zu den meistgedruckten der Bildsemiotik gehört.62 Symptomatisch für die sich anschließende strukturalistische Rezeptionsgeschichte der Rhetorik im 20. Jahrhundert ist die erstmals 1960 erschienene extensive Aufarbeitung der rhetorischen Systematik im Handbuch der literarischen Rhetorik von HEINRICH

57 G. Joost: Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 352. 58 Zu den Entwicklungen im 20. Jh., vgl. G. Ueding, B. Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Stuttgart 2005. S. 159-206. Vgl. G. Braungart, D. Till: Rhetorik. In: K. Weimar et al. (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, 3 Bd. Berlin u.a. 2003. S. 290-295, hier 294. 59 Vgl. G. Ueding (Hg.): Rhetorik. Tübingen 2005. S. 34f. H. Holocher: Anfänge der »New Rhetoric«. Tübingen 1996. 60 G. Ueding, B. Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Stuttgart 2005. S. 169f. 61 Vgl. R. Barthes: Die alte Rhetorik. In: Ders.: Das semiologische Abenteuer. Frankfurt a.M. 1988. S. 15-101, hier 95. 62 Ders.: Rhetorik des Bildes. In: G. Schiwy (Hg.): Der französische Strukturalismus. Reinbek 1969. S. 158-166.

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LAUSBERG. Sie steht wie kein anderes Werk für das Bestreben, eine Allgemeine Rhetorik zu entwerfen.63 Angeregt von der die Aufmerksamkeit, die der Rhetorik durch die französische Literaturtheorie zukam, gründeten Angehörige der belgischen Universität Lüttich um JACQUES DUBOIS die Groupe μ, die sich in der Folge mit der Formulierung einer semiologischen Theorie von sprachlicher Norm und Abweichung befasste, die im Wesentlichen jedoch eine Theorie ›figürlicher‹ Kommunikation war.64 Im zweiten Teil ihres erstmals 1970 erschienenen Werkes Rhétorique genérale formulierte die Groupe μ schließlich »ein[en] erste[n] Vorstoß in das so gut wie noch unerforschte Gebiet einer auf alle Zeichensysteme anwendbaren Rhetorik«. Denn »theoretisch müßte sich [...] das, was dort von sprachlicher Kommunikation gesagt wird, auch auf nicht-sprachliche Kommunikationssysteme übertragen lassen«.65 HEINRICH F. PLETT kritisiert diese »fragmetarischen« und »unvollkommenen« ersten Ansätze einer methodologisch und systematisch ausgerichteten Rhetorik (zu denen er neben BARTHES und der Groupe μ auch GUI BONSIEPE zählt) schon 1978, da sie vielfach auf stark verkürzten Rhetorikkonzepten aufbauten, die sich allein auf die elocutio, den Stil oder noch enger die Figurenlehre beschränken. Damit seien diese eben gerade nicht mehr »allgemein«, da sie wesentliche Teile der Systematik ausblendeten. Schließlich hält PLETT, mit Blick auf eine visuelle bzw. verbale Kommunikation (BONSIEPE) und Film (KAEMMERLING), die Übertragbarkeit der sprachlich-rhetorischen Figuren für »fraglich«, den Transfer für »nicht ganz unproblematisch« und in seiner Gültigkeit für »begrenzt«. Es drohe »ständig die Gefahr vager Analogiebildungen«.66 In Deutschland fand die Allgemeine Rhetorik den deutlichsten Niederschlag an der Eberhard Karls Universität Tübingen.67 Im Jahr 1963 wurde mit WALTER JENS (1923– 2013) erstmals seit 1829 wieder ein Lehrstuhl für Rhetorik in Deutschland besetzt. In einem Vortrag von 1965 forderte er: »[E]s wird Zeit, es wird hohe Zeit, daß es die regina artium, die Rhetorik als alte und neue Königin der Wissenschaften, endlich auch in unserem Lande aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und ihr Geschäft betreibt: aufzuklären und mit Hilfe der situationsbezogenen Agitation die Humanität zu befördern.«68

1967 begründete JENS das Seminar für Allgemeine Rhetorik, dem er als Direktor vorstand. JENS’ Nachfolger von 1988 bis 2009 wurde sein Schüler GERT UEDING (*1942), 63 Vgl. H. Lausberg: Handbuch der literarischen Rhetorik. Stuttgart 2008. Man hat Lausberg – nicht ganz unberechtigt – vorgeworfen, sich zwar auf historische Quellen zu stützen, diese jedoch in einem Akt der ›Scholastik‹ zu einer letztlich kontext- und funktionslosen Gesamtdarstellung zu vermengen, wie sie als ausgeformte Systematik niemals existiert hat. Zu dieser Diskussion siehe D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 4, 14-26, 56-60. 64 G. Ueding, B. Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Stuttgart 2005. S. 170f. 65 Vgl. J. Dubois et al.: Allgemeine Rhetorik. München 1974. S. 259-325, hier 260. 66 H.F. Plett: Rhetorik, Stilmodelle und moderne Texttheorie. Göttingen 1978. S. 274f., 295f. 67 Zur jüngeren Geschichte der Allgemeinen Rhetorik in Tübingen vgl. J. Knape: Die Interdisziplinarität der Tübinger Rhetorik in historischer Sicht. In: K. Strobel (Hg.): Die deutsche Universität im 20. Jahrhundert. Vierow 1994. S. 200-217. 68 W. Jens: Von deutscher Rede. München 1969. S. 45.

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von 1991 bis 2018 unterstützt von JOACHIM KNAPE (*1950) als Professor für Allgemeine Rhetorik. Durch JENS-Schüler wie etwa JOSEF KOPPERSCHMIDT (*1937) wirkte die Allgemeine Rhetorik auch über Tübingen hinaus. Zu den wichtigen Leistungen der Tübinger Rhetorikforschung gehört das Historische Wörterbuch der Rhetorik, das begründet und herausgegeben von UEDING ab 1992 in zehn Bänden erschien. Oberstes Ziel der Tübinger Schule ist die dekontextualisierte – also medienunabhängige – strukturelle (Re)Konstruktion des rhetorischen Modells und seine Weiterentwicklung zur Allgemeinen Rhetorik im Sinne einer vielschichtigen sowie umfassenden Kommunikations- und Medientheorie. Auf die Herausforderung, mit einer zunehmenden medialen Ausdifferenzierung umzugehen, antworteten ihre Vertreter/innen zum einen mit einer Ausweitung des Kommunikationsmodells und zum anderen mit einem breiteren Verständnis dessen, was ein rhetorischer ›Text‹ sei. Schon KOPPERSCHMIDT weist 1973 darauf hin, dass zu den drei für »jeden Prozeß von Kommunikation« konstitutiven Faktoren Kommunikator, Rezipient und Nachricht »noch das für heutige Kommunikationsprozesse wichtige (technische) ›Medium‹ tritt«.69 »Die moderne Rhetoriktheorie muss [...] ein zweites Basis-Setting abstrahieren, um der Entwicklung der Kommunikationsbedingungen Rechnung zu tragen. Es handelt sich dabei um die situationsüberschreitende Kommunikation, für die sich der Begriff der Dimission anbietet. Der positive Effekt besteht bei der Dimission für den Orator darin, dass sein Text per situationsüberschreitender Distanzkommunikation mit Hilfe externer Medien (Bote, Brief, Online-Medien usw.) über Raum und Zeit hinweg gesendet werden kann, ohne dass er selbst noch bei diesem Teil des Kommunikationsprozesses als Speicher und Sender operativ tätig sein muss.«70

In logischer Konsequenz wird der Textbegriff der neueren Rhetoriktheorie so breit aufgestellt, dass er über unterschiedliche Textgattungen hinaus weitere Medien umfasst. Vornehmlich die rhetorische Textanalyse wurde dabei insoweit aktualisiert, dass sie auch für »Interpretationen außersprachlicher (bes. visueller) Texte relevant wird«.71 Beispielhaft ist dies vor allem für eine »Bildrhetorik« durchgespielt worden. »Die Rhetorik eines Bildes ist demnach sein ihm zugrunde liegendes, bildstrukturell sedimentiertes, auf einen kommunikativen Effekt ausgerichtetes, mithin strategisches Produktionskalkül sowie sein (auf Handlungszusammenhänge bezogenes) Interaktionspotenzial, das sich im Text als persuasive Bedeutungsdimension darstellt.«72 Die Übertragbarkeit des rhetorischen Modells auf eine Vielzahl von Medien thematisiert auch KOPPERSCHMIDT im Abschnitt »Transfermöglichkeiten rhetorischer Gestaltungsgesetze« in aller Deutlichkeit, sowohl an historischen Beispielen als auch der ›visuellen Rhetorik‹ als »Bereich eines gelungenen Transfers«. Rhetorische Gestaltungsregeln seien insofern allgemeinrhetorisch, da sie bloß eine (wenn auch die vielleicht erste) Kodifizierung einer allgemeinen ästhetischen Grammatik darstellen: 69 Vgl. J. Kopperschmidt: Allgemeine Rhetorik. Stuttgart u.a. 1973. S. 157-160, hier 157. 70 Vgl. J. Knape: The Medium is the Massage? In: Ders. (Hg.): Medienrhetorik. Tübingen 2005. S. 17-39, hier 30. Ders.: Was ist Rhetorik? Stuttgart 2000. S. 90-106, insbesondere die Tabelle auf S. 98. 71 Vgl. J. Kopperschmidt: Allgemeine Rhetorik. Stuttgart u.a. 1973. S. 25, 157-160. 72 Vgl. J. Knape: Bildrhetorik. In: Ders. (Hg.): Bildrhetorik. Baden-Baden 2007. S. 9-32, hier 17.

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»Wenn man diese Interpretation akzeptiert, dann sind die [...] Beispiele einer außerlinguistischen Geltung rhetorischer Gestaltgesetze als ein Hinweis zu lesen, daß die Rhetorik die Regeln der ästhetischen Grammatik in ihrer linguistischen Realisation am ehesten entdeckt und systematisch klassifiziert hat. Der in der Überschrift dieses Abschnittes gewählte Begriff ›Transfer‹ würde demnach eher die Methode der betreffenden Interpretationen beschreiben, als deren Logik begründen.«73

Trotz ihres universalistischen Anspruches und trotz der Konstitution der Rhetorik als Produktionstheorie geht die Allgemeine Rhetorik der Tübinger Schule – und damit in vielerlei Hinsicht den Vertreter/innen der Medientheorie oder des französischen (Post-) Strukturalismus ähnlich – kaum über eine reine Rezeptionstheorie hinaus. Insbesondere die Frage, wie sich medienspezifische Produktionsprozesse zur Allgemeinen Rhetorik verhalten, bleibt in aller Regel ungeklärt.74 Bereits 1973 postuliert KOPPERSCHMIDT in seinem Entwurf der Allgemeinen Rhetorik eine Fokussierung auf eine idealtypische, abstrahierte reine bzw. theoretische Rhetorik, »die als solche zu unterscheiden ist von einer Angewandten Rhetorik«, begleitet von der Abkehr von historisierenden gegenüber systematischen Ansätzen, von der Handbuchliteratur zugunsten einer Theorie des persuasiven Kommunikationsaktes.75 Genauso heißt es noch bei KNAPE, der Weg zur Produktion führe stets über die allgemeinrhetorische Analyse und Abstraktion: »Alle Texte entfalten eine gewisse rhetorische Bedeutungsdimension, diese Dimension ist das am Text hängende rhetorische Potential und lässt sich kommunikativ-strategisch in Dienst nehmen. Bei der rhetorischen Theoriebildung muss diese Dimension analysiert und dann so von ihr abstrahiert werden, dass sich daraus Grundsätze und Anleitungen für die Produktion neuer, rhetorisch dimensionierter Texte gewinnen lassen.«76

Veröffentlichungen zur Allgemeinen Rhetorik müssen aus Sicht der Produktion zu stark analyseorientiert, ahistorisch und ›allgemein‹ erscheinen. In ihrer Analyseorientierung spiegelt sich nicht nur das Erbe einer auf die Texthermeneutik verkürzten Rhetorik wider, sondern auch die Tradition der Rechtfertigung der eigenen Disziplin, indem weiterhin der Primat der Theoriebildung vor der Anwendung gilt, der letztlich schon in der Rhetorikbegründung des (Nicht-Praktikers) ARISTOTELES anzutreffen ist. Ergebnis ist nicht mehr die zielgerichtete Anwendung der Rhetorik zur Herstellung von ›Texten‹, sondern die Nutzbarmachung der rhetorischen Systematik für die Beschreibung und 73 Vgl. J. Kopperschmidt: Allgemeine Rhetorik. Stuttgart u.a. 1973. S. 175-178, hier 177. Als Medien werden genannt: Musik, Literatur, Malerei, Architektur, Mode, Film, Radio und Visuelle Kommunikation. 74 Bei Knape heißt es unter dem Begriff ›Medialrhetorik‹ schlicht: »Der Orator ist die Botschaft [...]. Dies impliziert, dass der Orator [...] seine mediale Präsenz nach wie vor bewusst durchzusetzen, sein rhetorisches Handeln also medienspezifisch wirkungsvoll zu vermitteln hat.« Vgl. J. Knape: Was ist Rhetorik? Stuttgart 2000. S. 90-106, hier 93. 75 »Mit dieser methodisch begründeten Ausgrenzung der Angewandten Rhetorik aus dem Fragehorizont dieser Untersuchung werden alle Fragen ausgeblendet, die sich mit der praktischen Nutzung der Rhetorik für Produktion und Analyse von Persuasiven Texten befassen.« Vgl. J. Kopperschmidt: Allgemeine Rhetorik. Stuttgart u.a. 1973. S. 23-25, 28-31, hier 24. 76 J. Knape: Was ist Rhetorik? Stuttgart 2000. S. 131.

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Analyse bereits existierender ›Texte‹ – nicht ohne wiederum den Verlust von Beschreibungs- und Analysefähigkeit in Kauf zu nehmen. Darüber hinaus verwenden sowohl anthropologisch als auch strukturalistisch begründete Theoriegebäude häufig einen ahistorischen Rhetorikbegriff, gefolgt von einem einseitigen, künstlich erweiterten, unvollständigen oder oberflächlichen Verständnis der rhetorischen Systematik. Schließlich ist ihr Anspruch auf Allgemeingültigkeit schon genuin problembehaftet, da sie den spezifischen Produktionsbedingungen einzelner Medien nicht gerecht werden kann. Ohne die nötige Vorsicht werden allgemeinrhetorische Ansätze daher schnell normativ, indem sie nicht mehr die gestalterische Praxis beschreiben, sondern vielmehr idealtypische Prozesse vorschreiben wollen, sofern sie sich nicht damit begnügen, ganz ›allgemeine‹ Vergleiche anzustellen.77 In ihrer detaillierten und strukturierten Systematik kann die Allgemeine Rhetorik wichtige Impulse für die reflektierte Durchdringung gestalterischer Praxis in vielfältigen Medien bieten. In ihrer schrittweisen Ablösung von Produktionsorientierung, historisch existenten und medienspezifischen Gestaltungsprozessen bleibt die Allgemeine Rhetorik jedoch stets der Gefahr ausgesetzt, als abstrahierte Theorie zum reinen Stichwortgeber einer praxisfernen Designtheorie zu werden. Design als téchnē

Design über die Rhetorik hinaus als eigenständige téchnē – also als Gestaltungstechnik – zu begreifen, ist in den vergangenen Jahren verschiedentlich thematisiert worden, ohne dass sich diese Überlegung in der Theoriebildung des Designs tatsächlich niedergeschlagen hat. In diesem Zusammenhang haben RICHARD MCKEON, GONSALV K. MAINBERGER sowie zuletzt ULRICH HEINEN wichtige Schriften vorgelegt.78 An erster Stelle ist RICHARD MCKEON (1900–1985) zu nennen, der an der Columbia Universität in New York und der Universität von Chicago lehrte, zunächst als Professor für Geschichte und kurz darauf als Professor für Griechische Philosophie.79 Sein Denken war wesentlich geprägt von den amerikanischen Pragmatisten FREDERICK J.E. WOODBRIDGE und JOHN DEWEY, bei denen er auch studiert hatte. MCKEON engagierte sich in

77 Exemplarisch zu sehen in der Arbeit zur Fotorhetorik von Joanne Boerkey, die sich in der Analyse von fünf ausgewählten Bildbeispielen vornehmlich auf ihre Ausbildung als Fotografin stützt und eben nicht auf den zuvor entwickelten Begriffsapparat einer an Semiotik und Gestalttheorie übersättigten Rhetorik. Vgl. J. Boerkey: Fotorhetorik. Düsseldorf 2004. 78 Bei allen hier genannten Texten handelt es sich um Beiträge in Zeitschriften oder Sammelbänden. Trotz des vermeintlich etablierten Status des Forschungsfeldes muss doch festgehalten werden, dass zur ›Designrhetorik‹ – im Gegensatz zur engeren ›Filmrhetorik‹ und vor allem zu anderen Schulen der Designtheorie – bis heute keine umfassende ›designwissenschaftliche‹ Einzeluntersuchung, geschweige denn Designtheorie vorliegt. Vgl. C. Mareis: Theorien des Designs. Hamburg 2014. S. 136-143. Dazu ausführlicher der Verf.: Rez.: Pierre Smolarski, Rhetorik des Designs & Rhetorik der Stadt. In: Rhetorik, Bd. 36, H. 1, 2017. S. 141-145. 79 Zu McKeon, Buchanan und dem Entstehen der Designrhetorik inzwischen ausführlicher S. Aulich, B. Blankenheim: Alte Theorie und aktuelle Relevanz. In: C. Rodatz, P. Smolarski (Hg.): Was ist Public Interest Design? Bielefeld 2018. S. 312-337.

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den frühen Jahren bei der UNESCO und beeinflusste maßgeblich die Chicago School der Literaturkritik, unter ihnen WAYNE C. BOOTH.80 MCKEONS Beitrag zum Verhältnis von Rhetorik, téchnē und den Künsten lässt sich am besten ablesen an seinem erstmals 1971 erschienenen Artikel ›The Uses of Rhetoric in a Technological Age: Architectonic Productive Arts‹.81 MCKEON versteht Rhetorik angesichts ihrer wandlungsvollen Geschichte nicht mehr als ›Kunst der Überredung bzw. Überzeugung‹, sondern – basierend auf dem Prinzip der »Amplifikation« – als »productive or poetic art, an art of making in all phases of human activity«, und – basierend auf dem Prinzip der ›Schematisierung‹ – als »an architectonic art, an art structuring all principles and products of knowing, doing, and making«.82 MCKEON erkennt hinter der Fassade der Rhetorik ein allgemeines Grundgerüst als Grundlage aller herstellenden Künste und nennt sie – unter Rückgriff auf ARISTOTELES – die »architectonic arts« und den »master craftsman« nennt er »architectonic artist«. Der Rhetorik weist er als »universal art« jedoch eine besondere Rolle zu, da sie die Rekonstruktion und Übertragung ihrer zugrunde liegenden ›architektonischen‹ Prinzipien erlaubt habe: »[Renaissance philosophers] sought to make rhetoric a productive architectonic art of all arts and of all products rather than a productive technical art of language and persuasion. To make that transformation they transformed the architectonic functions of rhetoric from the practical or legal organization of actions in virtues and institutions to the productive or poetic organization of constructions in art objects and cultures.«83

MCKEON nennt diese Unternehmung schließlich eine »New Rhetoric« und stellt auf der Grundlage der antiken Systemrhetorik zentrale Problemstellungen und methodische Ansätze für ihre Lösung vor.84 Die deutlichsten Spuren im Kontext der Designausbildung und -theorie hat die Lehre MCKEONS bei RICHARD BUCHANAN hinterlassen, der selbst in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren an der Universität von Chicago bei MCKEON Rhetorik und Poetik studiert hatte. BUCHANAN wurde 1992 Professor und Vorstand an der School of Design der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh, wo seine »humanistic vision of design« als Grundlage für die Entwicklung mehrerer Bachelor- und Masterstudiengänge im Design diente.85 BUCHANANS erstmals 1985 erschienener Artikel ›Declaration by Design‹ 80 Zu McKeons Biografie und Wirken siehe die entsprechenden Fachtexte, bereitgestellt auf der anonym betriebenen Internetpräsenz: Richard McKeon (1900-1985). o.O. 2011. (Online) Thomas O. Sloane bemerkt zu McKeon: »Seine Schriften sind rigoros, kompliziert, sehr gelehrt – und fast unlesbar.« Vgl. Ders.: Rhetorik an amerikanischen Colleges und Universitäten. In: H.F. Plett (Hg.): Die Aktualität der Rhetorik. München 1996. S. 190-209, hier 203f. 81 R. McKeon: The Uses of Rhetoric in a Technological Age. In: Ders.: Rhetoric. Woodbridge/ CT 1987. S. 1-24. 82 Vgl. ebd., S. 1f. 83 Vgl. ebd., S. 2-8, hier 8. 84 Vgl. ebd., S. 12-24. 85 Etwa die Master-Studiengänge ›Communication Planning and Information Design‹ in enger Kooperation mit dem Rhetorik-Angebot der Englisch-Abteilung sowie erstmals ›Interaction Design‹ mit dem Schwerpunkt in den »poetics of interaction«. Vgl. R. Buchanan: Design, Making, and a New Culture of Inquiry. In: D.P. Resnick, D.S. Scott: The Innovative Uni-

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gehört schließlich zu den »berühmten« ersten Annäherungsversuchen des Designs an die Rhetorik.86 Dennoch ging auch BUCHANAN nicht über die Zusammenführung rhetorischer Kategorien und einer insofern uneigenständigen Disziplin des Designs hinaus.87 Ohne einen direkten Bezug zur Designtheorie, sondern vielmehr basierend auf seiner Forschung zu Philosophie, Theologie und Rhetorik hat der Schweizer GONSALV K. MAINBERGER (1924–2015) auf die engen Verbindungen der rhetorischen Techne und dem Design hingewiesen. Dabei geht er vor allem von seiner 1987 vorgelegten Analyse der Rhetorik aus, die im abendländischen Konzept der Techne verortet:88 »Techne wird von Aristoteles als jene Instanz eingeführt, die dem Hervorbringen und Herstellen, dem handwerklichen wie dem geistigen Schaffen den Charakter des Wissens und der Selbstreflexion auf die eigenen Möglichkeiten sichert, ohne an ihm das Merkmal des Nichtnotwendigen zu tilgen. Indem Aristoteles das Erzeugen von Reden der Techne zuweist, stellt er sie überhalb der bloßen Fertigkeiten und macht deutlich, daß zu einem guten Redner mehr gehört als die Gewitztheit des schnellen Redens.«89

In seinem Aufsatz aus dem Jahr 1989, erneut abgedruckt in der 1994 erschienenen Aufsatzsammlung Rhetorische Vernunft. Oder: Das Design in der Philosophie, formuliert MAINBERGER dann die These von der ›Transformation der Rhetorik ins Design‹ bzw. die Behauptungen »Die Rhetorik war schon einmal Design« und im Umkehrschluss »Design ist Rhetorik«.90 Die industriell-technische Hervorbringung von Produkten, in deren Kontext das Design entstanden sei, habe eine Leerstelle für die Herstellung ästhetischer Qualität geschaffen, die sie selbst nicht habe schließen können.

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versity. Pittsburgh/PA 2004. S. 159-180, hier 165, 169. Noch 1999 wurde an der Carnegie Mellon in einer Kooperation mit der School of Computer Science und dem College of Fine Arts der Master of Entertainment Technology eingeführt, in dessen Rahmen u.a. Kurse in Game Design angeboten wurden. Vgl. R. Pausch, D. Marinelli: Carnegie Mellon’s Entertainment Technology Center. In: Communications of the ACM, Vol. 50, Is. 7, 2007. S. 50-57. R. Buchanan: Declaration by Design: Rhetorik, Argument und Darstellung in der Designpraxis (1985). In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel 2008. S. 49-79, hier 13. Ders.: Rhetoric and the productive Science. In: NATO Asi Series D Behavioural and Social Science 1993, Vol. 71. S. 267-275. Ders.: Rhetoric, Humanism, and Design. In: Ders., V. Margolin (Hg.): Discovering Design. Chicago/IL 1995. S. 23-66. Ders.: Design and the New Rhetoric. In: Philosophy & Rhetoric, Vol. 34, No. 3, Aug. 2001. S. 183-206. Noch während Buchanan dort als Direktor tätig war, entstand an der Carnegie Mellon School of Design auch das Buch Rhetoric and the Arts of Design von David Kaufer und Brian Butler, das diesen Zusammenhängen vertiefend nachging. D.S. Kaufer, B.S. Butler: Rhetoric and the Arts of Design. Mahwah/NJ 1996. Vgl. W. Keith: Rezension. In: A. Merger (Hg.): Jahrbuch Rhetorik, Bd. 17, Tübingen 1998. S. 180f. G.K. Mainberger: Rhetorica I, Reden mit Vernunft. Stuttgart-Bad Cannstatt 1987. S. 23-47, passim. Ebd., S. 39. Vgl. G.K. Mainberger: Transformation der Rhetorik ins Design. In: Ders.: Rhetorische Vernunft. Wien 1994. S. 207–220, hier 207f.

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»In der Rhetorik bot sich nun aber ein schon vorhandenes, bewährtes, ja ehrwürdiges, aber nicht mehr explizit verwendetes Modell und Instrumentarium an, und der Rückgriff auf es wurde lautlos vollzogen. Die Transformation der Rhetorik ins Design vollzieht sich im Akt der Inanspruchnahme einer Techne im antiken Sinne für die – wie es im 19. Jahrhundert formuliert wurde – ›künstlerische Gestaltung von Technik‹. [...] Design ist Techne der Technik. Rhetorik ist Techne: schöne Objekte freisetzendes, vernunftgesteuertes Können theoretischen Zuschnittes.«91

Erst weil Design und Rhetorik beiderseits als Techne zu begreifen seien, kann MAINBERGER die These aufstellen, dass die »Formgebung am Industrieprodukt«, aber etwa auch die Herstellung von Architektur und Film »nach den Regeln der Rhetorik« erfolge, die Rhetorik gleichermaßen um die Jahrhundertwende in das Universum des technischen Vernunftgebrauches »diffundiert« sei. Als Zeugnisse dienen ihm Parallelen in Rhetorikund Designgeschichte sowie schließlich die »Fachliteratur zum Design schweizerischer und deutscher Herkunft«.92 MAINBERGER wendet sich 1999 in dem Artikel ›Design plündert rhetorische Technik‹ noch einmal diesem Themenfeld zu und betont die Verwandtschaft zwischen Rhetorik und Design in ihrem gemeinsamen Vorfahren: der Techne.93 »Ein eindrucksvolles Argument gegen grassierende Technikfeindlichkeit ist der Hinweis auf die unabweisbare kulturelle Tatsache, dass Techne in hohem Masse in alltagspraktischen und sozialrelevanten Operationen unverzichtbar massgeblich war und ist [...]. Design gehört in diese Tradition hochwirksamer Techniken und schafft seit der industriellen Revolution laufend neuen Techniksituationen.«94

Die Sonderstellung der Rhetorik erkläre sich allein aus ihrem Erfolg in der abendländischen Kultur und ihrem daraus folgenden prototypischen Charakter. Das Design habe schließlich den Regelfundus der Rhetorik beerbt. So könne auch ohne »dokumentarisch ablesbare und belegbare Anleihen« ein »Anteil an rhetorischen Figuren und Regeln im Design« ausgemacht und »Spuren rhetorischen Verfahrens zwecks Gestaltung von handlichen und sprechenden Gegenständen« gesichert werden.95 MAINBERGER macht dabei das Agieren in Uneindeutigkeit, Unbestimmtheit, Unberechenbarkeit und Ungewissheit als wichtigste Gemeinsamkeit von rhetorischer téchnē und Design aus. Redner/innen wie auch Designer/innen können dem allein das Entzeichnen und Entdeuten sowie das Schaffen neuer Bedeutungszusammenhänge und Sinngestalten entgegensetzen. 91 Ebd., S. 208. 92 Vgl. ebd., S. 209-218, hier 209. »Die Qualitäten eines vielsagenden, handlich-brauchbaren, vielversprechenden, ergötzlichen und/oder begehrenswerten Gegenstandes sind das schiere Resultat eines nicht minder differenzierten, vielseitigen und dennoch die Vielfalt einigenden Vermögens. Griechische Philosophen gaben ihm den Namen téchne, die Lateiner übersetzten ihn mit ars, und schließlich trennten sich die Bedeutungen bis zur heute geläufigen Trennung von Technik und Kunst. Die moderne Technik ist nicht Kunst, aber Kunst und Technik waren im Begriff Techne noch eins.« Ebd., S. 207. 93 G.K. Mainberger: Design plündert rhetorische Technik. In: M. Götz (Hg.): Der TABASCOEffekt. Basel u.a. 1999. S. 203-226. 94 Ebd., S. 208. 95 Vgl. ebd., S. 210f.

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»[...] die rhetorische Techne [...] hat sich seit dem 5. Jh. v. Chr. mit dem Ziel etabliert, für eben diesen Bereich die angemessene, vernunftgestützte und emotionsbezogene Diskursart zu finden und theoretisch zu reflektieren. Nicht streng Beweisbares wird mit überzeugungswirksamem Reden akzeptabel, strittige, offene Sachverhalte werden mit rednerisch reflektierten Zuschüssen plausibel gemacht, Unerträgliches und nicht zu Rechtfertigendes wird für die Betroffenen mit dem richtigen Wort zur richtigen Zeit gemildert.«96

MAINBERGER findet dabei beispielhaft sowohl in Designobjekten als auch der beschreibenden Terminologie Parallelen zu rhetorisch-technischen Kriterien, Regeln oder Figuren, insbesondere da sich Design ebenso wie die Rede immer an jemanden richte und etwas für jemanden herstelle, das jeweils nicht aus höheren Prinzipien ableitbar, sondern von der jeweiligen spezifischen Situation abhängig sei.97 »Rhetorische Techne und Design können exemplarisch als jene Gestaltungskräfte gelten, die vom Typus der anpassungsfähigen und emotionswirksamen, auf Plausibilität und Wahlfreiheit achtenden, auf Überzeugung hin arbeitenden Rationalität gesteuert sind. Designerinnen und Designer produzieren keine Reden, wohl aber sprechende und mitunter ansprechende Gegenstände des täglichen Gebrauchs. [...] [Sie] setzen sich selbst sowie den Nutzniessern von Designprodukten die Bedingungen ihrer möglichen Erfahrung.«98

Auch wenn MAINBERGER den Beweis letztlich schuldig bleibt, geht er doch wesentlich über den bloßen Vergleich von Rhetorik und Design hinaus, wenn er die direkte historische Verwandtschaft von Rhetoriktradition und Design unterstellt. Es ist vor allem dieser Gedanke, dass das Design nicht nur der Rhetorik ähnlich ist und aus dieser gewinnbringende Impulse ziehen kann, sondern der, dass Design aufgrund seines historischen Erbes immer schon Rhetorik ist, der für die nachfolgenden Überlegungen fruchtbar zu machen ist. Unabhängig von den Überlegungen MCKEONS oder MAINBERGERS findet sich der Gedanke einer übergeordneten Produktionstheorie in Form der téchnē auch in der Kunstgeschichte wieder. Zu nennen sind hier allen voran die Arbeiten der Archäologin und Altphilologin NADIA J. KOCH sowie des Kunsthistorikers ULRICH HEINEN. Ihre Überlegungen knüpfen an eine eigene Traditionslinie der Kunst- und Literaturgeschichte an, gehen jedoch in einem wesentlichen Punkt darüber hinaus. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts und zunehmend ab den 1940er-Jahren wurden die Lehren von Rhetorik und Poetik in ihrer Bedeutung für die frühneuzeitlichen Produktionstheorien durch Vertreter der Kunst- und Literaturgeschichte sukzessive wiederentdeckt. Aufbauend auf den Studien von KARL BORINSKI (1861–1922)99, RENSSELAER W. LEE (1898–1984)100, ERNST ROBERT CURTIUS (1886–1956)101, KLAUS DOCKHORN 96 Vgl. ebd., S. 211f., hier 212 (Markierungen im Original). 97 Vgl. ebd., S. 213-221. 98 Ebd., S. 221. 99 K. Borinski: Die Antike in Poetik und Kunsttheorie, 2 Bde. Leipzig 1914, 1924. 100 R.W. Lee: Ut Pictura Poesis. In: The Art Bulletin, Vol. XXII, 1940. S. 196-269. 101 E.R. Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Bern u.a. 1973 (1. Auflage 1948).

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(1910–1974)102, CREIGHTON E. GILBERT (1924–2011)103 und JOHN R. SPENCER (1923–1994)104 wurden wesentliche Fortschritte in der Rekonstruktion des rhetorischen und poetischen Anteiles an der Begründung und Formulierung der frühneuzeitlichen Kunstliteratur gemacht. Ab den 1970er-Jahren, insbesondere im Anschluss an WILFRIED BARNERS (1937–2014) umfassende Barockrhetorik, wurde die maßgebliche Rolle dieser antiken Schriften für die Theorie und Praxis der Kunst und Literatur in der Frühen Neuzeit an verschiedensten Orten und in den verschiedensten Kontexten nachgewiesen.105 Dabei hat sich das Verhältnis antiker Kunstlehren zur Kunstliteratur der Frühen Neuzeit als deutlich komplexer erwiesen als zunächst angenommen. In einem vielschichtigen Rezeptions- und Interpretationsprozess wurden Rhetorik, Poetik, aber auch andere kunsttheoretische Fragmente aus antiken Quellen zur Abfassung produktionstheoretischer Schriften herangezogen. Darin wird zum einen – wie HUBERT LOCHER am Beispiel von ALBERTI gezeigt hat106 – das Bestreben deutlich, etwa mit dem Malereitraktat ein verlorenes Genre antiker Kunstliteratur wiederzubeleben, zum anderen aber auch den Anforderungen eines medienspezifischen Gestaltungsprozesses gerecht zu werden. Die Kunstliteratur der Frühen Neuzeit erscheint vor diesem Hintergrund als eine eigene, aus der Praxis gewachsene Produktionstheorie, deren Reflexion durch antike Vorbilder angeregt und angeleitet, aber nicht blind vorgegeben wurde.107 Vor allem KOCH108 konnte ab dem Jahr 2000 in mehreren Studien nachweisen, dass die frühneuzeitlichen Produktionstheorien der Künste allesamt durch den antiken 102 103 104 105

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K. Dockhorn: Macht und Wirkung der Rhetorik. Bad Homburg von der Höhe u.a. 1968. C.E. Gilbert: Antique frameworks for Renaissance art theory. In: Marsyas, Vol. 3, 1943. S. 87-106. J.R. Spencer: Ut Rhetorica Pictura. In: Journal of the Warburg Courtauld Institutes, No. 1/2, Vol. 20, 1957. S. 26-44. Vgl. W. Barner: Barockrhetorik. Tübingen 1970. Der Verfasser konnte am Beispiel von Georg Philipp Harsdörffers astronomischem Kartenspiel zeigen, wie die frühneuzeitliche Poetik und Rhetorik auch bei der historischen Rekonstruktion eines Werkprozesses zur Entwicklung eines Gesellschaftsspieles zum Tragen kommen kann. Vgl. B. Blankenheim: Spielemachen anno 1656. In: M.-A. Casasola Merkle et al. (Hg.): Spiele entwickeln. Berlin 2011. S. 10-43. Dort weitere Literatur. Vgl. H. Locher: Leon Battista Albertis Erfindung des »Gemäldes« aus dem Geist der Antike. In: K.W. Forster, Ders. (Hg.): Theorie der Praxis. Berlin 1999. S. 75-107. Zur Rhetorik in der Kunstliteratur der Frühen Neuzeit, vgl. etwa M. Baxandall: Giotto and the orators. Oxford 1971. Umfassende Literaturhinweise bei U. Heinen: Bildrhetorik der Frühen Neuzeit – Gestaltungstheorie der Antike. In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 143-189, hier 158-163. Ders.: Rubens zwischen Predigt und Kunst. Weimar 1996. Auch A.K. Varga: Rhetorik, Poetik und die Kunsttheorie. In: C. Wagenknecht (Hg.): Zur Terminologie der Literaturwissenschaft. Stuttgart 1988. S. 209-222. N.J. Koch: Techne und Erfindung in der klassischen Malerei. München 2000. Dies.: ΣXHMA (Schema). In: IJCT, Vol. 6, No. 4, 2000. S. 503-515. Dies.: Bildrhetorische Aspekte der antiken Kunsttheorie. In: W. Brassat (Hg.): Bild-Rhetorik. Tübingen 2005. S. 113. Dies.: Zur Bedeutung der Phantasia für die Rekonstruktion der klassischen Tafelmalerei. In: R. Biering et al. (Hg.): Maiandros. München 2006. S. 165-178. Dies.: Die Werkstatt des

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Texttypus der téchnē miteinander verwandt sind. Dass es also in den Lehren der Rhetorik und anderen Künsten zu terminologischen und systematischen Überschneidungen kommt, ist nicht – wie in der Forschung zur Frühen Neuzeit häufig vorschnell angenommen – darauf zurückzuführen, dass sämtliche Künste der Rhetorisierung unterliegen, sondern vielmehr darauf, dass die Rhetorik zur Hauptvermittlerin der antiken Produktionstheorie aufstieg. Terminologische Parallelen etwa zwischen den Lehren der Malerei, Bildhauerei und Rhetorik seien also einem gemeinsamen Konzept von Produktionstheorie geschuldet, wie es im antiken téchnē-Konzept angelegt ist.109 Seit ihren Ursprüngen meint téchnē zugleich eine Praktik und ihre theoretische Durchdringung. In diesem Sinne wird der Begriff abstrahiert und für Verfahren und Methoden für jede Art von Tätigkeit verwendet: »[Es] bezeichnet nicht einfach die Tätigkeit eines Spezialisten, dessen Beruf, sondern dessen K ö n n e n , in dem neben der praktischen Hand-Werks-Fähigkeit ein bestimmtes Maß an theoretischem Wissen enthalten ist, sodaß ›richtig‹ oder ›falsch‹ nicht einfach dem Zufall des Probierens überlassen bleibt, sondern systematisch der Weg zum ›richtig‹ gezeigt wird. Falsch ist dann ›atechnos‹: ohne technē. Technē meint nicht nur das Tun und den Ablauf dieser Tätigkeit, sondern die Methode, das Verfahren, das ›wie‹. [...] Als dieses praktische Wissen ermöglicht sie vorausplanende Berechnung und zielbewußtes Handeln: wo technē das Tun bestimmt, gibt es [...] ein Ziel, auf das hin gewirkt, etwas das bewegt, ein Werk oder eine Tat, die verwirklicht werden sollen. Damit wird technē ein Mittel zur planvollen Erreichung eines Zieles. [...] Damit wird [...] eine technē zu einem Lehr- und Lerngegenstand, zu einem Unterrichtsfach und auf diesem Wege zum Titel eines Lehrbuchs.«110 [Herv. i. Orig.]

MANFRED FUHRMANN konnte mit seiner Untersuchung zum ›systematischen Lehrbuch‹ zudem zeigen, dass mit der Entwicklung einer téchnē zugleich ihre schriftliche Darstellung in Lehrbuchform einherging. Die Rhetorik des ANAXIMENES (um 380–320 v.Chr.) wird zu einem ersten Beispiel einer gegliederten, in Elemente zerlegten Fachsystematik, deren Teile durch präzise definierte Fachterminologie benannt sind. Während sich die

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Humanisten. In: J. Knape (Hg.): Bildrhetorik. Baden-Baden 2007. S. 161-179. Ich danke Nadia Koch für den Einblick in ihre damals noch unveröffentlichte Habilitationsschrift, die inzwischen im Druck vorliegt. Dies.: Paradeigma. Wiesbaden 2013. Alberti rekurriert also nicht auf die Rhetorik, sondern auf die antike graphiké téchnē, die er mithilfe der bruchstückhaften Überlieferung, insbesondere in der Rhetorik, zu rekonstruieren sucht. Vgl. N.J. Koch: Die Werkstatt des Humanisten. In: J. Knape (Hg.): Bildrhetorik. Baden-Baden 2007. S. 161-178, hier 165-166. Dies.: Paradeigma. Wiesbaden 2013. R. Löbl: Techne. Würzburg 1997. S. 210f., passim. Auch Lausberg weist auf die übergeordnete Stellung der téchnē hin: »[D]ie verstehende Durchdringung und systematisch-lehrhafte, vom konkreten Fall abstrahierende Formulierung der Erfahrung heißt τέχνη. Dem Lehrbetrieb, dem sie ihre Entstehung verdankt, bleibt die τέχνη immer verbunden [...]. Demnach ist eine ars (τέχνη) ein System aus der Erfahrung (ἐμπειρία) gewonnener, aber nachträglich durchdachter, lehrhafter Regeln zur richtigen Durchführung einer auf Vollkommenheit zielenden, beliebig wiederholbaren Handlung, die nicht zum naturnotwendigen Geschehensablauf gehört und nicht dem Zufall überlassen werden soll.« H. Lausberg: Handbuch der literarischen Rhetorik. Stuttgart 2008. S. 26 (§1). Vgl. auch F. Heinimann: Eine vorplatonische Theorie der τέχνη. In: Museum Helveticum, Bd. 18, Heft 3, 1961. S. 105-130.

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Inhalte der einzelnen Disziplinen im Laufe der Zeit veränderten, wurde die Lehrbuchmethodologie beinahe unverändert tradiert und von einer Disziplin auf andere übertragen.111 In den Worten von PETER WÜLFING-VON MARITZ: »[Die] Rhetorik entwickelte mit den Schemata der Rede zugleich die Schemata systematischer schriftlicher Darstellung. Die Methode erwies sich als übertragbar. Ausgehend von der Rhetorik fand sie Eingang in die verschiedenen Wissenschaften. Das rhetorische Lehrbuch wurde zum Urbild des systematischen Lehrbuchs überhaupt.«112

Auf die umfassende Bedeutung dieses Ansatzes für die Produktionstheorie im Design hat HEINEN hingewiesen. Der Rhetorik komme dabei allein die Bedeutung einer beispielhaft rekonstruierbaren Produktionssystematik zu, die zwar in ihrer Komplexität zu Theorie- und Analogiebildungen anregen könne, aber für die spezifischen Anforderungen eines Mediums nicht ausreichend sei. Die vielfältigen Analogien zwischen Rhetorik und Design dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich eine Designwissenschaft an den medienspezifischen Fragestellungen der Praxis beweisen müsse. Gegen einen von außen herangeführten Systemzwang gebe vor allem die ›Bildrhetorik‹ jedoch ein Beispiel für den Umgang mit der rhetorischen, poetischen und weiter gefassten kunstliterarischen Tradition der Antike wie auch zeitgenössischer Texte, da sie exemplarisch zeige, wie man Übereinstimmung ebenso wie Differenzen zur Entwicklung einer medienspezifischen Produktionstheorie heranziehe. Das verbindende Glied sei hierbei das Verständnis, dass alle medienspezifischen Produktionstheorien am antiken téchnē-Konzept teilhaben und somit in Verwandtschaftsbeziehung zueinander stehen.113 Die Produktionstheorie des ›Game Design‹ konstituiert sich als eben solche téchnē. Sie ist nützlich, ziel- und regelgeleitet, identifiziert spezifische Elemente und fügt diese zusammen, artikuliert praktisches Können und Wissen in einem lehr- und lernbaren, in sich gegliederten System. In ihr finden sich Bausteine, die sich auch in anderen téchnē wiederfinden, darunter die antiken Lehren von Rhetorik und Poetik oder der Kunstliteratur der Frühen Neuzeit. Die vorliegende Arbeit wählt als Ausgangspunkt also nicht die postulierte Übertragbarkeit rhetorischer Theorie auf jede Form der Kommunikation im Sinne einer Allgemeinen Rhetorik, sondern vielmehr die systemische Ähnlichkeit von Produktionsästhetiken und -theorien aufgrund eines gemeinsamen Grundkonzeptes von téchnē. Damit ist der Primat der Rhetorik aufgehoben und der Blick durch die Rhetorik hindurch freigegeben auf die Spezifik des Gegenstandes. Diese téchnē des ›Game Design‹ zu rekonstruieren, soll Ziel dieser Arbeit sein.

111 Vgl. M. Fuhrmann: Das systematische Lehrbuch. Göttingen 1960. 112 P. Wülfing-v. Maritz: Grundlagen und Anfänge der Rhetorik in der Antike. In: Euphorion. Heft 1/2, Jg. 63, Heidelberg 1969. S. 207-215, hier 215. 113 Vgl. U. Heinen: Bildrhetorik der Frühen Neuzeit – Gestaltungstheorie der Antike. In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 143-189, hier 180189. Beispielhaft zum Werkverfahren der Malerei auch Ders.: Rubens zwischen Predigt und Kunst. Weimar 1996.

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Produktionsästhetik und -theorie als Kulturtechnik – Eine Evolutionstheorie der problemlösenden Gestaltung »Now, let us be quick to clarify what we mean by ›living‹ dinosaurs. [...] Only a few crackpots believe that sauropods and ceratopsians aren’t extinct. [...] Nonetheless, one lineage that descended from the ancestral dinosaur survived the impact and eruptions at the Cretaceous-Tertiary (K-T) boundary. Today, that lineage is represented by over 9,000 species of birds. Furthermore, if birds are the living descendants of dinosaurs, how can we claim dinosaurs are extinct?« L. Dingus und T. Rowe/The Mistaken Extinction114 »Denn die Rhetorik würde eine recht leichte, unbedeutende Angelegenheit, ließe sie sich so in einer einzigen, kurzen Anweisung zusammenfassen. Vielmehr ändert sich fast alles je nach dem Fall, den Zeitumständen, der Gelegenheit und dem Zwang der Verhältnisse.« Quintilian/Institutionis Oratoriae II.13.2

Das Verhältnis antik-historischer téchnē wie der Rhetorik und eher zeitgenössischen Theorien und Praxen spezifischer Designfelder wie dem ›Game Design‹ bedarf einer methodischen Klärung – ein Umstand, den viele Studien unbeachtet lassen.115 Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass es sich in beiden Fällen um Kunstlehren handelt, die sich mit der Lösung von Gestaltungsproblemen auseinandersetzen. Einen vergleichbaren Versuch, die Problemstellungen in Rhetorik und Design einander anzunähern, haben etwa DAVID S. KAUFER und BRIAN S. BUTLER mit ihrer Studie Rhetoric and the Arts of Design (1996) vorgelegt. Konfrontiert mit einem akademischen Bildungssystem, das die Rhetorik niemals verworfen, sondern in fragmentierter Form in den Kanon der allgemeinen Ausbildung integriert hat, etwa in Form von wissenschaftlichen und kreativen Schreibseminaren sowie Debattierkursen, gehen die beiden Autoren jedoch den umgekehrten Weg. Um die Rhetorik zu einer analytischen und kritischen Disziplin zu machen, die einem akademischen Umfeld gerecht werde, müsse ihr »productive knowledge«, das nicht weniger organisiert und planmäßig als der Wissensbestand anderer Disziplinen sei, zu einer »Art of Design« umgeformt werden, sodass man sich als Rhetoriker/in derselben Anerkennung sicher sein könne wie als Ingenieur/in, Architekt/in, Grafiker/in oder Komponist/in. In diesem Sinne legen die Autoren eine systematische, beispielhafte und auch kognitionswissenschaftliche Analyse sprach114 115

L. Dingus, T. Rowe: The Mistaken Extinction. New York/NY 1998. S. 107f. Ansätze bei A. Schneller: Hypothesizing about design from the perspective of a visual rhetoric. In: R.W.Y. Chow, W. Jonas, G. Joost (Hg.): Questions, Hypotheses & Conjectures. Bloomington/IN u.a. 2010. S. 241-255. A. Scheuermann: Medienrhetorik, Wirkungsintentionalität, Affekttechniken. In: G. Ueding, G. Kalivoda (Hg.): Wege moderner Rhetorikforschung. Berlin u.a. 2013. S. 807-820, hier 811-815.

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rhetorischen Handelns vor, um aufzuzeigen, dass die Situationen und Problemstellungen, die durch die Rhetorik in zielgerichteter Weise bearbeitet würden, analog seien zu den Situationen und Problemstellungen der Designdisziplinen. Sie wenden also nicht die tradierte Systematik der Rhetorik auf das Design an, sondern Ansätze der Designtheorie auf die Rhetorik.116 Obwohl es KAUFER und BUTLER gelingt, die Strukturähnlichkeit an diesem Punkt plausibel zu machen, bleibt die Frage unbehandelt, inwieweit Rhetorik und Design immer schon historisch miteinander verwoben waren. Vielmehr wird das Design herangezogen, um die Rhetorik als Disziplin neu zu verorten, ohne dass zur Sprache kommt, was die »handbook tradition« der Rhetorik dem Design zu sagen haben könnte. Die vorliegende Arbeit knüpft daher an die Überlegungen von BAXANDALL und BEETZ an. Der Kunsthistoriker MICHAEL BAXANDALL hat in seinem Buch Patterns of Intention den künstlerischen Werkprozess ähnlich dem Konstruktionsprozess einer Brücke als intentionale Lösung von Gestaltungsproblemen beschrieben. »Der Produzent [...] eines historischen Artefakts ist ein Mensch, der sich mit einem Problem beschäftigt, für das sein Produkt eine fertige, konkrete Lösung darstellt. Um es zu verstehen, versuchen wir sowohl das spezifische Problem zu rekonstruieren [...] als auch die spezifischen Rahmenbedingungen, unter denen der Produzent [...] sich dem Problem zugewendet hat.«117

Unter dem Begriff ›Intention‹ versammelt BAXANDALL alles, das den Herstellungsvorgang und damit das hergestellte Werk selbst geprägt hat. Dazu zählen sowohl die Problemstellungen bzw. die Aufgaben und Zielvorgaben als auch die Rahmenbedingungen wie die Kultur, also das Spektrum von Mitteln bzw. Problemlösungsstrategien, die diese zur Verfügung stellt (wie z.B. die »klassische Rhetorik«), die Fertigkeiten und Einstellungen der Gestalter/innen oder die von ihm angestrebte Wirkung. Vor allem schriftliche Quellen, die Terminologien und »Gedankenwelten« einer Produktionstheorie, können dabei helfen, das Eintauchen in eine sonst fremde Kultur zu ermöglichen.118 Versteht man im Anschluss daran mit MANFRED BEETZ auch das rhetorische Textherstellen als einen speziellen Fall problemlösenden Handelns, so zerfällt der Textherstellungsprozess in eine Abfolge von Sach- und Formulierungsproblemen (bzw. Probleme der Invention, Textorganisation, Gattungswahl, Textganzheit, -proportion und -kohäsion), für die die rhetorische Theorie Verfahren und Strategien der Lösung bereitstellt. Außerdem tritt der Charakter der Rhetorik als Produktionstheorie unter dem Leistungsaspekt hervor. Schließlich könne sie in ihrer Differenziertheit und Flexibilität den »historischen Applikationen« Rechnung tragen. »Mit dem Problemlösungsparadigma kann zum einen die traditionelle Rhetorik insgesamt als Reflexion über die Praxis von Lösungsverfahren und Lösungsstrategien gedeutet werden, zum andern 116 117 118

Vgl. D.S. Kaufer, B.S. Butler: Rhetoric and the Arts of Design. Mahwah/NJ 1996. S. XIIIXVII, passim. Vgl. M. Baxandall: Ursachen der Bilder. Berlin 1990. S. 45-73, hier 48. Baxandall entwickelt sein Modell an der Forth-Brücke (1889) von Benjamin Baker. Vgl. ebd., hier S. 68, 163-170. Zu Baxandalls teils widersprüchlichem Unterfangen der Ausklammerung der ›auktorialen Intention‹ vgl. U. Heinen: Rubens zwischen Predigt und Kunst. Weimer 1996. S. 15f., 176f. Dort mehr zum Begriff ›Wirkungsintention‹.

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läßt sich der historische Wandel der Rhetoriktheorie und -praxis konkreter als die unablässige Bemühung der Rhetoriker um jeweils zeitgemäße effektive Lösungsverfahren und -strategien charakterisieren.«119

Dabei unterliegen nicht nur die diskutierten Lösungsstrategien und deren Beurteilungsmaßstäbe, sondern auch die konkreten Problemstellungen einschließlich dessen, was als Problem gilt, dem historischen, soziokulturellen und ästhetischen Wandel.120 Das folgende Kapitel wird diesen Wandel mit Begriffen beschreiben, die im Wesentlichen der Evolutionsbiologie entstammen, und schließt damit an mehrere, bisher unverbundene Ansätze an.121 Hier seien nur einige exemplarische Arbeiten verschiedener Forschungsrichtungen mit der jeweils entsprechenden Forschungsliteratur genannt.122 Bereits 1979 hat PHILIP STEADMAN seine grundlegende Studie zur ›Evolution of Designs‹ vorgelegt, wobei er unterschiedliche historische Positionen untersucht, die die Evolutionstheorie heranziehen, um insbesondere die Formbildung in Architektur und ›Applied Arts‹ zu erklären. So gebe es im Rahmen einer ›Ökologie des Designs‹ Anpassungserscheinungen von Artefakten in Abhängigkeit von verschiedenen Umwelten (›Environments‹), darunter vor allem die Funktion, aber auch in Hinsicht auf die physische Umgebung und das Material wie auf soziale, ökonomische und kulturelle Umwelten, bis hin zu Persönlichkeit und Fähigkeit des ›Designers‹.123 STEADMAN weist allerdings schon damals wiederholt darauf hin, dass die Anwendung eines biologischen Erklärungs119 120 121

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Vgl. M. Beetz: Rhetorisches Textherstellen als Problemlösen. In: J. Kopperschmidt (Hg.): Rhetorik, Bd. 1. Darmstadt 1990. S. 160, passim. Vgl. ebd., S. 160, 181. Dieser Ansatz geht insbesondere auf Anregungen von Heiner Mühlmann und Ulrich Heinen zurück. Vgl. dazu insbesondere H. Mühlmann: Die Natur der Kulturen. Wien u.a. 1996. Der gewählte Ansatz ist damit grundlegend verschieden von den Versuchen, die Evolutionstheorie für die Geschichtsschreibung der Spiele fruchtbar zu machen. Etwa H. Poehl: Von der Evolution der Spiele. In: M.-A. Casasola Merkle et al. (Hg.): Spiele entwickeln. Berlin 2007. S. 17-29. Jüngst hat Cosimo Cardellicchio ein solches Modell vorgeschlagen und dabei auch das Zustandekommen neuer ›Mutationen‹ beschrieben. Die Einführung neuer Spielideen bzw. -varianten könne aus der Nachahmung und Vereinfachung realer Sachverhalte, der Rekombination bereits bekannter Spielideen sowie aus dem Streben nach höherer Schwierigkeit, Komplexität oder Abstraktion folgen. Doch selbst wenn Cardellicchio einräumt, dass man als Spieleautor/in wohl größere Chancen habe, um erfolgreiche ›Mutationen‹ zu entwickeln, so sei es aus evolutionstheoretischer Sicht unerheblich, ob für die Entstehung einer Neuheit ein kreativer und reflektierter Prozess verantwortlich ist. Steht die Evolution der Spiele im Mittelpunkt, so werden Innovationen als Ergebnis eines zufälligen Ereignisses (»random event«) betrachtet und nicht als Resultat eines intentionalen Produktionsprozesses. Vgl. C. Cardellicchio: Evolution for games. In: J.N. Silva (Hg.): Board Game Studies Journal Online, Is. 1. Lissabon 21.02.2014. (Online), hier S. 7-9. Vgl. P. Steadman: The Evolution of Designs. London u.a. 2008. S. 54-70. Steadman bezieht sich hier insb. auf Gottfried Semper. Vgl. auch J.A. Walker: Designgeschichte. München 1992. S. 109f.

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modells für historische Prozesse selbst bloß ›Analogie‹ sein kann, dessen Zugewinn an Erkenntnis sich erst noch beweisen müsse und zudem Fehlschlüsse provoziere. Die größten Gefahren der blinden Anwendung simplifizierter Evolutionsmodelle liegen in dem Ausblenden nicht zufälliger Designentscheidungen sowie insbesondere im Verleugnen der Weitergabe von Designwissen durch mündliche oder schriftliche Tradition.124 Auch die Geschichte der Kunstliteratur, Rhetoriken und Poetiken kann als Ergebnis fortwährender evolutionärer Anpassungen betrachtet werden: als Veränderungen und Entwicklungen, Duplikationen und Transformationen.125 Allerdings wird der Begriff ›Evolution‹ nicht selten synonym mit ›Entwicklung‹ verwendet, ohne den biologischen Mechanismen Rechnung zu tragen.126 So hat INGO STÖCKMANN 2001 eine evolutionstheoretische Aufarbeitung alteuropäischer Traditionsgeschichte poetischen (sowie rhetorischen) Regelwissens veröffentlicht, wobei er sich sich mit »systemtheoretischen Ausgangsentscheidungen« in der Folge NIKLAS LUHMANNS aushilft. Im Rahmen einer Geschichte der Poetik findet die Systemtheorie Verwendung als methodischer Befreiungsschlag sowohl gegen eine ahistorische Rückprojektion moderner Kategorien der Ästhetik als auch gegen eine allzu pauschale Übertragung eines »rhetorischen Zeitalters« (intern) oder sozialgeschichtlicher Faktoren (extern). Der Begriff ›Evolution‹ steht bei 124

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Vgl. P. Steadman: The Evolution of Designs. London u.a. 2008. S. 179-236. Steadman übernimmt dabei auch die wichtige Unterscheidung zwischen Genotyp und Phänotyp, also zwischen den Regeln und Maßgaben, die durch einen ›Bauplan‹ formuliert werden, auf der einen und den tatsächlichen Ausprägungen in physischen Artefakten auf der anderen Seite, wobei Letztere kein direktes Abbild von Ersterem darstellen, sondern vielmehr regelgeleitete Anpassungen an spezifische Situation sind. Vgl. ebd., S. 224, 264f. Zur Diskussion der ›Transformationen der Rhetorik‹ in der Rhetorikforschung vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. S. 63f., 66-71, 103-110, passim. Ursula Link-Heer hat darauf hingewiesen, dass schon Vasaris Viten als evolutionärer Prozess künstlerischen Fortschrittes aus Innovation (variierende Reproduktion) und Wettbewerb (Selektion) gelesen werden können. Vgl. U. Link-Heer: Giorgio Vasari oder der Übergang von einer Biographien-Sammlung zur Geschichte einer Epoche. In: H.-U. Gumbrecht, Dies. (Hg.): Epochenschwellen und Epochenstrukturen im Diskurs der Literatur- und Sprachhistorie. Frankfurt a.M. 1985. S. 73-88, hier 80f., passim. So die historische Kulturanthropologie am Beispiel des Erfindungsvermögens. Dort werden verallgemeinernd allein Anpassungserscheinungen innerhalb der Rhetorik vor dem Hintergrund »medienhistorischer Umwälzungen« genannt. »Bezogen auf die Rhetorik als umfassendes Regulierungssystem der Textproduktion und -rezeption, stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten einer Evolution dieses Systems, die z.B. als Verhältnis von Nachahmung und Erneuerung (imitatio, aemulatio, argutia) von der Rhetorik selbst aufgeworfen werden.« Und zudem: »Topik und überhaupt das gesamte rhetorische Wissen – das ist Konsens der Forschung – verschwinden in der Neuzeit also nicht. [...] Interessanter ist die Frage nach den Transformationen, denen die Elemente des Komplexes unterliegen, der alteuropäisch Rhetorik hieß.« So ist denn auch von »Aneignungen, Umschreibungen, Transformationen und Aktualisierungen der Rhetorik« die Rede. Vgl. S. Metzger, W. Rapp (Hg.): Homo inveniens. Tübingen 2003. S. 10-12.

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STÖCKMANN allerdings im genannten Sinne für Entwicklung, Wandel oder Transformation und bleibt methodisch schwach eingebunden.127 1996 hat HEINER MÜHLMANN, auf der Grundlage seiner Forschungen zu ALBERTI und Thesen von BAZON BROCK aufgreifend, den Entwurf einer kulturgenetischen Theorie vorgelegt.128 Kulturelle Merkmale (im Gegensatz zu genetischen Merkmalen) fasst MÜHLMANN hier als ›Regeln‹ auf. Kulturen, die als Populationen steten Bedrohungen ausgesetzt sind, werden also ihm zufolge durch ihre Rezepte, Gebrauchsanleitungen, Produktionsanweisungen, Kleiderordnungen, mathematischen Verfahrensvorschriften oder religiöse Regelwerke definiert, die nicht zuletzt ihrer Lebenserhaltung dienen. Kulturelle Merkmale werden durch Lehren und Lernen weitergegeben, entweder vertikal (von Generation zu Generation) oder horizontal (innerhalb einer Generation), können aber auch schriftlich fixiert werden.129 Zwischen kulturellen Merkmalen und genetischen Merkmalen sowie vertikaler und horizontaler Transmission gibt es ein vielschichtiges Zusammenspiel von gegenseitiger Verstärkung und Hemmung.130 Vor diesem Hintergrund ist es die große Leistung MÜHLMANNS, auf ›Stress‹ als individuellen und insbesondere kulturellen Selektionsfaktor hingewiesen zu haben. Stressphysiologische, d.h. biologisch-körperliche Reaktionen können kurzfristig leistungs- und kooperationssteigernde Wirkungen (MSC) entfalten, beeinträchtigen bei anhaltender Wirkung jedoch auch Fortpflanzung, Verdauung, Immunsystem und damit das Überleben ganzer Populationen (Kulturen). Regelwerke, unter ihnen die Rhetorik, verfügten über Techniken, um den individuellen und kulturellen Affekthaushalt intentional zu steuern; gleichzeitig stellten sich Regeln ein, die das kulturelle Überleben sicherstellen.131 Insbesondere KARL EIBL hat in der Revision seiner evolutionstheoretischen Aufarbeitung der Poesiegeschich-

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Stöckmann greift auf eine immer schon von Luhmann gefilterte Konzeption systemtheoretischer Evolutionstheorie zurück, die Kommunikationen und die Unwahrscheinlichkeit ihrer Anschlussfähigkeit zum Thema hat; der biologische Faktor Mensch wird als ›Umwelt‹ ausgeklammert. Insgesamt erscheint dieses Konstrukt zur Erklärung frühneuzeitlicher Regelpoetiken – Stöckmanns Ausführungen zum Trotz – als problematisch, hatte Luhmann seine Systemtheorie doch explizit zur Beschreibung der modernen Gesellschaft entwickelt und diese damit gegen stratifikatorische Strukturen abgegrenzt; das erklärt die (von Stöckmann monierte) Exklusivität der systemtheoretischen Literaturwissenschaft auf die Literatur nach 1750 nicht nur, sondern erzwingt sie zugleich. Stöckmanns Darstellungen und Schlussfolgerungen werden somit zwar nicht widerlegt, doch erweist sich die Systemtheorie in diesem Kontext als letztlich unnötiges und ahistorisches Konstrukt, dessen Komplexität keine wesentlichen Zugewinne in Beschreibung oder Analyse mit sich bringt. Vgl. I. Stöckmann: Vor der Literatur. Tübingen 2001. S. 3, 7-37. Stöckmanns Befreiungsschlag wird jedoch der bereits entwickelten Beschreibungstiefe und -dichte der aktuellen Frühneuzeitforschung nicht gerecht. Vgl. zu diesen und anderen Kritikpunkten D. Till: Rezension. Berlin u.a. 2003. Vgl. H. Mühlmann: Die Natur der Kulturen. Wien u.a. 1996. Vgl. ebd., S. 1, 7-11, 18f., 22. Vgl. ebd., S. 28f. Mühlmann stützt sich insb. auf die Arbeiten von Peter J. Richerson und Robert Boyd, vgl. Dies.: Not by Genes Alone. Chicago/IL u.a. 2005. Vgl. auch E. Jablonka, M.J. Lamb: Evolution in Four Dimensions. Cambridge/MA u.a. 2006. Vgl. ebd., S. 33-49.

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te an die Arbeit MÜHLMANNS angeknüpft und das stressregulierende Momentum der Künste als deren wesentlichen Faktor bestimmt.132 Rhetorik erscheint in diesem Kontext als ein Gesamtgefüge von Regeln, deren Anwendung eine erfolgreiche Kommunikation sicherstellt. Die Regeleinstellung – also das Verfassen einer Regel – kommt einem Adaptionsprozess gleich, der menschliches Verhalten reguliert. Die ›Selbsttheoretisierung‹ eines spezifischen Designfeldes ist hier als Prozess der Kodifizierung erfolgreicher Gestaltungsregeln zu verstehen. Rhetorik ist insofern einem »kulturellen System« zugehörig, indem dieses als Transmissionssystem zur Erhaltung und Weitergabe dieser Regeln fungiert. Regeln können sowohl durch soziale Nachahmung (Imitation) als auch auf genetischem Wege (Vererbung) weitergegeben werden, wobei gegenseitige Beeinflussungen möglich sind. Die Vermittlung – also die transgenerationale Weitergabe von erfolgreichen Regeln – ist jedoch für lange Zeit und insbesondere beim Menschen eine wesentliche Aufgabe der Kultur. Es ist der schriftlichen Fixierung zu verdanken, wenn noch heute Regeln zugänglich sind, deren Übertragung auf direktem Wege unterbrochen wurde. Betrachtet man Rhetorik auf diese Weise, so ergibt sich ein gesamtkultureller Anpassungsprozess, eine kulturelle Evolution, die auf äußere sowie auf innere Faktoren reagiert und sowohl von jeweiligen historischen als auch von konstanten Gegebenheiten, zum Beispiel der menschlichen Physiologie, abhängig ist. Schließlich können Regeln auch zum Teil aus den hergestellten Produkten rekonstruiert werden, die als direktes Ergebnis ihrer Anwendung erscheinen, wobei jedoch ihre Kontexte und Erklärungsmuster verloren gehen. Nicht zuletzt die Produzierenden selbst analysieren die Werke anderer stets im Hinblick auf erfolgversprechende Regeln, was zur Stabilisierung von Genres, Konventionen und Trends betragen kann. Auf ein solches Phänomen hat ARNE SCHEUERMANN am Beispiel des Filmes hingewiesen: »Neben der individuellen Zielführung, sein Handwerk gut auszuführen und damit zum Gelingen des Films beizutragen, ist dem Gesamtprojekt auch eine (meist implizite) Vorstellung davon eingeschrieben, wie Erfolg zu bewerkstelligen sei. Dazu liegen einander widersprechende Konzepte vor, wobei gerade die Unlösbarkeit der Frage ›Was macht einen Film erfolgreich?‹ kreatives Potenzial zu ihrer Lösung freisetzt. [...] Dennoch oder gerade deshalb sind Trends auszumachen. Denn Filmemacher ›schreiben‹ im Bemühen, einen erfolgreichen Film zu machen, von anderen erfolgreichen Filmen ›ab‹. [...] Doch nicht nur in der Wahl der Genre wird ›abgeschrieben‹, auch in der Wahl 132

Vgl. K. Eibl: Animal poeta. Paderborn 2004. S. 310-319. Bereits 1995 hatte Karl Eibl eine evolutionstheoretische Entwicklungsgeschichte der Poesie vorgelegt. »Auch Poesie gehört zum Kreis der menschlichen Problemlösungsaktivitäten und ist über ihre Bezugsprobleme mit ihrer Umwelt verknüpft.« Dabei befasst sich Eibl jedoch mit der Ausdifferenzierung der Poesie ab 1750, wo sie an den ›bürgerlichen‹ Kulturtypus gebunden bleibt; die tradierte Disziplin ihrer Herstellung – die (Regel-)Poetik – ist nur noch am Rande Thema, da sie zur gleichen Zeit in Misskredit gerät. In diesem kulturellen Kontext entstehen historische Bezugsprobleme, für die die Poesie Lösungen verspricht. So nimmt die Literatur drei wesentliche Funktionen wahr: erstens das Liefern von Lebensentwürfen vor dem Hintergrund drohender gesellschaftlicher Desintegration, zweitens das Formulieren ungelöster Probleme angesichts neuer Selbstkonzepte, die auf Individualität und ›Rollendistanz‹ fußen, sowie drittens das Thematisieren der ›Nichtwelt‹ (Utopie) als Möglichkeitsraum, der die Kontingenz der aktuellen Welt vor Augen führt. Vgl. K. Eibl: Die Entstehung der Poesie. Frankfurt a.M. u.a. 1995. S. 7, 35-61, hier 46, 195, passim.

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filmgestalterischer Mittel (wie Kamera, Ton, Schnitt) sind Trends auszumachen, werden Regeln weitergegeben. Ihr Kanon entsteht quasi evolutionär durch ›anwenden‹ und ›verwerfen‹ und es sind die jeweils in erfolgreichen Filmen angewandten intentionalen Mittel, die sich gegen andere durchsetzen.«133

Variation – Selektion – Transmission

Folgt man also der Annahme, dass sich die Prozesse der Selbsttheoretisierung und Vermittlung von produktionstheoretischen Regeln in evolutionstheoretischen Kategorien fassen lassen, so gilt dies in besonderer Weise für die zentralen Kategorien der Variation, Selektion und Transmission, die im Folgenden betrachtet werden sollen. Der Selbsttheoretisierung geht in diesem Kontext ihre ›Entdeckung‹ voraus. GERD ANTOS hat sich im Rahmen einer projektierten »Protorhetorik« mit der Ontogenese, also der ›individuellen‹ Entwicklung rhetorischer Fähigkeiten bei Kindern befasst, wobei sich einige Überlegungen außerdem auf die Phylogenese, also die ›stammesgeschichtliche‹ Entwicklung der entsprechenden Fähigkeit übertragen lassen. ANTOS versteht dabei unter Rhetorik bzw. dem Rhetorischen ein reflektiertes und strategisches Formulieren, das auf ein Verständnisangebot gerichtet ist, in dem zur Verwirklichung außertextueller Ziele punktuell oder durchgängig im Text und als Text Rezipientensteuerung versucht wird. Als wesentlich benennt er auch die »Entdeckung der Wirkungsintentionalität«.134 In Anlehnung an KARL GROOS sei vor allem auf das innovative Potenzial hingewiesen, das darüber hinaus dem spielerischen Experimentieren zukommt und das man in diesem Fall das ›rhetorische Moment‹ nennen könnte.135 GROOS hat das Phänomen aus unterschiedlichen Perspektiven beschrieben. Zum einen regten »[p]roduktive Hör-Spiele« bereits im Kindesalter die Laut- und Sprachbildung an, getragen von dem »Reiz am Angenehmen«, der zugleich den Ursprung der Poesie bilde, und den »Reiz am Schwierigen«, der aus dem »Kampftriebe« folge und sich auch im »Streitgespräch« durch Oppositionslust sowie die »Freude am spielenden Disputiren« zeige. Zum anderen gebe es ein menschliches »Mittheilungsbedürfniss«, dessen Hauptmittel die Sprache sei und das die 133

134

135

A. Scheuermann: Moving Picture Audience – Affektkommunikation im populären Film. In: A. Zika (Hg.): The moving image. Weimar u.a. 2004. S. 113-131, hier 118f. Auch J. Kücklich: Literary theory and digital games. In: J. Rutter, J. Bryce (Hg.): Understanding Digital Games. London u.a. 2006. S. 95-111, hier 99-103. Vgl. G. Antos: Proto-Rhetorik. Berlin u.a. 1985. S. 9, 16f. I. Bose, K. Hannken-Illjes: Protorhetorik. In: HWdR, Bd. 10. Sp. 966-975. Schon Aristoteles hat auf das vortechnisierte Stadium der Rhetorik hingewiesen, indem er auf das zufällig-planlose oder gewohnheitsmäßige Argumentieren verwies, das sich durch genaue Untersuchung von Erfolg und Ursache methodisieren und damit in eine téchnē umwandeln ließe. Arist. Rhet. I.1.2. Zu rhetorischem Verhalten bereits bei Tieren und nicht literarisierten Gesellschaften vgl. G.A. Kennedy: Comparative Rhetoric. New York/NY u.a. 1998. S. 11-111. Groos fasst die biologische Bedeutung seiner Theorie schon 1899 so zusammen, »dass in den Jugendspielen [...] durch die Uebung der angeborenen Anlagen dem Thier Gelegenheit geboten wird, das Ererbte durch erworbene Anpassungen so zu ergänzen und umzubilden, wie es seinen complicierteren Lebensaufgaben entspricht, die durch blosse Instinkt-Mechanismen nicht mehr gelöst werden können.« Vgl. K. Groos: Die Spiele der Menschen. Hildesheim u.a. 1973. S. 4.

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»geistige Vereinigung der socialen Gruppe« ermögliche. Dieses sei »bloss spielende Selbstdarstellung«, werde jedoch zur »Ernsthandlung«, sobald der »praktische Zweck« hervortrete, »andere zu belehren« oder »die eigene sociale Stellung zu verbessern«. Der Mitteilungsdrang habe jenseits der Selbstdarstellung allerdings eine wichtige soziale Funktion, die man im kindlichen Spiel einüben könne. »Wie unsere Persönlichkeit sich im Verkehr mit den Anderen erst ausbildet, so drängt es uns auch umgekehrt, unser eigenes Wesen und Wirken vor anderen zu entfalten und so wieder auf diese Einfluss zu gewinnen. Das Wohlgefallen an der eigenen Erfindung, oder an der eigenen Geschicklichkeit wird erst dann voll ausgekostet, wenn es sich in der socialen Anerkennung bestätigt findet.« Richte sich diese Wirkungskraft auf das Führen einer sozialen Gruppe, so könne von der »höchsten Form der socialen Mittheilung« gesprochen werden. »Eine solche Führung ist nur möglich, wo die Fähigkeit besteht, seinen eigenen Willen und seine eigene Ueberzeugung den anderen mitzutheilen und so deren freiwillige Unterordnung zu bewirken. Der ›Zauber‹ der zum Herrschen berufenen Persönlichkeit beruht auf der Stärke dieser Mittheilungskraft; er setzt nicht nur allgemein einen mächtigen Willen voraus, sondern einen social angelegten Willen, der darauf gerichtet ist, durch seine Wucht alle anderen demselben Ziele zustreben zu machen.« Die »Freude am Ursache-sein«, im Gegenüber allein durch sprachlichen Ausdruck eine Reaktion oder gar eine Änderung der Handlung und Haltung ausgelöst zu haben – es ist dieses spielerische Experimentieren, das wohl den Ursprung aller Rhetorik bildet.136 Der soziale Mitteilungsdrang leite schließlich über zur »socialen Seite der künstlerischen Thätigkeit«, da »die Production des Künstlers einen wichtigen socialen Zweck erfüllt, indem sie anderen Freude macht«. Der Künstler strebe jedoch nach mehr, denn er: »will, was seine Kraft vermag und was seine Seele erfüllt, aus sich herausstellen, um es für andere und sich zur objectiven Darstellung zu bringen, und er will zugleich durch diese Entfaltung seines Wesens Macht gewinnen über die Seelen der Anderen; indem er sich hingiebt wird er zum Herrscher. [...] Da sich jedoch das künstlerische Producieren gerade durch diese socialen Zwecke, von der Sphäre des reinen Spiels entfernt, dürfen wir nicht länger hierbei verweilen.«137

WILFRIED BARNER hat darauf hingewiesen, dass Poetik und Rhetorik als verwissenschaftlichte Disziplinen sprachlichen Ausdrucks in der Frühen Neuzeit bestimmte Inhalte nicht lehren bzw. systemische Leerstellen aufweisen, die damit zugleich Variation ermöglichende Spielräume eröffnen – mit Blick auf frühneuzeitliche Figurengedichte durchaus als ›Spiel‹-Räume verstanden.138 Solche Spielräume ergäben sich zum Beispiel in der Übung und im Studium von Vorbildern – jenseits strenger Regelauslegung und womöglich auch jenseits eines fest gefügten Kanons von Lehr- und Beispieltexten. Zudem ergeben sie sich in der zwar vorhandenen, letztlich jedoch überbewerteten »dichterischen« (und »künstlerischen«) Freiheit sowie im Geschmacksurteil, das über die Angemessenheit von Abweichungen entscheide.139 BARNER folgert daraus, es »sollte nicht nur erprobt werden, ob und inwieweit sich die ›praecepta‹ jeweils auf zeitgenössische Pro136 137 138 139

Vgl. ebd., S. 37-49, 235-237, 440-445, 497f. Vgl. ebd., S. 445f. Vgl. W. Barner: Spielräume. In: H. Laufhütte (Hg.): Künste und Natur in Diskursen der Frühen Neuzeit. Wiesbaden 2000. S. 33-67, hier 59-64, passim. Vgl. ebd., S. 54-57.

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dukte, Kunstwerke, Gedichte, Musikstücke applizieren lassen«, sondern »weiterhin [...] überlegt werden, was im jeweiligen Pertinenzbereich eigentlich gelehrt, geregelt wird, und was nicht.« Ob die »doctrinae« bereits systemintern Spielräume anbieten und ob sich, ausgehend von jenen »Produkten«, inversiv auf die angewendeten Regeln und Spielräume schließen lässt.140 Im Anschluss an BARNER weist DIETMAR TILL auf die Probleme einer allzu strengen Auslegung eines strukturalistischen Rhetorikentwurfes hin, welche die ›Eigenleistung‹ des frühneuzeitlichen Poeten nahezu negiert und ihn zu einer allein die Regeln ausführenden Instanz degradiert. Ihm zufolge haben einzelne Vertreter der frühneuzeitlichen Dichtungstheorie mit dem ›poetischen Geist‹, dem ›furor poeticus‹, sehr bewusst und unter viel Mühe eine spezifische Kategorie der ›Inspiration‹ aus der (schwierigen) antiken Quellenlage rekonstruiert und reintegriert, die sie vom rhetorischen Lehrgebäude, aber auch von der ›technischen‹ Poetikkonzeption unterscheide.141 Auf das innovative Potenzial des rhetorischen Regelapparates durch »Involution«, also die Selektion und Stabilisierung des poetischen Regelapparates durch sich selbst, hat insbesondere INGO STÖCKMANN hingewiesen, gibt doch die vielschichtige und komplexe Überlieferung reichlich Anlass zur ›Rekombination‹. Variationen der Regelpoetik seien in diesem Modell letztlich nur durch Rückgriffe auf sich selbst und die antiken Autoritäten zu begründen. Als stetes Korrektiv sorgen der tradierte Regelkanon und die topische Methodik für die Rückbildung und Rückbindung von Theorie (codiert durch Regelhaftigkeit und Regelverstoß) und schreibe diese als Ordnung und Legitimation der Disziplin in Druckwerken fest. Ihr innovatives Potenzial erhalte sich die Regelpoetik allein durch die Rekombination ihres Regelapparates, sei es durch Zusammenführung unterschiedlicher Theoriebestände, begriffliche und systematische Transfers verwandter Regelkomplexe, Neu- und Uminterpretationen oder Spezifizierung in bestimmten Kontexten, Missverständnisse, Fehlinterpretationen und Auslegungsspielräume oder die grundsätzliche Revision des Traditionskanons.142 Variationen – begriffliche wie struktu140 141

142

Vgl. ebd., S. 65f. Der ›furor poeticus‹ werde ebenso wie die Redewendung ›Redner werden gemacht, Poeten jedoch geboren‹ als Baustein im Laufe der frühneuzeitlicher Theoriebildung verschiedentlich in das System von Kunst und Begabung eingeführt und als topischer Bestandteil der Argumentation verbaut, nicht zuletzt, um die Sonderstellung des wahren Poeten zu betonen. Dieser Baustein habe sich schließlich ab 1700 im Rahmen des Konzeptes vom ›Galanten‹ und der Ästhetik des ›gewissen Etwas‹, über das man nicht sprechen könne, verselbstständigt und so wesentlich zur Begründung der Genieästhetik beigetragen; das rhetorische Lehrgebäude wurde auf der Grundlage sich wandelnder Antikenrezeption untergraben und aus sich selbst heraus zum Einsturz gebracht. Vgl. D. Till: Affirmation und Subversion. Frankfurt a.M. 2000. S. 181-210. Ders.: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 67-71. Ders.: Das doppelte Erhabene. Tübingen 2006. Auch J. Wesche: Literarische Diversität. Tübingen 2004. Vgl. I. Stöckmann: Vor der Literatur. Tübingen 2001. S. 225-272, 363-371. D. Till weist zudem auf die heterogene, »verzwickte« und »unübersichtliche« Theorielage der Frühen Neuzeit hin, die Stöckmann nicht berücksichtige und so zur Relativierung vieler Pauschalaussagen Anlass gebe. Das Rezipieren, Ablehnen oder Verbinden unterschiedlicher, sich teils widersprechender Traditionslinien wäre folglich noch zu ergänzen. Vgl. Ders., Rezension. In: Arbitrium, Jg. 21, Heft 2. Berlin u.a. 2003. S. 148-150, hier 148f.

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relle Veränderungen, Transformationen und Erweiterungen des Materials – werden auch von STÖCKMANN allerdings nur festgestellt und – bei gleichzeitiger Ablehnung sozialgeschichtlicher Erklärungsmuster – nicht mehr durch evolutionäre Mechanismen (Selektion, Stabilisierung) erklärt. So bleibt es bei bekannten Aussagen, dass die Bindekraft des Involutionsprozesses zunehmend an Halt verliere und die Regelpoetik verkümmere.143 Die unter dem Konzept der ›Involution‹ behandelte Selbstregulation des poetischen und rhetorischen Regelkanons ist zweifelsohne ein wichtiger Faktor für die frühneuzeitliche Theoriebildung. Diese jedoch aus ihren pragmatischen Begründungszusammenhängen herauszuheben, macht sie nicht mehr zu einer Reflexion der Praxis, sondern lässt sie vollkommen losgelöst und eigenen Regeln der Kanonisierung und Literarisierung gehorchend existieren, was der rhetorischen Praxis kaum gerecht wird. Dagegen sind die solchermaßen hervorgebrachten Techniken auf mindestens dreierlei Weise einem ständigen Selektionsprozess ausgesetzt: erstens durch kulturelle Rahmenbedingungen, die Räume schaffen, innerhalb derer dem ›rhetorischen Moment‹ eine spezifische Aufgabe zukommt, zweitens durch die Anforderungen dieses spezifischen Raumes, der über Funktionieren und Nichtfunktionieren der einzelnen Techniken entscheidet, und drittens durch die ›Produzierenden‹ selbst, die Regeln auswählen, anwenden und evaluieren.144 RENATE LACHMANN hat im Falle der eng verschränkten Disziplinen Rhetorik und Poetik darauf hingewiesen, dass Termini, Kategorien und Produktionsmodelle immer einem (historischen) »kulturellen System« angehören und deshalb nicht nur Spezifika dieser Kultur inkorporieren, sondern zudem nur eingeschränkt auf heutige Kommunikationsmedien und -aufgaben zu übertragen sind.145 Folglich unterscheidet sie zwischen 143

144

145

Stöckmann erwähnt zwar sich wandelnde »Ansprüche der Textpraxis«, die auf »Eigengesetze der elocutio« verweisen, aber als Selektionsmechanismus werden diese nicht bestimmt. Vgl. I. Stöckmann: Vor der Literatur. Tübingen 2001. S. 272-311, hier 299. Schließlich wird dann doch darauf verwiesen, dass die rhetorische Theoriebildung auf »Neuentwicklungen« in der Politik und Herrschaft des 17. Jahrhunderts reagiere, die alle Interaktionen, Konversationen und schriftliche Kommunikationen an den individuellen Erfolg und Aufstieg bei Hofe binde. So komme es zur strategischen Reformulierung rhetorischer Ideale, wie der Angemessenheit, die im Rahmen einer ›galanten Rhetorik‹ »an die Bedürfnisse des honnête homme angepaßt werden«. Doch bleibt auch dies als Selektionsmechanismus unausgeführt. Vgl. ebd., S. 312-340, insbesondere 312-325, hier 313. »The artist tentatively tries an effect, maybe even produces it accidentally (variation), subjects it to critical appraisal (selection), and either keeps it or changes it again. The process offers one example of Popper’s famous many-purpose cycle of alternating hypotheses and tests, of ›conjectures and refutations‹.« P. Steadman: The Evolution of Designs. London u.a. 2008. S. 104. Schon die antike Rhetoriktheorie formuliert diese Selektionskompetenz des Rhetors im Prozess der Textherstellung als ›iudicium‹. Vgl. M. Beetz: Rhetorisches Textherstellen als Problemlösen. In: J. Kopperschmidt (Hg.): Rhetorik, Bd. 1. Darmstadt 1990. S. 161-165. Vgl. R. Lachmann: Die Rhetorik und ihre Konzeptualisierung. München 1994. Dazu auch Dies.: Rhetorik und kultureller Kontext. In: H.F. Plett: Rhetorik. München 1977. S. 167186. Dies.: Rhetorik und Kulturmodell. In: J. Kopperschmidt (Hg.): Rhetorik, Bd. 1. Darmstadt 1990. S. 254-288.

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»dem Rhetorischen« als Redeleistung – im oben genannten Sinne – und »der Rhetorik« als Disziplin, die in ihrer kodifizierten und tradierten Form bereits ihren spezifischen kulturellen Kontext einschließt.146 Die Isolierung und pragmatische Kodifizierung der verschiedenen Sprachfunktionen und -handlungen (probare, movere, delectare) sei die Antwort der Rhetorik auf die Ausdifferenzierung der Kommunikationsanlässe (Parteirede, Gerichtsrede, Fest- oder Prunkrede) in der antik-griechischen Kultur gewesen, deren selbst entworfenes Modell der »rhetorische[n] Beschreibungsapparat mitreflektiert.«147 Und auch die »dichotomische Sprachkonzeption«, die zwischen primärer Normalsprache und sekundärer Funktionssprache differenziere und damit zugleich beide Sprachsysteme stabilisiere, sei mit ihrer Stilhierarchie das Ergebnis »ästhetischer und sozialer Normen und Ideologeme« des Kultursystems, die durch ein Sprachbewertungssystem die Zuordnung von Kommunikationssituation und Stil entschieden habe.148 Schließlich wirke die Rhetorik als »regulative Kraft« für die Vereinheitlichung und Kanonisierung von Sprache. »Die Einstellung auf die e i n e K u l t u r dagegen meint die Einstellung auf die e i n e Sprache und damit auf das einheitliche, in sich hierarchisch und funktional geordnete Kommunikationssystem.«149 Moderne Adaptationen des rhetorischen Systems würden die Rhetorik aus ahistorischer Perspektive »in ihrer metatextlichen Funktion im ursprünglichen Kontext nicht reflektieren, d.h. sie als quasi neutrale Vor-Wissenschaft isolieren«.150 Dies werde ihrer Geschichtlichkeit – auch vor dem Hintergrund der Ideologiekritik – nicht gerecht. In diesem Sinne hat auch JOSEF KOPPERSCHMIDT die »prinzipielle Historizität« der »verschiedenen Formationen« von Rhetorik betont, vor deren Hintergrund es die eine Rekonstruktion der Rhetorik nicht geben könne; demgegenüber halte die »lange Geschichte der Rhetorik [...] genug Varianten ihrer theoretischen Formationen« bereit, an die disziplinäre Interessen jeweils anschließen könnten. Es mache einen erheblichen Unterschied, »ob man sein Verständnis von Rhetorik aus Texten eines Platon oder eines Aristoteles, eines Cicero oder einer deutschen Frühaufklärung, eines italienischen Humanismus oder eines Nietzsche gewinnt«.151 Die Herausbildung einer spezifischen »Formation« von Rhetorik müsse also stets im Rahmen ihres »kulturellen Systems« sowie ihrer »Historizität« beschrieben und analysiert werden. So beschreibt PETER WÜLFING-VON MARITZ den »unmittelbaren Nutzeffekt«, den die antike Rhetorik in ihrem Ursprung als Problemlöseverfahren für die Gerichtsrede hervorbrachte. Mit der Begründung der attischen Demokratie im 5. Jahrhundert v.Chr. 146 147

148 149 150 151

Vgl. R. Lachmann: Die Rhetorik und ihre Konzeptualisierung. München 1994. S. 2. Für ›thematische‹ Verfahren (inventio), sequenzbildende Verfahren (dispositio) und stilistische Verfahren (elucutio) »gibt die Rhetorik genaue Selektions- und Kombinationsregeln an«, die jeweils funktional an bestimmte Ereignisse gebunden und für bestimmte Kommunikationsziele pragmatisch ausformuliert werden. Vgl. ebd., S. 3-5, hier 4. Vgl. ebd., S. 5-9. Lachmann deutet den Bezug zum kulturellen Hierarchiesystem nur an, das besonders in den Prinzipien von decorum und aptum zum Ausdruck kommt. Vgl. ebd., S. 12-14. Auch Groos verweist bereits auf den Charakter von Sprache, vgl. K. Groos: Die Spiele der Menschen. Heidelberg u.a. 1973. Vgl. R. Lachmann: Die Rhetorik und ihre Konzeptualisierung. In: Dies.: Die Zerstörung der schönen Rede. München 1994. S. 1-20. Vgl. J. Kopperschmidt: Rhetorik nach dem Ende der Rhetorik. Darmstadt 1990. S. 8.

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und der Einrichtung von Volksgerichten – mit bis zu 1501 Laienrichtern, die durch das Los bestimmt wurden – wuchsen zugleich Macht und Anforderungen an einen Antragsteller. Es gab keine Möglichkeit der Vertretung – jeder Bürger musste seine Sache vor Gericht persönlich und in Form einer Rede vortragen, Tatbestände darstellen und Gesetze auslegen. Das Gericht konnte nur dem Antrag einer Partei stattgeben, unmittelbar und ohne Beratung, sodass die Auswirkung der Rede – Schuldspruch oder Gerichtsgebühr – direkt spürbar war. Ähnliches galt für Volksversammlungen zur Gesetzgebung. Vor diesem Hintergrund wandten sich die Bürger Athens an die Redekundigen, um sich schulen zu lassen. Die athenische Kultur reagierte mit der rhetoriké téchnē auf die Notwendigkeit, die neuartige öffentliche Konfliktregulierung in die Verantwortung von Volksversammlungen und Laiengerichte zu übergeben, die den Einzelnen nun zwang, seine Interessen als öffentlicher Sprecher – und das heißt: rhetorisch – vertreten zu müssen. Parallel zu den Anforderungen der Redeorte und -publika entstand nicht nur die Gattungslehre der Rhetorik wie sie ARISTOTELES beschreibt, sondern zugleich ein für die Weiterentwicklung der téchnē entscheidendes ›binäres Feedbacksystem‹: Anklage oder Verteidigung vor Gericht gewonnen: ja/nein; Zuraten oder Abraten vor Entscheidungsgremium angenommen: ja/nein; Lob oder Tadel angenommen (Zuspruch erhalten): ja/nein. Jenseits ›künstlerischer‹ Interpretationsspielräume stellt sich die Rhetorik eindeutigen Kommunikationszielen, deren Erfüllung unmittelbar überprüfbar bleibt. Nicht zuletzt verdient sie sich dadurch den Status der téchnē. »Die Entwicklung zu zahlenmäßig großen, in der Zusammensetzung variablen Beschlußgremien mit weitreichenden Befugnissen in Legislative und Jurisdiktion hat der Rede des Antragstellers eine unvergleichliche Bedeutung zugespielt. Unter diesem Druck mußten rhetorische Kenntnisse rasch verbreitet und somit systematisch gelehrt werden.«152

Die Lehrbücher der Rhetorik, die schließlich die Jahrhunderte überdauern sollten, seien das Ergebnis dieses Druckes gewesen. HEINRICH F. PLETT stellt nun für das ›kulturelle System‹ der Renaissance einen Adaptationsprozess der Rhetorik fest: »The rhetoric of the Renaissance represents a decisive climax in the history of Western rhetoric. It does not, however, emerge as an abrupt cultural turn but gradually develops in several stages of imitation and innovation.« Nach der Wiederentdeckung, Verbreitung, Übersetzung und Kommentierung der antiken Schriften gingen die Humanisten dazu über, eigene Traktate zu verfassen, die sich zum Teil eng an den antiken Vorbildern orientierten (›Imitation‹), zum Teil aber auch in freier Auslegung entstanden, um sie den Anforderungen ihrer Zeit anzupassen (›Emulation‹). Dies habe zu einer Ausdifferenzierung und Diversifikation der rhetorischen Handbücher, aber auch zu einer schrittweisen Unabhängigkeit von normativen Einschränkungen und zu einer Konzentration auf die verschiedenen damals gegenwärtigen Spezifika geführt. So wurden praktikable und passende Techniken der Überzeugung für alle Professionen und Gelegenheiten bereitgestellt: für juristische Aufgaben, für Kanzleien und Schreibstuben im Staats- und Kirchendienst, für gesellschaftliche Anlässe oder

152

Vgl. P. Wülfing-v. Maritz: Grundlagen und Anfänge der Rhetorik in der Antike. In: Euphorion. Heft 1/2, Jg. 63, Heidelberg 1969. S. 207-215, hier 209.

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auch für Gewerke im Geiste der Rhetorik (Malerei etc.).153 GEORG BRAUNGART beschreibt sogar, dass noch im 17. Jahrhundert zwei in ihren Grundsätzen konkurrierende Vorstellungen von Rhetorik existierten, die sich vor allem an der Grenze von gelehrter und angewandter Rhetorik trennten. Auf der einen Seite war die »Poiesis« (gerichtet auf die Herstellung eines Produktes), die Schul- und Universitätsrhetorik der Gelehrten in antiker Tradition, der zunehmend vorgeworfen wurde, in ihrer Erstarrtheit und Anwendungsferne keine Relevanz für die politisch-soziale Realität mehr zu besitzen. Auf der anderen Seite die »Praxis« (gerichtet auf den Vollzug einer sprachlichen Handlung), vertreten durch die Pragmatiker am Hof, in Kanzlei und Politik, jedoch ohne Vermittlungs- und Tradierungsinstanz, die sich einzig auf theorieferne Formular- und Musterbücher sowie das Studium von Vorbildern stütze, um im täglichen Geschäft nur kleinere Modifikationen an der »›Oberfläche‹ des Textes« vorzunehmen. Erst den Rhetoriktheoretikern des späten 17. Jahrhunderts sei es gelungen die von beiden Seiten beklagte Theorie-Praxis-Lücke wieder zu schließen, ohne jedoch die Widersprüche der beiden Textherstellungsverfahren gänzlich ausräumen zu können, was nicht ohne Folgen für die rhetorische Systematik bleiben sollte.154 Der Prozess der fortwährenden Anpassung der Theorie – so hat es auch DIETMAR TILL betont – entsteht aus dem Aufeinandertreffen von antikem ›System‹ und pragmatischen Anforderungen.155 Dabei führt die ›Involution‹ – um den Begriff von STÖCKMANN aufzugreifen (s.o.) – jedoch stets zu einer Stabilisation des Systems, da eine neue Theoriebildung immer wieder auf einen festen Kanon antiker Schriften rekurriert und die Auseinandersetzung anleitet. Erst der Zusammenbruch des topischen Referenzsystems beendete schließlich die europäische Rhetoriktradition. Ein solcher Überblick der Geschichte der Rhetorik kann ihren vielfältigen Ausformungen und Diskussionen unmöglich gerecht werden; zu viele ›Rhetoriken‹ sind im Laufe von 2500 Jahren schon entstanden, als dass man der Entwicklung in diesen wenigen Worten auch nur annähernd gerecht werden könnte. Allein der Umstand, dass die Rhetorik ständiger Veränderung unterliegt und diese Veränderungen Reaktionen auf unterschiedliche kulturelle sowie anwendungsbezogene Kontexte sind, sollte hier umrissen werden. Entsprechend der evolutionären Theorie soll somit zugleich betont werden, inwiefern diese Entwicklungen nicht gleichzusetzen sind mit der Vorstellung eines unaufhaltsamen und auf einen zentralen Wissensbestand zielenden ›Fortschrittes‹. Stattdessen soll vielmehr eine ständige strukturelle Anpassung des Systems aufgrund von inneren oder äußeren Spannungen erfolgen, die in unterschiedlichen ›Umwelten‹ und ›Nischen‹ unterschiedliche Ausprägungen desselben ›Systems‹ hervorbringt. Schließlich – und dies wird gerne vergessen – gilt auch die Notwendigkeit der Transmission, also die Übertragung bzw. Vermittlung des Regelwissens. Bei einer ›Kunst‹ handelt es sich in diesem Sinne immer um tendenziell »Prekäres Wissen« (M. MULSOW), das heißt Wissensbestände, die aus verschiedensten Gründen der ständigen Gefahr ausgesetzt sind, verloren zu gehen. Seien es Verhältnisse der vom Wissen betroffenen Personen, fehlende Gleichgesinnte, Zuhörer/innen und Nachfolger/innen, die erzwungene 153 154 155

Vgl. H.F. Plett: Rhetoric and Renaissance Culture. Berlin u.a. 2004. S. 13-83, hier 13, 18f., 22f. Vgl. G. Braungart: Praxis und poiesis. In: G. Ueding (Hg.): Rhetorik zwischen den Wissenschaften. Tübingen 1991. S. 87-98. Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. Hier Teil II, Kap. II.

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oder selbst auferlegte Geheimhaltung, zum Beispiel von Herrschafts- und Standeswissen, die Gefahr von Übertragungs- und Übersetzungsfehlern sowie -verlusten bzw. Neu- und Uminterpretationen, die Schwierigkeit der Formulierung impliziter Praxen in einem verständlichen Medium oder schlicht die Brisanz bestimmter Gedanken und ihrer Folgerungen, die das Wissen in entlegene und instabile Nischen zwingen, in denen es ggf. prosperieren kann. Nicht zuletzt mag eine »Ökonomie des Geheimen«, der Verkauf geheimgehaltener Wissensbestände, dazu Anlass geben, Wissen nur gegen möglichst hohe Bezahlung und in schwerlich multiplizierbarer Weise weiterzugeben. Der Akt der Veröffentlichung, die Intention der Explikation, müsse also stets in der konkreten historischen Situation rekonstruiert werden.156 Schon im antiken Rom versuchte man der Verbreitung rhetorischen Wissens Einhalt zu gebieten. So wandten sich die beiden Senatoren DOMITIUS und CRASSUS im Jahr 92 v.Chr. mit einem Verbotsedikt gegen die selbständige, öffentliche und ganztägige Rhetorenschule des PLOTIUS, der sich darauf spezialisiert hatte, in lateinischer Sprache die Technik der Beredsamkeit zu vermitteln. Darin äußerte sich nicht allein eine »generelle Skepsis gegenüber der Rhetorik« und eine »latente Theoriefeindlichkeit« sowie das Misstrauen einer (griechisch) gebildeten aristokratischen Elite, die in ihren Zugang zur politischen Macht hineingewachsen war. Vielmehr sah man die eigene Machtausübung bedroht, war es doch wiederholt gelungen, tribunizische Gesetzesanträge vor die Volksversammlung zu bringen und dort – gegen die Mehrheit des Senates – durchzusetzen, was nicht zuletzt »mit den Mitteln der Überredung und Überzeugung« überhaupt erst gelang. Dass es auch jungen, ehrgeizigen Politikern ebenso wie populistischen ›Dämagogen‹ möglich wurde, durch Anwendung der Redekunst politischen Einfluss zu gewinnen und gesellschaftlich aufzusteigen, provozierte eine harte Reaktion der Führungsschicht, die letztlich jedoch folgenlos blieb. »Gegenüber den neuen Möglichkeiten der forensischen Rhetorik erwiesen sich die bisherigen privaten, breit angelegten und somit gemächlichen Ausbildungsmethoden als ungenügend, und in dieses institutionelle Vakuum stieß die Schule des Plotius hinein, die eine Art Schnellkurs anbot und sofort beträchtlichen Zulauf hatte [...].«157

Selbst im Mittelalter, in dem es keine der römischen Republik ähnlichen Institutionen gab, kam es nicht zum völligen Traditionsbruch mit der Rhetorik. Passagen, die mit dem christlichen Lehrgebäude nicht vereinbar waren, wurden umgedeutet, angepasst oder verworfen. So wurde die Rhetorik zu einer Predigt- oder auch Briefstellerlehre um-

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Vgl. M. Mulsow: Prekäres Wissen. Berlin 2012. S. 11-36, 269-275, passim. Schließlich kommen ganz aktuelle Gefahren des Verschwindens von Wissen hinzu: durch Datenverlust, Technikversagen, inzwischen antiquierte Dateiformate, nicht länger zugängliche Hardware oder wenn Wissen »in einer unüberschaubaren Masse ertrinkt«. Vgl. ebd., S. 11, 403. Vgl. P.L. Schmidt: Die Anfänge der institutionellen Rhetorik in Rom. Amsterdam 1975. S. 194f., 205, 208-216, hier 210. Das darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rhetorik als gesellschaftliche Praxis immer eine Technik der Privilegierten blieb, da man für ihren Erwerb zahlen musste und man sich so von denjenigen, »die nicht sprechen können«, zu differenzieren wusste. Hinweis bei R. Barthes: Die alte Rhetorik. In: Ders.: Das semiologische Abenteuer. Frankfurt a.M. 1988. S. 15-101, hier 17.

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gedeutet oder aber zu einem reinen Gegenstand des Studiums, begleitet von gelehrten und folgenlosen Disputationen: »Es ist bezeichnend, daß seit dem 9. Jahrhundert eben nur unvollständige Texte von ›De oratore‹ und der ›Institutio‹ kursierten. Darin dokumentiert sich aber schlagend das Interesse, die Rhetorik so zu formen, daß sie den Intentionen einer Epoche entgegenkam, die durch eine zunehmende Spezialisierung geprägt ist. Die rhetorische Theorie wird nicht mehr als ganzes Lehrgebäude tradiert, sondern entsprechend den sich gesellschaftlich entwickelnden Anwendungsbereichen für wirkungsvolle Sprache umgeformt und in Spezialdisziplinen aufgenommen.«158

Für die nachfolgenden Generationen sollte sich demgegenüber als Glücksfall erweisen, dass trotz der Anpassungen der Rhetorik an die Anforderungen ihrer Zeit dennoch wesentliche Bestände ihres Wissens ›blind‹ tradiert wurden. In den mittelalterlichen Klöstern galt das Kopieren antiker Schriften als demütige Arbeit – Interesse am Inhalt war dabei nur störend; Ziel war das Herstellen genauer Abschriften, ohne Verbesserungen oder Kommentare. Auf diese Weise blieben viele antike Schriften wie auch das Wissen der Rhetorik in seinen Handbüchern und Traktaten erhalten, wenngleich inaktiv, also ohne zur Anwendung zu kommen. Selbst als christliche Texte zunehmend in den Mittelpunkt der Kopierarbeit rückten, wurden die Pergamente dennoch aufbewahrt und wiederverwendet – zu kostbar war der Rohstoff. Durch die Arbeit klösterlicher Skriptorien und Bibliotheken wurden, aller Unwahrscheinlichkeit zum Trotz, antike Wissensbestände multipliziert und gespeichert, um schließlich von den humanistischen »Bücherjägern« wiederentdeckt zu werden.159 Somit stellt die mediale Verfassung von Produktionstheorie – über unausgesprochene, individuelle Techniken hinaus – einen weiteren wesentlichen Selektionsfaktor dar. Genau wie im Falle der ›inventiven‹ Spielräume160 im Rahmen der Variation lässt sich danach fragen, ob eine Produktionstheorie selbst bereits Planstellen vorsieht, die sich mit der Sicherung und Weitergabe von Regeln befassen. Gibt es Strukturen im Regelkanon, Übungen oder Merksätze, die besonders dazu geeignet sind, ihre Erinnerbarkeit zu steigern? Wird gar zur schriftlichen Replikation oder eigenen Theoriebildung geraten? Und – vice versa – sind bestimmte Regeln womöglich nur deshalb präsent und viel gebraucht, da sie besonders gedächtnisfreundlich sind? In beiden Fällen ist einmal mehr die Rhetorik exemplarisch, hat sie doch sowohl Regeln zum Einprägen ins Gedächtnis (memoriaLehre) als auch zur Nachahmung von Vorbildern (imitatio-Lehre) inkorporiert.

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Vgl. G. Ueding, B. Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Stuttgart u.a. 2005. S. 48-75, hier 64f. Die Autoren sprechen von einer »verdeckten Überlieferung der Rhetorik« durch andere Disziplinen wie Grammatik, Dialektik und Philosophie, in denen »viele der ursprünglich rhetorischen Aufgabenbereiche« aufgingen, selbst zu Zeiten, als die Rhetorik ausdrücklich vom universitären Unterricht ausgeschlossen wurde. Besonders anschaulich bei S. Greenblatt: Die Wende. München 2012. S. 47-53, passim. Vgl. W. Barner: Spielräume. In: H. Laufhütte (Hg.): Künste und Natur in Diskursen der Frühen Neuzeit, Teil I. Wiesbaden 2000. S. 33-67.

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Analogie

Sofern in einem Umfeld ähnliche Selektionsbedingungen herrschen, kann es zu strukturellen Ähnlichkeiten in Regelsystemen kommen. Strukturelle Ähnlichkeiten werden in der Evolutionstheorie mit den Begriffen ›Analogie‹ und ›Homologie‹ beschrieben, die hier als Heuristik eingesetzt werden können.161 Die Analogie bezeichnet heute in der Biologie das Auftreten funktionsgleicher Strukturen innerhalb von zwei oder mehr Systemen ohne Verwandtschaftsbeziehungen. Diese strukturelle Ähnlichkeit wird zurückgeführt auf die jeweils gleichen Anforderungen der Umwelt bzw. des Lebensraumes, sodass die Funktion unabhängig von jeder Verwandtschaft zustande kommt. Man spricht auch von Anpassungsähnlichkeit, beruhend auf weitgehend gleichartiger Selektionswirkung (konvergente Evolution).162 ›Analogie‹ im Kontext einer rhetorischen Theoriebildung heißt also, dass ein Regelsystem strukturähnliche Kategorien und Begriffe hervorbringt, jedoch ohne Kenntnis eines rhetorischen Ursprungssystems. In diesem Sinne hat etwa GEORGE A. KENNEDY seinen Ansatz für die komparative Rhetorik entwickelt, um zu bestimmen, in welchem Maße sich kulturell unabhängig entwickelte Traditionen persuasiver Kommunikation voneinander unterscheiden, welche Gemeinsamkeiten auf eine allgemeine Theorie der Rhetorik hindeuten und welche Strukturen und Terminologien sich als kulturübergreifende Beschreibung rhetorischer Praktiken bewähren. KENNEDY geht bei der Suche nach Analogien von einem Rhetorikbegriff aus, der ganz der Persuasion verpflichtet ist: »›Rhetoric‹ in this broader sense is a universal phenomenon, one found even among animals, for individuals everywhere seek to persuade others to take or refrain from some action, or to hold or discard some belief. Traditional nonliterate cultures have not, so far as I can discover, developed an abstract term to describe the ›art‹ of persuasion; they usually speak in more specific terms. Almost all cultures have a word for an ›orator,‹ someone with special skills at public speaking; most have terms for different speech situations of different kinds of traditional literature. Some have words that correspond to ›metaphor,‹ ›comparison,‹ or other features of discourse. The conceptualization and discussion of something analogous to what we call ›rhetoric‹ occurred in other early literate cultures besides the Greek: in ancient Egypt and ancient China, for example, where there were even something resembling handbooks of good speaking and good writing [...].«163

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Das Argumentationsmuster der strukturellen Ähnlichkeit findet sich als Randnotiz auch bei Barner, der z.B. andere »Kunstlehren der Frühen Neuzeit [in einigen Punkten als] strukturanalog oder -homolog« zur Rhetorik bezeichnet oder auf das »rhetorische ›Erbgut‹ bei Vitruv« verweist. Vgl. ebd., S. 65. Vgl. auch P. Steadman: The Evolution of Designs. London u.a. 2008. S. 94-98. Lexikon der Biologie, Bd. 1. Freiburg im Breisgau u.a. 1983. S. 169-172. Klassische Beispiele aus der Biologie sind z.B. die Linsenaugen sowohl bei Wirbeltieren als auch Kopffüßern oder die strömungsgünstige Körperform bei nicht verwandten Arten wie von Knorpel- und Knochenfischen, Reptilien, Vögeln sowie Säugetieren. Vgl. ebd., S. 100f. Siehe auch Artikel ›Analogie‹. In: HWdB, Bd. 1, S. 1-12. Kennedy formuliert perspektivisch das Ziel, auch die Anwendung der zeitgenössischen interkulturellen Kommunikation durch ihr besseres Verständnis entwickeln zu wollen. Vgl. G.A. Kennedy: Comparative Rhetoric. New York/NY u.a. 1998. S. 1-7, 215-230, hier 3.

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KENNEDYS grundlegende Studie wurde ermöglicht aufgrund eines zugleich weiten (persuasive Kommunikation) und engen (sprachliche Kommunikation) Rhetorikbegriffes, der den rhetorischen Ausdruck als eine Form von energetischer Einflussnahme versteht. Zudem ist sie allein den frühen antiken Rhetorikkonzepten gewidmet und betrachtet weder die historische Veränderung des rhetorischen Kanons innerhalb einer Kultur selbst (Homologie) noch die Analogien zwischen sprachlichen und nichtsprachlichen Medien. Dennoch liefert sie wesentliche Hinweise für den Umgang mit strukturellen Ähnlichkeiten, da sie stets mit der abendländischen rhetorischen Systematik als Vergleichsgröße operiert. Den Analogien in den ›rhetorischen‹ Produktionstheorien in unterschiedlichen Künsten wurde an anderen Stellen nachgegangen. So hat man etwa im Rahmen der Diskussion um den Beitrag der Rhetorik Zur Terminologie der Literaturwissenschaft festgehalten, dass übernationalsprachliche und die septem artes umspannende ›Analogien‹ rhetorischer Terminologie sich auf Aspekte ihrer (Selbst-)Beschreibung beziehen. Auch der Terminologietransfer von der Rhetorik bis hin zur Malerei habe sich so vollzogen: »Es handele sich um eine Strukturanalogie. Das tertium comparationis seien die verschiedenen Stufen der kunstgerechten Verfertigung, die aus dem temporalen Bereich des Rhetorischen in den spatialen der Malerei übertragen werde. Den Verfertigungsstufen selbst – inventio, dispositio, elocutio – lasse sich ferner ein steigender Grad von Materialität zuordnen. Die inventio könne folglich als intellektuellste Teilkunst bezeichnet werden. Durch die Adaption inventiver Terminologie zu Beginn der Neuzeit gäben sich die Maler einen Beschreibungsrahmen, der ihre Kunst aus dem mittelalterlichen Status einer mechanischen Tätigkeit befreie und intellektuell aufwerte.«164

Notwendigerweise geht bei der Annahme eines solchen Terminologietransfers die Strukturanalogie im Arbeitsprozess ihrer begrifflichen Fassung voraus; erst im zweiten Schritt wird die Systematik der Rhetorik als äquivalent vorgefunden und bewusst zur Selbstbeschreibung herangezogen, wobei zugleich auf den immanenten intellektuellen Anspruch der Ursprungsdisziplin Bezug genommen wird. Zwei Beispiele sollen kurz erläutern, wie sich solche Analogien im Bereich medialer Designprozesse niederschlagen. Insbesondere im Rahmen der Filmtheorie ist in jüngerer Zeit mehrfach auf SERGEJ EISENSTEINS (1898-1948) »Bildrhetorik« verwiesen worden, auch um die Aktualität medienrhetorischer Analyse zu belegen.165 NOBERT M. SCHMITZ konstatiert unter Verwendung von reichlich Anführungszeichen, dass EISENSTEINS Praxis und Theorie des Filmemachens deutlich auf »›humanistisches Erbe‹« oder »kulturelles Erbe« verweise, »›klassischen Geist‹« verrate, im »Erbe der Tradition« aufgehe sowie »die ›Klassiker‹« und »vor allem deren Methoden« zitiere: »Eisenstein [scheint] also nur die Mittel der klassi-

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A. Grün-Oesterreich: Erträge der Diskussion. In: C. Wagenknecht (Hg.): Zur Terminologie der Literaturwissenschaft. Stuttgart 1988. S. 209-262, hier 262. Zum Kontext vgl. A.K. Varga: Rhetorik, Poetik und die Kunsttheorie. In: Ebd., S. 209-222. Vgl. N.M. Schmitz: Eisensteins Bildrhetorik. Würzburg 2005. »Es zeigt sich, das dies [die kalkulierte Wirkungsästhetik, Anm. d. Verf.] auch durch die modernen Medien nicht grundlegend anders geworden ist, denn sie allein entsprechen den anthropologisch gegebenen Bedingungen menschlicher Wahrnehmung und Aufmerksamkeit.« Ebd., S. 175.

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schen Rhetorik auf das Medium Film anzuwenden«.166 Doch jenseits der Begriffe ›Pathos‹ und ›Organisch‹ sowie einiger topisch scheinender Argumentation legt SCHMITZ keine expliziten Bezugnahmen vor.167 Vielmehr habe EISENSTEIN in dem Bestreben, die »verloren gegangene gesellschaftliche Wirkungsmächtigkeit der Kunst« durch den Film wiederherzustellen, erkannt, dass diese »Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele unverzichtbar sind«. Deshalb gehe »die Ästhetik des Panzerkreuzers umstandslos in den ästhetischen Kategorien der Tradition auf«.168 Er habe erkannt, dass »die anthropologischen Wirkungsmechanismen, wie sie im traditionsreichen rhetorischen Wissen aufgehoben waren, unabdingbare Voraussetzung kommunikativer Wirksamkeit sind.«169 EISENSTEIN musste zwangsläufig die ästhetischen Kategorien der rhetorischen Tradition »anhand sämtlicher Künste und Epochen« rekonstruieren – und konnte so frei über sie verfügen.170 Die Arbeit EISENSTEINS sei insofern nicht ›rhetorisch‹ zu nennen, da sie explizit das Theoriegebäude der antiken Rhetoriklehre zitiere, sondern weil sie – vor dem Hintergrund der Zielvorgabe des Überredens im Sinne politisch-propagandistischer Manipulation – Begriffe, Kategorien und Systematiken (strukturelle Ähnlichkeiten) konstruiert habe, die sich zu ›rhetorischen Mitteln‹ analog verhalten. Zu einem ganz ähnlichen Schluss kommt GESCHE JOOST, indem sie EISENSTEINS Theorie und Praxis filmischen Gestaltens (Orientierung an Wirkung und Persuasion eines Massenpublikums, Reflexion der Rolle und Adressierung des Publikums, Ansatz einer Figurentheorie des Filmes und Maximierung der affektiven Wirkung) eine »Rhetorik des Films avant la lettre« nennt.171 »Eisenstein [bezieht sich] nicht explizit auf rhetorische Lehrtexte, ja, es ist sogar fraglich, ob er die antiken Rhetoriker oder ihre Nachfolger überhaupt rezipierte. Auch wenn seine Konzepte eine rhetorische Prägung aufweisen, so beruht sie eher auf einem impliziten, kulturell verankerten Wissen um die rhetorisch wirksame Kommunikation. Die Rhetorik zeigt sich hier als eine kulturell verankerte Technik, deren Wissen in Form praktischer Anwendung und impliziter Regelweitergabe gespeichert wird.«172

Angesichts der »skizzenhaften«173 Untersuchung JOOSTS muss jedoch offen bleiben, ob EISENSTEIN seine Filmtheorie in »praktischer Erprobung« analog zur Rhetorik tatsäch-

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Vgl. ebd., S. 174, 177, 180, 185, hier 183. Vgl. ebd., S. 175, passim. Vgl. ebd., S. 185. Ebd., S. 186. »Eisenstein [ist] nicht bereit, die offensichtlich den Bedingungen der menschlichen Anthropologie so angepassten und über Jahrhunderte erprobten Wirkungsmittel der Tradition über Bord zu werfen.« Ebd., S. 187. »Weit ab vom ästhetisierenden Blick seiner avantgardistischen Weggefährten ist er nun fasziniert von der Präzision, mit der es die alte Kunst verstand, sich solch wirkungsästhetischer ›Universalgesetze‹ zu bedienen, oder – um es modern auszudrücken – davon, wie sehr die anthropologischen Voraussetzungen der visuellen Kommunikation in sie eingegangen sind.« Ebd., S. 188. Vgl. G. Joost: Bild-Sprache. Bielefeld 2008. S. 155-173, hier 156f. Ebd., S. 160. Ebd., S. 173.

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lich ›neu erfand‹174 oder (ggf. auch und) ob rhetorisches Wissen als implizite Kulturtechnik oder auf dem Umweg über die Rezeption der Rhetorik bei den russischen Formalisten eine homologe Theoriebildung unterstützte,175 worauf zum Besipiel die Übernahme des pathos-Begriffes hindeutet.176 Beide Möglichkeiten erscheinen plausibel.177 Als zweites Beispiel mag das von HEINER MÜHLMANN herausgearbeitete decorumPrinzip dienen. Auf dem Fundament kunsthistorischer Studien und im Vergleich zu den Rechtssystemen der Antike und Renaissance, jedoch wesentlich darüber hinausweisend, übersetzte MÜHLMANN das für die Rhetorik so wesentliche Konzept des decorum in ein produktionstheoretisches Grundprinzip – bis hin zu seiner kulturgenetischen Begründung in der ›Natur der Kulturen‹.178 »Das decorum betrifft einen formalen, dem Eigenwert der Sprache angehörenden Bereich, den es ganz von inhaltlichen Bestimmungen her gestaltet. Es hat außerdem die Fähigkeit, die Sprache als Trägermedium zu überspringen und in gleicher Weise die Formen anderer Trägermedien, zum Beispiel des Kostüms, der Choreographie, der Architektur zu regieren. Das vom decorum regierte Ganze überschreitet stets den einzelnen formalen Bereich, zum Beispiel den der Sprache.«179

Diese Bemühungen münden schließlich in die Anlage der Rhetorik als »MultimediaSystem«.180 Als Zuspitzung dieses Gedankens hat MÜHLMANN zudem formuliert, dass eben nicht die Gesamtsystematik der an das gesprochene Wort gebundenen Rhetorik auf verschiedene Medien übertragbar sei, sondern allein das ihr zugrunde liegende kulturgenetische Prinzip des decorum.181

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Ebd., S. 169. »Aus der Erfahrung, worauf das Publikum in gewünschter Weise reagiert, erwachsen die Regeln für die Anwendung der kommunikativen Mittel.« Ebd., S. 162. Vgl. R. Lachmann: Konzepte der poetischen Sprache. München 1994. Insbesondere S. 305327, passim. Siehe auch D. Gerould: Russian Formalist Theories of Melodrama. In: Journal of American Culture, Vol. 1, No. 1, Spring 1978. S. 152-168. Vgl. G. Joost: Bild-Sprache. Bielefeld 2008. S. 169-173. Vgl. dazu auch die von Boris Groys formulierte These einer ›Visuellen Rhetorik‹ bei Wassily Kandinsky. B. Groys: Kandinskys Bauhaus. In: frieze d/e, 11, Sep./Okt. 2013. (Online) Vgl. H. Mühlmann: Über den humanistischen Sinn einiger Kerngedanken der Kunsttheorie seit Alberti. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte, Vol. 33, 1970. S. 127-142. Ders.: Ästhetische Theorie der Renaissance. Bochum 2005. S. 77-92, passim. Als Trägermedien der Renaissance untersucht Mühlmann »Architektur, Theater, Poesie, Musik und Malerei«. Ebd., S. 92. Ders.: Die Natur der Kulturen. Wien u.a. 1996. H. Mühlmann: Ästhetische Theorie der Renaissance. Bochum 2005. S. 81. Die Bezeichnung »Rhetorik, das Multimedia-System« nutzte Heiner Mühlmann in einer Lehrveranstaltung im Sommersemester 2004 an der Bergischen Universität Wuppertal. Einer sehr engen Rhetorik-Definition als an Sprache und Echtzeit gebundene Diskurstechnik folgend, wird in diesem Kontext gar die Möglichkeit einer »Design-Rhetorik« ebenso wie einer »Game-Rhetorik« über die sprachliche Spielerkommunikation in Multiplayer-online-Spielen hinaus verneint. Vgl. H. Mühlmann: Rhetorik – Design – Macht. In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 101-106.

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Homologie

Die ›Homologie‹ bezeichnet in der Biologie eine strukturelle Ähnlichkeit zwischen zwei Lebewesen, die auf einen gemeinsamen stammesgeschichtlicher Ursprung zurückgeht, dort jedoch nicht zwingend die gleiche Funktion erfüllt (divergente Evolution). Das nicht zufällige Auftreten einer Übereinstimmung komplexer Strukturen wird auf das Vorhandensein gemeinsamer Information zurückgeführt, die durch eine Form der Übertragung (Vererbung, Lernen, Prägung) weitergegeben wurde. Homologien dienen zudem dazu, die phylogenetische (stammesgeschichtliche) Verwandtschaft bzw. gemeinsame Abstammung zweier Lebewesen zu belegen. Bereits CHARLES DARWIN hatte die Homologieforschung der Analogieforschung vorgezogen, insbesondere da der Nachweis ›historischer‹ Verwandtschaften bis heute zur Klassifikation von Lebewesen dient, weshalb die Analogien eher als ›Störfaktoren‹ wahrgenommen werden. Darin kommt auch zum Ausdruck, dass die Selektionstheorie bloß eine eingeschränkte Erklärungskraft besitzt, die meisten Ähnlichkeiten also auf Homologien beruhen – die Homologie daher das »stärkere Prinzip« ist. Demgegenüber wurde eingewandt, dass allein die Analogienbiologie allgemeine Gesetze oder ›Trends‹ der Evolution aufzustellen in der Lage sei.182 Das Homologisieren, also das Vergleichsverfahren zur Überprüfung von Homologie folgt drei Hauptkriterien, die unabhängig voneinander eine Homologie nachweisen können: erstens das Kriterium der ›Lage‹, also die gleiche Lage in einem vergleichbaren Gefügesystem; zweitens das Kriterium der ›spezifischen Qualität‹, also die Übereinstimmung zahlreicher, möglichst komplexer Sondermerkmale; drittens das Kriterium der ›Kontinuität‹, also der Nachweis von Zwischenformen entsprechend der ersten beiden Kriterien, entweder in der Entwicklung einer Form selbst oder durch Vergleich mit einer dritten.183 Nach heutigem Allgemeinverständnis wird ›Rhetorik‹ in aller Regel auf das ›Performanzstadium‹ (OTTMERS) der actio, also die ›rhetorische Praxis im engeren Sinne‹, verkürzt. Sie existiert als die allgemeine bereinigte Lehre gesprochener Vortrags- und Präsentationstechniken und wird als solche in Rahmen von Management- und Unterrichtsschulungen weiterhin gelehrt.184 Schon der Begriff ›Rhetorik‹ selbst scheint also heute nur noch eine ›Homologie‹ seines ursprünglichen Selbst zu sein. Beispielhaft für die Existenz homologer Strukturen können unreflektierte, unsystematische, bruchstückhafte oder auch bewusst umdeutende Überlieferungen der rhetorischen Systematik angeführt werden. So finden sich Restbestände rhetorischen Wissens – wie MARIE LUISE LINN herausgearbeitet hat – noch in der Begründung der philosophischen Ästhetik bei ALEXANDER GOTTLIEB BAUMGARTEN (1714–1762), zum Beispiel in

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Vgl. Artikel ›Analogie‹. In: HWdB, Bd 1. S. 2f., 6-8. Die Homologiekriterien gehen zurück auf den umstrittenen Zoologen Adolf Remane (18981976). Ders.: Die Grundlagen des natürlichen Systems, der vergleichenden Anatomie und der Phylogenetik, Bd. 1. Leipzig 1956. Vgl. F. Zachos, U. Hoßfeld: Adolf Remane (18981976). In: U. Hoßfeld, R. Brömer (Hg.): Darwinismus und/als Ideologie. Berlin 2001. S. 313-358. Auch die actio hat eine lange Wandlungsgeschichte von der Theatertheorie bis hin zu Stimmbildungslehre und Phonetik durchgemacht. Vgl. C. Ottmers: Rhetorik. Stuttgart u.a. 1996. S. 212, 217, 222-224.

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dessen Aufbau der Aesthetica theoretica nach den Arbeitsschritten der antiken Rhetorik.185 DIETMAR TILL zeigt jedoch auf, dass jenseits einzelner Begrifflichkeiten von der Systemrhetorik kaum Elemente erhalten geblieben sind und verwendet in diesem Kontext auch den Begriff ›Homologien‹.186 BERND STEINBRINK und GERD UEDING haben schließlich festgestellt, dass nicht allein der einstmals genuine Gegenstandsbereich der Rhetorik etwa durch Soziologie, Psychologie, Medien- oder Kommunikationswissenschaft »okkupiert und [...] zerstückelt worden« sei. Stattdessen lebten die Wissensbestände der verloren geglaubten Disziplin im 20. Jahrhundert »verdeckt und vereinzelt« z.B. in den (dem rhetorischen Bildungsideal beraubten) Erziehungswissenschaften fort (»Pädagogik und Didaktik arbeiteten nur noch mit Schwundformen«). Ferner könnten sich begrenzt einsetzbare formallinguistische, strukturalistische oder sozialwissenschaftlichen Paradigmen »(bei näherem Zusehen) nicht selten sogar als Schwundstufen der Rhetorik« herausstellen.187 Die Bildung von Homologien durch die Entfernung von der antiken rhetorischen Theorie kann exemplarisch anhand ihrer lückenhaften Rezeption bei der vornehmlich französischen Schule des Poststrukturalismus der 1960er- und 1970er-Jahre und insbesondere bei den Dekonstruktivisten nachvollzogen werden. Die Grundlage für ihre Rezeption bildeten vor allem FRIEDRICH NIETZSCHES Vorlesungen zur Redekunst, die er erstmals im Wintersemester 1872/73 vor nur zwei Studenten gehalten hatte und die erst 1912 aus dem Nachlass »unvollständig und eher schlecht ediert« veröffentlicht wurden.188 Erst beinahe 60 Jahre später wurden NIETZSCHES Vorlesungen von den Poststrukturalisten (wieder-)entdeckt, ins Französische übersetzt und seine radikale Theorien über die Sprache als Rhetorik noch einmal verkürzt, zugespitzt und mit weitreichende 185 186 187

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Vgl. M.L. Linn: A.G. Baumgartens Aesthetica und die antike Rhetorik. Frankfurt a.M. 1974. S. 107f. Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 93-95, hier 94. »Keine dieser Arbeiten kommt allerdings über vage Homologien hinaus.« Vgl. G. Ueding, B. Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Stuttgart u.a 2005. S. 159-206, hier 159. Im Detail bleiben die Autoren allerdings den Nachweis schuldig, welche Teile des rhetorischen Systems in diesen Kontexten genau wieder auftauchen. Vgl. F. Nietzsche: Darstellung der antiken Rhetorik (1874). Berlin 1995. Die Zuwendung zur Rhetorik war auch in den 1870er-Jahren keinesfalls innovativ. Vielmehr stütze sich Nietzsche zu Zeiten seiner wissenschaftlich glücklosen Studien der Altphilologie bei der Zusammenstellung seiner Vorlesung auf gängige, den Forschungsstand widerspiegelnde Gesamtdarstellungen und mutete sich kaum Quellenarbeit zu. Wie die Arbeit von G.W. Most und T. Fries gezeigt hat, sind Nietzsches zugespitzte Thesen nichts als »vereinfachte, verkürzte – und gerade dadurch oft radikalisierte – Äußerungen heute fast völlig in Vergessenheit geratener Sprachwissenschaftler und Philologen des 19. Jahrhunderts«. Vgl. Dies.: ‹«›: Die Quellen von Nietzsches Rhetorik-Vorlesung. In: J. Kopperschmidt, H. Schanze (Hg.): Nietzsche oder »Die Sprache ist Rhetorik«. München 1994. S. 17-38, 251-258, hier 22f. Zu Nietzsches frühen kontroversen, altphilologischen Studien grundlegend M. Vogel: Apollinisch und Dionysisch. Regensburg 1966. Katrin Kohls Einschätzung, dass die Rezeption Nietzsches selbst bereits eine Wiederbelebung »rhetorischer Tradition« bewirkt habe, muss alleine deshalb schemenhaft bleiben, weil nicht deutlich wird, was mit »rhetorischer Tradition« eigentlich gemeint ist. K. Kohl: Die Rhetorik ist das Wesen der Philosophie Nietzsches. In: R. Görner, D. Large (Hg.): Ecce opus. Göttingen 2003. S. 205-225.

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Konsequenzen angewendet.189 So bereitete die Rezeption NIETZSCHES für die verallgemeinerte anthropologische und ahistorische Vorstellung von ubiquitärer ›Rhetorizität‹ den Boden, welche die Systematik der Schulrhetorik letztlich hinter sich lässt.190 Für den angloamerikanischen Sprachraum, der im Kontext dieser Untersuchung von wesentlicher Bedeutung ist, gibt es zwei wesentliche Umstände, die für die Bildung von Homologien von Interesse und gleichzeitig in der (europäischen) Rhetorikforschung nur peripher präsent sind: Erstens hat sich die englische Sprache als ein besonders leistungsfähiges Reservoir erwiesen, um eine Vielzahl rhetorischer Termini zu tradieren; zweitens – und eng damit verbunden – kam es in den USA, ganz anders als in Europa, nicht zum Bruch mit der rhetorischen Tradition, sondern zu einer Anpassung des Systems. Wesentlich für die Aufnahme eines Großteils der rhetorischen Termini aus dem Lateinischen ins Englische ist die Entwicklung des ›Early Modern English‹, etwa von 1500 bis 1800. Wie in ganz Europa, so erlebte auch in Großbritannien die nationalsprachliche Bewegung durch den Buchdruck enormen Auftrieb, wobei Fragen von Vokabular, Orthografie oder Grammatik häufig noch ungelöst waren. Um den Anforderungen einer Gelehrtensprache dennoch gerecht werden zu können, blieb den Autorinnen und Autoren der Renaissance nur, die englische Sprache bewusst und gezielt mit ausgewählten Termini insbesondere aus dem Lateinischen, aber auch Griechischen und Französischen anzureichern, darunter großen Mengen des rhetorischen Fachvokabulars, die bis heute in ihr weiterleben. Die Diskussion um den Import lateinischen Vokabulars entsprechend der rhetorischen copia lässt etwa anhand von THOMAS WILSONS The Arte of Rhetorique (1553) oder GEORGE PUTTENHAMS The Arte of English Poesie (1589) nachvollziehen.191 Schon WALTER ONG hat darauf hingewiesen, dass es vor allem die Anleitungstexte der Rhetorik und Grammatik waren, die im 16. Jahrhundert den Übergang von der lateinischen zur englischen Sprache vollzogen und damit das Vokabular für den angemessenen, gelehrten Ausdruck schufen.192 Gleichzeitig war es vor allem die Poetik, die rhetorische Wissensbestände sicherte, indem sie diese inkorporierte, darunter insbesondere die Formen sprachlichen Ausdrucks (›style‹ bzw. ›diction‹). So gingen die rhetorischen ›figures of speech‹ in den ›poetic de189

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Vgl. G.W. Most: Friedrich Nietzsche zwischen Philosophie und Philologie. In: Ruperto Carola, 2/1994. S. 12-17, 24. (Online) Zur Nietzsche-Rezeption bei Lacoue-Labarthe, Derrida, de Man u.a. siehe auch die Beiträge von L. Ellrich, B. Vickers und A. Haverkamp in J. Kopperschmidt, H. Schanze (Hg.): Nietzsche oder »Die Sprache ist Rhetorik«. München 1994. B. Vickers: De Man’s Schismatizing of Rhetoric. In: S. Ijsseling, G. Vervaecke (Hg.): Renaissances of Rhetoric. Leuven 1994. S. 193-248. G.K. Mainberger: Nietzsches Rhetorizität in Derridas Ohr. In: H. Vetter, R. Heinrich (Hg.): Die Wiederkehr der Rhetorik. Wien u.a. 1999. S. 45-76. Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 38-42, mit weiterer Literatur. Der vorliegende Ansatz geht ganz bewusst über Annahme einer ›Rhetorizität‹ des Game Design im Sinne einer von ihren Mitteln unabhängigen Überzeugungsleistung hinaus. Vgl. B. Schmidt-Haberkamp: Rhetorizität. In: HWdR, Bd. 8. Sp. 219-221; auch in: G. Ueding (Hg.): Rhetorik. Tübingen 2005. S. 324-329. Vgl. A.C. Baugh, T. Cable: A History of the English Language. London 2002. S. 200-233. F.R. Johnson: Latin versus English. In: Studies in Philology, Vol. 41, 1944. S. 109-135. W.J. Ong: The presence of the word. Minneapolis/MN 1986. S. 76-87.

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vices‹ auf und wurden durch den Schulunterricht zu einem festen Bestandteil des Allgemeinwissens193, bis hin zum Ausdruck ›figuratively speaking‹, der umgangssprachlich einer Ausdrucksweise ›im übertragenen Sinne‹ vor- oder hintangestellt wird.194 Die rhetorische Fachsprache hat im angloamerikanischen Sprachraum – anders als etwa im deutschen195 – bis heute deutliche Spuren in der Alltagssprache hinterlassen, ohne ihre Herkunft zu verraten.196 Dies schlägt sich nicht zuletzt in der bereitwilligen Einrichtung 193

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So erklärt La Rue van Hook noch 1914: »[...]we are still employing Greek technical terms [...]. For example, editors of secondary-school and college textbooks expect tender younglings to pronounce, define, and remember such terms as anacolouthon, aposiopesis, apostrophe, [...] and oxymoron. The student is even drilled to think and say paronomasia when he sees a pun! But it is unfortunately the case that for the majority of such terms we have no satisfactory English equivalents.« L.R. v. Hook: Greek Terminology in Puttenham’s The Arte of English Poesie. Baltimore/MD 1914. S. 127. Die Tradition der Übernahme der Figuren und Tropen ist bereits in der Renaissance ein wesentliches Zeichen für die Annäherung der Poetik an die Rhetorik und umgekehrt vom Begriffs- bis hin zum Systemtransfer. Vgl. H.F. Plett: Rhetoric and Renaissance Culture. Berlin u.a. 2004. S. 36-40, 85-293. Im Englischen finden sich ebenso verschobene Bedeutungen, wie z.B. der Umstand, dass aufgrund eines etymologischen Fehlers ›elocution‹ heute vornehmlich die Ausführung der öffentlichen Rede einschließlich Gestik und Mimik meint (und so auch der ›elocutionary movement‹ seinen Namen gab), während der (schrift)sprachliche Ausdruck unter ›style‹ subsumiert wird. Vgl. ebd., S. 43. Die deutsche Gelehrtensprache war und ist dagegen seit der ausgehenden Frühen Neuzeit durch die eher rhetorikfeindlichen Vertreter der Aufklärung in der Nachfolge Christian Wolffs (1679-1754) geprägt. Vgl. W.W. Menzel: Vernakuläre Wissenschaft. Tübingen 1996. R. Hildebrandt-Günther: Antike Rhetorik und deutsche literarische Theorie im 17. Jahrhundert. Marburg 1966. Mit der solchermaßen propagierten Etablierung des Deutschen als ›Wissenschaftssprache‹ verband sich jedoch auch eine »inkonsistente[n] Terminologie im deutsch-lateinischen Bereich«. Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. S. 197, Anm. 459. Ausführlicher Ders.: Leibniz-Übersetzung und Leibniz-Rezeption im 18. Jahrhundert. Amsterdam 2002. S. 650-664, passim. Die Stärkung der Nationalsprache und die wachsende Ablehnung der Latinität in Deutschland führte schließlich Ende des 18. Jahrhunderts zum Verschwinden der rhetorischen Fachtermini – als zusammenhängendes Gesamtsystem der Schulrhetorik – aus dem Unterricht und damit aus der deutschen Alltagssprache. Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. S. 271-280. Angesichts der Allgegenwart des Englischen ist es kein Wunder, dass diese rhetorischen Termini auch ins Deutsche übertragen werden. Wenn es etwa umgangssprachlich heißt, man müsse nicht nur die Idee zu etwas haben, sondern auch ›abliefern‹ können, so handelt es sich um die hölzerne Übersetzung von ›delivery‹, dem letzten rhetorischen Produktionsstadium, dem Vortrag (actio). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit müssen diese Überlegungen leider anekdotisch und spekulativ bleiben, können jedoch auch auf einen ersten Präzedenzfall hindeuten. Eine sprachwissenschaftliche Aufarbeitung (angewandt, vergleichend, historisch) der rhetorischen Termini in der englischen Sprache (und anderen) ist Desiderat. Hier nur einige Hinweise zur Überblicksliteratur: A.C. Baugh, T. Cable: A History of the English Language. London 2002. R. Lass (Hg.): The Cambridge History of the English Language, Vol. III, 1476-1776. Cambridge 1999. R.M. Hogg, D. Denison (Hg.): A History of the English Language. Cambridge 2006. S. 256-258. Allgemeiner zum Aufbau des »World’s Most Extensive Vocabula-

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von ›Departments of Speech‹ an amerikanischen Universitäten nieder, die selbst wiederum zur Verankerung rhetorischen Basiswissens in der Gesellschaft beitragen und den medialen Transfer zum Beispiel zu einer ›Visual Rhetoric‹ begünstigen.197 Im Anschluss an DIETMAR TILL lässt sich auch für die in die USA exportierten Rhetoriken die für das 18. Jahrhundert typische Opposition von ›natürlicher‹ Affektrhetorik und regelgeleiteter Schulrhetorik feststellen. Entscheidend ist jedoch, dass es auf dem amerikanischen Kontinent nicht wie im Europa der Spätaufklärung zum Bruch mit der schulrhetorischen Tradition kommt, sondern diese vielmehr in ihren eigenen Nischen aufgeht und weitestgehend als System überlebt.198 Wie JAMES A. BERLIN herausgearbeitet hat, waren in den USA des 19. Jahrhunderts gleich drei unterschiedliche Rhetorikverständnisse vertreten. Angesichts der sehr eigenen sozialen, ökonomischen, religiösen und auch ästhetischen Rahmenbedingungen, die hier unmittelbar nach der Unabhängigkeit 1776 herrschten, kam es zu grundlegenden ›Transformationen der Rhetorik‹ (TILL), die sich deutlich von der europäischen Entwicklung abheben. Neben der klassischen Rhetorik, die in direktem Bezug zu den antiken Autoren weiterhin existent, aber letztlich ohne Wirkung blieb, bildeten sich zwei eigene Traditionslinien heraus, die beide noch wesentlich auf das 20. Jahrhundert wirken sollten: zum einen eine Tradition in direkter Anlehnung an die psychologischepistemologische, ›schottische‹ Rhetorik des 18. Jahrhunderts und zum anderen – in Abgrenzung zu dieser – die romantische Rhetorik des amerikanischen Transzendentalismus.199

197

198 199

ry« vgl. M. Pei: The Story of the English Language. London 1972. S. 91-124. H.F. Plett: English Renaissance Rhetoric and Poetics (Bibliografie). Leiden u.a. 1995. Vgl. G. Ueding (Hg.): Rhetorik. Tübingen 2005. S. 188-194, 207-211. »Insbesondere anhand von Gestaltungskriterien wie arrangement, emphasis, clarity, conciseness, tone oder ethos macht diese Literatur deutlich, wie mühelos das Theoriegerüst der antiken Rhetorik eine heutige systematische Lehre der Produktion und Analyse visueller Kommunikation leiten kann.« U. Heinen: Bildrhetorik der Frühen Neuzeit – Gestaltungstheorie der Antike. In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 143-189, hier 167169, mit umfassender Literatur. Überblick bei J. Walker: Rhetorik, Neuzeitliche Institutionengeschichte, Nordamerika. In: G. Ueding (Hg.): Rhetorik. Tübingen 2005. S. 207-211. Vgl. J.A. Berlin: Writing Instruction in Nineteenth-Century American Colleges. Carbondale/IL u.a. 1984. S. 4-12, passim. Erst in Auseinandersetzung mit und in Abgrenzung zu den ›schottischen‹ Rhetorikern entsteht bei den amerikanischen Transzendentalisten, Ralph Waldo Emerson (1803-1882) und Henry David Thoreau (1817-1862), eine eigene romantische Rhetorik. Diese stellt zum einen den Wert wissenschaftlicher Fakten in Frage, da sie die Realität als eine alle Sinne, körperliche und spirituelle Vermögen verbindende kreative Interpretationsleistung des Menschen versteht, womit dem rhetorischen Arbeitsprozess in der individuellen Wahrheitsfindung zentrale Bedeutung zukommt. Zum anderen ist es die wichtige Aufgabe, der den ganzen Menschen fordernden gesprochenen Rede, kreativ in materielle, erfahrbare Worte zu fassen, was doch jenseits der materiellen Welt liegt; Sprache, zumal metaphorische Sprache, wird damit zum Medium der Erkenntnis und die Redekunst zur universellen Fähigkeit eines jeden am öffentlichen Leben teilhabenden Menschen. Vgl. ebd., S. 42-57. Zur Rhetorik der amerikanischen Transzendentalisten vgl. S.W. Liebman: The

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Gegen die aristotelisch-deduktive Epistemologie und den klassischen Bildungskanon der herrschenden Klasse wurden die antiken Autoren fallen gelassen und durch Rhetorikinterpretationen ersetzt, die von induktiver ›wissenschaftlicher‹ Logik sowie von demokratischem und pragmatischem Anspruch geprägt waren und sich so in besonderer Weise als kompatibel mit den Zielen der jungen Demokratie erwiesen. Bestimmend für das 19. Jahrhundert wurden die Schriften der vornehmlich schottischen Rhetoriker: GEORG CAMPBELLS Philosophy of Rhetoric (1776), HUGH BLAIRS Lectures on Rhetoric and Belles Lettres (1783) und RICHARD WHATELYS Elements of Rhetoric (1828). Auf der Grundlage von BERLINS Darstellung lassen sich drei Merkmale benennen, die diese Rhetoriken im Wesentlichen auszeichnen: (1.) Die inventio wird zugunsten der Verwaltung von außerhalb der Rhetorik bestimmten Argumenten grundlegend umdefiniert oder gleich ganz aufgegeben. Die (Er)Findung der Argumente rückt aus dem Aufgabenbereich der Rhetorik heraus in die wissenschaftliche Methode, Beobachtung und Erfahrung oder auch die Eingebung des Genies. (2.) Befreit davon, den Gegenstand der Rede und ihre Argumente auffinden zu müssen, verschiebt sich der Fokus der Rhetorik auf den Kompositionsprozess (dispositio, elocutio), den Aufbau des Textes, den korrekten Ausdruck und Stil, die richtige Schreibweise und Grammatik. Die Rhetorik konnte nicht mehr nur als Theorie des Redens, sondern auch als Theorie des Schreibens verstanden werden. (3.) Im Zentrum der Rhetorik, der Poetik oder der Literatur steht das Erreichen eines Zieles, einer Wirkung oder eines Effektes beim Publikum. Sie alle zielen auf die unterschiedlichen Vermögen des Geistes, zum Beispiel den Verstand, die Vorstellung, die Vernunft, die Emotionen oder den Willen, und bringen so eigene Diskursformen hervor, zum Beispiel beschreibend, erzählend, argumentativ oder überzeugend – was schließlich zu getrennten Textsorten führt.200 »Eighteenth-century rhetoric was eventually modified at the end of the nineteenth century to become the dominant paradigm for composition instruction in American colleges of the twentieth century. In the eighties and nineties, the elective system at the new American university—based, itself, on a faculty psychology—divided the entire academic community into discrete parts, leading to an assembly-line conception of education. As far as rhetoric is concerned, this meant that persuasive discourse—the appeal to the emotions and the will—was now seen to be possible only in oratory, and concern for it was thus relegated to the speech department. Discourse dealing with imagination was made the concern of the newly developed literature department. The writing course was left to attend to the understanding and reason, deprived of all but the barest emotional content. Encouraged by the business community, with the tacit approval of science departments, composition courses became positivistic in spirit and method.«201

200

201

Development of Emerson’s Theory of Rhetoric, 1821-1836. In: American Literature, Vol. 41, No. 2, May 1969. S. 178-206. A.M. Woodlief: Criticism – Thoreau. In: Thoreau Journal Quarterly, Vol. VII, January 1975. S. 13-22. R.H. Dillman: Thoreau’s Philosophy of Rhetorical Invention/... of Audience/... of Style. In: R. Fleming (Hg.): New interpretations of American literature. Lewisburg/PA 1988. S. 60-96. Vgl. J.A. Berlin: Writing Instruction in Nineteenth-Century American Colleges. Carbondale/IL u.a. 1984. S. 13-34. J.A. Herrick: The History and Theory of Rhetoric. Needham Heights/MA 1996. S. 172-192. J.L. Golden, E.P.J. Corbett (Hg.): The Rhetoric of Blair, Campbell, and Whately. Carbondale/IL u.a. 1990. Ebd., S. 9.

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Während auf dem europäischen Kontinent202, aber auch in Großbritannien im 19. Jahrhundert die ›Rhetorik‹ als Disziplin oder Schulfach ihre Eigenständigkeit verliert und sich Stück für Stück desintegriert, erhält sie – worauf THOMAS P. MILLER hingewiesen hat – in den englischen Provinzen und Kolonien neue Betätigungsfelder. Die Lehre der »rhetoric and composition« habe hier der Formalisierung diskursiver Praktiken gedient und sei somit besonders dazu geeignet gewesen, das Problem der Teilhabe am gebildeten Diskurs mit den Mitteln der angemessenen Sprache zu lösen sowie der sozialen Selektion entgegenzuwirken – eine Funktion, die sie bis heute erfülle.203 Die solchermaßen transformierte Rhetorik sollte noch prägend für alle Formen der ›Writing Instruction‹, ›Composition‹ und ›Creative Writing‹-Kurse sein, die Ende des 19. Jahrhunderts als verbindliches Angebot an vielen Colleges in den USA eingerichtet wurden.204 Erst ab den 202

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Über den gelehrten Schulunterricht, insbesondere des neuhumanistischen Gymnasiums, blieb die Systemrhetorik bis Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Teilen des deutschsprachigen Unterrichtes konserviert. So haben sich Reste der rhetorischen Gliederung der Rede sogar bis heute im Schulaufsatz erhalten – freilich ohne als solche noch erkenntlich zu sein. Vgl. B. Asmuth: Die Entwicklung des deutschen Schulaufsatzes aus der Rhetorik. In: H.F. Plett (Hg.): Rhetorik. München 1977. S. 276-292. D. Breuer: Schulrhetorik im 19. Jahrhundert. In: H. Schanze (Hg.): Rhetorik. Frankfurt a.M. 1974. S. 145-179. H. Bukowski: Der Schulaufsatz und die rhetorische Sprachschulung. Kiel 1956. Auch: D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 52, Anm. 3. Nach der zentralen Rolle der Rhetorik bei der Formierung der englischen Sprache vor allem auf dem nordamerikanischen Kontinent (durch die Einrichtung von Rhetoriklehrstühlen und die Veröffentlichung entsprechender Lehrbücher) und ihrer Umformung durch die Poetik in die englischen ›literary studies‹ spricht laut Miller vieles dafür, dass das rhetorische Wissen gerade außerhalb (!) wissenschaftlicher Institutionen und Disziplinen tradiert wurde. Vgl. T.P. Miller: The Formation of College English. Pittsburgh/PA 1997. S. 285-289, 1329, passim. James A. Berlin unterscheidet dabei drei Ansätze: (1.) die ›classical rhetoric‹, welche Persuasion, Wahrscheinlichkeit und die Orientierung am Publikum auf der Grundlage der antiken Schriften wieder in den Mittelpunkt des Interesses rückt; (2.) die ›expressionist rhetoric‹, die in einer Auslegung der Tradition Emersons die Suche nach individueller Identität, Bedeutung und Wahrheit betont; (3.) die ›new rhetoric‹ mit verschiedenen Ansätzen, die durch ihr Interesse an der Erkenntnisleistung der Sprache zusammengehalten werden. Vgl. J.A. Berlin: Writing Instruction in Nineteenth-Century American Colleges. Carbondale/IL u.a. 1984. S. 58-92. S.C. Hamilton: Rhetoric and stylistics in Anglo-Saxon countries in the 20th and 21st centuries. In: U. Fix, A. Gardt, J. Knape (Hg.): Rhetorik und Stilistik, 1. Halbbd. Berlin u.a. 2008. S. 245-263. Ders.: Applied rhetoric and stylistics in Anglo-Saxon countries in the 20th and 21st centuries. In: Ebd., S. 550-569. W.B. Horner: The Roots of Modern Writing Instruction. In: Rhetoric Review, Vol. 8, No. 2, Spring 1990. S. 322-345. T.P. Miller: Where Did College English Studies Come From? In: Rhetoric Review, Vol. 9, No. 1, Autumn 1990. S. 50-69. J.C. Brereton (Hg.): The Origins of Composition in American Colleges, 1875-1925. Pittsburgh/PA 1995. T.O. Sloane: Rhetorik an amerikanischen Colleges und Universitäten. In: H.F. Plett (Hg.): Die Aktualität der Rhetorik. München 1996. S. 190-209. C.H. Knoblauch, L. Brannon: Rhetorical Traditions and the Teaching of Writing. Upper Montclair/NJ 1984. J.J. Murphy (Hg.): A Short History of Writing Instruction. New York/NY 2012. S. Crowley: The Methodical Memory. Carbondale/IL 1990. W.R. Winter-

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1960er-Jahren habe man von unterschiedlichen Seiten aus den Versuch unternommen, die ›current-traditional rhetoric‹ sukzessive zu erneuern oder neu auszurichten.205 Exemplarisch für diese Entwicklung ist die Lehrschrift Lectures on Rhetoric and Belles Lettres (1783) des schottischen Pfarrers und Rhetorikprofessors HUGH BLAIR (17181800), welche die wesentliche Grundlage der Rhetorikrezeption in den USA bildete und in der Folge immer wieder als Anknüpfungspunkt diente, um die Systemrhetorik zu variieren oder zu rekonstruieren.206 WINIFRED BRYAN HORNER nennt die schottischen Rhetoriker, allen voran BLAIR, nicht umsonst ›The Missing Link‹ zwischen europäischer und US-amerikanischer Rhetoriktradition. Sein Werk bilde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zugleich die Grundlage für den ›North American composition course‹, ›English language studies‹, ›English literature‹, ›critical theory‹ und ›psychology‹.207 Auch bei DIETMAR TILL nimmt BLAIR eine Zwischenstellung ein: einerseits als Anhänger einer ›primitivistischen‹ Affektpoesie, deren unmittelbarer und natürlicher Ausdruck jeder Regelpoetik überlegen ist, andererseits als Vertreter eines konservativen Bildungskanons, in dem die officia-Rhetorik (in modifizierter Form), trotz theoretischer Inkonsistenzen, weiterhin gelehrt werde. TILL dazu: »Das macht sein Rhetorikkonzept insgesamt nicht immer widerspruchsfrei: Man gewinnt den Eindruck, daß er die Rhetorik zwar aufwerten möchte, dies aber nicht plausibel machen kann, da die superiore Einbildungskraft, die ja zugleich verantwortlich für die Entstehung der Tropen und Figuren ist, dem Bereich der ›kunstlosen‹ Poesie zugeordnet ist. Rhetorik als disziplinäres ›System‹ und das ›Rhetorische‹ als affektiv definierte Redeleistung [...] sind damit am Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr zur Deckung zu bringen.«208

205

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207 208

owd: The English Department. Carbondale/IL 1998. T.P. Miller: The Evolution of College English. Pittsburgh/PA 2011. D. Wallace: Rhetoric for the Meritocracy. In: R. Ohmann: English in America. New York/NY 1976. S. 97-132. Zur Geschichte der ›Writing Instruction‹ bzw. des ›Composition‹-Unterrichtes als festem Bestandteil im ersten Jahr des US-amerikanischen Universitätsstudiums seit 1966, vgl. J. Harris: A Teaching Subject. Logan/UT 2012. Dort insbesondere zum Schreibprozess, vgl. Ebd., S. 72-94. H. Blair: Lectures on Rhetoric and Belles Lettres (1783). Carbondale/IL u.a. 2005. L. Ferreira-Buckley: Hugh Blair. In: M.G. Moran (Hg.): Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Westport/CT u.a. 1991. S. 21-35. Zu Blair auch R.M. Schmitz: Hugh Blair. New York/NY 1948. V.M. Bevilacqua: Philosophical assumptions underlying Hugh Blair’s Lectures on Rhetoric and Belles Lettres. In: Western Speech, Vol. 31, 1967. S. 150-164. A. Brinton: Hugh Blair and True Eloquence. In: Rhetoric Society Quarterly, Vol. 22, Is. 3, 1992. S. 30-42. D.P. Abbot: Blair ›Abroad‹. In: L.L. Gaillet (Hg.): Scottish Rhetoric and Its Influences. Mahwah/NJ 1998. S. 67-77. Vgl. W.B. Horner: Nineteenth-Century Scottish Rhetoric. Carbondale/IL u.a. 1992. S. 115, hier 3, passim. »Blairs ›primitivistischer‹ Systemzwang verhindert hier die Konstitution einer Rhetorikkonzeption, die – der Poesie analog – auch mit Mitteln der ›Einbildungskraft‹ (und das heißt der Affekt-Persuasion) arbeitet; der ›sentimentalistische‹ Abstand verneint diese Möglichkeit aber klar. Dennoch – und das ist der immanente Widerspruch seiner Theoriebildung – hat Blair ein solches Konzept einer Affekt-Rhetorik nachdrücklich vertreten.« Vgl. D. Till: Transfor-

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BLAIR bildet jedoch gerade deswegen ein so wichtiges Bindeglied, weil er in seiner Schrift zur Rhetorik zwar bereits die Positionen der nachrhetorischen Ära vertritt, das rhetorische System aber dennoch – gleichsam in seinem Restbestand – tradiert. Ganz in diesem Sinne sieht sich BLAIR noch in der Tradition der antiken Autoritäten von ARISTOTELES über CICERO bis zu QUINTILIAN. Mit ihnen teilt er das klassische Kommunikationsmodell aus Redner/in, Rede und Publikum, die Affektenlehre aus ethos, logos und pathos, die Vorstellung von einer gut aufgebauten Rede, einen von Klarheit und Lebendigkeit geprägten Ausdruck sowie die Überzeugung, dass natürliche Begabung immer auch der Pflege und der Ausbildung bedürfe. Nichtsdestotrotz unterscheidet sich BLAIRS Ansatz signifikant von der Tradition, indem er etwa – gemäß der Lehre seiner Zeit – die inventio aus dem Arbeitsprozess verstößt, die Rhetorik zugleich jedoch zu einer Theorie der gesprochenen und vor allem geschrieben Kommunikation weiterentwickelt und insbesondere um Fragen des Geschmackes sowie Themen des Schreibens für Geschichte, Philosophie, in Briefen und fiktiven Geschichten sowie abschließend der Poetik anreichert.209 Wie BLAIR schreibt habe er sich selbst der Aufgabe angenommen, die Redekunst, sofern es der Gegenstand erlaube, in eine Art System zu formen.210 Noch bevor er sich jedoch mit der Rhetorik befasst, widmet er sich ausführlich der Theorie des sprachlichen Ausdruckes, dem ›Style‹, und den Figuren als gemeinsamer Grundlage von Rede- und Dichtkunst.211 Nach der Definition der Rhetorik und einem Überblick über ihre Geschichte wendet er sich zunächst den Spezifika der Gattungen zu212, um dann den allgemeinen Aufbau einer jeden Rede in sechs Teilen darzustellen, der ihm in der Folge als Grundstruktur seiner Kapitel dient.213 Tatsächlich verkürzt sich der klassische Arbeitsprozess aus inventio (»invention«), dispositio (»disposition and arrangement«) und elocutio (»expression in style and manner«) bei BLAIR auf die Auswahl, Anordnung und den Aus-

209 210 211 212

213

mationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 500-514, hier 509f. Womit jedoch zugleich nicht der Eindruck entsteht, dass bei Blair »gelehrt-›dekadente‹ Rhetorik und die ›primitivistische‹ Poesie radikal gegeneinander ausgespielt« (S. 493) werden, sondern dass es sich um eine »letztlich auf Ausgleich zielende [...] Rhetoriktheorie« (S. 511) handelt. Vgl. L. Ferreira-Buckley: Hugh Blair. In: M.G. Moran (Hg.): Eighteenth-Century British and American Rhetorics and Rhetoricians. Westport/CT u.a. 1991. S. 21-35, hier 29-31. Vgl. H. Blair: Lectures on Rhetoric and Belles Lettres (1783). Carbondale/IL u.a. 2005. S. 390. Vgl. ebd. zur Sprache S. 54-98, zum ›Style‹ S. 99-263, zu den Figuren und ihrem Einsatz S. 145-218. Vgl. ebd., S. 264-329. Blair lässt die Festrede fallen, nimmt dafür jedoch die Predigt auf. Er behandelt: »Eloquence of Popular Assemblies« (öffentliche Versammlungen), »Eloquence of the Bar« (Gericht) und »Eloquence of the Pulpit« (Kanzel). Auch die Dreiteilung der Aufgaben des Redners ist intakt, wenn auch als Rangfolge der Eloquenz: Die niedrigste, »pleasing the hearers«, die höhere, »to inform, to instruct, to convince«, und die höchste, »by which we are not only convinced, but are interested, agitated, and carried along«. Vgl. ebd., S. 266. Zu den sechs Teilen der Rede: »This being the natural train of speaking, the parts that compose a regular formal Oration, are these six: first, the Exordium or Introduction; secondly, the State, and the Division of the Subject; thirdly, Narration, or Explication; fourthly, the Reasoning or Arguments; fifthly, the Pathetic Part; and lastly, the Conclusion.« Vgl. ebd., S. 344-367, hier 344.

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druck der Argumente und wird folglich im Rahmen der Argumentation als viertem Redeteil behandelt. Zudem distanziert er sich von der klassischen inventio-Lehre, wobei er die Topik dennoch umreißt und all jene, die glaubten, diese sei ihnen zu etwas nütze, an die antiken Schriften verweist.214 Er schließt mit je einem Kapitel über die actio (»delivery«) sowie über das Verbessern der rhetorischen Fähigkeiten, wobei er explizit die Lehrbücher der antiken Autoritäten anführt, selbst wenn er deren allzu systematische Herangehensweise kritisiert – seine Ablehnung des Systems bleibt bis zuletzt widersprüchlich.215 Vor allem in ihren Widersprüchen konnte die Rhetorik bei BLAIR, bereits in Schottland, jedoch vor allem in den USA, als Blaupause zur Einrichtung zweier produktionsorientierter Schulungstraditionen des Schreibens dienen: auf der einen Seite sachlogische ›Writing Instruction‹ und auf der anderen Seite expressives ›Creative Writing‹, wie sie bis heute bestehen und anhaltende Wirkung im Schulwesen entfalten konnten.216 Die vorliegende Arbeit wird ein besonderes Augenmerk darauf haben, inwiefern sich Bruchstücke älterer Produktionstheorien, wie der Rhetorik, im Quellenbestand des ›Game Design‹ auffinden lassen und insbesondere, ob diese nachweislich diesen entnommen wurden. Diese Aufmerksamkeit kommt dabei allerdings nicht dem »Text« zu – also inwiefern die jeweiligen Endprodukte spezifisch rhetorische Mittel aufweisen –, sondern vielmehr in welchem Grade die in den Quellentexten vorzufindenden Regeln strukturelle Ähnlichkeiten zur Produktionstheorie der Rhetorik zeigen.217 Die Betonung der englischsprachigen Terminologie im ›Game Design‹ hat es im Folgenden leider notwendig gemacht, in den Zitaten ebenso wie im paraphrasierten Text immer wieder vom Deutschen ins Englische zu springen. Dies soll vor allem der häufig in anderen Disziplinen (insbesondere den mit verallgemeinernden ontologischen Begriffsbestimmungen arbeitenden Medien- und Bildwissenschaften) auftretenden Unart der terminologischen Undifferenziertheit und sehr freigiebigen Interpretation entgegenwirken. Es gilt, dass die Begriffe und Vorstellungen in ihrer Zeit eine fest gefügte Bedeutung haben und stets in bestimmten Zusammenhängen verwendet werden, die eine Theorie des ›Game Design‹ überhaupt erst ermöglichen. 214 215

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Vgl. ebd., S. 344-367, hier 356f. »In all the Antient Rhetorical Writers, there is, indeed, this defect, that they are too systematical [...]; they aim at doing too much; at reducing Rhetoric to a complete and perfect Art, which may even supply invention with materials on every subject; insomuch, that one would imagine they expected to form an Orator by rule, in as mechanical a manner as one would form a Carpenter. Whereas, all that can, in truth, be done, is to give openings for assisting and enlightening Taste, and for pointing out to Genius the course it ought to hold.« Vgl. ebd., S. 368-389, hier 388f. Speziell zum ›Creative Writing‹ vgl. R. Crawford (Hg.): The Scottish Invention of English Literature. Cambridge u.a. 1998. D.G. Myers: The Elephants Teach. Chicago/IL 2006. M. McGurl: The Program Era. Cambridge/MA 2009. Eine vergleichbare Studie über Restbestände rhetorisch-systematischen Wissens hat Albert Bremerich-Vos zu populären Rhetorikratgebern der Jahre von 1945 bis 1986 vorgelegt. Ders.: Populäre rhetorische Ratgeber. Tübingen 1991. Diese erwies sich für die vorliegende Untersuchung allerdings als nicht anschlussfähig, da sie sich zum einen auf deutschsprachige Schriften beschränkt und zum anderen streng in den Grenzen der ›Rhetorik‹ verbleibt.

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Homoiologie

Die Evolutionsbiologie hat neben der Analogie und der Homologie einen weiteren Begriff eingeführt, der gewissermaßen zwischen beiden Phänomenen vermittelt: Die ›Homoiologie‹ bezeichnet ein Anpassungsphänomen, das in zwei nicht näher verwandten Populationen auftritt, jedoch auf Grundstrukturen basiert, die beide Populationen miteinander teilen.218 Eine Homoiologie liegt also vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Wenn erstens zwei nicht näher verwandte Gruppen von Organismen unabhängig voneinander (konvergent, analog) ein funktionsgleiches, strukturell ähnliches Merkmal ausgebildet haben, das nicht von einer gemeinsamen Stammgruppe ererbt ist. Und wenn zweitens die Teile der Organismen, die das Merkmal ausbilden, in den betrachteten Gruppen homolog sind, also von einer gemeinsamen Stammform ererbt. Die Homologie betrifft nur die Grundausstattung mit diesen Teilen, unabhängig davon, wie sie speziell ausgebildet sind.219 Auch im Falle der Bildung struktureller Ähnlichkeiten im Vergleich zum klassischen System der Schulrhetorik lässt sich also nach der ›Bedingung der Möglichkeit‹ fragen. Diese Frage ist auf mindestens zwei Arten beantwortet worden, die aber auf unterschiedlichen Ebenen argumentieren: zum einen auf der kulturellen (systematischen, historischen) und zum anderen auf der anthropologischen (psychologischen, kommunikationstheoretischen). Beide Herangehensweisen haben gemeinsam, dass sie von homologen Rahmenbedingungen ausgehen, die das Auftreten einer Analogie wahrscheinlicher machen. Aus der kulturellen Perspektive spricht etwa einiges dafür, dass das ›Medium‹ der englischen Sprache (was seiner spezifischen historischen Entwicklung zu verdanken ist wie zuvor erwähnt) in besonderer Weise die ›Kristallisation‹ von Theorie in den antikrhetorischen Kategorien ermöglicht, da sich in der Sprache, ihren Regeln und Kategorien zugleich zentrale kulturelle Muster tradieren.220 Es gibt zudem Überlegungen zu einer ›Anthropologisierung‹ der Rhetorik, etwa basierend auf Ergebnissen der Neurobiologie, Psychologie oder Kommunikationstheorie. Jenseits dieser Forschungsfelder, welche versuchen, das bis heute allgegenwärtig ›Rhetorische‹ zu bestimmen, hat sich mit der ›Rhetorischen Anthropologie‹ ein eigener Zweig der Rhetorikforschung etabliert, der die Rhetorik nicht nur zur Wissenschaft vom Menschen erklärt, sondern ihr zugleich überzeitliche Bedeutung in der Beschreibung des ›homo rhetoricus‹ zuschreibt.221 In Bezug auf die Produktionstheorie, die hier von besonderem Interesse ist, hat den konsequentesten Entwurf zur Anthropologisierung des rhetorischen Systems PETER L. OESTERREICH vorgelegt. Nach ihm handelt es sich eben auch bei den fünf Aufgaben der 218

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221

Dass sich Analogie und Homologie ausschließend zueinander verhalten, ist zwar inzwischen gängiger Konsens der Biologie, war den Konzepten jedoch nicht von Anfang an inhärent. Ob die analoge Ausbildung einer Ähnlichkeit durch die Homologie begünstigt wird, ist für die Beschreibung des Phänomens zunächst einmal unerheblich. Lexikon der Biologie, Bd. 4. Freiburg im Breisgau u.a. 1985. S. 262-265. Vgl. R. Lachmann: Rhetorik und kultureller Kontext. In: H.F. Plett (Hg.): Rhetorik. München 1977. S. 167-186. Dies.: Rhetorik und Kulturmodell. In: J. Kopperschmidt (Hg.): Rhetorik, Bd. 1. Darmstadt 1990. S. 254-288. Beispielhaft dazu die Beiträge in J. Kopperschmidt (Hg.): Rhetorische Anthropologie. München 2000. Und S. Metzger, W. Rapp (Hg.): Homo inveniens. Tübingen 2003.

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Redekunst (partes artis), der inventio, dispositio, elocutio, memoria und actio, um anthropologische Kategorien.222 »Dabei bleibt festzuhalten, daß die Fünffachheit des redezentrierten Erfinden-, Ordnen-, Gestalten-, Erinnern- und Aufführenkönnens ein humanes Kreativitätspotential beschreibt, das a priori allen historischen Ausformungen kulturspezifischer, rhetorischer Kompetenzen zugrunde liegt. Die apriorische Fünffachheit der Potenzen gehört zum invarianten ›Wesen‹ des Menschen und bildet deshalb einen genuinen Gegenstand philosophischer Anthropologie. Als Tiefenstruktur hat sie sowohl universalen als auch fundamentalen Charakter und liegt allen möglichen Welten menschlicher Rede zugrunde. Dagegen bleiben ihre vielfältigen und gegebenenfalls durch die ars rhetorica methodisch gesteigerten geschichtlichen Realisationen als sekundäre ›Erscheinungen‹ der historischen Betrachtung des Rhetorischen sowie der Rhetorik überlassen.«223

In diesem Sinne ist es nur folgerichtig, wenn OESTERREICH das Ausbleiben der Verwirklichung des humanen Potenzials, das er durch die Fünffachheit der Potenzen beschreibt, in mehreren Korruptionsstufen als »Übel der Ignoranz und der rhetorischen Un- und Verbildung«, als »kommunikatives Böses« und schließlich als »totales Böses« deutet.224 Besonders kritisch hat sich TILL zur Rhetorischen Anthropologie geäußert, die sich dem »problematischen, ideologischen Substrat« der Arbeiten KLAUS DOCKHORNS angeschlossen habe. Basierend auf einer »Fehlinterpretation« antiker »Affekttopoi«, habe dieser eine »Rückprojektion ›modernistischer‹ Anschauungen« vollzogen und seiner Vorstellung der Rhetorik als »Anti-Philosophie« einen auf den ›Irrationalismus‹ verengten und rein auf das Affektische reduzierten Rhetorikbegriff zugrunde gelegt, »der kaum etwas mit der frühneuzeitlichen Überlieferung zu tun hat«.225 Die Rhetorische Anthropologie im Geiste DOCKHORNS sei also ahistorisch und komme zugleich über ein abstrahiertes Verständnis vom ›Rhetorischen‹, das nur noch punktuell mit der ausdifferenzierten Systematik der Schulrhetorik zusammenhänge, nicht hinaus. Nur so könne sie die bruchlose Fortführung rhetorischer Kategorien als Ideengeschichte auch für Sturm und Drang, Klassik und Romantik behaupten.226 Die Rhetorische Anthropologie verkennt – nach 222 223

224

225 226

Vgl. P.L. Oesterreich: Fundamentalrhetorik. Hamburg 1990. Vgl. P.L. Oesterreich: Homo rhetoricus (corruptus). München 2000. S. 358f. Noch 2010 wird der Anspruch zum historischen Erklärungsmodell erweitert: »Diese fünf fundamentalen und universalen Potenzen [...] formen als kreative Grundkräfte die kulturelle Lebenswelt des Menschen. Als universalanthropologische Grundkategorien lassen sie sich in historisch modifizierter Weise als Schlüsselkompetenzen in allen Produkten menschlicher Kultur wiederfinden und bilden einen analytischen Schlüssel zur konkreten Erforschung ihrer Epochen, ihrer Handlungsstile und ihrer vielfältigen symbolischen Ordnungen und Interaktionen.« P.L. Oesterreich: Anthropologische Rhetorik. Berlin u.a. 2010. S. 871. Vgl. P.L. Oesterreich: Homo rhetoricus (corruptus). München 2000. S. 363-366. Zur Kritik speziell am Ansatz Oesterreichs vgl. F.-H. Robling: Hypostasierte Anthropologie. München 2000. Die Vorstellung, dass es ausgerechnet die abendländische Kultur war, die dieses anthropologische Prinzip aufdeckte und in Form der Rhetorik handhabbar machte, impliziert allerdings eine Form des wertenden Eurozentrismus, die äußerst kritisch zu beurteilen ist. Vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 376-380, 386, 438, Anm. 28. Vgl. ebd., S. 14-26.

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TILL – ihre eigene Historizität, da sie stellvertretend für die Auseinandersetzung mit dem ›Rhetorischen‹ als abstrahierter Redeleistung steht, wie sie sich in den Theorien seit der Aufklärung manifestiert. Dies ändere aber nichts an der Auflösung der ›Rhetorik‹ als Disziplin und System seit Anfang des 19. Jahrhunderts. TILL verweist hier auch auf die durchaus berechtigten Feststellungen der anthropologisch begründeten Theorien, insbesondere für das 20. Jahrhundert, die jedoch nicht die Wiederherstellung eines »produktionsseitige[n] System[s] in einer disziplinären Gestalt« zur Folge haben.227 Es muss als typisch für die Rhetorische Anthropologie angesehen werden, dass ihre Thesen, die sie auf letztlich unbeweisbare Prämissen über das ›Wesen‹ des Menschen baut, im Kontext der vorliegenden Arbeit keine Beweiskraft entfalten können. Dass sich die Rhetorische Anthropologie dabei als philosophische Anthropologie versteht und Erkenntnisse der biologischen Anthropologie in der Regel ausblendet, ist kaum dazu angetan, diesen Missstand zu beheben.228 Vor dem Hintergrund des 2003 neu eingerichteten Studiengangs ›Game Design‹ an der HGK Zürich, stellte STEFFEN P. WALZ im Rahmen der Informationsveranstaltung ›mobile application design‹ die Frage, ob es eine originär europäische Art und Weise des ›Game Design‹ gebe oder wie eine solche aussehen könnte.229 Ohne den Ergebnissen der Arbeit vorgreifen zu wollen, ist in jedem Falle anzunehmen, dass es sehr wohl eine abendländische ›Kunst des Game Design‹ gibt, die sich ihre Eigenart dem Umstand verdankt, Teil des in der Antike entwickelten Modells von Produktionstheorie zu sein, das sich evolutionär an neue Rahmenbedingungen anzupassen in der Lage ist.230 Unabhängig davon, ob dieses Modell eine prototypische, historische, abendländisch-kulturspezifische Strategie des Problemlösens oder gar eine anthropologische Konstante von Handlungs- und Gestaltungsprozessen ist, kann auf der Grundlage der in diesem Kapitel bisher geschilderten Annahmen davon ausgegangen werden, dass rhetorische und vergleichbare Produktionssystematiken als Problemlöseverfahren eine grundsätzliche Gültigkeit für alle Werkprozesse intentionaler, zielgerichteter Kommunikation besitzen, die in ihrer medienspezifischen (und jeweils historischen) Ausformung entsprechende Anpassungen erfahren. Diese Annahme wird am Schluss der Arbeit auf Basis des untersuchten Quellenmaterials noch einmal zu prüfen sein.

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Vgl. D. Till: Anthropologie oder System? In: Rhetorik, Vol. 23. Berlin u.a. 2004. S. 11-25. Ders.: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. S. 11-14, 64-66, hier 64. Diverse Anknüpfungspunkte liefern dagegen beispielhaft I. Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Vierkirchen-Pasenbach 2004. K. Eibl: Animal Poeta. Paderborn 2004. H. Mühlmann: Die Natur der Kulturen. Wien u.a. 1996. Die Veranstaltung mobile application design, organisiert vom Lehrstuhl für Ästhetik und Rhetorik, Prof. Dr. Heiner Mühlmann und Rainer Gabriel, fand am 15. Dezember 2003 in der Aula des Campus Haspel der Bergischen Universität Wuppertal statt. Der Evolutionstheorie, wie sie hier angewendet wird, kommt keine eine höhere Beschreibungsleistung zu als klassischen Systematiken der Geschichtsschreibung. Angesichts der in diesem Kapitel versammelten Literatur wird aber deutlich, dass man sich immer schon der entsprechenden Terminologien bedient hat, ohne jedoch die Konsequenzen für ein methodologisch konsequentes Konzept gezogen zu haben. Eine entsprechende Durcharbeitung der Geschichte der Kunstliteratur wie auch der Systemrhetorik ist daher Desiderat.

B. Real art through computer games ... principles of aesthetics

Abb. 1: »Chris Crawford, computer-game artist, uses a variety of design techniques to create new, stimulating games for the microcomputer.« (BYTE, Dezember 1982)

INHALTSANGABE Mit der Verbreitung des Computers entstand der Wunsch, eine neue Kunstform zu etablieren, die dessen mediale Potenziale nutzt und die Menschen zu erreichen imstande ist. (99-106) | So steht denn auch die 1983 startende Werbekampagne der Firma Electronic Arts unter dem Titel »Can A Computer Make You Cry?« stellvertretend für das Ziel, das Publikum emotional zu erreichen. (106-109) | Schon kurz darauf liefert das Spiel Planetfall den ersten weithin rezipierten Fall für zu Tränen gerührte Spieler/innen. (109-111) | Die Mitgerissenheit des Publikums ist nicht nur explizites Ziel des Game Design, sondern zugleich Argumentationsstrategie, um die Kunstfähigkeit des Mediums zu belegen. (112-115) | Mit Blick auf die historische Kunstliteratur lässt sich feststellen, dass die Emotionalisierung des Publikums in einer langen Diskussionstradition über die Mittel und Ziele der Kunst gründet, die meist unter dem Begriff ›Pathos‹ geführt wird. Gleich mehrere Traditionslinien bestimmen dabei das Kunstverständnis des Mediums Computerspiel. (116-141) | Ein zweites Kunstverständnis folgt dagegen aus der Verfasstheit des professionellen Wissens über Game Design und folgt damit dem antiken Modell der Techne, der in sich gegliederten und regelgeleiteten Anleitungsliteratur. (141-148) | Schließlich spiegelt sich das Kernmotiv des eingangs genannten Wunsches in der gleichzeitig geführten Diskussion über die Einheit von Geistes- und Naturwissenschaften, Mensch und Maschine sowie Kunst und Technologie wider. (149-154)

I. ›The art of‹ vs. ›real art‹ – Kunstverständnisse im Widerstreit Prolog: Fantics

I

m Juni des Jahres 1974 veröffentlichte THEODOR H. NELSON im Selbstverlag die erste Auflage seiner Streitschrift über das Potenzial des Computers. Bestehend aus den beiden Büchern Computer Lib auf der einen und Dream Machines auf der anderen Seite konnte das Buch sowohl von der Vorder- als auch gewendet von der Rückseite aus gelesen werden. Während Computer Lib mit dem Untertitel ›You can and must understand computers NOW‹ vor allem ein Plädoyer für die Aneignung der Computertechnologie darstellte, war Dream Machines den Ausdrucksmöglichkeiten des Computers gewidmet; eine Unterscheidung auf der NELSON bestand, nicht ohne jedoch auf deren Verbindung hinzuweisen.1 In Computer Lib nennt NELSON neben Späßen, Streichen und der Trendsimulation ›Game of Life‹ von JOHN H. CONWAY auch »Games«, an denen die »computer community« bereits allgemein Vergnügen fände:

»Wherever there are graphic displays there is usually a version of the game Spacewar. [...] Spacewar, like many other computer-based games, is played between people, using the computer as an animated board which can work out the results of complex rules. [] Some Installations have computer games you can play against; you are effectively ›playing against the house,‹ trying to outfox a program. This is rarely easy. A variety of techniques, hidden from you, can be used. [] When ›a computer‹ plays a game, actually somebody’s program is carrying out a set of rules that the programmer

1

Vgl. T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. Third Printing, o.O. 1975. »The second half of the book. Dream Machines, is specially about fantasy and imagination, and new techniques for it. That half is related to this half, but can be read first; I wanted to separate them as distinctly as possible.« Ebd., S. 3. Die Bedeutung des Traktates ist kaum zu überschätzen. Es gilt als »the best-selling underground manifesto of the microcomputer revolution« (vgl. H. Rheingold: Tools for Thought. Cambridge/MA 2000. S. 24), »the epic of the computer revolution«, das »counterculture computer book«, »the bible of the hacker dream« und »a virtual handbook to the Hacker Ethic« (vgl. S. Levy: Hackers. New York/NY 1994. S. 174f.), »the most important book in the history of new media« sowie (häufig) »the first personal computer book« (vgl. N. Wardrip-Fruin, N. Montfort (Hg.): New Media Reader. Cambridge/MA 2003. S. 301f.).

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has laid out in advance. The program has a natural edge: it can check a much longer series of possibilities in looking for the best move (according to the criteria in the program).«2 [Herv. i. Orig.]

NELSON verweist hier vor allem auf das »marvelous Spacewar piece« von STEWART BRAND, dem Herausgeber des Whole Earth Catalog, einen Artikel, erschienen in der Dezemberausgabe 1972 des Rolling Stone anlässlich der ersten »Intergalactic Spacewar Olympics« am ›Stanford Artificial Intelligence Laboratory‹. Für BRAND war Spacewar! das herausragende Beispiel einer zutiefst interaktiven, spielerisch-unterhaltsamen Anwendung, die Menschen mit Computern, aber vor allem Menschen mit Menschen zusammenbringen sowie zur eigenständigen, ungesteuerten und missbräuchlichen Verwendung von Technologie aufrufe.3 Er gestand, dass dieses Feld der grafischen Computeranwendungen bereits so groß sei, dass er nicht mehr davon berichten könne: »It’s an art form waiting for artists, a consciousness form waiting for mystics.« Es war diese Erfahrung, die ihn zu der Überzeugung brachte: »Ready or not, computers are coming to the people«4 und die NELSON darin bestärkte, dass es an der Zeit sei, die Computertechnologie aus dem zurückweisenden und bevormundenden Zugriff der ›Computer People‹ zu befreien.5 Die zweite Hälfte der Schrift ist den Computern als Dream Machines gewidmet und den vielfältigen Visionen, die über die Zukunft elektronischer Medien bestehen, ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden.6 Dem Computer komme dabei eine besondere Rolle zu, da er die anderen Medien zu verändern in der Lage sei. »Why does it matter? [] It matters because we live in media, as fish live in water. (Many people are prisoners of the media, many are manipulators, and many want to use them to communicate artis-

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Als weiteren, komplizierteren Ansatz und Beispiel der Entwicklung von künstlicher Intelligenz nennt Nelson die Suche nach einer optimalen Spielstrategie. Vgl. T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. Third Printing, o.O. 1975. S. 48. Die erste Aussage zu ›Spacewar!‹ stammt von Alan Kay, zitiert im Artikel von S. Brand: Spacewar! In: Rolling Stone, Nr. 123, 7.12.1972. S. 50-58, hier 51. Zu ›Spacewar!‹ siehe auch der Artikel von J.M. Graetz: The Origin of Spacewar! In: Creative Computing, Vol. 7, No. 8, Aug. 1981. S. 56-67. »The best review of what’s happening lately, by none other than Mr. Whole Earth Catalog himself: Stewart Brand [...] visited the most hot shot places and reports especially on the funand-games side of things.« Vgl. T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. o.O. 1975. S. 48, hier 6. S. Brand: Spacewar! In: Rolling Stone, Nr. 123, 7.12.1972. S. 50-58. Vgl. ebd. insbesondere S. 58, hier 50, 52. Vgl. T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. o.O. 1975. S. 2f. Der größte Teil des fragmentarischen Buches ist unterschiedlichen Medien, etwa Film und Fernsehen, aber auch der Bild- und Tonverarbeitung gewidmet. Nelson befasst sich mit deren spezifischer Technik und Gestaltung sowie mit ihren Entwicklungs- und Einsatzmöglichkeiten durch die elektronische Datenverarbeitung. So beschreibt Nelson etwa die Existenz von ›computer movies‹, die mithilfe von ›computer animation‹ hergestellt werden können, oder von ›hypermedia‹, ›hypertext‹ und ›branching movies‹, deren Erzählung durch Einwirkung des Publikums verändert werden kann. Vgl. T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. Third Printing, o.O. 1975. S. DM24 (105), DM44 (58).

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tic visions.) [] But today at this moment, we can and must design the media, design the molecules of our new water, and I believe the details of this design matter very deeply.«7

NELSON sieht die Auseinandersetzung mit den Medien also stets als eine gestaltende und eingreifende, sein Anliegen ist »the use of computers to help people write, think and show.« Folglich sei »presentation by computer« als ein Zweig des Showbusiness und des »Writing« zu verstehen, nicht der Psychologie, Ingenieurwissenschaft oder Pädagogik. Dies habe weitreichende Konsequenzen für die Systeme, von denen man tagtäglich umgeben sei. Im besten Falle knüpften diese an die individualistischen Traditionen von Literatur, Film und Gelehrsamkeit an und ermöglichten so die Schaffung ›schöner neuer Welten‹ mit Kunst, Vergnügen, Intelligenz und den höchstmöglichen Idealen. Als zentrales Gestaltungskriterium macht NELSON dabei den Umgang mit Emotionen aus.8 »Movies and books, music and even architecture have for all of us been part of important emotional moments. The same is going to happen with the new media. To work at a highly responsive computer display screen, for instance, can be deeply exciting, like flying an airplane through a canyon, or talking to somebody brillant. This is as it should be. (›The reason is, and by rights ought to be, slave to the emotions.‹ – Bertrand Russell.) [] In the design of our future media and systems, we should not shrink from this emotional aspect as a legitimate part of our fantic [...] design. The substratum of technicalities and the mind-bending, gut-slamming effects they produce, are two sides of the same coin; and to understand the one is not necessarily to be alienated from the other. [] Thus it is for the Wholiness of the human spirit, that we must design.«9

So sind denn auch die Kernstücke von Dream Machines die Kapitel über die »Fantics«, denen er ursprünglich, wie er in der Einleitung schreibt, ein eigenes separates Buch habe widmen wollen.10 In der Neuauflage von 1987 nennt er die Ideen zu »Fantics« auch »the heart of the book.«11 Der Begriff ›Fantics‹ ist eine Konstruktion von NELSON, um all jene ›präsentierenden‹ Designdisziplinen zu bezeichnen, die zugleich eine technische, rein logische Seite und eine emotionale besitzen: »First of all, I feel that very few people understand what interactive computer systems are about. [...] I think it’s all show business. PENNY ARCADES are the model for interactive computer systems, not classrooms or libraries or imaginary robot playmates. And computer graphics is an intricate branch of movie-making. [] Okay, so I wanted a term that would connote, in the most general sense, the showmanship of ideas and feelings—whether or not handled by machine. I derive ›fantics‹ from the Greek words ›phainein‹ (show) and its derivative ›phantastein‹ (present to the eye or mind). You will of course recognize its cousins fantastic, fantasy, phantom. (›Phantom‹ means what is shown; ...) And a fantast is a dreamer. [] The word ›fantics‹ would thus include the showing of anything (and thus writing and theater), which is more or less what I intended. The term is also intended to cover the tactics of conveying ideas and impressions, especially with showmanship and 7 8 9

T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. o.O. 1975. S. DM2 (127). Vgl. ebd. Ebd., Nelson beruft sich also auf die ›Ganzheitlichkeit des menschlichen Geistes‹, um jene Medien auszuzeichnen, die sowohl Intellekt als auch Emotion ansprechen. 10 Vgl. ebd., S. DM3 (126). 11 Vgl. T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. Redmond/WA 1987. S. 74.

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presentational techniques, organizing constructs, and fundamental structures underlying presentational systems. [...] [] Designing screen systems that focus the user’s thought on his work, with helpful visualizations and no distractions, is the great task of fantic design.«12 [Herv. i. Orig.]

Ausführlich beschreibt NELSON dann in seinem Artikel ›FANTICS: Feeled-Effect Systems are the New Frontier – But It’s Showmanship [...] That’s Paramount, Not Any Technical Specialty‹ das Spektrum der Aufgaben dieser Disziplinen:13 »By ›fantics‹ I mean the art and science of getting ideas across, both emotionally and cognitively. ›Presentation‹ could be a general word for it. The character of what gets across is always dual: both the explicit structure and feelings that go with them. These two aspects, exactness and connotation, are an inseparable whole; what is conveyed generally has both. The reader or viewer always gets feelings along with information, even when the creators of the information think that its ›content‹ is much more restricted. [] Fantics is thus concerned with both the arts of effect—writing, theater and so on—and the structures and mechanisms of thought, including the various traditions of the scholarly event (article, book, lecture, debate and class). [...] Systems [...] have to be governed in their design by larger principle [...]: the conveyance of image, impressions and ideas. This is what writers and editors, movie-makers and lecturers, radio announcers and layout people and advertising people are concerned with; and unfortunately computer people tend not to understand it for beans.«14

»Fantics« als »The art and science of presentation« umfassten daher nicht nur die »Techniques of presentation«, etwa Schreiben, Regie, Filmproduktion, Magazinlayout oder den Einsatz von Sound, sondern auch »The design of systems for presentation«, also das Layout und Design der Medien selbst, bis hin zur konzeptionellen und technischen Einbindung des Computers, etwa durch verzweigte und interaktive Systeme. Darüber hinaus sollten »Fantics« sich mit psychologischen Effekten und soziologischen Wechselbeziehungen befassen, etwa dem »impact of various presentational techniques«, den stützenden oder dysfunktionalen Strukturen der Medienbranche oder den organisierenden Konstrukten und vereinheitlichenden Konzepten des Verstehens, die in Medien standardisiert und konventionalisiert eingesetzt würden. Besondere Herausforderungen seien das häufig irrationale »principle of mental unification« (Gestalt), das »artful design of control systems«15 sowie der Einsatz von »Fantic Space«16 und »Fantic Structure«.17 12 T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. Third Printing, o.O. 1975. S. DM51 (78). Die Endung »-tics« scheint, ohne dass Nelson dies deutlich gemacht hat, auf andere Künste zu verweisen, deren Namen aus dem Griechischen stammen, insbesondere »poetics«. 13 Vgl. ebd., S. DM48-50 (81-79). Mit Einführung auch abgedruckt in: N. Wardrip-Fruin, N. Montfort (Hg.): New Media Reader. Cambridge/MA 2003. S. 301-338, hier 317-326. 14 »These are all a fundamentally inseparable whole, and technically-oriented people who think that systems to interact with people, or teach, or bring up information, can function on some ›technical‹ basis—with no tie-ins to human feelings, psychology, or the larger social structure—are kidding themselves and/or everyone else.« Ebd., S. DM48 (81). 15 »We choose a set of controls, much like an artist’s Palette, on the basis of general appropriateness; and then try best and most artistically to fit them to what needs doing. [...] The result must be conceptually clear retroactively ›obvious‹—simply because clarity is the simplest way to keep the user from making mistakes. Clear and simple systems are easier to learn, hard-

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»Fantic design is basically the planning and selection of effects. [...] Some of these intended effects are simply the communication of information or cognitive structure [...]. Other desirable effects include orienting the user and often moving him emotionally, including sometimes overwhelming or entrancing him. [] In the design of fantic systems involving automatic response, we have a vast choice among types of presentational techniques, tricks that are just now becoming understood. Not just screen techniques and functions, but also response techniques and functions.«18

»Fantic design« erstrecke sich auf drei Ebenen, die jeweils organisierte Konstrukte hervorbringen: erstens das »design of things to be shown« (content) durch die Organisation von Teilen und Ganzheiten, Kognition und Gefühlen und zweitens das »design of media themselves«, das sich besonders durch die Möglichkeiten des Computers neu stelle. Drittens die »Mental Environments«, welche die Auswahl von Medien und auch Umgebungen ermöglichten, um selbst Medien und Inhalte zu gestalten. NELSON sieht schließlich die Nutzer/innen selbst in der Pflicht, die Technologie und ihre Gestaltung von den uneinsichtigen »programmers« zu übernehmen:19 »The designer of responding computer systems is creating unified setups for viewing and manipulating things—and the feelings, impressions and sense of things that go with them. Our goal should be nothing less than REPRESENTING THE TRUE CONTENT AND STRUCTURE OF HUMAN THOUGHT. (Yes, Dream Machines indeed.) But it should be something more: enabling the mind to weigh, pursue, synthesize and evaluate ideas for a better tomorrow. Or for any at all.«20 [Herv. i. Orig.]

Als Beispiel für diese neuen Technologien, deren gestalterische Möglichkeiten und Grenzen es auszuloten gelte, nennt NELSON die »data hierarchy« von DOUGLAS ENGELBARTS »oN-Line Sytem«, das ›Sketchpad‹ von IVAN SUTHERLAND und die »fantic spaces« von PLATO.21 Um die besondere Wirkung interaktiver Grafikanwendungen in der Tradition von ›Sketchpad‹ zu belegen, verweist NELSON etwa einschließlich Abbildungen auf das »Moonlander game« das 1973 für das DEC GT40 Vektorgrafikterminal erschien und mit einem Lichtgriffel direkt auf dem Bildschirm gesteuert werden

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er to forget, less likely to be screwed up by the user, and thus more economical—getting more done for the resources put in. [...] Mental analogy is an important and clear control technique.« Ebd., S. DM49 (80). »The design of computer display systems, then, is really the artful crafting of fantic space. Technicalities are subservient to effects. (Indeed, I think computer graphics is really a branch of movie-making.)« Ebd. Vgl. ebd., S. DM48f. (80f.) Ebd., S. DM49 (80). Vgl. ebd., S. DM50 (79). Ebd. In seinem ›Minifesto‹ heißt es ebenfalls: »I claim that the precepts of designing systems that touch people’s minds, or contents to be shown in them, are simple and universal: making things look good, feel right and come across clearly. I claim that to design systems that involve both machines and people’s minds is art first, technology second, and in no way a derivative specialty off in some branch of computer science.« [Herv. i. Orig.] Ebd., S. DM58 (71). Vgl. ebd.

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konnte: »If you have not seen interactive computer display, you have not lived.«22 Ausführlicher widmet er sich allerdings den vernetzten CDC 6800 PLATO Terminals, die – bereits in den 1960er-Jahren entwickelt – vor allem zu Schulungszwecken eingesetzt wurden, aber sowohl Lern- als auch Unterhaltungsspiele bereitstellten: NELSON nennt »games you can play against the system, like racetrack and blackjack«, »games you play by yourself« sowie »games [that] are played between people who sit together before a single PLATO Terminal«, etwa »the hop game« oder »How the West was«. Darüber hinaus gebe es aber auch Spiele für Erwachsene, die auf der Suche nach »real excitement« seien.23 [Herv. i. Orig.] 1987 erschien eine überarbeitete, umstrukturierte und um weitere, aktualisierte Fragmente ergänzte Neuauflage von Computer Lib/Dream Machines bei Microsoft Press, versehen mit einem Vorwort von STEWART BRAND.24 In dieser Neuauflage macht NELSON um vieles expliziter, dass ›video games‹ auch zu dem von ihm behandelten Feld gehören, wenn er etwa betont, dass alle Teile der »computer world« miteinander verbunden seien: »The same people go from programming text systems to programming video games«25, es jedoch zum Zeitpunkt des Erscheinens von Computer Lib kaum »computer recreations« gegeben habe: »There were a couple of video games, ›Pong‹ and a few more like it, but the heyday of videogames lay several years ahead.«26 Dagegen sei die Rolle des Designs für interaktive Systeme 1987 deutlich anerkannter als noch 197427: »The interactive computer screen has become the center of much work and play; eventually most. But THE INTERACTIVE SCREEN, TOO, IS A NEW KIND OF MOTION PICTURE. The design of interactive systems—from video games to office systems—is a form of movie-making [...]. 22 Vgl. T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. Third Printing, o.O. 1975. S. DM21 (108). [sic!] 23 »The main gams with Big Boards are that old standby, spacewar (rocketships wheeling and firing at each other and sliding around on the screen); dogfight (biplanes wheeling and firing at each other and sliding around on the screen), moonwar (shooting at the other guy by specified angles as you stand among craters). In addition, PLATO offers (net during working hours) what must be two of the most baroque space-war games anywhere, empire (eight races (the Vulcanians, Klingons, etc.) seek to control the galaxy) and nova (simulated navigation among millions of different stars and solar systems, all of which may be revisited, all of which are different ...)« [Herv. i. Orig.] Vgl. ebd., S. DM26f. (103f.). 24 T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. Redmond/WA 1987. 25 Vgl. ebd., S. 4. »Video games are software.« Ebd., S. 46. 26 Vgl. ebd., S. 7. Als Prognose für die nachfolgenden Jahre formulierte Nelson: »The computer screens of the 1990s will not be like today’s clumsy screens [...]. Graphics and sound coming from disk and repository network will blend with graphics and sound generated in the user’s computer. This will permit new, spectacular, intricate, extremely vivid multimodal interactive media. You will swoop through, magnify and interactively manipulate throbbing, amusementpark-like visualizations of everything-in color, three dimensions and sound. I call this the Playstation [...]. When the real Office of the Future appears, it will be as easy [clear and simple] as Pac-Man.« Vgl. ebd., S. 14, 24, auch DM23. 27 »The idea that interactive systems had to be designed, rather than ›built by engineers,‹ was practically unheard.« Ebd., S. 8.

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Interactive system design is now obviously—obviously to everyone, that is, except engineers—the center of our new world. But that doesn’t mean anybody knows how to do it.«28 [Herv. i. Orig.]

In seinem Buch Dream Machines fasst NELSON daraufhin seine Fragmente zu ›Games‹ zusammen und baut diesen Abschnitt deutlich aus. Er ergänzt etwa Spieleautomaten in der Nachfolge von PONG, die jedoch nicht derselben akademischen Tradition wie die »computer games« entsprungen seien und für die man, um die Assoziation mit den raumfüllenden Großrechnern loszuwerden, den »diabolically silly term ›video game‹« gewählt habe. Er nennt aber auch »Fantasy Role-Playing Games«, »one-person interactive games« basierend auf Rollenspielen wie dem 1974 erschienenen Dungeons and Dragons, deren gemeinschaftliches Erlebnis sowie kraftvolle und mitreißende Erfahrung jedoch nicht durch eine Maschine zu erfassen sei. Schließlich kommt er noch auf »Computerized Adventure Games« zu sprechen, Abenteuerspiele, die alleine durch Textein- und ausgaben gesteuert werden und von denen Infocoms Zork das populärste sei, denen er jedoch nur sehr begrenzte Anziehungskraft attestiert; wobei er sie als »Interactive Fiction« ein »interesting new genre« nennt.29 »There was an extremely creative side to video games, if we ignore the puerile and violent aspects. That was the artistic and fantic side—the wonderful colors and responding animations, the jingle jungle of sound [...]; and, best of all, the tricks of presentation and control. [] Some of these games, in their particular ways, were truly works of art. Foremost in beauty was Atari’s Tempest, abstract and stunning [...]. Others of particular visual and interactive quality were Donna Bailey’s Centipede; Qbert, which had a hilarious surprise sight gag at about the fourth round; Pac-Man and especially his bride Ms. Pac-Man, one of the most playable games and the one that most appealed to women; Crystal Castles; and of course the milestone Space Invaders. On home machines, I would claim Art status for Star Raiders and Ballblazer [...]; and [...] for a hauntingly beautiful game called Pollywog, by Alan Wootton [...].«30 [Herv. i. Orig.]

Als NELSON dann das Design interaktiver Systeme und damit die »Fantics« erneut darstellt, weist er als interaktive Systeme praktisch alles aus, das reagiert: alles mit einem Anund Aus-Schalter, Haushaltsgeräte, Spielzeug, Verkaufsautomaten, Thermostate, Automobile, Kameras und Aufnahmegeräte, »Not to mention video games«. Die meisten Anwendungen seien den ›Video Games‹ jedoch noch immer hoffnungslos unterlegen; von diesen zu lernen sei eine wichtige Herausforderung: »These are our new video games of

28 Ebd., S. 11. Nelson formuliert die Hoffnung für den ganzen Bereich: »The real problems of manipulating information are right where they always were. They have to do with conceptual structure, interconnectedness, mental clarity and presentation; and they are not technical, but conceptual and artistic. The clumsy fads of today’s software are only gestures at them. The problems are overall design. [...] But there will be revolutionary changes in the next generation of interactive systems, coming from the next generation of designers-the filmmakers and video-game veterans and philosophers. It is time for a new world of designs, a new system of thinking, and a new level of visualization and conceptual artistry worthy of today’s equipment and tomorrow’s possibilities and hopes.« [Herv. i. Orig.] Ebd., S. 23. 29 Vgl. ebd. DM19-22, DM30; zu ›Moonlander‹, vgl. ebd., S. DM15. 30 Ebd., S. DM19f.; zu ›Ballblazer‹ vgl. ebd., S. DM69f.

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the mind, but they do not yet have nearly the performance of a well-designed video game.«31 Nur wenige Monate nach der ersten Auflage von Computer Lib/Dream Machines erschien mit dem MITS Altair 8800 Kit, beworben in der Januarausgabe 1975 des Magazins Popular Electronics, der erste als solcher anerkannte ›Personal Computer‹, dessen Fähigkeiten jedoch sehr begrenzt waren und der daher nur für wenige technikbegeisterte Bastler/innen Faszinationskraft besaß.32 In der dritten Auflage von 1975 ergänzte NELSON sein Buch denn auch um ein »Special Supplement«, das unter anderem der »Altair Story« gewidmet war.33 Die Einführung des ›Personal Computer‹ stand unmittelbar bevor.34 Es wird im Folgenden Inhalt dieses Kapitels sein, dem von NELSON formulierten Spannungsverhältnis von Technologie und Kunst nachzugehen, das ab 1982 die Diskussion um die Möglichkeiten des ›Game Design‹ anleitete. Noch deutlich stärker als es NELSON 1974 vor Augen gehabt hatte, sollte keine zehn Jahre später auch für ›Games‹ die medial evozierte Emotion in den Mittelpunkt der Diskussion rücken. Das Kapitel wird ferner der Thematisierung der Emotion in der Kunstliteratur nachspüren. »Can a Computer Make You Cry?«

Von Juni bis November des Jahres 1983 erschien in diversen US-amerikanischen Computermagazinen die doppelseitige Anzeige eines neuen Spieleverlages mit dem Namen ›Electronic Arts‹.35 Zentral in der Anzeige steht eine etwa seitengroße Farbfotografie, 31 Vgl. ebd., S. DM67. Nelson weist auf die vielfältigen Lehren hin, die man von Spielen übernehmen könnte: »There are many lessons to be learned from video games that should affect the design of office systems and desktop working environments of every kind. [...] controls should be as fast, flexible and subtle as possible; designers should study in particular the handlike animated pointers in Tempest, and the extraordinary smoothness or their response. [...] The higher levels of play that are ramifications waiting to be discovered will be a vital part of tomorrow’s software. Here study Pac-Man, Ms. Pac-Man, and Qbert.« Vgl. ebd., S. DM19, DM41. »Perhaps the best computer manual ever written was the original manual for the original video game, ›Pong‹: AVOID MISSING BALL FOR HIGH SCORE.« Ebd., S. DM36. 32 Vgl. P. Freiberger, M. Swaine: Fire in the Valley. New York/NY u.a. 2000. S. 41-73, passim. Vgl. P.E. Ceruzzi: A History of Modern Computing. Cambridge/MA, u.a. 2003. Kap. 7, ›The Personal Computer, 1972-1977‹, S. 207-241. Bereits 1977 erschienen mit dem TRS-80, dem Commodore PET und dem Apple II die drei Modelle, welche die Vision des erschwinglichen und leicht zugänglichen ›Personal Computer‹ realisierten. Computerspiele zählten von Anfang an zu den beliebtesten Programmen, »one of the few things that all agreed personal computers were good for«. Vgl. ebd., S. 263-266, hier 264. 33 Vgl. T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. o.O. 1975. S. 126D-C. 34 Dazu auch H. Lowood: A Brief Biography of Computer Games. In: P. Vorderer, J. Bryant (Hg.): Playing Video Games. Mahwah/NJ u.a. 2006. S. 25-41, hier 33f. 35 Die Anzeige erschien (vermutlich erstmals) in der Juniausgabe 1983 der Zeitschrift Creative Computing, hier noch mit Werbeanzeige und farbig gedrucktem Foto. Electronic Arts: Can A Computer Make You Cry? In: Creative Computing, Vol. 9, No. 6, Jun. 1983. S. 166f. In der Folgeausgabe der Creative Computing erschien die Anzeige erneut, nun mit Foto im SchwarzWeiß-Druck; in dieser Form erschien sie auch in weiteren Zeitschriften, wie der Juliausgabe

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welche die acht »Software Artists« BILL BUDGE, ANNE WESTFALL, JON FREEMAN, DAN BUNTEN, MIKE ABBOT, MATT ALEXANDER, JOHN FIELD und DAVID MAYNARD zeigt. Als Reaktion fragte die Zeitschrift Softline im Juli desselben Jahres: »Who are these guys?« »In June, they began advertising—not products, but an image. They spirited away a photographer from the Los Angeles rock-music scene, flew him up to northern California, and took over a studio for the day to shoot about four hours’ worth of pictures for the ad. No fancy artist’s conceptions of games to come; just portrait shots of eight game authors.«36

Die acht Personen, ganz in dunkler Kleidung, sitzen dicht gedrängt in zwei gestaffelten Reihen, teilweise aneinander gelehnt, jedoch alle in lässiger Pose beisammen und blicken mit ernster Miene in die Kamera.37 Sie werden als ›Künstler/innen‹ inszeniert, als Rockstars, als Kreative.38 Neben der Fotografie ist als Manifest das Unternehmensleitbild abder Compute!. Electronic Arts: Can A Computer Make You Cry? In: Creative Computing, Vol. 9, No. 7, Jul. 1983. S. 126f. Auch in: Compute! Vol. 5, No. 7, Is. 38, Jul. 1983. S. 12f. Ab Oktober 1983 verbreitete Electronic Arts ein Poster als Variante der Anzeige unter der Überschrift ›We See Farther‹ ohne Mission Statement, aber ergänzt um kurze Beschreibungen der abgebildeten Personen und ihrer Spiele sowie Abbildungen der sieben Verpackungscover aus der Startproduktpalette des Unternehmens. Das Plakat lag (vermutlich erstmals) der Oktoberausgabe der Creative Computing bei. Electronic Arts: We See Farther In: Creative Computing, Vol. 9, No. 10, Oct. 1983. S. 71-78. Andere Zeitschriften druckten eine Variante der Anzeige mit Schwarz-Weiß-Foto, in der zusätzlich darauf hingewiesen wurde, dass man sich an seinen favorisierten Computer- oder Softwarehändler wenden solle, um mehr über die wachsende Zahl an Titeln zu erfahren und »to receive a free poster of the artists pictured here«. Electronic Arts: Can A Computer Make You Cry? In: Compute!’s Gazette, Vol. 1, No. 6, Is. 5, Nov. 1983. S. 2f. 36 o.A.: New Players – Electronic Arts. In: Softline, Vol. 2, No. 6, Jul.-Aug. 1983. S. 52f. 37 Fotograf der Bilderserie war der Südafrikaner Norman Seeff, der ab den 1970ern durch umfangreiche Sessions mit Musiker/innen und Kreativen u.a. für den Rolling Stone bekannt geworden war und wenig später auch die Basketballspieler Julius Erving und Larry Bird für das Spiel One-on-One (1983) porträtierte. Vgl. J. Maher: The Pinball Wizard. In: The Digital Antiquarian, 01.02.2013. (Online) Dazu Bing Gordon, vgl. DICE 2011: »Full Circle« Panel with Bill Budge. In: G4tv.com, 17. Feb. 2011. (Online) Kurz nachdem die Werbekampagne von Electronic Arts gestartet war, ließ auch die Firma Apple im Januar 1984 sein ›Macintosh Design Team‹ in gleicher Pose von Seeff für Werbezwecke ablichten einschließlich Firmengründer Steve Jobs selbst. Verwendung fanden Bilder aus der Serie etwa in einem Artikel von Steven Levy, erschienen im März 1984 im Rolling Stone und schließlich auf dem Cover des Buches von Andy Hertzfeld über die Entstehung des Macintosh. Vgl. S. Levy: The Whiz Kids Meet Darth Vader. In: Rolling Stone, Is. 416, 1.3.1984. S. 36-41, hier 36f. Vgl. S. Levy: Insanely Great. New York/NY u.a. 2000. S. 16-18, 165. A. Hertzfeld: Revolution in the Valley. Sebastopol/CA u.a. 2005. Cover, S. 178, 208-210 (»Real Artists Ship«). 38 A. Wieczorek, T. Schirmböck (Hg.), Ausstellungskatalog: Norman Seeff – The Look of Sound. Heidelberg u.a. 2014. »Die Menschen, die uns aus seinen Bildern ansehen, blicken häufig mit wachen und entspannten Augen auf die Welt und in die Kamera. Diese wache Präsenz hat ihre Ursache in einer über die Jahre entwickelten Kunstfertigkeit Norman Seeffs. Er

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gedruckt, überschrieben in großen Lettern mit der Frage: »Can a Computer Make You Cry?« »Right now, no one knows. This is partly because many would consider the very idea frivolous. But it’s also because whoever successfully answers this question must first have answered several others. [] Why do we cry? Why do we laugh, or love, or smile? What are the touchstones of our emotions? [] Until now, the people who asked such questions tended not to be the same people who ran software companies. Instead, they were writers, filmmakers, painters, musicians. They were, in the traditional sense, artists. [] We’re about to change that tradition. The name of our company is Electronic Arts.«39

Im Anschluss wird das gemeinsame Ziel der Entwickler/innen dargestellt, das sich wie eine direkte Bezugnahme zu NELSONS Computer Lib liest, nämlich das Potenzial des Personal Computers zu verwirklichen, dessen Technologie durch den Einsatz der Vorstellungskraft und einer »Language of Dreams« in ein ausdrucksstarkes Kommunikationsmedium zu verwandeln – von ›Games‹ ist nicht die Rede. »SOFTWARE WORTHY OF THE MINDS THAT USE IT. We are a new association of electronic artists united by a common goal—to fulfill the enormous potential of the personal computer. [] In the short term, this means transcending its present use as a facilitator of unimaginative tasks and a medium for blasting aliens. In the long term, however, we can expect a great deal more. [] These are wondrous machines we have created, and in them can be seen a bit of their makers. It is as if we had invested them with the image of our minds. And through them, we are learning more and more about ourselves. [] We learn, for instance, that we are more entertained by the involvement of our imaginations than by passive viewing and listening. We learn that we are better taught by experiences than by memorization. And we learn that the traditional distinctions—the ones that are made between art and entertainment and education—don’t always apply. [] TOWARDS A LANversteht es, den Porträtierten erst die Scheu zu nehmen und sie dann emotional zu lösen. [...] Sein größtes Interesse jedoch galt der Erforschung der Kreativität, die er immer wieder en passant in den Gesprächen während der Sessions in den Mittelpunkt rückte. So wurden die Porträtierten in der Situation locker und gaben frei Auskunft über die Kraft der Musik, den Prozess der Kreativität, die Schwierigkeiten als Künstler. Bild und Inhalt verbinden sich an dieser Stelle zu einer seltenen Kombination: Eigentlich ist alles dem augenblicklichen Erleben während der Session untergeordnet, doch Fotografie und Film fixieren diesen Moment sowohl für die kommerzielle Nutzung durch den Auftraggeber als auch die private und ästhetische durch den Künstler. Das Bild des Künstlers, der fotografiert wird, wie er gesehen werden will, ist in die Dokumentation seiner Entstehung eingebettet. Diese selbst ist aus heutiger Sicht zu einem Objekt von Kunst und Geschichte geworden. Dieser Prozess, den Norman Seeff 1975 angestoßen hat und den er bis heute betreibt, ist ebenso einzigartig wie es unerklärlich ist, dass dieser gesamte kulturhistorische Schatz noch nicht vollständig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte.« T. Schirmböck, J. Emmons: The Look of Sound. In: Ebd., S. 1012, hier 12. Norman Seeff hatte bereits 1975 begonnen, seine Fotosessions mit Kreativen, Musik- und Filmschaffenden zu filmen. Das »ungeheure Archiv« mag auch noch die Sessions mit den Softwareentwickler/innen enthalten. Vgl. ebd., S. 11. 39 Electronic Arts: Can A Computer Make You Cry? In: Creative Computing, Vol. 9, No. 6, Jun. 1983. S. 166f.

›T HE ART OF ‹ VS . › REAL ART ‹ | 109 GUAGE OF DREAMS. In short, we are finding that the computer can be more than just a processor of data. [] It is a communications medium: an interactive tool that can bring people’s thoughts and feelings closer together, perhaps closer than ever before. And while fifty years from now, its creation may seem no more important than the advent of motion pictures or television, there is a chance it will mean something more. [] Something along the lines of a universal language of ideas and emotions. Something like a smile.«40 [Herv. i. Orig.]

Die Anzeige schließt mit dem Hinweis, dass die ersten Publikationen von Electronic Arts nun erhältlich seien: Produkte, die von sich hören lassen, die man so noch nie gesehen habe oder die mehr aus dem Computer herausholen als alle anderen zuvor, und manche, die sich einer einfachen Einordnung entziehen. Schließlich richtet sich Electronic Arts an »talented, independent software artists«, denen man ein unterstützendes Umfeld jenseits des Mainstreams biete, um große Ideen wachsen zu lassen, was sich in den aktuellen Spiele widerspiegele: »Join us. We see farther.«41 »You don’t feel like this very often.«

Kurz nach Beginn der Werbekampagne von Electronic Arts im August des Jahres 1983 erschien das Text-Adventure Planetfall von STEVE MERETZKY bei Infocom, das weithin bekannt werden sollte als das erste Spiel, das Spielende zu Tränen gerührt hat. In dem allein aus Textein- und -ausgaben bestehenden Spiel trafen Spielende auf den Roboter FLOYD, der sie auf ihrem Abenteuer begleitete, beim Lösen von Rätseln half und schließlich bei einer heroischen Tat sein Leben verlor. Von der emotionalen Mitgerissenheit der Szene zeugen die teilweise enthusiastischen Kritiken in der Presse.42 Im Sommer 1983 bewertete das Magazin Softline Planetfall als »excellent«, die Rätsel als »good« und den Charakter FLOYD als »great«; und obwohl das Ende als übertrieben kritisiert wurde, erscheine es als »approaching interactive literature«.43 So zierten die ersten Zeilen aus der Todesszene des Spieles – in riesigen weißen Lettern auf blauem Grund – das Cover der Folgeausgabe, als Einleitung für den bewusst an den Literaturklassiker Moby Dick erinnernden Artikel ›Call Yourself Ishmael, Micros Get The Literary Itch‹, der sich mit der wachsenden Raffinesse interaktiver Erzählungen (»interactive fiction«) befasst. Im Anschluss stellt der Artikel fest:

40 Ebd. 41 Ebd. Es sei noch darauf hingewiesen, dass die Komposition des Gruppenfotos gewisse Ähnlichkeiten zum Plakat des im Frühjahr 1983 erschienenen Filmes The Outsiders aufweist, einer Literaturverfilmung von Francis Ford Coppola über die Erlebnisse einer Jugendgang, die eine damals junge Riege an Schauspielneulingen (›Brat Pack‹) bekannt machte. 42 Planetfall. Cambridge/MA 1983. Vgl. zu Planetfall auch den gut belegten englischsprachigen Eintrag in der freien Encyclopädie Wikipedia. J. Maher: Planetfall. In: The Digital Antiquarian, 26.03.2013. (Online) 43 »the ending goes a step too far, indulging in unabashed adolescent wish fulfillment. Although Planetfall, like the other Infocom games, raises the level of the adventure to something approaching interactive literature, the ending of the game reads more like a fairy tale.« Vgl. D. Durkee: Planetfall (Gameline). In: Softline, Vol. 2, No. 6, Jul.-Aug. 1983. S. 22.

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»Floyd was a good robot. He was helpful. He was courageous. He was fun-loving. Your friend is gone and you’re alone. How do you feel? [] You don’t feel like this very often. Maybe after you’ve read Charlotte’s Web. Maybe when they shot Bambi’s mother. Maybe when Raskolnikov got religion in the Siberian slave labor camp. But this scene is from a computer game. A game!«44

In der Dezemberausgabe 1983 der Zeitschrift Creative Computing wurde Planetfall als bemerkenswert, komisch, verblüffend und unterhaltsam bezeichnet. »In your search for answers to these and other questions, you will find a friend, a robot named Floyd, who will prove to be as good and true a companion to you as E.T. was to Elliot. [] Clearly, the most imaginative and cleverly written part of the entire game, Floyd, besides being hysterically funny through most of the adventure, evokes in the player of Planetfall authentic feelings of affection and attachment.«45

In der Spielkritik der Computer Gaming World im April 1984 heißt es, Planetfall sei ein »excellent adventure« und FLOYD ein »unique boost to the interactive nature of these games«, eine »creative innovation« von denen man sich in zukünftigen Spielen weitere erhoffe. »In your wandering through the first complex you will meet a robot named Floyd. In the beginning, Floyd might be a nuisance because of his incessant babbling, but as you have probably already guessed he plays an important part in the completion of the game. Floyd’s interaction is a very unique concept in this game. It adds animation to the game without relying on graphics.«46

1985 erschien der Ratgeber The Greatest Games der beiden ehemaligen Redakteure des Computer Games Magazine DAN GUTMAN und SHAY ADDAMS, herausgegeben vom Computermagazin COMPUTE!. Unter den ›93 Best Computer Games of All Time‹ findet dann auch Planetfall seinen Platz, allem voran wegen des Charakters FLOYD. »Enter Floyd, the most appealing character you’ll ever meet in an adventure game. With the personality of a precocious five-year-old, Floyd is a robot whose recollections frequently shed light on the situation. He’s also funny. [...] It’s impossible to play Planetfall without growing attached to Floyd, and the scene in which he gets killed is almost as devastating as when Bambi’s mother was shot. It’s like losing your best friend, or at least your pet dog. [...] [P]laying Planetfall is the only way you’ll ever get to go adventuring with Floyd, interactive fiction’s liveliest and most likable character.«47 44 »The rising level of sophistication in the adventure game – that most sophisticated of entertainments ever to pass through a central processing unit – has fain threatened to take it out of the computer junkies’ realm of private delight and toss it into the center ring of popular culture, along with books, plays, and movies.« F. Saberhagen et al.: Call Yourself Ishmael, Micros Get The Literary Itch. In: Softline, Vol. 3, No. 1, Sep.-Oct. 1983. Cover, S. 30-34, hier 30. 45 M. Schultz, S. Arrants: Infocom does it again ... and again. In: Creative Computing, Vol. 9, No. 12, Dec. 1983. S. 120, 123, 125, hier 120. 46 J. McPherson: Planetfall (Micro-Reviews). In: Computer Gaming World, Vol. 4, No. 2, Apr. 1984. S. 43f. 47 D. Gutman, S. Addams: The Greatest Games. Greensboro/NC 1985. S. 83-85, hier 84f.

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Noch im Sommer 1987 war CHARLES ARDAI, Redakteur der Computer Gaming World, im Rahmen einer großen Infocom-Respektive voll des Lobes: »[I]t is fair to say that Infocom’s games are, most of the time, just entertaining puzzles, albeit very entertaining ones. Sometimes, however, and not terribly infrequently, either, Infocom’s writers create a portion of a game which transcends its medium and bridges the gap between interactivity and fiction, between activity and art. When a game can make a character come alive, establish a conflict whose resolution can be separated from the resolution of an individual puzzle or riddle, or when a passage of prose or a sequence of events elicits a response from the player which exists outside the strict confines of the game, an adventure game has become a transcendent work. This is the case with parts of Planetfall [...].«48

STEVE MERETZKY, Game Designer von Planetfall, erinnert sich in einem Interview aus dem Jahr 2000, dass der Tod von FLOYD eine sehr späte Designentscheidung war. MERETZKY, der am MIT ›Construction Project Management‹ studiert, im Nebenfach ›Writing‹ belegt sowie bereits mehrere, wenn auch unveröffentlichte Science-Ficton-Geschichten verfasst hatte, und der seinen Chef MARC BLANK vom dortigen ›campus film program‹ her kannte, wurde – nachdem er Erfahrung in der Qualitätskontrolle anderer Spiele gesammelt hatte – im Spätsommer 1982 die Möglichkeit gegeben, sein erstes eigenes Text-Adventure zu entwickeln. Ausgehend von seinem Interesse an Science-Fiction und den technischen Restriktionen siedelte er sein Spiel auf einem verlassenen Planeten an, auf dem Spielende nach einem Raumschiffabsturz überleben müssen. MERETZKY entschied sehr früh, dass Spielende nur auf einen, dafür jedoch »very well fleshed-out«, »interesting« und »believable« Charakter stoßen sollten. Ferner sollte es sich, angeregt durch den Film ›Krieg der Sterne‹ sowie ROBERT HEINLEINS Buch Red Planet um einen »cute robot« handeln. Erst »midway in the game design/implementation process« sei klar geworden, dass FLOYD ein sentimentalerer Charakter geworden war als ursprünglich beabsichtigt. »It was clear that people were going to be very attached to him, and at some point the idea just clicked that I could create this really emotional moment.« »Also—and this is a relatively minor influence on the decision, but still worth mentioning—at the time Electronic Arts was just getting started. They were running a series of ads meant to establish their stable of game designers as artists. One of the ads quoted one of their designers as saying some thing like, ›I want to create a computer game that will make people cry.‹ There was a little touch of a budding rivalry there, and I just wanted to head them off at the pass.«49

48 Ardai, Charles: Titans of the Computer Gaming World, Part IV of V, Ardai on Infocom. In: Computer Gaming World, Vol. 4, No. 4, Aug.-Sep. 1987. S. 38f., 46f., hier 39. 49 Vgl. R. Rouse: Game Design. Plano/TX 2001. S. 180-182, hier 182. Vgl. auch S. Meretzky: The Creation of Floyd the Robot in Planetfall. In: P. Harrigan, N. Wardrip-Fruin (Hg.): Second Person. Cambridge/MA 2007. S. 137-138. »This worked out better than my fondest hopes, and numerous players over the intervening years have told me that they cried at this point in the game. [...] What’s amazing is not that I was able to create a computer game character that touched people so deeply, but how infrequently the same thing has been accomplished in the intervening two decades.« Ebd., S. 138.

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»art evokes emotion through fantasy«

In den ersten Zeilen des Vorwortes des 1984 erschienenen The Art of Computer Game Design stellt CHRIS CRAWFORD die Prämisse seines Buches klar heraus: »computer games constitute a new and poorly developed art form that holds great promise for both designers and players.« Den Skeptikern, die Spielautomaten für zu trivial und frivol sowie bestenfalls für fruchtlose Zerstreuungen hielten, um sie mit den Werken BEETHOVENS, MICHELANGELOS oder HEMINGWAYS zu verglichen, hält CRAWFORD entgegen, dass man sich nicht allein an den aktuell erhältlichen Spielen orientieren dürfe. Die Industrie sei zu jung und die Lage zu dynamisch, um »computer games« so leichtfertig abzuschreiben. »We must consider the potential, not the actuality.« CRAWFORD beruft sich von den »many definitions of art« vor allem auf »the way art evokes emotion through fantasy.«50 »The artist presents the audience with a set of sensory experiences that stimulates commonly shared fantasies and thus generates emotions. Art is made possible by the richness of the fantasy world we share. Art is nevertheless difficult because there are so many practical problems associated with stimulating fantasies deep inside another person’s mind.«51

Der Computer habe durch die Fähigkeit, Grafik und Sound in die Welt zu bringen, neue Persönlichkeit gewonnen. Er sei nun nicht mehr auf die kalte und distanzierte Sprache der Zahlen angewiesen, sondern könne in der »emotionally immediate and compelling language of images and sound« kommunizieren. Mit dieser Fähigkeit sei zugleich eine neue, zuvor ungeahnte Möglichkeit entstanden: »the possibility of using the computer artistically as a medium for emotional communication. The computer game has emerged as the prime vehicle for this communication.« Dennoch könne der Computer noch keine so reiche sensorische Erfahrungen bieten wie eine Symphonie oder ein Film, aber dies mache er mit einem fundamentalen Vorteil gegenüber anderen Kunstformen mehr als wett: »a game is intrinsically participatory.«52 »When we passively observe someone else’s artistic presentation, we derive some emotional benefit, but when we actively participate in a game, we involve a portion of ourselves in the fantasy world of the game. This greater participation yields a commensurately greater return of emotional satisfaction. [...] For this reason, games [...] present the artist with a fantastic opportunity for reaching people.«53

Spiele im Allgemeinen und »computer games« im Besonderen seien allerdings als Kunstform bisher noch kaum auf beeindruckende Weise in Erscheinung getreten, vielmehr seien die meisten von ihnen ausgesprochen kindisch. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Technologie der »computer games« in den Händen von Technologen und nicht von Künstlern sei, sodass »artistic flair« grundsätzlich als weniger wichtig behandelt worden sei als technisches Können. Und auch die Industrie, die sich hinter der 50 51 52 53

Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. XI. Ebd. Ebd., S. XII. Ebd., S. XIII.

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Idee verstecke, im Unterhaltungsgeschäft tätig zu sein und das Publikum nicht verschrecken zu wollen, produziere bisher vor allem verklemmte, kleine »games«, die nur mitleiderregend (»pathetically«) triviale Emotionen hervorriefen. Dies sei jedoch ein Missverständnis:54 »Truly intense emotions or situations of pathos, ecstasy, majesty, rapture, catharsis, or tragedy intimidate us. [...] Art can be stuffy and elitist, but good art can also be a foot-stomping blast.«55

CRAWFORD sieht hier eine »revolution in game design«, die jedoch eine theoretische Durchdringung des Gegenstandes voraussetze. Denn es seien nicht mehr allein die Beschränkungen der Technologie, die primär von einer Weiterentwicklung abhielten. Und genauso wenig werde die technologische Entwicklung allein »artistic successes« garantieren.56 »Real art through computer games is achievable, but it will never be achieved as long as we have no principles of aesthetics, no framework for criticism, and no model for development.«57

Man sei noch weit entfernt von Spielen, die vergleichbar seien mit den Werken eines SHAKESPEARE, TCHAIKOVSKY oder VAN GOGH, doch jeder dieser Künstler habe auf den Arbeiten von Vorgängern aufbauen können, die in noch unerforschtes Gebiet aufgebrochen seien, um dessen Territorium zu vermessen. »We computer-game designers must put our shoulders together so that our successors may stand on top of them. This book is my contribution to that enterprise.«58 Geht die Definition von Kunst in The Art of Computer Game Design ebenfalls auf die Werbeanzeige von Electronic Arts zurück? Im Vorwort zur elektronischen Ausgabe von 1997 heißt es kurz: »This text was originally composed by computer game designer CHRIS CRAWFORD in 1982.«59 Dass große Teile des Buches tatsächlich bereits 1982 fertiggestellt waren, lässt sich auch daran nachvollziehen, dass Teile und ganze Auszüge aus der Schrift 1982 an anderer Stelle veröffentlicht wurden. Der Artikel ›So You Want To Write A Computer Game‹, erschienen in der Märzausgabe 1982 der Computer Gaming World, lässt sich wie eine Exposé seines Buches lesen.60 In der Dezemberausgabe 1982 des Magazins BYTE erschien ein Artikel von CRAWFORD unter dem Titel ›Design 54 55 56 57 58 59

Vgl. ebd. Ebd. Vgl. ebd., S. XIV. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Vancouver 1997. ›Preface to the Electronic Version‹. Diese Randbemerkung – bei fehlenden Angaben über die ursprüngliche Druckausgabe – hat dazu geführt, dass das Buch von Crawford in vielen Arbeiten fälschlicherweise auf das Jahr 1982 datiert wird, obwohl es tatsächlich erst 1984 bei Osborne/ McGraw-Hill im Druck erschien. Gleichzeitig macht dies deutlich, dass das Buch vor allem in der elektronischen Fassung weite Verbreitung gefunden hat. 60 Vgl. C. Crawford: So You Want To Write A Computer Game. In: CGW, Vol. 2, No. 2, Mar.-Apr. 1982. S. 10-11.

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Techniques and Ideals for Computer Games‹, der im Wesentlichen eine redaktionell bearbeitete und leicht gekürzte Fassung des gleichnamigen Kapitels im Buch ist.61 Während in diesen beiden Texten jedoch bereits von »Art« die Rede ist, finden Emotionen oder Fantasie dort keine Erwähnung. Wie sich anhand der vorangestellten Liste der ›Trademarks‹ nachvollziehen lässt, findet sich im Buch tatsächlich nur ein einziger Titel aus dem Jahr 1983, Excalibur, das von CRAWFORD selbst von Januar 1982 bis Juni 1983 bei Atari entwickelt wurde. Eine beispielhafte Dokumentation des Entwicklungsprozesses wurde von ihm als vorletztes Kapitel unter dem Titel ›Development of Excalibur‹ in das Buch aufgenommen.62 Das heißt zugleich, dass CRAWFORD das Manuskript auch nach Juni 1983 noch einmal bearbeitet haben muss. Ob die vielfältigen Verweise auf die emotionale Einbindung der Spielenden, die sich in The Art of Computer Game Design finden, tatsächlich ebenfalls auf die Werbekampagne von Electronic Arts zurückgehen oder diese nur bestärkten, lässt sich anhand der Quellen nicht zweifelsfrei klären. In jedem Fall wird jedoch deutlich, dass spätestens 1983 Game Designer/innen sich intensiv mit den Möglichkeiten des Computerspieles als Kunstform auseinandersetzten und annähernd Konsens darüber bestand, dass es vor allem die Emotionen seien, die für eine solche Kunstform konstitutiv sind. »one in-game moment that stirs up awe or profound emotion«

2010 ist ROBERT YANG im Rahmen eines vierteiligen Artikels unter dem Titel ›The Philosophy of Game Design‹, in der er sich mit den Kriterien ›guter‹ Spiele befasst, unter anderem der Frage nachgegangen: »Are games art?« Dabei versucht er eben nicht eine abschließende Antwort auf diese Frage zu geben, sondern vielmehr die Argumentationsstrategien und ihre jeweiligen philosophischen Vorreiter/innen offenzulegen, die für oder gegen die Kunstwürdigkeit der ›Games‹ Position beziehen. Auch wenn die kaum erschöpfenden Darstellungen der einzelnen, im wesentlichen fünf Positionen stark vereinfacht sind, mögen sie doch zugleich sehr gut geeignet sein, die Haltungen zeitgenössischer Game Designer/innen zu erfassen (Tab. 1).63

61 C. Crawford: Design Techniques and Ideals for Computer Games. In: BYTE, Vol. 7, No. 12, Dec. 1982. S. 96-108. Vgl. Ders.: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 77-92. 62 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. Vf., 93-102. 63 Vgl. R. Yang: The Philosophy of Game Design (part 3). In: The Escapist Magazine, Is. 275, 12.10.2010. (Online) Die von Yang vorgelegte Aufzählung lässt sie in Teilen parallel lesen zu den Begriffsbiografien der Kunst bei Wolfgang Ullrich: Was war Kunst? Frankfurt a.M. 2006. Darunter: (1.) art is sublime: Edle Einfalt und stille Größe, Ebd., S. 55-75; (2.) art is dead: Ende der Kunst, Ebd., S. 229-252; (3.) art is a practical tool: Delectare et prodesse, Ebd., S. 100-123; (5.) art is art: L’art pour l’art, Ebd., S. 124-143.

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Tab. 1: Schema des Verfassers zum Vergleich der Kunstverständnisse für ›Games‹ »art is ...«

Definition

Vorreiter/innen

sublime

»At least one in-game moment that stirs up awe or profound emotion of some kind.«

(Anti-)Platonische Philosophen

dead

»Not blindly following formal conventions and forcing players to do what they’ve done before.«



a practical tool

»A good game fights for social justice in the world by representing it and critiquing it.«

Marxismus, Sozialer Realismus

uncomfortable

»A good game fights for social justice BERTOLT BRECHT through formal experimentation that encourages players to reflect on themselves.«

art

»A good game remains as apolitical as possible. Games should not be used as tools; ... games are games.«

THEODOR ADORNO

Quelle: In Anlehnung an R. YANG64

Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang jene Argumentationsstrategie, die YANG unter dem Stichwort »sublime« abhandelt und die seiner Ansicht nach wohl die größte Zustimmung unter Entwickler/innen und Spielenden findet: »This ›sublime‹ was more about witnessing overwhelming profoundness, admitting that it’s beyond your puny human ability to comprehend it; as if you’re looking down at Earth from orbit, or watching a nuclear bomb explode. It isn’t necessarily indicative of anything, good or bad, tasteful or disgusting, etc. [...] That account of the ›sublime‹ is what supports [... the] answer, which is one of the most common ›Yes‹ responses invoked by gamers.«65

YANGS Verwendung des Begriffes ›sublime‹ (Erhabenheit) fehlt es hier jedoch an Kontext. Es gilt folglich, den Fragen nachzugehen, in welchem kunsttheoretischen Kontext eine solche Argumentationsstrategie steht und warum diese besonders Anfang der 1980er-Jahre herangezogen wird, um für »computer games« einen Kunststatus zu behaupten.

64 Yang nennt für beinahe alle diese Positionen zeitgenössische Vertreter/innen im Game Design (im Jahr 2010). Vgl. ebd. 65 Ebd.

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Emotionalisierung als Ziel der Kunst und das dreifache Pathos »The kind of movie I like best now is an ›awesome‹ movie. 70mm, 6-track Dolby, clean print, big screen, third row, so that it fills my field of vision with a crisp clean color picture and my ears with crisp clean localized sound. It should be the kind of movie that creates a whole new world, that catches you up in a dream. E.T., Blade Runner. And the music, whether the heart-rending or heart-pounding music of John Williams or the eerie electronic sounds of Vangelis. Ohhh, there’s nothing like a movie. I hereby designate this class of movie ›A‹ movies. A for scale. A for special effects. Note that even bad movies (Tron) can be A’s. The A is for AWESOME. An ›A‹ movie engulfs you, sweeps you away.« Jordan Mechner/Tagebuch, 24. Juli 198266

Im Juli 1982 notiert der gerade 18-jährige JORDAN MECHNER in seinem Entwicklertagebuch in eindrücklichen Worten die ganze Faszination und Begeisterung für die emotionale Mitgerissenheit und die überwältigenden Eindrücke des Kinos, dem es gelinge, neue Welten zu erschaffen.67 Im September des folgenden Jahres zitiert er einen kurzen Auszug aus dem Entwurf seiner Erklärung zur College-Zwischenprüfung, die wohl stellvertretend für die Bemühungen der Branche dieser Zeit stehen kann: »I am extremely interested in how people respond to drama, not just theater but also film, fiction, television, opera, even video games. I hope eventually to discover some general, objectively testable principles that might enable dramatists to construct ›better‹ (more involving, more affecting) dramas. This endeavor appeals to me not only as a psychology student and an addicted audience member, but as a would-be filmmaker, writer of fiction, and designer of video games.«68

Die Filme, die er im Sommer 1982 beispielhaft erwähnt hatte, waren gerade in den vorherigen sechs Wochen in den US-amerikanischen Kinos angelaufen und können als Paradebeispiele des New-Hollywood-Blockbusterkinos gelten.69 Verantwortlich für die großen kommerziellen Erfolge des Kinos ab Mitte der 1970er-Jahre waren die sogenannten 66 J. Mechner: The Making of Karateka. Los Angeles/CA 2012. S. 33. »E.T. The opening scene of Blade Runner. That feeling, right here (clonk on the chest) of being somewhere, of a whole new world ... OhhhHHH!« Ebd., S. 47. (Eintrag vom 17. Dezember 1982). 67 Mechner – geboren am 4. Juni 1964 – ist von Beginn an, wie aus seinem Tagebuch hervorgeht, zwischen den Medien Film und Spiel hin- und hergerissen. Er notiert nicht nur die Fortschritte der Spielentwicklung von ›Karateka‹, sondern auch die Titel sämtlicher Filme, die er sich in dieser Zeit ansieht. Vgl. J. Mechner: The Making of Karateka. Los Angeles/CA 2012. S. 26, beispielhaft 6f., 32, 46f., 80f., 84f., 216-218. 68 Vgl. ebd., S. 114. (Eintrag vom 7. September 1983.) 69 E.T. the Extra-Terrestrial (US-Kinostart: 11. Juni 1982), Blade Runner (US-Kinostart: 25. Juni 1982), Tron (US-Kinostart: 9. Juli 1982).

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Movie Brats, Filmschaffende, die selbst mit Kino und Fernsehen aufgewachsen waren, ihr Handwerk häufig an Filmhochschulen gelernt hatten und sich nun an dem reichhaltigen Repertoire des Mediums frei bedienen konnten. Schon aus dem 1979 erschienenen Buch The Movie Brats – How the Film Generation Took Over Hollywood wurden die herausragenden Figuren genannt: FRANCIS FORD COPPOLA (*1939), GEORGE LUCAS (*1944), BRIAN DEPALMA (*1940), JOHN MILIUS (*1944), MARTIN SCORSESE (*1942) und STEVEN SPIELBERG (*1948).70 Das Buch fasst ihre Filme, deren Entstehung es nachspürt, gleich zu Anfang so zusammen: »An audience that watches Jaws will scream. At Star Wars they cheer. The Godfather leaves a sour, disturbing taste. Carrie revolts and fascinates and horrifies. The Wind and the Lion has a ravishing beauty. New York, New York dives between the exhilarating and the fearful. These films play on emotion and personal response.«71

Diese junge Generation von Filmschaffenden war Anfang der 1980er berühmt und berüchtigt für ihr emotional mitreißendes Kino, das selbst die unwahrscheinlichsten Geschichten auf der Leinwand zum Leben erweckte. Den Techniken und Zielen der Filmherstellung hat sich DAVID BORDWELL Ende der 1980er beispielhaft unter dem Titel der ›Historical Poetics of Cinema‹ genähert: »The poetics of any medium studies the finished work as the result of a process of construction – a process which includes a craft component (e.g., rules of thumb), the more general principles according to which the work is composed, and its functions, effects and uses. Any inquiry into the fundamental principles by which a work in any representational medium is constructed can fall within the domain of poetics.«72

›Poetik‹ wurde dabei allerdings nicht mehr als Produktionstheorie, sondern als Methode der Analyse und historischen Einordnung verstanden; das Traktat des ARISTOTELES, das hier Pate stand, diente nicht mehr als Anleitungsliteratur, sondern als Theorie der Literaturkritik. Abstrahiert und ohne Anbindung an die Poetikgeschichte wurden verschiedenste (formalistische) Kategorien auf den Gegenstand Film projiziert, wobei vor allem die affektorientierte Wirkungsästhetik ein eigentümliches Schattendasein fristete.73 Da70 Vgl. M. Pye, L. Myles: The Movie Brats. New York/NY 1979. S. 3-12, 54-59, passim. Jordan Mechner notiert am 15. Dezember 1983: »Had dinner with George at Stiles and borrowed his book The Movie Brats, about Lucas, Spielberg, etc. It’s excellent. I think I’ll buy it.« J. Mechner: The Making of Karateka. Los Angeles/CA 2012. S. 131. 71 M. Pye, L. Myles: The Movie Brats. New York/NY 1979. S. 5. 72 D. Bordwell: Historical Poetics of Cinema. In: R.B. Palmer (Hg.): The Cinematic Text. New York/NY 1989. S. 369-398, hier 371. 73 Zuletzt und umfassend D. Bordwell: Poetics of Cinema. New York/NY 2008; Bordwell räumt den Emotionen zwar etwas mehr Platz ein, verschiebt aber niemals seinen Fokus weg von Formalismen, Narration und Rezeption. Vgl. ebd., S. 51-53, 93, 101, 123-125. »Up to a point setting emotion aside is a useful methodological idealization: In principle, you can understand a film without discernibly having an emotional reaction to it.« Ebd., S. 150. Vgl. auch H. Jenkins: Historical Poetics. In: J. Hollows, M. Jancovich (Hg.): Approaches to Popular Film. Manchester u.a. 1995. S. 99-125. Henry Jenkins hat dagegen in seiner Aufsatzsammlung

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bei hat das Auslösen starker Gefühlsregungen in der Kunsttheorie – und nicht zuletzt in der Poetik – eine lange Tradition, die zumeist unter dem Begriff ›Pathos‹ behandelt wird.74 Einer direkten Anknüpfung steht jedoch das Problem im Weg, dass bereits die Antike mindestens drei distinkte Pathos-Konzepte hervorgebracht hat, die in ihrer Rezeptionsgeschichte seit der Renaissance gänzlich unterschiedliche Wirkungen entfaltet haben: Erstens: In der rhetorischen Tradition, ursprünglich bei ARISTOTELES angelegt als die Kategorie der ›emotionalen Zurichtung des Publikums‹, wurde das Pathos in der Stiltheorie der römischen Rhetorik zum hohen, stark affizierenden Stil weiterentwickelt. Der Einsatz hochemotionaler, pathetischer Mittel wird dabei geleitet und gerechtfertigt durch hohe (bzw. erhabene) Gegenstände in der Rede, wobei die gesellschaftlich determinierte Rangordnung (decorum) über die Angemessenheit (aptum) entscheidet. In Anlehnung an das rhetorische Modell wurden auch in der Kunsttheorie ab dem 15. Jahrzur »popular art« unter dem Titel ›The Wow Climax‹ die Rolle der Emotionalisierung des Publikums besonders betont: »Most popular culture is shaped by a logic of emotional intensification. [...] popular culture, at its best, makes us think by making us feel.« Er verallgemeinert gar: »The techniques deployed differ from medium to medium, but the [...] action or horror film director, and the game designer are all trying to use every device their medium offers in order to maximize the emotional response of their audience. Insofar as these popular artists and performers think about their craft, they are also thinking about how to achieve an emotional impact.« Die »›wowness‹ of popular art« sowie »intense emotional experience« zu analysieren, stelle jedoch besondere Herausforderungen, »because this aesthetic is so focused on the audience’s response, we can never understand it purely in formalist terms« oder »from a stance of contemplative distance«. Vgl. H. Jenkins: Introduction – Wow! In: Ders: The Wow Climax. New York u.a. 2007. S. 3, 9f. Jenkins kulturanalytischer Ansatz interessiert sich allerdings ebenfalls kaum für Produktionstheorie. Im deutschen Sprachraum scheint ›Poetik‹ so stark mit ›Dichtung‹ und idealistischer Ästhetik assoziiert zu werden, dass auch jüngere Arbeiten zur ›Filmrhetorik‹ diese eher meiden. Auf der anderen Seite weisen etwa Martin J. Medhurst und Thomas W. Benson schon 1984 darauf hin, dass es vor allem in der US-amerikanischen Tradition vielfach üblich sei, eine deutliche Demarkationslinie zwischen der Poetik und der Rhetorik zu ziehen, wobei allein die Poetik für die ›Kunst‹ zuständig sei. Die Autoren appellieren jedoch für die Wiederaufnahme breit angelegter Studien in den unterschiedlichsten Medien, die sowohl Rhetorik als auch Poetik zu ihrem Recht kommen ließen. »The realm of art was poetics, not rhetoric. That was why Aristotle wrote two seperate works—the Rhetoric and the Poetics—claim some scholars, because he conceived of art as something categorially seperate from oratory, as something different from communication with an audience.« Vgl. M.J. Medhurst, T.W. Benson: Rhetorical Studies in a Media Age. In: Dies. (Hg.): Rhetorical Dimensions in Media. Dubuque/IA 1991. S. IX-XXIII, hier XI, passim. Vgl. auch G. Joost: Bild-Sprache. Bielefeld 2008. S. 28. 74 Überblicksartig zu ›Pathos‹ und ›Affektenlehre‹ (dort weitere Verweise), jedoch ohne die im Folgenden dargestellte Dreiteilung, vgl. M. Kraus, K. Vollmann, J.A. Bär: Pathos. In: HWdR, Bd. 6. Sp. 689-717. J. Wisse et al.: Affektenlehre. In: HWdR, Bd. 1. Sp. 218-253. R. MeyerKalkus: Pathos. In: HWPh, Bd. VII. S. 193-199. R. Homann: Pathetisch, das Pathetische. In: HWPh, Bd. VII. Sp. 168-177. H. Grimm: Affekt. In: ÄGB, Bd. I. S. 16-49. D. Kliche: Passion/Leidenschaft. In: ÄGB, Bd. IV. S. 684-724. M. Gessmann: Pathos/pathetisch. In: ÄGB, Bd. IV. S. 724-739.

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hundert die Mittel der Affektübertragung in ›ethische‹ – sanfte Affekte hervorrufend, Glaubwürdigkeit vermittelnd – und ›pathetische‹ – heftige Affekte auslösend, Haltungen und Handlungen verändernd – unterteilt. Besonders mithilfe bildhafter, einprägsamer Vorstellungen sollten sich Vortragende zum passenden Zeitpunkt selbst affizieren. Die eigene leidenschaftliche Überwältigung wurde als Ausdruck der Überzeugung verstanden und bildete somit die notwendige Grundlage des pathetischen Einwirkens auf das Publikum. Wider die technische Herstellung der Leidenschaften setzte sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts das Konzept eines natürlichen, authentischen Ausdruckes von Gefühlen durch, der keiner Regeln mehr bedurfte und daher mit der Rhetorik nicht mehr zu Vereinbaren war.75 Zweitens: Auch in der aristotelischen Poetik, deren Rezeption in der Dichtungs- und Dramatheorie erst im 16. Jahrhundert einsetzte, spielen die starken, von physischen Reaktionen begleiteten Gemütsbewegungen eine zentrale Rolle, da die Tragödie dort definiert ist als »Nachahmung einer guten in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe [...], die Jammern (Eleos) und Schaudern (Phobos) hervorruft und hierdurch eine Reinigung (Katharsis) von derartigen Erregungszuständen (Pathos) bewirkt«. Als Quellen des Pathos nennt er »z.B. Todesfälle auf offener Bühne, heftige Schmerzen, Verwundungen und dergleichen mehr«. ARISTOTELES verweist auch auf die Techniken der Rhetorik, da diese u.a. »das Hervorrufen von Erregungszuständen, wie von Jammer oder Schaudern oder Zorn und dergleichen mehr« mit sprachlichen Mitteln beherrschen. Man hat in der Poetik des ARISTOTELES, die vor allem eine Theorie der Tragödie ist, vermittelt über das Konzept der Nachahmung, immer wieder eine allgemeine Theorie der (schönen) Künste erkennen wollen. Gleichzeitig wurde der Begriff ›Katharsis‹ sehr unterschiedlich interpretiert. Im Gegensatz zur rhetorischen Tradition konnte das Pathos hier jedoch als notwendige Bedingung einer therapeutischen, gar impfenden Reinigung und Regulierung von urmenschlichen Affekten durch deren Freisetzung gelesen werden, deren Nutzen bereits durch Lustgewinn und Vergnügen, Erregung und Abreaktion, Erleichterung und Erholung, unabhängig von den behandelten Inhalten, erfüllt ist. Das Pathos der Tragödie erscheint in diesem Sinne als »umfassende natürliche

75 Die klassischen Textstellen zur Affektenlehre sind: Arist. Rhet. II.2-11. Quint. Inst. VI.2.29f. Hor. Ars poet. V.101-103. Cic. De or. II.45.189f. Cic. Or. 69. M.H. Wörner: ›Pathos‹ als Überzeugungsmittel in der Rhetorik des Aristoteles. In: I. Craemer-Ruegenburg (Hg.): Pathos, Affekt, Gefühl. München 1981. K. Dockhorn: Die Rhetorik als Quelle des vorromantischen Irrationalismus in der Literatur- und Geistesgeschichte. In: Ders.: Macht und Wirkung der Rhetorik. Bad Homburg von der Höhe u.a. 1968. S. 49-68. Zum Wandel der Rhetoriktheorie im 17. und 18. Jahrhundert sowie kritisch zu Dockhorns anthropologischem Rhetorikbegriff vgl. D. Till: Transformationen der Rhetorik. Tübingen 2004. Speziell zum historischen Wandel der Wirkungsrichtung und der damit verbundenen Auflösung des rhetorischen Wissens vom Affekt vgl. R. Campe: Affekt und Ausdruck. Tübingen 1990. S. 137-163, passim. Zu ›Ethos‹ und ›Pathos‹ in der Kunsttheorie seit Leon Battista Alberti vgl. N. Michels: Bewegung zwischen Ethos und Pathos. Münster 1988. H. Mühlmann: Ästhetische Theorie der Renaissance. Bochum 2005. S. 165-174. J.R. Spencer: Ut Rhetorica Pictura. In: Journal of the Warburg Courtauld Institutes, No. 1/2, Vol. 20, 1957. S. 41-43. Zum frühneuzeitlichen Ideal der tränenreichen und ekstatischen Rührung sowie dessen schrittweisen Verschwinden vgl. J. Imorde: Affektübertragung. Berlin 2004.

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Lebenserscheinung, als elementare, natürlich-geistige Vitalpotenz« (SCHADEWALDT), die außerhalb ihrer selbst keinen Zwecken mehr verpflichtet ist.76 Drittens: Schließlich bestimmt PSEUDO-LONGIN die starke, begeisternde Leidenschaft (pathos) als eine von fünf Ursachen, die das Erhabene hervorbringen können, zählt es aber zugleich zu jenen, die nicht auf den ›Regeln der Kunst‹ gründen, sondern letztlich auf eine angeborene Begabung zurückzuführen sind. Pathetisches und Erhabenes seien nicht dasselbe, und träten nicht immer zusammen auf; PSEUDO-LONGIN distanziert sich sogar von ›niedrigen‹, nichterhabenen Formen des Pathos (Jammer, Schmerz und Schaudern) und betont dagegen, dass es auch nichtpathetische Formen des Erhabenen gebe. Als Elemente des Pathetischen befasst sich PSEUDO-LONGIN mit literarischen Motiven, der Nachahmung und Vergegenwärtigung (phantasia), betont aber zugleich, dass »echtes Pathos [...] wie durch Wahnsinn und göttlichen Hauch begeistert« hervorströme. Im Rahmen der LONGIN-Rezeption (in Italien bereits ab Mitte des 16. Jahrhunderts, nördlich der Alpen erst, dann aber durchschlagend im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert), ist das Erhabene sowohl in die rhetorische Stiltheorie integriert als auch zunehmend als außerhalb des rhetorischen Systems stehend gedeutet worden. In ihrer Auslegung als rationale Überwindung der Leidenschaften zeigte sie sich in besonderer Weise anschlussfähig für stoische und christliche Ideale der Affektüberwindung; auch die aristotelische Katharsis wurde in diesem Sinne häufig umgedeutet. Schließlich sollte diese Traditionslinie umschlagen in die Ablehnung ›falscher‹ Pathetik und eine Theorie des transzendentalen, ›unpathetisch Erhabenen‹ bei KANT, das sich gänzlich von den ›pathologischen‹ Affekten löst. Das Erhabene wandelte sich (beispielhaft für die Ästhetik) von einem passiv erlittenen Affekt, der vom Produzenten durch Begabung oder Kunst hergestellt wird (so noch bei LONGIN), zu einer genuinen, individuellen Leistung des Rezipienten.77 76 Arist. Poet. 6, 1449b.24-28; 11, 1452b.11-14; 19, 1456a.33-1456b.2. Zu Jammer und Schaudern sowie zur Katharsis bei Aristoteles vgl. M. Fuhrmann: Dichtungstheorie der Antike. Darmstadt 1992. S. 89-110. Zu Rezeptionsgeschichte der aristotelischen Poetik vgl. M. Fuhrmann: Einführung in die antike Dichtungstheorie. Darmstadt 1973. S. 185-308. (Der zweite Teil ›Die aristotelische Poetik in der Neuzeit‹ ist in der überarbeiteten Neuauflage von 1992 nicht mehr enthalten.) B. Kappl: Die Poetik des Aristoteles in der Dichtungstheorie des Cinquecento. Berlin 2006. Zur Rezeption dieses Pathos- und Katharsis-Konzepts vgl. W. Schadewaldt: Furcht und Mitleid? In: Ders.: Hellas und Hesperien. Zürich u.a. 1960. R. Dachselt: Pathos. Heidelberg 2003. S. 75-77, 130f. M. Luserke-Jaqui: Die Bändigung der wilden Seele. Stuttgart u.a. 1995. Ders. (Hg.): Die aristotelische Katharsis. Hildesheim u.a. 1991. U. Port: Pathosformeln. München 2005. Zur Wirkung der Poetik und der Katharsis in der Kunsttheorie vgl. S.H. Butcher: Aristotle’s Theory of Poetry and Fine Art. London 1911. S. 113f., 240-273. K. Borinski: Die Antike in Poetik und Kunsttheorie, 2 Bde. Leipzig 1914/1924. R.W. Lee: Ut Pictura Poesis. In: The Art Bulletin, Vol. XXII, New York/NY 1940. S. 196-269. W. Brassat: Tragik, versteckte Kompositionskunst und Katharsis im Werk von Peter Paul Rubens. In: U. Heinen, A. Thielemann (Hg.): Rubens Passioni. Göttingen 2001. U. Heinen: Zur bildrhetorischen Wirkungsästhetik im Barock. In: J. Knape (Hg.): Bildrhetorik. Baden-Baden 2007. S. 113-158. 77 Long. De subl. 8; 9,5-15 (diese Passage ist leider unvollständig überliefert). Pseudo-Longin nennt auch die technischen Mittel der Figuren, die Diktion und Satzfügung als Ursachen des Erhabenen. Zum Pathos bei Longin vgl. M. Fuhrmann: Dichtungstheorie der Antike. Darm-

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Da alle drei Traditionslinien – Überzeugung, Reinigung und Überwindung – dem antiken Kontext der Kunsttheorie entspringen und sich teilweise mit ähnlichen Fragestellungen befassen, weisen sie an diversen Stellen strukturelle Ähnlichkeiten auf, die in der Folge zu Rekombinationen und Annäherungen eingeladen haben. Nicht eine Linie wurde durch eine andere ersetzt, sondern in einem komplexen Prozess der Theoriebildung entstanden neue Mischformen und Interpretationen. Genauso sind jedoch Unterschiede herangezogen worden, um die einzelnen Standpunkte deutlich voneinander abzugrenzen oder gegeneinander auszuspielen. Es sei hier auf den vor allem für die USA so einflussreichen ›Missing Link‹ der rhetorischen und poetischen Tradition78, HUGH BLAIR, hingewiesen, bei dem alle drei Pathosverständnisse noch – in mehr oder weniger abgewandelter Form – aktiv sind. BLAIRS Lectures on Rhetoric and Belles Lettres (1783) sind zunächst der Rhetorik gewidmet. Erst nachdem er sich ausführlich mit den Grundlagen der Sprache, Grammatik und des Stiles befasst hat, definiert er das Aufgabenfeld der ›Eloquence‹: An erster, niederster Stelle stehe die Unterhaltung; an zweiter, darüberstehender Stelle die Belehrung. »[T]here is a third, and still higher degree of Eloquence, wherein a greater power is exerted over the human mind; by which we are not only convinced, but are interested, agitated, and carried along with the speaker; our passions are made to rise together with his; we enter into all his emotions; we love, we detest, we resent, according as he inspires us; and are prompted to resolve, or to act, with vigour and warmth.«

BLAIR unterscheidet in diesem Sinne die von sachlogischen Argumenten getragene ›Conviction‹ von der emotionalen ›Persuasion‹, bei der die Erregung der Leidenschaften von Redner/in und Publikum hinzutritt. Wahre, höchste Eloquenz verlange stets nach ›Per-

stadt 1992. S. 168-170, 172-178. Zu Rezeption von Longin in der italienischen Kunsttheorie des 16. Jahrhunderts, vgl. K. Ley: Das Erhabene als Element frühmoderner Bewußtseinsbildung. In: H.F. Plett (Hg.): Renaissance-Poetik = Renaissance poetics. Berlin 1994. S. 241259. Zur Opposition und gegenseitigen Beeinflussung der Erhabenheitsbegriffe in rhetorischer Stiltheorie und longinischer Poetiktheorie seit Boileau vgl. D. Till: Das doppelte Erhabene. Tübingen 2006. Auch C. Zelle: Die doppelte Ästhetik der Moderne. Stuttgart u.a. 1995. Zum Motiv der stoischen Affektüberwindung in der frühneuzeitlichen Malerei vgl. U. Heinen: Argument – Kunst – Affekt. In: H. Neuhaus (Hg.): Die Frühe Neuzeit als Epoche. München 2009. S. 165-234. Ders.: Zur bildrhetorischen Wirkungsästhetik im Barock. In: J. Knape (Hg.): Bildrhetorik. Baden-Baden 2007. S. 113-158. Zur Emanzipation des Erhabenen im 18. Jahrhundert im Rahmen der Wirkungs- und Rezeptionsästhetik (die zugleich mit der Produktionsästhetik bricht) vgl. F. Büttner: Der Betrachter im Schein des Bildes. In: H. Beck, P.C. Bol, M. Bückling (Hg.): Mehr Licht. Frankfurt a.M. u.a. 1999. S. 341-349. H. von Trotha: Angenehme Empfindungen. München 1999. Zum »unpathetisch Erhabenen« bei Kant, vgl. R. Dachselt: Pathos. Heidelberg 2003. S. 167-185; Dachselts ansonsten aufschlussreiche Gesamtdarstellung verzichtet leider darauf, Pathos-Konzepte zu differenzieren. Zum amerikanischen Verständnis des Erhabenen und ›The Consumer’s Sublime‹ vgl. D.E. Nye: American Technological Sublime. Cambridge/MA u.a. 1994. S. 1-44, 281-296. 78 Vgl. Kap. A.II.3 Homologie.

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suasion‹, also dem letztlich nicht erlernbaren, natürlich-enthusiastischen Ausdruck, der sich an den Willen richte. Im Gegenteil: »Almost every man, in passion, is eloquent. Then, he is at no loss for words and arguments. He transmits to others, by a sort of contagious sympathy, the warm sentiments which he feels; his looks and gestures are all persuasive; and Nature here shows herself infinitely more powerful than art. This is the foundation of that just and noted rule: ›Si vis me flere, dolendum est primum ipsi tibi.‹«79

Nachdem sich BLAIR mit der Rhetorik befasst hat, widmet er die letzten zehn seiner insgesamt 57 Vorlesungen der Dichtkunst. Gleich zu Beginn legt er eine Definition vor, welche ebenfalls die emotionale Beeinflussung des Publikums betont: »[Poetry] is the language of passion, or of enlived imagination, formed, most commonly, into regular numbers. [...] [T]he primary aim of a Poet is to please, and to move; and, therefore, it is to the Imagination, and the Passions, that he speaks. He may, and he ought to have it in his view, to instruct, and to reform; but it is indirectly, and by pleasing and moving, that he accomplishes this end.«80

Diese Definition der Dichtkunst nutzt BLAIR, um ihren Ursprung in den Mittelpunkt ›primitiver Gemeinschaften‹ zu verlagern. Nicht mehr die zivilisatorisch ausgefeilte Anwendung explizit formulierter Regelsysteme markiere das Auftreten der Dichtkunst, sondern der von den Emotionen getriebene, alle Formen des Ausdruckes vereinende Gesang ideeller Urvölker.81 Dennoch kann man BLAIR schwerlich zu jenen Vertretern zählen, welche den lyrischen Ausdruck als Leitgattung der Poesie begreifen und den Ausdruck von Authentizität und Subjektivität als ihre zentrale Aufgabe verstehen.82 Im Gegenteil: Er beginnt seine Darstellung mit den beiden in seinen Augen niederen Formen der Poetik, pastorale Poesie und Lyrik, um von dort fortzuschreiten und schließlich mit den beiden würdevollsten, Epik und Dramatik, zu enden.83

79 Vgl. H. Blair: Lectures on Rhetoric and Belles Lettres (1783). Carbondale/IL u.a. 2005. S. 264-267, hier 266. 80 Vgl. ebd., S. 425. 81 Blair verweist etwa auf den Kontakt mit den amerikanischen Ureinwohnern. »It is chiefly in America, that we have had the opportunity of being made acquainted with men in their savage state. [...] Here then we see the first beginnings of Poetic Composition, in those rude effusions, which the enthusiasm of fancy or passion suggested to untaught men [...]. Two particulars would early distinguish this language of song, from that in which they conversed on the common occurences of life; namely, an unusual arrangement of words, and the employment of bold figures of speech.« Vgl. ebd., S. 426-431, hier 426f. 82 So etwa bei M.H. Abrams im Rahmen der Entwicklung der Ausdruckstheorie in Kunst und Dichtung, vgl. Ders.: Spiegel und Lampe. München 1978. S. 94-129, insbesondere 111. 83 Vgl. H. Blair: Lectures on Rhetoric and Belles Lettres (1783). Carbondale/IL u.a. 2005. S. 438.

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»Tragedy, considered as an exhibition of the characters and behaviour of men, in some of the most trying and critical situations of life, is a noble idea of poetry. [...] Hence, no kind of writing is so great a trial of the Author’s profound knowledge of the human heart. No kind of writing has so much power, when happily executed, to raise the strongest emotions. It is, or ought to be, a mirror in which we behold ourselves, and the evils to which we are exposed; a faithful copy of the human passions, with all their direful effects, when they are suffered to become extravagant.«84

Darüber hinaus lehnt BLAIR jedoch nicht nur das aristotelische Konzept der Katharsis als »obskur« ab, um eine eigene Definition der Tragödie vorzulegen,85 sondern auch die strenge Aufteilung des Dramas in fünf Akte, wobei er das klassische Modell dennoch darstellt.86 Allem voran geht bei BLAIR jedoch die Darstellung des Erhabenen. Bereits das dritte Kapitel seiner Schrift befasst sich abschließend mit der »sublimity of external objects«, die er vor allem solchen Naturphänomenen zuschreibt, in denen große Macht und Stärke zum Ausdruck kommt.87 Für das »Sublime in Writing« wendet er sich explizit gegen die letzten drei der bei LONGIN aufgeführten Ursachen des Erhabenen, deren Ursprung die rhetorische Systemrhetorik sei und die bloß »good Writing« hervorbringen; dagegen betont er die Wichtigkeit der beiden ersten: »Boldness and Grandeur in the Thoughts« sowie »in some instances, the Pathetic or strong exertions of Passion«. Tatsächlich jedoch wendet er sich dem Pathos als Quelle des Erhabenen nicht noch einmal zu, sondern nennt als Kriterien der Beschreibung allein »strength«, »conciseness« und »simplicity«. Stattdessen wird bei BLAIR die Erhabenheitserfahrung selbst zu einer Emotion, die vor 84 Ebd., S. 515. 85 »The account which Aristotle gives of the design of Tragedy, is, that it is intended to purge our passions by means of pity and terror. This is somewhat obscure. [...] the intention of Tragedy may, I think, be more shortly and clearly defined, To improve our virtuous sensibility. If an Author interests us in behalf of virtue, forms us to compassion for the distressed, inspires us with proper sentiments, on beholding the vicissitudes of life, and, by means of the concern which he raises for the misfortunes of others, leads us to guard against errors in our own conduct, he accomplishes all the moral purposes of Tragedy.« Ebd., S. 516. 86 »The division of every Play, into five acts, has no other foundation than common practice, and the authority of Horace [...]. It is a division purely arbitrary. There is nothing in the nature of the Composition which fixes this number rather than any other; and it had been much better if no such number had been ascertained, but every Play had been allowed to divide itself into as many parts, or intervals, as the subject naturally pointed out.« Vgl. ebd., S. 521-523, hier 521. 87 »In general we may observe, that great power and strength exerted, always raise sublime ideas [...]. Hence the grandeur of earthquakes and burning mountains; of great conflagrations; of the stormy ocean, and overflowing waters; of tempests of wind; of thunder and lightning; and of all the uncomon violence of the elements. Nothing is more sublime than mighty power and strength. A stream that runs within its banks, is a beautiful obejct, but when it rushes down with the impetousity and noise of a torrent, it presently becomes a sublime one.« Anders als Edmund Burke reduziert Blair das Erhabene nicht auf Phänomene, die mit »terror« einhergehen. »In many grand objects, there is no coincidence with terror at all, as in the magnificent prospect of wide extended plains, and of the starry firmament; or in the moral dispositions and sentiments, which we view with high admiration.« Vgl. ebd., S. 26f., 30.

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allem in der dichterischen Natur liegt, der die antiken Dichter/innen daher näherstanden und bei der jedes Ornament nur störend wirkt: »This depends, principally, upon the lively impression which the poet, or orator, has of the object which he exhibits; and upon his being deeply affected, and warmed, by the Sublime idea which he would convey. If his own feeling be languid, he can never inspire us with any strong emotion. [...] The emotion occasioned in the mind by some great or noble object, raises it considerably above its ordinary pitch. A sort of enthusiasm is produced, extremely agreeable while it lasts; but from which the mind is tending every moment to fall down to its ordinary situation.«88

Doch obwohl BLAIR – und hier liegt sein innerer Widerspruch – als Anhänger primitivistischer Affektpoesie bezweifelt, dass die Regeln, die bei den antiken Autoren zu finden sind, tatsächlich Wirkung zeigen, gibt er sie ausführlich wieder, unter ihnen die klassischen Regeln der Vergegenwärtigung und Selbstaffizierung.89 Besonders das Ziel der Emotionalisierung scheint sich nachhaltig in der US-amerikanischen Kultur niedergeschlagen zu haben, während BLAIRS Schrift gleichzeitig als Aufruf zu einem einfachen und auf Korrektheit gerichteten Stil gelesen werden kann.90 Auch ohne systematisierte Kunstlehre der Affekte konnten die an der Rührung des Publikums interessierten Künste beim Zitieren und Montieren auf ein Sammelsurium von ›Pathosformeln‹ zurückgreifen.91 88 Vgl. ebd., S. 32-44, hier 33, 36. 89 Vgl. ebd., S. 360-367, hier 361. Zu diesem Widerspruch auch D. Till: Das doppelte Erhabene. Tübingen 2006. S. 338-346. 90 Bei diesen Andeutungen muss es hier leider bleiben. Eine Darstellung des kulturellen Wissens von den Affekten und ihrer Erzeugung für den angloamerikanischen Sprachraum des 19. und 20. Jahrhunderts ist Desiderat. Beispielhaft für die Poetik im deutschen Sprachraum um 1900 vgl. S. Winko: Kodierte Gefühle. Berlin 2003. Winko verweist zur Erklärung der Emotionalisierungsdebatte in der Lyrik um 1900 auf die Konkurrenz durch ›neue‹ Medien wie Populärliteratur und Film, die den Gedichten den Anspruch darauf, Emotionen angemessen zu vermitteln, streitig machten. Vgl. ebd., S. 283f. 91 Es spricht einiges dafür, dass das ›rhetorische‹ Wissen von der Selbstaffizierung und der Rührung des Publikums nach dem Bruch mit der Systemrhetorik vor allem in den Theater- und Schauspieltheorien konserviert wurde, wo es zwar auch kontrovers diskutiert und weiterentwickelt wurde, aber stets in Anwendung blieb. Dort fand es schließlich seinen Weg in die US-amerikanischen Theater, also an den Broadway und nach Hollywood. Dazu D. Till: Rhetorik und Schauspieltheorie. In: R.v. Mallinckrodt (Hg.): Bewegtes Leben. Wolfenbüttel 2008. S. 61-84, 270-283. J.W. Cleary: John Bulwer. In: Quarterly Journal of Speech, Vol. 45, 1959. S. 391-398. J. Roselt: Seelen mit Methode – Einführung. In: Ders. (Hg.): Seelen mit Methode. Berlin 2005. S. 8-71, insbesondere 17f., 40-48, passim. U. Port: Pathosformeln. München 2005. H. Kappelhoff: Matrix der Gefühle. Berlin 2004. Zu den frühen Vortragstheorien und ihrer Rolle in der Malerei der Frühen Neuzeit, vgl. C. Göttler: »Actio« in Peter Paul Rubens’ Hochaltarbildern für die Jesuitenkirche in Antwerpen. In: J. Imorde et al. (Hg.): Barocke Inszenierung. Emsdetten u.a. 1999. S. 10-31, insb. 13-16, 21-25. Zur Begründung der Schauspieltheorie im 18. Jahrhundert, siehe D. Barnett: The art of gesture. Heidelberg 1987. W.F. Bender (Hg.): Schauspielkunst im 18. Jahrhundert. Stuttgart 1992. A. Košenina: Anthropologie und Schauspielkunst. Tübingen 1995. Darüber hinaus nur der Verweis auf Über-

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Die hier vertretene These lautet: Es ist gar nicht notwendig, abstrahierte und ahistorische Konzepte eines poetischen oder rhetorischen Pathos auf den Film anzuwenden. Denn es existiert bereits ein Pathos des Filmes, das zumindest teilweise auf kunsttheoretische Traditionen rekurriert. In jüngerer Zeit hat man mehrfach darauf hingewiesen, dass sich vor allem die aristotelische Poetik in Hollywood weiterhin großer Beliebtheit erfreut, allen voran unter den disziplinär eher schlecht angebundenen Drehbuchautorinnen und -autoren.92 Insbesondere das definierende Element der Katharsis, das noch für ARISTOTELES die Legitimierung für den Einsatz heftiger Gefühlsregungen darstellt und die gesamte Schrift in seiner Anlage bestimmt, wird dabei jedoch gerne vernachlässigt.93 blicksliteratur: C. Balme, K. Lazarowicz (Hg.): Texte zur Theorie des Theaters. Stuttgart 1991. M. Brauneck: Die Welt als Bühne, 2. Bde. Stuttgart 1996. E. Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2. Tübingen 1983. 92 Vgl. etwa K. Bildhauer: Drehbuch reloaded. Konstanz 2007. S. 21, 37-44. Emotionalität bzw. Empathie wird dort ohne deutliche Differenzierung sowohl als Ziel als auch Notwendigkeit der Bindung von Aufmerksamkeit beschrieben. Vgl. ebd., S. 54-56. Auch das Lexikon der Filmbegriffe der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bezieht sich im Eintrag ›Pathos‹ allein auf den Begriff ›aristotelische Dramentheorie‹, um Lessing, Schiller und die Kritik an der »Monumentalästhetik des Nationalsozialismus« anzuschließen: »Das Pathetische, das Szenarien des Films an bestimmte Sinn-, Affekt- und Wertehorizonte anknüpft und dadurch über den Sinnhorizont der Geschichte erhebt, findet sich aber bis heute insbesondere in trivialen und populären Filmen«. J. zu Hüningen: Pathos. In: H.J. Wulff (Hg.): Das Lexikon der Filmbegriffe. Universität Kiel o.J. (Online) 93 Vergleichbare Überlegungen finden sich nur vereinzelt wie etwa bei Alfred Hitchcock während einer Hollywood-Pressekonferenz im Jahr 1947: »I aim to provide the public with beneficial shocks. Civilization has become so protective that we’re no longer able to get our goose bumps instinctively. The only way to remove the numbness and revive our moral equilibrium is to use artificial means to bring about the shock. The best way to achieve that, it seems to me, is through a movie.« F. Truffaut: Hitchcock. New York/NY 1967. S. 149 (Anm.). Überhaupt erscheint Hitchcock wie ein früher Vertreter des emotionszentrierten Unterhaltungskinos. So erinnert sich Drehbuchautor Ernest Lehman in seinen Kommentaren zur Zusammenarbeit mit Hitchcock bei North by Northwest (1959), als dieser ihm sagte: »The audience is like a giant organ that you and I are playing. At one moment we play this note on them and get this reaction, and then we play that chord and they react that way. And someday we won’t even have to make a movie – there’ll be electrodes implanted in their brains, and we’ll just press different buttons and they’ll go ›ooooh‹ and ›aaaah‹ and we’ll frighten them, and make them laugh. Won’t that be wonderful?« Der unsichtbare Dritte. [Blu-ray]. Hamburg 2009. Hitchcock greift diese Formulierung im Interview mit François Truffaut ein weiteres Mal auf, wenn er über das Publikum von Psycho (1960) sagt: »You might say I was playing them, like an organ.« F. Truffaut: Hitchcock. New York/NY 1967. S. 207. »My main satisfaction is that the film had an effect on the audience, and I consider that very important. I don’t care about the subject matter; I don’t care about the acting; but I do care about the pieces of film and the photography and the sound track and all of the technical ingredients that made the audience scream. I feel it’s tremendously satisfying for us to be able to use the cinematic art to achieve something of a mass emotion. [...] They were aroused by pure film. [...] Psycho, more than any of my other pictures, is a film that belongs to film-makers [...]. It’s an area of film-making in

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JENNINE LANOUETTE hat in ihrem Artikel über den Ge- und Missbrauch der aristotelischen Poetik in Hollywood aufgezeigt, dass die Verfasser moderner Drehbuch-Anleitungsliteratur zwar gerne auf die Autorität des ARISTOTELES verweisen, zugleich jedoch dessen Theorie aus Unvermögen oder um den eigenen Standpunkt zu stärken häufig missverstehen, umdeuten oder um nicht vorhandene Passagen ergänzen. Darin werde – bei aller Berechtigung der Annahme, man könne von ARISTOTELES lernen – vor allem die Unsicherheit einer jungen ungeliebten Disziplin deutlich sowie der Versuch, ihr Ansehen auf eine langwährende Tradition zu gründen: »In nearly all cases, references to Aristotle have a self-conscious quality, as if he is being displayed to legitimize the speaker’s authority.«94 Solche Bezüge oder Parallelen finden sich etwa bei SYD FIELD95, which it’s more important for you to be pleased with the technique than with the content. It’s the kind of picture in which the camera takes over. Of course, since critics are more concerned with the scenario, it won’t necessarily get you the best notices, but you have to design your film just as Shakespeare did his plays – for an audience.« Ebd., S. 211, 214. Jordan Mechner notiert am 19. Februar 1984: »Been reading Hitchcock/Truffaut. It’s inspiring.« J. Mechner: The Making of Karateka. Los Angeles/CA 2012. S. 145. 94 Vgl. J. Lanouette: The Uses and Abuses of Aristotle’s Poetics in Screenwriting How-to Books. In: Screentakes, 24.12.2012. (Online) Lanouette führt die Bezugnahme auf Aristoteles bis auf die Bücher des Theaterautors und Dozenten Lajos N. Egri (1888-1967) zurück: The Art of Dramatic Writing (1946, erstmals 1942 unter dem Titel How to Write a Play) sowie The Art of Creative Writing (1965). Der wohl verbreitetste Irrtum ist die Rückführung der Drei-AktStruktur auf Aristoteles, bei dem nur ein zweiteiliges Schema zu finden ist. Vgl. M. Fuhrmann: Dichtungsthorie der Antike. Darmstadt 1992. S. 36-38. Diese Annahme findet sich z.B. auch bei Kristin Thompson wieder, die sich kritisch mit der entsprechenden Anleitungsliteratur auseinandersetzt. Dabei sind jedoch ihre methodologischen Ungenauigkeiten schwer verständlich, wenn sie etwa Strukturaussagen zu Drehbüchern eins zu eins auf ihren eigentlichen Untersuchungsgegenstand, nämlich Filme, überträgt. Thompsons – so jedoch nicht formulierte – Feststellung ist, dass das in der Anleitungsliteratur für Drehbücher weithin anerkannte dramaturgische Hilfsmittel der Drei-Akt-Struktur nicht zwingend Aussagen über die erzählerische Struktur des gedrehten und geschnittenen Filmes zulässt. Thompson identifiziert in den von ihr untersuchten Filmen eine Vier-Akt-Struktur, die sich jedoch auf der Grundlage der schmalen empirischen Basis von zehn Beispielen (1982-1993, keiner von ihnen zählt zu den sog. Movie Brats) kaum für das Kino des New Hollywood verallgemeinern lässt. Vgl. K. Thompson: Storytelling in the New Hollywood. Cambridge/MA u.a. 1999. S. 21, passim. 95 Field zitiert die Poetik des Aristoteles erst mehr oder weniger akkurat in dem 1984 erschienenen ›Workbook‹, und dort nur kurz. Vgl. S. Field: The Screenwriter’s Workbook. New York/NY 1984. S. 55, 151. Und auch Emotionen im Sinne einer intendierten Wirkung spielen bei Field praktisch keine Rolle, da das von ihm herausgearbeitete Drei-Akt-Paradigma einzig Aussagen über die ›natürliche‹ und ›gut konstruierte‹ Form eines Drehbuches, seine wesentlichen Elemente und deren Anordnung formuliert, nicht jedoch über dessen Inhalt. Der fehlende Anleitungscharakter mag auch Fields Ansichten zur Vermittelbarkeit des Schreibhandwerkes geschuldet sein, wenn er unumwunden zugibt: »I can’t teach anybody how to do anything [...]. The Screenwriter’s Workbook is not a how-to book; it is a what-to book.« Ebd., S. 1. Auch im Rahmen seines Screenplay-Buches erwähnt Field »emotional action« allein in Bezug auf die Charaktere im Verlauf der Geschichte, nicht in Bezug auf das Publikum. Vgl. S. Field: Screenplay. New York/NY 1982. S. 19, 55. Jordan Mechner notiert am 10. April

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WELLS ROOT96, MICHAEL HAUGE97 und insbesondere ROBERT MCKEE98. Bei den meisten von ihnen steht das Ziel, das Publikum emotional zu erreichen, zum Lachen und 1984, am Tag nach der Verleihung der 56. Academy Awards: »Bought Syd Field’s Screenplay [...]. Ben and I analyzed WarGames, Eye of the Needle, and The Third Man and agreed on their division into three acts according to the Syd Field paradigm.« J. Mechner: The Making of Karateka. Los Angeles/CA 2012. S. 155. Fields Ansatz ist vergleichbar mit Joseph Campbells komparativen Studien zur Struktur des ›Monomythos‹, wie er sie erstmals in The Hero with a Thousand Faces (1949) dargelegt hat. Campbell grenzt den positiven ›Monomythos‹ jedoch deutlich von der aristotelischen Tragödie ab, der es um negative Emotionen (»pity«, »terror«) und Katharsis gehe. Vgl. J. Campbell: The hero with a thousand faces. Novato/CA 2008. S. 19f. Jordan Mechner notiert am 12. September 1983: »An Interview [...] – ›Anyone who wants to understand Star Wars should read The Hero With A Thousand Faces‹ – prompted me to buy the book. It’s hard reading; the guy [Joseph Campbell] is so erudite, his prose so ornate, his footnotes frequent and long. But it’s amazing stuff. I like it, I like it.« J. Mechner: The Making of Karateka. Los Angeles/CA 2012. S. 116. 96 Root bezieht sich nicht explizit auf die Poetik des Aristoteles, erwähnt aber »techniques devised by the ancient Greeks« und verweist auch auf die antiken Dramen sowie die Prinzipien des Konfliktes, die bereits in diesen angelegt seien: »Those were written over two thousand years ago. Basic playwriting doesn’t change very much.« W. Root: Writing the Script. New York/ NY 1979. S. X, 44. Man mag in den »two deep foundation stones, Emotion and Characterization« die aristotelischen Kategorien des Pathos und Ethos wiedererkennen, Ersteres, um mit Suspense bzw. Spannung und Schock das Publikum zu fesseln (ebd., S. 45-63, insbesondere 56f., auch 184f.), Letzteres, um durch Empathie die Identifikation mit den Figuren herzustellen (ebd., S. 14-31, insbesondere 25f.). Root steht allerdings am ehesten in der rhetorischen Tradition, wenn er, auch in Anschluss an Egri, dazu anhält, in Drehbüchern ein inhaltliches »statement« abzugeben: »In brief, the writer has a point to make. But we’ve already agreed that you can’t preach a sermon. People hate sermon plays, and they just won’t buy tickets. Therefore, you strive for a combined effect. Audiences watch films with their glands. If you can get them worked up emotionally, they’ll not only absorb your statement, they’ll bug their friends to run down and catch the film. On the contrary, if your scenes have no emotional charge, they’ll get bored. And stop listening. By next week all their friends will have been warned not to buy tickets. And you’ll be preaching to an empty church. [...] In brief, you must arouse the emotions of people, old and young, to induce them to think.« Ebd., S. 64-75, hier 74. Folglich sei es ihm selbst am leichtesten gefallen, über ein Thema zu schreiben, zu dem er Stellung beziehen kann: »I felt deeply about it. [...] I had an emotion I could transmit to an audience.« Ebd., S. 71. Jordan Mechner notiert am 16. Dezember 1983: »Been reading Wells Root’s Writing the Script.« J. Mechner: The Making of Karateka. Los Angeles/CA 2012. S. 145. 97 Hauge bezieht sich nicht explizit auf die Poetik des Aristoteles, nennt sie aber, neben den Büchern von Egri, Field und Root usw. in seiner Bibliografie. M. Hauge: Writing Screenplays that sell. New York/NY u.a. 1988. S. 299f. Gleich zu Anfang seines Buches legt er als ›Goal of the Screenwriter‹ unmissverständlich fest: »The reason that movies hold such a fascination for us, the reason the art form has been engrossing and involving audiences for close to a century, is because it provides an opportunity to experience emotion. [...] In watching a movie or television show, we can experience the love, the hate, the fear, the passion, the excitement, or the humor that elevates our lives, but in a safe, controlled setting. All filmmakers, therefore, have a single goal: to elicit emotion in an audience. [...] On the most basic level, when the movie creates

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Weinen zu bringen, im Mittelpunkt, wobei sie durchaus thematisieren, dass das Publikum zunächst einmal die Lesenden des Drehbuches sind. Darüber hinaus hat sich auch der Anspruch erhalten, der Welt etwas mitzuteilen, Menschen zum Denken anzuregen und fundamentale Einsichten zu vermitteln.

that emotion in an audience, it is successful; when it doesn’t, it fails.« Ebd., S. 3. Folglich zieht sich das Thema der Emotionalisierung durch das gesamte Buch, geht jedoch nicht wesentlich über die bekannten Techniken der Identifikation mit den Charakteren und des dramatischen Aufbaues der Handlung hinaus. Erst im abschließenden, zweiseitigen Kapitel ›The Power of Screenwriting‹ nennt auch Hauge die Möglichkeit, die Zuschauer mit »important ideas« zu erreichen: »If you can see the effectiveness of getting people excited, frightened, laughing, and crying and then can use that ability to really get them thinking, then you have tapped into the immense power you can wield as an artist, a screenwriter, and a filmmaker. That is what I call reaching people through the heart.« Ebd., S. 266f. 98 McKee verweist nicht nur wiederholt auf die Poetik, sondern auch auf die Ethik des Aristoteles und führt ihn immer wieder als Gewährsmann an: »There’s been no conspiracy to keep secret the truths of our art. In the twenty-three centuries since Aristotle wrote The Poetics, the ›secrets‹ of story have been as public as the library down the street.« R. McKee: Story. New York/NY 1997. S. 5, vgl. auch 11, 13, 79, 100, 109f., 186, 217f., 311, 338, 357, 376, 389. McKee verweist zudem auf William Archer, Kenneth Thorpe Rowe und John Howard Lawson als Lehrer der Schriftsteller/innen für Theater und Film in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, konstatiert allerdings eine mangelnde Ausbildung in der »Art of Story« vor allem in Europa: »Screenwriters abroad have had even less opportunity to study their craft. European academics generally deny that writing can, in any sense, be taught, and as a result, courses in Creative Writing have never been included in the curriculum of Continental universities.« (S. 16f.) Und auch für McKee steht der Wille der Filmschaffenden, das Publikum zu rühren, im Vordergrund: »When talented people write well, it is generally for this reason: They’re moved by a desire to touch the audience. [...] As if by magic, masks fall away, faces become vulnerable, receptive. Filmgoers do not defend their emotions, rather they open to the storyteller in ways even their lovers never know, welcoming laughter, tears, terror, rage, compassion, passion, love, hate-the ritual often exhausts them. No film can be made to work without an understanding of the reactions and anticipations of the audience. You must shape your story in a way that both expresses your vision and satisfies the audience’s desires. The audience is a force as determining of story design as any other element. For without it, the creative act is pointless.« (S. 7f.) Schließlich misst McKee den Erzählungen zentrale Bedeutung zu, da sie die primäre Quelle der Menschheit für Inspiration geworden seien: »Our appetite for story is a reflection of the profound human need to grasp the patterns of living, not merely as an intellectual exercise, but within a very personal, emotional experience.« (S. 12) McKee warnt allerdings explizit vor auf Überzeugung ausgelegtem »Didacticism«. (S. 120-122) Als Technik zur Herstellung dieser Emotionalität empfiehlt McKee »Writing from the Inside out« sich selbst (unter Verweis auf Stanislawski) sowie Schauspieler/innen, sich in die Szene hineinzuversetzen: »When a scene is emotionally meaningful to us, we can trust that it’ll be meaningful to the audience. By creating work that moves us, we move them.« Ebd., S. 152-154, hier 154. Jordan Mechner notiert am 14. März 1991: »Tomorrow, McKee’s screenwriting class begins« und am Tag darauf, »McKee’s course is good, really good.« Vgl. J. Mechner: The Making of Prince of Persia. Los Angeles/CA 2011. S. 233f., auch 232.

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Vor allem die Movie Brats eigneten sich eine Technik der Zitation und Variation affektstarker Motive an, die sich vor allem aus dem Repertoire ihrer intensiven Filmstudien speiste und sich dabei wirksamer Vorbilder wie die Filme LENI RIEFENSTAHLS, AKIRA KUROSAWAS oder ALFRED HITCHCOCKS bediente. Darüber hinaus spielte vor allem der Animations- bzw. der Zeichentrickfilm in der Tradition der Disney Studios eine besondere Rolle, da dort vollständig künstlich erschaffene Welten erzeugt und doch Geschichten erzählt und Emotionen geweckt wurden.99 In den Anfangszeilen des Vorwortes in dem 1981 erschienenen Buch Disney Animation: The Illusion of Life von FRANK THOMAS und OLLIE JOHNSTON heißt es denn auch über die »art form« der »character animation«: »Disney animation makes audiences really believe in those characters [such as Mickey Mouse and Donald Duck], whose adventures and misfortunes make people laugh – and even cry.« Die Autoren hatten ursprünglich vorgehabt, ein reines Lehrbuch der Animation zu verfassen, weniger zur Nachahmung als vielmehr zur Inspiration, wobei sie gleichzeitig die Hoffnung dämpfen, man könne das Handwerk (die »secrets of Disney animation«) durch das Lesen von Büchern und über Nacht erlernen. Stattdessen haben sie erkannt, dass es notwendig sei, die Entwicklung dieser »special kind of animation« aufzuzeichnen, deren Erkenntnisse nicht nur an ältere Traditionen anschließen, sondern auf andere Kommunikationssituationen übertragbar seien: »yet much of what was learned had been valid in the theater for several hundred years and continues to be valuable wherever there is communication with an audience. We felt that this wealth of knowledge in animation should be preserved.«100 Gleich das erste Kapitel, ›An Art Form Is Born‹, verortet die Animation in der Geschichte visueller Künste und deren Bestreben, die Illusion von Lebendigkeit zu schaffen. Animationskünstler/innen seien in der Lage, Figuren akribisch in Bewegungen und Handlungen einzufangen, ihre Emotionen, Gefühle und selbst die innersten Ängste zu zeigen, den Träumen der Fantasten Realität einzuhauchen und Charaktere »on the screen« zu erschaffen, die nicht bloß wirkten, als seien sie lebendig, sondern auch, als ob sie denken und selbstständig Entscheidungen treffen könnten. »Most of all, to everyone’s surprise, this new art of animation had the power to make the audience feel the emo-

99 »But that does not mean that this generation of filmmakers imitates, quotes directly, or reproduces old films. Even where a director deliberately adopts a historical style [...] he is playing with the grammar and style of film as a Joyce played with language, or a Pound with literary sources, or an Eliot with elaborate systems of reference through different cultures. When directors steal sequences, they do so by using film clips and acknowledging them; the quotations often appear on TV sets within the film, or as clearly sign-posted prologues. The fashionable critical game of ascribing certain parts of a film [...] to direct imitation of an earlier masterpiece [...] misses the point. [...] [A]ny links are subtler than they might appear. During film school, sometimes during their adolescence, and certainly in adulthood, these directors were steeped in film and film culture. Influences are often unconscious, using the devices that are half-remembered and half-ascribed. The films are the product of true, loving students of film.« Vgl. M. Pye, L. Myles: The Movie Brats. New York/NY 1979. S. 57, 58f., hier 59. Zu Steven Spielberg vgl. D. Brode: The Films of Steven Spielberg. New York/NY 1995. S. 13, 15-21. 100 Vgl. F. Thomas, O. Johnston: Disney Animation. New York/NY 1981. S. 9.

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tions of a cartoon figure.«101 Erst diese Eigenschaft verleihe der Animation ihren Status als Kunstform. Denn die Autoren formulieren in aller Deutlichkeit: »Conveying a certain feeling is the essence of communication in any art form. The response of the viewer is an emotional one, because art speaks to the heart. This gives animation an almost magical ability to reach inside any audience and communicate with all peoples everywhere, regardless of language barriers. It is one of animation’s greatest strengths and certainly one of the most important aspects of this art for the young animator to study and master. As artists, we now have new responsibilites in addition to those of draftsman and designer: we have added the disciplines of the actor and the theater.«102

THOMAS und JOHNSTON verweisen auf die nonverbale Kommunikation als Handwerkszeug der Animation, den Ausdruck von Gefühlen oder auch Symbolsprachen durch Mimik und Gestik, wie sie bereits bei Tieren zu beobachten und noch beim Menschen ›unterbewusst‹ oder aktiv vorhanden seien. Um eine Reaktion beim Publikum auszulösen, gehe es vor allem um »audience involvement«, also stets von bekannten und Sympathie erweckenden Ideen oder Charakteren auszugehen. Um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen, müsse es sich mit den Charakteren und ihrer Situation identifizieren und in ihnen interessante Persönlichkeiten erkennen können. Die emotionale Wirkung entfalte sich dann in deren Vorstellungskraft (»imagination«) weit wirksamer als auf der Leinwand. Bei WALT DISNEY sei so die »language of imagery« als eine »seperate art form of its own« entstanden, zum einen mit dem Ziel, die »illusion of life« zu erschaffen, und zum anderen, um die größtmögliche Wirkung auf das Publikum zu haben.103 »It was never too late to make a change; nothing was ever set as long as the possibility existed that it could be made to relate better to the overall picture or communicate more strongly with the audience. We struggled to build interesting, appealing characters, but most of all we worked to find ways to make the audience feel the emotions of the animated figures – emotions the audience could ›relate to, identify with, and become involved in.‹« 101

102 103

Vgl. ebd., S. 15. ›Animation‹ wird dabei als Ausdrucksform für Künstler/innen gedeutet: »[...] the artist has before him an incredible medium for self expression. [...] once the artist sees his drawings come to life on the screen, he will never again be quite satisfied with any other type of expression.« Ebd. F. Thomas, O. Johnston: Disney Animation. New York/NY 1981. S. 15f. Vgl. F. Thomas, O. Johnston: Disney Animation. New York/NY 1981. S. 16-26. »The audiences will make our little cartoon character sad – actually, far sadder than we could ever draw him – because in their minds that character is real. He lives in their imaginations. Once the audience has become involved with your characters and your story, almost anything is possible.« Ebd., S. 19. Die Reaktion eines Charakters in einer Situation zeige dessen Persönlichkeit bis hin zur Möglichkeit, »pathos in your story« unterzubringen. »Our goal in these studies is to make the audience feel the emotions of the characters, rather than appreciate them intellectually.« Ebd., S. 22. Thomas und Johnston zitieren Disney mit den Worten: »I am interested in entertaining people, in bringing pleasure, particularly laughter, to others, rather than being concerned with ›expressing‹ myself with obscure creative impressions.« Ebd., S. 23.

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THOMAS und JOHNSTON betonen schließlich, dass man sich Prinzipien der Kommunikation mit einem Publikum zu eigen gemacht habe, die bereits vor 2000 Jahren in Benutzung waren und seitdem »from teacher to student« weitergegeben werden: »The entertainer’s ›symbols‹ that bring audience identification and arouse sympathetic feelings, as well as techniques used to portrait emotions, to please, to excite, to captivate, and to entertain, have aways been known by some. At Disney’s we learned them painfully and slowly by trial and error. [...] With electronic aids being perfected and new tools and materials being used, who can possibly foresee what lies ahead? It probably will not be another Walt Disney who will lead the way, but someone or some group of artists will surely discover new dimensions to delight and entertain the world. Hopefully this book will be their springboard.«104

Es überrascht also nicht, dass ihr Buch nicht allein bildnerische Arbeitsprozesse dokumentiert, sondern insgesamt eine Ansammlung von Techniken darstellt, wie ein Publikum emotional gefesselt, unterhalten und gerührt werden kann. Besonders wichtig sind das einflussreiche Kapitel 3 mit den zwölf ›Principles of Animation‹ und Kapitel 5 ›Cartoon Comes of Age‹ über die Aufnahme von Schauspieltechniken und Realaufnahmen zur Entwicklung und Animation der Figuren, um subtilere Handlungen, komplexeres Schauspiel und bedeutungsvolleren Ausdruck zu erreichen. »The animation became so sophisticated that it was almost impossible to recognize the basic principles. The medium had developed into an art form.«105 Weiterhin lesenswert sind vor allem die Kapitel 14 ›Story‹, 15 ›Character Development‹, 16 ›Animating Expression and Dialogue‹ und schließlich 17 ›Acting and Emotions‹, das explizit Techniken thematisiert, um emotionale Reaktionen zu erzeugen, und zudem betont, es müsse das Ziel einer jeden Kunstform sein, dies zu erreichen106: »In every art form it is the emotional content that makes the difference between mere technical skill and true art. The poet, sculptor, dancer, painter, singer, actor – all eventually can become proficient in their crafts, achieving dazzling mechanical perfection, bur their work will be empty and meaningless unless the personal perceptions of the artist are communicated as well. This thought was stated most simply by one studio artist when he noted that many of the young men ›could animate beautifully, but that isn’t what makes you laugh and that isn’t what makes the tears come.‹«107

Auf der Suche nach den Mitteln, um Emotionen zu wecken, wandten sich die Animatoren besonders an Schauspiel und Theater, nicht wenige von ihnen besuchten selbst Schauspielkurse. Die Animatoren wandten sich zunehmend schwierigeren Aufgaben zu und entwickelten so ein differenziertes Repertoire an Techniken: »Gradually [...] a kind of formula developed for making ›pathos‹ the prime ingredient in a film [...]. It is an old formula and the acting choices are elemental. As long as the central figure is sincere, his actions can be broad and touched with humor without upsetting the pathos. By the time 104 105 106 107

Vgl. F. Thomas, O. Johnston: Disney Animation. New York/NY 1981. S. 27. Vgl. ebd., S. 47-69, 93-115, hier 95, auch 319-365 (Kap. 13). Vgl. ebd., S. 367-391, 393-439, 441-471, 473-507. Ebd., S. 473.

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the studio began Snow White, the animators were being asked to depict much more than just happiness and sadness. Now, they were faced with the task of communicating such subtle emotions as love, dejection, hate, jealousy, concern, and fear.«108

Neben den Zeichentrickfilmen und Vergnügungsparks der Firma DISNEY109 ist das Buch von THOMAS und JOHNSTON vor allem im Bereich der aufkeimenden computerisierten ›arts‹ rezipiert worden. So hat sich etwa PAUL HECKEL in einem Artikel unter dem Titel ›Walt Disney and User-Oriented Software. Mickey Mouse teaches software designers a lesson‹ explizit mit der Frage befasst, wie Gestaltungsprinzipien der Animation auf das Design von Software anzuwenden sind.110 DISNEY habe für den Animationsfilm ebenso wie D.W. GRIFFITH für den Realfilm fundamentale Prinzipien der Kommunikation wiederentdeckt und angewendet und so aus neuer Technologie eine neue Kunstform geschaffen. »As I was finishing the manuscript for my book, I read Disney Animation, the Illusion of Life by Frank Thomas and Ollie Johnson [...]. For anyone seriously interested in designing user-oriented software, this book is must reading because it tells you how to think about communications.«111

HECKEL benennt sechs Prinzipien der Disney Animation – ›Make It Interesting‹, ›Exaggerate Reality‹, ›Think in Visual Terms‹, ›Prepare the Audience‹, ›Don’t Crowd the Screen‹ sowie ›Involve the Audience‹ – und gibt Beispiele für deren Anwendung auf Software. Er betont zudem die Ähnlichkeit zwischen dem Arbeitsprozess der Animation und jenem der Softwareentwicklung, die beide von einer steten Prototypenbildung, Überprüfung und Überarbeitung geprägt seien, um eine möglichst gute, »user friendly« Kommunikation sicherzustellen.112 HECKEL beschließt seinen Artikel mit dem Hinweis:

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Ebd., S. 475. Dazu etwa die Thesen von Jeff Johannigman und Warren Spector, dass man von DisneyVergnügungsparks lernen könne und die Entwicklung der Spielebranche vergleichbar sei mit jener der frühen Zeichentrickstudios. Vgl. J. Johannigman: A Mickey Mouse Approach to Game Design. In: JCGD, Vol. 2, Is. 2, Dec. 1988. S. 8f. J. Johannigman, W. Spector: They’re Playing My ’Toon! In: JCGD, Vol. 4, Is. 1, Oct. 1990. S. 10f. P. Heckel: Walt Disney and User-Oriented Software. In: BYTE, Vol. 8, No. 12, Dec. 1983. S. 143-150. Der Artikel erschien in variierter Fassung auch in dessen Buch. Ders.: The Elements of Friendly Software Design. New York/NY 1984. S. 173-184. Dieses ist in großen Teilen die überarbeitete Zusammenfassung einer 16-teiligen Artikelserie mit dem Titel ›Software for People‹, die vom 12. Juli bis 25. Oktober 1982 im Magazin Infoworld erschienen war (Jg. 4, Ausg. 27-42). In dieser Serie wie auch im letzten Artikel, der eine ausführliche Bibliografie enthält, ist noch kein Verweis auf das Buch Disney Animation enthalten. P. Heckel: Walt Disney and User-Oriented Software. In: BYTE, Vol. 8, No. 12, Dec. 1983. S. 143, 196. Ebd., S. 144-150. Heckel ergänzt dazu in seinem Buch, dass es Steven Spielberg mit E.T. gelungen sei, das Publikum einzubinden, indem er einen sympathischen Außerirdischen geschaffen habe, dessen Zielen das Publikum habe Empathie entgegenbringen können: »[...] the raw material for any communications craft is what is in the audience’s mind.« P. Heckel: The Elements of Friendly Software Design. New York/NY 1984. S. 73f., hier 178.

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»But by carefully analyzing what the user needs and following the precepts that Walt Disney rediscovered, you can raise your software designing to a commercial art.«113 Und auch JOHN LASSETER, der auf der SIGGRAPH ’87 (im Jahr nach der offiziellen Gründung von PIXAR) einen Vortrag über die Prinzipien traditioneller Animation hielt, bezieht sich ausführlich auf das Buch von THOMAS und JOHNSTON. LASSETER stellt fest, dass mit der Verbreitung zuverlässiger und nutzerfreundlicher Computertechnologie für die 3-D-Animation deutlich mehr Menschen in die Lage versetzt werden, Animationsfilme zu erstellen. Da viele nicht mit den klassischen Techniken und Prinzipien der Animation vertraut seien, könnten sie zu schlechten Ergebnissen kommen. LASSETER fasst die Prinzipien der Animation zusammen, wie sie bei THOMAS und JOHNSTON dargestellt sind, bis hin zum zugrunde liegenden Ziel, Charaktere mit klar erkennbarer und vertrauter Persönlichkeit zu erschaffen, die gemeinsam mit der Geschichte die Technik der Animation in den Hintergrund treten lassen. Er kommt zu dem Schluss: »Whether it is generated by hand or by computer, the first goal of the animator is to entertain. The animator must have two things: a clear concept of exactly what will entertain the audience; and the tools and skills to put those ideas across clearly and unambiguously. Tools, in the sense of hardware and software, are simply not enough. The principles discussed in this paper, so useful in producing 50 years of rich entertainment, are tools as well ... tools which are just as important as the computers we work with.«114

Bereits am 27. Oktober 1983 notiert JORDAN MECHNER in sein Entwicklertagebuch, zwei Tage nachdem er das Buch Disney Animation: The Illusion of Life erhalten hatte: »Been reading the Disney book. Walt Disney is a god. The guys who worked with him are amazing. I want to see every movie he ever made a dozen times, as soon as possible. Remembering great scenes [...] – I’m awed and inspired by what went into them. I realized how difficult and rare it is to strike just that right balance where everything – story, characters, animation, acting, music – in-

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P. Heckel: Walt Disney and User-Oriented Software. In: BYTE, Vol. 8, No. 12, Dec. 1983. S. 150. Heckel hatte bereits im ersten Artikel seiner Serie »on the art of designing software for people« im Juli 1982 das Design von Software mit der historischen Entwicklung anderer Künste verglichen: »The point of view I take here is that ›friendly‹ software is software that communicates well. As such, ›friendly‹ software design is a new communication art form. It follows that the place to look for understanding about how to make software ›friendly‹ is in the other communication arts. There are many to learn from: writing, sales, filmmaking, music composition and even magic. We can also learn from architecture and industrial design, which are concerned with designing ›user friendly‹ products even though communication is a relatively small aspect of those disciplines.« Vgl. P. Heckel: Art form evolves – designing software for people. In: Infoworld, Vol. 4, No. 27, 12.07.1982. S. 16-18, hier 17. »The author would like to express sincere thanks [...] especially to Frank Thomas and Ollie Johnston for their instruction in animation when the author was at the Disney Studio, and for their continued inspiration with their book.« Vgl. J. Lasseter: Principles of Traditional Animation Applied to 3D Computer Animation. In: M.C. Stone (Hg.): SIGGRAPH ’87. New York/NY 1987. S. 35-44, hier 43.

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teracts to make you believe it, feel it. Can I do that on the computer? In prose? I can’t help vaguely dreaming about doing for video games what Walt Disney did for animation.«115

Mit E.T. the Extra-Terrestrial von SPIELBERG116 kam im Juni 1982 der für viele Jahre finanziell erfolgreichste Film in die amerikanischen Kinos. Als Grund für den unver115

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J. Mechner: The Making of Karateka. Los Angeles/CA 2012. S. 124. Mechner sollte insbesondere dafür bekannt werden, in seinen Spielen für die Animation der Figuren das Rotoscope-Verfahren einzusetzen, bei dem real gefilmte Schauspieler/innen auf ein anderes Trägermaterial ab- bzw. durchgezeichnet werden. Vgl. F. Thomas, O. Johnston: Disney Animation. New York/NY 1981. S. 321-323. Laut seinem Tagebuch kam der Vorschlag zur Verwendung dieser Technik jedoch von seinem Vater, noch bevor er das Buch Disney Animation in Händen hielt. Vgl. J. Mechner: The Making of Karateka. Los Angeles/CA 2012. S. 62. Steven Spielberg selbst sollte ein langanhaltendes Interesse an »video games« an den Tag legen, sodass es auch nach längeren Unterbrechungen immer wieder zu Kollaborationen zwischen der Spieleentwicklung und dem Regisseur kam. Bereits 1982 steuerte er zu Martin Amis Buch Invasion of the Space Invaders ein Vorwort bei, in dem er sich selbst als begeisterter Spieler präsentierte. Bereits vorausschauend auf seinen Film E.T. schließt er mit den Worten: »I don’t want to be accused of collaboration, but some of them are really quite friendly when you get to know them ...« Vgl. M. Amis: Invasion of the Space Invaders. London u.a. 1982. S. 7. Tatsächlich hatte Spielberg – so die Legende – im Sommer 1982 höchstselbst mit Steve Ross, dem Geschäftsführer, Präsidenten und Vorsitzenden des Warner-Communications-Imperiums, dem neben Atari auch Warner Bros. Pictures und die Warner Music Group angehörten, die Lizenzvereinbarung für E.T. geschlossen: für 23 Millionen US-Dollar. Zwischen beiden entwickelte sich eine langlebige Freundschaft. Doch unerfahren mit Filmumsetzungen und unter enormem Zeitdruck stellte Atari ein kaum funktionierendes Spiel fertig, produzierte aber dennoch 4 Millionen Steckmodule für die hauseigene ›VCS 2600‹-Spielkonsole, um die Kosten für die Lizenzvereinbarung wieder einzuspielen. Atari blieb im Weihnachtsgeschäft 1982 auf über 3,5 Millionen Spielen sitzen und erschütterte zudem das Vertrauensverhältnis zu seiner Kundschaft. Mitte 1983 verzeichneten alle US-amerikanischen Konsolenhersteller massive Verluste, es kam zum Zusammenbruch der dortigen Videospieleindustrie sowie zur Zerteilung und zum Verkauf von Atari 1984. Vgl. C. Bruck: Master of the Game. New York/NY u.a. 1994. S. 176-182, 194-199, 214f. In enger Kooperation und basierend auf einer Drehbuchvorlage von Spielberg, die dieser für eine Fernseh- oder Filmumsetzung formuliert hatte, entwickelte LucasArts, das Entwicklungsstudio seines Regiefreundes George Lucas, von 1989 bis 1995 das Adventure The Dig, das einmal mehr von der Begegnung mit Außerirdischen handelt. Vgl. R. Smith: Rogue Leaders. San Francisco/CA 2008. S. 91-95. 1995 gründete Spielberg mit DreamWorks Interactive einen eigenen Ableger seiner Film- und Fernsehproduktionsfirma für die Spieleentwicklung. Im Rahmen der Produktion des Filmes Saving Private Ryan plante Spielberg 1997 die Umsetzung des historischen Kriegsszenarios als filmisch inszeniertes Computerspiel und schrieb die ihm zugrunde liegende Erzählung. Medal of Honor, das 1999 bei Electronic Arts veröffentlicht wurde, und seine diversen Nachfolger begründeten gemeinsam mit der Popularität des Filmes eine beinahe zehn Jahre währende Dominanz des Themas ›Zweiter Weltkrieg‹ über alle Spiel- und Hardwareplattformen hinweg und prägten die Form des populären, erzählenden Ego-Shooters bis heute. DreamWorks Interactive wurde 2000 an Electronic Arts verkauft. Vgl. J. Russell: The Making of ... Medal Of Honor. In: EDGE, 229,

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gleichlichen Erfolg nennt der Regieprofessor DOUGLAS BRODE: »E.T. boasts an enchantingly simple surface which covers a rich lode of complex ideas and emotions.«117 Die gesamte Produktion des Filmes war darauf ausgelegt, eine möglichst große affektive Wirkung zu erzielen,118 sei es durch die emotionale Einbindung der Jungschauspieler/innen,119 den Aufbau der Erzählung120 oder den optimalen Einsatz der Filmmusik121.

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Jul. 2011. S. 144-146. Am 14. Oktober 2005 meldete u.a. The Wall Street Journal, dass Electronic Arts eine langfristige Zusammenarbeit mit Steven Spielberg ausgehandelt habe, um gemeinsam drei Spielprojekte zu realisieren. Die Meldung zitiert den Vizepräsidenten von Electronic Arts, Neil Young: »What we’re trying to do is answer the question our company was founded on, which is, ›Can a computer game make you cry?‹ One of the ways we’re going to get there is by partnering with great storytellers like Steven.« Vgl. N. Wingfield: Electronic Arts, Steven Spielberg Agree to Develop 3 Videogames. In: The Wall Street Journal, 14.10.2005. (Online) Nachdem das erste Projekt unter dem Namen Boom Blox 2008 erfolgreich auf dem Markt erschien, wurde das zweite weitaus ambitioniertere Projekt LMNO im Jahr 2010 offiziell eingestellt. Vgl. M. Leone: The Story Behind Steven Spielberg’s LMNO. In: 1UP.com, 01.11.2010. (Online) Seitdem blieb es eher still um Spielberg. Vgl. D. Brode: The Films of Steven Spielberg. New York/NY 1995. S. 121. »Shortly after the film’s opening day (June 11, 1982), E.T. was on its way to becoming the all-time boxoffice champ, a status it would hold until replaced by another Spielberg film, Jurassic Park. During its first year of release, E.T. grossed a record breaking $ 359,687,000 in the United States and Canada alone; before long, the film had been seen by more than 200 million people worldwide.« Ebd. »Ever since [becoming a filmmaker], I’ve wanted to try to involve the audience as much as I can, so they no longer think they’re sitting [passively] in an audience, watching from a distance, but are totally involved in, even transported by, the moviegoing experience.« D. Brode: The Films of Steven Spielberg. New York/NY 1995. S. 13. Speziell zu den ›Poetics of Cinema‹ bei Steven Spielberg auch mit Bezug zu Baxandalls Ansatz der Intention und Problemlösung vgl. W. Buckland: Directed By Steven Spielberg. New York/NY u.a. 2006. S. 29-52. E.T. wurde, was unüblich ist, im Wesentlichen in der Reihenfolge der Handlung gedreht (Sep./Okt. 1981). Dies ermöglichte es den Kindern und Jugendlichen, in ihre Rollen hineinzuwachsen und diese emotional nachzuvollziehen. Außerdem verzichtete Spielberg darauf, den Film vollständig anhand von Storyboards durchzuplanen, sondern entschied bei jeder Einstellung aufs Neue über die Bildkomposition. Beides zusammen schuf Spielräume für Improvisationen und emotionalen Ausdruck. Vgl. D. Brode: The Films of Steven Spielberg. New York/NY 1995. S. 114-127. Spielberg gibt zu Protokoll: »I wanted the kids to be caught up as themselves and as their characters so that, by the time they say goodbye to E.T., their emotions are genuine. [...] Every single shot you see of Elliott crying and hugging E.T. in the good-bye scene was all on take one.« L. Sunshine (Hg.): E.T. The Extra-Terrestrial. London u.a. 2002. S. 146. Brode verweist auf die Drei-Akt-Struktur und gibt eine entsprechende Beschreibung: »Mathison’s script neatly divides the story into three easily identifiable acts.« D. Brode: The Films of Steven Spielberg. New York/NY 1995. S. 121f. Syd Field kommt interessanterweise zu einer etwas anderen Einteilung. Vgl. Ders.: The Screenwriter’s Workbook. New York/NY 1984. S. 137-139.

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Diese emotionale Einbindung gilt besonders für die beiden Höhepunkte des Filmes, den Tod und die Auferstehung des Außerirdischen sowie den Abschied am Ende. Einmal mehr orientierte sich SPIELBERG an den für ihn typischen Mustern seiner Vorbilder: »The ending is reminiscent of several classic Disney films. Whether it is Snow White saying goodbye to the seven dwarfs or Cinderella waving farewell to the mice, Disney movies consistently end on a bittersweet rather than simplistically happy note, the sweet sorrow of parting is as necessary as it is difficult. Spielberg has referred to this as ›an up cry,‹ and E.T. is clearly designed with just such an effect in mind. Understandably, more than one critic tagged E.T. as ›the best Disney movie not made by Disney.‹«122

Auf das pathetische Potenzial des Unterhaltungskinos haben in jüngerer Zeit mehrere Arbeiten hingewiesen, die an die Rhetorik anknüpfen. So vergleicht etwa GESCHE JOOST die Affekttechniken des Kinos mit jenen des rhetorischen Pathos und nennt als Beispiel explizit SPIELBERGS E.T. the Extra-Terrestrial (1982): »In der heutigen Filmindustrie scheint dieses Wissen um die Führungsgewalt des pathos weit verbreitet zu sein, denn ihre Produktionen bedienen sich rege einer ganzen Palette von starken Affektauslösern. Pathos wird für den Film zu einem wichtigen Erfolgsfaktor. Inzwischen scheint es nur noch eine Frage der (rhetorischen) Technik zu sein, wie man das Publikum zum Weinen bringt [...]. Das Kino vermag, seine Zuschauer zu Tränen zu rühren. Überspitzt formuliert könnte man von einer ›Pathosindustrie‹ des heutigen Films sprechen, die ihre Techniken an den Bedürfnissen des Films ausrichtet.«123

Als Gewährsmann für die außergewöhnliche Wirkungsmacht des rhetorischen Pathos verweist sie auch die Erhabenheitsdefinition PSEUDO-LONGINS in der Übersetzung nach REINHARD BRANDT: »Das Übergewaltige nämlich führt die Hörer nicht zur Überzeugung, sondern zur Ekstase; überall wirkt, was uns erstaunt und erschüttert, jederzeit stärker als das Überredende und Gefällige, denn ob wir uns überzeugen lassen, hängt meist von uns selber ab, jenes aber übt eine unwiderstehliche Macht und Gewalt auf jeden Zuhörer aus und beherrscht ihn vollkommen. Der Versiertheit im Finden rechter Gedanken und die Anordnung und Ökonomie des Stoffes beobachten wir nicht an 121

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John Williams, Komponist der Filmmusik zu E.T., erinnert sich, dass die Musik für die letzten 15 Minuten des Filmes ohne die direkte Unterlegung des Bildmaterials eingespielt wurde, um das mitreißendste Ergebnis zu erhalten. »Then Steven re-edited slightly the last part of the film to configure with the musical performance that I felt was more powerful emotionally. And I think the result is that the end of the film has this kind of musical experience where it sweeps you away.« Vgl. L. Sunshine (Hg.): E.T. The Extra-Terrestrial. London u.a. 2002. S. 56, 144. Ebd., S. 122. »Still, the unique quality of Spielberg’s work derives from the combination of Disney and Hitchcock. Just as Hitchcock’s films are filled with what have come to be called ›the Hitchcock moments,‹ so, too, have Spielberg fans learned to expect just such unforgettable images from this emerging master of cinematic storytelling.« Brode nennt beispielhaft acht solcher »moments/images« für E.T. Ebd. Vgl. G. Joost: Bild-Sprache. Bielefeld 2008. S. 124f.

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ein oder zwei Sätzen, sie ziehen sich durch das ganze Gewebe der Rede und zeigen sich nur bei mühsamem Hinsehen. Das Erhabene aber, bricht es im rechten Moment hervor, zersprengt alle Dinge wie ein Blitz und zeigt sogleich die gedrängte Gewalt des Redners.«124

Diese Bezugnahme auf PSEUDO-LONGIN zur Bestimmung des Pathos ist allerdings aus den zuvor genannten Gründen problematisch, kann man doch, je nach Übersetzung und Lesart, das Erhabene nicht nur als eine die Rhetorik vervollkommnende, sondern auch als eine die Rhetorik sprengende Wirkung erkennen.125 JOOST mag insofern in der Sache richtig liegen, sich hier auf PSEUDO-LONGIN zu beziehen, doch verkennt sie die enormen historisch-systematischen Folgen einer einfachen und unkommentierten Gleichsetzung des pathetischen hohen Stiles der Rhetorik mit dessen Erhabenheitsbe-

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Long. De subl. I.4; zit. nach G. Ueding, B. Steinbrink: Grundriss der Rhetorik. Stuttgart u.a. 2005. S. 282. Entspricht der von Joost gewählten Übersetzung, wenn auch gekürzt. Vgl. Dies.: Bild-Sprache. Bielefeld 2008. S. 123, 172. Vgl. etwa die englischen Übersetzungen der Passage bei W. Rhys Roberts (1899), George M.A. Grube (1957) oder W. Hamilton Fyfe (1960): »The effect of elevated language upon an audience is not persuasion but transport. At every time and in every way imposing speech, with the spell it throws over us, prevails over that which aims at persuasion and gratification. Our persuasions we can usually control, but the influences of the sublime bring power and irresistible might to bear, and reign supreme over every hearer. Similarly, we see skill in invention, and due order and arrangement of matter, emerging as the hard-won result not of one thing nor of two, but of the whole texture of the composition, whereas Sublimity flashing forth at the right moment scatters everything before it like a thunderbolt, and at once displays the power of the orator in all its plenitude.« Longinus: On the Sublime. Cambridge 1899. »Great writing does not persuade; it takes the reader out of himself. The startling and amazing is more powerful than the charming and persuasive, if it is indeed true that to be convinced is usually within our control whereas amazement is the result of an irresistible force beyond the control of any audience. We become aware of a writer’s inventive skill, the structure and arrangement of his subject matter, not from one or two passages, but as these qualities slowly emerge from the texture of the whole work. But greatness appears suddenly; like a thunderbolt it carries all before it and reveals the writer’s full power in a flash.« Longinus: On Great Writing. Indianapolis/IN 1957. »For the effect of genius is not to persuade the audience but to transport them out of themselves. Invariably what inspires wonder casts a spell upon us and is always superior to what is merely convincing and pleasing. For our convictions are usually under our own control, while such passages exercise an irresistible power of mastery and get the upper hand with every member of the audience. Again inventive skill and the due disposal and marshalling of facts do not show themselves in one or two touches: they gradually emerge from the whole tissue of the composition, while, on the other hand, a well-timed flash of sublimity scatters everything before it like a bolt of lightning and reveals the full power of the speaker at a single stroke.« Longinus: On the Sublime. London u.a. 1960. Folglich ist auch ihre systemische Gleichsetzung bei Ueding und Steinbrink problematisch. Vgl. G. Ueding, B. Steinbrink: Grundriss der Rhetorik. Stuttgart u.a. 2005. S. 234, 281-283.

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griff. Es ist nämlich keinesfalls klar, ob die »Ekstase« zur »stärksten Macht der Rhetorik« wird, oder ob diese nicht vielmehr außerhalb des rhetorischen Systems steht.126 ARNE SCHEUERMANN zieht in einem Abschnitt über die »kommerzielle Kunst« des Filmes eine (»stark polarisierte«) Trennlinie zwischen rhetorisch-wirkungsintentionalem »Design« und idealistisch-ästhetischer »freier Kunst«. Er stellt schließlich fest, dass die Stilhöhen des decorum in der nach-rhetorischen Epoche durcheinandergeraten, ihre Einteilung verschwindet und damit die Affekttechniken entkoppelt werden. Dies mag als Indiz gewertet werden, dass sich im Bereich des modernen Unterhaltungsfilmes die Wirkmächtigkeit des Mediums ebenfalls am longinisch-poetischen (freikünstlerischen) Ideal der Erhabenheit messen lassen will und eben nicht am rhetorisch angemessenen Einsatz der Gefühlsregungen.127 Auch CHRIS CRAWFORDS »real art« erscheint vor diesem Hintergrund mehr als Amalgam mehrerer Pathostraditionen, wobei es nicht das ›rhetorische‹ Emotionalisieren zu sein scheint, das für seine Kunstbestimmung Pate steht, sondern die eher ›poetischen‹ Kategorien der gerührten Reinigung und begeisterten Überwindung. Da CRAWFORD in diese Liste auch die Katharsis aufnimmt, verweist sie wiederum auf die aristotelische Poetik und ein populäres Verständnis des Begriffes, das ihn unabhängig von seiner ursprünglichen Rolle im Theoriegebäude der Tragödie auf starke Emotionen einengt.128 126 127

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Vgl. G. Joost: Bild-Sprache. Bielefeld 2008. S. 121-130, 171-173, hier 123. Vgl. A. Scheuermann: Zur Theorie des Filmemachens. München 2009. S. 36-38. Christian Schmitt formuliert dagegen die These, dass das Pathetische immer sinnstiftend wirke, womit stets die (rhetorische) Erhöhung des thematisierten Gegenstandes verbunden sei. Leider operiert auch Schmitt – unter dem Ballast der Filmsemiotik – mit einem uneindeutigen, ahistorischen Pathosbegriff, der je nach Zusammenhang rhetorische, poetische und ›erhabene‹ Konzepte vermengt. Schmitt sieht seine Arbeit explizit nicht als Fortführung einer Geschichte des Pathos, da das »Filmpathos als semiotische[r] Mechanismus [...] die historisch je spezifischen Ausformungen von Pathos-Konzepten nur am Rande berücksichtigen« könne und die Beschreibung des Kinos der Jahrtausendwende »eine diskursanalytische Studie filmischer Pathetik überhaupt« voraussetze. Vgl. C. Schmitt: Kinopathos. Berlin 2009. S. 12f., 32-34, passim. Zum ›Staunen‹ als ebenfalls über die Rhetorik hinausweisendes Gestaltungsideal vgl. H. Locher: Das Staunen des Betrachters. In: H.J. Kunst, A.B. Rave, W. Schenkluhn (Hg.): Werners Kunstgeschichte 1990. Worms 1990. S. 1-46. In selbst gewählter Opposition zu diesen, am Affektiv-Pathetischen interessierten ›Kulturindustrien‹ wie dem Hollywoodkino wird im Rahmen des Abstrakten Expressionismus der New Yorker Kunstszene, der zunächst aus Europa importiert und dann als gleichbedeutend mit der ›Moderne‹ in die Welt exportiert wurde, ab Ende der 1940er-Jahre auch das (unpathetisch) Erhabene wieder diskutiert. Vgl. etwa N. Schneider: Theorien moderner Kunst. Köln u.a. 2014. S. 405-438, insbesondere 411, 414-418; Schneider arbeitet jedoch mit den undifferenzierten Begriffen ›Erhabenheit‹ und ›Emotion‹. Siehe dazu auch die Texte zu Modernismus und Avantgarde in: C. Harrison, P. Wood (Hg.): Art in Theory 1900-2000. Malden/MA 2003. S. 506-594, insbesondere Barnett Newman, ›The Sublime is Now‹ (1948), S. 580-582. Schon Rensselaer W. Lee bemerkt 1940 die Gefahr für die humanistisch-poetische Malereitheorie (Horaz, Aristoteles), welche durch den wachsenden Einfluss von Longins Traktat im Verlauf des 18. Jahrhunderts ausgeübt wurde: »[...] the doctrine of original genius is, moreover, the ancestor of modern expressionism which is necessarily hos-

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CRAWFORD widmet sich in The Art of Computer Game Design immer wieder der produktionsseitigen Herstellung von Emotionen, muss jedoch häufig bei Andeutungen verbleiben. Doch über das Wenige, das sie bruchstückhaft in den Anleitungstexten für Drehbücher oder Animationsfilme fanden, konnten sich Spieleentwickler nur darin üben, die Techniken des populären Kinos und bereits erfolgreicher Vorbilder nachzuahmen.129 In diesem Sinne wähnte sich auch DAN BUNTEN in einem Interview im Januar 1985 noch lange nicht am Ziel: »I like the idea of being an artist but I think there is a lot more to be done and it is presumptuous to put that label on yourself. Real artists do things that pull your emotions in. A good film or a good book can play you like a fiddle. [...] We have learned a little bit and have made a step. But the spectrum of emotions that we can create and trigger in software is limited right now. We are not yet to the point where you are going to cry because your character died. I want that, but we won’t see it until the software technology matures more.«130

Jenseits der Vergleiche mit anderen Kunstformen wie Film oder Literatur – von denen im Einzelnen noch zu handeln sein wird –, stellt sich zumindest bei CRAWFORD bereits 1991 eine gewisse sarkastische Resignation ein. In dem Editorial des von ihm herausgegebenen Journal of Computer Game Design erklärt er im Oktober 1991: »It Ain’t Art«.131 Es sei gar nicht entscheidend, welche Definition für ›Kunst‹ man vorbringe, sondern vielmehr, in welchem Verhältnis diese zur ›Unterhaltung‹ stehe. »Both entertainment and art are meant to evoke emotion, but art goes deeper and further into the human soul than entertainment. Art conveys joy where entertainment makes you laugh. Art has tragedy, where entertainment makes you sad. Art has passion; entertainment has sex. Art goes boom where entertainment goes pop.«132

Kunst verlange nach mehr und strengerem Kontext, besitze höhere Anforderungen an das Publikum, ihre Wertschätzung brauche Grundlagen und Übung. In direkter Konsequenz sei Kunst elitärer als Unterhaltung, richte sich an ein kleineres gebildeteres Publi-

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tile to the doctrine ut pictua poesis. [...] [T]he painter like the poet must in the act of creation retain a certain power of judgement and selective discrimination that is not compatible with unlicensed self-expression.« Vgl. R.W. Lee: Ut Pictura Poesis. In: The Art Bulletin, Vol. 22, 1940. S. 262. Vor allem das Weiterleben dieses Kunstideals in der zeitgenössischen Unterhaltungsindustrie dürfte für eine Vielzahl von Phänomenen verantwortlich sein, die in jüngerer Zeit etwa auch Computerspiele als ›Neobarock‹ beschrieben wurden. Vgl. A. Ndalianis: Neo-Baroque Aesthetics and Contemporary Entertainment. Cambridge/MA u.a. 2004. Es ist allerdings symptomatisch, dass selbst im Kontext des Zusammenhanges von ›Neobarock‹ und ›Designrhetorik‹ die entsprechende Produktionstheorie oder Systematik mit keinem Wort erwähnt wird. Vgl. Dies.: Architektur und rhetorische Inszenierung. In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 191-203. A. Leyenberger: Interviewing Dan Bunten. In: Antic, Vol. 3, Is. 9, Jan. 1985. S. 20f., 25, 28, hier 28. Vgl. C. Crawford: Editorial – It Ain’t Art. In: JCGD, Vol. 5, Is. 1, Oct. 1991. S. 2f. Ebd., S. 2.

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kum, an ›Snobs‹, nicht an die Masse. Kunst sei der Ausdruck auf sich und ihre Wahrheit bezogener Künstler/innen, Unterhaltung sei ein Ausdruck für das Publikum, ganz auf dieses und seine Wünsche ausgerichtet. Unterhaltung sei ihrer Natur nach kommerziell, Kunst sei ihrer Natur nach nicht kommerziell und überhaupt erst nach dem Tod der Künstler/innen etwas wert. So kommt er zu dem Schluss, dass nichts in der »computer game industry« Kunst einschließe: »We make entertainment; we do not make art.«133 »Yes, there have been many impressive moments in computer games, moments that tempt us to apply the label ›art‹ to our games. The moment in Planetfall when Floyd the Robot sacrificed himself to save you. The similar experience in Wing Commander when your sidekick bid you goodbye and blew herself up in the midst of the Kilrathi. The magnificent artwork in King’s Quest V, the powerful music and storyline of Loom. Yes, there have been impressive moments in computer games, moments that do evoke genuine emotion, but that doesn’t make them art. My eyes dabbled up when little E.T. died, and I cheered when he recovered, but the movie wasn’t art. There are plenty of movies that are art, but their ability to evoke emotion is not what makes them art.«134 [Herv. i. Orig.]

GREG COSTIKYAN setzt in seinem zwei Monate später erschienenen Leserbrief genau dort an und kritisiert eben jene Vorstellungen über ›Kunst‹, die auf Fehlannahmen beruhten.135 Der Glaube, dass ›Kunst‹ einer kleinen noblen Elite vorbehalten ist, sei nämlich eine historisch sehr junge Erscheinung. Totenmasken, Tonwaren, Skulpturen und Gemälde, die heute als Kunstwerke gelten, seien durch Handwerker/innen und für Auftraggeber/innen hergestellt worden. Die Stücke von SHAKESPEARE oder die Erzählungen von DICKENS seien Massenunterhaltung gewesen, gleichermaßen an untere wie obere Schichten gerichtet. Vielmehr sei die Vorstellung, dass Kunst elitär sei, eine große Tragödie der modernen Zeit. Die einst massentaugliche Poesie sei in kaum verbreitete Publikationen abgewandert, die vom Literatur-Establishment gefeierten Schriftsteller/-innen werden weithin nicht gelesen und die klassische Musik der Moderne habe sich in kakophonische Obskurität zurückgezogen. Das alles sei geschehen, nur weil man glaubte, Kunst müsse elitär und nicht kommerziell sein und die Zufriedenstellung des Publikums sei ein Zeichen mangelnden Talents.

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Crawford wiederholt hier Bourdieus Kritik der gesellschaftlichen Distinktion mithilfe des Geschmacks, der Unterscheidung in ›Kunst‹ und ›Unterhaltung‹, ›hoch‹ und ›niedrig‹, ›E‹ und ›U‹, an der trotz aller Verdienste letztlich kein Vorbeikommen sei. Vgl. P. Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Frankfurt a.M. 1987. Dennoch sei Unterhaltung aus Kunst hervorgegangen und von dieser abhängig, moderne Erzählungen von alten Mythen, Rockmusik von klassischer Musik, Film von Malerei. Unterhaltung werde von der Kunst mit neuen Ideen, Themen und Ansätzen versorgt und entspreche damit der ›Forschung‹ für die ›Entwicklung‹ in der Unterhaltungsindustrie. Es liege also in deren Interesse, einen angemessenen Anteil ihrer Gelder für ›Forschung und Entwicklung‹ tatsächlich in künstlerische, experimentelle und forschende Anliegen zu investieren. Der Streit um den Status des Mediums und der Schaffenden lenke nur von der nötigen Diskussion ab, künstlerische Ziele zu unterstützen und nicht der Stagnation zu verfallen. Ebd., S. 2f. Vgl. G. Costikyan: Letter. In: JCGD, Vol. 5, Is. 2, Dec. 1991. S. 7.

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»The truth is that any object or work that is crafted with intelligence, care, creativity, and a desire to communicate is art. It may be bad art or good art; it may succeed or fail; but it is art. Art is merely the application of craft with imagination and sensitivity. [] Game design is an artform. The fact that most games are designed for purely commercial motives does not change this fact. ›Entertainment value‹ and ›artistic value‹ are not opposites; they lie on orthogonal axes.«136

Es sei vor allem wichtig, den Gedanken von ›Game Design‹ als Kunst zu fördern, um Designer/innen darin zu bestärken, dass sie nach den inneren Verdiensten ihrer Arbeit beurteilt werden, statt nur nach Verkaufszahlen, sodass sie größere Sorgfalt walten ließen, und ihre Intelligenz sowie ihr Handwerk mit größerer Gewissenhaftigkeit ausübten. CRAWFORD blieb nur zu bemerken, sein sarkastischer Unterton sei wohl nicht jedem aufgefallen.137 ›The art of ...‹

Doch wenn diese »real art« bloß das Ziel darstellt, dessen Erreichen zwar anzustreben, aber keinesfalls sicher ist, woraus besteht dann jene »art«, von der CRAWFORDS Buch 1984 handelt? Hier ist offensichtlich ein zweites widerstreitendes Verständnis des Begriffs ›art‹ am Werk. Es ist wahrscheinlich, dass auch der Titel The Art of Computer Game Design eine – wenn auch unspezifische – Reminiszenz an die antike Tradition der Lehrbücher ist.138 CRAWFORD hatte bereits für das 1981 von Atari vertriebene technische Handbuch zur Programmierung der Atari-400/800-Heimcomputer den antik-lateinisch anmutenden Titel De Re Atari gewählt. Im Vorwort erklärt er dazu: »It is an obscure literary reference. Some Latin manuscripts in Roman and medieval times were entitled ›De Re This‹ or ›De Re That‹. Thus, ›De Re Rustica‹ was a poem on farming and ›De Re Metallica‹ described metallurgy. Loosely translated, ›De Re‹ means ›All About‹.«139

Anfang der 1980er-Jahre war es keinesfalls außergewöhnlich, selbst im Umfeld technologischer Anleitungsliteratur, einen Buchtitel mit den Worten »The Art of« beginnen zu lassen. 1973 war bereits die zweite Ausgabe des ersten Bandes aus dem Monumentalwerk The Art of Computer Programming von DONALD KNUTH erschienen.140 Im Buch gibt er 136 137 138

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Ebd. Vgl. ebd. Als sich Crawford nach der Jahrtausendwende erneut dem Verfassen von Lehrbüchern widmete, wählte er mit The Art of Interactive Design (San Francisco/CA 2002), On Game Design (Indianapolis/IN u.a. 2003) und On Interactive Storytelling (Indianapolis/IN u.a. 2004) erneut Buchtitel nach antikem Vorbild. Vgl. C. Crawford et al.: Preface. In: Ders.: De Re Atari. Sunnyvale/CA 1981. Zu den Agrarhandbüchern der römischen Antike vgl. S. Diederich: Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie. Berlin u.a. 2009. Das frühneuzeitliche Standardwerk der Metallurgie von Georg Agricola (1494-1555), posthum 1556 in lateinischer Sprache erschienen und bereits im Jahr darauf ins Deutsche übersetzt, zuletzt: G. Agricola: De Re Metallica Libri XII. Wiesbaden 2006. (Auch online). Der erste Band war erstmals 1968 erschienen. In der Jubiläumsausgabe zum 20-jährigen Bestehen des Magazins BYTE im September 1995 nannte die Redaktion es unter den ›Best

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jedoch nur wenig Hinweise, warum genau er die Bezeichnung »Art« für den Titel gewählt hat, gibt als Fokus allerdings an, sich mit den »various skills which go into a programmer’s craft« und insbesondere »programming techniques« zu befassen.141 Er verweist darüber hinaus auf das Programmieren als ästhetische Erfahrung: »The process of preparing programs for a digital computer is especially attractive, not only because it can be economically and scientifically rewarding, but also because it can be an aesthetic experience much like composing poetry or music.«142

KNUTH widmete sich der Definition einer Kunstform jedoch im Jahr darauf im Rahmen des Vortrages ›Computer Programming as an Art‹ anlässlich seiner Auszeichnung mit dem ›1974 ACM Turing Award‹. Dort spricht er sich explizit gegen die Vorstellung aus, jede Tätigkeit müsste zwangsläufig von ›Art‹ in ›Science‹ umgewandelt werden, da beide Ansätze ihre eigenen Vorzüge haben, wobei er sich – nach eigener Aussage – an der zeitgenössischen Unterscheidung von »logischer, systematischer, unpersönlicher, ruhiger

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Books & CD-ROMs‹ an erster Stelle: »The bible of all fundamental algorithms and the work that taught many of today’s software developers most of what they know about computer programming.« R. Needleman (Hg.): Byte Anniversary Edition – 20 Years. In: Byte, Vol. 20, No. 9, Sep. 1995. S. 49-165, hier 91. In dessen Nachfolge etwa S.E. Dreyfus, A.M. Law: The art and theory of dynamic programming. New York/NY u.a. 1977. D.W. Drury: The Art of Computer Programming. Blue Ridge Summit/PA 1983. Vgl. D.E. Knuth: The Art of Computer Programming. Reading/MA u.a. 1973. S. V-XVI. »I am not trying to teach the reader how to use somebody else’s subroutines; I am concerned rather with teaching the reader how to write better subroutines himself!« Ebd., S. VIII. Knuth verwendet ›Games‹ an nur zwei Stellen als Programmierübung. Ebd., S. 85f., 270. In einem 2009 erschienenen Interview erklärt er: »I try to explore the territory in a way that is most relevant to a practical programmer rather than the most academic cachet for getting something published that’s theoretically interesting but wouldn’t really be used in a real program.« P. Seibel: Coders at Work. New York/NY 2009. S. 569f. D.E. Knuth: The Art of Computer Programming. Reading/MA u.a. 1973. S. V. Aus einem Interview von 2009: »I’ve got this need to program. I wake up in the morning with sentences of a literate program. Before breakfast—I’m sure poets must feel this—I have to go to the computer and write this paragraph [...]. It’s a compulsion [...].« P. Seibel: Coders at Work. New York/NY 2009. S. 594f. Ganz ähnlich zählt Frederick P. Brooks die kreativen Möglichkeiten beim Programmieren zu den ›Joys of the Craft‹: »Finally, there is the delight of working in such a tractable medium. The programmer, like the poet, works only slightly removed from pure thought-stuff. He builds his castles in the air, from air, creating by exertion of the imagination. Few media of creation are so flexible, so easy to polish and rework, so readily capable of realizing grand conceptual structures. [...] Yet the program construct, unlike the poet’s words, is real in the sense that it moves and works, producing visible outputs separate from the construct itself. It prints results, draws pictures, produces sounds, moves arms. The magic of myth and legend has come true in our time. One types the correct incantation on a keyboard, and a display screen comes to life, showing things that never were nor could be. [...] Programming then is fun because it gratifies creative longings built deep within us and delights sensibilities we have in common with all men.« F.P. Brooks, Jr.: The Mythical Man-Month. Reading/MA u.a. 1975. S. 7f.

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und rationaler« Wissenschaft gegenüber »ästhetischer, kreativer, menschlicher, unruhiger und irrationaler« Kunst orientiere. In diesem Sinne sei auch ›Computer Programming‹ eine Kunstform, deren Aufgabe es sei, »beautiful programs« hervorzubringen: mit Stil, nützlich, »gut«, effizient, das Beste aus begrenzten Ressourcen holend und hervorragende Werkzeuge bereitstellend.143 Er kommt zu dem Schluss: »We have seen that computer programming is an art, because it applies accumulated knowledge to the world, because it requires skill and ingenuity, and especially because it produces objects of beauty. A programmer who subconsciously views himself as an artist will enjoy what he does and will do it better.«144

1980 erschien erstmals das Buch The Art of Electronics der beiden Angehörigen der Harvard Universität PAUL HOROWITZ und WINFIELD HILL. In ihrem Vorwort betonen die Autoren, die gängigen Lehrbücher der Elektronik litten entweder unter übertriebenem Detailreichtum (»the handbook syndrome«), übertriebener Vereinfachung (»the cookbook syndrome«) oder auch unter einer schlechten Gewichtung des Materials. Viele Vermittlungsansätze in Einführungstexten seien unnötig und würden in der Praxis gar nicht verwendet werden, während besonders nützliche und täglich gebrauchte Techniken in Anwendungsnotizen, Ingenieurzeitschriften und schwer zu bekommenden Datenbüchern verborgen blieben: »In other words, there is a tendency among textbook writers to represent the theory, rather than the art, of electronics. [...] [T]he treatment in this book reflects our philosophy that electronics, as currently practiced, is basically a simple art, a combination of some basic laws, rules of thumb, and a large bag of tricks.«145

1976 hat der britische Theaterwissenschaftler RAYMOND WILLIAMS eine Studie zur zeitgenössischer Kultur und Gesellschaft anhand zentraler Schlüsselbegriffe vorgelegt, darunter das Wort ›art‹. Er stellt fest, dass die »original general meaning« bezogen auf »any kind of skill« im Englischen noch immer aktiv sei. Doch habe sich inzwischen die Praxis verbreitet, mit ›art‹ auf eine spezielle Gruppe von Fähigkeiten – vor allem Malerei, Zeichnung, Bildhauerei – zu verweisen, die schließlich die »fine arts« bildeten.146 Zudem diene die Gegenüberstellung von ›art‹ und ›science‹ im Englischen dazu, einer Disziplin einen rein praktischen oder nicht gänzlich rationalisierbaren Handlungs- und Wissensbereich zuzuschreiben, sei dieser nun durch fehlende Komplexität des Gegenstandes, 143 144 145

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Vgl. D.E. Knuth: Computer programming as an art. In: Communications of the ACM, Vol. 17, 1974. S. 667-673. Ebd., S. 673. Vgl. P. Horowitz, W. Hill: The Art of Electronics. Cambridge u.a. 1980. S. XVII. Die deutsche Übersetzung ›Die hohe Schule der Elektronik‹ ist nicht imstande, den Sinn des Originaltitels wiederzugeben. In diesem Sinne z.B. verwendet auch im Vorwort von Glenford J. Myers Buch The Art of Software Testing: »As the title implies, the book is a practical, rather than theoretical, discussion of the subject. Although it is possible to discuss program testing in a theoretical vein, the book is intended to be a practical, ›both feet on the ground‹ handbook.« G.J. Myers: The Art of Software Testing. New York/NY u.a. 1979. S. VII. Vgl. R. Williams: Keywords. London 1977. S. 32-35.

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Intuition, Begabung oder subjektive Geschmacksurteile begründet, und ihr damit selektiv den Status einer modernen, auf Empirie und Experiment gegründeten Wissenschaft zu verwehren – eine Differenz, die sich in ihrer Schärfe kaum verlustfrei ins Deutsche übertragen lässt.147 Übergänge zwischen ›art‹ und ›science‹ sind diesem Verständnis nach nicht fließend, aber möglich: Zum einen kann eine Disziplin ihren wissenschaftlichen Status einbüßen, wenn ihr Wissensbestand obsolet oder der reinen Praxis überlassen wird, zum anderen kann eine neue (weil etwa junge) Disziplin von der Kunst zur Wissenschaft aufsteigen, wenn sie zur Erklärung ihres Wissensbereiches einzig die ›scientific method‹ heranzieht. Dieser Unterscheidung ist sich CHRIS CRAWFORD sehr wohl bewusst, wenn er in seinem Beitrag zum ›Human Engineering‹, erschienen 1981 in De Re Atari, bemerkt: »Human engineering is an art, not a science. It demands great technical skill, but it also requires insight and sensitivity. As such, it is a highly subjective field devoid of absolutes.«148 Wie CRAWFORD jedoch zugleich betont, handelt es sich nicht um eine allgemeine Darstellung des ›Human Engineering‹, wobei eine solche Abhandlung der verschiedenen Meinungen zum Thema sowohl langatmig als auch verwirrend sei, sondern vielmehr um eine Darstellung seiner eigenen subjektiven Perspektive.149 Im Zusammenhang mit ›Game Design‹ von Kunst zu sprechen, soll also nicht dessen vorwissenschaftlichen Status betonen. Vielmehr richtet die Rede von der ›Kunst‹ des ›Game Design‹ den Fokus der Überlegungen auf die tatsächliche Praxis und schafft Freiräume in Opposition zu wissenschaftlich systematisierten Wissensbeständen, wie sie für das ›Game Design‹ aus der Tradition der Computersimulation bereits ab den 1960er-Jahren vorlagen.150 Gleichzeitig befasst sich MARK BERNSTEINS Artikel ›Computer Games – A New Art Form?‹, der in der Augustausgabe 1982 des Magazins Creative Computing erschien und damit neben CRAWFORDS ›So you want to write a Computer Game‹ einer der ersten zu den Grundlagen des Game Design ist, zwar mit Computerspielen als Medien künstlerischen Ausdrucks, wendet sich jedoch unmittelbar der Frage zu, ob es für diese Kunstform übergreifende Regeln und Kriterien gibt, die dazu anleiten können, qualitätvolle Produkte herzustellen. Es sei eben nicht damit zu rechnen, dass Computerspiele durch ernsthaftere Programme ersetzt würden, vielmehr würden Spiele auch unter sich wandelnden Bezeichnungen ein Grundpfeiler der Industrie bleiben, ihre Gestaltungsprinzipien auf andere Produkte ausweiten und den Weg zur Verwirklichung der Computerrevolution ebnen: »The computer combines the virtues of prose and painting, film and music. It represents a new and powerful medium for artistic expression. As in any art and with any medium, though, the artist must know and understand the rules of grammar and the conventions of composition. [...] What

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Vgl. ebd., S. 232-235. Vgl. C. Crawford: The Atari Tutorial, Part 10: Human Engineering. In: BYTE, Vol. 7, No. 6, Jun. 1982. S. 302. Vgl. auch Ders.: Appendix B, Human Engineering. In: Ders. et al.: De Re Atari. Sunnyvale/CA 1981. In De Re Atari heißt es statt »feel« noch »sensitivity«. Vgl. ebd., S. B-1. Vgl. ebd. Insbesondere zum Werkprozess werde ich eine eigene Studie publizieren, die die Spielekritik und die Produktionstheorie des Game Design in den Jahren 1982 bis 1996 zum Thema hat.

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makes a work of art intelligible and accessible to its audience? This is the fundamental problem of literary criticism.«151

BERNSTEINS Artikel gibt denn auch nachfolgend Ratschläge an den »programmer artist«, wie man Spielideen findet, wie man viele und wichtige Entscheidungen in ein Spiel integriert, wie man ein Programm sorgsam konstruiert, wie man die Spielgeschwindigkeit berücksichtigt, wie man Spiele an ihr Publikum anpasst, wie man dem Computer eine Rolle zuweist, wie man Gewalt angemessen kontextualisiert und wie man von Spielen für alle Programme lernt. Ein gutes Programm folge denselben Kriterien, wie es ein Spiel tue. Computerspiele werden den temporären Glanz ihrer Neuartigkeit überdauern. Sie könnten schließlich sogar eine neue Literaturgattung werden. Herausragendes Schreiben verlange nach Inspiration und Genie: Man könne hoffen, diese zu erreichen, sie jedoch nicht beherrschen. Aber fachgerechte, sachkundige Spiele werden gebraucht, um ein Publikum zufriedenzustellen, das ständig wachse und sich verändere. Letztlich solle ein jedes Programm nützlich sein, stabil laufen und Freude bereiten.152 Man mag zudem im Untertitel von CRAWFORDS Buch von 1984 ›Reflections of a Master Game Designer‹ einen Anknüpfungspunkt zu DONALD A. SCHÖNS Entwurf des ›Reflective Practitioner‹ von 1983 erkennen.153 SCHÖN hatte – wider die selektive Unaufmerksamkeit in der Wissenschaft gegenüber »professional artistry« und die »mystique of practical competence«, welche die Unbeschreibbarkeit praktischen Wissens postuliere – einen neuen Blick auf die Epistemologie des professionellen Handelns gefordert.154 Im Gegensatz zu positivistischem verwissenschaftlichtem Wissen einer technischen Rationalität vollziehen Praktiker/innen Wissen, Handeln und Reflexion (und damit Theoriebildung) in der Anwendung. Dieses praktische Erfahrungswissen sei von empirischen Naturwissenschaften unterschieden durch fortwährende Definition komplexer Probleme (»setting«), die sich einfacher Planungs- und Problemlösungsansätze (»solving«) entziehen.155 Im Anschluss an das Konzept des ›impliziten Wissens‹ (POLANYI) beschreibt SCHÖN, dass das Praxiswissen in der wiederholten Ausübung entstehe und so Erwartungen, Bilder und Techniken hervorbringe, um mit ähnlichen Situationen umzugehen. Gleichzeitig bestehe jedoch die Gefahr, für veränderte Ausgangssituationen blind zu werden, sich an unpassende Techniken zu klammern oder den Zugriff auf das implizite und spontane Wissen zu verlieren: »A practitioner’s reflection can serve as a corrective to overlearning. Through reflection, he can surface and criticize the tacit understandings that have grown up around the repetitive experiences of a specialized practice, and can make new sense of the situations of uncertainty or uniqueness 151 152 153 154

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Vgl. M. Bernstein: Computer Games – A New Art Form? In: Creative Computing, Vol. 8, No. 8, Aug. 1982. S. 91-93, hier 91. Vgl. ebd. Der Untertitel wurde bei den elektronischen Fassungen von 1997 und 2011 fallen gelassen. »When people use terms such as ›art‹ and ›intuition,‹ they usually intend to terminate discussion rather than to open up inquiry.« D.A. Schön: The Reflective Practitioner. Farnham 2013. S. VIIf. Vgl. ebd., S. 37-59. Vgl. C. Mareis: Design als Wissenskultur. Bielefeld 2011. S. 162-171.

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which he may allow himself to experience. [...] Practitioners do reflect on their knowing-inpractice. Sometimes, in the relative tranquility of a postmortem, they think back on a project they have undertaken, a situation they have lived through, and they explore the understandings they have brought to their handling of the case. They may do this in a mood of idle speculation, or in a deliberate effort to prepare themselves for future cases.«

Die Reflexion vollziehe sich allerdings auch in der Handlung selbst, wobei sich diese über Tage und Monate hinziehen könne. Die »Reflection-in-Action« sei von zentraler Bedeutung für die Kunst, mit abweichenden Situationen umzugehen, bereits vorgefasste Theorien infrage zu stellen und ggf. noch in der Problemsituation zu neuen Theorien zu kommen.156 Seinem Ansatz folgend, die Wissensgenerierung und den Wissensbestand des ›Reflective Practitioner‹ zu rehabilitieren, erschließt SCHÖN diese an ausgewählten Beispielen aus der beruflichen Praxis selbst. Seine Methode ist die Situationsbeschreibung, das Gesprächsprotokoll (ggf. ergänzt durch Entwürfe) und die Analyse. Schließlich projektiert SCHÖN eine enge Zusammenarbeit zwischen ›Practitioner‹ und ›Researcher‹, ggf. in derselben Person, um so unterschiedliche Forschungsfelder zu erschließen.157 Da SCHÖN allerdings davon ausgeht, dass dieses Wissen von jeher implizit ist und erst noch erschlossen werden müsse, spielt die bereits vorliegende Anleitungs- und Handbuchliteratur, in der ›Practitioner‹ ihre Praxis bereits reflektieren, für ihn keine Rolle. Dagegen betont er die Grenzen der Beschreibbarkeit praktischen Wissens, das, sobald es formuliert wird, für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar sei, selbst wenn es das eigene Reflektieren anzuregen vermag.158 SCHÖNS Abstand zu systematischem, verschriftlichtem Fachwissen wird schon im Vorwort deutlich, wenn er fragt, inwieweit »professional knowing« anders (oder genauso) sei, wie Formen des Wissens »presented in academic textbooks, scientific papers, and learned journals«.159 Für die Verfasser/innen von Produktionstheorie stellt sich dagegen gerade die Frage nach der Vermittelbarkeit praktischen Wissens in Form systematischer Lehrbücher. Betrachtet man unter diesen Vorzeichen nochmals die Feststellung aus CRAWFORDS The Art of Computer Game Design von 1984, dass es ästhetische Prinzipien, eines Rahmens für Kritik sowie eines Modells für einen Entwicklungsprozess bedürfe, um »real art« zu erreichen, so ist dies weit mehr dem ›technischen‹ Kunstverständnis einer Produktionstheorie und -ästhetik geschuldet als einer Theorie, die von einem modernen Kunstbegriff ausgeht.160 Die Tradition in Lehrbüchern, Anleitungstexten und Aufsatzsammlungen mit der Formel ›The Art of ...‹ zu arbeiten, sollte im Umfeld des ›Game Design‹ auch weiterhin Bestand haben. So blieb auch CRAWFORD seinem Anliegen treu, wenn er in den ersten Zeilen der »pilot issue« des Journal of Computer Game Design von 1987 bestimmt: »The purpose of this Journal is to foster the development of the art of computer game design.«161 1990 erschien The Art of Human-Computer Interface Design, 156 157 158 159 160 161

Vgl. D.A. Schön: The Reflective Practitioner. Farnham 2013. S. 59-69, hier 61. Ebd., S. 307-325. Vgl. ebd., S. 276. Vgl. ebd., S. VIII. Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. XIV. Vgl. C. Crawford: Why a Journal of Computer Game Design? In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, 1987. S. 2.

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herausgegeben von BRENDA LAUREL, unter anderem mit einem Beitrag CRAWFORDS.162 Bereits 1996 wächst die Liste der ›Arts‹ im Ultimate Game Developer’s Sourcebook auf leibnizsche Ausmaße an.163 BEN SAWYER wählt neben dem Titel ›The Art of Game Design‹ für den zweiten Abschnitt des Buches auch als Kapitelüberschriften ›The Art of Storytelling‹, ›The Art of Design Details‹, ›The Art of the Interface‹, ›The Art of Motion Capture‹ bis hin zum Abschnitt ›The Art of Computer Game Publishing, Selling, and Promotion‹, sinnvollerweise getrennt von den Abschnitten ›Creating Artwork for Your Games‹ und ›Game Art Tools‹, die sich allein mit der Erstellung visueller Spielinhalte befassen.164 Es ist diese Diskrepanz von ›art‹ als Produktionstheorie und ›real art‹ als entfernter Zielvorstellung emotionalen Ausdrucks, welche die Diskussionen der nachfolgenden Jahre in vielerlei Hinsicht prägen sollte. An diesem Widerspruch muss sich auch CRAWFORD noch abarbeiten, wenn er faktisch einen Traktat zur ›Art of Computer Game Design‹ vorlegt und damit ganz in der Tradition antiker Anleitungsliteratur steht, das Ziel einer ›real art‹ jedoch in weiter Ferne wähnt. Noch in seinem 1996 erschienenen umfassenden Artikel ›The History of Thinking‹ entwirft CRAWFORD eine Entwicklungsgeschichte des menschlichen Gehirnes und seiner Nutzung.165 Angefangen bei den einfachsten motorischen, teilweise autonomen Funktionen schildert er, wie schließlich der schnelle, ungetrübte, holistische, natürliche und dem berechnenden Gehirn vorgeschaltete »reptilian style of emotional thinking« der computerisierten, hochspezialisierten Schreibform des Programmierens als letztem Stand des logischen, unbequemen und prozessorientierten »sequential thinking« des Säugetieres nahezu unversöhnlich gegenübersteht. Die ›Skill-and-Action-Games‹, die heute den größten Teil der Verkaufsregale füllen, funktionieren auf der niedrigsten Ebene des Gehirnes, der reinen motorischen Kontrolle, und verlangen weder emotionales noch sequentielles Denken. Demgegenüber überspringen ›Strategy-and-Puzzle-Games‹ (»wargames, adventure games, role-playing-games«), das emotionale Denken und richteten sich direkt an das sequenzielle Denken: »They are exercises in logic, not emotion. [...] emotional issues are transformed into strictly logical matters [...]. We transform injury into ›hit points‹ [...]. Combat becomes a matter of calculation.« Dies sei nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass sich emotionales Denken nicht einfach programmieren 162

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B. Laurel (Hg.): The Art of Human-Computer Interface Design. Reading/MA u.a. 1990. Im Rahmen des Bandes wird kein Versuch mehr unternommen, ›art‹ zu definieren. Die Einführung der Herausgeberinnen beginnt jedoch mit den bekannten Fragen: »WHAT DO INTERFACE DESIGNERS DO? Where in the process of product development do they do their work? What parts of a product concern them? Upon what principles and intuitions do they base design decisions?« Ebd., S. XI. Das Register zu G.W. Leibniz’ Nachlass aus dem 17. Jahrhundert zählt mehr als 150 ›Künste‹. Hinweis bei P. von Hilgers: Vom Einbruch des Spiels in die Epoche der Vernunft. In: H. Bredekamp, P. Schneider (Hg.): Visuelle Argumentationen. München 2006. S. 205-224, hier 209. Auf der Rückseite des Bandes heißt es gar »Master the art of programming« gemeinsam mit dem Hinweis, dass er im Regal bei den Programmierbüchern einzusortieren sei: »Shelving: Programming«. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. V-XXVI, Coverrückseite. Vgl. C. Crawford: The History of Thinking. In: JCGD, Vol. 9, Is. 5, Jun. 1996. S. 2-11.

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lasse. Es sei dennoch erreichbar, wenn man nur das Wissen der Künste zu nutzen wüsste.166 »[T]he entire output of art might well be called an exercise in emotional thinking. Yes, it has taken a few millenia to figure out how to do it well, but now we have a magnificent heritage of past work on which to draw. Consider how much we have learned in the fields of art: in sculpture, dance, painting, theater, poetry, music, photography, and novels? The body of human knowledge in expressing emotional thinking is vast. [...] The important observation, I think, is not that such knowledge is unknown, but that it is unknown to the people designing interactive entertainment. How many books of poetry does the typical game designer keep on his shelf? When was the last time he went to the opera? What does he think of Klee’s work? Game designers have missed the boat because they never bothered to notice it.«167

Auf der anderen Seite gebe es die Anhänger/innen der Multimedia, die sich weigerten, sich mit Programmierung zu befassen. So seien Game Designer/innen dazu verdammt, kunstlose Klone auszustoßen, während die interaktive Kunst ziellos umhertreibe. Der alte Kampf zwischen Logik und Emotion müsse beendet werden, um diese neue interaktive Kunstform zu meistern. Künstler/innen des Interaktiven müssten in Zukunft mit einem Fuß in der Emotion sowie mit einem Fuß in der Logik stehen und so beide in einem sich gegenseitig stützenden Ganzen zusammenführen.168

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Vgl. ebd., S. 9-11, hier 10. Zu den ›Skill-and-Action-Games‹: »Indeed, the best players report a kind of altered state of consciousness when playing truly well; they lose their sense of themselves and link directly into the game. I suspect that this altered state of consciousness is really a suppression of all brain activity other than the lowest level activity.« Ebd. Ebd., S. 11. Siehe dazu auch Crawfords Rezension über D.J. Boorstins Buch The Creators, in der er festhält, dass Game Designer/innen, obwohl sie »strong opinions about art« haben, aufgrund ihres eher technologischen Hintergrundes kaum über Wissen von den Künsten verfügten. Vgl. C. Crawford: Book Review – The Creators. In: JCGD, Vol. 6, Is. 5, Jun. 1993. S. 9. Vgl. C. Crawford: The History of Thinking. In: JCGD, Vol. 9, Is. 5, Jun 1996. S. 11.

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Epilog »Rhetoric is an art, Aristotle began, because it can be reduced to a rational system of order. [...] That just left Phaedrus aghast. Stopped. He’d been prepared to decode messages of great subtlety, systems of great complexity in order to understand the deeper inner meanings of Aristotle, claimed by many to be the greatest philosopher of all time. And then to get hit, right off, straight in the face, with an asshole statement like that!« R.M. Pirsig/Zen and the Art of Motorcycle Maintenance169

Im April 1974, im selben Jahr, in dem THEODOR H. NELSON seine Streitschrift über die Befreiung der Computertechnologie im Selbstverlag veröffentlichte, erschien – nach einer schier endlosen Verlagssuche – mit Zen and the Art of Motorcycle Maintenance von ROBERT M. PIRSIG eines der meistgelesenen und vielfach neu aufgelegten Philosophiebücher des 20. Jahrhunderts. Das Buch besteht parallel – teils autobiografisch, teils fiktiv – aus der Beschreibung einer Motorradreise des Erzählers mit seinem Sohn in den Westen der USA sowie aus philosophischen Abhandlungen, eingebunden in Rückblenden aus der Bildungsgeschichte des Erzählers, der sich selbst in diesen Abschnitten ›PHAEDRUS‹ nennt. Das Thema des Buches entbrennt an der Frage, ob man in der Lage sein solle, sein eigenes Motorrad zu warten. Laut dem Autor gebe es zwei grundlegend verschiedene Sichtweisen auf dieses Problem: das klassische Verständnis und das romantische Verständnis. »The romantic mode is primarily inspirational, imaginative, creative, intuitive. Feelings rather than facts predominate. ›Art‹ when it is opposed to ›Science‹ is often romantic. [...] It proceeds by feeling, intuition and esthetic conscience. [...] The classic mode, by contrast, proceeds by reason and by laws [...]. Although motorcycle riding is romantic, motorcycle maintenance is purely classic.«170

Stellvertretend für jene romantische Bewegung der Gesellschaft, die sich aus Unverständnis und natürlichen Gefühlen gegen Technologie und wissenschaftliche Erkenntnis stelle, ihr rein beobachtend und unbeteiligt gegenüberstehe, trifft der Erzähler auf JOHN und SYLVIA SUTHERLAND, die ihn und seinen Sohn begleiten. »It’s not the motorcycle maintenance, not the [dripping] faucet. It’s all of technology they can’t take. And then all sorts of things started tumbling into place and I knew what was it. Sylvia’s irritation at a friend who thought computer programming was ›creative.‹ All their drawings and pain169 170

R.M. Pirsig: Zen and the Art of Motorcycle Maintenance. New York/NY u.a. 1984. S. 324. Vgl. ebd., S. 60-62. Es bleibt leider nicht aus, dass Pirsig unter Berufung auf »European cultures« diese Zweiteilung mit Geschlechterstereotypen in Verbindung bringt, Ersteres sei eher feminin, Letzteres beinahe ausschließlich maskulin, weshalb Frauen sich nicht für Wissenschaft, Recht oder Medizin, geschweige denn das schmutzige und schmierige Geschäft der Wartung begeistern könnten. Daneben bedient Pirsig die irrige Vorstellung die ›Counterculture‹ sei technologiefeindlich ausgerichtet gewesen.

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tings and photographs without a technological thing in them. [...] To get away from technology out into the country in the fresh air and sunshine is why they are on the motorcycle in the first place.«171

Gegen diese Haltung, technische Probleme möglichst lange zu ignorieren und sich schließlich an professionelle Mechaniker zu wenden, stellt der Erzähler das klassische Modell der rationalen Analyse und Problemlösung, dem sich auch PHAEDRUS verschrieben habe. So bestehe jedes Motorrad aus deutlich definierbaren Einzelteilen mit genau festgelegter Funktion und ließe sich entsprechend zerlegen und warten, sofern man bereit sei, die ›Scientific Method‹ zur Diagnose und Behandlung von Problemen auf ein System wie das Motorrad anzuwenden.172 Anhaltender Zweifel gegenüber der unbedingten Vormachtstellung empirischer Erkenntnisse, angesichts der unendlichen Menge an Hypothesen, die niemals alle überprüft werden könnten, führte jedoch dazu, dass PHAEDRUS sich für viele Jahre von diesen Fragen abwandte einschließlich eines mehrjährigen Aufenthaltes in Indien, wo er Orientalische Philosophie studierte.173 Schließlich erwarb er einen Masterabschluss in Journalistik und arbeitete als technischer Redakteur sowie als Dozent für verschiedene Techniken des Schreibens. Erst anschließend widmete er sich weiterführenden Studien der antiken griechischen Philosophie im Rahmen des interdisziplinärem Studienprogramms ›Analysis of Ideas and Study of Methods‹ an der Universität Chicago, während er zugleich Rhetorik an der Universität von Illinois lehrte. Der größte Teil des vierten und letzten Abschnittes des Buches ist daher vornehmlich der sophistischen, platonischen und aristotelischen Philosophie sowie Rhetorik gewidmet.174 Seine Schilderung wird getragen von dem angespannten Verhältnis zu den Lehrenden der Institution, allen voran zu dessen Leiter RICHARD MCKEON.175 PHAEDRUS erkennt schließlich, dass sein Verständnis von Qualität in der Tradition der antiken Sophistik steht und damit sowohl in Opposition zum reinen Rationalismus der aristotelischen Schule als auch zum Idealismus und Wahrheitsanspruch der Kosmologen wie PLATON oder SOKRATES. »›Man is the measure of all things.‹ Yes, that’s what he is saying about Quality. Man is not the source of all things, as the subjective idealists would say. Nor is he the passive observer of all things, as the objective idealists and materialists would say. The Quality which creates the world emerges as a relationship between man and his experience. He is participant in the creation of all things. The measure of all things-it fits. And they taught rhetoric-that fits.«176

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Vgl. ebd., S. 9-16, hier 14. Vgl. ebd., S. 63-67, 84-97. Vgl. ebd., S. 97-127. Vgl. ebd., S. 295-373; ›Part IV‹ umfasst die Kapitel 27 bis 32; zur aristotelischen Rhetorik vgl. ebd., S. 324f. McKeon wird namentlich nicht erwähnt, ist aber dennoch eindeutig zu identifizieren, da er durchgehend als »Chairman for the Committee on Analysis of Ideas and Study of Methods at the University of Chicago« betitelt wird sowie als »the Chairman, who was a professor of ancient greek!« Vgl. ebd., S. 303, 348. Ebd., S. 338.

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Es sei das sophistische Ziel der aretê, der Exzellenz einer Person oder einer Sache durch »duty toward self«, in dem PHAEDRUS schließlich sein Verständnis von Qualität wiederfindet und von dem die Sophisten sagten, dass es lehr- und lernbar war. »Those first teachers of the Western World were teaching Quality, and the medium they had chosen was that of rhetoric. He has been doing it right all along.«177 Die Etablierung des Computer Game Design als Kunst steht im historischen Kontext der Rede von der Überwindung der Dualismen, wie sie vor allem durch die von dem britischen Physiker und Schriftsteller CHARLES P. SNOW 1959 formulierte Kritik an den ›zwei Kulturen‹ geprägt worden ist. SNOW hatte die zwei Kulturen anhand von Literatur und Physik, ›Intellektualität‹ und Ingenieurwesen, Kunst und Technologie sowie Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft gegenübergestellt und ihre Trennung in der westlichen Welt scharf kritisiert, da sie die Lösung der wichtigsten Probleme der Menschheit verhindere. Die Folge war eine heftige Diskussion über die Richtigkeit dieser Diagnose und die Möglichkeiten ihrer Überwindung, die schnell weite Teile der Wissenschaft erfasst hatte und Diskurse über die Leistungsfähigkeit der westlichen Gesellschaft der 1960er-Jahre weitgehend bestimmte.178 Explizit wandte sich CRAWFORD erst 1996 den ›Two Cultures‹ zu im Rahmen eines Beitrages für seine Mailingliste Lilan, den er im Anschluss an seine ›Digital Storytelling Conference‹ verfasste. Durchaus schockiert berichtet er von seiner Erkenntnis, dass man es wie von SNOW beschrieben erneut mit zwei Kulturen zu tun habe: der technologiegetriebenen, seelenlosen und antisozialen Welt der »computer games«, die er gerade hinter sich gelassen hatte, und der an Kunst und dem Erzählen von Geschichten interessierten Welt, die jedoch in selbstverschuldeter Inkompetenz unfähig sei, den Computer und dessen neue Möglichkeiten, insbesondere der Interaktivität jenseits eines audiovisuellen Wiedergabegerätes zu erkennen und zu nutzen. Schnell habe sich auch zwischen ihm, »›one of them techies‹«, und den rund 80 Personen im Publikum ein sozialer und sprachlicher Graben aufgetan, da man an gänzlich unterschiedlichen Fragestellungen interessiert sei. CRAWFORDS Schlussfolgerung ist dennoch, nicht ohne seine Enttäuschung zu äußern, dass es die Künstler/innen sein müssten, die sich der Technologie annehmen und sich wie bei jeder anderen Kunstform auch die Hände schmutzig machen, wozu diese aber noch nicht bereit seien. 177

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Vgl. 331-345, hier 341. Phaedrus, zu diesem Zeitpunkt Lehrer für Rhetorik, technisches und kreatives Schreiben (›English Composition‹) an einem kleinen College, wurde schließlich mit der Frage konfrontiert, die ihn nicht mehr losließ: Was ist Qualität? Vor allem seine metaphysischen Überlegungen, in die er sich nach seinen rhetorischen Studien hineinsteigerte, trieben ihn schließlich in den Nervenzusammenbruch, sodass er schließlich mit einer Elektrokrampftherapie behandelt wurde, die seine Persönlichkeit grundlegend veränderte. Der Erzähler macht am Ende seines Buches jedoch deutlich, dass er sich mit seiner Vergangenheit ausgesöhnt hat. Vgl. ebd., S. 152f., 154-169, ausführlicher 170-228; vgl. auch S. 59f., 73-78. Vgl. C.P. Snow: Die zwei Kulturen. In: H. Kreuzer (Hg.): Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz. Stuttgart 1969. S. 11-25; zur Diskussion der ›Zwei Kulturen‹ auch die weiteren Beiträge des Bandes. Zum Gedanken der ›Synthese‹ der Dualismen im Design vgl. C. Mareis: Design als Wissenskultur. Bielefeld 2011. S. 191-221. Im deutschsprachigen Raum etablierte sich diese Debatte im Anschluss an Wilhelm Dilthey als Konflikt zwischen Natur- und Geisteswissenschaften.

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»It is absolutely imperative that we overcome the two cultures biases if we are to realize the potential of this medium. I have given up hope that the techies will make any effort to bridge the gap from their side. After all, they have far too many distractions and rewards for going in other directions; why should they bother with art?«179

Der amerikanische Biochemiker und Rhetoriklehrer ROBERT M. PIRSIG hatte diese Dichotomie schon in den 1970ern in die Überwindung der Trennung von romantischer Kultur und klassischer Kultur, ganzheitlichem Denken und wissenschaftlichem Denken, emotionaler Kunst und rationaler Kunst, platonischem Idealismus und aristotelischem Pragmatismus transformiert: »And so in recent times we have seen a huge split develop between a classic culture and a romantic counterculture-two worlds growingly alienated and hateful toward each other with everyone wondering if it will always be this way, a house devided against itself. No one wants it really-despite what antagonists in the other dimension might think.«180

So ist es denn auch die wohl wichtigste Lektion seines Buches die Versöhnung von romantischer und klassischer Kultur, da beide mit ihren spezifischen Problemen zu kämpfen hätten. Zum einen könne die wissenschaftliche Methode in unüberwindbare Sackgassen führen, wenn sie mit unbekannten Problemen konfrontiert sei, für die noch keine Hypothesen vorliegen, denn die Erfindung von Hypothesen, Kreativität, Originalität, Einfallsreichtum, Intuition und Imagination, die aus festgefahrenen Situationen befreien, liegen außerhalb ihrer Reichweite. Vielmehr müsse man – und das sei immer so – von der rein objektiven Betrachtung des Gegenstandes Abstand nehmen und sich in der Auswahl der Fakten wie ein guter Handwerker von der Sorge um Qualität leiten lassen. Zum anderen gelte es Abstand zu nehmen von der Vorstellung, dass Technologie etwas Hässliches sei, denn die Hässlichkeit liege vielmehr in der Beziehung der Menschen zu den Dingen, die sie produzieren, und übertrage sich auf die Beziehung dieser Dinge zu den Menschen, die sie nutzen. »The ugliness the Sutherlands were fleeing is not inherent in technology. It only seemed that way to them because it’s so hard to isolate what it is within technology that’s so ugly. But technology is simply the making of things and the making of things can’t by its own nature be ugly or there would be no possibility for beauty in the arts, which also include the making of things. Actually a

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Er beendet seinen Beitrag mit dem Appell: »[W]e must not tolerate two cultures antagonism. We must promulgate a cherishing of the bridge-building task between the two cultures. We must applaud those hardy souls who dangle in the chasm between the two cultures, drawing thin strands of commonality between the two sides. [...] The magic of this medium is not to be found on either side of the chasm; it lives and breathes somewhere in the airy space between them, the void now populated by a nimble few who clamber like monkeys on the thin skein of ropes that now constitute the only bridge between the two cultures. This is the territory we must explore and colonize. Don’t look down – it’s a long way down to the bottom.« Vgl. C. Crawford: Two Cultures Again. In: Erasmatazz.com. o.O. o.J. (Online) R.M. Pirsig: Zen and the Art of Motorcycle Maintenance. New York/NY u.a. 1984. S. 62.

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root word of technology, techne, originally meant ›art.‹ The ancient Greeks never separated art from manufacture in their minds, and so never developed separate words for them.«181

So müssten romantisches und klassisches Denken kombiniert werden, um den Dingen Identität zu geben und nicht bloß technologische Gegenstände zu sein, die man nachträglich etwas »aufhübsche«, um sie erträglich zu machen. Deshalb sei die seit SOKRATES bestehende Vorstellung zu überwinden, dass die Leidenschaften, die Emotionen und die Domäne der Affekte zugunsten der Rationalität zurückzuweisen seien.182 »At present we’re snowed under with an irrational expansion of blind data-gathering in the sciences because there’s no rational format for any understanding of scientific creativity. At present we are also snowed under with a lot of stylishness in the arts-thin art-because there’s very little assimilation or extension into underlying form. We have artists with no scientific knowledge and scientists with no artistic knowledge and both with no spiritual sense of gravity at all, and the result is not just bad, it is ghastly. The time for real reunification of art and technology is really long overdue. [...] What really counts in the end is their [those responsible for the work] peace of mind, nothing else. The reason for this is that peace if mind is a prerequisite for a perception of that Quality which is beyond romantic Quality and classic Quality and which unites the two, and which must accompany the work as it proceeds. The way to see what looks good and understand the reasons it looks good, and to be at one with this goodness as the work proceeds, is to cultivate an inner quietness,a peace of mind so that goodnesscan shine through.«183

Es waren diese Appelle von PIRSIG und NELSON, die nicht ungehört verhallten. So erinnert sich etwa BING GORDON, damals Marketingdirektor bei Electronic Arts, an die Umstände der Werbekampagne von 1983: »Our goal was to be a premium brand, start small and then build from a base. And we had learned in the advertising world about how to create a quality brand. Some of the tricks were to let users 181 182

183

Ebd., S. 260. Vgl. ebd., S. 247-268. Dass Pirsig auch Computertechnologie vorschwebte, wird vielfach an seinen Äußerungen deutlich. Zudem war er selbst noch, während er Anfang der 1970erJahre mit der Abfassung seines Buches beschäftigt war, als Redakteur für Computerhandbücher angestellt. »While at work I was thinking about this same lack of care in the digital computer manuals I was editing. Writing and editing technical manuals is what I do for a living the other eleve months of the year and I knew they were full of errors, ambiguities, omissions and information so completely screwed up you had to read them six times to make any sense of them.« Vgl. ebd., S. 24. Zudem nimmt er die Technologie wiederholt vor Missverständnissen in Schutz: »Technology is blamed for a lot of this loneliness, since the loneliness is certainly associated with the newer technological devices [...] but I hope it’s been made plain that the real evil isn’t the objects of technology but the tendency of technology to isolate people into lonely attitudes of objectivity. [...] That’s why I went to so much trouble to show how technology could be used to destroy the evil. [...] Quality destroys objectivity every time.« Ebd., S. 322. Ebd., S. 264f. »I’ve said you can actually see this fusion in skilled mechanics and machinists of a certain sort, and you can see it in the work they do. To say that they are not artists is to misunderstand the nature of art.« Ebd., S. 266.

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discover you, and also to seem a little bit zany. We believed – and we’ve done this in advertising – that if you seem a little bit illogical and crazily committed to whatever you’re doing, potential customers take that as one indication of intent to quality. We’d all read Zen and the Art of Motorcycle Maintenance, where Pirsig talks about intent to quality. [...] So we combined those two things getting across intent to quality, because the way the big companies would do it is they’d say, ›Quality is job 1,‹ but then spend $100 million in advertising, and every consumer knows that that’s foretelling of quality that is not job 1. [...] So we tried to figure that out and make it feel like missionary zeal.«184

Und auch CHRIS CRAWFORD hatte noch 1984 das Game Design gleichermaßen zu einem künstlerischen und technologischen Prozess erklärt, dessen Integration im Rahmen eines idealisierten Designprozesses, also gerade im Rahmen der Produktionstheorie, dem »model for development«, zu leisten wäre. »Game design is primarily an artistic process, but it is also a technical process. The game designer pursues grand artistic goals even as she grinds through mountains of code. During the process of developing the game, she inhabits two very different worlds, the artistic world and the technical world. How does one manage the integration of such dissimilar worlds? In short, how does one go about the process of designing a computer game? [...] In this chapter I will suggest a procedure by which a computer game could be designed and programmed.«185

Die besondere Anziehungskraft, welche die Emotionen noch Anfang der 1980er-Jahre für Medienschaffende ausübten, ging nicht zuletzt von ihrer behaupteten Fähigkeit aus, sie mit Technologie zu einem höheren Medium zusammenzuführen. Es erschien ein erreichbares Ziel zu sein, jene Trennung zu überwinden, die NELSON und PIRSIG beschrieben und zu deren Lösung sie bereits die Mittel bereitgestellt hatten. Denn anders als in Europa, wo man sich vor allem der Informationsästhetik und der vom französischen Poststrukturalismus gesättigten Medientheorie widmete, hatte man in den USA die Computertechnologie – und insbesondere den Personal Computer – schnell als neues Ausdrucksmedium angenommen.186 Und so blickten Computerspielentwickler/innen verstärkt auf die populären Medien, die den Umgang mit Emotionen bereits beherrschten, allen voran Film und Literatur, um sich mit ihnen zu vergleichen und zu messen.

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Vgl. J. Funk: EA. Roseville/CA 2007. S. 22. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 59. Vgl. C. Pias: »Hollerith ›gefiederter‹ Kristalle.« In: M. Hagner, E. Hörl (Hg.): Die Transformation des Humanen. Frankfurt a.M. 2008. S. 72-106, hier 98-106, passim. Ders.: Die Welt des Schmoo. In: D. de Kerckhove, M. Leeker, K. Schmidt (Hg.): McLuhan neu lesen. Bielefeld 2008. S. 140-157. Vgl. auch C. Mareis: Design als Wissenskultur. Bielefeld 2011. S. 211. C. Klütsch: Computergrafik. Wien 2007.

INHALTSANGABE Eine Diskussion, die beinahe den gesamten Untersuchungszeitraum begleitet, ist die um den Vergleich der Computerspiele mit anderen Medien, vor allem dem Film und der Literatur. Im Mittelpunkt stehen dabei die Fragen der Bedeutung von Interaktivität, Bild und Erzählung, ihr Verhältnis zueinander sowie ihre spezifische Realisierung im Medium Computerspiel. An diesen Fragen treten deutliche Brüche im Verständnis jener hervor, die sich an anderen Medien orientieren, diesen vielleicht sogar nacheifern, und jenen, die das Computerspiel nicht bloß als ›interaktive‹ Variante älterer Medien verstanden wissen wollen. (157-160) | Unter den Stichworten ›Interactive Movies‹ und ›Interactive Fiction‹ werden jeweils drei Diskussionsschwerpunkte behandelt: Mit dem Aufkommen der CD-ROM wird zugleich gefragt, ob nicht eine Form von ›Low-Interactive Entertainment‹ oder ›Storytelling‹ erstrebenswert sei, die von den visuellen und narrativen Fähigkeiten multimedialer Präsentation Gebrauch macht. (160-177) | Anderen dienen die visuellen Qualitäten und die Geschichte der DISNEY-Animationsfilme und Freizeitparks als Vorbild. (177-180) | Gleichzeitig setzen sich viele mit den erzählerischen Mitteln der sich trennenden ›Graphic Adventure Games‹ und textbasierten ›Interactive Fiction‹ auseinander. (180-192) | Eine der häufigsten gewählten Vergleiche gilt dem System ›Hollywood‹, wobei Kritiker/innen den Vorwurf vorbringen, es gehe dabei vor allem um Ruhm und Reichtum. (192-201) | Dagegen dient das Theater als Modell für ein computergestütztes interaktives Drama, bis schließlich das ›Holodeck‹ zu dessen Ideal aufsteigt. (202-224) | Abschließend werden diese Diskussionen mit dem sog. ParagoneStreit der Frühen Neuzeit verglichen. (224-229)

II. ›Similarities with Other Media‹ – Vergleiche von Computerspiel, Film und Literatur ›Interactive Movies‹ und ›Interactive Fiction‹

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aum eine Diskussion im Bereich des ›Game Design‹ sollte bereits ab Ende der 1980er-Jahre so intensiv geführt werden wie jene um die Positionsbestimmung von Computerspielen im Spektrum anderer Medien, um Ähnlichkeiten und Differenzen sowie um die visuellen und erzählerischen Möglichkeiten der Spiele. Vor allem die Frage nach dem Verhältnis von Film und Spiel sollte jedoch so schnell nicht beantwortet werden. Ziel war es, den Ausdruck von starken Emotionen, ebenso wie narrative Techniken, in das Repertoire des Mediums aufzunehmen, um nicht zuletzt dessen Kunststatus zu untermauern.

Als Reaktion auf mehrere ›Opinion Pieces‹ in den ersten Ausgaben des Journal of Computer Game Design nahm CHRIS CRAWFORD im fünften Heft, erschienen im Februar 1988, zu den Fragen der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Medien Stellung, indem er »computer games«, »cinema« und »literature« miteinander verglich.1 Insbesondere das frühe Kino sei dabei tatsächlich sehr gut mit den Spielautomaten vergleichbar, ein Apparat an einem öffentlichen Ort, aktiviert durch das Einwerfen einer Münze und einige wenige Minuten Unterhaltung und Sensation bietend. Das Kino habe sich, nachdem es ebenfalls eine erste Krise um die Jahrhundertwende erlebte, versucht, neu zu erfinden, indem es sich dem Element der Erzählung zuwandte. Frühe Versuche, das Theater zu imitieren bzw. es einfach abzufilmen, seien jedoch fehlerhaft gewesen, da man die Möglichkeiten des neuen Mediums nicht zu nutzen gewusst habe; ganz ähnlich würden heute »computer games« versuchen, das Kino zu imitieren. Dagegen hätten kreative, experimentelle Filmemacher wie EDWIN S. PORTER oder D.W. GRIFFITH gelernt, mit den neuen Möglichkeiten des Mediums umzugehen, und dessen Grundelemente und Techniken definiert, die sich vor allem dadurch auszeichneten, sich vom Theater zu unterscheiden: »We have to admit to ourselves that we have, as yet, no D. W. Griffith of games. We have not yet hit upon the fundamental techniques of our craft. We have yet to produce a game rivalling Birth of a Nation. The best of our work might be compared with The Great Train Robbery or Melies’ A Trip to the Moon. We have a long way to go.« 1

Vgl. C. Crawford: Similarities with Other Media. In: JCGD, Vol. 1, Is. 5, Feb./Mar. 1988. S. 14-16.

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Eine weitere Parallele finde sich in den Vorschriften der Verwertungsunternehmen, da man bei Filmen wie auch Spielen lange Zeit der Überzeugung gewesen sei, niemand sei gewillt, länger als wenige Minuten Aufmerksamkeit für diese aufzubringen. Und ebenso hätten diese Unternehmen versucht, die Namen der Kreativen geheim zu halten. Der Vergleich mit dem Langzeitmonopolisten Atari liege also auf der Hand: »Atari lived and died as an arcade-game company, certain to the end that what the public really wanted was fast-paced, short-duration games. Atari steadfastly refused to grant name attribution to its designers, grudgingly conceding only a few minor exceptions long after the rest of the industry had adopted the practice. And Atari died even more quickly than the Motion Picture Patents Company. Only the name remains today, pasted onto a completely different company.«

Schließlich sei das Problem des ›Lexicon Development‹ durchaus vergleichbar, da auch »computer games« vor der Aufgabe stehen, ihr Vokabular, ihre Techniken und Konventionen zu entwickeln, die das Publikum verstehe. Angesichts der dynamischen Situation werde mit beinahe jedem Produkt auch das »user interface« neu erfunden, was zu fehlenden Standards und unnötiger Verwirrung führe. Die Gefahr eines solchen Vergleiches liege jedoch in der Vereinfachung, »computer games« entsprechend den Filmen als visuelle Präsentation von Geschichten zu verstehen, zu denen die Interaktivität als zusätzliche Eigenschaft einfach hinzutrete. Tatsächlich sei Interaktion jedoch so zentral für die »gaming experience«, dass es völlig falsch sei, von den Bildern auszugehen und ihnen ihre Interaktivität nachträglich einhauchen zu wollen: »You have to start with the fundamentals.« Ähnlich gelagert wie die Vorstellung von »interactive movies« sei jene von »interactive fiction«, also die Vorstellung, es handele sich grundsätzlich um Literatur, die nun um Interaktion ergänzt sei. Die Ähnlichkeiten zwischen »stories« und »games« endeten jedoch bereits bei der allgemeinen Feststellung, dass es in beiden Konflikte und Charaktere gebe. Tatsächlich provoziere der Vergleich eher Fehler, denn eine festgefügte Abfolge von Ereignissen »makes for great fiction and lousy games« und beraube Spielende der Möglichkeit, signifikante Entscheidungen zu treffen.2 2

Erst im Dezember 1994 wandte sich Crawford noch einmal dem Vergleich von Computerspiel und Literatur zu und gab zu, dass auch er sich vor allem von dem Vergleich zum Kino habe anstecken lassen, man könne jedoch mehr lernen, »comparing interactive entertainment with other forms of entertainment in their early stages«. Dass Literatur eher elitär und nicht unterhaltend sei, sei jedoch eine moderne Vorstellung. Als Erstes verweist Crawford auf Le Morte D’Arthur von Thomas Malory, erschienen im Jahr 1485. Nachdem die Arthursage nur durch französischsprachige Handschriften oder durch Erzähler zugänglich gewesen sei, habe der Verleger Thomas Caxton das Manuskript von Malory in die Hände bekommen, Tausende Exemplare verkauft und damit den ersten ›Bestseller‹ der Menschheit im Programm gehabt. Lesen, durch die Verbreitung der Bibel zunächst allein eine Pflicht des Glaubens, sei plötzlich zu einer Form der Unterhaltung auch für die Massen geworden in einer Zeit, in der keine vergleichbaren Angebote existierten. Le Morte D’Arthur habe wesentlich dazu beigetragen, die englische Sprache zu vereinheitlichen und sei zudem ein gutes Beispiel für die oft fehlende Bereitschaft, ein Unterhaltungsmedium als solches zu erkennen, da etwa entstehende Kosten häufig zunächst rational und durch ihren Nutzen begründet würden; es sei ein Phänomen, das sich bei

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Es sei durchaus sinnvoll, von bekannten Phänomen auf weniger bekannte Phänomene zu schließen: »But we must remember that games are not movies and they are not fiction. The terms ›interactive movie‹ and ›interactive fiction‹ only indicate the magnitude of our failure to figure out the true nature of games.« Noch im Juni 1988 befasste sich auch STEPHEN LINHART mit den Möglichkeiten elektronischer Unterhaltung im Vergleich mit anderen Medien.3 Video- und Computerspiele seien so entwickelt, fortgeschritten und beliebt wie nie zuvor, und das schneller als jedes andere »artistic medium« in der Geschichte, was nicht zuletzt der »micro-computer revolution« zu verdanken sei. Man habe große Fortschritte gemacht, indem man viel von ausgewachsenen Feldern, wie Zeichnen, Malerei, Animation, digitale Musikkomposition, KI und Film gelernt habe, erreiche riesige Gewinne und ein Publikum auf der ganzen Welt, und doch sei man mit dem Erreichten unzufrieden. Man beschwere sich, dass Spiele plump und simpel seien, dass das eigene Medium mit so wenig Prestige behaftet sei und hefte Handlung, Charaktere, Musik, Filmsequenzen, Kurzgeschichten und weitere Äußerlichkeiten von anderen Unterhaltungsmedien an das eigene. Dennoch habe man es bisher verpasst, ›Computer Entertainment‹ zu entwickeln, das über ›Computer Games‹ hinausgehe, denn »games make up a very small part of the field of entertainment, as an art, and as an industry«. Die größte Herausforderung für die zukünftige Entwicklung, an der durchaus auch Video- und Computerspiel teilhätten, sei es, neue Wege zu gehen, ohne die ›Interaktivität‹ zu vernachlässigen. So gäben vor allem Simulationen, aber auch manche Anwendungen, die Möglichkeit, spielerisch und fantasievoll in künstlichen Welten zu agieren, ohne dass es darum gehe, ein Spiel zu besiegen; überhaupt seien solche Spielzeuge, die ohne Gewinnziel zum Kreieren, Lernen und Entdecken einladen, ein gutes Vorbild für ›Computer Entertainment‹, da sie die Kreativität auf eine Weise förderten, an denen Spiele, die häufig durch Versuch und Irrtum zu lösen seien, scheiterten. Der Computer könne

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Heim- und Personal Computern wiederholt habe. An zweiter Stelle verweist Crawford auf den ersten ›Star‹ der Literaturgeschichte: Desiderius Erasmus, der mit seiner Weitsicht und kritischen Haltung ab 1505 zunehmend Bekanntheit erlangt und mit The Praise of Folly, einer geistreichen Satire zur Förderung des Humanismus, den ersten internationalen ›Bestseller‹ vorgelegt habe. Auch seine Folgewerke, insbesondere die Kolloquien, lustige Geschichten eingebettet in fiktive Dialoge, die an Lateinstudierende gerichtet gewesen seien, hätten ein großes Publikum gefunden. Gleichzeitig habe er durch seine theologischen Studien, darunter die Neuübersetzung des Neuen Testamentes aus den ursprünglichen griechischen Quellen, auch in der Gelehrtenwelt von sich Reden gemacht. So sei es ihm gelungen gleichzeitig Anerkennung und Berühmtheit zu erlangen. Wegen der weit verbreiteten, unautorisierten Nachdrucke seiner Schriften habe Erasmus jedoch kaum Reichtum erlangen können; nur da er – ähnlich aktueller Softwareproduktpolitik – seine Werke stets auf dem neuesten Stand gehalten und überarbeitete Fassungen veröffentlicht habe, sodass nur ein Originaldruck versprach, vollständig zu sein, seien Druckereien bereit gewesen, ihm eine Vorauszahlung zu gewähren. Unwillig, im Konflikt der Reformation eine Seite zu wählen, sei er jedoch schließlich von beiden Seiten gehasst verstorben. Vgl. C. Crawford: The First Mass Entertainment Medium. In: JCGD, Vol. 8, Is. 2, Dec. 1994. S. 10-12. Vgl. S. Linhart: Video Games/Computer Entertainment. In: JCGD, Vol. 1, Is. 7, Jun./Jul. 1988. S. 8-10.

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als einzigartiges Medium Charaktere, Spielwelten und Erfahrungen zum Erforschen anbieten, die in keinem anderen Medium möglich seien. Dennoch gebe es nicht die eine Antwort für die Entwicklung des besseren ›Computer Entertainment‹, weder »multiplayer games«, bessere Grafik, noch »interactive novels« oder »interactive movies«. Die wohl wichtigste Lektion, die man von der Filmindustrie lernen könne, sei, dass es keine Formel für einen ›big hit‹ gebe, der letztlich das Ergebnis von harter Arbeit, der Weiterentwicklung von Vorangegangenem und dem kreativen Umgang mit dem Medium sei. Es gebe jedoch sehr viele unterschiedliche Vorstellungen davon, was kreativer Umgang mit dem Medium sei. Für LINHART ist das wertvollste Konzept jenes der »hohen Bandbreite«, mit der man die Menge und Frequenz relevanter Eingaben in das Programm beschreibe, »a high rate of information transacted with a person’s internal model of the world«, sowie die Ausgabe verständlicher Informationen an die Nutzer/innen. Die Erfahrung mit einer Unterhaltungssoftware werde wesentlich durch die »artistic integrity of the whole« bestimmt und könne ein größeres Publikum erreichen, wenn es nicht konkurrenzbetont sei. Der Schlüssel sei es, eine kreative und in sich stimmige Idee zu nehmen und sie durch die angemessene Nutzung des Mediums an das Publikum zu vermitteln, was bedeute, eine Software, in der es nicht um Wettstreit oder das Lösen von Rätseln gehe, nicht nach dem Bild eines »game« anzulegen. »The search for a high human bandwidth in whatever medium is just a fancy name for art. The really exciting thing about computer entertainment is the brand new challenge of combining high bandwidth output with high bandwidth input. The input side of the equation is something we cannot learn about from other venerable media, because it is something entirely new.«

Interactive Movies I: Low-Interactive Entertainment

Mit DOUG SHARP und KELLYN BEECK, beide zu dieser Zeit bei Cinemaware beschäftigt4, widmeten sich bereits in der ersten Ausgabe des Journal of Computer Game Design, erschienen im Juni 1987, zwei Autoren in jeweils eigenen Artikeln dem Vergleich des Computerspieles mit dem Film. Vor allem dieser Vergleich sollte mit den zunehmenden grafischen Möglichkeiten der Personal Computer ab Ende der 1980er-Jahre immer wieder herangezogen werden, um Ähnlichkeiten und Unterschiede deutlich zu machen. Nicht zuletzt das Prestige des Hollywoodkinos machte diese Vergleiche so attraktiv. So stellt SHARP gleich zu Beginn seines Beitrages ›Was Pong Our Fred Ott’s Sneeze?‹ fest5: »What game designer wouldn’t like to be accorded the status of a movie director? Which of us wouldn’t like to show our ability to make great Art despite the corrupting influences of fame, pow-

4

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Im Kontext der von Chris Crawford zusammengetragenen Kurzbiografien fällt auf, dass beide Autoren, obwohl sie durchaus technologieaffine Ausbildungen anstrebten, sich letztlich eher dem »Schreiben« in Journalismus oder Literatur zuwandten, um sich erst darauf wieder den »computer games« zu widmen. Vgl. C. Crawford: Whence Come Computer Game Designers? In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./Jul. 1987. S. 11f. Dies mag auch erklären, warum sich beide bereits für die Erstausgabe des Journal bereit erklärten, einen Artikel beizusteuern. Vgl. D. Sharp: Was Pong Our Fred Ott’s Sneeze? In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./Jul. 1987. S. 4f.

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er, and money? It is a commonplace in our little industry to draw parallels between our medium and the cinema (the cinema being more prestigious than television).«

SHARP stellt den damaligen Entwicklungsstand der »computer games« der Filmgeschichte gegenüber, habe der Film doch innerhalb weniger Jahrzehnte bleibende Meisterwerke hervorgebracht. »Can we hope the art of computer games will develop as quickly? [...] When will we have our Birth of a Nation, our M, our Citizen Kane?« Er betont, es sei eine Versuchung zu hoffen, dass sich »our art form« ähnlich schnell entwickeln könne und »young, healthy designers among us might live to create works of high computer gaming art«. Dennoch äußert sich SHARP sehr zurückhaltend und widerspricht damit den »keepers of the holy flame of computer gaming art«. Der Film habe schon in den ersten Dekaden nach seiner Erfindung über die volle Bandbreite seiner Gestaltungsmittel (»The full power of the cinematic medium«) verfügt und sein Verhältnis zum Zuschauer nicht mehr grundlegend verändert. Die Zukunft der »computer games« sei dagegen kaum absehbar. Folglich könne es (ähnlich der Literatur) Jahrhunderte dauern, bis das »computer gaming« ausgereift sei. SHARP spekuliert auf ein vollkommen lebendiges ›game‹ – »inhabited by sentient, richly complex beings«. Wer also ernstlich an der Weiterentwicklung des »computer gaming« interessiert sei, solle sich mit künstlicher Intelligenz befassen. Es gehöre zu den nobleren Aufgaben, sich bis dahin der Techniken des Kinos und des Fernsehens (»the full range of cinematic effects, at a minimum«) zu bemächtigen und diese zum »growth of our art (and artists)« einzusetzen, da Computer die anderen Medien in »graphic and aural quality« bald übertreffen werden. »The modeling of computer games after films is an important experiment, because how can we surpass film as an art form if we cannot equal it?« SHARPS Vergleich unterstreicht damit sein Bild von »computer games«, wenn er sie – wie Theater, Kino oder Fernsehen – als »visual/temporal medium« klassifiziert und er zugleich seinen Beitrag zur »art of computer games« darin sieht, stets zum selben Problem zurückzukehren: »how to tell a story with a computer.« Die Entscheidung, »computer games« als visuell/zeitliches bzw. narratives Medium zu sehen, erscheint dem Entwicklungsprozess vorgelagert. »I had to decide what it meant to make a computer game be cinematic and how the project fit into my career as a software artist.« Er habe in der Folge gezielt darauf gesetzt, Technologien zur »actor animation« sowie ein »drama scripting system« zu entwickeln, um »synthetic actors« zu kreieren, die »facial emotion« zeigen und sich in dreidimensionalen Umgebungen aus Szenenbild und Requisiten bewegen könnten. »I feel it is crucial to the commercial and artistic success of interactive narration to develop convincing graphic characters.« Dies werde verbunden mit einer »modular narrative«, welche die Konstruktion einer nicht linearen, »meaningful story« aus einem großen Repertoire (»story space«) an Clips mit individuellen Geschichten und Enden ermögliche. »I intend to steal only what is appropriate to our interactive medium.« Dies sei das naheliegende Ziel, solange die Gestaltungsmittel des Mediums noch nicht vollständig erschlossen seien. So ist SHARP davon überzeugt, »computer games will replace cinema and television as the popular art form, perhaps in our lifetime.« »I believe that, while our generation of game designers will never get to use the full power of our chosen medium, the power to create life, we can and will surpass cinema in expressive power and

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entertainment value. Striving to stretch our art through exploring the uses of cinematic effects is important at this stage in the artistic and commercial development of computer gaming. [...] I expect to play and hope to design games which equal Citizen Kane in artistic merit.«

Als Antwort auf den Beitrag von SHARP verfasste JAMES KERWIN einen Leserbrief6, der dem Autor vorwirft, so fruchtbar der Vergleich für den Einzelnen auch sein mag, vergessen zu haben, dass es sich um »different art forms« handele mit jeweils eigenen Stärken und Schwächen, nicht in der Lage, das jeweils andere zu übertreffen. Erstens würden Computerspiele niemals mit der Macht des Geschichtenerzählens im Film vergleichbar sein, vor allem, weil es ihnen (noch) nicht möglich sei, lebendige Charaktere zu realisieren. Doch selbst wenn es irgendwann möglich sein sollte, worin liege dann der Reiz des Mediums zur heutigen Zeit? Zweitens seien Computer und Computerspiele von sich aus ›kalte‹ Medien, während Filme ›heiße‹ Medien seien. Die »aesthetic distance« sei in Computerspielen deutlich größer, weshalb diese das Publikum nicht in gleicher Weise mitreißen oder die gleiche Macht des Geschichtenerzählens entwickeln könnten. Drittens generierten bei Filmen, aber auch im Theater, Thema, Handlung, Schauplatz und Charaktere die emotionale Kraft. Die Variabilität der Spielausgänge verhindere jedoch das Zustandekommen schon eines Themas, was die Macht des Geschichtenerzählens weiterhin einschränke. Statt also dem fruchtlosen Bestreben nachzugeben, sich mit Filmen messen oder diese gar übertreffen zu wollen, sollten vielmehr die Stärken der Computerspiele genutzt werden, um diese besser und auch profitabler zu machen. Die entscheidende Stärke des Computers sei seine Rechenleistung, doch sei es ebenso falsch, die Zukunft der Spiele allein in der Entwicklung künstlicher Intelligenz zu sehen. Vielmehr böten Computer die Möglichkeit, ›bereits existierende‹ Menschen miteinander zu verbinden: »I believe the most fertile and fruitful path of development is to create games that allow human beings to have fun together ...« Auch KELLYN BEECK geht davon aus, dass der »personal computer« ein »visual medium« wie der Film (»movie«) sei.7 Doch im Gegensatz zur »cinematography«, der »vision« oder den »images« des Filmes, die wesentlich seien »to communicate with audiences« und »the success of a movie«, gelänge es »computer games« jedoch nicht, einen »visual impact« zu entwickeln. Seit Erscheinen des »personal computer« (»ten years ago«) habe man sich vor allem darauf konzentriert, diesen für die Datenverarbeitung einzusetzen und durch »interactivity« (»the computer’s one unique characteristic«) Menschen zu unterhalten oder Anwendungen aufzuwerten. Dagegen hätten »graphic displays« und »graphics interactivity« auch aus technischen Gründen eine untergeordnete Rolle gespielt. Besonders die neuere Technologie mache es in naher Zukunft jedoch möglich, »television-quality video« mit der »processing power of the computer« und der »storage capacity of a CD« zu kombinieren. »Then, movie-like visual impact can be included in the computer game designer’s toolbox.« Die wachsende Fähigkeit des Computers, »pictures and sound« zu verarbeiten, mache es erstmals möglich, den amerikanischen Massenmarkt zu erreichen, der die »image characteristics of television and cinema« gewöhnt sei 6 7

Vgl. J. Kerwin: Re – Doug Sharp’s analogy comparing games to movies. In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug/Sep 1987. S. 3. Vgl. K. Beeck: Visual Impact. In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./Jul. 1987. S. 8f.

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und dessen Erwartungshaltung nun erfüllt werden könne. Mit der »mass audience« entstünden »intrinsic artistic and financial opportunities«. Aus der Weiterentwicklung audiovisueller Technologie entstehe die visuelle Herausforderung an Game Designer/innen, »entertaining ways for game players to interact with ›real-life‹ pictures« zu entwickeln. Während es jedoch relativ einfach sei, Spiele – ähnlich den frühen »computer games« – mit den nichtssagenden Qualitäten des Staunens und der Überraschung (»›gee whiz‹«) auszustatten, sei es deutlich schwieriger, Spiele zu machen »that are fun and intellectually stimulating at the same time«. Der »Visual Impact« stehe nämlich in einem Spannungsverhältnis zur Spieltiefe, insbesondere da man sich noch immer entscheiden müsse, wie viel kostbare Entwicklungsund Rechenzeit man grafischen Qualitäten und ihrem Einsatz »at the expense of game play« und »game depth« opfere. Stelle man sich gegen »kosmetische Äußerlichkeiten«, könne das Spiel nur »mentally through the realism of the game’s simulation, text descriptions and representational graphics« erfahren werden. Dagegen würden »realistic graphics, true-to-life images« es den Spielenden erlauben, »to experience the world [...] visually, without sacrificing the rich detail of the original simulation«. Konzentriere man sich nämlich allein auf die Grafik »instead of a great [...] simulation, the consumer gets little more than a glorified arcade game«. Ressourcen zwischen »graphics« und »depth of game play« müssten gleichmäßg verteilt werden; »terrific graphics« könnten den »loss of game play« nicht aufwiegen. Es dauere nicht mehr lange, bis der »personal computer« in der Lage sei, »interactivity« und »visual impact« gleichermaßen bereitzustellen, sodass »game designers« nicht länger gezwungen seien, zwischen »graphics« und »game play« zu entscheiden. »We’ll have twice the weaponry of our poorer cousins, the film directors, who’ll be forced to settle for visual impact alone. But this power also brings responsibility. We’ll need to give careful thought to wielding this two-edged sword in every game we design, making sure we deliver great interactivity as well as powerful visual impact.«

Ein Jahr nach seinem ersten Artikel griff KELLYN BEECK seine Überlegungen noch einmal auf und widmete sich den Möglichkeiten des grafischen Realismus in Spielen angesichts des Umstandes, dass Produkte mit aufwendiger Präsentation eher als spielerisch minderwertig verschrien seien.8 Entwicklungszeit ebenso wie Rechenleistung könnten, so die allgemeine Meinung, schließlich nicht gleichzeitig für Präsentation und Spielsystem eingesetzt werden. Ein Zustand, der sich dank der wachsenden Leistungsfähigkeit der Hardware jedoch zunehmend ändere. Der naheliegendste Grund, wertvolle Zeit und Geld für Grafik einzusetzen, ohne dabei die Tiefe und Komplexität des Spieles zu opfern, sei, das Publikum für ein Spiel und damit den wirtschaftlichen Erfolg zu vergrößern. Als Unterhaltungsmedium befänden sich »computer games« in Konkurrenz zu Film und Fernsehen, deren visuelle Möglichkeiten noch immer deutlich über denen der Spiele lägen. »Most people would probably prefer to watch a great movie and play a great computer game. People care about their favorite actor, actresses and aliens—but they find it harder to develop emotional attachments for a bunch of blocky pixels.«

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Vgl. K. Beeck: Graphic Realism. In: JCGD, Vol. 1, Is. 8, Aug./Sep. 1988. S. 11-13.

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Doch der Graben beginne sich zu schließen. Es gelte, diese Möglichkeiten richtig einzusetzen. So sei Grafik besonders geeignet, um Eindrücke ungefiltert und mit möglichst großer emotionaler Wirkung zu vermitteln, und zwar anders als eine numerische oder sprachliche Repräsentation. Dennoch müsse das Verhältnis von audiovisueller Präsentation zu »process intensity« und damit Tiefe, Balance und Spielwert angesichts beschränkter Mittel stets neu ausgehandelt werden, um sie optimal zu verwenden. Eine gute Einsatzmöglichkeit von Grafik sei etwa die Nachbildung bekannter und schöner Bildformate des Fernsehens, um Spielenden die Beschäftigung mit Computern möglichst angenehm zu machen. Grafik könne besonders effektiv eingesetzt werden, um im Rahmen von Eröffnungs- oder Schlusssequenzen eine emotionale Einführung bzw. einen Abschluss zu leisten. »Graphic realism can be a powerful storytelling tool.« Man könne »Establishing Shots« einsetzen, um Schauplätze, Charaktere und Stimmungen einzuführen und die Vorstellungen der Spielenden anzuregen. Der Einsatz von grafischem Realismus sei besonders wirksam, um die Einstellungen der Spielenden gegenüber Charakteren zu beeinflussen, »as a storytelling vehicle [it] can make players love your good guys and hate your bad guys«. Schließlich helfe realistische Grafik bei der »Suspension of Disbelief«, der Bereitschaft der Spielenden sich auf das Spiel und sein noch so unwahrscheinliches Szenario einzulassen. Richtig genutzter grafischer Realismus sei also ein durchaus erstrebenswertes Ziel für »computer games«. In diesem Kontext widmete sich CHRIS CRAWFORD im April 1990 dem um sich greifenden Enthusiasmus für die CD-ROM-Datenträgertechnologie, die seit ihrer Markteinführung Anfang der 1980er-Jahre nun in diversen Unterhaltungsprodukten erhältlich und für weitere angekündigt sei. Angesichts der verbreiteten Überzeugung, die CDROM sei »the Next Big Thing«, die die Unterhaltungssoftware revolutionieren würde, hätten sich viele Studios, darunter Cinemaware, dazu verleiten lassen, für diese Technologie zu entwickeln. Doch CRAWFORD widerspricht der uneingeschränkten Begeisterung.9 Als ersten Grund führt er die relativ langen Zugriffszeiten an, die je nach den Informationen, die man vom Datenträger abfrage, mehrere Sekunden betragen könnten und damit deutlich über der bisher verbreiteten Technologie lägen. Techniken, mit diesem Problem umzugehen, führten beinahe immer zu einer Abhängigkeit von der festen Abfolge von Daten und damit zu einem linearen Spielablauf, von dem man nicht abweichen dürfe. Zum Erzählen von Geschichten möge dies ausreichend sein, doch dafür habe man bereits Videokassettenrekorder. Als zweiten Grund nennt er die steigenden Entwicklungskosten, die anfallen würden, um den zur Verfügung stehenden Speicher zu füllen. Es sei am wahrscheinlichsten, dass man dafür – wie bereits teilweise geschehen – auf gefilmtes Videomaterial zurückgreifen werde, was jedoch nach Aufnahmeteams, Schauspieler/innen sowie teurem Equipment verlange und die Produktionskosten eines Spieles vervielfache. Ein entsprechender Absatzmarkt, um Hunderttausende von Spielen zu verkaufen und die Kosten wieder einzuspielen, existiere derzeit noch gar nicht. Als dritten und wichtigsten Grund nennt er die Datenintensität des Trägermediums, die in keinster Weise zu besseren Spielen beitrage, da gutes Game Design stets von Interaktivität, Rechenleistung und damit Prozessintensität abhängig sei; mit Daten könne man nicht spie9

Vgl. C. Crawford: Why CD-ROM Games Won’t Work (Yet). In: JCGD, Vol. 3, Is. 4, Apr. 1990. S. 2-5.

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len oder interagieren, man könne sie sich nur ansehen und anhören. Mit dieser Technologie werde der Computer nur zu einem Abspielgerät, einem »low-interactivity device«, nicht zu vergleichen mit einer durch Prozesse generierten Spielwelt, die es ermögliche, in das Geschehen einzugreifen und wesentliche Änderungen an der Handlung vorzunehmen, wozu die CD-ROM jedoch nichts beizutragen habe: »Thus, the CD-ROM represents a diversion from the path towards the very best games [...][,] a wrong turn in game design.« CRAWFORD sagt der CD-ROM-Technologie schließlich dennoch eine solide Verbreitung voraus, basierend auf ihrem unbestreitbaren Nutzen, doch sieht er keine Zukunft für wenig interaktive Abspielgeräte wie das Philips CD-I. So würden die CDROM und ihre Varianten zwar zu gängigen Datenträgern aufsteigen, doch die erhoffte Revolution der Unterhaltung werde ausbleiben, eine einsetzende Enttäuschung sei spätestens ab 1995 zu erwarten. Erst wenn die blinde Begeisterung für Datenmassen überwunden sei, könne man die Technologie effektiv einsetzen, wobei sie jedoch nur noch eine unterstützende und nicht mehr die zentrale Rolle spielen werde. BEECK, der für das Journal of Computer Game Design ab Oktober 1989 aktuelle Nachrichten zusammenstellte, berichtet im August 1990, dass Cinemaware – inzwischen mit seiner »line of interactive movies« ein ›Label‹ des Börsenunternehmens Electronic Arts10 – seine Aufmerksamkeit vollständig auf die neu entwickelten CD-basierten Konsolen richte.11 Doch schon BEECKS Bericht von der New Yorker Messe ›Intertainment ’90‹ im Dezember 1990 zeugt von der nachlassenden Begeisterung für die neue CD-ROMTechnologie. In der Hoffnung, eine größere Zielgruppe anzusprechen, distanziere sich die »interactive CD industry« zunehmend von der »›old‹ industry« und ihren »›traditional computer game designs‹«. Die »[m]ultimedia designers« und »interactive designers«, die anstelle von »computer game designers« angeheuert würden und in der Regel einen Hintergrund in der Musik- oder Filmproduktion haben, machten sehr deutlich, dass sie mit Spielen nichts zu tun haben wollten, und dies, obwohl sie sich besser an jenen Interface-Konventionen orientierten, die Spiele etablierten. »Game designers« müssten sich in diesem Umfeld also neu beweisen, um von der Entwicklung der »interactive media« und »multimedia« nicht abgehängt zu werden.12 Im Dezember 1991 befasste sich CHRIS CRAWFORD ausführlich mit solchen ›Low-Interactivity Entertainment Products‹, die mit der CD-ROM einhergingen.13 Es sei deutlich, 10 Vgl. K. Beeck: [Ohne Titel, The Journal Reporter]. In: JCGD, Vol. 3, Is. 1, Oct. 1989. S. 10f. 11 Beeck nennt ›NEC Turbographix‹ (TurboGrafx-CD), ›Commodore CDTV‹, ›Phillips CD-I‹ und auch ›MSDOS CD-ROM‹. Vgl. K. Beeck: The Journal Reporter. In: JCGD, Vol. 3, Is. 6, Aug. 1990. S. 12f. Cinemaware war zwischenzeitlich in rechtliche Auseinandersetzungen verwickelt. Vgl. auch Ders.: The Journal Reporter. In: JCGD, Vol. 3, Is. 3, Feb. 1990. S. 14f. 12 »Many of the titles being developed for CD-I have been designed by people with little or no experience at making interactive entertainment products. They are talented people, to be sure, but their experience often lies in the record or film industry, and their natural inclination is to look down on the computer game industry.« K. Beeck: The Journal Reporter. In: JCGD, Vol. 4, Is. 2, Dec. 1990. S. 6f. 13 Vgl. C. Crawford: Low-Interactivity Entertainment Products. In: JCGD, Vol. 5, Is. 2, Dec. 1991. S. 10-13.

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dass Computerspiele, unter ihnen komplexe Simulationen, den Spielenden zu viel Einarbeitung, Aufmerksamkeit und Durchhaltevermögen abverlangten, als dass sie ein Massenpublikum erreichen könnten, das für seine Unterhaltung keine Herausforderungen suche. So gebe es die große Versuchung, Spiele zu entwickeln, die weniger Anstrengung erforderten, etwa indem man die Regeln und damit die Dokumentation vereinfache und die Zahl der nötigen Entscheidungen und damit die ›Interaktivität‹ reduziere. Während ein Spiel ohne Interaktivität den Computer zu einem teuren Abspielgerät für Multimediaproduktionen mache, nicht zu unterscheiden von einem Film oder Roman, sei ein Spiel mit »low interactivity« eine anziehende Überlegung. Es ging um ein Spiel, das wenig Nachdenken erfordere gleich einem Film, der den Spielenden an ausgewählten Punkten die Möglichkeit gebe, etwas zu tun: »If only we could figure out what that ›something‹ is.« Es habe in der Geschichte der Computerspiele immer wieder Versuche gegeben, den ›normalen Konsumenten‹, »Joe SixPack«, mit ›Low-Interactivity Entertainment Products‹ anzusprechen, mit Experimenten wie Alien Garden oder Little Computer People, mit gescheiterten Produkten auf Basis der Videokassetten-Technologie Ende der 1980erJahre oder schließlich mit Spielen der Firma Cinemaware: »These games were strong on spectacle and weak on interaction. The marketing thrust of the CinemaWare line was that these games were just like movies, except that you could play with them. Most of the design effort was put into making lots of pretty pictures and animated sequences. The gameplay itself was weak. The first line in the series, Defender of the Crown, created quite a sensation and sold very well. But after that, it seemed to be all downhill. CinemaWare went bust early this year.«14

Die Lehre aus diesen Versuchen sei, dass sich ›Low-Interactivity Entertainment Products‹ nicht verkauften. Man habe es zwar immer wieder versucht, doch seien fast alle dieser Entwicklungsstudios in einem Prozess evolutionärer Auslese daran zugrunde gegangen. Der erste Grund sei die Technologie, die der Aufgabe nicht gewachsen sei, vor allem im Falle der Videokassette; ob optische Datenträger dies tatsächlich besser leisten könnten, müsse sich erst noch zeigen. Der zweite Grund sei deutlich pessimistischer: Wenn man wie er selbst davon ausgehe, dass Interaktivität den Kern guten Designs ausmache, dann sei ›Low-Interactivity‹ bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Verlust von Interaktivität reduziere zwar die Aufforderungen, eine Entscheidung zu treffen und die damit verbundene Arbeit, aber auch die Möglichkeiten, kreativ auf den Ausgang des Spieles einzuwirken, bis zu einem Punkt ohne Partizipation, an dem alle Handlungen vorherbestimmt seien. Selbst wenn man die Zahl der Entscheidungen verringere, so bleibe stets ein notwendiger Lernaufwand bestehen, um die Konsequenzen einer Entscheidung abschätzen zu können. Dies führe einzig dazu, dass man den kreativen Einfluss auf das Spiel und damit den Spaß deutlich schneller abtrage, als die Zugänglichkeit zum Spiel zu erhöhen. Dies sei, laut CRAWFORD, der wichtigste Grund, weshalb »low-interactivity games« bisher gescheitert seien.

14 Bereits im August 1991 hatte Chris Crawford kurz notiert, dass Cinemaware endgültig geschlossen worden sei. Vgl. C. Crawford: Another Year, Another Dollar. In: JCGD, Vol. 4, Is. 6, Aug. 1991. S. 2.

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Eine interessante Ausnahme seien Spiele für Kinder, wie sie etwa von Cyan oder AMANDA GOODENOUGH entwickelt worden seien. Sie bieten ein leichter verständliches Spielerlebnis und seien daher dem kindlichen Verstand angemessener als etwa komplexe Simulationen. Diese Produkte vermittelten einen guten Eindruck davon, wie solche ›Low-Interactivity Entertainment Products‹ umgesetzt werden müssten, machten aber zugleich deutlich, wie klein ihr Markt sei.15 Andere experimentelle Zugänge seien bisher wenig überzeugend, wenn man etwa versuche, den Verlauf einer Geschichte an die Interessen der Spielenden anzupassen, wobei kaum klar sei, auf welche Eingaben und in welcher Weise der Computer hier reagieren solle, ohne dass die Möglichkeit der gezielten Einflussnahme völlig verloren gehe. ›Low-Interactivity Entertainment Products‹ seien also in der Vergangenheit nur für kleine Zielgruppen von Interesse gewesen: ein Umstand, an dem optische Datenträger wenig änderten. Doch obwohl bisher keine überzeugenden Konzepte vorlägen, werde der Geist des für das Massenpublikum tauglichen, leicht-interaktiven Unterhaltungsproduktes so schnell nicht aus den Köpfen verschwinden. Als Antwort auf CRAWFORDS Artikel verfasste DOUG CLAPP einen Beitrag für das Folgeheft im Februar 1992, in dem er seinem Vorredner zum Teil widerspricht.16 Niedrige Interaktivität bzw. langsam ansteigende Interaktivität innerhalb eines Spieles sei nämlich ein sehr effektiver Weg, um Spielende mit den Möglichkeiten eines Programmes vertraut zu machen, ohne sie von Beginn an zu überfordern. Ein Spiel, das man sich – beim Zuschauen angefangen – Schritt für Schritt aneignen könne, ohne dass man von Beginn an sämtliche Entscheidungsmöglichkeiten und Feinheiten des Systems aufgedrängt bekäme, sei deutlich einstiegsfreundlicher. Genauso erlaubten Schwierigkeitsgrade oder zuschaltbare Level der Komplexität, ein Spiel individuell anzupassen bis hin zur völligen Kontrolle über den Spielinhalt. Auch viele Rollenspiele funktionierten nach dem Prinzip der ansteigenden Interaktivität, da mit andauerndem Spielverlauf neue Fähigkeiten und Gegenstände die Handlungsmöglichkeiten der Spielenden erweiterten, vorzugsweise in einem Tempo, das der Lerngeschwindigkeit der Spielenden angemessen sei. »If the game is well-designed, you’re never overwhelmed, only increasingly more skilled, confident and interactive. As you know more, you can do more. As you do more—as the interactivity goes up—the game becomes (hopefully) more engrossing; more fun. [...] The best games pull you in. They begin easy and become complex, at a pace. The art is both in the game itself and pace between the game’s growing interactive possibilities and the player’s increasing skill and understanding.«

15 »It appears that our industry’s Darwinian methods have at last found a suitable habitat for this otherwise less-than-fittest species of game.« C. Crawford: Low-Interactivity Entertainment Products. In: JCGD, Vol. 5, Is. 2, Dec. 1991. S. 10-13, hier 12. Es ist eine besondere Ironie, dass das Studio Cyan mit seinem nächsten Projekt MYST, erschienen 1993, nicht nur ein sehr erfolgreiches ›Low-Interactivity Entertainment Product‹ vorlegen sollte, sondern das für viele Jahre erfolgreichste Computerspiel überhaupt, das zudem wesentlich zur Verbreitung der CDROM-Technologie beitragen sollte. 16 Vgl. D. Clapp: A Case for Scaled Interactivity in Game Design. In: JCGD, Vol. 5, Is. 3, Feb. 1992. S. 10f.

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Es sei richtig, Spiele dafür anzuprangern, dass sie über ihre ersten niedrigen Ansätze von Interaktivität nicht hinausgingen. Doch es sei falsch, die niedrige Interaktivität als Ganzes zu diskreditieren, wenn sie doch, richtig eingesetzt, wesentlich zur Zugänglichkeit eines Spieles beitragen könne: »[T]he best games are easy to begin playing, yet challenging to master. [...] Don’t disdain low interactivity. Make the game playable by the most casual passerby. Ramp it up as the player progresses—or allow ramping at the player’s discretion [...]. Don’t make it necessary to learn everything to play and enjoy. Don’t make it necessary to know everything to win. [...] Let the player choose the level of interaction. [...] If it’s too hard, it’s no fun. If it’s too easy, it’s no fun. All you need to do is make sure it’s easy enough (low ... interaction) and hard enough (high ... interaction). When it should be. [...] But you know that.«

Interactive Fiction I: Storytelling

Parallel zur Diskussion um den Vergleich von Computerspiel und Film widmete man sich der Gegenüberstellung von Computerspiel und Literatur. Angefangen als Frage nach der Entwicklung von ›Interactive Fiction‹ wurde daraus schließlich eine Auseinandersetzung über die Möglichkeiten und Grenzen, von Literatur zu lernen und mit dem Computer selbst eine Geschichte zu erzählen. In der Aprilausgabe des Journal of Computer Game Design im Jahr 1988 erschien die von CRAWFORD ausformulierte Fassung eines Vortrages, den ROB SWIGART anlässlich einer CD-ROM-Konferenz gehalten hatte.17 SWIGART beschreibt, dass bereits die prähistorischen Höhlenmalereien – Formen, die durch sich bewegendes Licht an unebenen Wänden entstünden und so Bewegung eingehaucht bekämen – erste interaktive Medien gewesen seien, »movies in the mind to impress and transform the audience: the user«. Bei dieser Form von Malerei handele es sich um ein Ritual, das zwischen Autor/-in (Schamane/Schamanin) und Nutzer/in bzw. Teilnehmer/in ausgehandelt werde. Während Erstere die Eindrücke und Effekte als Mittel einsetzten, um Werte zu vermitteln und Seelen zu verwandeln, brächten Letztere das Erlebnis der Teilhabe und Erwartungshaltungen mit sowie die Bereitschaft, sich von der Erfahrung transformieren zu lassen und schließlich selbst Autor/in zu werden. Heute gebe es erneut die Möglichkeit, mithilfe von Feuer Bilder zu malen: »The new cave is multimedia, and the user brings the same things: adrenalin, fear, awe; the desire to participate.« ›Hypermedia‹ werde diesem Anspruch jedoch nicht gerecht, da es sich nur um eine Technologie handele, die Medienelemente miteinander verbinde. Dies mache es jedoch erforderlich, sich mit Programmierung vertraut zu machen und eigne sich daher kaum, um für »the rest of us« den Umgang mit der Flut von Informationen zu vereinfachen. Die CD-ROM sei nur ein Phänomen des vielfach ansteigenden Datenvolumens, auf das man inzwischen und in Zukunft Zugriff habe. Der Umgang mit ›New Media‹ stelle neue Anforderungen an Medienschaffende und vor allem Autor/innen, die für den Film zuerst hätten lernen müssen: ›Think visually‹ und nun lernen müssten: ›Think Interactive‹ – und zwar in Kombination mit visuellem, grafischem und textlichem Denken in dreidimensionalem Text und nicht linearer Erzählung. Doch noch wisse niemand, wie das gehe. Bedeutsame Narration verlange nach Zeit und einer Stimme, 17 Vgl. R. Swigart: Painting With Fire. In: JCGD, Vol. 1, Is. 6, Apr./May 1988. S. 9-11.

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welche die Geschichte erzählt, nach Chronologie und Struktur: »We will thus have to develop a new rhetoric of fiction, and new perceptions of narrative time.« Interaktivität wiederum könne in Zukunft vieles bedeuten, etwa dass Nutzer/innen zugleich in die Rollen von Verfasser/in, Regisseur/in, Autor/in und Publikum schlüpften. Ursprüngliche Autor/innen stellten die Welt, die Erzählung, die Charaktere, den Konflikt, vieles oder das meiste der Erfahrung bereit. Nutzer/innen könnten Verschiedenes schließlich je nach Interesse beitragen: von passiver Präsentation bis hin zu einer völligen Neuordnung (innerhalb gewisser Grenzen). Um diesen Fragen nachzugehen, hat SWIGART mit einigen andern Entwickler/innen ein erstes Versuchsprojekt gestartet: »Portal was a first cut at an interactive fiction that was not a game.« Dabei sei man fünf Prämissen gefolgt: Erstens, dass von den bekannten Formaten jenes der Datenbank – anders als Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation – am ehesten den Ansprüchen einer »interactive narrative fiction« genüge. Zweitens, dass die Geschichte gemeinsam mit guter Handlung, interessanten und vielfältigen Charakteren, plausibler und ausgefallener Welt, menschlichen Emotionen und Konflikten, die konfrontiert und gelöst würden, auch für »interactive fiction« die bestimmenden Elemente seien. Drittens, dass die Geschichte interaktiv sein müsse, die Spielenden eine Rolle, einen Anteil und einen Einsatz in der Geschichte hätten, nicht zwingend als Charakter innerhalb der Handlung, doch zumindest wie Leser/innen eines Buches. Viertens, dass der Computer und seine Gerätschaften selbst Teil der Geschichte seien, dass die Nutzer/innen also vor einem Terminal agierten, das durch technische Gegebenheiten definiert sei. Fünftens, dass die Geschichte audiovisuelle Ausgaben enthalte, etwa Fotos, Videos oder computergenerierte Grafiken sowie Musik, Soundeffekte oder Sprachsynthese. Portal sei eine in der Zukunft angesiedelt Geschichte, erzählt anhand von Informationen in einer »worldwide network«-Datenbank und mit einer künstlichen Intelligenz als Erzähler mit dem Namen HOMER. Die Geschichte sei zunächst als lange Prosa geschrieben und dann in einzelne Informationsschnipsel, von erzählerischen Beschreibungen bis enzyklopädischen Einträgen, zerlegt und ausgearbeitet worden. Das Programm selbst sei zum größten Teil als PERT-Chart entworfen worden, während die anderen Inhalte in gängigen Mac-Anwendungen entstanden seien. Das größte Problem sei die Gefahr, die ›Hypermedia‹ für die Struktur der Geschichte ausmache, denn obwohl es das Leben einfacher machen solle, sei die Lage noch immer zu kompliziert: »It is difficult for an author trained on Aristotle to deal with this: no beginning, middle or end.« SWIGART hält schließlich fest, dass er vor allem daran interessiert sei, den Computer zu verwenden, um sowohl seinen Schreibprozess besser zu organisieren als auch das bisher ungenutzte Potenzial für Unterhaltungsprojekte einzusetzen: »Computer games bore me.« Doch solange die besonderen Fähigkeiten des Computers nicht genutzt würden und auch entsprechende Werkzeuge nicht bereitstünden, werde dieser von Autor/innen zu einem Ersatz für die Schreibmaschine degradiert. »Doing interactive narrative lies somewhere between being a writer plain and simple [...] and making films, which requires (according to producers and directors) minimal writing, plus maximum producing, directing, filming, sound editing, and acting, not to mention art direction, composing, gaffing and so on. For hypermedia, all that should be needed for production is a producer to put together the team, a writer, a graphic artist, a composer and (perhaps) a programmer. Inevitably the size of this group will grow, however, just as it did in the movies.«

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Im Oktober 1988 berichtet DAVID MULLICH, er sei gemeinsam mit einem »motion picture studio executive« zu der Überzeugung gelangt, dass im Vergleich von Game Designer/innen und Drehbuchautor/innen Erstere zwar um einiges aufgeweckter seien, allerdings keinerlei Ahnung hätten, wie man eine Geschichte verfasse und sogar ihre Notwendigkeit grundsätzlich infrage stellten. Für ihn selbst sei die Geschichte jedoch »the most important element of game design«, weshalb er für alle Interessenten aufzeigen wolle, wie sich die »principles of writing« auf »computer game design« anwenden ließen, »making it as valid a medium for storytelling as is film, theater or even literature«.18 Eine »well-constructed story« biete ein tragendes Fundament und könne die Spielenden auch dann noch unterhalten, wenn die erste Begeisterung für Neuerungen abgeebbt sei. Der Schwerpunkt einer jeden kreativen Arbeit sei das Konzept, das im Falle einer Geschichte aus drei Teilen bestehe: Charakter, Taten (›Action‹) und Konflikt. Ein Hauptcharakter treffe, anders als andere Charaktere, als zentrale Figur jene Entscheidungen, welche die Geschichte in Gang bringen, basierend auf seinen Bedürfnissen und Motivationen, selbst wenn sie sich in Rahmenbedingungen wiederfinden, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen. Die Entwicklung des Hauptcharakters in einem Spiel, dessen Rolle von einem Spielenden übernommen werde und der aufgrund von richtigen Entscheidungen, stete Erfolge und schließlich Meisterschaft vorankomme, entspreche jener in einer Geschichte, in welcher dieser durch Zugewinn von Fähigkeiten, Status oder Einsicht wachse. Physische oder mentale Taten, die zweite wesentliche Komponente des Konzeptes, seien der nicht reduzierbare Inhalt der Geschichte, ihre Vollendung der Antrieb des Hauptcharakters und das Ziel der Spielenden. Beides solle dabei zur Identität des Hauptcharakters passen. Schließlich entstehe der Konflikt, der die Grundlage eines jeden Dramas in allen Medien sei, zwischen dem Ziel des Hauptcharakters und einem Hindernis, das sich diesem in den Weg stelle. Das Überwinden von Hindernissen als Ziel der Spielenden sei auch jedem »game designer« vertraut, könne aber die Form eines inneren Konfliktes annehmen, etwa wegen sich widersprechender Werte »in the player’s mind«. »So long as your concept gives the player an action-oriented goal to achieve and obstacles to overcome while achieving that goal, you have a good basis for a game as well as a good basis for a story. [...] With a little imagination and the right (or ›write‹) perspective, any story can be basis for a computer game. The two creative media are linked at the most elemental level, the concept level, and you can build similar structures from that foundation by applying the principles of writing to game design.«

In Bezug auf die Handlung (›Plot‹) seien die meisten Spiele sehr schwach und als simple Abfolge stetig schwerer werdender Hindernisse konstruiert, was jedoch ihrer partizipativen Natur geschuldet sei. Jede Geschichte habe einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende. Der Anfang führe die Gegebenheiten sowie den Hauptcharakter ein und initiiere die Taten als Fundament (›Set-up‹) der Geschichte. Nach etwa einem Viertel der Geschichte gebe ein Ereignis, ein »plot point«, der Geschichte eine Richtungsänderung und leite die Konfrontation (›Confrontation‹) ein, in welcher der Charakter auf Hindernisse 18 »If you do not share my excitement about the computer’s potential for interactive storytelling, then this article is simply not for you.« D. Mullich: Computer Game Design — The Write Stuff. In: JCGD, Vol. 2, Is. 1, Oct./Nov. 1988. S. 4-7, hier 4.

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trifft. Nach Dreivierteln der Geschichte bringe ein weiteres Ereignis erneut eine Wendung und die Auflösung (›Resolution‹), in welcher der Hauptcharakter wächst und an Erkenntnis gewinnt.19 Game Designer/innen verfügen über die Expertise für Konfrontation, doch ignorieren sie häufig Fundament und Auflösung sowie die Ereignisse, die zu vielschichtigeren Geschichten führen. Aufgabe des Anfangs sei es, das Publikum in die Geschichte hineinzuziehen sowie mit ihren wesentlichen Elementen bekannt zu machen. Inzwischen nutzen auch Spiele Texte in Handbüchern und andere Gegenstände, »to suspend the player’s disbelief of the game’s fictional universe«, ebenso wie prologartige Einführungen in geschlossenen Spielteilen oder Animationssequenzen. Die Erfahrung des Fundamentes der Geschichte sei jedoch effektiver, eleganter und befriedigender als Teil des Spieles selbst, wenn die Spielenden diese genießen könnten, noch bevor die zentrale Konfrontation beginne. Die abschließende Auflösung der Handlung solle über binäre Erfolgsabfragen und einen einzelnen Abschlussbildschirm hinausgehen, indem komplexere Ausgänge mit mehreren »plot points« und Enden möglich seien, die über das Erlebte hinauswiesen oder einen neuen Anfang bildeten. Das Ende einer »well-written story« solle auf den Beginn zurückverweisen, jedoch neue Perspektiven eröffnen, um die Geschichte abzurunden und ihr eine Absicht sowie Aussage zu geben. »Along the way I tried to demonstrate that games and story have a number of fundamental elements in common and that by looking at game design through the eyes of a writer one can come up with some novel approaches to designing games. If you now are intrigued about designing games with more complicated plot structures or can more easily use films, plays and novels as sources of inspiration, then perhaps you can help to find ways of elevating our craft to an art without ever having to admit that story is important.«

Im Februar 1989 erschien als Antwort auf den Artikel von DAVID MULLICH ein Beitrag von GREG COSTIKYAN, in dem dieser betont, MULLICH habe seine ›Analogie‹ zu weit getrieben.20 »Games« seien ebensowenig Geschichten wie Simulationen, Filme oder »video entertainment«; selbst wenn sie mit diesen einzelne Aspekte teilten, so seien sie doch mit keinem identisch. Es gebe viele Unterschiede zwischen »fiction« und »gaming«, die – wenn man sie ignoriere – zu »poorly-designed games« führen; dennoch wiesen die »similarities« zwischen beiden auf Techniken hin, die auch für »game designers« hilfreich seien. Der wichtigste Unterschied sei die Linearität der »story«, ihr Aufbau aus Anfang, Mittelteil und Ende, und dass sich die Handlung stets gleich entfalte. Spiele dagegen seien eher als Dreieck zu verstehen, ebenfalls an einem Punkt beginnend, öffne sich ein Handlungsspektrum zwischen zwei Seiten. Das Spiel definiere zwar den Möglichkeitsraum des Dreiecks, »the parameters for each player’s experience«, doch die spezifischen Ergebnisse des Spieles seien von den Spielenden abhängig. Diesen Möglichkeitsraum zu erfahren, gebe einen tieferen Einblick in einen Gegenstand, etwa in die Natur der Kriegsführung der napoleonischen Zeit, während ein Buch über Waterloo immer nur eine Geschichte zu erzählen habe. Ein Spiel eher als eine Geschichte zu verstehen, enge 19 Es ist überdeutlich, dass sich Mullich der Terminologie von Syd Field bedient, ohne diese Quelle jedoch zu kennzeichnen. Vgl. S. Field: Screenplay. New York/NY 1982. 20 Vgl. G. Costikyan: Learning From Fiction. In: JCGD, Vol. 2, Is. 3, Feb. 1989. S. 3-5.

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diesen Raum ein und mache es weniger zu einem »game«. Text- und Grafik-Adventure sowie ihre verwandten Formen, etwa »laser-disk videogame« oder »choose-your-ownending«-Taschenbuch, seien nicht besonders erfolgreich damit, den sich widersprechenden Anforderungen von »story« und »game« gerecht zu werden. Man opfere sowohl die Wiederspielbarkeit des »game« als auch den »emotional impact« der Geschichte. Das sklavische Festhalten an der engen Verwandtschaft beider führe zu »bad games«. Tatsächlich weisen sowohl »games« als auch »stories« eine Entwicklung auf, also eine Abfolge von Ereignissen, die zu einer Auflösung führen; in diesem schriftstellerischen Sinne verfügen beide über eine Handlung. Wesentliches Merkmal guter Spiele und Geschichten sei der Anstieg der Spannung bis zur Auflösung.21 So sei der am weitesten verbreitete Fehler von Spielen der »anticlimax«, der Verlust von Spannung angesichts fehlender Herausforderungen ab Mitte des Spieles. Um dem entgegenzuwirken, könne man etwa die Zahl oder Stärke der gegnerischen Einheiten im Verlauf des Spieles erhöhen, einen steten Zugewinn an Ressourcen und Stärke auf beiden Seiten zulassen (»not zero-sum«), die Spielenden mit stetem Verlust von Ressourcen konfrontieren – etwa Zeit, aber auch alles andere, das schwierige Entscheidungen provoziere – oder Einflussbereich und Komplexität immer weiter anwachsen lassen, was das Finden optimaler Lösungen erschwere und damit die Spannung steigere. Die erzählerische Färbung – also die Vermittlung von Wahrnehmungseindrücken, emotionaler Stimmung und der Natur der Objekte, mit der sich Charaktere umgäben – herzustellen und zu erhalten, sei wesentlich in der Literatur und umso mehr in den Genres Science-Fiction und Fantasy, die es häufig mit imaginären und von der Erfahrung so verschiedenen Welten zu tun hätten. Solche Literatur und ebenso Spiele seien jedoch häufig farblos. Es gelänge ihnen nicht, einen »look or feel« für ihren vermeintlichen Gegenstand oder eine angemessene Atmosphäre zu erzeugen, stattdessen fehle ihnen Persönlichkeit sowie »emotional power«. Die visuelle Gestaltung des Spieles und auch der Verpackung bis zum Detailgrad jedes kleinen Elementes könne vieles ausgleichen, müsse aber immer zum Thema passen, da es sonst verschleiere statt zu verstärken, falsche Informationen vermittle, falsches Verhalten nahelege und damit das Anliegen des Spieles sabotiere. »Narrative color is not a particularly difficult thing to incorporate in a game. All you need to do is to choose graphics, sound, text, and packaging which are appropriate to and help sustain the fantasy central to the game. However, it is also precisely the kind of extra-effort polishing which deadline-pressed designers are likely to forgo.«

Selbst wenn man die Repräsentation der Spielenden (»a player’s game-token«) als Charakter bezeichnen könne und deren Identifikation mit diesem ein Spiel verbessere, erfülle ein Charakter als Protagonist in der Literatur doch eine beinahe gegensätzliche Funktion. Statt nur eine Projektionsfläche mit Namen und Attributen zu sein, zeichneten sich diese durch Persönlichkeit aus, also eine Sammlung von bleibenden Haltungen und Überzeugungen. Doch ein solcher »›well-rounded‹ [character]«, der ein zentrales und hart umkämpftes Anliegen in der Literatur sei, sei geradezu ein Fehler in einem Spiel, da die Vorgabe einer Persönlichkeit die Spielenden in ihrer Entscheidungsfreiheit einenge 21 Costikyan verweist in Bezug auf Spannungskurven und den »Climax« auf gängiges Schulwissen. Vgl. ebd.

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und so Frustration erzeuge. Die Idee der Persönlichkeit sei allerdings eine sehr wertvolle im Umgang mit »non-player characters«, seien es etwa die gegnerischen Kräfte, Informationsquellen oder Untergebene. Computerspiele seien insbesondere in dem Maße erfolgreich, in dem sie Menschen als sozialen Lebewesen eine Form von Interaktion ermöglichten, die etwa eine rein technische Maschinensteuerung nicht erlaube. Einheiten im Spiel (»game-tokens«) in den Begriffen einer Charakterisierung zu fassen, erlaube einen viel unmittelbareren Zugang zur Spielwelt und ihren Funktionen. Im Allgemeinen könne die Nutzung von Namen, Grafiken, Darstellungen von Individuen oder Dialog Persönlichkeit vermitteln, Spielende mitreißen und im großen Maße zu »emotional appeal« und »narrative color« beitragen. »The basis of all gaming is decision-making and the exploration of outcomes. The basis of all fiction is plot and character. To equate the two is a serious mistake. However, both forms share certain requirements. Among these are the need for development over time, for color and context, and for personality. Game designers can learn a great deal by considering the methods authors use to address these problems.«

Im April 1989 erschien mit dem Artikel ›Once Upon a Time ... The Untapped Potential of the Computer as Story-Teller‹ von BILL HOPKINS ein weiterer Versuch, den Computer für das Erzählen von Geschichten zu entwickeln. Der Autor schließt mit seinen Überlegungen explizit an die Beiträge von CHRIS CRAWFORD zu ›Similarities with Other Media‹, STEPHEN LINHART zu ›Computer Games/Computer Entertainment‹ und GREG COSTIKYAN zu ›Learning from Fiction‹ an.22 Alle diese Autoren betonten die Wichtigkeit, den Computer als eigenständiges und zulässiges Medium der Unterhaltung anzuerkennen. Doch obwohl sie die Wirksamkeit des »computer as an unique artistic medium« erkundeten, seien sie vor allem mit Herstellung besserer »computer games« befasst. Der nächste Schritt sei also, eine Theorie für neue Formen der Unterhaltung zu entwickeln, die dieses neue Medium unterstütze, wobei ein Blick auf populäre Medien wie Buch oder Film hilfreich sei. Computerspiele seien noch immer die einzige, für die Öffentlichkeit zugängliche Form des »computer entertainment«, die jedoch das Potenzial des Mediums zur Massenunterhaltung kaum ausschöpfe. Ein Spiel und sein zentrales Merkmal, die Interaktivität, werde unabhängig von seiner Qualität, seltener und von weniger Menschen wahrgenommen. Filme verlangten dagegen alleine nach Aufmerksamkeit und die besten von ihnen erzielten »emotional responses« und schärften das Bewusstsein für die »issues that underlie the story«; »The creator of this type of entertainment seeks only to titillate and perhaps educate; the audience seeks only to experience.« »Games« forderten durch spezifische Aufgaben stets Reaktionen der Spielenden ein, und dies teilweise aggressiv sowie unter sehr restriktiven Regeln; ihr Unterhaltungswert liege in der Interaktion, Drohung und Herausforderung, gelegentlichen Frustration und regelmäßigen Überraschung; Spiele werden von den Spielenden selbst angetrieben, sich im »framework of the game’s design« ihre eigene Unterhaltung zu kreieren. Im Gegensatz dazu unterhalten alle bedeutenden Unterhaltungsformen durch das Erzählen einer 22 Vgl. B. Hopkins: Once Upon a Time. In: JCGD, Vol. 2, Is. 4, Apr. 1989. S. 14f. Zudem nennt er den Artikel »A Techno-Wimp Revisits ›Scribes/Authors‹« von Chet Day, der hier in einem anderen Kontext noch einmal aufgegriffen wird. Vgl. ebd.

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Geschichte, die mehrmals erzählt werden könne. Ein Anspruch, dem auch die komplexeren »computer adventure games« nicht gerecht würden, da sie ihren Fokus auf diejenigen Rätsel richten, deren Lösung jedoch nur einmal fordere, während Charaktere und Handlung nur schwach ausgearbeitet bleiben. Folglich müsse eine neue Form des »computer entertainment« gefunden werden, eine, die Geschichten auf eine völlig neue Weise erzähle, wie kein anderes Medium dazu in der Lage sei. Erste Versuche hätten sich dabei vor allem auf die Interaktivität konzentriert, doch der Computer könne auch die Art und Weise der Präsentation verändern und anpassen auf Grundlage der Instruktionen der Verfasser/innen; dies sei die wahrhafte Fähigkeit des Computers, seine Geschichten zu erzählen. Andere Medien seien nur in der Lage, eine Geschichte zu erzählen, die nach ihrer Fertigstellung nicht mehr verändert werden kann. Aber eine »computer story« habe keine solche Einschränkungen. So könnten mehrere Handlungsstränge parallel nebeneinander existieren oder auch verschiedene Perspektiven aufgenommen werden. Jedoch verbleiben alle Möglichkeiten, die »emotional response« und die zentralen Ereignisse, anders als bei einem Spiel unter der Kontrolle der Autor/innen. Das Publikum könne die Geschichte wie ein Buch oder einen Film erleben, auf eine Weise, »that fully exploits the properties of the medium«. Die Geschichte bliebe wiedererzählbar und ihr Unterhaltungswert liege in den spezifischen Ereignissen und Charakteren sowie in der Atmosphäre, die durch den jeweiligen Erzählstil erzeugt werde. Auch wenn die entsprechenden Techniken und Konventionen noch zu entdecken seien, könne der Computer hier tatsächlich zu einem Medium des Geschichtenerzählens werden. Der Computer könne Text, Bild, Soundeffekte und Filmmusik präsentieren und kontrollieren, um diverse Erfahrungen mit derselben Geschichte zu ermöglichen. Die großen Themen menschlicher Erfahrung, komische wie tragische, könnten auf neuen Wegen und mit neuer Intensität erforscht werden, »using this unique medium«. Der Beitrag von BILL HOPKINS veranlasste CRAWFORD als Herausgeber des Journal von dem abgedruckten Beitrag Abstand zu nehmen, indem er ihm eine ›Widerlegung‹ hinzufügte.23 Nach zwei Jahren habe er sich erstmals genötigt gesehen, eine solche zu verfassen, um seiner Abscheu vor leeren Flächen Ausdruck zu verleihen. Er sehe die Möglichkeiten des Computers vor allem dann nicht genutzt, wenn man ihn allein als Multimediaprojektor verwende. Vieles ließe sich auch mit Film realisieren, teilweise besser als mit dem Computer, und bliebe doch, wohl aus gutem Grund, ungenutzt. Es sei zudem nicht klar, was parallele Erzählstränge oder verschiedene Perspektiven einer Geschichte hinzufügten, wenn es nicht gelänge, zumindest eine gute Geschichte zu erzählen: »I deny the value of a fixed, hard-wired story on a computer. I argue that the story must be soft-wired, i.e., generated at runtime from storymaking algorithms responding to player actions.« CRAWFORDS ›Widerspruch‹ blieb nicht ohne Kritik. Explizit wurde diese durch einen Brief von DOUG SHARP, der dem Herausgeber vorwarf, mit seiner Wortwahl einen falschen Eindruck über das Wesen und die Grenzen des »aesthetic discourse« zu vermitteln.

23 Vgl. C. Crawford: A Rebuttal from the Editor. In: JCGD, Vol. 2, Is. 4, Apr. 1989. S. 15.

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»Assertions of opinion do not constitute a rebuttal. I fail to see how a statement of artistic vision can be rebutted, refuted, or disproved. Bill may be mapping a direction in computer art you don’t care to follow in your own work, but it is not for you to ›deny the value‹ of his approach.«

Besonders die Anwendung vermeintlich wissenschaftlicher Argumentation und Terminologie sei beunruhigend. »Software artists«, die zudem einen Abschluss in »computer ›science‹« besäßen, tappten schnell in diese Falle wegen der grundlegenden Präzision »of our craft«. Solide Meinungen und einfühlsame Kritik seien in diesem Feld rar gesät. Es gelte, die Meinungen und Kritik über »art« von der Argumentation über technische und formale Punkte zu unterscheiden. Über »aesthetic issues« lasse sich hervorragend streiten.24 Auf Einladung von BRENDA LAUREL, Mitglied im ›Board of Directors‹, hielt ›ScienceFiction‹-Autor BRUCE STERLING 1991 den Gastvortrag ›The Wonderful Power of Storytelling‹ auf dem Abendbankett der Preisverleihung der ›Computer Game Developer’s Conference‹, dessen Schriftfassung in der folgenden Juniausgabe des Journal of Computer Game Design veröffentlicht wurde. Er habe mit seinem Publikum vor allem gemein, dass sie alle »professionals in totally different arts« seien. Ansonsten habe er den »Great Crash of 1984« als Zivilist miterlebt und schließlich mit einer gewissen unerklärlichen Abscheu seinen voll funktionsfähigen Atari 800 Heimcomputer aufgegeben. Heutzutage spiele er vor allem Simulationen wie SimCity oder SimEarth die eine Art von Transzendenz erreichten. Seiner Meinung nach fehle es »computer entertainment« jedoch an einem Sinn fürs Geheimnisvolle und Mystische gegenüber der Meisterschaft in Spitzfindigkeiten, Kontrolle oder Puzzles und auch an einer unerklärlichen Qualität, dass von ihnen eine unterschwellige kulturelle Gefahr ausgehe, wie es vielleicht durch ›Virtual Reality‹ möglich sei. Der Unterschied zwischen der Kunst des »science fiction writing« und der Kunst des »game design« sei, dass Ersteres, obwohl noch recht neu, im Schatten einer 3000 Jahre alten literarischen Tradition stehe, während sich Letzteres noch immer mit jeder neuen Technologieplattform fundamental verändere. Dies geschehe vor dem Hintergrund des grundlegenden Problems eines kulturellen Ausdruckes, dass inzwischen Techniken des Vergessens notwendig seien, um mit den immensen Mengen von Informationen und Inhalten noch umgehen zu können. Computerspiele seien davon besonders betroffen, da sie so eng mit ihrer Technologie verbunden seien. Doch selbst Literatur werde immer schneller produziert, verlegt und wieder aus den Regalen genommen; auch inhaltlich werde sie oberflächlicher, klischeehafter, vergessbarer und damit weniger eine kognitive Bürde. Dennoch bleiben Bücher erhalten, da sie die physischen Eigenschaften eines Druckerzeugnisses besäßen. Sie seien leicht und unverändert zu reproduzieren, unabhängig von den Technologien ihrer Herstellung und ihres Vertriebes. Ein Buch verliere nichts durch eine Neuauflage, es sei widerspenstig, bleibe dasselbe Kunstwerk und trage 24 Vgl. D. Sharp: Letter. In: JCGD, Vol. 2, Is. 5, Jun. 1989. S. 2. Und tatsächlich räumte auch Crawford ein, dass es unangemessen gewesen sei, einen solchen ›Widerspruch‹ zu formulieren, ohne dem Autor eine Möglichkeit der Stellungnahme zu geben. Dennoch, und obwohl sich in diesem schwer zu definierenden Feld kaum etwas beweisen ließe, sei er nicht gewillt, die Nutzung des Verstandes zu opfern, da es Ziel des Journal sei, eine rationale Debatte zu führen und nicht ein Schlachtfeld für substanzlose Meinungsäußerungen zu werden. Ebd.

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dieselbe Aura. Die Klassiker bildeten einen noch immer lebendigen Wettstreit und trügen durch ihre beständige Präsenz dazu bei, die gesamte Kunstform voranzubringen. Dagegen blickten »computer game designers« selten in die Vergangenheit. Ihr Blick sei vielmehr auf idealisierte Klassiker gerichtet, die nur Projektionen in die Zukunft seien. Sie befinden sich im Wettstreit mit Dingen, die noch gar nicht existierten: neue Datenträger, künstliche Intelligenz, einheitliche Standards, Modemnetzwerke – immer verbunden mit der pathetischen Pflicht, uns weiter in Richtung des heiligen Grals zu tragen. Als Romanautor/in sei dies ein zwar verführerisches, aber dennoch sehr befremdliches Paradigma, dass mit jedem Plattformwechsel ein kleiner kultureller Weltuntergang verbunden sei. Und was passiere mit dieser gesamten Ausdrucksform, wenn alle die aktuellen Plattformen verschwunden seien? Was passiere, wenn Computer tatsächlich in der Umwelt oder in der Kleidung verschwänden? Natürlich gebe es weiterhin die Möglichkeit, als »computer game designer« für Unterhaltung zu sorgen, doch wie studiere man die Arbeit der Vorgänger/innen? Es gebe in dieser Kunstform eine hauchdünne vorderste Front, doch was passiere mit dem Bestand an existenten Werken? All dies passiere nicht zufällig, sondern sei Ausdruck des Umstandes, dass der Kultur das Interesse an Tradition und Kontinuität verloren gehe, mehr daran interessiert, sich stets neu zu erfinden, getrieben von der Geschwindigkeit der Entwicklungen. Und es betreffe Bücher genauso, nicht nur technologisch, sondern ideologisch, wenn die aktuelle Literaturtheorie wie Dekonstruktivismus oder Postmodernismus einen gewaltsamen Bruch mit der Vergangenheit vollziehe. Bücher der Vergangenheit werden nicht mehr aus ihrem eigenen kulturellen Selbst heraus auf das befragt, was sie zu sagen haben, sondern auf ihre Annahmen und die kulturellen Gründe für ihr Zustandekommen hin untersucht. Buch und Autor/in werden aus einer Position völliger Überlegenheit betrachtet, immer darauf bedacht, ihre Botschaft außen vor oder ihre affizierende Wirkung nicht zuzulassen. Dies sei ein Weg moderner Literaturforschung, mit dem Vermächtnis der Vergangenheit umzugehen, ohne wirklich von diesem berührt zu werden. Damit sei die Literatur jedoch wie tot, was sehr gut zu den heutigen Menschen passe. Technologisch stehe man nun vor der Einführung portabler, elektronischer Lesegeräte mit kleinen Bildschirmen, auf denen nicht nur Text, sondern auch alle möglichen multimedialen Inhalte abspielbar seien; und wenn ein solches Gerät obsolet werde, gehe alles, was für diese Plattform geschrieben worden sei, verloren. Deshalb wehre er sich, dass seine Bücher an Technologie gebunden werde, die noch sterblicher sei als er selbst; dieser Sterblichkeit zu entfliehen, sei ja gerade mit ein Grund, Bücher zu schreiben. Unter allen Gründen, die angeführt würden, warum »computer game designers« ihr wohlverdienter »full artistic respect« verwehrt bleibe, werde stets der Mangel an Stabilität im Medium vergessen. Der Wirbel um eine permanente technologische Revolution sei kein guter Grund, um Monumente zu errichten. Auch ›Science-Fiction‹ habe häufig mit dem Problem ihrer eigenen Überalterung zu kämpfen, wenn sie ihre vorhergesagte Zukunft hinter sich lasse, doch könne sie überleben, wenn sie Qualitäten an den Tag lege, die fortdauerten und den Menschen noch für lange Zeit etwas zu geben habe. Er selbst habe sich eine Strategie zurechtgelegt, um dies zu erreichen, die auch für »game designers« relevant sei. Es handele sich nicht um die Doktrin der »Humanist SF«, dass die hohe Kunst und wunderbare Macht des Geschichtenerzählens den Kern der menschliche Verfassung treffe. Nicht nur, dass dieses Verständnis den »computer games« ihre emotionale und erzählerische Macht abspreche, es verfehle auch den Grund, weshalb noch immer ›Science-Fiction‹ gelesen werde, während viele andere Genres populärer Literatur

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längst verschwunden seien. Das Erzählen von Geschichten sei nicht die Rettung. Eine gute ›Science-Fiction‹-Geschichte sei nicht einfach gute Literatur, nicht einfach eine gute Geschichte mit ein wenig Technologie darin; sondern sie sei gut, weil sie schräg sei, weil sie sich selbst annehme und vollständig in sich aufgehe. »Follow your weird, ladies and gentlemen. Forget trying to pass for normal. Follow your geekdom. Embrace your nerditude. [...] Computer entertainment should not be more like movies, it shouldn’t be more like books, it should be more like computer entertainment, so much more like computer entertainment that it rips through the limits and is simply impossible to ignore!«

Es gehe nicht darum, den zeitgenössischen Geschmack zu treffen oder die Erwartungshaltungen bestimmter Zielgruppen zu erfüllen, herablassend oder bewusst dumm zu sein. Man solle den künstlerischen Mut beweisen, die eigene Wichtigkeit für die Kultur anzuerkennen. Hier sei die Haltung des Cyperpunk am Werk: nicht Außenstehende, welche sich Technologie aneignen und die Gesellschaft bedrohen, sondern disziplinierte, intelligente, rationale Techniker/innen, welche aus ihrem starren Gefängnis entfliehen und die Popkultur attackieren. Dorthin gelange man nicht durch Akkulturation, nicht durch das Studium des Normalen und Gängigen, sondern durch die Extreme, durch alle Zeiten, durch alles, was zu experimentell, befremdlich, unerklärlich, unangenehm oder gefährlich war, um jenseits der schrägen Menschen wahrgenommen zu werden. Gleiches gelte für das Studium der Kunst; doch sich an schräger Kunst zu orientieren, sei keine Ausrede, um eine schlechte Arbeit abzuliefern. »Aim for the heights of professionalism. Just make sure you’re a professional game designer.« Man könne in einem populären Medium viel erreichen, wenn es nur gelänge, die fehlende Sorgfalt, die Unbeholfenheit, die Scharlatanerie, das Amateurhafte und die Ignoranz zu entfernen, die es Außenstehenden so leicht mache, es abzutun. An diesen Regeln sei nichts Magisches und sie seien auch keine Garantie für Erfolg, aber hart zu arbeiten, Geschmack, Wahrnehmung und Verständnis zu erweitern, zu wissen, wer man sei und woher man komme, verbessere nicht nur die Arbeit in der Gegenwart, sondern eröffne auch die Möglichkeit, die Zukunft zu beeinflussen und sich in den besten Arbeiten der Vergangenheit zu verorten. Mit Sicherheit führten diese Regeln an interessante Orte. »I’m not really here by any accident. I’m here because I’m paying attention. I’m here because I know you’re significant. I’m here because I know you’re important. It was a privilege to be here. Thanks very much for having me, and showing me what you do.«25

Interactive Movies II: Disney

Im Rahmen der Auseinandersetzungen mit anderen Medien rückte immer wieder die Arbeit der Walt Disney Animationsstudios, aber auch des Walt Disney Imagineering, gegründet um die Themenparks der Firma zu entwickeln, in den Fokus. Bereits im Dezember 1988 verfasste JEFF JOHANNIGMAN mit seinem Beitrag ›A Mickey Mouse Approach to Game Design‹ ein Plädoyer, sich am Beispiel der Walt-Dis-

25 Vgl. B. Sterling: The Wonderful Power of Storytelling. In: JCGD, Vol. 4, Is. 5, Jun. 1991. S. 6-11.

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ney-Themenparks zu orientieren.26 Disneyland sei nämlich als Multimillionen-DollarUnternehmen ebenfalls im Geschäft des »interactive entertainment« tätig und dort seit über 30 Jahren mit Tausenden von Besucher/innen erfolgreich, während Game Designer/innen den zum Teil gleichen Zielen seit etwa zehn Jahren nachgingen. Bei seinem letzten Besuch habe er einige Beobachtungen gemacht »on what has made Disneyland the success it is, and how we can apply it to our craft«. Allem voran sei Disneyland ein Ort, an dem die Fantasien der Massen angesprochen werden, sei es die Zukunft, der Wilde Westen oder der tiefe Dschungel, immer an der Frage orientiert: Von welchen Tätigkeiten träumen Menschen? Von dieser Vorgehensweise ließe sich der ›Disneyland-Test‹ ableiten, also die Frage, ob ein Spiel – jenseits technologischer Beschränkungen – eine gute Attraktion abgeben würde. Dies treffe etwa auf Flug- und Weltraumsimulationen sowie Sportspiele zu; nicht wenige Überschneidungen finden sich bereits jetzt, während viele – selbst sehr gute – Produkte es verpassten, die Vorstellungskraft der Spielenden anzusprechen. Man könne zwar den Eindruck bekommen, der Erfolg einzelner Attraktionen ließe sich allein auf die vertrauten firmeneigenen Lizenzen zurückführen, die sich wiederum häufig an bekannten Erzähltraditionen anlehnen, doch seien nicht wenige Computerspiele daran gescheitert, auf der Grundlage einer guten Lizenz auch ein angemessen gutes Spiel zu entwickeln oder die richtige Lizenz auszuwählen. »What is important is that Disney does not stop with just a good concept. The name Disney has become synonymous with quality and attention to detail in implementation. Every facet of Disneyland is designed to convince the guest of the completeness of the fantasy world.«

Die Attraktionen in Disneyland zeichneten sich vor allem durch ihre »completeness« aus, sodass nicht allein die einzelnen Achterbahnen, sondern auch die Wartebereiche, von der Kleidung der Angestellten bis hin zur Gestaltung der Mülleimer, dem gleichen Thema folgen und zur Wirkung beitragen. Unterhaltungssoftware solle sich daran ein Beispiel nehmen, dass das Spiel nicht allein auf dem Datenträger existiere: »the entire package must be designed to convince the user of the fantasy.« Dies sei etwa durch Beigaben in der Verpackung wie Karten und aufwendige Handbücher zu erreichen. Und auch die Erfahrung, die man bei Disneyland gemacht habe, niemals ein Produkt allein als Präsentationsplattform für eine neuen Technologie zu entwickeln, sei ein gutes Vorbild für den weitverbreiteten Fehler in der Spieleentwicklung, zuerst eine technologische Spielerei zu konstruieren, um dann zu fragen: »›Can we make a game out of this?‹.« Schließlich lege man bei Disneyland besondere Aufmerksamkeit auf die Rückmeldung der Besucher/innen; es werde die Anekdote erzählt, dass die Begrenzung der Rasenflächen erst angelegt worden sei, nachdem man überprüft habe, dass sich die Laufwege des Publikums nicht mit diesen kreuzten. Das intuitive Interface und »satisfying play« der Spiele von Ozark Softscape könne derselben Strategie zugerechnet werden: »Dan Bunten recruits dozens of different playtesters at every stage of game development. He sits them down at the computer, watches them play, listens to their reactions, refines the game, and repeats the process over and over again. It shows in the end result.« 26 Vgl. J. Johannigman: A Mickey Mouse Approach to Game Design. In: JCGD, Vol. 2, Is. 2, Dec. 1988. S. 8f.

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Der Erfolg, den Disneyland heute habe, sei wesentlich durch diese Faktoren bestimmt: »Exciting fantasies, familiar concepts, completeness, attention to detail, and listening to the customer [...].« Man könne den selben Zielen nachstreben, in der Hoffnung gleiche Höhen zu erreichen.27 Im Oktober 1990 veröffentlichte JEFF JOHANNIGMAN, diesmal gemeinsam mit WARREN SPECTOR, einen Beitrag, der sich erneut mit Disney, aber auch der Historie anderer Animationsstudios im Vergleich zur Spieleentwicklung befasste.28 Ausgangspunkt ist hier ebenfalls, dass die Spieleindustrie mit ihren deutlichen Unterschieden in der Höhe der Produktionskosten, der Größe der Teams sowie des Publikums weitaus weniger als »The New Hollywood« gesehen, als vielmehr mit der Entwicklung der »cartoon studios« verglichen werden könne. Ebenso wie die ersten Spiele seien die ersten Animationsfilme als Arbeiten einzelner Personen entstanden wie etwa die einfallsreiche und ansprechende Arbeit von WINSOR MCCAY, dessen Ziel, den Animationsfilm massentauglich zu machen, ab 1914 für viele Jahre als Vorbild für andere Zeichner/innen diente, die sich gegenseitig vor allem mit technologischen und produktionstechnischen Verbesserungen überboten. Vor allem die Filme von WALT DISNEY zeichneten sich schließlich neben ihren technologischen Innovationen durch ihren Schwerpunkt auf Erzählung und einprägsame Charaktere aus. Die »computer game industry« habe sich in ihren frühen Jahren sehr ähnlich entwickelt, getragen von kreativen Einzelpersonen, die sämtliche Aufgaben – von Design, Programmierung, Schreiben, Zeichnen, musikalischer Untermalung, Testen bis hin zu Verpackung und Verkauf – übernommen haben.29 Doch ähnlich wie in der Animation habe man zunehmend auf Studios mit kleinen Teams umgestellt, die in arbeitsteiliger Produktion deutlich effektiver agieren konnten, ohne dabei an kreativer Energie zu verlieren, sondern – im Gegenteil – eher dazugewonnen hätten. Die Spieleindustrie solle sich dennoch ein Beispiel daran nehmen, dass technologische Innovation allein nicht ausreichend sei, um Geschichten sowie Charakteren mehr Aufmerksamkeit schenken, die langfristig das Interesse der Spielenden binden könne; eine Bewegung, die bereits begonnen habe.30 Aus der Geschichte der Animationsstudios könne man zudem lernen, dass mit der wachsenden Bedeutung großer Produktionen auch die Bedeutung der Studios und 27 Als Referenz konnte allein ein Besuch im Themenpark dienen. Das erste Buch, das dem sog. Imagineering gewidmet war, erschien 1996. Vgl. The Imagineers: Walt Disney Imagineering. New York/NY 1996. 28 Vgl. J. Johannigman, W. Spector: They’re Playing My ’Toon! In: JCGD, Vol. 4, Is. 1, Oct. 1990. S. 10f. Warren Spector hatte seinen Master-Abschluss in ›Radio, TV, Film‹ mit einer Arbeit über die Geschichte der »Warner Brothers’ cartoons« erworben, bevor er begann, ›Pen&-Paper‹-Rollenspiele zu entwickeln. Beide Autoren waren zu diesem Zeitpunkt als Producer für das Verlagshaus Origin tätig. Vgl. ebd. 29 Die Autoren nennen als Beispiele Bill Budge, Dan Bunten, Andy Greenberg, Dan Gorlin, Richard Garriott und Chris Crawford. Vgl. ebd. 30 Die erfolgreichsten Spiele dieser Zeit seien von Charakteren getragen wie Mario, Luigi, Link, Zelda, Teenage Mutant Ninja Turtles, Lord British, Rosella, Leisure Suit Larry und Roger Wilco. Es sei zudem kein Zufall, dass Carmen San Diego von einem ehemaligen DisneyAnimator erfunden worden sei. Vgl. ebd.

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›Stars‹ gegenüber den Entwickler/innen wachse. Anders als bei ›Stars‹ in der Filmproduktion, die sich frei zwischen den Produktionsstudios bewegen und hohe Gehälter aushandeln können, seien Charaktere stets Eigentum der Studios. Diese gewännen damit allerdings auch die Aufmerksamkeit des Publikums, während die Personen, die sie erschaffen hätten, dagegen häufig im Schatten bleiben. Dabei seien die kreativen Visionär/innen nicht allein für die Erfindung der Charaktere verantwortlich, sondern zudem für die Vermittlung ihrer Vision sowie die Zusammenstellung, Motivierung und Leitung jener Teams, die für die erfolgreiche Realisierung und Ausarbeitung der Ideen zuständig seien. »The ability to communicate a vision and motivate a team may be the most crucial talent for game designers from here on out. Undoubtedly, it is important to know the tools of the trade—how a program works, how to write an effective story, how to create striking graphics—but [...] [s]ince state-of-the-art games require teams of 10-20 people, knowing how to utilize people effectively is worth more than knowing how to utilize a programming language.«

Es gebe immer Raum für talentierte Einzelpersonen, ihre Projekte auch jenseits des Studiosystems zu realisieren, selbst wenn eine mit Filmfestivals vergleichbare »artistic game«-Veranstaltung erst noch geschaffen werden müsse. Bis es so weit sei, liege die Zukunft des »commercial game design« wohl in den Händen großartiger »game directors«, die gemeinsam mit großartigen Teams großartige Spielcharaktere kreieren. In der Rückschau betrachtet sei es unausweichlich gewesen, dass aus der Animation sowohl Kunst als auch Industrie geworden sei. Schon WINSOR MCCAY habe sich allerdings darüber beschwert, man habe aus seiner Kunst ein Geschäft gemacht; und doch seien es die Geschäftsleute gewesen, die dem Publikum die allseits bekannten Charaktere geschenkt haben. In diesen Vorwürfen höre man noch den Ruf der vom Aussterben bedrohten Spezies, des »lone wolf game designer«, und doch könne man nur hoffen, dass das »evolving computer game business« seine Hälfte der Aufgabe erfülle. Interactive Fiction II: ›Graphic Adventure Games‹ und ›Interactive Fiction as Literature‹

Das Jahr 1987 markiert in vielerlei Hinsicht einen Punkt des Auseinanderbrechens der ›Interactive Fiction‹ in die grafisch aufwendigen ›Adventure Games‹ einerseits und die rein textbasierte, wenngleich lange Zeit belächelte ›Interactive Fiction‹ andererseits; es war ein Bruch, der allerdings nicht sofort sichtbar war.31 Noch in der Maiausgabe 1987 31 Anlässlich der Gründung des Entwicklungsstudios und Verlagshauses Infocom 1979 sowie der Markteinführung des Erstlingswerkes Zork hatten die Firmengründer P. David Lebling, Marc Blank, Tim Anderson und Bruce Daniels ihr Ideal der ›Computerized Fantasy Simulations‹ formuliert: »CFS (computerized fantasy simulation) games are a new art form: the computerized storybook. Instead of reading the story, you play it. The author presents the story, but only as you squeeze it out of him by wit and brute force. It’s tip to you to figure out what’s going on, and the satisfaction of doing so depends on how well thought out the story is. To be fun to play, the story must be more or less consistent and complete. To a large extent, this means that the program that embodies the story must simulate the universe well. [...] Innovations in form as well as content are possible. There are already CFS games that try to give the player a graphic view of his surroundings. As microcomputer technology advances, this will

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des Magazins BYTE erschienen gleich zwei Artikel zum Thema Adventure Authoring. Im ersten Artikel befasst sich DAVID BETZ mit ›AdvSys‹, einem von ihm entwickelten Werkzeugkasten, speziell entwickelt zum Verfassen von Adventure-Spielen einschließlich einem Parser, um die Texteingaben der Spielenden zu verarbeiten, einer Funktion zur Beschreibung der Orte, Akteure und Gegenstände sowie einer Sprache zur Festlegung von Ereignissen im Spiel. Diese Software diene als frei verfügbares Werkzeug für Schriftsteller/innen zum Verfassen von ›Adventure Games‹ ebenso wie eine Textverarbeitung zum Verfassen von Romanen, ohne jedoch gutes »creative writing« zu ersetzen. BETZ verband die Veröffentlichung des Systems mit der Hoffnung, potenzielle Autorinnen und Autoren zu inspirieren, ›Adventure Games‹ zu verfassen und mit dem Rest der Welt zu teilen.32 Die Anleitung zur Anwendung der AdvSys-Software wurde begleitet von dem Artikel ›Interactive Fiction as Literature‹ von MARY ANN BUCKLES, in welchem die Autorin – basierend auf ihrer Dissertation – nicht nur auf die Verbindungen zwischen ›Adventure‹-Spielen und Literatur hinweist, sondern zudem Empfehlungen für angehende Verfasser/innen von ›Interactive Fiction‹ formuliert. Es handele sich um die Fortsetzung populärer Literatur wie Detektivgeschichten, ›Science-Fiction‹, Fantasy oder Abenteuererzählungen, die man selbst als Rätselaufgaben oder auch als – in den Grenzen der Glaubwürdigkeit (ARISTOTELES) agierende – Reiseberichte über die Entdeckung unbekannter und fantastischer Welten oder die Erforschung komplexer Systeme lesen könne. Das Neue an ›Interactive Fiction‹ sei die Partizipation der Lesenden, die gleichzeitig zu Charakter und Mit-Autor/in werden und so den Text personalisierten und individualisierten. Basierend auf ihren Beobachtungen und Befragungen zum Spiel ›Adventure‹ macht BUCKLES dann fünf Vorschläge für all jene, die Interesse hätten, ›Interactive Fiction‹ zu verfassen. Erstens solle eine alle Objekte und Kreaturen verbindende und erklärende ›supra-story‹ formuliert werden, die, selbst wenn sie den Lesenden nicht direkt eröffnet werde, für die innere Kohärenz der Spielwelt sorge. Zweitens solle nicht nur Schritt für Schritt auf einen Höhepunkt hingearbeitet werden, sondern es sei auch wichtig, den Spannungsaufbau mit einem angemessenen Ereignis abzuschließen. Drittens solle man become more common, and the renditions will achieve higher quality [...]. On the other hand, the player’s imagination probably has a more detailed picture of the Great Underground Empire than could ever be drawn. [...] CFS games as an art form can continue to grow as long as their medium continues to grow. [...] The possibilities of new concepts, new milieux, and new purposes are enormous. We would like to think that it will not be long before authors view such scenarios as just another medium of expression.« Vgl. P.D. Lebling, M.S. Blank, T.A. Anderson: Zork – A Computerized Fantasy Simulation Game. In: IEEE Computer, Vol. 12, Is. 4, Apr. 1979. S. 51-59. P.D. Lebling: Zork and the Future of Computerized Fantasy Simulations. In: BYTE, Vol. 5, No. 12, Dec. 1980. S. 172-182, hier 172, 182. Ab 1987 dominierten jedoch bereits Sierra On-Line und die »graphical computer games« gegenüber den textbasierten Spielen von Infocom den Markt für ›Adventure Games‹. Zur Geschichte von Infocom vgl. H. Briceno et al.: Down From the top of its Game. Springfield/NJ 2010. S. 44-48. Get Lamp [2 DVDs]. o.O. 2010. Zur Genese des ›Adventures‹ bis zur Gründung von Infocom vgl. C. Pias: Computer Spiel Welten. München 2002. S. 119-189. 32 Vgl. D. Betz: An Adventure Authoring System. In: BYTE, Vol. 12, No. 5, May 1987. S. 125135.

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den Puzzles eine moralische Qualität geben, da es den Spielen eine emotionale Tiefe verleihe, bedeutungsvolle Handlungen zu vollführen, die es erforderten, Annahmen kritisch zu hinterfragen, statt bloß Punkte zu sammeln. Viertens solle man als ›Erzähler/in‹ eine einheitliche Persönlichkeit und Perspektive erschaffen, um für die Beschreibungstexte des Spieles ein konsistentes Bild zu liefern, etwa zu dem, was man wisse und was nicht. Fünftens solle man das Spiel von so vielen Personen testen lassen wie möglich, durch den Computer ihre Schritte protokollieren, sie beobachten und befragen, und bei kleinen Gruppen deren Diskussionen und Argumentationen über die Interpretation der Spielwelt erfassen, um Leerstellen und Missverständnisse auszuräumen. Schließlich äußert sich BUCKLES über die Zukunft der ›Interactive Fiction‹ und vergleicht den Stand der Entwicklung mit dem des Mediums Film, das auch zunächst naiv und plump gewirkt habe und erst durch die Werke von D.W. GRIFFITH oder CHARLIE CHAPLIN als etwas wahrgenommen worden sei, das »aesthetically mature experiences« vermitteln könne. »The first interactive texts were written by programmers who thought of them mostly as games, and the literature they created is unsophisticated. The computer itself, however, does not limit IF to frivolous works. [...] Now interactive stories are being written by traditional authors with technical assistance from programmers. Perhaps it will take someone who is both a programmer and an author to explore the artistic promise of IF and create works of literature that rank with the classics of traditional literature.«33

BUCKLES betont also nicht nur, dass es sich bei den Spielen selbst um noch unausgereifte, frivole Gegenstände handele, etwa mit Schwächen in Charakterisierung und Stil sowie schablonenhafte Figuren, sondern auch, dass ihr wahres Potenzial in einem bisher noch nicht erreichten Ideal der ›Interactive Fiction‹ liege, dem sich aber inzwischen sogar bekannte Schriftsteller/innen der Populärliteratur widmeten.34

33 Vgl. M.A. Buckles: Interactive Fiction as Literature. In: BYTE, Vol. 12, No. 5, May 1987. S. 135-142, hier 142. 34 Diese Zurückhaltung folgte nicht zuletzt aus Mary Ann Buckels’ Dissertationsschrift, die sie 1985 an der University of California San Diego eingereicht hatte, und in der sie sich bereits vielfach genötigt gesehen hatte, den niederen Status ihres Ausgangsmaterials zu rechtfertigen. »Adventure can provide its readers the fascinating experience of interacting on a simple level with a written text and actually having an influence on the construction of the story they are reading. The story itself, however, is of low ›literary‹ value. One might ask whether interactive fiction will be yet another form of formula or trivial literature or mind-deadening, comercially oriented entertainment as T.V. has turned out to be. In what follows, I hope to show that the low ›literary‹ quality of Adventure is a function of the immaturity of its artistic medium, not of any intrinsic technical/aesthetic limitation of the computer as literary medium.« M.A. Buckles: Interactive Fiction. San Diego/CA 1985. S. 65-86, hier 65. Dieser Umstand ist umso bemerkenswerter, da Buckles kurz darauf ihre akademische Karriere beendete. Aufgrund ihres Gegenstandes war sie innerhalb der Literaturwissenschaft an der Universität von Kalifornien vornehmlich auf Unverständnis und Widerstand gestoßen, was das Verfahren frustrierend und verletzend machte. Erst Espen Aarseth konnte Buckles’ bis dahin weitestgehend unbeachtet gebliebene Arbeit 1997 im Rahmen seiner Dissertation wiederentdecken und ihr schließlich den

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Manche Reaktionen auf diese Entwicklung, etwa auf die ›Consumer Electronic Show (CES)‹ von 1984, die gleich mehrere Verlage nutzten, um eine Vielzahl an Buchumsetzungen anzukündigen, sind allerdings durchaus verhalten. Etwa JON FREEMAN stellte – in Anlehnung an ALVIN TOFFLERS Buch von 1980 – massiv infrage, ob es sich tatsächlich um die ›Third Wave‹ handele, also den revolutionären Wandel von einer Softwaregeneration zur nächsten. Die Kombination aus Schriftsteller/innen mit großem Namen, populären Themen, Hochglanzverpackungen und groß angelegten Werbekampagnen habe viele davon überzeugt, dass der zukünftige Trend darin liege, Bücher in Spiele zu konvertieren; dabei seien die Erwartungen aber zu hoch gesteckt. Keines der präsentierten Spiele sei fertig gewesen, über die bekannten Standards für die Ausgabe von Text und Grafik, geschweige denn die Eingabe von Textbefehlen hinausgegangen oder zukunftsweisend in Hinblick auf gebotene Interaktionsmöglichkeiten gewesen. Viele Redaktionen haben sich diesem Urteil angeschlossen und eine ausführliche Berichterstattung über diese Spiele verweigert. Das Scheitern dieser Bemühungen sei letztlich unausweichlich, wenn der Großteil der Entwicklungsausgaben für Lizenzen und Schriftsteller/innen verwendet werde und nicht für erstklassige Programmierer/innen, die lieber an ihren eigenen Ideen arbeiteten oder erfolgreiche Spiele konvertierten. So fehle es allen Beteiligten an Erfahrung und Praxiswissen, um diese Projekte zu retten; Interesse und Kreativität könnten die Meisterschaft in einem spezifischen Medium nicht ersetzen; manche hätten lebtags noch kein »computer game« gespielt. Es möge zwar wahrscheinlicher sein, dass man als Autor/in besser für den Job als Game Designer/in geeignet sei, doch brauche es Zeit diesen Weg zu gehen, um nicht am Ende festzustellen, dass die Hingabe und Erwartungshaltung des Publikums größer sei als die eigene. Noch sei dieses Ziel nicht erreicht.35 JONATHAN LESSARD hat in seinem Beitrag zur internationalen Konferenz ›History of Games‹ 2014, in dem er die CES 1984 als ein erstes Indiz für die Popularisierung der ›Interactive Fiction‹ deutet, schließlich auf die besondere Bedeutung des Jahres 1987 und insbesondere des im damaligen Herbst erschienenen Spieles Maniac Mansion für die massenmarktfähige Weiterentwicklung der »adventure games« hingewiesen, wobei er auch die damalige Fachliteratur zum ›Game Design‹ berücksichtigt. In diesem Kontext erscheine die Annäherung an ein Konzept von ›Interactive Fiction‹ vor allem als ein Weg des Marketings, um eine breitere Kundschaft zu erreichen, jenseits der festen Assoziation von »video games« mit reiner Hand-Augen-Koordination oder der Anforderung einer Hacker-Mentalität bei den Spielenden. Am deutlichsten zeige sich dies zum einen in der Fokussierung des Interface Design auf Grafik, Sound und Animation sowie auf die Steuerung per ›Point & Click‹ durch Joystick bzw. Maus mithilfe eines Zeigers und eines deutlich reduzierten Vokabulars statt durch die Texteingabe mit Tastatur und zum anStatus eines Klassikers zusprechen. Vgl. M. Erard: 2 Decades Later. In: The New York Times, 06.05.2004. (Online) 35 Vgl. J. Freeman: The Third Wave? In: CGW, Vol. 4, Is. 4, Aug. 1984. S. 42. A. Toffler: The Third Wave. New York/NY u.a. 1980. Freeman wendet sich damit auch explizit gegen die Titelgeschichte ›Novelists Inspire Adventure Games‹, die kurz zuvor in der InfoWorld erschienen war, die als führende ›Science-Fiction‹-Autoren, die sich nun der ›Interactive Fiction‹ zuwendeten, etwa Arthur C. Clarke, Robert Heinlein, Ray Bradbury, Michael Crichton, Larry Niven aufführte. Vgl. S. Mace: Novelists Inspire Games. In: InfoWorld, Vol. 6, Is. 25, 18.06.1984. S. 42-45.

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deren in dem sich wandelnden Anspruch eines bewusster agierenden ›Game Design‹, Spielende nicht frustrieren, sondern vor allem unterhalten zu wollen.36 Diese Diskussion über die Neuausrichtung der ›Adventure Games‹ nahm zwischen 1989 und 1991 noch einmal deutlich an Fahrt auf, wie u.a. anhand von Beiträgen im Journal of Computer Game Design deutlich wird. Allem voran hatte der seit vier Jahren bei Lucasfilm Games tätige RON GILBERT, Designer und Programmerierer von Maniac Mansion (1987) und des dazugehörigen ›Script Creation Utility‹ (SCUMM), auf dessen Basis inzwischen auch Zak McKracken and the Alien Mindbenders (1988), Indiana Jones and The Last Crusade (1989) sowie LOOM (1990) entstanden waren, in der Dezemberausgabe 1989 unter dem Titel ›Why Adventure Games Suck‹ eine polemische Abrechnung mit gängigen Konventionen von »adventure/story games« vorgelegt. Als Form des Geschichtenerzählens könnten »adventure games« in einer Art fesseln, die nur durch Interaktion möglich sei, doch werde selten alles richtig gemacht. Er habe insbesondere etwas gegen den aktuellen Trend, diese als ›Interactive Movies‹ zu bezeichnen, was zum einen auf engstirnige Marketing-Überlegungen und zum anderen auf Neid gegenüber den Filmschaffenden in Hollywood zurückzuführen sei. Vielmehr müsse es darum gehen, Spiele als etwas Eigenes wahrzunehmen und auszuwählen, was man entlehnen und lernen könne, etwa das Geschichtenerzählen in einem visuellen Medium, und was es selbst zu entdecken gelte. Dies sei notwendig, da man nicht steuern könne, welchen Teil einer Geschichte Spielende als nächstes entdeckten, was wiederum eine völlig neue und bisher noch weitegehend unerforschte Kunst des Geschichtenerzählens erfordere. Auf der Grundlage seiner bisherigen Arbeit habe er nun eine Sammlung von »Rules of Thumb« formuliert, um Spielende so lange und intensiv wie möglich, ohne Unterbrechungen und Frustration, in ein Spiel hineinzuziehen und dazu zu bewegen, die echte Welt hinter sich zu lassen; so gelange man zu einem besseren und zugänglicheren Spiel, das nicht auf beliebige und unverbundene Puzzles setze. So müsse nicht nur von Anfang an die Zielaufgabe klar sein, sondern auch der Startpunkt oder die Reihe von Unterzielen, die von einem Teil der Geschichte zum nächsten führe. Es müsse möglich sein, »adventure games« von Anfang bis Ende zu spielen, ohne zu sterben und auf das Wissen eines erfolglosen Versuches angewiesen zu sein, wenn man sehr vorsichtig und aufmerksam agiere. Es dürfe keine »rückwärtsgerichteten Puzzles« geben, bei denen die Lösung vor dem Problem gefunden werde, da es die Spielenden der Erfahrung des Problemlösens beraube. Dazu gehöre auch, keine Objekte im Spiel zu positionieren, welche zum Lösen eines Problems notwendig seien, die man aber später nicht mehr erreichen könne. Puzzles sollten die Geschichte vorantreiben und die Spielenden näher an ihr Ziel führen. Ein Spiel in Echtzeit sei eine schlechte Vorstellung, da Spielende mit ihren Aktionen häufig den richtigen Einsatz verpassten, um zu wirken; besser sei eine ›Hollywood-Zeit‹, welche für jedes Puzzle so optimiert sei, dass die Mehrzahl der Spielenden rechtzeitig hindurchkommen. Spielende müssten durch Belohnungen, die Schritt für Schritt etwa 36 Vgl. J. Lessard: The Casual Revolution of ... 1987. In: Kinephanos, Montreal 2014. (Online) Lessard datiert das Ende der »parser-based interfaces in graphical adventure games« auf das Jahr 1990, obwohl Legend Entertainment, dessen Belegschaft sich zum Teil aus ehemaligen Infocom-Angestellten rekrutierte, in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre die Mehrzahl der Spiele noch basierend auf einer Parser-gestützten Texteingabe veröffentlichte. Vgl. N. Montfort: Twisty Little Passages. Cambridge/MA u.a. 2004. S. 190f.

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neue Orte, Personen oder Teile der Geschichte enthüllten, ein stetes Gefühl für Fortschritt vermittelt bekommen. Ein Puzzle und seine Lösung müsse einen Sinn ergeben und dürfe nicht von Versuch und Irrtum oder Glück abhängig sein. Die richtige Absicht der Spielenden müsse belohnt werden, wenn sie bereits nah an der Lösung seien, damit sie nicht an einer Banalität scheitern. Es gelte, unverbundene Ereignisse zu vermeiden, indem zwischen Handlungen und Ereignissen stets eine kausale Verbindung bestehe. Statt Spielende linear von einer geschlossenen Puzzlesektion in die nächste zu führen, solle man ihnen mehrere solcher Sektionen in Reihenfolge oder als Option zur Auswahl überlassen, um sie nicht durch das Fehlen einer Lösung gefangen zu halten. GILBERT beschließt seinen Artikel mit dem Wunsch, zum einen Speicherstände abzuschaffen, da die Möglichkeit der Spielenden, das Spiel zurückzusetzen, zu schlampigem Design Anlass gebe, und zum anderen den Verkaufspreis flexibler setzen zu können, da die Erwartungshaltung aufgrund eines Preises in Höhe von 40 bis 50 US-Dollar häufig nur zu künstlich aufgeblähten Produkten führe statt zu unterhaltsamen und intensiven Erfahrungen mit einer Spielzeit von vier bis fünf Stunden. »If any type of game is going to bridge the gap between games and storytelling, it is most likely going to be adventure games. They will become less puzzle solving and more story telling, it is the blueprint the future will be made from.«37 Im Oktober 1990 folgte der Beitrag ›Four Observations‹ von BRIAN MORIARTY, Autor der Infocom-Adventures Wishbringer (1985), Trinity (1986) und Beyond Zork (1987) sowie von LOOM (1990), das bei Lucasfilm Games entstanden war und auf dessen zum Teil widersprüchlichen Produktionsnotizen die vier folgenden Beobachtungen basierten. Erstens kaufe niemand »adventure games« wegen ihrer Geschichten, denn es gebe viele preisgünstigere Medien, die in der Lage seien, bessere Geschichten zu erzählen und auch die besseren Erzähler/innen anziehen. »Adventure games« würden von Personen gekauft, die es mögen, Puzzles zu lösen, unterhaltsame Orte zu erkunden und ihre Computer vorzuführen. Es sei zwar durchaus möglich, einen reichhaltigen und interessanten Kontext für ein »adventure game« zu schaffen, doch Produkte als »story games« zu bezeichnen oder sich selbst als »storyteller«, sei ein Fall von Selbstverliebtheit, da es doch im Kern darum gehe, Puzzles, Umwelten und Bilder zu gestalten. Zweitens würden die meisten Leute, die »adventure games« kaufen, diese nicht bis zum Ende spielen, sodass die kostenintensiv produzierte zweite Hälfte des Spieles vom Großteil der Kundschaft gar nicht gesehen und wertgeschätzt werde. Es sei also wichtig sicherzustellen, dass möglichst alle mit dem gesamten Spiel Freude haben. Drittens bestehe eine enge Verbindung zwischen dem Umstand, ob ein Spiel gemocht werde, und ob man in der Lage ist, es erfolgreich zu beenden. Wer also Spiele machen wolle, die gemocht werden, solle sie so anlegen, dass sie auch durchgespielt würden. Viertens handele es sich bei Interaktivität womöglich nicht um den anzustrebenden ›Heiligen Gral‹. Vielmehr sei sie der offensichtliche Weg, um Computer zur Unterhaltung einzusetzen. Leider hätten viele Menschen in der Industrie Interaktivität als das ›sine qua non‹ der »computer games« angenommen und verkündet, dass sie das Einzige sei, was sie von anderen Unterhaltungsmedien unterscheide. Genau wie im Falle des Fil37 Vgl. R. Gilbert: Why Adventure Games Suck. In: JCGD, Vol. 3, Is. 2, Dec. 1989. S. 4-7, hier 7. Das Manifest, das auf Erfahrungen in der Entwicklung von Maniac Mansion aufbaute, sollte schließlich erst mit The Secret of Monkey Island (1990) tatsächlich Anwendung finden, wurde aber in dieser Form zur Referenz des gesamten Typus von ›Adventure Games‹.

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mes, der zunächst nicht zum Erzählen von Geschichten, sondern nur zum Dokumentieren von Ereignissen eingesetzt worden war, sei es jedoch schwer vorstellbar, dass ein nur zehn Jahre altes, sich schnell entwickelndes und hochtechnologisches Medium bereits seine ultimative Ausdrucksform gefunden haben solle. Es gebe womöglich noch viel zu entdecken, darunter auch bessere Wege, um zu unterhalten. Die Produktion von LOOM sei mit der bewussten Entscheidung einhergegangen, die Geschichte zulasten der Interaktivität zu betonen und so ein größeres Publikum anzusprechen, was durchaus gelungen sei. Interaktivität könne, richtig eingesetzt, eine mächtige und lohnende Fähigkeit sein, solle aber nicht blind verfolgt werden, da man sonst andere Möglichkeiten übersehe.38 Auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ im März 1991 luden COREY und LORI COLE, die gemeinsam für die bei Sierra On-Line erschienene Adventure-Serie Quest for Glory verantwortlich zeichneten, zu ihrer einstündigen Arbeitsgruppe ›Design the Perfect Adventure Game‹ ein, um gemeinsam in der Gruppe den Entwurf eines Spieles zu diskutieren und so ein besseres Verständnis für den Designprozess zu gewinnen. Als Grundlage diente ein Konzeptpapier, das zur Vorbereitung im Tagungsband veröffentlicht worden war und sowohl die acht Phasen, in denen der Workshop ablaufen sollte, als auch zentrale Diskussionsfragen vorstellte. Nach einer ersten Orientierungsphase, in der über die Grundregeln des Ablaufes sowie besonders wichtige Inhalte abgestimmt wurde, folgten die sechs zentralen Phasen: Schauplatz, Stimmung, Thema, Handlung, Charaktere und Prioritäten. Beim ›Schauplatz‹ gehe es darum, die eigenen Erwartungen zu hinterfragen und so zu ungewöhnlichen, aber dennoch schlüssigen Entscheidungen über Ort, Zeit und soziales Regelwerk zu kommen. Die ›Stimmung‹ stehe stellvertretend für die allgemeine Atmosphäre, aber auch konkrete Emotionen und das wahlweise ruhige oder aufregende Tempo des Spielablaufes. Mit ›Thema‹ sei gemeint, sich klar zu machen, worum es gehe, was man mit diesem Spiel erreichen wolle und was dessen besondere Anziehungskraft im Kern oder »in einem Satz« ausmache. Eine ›Handlung‹, sofern sie den Spielenden eine zentrale Rolle zuweise und von ihnen mitgestaltet werde könne, sei besonders bedeutsam für ›Adventure Games‹ und brauche Anfang, Mittelteil und Ende. Die ›Charaktere‹ sollten interessant und glaubwürdig sein und eine Eigenständigkeit besitzen, wozu man sich am besten an Persönlichkeiten und Eigenschaften aus der eigenen Erfahrung orientiere. Schließlich gelte es für die weitere Entwicklung ›Prioritäten‹ zu setzen und auszudiskutieren, um das gesetzte Ziel auch zu erreichen.39 Als zusammenfassendes ›Ergebnis‹ und damit letzte Phase des Workshops erschien dann das »›Perfect‹ Adventure Game Design« im Journal of Computer Game Design. Ausgehend von der Annahme, dass jedem »good adventure game« zunächst einmal »good writing« zugrunde liege, sei es zum einen darum gegangen, anhand des Prozesses »designing an adventure game« die wichtigsten Elemente des fiktionalen Schreibens zu lehren, und zum anderen zwischen Leuten aus verschiedenen Unternehmen und Zusammenhängen Kontakt herzustellen sowie konstruktiv und kooperativ an einem gemeinsa38 Vgl. B. Moriarty: Four Observations. In: JCGD, Vol. 4, Is. 1, Oct. 1990. S. 14f. 39 Vgl. CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Program. o.O. 1991. S. 4. CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Proceedings. o.O. 1991. S. 10f.

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men Ziel zu arbeiten. Schnell habe sich herausgestellt, dass es äußerst schwer gewesen sei, die einzelnen Elemente getrennt voneinander zu besprechen. In einer Art »brainstorming« habe man sich daraufhin jedoch auf ein originelles Thema, die freie Auswahl der Hauptfigur, Charaktere, Szenario und anschließend die Stimmung geeinigt. Das Spiel solle die Spielenden mit realen Konsequenzen auf die Handlungen der Hauptfigur konfrontieren und die Beziehung zu anderen Charakteren verändern. Ohne Einschränkungen in Budget, Zielgruppe oder Technologie sei es das Ziel gewesen, »to create a game that each of them would like to play«, was schließlich zu einem wahrhaft eigenständigen Produkt geführt habe.40 Ebenfalls auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ 1991 kam es unter dem Titel ›Live or Let Die – The Computer Adventure Game Question‹ zu einer Podiumsdiskussion mit LORI COLE und RON GILBERT über die Rolle des Todes der Hauptfigur in einem Spiel, geleitet von BRENDA LAUREL. GILBERT stellte bei dieser Gelegenheit klar, dass er nicht strikt gegen Tod, Gewalt oder das Töten in Spielen sei, da es dabei um wichtige und wirkmächtige Elemente einer dramatischen Handlung gehe. Er sei jedoch gegen den Tod der Hauptfigur mitten im Verlauf der Geschichte, einzig um den Spielenden anzuzeigen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Mit einer solch schlechten Erzählweise reiße man die Spielenden aus der Handlung heraus und zerstöre ihre ›Suspension of Disbelief‹, die so wichtig sei, um sich auf eine Geschichte einzulassen. Es gebe viele andere Wege, um eine gefährliche Situation heraufzubeschwören, besonders wenn die Spielenden voll und ganz in der Handlung aufgingen. COLE betonte dagegen, dass die allgegenwärtige Möglichkeit des Todes die Erfahrung der Spielenden grundlegend verändere, über eine reine Unterhaltung hinaus. Frei von jeder Gefahr fehle es an jener Hingabe und Mitgerissenheit, die für die Intensität eines Rollenspieles von entscheidender Bedeutung sei; man verhalte sich forschender und experimentierfreudiger gegenüber einem Spiel, das sich als Spiel zu erkennen gebe und ohne Konsequenzen bleibe. Vielfach werde der Tod jedoch trivialisiert, wenn beinahe jeder falsche Zug zum Ableben der Hauptfigur führe und die ganze Konzentration darauf gerichtet werden müsse, keine Fehler mehr zu machen, statt Probleme zu lösen. Erst angesichts von Elend und Tod stelle sich schließlich ein stärkeres Erfolgsgefühl ein.41 Etwa gleichzeitig erschien in der Aprilausgabe der Computer Gaming World in der Reihe ›Designer’s Notes‹ ein ausführliches Interview mit LORI und COREY COLE, in dem diese ihre »Game Design ›Elementals‹« erklärten. Mit ihrer Spieleserie Quest for Glory haben sie den Versuch unternommen, eine Art von Spiel zu entwickeln, das sie selbst gerne spielen wollten, um die erzählerischen Stärken der ›Adventure Games‹ mit der Charakterentwicklung und »first-person identification« eines ›Pen-and-Paper‹-Rollenspieles zu verbinden. Man habe versucht, so viele alternative Lösungen wie möglich unterzubringen, zum einen, um die Frustration für die Spielenden zu reduzieren, und 40 Vgl. C. & L. Cole: The ›Perfect‹ Adventure Game Design. In: JCGD, Vol. 4, Is. 5, Jun. 1991. S. 4f. 41 Vgl. CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Program. o.O. 1991. S. 7. CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Proceedings. o.O. 1991. S. 18. Vgl. auch o.A. (Redaktion): ›Cogito Ergo Ludo‹ (›I Think, Therefore I Play‹). In: CGW, No. 83, Jun. 1991. S. 42, 44-46, hier 44f.

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zum anderen, um nicht sklavisch einer Geschichte folgen zu müssen, sondern allen Spielenden mit ihren vielfältigen Spielfiguren eine eigene, einzigartige Story zu geben. Nach dem Vorbild einer »book tetralogy« habe man von Beginn an eine Geschichte mit vier aufeinander aufbauenden Teilen geplant, welche, den vier Jahreszeiten und Elementen folgend, die komplette Entwicklung eines Charakters erzählt, einschließlich einer befriedigenden Auflösung der Geschichte. Ursprünglich habe man es den Spielenden überlassen wollen, sich für ein Geschlecht und eine Rasse zu entscheiden, doch haben es die technologischen Beschränkungen von Speicherplatz und Entwicklungszeit notwendig gemacht, sich mit dem männlichen Menschen zu begnügen, wenngleich es einfacher gewesen sei, die Geschichte für eine einzelne Figur zu schreiben. Es sei stets eine Überlegung gewesen, ob eine Animation wirklich zum Spiel beitrage oder diese nicht durch deutlich billigeren Text zu ersetzen sei. Zudem habe man Blickwinkel und Darstellungsmodi gewählt, die auch schwächere Maschinen unterstützen und den notwendigen Speicherplatz reduzierten. Mit dem neuen Spiel sei jedoch der Sprung auf mitreißendere und realistischere Grafik verbunden. Viele Beschränkungen würden mit der aufziehenden Ära der CD-ROM verschwinden, sofern die Spielenden über die entsprechenden Laufwerke verfügten. Es verlange aber doppelt so viel Arbeit, Spiele zu kreieren, welche die gesamte verfügbare Hardware einsetzten. »We’re trying to make each game a little better, and a little more fun, than its predecessors. If we can get the player to believe, even for a few minutes at a time, that he/she is in the role of a real character, with real problems in a real world, and is interacting with other real people, then we’ve succeeded in most of our goal. If, on top of that, the player has a lot of fun in the process, we all win.«42

Die Traditionslinie des Spieles Adventure teilte sich im Jahre 1987, etwa zehn Jahre nach dessen Veröffentlichung, in zwei Zweige: Die ›Adventure Games‹ erlebten in der Nachfolge von Maniac Mansion und der durch ›Lucasfilm Games‹ und schließlich auch ›Sierra On-Line‹ etablierten Standards in Präsentation und Steuerung als ›Grafik-Adventures‹ eine Zeit wirtschaftlichen Erfolgs. Das Text-Adventure hingegen transformierte sich dauerhaft zur ›Interactive Fiction‹ (IF) als Nische ohne jede kommerzielle Bedeutung, aber mit einer nicht minder begeisterten Gefolgschaft. Diese Teilung verlief allerdings keineswegs passiv, sondern vielmehr aktiv, entlang den durch die Designer/innen gewählten medialen Referenzsystemen: Bewegtbild oder Literatur. Dass die ›Interactive Fiction‹ zu einem eigenen Zweig heranwachsen konnte, verdankte sie nicht zuletzt der zunehmenden Verfügbarkeit von leistungsfähigen Werkzeugen, um auch ohne Programmierfähigkeiten, aber immer innerhalb des fest gefügten Rahmens von Text-Parsern, ›Adventures‹ verfassen zu können. Darunter war insbesondere das ›Adventure Game Toolkit‹ (AGT), dessen Herausgeber einen ersten ›Adventure Game Writing Contest‹ veranstaltete, sowie ›The Text Adventure Development System‹ (TADS); beide wurden 1987 veröffentlicht. Im selben Jahr wurde mit der UsenetDiskussionsgruppe ›rec.arts.int-fiction‹ zudem die erste Möglichkeit für den Austausch

42 Vgl. L. & C. Cole: Lori and Corey’s Quest for Glory. In: CGW, No. 81, Apr. 1991. S. 68-70, hier 70.

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von Hobbyentwickler/innen und begeisterten Spielenden eingerichtet, die sich schnell als zentrale Anlaufstelle für die Verbreitung von ›Interactive Fiction‹ etablierte.43 Mit den verfügbaren Werkzeugen wurde dann dieses spezifische Feld der Anleitungsliteratur wiederbelebt, das sich nun ganz den erzählerischen und spielerischen Fragestellungen widmen konnte, statt endlos wirkende Folgen von Programmzeilen abzudrucken. Diese oft sehr persönlich gefärbten Notizen und Überlegungen, durchmischt mit technischen Anweisungen für die jeweiligen Schreibsysteme, kursierten wohl anfangs nur als unoffizielle Handreichungen in privaten Kreisen, wurden später aber durch digitale Kommunikationskanäle wie Usenet und Internet einem größeren Publikum zugänglich. So erlebten manche Notizen enorme Verbreitung; oft wurden sie vielfach überarbeitet, um Kritik oder Erweiterungen aufzunehmen.44 Im Frühjahr 1990 erschien mit Computer Adventures – A Secret Art eine solche 128 Seiten umfassende Anleitungsschrift des Briten GIL WILLIAMSON noch in Buchform. Es zeigt beispielhaft den Status quo im Design von »computer adventure games, also called ›interactive fiction‹«. Basierend auf der Analyse erfolgreicher »computer adventure games«, mit denen Leser/innen nach Möglichkeit vertraut sein sollten, präsentierte WILLIAMSON ein »Do-it-yourself manual« zu deren Planung, schriftlicher Abfassung und Verkauf, ohne jedoch Programmierkenntnisse vorauszusetzen. WILLIAMSON fasste unter »computer adventure games« aufgrund ähnlicher »principles of design« sowohl das »pure text adventure«, das »real-time graphic adventure« als auch Mischformen wie das »text adventure with graphic illustrations« zusammen. Der Schwerpunkt des Buches lag jedoch deutlich auf den reinen Text-Adventures. Der Text bleibe trotz umfangreicher Illustration sehr wichtig und könne in Verbindung mit der Vorstellungskraft ebenso lebendige Bilder erzeugen wie jene auf dem Bildschirm. Zudem begrenze die Verwendung von Grafik die Übertragbarkeit des Spieles auf andere Systeme. Als Autor/in sei man gut beraten, sich an die Grundsätze guten Designs zu halten, da eine aufwendige Präsentation nur ein Spiel verkaufe und keine Serien. Romane würden auch nicht mit Bildern ausgestattet, obwohl dies möglich sei. Und viele erhältliche Spiele, die über Illustrationen verfügten, erlaubten es, diese auszuschalten, was zu besseren Reaktionszeiten und mehr Platz für den Text führe. Die Beschränkungen bei Talent sowie Speicherplatz, Auflösung und Farbpalette, die auf den verschiedenen Geräten ungleich verfügbaren seien, legten nahe, dass man eher auf Grafik verzichten solle, statt eine minderwertige oder irreführende zu verwenden. Dagegen seien die seit jüngster Zeit verfügbaren »arcade adventure games«, die ein zweidimensionales Spielfeld (Bühne) bieten, auf dem sich die Spielfigur bewege und die Umgebung manipuliere, auch wegen der Eingabe über Icons, Maus und Menüs, was die Vorstellungskraft der Spielenden einenge, im Umfang ihrer Spielwelt und in ihrer spielerischen Vielfalt beschränkt. Nicht sel43 Vgl. N. Montfort: Twisty Little Passages. Cambridge/MA u.a. 2004. S. 196-198. J. Maher: Let’s Tell a Story Together. o.O. 10.07.2006. (Online) ›Chapter 8: The Growth of Hobbyist IF‹. 44 Laut Sloane hatte David Graves bereits 1989 eine Anleitung zur ›Interactive Fiction‹ verfasst, die aber nicht im Literaturverzeichnis angegeben ist. Dies deutet darauf hin, dass es sich um ein digitales und nur begrenzt in Zirkulation befindliches Dokument handelte: »Interactive Fiction Writer’s Guide, Version 3.0, 1989, David Andrew Graves.« Vgl. S.J. Sloane: Interactive Fiction, Virtual Realities, and the Reading-Writing Relationship. Columbus/OH 1991. (Online) S. 102, 110, Anm. 87.

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ten gebe es einen Punkt im Spiel, an dem es sich in einen Spielautomaten oder ein »wargame« verwandle. »My own personal opinion is that text is the most suitable medium for adventure games [...] [T]he shareware game writing product AGT, which I favour, is text only [...] [T]he aspiring adventure writer will find that most game-writing systems currently available concentrate on delivering a text adventure [...].«45

In der Aprilausgabe 1990 des Journal of Computer Game Design veröffentlichte CRAWFORD eine kurze Rezension des Buches mit dem Hinweis, dass ihm dessen Autor, »an old hand in the home computing business«, schon 1981 in London über den Weg gelaufen sei. Die Stärke des Buches liege in der Auswahl und Sammlung von Bausteinen, um Spielende herauszufordern, und zugleich in der Definition der ›Adventure‹-Grundelemente. Selbst wenn es vor allem an ernsthafte Nichtprofis gerichtet sei, könne es auch für Profis von Wert sein. Wie CRAWFORD schließlich bemerkt, fehle es dem Buch vor allem an einem Literaturhinweis auf sein Buch The Art of Computer Game Design sowie auf das Journal, was darauf hindeutet, dass Diskussionen, die sich dort zutrugen, bei WILLIAMSON keinen Niederschlag gefunden hatten.46 In den Folgejahren zog sich beinahe die komplette Szene der ›Interactive Fiction‹ in die online zugänglichen Diskussionsgruppen, Archive, Zeitschriften und Wettbewerbe zurück, prosperierte aber gleichzeitig in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß. In diesem Umfeld erhielten auch die Anleitungsschriften neue Relevanz. So veröffentlichte etwa GERRY KEVIN WILSON 1994 seine Anleitung zum Verfassen von ›Interactive Fiction‹ unter dem Titel Whizzard’s Guide to Text Adventure Authorship. Wenig später sollte WILSON mit der Gründung des Newsletters der ›Society for the Preservation of Adventure Games‹ (SPAG) sowie mit der Organisation des ersten groß angelegten ›Interactive Fiction‹-Wettbewerbes im Sommer 1995 bleibende Beiträge zu Entwicklung der Szene leisten.47 Im April 1994 veröffentlichte CRAWFORD in seinem inzwischen unbenannten Journal Interactive Entertainment Design einen mehrseitigen Auszug aus WILSONS weit umfangreicherer Anleitungsschrift. WILSON betone in seiner einführenden Klarstellung, was 45 Vgl. G. Williamson: Computer Adventures. Farnham 1990. Vgl. ebd., S. 11, 13-16, 67-69, hier 15. 1990 war bereits ein ganzes Spektrum an kostenfreien und kommerziellen »GameWriting Systems« verfügbar, sodass es möglich wurde, ›Adventure games‹ zu schreiben und zu veröffentlichen, ohne sie programmieren zu müssen. Darunter ›AGT – Adventure Game Toolkit‹, das vom selben Verlag vertrieben wurde wie das Buch von Williamson oder aber auch AdvSys von David Betz. Wie aus Anhang B hervorgeht, hatte der Autor vornehmlich reine Text-Adventures, insbesondere aus dem Hause Infocom, gespielt und als Grundlage für seine Analyse gewählt; Spiele der Firma LucasFilm Games finden dagegen keine Erwähnung. Vgl. ebd., S. 111-117. 46 Vgl. C. Crawford: Computer Adventures – The Secret Art (Review). In: JCGD, Vol. 3, Is. 4, Apr. 1990. S. 7. Zumindest in der dem Verfasser vorliegenden Version des Buches war ein solcher knapper Hinweis unterhalb des Literatureintrages für De Re Atari enthalten. 47 Vgl. N. Montfort: Twisty Little Passages. Cambridge/MA u.a. 2004. S. 207f. J. Maher: Let’s Tell a Story Together. o.O. 10.7.2006. (Online) ›Chapter 9: The Evolution of a Community‹.

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ihm ›Interactive Fiction‹ bedeute und dass er sich allein auf »text adventures« beziehe, wenn er gleich zu Anfang feststelle: »IF is an artform, a work of love.« Im Gegensatz zu den »graphic games« richte sich ›Interactive Fiction‹ an ein geistvolles Publikum. Schriftsteller/innen für ›Interactive Fiction‹ haben eine tiefe Liebe zur Sprache und ihre Nuancen, weshalb die Verwendung natürlicher Sprache, so schwierig ihre Implementierung auch sei, einem ›Graphical User Interface‹ immer vorgezogen werde. Der Markt für ›Interactive Fiction‹ sei gegenüber »graphic games« jedoch relativ klein und werde, da auch das lesende Publikum für Text-Adventures schrumpfe, nicht mehr wachsen. Die Gemeinschaft sei also darauf angewiesen, sich zu unterstützen. Als Autor/in müsse man über Geduld, Freizeit, Organisationstalent, exzellente Schreibfähigkeiten und eine Rechtschreibprüfung verfügen. ›Interactive Fiction‹ verlange nach umfassender Belesenheit sowohl in Literatur als auch im Umgang mit ›Interactive Fiction‹, was nicht zuletzt zu mehr Ideen führe. Seine wichtigsten Kriterien für ›Interactive Fiction‹ seien Spielspaß, Vermittlung einer Botschaft, Handlungsfreiheit der Spielenden, Einzigartigkeit und Qualität der Charaktere sowie Wiederspielbarkeit. Der Auszug thematisierte im Folgenden die drei Teile eines Spieles, Anfang, Mittelteil und Ende, zentrale Elemente der Handlung sowie Vorschläge für die Ausgestaltung von Charakteren, auf die man in der Spielwelt treffe oder die die Spielenden durch die Spielwelt begleiteten. Das Schreiben von ›Interactive Fiction‹ gegenüber einem Buch unterscheide sich vor allem durch die Notwendigkeit, den Spielenden die Möglichkeit zu geben, ihr Schicksal im Rahmen des Spieles selbst zu kontrollieren, ihnen wenigstens ein ›Happy Ending‹ anzubieten ebenso wie Hinweise auf mögliche andere Wege oder ein Ende, das sich erst nach mehrmaligem Durchspielen vollständig erschließe. Dennoch sei beinahe jede »literary technique«, also alles, was man in einer »creative writing class« gelernt habe, auch in ›Interactive Fiction‹ anwendbar: »Good writing is good writing.«48 Nachdem der Brite GRAHAM NELSON bereits 1993 die erste Fassung seines kostenfreien Schreibwerkzeuges namens ›Inform‹ fertiggestellt hatte, das in seiner bis heute überarbeiteten Version das am weitesten verbreitete Werkzeug für ›Interactive Fiction‹ ist, erschien erstmals im September 1994, getarnt als technische Anleitung für das Schreibsystem, sein Buch Inform Designer’s Manual, das neben technischen Hinweisen und einer historischen Einführung umfangreiche Hinweise für angehende Autorinnen und Autoren enthält. Die fünf zentralen Abschnitte über das Verfassen von ›Interactive Fiction‹ wurden daraufhin auch unter dem Titel The Craft of Adventure zugänglich gemacht, darunter die ›Bill of Player’s Rights‹, die ganz ähnlich wie RON GILBERT im Jahr 1989 deutliche Regeln im Umgang mit den Spielenden formulierte. »Designing an adventure game is both an art and a craft. Whereas art cannot be taught, only commented upon, craft at least can be handed down: but the tricks of the trade do not make an elegant narrative, only a catalogue. This small collection of essays is just such a string of grits of wisdom and half-baked critical opinions, which may well leave the reader feeling unsatisfied. One can only 48 Vgl. G.K. Wilson: Excerpts from »Whizzard’s Guide to Text Adventure Authorship v1.0«. In: JCGD, Vol. 7, Is. 4, Apr. 1994. S. 8-12. Noch im selben Jahr erschien die abschließende, bis heute online zugängliche Fassung des Textes, die der Autor später nur noch durch ›Supplements‹ ergänzte. Vgl. G.K. Wilson: Whizzard’s Guide to Text Adventure Authorship v2.0. o.O. 1994. (Online)

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say to such a reader that any book claiming to reveal the secret of how to paint, or to write novels, should be recycled at once into something more genuinely artistic, say a paper-mache sculpture.«49

Ausgestattet mit diesem Werkzeug und den vielfältigen Anleitungen zu gutem Schreiben, die als Vorarbeit Anfang der 1990er-Jahre entstanden waren, erlebte die ›Interactive Fiction‹ vor allem in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre eine Renaissance.50 Interactive Movies III: Hollywood

Jenseits der Überlegungen, filmische Techniken der visuellen Darstellung oder des Erzählens in Computerspiele zu übernehmen, gab es zudem konkrete Bemühungen, die Spieleentwicklung an die Filmproduktion heranzuführen – und umgekehrt. Zunehmend wurden Fragestellungen der Videoproduktion zum Teil der Spieleentwicklung. So berichtet etwa ROB FULOP in seinem Artikel ›Silicon Valley Meets Hollywood‹, erschienen im Februar 1990, von seinen Erfahrungen als Produzent mehrerer »interactive movies«, die sich deutlich von den Spielen unterschieden, die er noch bei Atari oder Activision entwickelt hatte.51 Für diese »movie-games« habe es von Beginn an unterschiedliche Definitionen gegeben; während »computer and game minds« diese Produkte als »video games, with ultra-realistic graphics« bezeichneten, seien sie für Filmschaffende nichts anderes gewesen als »movies that can branch«. Anfangs habe er selbst noch geglaubt, es mit etwas gänzlich Neuem zu tun zu haben, das zugleich die Fähigkeiten von »game designer and film director« erfordere, um ein ausgewogenes und gleichberechtigtes Mittel zwischen Geschichte und Spiel zu erreichen. Tatsächlich jedoch verschlinge die Videoproduktion 97 Prozent des Budgets und erfahre daher bei Weitem mehr Aufmerksamkeit als »game design decisions«, nicht zuletzt, da »visual decisions« nicht rückgängig gemacht werden könnten. Es sei deutlich, dass die wirklich talentierten »interactive entertainment producers« aus dem Lager der Filmschaffenden kämen und nicht aus 49 Vgl. N. Montfort: Twisty Little Passages. Cambridge/MA u.a. 2004. S. 200-205, hier 204f. J. Maher: Let’s Tell a Story Together. o.O. 10.07.2006. (Online) ›Chapter 8: The Growth of Hobbyist IF‹. G. Nelson: The Craft of Adventure. o.O. 1995. (Online) 50 »Rumors of the death of interactive fiction have been greatly exaggerated. Although it is easy to find unimaginative recent works of interactive fiction, it is hard not to notice the formal, thematic, computational, and literary innovation that is happening today and that promises to continue.« N. Montfort: Twisty Little Passages. Cambridge/MA u.a. 2004. S. 193-221, hier 221. Der eingeschlagene Weg der ›Interactive Fiction‹ (IF) wird an dieser Stelle aus mehreren nicht weiterverfolgt: Erstens liegen bereits umfassende Arbeiten zur Geschichte der IF vor, wobei sich hier ein eigenes, vornehmlich literaturwissenschaftliches Forschungsfeld auftut, zweitens blieb IF (nicht zwingend zu seinem Nachteil) nach 1989 weitestgehend unkommerziell und damit einem kleinen, wenn auch nicht wenig enthusiastischen Kreis von Personen vorbehalten, und drittens waren die wichtigsten Medien der Verbreitung und des Austausches über IF entsprechende Diskussionsgruppen im Usenet sowie das ab Mitte der 1990er-Jahre verfügbare Internet, weshalb die in diesem Kontext wichtigsten Quellen außerhalb des für die vorliegende Arbeit gesteckten Rahmens fallen. Verwiesen sei hier noch einmal auf N. Montfort: Twisty Little Passages. Cambridge/MA u.a. 2004. J. Maher: Let’s Tell a Story Together. o.O. 10.07.2006. (Online) Get Lamp [2 DVDs]. o.O. 2010. 51 Vgl. R. Fulop: Silicon Valley Meets Hollywood. In: JCGD, Vol. 3, Is. 3, Feb. 1990. S. 4f.

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der Spieleentwicklung, da sie bereits wissen, wie man mit großen Budgets, großen Egos und paranoiden Führungskräften umgehe. Game Designer/innen und Publisher seien Jahrzehnte hinterher im Sinne von Erfahrung, Instinkt und Professionalität. Jeder »computer game designer«, der sich selbst als zukünftiger »interactive movie director« sehe, mache sich selbst etwas vor. Es sei für einen erfolgreichen Regisseur deutlich einfacher, die notwendigen Handgriffe der »game designer’s craft« zu lernen. »I am sure the talented people at CinemaWare, or LucasFilm, or Electronic Arts, may disagree; I have met dozens of ›interactive designers‹ and ›executive software producers‹ who regard themselves as the Spielberg’s of the future ... the Digital Disney’s of the 90’s. The facts are that if the field of interactive entertainment ever takes off, be it via optical disk or videotape, the entertainment industry proper will dominate the business. It will not be a matter of ›Hollywood meets Silicon Valley‹ ... instead, we will witness ›Hollywood cherry picks Silicon Valley‹.«

Spieleentwickler/innen würden nur als Teil eines Produktionsteams in untergeordneter Position zum Einsatz kommen. Es sei wesentlich, realistisch zu sein. Die etablierte Unterhaltungsindustrie habe keinerlei Interesse, sich mit der Spieleentwicklung einzulassen, da es deutlich einfacher sei, bei den bekannten und profitablen Produkten zu bleiben. Man werde sich einfach die wertvollsten Personen heranziehen, um »the importance of ›process intensity‹« einzubringen und die technischen Probleme zu lösen. »Some of us have dabbled in visual storytelling, but our efforts to make a computer screen look like a movie are by no means compelling ... and as the resolution increases, our collective inexperience with visual storytelling becomes downright amateurish. [...] Most computer game professionals are only NOW developing awareness of the questions that film professionals have been answering for 50 years.«

Als Produzent/in erfülle man ähnliche Aufgaben wie in der Spieleentwicklung, die Rolle unterscheide sich aber in bestimmten Punkten wesentlich. Erstens habe man seit Langem Erfahrung im Management kollaborativer Arbeitsprozesse, in der Zusammenstellung großer Teams sowie in der Einhaltung verlässlicher Zeit- und Budgetpläne. Zweitens gebe es etablierte Prozesse der Vertragsaushandlung und -gestaltung, von der Höhe der Bezahlung bis zur Einhaltung von Geschäftsbeziehungen. Drittens sei es deutlich verbreiteter, sich als Teil einer professionellen Kreativwirtschaft zu verstehen denn als ›Künstler/in‹, frustriert und ohne Verständnis für die finanziellen Realitäten. FULOP empfiehlt schließlich drei Schritte, um sich auf eine Karriere im »interactive entertainment« vorzubereiten. Als Erstes solle man das Unterhaltungsgeschäft studieren. »There are many books written about a community who has faced the same problems we are facing as a community in the game field. Read books about the history of film making, the history of the great studios, about the early days at Disney. Personally, I like learning about someone who had my problems 50 years ago.«

Als Zweites solle man jede Gelegenheit nutzen, mit Profis der Kreativbranche zusammenzuarbeiten, um von ihnen etwas über andere Disziplinen und auch die eigene zu lernen. Als Drittes müsse man eine Einstellung der Professionalität entwickeln, was insbesondere bedeute, sich auf Teamarbeit einzustellen, da das »interactive medium« mehr

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noch als das Medium Film die Kollaboration erfordere, »as no one person will have enough knowledge of all the disciplines for years to come«. Angesichts der Möglichkeit, die die neue CD-ROM-Technologie bereitstelle, Realfilmaufnahmen in Unterhaltungssoftware zu integrieren, beschreibt auch NOAH FALSTEIN im April 1993, wie mit der ›Video Challenge‹ umzugehen sei.52 Während nämlich Angehörige der Spieleentwicklung häufig von den lebensechten und detaillierten Bildern beeindruckt seien, seien Außenstehende noch immer von der abfallenden Qualität im Vergleich zu Fernsehproduktionen abgeschreckt. Es sei daher notwendig, technische Umwege in Kauf zu nehmen und vor allem, die Möglichkeiten der »magic ingredients of digital manipulation and interactivity« richtig einzusetzen. So fülle hochqualitatives Videomaterial den Bildschirm nicht aus und müsse daher besser als Teil eines Hintergrundes wirken. Außerdem solle man sich nicht auf einfaches Heimequipment verlassen, sondern eher mit erfahrenen Filmschaffenden und professioneller Aufnahmetechnik arbeiten. Die Kosten ließen sich durch das Bluescreen-Verfahren, eingeschränkte Bewegung der Personen oder Nahaufnahmen reduzieren. Die notwendigen Aufnahmen seien je nach Projekt unterschiedlich, könnten aber nach Gegenständen und Hintergründen getrennt werden, um sie im »Compositing« wieder zusammenzufügen. In jedem Falle solle man möglichst viel Geld in professionelle Schauspieler/innen investieren und lieber zehn Minuten hochwertigen Materials produzieren als eine Stunde Heimvideo. »Real people on the screen can have an emotional impact that goes far beyond standard video or computer game characters. If you’re going to get the most out of that impact, you have to learn from (or work with) video and film professionals.«

Schließlich sei der entscheidende Mehrwert jedoch der Einsatz der Interaktion, die Erhaltung einer »game structure« sowie das Angebot der Wiederspielbarkeit. »Video can enhance a game instead of taking it over. And no one knows more about interactive game design than computer and video game developers. Hollywood is finally becoming interested in our industry now that the platforms can display realistic images, and they’ll have to turn to us to find out how to design and develop interactive titles. Let’s meet them halfway and learn something from them about video production values and storytelling techniques.«

Abseits dieser praktischen Überlegungen äußerten sich auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ von 1991 mit HAL BARWOOD und BRIAN MORIARTY gleich zwei Designer, die neben NOAH FALSTEIN bei Lucasfilm Games tätig waren, zur Annäherung von Filmindustrie und Computerspiel und zu der Möglichkeit, aus der Geschichte eines anderen Mediums zu lernen. HAL BARWOOD, der selbst viele Jahre u.a. als Drehbuchautor in der Filmindustrie tätig war, beginnt seinen Vortrag ›Imaginary Experience in Film and Games‹ mit der Feststellung, dass es zwar durchaus Filmemacher/innen gebe, die Computerspiele spielten, jedoch ohne viel darüber nachzudenken. Spielentwickler/innen dagegen schienen die ganze Zeit über Filme nachzudenken. Einige versuchten, ihre Spiele »more and more cinematic« zu machen, was schließlich in »interactive movies« resultieren müsse. Dennoch seien beide Formen noch immer durch einen weiten Graben aus 52 Vgl. N. Falstein: The Video Challenge. In: JCGD, Vol. 6, Is. 4, Apr. 1993. S. 12f.

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technologischen Unzulänglichkeiten, Marketingproblemen, Erwartungshaltungen und reiner Ignoranz getrennt. Schließlich widmet er sich den Fragen, ob sich beide Kunstformen verbinden können und sollten sowie durch welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich beide mitreißende Formen fantastischer Erfahrungen auszeichneten.53 An diese Überlegungen schloss MORIARTY mit seinem Vortrag ›The Birth of a Medium‹ an, der seltenes Filmmaterial und Anmerkungen zur Geschichte als anleitendes Paradigma für die Computerspielentwicklung enthielt.54 MORIARTY begann seine Tour de Force durch die Filmgeschichte am Ende des 19. Jahrhunderts, wobei er herausstellte, dass bereits 1889 ein Angestellter von THOMAS EDISON das bis heute gängige 4-LochFormat entwickelt hat, gefolgt von der Standardisierung der Filmrolle 1894. Dagegen liege für die Computerspielindustrie nach mehr als einer Dekade kein vergleichbarer universeller Standard für Entwickler/innen vor. Die ersten kommerziellen Angebote beschränkten sich auf mehrere Kinematografen für 25 Cent pro Kurzfilm. Die Brüder AUGUSTE und LOUIS LUMIÈRE zeigten ab 1895 etwa zehn Filme in Vorführungen für 5000 Zuschauer/innen pro Woche. GEORGES MÉLIÈS wurde der erste kommerzielle Filmregisseur und produzierte nach 500 Kurzfilmen mit Die Reise zum Mond (1902) den ersten 16-Minüter. Dies zeige, dass Zuschauer/innen sich durchaus von technologischen Fortschritten faszinieren lassen, es aber anhaltende Hingabe brauche, um diese Faszination aufrechtzuerhalten. MORIARTY fuhr fort am Beispiel des US-Kinos von EDWIN S. PORTER und seinen Filmen der Jahre von 1896 bis 1915, die erstmals Filmtechniken, Spezialeffekte und Einstellungen boten, die deutlich über die Mittel der Theaterbühne hinausgingen. Es zeige sich, dass eine Kunstform nicht eher erwachsen werde, bis sie beginne, jene Unterschiede auszuschöpfen, die sie von anderen Medien unterscheiden. Computerspiele müssten Ansätze der Interaktivität erforschen, die der Film nicht bieten könne. Sein nächstes Beispiel war der Film Rescue from an Eagle’s Nest (1907), in dem LAWRENCE GRIFFITH (D.W.’s Vater) mitspielte und der dem Wunsch des Publikums nach Geschichten statt nur nach Action gerecht wurde. Bis dahin hatten Produktionsfirmen daran festgehalten, einfache billige Unterhaltung für Ungebildete zu machen. In gleicher Weise gebe es viele Computerspiele, die die Notwendigkeit übersähen, neben Action auch Geschichten anzubieten. Auf dem Höhepunkt seines Vortrages befasste sich MORIARTY schließlich mit dem Werk von D.W. GRIFFITH, das Mitte der 1910er-Jahren den Film als erzählende und abendfüllende Unterhaltung etablierte, neue Filmtechniken einführte und zugleich das Konzept »Regisseur/in als Berühmtheit« gesellschaftsfähig machte. Schon sein zweites Großprojekt sollte sich jedoch als finanzieller Reinfall erweisen, den er zeitlebens abbe53 Barwoods Vortrag ist nur in Form einer groben Übersicht erhalten. Vgl. CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Proceedings. o.O. 1991. S. 8. 54 Der folgende Abschnitt richtet sich nach der Zusammenfassung, die in der Computer Gaming World erschien. Vgl. o.A. [Redaktion]: ›Cogito Ergo Ludo‹ (›I Think, Therefore I Play‹). In: CGW, No. 83, Jun. 1991. S. 42, 44-46, hier 45f. Laut Programmheft der ›Computer Game Developers’ Conference‹ hat sich Moriarty im März 1991 im Rahmen seines Vortrages ›Birth of a Medium‹ vertiefend mit dem Vergleich zwischen der »computer game industry« und der frühen Filmindustrie befasst, ihrer Wahrnehmung, ihren Geschäftsmodellen und ihren Zukunftsperspektiven, wobei seine »eye-opening presentation« nicht erhalten ist. Vgl. CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Program. o.O. 1991. S. 2.

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zahlen musste, was sich auch als Warnung verstehen ließ, sicherzustellen, dass Innovationen ihre Kosten stets wert seien. Nach dem Erfolg im Vorjahr trug MORIARTY auch auf der CGDC 1992 zum Verhältnis von Film und Computerspiel vor. Wie schon in seinem ersten Vortrag weigerte er sich bei ›More Movie Metaphors‹, die Parallelen zwischen Filmindustrie und der Welt des Computerspielens zu ziehen, wobei – wie etwa CRAWFORD bemerkt – die passenden Analogien offensichtlich seien.55 Die erste Tontechnologie, die Mitte der 1920er-Jahre für das Kino genutzt wurde, war Warner Brothers’ Vitaphone. Da die Technologie des Tonfilmes aufwendig und teuer war, die Ergebnisse aber unmittelbar positiv aufgenommen wurden, geriet die Ökonomie der gesamten Filmindustrie in Gefahr, da sowohl die Produktionsbedingungen als auch die Kinosäle angepasst werden mussten. Schon 18 Monate nach dem Erfolg von The Jazz Singer (1927) hatte sich die Filmindustrie auf einen gemeinsamen Tonstandard geeinigt, was es ihr erlaubte, während der Depression der 1930er-Jahre zu florieren. Daraus könne man zwei Lehren ziehen: Selbst wenn neue Technologien ein Produkt verbessern und eine ganze Industrie revitalisieren könnten, brauche es dazu auch zeit- und kostenintensive Lern- und Aufbauprozesse, um sich die erweiterten Möglichkeiten anzueignen und diese effektiv einzusetzen. Das geschehe in der Welt der Computerspiele noch zu selten und mache zudem deutlich, dass es noch immer keinen Tonstandard für Computerspiele gebe. Schließlich habe die Verbreitung eines gemeinsamen Standards zu einer abwehrenden Haltung geführt, da sich vor allem die Anhänger/innen von teuren Kinosälen mit Orchestern gegen die Vorstellung sträubten, dass Ton plötzlich auch in billigen Kinos zur Verfügung stehen würde. Eine solche Abwehrhaltung legten gelegentlich auch Computerspieler/innen an den Tag. MORIARTY ging daraufhin über zur Farbtechnologie des Filmes, die bis zur Einführung von Technicolor im Jahre 1918 noch von der Handkolorierung geprägt gewesen sei. Erst in den 1940er-Jahren habe Technicolor seine Technologie infolge eines Kartellverfahrens offenlegen müssen, weshalb es schnell von anderen Firmen weiterentwickelt werden konnte. Obwohl es immer Parallelen gebe, wenn es um Rechtsstreitigkeiten in beiden Industrien gehe, sei es doch auffallend, dass Hersteller von Videospielen weiterhin ihre Technologie patentieren lassen könnten. Mit der Befreiung vom Technicolor-Monopol habe Hollywood in den 1940erJahren zwar nie geahnte Erfolge gefeiert, doch sei die gesamte Industrie in den 1950erJahren beinahe schon wieder untergegangen. Laut MORIARTY seien drei Faktoren für diese Situation verantwortlich gewesen: die Antikartellverfahren gegen die großen Studios, die sich von Vertrieben und Kinosälen trennen mussten, die Untersuchungen des Komitees für unamerikanische Umtriebe, die zu schlechter Presse und Paranoia führten, und der Aufstieg des Fernsehgeräts zu einer Institution in Millionen von Haushalten. Die Fähigkeit Hollywoods, sich an neue Situationen anzupassen, habe die Industrie 55 Hier der Zusammenfassung der Computer Gaming World folgend. Vgl. o.A. [Redaktion]: Consensual Hallucinations and Good Vibrations. In: CGW, No. 96, Jul. 1992. S. 76, 78, 80, 82, 84, hier 78-82. »Brian Moriarty wowed ’em with his analytical history of a critical phase in the development of the cinema (complete with film clips), and although he steadfastly refused to draw parallels with the world of computer gaming, any dolt with two neurons to rub together could make the appropriate analogies.« C. Crawford: 1992 Computer Game Developers’ Conference. In: JCGD, Vol. 5, Is. 5, Jun. 1992. S. 14f., hier 14.

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damals gerettet: dem Publikum Erlebnisse zu bieten, die es außerhalb der Kinosäle nicht erhalten konnte. Vor allem diese Anpassungsfähigkeit müsse sich die Gemeinschaft der Game Designer/innen genauso aneignen, um zukünftige Zeiten des Wandels zu überstehen. Abschließend wandte sich MORIARTY der Erfolgsgeschichte des Kinos zu, nicht ohne jedoch den Misserfolg der 3-D-Filme zu erwähnen. Dazu habe vor allem beigetragen, dass viele Produktionen minderwertig gewesen seien, die Aufrüstung der Kinosäle dagegen sehr teuer, während die Zuschauer/innen nicht bereit gewesen seien, mehr zu bezahlen. Auch ohne sich zu den Niederungen in der Spielebranche zu äußern, warnte MORIARTY davor, sich von der Technologie verführen zu lassen und nur aus Liebhaberei unnötige Inhalte zu verbauen. Im April 1992 widmete sich dann ERNEST W. ADAMS den ›Perils of Hollywood Thinking‹, wobei er auch ältere Argumente wieder aufgriff.56 Ausgehend von der Erstaufführung von Schneewittchen am 21. Dezember 1937, dem ersten vollfarbigen abendfüllenden Zeichentrickfilm, der den Siegeszug der Walt-Disney-Animationsstudios und -Themenparks eingeläutet habe, stellt er fest, dass der Vergleich von Film und Computerspiel mit vielen Gefahren einhergehe. Viele Führungskräfte in der Spieleentwicklung sähen WALT DISNEY und seine Erfolgsgeschichte als Vorbild, doch sei DISNEY als Teamleiter, Arbeitgeber und Geschäftspartner aufgrund seiner Egomanie und Launenhaftigkeit kein leuchtendes Beispiel. Die größere Gefahr für die Spieleentwicklung bestehe jedoch in der impliziten Annahme einer Metapher: »the computer game as movie.« Vor allem die optischen Datenträger hätten zur Festigung dieser Metapher beigetragen. Die Übernahme audiovisueller Techniken sei zudem so eng mit der Filmproduktion verknüpft, dass sich der Vergleich aufdränge. Zudem sei die Filmproduktion so aufwendig, dass sie als Teil einer Spieleentwicklung über 90 Prozent des Budgets verschlinge und damit die anderen Teile in den Hintergrund dränge. Schließlich habe die Filmproduktion nach dem Vorbild Hollywoods ein bestimmtes glamouröses, aufregendes, finanzkräftiges und von ›Stars‹ getriebenes Image, das für viele Angehörige der Spieleindustrie sehr anziehend sei. Seltener gesehen werden die unangenehmen Parallelen: Überstunden, finanzielle Unsicherheit und eine große Menge von unterstützendem Personal, das an den Vorstellungen vom Glamour keinerlei Anteil habe. All dies verbinde sich zu einem »Hollywood Thinking«, also der Vorstellung, dass sich Spiele tatsächlich so produzieren ließen wie Filme und dass dies die derzeit größte Gefahr für die Spieleentwicklung darstelle. Dieses »Hollywood Thinking« sei vor allem auf der Managementebene verbreitet, missachte aber, dass sich die Filmproduktion von der Spieleentwicklung grundlegend unterscheide und anders gehandhabt werden müsse, was zu Chaos, verpassten Zeitplänen, verschwendetem Geld sowie zur Zerstörung von Unternehmen und Karrieren führen könne. Der offensichtlichste Unterschied, dass Kino ein lineares, »computer games« aber ein nicht lineares Medium seien, verkompliziere jede Produktion um ein Vielfaches, um etwa die Kontinuität einzuhalten. Ein anderer wichtiger Unterschied sei der stete Wandel der Zieltechnologie in der Spieleentwicklung, während die Technologie der Filmproduktion seit Erfindung des Tonfilmes im Wesentlichen unverändert geblieben 56 Vgl. E.W. Adams: The Perils of Hollywood Thinking. In: JCGD, Vol. 5, Is. 4, Apr. 1992. S. 5-7.

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sei. Für den Film bedeute diese stabile Grundlage, dass es deutlich einfacher sei, Kosten und Produktionszeiten in einem Rahmen zu halten, während sich gleichzeitig rund um den Herstellungsprozess Institutionen und Infrastruktur ansiedeln konnten. Selbst schwierige Filmprojekte fußten stets auf sicheren Konventionen. Der wichtigste Unterschied sei jedoch das Ausgabeformat, das beim Film vorgegeben sei, beim »computer game« jedoch bei jedem einzelnen Bild und Ton den bewussten und sorgsamen Eingriff der Programmierer/innen verlange; bei jedem Projekt verändere sich folglich die Ausgabetechnologie, noch während die Inhalte entstünden, was das Management dieser Produkte wesentlich verändere. ADAMS schlägt schließlich eine andere Metapher vor, wenn man denn überhaupt eine benötige: Spieleentwicklung sei wie die Konstruktion eines Formel-1-Rennwagens. Genau wie bei Rennwagen handele es sich bei »computer games« um von Hand gebaute Einzelstücke, jeweils optimiert, um die bestmögliche Leistung zu erzielen, ungeachtet der anderen Verkehrsteilnehmer/innen. Rennwagen seien an ein anspruchsvolles und engagiertes Publikum gerichtet, ein spezifischer Markt, dem man gerecht werden müsse, kein Massenmarkt. Doch am wichtigsten sei, dass Rennwagen ebenso wie »computer games« am besten von kleinen Teams entwickelt werden, die mit Leidenschaft bei der Sache seien und die unmittelbar durch einen Erfolg gewännen, anders als bürokratische und einzig am möglichst großen Gewinn weniger interessierte Hollywoodproduktionen. So sei die Filmmetapher schlicht falsch: »A computer program is not a projector. It’s a single, unique piece of engineering, and it must be managed as such. If we lost sight of this basic fact, we doom ourselves to chaos.« ADAMS kehrte zwei Jahre später mit dem Vortrag ›Celluloid to Silicon‹ auf der CGDC 1994 noch einmal zu diesen Überlegungen zurück, diesmal jedoch als ›Predigt‹ explizit gerichtet an die ›Newcomers from Hollywood‹.57 Wie die Computer Gaming World berichtet, seien auf der Computer Game Developers’ Conference 1994 so viele »Hollywood types« gesichtet worden wie nie zuvor. Und es sei vor allem ADAMS gewesen, der sich explizit an diese Zielgruppe gerichtet habe, zum einen, um ihnen die Spieleindustrie nahezubringen, und zum anderen, um ihnen die dort vorherrschende Skepsis gegenüber Hollywood zu erklären.58 ADAMS begann mit der Feststellung, dass obwohl man sich seit etwa 50 Jahren mit der Programmierung von Computern befasse, es noch immer schwierig sei, diese zu erklären. So gebe es viele Missverständnisse in Bezug auf diese Tätigkeit, gipfelnd in der Annahme, dass sie entweder sehr schwer oder sehr einfach sei. Gleichzeitig gebe es die Notwendigkeit, etwa vonseiten der Geldgeber/innen, diesen Prozess zu verstehen. Folglich seien in diesen 50 Jahren viele Metaphern entwickelt worden, um die Industrie der Spieleentwicklung mit anderen zu vergleichen. Besonders populär und attraktiv sei die Hollywoodmetapher »the computer game as movie«. Es gebe nur ein Problem mit dieser Metapher: Sie sei falsch und gefährlich. Wie 57 Adams nennt die im Tagungsband abgedruckte Fassung bloß ein »approximate transcript«, die dem Format des freien Vortrages nicht gerecht werden könne. Vgl. E.W. Adams: Celluloid to Silicon. In: CGDC (Hg.): Eighth Annual Computer Game Developers Conference Proceedings. o.O. 1994. S. 10-21, hier 10. 58 Vgl. C. Lombardi: Hollywood Babylon. In: o.A. [Redaktion]: The Designer’s Dilemma. In: CGW, No. 120, Jul. 1994. S. 26, 28-31, hier 28f.

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er schon in seinem Artikel ›The Perils of Hollywood Thinking‹ ausgeführt habe, dürfe man nicht tatsächlich glauben, dass Computerspiele wie Filme seien und auf gleiche Art hergestellt werden. Schon damals habe er sich gegen das »Hollywood Thinking« ausgesprochen und mit der Konstruktion von Rennautos eine Alternative vorgeschlagen. Allerdings habe sich inzwischen gezeigt, dass auch diese Metapher fehlerhaft sei, was vor allem damit zusammenhänge, dass er damals sehr wenig über Rennautos gewusst habe. Rennautos müssten sich nämlich an eine Vielzahl von Vorgaben halten, die Gewicht, Verbrauch und Leistung definierten. Folglich sei ihre Konstruktion vielmehr ein Prozess anhaltender Optimierung, ohne dabei die Regeln zu brechen – und das habe nichts mit der Computerspielindustrie zu tun.59 ADAMS selbst habe in den 1980er-Jahren für seine Visitenkarte den damals noch wenig bekannten Titel »software engineer« gewählt. Denn seiner Meinung nach handele es sich bei dieser Industrie nicht um Kunst, da Computerspiele kein kunstkritisches Publikum erreichten, und auch nicht um Handwerk, da man ihre Herstellung nicht durch Wiederholung meistern könne.60 »Engineering« dagegen sei exakt, präzise und befasse sich damit, Probleme auf neue Art zu lösen. Es liege zudem in der Natur des Problemlösens, dass niemand sagen könne, wie lange es dauere. Das »Software Engineering«, mit gerade einmal 50 Jahren Geschichte, habe kaum Regeln oder Standardmethoden, wie bestimmte Probleme zu lösen seien. Deshalb sei es auch fatal, Programmierer/innen mitten im Projekt auszutauschen. Man könne kein einziges Computerspiel ohne »Engineering« herstellen. Das »Engineering« sei die Essenz des Spieles. Das »Engineering« sei das Spiel. Es sei das Rahmen in dem man sich bewegen müsse, wenn man in der Industrie arbeiten wolle. Auch Grafiker/innen und Musiker/innen müssten sich mit »Engineering« befassen, da ihre Arbeit durch strenge technische Limitationen geprägt sei. »Engineering is the hub of the product. Remove the pictures and sound and you have a teletype game, like we used to write. Remove the engineering and you have nothing – just a lot of scraps of artwork and snippets of sound. [...] And engineering is awkward, and unpredictable, and slow, and it is unavoidable. That’s the warning of this sermon. There is no metaphor, Hollywood or otherwise. Engineering isn’t a metaphor for what we do: it is what we do. And if you’re going to come into this industry, you’re going to have to learn to deal with that.«61

59 In den Anmerkungen zur Zusammenfassung des Beitrages, die in der Computer Gaming World erschien, wurden entsprechende Einwände formuliert. »While there are a few places where one could contend with the metaphor (computer games are duplicated rather than hand-built as single products; formula race cars have competitive limitations which restrict their performance; etc.), it is refreshing to have a new analogy to work from.« o.A.: Abstracts from The Journal of Computer Game Design. In: CGW, No. 95, Jun. 1992. S. 93. 60 Adams Begriffe scheinen Ad-hoc-Definitionen zu sein. Bemerkenswerterweise ist Kunst für ihn hier durch ihre Rezeption definiert, nicht durch Künstler/innen oder Werkkriterien. »Whatever it is we do, it ain’t art. Art is consumed by art connoisseurs; it’s critized by art critics; it is displayed in art galleries; it is conserved in art museums. It is not cranked out by the millions and sold at Toys ’R Us. We have our eye much too firmly on the bottom line to be artists.« Vgl. E.W. Adams: Celluloid to Silicon. In: CGDC (Hg.): Eighth Annual Computer Game Developers Conference Proceedings. o.O. 1994. S. 10-21, hier 13. 61 Ebd., S. 17.

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Schließlich wandte sich ADAMS noch einem anderen Thema zu: dem seiner Meinung nach vorherrschenden Mangel an kreativen Talenten, unter dem die interaktive Unterhaltungsindustrie leide. Es fehle an den Fähigkeiten, vorhandene Vorstellungen in etwas zu verwandeln, das auch Erwachsene kaufen würden. Selbst wenn in der Industrie viel über das Geschichtenerzählen gesprochen werde, gehe doch noch zu viel als »story« durch; Handlungen seien dünn, Charaktere zweidimensional, Schauspieler/innen grauenhaft, Geschichten ohne Bedeutung, Moral oder Botschaft. Die gesamte Industrie werde durch technologischen Wandel und die Konzentration aufs Weihnachtsgeschäft angetrieben. Aber mit dem Blick nur auf die Arbeit gerichtet, verliere man die normalen Käufer/innen aus den Augen. Und auch Fachmagazine und ihre Rezensionen seien keine Hilfe, da sie nur die Computerspiele an sich betrachteten. Spiele, die innerhalb der Branche gut besprochen würden, fänden Außerhalb kein positives Echo. Deshalb brauche es die Menschen aus Hollywood und ihre Erfahrungen im Erzählen von Geschichten. Zugleich habe man aber auch Angst vor Hollywood, denn man wolle nicht zu kleinen Rädchen in riesigen Medienkonzernen verkommen, sich wie Fernsehen oder Presse von korrumpierenden Werbegeldern abhängig machen oder sich an den kruden und künstlichen Jugendschutzwerten orientieren, die es sogar unmöglich machten, Gemälde aus dem Louvre in Film und Fernsehen zu zeigen. Hollywood solle all die guten Dinge, die es vorweisen könne, in die Comuterspieleentwicklung einbringen, jedoch all jene Dinge, die die Kreativität einschränkten, hinter sich lassen.62 »It was a strong and important message – too bad he was preaching to the choir, with only a handful of Hollywood types dotting the audience. Never fear, though; Adams will have plenty of opportunity to spread his word as the Hollywood invasion intensifies over the next few years. Let’s hope his is not a lonely voice in the creative wilderness.«63

In drei Artikeln, die von Juni bis Dezember 1995 in der Zeitschrift Interactive Entertainment Design veröffentlicht wurden, wandte sich CRAWFORD schließlich noch einmal in aller Schärfe gegen die Anbiederung an das Hollywoodsystem. Dabei schrieb er dessen enorme Anziehungskraft, als Metapher in loser Anlehnung an SIGMUND FREUDS populäres Konzept des Penisneides, einer Form von Hollywoodneid zu, der spätestens seit der von TRIP HAWKINS ausgegebenen Devise von der Spieleindustrie als »The New Hollywood« in eben dieser weitverbreitet sei.64 Computerspiele würden zunehmend Konventionen des Kinos kopieren wie etwa einen unnötig langen Vor- bzw. Abspann, der alle an der Entwicklung Beteiligten (und Nichtbeteiligten) aufzähle. Und auch bei dem Wunsch nach einer glamourösen Preisverleihung nach dem Vorbild der ›Academy Awards‹ handele es sich um einen reinen »ego trip«, wobei dieser Glamour niemals erreichbar sei. Dagegen habe diese Anbiederung eine Reihe negativer Folgen, wie etwa die törichte Übernahme filmischer Techniken und teurer Realfilmaufnahmen, die dem Spiel jedoch 62 Vgl. E.W. Adams: Celluloid to Silicon. In: CGDC (Hg.): Eighth Annual Computer Game Developers Conference Proceedings. o.O. 1994. S. 10-21. 63 Vgl. C. Lombardi: Hollywood Babylon. In: o.A. [Redaktion]: The Designer’s Dilemma. In: CGW, No. 120, Jul. 1994. S. 26, 28-31, hier 29. 64 Vgl. C. Crawford: Hollywood Envy. In: JCGD, Vol. 8, Is. 5, Jun. 1995. S. 2f.

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nichts Wesentliches hinzufügten, oder die Verpflichtung bekannter Schauspieler/innen, die jedoch in keinem Verhältnis zum mangelnden emotionalen Spektrum der Spiele stünden. Das größte Problem sei jedoch der Umstand, dass diese Annäherungsversuche von der Aufgabe der Selbstfindung ablenkten. Diese »emulation phase«, in der man sich an anderen Identitäten versuche, dürfe nur eine Übergangsphase sein, doch dauere sie nun schon seit zehn Jahren an. Es sei an der Zeit, den Hollywoodneid hinter sich zu lassen und sich der eigenen Stärken zu besinnen: »We are not Hollywood, and we never will be. We are not ›better than‹ Hollywood, nor ›worse than‹ Hollywood; we are ourselves, something different and special. What we are is good and fine and noble; we have nothing to apologize for and much to be proud of.«

Bereits in der folgenden Ausgabe widmet sich CRAWFORD erneut der Differenz zwischen Hollywood und dem Silicon Valley, diesmal jedoch – gemeinsam mit CAITLIN BUCHMAN – unter dem Stichwort des ›Two Cultures War‹ in Anlehnung an C.P. SNOWS berühmten Vortrag.65 Grundlegend ist dabei die Idee, dass Hollywood der »arts/humanities culture« und das Silicon Valley der »science/technology culture« angehöre, was die Verbindung zwischen beiden Welten erschwere. So sei Hollywood einzig daran interessiert, die Technologie einzusetzen, um die Qualität des Geschichtenerzählens zu verbessern, während für das Silicon Valley die Verbesserung, Weiterentwicklung und Optimierung der Technologie im Mittelpunkt stehe. Zudem habe Hollywood, anders als das Silicon Valley, keinen Glauben an ›Interaktivität‹ und keine Bereitschaft, jenseits eines hinzugefügten Extras eine grundlegende Veränderung seines Produktes zuzulassen. Andererseits habe das Silicon Valley kein Verständnis für den Massenmarkt, da es traditionell gewohnt sei, Produkte für sich selbst zu entwickeln. Statt zu versuchen, diesen Konflikt mit in ihrem Feld festgefahrenen Expert/innen am Verhandlungstisch zu überwinden, sei es zwingend notwendig, Personen auszubilden, die in beiden Welten, Narration und Interaktivität, zu Hause seien.66 Schließlich stellte CRAWFORD im Dezember 1995 die Frage ›Who needs Hollywood?‹ und wandte sich vielmehr den Buchverlagen zu. Ausgehend von der Feststellung, dass die Spieleindustrie inzwischen zumindest in Hinsicht auf die generierten Einnahmen durchaus mit Hollywood konkurrieren könne, gibt er zu bedenken, dass die Herstellung und der Vertrieb von Büchern, vor allem angesichts der niedrigen Produktionskosten, deutlich profitabler sei. Außerdem sei ihr kultureller Einfluss und das Publikum für Bücher deutlich größer; es gebe Bücher für jeden Geschmack, jedes Interesse und jede Perversion auf dem Planeten; über praktisch jedes Thema habe jemand ein Buch geschrieben. Man solle also von der kleinlichen Faszination in Bezug auf Hollywood ablassen und vielmehr in den wirklich großen Ligen spielen.67

65 Vgl. C. Crawford: The Two Cultures War. In: JCGD, Vol. 8, Is. 6, Aug. 1995. S. 2f. 66 »I think that you’re better off starting with arts/humanities people than with science/technology people. My impression is that one programmer in a hundred has the aptitude to learn storytelling, but one writer in ten has the aptitude to learn programming. Programmers are made, but artists are born.« Ebd., S. 3. 67 Vgl. C. Crawford: Who Needs Hollywood? In: JCGD, Vol. 9, Is. 2, Dec. 1995. S. 8.

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Interactive Fiction III: Vom Theater zum Holodeck »As a student of theatre and dramatic criticism, as well as a software designer and researcher, I am impressed again and again by the applicability of dramatic theory to the problems of interface design. I am also impressed by the availability and comprehensiveness of that theory. The dramatic theory of Aristotle, for instance, has been around for 2000 years. It can guide us at levels far deeper than the ›fluff‹ usually associated with art [...].« Brenda K. Laurel/Interface as Mimesis68

Während der Recherchen für sein Buch Tools for Thought (1985) machte HOWARD RHEINGOLD 1983 auch in der seit etwa einem Jahr bestehenden Forschungsabteilung von Atari in Sunnyvale Halt, zunächst um sich mit deren Leiter ALAN KAY auszutauschen. Auf der Suche nach Antworten auf die Frage, wie es sich anfühle, die »mind-augmenting information-vehicles« von morgen zu handhaben, habe er jedoch am Ende deutlich mehr Zeit mit dem Forschungsteam der ›Atari Systems Research Group‹ verbracht, dem er schließlich ein ganzes Kapitel widmete: ›Brenda and the Future Squad‹. So beschrieb RHEINGOLD die Vision, wie sie bei Atari entwickelt worden war, von dem Computer der Zukunft: unsichtbar, weil mit der Umgebung selbst verbaut. Man betrete einen grauen Raum, der unmittelbar in der Lage sei, jede reale oder ausgedachte Sache, die man als Anfrage an den Computer in Worte fasse, als multisensorische Repräsentation wiederzugeben. »You could, for example, go skiing in the Alps with wraparound full-color, three-dimensional visual dislay, authentic panaphonic soundtrack, biting cold air, ultraviolet-rich high-altitude sunshine, spray of powder snow on your cheeks, the feeling of skis beneath your feet, of being impelled down a slope.«

Zudem könne man etwa ein schwarzes Loch aus der Nähe betrachten, das eigene Nervensystem erkunden oder ›Ein Yankee am Hofe des König Artus‹ sein in Anspielung an den 1889 erschienenen Roman von MARK TWAIN. Man könne die Welt auf neue Art sehen, beliebig vergrößert und verkleinert, als Röntgen- oder Computertomografieaufnahme, mit Zugriff auf Kommunikationskanäle und endlose Bibliotheken, immer mit der Möglichkeit, sich alles unmittelbar vor Augen stellen zu lassen oder gar selbst sofort an dessen Ort zu sein, aktiv in die Rolle einer Figur zu schlüpfen oder mit den passenden Werkzeugen eigene Welten zu erschaffen. Ein solcher »media room«, das universale Medium, sei geplant mit 360-Grad-Bildwiedergabe – etwa durch Holografie – und ei68 »Good aesthetic intuitions and crisp logic have marked those engineers who have created successful products. Yet ›artistic‹ concerns—indeed, the very idea of an artistic approach to design problems—has been blushed about as ›fluff,‹ while the ›harder‹ disciplines of psychology and computer science are assiduously mined for guiding principles.« B.K. Laurel: Interface as Mimesis. In: D.A. Norman, S.W. Draper (Hg.): User Centered System Design. Hillsdale/NJ u.a. 1986. S. 67-85, hier 68.

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nem »total-sound audio system«; doch die größte Herausforderung liege im Erkennen und Verstehen der Person, die sich in einem solchen Raum bewege. Noch könne der Umgang mit zukünftiger Technologie nur durch Improvisationstheater erprobt werden, doch zugleich entstünden so neue Ideen zu Anwendungsmöglichkeiten, Funktionsweisen und Hilfestellungen, neue Metaphern für den Computer jenseits des Werkzeugs. RHEINGOLD beschriebt ausführlich die Planungen von BRENDA LAUREL zu den zukünftigen Möglichkeiten eines solchen Systems und lässt sie entsprechend ausgiebig zu Wort kommen. Anders als bei einer Textverarbeitung, bei der das Ergebnis im Vordergrund stehe und die stets durch das Interface eine Distanz aufbaue, seien beim Spielen und dem Erschaffen von Kunst Funktion und Ergebnis dasselbe, nämlich etwas darzustellen; es gehe darum, in diesem Geiste die Distanz zwischen Nutzer/innen und Aufgabe verschwinden zu lassen, als wenn man durch ein magisches Portal trete. »I want to make a fantasy that I can walk through [...]. That is what an adventure game tries to do. [...] What happens if you build a first-person adventure game? [...] The first thing I do in this game I want to walk around in is to look at it. [...] Perhaps the screen is all around me. [...] All the screen and speakers do is to establish an environment. Once I look around the environment, however, I want to interact with it. [...] Let’s say that the environment of this fantasy is something that a science fiction writer of the first caliber invented. Say it’s a planet that I’m exploring for the United Federation of Planets. I start walking through this world. [...] What kind of system enables me to simply move north and pick up the damn stone? I don’t think it’s just a question of making the environment lifelike. It isn’t just a technical question for a fancier projector to solve. It’s a question of how the world is established when it is constructed. How the author establishes the way in which people can relate to it.«

Noch könne sich in dem probeartigen Improvisationstheater keine echte dramatische Handlung entwickeln, da alle Teilnehmenden zugleich darauf bedacht sein müssten, die Geschichte fortzuschreiben. Doch genau hier könne ein Computer assistieren, der über die »smarts of a playwright« verfüge und diese in einem »first-person fantasy-creating system« bereitstelle; es sei ein lern- und anpassungsfähiges Expertensystem, das in der Lage sei, die Erfahrung auf individuelle Nutzer/innen zuzuschneidern, etwa auf der Grundlage der Analyse eines »drama critic«: »Maybe we can put Aristotle’s rules for good drama in the system to start.« Ein solches System könne die »elements of drama« dynamisch und plausibel zusammenfügen und es ermöglichen, sich als »first-person interactive presence« in die 360-Grad-Simulation eines mittelalterlichen Schlosses zu versetzen, um aus der Perspektive unterschiedlichster Figuren die Welt von Hamlet zu erleben, Entscheidungen zu treffen und das Resultat zu verändern. Dabei sei aber noch nicht klar, welche Auswirkungen solche Erfahrungen auf Kognition und Emotion hätten. Das Funktionieren des Interface sowie der Dramaturgie sei, allerdings davon abhängig, wie ausgeklügelt das System im Hintergrund agiere, nicht bloß aus vorgefertigten Handlungssträngen wähle, sondern die Welt auf der Grundlage eines Nutzer/in-Modells aus bisher beachteten Inhalten, getroffenen Entscheidungen und möglichen zukünftige Handlungen in Bild und Ton neu erschaffe. Einmal funktionsfähig, könne das System auch zu Lernzwecken eingesetzt werden, indem es Nutzer/innen etwa als Kadettenschüler/innen auf ein Raumschiff versetze, wo sie Verantwortung für einzelne Funktionen übernehmen müssten und es mit neuen herausfordernden Situationen zu tun bekämen;

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ein Szenario auf das man sich bereitwillig einlasse und das besonders dazu geeignet sei, das Lernen zu fördern. »A willing suspension of disbelief that accompanies a first-person simulation enables the person who participates to feel what it would be like to have greater personal power. A world like that shows us what it’s like not to have the limitations that we think we have in everyday life. When we see how much a kid learns about predicting trajectories and the rules of bodies in motion from playing even a simple video game, I think it is easy to see educational potential in using these ›fiction environments‹ as the door to worlds of information that are as useful or healthy to know as they are fun to learn about.«

Zu einer tatsächlichen Produktentwicklung sollte es bei Atari allerdings nicht mehr kommen; ein halbes Jahr, nachdem RHEINGOLD mit der Forschungsabteilung in Kontakt getreten war, wurden alle dort Angestellten entlassen.69 Dennoch begann Anfang der 1980er-Jahre nicht nur für RHEINGOLD, sondern auch für große Teile der Forschung und Entwicklung im Silicon Valley – nicht zuletzt angetrieben von vielen ehemaligen Mitarbeiter/innen von Atari – in bis dahin nicht gekannter Form diese ›Virtual Reality‹ zum Thema zu werden. Nicht wenige orientierten sich dabei an dem Ideal, das RHEINGOLD selbst durch sein Buch Tools for Thought popularisiert hatte.70 BRENDA K. LAUREL (*1950) hatte vor ihrer Zeit bei Atari von 1980 bis 1984, die sie erst ins ›Software Strategy and Marketing‹ und dann in ALAN KAYs ›Systems Research Group‹ führte, zunächst 1972 einen ›Bachelor of Arts‹ (BA) in ›Speech and Theatre‹ an der ›DePauw University‹, einer Privatuniversität mit Schwerpunkt in den freien Künsten und Geisteswissenschaften, und dann 1975 einen ›Master of Fine Arts‹ (MFA) in Schauspiel und Regie an der ›Ohio State University‹ erworben, wo sie schließlich auch 1986 in ›Drama Theory and Criticism‹ promovieren sollte. Zudem hatte sie von 1972 bis 1979 an mehreren Hochschulen als Dozentin für Theater, Schauspiel und Regie gelehrt, während sie von 1977 bis 1980 erst als Designerin und Programmiererin und dann als Managerin für ›Educational Product Design‹ bei ›CyberVision, Inc.‹ tätig war.71 Insbesondere von ihrer Forschungsarbeit in der ›Atari Systems Research Group‹ lässt sich anhand der von ihr gesammelten und später digital zugänglich gemachten ›Atari Research Memos‹ noch heute ein guter Eindruck gewinnen. Dabei hatte sich LAUREL schon im Frühjahr 1982, vor der Gründung des ›Atari Corporate Research‹, in einem Vortrag, anlässlich einer Konferenz über ›Educational Computing‹ der National Science Foundation (NSF) und des National Institute of Education (NIE) in Berkeley mit dem Einsatz von die Fantasie anregenden Simulationen befasst, welche man in völliger Immersion aus der Perspektive einer handelnden Person erfahre. Diese seien nicht nur besonders gut dafür geeignet, das Problemlösen zu schulen, sondern auch – unter Berufung auf ARISTOTELES –, um dramaturgische Mittel zu verwenden, wobei solche Simulatio-

69 Vgl. H. Rheingold: Tools for Thought. Cambridge/MA u.a. 2000. S. 260-273, hier 261, 268f. 70 Rheingolds Recherchen im Anschluss an seine Erkenntnisse aus Tools for Thought führten schließlich zu einem weiteren Buch, das diese Entwicklung begleitete. Vgl. Ders.: Virtual Reality. New York/NY u.a. 1991. 71 Vgl. B.K. Laurel: Brenda Laurel (Resume). Los Gatos/CA 2013. (Online)

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nen stets ethische Fragestellungen mit sich brächten, die es bewusst wahrzunehmen, aufzunehmen und zu reflektieren gelte. Vor dem Hintergrund der neu eingerichteten Forschungsabteilung unter KAY formulierte LAUREL dann im Dezember 1982 einen Forschungsantrag unter dem Titel ›The Poetics of Interactive Form‹, in dem sie sich explizit zum Ziel setzte, den existierenden Bestand an Theatertheorie als Grundlage für die Analyse von interaktiven Werken zu erschließen, wobei sie bereits mimetische Werke also solche, die Handlungen, Gegenstände oder Ereignisse der realen bzw. glaubhaften Welt nachbilden, von der Untergruppe der poetischen Werke unterschied, etwa Spiele, Simulationen und noch unerforschte »genres«, die vielmehr unterhalten, mitreißen oder erfreuen. »The objective of the research is to analyze the powers of certain interactive works of art. We sense intuitively that interactive works can have art-like powers—the ability to arouse emotions or to stimulate a sense of beauty, for instance. The goal is to identify those powers, and then to discover the formal and structural mechanisms through which they are realized.«

Solche Kriterien gingen nicht nur wesentlich über solche Standards hinaus, die im Rahmen von »human factors«, Fokusgruppen oder Produkttests zur Anwendung kämen, sondern erforderten auch die Formulierung neuer Theorien über die Unterschiede zwischen interaktiven und dramatischen Werken. Erfolg in der Implementierung eines solchen Systems bemesse sich an ästhetischen Kriterien und habe schwerwiegende Auswirkungen auf gegenwärtige und zukünftige Ausformungen des Mediums, indem man etwa lerne, wie die Kräfte der Empathie, emotionalen Erregung und Katharsis im Rahmen dieser neuen »›poetics‹« einzusetzen seien, um schließlich eine Theorie der »interactive works as art« zu schaffen. Der reflektierte Umgang mit diesen Fragen diene der Kritik, der Entwicklung neuer Werkzeuge und der Anwendung in Werken, welche Kunstschaffende und Publikum in einer Synthese partizipativer Kunst zusammenführten. In Bereichen wie dem »game design« reibe man sich jeden Tag an diesen Fragen, ohne sie jedoch als künstlerische Fragestellungen zu begreifen. Dagegen könne der gesamte Wissensbestand aus Literatur- und Theatertheorie, aber auch aus Linguistik und Strukturalismus dabei helfen zu finden, »what works«. Neben mehreren Gesprächsprotokollen verfasste LAUREL dann im Laufe des Jahres 1983 unterschiedliche Papiere zur Entwicklung eines ›Interactive Fantasy System‹ (IF), etwa zu der Frage, wie die Vorstellung vom Computer und dessen Software als Werkzeug (im Gegensatz zu Spielzeug oder Kunst) wesentlich dazu beitrage, deren Möglichkeiten und Interfacegestaltung zu beschneiden, oder welche fantastischen Szenarien in einem interaktiven System zum Einsatz kommen könnten. Schließlich legte sie im November 1983 mit ›Toward the Design of an Interactive Fantasy System‹ einen Projektentwurf vor, der ihre bisherige Arbeit zusammenfasste, einen Überblick über Eigenschaften und Vorläufer des ›Interactive Fantasy System‹ bot sowie die Anforderungen eines IF-Systems beschrieb. Das 30-seitige Dokument sollte den Ausgangspunkt für ihre Dissertation bilden.72 72 Vgl. B.K. Laurel (Hg.): Atari Research Memos on the Subject of Interactive Fantasy and Related Topics. o.O. 1989. (Online) Dies.: First Person Simulations as Learning Environments. (15.03.1982) In: Ebd., S. 3-8. Dies.: Research Proposal – The Poetics of Interactive Form. (ARM #17, 10.12.1982) In: Ebd., S. 9-11, hier 9. Dies.: The Tool Metaphor. (ARM #11,

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Basierend auf ihrer Vorarbeit in der ›Systems Research Group‹ widmete sich LAUREL in ihrer Doktorarbeit Toward the Design of a Computer-Based Interactive Fantasy System noch einmal deutlich intensiver der Anwendung von Dramatheorie – allen voran der Aristotelischen Poetik – im Kontext computerisierter Erfahrungswelten, darunter auch Computerspiele. Wie sie in ihrem Vorwort, datiert auf Oktober 1985, festhielt, sei die Fertigstellung ihrer Arbeit vom »video-game crash« begleitet gewesen, welcher die Illusion des schnellen Geldes zerstört und für viele den Eindruck genährt habe, das Geschäft mit dem Personal Computer sei bloß ein vorübergehendes Ereignis. Dagegen sei der ›Crash‹ für die in der Branche der ›Personal Computer‹-Software Verbliebenen ein Anzeichen für die Intelligenz und Neugier der Kundschaft, die es nun gelte, mit neuen, Freude verbreitenden und die Vorstellung anregenden Produkten jenseits von »video games« und Tabellenkalkulationen zurückzugewinnen. Sie sehe ihre Arbeit als Beitrag, eine Vision für das zu entwickeln, was diese Technologie zu leisten vermöge.73 In einer Passage, die sie beinahe unverändert aus ihrem Projektentwurf vom November 1983 übernimmt, nennt LAUREL als Vorläufer des ›Interactive Fantasy System‹ nicht nur das Theater, sondern insbesondere das imitative kindliche Nachahmungsspiel, das bereits ARISTOTELES beschreibe, kollaborative Rollenspiele wie Dungeons and Dragons Abenteuerbücher mit sich verzweigenden Handlungswegen und entsprechenden Umsetzungen für Computer sowie Programme aus dem Umfeld der Erforschung künstlicher Intelligenz. Doch die direktesten und anregendsten Vorläufer seien einige zeitgenössische Computerprogramme und »video games«, die nicht nur auffällige Gemeinsamkeiten mit dem Theater besäßen, sondern auch Beispiele für »dramatic elements in interactive contexts« lieferten. Eine Klasse interaktiver Arbeiten ließe sich als ›mimetisch‹ beschreiben in dem Sinne, dass sie Handlungen, Objekte, Prozesse oder Ereignisse nachbildeten wie etwa Computersimulationen von technologischen Anlagen oder Wetterphänomenen. Eine Untergruppe könne man darüber hinaus ›poetisch‹ nennen: »Poetry as an art has as its end cause the pleasurable expression of emotion. Even such emotions as fear and grief, the experience of which would, in life, be unpleasent, may be introduced and developed by poetic works in such a way as to provide pleasurable experiences for the audience of such works. The emotional experiences afforded to an audience by poetry derive from the empathic connection of the audience to the piece; that is, emotions are experienced vicariously by the audience. The absence of real world consequences allows the audience to indulge in emotional experiences without risk, and poetic forms provide various kinds of resolution or catharsis which return the audience to a balanced emotional state. [...] Poetic interactive works have their end cause to entertein, engage, or please the humans who play with them, inviting the user to partake of the vicarious experience of emotion an to delight in the imitation.«

20.06.1983) In: Ebd., S. 17-19. Dies.: Simulation of an Interactive Fantasy System. (ARM #14, 09.09.1983) In: Ebd., S. 42-55. Dies.: Toward the Design of an Interactive Fantasy System. (ARM #12, 03.11.1983) In: Ebd., S. 56-87. 73 Vgl. B.K. Laurel: Toward the Design of a Computer-Based Interactive Fantasy System. Columbus/OH 1986. (Online) S. 1-6.

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Beispiele für solche »poetic interactive works« seien »video games« wie Space Invaders, Asteroids, Zork, Pac Man oder Pole Position, aber auch einige Programme, welche durch die Freude an ihrer Nutzung zugleich das vordergründige Ziel verfolgten, zu lehren.74 LAURELS Arbeit gliedert sich im Anschluss an ihre Einführung in fünf weitere Teile, beginnend mit einem Überblick über die aristotelische Dramatheorie sowie ihrer Anwendung zur Beschreibung interaktiver Strukturen, einer Einordnung des Nutzer/in-Charakters in die Interaktion aus der Ich-Perspektive, einer Sammlung von Eingaben und Ausgaben als Material für die Formulierung von Inhalten, die daraus folgenden Anforderungen an ein ›Playwright‹-Expertensystem zur Generierung dramatischer Handlungen und schließlich einer Zusammenfassung sowie einem Ausblick auf etwaige Anwendungsgebiete. Es ist vor allem das zweite Kapitel ›Dramatic Theory and Interactive Structure‹, in dem LAUREL die systematische Grundlage zum Vergleich von Theater und interaktiven Werken schafft, basierend auf den sechs qualitativen Elementen des Dramas und ihres Zusammenspiels, die sie der ausgiebigen Analyse der Poetik des ARISTOTELES entnimmt. Die Elemente sind ›Plot‹, ›Character‹, ›Thought‹, ›Diction‹, ›Music‹ und ›Spectacle‹, verbunden durch Kausalitäten, ›Completeness‹, ›Magnitude‹, ›Probability‹, ›Universality‹ und ›Catharsis‹, die sie vor allem in Anlehnung an ARISTOTELES definiert und anhand von Beispielen, die vornehmlich den »video games« entnommen sind, beschreibt. Auffällig ist, dass LAUREL die eigentlich sprachlich definierte lexis (›Diction‹), also die Auswahl und Anordnung von Worten als Kompositionsprozess, sehr schnell medienspezifisch umformt und dieser auditive wie auch visuelle Zeichen im Sinne einer linguistischen Kommunikationsform zwischen System und Nutzer/in zuschlägt, wobei entsprechende Zeichen häufig zusätzlich als ›Music‹ oder ›Spectacle‹ zu betrachten seien (Tab. 4). Ausgestattet mit diesem Begriffsapparat legt LAUREL daraufhin Beschreibungen der beiden Spiele Zork und Star Raiders vor. Die Poetik des ARISTOTELES bildet aber auch darüber hinaus immer wieder Anknüpfungspunkte für ihr Theoriegebäude, sodass sie entsprechende Textstellen in ihrer gesamten Arbeit aufgreift, während allerdings die aristotelische Rhetorik – abgesehen von einer Erwähnung im Kontext des formalen Wissens von den Emotionen – unberücksichtigt bleibt. In ihrer Zusammenfassung kommt LAUREL zu dem Schluss, dass auch im Bereich der Unterhaltung, mit dem sie sich im Schwerpunkt befasst habe, nicht allzu schnell mit der Durchsetzung von ›Interactive Fantasy Systems‹ zu rechnen sei. Es handele sich um eine Technologie mit enormen Kosten und ohne profitables Geschäftsmodell außerhalb von öffentlichen Einrichtungen wie Universitäten oder Museen. Erst die zu erwartenden sinkenden Kosten würden solche Systeme attraktiv machen, verbunden mit der Möglichkeit in Zukunft außerdem Gruppenerlebnisse anzubieten.75

74 Vgl. ebd., S. 11-20, hier 19f. Vgl. Dies.: Toward the Design of an Interactive Fantasy System. (ARM #12, 03.11.1983) In: Ebd., S. 56-87, hier 65-74. 75 Laurel beruft sich darüber hinaus auf gängige Handbuchliteratur zum Verfassen von Theaterstücken bzw. Drehbüchern, angefangen bei Gustav Freytags Die Technik des Dramas. Vgl. ebd., S. 35-85, 248, 293-297, passim.

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Tab. 2: ›Corresponding Elements of Qualitative Structure‹ Element

In Drama

In Poetic Interactive Works

PLOT

The whole action being imitated. The whole action, which is interThe outcome of the action will actively shaped by both system be the same in each performance. and user. The outcome may vary with each interactive session.

CHARACTER

Bundles of predispositions and traits, inferred from agents’ pattern of choice.

The same as in drama, but including the user as well as fictitious agents.

THOUGHT

Inferred internal processes leading to choice: cognition, emotion, and reason.

The same as in drama, but including the user.

DICTION

The selection and arrangement of The selection and arrangement of words; the use of language. discursive signs, including visual, auditory, and other non-verbal signs, when used linguistically.

MUSIC

Everything that is heard.

(same)

SPECTACLE

Everything that is seen.

(same)

Quelle: nach BRENDA LAUREL76

Alle diese Schriften wie auch LAURELS Dissertation blieben zum Zeitpunkt ihrer damaligen Fertigstellung unveröffentlicht, weshalb ihre Thesen vor allem in solchen Zirkeln wahrgenommen wurden, in denen sie diese persönlich und im Rahmen ihrer Arbeit vertreten konnte: ›Interface Design‹, Computerspiele und ›Virtual Reality‹.77 Die Rezeption ihrer Thesen in Bezug auf ›Interface Design‹ ist insbesondere dokumentiert in ihrem Artikel ›Interface as Mimesis‹, 1986 erschienen in dem Band User 76 Vgl. B.K. Laurel: Toward the Design of a Computer-Based Interactive Fantasy System. Columbus/OH 1986. (Online) S. 36. Die Vergleichstabelle findet sich bereits unverändert bei Dies.: Toward the Design of an Interactive Fantasy System. (ARM #12, 03.11.1983) In: Ebd., S. 56-87, hier 75. Vgl. auch Dies.: Computers as Theater. Reading/MA u.a. 1991. S. 50. 77 Noah Wardrip-Fruin und Nick Montfort veröffentlichten 2003 Brenda Laurels Fassung der ›Six Elements and Causal Relations Among Them‹ aus ihrem Buch Computers as Theatre sowie die Beschreibung von Star Raiders aus ihrer Dissertation im Sammelband The New Media Reader und wiesen in diesem Kontext darauf hin, dass es noch 1991 als radikal erschienen sei, die Interaktion mit einem Computer aus klassischer, poetischer Sicht mit Begriffen aus der Theatertheorie zu leisten. »Although Laurel’s specific insights attained from Aristotle are useful [...], the most powerful idea involved in her approach is that the computer can be studied from a rigorous humanistic perspective, using well-defined models established for other forms of art.« N. Wardrip-Fruin, N. Montfort (Hg.): The New Media Reader. Cambridge/MA u.a. 2003. S. 563-573, hier 563.

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Centered System Design, herausgegeben von DONALD A. NORMAN und STEPHEN W. DRAPER, den sie zudem nutzen konnte, um auf ihre soeben fertiggestellte Dissertation aufmerksam zu machen. Dort betont sie, dass es sich beim Design von Interfaces und interaktiven Systemen um eine Kunst und keine Ingenieurwissenschaft handele, da es als Tätigkeit im Kern eine künstlerische mimesis sei; ihre Wissenschaft seien die »poetics« und ihr bis heute tragfähiges Grundgerüst reiche zurück bis ARISTOTELES. Für das Design von Interfaces sei es wesentlich, ob man den Computer als Werkzeug verstehe, dessen Funktionsweise sich sämtliche Aufgaben unterzuordnen hätten, oder vielmehr einen mimetischen Kontext anbiete, in dem direkte Handlungen und Partizipation in der ersten Person möglich seien, ohne dass eine intermediäre Präsenz dazwischengeschaltet sei. Basierend auf diesen Annahmen formulierte LAUREL mehrere Prinzipien, die es beim Design zu beachten gelte: die Präsentation des Geschehens aus einer Perspektive, welche einer Situation in der wahren Welt entspreche und so direkte Eingaben durch Gesten oder Sprache ermögliche; die Maximierung von Interaktivität und Handlungsmöglichkeit durch eine hohe Frequenz, ein weites Spektrum und eine weitreichende Signifikanz von Entscheidungen; der bewusste Einsatz expliziter und impliziter Beschränkungen als Teil des mimetischen Kontextes, der sowohl Sicherheit als auch ein Gefühl für Handlungsmöglichkeiten vermittle; die Auswahl von Material zur Repräsentation eines Objektes anhand von Kriterien der Ganzheit und Zusammengehörigkeit, sowie der kausalen Glaubwürdigkeit und Angemessenheit, jedoch reduziert auf den mimetischen Kontext. Als abschließendes Beispiel für die Anwendung dieser Prinzipien nennt LAUREL ihre Forschung zu einem ›Interactive Fantasy System‹, die ihrer Ungeduld mit »›dumb‹ computer games«, ihrer Faszination für die Idee von interaktiven Filmen und ihrem verdrehten Bedürfnis, JAMES T. KIRK zu sein, entsprungen sei. »The idea of interface as mimesis is based on the primacy of experience. It requires us to focus, not on what we can deliver within the constraints of current technology and convention, but what kinds of experiences we want to have with interactive representations. It provides a means for analyzing the resources from which experiences can be built and some principles that can govern the orchestration of these resources. It takes as its model a theory that employs logic and aesthetics to create representations that engage humans in pleasurable ways. That is, after all, what we’re trying to do.«78

Im Jahr 1990 gab LAUREL dann im Auftrag der Apple ›Human Interface Group‹ einen umfangreichen Sammelband unter dem Titel The Art of Human-Computer Interface Design heraus, basierend auf einer Konferenz im Dezember 1988 und unter anderem mit Beiträgen von CHRIS CRAWFORD, ROB SWIGART, ALAN KAY, DONALD A. NORMAN, BEN SHNEIDERMAN, THEODOR H. NELSON, NICHOLAS NEGROPONTE, DOUGLAS CROCKFORD und HOWARD RHEINGOLD. Neben mehreren Einführungen in die Sektionen des Bandes, steuerte LAUREL selbst einen Artikel über ›Interface Agents‹ mit Cha-

78 Vgl. B.K. Laurel: Interface as Mimesis. In: D.A. Norman, S.W. Draper (Hg.): User Centered System Design. Hillsdale/NJ u.a. 1986. S. 67-85, hier 85. Laurel zitierte ihren Aufsatz bereits auf den letzten Seiten ihrer Dissertation, markierte den Verweis allerdings mit »forthcoming«. B.K. Laurel: Toward the Design of a Computer-Based Interactive Fantasy System. Columbus/OH 1986. (Online) S. 299.

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raktereigenschafen bei. Sowohl ihr Text ›Interface as Mimesis‹ als auch ihre unveröffentlichte Dissertation wurden dabei mehrfach in den ›References‹ genannt.79 Im Bereich der Computerspiele berichtete CLIFF JOHNSON von der ersten ›Computer Game Developers’ Conference‹ im April 1988, die LAUREL mitgegründet hatte und deren Vorstand sie bis 1991 angehören sollte, dass in der Diskussion um das Geschichtenerzählen in Computerspielen auch ARISTOTELES und seine klassische Dramentheorie heraufbeschworen worden sei, während viele Game Designer/innen die Notwendigkeit einer Erzählung überhaupt bezweifelt hätten.80 In ihrem Buch Computers as Theatre dankte LAUREL noch 1991 der »game design community«, die sie mit anhaltender Stimulation und Zusammenarbeit versorgt habe, und nannte etwa CRAWFORD und JIM GASPERINI, wobei Letzterer auch mit anderen auf dem Titelbild der Erstausgabe erschien.81 In der Februarausgabe 1988 der Computer Gaming World hatte JIM GASPERINI, in seiner Funktion als Koautor des Text-Adventure Star Trek: The Promethean Prophecy (1986) den Artikel ›All The Screen’s A Stage‹ veröffentlicht, in dem er sich explizit mit dem »interactive screenplay« als einem Medium der Performanz befasste, also einem interaktiven Theaterstück, das sich auf dem Bildschirm wie auf einer Bühne abspiele. Diese Formulierung bezeichne das Erlebnis deutlich besser als etwa die Titel »interactive fiction« oder »computer novel« und kommuniziere zugleich den Anspruch und das Potenzial für »a new genre of narrative«, welche in »adventure game« or »computer game« verloren gingen. In einer solchen softwaregesteuerten improvisierenden Arbeitsgruppe verschwimme die Grenze zwischen Schauspielenden und Publikum. Schauplätze, Requisiten, handelnde Figuren sowie eine Form von Regie seien vorgegeben. Für die Spielenden gelte es beim Lösen der Aufgaben, nicht aus der Rolle zu fallen, was nicht nur die Erwartungshaltung anderer Personen betreffe, sondern auch bedeute, sich in die Eigenschaften eines Charakters und dessen Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten hineinzuversetzen bzw. diese zu entdecken. Als Autor/in eines »interactive screenplay« behalte man stets die Kontrolle, mache sich aber auch eine Vielzahl von Mitteln zunutze, um bei den Spielenden die Illusion einer freien Entscheidung und einer lebendigen sowie erkundbaren Welt aufrechtzuerhalten, während alle Handlungen tatsächlich auf ein festes Ziel zusteuerten. Die »interactive fiction« blicke auf eine relativ kurze Geschichte zurück und könne daher kein besonders großes Spektrum an Charakteren oder Erzählungen vorweisen. Dies könne sich aber noch ändern und biete die Möglichkeit für differenziertere Rollen und Darbietungen.82 79 Vgl. B.K. Laurel (Hg.): The Art of Human-Computer Interface Design. Reading/MA u.a. 1990. Dies.: Interface Agents. In: Ebd., S. 355-365. 80 »There was much debate over the ›drama‹ of a computer game and how to achieve it. Inevitable comparisons to the film industry flew fast and furious and even Aristotle was resurrected to recount his classic theory of drama. Yet stubbornly resisting the eloquent attempts of all, the computer game continued to elude a single definition or set of requirements, even the necessity of a story.« C. Johnson: Report on the April Games Symposium. In: JCGD, Vol. 1, Is. 7, Jun./Jul. 1988. S. 11-13, hier 12. Vgl. B.K. Laurel: Brenda Laurel (Resume). Los Gatos/CA 2013. (Online) 81 Vgl. B.K. Laurel: Computers as Theater. Reading/MA u.a. 1991. S. XXII, XXIV. 82 Vgl. J. Gasperini: All The Screen’s A Stage. In: CGW, No. 44, Feb. 1988. S. 32f.

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Es dürfte ebenfalls kein Zweifel daran bestehen, dass auch CRAWFORD eine Vielzahl von Impulsen für sein Buch The Art of Computer Game Design und insbesondere seine Vorstellung eines narrativen und emotional packenden Mediums aus LAURELS Auseinandersetzung mit der Theatertheorie bezog, wird er doch in der Danksagung, welche den ›Research Memos‹ vorangestellt ist, als eine jener Personen genannt, die wesentlich zur Entwicklung des »interactive fantasy concept« beigetragen haben. Dort nennt sie zudem DONALD R. GLANCY, Professor am ›Department of Theatre, theory and criticism‹ der ›Ohio State University‹, dem LAUREL 1986 ihre Dissertation vorlegen sollte und dem sie später dankte, »for embedding Aristotle in my brain«.83 Im Februar 1989 schlug CRAWFORD in seinem Editorial ›Applause Instead of Victory?‹ des Journal of Computer Game Design vor, in Spielen nicht länger das Gewinnen zu betonen, da diese nicht hinterfragte Gegebenheit des Handwerkes die Spiele ihrer »dramatic power« beraube. Vielmehr könne man die aufgezwungenen Prozesse von Optimierung, Risikovermeidung und Bestrafung bei Falschverhalten durchbrechen, indem man das Spiel mit einem virtuellen Publikum ausstatte, das gemäß Erwartungshaltung, Geschmack und Urteilsvermögen auf die Vorstellung reagiere, etwa mit Überraschung. »The player strives not for some absolute notion of victory but instead sees himself as a performer for this audience. The game is a play, a stage for him to strut his stuff. He seeks not to win or lose but to play gloriously. At the outset of play, he cannot know whether this particular performance will be a tragedy or a heart-warming affirmation of human triumph in the face of adversity. All he knows is that he will face the trials soon to come his way with verve and panache. In so doing, he will win the approbation of the audience, and that is what he seeks.«

Ein solches Konstrukt sei nicht einfach herzustellen: »Perhaps we will need to apply some of those Aristotelian notions of dramatic theory that Brenda Laurel has been telling us about all these years.« Das Publikum könne sich auch aus vielen Individuen zusammensetzen, die sich jeweils ein eigenes Urteil bildeten, etwa auf der Grundlage einer eigenen Perspektive oder Schule des Denkens. Zudem brauche es einen Generator für dramatische Situationen, der auf die Aktionen der Spielenden reagiere. Es handle sich um eine schwierig umzusetzende Lösung für ein sonst unmögliches Problem.84

83 Vgl. B.K. Laurel (Hg.): Atari Research Memos on the Subject of Interactive Fantasy and Related Topics. o.O. 1989. (Online) S. 2. Dies.: Computers as Theater. Reading/MA u.a. 1991. S. XXI. 84 Vgl. C. Crawford: Applause Instead of Victory? In: JCGD, Vol. 2, Is. 3, Feb. 1989. S. 2. Wie Crawford in der Juniausgabe 1989 bemerkt, habe dieser Ansatz von vielen Seiten Widerspruch hervorgerufen; so formulierte etwa Bill Kunkel den Vorwurf, dass dieser nur versuche, Spielende zu bestimmten Handlungen zu zwingen, was sich jedoch mit deutlich subtileren Mitteln der Umweltgestaltung deutlich besser erreichen ließe. »This notion of applause strikes me as just another kind of score, since you’re still making value judgements You are still finding ways to bend the player to your will.« In seiner Antwort musste Crawford eingestehen, dass er seinen Punkt schlecht kommuniziert habe, jedoch vor allem ein größeres, mit bisherigen Mitteln kaum erreichbares Spektrum an Handlungen in einem Spiel ermöglichen wolle statt jene direkten Konflikte mit einfachen Lösungen, die schließlich mit Siegpunkten abgerechnet würden. Vgl. B. Kunkel: Letter. In: JCGD, Vol. 2, Is. 5, Jun. 1989. S. 2.

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In derselben Ausgabe veröffentlichte auch LAUREL ihren Beitrag ›New Interfaces for Interactive Entertainment‹, basierend auf einem Vortrag, den sie im März 1989 auf der ›West Coast Computer Faire‹ gehalten hatte. Darin ging es um gängige und neue Paradigmen für Interfaces, die zugleich bevollmächtigenden und beschränkenden Schnittstellen zwischen Mensch und Computer, die aus Hardware, Software und dem mentalen Modell der Nutzenden bestünden. Die aktuell vorherrschenden Interface-Paradigmen seien etwa bei Personal Computern die textbasierte Kommandozeile oder das verbreitete Macintosh-Interface aus Maus, Tastatur, Bildschirm (Hardware), Icons, Menüs, Bildlaufleiste (Software) und einem mentalen Modell, das der Metapher einer eigentümlichen Schreibtischoberfläche entspringe. Auch Computerspiele würden häufig allein auf der Grundlage ihres Interface-Paradigmas unterschieden, die im besten Falle an bekannte Vorbilder anknüpften und diese an die spezifischen Anforderungen anpassten wie etwa die starke sensorische Einbindung und die direkte sowie kinästhetische Kontrolle beim Action-Spiel oder die konversationsartige Ein- und Ausgabe von Text beim Adventure. Viele seien sich der Wirkung eines guten oder schlechten Interface für die »experience of playing a game« bewusst; so könne es zu Ärger und Frustration führen, wenn es fehleranfällig und gezwungen wirke oder man ständig auf Grenzen, zufällige Ereignisse sowie unverständliche und unüberlegte Entscheidungen stoße. Mit ›Multimedia‹ werde nun, 1989, angetrieben durch die Einführung optischer Datenträger und die Verwendung speicherintensiven Videomaterials, ein Konzept angepriesen, das allerdings kein neues Interface-Paradigma bilde, da es kaum gelänge, die einzelnen Komponenten eines Multimediasystems für die Nutzer/innen verständlich zu integrieren und ihnen eine neue Form zu geben. Aufgrund technologischer Grenzen müsse vielmehr die Interaktivität deutlich reduziert werden, was zu Unterhaltungsprodukten führe, die etwa mit Computerspielen kaum zu vergleichen seien. Multimedia liefere also keinen Hinweis darauf, wohin sich Interfaces in Zukunft entwickelten, da es nicht darum gehe, wie man eine Technologie einsetze, sondern welche neuen Erlebnisse man ermöglichen wolle. Bei ›Virtual Realities‹ bzw. dem ›Cyberspace‹ handele es sich dagegen im Kern um eine »interface idea«, die allerdings auch einen Wandel von Hardware und Anwendungsmöglichkeiten mit sich bringe. In diversen Forschungslaboratorien seien derzeit immersive Technologien in Arbeit, die es ermöglichten, ohne Tastatur und Bildschirm direkt in virtuelle Realitäten abzutauchen. Solche Hardware werde sich kaum in zehn Jahren in Wohnzimmern finden, doch sie beginne gerade jetzt, sich zu realisieren. Diese Entwicklung, die alte beschränkende Interface-Paradigmen ablöse und mit verbesserten Darstellungstechniken sogar noch an Fahrt aufnehme, biete eine neue Art, mit Computern umzugehen und letztlich eine neue Art des Umganges überhaupt. »Everybody knows the computer world is changing. We can feel it and smell it, but we don’t know where we’re going. Well, who should we ask? The hardware isn’t talking. [...] We stand on the brink of a new age—the time when interactive entertainment finally ceases to imitate the forms of the past and takes on a life of its own. And it has less than some might think to do with technology. The right interface paradigm can drive, not only the technology, but also the creative evolution of smoke and mirrors. Because when we have a strong vision of what we want to do, we humans are pretty good at finding ways to do it.«85 85 Vgl. B. Laurel: New Interfaces for Interactive Entertainment. In: JCGD, Vol. 2, Is. 5, Jun. 1989. S. 3-5, hier 5.

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Im Jahr 1991 erschien schließlich LAURELS Buch Computers as Theatre, das vor dem Hintergrund, dass wesentliche Teile ihrer Forschungsarbeit sowie ihre Dissertationsschrift unveröffentlicht geblieben waren, als ihr Hauptwerk zu bezeichnen ist. Dabei versammelt es vornehmlich die Ergebnisse und bereits bekannten Versatzstücke ihrer beinahe zehn Jahre währenden Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, nun jedoch mit deutlich allgemeinerer Perspektive auf »interactive experiences«. DONALD A. NORMAN, der für das Buch ein Vorwort beisteuerte, betonte dort noch einmal, dass man als Ingenieur/in noch immer eher in Betracht gezogen werde, die Kommunikation zwischen Mensch und Computer zu gestalten, denn als Künstler/in, obwohl es von den Künsten so viel zu lernen gebe. Ausgangspunkt für LAUREL ist denn auch ihre bereits Mitte der 1970er-Jahre gereifte Faszination für »the relevance of dramatic theory and practice to interactive media«. Die erste Hälfte des Buches, die Kapitel eins bis drei, die LAUREL selbst als »poetics of human-computer activity« bezeichnet, widmet sie ihrer allgemeinen Theorie von Interaktion und Interface, basierend auf der Poetik des ARISTOTELES und damit einer, wie sie betont, methodischen Herangehensweise. In der zweiten Hälfte erläuterte sie dann die Anwendung dieser Theorie auf die spezifischen Fragestellungen des Computers, etwa den Vorzug des auf intensivierende und ganzheitliche Handlungen zielenden Theaters gegenüber der bloß beschreibenden, ausführenden und episodenhaften Erzählung, den gezielten Einsatz von Beschränkungen, die spielerische und sich einlassende Mitwirkung am Geschehen (›Engagement‹) sowie detaillierter das Design der sechs Elemente des Dramas.86 Im sechsten und letzten Kapitel rückt sie dann die neuen Entwicklungen im Umgang mit dem Computer in den Vordergrund, um sich von dem Feld der Computerspiele zu lösen, das ihr bis dahin die Mehrzahl der verwendeten Beispiele bereitgestellt hatte.87 Unter diesen nannte sie neue Werkzeuge, Multimedia und

86 Vgl. B.K. Laurel: Computers as Theater. Reading/MA u.a. 1991. S. IX-XIII, XVII-XIX, passim. Laurel stützt sich für ihren Vergleich von Mensch-Computer-Interaktion und Theater auch auf Paul Heckels Buch The Elements of Friendly Software Design, in dem dieser sich vor allem auf den Film, aber auch auf das Theater bezog hatte. »Among all the art forms that can teach us about communication, the most appropriate is filmmaking. Though the origins of most art forms are lost in antiquity, filmmaking began in this century, within the span of our own experience. It illustrates the transition from an engineering discipline to an art form – a transition we are seeing today in computer software.« P. Heckel: The Elements of Friendly Software Design. New York/NY 1984. S. 1-11, hier 4. Es gelte nun die Software-Äquivalente zu den Techniken des Filmes zu identifizieren oder zu entwickeln. Heckel erwähnt Spiele aber mit keinem Wort; VisiCalc komme einem mediendefinierendem Werk wie Birth of a Nation (1915) für den Film am nächsten. 87 »Reviewers have also commented that my examples are often drawn from the domain of computer games. It should be noted that I am not an avid game player. I find most computer games to be boring, frustrating, and ›obstructionist‹ in the sense that they require players to solve puzzles primarily for the purpose of extending the duration of game play. I also abhor the violent content that is characteristic of mainstream computer games. But I must observe that computer games (including arcade games, video games, and PC games) have been the principal means whereby most people in the world have come into contact with computers for the first

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schließlich ›Virtual Reality‹, deren technologische Probleme sie zwar benennt, in der sie aber auch wesentliches Potenzial ausmacht: »With virtual-reality systems, the future is quite literally within our grasp. The dimension of enactment has undergone a rapid, qualitative transformation in the last decade. The challenge for the next decade is to arrive at understandings and technologies that can bring the other dimensions of human-computer experience to the same level. At the point of parity, synergy will kick in. Perhaps more important than new technology development ist the need to recognize our new opposable thumb for what it is. Like every qualitatively new human capability before it, the ability to represent new worlds in which humans can learn, explore, and act will blow a hole in all our old imaginings and expectations. Through that hole we can glimpse a world of which both cause and effect are a quantum leap in human evolution.«88

Anlässlich des Erscheinens der Taschenbuchausgabe von Computers as Theatre im Jahr 1993 verfasste LAUREL ein zusätzliches Schlusskapitel, in dem sie sich bereits mit dem Ausbleiben der überschwänglich erwarteten ›Virtual Reality‹-Revolution und einem Ausblick auf die Zeit nach dem ›Hype‹ befasste. In den drei Jahren nach der Schlussredaktion der Erstauflage sei deutlich geworden, dass ›Virtual Reality‹ (VR) die populären, aber unrealistischen Erwartungshaltungen an eine noch nicht ausgefeilte Technologie, an die Geschwindigkeit der Entwicklung und an die Möglichkeiten der kurzfristigen Produktreife und Markteinführung nicht habe erfüllen können. Inzwischen seien Forschungslaboratorien geschlossen worden und auch viele Pioniere hätten sich neuen Bereichen zugewandt. Doch genauso, wie die Forschung der VR lange vor der medialen Aufmerksamkeit begonnen habe, so gehe diese auch nach ihrem Ende weiter, etwa in den Bemühungen um ein multisensorisches Interface, ein besseres Verständnis für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen, was zuvor vornehmlich Gegenstand der Künste gewesen sei, oder die technologisch vermittelte Kommunikation und Zusammenarbeit. Es sei schließlich die besondere Leistung der VR gewesen als neues Medium (sie zitiert MCLUHAN) Diskussionen über Umwelt, Kultur sowie Fragen von Kontrolle und Autorschaft angestoßen zu haben, indem es diese überhaupt erst sichtbar und damit zum Gegenstand gemacht habe. Wie schon das mittelalterliche Theater und seine modernen Folgeerscheinungen sei auch die VR ein Ausdruck kultureller Impulse in einem Medium, das Fragen stelle nach der eigenen Positionsbestimmung und dem Umgang mit den Leidenschaften angesichts allgegenwärtiger Technologie.89

time [...] [and] computer games have often been in the forefront of ›friendly‹ interface design [...].« Vgl. ebd., S. 167f. 88 Vgl. S. 197f. Brenda Laurels Beitrag zum Feld der ›Virtual Reality‹ bis hin zur Gründung von ›Telepresence Research‹ mit Scott Fisher im Jahr 1990 wurde einmal mehr von Howard Rheingold dokumentiert, der ihr in seinem gleichnamigen Buch sogar das Schlusswort überließ, zitiert aus ihrer Dissertation von 1986. Vgl. Ders.: Virtual Reality. New York/NY u.a. 1991. S. 93-104, 134-137, 190-192, insb. 286-311, 377-391. 89 »[I]t is well known in the folklore of computer game design that high-quality audio makes people perceive visual displays to have higher resolution. It is also well known that the converse is not true: Great graphics will not turn the PC’s beeps and boops into Beethoven.« Vgl. B.K. Laurel: Computers as Theater. Reading/MA u.a. 1993. S. 199-214, hier 207.

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Dass LAURELS Hauptwerk Computers as Theatre unter Entwickler/innen wohl einen schweren Stand hatte, lässt sich aus CRAWFORDS nicht unkritischer Rezension herauslesen, die dieser im August 1993 im Journal of Computer Game Design veröffentlichte. Es handele sich um ein seltsames und ambitioniertes Buch, das ihn jedoch in der Darstellung der klassischen Theatertheorie in den Kapiteln zwei und drei beinahe verloren habe. Erst mit Kapitel vier, das sich tatsächlich mit »real live software design issues« befasse, habe ihn das Buch trotz sprachlicher Mängel zurückgewonnen. Kapitel fünf mache das Herzstück des Buches aus und beschreibe viele, leider ungeordnet wirkende Ideen und Regeln zum »design of effective human-computer interaction«. In Kapitel sechs folge ein wiederum unstrukturiert wirkender, aber stellenweise solider Ausblick in die Zukunft. Zudem weist er abschließend auf das Zusatzkapitel der Taschenbuchausgabe hin, in welchem LAUREL eingestehen müsse, dass sich die Erwartungen an ›Virtual Reality‹ nicht erfüllen hätten. Vieles in dem Buch sei anstrengend und schwer verständlich und richte sich an ein anspruchsvolles Publikum, wobei vor allem die Kapitel vier bis sechs lohnende Lektüre seien. Wer jedoch schon mit den Artikeln im Journal seine Probleme habe, solle von diesem Buch die Finger lassen.90 Tatsächlich füllte diese Rezension die letzten zwei Seiten des Journal of Computer Game Design; ab der folgenden Ausgabe änderte sich der Titel des Magazins in Interactive Entertainment Design, was zwar den von LAUREL behandelten Fragestellungen entgegenkam, aber nicht mehr zwingend als ›Computer Game Design‹ identifiziert wurde. LAUREL selbst wirft noch 1999 einen Blick zurück auf ihr Buch und beschreibt, dass sich mit ihrem Hintergrund im Theater, an dem in den 1970er-Jahren viele Experimente mit Improvisation und Partizipation des Publikums weitverbreitet gewesen seien, dessen Vergleich mit »interactive computing« geradezu aufgedrängt habe. Doch noch immer hielten technologische Restriktionen im Umgang mit Computern viele Menschen von dieser Unterhaltungsform fern. Die Gestaltungsregeln, die sie in ihrem Buch festgehalten habe, seien ein Versuch gewesen, dieser Situation entgegenzuwirken, weshalb sie nicht an Bedeutung eingebüßt hätten. Angesichts jüngerer Entwicklungen sei sie jedoch eher pessimistisch: »intentional obscurity on the part of both designers and artists in interactive media is a disturbing trend.«91 90 Vgl. C. Crawford: Book Review – Computers as Theater. In: JCGD, Vol. 6, Is. 6, Aug. 1993. S. 14f. Vgl. auch D.J. DeRose: Review – Computers as Theatre by Brenda Laurel. In: TDR, Vol. 37, No. 4, Winter 1993. S. 175-177. 91 Vgl. B.K. Laurel: New Perspectives. In: R. Reichwald, M. Lang (Hg.): Anwenderfreundliche Kommunikationssysteme. Heidelberg 2000. S. 363-372, hier 365. Vor dem Hintergrund einer aufflammenden Gewaltdebatte äußert sich Laurel schließlich zur ethischen Verantwortung von Designer/innen, da den »computer-based representations« inzwischen große Wichtigkeit für die Konstruktion von Identität zukomme. »If we are building fictional worlds like videogames, then we are responsible for constructing characters and worlds with ethical dimensions. If we are building non-fictional environments for commerce or communication on the web, we need to take care to provide people with rich materials for constructing positive identities for themselves and their online communities.« Vgl. ebd., S. 367-372, hier 371. Eine direkte Fortsetzung von Laurels Arbeit im Sinne der Anwendung der aristotelischen Poetik zur Formulierung einer ›interactive poetics‹ findet sich kurz darauf in einem erstmals 2001 veröffentlichten Artikel von Michael Mateas, der auf dieser Grundlage, gemeinsam mit Andrew Stern, die »interactive story world« von Façade (2005) entwickelte. Vgl. M. Mateas: A Preliminary Poetics for

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Unter all den Visionen einer ›Virtual Reality‹ und des computerisierten Geschichtenerzählens dürfte keine die Vorstellungskraft so sehr angeregt haben wie jene, welche die Fernsehserie Star Trek: The Next Generation ab 1987 populär machte: das ›Holodeck‹. Im August 1988, zwei Monate nachdem die erste Staffel der Serie bei diversen US-amerikanischen Sendern abgelaufen war, bemerkt CRAWFORD im Journal of Computer Game Design, dass die »technology called ›the holodeck‹« allen Game Designer/innen »much food for thought« aufgebe. Sei die Einbindung der Technologie als Umweltsimulation anfangs noch uninteressant gewesen, so habe man ab Mitte der Staffel zunehmend auf Charaktere gesetzt, die vom Computer generiert würden, um so alte Bekannte oder außergewöhnliche Orte zu besuchen oder gar eine Detektivgeschichte nachzuspielen. »This transformation—from environment simulator to character generator—is profoundly satisfying to me. I have always maintained that characters were the key to the future of computer games, and this seems to buttress my beliefs. It seems perfectly natural and reasonable that this is the way that adults in the future will entertain themselves. It certainly makes more sense than the thought of Captain Picard playing Space Invaders.«92

Das Holodeck konnte in dieser Form erstmals glaubhaft jene Vision visualisieren, an deren Technologie und Anwendung bereits seit vielen Jahren geforscht und entwickelt wurde93, angefangen bei SUTHERLANDS Vortrag zum »ultimate display«94 über die Arbeit zum ›Media Room‹ am Media Lab des MIT95 bis hin zu den von LAUREL und RHEINGOLD dokumentierten Überlegungen der ›Atari Systems Research Group‹.96 Die Ma-

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Interactive Drama and Games. In: N. Wardrip-Fruin, P. Harrigan (Hg.): First Person. Cambridge/MA u.a. 2004. S. 19-33. Vgl. C. Crawford: Thoughts on the Holodeck. In: JCGD, Vol. 1, Is. 8, Aug./Sep. 1988. S. 5. Die ›Holodeck‹-Version des Star Trek-Erfinders Gene Roddenberry wurde wohl maßgeblich angeregt von Gene Dolgoff, einem New Yorker Holografie-Ingenieur und Pionier der digitalen Projektionstechnologie. Bereits 1973 habe er Roddenberry in die Theorie und Technologie der Holografie eingeführt, mit ihm zusammen über Anwendungen spekuliert und ihn dazu angehalten, diese in Star Trek aufzunehmen. Vgl. dazu das Interview mit Scott Wilkinson (Audio, 49:40 Min.). Ders.: Home Theater Geeks, Ep. 74, ›3D Mayhem‹. In: twit.tv, 25. Juli 2011. (Online) Nach der ersten Verwendung eines solchen »Rec Room« in Star Trek: The Animated Series (›The Practical Joker‹, 1974) wurde das Holodeck von Beginn an zu einem festen Bestandteil von Star Trek: The Next Generation (ab 1987). Vgl. R. Sternbach, M. Okuda: Star Trek – The Next Generation, Technical Manual. New York/NY 1991. S. 156f. Sutherland beschreibt bereits 1965: »The ultimate display would, of course, be a room within which the computer can control the existence of matter. A chair displayed in such a room would be good enough to sit in. Handcuffs displayed in such a room would be confining, and a bullet displayed in such a room would be fatal.« Vgl. I. Sutherland: The ultimate display. In: IFIP (Hg.): Proceedings of IFIP Congress 65, Vol. 2. Amsterdam u.a. 1966. S. 506-508. Vgl. S. Brand: The Media Lab. New York/NY 1987. S. 137-154. Es ist hier bemerkenswert, dass Atari den Großteil der zu dieser Zeit verfügbaren Patente zur Holografie-Technologie aufgekauft hatte, wie Roger Hector sich erinnerte, der 1980 zum »corporate manager of advanced projects« aufgestiegen war. Scott Cohen nennt es 1984 explizit als ein mögliches Zukunftsszenario, dass etwa Alan Kay mit einer solchen Innovation aufwarten könne, um Atari zu retten: »Atari could come up with a game that utilizes holographic and

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cher/innen von Star Trek: The Next Generation konnten also bei der Ausgestaltung der Fernsehserie auf jenen Forschungen aufbauen, wie sie vermehrt ab den 1980er-Jahren in den Laboratorien des ›Silicon Valley‹ kursierten.97 Umgekehrt nahm auch LAUREL die Serie Star Trek: The Next Generation begeistert auf und nannte das Holodeck als Beispiel in ihrem Buch Computers as Theatre.98 Die Vorstellung von der ›virtuellen Realität‹ sei durch ›Science-Fiction‹-Literatur ebenso wie durch das »Holodeck construct«, wie es bei Star Trek zum Einsatz komme, erweitert worden. Wer jedoch auf dem Holodeck lernen, spielen und träumen wolle, müsse auf ein System warten, das in der Lage sei, Charaktere zu tragen und Handlungen aufeinander abzustimmen – in einer Zukunft, die nicht allzu weit entfernt sei. So diene das Holodeck als »today’s cultural icon for the promise of dramatic human-computer activity«.99

three-dimensional technology, one that allows a player to step inside as one would the cockpit of a jet plane or a rocket ship.« Vgl. S. Cohen: ZAP! New York/NY 1984. S. 87f., hier 119. 97 Dies relativiert zugleich die verbreitete Vorstellung, dass einer technologischen Implementierung stets eine nicht technologische Inspiration vorausgeht. Laurel selbst beschreibt dieses Bild 1990 in ihrer Einführung zum Abschnitt ›New Directions‹: »Most robust paradigms begin with fantasies and grand ›what-ifs.‹ [...] Real workers in the real world of technology must parse these visions—usually created by nontechnologists—into sets of tractable problems that quickly lose their glamor. Sooner or later, it devolves to us—the people who actually design human-computer interaction—to reconstitute the grand ideas in ways that incorporate notions about technique and technology, purpose and use, and strategies for research and development.« Vgl. B.K. Laurel (Hg.): The Art of Human-Computer Interface Design. Reading/ MA u.a. 1990. S. 346. 98 Davon zeugt eine erhaltene elektronische Korrespondenz zum Thema Star Trek aus dem Konvolut des Journal of Computer Game Design vom 14. September 1991, aus der hervorgeht, dass Chris Crawford die aktuellen Episoden der Serie regelmäßig auf Video aufnahm, um sie Brenda Laurel zur Verfügung zu stellen. Laurel bemerkte anlässlich des Beginns der fünften Staffel: »Here another season comes. Do you want to keep taping for us? Do you need money, tapes, or what? Let me know; we are breathless with anticipation. Hope all is going well with you. I am so far into startup hell that I forget what the sun looks like. xo BL« Crawford erwidert: »Sure, I’ll be happy to tape the new Star Treks. I hope that I didn’t miss a new one last week; it was pushed back by football and I couldn’t find a description anywhere, so I suppose that it’s not new. I will definitely tape this Saturday’s for you, and all subsequent ones. I’m such a homebody that it’s really easy to be sure that I’ll get them. Just got back from Britain last week, our big vacation of the decade. Toured Arthurian sites. Someday you have to stand on top of Glastonbury Tor – a powerful spiritual experience.« 99 Vgl. B.K. Laurel: Computers as Theater. Reading/MA u.a. 1991. S. 185, 194, Abbildungsteil (Color Plate XI). David J. DeRose zählt Brenda Laurel in seiner Rezension von Computers as Theatre zur Gemeinschaft der Vorreiter/innen in Sachen Interaktivität und ›Virtual Reality‹, von deren Involvierung er sich verspreche, dass wenn die derzeit noch futuristischen und unzugänglichen Hollywoodfantasien wie das Holodeck verfügbar würden, sie auch umgehend ihr Potenzial als Gegenstand des Theaters umfassend und fruchtbringend realisierten. Vgl. auch D.J. DeRose: Review – Computers as Theatre by Brenda Laurel. In: TDR, Vol. 37, No. 4, Winter 1993. S. 175-177.

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Schließlich benennt LAUREL für die Dezemberausgabe 1993 des Magazins Wired die immersiven Technologien im Geiste des Holodecks als Kandidat für die sieben Weltwunder des Computerzeitalters: »Surround the human sensorium with imagery that is partially or entirely other than that provided by the actual world, arranged in ways that invite and support holistic human participation. The result goes by many names: virtual reality, virtual environments, artificial reality, multisensory interactive systems. All are immersive prostheses for the imagination. [...] Immersive technology represents, on the one hand, the unattainable grail at the end of the history of cinema, and on the other hand, the beacon that draws creative energies toward the culmination of computing. [...] From punched cards to interactive computing, from Zork to the Holodeck, from Alfred Hitchcock’s experiments with point of view to Star Tours and its kin, we have inched along the incremental path on this quest.«100

Deutlichen Einfluss übten LAURELS Arbeit und schließlich auch das Holodeck auf DAVID GRAVES aus, der zwischen 1987 und 1991 gleich drei Artikel über die Weiterentwicklung des textbasierten ›Adventure Games‹ mit technologischen Mitteln zur ›Interactive Fiction‹ im Journal of Computer Game Design veröffentlichte.101 Die Autorenbeschreibungen seiner Artikel weisen GRAVES als einen Ingenieur bei Hewlett-Packard aus, der zu den vier Entwickler/innen eines »mini-computer based, multi-user, real-time text adventure game« namens Quest zählte. Ferner taucht er als Teilnehmer des »First Symposium of Game Designers« auf, wo er in Zusammenhang mit dem Spieltitel The Devouring Darkness genannt wird.102 Fasziniert von den Möglichkeiten der Text-Adventures und doch enttäuscht über den Stand der ›Interactive Fiction‹ hatte GRAVES gemeinsam mit dem Autor TIM BRENGLE etwa 1988 das Projekt ›Interactive Fantasies‹ gegründet, um wahrhafte »participatory fiction« zu entwickeln. Mit seinem Abschluss in ›Computer Science‹ und Biologie war GRAVES als »platform architect« im Wesentlichen für die technologische Entwicklung zuständig, um ein System aufzubauen, das den An100

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Vgl. J. Greenwald (Hg.): WIRED Wonders. In: Wired, No. 6, Dec. 1993. (Online) Im selben Artikel äußerte sich Mike Okuda, Grafiker und technischer Berater für Star Trek: »My nomination is Star Trek, an icon of 20th century culture. Although the technology seen on the show is largely fictional, the show itself has had a profound impact on a generation of scientists, engineers, computer programmers and other present-day visionaries. It is difficult to find an area of significant American technological or scientific achievement that does not have one or more major players who were inspired as children by the wonders of Gene Roddenberry’s vision.« Ebd. Inzwischen sind auf der Website des Interactive Fiction Archive (http://www.ifarchive.org) die ungekürzten Originalfassungen von David Graves Artikeln zugänglich. D. Graves: Second Generation Adventure Games. Reprinted from: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug. 1987. S. 47. (Online) Ders.: Bringing Characters to Life. Reprinted from: JCGD, Vol. 2, Is. 2, Dec. 1988. S. 10f. (Online) Ders.: Plot Automation. Reprinted from: JCGD, Vol. 5, Is. 1, Oct. 1991. S. 10-12. (Online) Vgl. D. Graves: Second Generation Adventure Games. In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 4-7, hier 4. Ders.: Bringing Characters to Life. In: JCGD, Vol. 2, Is. 2, Dec. 1988. S. 10f., hier 10. Vgl. C. Johnson: Report on the April Games Symposium. In: JCGD, Vol. 1, Is. 7, Jun./Jul. 1988. S. 11-13, hier 13.

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forderungen von Erzählung und Interaktivität gerecht. Als wichtige Inspiration nennt GRAVES die Doktorarbeit von LAUREL, der er auch seine Kenntnisse über die Poetik des ARISTOTELES verdanke.103 Bereits in der zweiten Ausgabe des Journal im August 1987 war GRAVES’ Artikel ›Second Generation Adventure Games‹ erschienen, in dem er sich mit einem seiner Meinung nach »new genre in literary entertainment« auseinandersetzt: Der »participant novel«, in der es eher darum gehe, in die Rolle eines Charakters zu schlüpfen, und weniger darum, Rätsel zu lösen. Grundlage einer »participant novel« seien verschiedene »computer modeling techniques«, die insbesondere aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz stammten und es ermöglichten, komplexere Weltenmodelle sowie ihre Physik zu simulieren.104 Eine einfache und doch leistungsfähige Darstellung führe zu einer widerspruchsfreien und dynamischen Fantasiewelt, etwa durch den Einsatz von ›Listen und Objektbäumen‹, welche Positionen und Beziehungen aller Personen, Orte und Objekte zueinander als Verwandtschaft von verschachtelten Containern beschreiben und diese dynamisch verwalten und verändern. Auch das Ausführen von Taten an abstrahierte, feststehende oder veränderliche ›Objekteigenschaften‹ zu knüpfen, die etwa durch das ein oder das andere (un-/entflammbar) oder einen Zahlenwert (Gewicht, Größe) ausgedrückt würden statt an ausformulierte Einzelfälle, erlaube es Spielenden, solche Handlungen vorzunehmen, die zuvor nicht bedacht worden seien. Die ›Erkennung natürlicher Sprache‹ mithilfe eines syntaktisch ausgeklügelten Parsers sowie eines umfassenden Wörterbuches ermögliche es, Eingaben auf unterschiedlichste Weise zu formulieren, statt die eine richtige Formulierung suchen zu müssen. Neben jenen Textanteilen, die sich vorformulieren ließen, brauche es für viele Inhalte die dynamische ›Generierung von Text‹ in möglichst verschiedenen Formaten und Varianten, was das Lesen von Textausgabe deutlich inte103

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Im Rahmen ihrer Dissertation von 1991 hatte Sarah Jane Sloane das Projekt Interactive Fantasies ausführlich beschrieben und zudem aufschlussreiche Interviews mit David Graves geführt, die der Arbeit als Transkriptionen im Anhang beigefügt sind. »I’m using Aristotle because his model of drama fit my work so perfectly. I read about him in Brenda Kay Laurels’s dissertation and it seemed to support what I’m trying to develop.« [sic!] Vgl. S.J. Sloane: Interactive Fiction, Virtual Realities, and the Reading-Writing Relationship. Columbus/OH 1991. (Online) S. 102-110, 197-213, hier 201. Laurel wiederum nennt Graves in ihrer Danksagung. Vgl. Dies.: Computers as Theater. Reading/MA u.a. 1991. S. XXII. Tim Brengle, der ebenfalls am ›First Symposium of Game Designers‹ teilgenommen hatte (s.o.) und an der Entwicklung der Adventure Definition Language (ADL) zum Verfassen von Text-Adventures beteiligt war, arbeitete in der Folge u.a. bei Electronic Arts sowie Accolade und sollte schließlich 2011 neben Ian MacKenzie für die Gründung und langjährige Organisation des Freiwilligenprogramms der ›Computer Game Developers’ Conference‹, der er ab 1988 sieben Jahre lang als Vorstandsmitglied angehört hatte, mit dem Ambassador Award ausgezeichnet werden. (http://www.gamechoiceawards.com) Vgl. D. Graves: Second Generation Adventure Games. In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 4-7. Herausgeber Crawford hatte Graves’ Artikel als Beispiel für ein »straight technical piece« genannt, dem es gelinge, technologische Zusammenhänge so allgemein zu formulieren, dass sie nicht an eine bestimmte Plattform oder Programmiersprache gebunden seien und damit als Gegenstand des Designs zu behandeln. Vgl. C. Crawford: Call for Articles. In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 13.

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ressanter mache. ›Rahmenabhängige Ausnahmen‹ zur normalen Semantik, von den Besonderheiten und Handlungen einzelner Personen bis hin zu den magischen Eigenschaften einzelner Objekte, über Codefragmente zu definieren, die nur unter bestimmten Bedingungen greifen, helfe, die Komplexität solcher Situationen zu bewältigen. Schließlich seien Routinen behilflich, um die Intention der Spielenden zu verstehen, in der Ausführung einfache Zustandsfehler zu erkennen, korrigierende ›Ziele und Unterziele‹ einzuführen und die implizierten Handlungen zu ergänzen, um das Spieltempo aufrechtzuerhalten und das unnötige Abarbeiten von Befehlsketten zu reduzieren. Alle vorgestellten Ideen seien bereits erfolgreich in ein funkionierendes »game system« aufgenommen, das noch immer in der Entwicklung sei. Unabhängig davon brauche aber auch die beste Software natürlich noch immer eine gut geschriebene Geschichte, um eine interessante »participant novel« abzugeben. Im Dezember 1988 folgte dann ein Artikel zu der Herausforderung, Charakteren Leben einzuhauchen, etwa durch ›Intelligenz und Zielsetzung‹, ›Motivation und Drama‹ und die ›Erweiterung des Austauschs‹. Um Charaktere intelligent handeln zu lassen, müssten diese dazu in der Lage sein, ihre Umwelt zu interpretieren und ein angemessenes Verhalten anzuwenden. Dazu gehöre, anstatt sämtliche Probleme in der Objektverwaltung den Spielenden zu übertragen, ein Charakter selbstständig Probleme erkennen, eine Lösungsprozedur entwickeln und diese ausführen müsse. Dieser Prozess liefere zwar noch keinen interessanten Stoff für Geschichten, bilde aber die Grundlage für die »illusion of lifelikeness« und die Simulation eines motivierten Verhaltens. Damit das Verhalten von Charakteren vernünftig und glaubhaft erscheine, müsse es von Motivation getragen werden, was schließlich auch die Handlung in Gang bringe. Damit hier nicht bloß Chaos entstehe, sei es sinnvoll, sich nach dem Vorschlag von LAUREL an den Regeln des Dramas zu orientieren und einen »computerized playwright« einzusetzen, der die Handlung vorantreibe. Zudem könne sich die Handlung allein auf Grundlage der vordefinierten Charaktere und ihrer Motivationen entfalten, wobei eine Veränderung in den Charaktereigenschaften stets eine andere Geschichte zur Folge habe. Schließlich experimentiere er selbst, gemeinsam mit TIM BRENGLE, mit der Möglichkeit, Charakteren zu gegebenen Zeitpunkten Ziele oder Statusveränderungen in den Kopf zu setzen, welche das Verhalten und den Ausdruck, aber auch die Reaktion der Figuren sowie die Geschichte nach dem Willen der Verfasser/innen in bestimmte Richtungen lenke, ohne sämtliche Abläufe vorhersagen zu können. Die meisten Produkte der ›Interactive Fiction‹ behandelten Charaktere wie Objekte und ermöglichten nur beschränkte Interaktionen. Doch existiere in diesen Welten nichts außer der Frage der Objektverwaltung. Für Formen menschlicher Interaktion brauche es Systeme von Emotion, Wissen und Glauben, ein breites Spektrum an Verhaltensweisen, das auf diesen Systemen basiere, und schließlich ein reichhaltiges Vokabular zur Kommunikation und Beeinflussung. Notwendig für eine solche Ökonomie des Wissens und Glaubens sei eine umfassende Datenbank, welche die Verteilung und Veränderung von Informationen für alle Charaktere im Verlauf des Spieles verwalte. Genauso verleihe menschliche Emotion den künstlichen Figuren mehr Tiefe, Antrieb und Konflikte. »In designing an interactive story, the designer must keep in mind the interlocking dimensions of physical state, emotions, character beliefs, behavior, and communication. One must also keep sight of the vision: characters displaying believable original behavior and engaging in interesting, dramatic interaction.«

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GRAVES nannte in den abschließenden Literaturangaben einen Artikel von MICHAEL LEBOWITZ sowie die drei Dissertationen von BRENDA LAUREL, JAMES MEEHAN und MARY ANN BUCKLES, die jeweils für 50 US-Dollar von ›University Microfilms‹ zu beziehen seien. In der Beschreibung zu LAURELS Arbeit notiert er: »Defines the vision and the technologies requred [sic!] to implement it. Read this first.«105 Basierend auf seinem Vortrag ›The Automated Playwright‹ auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ im März 1991 widmet sich GRAVES schließlich in der Oktoberausgabe 1991, nun deutlich inspiriert vom Holodeck, der Frage, inwieweit ein Automat als Autor/in eines Theaterstückes in der Lage sei, in Echtzeit »interactive fiction plots« mithilfe eines ›Personal Computer‹ entstehen zu lassen. »The holodeck on Star Trek, for example, is a computer-controlled interactive fantasy that boasts automated plot generation. One might think that the hardware and software technology required to achieve this goal are decades away. [...] However, after having worked on plot automation for several years, I am convinced that the hardware and software technology required to develop an automated playwright exists today.«

Die ›Interactive Fiction‹ habe sich seit ihren Ursprüngen Mitte der 1970er-Jahre kaum weiterentwickelt. Die Entwicklung eines »automated playwright« verlange jedoch ein grundlegendes Umdenken in Hinsicht auf die angewendeten Modelle des Erzählens und die Formen des Schreibens. Da es sich als sehr schwierig herausgestellt habe, Entscheidungen über den Verlauf einer Geschichte den Spielenden zu überlassen, gebe ein solches System erstmals die Möglichkeit, eine Geschichte zu erfahren und immer wieder neu zu erleben; ein solches System sei bereits jetzt, 1991, möglich, ohne dass man auf eine unausgereifte Technologie wie ›Virtual Reality‹ warten müsse. Dabei handele es sich um den nächsten logischen Schritt in der »game evolution«, um die aristotelischen »elements of drama« vollständig zu erschließen und in die Interaktion mit den Spielenden einzubeziehen. Die wesentlichen begrenzenden Faktoren seien dabei eine grafische Darstellung, die vornehmlich Dinge und Umwelten präsentiere, ein Entscheidungsbaum, der die Möglichkeiten der Einflussnahme vorwegnehme und die Hauptfigur bei Abweichung sterben lasse, und schließlich das Verständnis von Handlung als statisches Konstrukt, das alten ›statischen Medien‹ entspringe (»Words on a printed page cannot change.«), mit den Möglichkeiten der Computertechnologie jedoch überwunden werden könne. In Zukunft müsse es darum gehen, sich in der grafischen Darstellung auf Charaktere, ihre Gedanken, Persönlichkeiten, Ausdrücke und Reaktion zu konzentrieren und nicht bloß Objekte der physischen Welt sowie ihre Manipulation abzubilden. Außerdem müsse mehr Kontrolle über den Verlauf der Geschichte bei den Spielenden liegen, um größere Freiheit und Interaktion und nicht nur deren Illusion zu realisieren. Ziel sei 105

Vgl. D. Graves: Bringing Characters to Life. In: JCGD, Vol. 2, Is. 2, Dec. 1988. S. 10f. Im Vergleich mit der online zugänglichen Version des Textes, die vermutlich die Ursprungsfassung darstellt, wird deutlich, dass der Artikel in nur stark gekürzter Form veröffentlicht wurde. Graves hatte sowohl einen einführenden Textteil, in dem er vor allem kritisierte, dass die Spielenden, umgeben von hohlen Charakteren, allein für den Fortgang der Handlung verantwortlich gemacht würden, als auch einen Abschnitt über die Modellierung von Persönlichkeit durch ›Emotionen und Beziehungen‹ formuliert.

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mindestens ein Netzwerk von Handlungspunkten, das sich aus dem Entwurfsstadium des Baumes entwickle und es dabei noch immer ermögliche, bestimmte Abläufe zu ordnen, »to ensure that the player experiences the full emotional impact of the story«. Schließlich sei die Handlung jedoch nicht mehr als eine Ansammlung statisch verbundener Daten, sondern vielmehr als Prozess zu verstehen, dessen Autor/in den Inhalt, das Thema, die Botschaft und die Regeln definiere, nach denen die einzelnen Handlungspunkte aufeinander folgten, basierend auf den Entscheidungen der Spielenden. Die Handlung entstehe dynamisch und in Echtzeit aus einem breiten Spektrum an Potenzialen, aus kleinsten Einheiten sowie den Regeln ihrer Verbindung, und folge nicht mehr der Vorstellung einer festen Sequenz. Diese Mehrdeutigkeit schlage sich darin nieder, dass weder den Spielenden noch den Autoren und Autorinnen der Verlauf und Ausgang der Geschichte bekannt seien, was sehr unterschiedliche Erfahrungen ermögliche und die Wiederspielbarkeit erhöhe. Der »automated playwright« brauche dabei gar nicht jede einzelne Entscheidung zu steuern, sondern könne dies in gewissem Rahmen selbstständig planenden ›künstlichen Persönlichkeiten‹ mit simulierten Emotionen überlassen. Das System könne sich vielmehr ganz deterministisch auf den »high plot« konzentrieren und gleichzeitig in Konflikt mit dem ›freien Willen‹ der Handelnden geraten. Um das Material für ein solches System zu verfassen, solle man zunächst eine Geschichte schreiben, diese dann in Form eines Handlungsbaumes verzweigen und schließlich die einzelnen Verbindungspunkte voneinander lösen und vielfältige Verbindungen zulassen. Schließlich müsse der Großteil des statischen Gerüstes fallen gelassen und durch Regeln des Zusammenwirkens ersetzt werden, damit ein Puzzle aus Bausteinen entstehe. Dann gelte es, tote Enden herauszufiltern und wieder mit anderen Teilen zu verbinden. Abschließend betont GRAVES, dass es nicht die Technologie sei, welche die Integration von Spielenden und Handlung verhindere, sondern die Denkweise gegenüber den neuen Möglichkeiten. Es handele sich um den Ballast aus althergebrachten Formen interaktiven Erzählens, den es infrage zu stellen gelte.106 Genau zweieinhalb Jahre nach Erscheinen von GRAVES’ Artikel widmet sich CRAWFORD im April 1994 den gängigen Methoden des ›Interactive Storytelling‹, die vor allem in Spielen zum Einsatz kämen, darunter auch jene lineare Struktur einer klassischen Erzählung – »a plain old story« –, die er jedoch allesamt für mangelhaft erklärte, um einem interaktiven Medium gerecht zu werden. »There is a solution to the problem, but it’s not easy; I’ve spent the last two and a half years developing it. It requires a fundamentally different approach to the problem. But it does work; I have a working program right now. It generates interactive stories, and it does not succumb to any of the problems described above. And I’d love to tell you about it—but first I have to get funding to commercialize the technology. Until then, I’ll leave you in suspense.«107 106

107

Vgl. D. Graves: Plot Automation. In: JCGD, Vol. 5, Is. 1, Oct. 1991. S. 10-12. CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Program. o.O. 1991. S. 2. Soweit die Recherchen des Verfassers ergaben und obwohl laut Sloane bereits Verhandlungen mit Verlagen im Gange waren, hat das Projekt Interactive Fantasies kein einziges Produkt veröffentlicht. Vgl. S.J. Sloane: Interactive Fiction, Virtual Realities, and the Reading-Writing Relationship. Columbus/OH 1991. (Online) S. 212f. Vgl. C. Crawford: Flawed Methods for Interactive Storytelling. In: JCGD, Vol. 7, Is. 4, Apr. 1994. S. 2-5, hier 5. Ausgehend von seiner ab 1991 zunehmend reifenden Überzeu-

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Wie DAVID KUSHNER 2003 in seiner Geschichte des Entwicklungsstudios id software dokumentierte, hatte das Holodeck derweil auch den erst 17-jährigen JOHN CARMACK (*1970) in seinen Bann gezogen. Der begabte, introvertierte und aufsässige CARMACK, mit einer Schwäche für das Erschaffen neuer Welten, sei es als Spielleiter für Dungeons & Dragons oder als Programmierer am Apple II, war mitten in der ›Personal Computer‹Revolution aufgewachsen und hatte sich, inspiriert durch die Filme Tron (1982), War Games (1983) und STEVEN LEVYS Buch Hackers, bereits in die Spieleprogrammierung vertieft, als er vor Augen geführt bekam, was ihn nicht mehr loslassen sollte. »One night in 1987, Carmack saw the ultimate game. It occurred in the opening episode of a new television series, Star Trek: The Next Generation, when the captain visited the ship’s Holodeck, a futuristic device that could simulate immersive environments for relaxation and entertainment. In this case, the door opened to reveal a tropical paradise. Carmack was intrigued. This was the virtual world. It was just a matter of finding the technology to make it happen.«

CARMACK widmete seine Programmierarbeit in den folgenden Jahren der Weiterentwicklung computerisierter Darstellungstechniken, wobei er bewusst nicht an der elitären Forschung zur Virtual Reality oder dem Holodeck anknüpfte. Stattdessen nahm er die ganz akuten Probleme des nächsten technologischen Fortschrittes in den Blick und realisierte so immer wieder bis dahin für unmöglich gehaltene Ergebnisse auf dem damals technisch weit unterlegenen, aber weitverbreiteten Personal Computer. Angefangen bei der Nachbildung des flüssigen Scrollings von Super Mario Bros. 3 (USA 1990) in Commander Keen (1990) über die Darstellung einer mit Hovertank (1991), Wolfenstein 3D (1992), Doom (1993) und Doom II (1994) schrittweise größer, schneller und komplexer werdenden dreidimensionalen Spielwelt bis hin zu den komplett aus texturierten Polygonen konstruierten dreidimensionalen Welten und Figuren von Quake (1996). Dabei hatte Quake als ein Versuch von CARMACK begonnen, eine Spielumgebung zu entwickeln, die weniger eine Fortführung jener Shooter sein sollte, mit denen id software inzwischen Ruhm und Reichtum erlangt hatte, sondern die vielmehr den Erfahrungen einer Sitzung von Dungeons & Dragons nahekommen sollte. Dem Ziel, ein solches »generalized environment« zu schaffen, das es schließlich allen erlaube, ihre eigenen Welten und Geschichten zu erschaffen, ist CARMACK auch darüber hinaus treu geblieben.108 »The ideal Carmack has always had in mind is the Holodeck, the immersive simulation device on Star Trek: The Next Generation. It’s science fiction, of course, but a major influence on his thinking all the same. ›When I create a game, I’m not telling a story,‹ he says. ›I’m creating an environment in which interesting things will happen.‹ [...] he’s not done with the idea. ›It’s a moral imperative that we create this,‹ he says.«109

108

109

gung, den Computer als Medium des Geschichtenerzählens zu etablieren, begann für Crawford eine beinahe selbstzerstörerische und von diversen Problemen begleitete Produktentwicklung, die ihn letztlich auch von der Spieleindustrie entfremdete. Vgl. L. Bradley: Chasing the Dragon. In: Eurogamer.net, 18.5.2014. (Online) Vgl. D. Kushner: Masters of Doom. New York/NY 2003. S. 18-25, 81f., 177-179, hier 25, 178, passim. Ders.: Prepare to Meet Thy Doom. In: Wired, Vol. 11, Is. 5, May 2003. S. 150-153. Vgl. ebd.

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Paragone

Im Umfeld der Medienkunst hat man verschiedentlich den Versuch unternommen, das kunsthistorische Konzept des ›Paragone‹ für den Vergleich der Medien bzw. Künste fruchtbar zu machen. Zurückgehend insbesondere auf den im 15. und 16. Jahrhundert geführten Streit um den Vorrang von Malerei oder Bildhauerei wurde die Frage gestellt, ob sich ein vergleichbarer Gattungsstreit im Umgang mit »neuen Medien« findet. Anfang der 1990er-Jahre befasste sich HANS ULRICH RECK in seinem Artikel ›Der Streit der Kunstgattungen im Kontext der Entwicklung neuer Medientechnologien‹ mit dieser Analogie.110 Jenseits der rauschhaften Rede von Revolutionen oder der Unumkehrbarkeit und Allgegenwart technologischen und gesellschaftlichen Fortschritts sei der Rangstreit als »Thema der älteren Ästhetik« auch weiterhin geeignet, mediale Differenzen zu betonen, historische Kontinuitäten zu bezeugen und suggestive Erwartungshaltungen zu hinterfragen. Die Diskussion um technische Medienkultur und Computerkunst folge nämlich noch immer den gleichen Argumentationsmustern, wie sie bereits in den frühneuzeitlichen Kunsttheorien durch den Vergleich der Künste herausgearbeitet worden seien, etwa der Minimierung körperlichen Aufwands zugunsten geistiger Prozesse oder der steten Annäherung und Distanznahme zwischen den Medien. Im 20. Jahrhundert seien die Grenzziehungen jedoch zunehmend kollabiert und dagegen das Gesamtkunstwerk, die Collage und Montage sowie schließlich die Konzeptkunst in den Vordergrund getreten, wobei letztere wesentlich von der sprachlichen Kommunikation ihrer Ideen abhängig sei – losgelöst von der stofflichen oder technologischen Realisierung des Werkes. Der Ursprung der Medienkunst in den 1960er-Jahren falle mit der Dominanz universalistischer Erklärungsmodelle in der wissenschaftlichen Analyse von Kunstwerken zusammen, wie etwa ›Strukturen‹ und ›Zeichen‹, die zugleich einem der Materiallogik und Medienspezifik verpflichteten Paragone entgegenwirke. Neuere Medientechnologien seien allerdings wieder bereit, sich auf einen Paragone einzulassen, »weil damit die Technik ästhetisch geadelt werden kann«. Angesichts der kaum haltbaren Behauptung von der Vorrangstellung der Kunst gegenüber technischen Medien in der aktuellen visuellen Kultur werde nur allzu deutlich, dass man es mit der Formulierung des Kunstanspruches vor allem auf Prestige und Macht, die Freiheit der Nutz- und Funktionslosigkeit, das Ideal kreativen Schöpfertums sowie die Aura des Höheren abgesehen habe, womit jedoch zugleich der Realitäts- und Anwendungsanspruch der Simulationen infrage gestellt werde. Im Gegensatz dazu formulierte DIETER DANIELS, der den Band der Zeitschrift Kunstforum International herausgegeben hatte, in dem RECKS Essay erschienen war,

110

Vgl. H.U. Reck: Der Streit der Kunstgattungen im Kontext der Entwicklung neuer Medientechnologien. In: Kunstforum International, Nr. 115, Sep./Okt. 1991. S. 81-98, insb. 8693, hier 88. Der Beitrag war wohl erstmals im Rahmen der Konferenz Interface 1 zu Elektronischen Medien und künstlerischer Kreativität im November 1990 in Hamburg präsentiert worden, erschien dann aber – noch vor der entsprechenden Tagungspublikation – im Folgeband des Kunstforums zu Imitation und Mimesis, herausgegeben von Reck, in dem etwa Horst Bredekamp den Verlust des Kunstbegriffes angesichts technologischer Bildverfahren diagnostizierte. Vgl. Ders.: Mimesis, grundlos. In: Kunstforum International, Bd. 114, Jul./Aug. 1991. S. 278-288.

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1996 die These, dass es eben keinen ›Multimedia-Paragone‹ im Kunstbetrieb gebe, da die ›Intermedia-Kunst‹ stets daran interessiert sei, die Gattungsgrenzen aufzuheben.111 »Eines der wesentlichen Motive für die schnelle Entstehung neuer künstlerischer Ausdrucksformen ist die wechselseitige Beeinflussung und Überschneidung der etablierten Gattungen. Während in der Renaissance der Paragone, d.h. der Wettstreit der Künste untereinander, ein Motor ständiger Weiterentwicklung ist, so zeigt sich für die Moderne anstelle der Konkurrenz eher eine Interferenz der verschiedenen Gattungen als Auslöser für Innovationen.«

Der Wunsch nach intermedialen Werken, synästhetischer Kunst und der Schaffung eines ›Gesamtkunstwerkes‹ sei allerdings ihrer technischen Realisation vorausgegangen und erstmals in den 1950er- und 1960er-Jahren auf die Elektronik als Ausdrucksmöglichkeit getroffen; viele der damaligen Ansätze seien mit der Computertechnik in den 1990er-Jahren nur wiederentdeckt und aktualisiert worden. Tatsächlich seien die Visionen der Intermedia-Kunst in der Alltagskultur aufgegangen, weniger wegen der Verfügbarkeit interaktiver Multimediatechnologie, sondern wegen der veränderten Wahrnehmungshaltung eines heute selbstverständlichen audiovisuellen Multitaskings. Dass sich die Intermedia-Kunst dennoch nicht habe etablieren können, liege vor allem an den Mechanismen des Kunstmarktes, der weiterhin an den Gattungen festhalte; es sei eine Situation, die sich in Zukunft ändern möge. ANDREAS SCHNITZLER hält im Anschluss an DANIELS schließlich fest, dass in Bezug auf die elektronischen Medien kein Paragone existiere, weil es kaum mehr um das Medium als solches gehe, sondern hauptsächlich um die Vermittlung eines Konzeptes bzw. einer künstlerischen Idee: »Ein Multimedia-Paragone ist gegen Ende des 20. Jahrhunderts nicht festzustellen.«112 Intermedia-Kunst, wie sie ab den 1970er-Jahren an Dominanz gewonnen habe, löse nicht nur die Grenzen der Gattungen auf, sondern auch die Trennung von Hochkultur und Alltagskultur, Kunst und Nichtkunst. Beispielhaft löse die Immaterialität der Netzkunst diese zudem von Ort und Stoff; sie werde unbeständig und doch verlustfrei reproduzierbar sowie von der Partizipation abhängig. Es würden Spielräume und Mitwirkungsmöglichkeiten definiert, sodass ein dynamisches und temporäres Werk entstehe. Schließlich brauche man als Rezipient/in und umso mehr als Künstler/in ein teilweise enormes technisches Verständnis, man müsse gar Programmierer/in werden. Um dieses technische Wissen »zur Kunst zu adeln« habe man unter Zurückstellung einer »sensualistischen Kunstauffassung« die Idee oder das Konzept bewusst in den Vordergrund geschoben. Dies alles rücke Intermedia-Kunst und beispielhaft die Netzkunst in die Nähe der Konzeptkunst, aber auch von Happening, Fluxus und Performance, die zunächst vom Medium unabhängig seien und deren Konjunktur mit der Entstehung der elektronischen Ausdrücksmöglichkeiten zusammengehe. »Ein Paragone

111 112

Vgl. D. Daniels: Der Multimedia-Paragone. In: Akademie der Künste Berlin (Hg.): Klangkunst. München 1996. S. 247-250. Schnitzler betont, dass von 1910 bis 1970 zwei parallele Bewegungen existierten: eine, die Medium sowie Gattungsgrenzen betonte, und eine, welche dieselben bewusst überschritt oder ignorierte. Vgl. A. Schnitzler: Der Wettstreit der Künste. Berlin 2007. S. 115-124, hier 115, 117. »Hans Ulrich Recks These, dass ich die neuen Medientechnologien auf einen Paragone einlassen, um die Technik damit ästhetisch zu adeln, ist nicht haltbar.« Ebd.

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im engeren Sinne, d.h. ein Gattungswettstreit um die hierarchische Ordnung verschiedener Künste, ist in der technischen Medienkultur nicht zu orten.«113 Alle diese Ansätze verkennen jedoch die produktionstheoretische Funktion des Wettstreites der Künste, der eben nicht als akademische und abstrahierende Analyse angelegt ist, um die Hierarchie der Künste in der Anschauung zu bestimmen, sondern als praxisorientierte Diskussion um medienspezifische Gestaltungsfragen, die daraufhin als individuelle Haltung in den Produktionsprozess einfließt. Wie etwa RENATE PROCHNO betont war der Prozess des Vergleichens und Aneinander-Messens, sofern es sich um Disziplinen, Werke, Gattungen, Eigenschaften, Künstler/innen oder Wirkungsstätten handelte, schon in der Frühen Neuzeit deutlich weiter gefasst, verbreiteter und vor allem weit weniger polemisch, als man ihn dann in der Kunstgeschichte ab dem 19. Jahrhundert in Bezug auf den Rangstreit von Malerei und Bildhauerei gerne darstellte. Den Künstler/innen und Kunsttheoretiker/innen der Frühen Neuzeit sei es in der Auseinandersetzung mit dem anderen vor allem um die Selbstfindung gegangen, darunter das Schärfen der Sensibilität für medienspezifische Ausdrucksmöglichkeiten und -grenzen, das Formulieren von Herausforderungen angesichts medienspezifischer Unzulänglichkeiten, das Reflektieren und Ausloten medienspezifischer Möglichkeiten im Medium selbst, das Erklären und Positionieren der eigenen Tätigkeit für Anerkennung und Anspruch an sich selbst sowie das Fassen von allgemeinen und medienspezifischen Qualitätskriterien.114 Vor allem der Vergleich zwischen Malerei und Dichtung, wie er durch Rückgriff auf das Diktum des HORAZ, ›ut pictura poesis‹, in die kunsttheoretische Diskussion eingeführt wurde, und der auch den Vergleich von Malerei und Bildhauerei überdauerte, sollte sich schließlich als epochebildend erweisen. Denn erst die Überzeugung, dass sich Künste wie die Malerei in ihrer Durchdringung wie auch in ihren Möglichkeiten sprachanalog verhielten, öffnete das Bildverständnis der Frühen Neuzeit insofern, dass die Erzählung (historia) zum Ziel der Gestaltung und das Historienbild zur höchsten Gattung aufsteigen konnte. So konnte sich bereits LEON BATTISTA ALBERTI in seiner Analyse der Malerei nicht nur auf Wissenschaft und Mathematik beziehen, sondern auch auf die Produktionstheorien der Grammatik, Rhetorik, Poetik und Geschichtsschreibung. Der Vergleich der Künste war immer schon als intermedialer Austausch erfolgt, der Grenzen eher aufzeigte und infrage stellte, als sie zu ziehen.115 Diese Diskussion, die erst Mitte des 18. Jahrhunderts – zusammen mit der abendländischen Lehrbuchtradition – endgültig zum Erliegen kam, als allen voran GOTTHOLD EPHRAIM LESSING die Medien für letztlich unvergleichbar erklärte116, bildet einen deutlich sichtbaren Bezugspunkt für die Ge113 114

115

116

Vgl. ebd., S. 118-121, hier 121. Vgl. R. Prochno: Konkurrenz und ihre Gesichter in der Kunst. Berlin 2006. U. Pfisterer: Paragone. In: HWdR, Bd. 6. Sp. 528-546. Ders. (Hg.): Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Stuttgart 2002. S. 259-314. Zur Entstehung des Paragone: L. Mendelsohn: Paragoni. Ann Arbor/MI 1982. K.B. Lepper: Der »Paragone«. Bonn 1987. Vgl. Hor. Ars poet. 361. Vgl. C.-P. Warncke: Sprechende Bilder – sichtbare Worte. Wiesbaden 1987. K. Patz: Zum Begriff der ›Historia‹ in L.B. Albertis ›De Pictura‹. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte, Bd. 49, H. 3, 1986. S. 269-287, hier 275-287. Vgl. T. Nehrlich: Laokoon und kein Ende. In: Sprache für die Form*, Nr. 4, Frühjahr 2014. (Online) Zur ›Ut pictura poiesis‹-Formel auch ihre Kurzbiografie bei Wolfgang Ull-

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schichte des ›Game Design‹, und dies, obwohl kaum jemand, der an dieser Debatte teilnahm, mit dem ›Paragone‹ vertraut gewesen sein dürfte. Den wichtigsten Beitrag, der diesen anhaltenden Vergleich der ›Künste‹ ermöglichte machte, hatte MARSHALL MCLUHAN geliefert. In seinem erstmals 1964 erschienenen Buch Understanding Media hatte er solche Medien wie etwa »The Spoken Word«, »Print«, »Comics«, »Movies«, »Radio« und »Television« nebeneinandergestellt. Während dabei seine zentrale Überlegung, dass Medien stets andere Medien enthalten, die Differenz unterschiedlicher Medien voraussetzte, betonte er, dass sie in ihrem Aufeinandertreffen häufig überhaupt erst sichtbar würden. Und schließlich laden Kategorien wie ›heiß‹ und ›kalt‹ ja zu ihrem Vergleich ein.117 MCLUHAN selbst sorgte in der 1960er- und 1970er-Jahren mit enormer Medienpräsenz dafür, dass sich seine Theoreme wirksam verbreiten konnten. Zudem übten seine Schriften eine besondere Anziehungskraft auf die Angehörigen der ›Counterculture‹ aus, die seine ins Mystische reichende Technologieauslegung als Utopie und Mittel sozialen Wandels verstehen wollten. Dies bildete denn auch den passenden Rahmen für die Möglichkeit, den ›Personal‹ Computer als Medium zu denken.118 Und schließlich konnte man in den 1980ern dann ganz selbstverständlich über die ›Similarities‹ zwischen Computerspielen ›and other Media‹ streiten. Gerade der Begriff ›Medium‹ ermöglichte es, die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Künsten wiederaufzugreifen, die Eigenschaften des eigenen Selbst stärker sichtbar zu machen bis hin zur Ableitung von Gestaltungsregeln. Noch mehr wird allerdings deutlich, dass die persönliche Überzeugung, welchem Medium ein anderes ähnlich ist oder eben nicht, eine zentrale produktionstheoretische Kategorie darstellt. Die Entwicklung eines Spieles wird bereits in seiner Anlage wesentlich davon bestimmt, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit anderen Medien und ihrer Produktionsweise gesehen werden. Die Entscheidung, ob ein Spiel etwa filmisch oder erzählend, visuell oder interaktiv sein soll, hat eine zentrale Bedeutung für alle weiteren Produktionsschritte, da sie sowohl den Referenzrahmen als auch die Qualitätskriterien bestimmt. Zugleich ist es fragwürdig, diese Vergleiche nur auf den Film oder die Literatur zu reduzieren. Vielmehr waren es neben diesen auch Animationsfilm, Themenpark und Theater bis hin zu noch gar nicht erhältlichen ›Virtual Reality‹-Gerätschaften oder einem mit Holografie operierenden ›Media Room‹, die wiederholt Impulse für die Entwicklung des eigenen Mediums lieferten. Diese Frage immer neu zu stellen, gar nicht unbedingt im Sinne

117

118

rich, der zudem auf die ab dem späten 18. Jahrhundert und insbesondere im Kreis der Frühromantiker um sich greifende ›Ut musica pictura‹-Ideologie hinweist, welche die früheren Bezugnahmen zur Literatur nahtlos durch eine Orientierung am neuen Leitmedium Musik ersetzte. Vgl. W. Ullrich: Was war Kunst? Frankfurt a.M. 2006. S. 76-99. Anregende Bezüge hatte es bereits zwischen Malerei und früher Oper gegeben. Vgl. U. Heinen: Komponieren im Affekt. In: K. Herding, A. Krause-Wahl (Hg.): Wie sich Gefühle Ausdruck verschaffen. Taunusstein 2007. S. 161-188. »It has now been explained that media, or the extensions of man, are ›make happen‹ agents, but not ›make aware‹ agents. The hybridizing or compounding of these agents offers an especially favorable opportunity to notice their structural components and properties.« Vgl. M. McLuhan: Understanding Media. New York/NY 2001. Insb. S. 53-61, hier 53f., passim. Vgl. F. Turner: Marshall McLuhan, Stewart Brand und die kybernetische Gegenkultur. In: D. de Kerckhove, M. Leeker, K. Schmidt (Hg.): McLuhan neu lesen. Bielefeld 2008. S. 105-116. C. Pias: Die Welt des Schmoo. In: Ebd., S. 140-157.

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einer endgültigen Klärung, sondern vielmehr im Sinne einer steten fruchtbaren Auseinandersetzung, diente letztlich der individuellen Positionsbestimmung. Angesichts der vielen unterschiedlichen Zugänge zum ›Game Design‹ überrascht es nicht, dass Mitte der 1990er-Jahre die Überzeugung reifte, dessen Herstellung setze die Beherrschung vielfältiger Künste voraus. So konnte BEN SAWYER 1996 im Ultimate Game Developer’s Sourcebook schon auf der Titelseite des ersten Kapitels verkünden: »Game development is the Renaissance Art of the information age.« Auf der Folgeseite definiert er dann »Game development« als die Kombination aus »stories, art, music, sound effects, animation, and programming techniques« um eine dynamische, interaktive Form der elektronischen Unterhaltung herzustellen.119 In den ›Essentials of Game Design‹ fährt SAWYER fort, »Designing computer games« sei eher eine Kunst als eine Wissenschaft, habe jedoch einen inhärenten technologischen Anteil, der es von anderen Künsten wie Malerei oder Musik unterscheide. ›Game Design‹ sei weder »interactive storytelling«, »puzzle or strategy design«, »character development«, noch »interface design« – und gleichzeitig doch dies alles. Es sei der niemals endende Prozess der Kreation von interaktiven Situationen, ausgehend von Puzzles, Charakteren, Ereignissen der realen Welt oder Geschichten. »Philosophically speaking, game design is fun!« Game Designer/innen existierten, seit Menschen begonnen hätten, im Rahmen von Ritualen oder aus Freude zu spielen. Viele der großartigsten Spiele seien auch ohne Computer millionenfach gestaltet, hergestellt und genossen worden. Und viele Computerspiele seien noch immer bloß Übertragungen dieser frühen LowtechGegenstücke auf den Computer. ›Game Design‹ sei folglich in vielem verwurzelt, das nichts mit dem Computer oder der Elektronikindustrie zu tun habe. Es gebe natürlich viele Unterschiede zwischen einem elektronischen Spiel und anderen Spielformen, doch die Fähigkeiten und kreativen Elemente seien grundsätzlich die gleichen.120 Auch im Zusammenhang mit der Ideenfindung und der Zusammenfügung der vielen Einzelteile zu einer gänzlich neuen Form betont SAWYER, dass selbst wenn ein Spiel wegen beeindruckender Grafik oder wunderbarer Geräuschkulisse gekauft werde, es gespielt würde, weil es Spaß mache und der »flow of the game« mitreißend und anregend sei. Kein einzelnes Element könne wiederholt Spaß erzeugen, vielmehr müssten visuelle Gestaltung, Musik, Geräusche, Text, Bewegtbild und andere Elemente kombiniert werden, um eine einzige »interactive experience« zu schaffen. Designer/innen müssten genau wissen, was sie zur Konstruktion eines Spieles nutzen könnten, und verstehen, wie und wann diese Komponenten einzusetzen seien.121 Schließlich stellt SAWYER am Ende seines Überblickes über das ›Game Design‹ und unter der Überschrift ›Is That All There Is?‹ fest, dass es sich bei dieser Darstellung nur um grundlegende Ansätze handele und vieles zudem subjektiv sei. Man müsse aber verstehen, dass die Inspiration für die Spieleentwicklung nicht allein daher rühre, über ›Game Design‹ zu lesen oder andere Spiele zu spielen. Vielmehr gelte es, Gedanken und Ideen aus allen möglichen Quellen zu beziehen.

119 120 121

Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 3f. Vgl. ebd., S. 68. Vgl. ebd., S. 71.

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»Game design is the renaissance art of the information age. A true Renaissance artist is a jack of all trades, and that very person consumes massive amounts of thought from diverse sources. Search for design ideas and stimuli beyond just the small amount of written material specifically about game design.«122 [Herv. i. Orig.]

Die Selbstverständlichkeit, mit der SAWYER das Erzählen von Geschichten, das visuelle Gestalten, Komponieren von filmischer Musik sowie Soundeffekten und schließlich das Animieren als Teil der Spieleentwicklung begreift, zeigt, wie deutlich die Diskussion um die Leistungsfähigkeit anderer Medien schon Mitte der 1990er-Jahre ihre Spuren bei den »computer games« hinterlassen hatte. Die Spieleentwicklung wird so zu einer Art Universaldisziplin, die zumindest Bestandteile anderer populärer Unterhaltungsmedien oder auch ›Künste‹ wie Literatur, Real- und Animationsfilm sowie Filmmusik aufzunehmen imstande ist und mithilfe des Computers in etwas Neues transformiert.

122

Vgl. ebd., S. 111.

INHALTSANGABE Das Kapitel beschreibt die Herausbildung verschiedener Berufsbilder und ihre Vergemeinschaftung in einer sich immer weiter professionalisierenden Spieleentwicklung. (231-236) | Anfang der 1980er-Jahre entstanden die ersten Schriftstücke, die sich mit der Entwicklung von kommerziellen Computerspielen befassten. (236-241) | Diese standen schon damals in Kontrast zu zahlreichen Publikationen, die sich an Heimanwender/innen richtet. (241-245) | Unterdessen verfasste Chris Crawford als Leiter der Atari Games Research Group das erste Lehrbuch für Computer Game Design. (245-252) | Die Firma Electronic Arts forciert zu eben jener Zeit mit einer vielbeachteten Werbekampagne das Bild der Spieleentwickler/innen als Künstler/innen. (252-261) | Ab Mitte der 1980er-Jahre setzte sich ›Game Designer/in‹ als professionelle Berufsbezeichnung durch, bezog aber oft noch den gesamten Entwicklungsprozess mit ein. (261-268) | Vor diesem Hintergrund gründete Crawford das Journal of Computer Game Design und die Computer Game Developers’ Conference. (268-276) | Bis Anfang der 1990er-Jahre ging es vor allem darum, eine Gemeinschaft zu bilden. (276-283) | Die Branche konzentrierte sich damals vor allem um die San Francisco Bay Area. (284-292) | Aus diesen Bemühungen ging schließlich die Computer Game Developers’ Association hervor. (292-313) | Mit dem Wachstum der Branche veränderte sich auch die Wahrnehmung dessen, was die Rolle als ›Game Designer/in‹ ausmacht. (313-338) | Gleichzeitig wandelte sich die Vorstellung dessen, was als eine Legende des Game Design begriffen wird. (338-349) | Das Kapitel schließt mit einer Betrachtung über den Erfolg der Professionalisierung des Berufsbildes ›Game Designer/in‹. (350-354)

III. Die Erfindung der Rolle als ›Game Designer/in‹ – Profession, Autorschaft, Gemeinschaft »In my opinion, which is definitely not unbiased, a game is a work of art as worthy of being signed as a painting, a book, or a musical composition. This is not practical in the case of games that have evolved through numerous changes. And it is impossible here the creator’s name has been irretrievably lost. But certainly in the case of games being created today—and this is the most productive time in the history of games—the inventor should have the right, and the obligation, to sign his work.« Sid Sackson/A Gamut of Games1

Inventor, Designer, Developer

I

m Sommer 2002 erschien in der sprachwissenschaftlichen Fachzeitschrift Verbatim: The Language Quarterly ein kurzer Artikel des Game Designers und Science-FictionAutors GREG COSTIKYAN, der sich mit der Fachsprache rund um das Thema ›Games‹ befasst. Dort bemerkt er über die Bezeichnung ›Game Designer/in‹:

»A game designer is the creative lead, the person who specifies gameplay and interface [...]. ›Game designer‹ was coined by Redmond Simonsen, the art director at SPI, a leading wargame publisher, in the late 1960s; previously, designers were often called inventors or authors. In Germany, that tradition persists; a game designer is a spielautor.«2

Diese Darstellung von COSTIKYAN ist nicht nur verblüffend, da sie die Entstehung der Bezeichnung ›Game Designer/in‹ zunächst außerhalb der Computerspiele verortet, sondern sie ist auch sehr verkürzend, da sie weder erläutert, warum ein solcher Titel plötzlich notwendig gewesen sein sollte, noch, wie sie ihren Weg zu den Computerspielen gefunden hat. Um diese Fragen zu beantworten, ist es sinnvoll, das genannte

1 2

S. Sackson: A Gamut of Games. New York/NY 1969. S. 32. Vgl. G. Costikyan: Talk Like a Gamer. In: E. McKean (Hg.): Verbatim, Vol. XXVII, No. 3, Summer 2002. S. 1-6, hier 4.

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Umfeld, nämlich ›Simulations Publications, Inc.‹ (SPI), im genannten Zeitraum genauer zu betrachten. 1969 erschien das Buch A Gamut of Games des Spielesammlers und -autors SID SACKes enthält eine Sammlung von insgesamt 38 Spielen, die mit wenigen Hilfsmitteln wie etwa Spielkarten, Stift und Papier gespielt werden können. Im ersten Kapitel ›In Search of Big and Little Game‹ befasst sich SACKSON mit einer Auswahl historischer, vergessener oder wenig bekannter Spiele und erwähnt zudem, dass sich das Archiv des Patentamtes als besonders fruchtbarer Jagdgrund für vergessene Spiele erwiesen habe. So präsentiert er das 1904 eingetragene Spiel The Landlord’s Game, in dessen Akte LIZZIE J. MAGIE als »Inventor« genannt wird.3 Das zweite Kapitel des Buches, ›Game Inventors Are People too‹, widmet SACKSON solchen Spielen, die befreundete Erfinder/innen besteuerten. SON;

»This chapter will consist of games contributed by ten of my very creative friends. Most of these friends are professionals, not in the sense that they earn their living from games (only one does) but because they have taken the time and the effort to learn their craft and then have practiced it, turning out a steady flow of finished work.«

Den einführenden Text nutzt SACKSON, um die Situation anzuprangern, dass selbst die Erfinder/innen sehr bekannter und erfolgreicher Spiele kaum bekannt seien. Dies sei nicht nur auf fehlende Überlieferungen, sondern auch auf weitverbreitetes Desinteresse am Ursprung der Spiele sowohl bei Spielenden als auch bei Forschenden zurückzuführen. Dabei sei ein Spiel ebenso wie ein Gemälde, ein Buch oder eine Musikkomposition ein Kunstwerk, und für dessen Erfinder/in müsse es ein Recht und eine Pflicht sein, es zu signieren. Unter den genannten »Inventors« sind, neben den Mitgliedern der ›New York Game Associates‹, der SACKSON selbst vorstand, auch ALEX RANDOLPH und JIM DUNNIGAN, den er – wie SACKSON anmerkt – erst vor wenigen Monaten kennengelernt hatte. Der Rest des Buches ist den 23 Spielen von SACKSON vorbehalten.4 Er verwendet 3

4

Vgl. S. Sackson: A Gamut of Games. New York/NY 1969. S. 1-29, hier 8f. Laut Philip Orbanes gebührt Sid Sackson das wesentliche Verdienst, mit Magies The Landlord’s Game den Vorfahren des bis heute erfolgreichen Monopoly wiederentdeckt zu haben. Vgl. P.E. Orbanes: Monopoly. Boston/MA 2006. S. 1-5. Vgl. S. Sackson: A Gamut of Games. New York/NY 1969. S. 31-77, hier 32f., passim. Die Übersetzung der Bücher von Sid Sackson ins Deutsche wurde von dem Schweizer Walter Luc Haas besorgt (S. Sackson: Spiele – anders als andere. München 1981), einem der wenigen Verfechter und Vertriebspartner für Rollenspiele und Konfliktsimulationen im deutschsprachigen Raum. Davon zeugt der in seiner Abfälligkeit kaum erträgliche Bericht des SPIEGEL (vor allem im Kontrast zum Bericht über Sid Sackson vier Jahre zuvor) über die Markteinführung des Wargame Berlin ’85 in Deutschland, entwickelt von James F. Dunnigan und erstmals in Strategy & Tactics veröffentlicht; denn es dürfe kaum bezweifelt werden, dass diese Spiele »zum Kriege geneigt machen möchten«. »Walter Luc Haas, ein ehemaliger Geschichtslehrer aus Basel, müht sich dagegen seit Jahren, diese Spiele in der Schweiz und drumherum heimisch zu machen. Eine Gefahr vermag er in militärischen ›Konfliktsimulationen‹ nicht zu erkennen: Sie seien kaum etwas ›für Skatspieler‹, aber durchaus geeignet ›für Anspruchsvolle, die eine echte Herausforderung des Geistes suchen‹. Die Bundesrepublik, schätzt Haas, beherbergte gegen-

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die Bezeichnung »Designer« in seinem Buch kein einziges Mal, vielmehr spricht er von »Inventor« oder auch »Creator«. Dieser Umstand ist umso interessanter, da SACKSON unmittelbar nach Veröffentlichung seines Buches im September 1969 als ›Games Editor‹ des ›Wargaming‹-Magazins Strategy & Tactics von SPI, mit eigener Rubrik, zunächst mit dem Namen ›Games‹, schließlich ›Sackson On Games‹, seine Arbeit aufnahm.5 Tatsächlich ist das Tätigkeitsfeld ›Game Design‹ im Bereich des ›Wargaming‹, aber auch der Simulationen und Planspiele bereits in den 1960er-Jahren deutlich benannt. Beobachten lässt sich dies beim ›Wargame‹-Verlagshaus Avalon Hill, das 1958 von Branchenpionier CHARLES S. ROBERTS gegründet, aber nach anhaltenden finanziellen Schwierigkeiten Ende 1963 von den Druckereien ›J.E. Smith Co.‹ und ›Monarch Services‹ übernommen und verkleinert wurde. Statt ›Game Design‹ und Entwicklung vor allem im eigenen Hause durchzuführen, ging man in der Folgezeit dazu über, Spielentwürfe freischaffender Game Designer/innen einzukaufen und spielerisch sowie grafisch auszuarbeiten; Veröffentlichungen wurden auf zwei pro Jahr reduziert. Zugleich gab man mit dem General ab 1964 eine Zeitung heraus, die zunächst als ›Newsletter‹ der Firma dienen sollte, sich aber schnell zum wichtigen Kommunikationsorgan der ganzen Hobbyszene entwickelte. Avalon Hill veröffentlichte unter anderem die ersten Spiele von JAMES DUNNIGAN, der dann 1970 das Konkurrenzunternehmen ›Simulations Publications Inc.‹ (SPI) gründete, um das angeschlagene Magazin Strategy & Tactics zu retten.6

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wärtig wohl nicht mehr als Tausend solcher Geisteshelden, weil ›sich dort niemand in die Nesseln setzen will‹. Die amerikanische Mentalität sei da ganz anders, ›die spielen ebenso leidenschaftlich auch die Zerstörung des eigenen Landes‹.« Vgl. o.A.: Auf Pappe. In: DER SPIEGEL, Nr. 31, 29.07.1985. (Online) S. 65f. o.A.: Grips und Farbe. Spiele. In: DER SPIEGEL, Nr. 41, 05.10.1981. (Online) S. 278-280. Walter Luc Haas gilt mit seinem Magazin Bumm zudem als Pionier des Postspieles, vorwiegend Diplomacy, im deutschsprachigen Raum. Darüber hinaus gab er bereits ab Mitte der 1970er-Jahre in unregelmäßigen Abständen die Spielezeitschrift Joker heraus, mit detaillierten Spielbesprechungen und ausführlichen Beiträgen zu Spielstrategien. Vgl. K.-H. Koch (Hg.): Spiele per Post. Köln 1989. S. 18. Vgl. K.-M. Wolf: Die Geister, die ich rief ... In: spielbox, Jg. 2002, Heft 1. S. 40-42. Bereits 1975 wurde Walter Luc Haas zum Vertriebspartner der Pen’n’Paper-Rollenspiele von TSR Hobbies Inc. (Dungeons’n’Dragons) für Europa. Vgl. S. Appelcline: Designers & Dragons. Silver Spring/MD 2013. S. 21. Er war von 1979 bis 1982 Mitglied des Vereines Spiel des Jahres und Kritiker beim Anfang der 1980er-Jahre gegründeten Magazin spielbox. Im Jahre 2000 vergab die Gesellschaft für historische Simulationen e.V. erstmals einen Preis für das beste Simulationsspiel unter dem Titel ›Walter Luc Haas Award‹ (www.ghs-kosim.de). Walter Luc Haas verstarb im Januar 2001. Zuletzt befand sich das Archiv von Walter Luc Haas in der Obhut des Militärhistorischen Museum der Bundeswehr, Dresden. Vgl. S. Sackson: Games. In: Strategy & Tactics, No. 18, Sep.-Oct. 1969 (Vol. III, No. 2). S. 20f. Diese Aufgabe der ›Entwicklung‹ fiel zunächst Thomas N. Shaw zu, dem einzigen übernommenen Mitarbeiter der Firma. »By now [1966], Tom Shaw’s role of ›developer‹ in the design of new games—heretofore that of a glorified art director executing the actual artwork for the new games—was lessened even more as the commercial artists at Monarch assumed those duties. The developer concept was still in the embryo stages and bore faint resemblance to the

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Vor diesem Hintergrund ist es besonders bemerkenswert, dass die Titelgeschichte des General in der Ausgabe Mai/Juni 1968 dem Thema ›The Game Designer – A Vanishing Breed?‹ gewidmet ist. Freischaffende und erfindungsreiche ›game designers‹ seien die unbesungenen »heroes of the gaming world« und würden tatsächlich mit der wachsenden Industrie umso zahlreicher werden bis zu dem Punkte, dass man die vielen originellen Ideen gar nicht mehr profitabel umsetzen könne. Bei Herstellerfirmen fest angestellte Game Designer/innen gehörten der Vergangenheit an. Die meisten professionellen Designer/innen arbeiteten für »design corporations«, die ihre Entwürfe gleich mehreren Herstellerfirmen anböten. Freischaffende Designer/innen seien damit, trotz womöglich exzellenter Designfähigkeiten und zum Teil enorm langen Entwicklungszeiten, eher im Nachteil. Zu den benötigten Qualitäten gehöre es, tief mit der Materie der Planspiele vertraut zu sein, ein Spiel verständlich erklären zu können, etwa aufgrund von Erfahrungen in einer Lehrtätigkeit, breit aufgestellten Interessen und der Liebe für »competitive game of all kinds«. Inzwischen sei mit der ›War Games Inventor’s Guild‹ auch eine Vereinigung der Game Designer/innen gegründet worden, damit sich die weit verstreuten Mitglieder im schwierigen Geschäft gegenseitig aushelfen könnten. Nun gelte es, für all die neuen Ideen dieser so schnell nicht aussterbenden »free lance game designers« eine größere Kundschaft zu schaffen.7 ›Game Designer/in‹ entspricht also bereits in den 1960er-Jahren einer Rollen- bzw. Personenbeschreibung, meint aber vor allem freischaffende Designer/innen für Kriegsund Planspiele, die den gesamten Erfindungs- und Ausarbeitungsprozess durchführen, bis das Spiel zur Produktion an ein Verlagshaus übergeben wird. Erst bei SPI bezeichnete der Titel ›Game Designer/in‹ dann wohl tatsächlich einen spezifischen Tätigkeitsbereich innerhalb des Produktionsprozesses, wobei es plausibel ist, dass der gelernte Grafikdesigner REDMOND SIMONSEN, der auch für die Entwicklung der ›Wargame‹Terminologie und Symbole bei SPI verantwortlich zeichnete, daran maßgeblichen Anteil hatte.8 Bei SPI war man nämlich angesichts der selbst gewählten Herausforderung, jedem Heft des hauseigenen Magazins Strategy & Tactics ein neues Spiel beizulegen, im Laufe der 1970er-Jahren zu einem stärker arbeitsteiligen Produktionsprozess übergegangen. Nicht ohne Stolz erklärte etwa STEPHEN B. PATRICK im Jahre 1977, dass man, anders als der direkte Wettbewerber Avalon Hill, eine Phase ›Development‹ in den Produktionsprozess eingeführt habe, in welchem der Spielentwurf ausgearbeitet werde.

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far more detailed workload assumed by a modern day developer.« Eine eigene Abteilung für ›Forschung & Entwicklung‹ etablierte man erst wieder 1972. Vgl. The Avalon Hill General: Index and Company History. Baltimore/MD 1980. Vgl. S. 6-10, hier 8. Als »promotional director« der War Games Inventor’s Guild wird Gary Gygax genannt. Vgl. The Avalon Hill General, Vol. 5, No. 1, Baltimore/MD, May/Jun. 1968. Titelseite, S. 1, 12 (Thomas N. Shaw?). Zu Simonsen, seinen ›Graphics and Gamespeak‹ vgl. S.B. Patrick: The History of Wargaming. In: SPI (Hg.): Wargame Design. New York/NY 1977. S. 2-40, hier 28f. »If these histories focused more on wargames, Simonsen would deserve an entire chapter all his own. He was the creator who really made SPI into something unique. Simonsen’s biggest contribution was that he understood the need for graphical display of information; his graphical designs influenced the entire wargaming field and continue to affect roleplaying game and board game design today. [...] He is also credited with coining the term ›game designer‹.« Vgl. S. Appelcline: Designers & Dragons. Swindon 2011. S. 98-101, hier 98.

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Während jedoch die ersten Schritte des Produktionsprozesses, angefangen bei allgemeinen Überlegungen über Forschung, Quantifizierung, Integration bis hin zur Formulierung der Regeln, vom ›Designer‹ durchgeführt würden, sei für die Fertigstellung und Verfeinerung des Spieles im Rahmen des ›Game Development‹ ein eigens beauftragter ›Developer‹ zuständig. Um eine einfache Idee und eine Sammlung von Fakten, Plänen und Spielsteinen in ein fertiges ausgefeiltes Produkt zu verwandeln und damit letztlich die gesetzten Ziele zu erreichen, sei allerdings eine harte, schwierige und nicht selten frustrierende Arbeit notwendig. Es gelte, eine strukturierte Übergabe durchzuführen und ggf. in Rücksprache mit dem ›Designer‹ und vor dem Hintergrund der Produktionskosten die formulierten Ideen zu prüfen und weiterzuentwickeln, Testergebnisse ins Spiel zu integrieren und alle unternommenen Schritte genau zu dokumentieren. Für diesen häufig unterschätzten, wenig verstandenen und ausgeübten Teil des Prozesses, der so entscheidend für die abschließende Qualität einer Veröffentlichung sei, sei es jedoch sehr schwer, gutes Personal zu finden, wobei vornehmlich angehende Designer/innen eingesetzt werden. Ein ›Developer‹ müsse die Erfahrung, das Wissen und die Expertise haben, um einen ›Designer‹ in seinen Entscheidungen herauszufordern und auf eigene Initiative zu handeln. Erfahrene ›Developer‹ verfügten über umfassendes Wissen zur Historie sowie zur Geschichte der Spielsysteme, um bestimmte Methoden mit bestimmten Resultaten verbinden zu können. Sie müssten bis zuletzt die Kontrolle über die Entwicklung des Spieles behalten.9 Die Position des ›Developer‹ erscheint in diesem Kontext als ein stärker ausführendes Tätigkeitsprofil unter Anleitung und in Abhängigkeit von den Vorgaben des ›Designers‹, wobei sie zugleich als Möglichkeit der Ausbildung für spätere ›Designer‹ gesehen wird. Noch Ende der 1960er-Jahre und vermutlich auch noch im Verlauf der 1970erJahre existierten also alle Bezeichnungen parallel und teilweise synonym nebeneinander, wobei die getroffene Wortwahl viel über die Motive der Sprechenden verrät. Von ›Erfinder/innen‹ (›Inventors‹) sprach man mit Vorliebe, wenn es um die originelle Leistung der Einzelperson ging, was nicht zuletzt Auswirkungen bis hinein ins Patentrecht hatte. Von ›Designer/innen‹ (›Designers‹) war die Rede, wenn Tätigkeiten der Recherche, Planung und des Entwurfes betont werden sollten, um sie durch ihre konzeptionelle Qualität von rein ausführenden Tätigkeiten zu unterscheiden. Und mit ›Entwickler/innen‹ (›Developers‹) bezeichnete man dann zunehmend die ausführenden und ausbessernden Tätigkeiten mit dem Schwerpunkt in der technischen Realisierung des Produktes, aber immer auf Grundlage eines vorgegebenen Konzeptes. Es war ein Tätigkeitsfeld, das im Bereich der Computerspiele lange Zeit sein Äquivalent in der Beschreibung von ›Programmierer/innen‹ (›Programmers‹) gefunden haben dürfte und sich schließlich als Sammelbezeichnung für alle Beteiligten an der Produktion eines Spieles durchsetzen sollte.10

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Jenseits der Entwickler/innen würden natürlich im Rahmen des Prozesses auch Tester/innen für das ›Playtesting‹, Grafiker/innen für die visuelle Ausgestaltung sowie schließlich das gesamte Team für die abschließende Fehleranalyse herangezogen. Vgl. S.B. Patrick: Notes on Game Design. In: SPI (Hg.): Wargame Design. New York/NY 1977. S. 89-117, hier 111-117, passim. Vgl. B. Blankenheim: Was können wir vom Wargame Design lernen? In: M.-A. Casasola Merkle et al. (Hg.): Spiele entwickeln 2012-2015, Bd. 1. o.O. 2015. S. 216-225. 10 »[G]ame developer is a more general term, covering everyone involved in production of a game, including programmers, graphic designers, and management types as well as game designers.«

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Auf diese terminologische Vorarbeit konnten dann ab Ende der 1970er-Jahre jene Game Designer/innen zurückgreifen, die wie CHRIS CRAWFORD oder JOHN FREEMAN der ›Wargaming‹-Szene nahestanden oder die als angehende »rock stars« bei Atari in ihrem Titel mehr sahen als »the glorified term for programmers«.11 ›So You Want to Write a Computer Game‹ »The best game designers are really artists at heart. Their games are an extension of their personalities. These people are intensely creative because they invest so much of themselves into the design process. They disdain copying other people’s ideas, for that would detract from the clarity of their self-expression. My advice to the beginning game designer is similar to the advice a famous writer once gave an aspiring young author: Write a game about what you know, not what you think other people admire [...].« C. Crawford/So You Want to Write a Computer Game12

Im Rahmen seines Vortrages ›New Directions in Computer Game Design‹ auf der Konferenz COMPCON im Februar 1982 formulierte DOUGLAS CARLSTON, Präsident der Firma Brøderbund Software, vier Schlüsselprinzipien des ›Game Design‹, die dafür entscheidend seien, ob er ein Spiel verlege oder nicht. Diesen Prinzipien stellte CARLSTON allerdings die Beobachtung voran, dass sich viele Programmierer/innen bei seiner Firma meldeten, denen es an Ideen mangele, ihre Fähigkeiten einzusetzen; man solle ihnen nur ein Konzept vorgeben, das sie dann umgehend in ein Spiel umsetzen würden. Vgl. G. Costikyan: Talk Like a Gamer. In: E. McKean (Hg.): Verbatim, Vol. XXVII, No. 3, Summer 2002. S. 1-6, hier 4. 11 Vgl. S. Cohen: Zap! New York/NY 1984. S. 78-84, hier 78. »There are too few great video game designers to say what it takes to be one. It seems to be a combination of technical skill, artistry, and magic.« Ebd., S. 79. Unzufrieden mit der geringen nominellen und finanziellen Wertschätzung, die sie als Designer bei Atari erfuhren, machten sich David Crane, Alan Miller, Larry Kaplan und Bob Whitehead 1979 mit dem ersten Dritthersteller ActiVision selbstständig. Vgl. J. Fleming: The History Of Activision. In: Gamasutra.com, 30.07.2007. (Online) Bereits ab 1980 trugen zunächst die Spieledatenträger und dann auch die Mehrzahl der Verpackungsrückseiten, die bei ActiVision erschienen, den Hinweis »Conceived and designed by«. Die Nennung der Game Designer/innen blieb noch bis Ende der 1980er-Jahre üblich. Später wurden in der Regel nur noch wenige und dann prominente Namen auf den Verpackungen platziert, bis schließlich nur noch Entwicklungsstudios genannt und in Anlehnung an den Abspann eines Filmes umfangreichere ›Credits‹ in den Spielen selbst untergebracht wurden. Eine methodische Studie zum Verpackungsdesign und insbesondere zur Nennung der Autorschaft ist allerdings Desiderat. 12 C. Crawford: So You Want to Write a Computer Game. In: CGW, Vol. 2, Is. 2, Mar./Apr. 1982. S. 10f., hier 11.

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»Why such a paucity of game ideas? Because, game creation is a skill, one that requires the same study and care as any other talent. There are several key principles to game design, however, that set out the requirements for an adequate game framework.«13

CARLSTON beschreibt in seinem 1985 erschienen Buch Software People, dass gerade das Jahr 1982 eine Zeit exponentiellen Wachstums darstellte, mit steigenden Verkaufszahlen und prozentualen Anteilszahlungen, die ausreichten, um Häuser zu kaufen – kurz: ein »software gold rush«, der den Anbeginn einer neuen Ära aufzeigte. Alteingesessene Großkonzerne, neu gegründete Kleinstunternehmen sowie alle leidlich begabten Programmierer/innen versuchten, an der aufstrebenden Softwareindustrie teilzuhaben, was unausweichlich zum ersten Zusammenbruch des Marktes führen sollte.14 In der Märzausgabe 1982 der Computer Gaming World veröffentlichte CRAWFORD seinen ersten Artikel, der sich explizit mit Problemstellungen des ›Game Design‹ auseinandersetzte. In seinem Artikel unter dem Titel ›So You Want to Write a Computer Game‹ richtet sich CRAWFORD an jene Computerbesitzer/innen, die sich mit Programmierung vertraut gemacht und beim Spielen von und mit »computer games« die Überzeugung gewonnen hätten, dass sie bessere entwickeln könnten als deren »designer«. Doch trotz der zunehmenden Verbreitung von Personal Computern, den niedrigen Einstiegshürden und den vielfältigen Motivationen, Spiele zu schreiben – etwa Reichtum, Ruhm oder die Aussicht, Menschen durch Anwendung der eigenen Kreativität glücklich zu machen –, gebe es nur sehr wenige Menschen, die »successful designing games« seien. Er betont, dass es vier zentrale Eigenschaften gebe, welche gute Game Designer/innen auszeichneten, und beginnt mit deren Hang zu Perfektionismus und uneingeschränkter Leistungsbereitschaft, auch Details zu bemerken und schier endlos auszubessern, die manche nicht einmal bemerkten. Die zweite Eigenschaft sei die technische Expertise, den Computer und seine Programmierung vollends zu beherrschen, ebenso wie man Farben für ein Gemälde oder Instrumente für eine Symphonie beherrsche. Drittens seien die besten Game Designer/innen im Herzen Künstler/innen, enorm kreativ, da sie bereit seien, ihre ganze Persönlichkeit in den Designprozess einzubringen; um sich mit ganzer Klarheit selbst auszudrücken, lehnten sie es ab, die Ideen anderer zu kopieren. Zu guter Letzt solle man viertens das Marketing und die Geschäftsangelegenheiten den Profis überlassen und sich in Geduld sowie harter Arbeit üben. Abschließend 13 Der Computer müsse in der opponierender, assistierender oder »game master«-Funktion einen wertvollen Beitrag zum Spiel leisten. Jeder Handlung müsse eine intellektuelle, physische, visuelle oder strategische Handlungsalternative bzw. -hürde entgegengesetzt werden, was Entscheidungen erzwinge. Das Spiel dürfe keine einfache Lösung oder optimale Strategie vorsehen, da es sonst schnell seinen Reiz verliere. Spielende und ihre Möglichkeiten, konstant und bedeutend auf das Spiel Einfluss auszuüben, müssten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Dabei müsse aber sowohl die Steuerung beherrschbar bleiben als auch die Suche nach neuen Interaktionsformen, die über aktuelle Konzepte hinausgingen, weitergehen. Besonders neue technologische Entwicklungen böten stets die Möglichkeit, auch neue Spielkonzepte zu erforschen. Vgl. D. Carlston: New Directions in Computer Game Design. In: IEEE Computer Society (Hg.): COMPCON’82, Digest of Papers. Los Alamitos/CA 1982. S. 75-76, hier 75. 14 Vgl. D.C. Carlston: Software People. New York/NY 1985. S. 221-245, hier 221f.

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skizziert CRAWFORD einen ersten neunschrittigen Produktionsprozess, der vor allem verdeutlichen sollte, wie aufwendig und schmerzhaft der »process of designing and developing a computer game« sei, was zugleich erkläre, warum nur so wenige Game Designer/innen erfolgreich seien.15 Die Umstände von CRAWFORDS Zurückhaltung im Frühjahr 1982 lassen sich insbesondere aus mehreren Interviews rekonstruieren, die dieser ab 1986, vor allem jedoch ab 2001 gegeben hat.16 Er hatte sein erstes Computerspiel 1976 entwickelt, als er Physiklehrer an einem ›Community College‹ war.17 Damals sei es die größte Herausforderung gewesen, überhaupt Spiele zum Laufen zu bekommen, bis 1977 mit den Heimcomputern ›Commodore PET‹, ›TRS-80‹ und ›Apple II‹ erstmals vollständige Geräte auf den Markt kamen. Dies habe zugleich einen Markt für Software hervorgebracht, wobei zunächst Privatpersonen ihre Programme auf Kassette kopiert und gemeinsam mit fotokopierten Anleitungen in Plastiktüten verkauft hätten: auf Messen, per Post oder über die Auslage in Computergeschäften, beworben höchstens durch Anzeigen in einschlägigen Magazinen. Von 1977 bis 1979 habe er für die Universität gearbeitet und die Möglichkeit gehabt, viele Geschäfte in Nordkalifornien zu besuchen sowie seine Spiele zu verkaufen. Andere hätten es ihm gleichgetan und sich so mit den ersten Entwicklungsstudios selbstständig gemacht.18 In diesem Zeitraum entwickelte und veröffentlichte CRAWFORD seine Spiele Tanktics und Legionnaire für den ›Commodore PET‹, die vielleicht ersten kommerziell vertriebenen Strategiespiele für Heimcomputer überhaupt. CRAWFORD erinnert sich, dass er, als er sich 1979 auf eine Anzeige bei Atari bewarb, einer der wenigen Kandidaten war, die überhaupt Erfahrung mit dem Design von »computer games« gehabt hatten. Atari sei im September 1979, als er dort angefangen habe, mit den weiterhin erfolgreichen Spieleautomaten, der erfolgreichste Spielkonsole 2600 sowie den soeben vorgestellten 400/800-Heimcomputern in jedem Marktsegment präsent gewesen. Dennoch habe das Geschäft mit Spielautomaten als zentrale Inspirationsquelle die »game designs« bei Atari dominiert, sodass vor allem erfolgreiche Spielhallentitel für die anderen Plattformen umgesetzt wurden. Weil es vielen schwergefallen sei, sich unter Spielen etwas anderes vorzustellen als einen Spielautomaten, seien die Be15 Vgl. C. Crawford: So You Want to Write a Computer Game. In: CGW, Vol. 2, Is. 2, Mar./ Apr. 1982. S. 10f. Insbesondere zum Werkprozess werde ich eine eigene Studie publizieren, die die Spielekritik und die Produktionstheorie des ›Game Design‹ zum Thema hat. 16 Vgl. F. Boosman: Designer Profile/Chris Crawford (Part 1). In: CGW, No. 33, Dec. 1986. S. 46-49. Ders.: Designer Profile/Chris Crawford (Part 2). In: CGW, No. 34, Jan.-Feb. 1987. S. 56-59. Vgl. das Interview mit Chris Crawford in: R. Rouse III.: Game Design. Plano/TX 2001. S. 263-290, hier 263-268. Vgl. S. Fulton: An Interview With Chris Crawford. In: Gamasutra.com, 25.08.12. (Online) Vgl. auch die rückblickende Darstellung seiner frühen Spieleprojekte bei C. Crawford: On Game Design. Indianapolis/IN u.a. 2003. S. 187-257. 17 Es handelte sich um eine künstliche Intelligenz für das parallel aufgebaute Brettspiel Panzer Leader von Avalon Hill, programmiert in FORTRAN auf einem IBM 1130, welche die gegnerischen Züge auf Basis der Eingaben in den Computer berechnete. Vgl. C. Crawford: Reminisces – my very first computer game. In: JCGD, Vol. 4, Is. 3, Feb. 1991. S. 15. 18 Aus diesen frühen Tagen seien ihm jedoch nur Jon Freeman und Jim Connelley bekannt, die mit ihrer Firma Automated Simulations, später Epyx, noch immer Spiele entwickelten. Vgl. C. Crawford: Ten Years Ago. In: JCGD, Vol. 3, Is. 4, Apr. 1990. S. 10f.

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schränkungen, etwa die Spieldauer von drei Minuten, ohne Grund auch für Spiele, die man zu Hause spielen konnte, übernommen worden. Die stetig wachsenden »computer games« hätten zu diesem Zeitpunkt, obwohl nicht genauso erfolgreich wie andere Plattformen, bereits eine größere kreative Vielfalt und reifere Spielformen gezeigt.19 Als eine seiner ersten Aufgaben entwickelte CRAWFORD innerhalb weniger Monate das Spiel Wizard für den Atari VCS 2600, das jedoch aufgrund seiner technologischen Limitierungen niemals veröffentlicht wurde. Zu dieser Zeit hatten alle Programmierer/innen bei Atari für die deutlich leistungsfähigeren Heimcomputer 400/800 entwickeln wollen, doch erst nachdem auch er sein erstes Spielprojekt abgeschlossen hatte, habe er zur ›Home Computer Division‹ wechseln dürfen. Ab Frühjahr 1980 wurde CRAWFORD dann für etwa zehn Monate Mitglied der ›Home Computer Applications Group‹, um dort Software für die Atari-400/800-Computer zu programmieren. In dieser Zeit seien die beiden als Lernsoftware vertriebenen Simulationen Energy Czar und SCRAM entstanden, basierend auf Programmen, die CRAWFORD bereits in seiner Zeit als Lehrer für Naturwissenschaften und Energiepolitik an Highschools entwickelt hatte.20 Ende des Jahres 1980 wurde CRAWFORD dann zum Leiter der neu eingerichteten ›Software Development Support Group‹ befördert, um eine technologische Betreuung für außenstehende Softwareentwickler/innen anzubieten und diesen umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen. In dieser Funktion sei das Supportteam durch Städte des ganzen Landes gereist und habe in angemietete Hotelseminarräume geladen, um den Umgang sowie die Programmierung der 400/800-Computer zu schulen. Er habe daraufhin den Großteil der Arbeit übernommen und wie ein Wanderprediger in göttlicher Mission versucht, Nutzer/innen vom ›Apple II‹ abzuwerben, weshalb man ihn in einem Magazin auch als »evangelist« bezeichnet habe. In seiner Rolle als Verkäufer sei er sehr erfolgreich gewesen und habe wesentlich dazu beigetragen, die Heimcomputer von Atari in der Gemeinde der Programmierer/innen bekannt und erfolgreich zu machen sowie einen Anstieg der verfügbaren Software etwa ein Jahr darauf sicherzustellen.21

19 Vgl. C. Crawford: The History of Computer Games – The Atari Years. In: JCGD, Vol. 5, Is. 1, Oct. 1991. S. 6-9. 20 Vgl. C. Crawford: On Game Design. Indianapolis/IN 2003. S. 233-243. Angesichts von Ataris Ruf und dem Versuch die 400/800-Computer als seriöse PCs vertreiben zu wollen, sei das Marketing sehr darauf bedacht gewesen, keine Spiele für diese Geräte zu veröffentlichen. Crawford erinnerte sich, dass bei der Präsentation seines Projektes ›Energy Czar‹ beim Marketing kritisch nachgefragt worden sei, ob es sich tatsächlich nicht um ein Spiel handele, worauf er entgegnet hätte: »it’s an educational simulation.« Die skeptische Antwort sei gewesen: »I don’t know [...] it sure looks fun to me.« Diese Politik sei von Atari erst zwei Jahre später beendet worden. Vgl. C. Crawford: The First Mass Entertainment Medium. In: JCGD, Vol. 8, Is. 2, Dec. 1994. S. 10-12, hier 11. 21 Eine dieser Schulungen, ein zweitägiges Seminar für angehende Programmierer, gegeben von den Atari-Technikern Chris Crawford, Lane Winner und Mike Ekberg, an der unter anderem Gregg Williams, Senior Technical Editor der Zeitschrift BYTE, teilgenommen hatte, war denn auch der Anlass für die Veröffentlichung der Artikelserie, die wenig später als ›De Re Atari‹ zu beziehen war. Vgl. C. Crawford: The Atari Tutorial, Part 1: The Display List. In: BYTE, Vol. 6, No. 9, Sep. 1981. S. 284.

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Das Kernproblem der 400/800-Computer sei es nämlich gewesen, dass zunächst kaum Software verfügbar gewesen sei.22 Denn um auch das Softwaregeschäft für die Heimcomputer komplett in Händen zu halten, habe die Unternehmensführung entschieden, dass beide geschlossene Systeme bleiben sollten: Man kaufe seine Software also direkt bei Atari oder programmiere sie selbst, Drittherstellern bleibe der Zugang verwehrt. Dies führte von Anfang an zu einem Mangel an Anwendungs- und Spielsoftware. Um diese Situation zu beheben, sei auf Initiative von DALE YOCUM, dem Leiter der ›Home Computer Applications Group‹, und unter Duldung des Managementes ein Service eingerichtet worden, der es Hobbyentwickler/innen ermöglicht habe, Software für die 400/800-Computer über Atari selbst zu veröffentlichen, was alsbald zu einem sich selbst tragenden und Gewinn abwerfenden Geschäft geworden sei. Das ›Atari Program Exchange‹ (APX) sei aber nicht nur von außerhalb genutzt worden, sondern auch von Entwickler/innen innerhalb von Atari, um für die Systeme Software, etwa Spiele, zu veröffentlichen. So sei im August 1981 CRAWFORDS Spiel Eastern Front (1941) über das APX veröffentlicht worden, das ursprünglich vor allem als Demonstration für die grafischen Möglichkeiten der 400/800-Computer habe dienen sollen. Unter dem Banner des APX wurde dann erstmals 1981 das Programmierhandbuch De Re Atari herausgegeben, das als Loseblattsammlung wohl bereits als Grundlage vieler Seminare diente, um sowohl professionellen als auch amateurhafte Programmierer/innen vertiefendes Wissen über die Spezifikationen und Möglichkeiten der Atari-400/800-Computer zu vermitteln.23 CRAWFORD hatte also beinahe das gesamte Jahr 1981 bei der ›Atari Home Computer Division‹ damit verbracht, als ›Wanderprediger‹ durch die USA und andere Teile der Welt zu reisen und die technischen Spezifikationen der Atari-400/800-Computer zu ver-

22 Wie sich Crawford erinnerte, habe Atari Ende des Jahres 1979 beide Heimcomputermodelle auf den Markt gebracht, die den damals erhältlichen als »second generation of personal computers« deutlich überlegen gewesen seien. Dennoch hätten beide Modelle umfangreiche Probleme gehabt, da kaum jemand die Heimcomputer eines Spieleunternehmens ernst genommen habe, sie langsamere Diskettentechnologie verwendeten und im Gegensatz zu ›VisiCalc‹ auf dem Apple II keinen vergleichbaren Kaufgrund besessen haben. Einzig Star Raiders (1979) von Doug Neubauer habe die deutlich überlegenen grafischen Fähigkeiten einsetzen können, um wesentlich zum Verkauf vieler Computer beizutragen. Dennoch sei die Populärität beider Heimcomputer nie größer gewesen als 1983; der Kollaps der ›video games‹ und die aggressive Preispolitik von Commodore hätten schließlich deren Ende besiegelt. Vgl. C. Crawford: A little bit of history – The Atari computers. In: JCGD, Vol. 4, Is. 1, Oct. 1990. S. 15. Vgl. auch Ders.: The History of Computer Games – The Atari Years. In: JCGD, Vol. 5, Is. 1, Oct. 1991. S. 6-9, hier 6f. 23 Im abschließenden Absatz des Vorwortes heißt es denn auch: »The Software Development Support Group wrote this book.« Vgl. C. Crawford et al.: De Re Atari. Sunnyvale/CA 1981 (Vorwort) Das Vorwort weist als Verfasser/innen aus: Chris Crawford (Sektionen 1 bis 6, Anhänge A und B), Lane Winner (Sektion 10 und Anhang D unter Assistenz von Jim Cox), Amy Chen (Anhang C), Jim Dunion (Sektionen 8 und 9), Kathleen Pitta (Anhang E), Bob Fraser (Sektion 7), Gus Makreas (Glossar).

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mitteln, ihre Möglichkeiten anzupreisen und ihre Programmierung zu schulen.24 Er wird nicht selten mit Teilnehmer/innen konfrontiert gewesen sein, die ihre eigenen Spiele entwickeln wollten, ohne allerdings eine Ahnung von Bedienungsfreundlichkeit zu haben. Zudem wird die Software, die im Rahmen des ›Atari Program Exchange‹ eingesendet wurde, aber auch die sonst verfügbaren Spiele, nur allzu deutlich gemacht haben, dass in Sachen ›Game Design‹ noch immer viel zu lernen war. Anders als die Automaten in den Spielhallen oder die Spielkonsolen fürs heimische Wohnzimmer waren Personal Computer als offene Systeme für Amateure zugänglich, es gab geringe Einstiegshürden zur Entwicklung und keine Barrieren für einen Markteintritt. Der Zynismus CRAWFORDS richtete sich vor allem gegen jene, die glaubten, Programmierkenntnisse alleine reichten aus, um Spiele auf den Markt zu bringen. Bereits in der Erstausgabe der Computer Gaming World, im Dezember 1981 hatte CRAWFORD angeprangert, dass die meisten Programmierer/innen nicht schlau oder verständnisvoll genug seien, um etwa »computer wargames« zu entwickeln.25 Doch tatsächlich sollte erst sein Artikel im Frühjahr 1982 einen Wendepunkt markieren. Denn so negativ auch sein Urteil ausgefallen sein mag, so bemühte er sich dennoch im Rahmen des Artikels, allgemeine Regeln zum ›Game Design‹ zu formulieren und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Denn wenn es möglich war, die technischen Grundlagen der Spieleentwicklung zu lehren, warum nicht auch die gestalterischen Grundlagen für gute Spiele? Diese Überlegungen bildeten den Ausgangspunkt dessen, was später The Art of Computer Game Design werden sollte. Listings und Amateure

Von dem Wunsch der frühen Besitzer/innen eines Personal Computer ein eigenes Spiel zu entwickeln, zeugen die großen Mengen an Programmierliteratur, die oft mit nur leicht angepassten Inhalten für alle erhältlichen Geräte erschienen. Nach dem Vorbild der populären Spielesammlungen von DAVID H. AHL, die ab Mitte der 1970er-Jahre immer neue Auflagen erlebten, konnte man Anfang der 1980er-Jahre auf eine schier endlose Menge an Büchern zurückgreifen, die umfangreiche Listings von verschiedens24 Laut Frank Baeseler hatte Crawford im Jahr 1981 auch einen solchen Kurs in Hamburg gegeben. Vgl. F. Baeseler: So wird man ein Spielemacher. In: TeleMatch, Nr. 4/5, Apr./Mai 1983. S. 50-52, hier 51. 25 »I can say with sad certainty that the average programmer is not sharp enough to write good wargame programs. Very few programmers in this business are bright enough to handle the task. [...] Very few programmers have any idea what software human engineering is, much less how to implement it. Very few know how to obtain high-quality graphics on personal computers. Finally, very few understand the principles of algorithm creation. [...] I can summarize my characterization of computer wargame designers with one sentence: almost all are amateurs. This will be a major factor impeding the development of computer wargames.« Vgl. C. Crawford: The Future of Computer Wargaming. In: CGW, Vol. 1, Is. 1, Nov./Dec. 1981. S. 3-7, hier 6. Joel Billings, Game Designer und Gründer des Spieleverlages SSI (Strategic Simulations), hat Crawford wenig später in einem Antwortbrief widersprochen: Es gebe durchaus gute und professionell arbeitende Programmierer/innen von ›Wargames‹, Crawfords Perspektive sei durch seinen Arbeitgeber Atari in dieser Hinsicht getrübt. Vgl. J. Billings: Letter. In: CGW, Vol. 2, Is. 2, Mar.-Apr. 1982. S. 3f.

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ten Anwendungen und eben auch Spielen für die wachsende Zahl der PC-Besitzer/innen bereitstellten. Blickt man nur auf die Veröffentlichungen mit Spielen für die Atari400/800-Computer, die im Zeitraum von 1982 bis 1984 erschienen, so wird besonders das amateurhafte Hintergrundrauschen deutlich, vor dem CRAWFORD sein Buch über ›Game Design‹ verfasste.26 Mit Unterstützung der ›Atari Home Computer Division‹ und unter Federführung von HERBERT R. KOHL, dem einflussreichen Pädagogen und Vorstandsmitglied der ›Atari Education Foundation‹, sowie TED KAHN, dem Gründungsdirektor des ›Atari Institute for Educational Action Research‹, erschien 1982 das umfangreiche Buch Atari Games and Recreations, gefolgt von Atari PILOT Activities and Games im Jahr darauf. Beide Bücher verstehen sich als Einführungsliteratur in die Programmierung anhand von Spielen für die Atari-Heimcomputer vornehmlich für Kinder und Jugendliche, wobei das erste allein BASIC, das zweite dann die Einstiegssprache PILOT einsetzt.27 Vor allem im Zusammenhang mit der Sprache PILOT, die bereits in den 1960er-Jahren für den Einsatz in der Schule entwickelt worden war, verweisen die Autoren explizit auf die Vorarbeiten anderer Technologievermittler: »The development of microcomputers allowed new and wonderful worlds to merge graphic images and music. Dr. Seymour Papert (MIT), one of the inventors of the Logo programming language, developed the use of computers as ›microworlds of exploration.‹ He developed a concept called ›turtle graphics,‹ an elegant mathematical system which is easy enough for any child to use to create beautiful dynamic works of art. [...] When the Atari Corporation developed its own version of PILOT for ATARI Home Computers, it took the best of the ideas of each of these outstanding educators.«28

26 Ein solcher Überblick muss naturgemäß lückenhaft bleiben. Die Fülle der zu dieser Zeit erschienenen Lehr- und Einstiegsschriften in die Programmierung von Personal Computern ist vor allem vor internationalem Hintergrund unüberschaubar und bisher nur mangelhaft erfasst. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Literatur ist Desiderat. Die hier getroffene Auswahl basiert auf jenen digitalisierten Publikationen, die zum Zeitpunkt der Abfassung in den einschlägigen Online-Datenbanken Internet Archive (archive.org) und Digital Press (digitpress.com) verfügbar waren, ergänzt um einige vom Titel her auffällige Veröffentlichungen. Die Darstellung wäre deutlich erweiterbar gewesen. 27 Ted Kahn und sein Bruder Robert hatten sich bereits am Lawrence Hall of Science’s Computer Education Project, dem letzterer als Direktor vorstand, mit PILOT befasst. Von 1980 bis 1984 war Robert Kahn dann bei Atari als Direktor für ›Special Projects‹ sowie als Manager für Educational Software Products u.a. für die Atari computer camps und die Entwicklung von Atari PILOT verantwortlich. Vgl. T.M. Kahn: My Memories of Dean Brown. In: Foundation for Mind-Being Research, 10.07.2003. (Online) R.A. Kahn: Public Access to Personal Computing. In: Computer, April 1977. S. 56-66. (Online) H.R. Kohl et al.: Atari Games and Recreations. Reston/VA 1982. H.R. Kohl, T. Kahn, D. Disharoon: Atari PILOT Activities and Games. Reston/VA 1983. 28 Vgl. ebd., S. V. Zur Arbeit von Seymour Papert vgl. Ders.: Mindstorms. New York/NY 1980. S. Brand: The Media Lab. New York/NY 1987. S. 119-130.

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Das Ziel, über den Umweg vermeintlich interessanter Spielprogramme sowohl die Grundlagen der Computertechnologie als auch der Programmierung zu erlernen, wird bereits auf dem Titel des Buches Atari Games and Recreations von 1982 deutlich: »For beginners & advanced programmers too! Learn to program in BASIC while you work with your own Atari 400 or 800. Play many challenging educational games & learn to create programs of your own.« Nach den Einführungen in die Funktionsweisen der jeweiligen Programmiersprachen listen beide Bücher allerdings nur noch Codezeilen zum Abtippen auf, begleitet von kurzen Beschreibungen für die jeweiligen Programme. Einzig das erste Buch ermuntert die Leser/innen, die bestehenden Programme abzuwandeln, anzupassen oder durch zusätzliche Funktionen auszuschmücken, was die Autoren die »Fine Art of ›Dressing Up‹« nennen aufgrund der Annahme, dass letztlich alle Spiele bloß Variationen bereits bekannter Themen und Strukturen seien.29 Das war eine Vorstellung, der sich – eher stillschweigend – die meisten Veröffentlichungen dieser Art anschlossen. Ebenfalls an Jugendliche richtete sich die 1983 erschienene Kombination aus gezeichneter Abenteuergeschichte und Spielesammlung unter dem Titel Timelost – A Computer Adventure. Sie basiert auf einem 84 Seiten umfassenden Comic in sechs Kapiteln von KRIS AUSTEN ANDREWS und ARLAN KEITH ANDREWS, SR., begleitet von sechs Actionspielen, entwickelt von Programmierlehrbuchautor JOSEPH C. GIARRATANO, jeweils mit kurzer Beschreibung, Listing, Dokumentation und Variationsvorschlägen, um die Abenteuer nachspielen zu können. »These game programs are designed to be fun and educational. If you don’t know how to program, you’ll enjoy playing the games and may wish to learn about programming. If you do know how to program, or are learning how, the detailed explanations will show you how the games work and how you can change them and improve them.«30

Aufgrund des großen Interesses wurden auch Spielesammlungen, die bereits für andere Systeme veröffentlicht wurden, in angepasster Fassung jeweils noch einmal für die neuen Geräte verlegt. So etwa das Buch Games Ataris Play von HAL GLICKSMAN und KENT SIMON, das auf dem älteren Buch Games Apples Play von MARK J. CAPELLA und MICHAEL D. WEINSTOCK beruhte und 18 »Word and Number Games« sowie 11 »Graphic Action Games« beinhaltete, jeweils mit Beschreibung, Erklärung und Listing in Atari BASIC. Bereits im Titel heißt es: »Learn programming the fun enjoyable way ... by gaming!« In

29 »The finest games, whether they are played on a computer or not, generally have evolved from a relatively small number of simple themes. [...] What makes each of these games unique is the way in which the theme has been ›dressed up.‹ [...] What is intriguing about fine games is that we may continue to find endless ways of playing them and modifying them, sometimes even changing the rules to create an entirely new game from an old structure. We hope that this book will encourage you to change and modify games we present so that they become your own, and that you will create new games [...].« Vgl. H.R. Kohl et al.: Atari Games and Recreations. Reston/VA 1982. S. 37-75, insbesondere 64-75, hier 37. 30 Vgl. K.A. Andrews, A.K. Andrews, Sr., J.C. Giarratano: Timelost. Indianapolis/IN 1983. Hier Introduction. Das Buch erschien gleichzeitig für die Atari-Modelle 400, 800 und 1200XL, den Timex/Sinclair 1000, TI-99/4A sowie VIC-20.

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der Einleitung formulieren die Autoren ihren Anspruch, durch das Abtippen der Listings auch Einsichten und Techniken zum Erstellen eigener Programme zu vermitteln: »After learning how the games in this book work, you’ll be able to write educational programs, guessing games, adventures, as well as beautiful color graphics and music programs. The mechanics of the games are explained in a way that will let you easily modify and customize the programs to your heart’s content. Techniques are given that will allow you to examine the games inner workings and see what makes them tick. The games themselves are hours of fun. You will learn a lot by typing in the listings and seeing how typing errors show up in the programs as bugs and can then be easily chased out.«31

In diesem Sinne wandte sich ebenfalls das dünne Bändchen Invent Your Own Computer Games von FRED D’IGNAZIO, erschienen in der Reihe ›Computer-Awareness First Book‹, an Kinder und Jugendliche, die erste Erfahrungen im Umgang mit dem Computer durch das Programmieren und Spielen der zehn abgedruckten Programme sammeln wollten. Als »introduction to game programming« wolle das Buch mehr als den Blick in die »›black boxes‹« ermöglichen. In der Einleitung betont D’IGNAZIO, dass das Abtippen der Programmzeilen nicht nur das Verständnis und die Wertschätzung für den Aufwand der Entwicklung von »commercial games« fördere, sondern auch das Erfinden eigener Spiele anrege.32 Das letzte Kapitel ›Now, Invent Your Own games!‹ beginnt mit drei Eigenschaften, die alle guten Spiele gemeinsam seien: Erstens habe jedes Spiel »action«, um Langeweile vorzubeugen. Zweitens schaffe jedes gute Spiel »suspense«, also die spannungsvolle Erwartung, dass etwas Gutes oder Schlechtes geschehe. Drittens setzten einige gute Spiele »surprise« ein, etwa durch unvorhersehbare Glückselemente. Zudem formuliert D’IGNAZIO sieben Regeln, die es zu beachten gelte, »[w]hen you are thinking up your own games«. Erstens könne man Geräusche, Musik und Farbe hinzufügen, um Spiele realistischer und aufregender zu machen. Zweitens solle man sich in die Rolle des Computers hineinversetzen, so das ganze Spiel durchgehen und die einzelnen Schritte aufschreiben; dies erleichtere die Planung für das Programmieren. Drittens helfe Millimeterpapier dabei, das Aussehen des Spieles und die Aufteilung des Bildschirmes zu gestalten. Viertens habe man sich immer zunächst um die wichtigen Teile des Programmes zu kümmern und sich nicht von Details ablenken zu lassen. Fünftens sei es zu empfehlen, das Programm nicht als Ganzes niederzuschreiben, sondern es in kleinere Blöcke zu zerlegen, die man Schritt für Schritt überprüfen könne. Sechstens solle man das Spiel nicht für sich selbst schreiben, sondern für Personen, die keine Ahnung von Spielen 31 Vgl. H. Glicksman, K. Simon: Games Ataris Play. Chatsworth/CA 1983. Hier S. 10. 32 »Inventing your own games will make you aware of how much effort it takes to create commercial games like those stored on the microchips inside game cartridges and in arcade games. A good commercial game might take a programmer weeks or even months to write and consists of thousands of computer commands. [...] If you type in the programs in this book, you’ll have ten computer games of your own. And these games will multiply like rabbits. Each time you play a game, you’ll think of new features you can add to make it even more challenging and exciting. You’ll also find yourself thinking up totally new games.« Laut dem Autor seien alle Programme auf einem Atari 800 mit der entsprechenden Fassung von BASIC entstanden. Vgl. F. D’Ignazio: Invent Your Own Computer Games. New York/NY u.a. 1983. S. 1-3, hier 3.

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hätten; dies führe zu leichter verständlichen und einstiegsfreundlicheren Spielen. Siebtens müsse man sich darauf vorbereiten, das Spiel bis zum Umfallen zu testen, zunächst selbst und dann durch andere immer wieder auf neue Fehler zu stoßen, die es zu beheben gelte.33 Die wachsende Zahl an Publikationen, die sich mit dem Versprechen, selbst Spiele machen zu können, vor allem an ein junges Publikum wandte, setzte das ›Game Design‹ in seiner Theoriebildung unter Druck. Denn es galt, zum einen ein durch Professionalität geprägtes Verhältnis zur Entwicklung von Computerspielen zu vertreten und zum anderen Spiele nicht bloß als Zeitvertreib für Kinder und Jugendliche zu positionieren, unabhängig davon, ob es ums Spielen oder Programmieren ging. Atari Games Research Group

Nach einem Jahr als »evangelist« wurde CRAWFORD als erstem Angestellten bei Atari schließlich im Dezember 1981 von ALAN KAY die Möglichkeit eröffnet, in die neu gegründete ›Corporate Research Division‹ zu wechseln, die für etwa drei Monate aus nur vier Personen bestand, darunter KAY und CRAWFORD. Letzterer erinnerte sich später: »I was his first hire, and he didn’t hire anybody else for some months, which meant that I had Alan Kay all to myself for the entire time. [...] Alan Kay is one of just two or three people whom I have met who strike me as out-and-out geniuses. [...] I found myself struggling to keep up with his stream of thought. The ideas came pouring out in a mighty torrent that swept me along; only by dint of intense mental effort could I keep my head above the water. My conversations with Alan were heady experiences; afterwards I would walk into my office, close the door, and stare at the wall for an hour digesting the experience.«

Es sei vor allem der Ansporn von ALAN KAY gewesen, dass CRAWFORD seinem Traum darüber, was in Zukunft mit »computer games« möglich sei, eine Form geben wollte. Das Ergebnis dieses eineinhalb Jahre dauernden und 1983 abgeschlossenen Prozesses sei das Buch The Art of Computer Game Design gewesen. Parallel zu diesen Bemühungen seien als Studien zum Game Design die Spiele Gossip und Excalibur entstanden.34 ALAN CURTIS KAY (*1940), hatte sich, obwohl schon früh belesen und musikalisch talentiert, nach einer eher unglücklichen Schullaufbahn, ab 1961 als Programmierer bei der Air Force wiedergefunden. Nachdem er 1966 seinen Collegeabschluss in Mathematik und Molekularbiologie nachgeholt hatte, verschlug es ihn an die Universität von Utah, um dort in ›Computer Science‹ zu promovieren. Dort kam er etwa mit dem ›Sketchpad‹ von IVAN SUTHERLAND, der Programmiersprache Simula und der FLEXArbeitsstation, einem frühen Personal Computer System, in Berührung. Im Anschluss an ein Jahr am ›Artificial Intelligence Laboratory‹ in Stanford, wo er Kurse in »systems 33 Vgl. ebd., S. 79-81. 34 Vgl. C. Crawford: On Game Design. Indianapolis/IN u.a. 2003. S. 439f., hier 440. »So, under Alan Kay’s prodding, I set to work on my dream. It took me a year and a half to give it form. I wrote the first edition of this book, The Art of Computer Game Design, as part of my process of forging my dream.« Vgl. ebd., S. 259-279, hier 259f.

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design« gab, bot ihm ROBERT TAYLOR im Sommer 1970 an, als Gründungsmitglied ans Xerox Palo Alto Research Center (PARC) zu kommen. Angeregt von SEYMOUR PAPERTS Arbeit mit Kindern und dessen Programmiersprache LOGO gründete und leitete KAY dort die ›Learning Research Group‹, wo er gemeinsam mit ADELE GOLDBERG, DAN INGALLS und anderen insbesondere seinen Entwurf des ›Dynabook‹, eines tragbaren ›Notebook‹-Computers, weiterentwickelte und mit der Programmiersprache Smalltalk schließlich das Konzept der ›Objektorientierung‹ popularisierte. Ende der 1970er-Jahre wurde jedoch nur allzu deutlich, dass die Geschäftsleitung von Xerox nicht beabsichtigte, die Forschungsergebnisse des PARC tatsächlich in Produkte zu überführen, was zu anhaltender Frustration unter den Forschenden führte.35 Dabei war das Xerox PARC schon Anfang der 1970er-Jahre zu größerer Berühmtheit gelangt, als STEWART BRAND im Dezember 1972 seinen Artikel im Rolling Stone veröffentlichte und dort unter anderem von der Arbeit ALAN KAYS berichtete. Wiederkehrendes Thema von BRANDS Artikel ist das Computerspiel Spacewar!, das stellvertretend für die Hackerkultur sowie die Zukunft des Personal Computers stehe und dessen Erfindung nicht bloß faszinierende Geschichte sei, sondern »the most sophisticated analysis of good game design«, der er je begegnet sei. KAY kam in diesem Kontext nicht nur mehrfach zu Wort, sondern steuerte ganz nebenbei auch die Programmzeilen für eine Version von Spacewar! bei, die dem Artikel unter der Überschrift ›Your Own Spacewar‹ angehängt wurde. Die Bilder zum Artikel steuerte Rolling Stone-Fotografin ANNIE LEIBOVITZ bei, was den Beteiligten, zum Unmut der Geschäftsleitung den Ruf genialer und unkontrollierbarer Rockstars einbrachte.36 In der ungekürzten Fassung des Artikels, die BRAND 1974 in dem Bändchen II Cybernetic Frontiers abdruckte, zitiert er Kay zu Spacewar!: »Nobody has satisfactorily explained the game’s fascination, the total concentration it inspires, the addiction it feeds. [...] Alan Kay assesses it from the computer design standpoint: ›It hits one the way any good interactive program does. It’s something you can step right up to. You really become a part of the particular thing that you’re doing. You have a lot of kinesthetic sense ... [...]‹«37

Auf der Grundlage seiner Forschungsarbeit hatte sich KAY bereits in den zwei Artikeln aus dem Jahr 1977, unter anderem gemeinsam mit GOLDBERG, dafür eingesetzt, den Personal Computer nicht als eine Maschine, sondern als ein Medium zu betrachten – ein Metamedium, das jedes andere Medium simulieren könne, enorme Freiheiten sowie 35 Dass der zweieinhalbjährigen Forschungstätigkeit von Kay als Kopf des Corporate Research bei Atari wenig Beachtung geschenkt wird, zeigt sich auch hier an dem beiläufig platzierten Satz »Kay spent a year at Atari before becoming an Apple Fellow in 1984, where he currently serves as a kind of philosopher-in-residence«. Vgl. D. Shasha, C. Lazere: Alan C. Kay – A Clear Romantic Vision. In: Dies.: Out of their Minds. New York/NY 1995. S. 38-50, hier 49. Vgl. J. Bartimo: ›Smalltalk‹ with Alan Kay. In: InfoWorld, Vol. 6, Is. 24, 11.06.1984. S. 58-62. 36 Vgl. S. Brand: Spacewar. In: Rolling Stone, Nr. 123, 07.12.1972. S. 50-58, hier 51. »[...] the young programmers loved it: by appearing in Rolling Stone, they had in effect been compared to rock stars.« F. Turner: From Counterculture to Cyberculture. Chicago/IL u.a. 2008. S. 116-118, hier 118. M.A. Hiltzik: Dealers of Lightning. New York/NY 2000. S. 156-162. 37 Vgl. S. Brand: Fanatic Life and Symbolic Death Among the Computer Bums. In: Ders.: II Cybernetic Frontiers. New York/NY u.a. 1974. S. 39-90, hier 60.

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Möglichkeiten biete und es schon Kindern erlaube – mit der Hilfe von Smalltalk – eigene Werkzeuge und Spiele zu erschaffen.38 KAY war also bereits eine herausragende Persönlichkeit, als ihn Geschäftsführer RAY KASSAR 1981 zu Atari holte, um dort als »Chief Scientist« sämtlichen Forschungstätigkeiten im Unternehmen vorzustehen, und dies ohne Auflagen in der Produktentwicklung, jedoch mit einem Budget von Dutzenden Millionen US-Dollar pro Jahr. In dieser Zeit bei Atari traf KAY auch auf HOWARD RHEINGOLD, der für sein Buch Tools for Thought (1985) recherchierte und KAY sowie seinen Forschungsabteilungen bei Atari, insbesondere der ›Systems Research Group‹, der etwa BRENDA LAUREL angehörte, gleich zwei Kapitel widmete. So beschreibt RHEINGOLD die von KAY diagnostizierte Geburt des Computers als ›Fantasy Amplifier‹, die einzigartige Fähigkeit des Mediums Computer zur Simulation, zur Sichtbarmachung dessen, was bloß Vorstellung sei, zur Schaffung eines Universums, das auf Forschende umso stärker reagiere, je besser diese verstünden, wie es funktioniere. Diese Fähigkeit mache den Computer zum Verstärker der Fantasie und ALAN KAY habe die Formel geprägt: »Any time you build a fantasy amplifier, you have a winner.« »And by practicing how we would control a simpler version of the world, we often figure out how to operate the world outside the fantasy. A game is both controllable and challenging. It is entered vicariously, purposefully, and with an open mind about the outcome. Sports and science and art all involve vicarious, purposeful fantasies in that sense. That’s why he feels that video games were not a fad but a precursor to something with much more profound power. And that is the most likely reason why he joined Atari Corporation.«39 38 Vgl. A.C. Kay, A. Goldberg: Personal Dynamic Media. In: IEEE Computer, Vol. 10, No. 3, Mar. 1977. S. 31-42. A.C. Kay: Microelectronics and the Personal Computer. In: Scientific American, No. 237, Sep. 1977. S. 230-239. »The protean nature of the computer is such that it can act like a machine or like a language to be shaped and exploited. It is a medium that can dynamically simulate the details of any other medium, including media that cannot exist physically. It is not a tool, although it can act like many tools. It is the first metamedium, and as such it has degrees of freedom for representation and expression never before encountered and as yet barely investigated. Even more important, it is fun, and therefore intrinsically worth doing.« A.C. Kay: Computer Software. In: Scientific American, Vol. 251, No. 3, Sep. 1984. S. 53-59, hier 59. 39 Vgl. Kap. 11 ›The Birth of the Fantasy Amplifier‹ und 12 ›Brenda and the Future Squad‹ in: H. Rheingold: Tools for Thought. Cambridge/MA u.a. 2000. S. 232-273, hier 256. Das Buch ist größtenteils 1983 entstanden; ein halbes Jahr später habe Atari seine Forschungsabteilungen geschlossen. Vgl. ebd., S. 321, 271f. Vgl. T.H. Nelson: Computer Lib/Dream Machines. Redmond/WA 1987. S. 127f. Kay: »[W]e can’t exist without fantasy. That’s not just wishing you were the prince in a castle, but the fact that we live in hallucinations of our own devising. Fantasy is whenever we go to a simpler, more controllable world. When we use language we’re fantasizing—we’re throwing away enormous amounts of relevant information in order to encode meaning into speech. [...] Generally speaking, we’re always willing to give up detail for control. Look at the progression from theatre to movies to television to video games—where the resolution of the image decreases steadily, yet they’re even more popular as you go along, because there’s a higher degree of control at each level.« Vgl. S. Steve: Kay Power. In: Electronic Games, Vol. 3, Is. 4, Apr. 1985. S. 40-42, 70, hier 70.

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Nach Gründung der ersten Forschungsabteilung, der ›Atari Games Research Group‹, hatte sich CRAWFORD, wie er im Rückblick 1984 beschreibt, sogleich daran gemacht, das in ihn gesetzte Vertrauen nicht zu enttäuschen und die völlige kreative Freiheit, die ihm ALAN KAY zugestanden habe, zu nutzen, um ein möglichst hervorragendes Spiel zu entwickeln.40 Nachdem die ersten Planungen für das Vorzeigeprojekt Excalibur abgeschlossen waren, wurden im Frühjahr 1982 LARRY SUMMERS sowie VALERIE ATKINSON angestellt, um bei der Realisierung und insbesondere bei der Programmierung zu helfen. Zudem wurde in der zweiten Jahreshälfte 1982 ARIC WILMUNDER angeheuert, um das Konzept zum Spiel Gossip umzusetzen. CRAWFORDS Spielprojekte haben jedoch deutlich darunter gelitten, dass er sich selbst von Juli bis Ende des Jahres 1982 besonders um sein Buch gekümmert habe, das jedoch erst 1984 erscheinen sollte.41 Das Magazin Popular Computing widmete CRAWFORD und der ›Games Research Group‹ im Juni 1982 einen mehrseitigen Artikel unter dem Titel ›Artist as a Game Designer‹.42 »Crawford’s patron of the ›art‹ is Atari’s Games Design Research Group, a unique, ›Green Beret‹ type of operation Crawford helped create last December. The sole purpose of the group is to advance the art of game design and produce the best computer games possible. The group is unusual because, unlike most corporate endeavors, it operates independently of any financial considerations.«

Die vier Angehörigen der ›Games Research Group‹ unter der Leitung von CRAWFORD, verfügten bei ihren jeweiligen Projekten über die völlige kreative Kontrolle, das Spiel zu machen, das sie wollten, ungestört von Marketing, Vertrieb oder Werbung. Erst wenn es fertiggestellt sei, bleibe der »computer software division« die Möglichkeit das Spiel unverändert zu veröffentlichen. Ansonsten diene es bloß als internes Anschauungsmaterial,

40 Crawford dokumentiert die Entwicklung seines Spiels Excalibur von Januar 1982 bis Ende Juli 1983. Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 93-102, hier 93. Auch habe er versucht, einen regelmäßigen Austausch unter den Game Designer/innen der unterschiedlichen Abteilungen Coin-Op, VCS und Home Computer in Form eines »weekly seminar on game design issues« zu installieren, da diese sonst selten miteinander kommunizierten. Da sich Crawford mit seinen Einladungen allerdings an die Designer/innen und nicht an die Vorgesetzten gerichtet habe, sei der Abteilung für Spielautomaten die Teilnahme untersagt worden. Vgl. C. Crawford: On Game Design. Indianapolis/IN u.a. 2003. S. 450f. Vgl. R. Rouse, III.: Game Design in Theory and Practice. Plano/TX 2001. S. 271. 41 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 97-99. In einem Interview aus dem Jahr 2000 gibt Crawford ebenfalls an, das Manuskript bereits 1982 fertiggestellt zu haben, doch dass die Firmenpolitik von Atari, allem voran die persönliche Freigabe von Ray Kassar, das Erscheinen maßgeblich verzögert habe. »I started working on the book. I finished it in 1982, but Ray Kassar, the CEO, was also pig-headed and insisted that he personally approve the manuscript before we sent it out to a publisher. So I sent it to him, and he sat on it for a year.« Vgl. R. Rouse, III.: Game Design in Theory and Practice. Plano/TX 2001. S. 271. 42 Vgl. A.R. Immel: Chris Crawford – Artist as a Game Designer. In: Popular Computing, Vol. 1, No. 8, Jun. 1982. S. 56-64, hier 58-60.

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um zu lernen. Diese Unabhängigkeit verdanke die Gruppe ALAN KAY, dem Leiter der Forschung und Entwicklung, der nur dem Firmenchef unterstellt sei. »Kay says Crawford’s group is the first of several research projects he intends to instigate at Atari to help develop ›better tools‹ for imaginative programmers like Crawford to explore some of his own ideas about the relationship between learning and entertainment. [...] Kay says he set up the new group as a ›free-wheeling unit‹ so that Crawford will be able to ›do anything he wants. He’s basically an artistic type; he has true aesthetic feeling for these things. I know we’ll get interesting stuff.‹«

CRAWFORD beschreibt in seinem Buch Balance of Power von 1986, in dem er die Entstehungsgeschichte seines gleichnamigen Spieles dokumentierte, dass er etwa im Dezember 1982, ein Jahr nach seiner Aufnahme in die ›Corporate Research Group‹, eine Programmiererin einstellte, um gemeinsam mit ihr an der Ausarbeitung eines früheren Konzeptes zu arbeiten. Bereits im Juli 1979 hatte er einen ersten Prototyp namens Policy entwickelt, der Fragen der Geopolitik behandelte und den er mit den verbesserten technologischen Möglichkeiten deutlich tiefgehender noch einmal angehen wollte; nach mehreren Monaten Arbeit sei das Projekt jedoch im Sande verlaufen. Kaum sechs Monate später habe er jedoch erneut eine Gelegenheit gehabt, seine Idee zu realisieren, und zwar als eine der ersten Anwendungen für ein in Entwicklung befindliches Mailbox-System (»bulletin board system«). Doch sei das Spiel niemals über das konzeptionelle Stadium hinausgekommen. Denn infolge der massiven finanziellen Schwierigkeiten und der massenhaften Entlassungen bei Atari, was zugleich allen Projekten in Forschung und Entwicklung ein jähes Ende setzte, verlor auch CRAWFORD am 16. März 1984 seine Stelle.43 Wie die Zeitschrift Infoworld im Juli 1982 bemerkte, sei Atari nicht nur führend darin, Millionen von »video-game players« zu kreieren, sondern auch darin, stetig neue »players« für den Markt für Heimcomputer und verwandte Technologien hervorzubringen. Aus den Reihen der Atari-Mitarbeiter/innen habe sich nicht nur aktuell der Leiter der Heimcomputerabteilung, sondern bereits der Firmengründer NOLAN BUSHNELL sowie zweimal eine Gruppe von Entwickler/innen mit eigenen Unternehmen selbstständig gemacht: Activision und Imagic.44 Laut einer umfassenden Reportage unter dem Titel ›What went wrong at Atari?‹, die Ende 1983 in zwei Teilen in der Infoworld erschien, gehe dieses Phänomen vor allem auf schlechte Personalführung zurück, insbesondere nachdem Warner Communications Inc. 1976 Atari gekauft und RAY KASSAR, HarvardMBA und Marketingleiter aus der Textilindustrie, als Geschäftsführer eingesetzt hatte.45 Dessen imperialer Führungsstil und Unverständnis gegenüber Hightech-Industrien so-

43 Mit seinem ersten Spiel als selbstständiger Entwickler schloss er aber an seine Überlegungen zur Geopolitik an, woraus schließlich ›Balance of Power‹ hervorgehen sollte. Vgl. C. Crawford: Balance of Power. Redmond/WA 1986. S. 216-219. 44 Vgl. S. Mace: Atari breeds success. In: Infoworld, In Focus, Vol. 4, No. 29, 26. Jul. 1982. S. 29. 45 Vgl. J. Hubner, W.F. Kistner Jr.: What went wrong at Atari? In: Infoworld, The Industry, Vol. 5, No. 48, 28. Nov. 1983. S. 151-158, insbesondere 158. Dies.: What went wrong at Atari? In: Infoworld, The Industry, Vol. 5, No. 49, 5. Dec. 1983. S. 145-155.

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wie den beteiligten »hardware wizards« und »software designers« habe maßgeblich zu Ataris Schwierigkeiten beigetragen. »Computers are like words or paint or music: Most people who work in any of those media are craftsmen; a few are artists. Atari in its early days had programmers whose work was so good that they qualified as artists.«

Der Artikel verweist insbesondere auf die »game designers« DAVID CRANE, LARRY KAPLAN, ALAN MILLER und BOB WHITEHEAD, die im Mai 1979 ein folgenreiches Gespräch mit KASSAR hatten. Nachdem deutlich geworden sei, dass mit den Spielen einzelner Entwickler/innen Millionenumsätze erzielt worden seien, während diese bei niedrigem Festgehalt in der Namenlosigkeit untergingen, strebten sie nach Anerkennung. »They wanted to treat them the way Warner treats recording artists. They felt their games had played a large role in the company’s success and they asked Kassar for royalties on them. They wanted recognition, too. Musicians got their names and pictures on record albums; why couldn’t theirs be put on game cartridges?«

KASSAR habe geantwortet, dass sie bloß »towel designers« seien, die es wie Sand am Meer gebe und deren Aufgabe jeder übernehmen könne. Im Oktober desselben Jahres gründeten ebenjene Entwickler/innen mit Activision das erste unabhängige Entwicklungsund Verlagsunternehmen, um zu belegen, dass KASSAR Unrecht habe, und ebneten damit den Weg für andere sogenannte Third-Party-Hersteller.46 Schon 1981 folgte eine weitere Gruppe von »game designers«, um die Firma Imagic zu gründen. Während die Designer/innen von Activision Berühmtheit in der Welt der Spiele erlangten, da ihre Namen und Bilder auf den Spieleverpackungen erschienen47 und sie zudem nach dem Börsengang der Firma enormen Reichtum anhäuften, blieben die Entwickler/innen, die bei Atari geblieben waren, mit der mangelnden Aufmerksamkeit sowohl inner- wie auch außerhalb des Unternehmens allein.48 Statt die »game designers« 46 Die Gründung von Activision war begleitet von einem etwa zwei Jahre dauernder Rechtsstreit mit Atari, das dem »Activision design team« vorwarf, auf der Grundlage von Geschäftsgeheimnissen zu arbeiten. Vgl. o.A.: Atari Sues to k.o. Competition. In: Infoworld, Vol. 2, No. 13, 4. Aug. 1980. S. 1. 47 Laut Crane, der als »senior designer« und »designer of the best-selling game software in the world« in der Infoworld befragt wurde, war die Namensnennung nicht der primäre Antrieb zur Gründung von Activision. Vgl. J. Bartimo: Q&A – David Crane. In: Infoworld, The Industry, Vol. 6, Is. 11, 12. Mar. 1984. S. 84. »[W]e are required as game designers to expand the state of the art with every video game we make. [...] The development and training that lead me to become a video-game designer involved playing games all my life (pinball when it was popular, and video games when they became popular) and a drive to create a high-technology computer product.« Ebd. 48 W. Robinett hatte den Schriftzug »Created by Warren Robinett.« in einem Geheimraum seines Spieles Adventure hinterlassen. »I did this in the tradition of artists, down through the centuries, identifying themselves as the authors of their own works. Atari imposed an irksome anonymity upon its designers, so subterfuge was required to put one’s mark upon a game.« Vgl. W. Robinett: Adventure As a Video Game. In: Ders.: Inventing the Adventure Game.

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dazu anzuleiten originelle, »playable games« zu entwickeln, entschied sich KASSAR, auf Filmlizenzen und Umsetzungen von Spielautomaten zu setzen. Erst als im Februar 1982 eine weitere Gruppe von Entwickler/innen gedroht habe, die Firma zu verlassen, habe auch KASSAR eingelenkt, Gehälter erhöht und einen Bonusplan eingeführt. Die Belohnung von Verkaufszahlen gegenüber Quantität oder Qualität habe allerdings zu anhaltendem Misstrauen und Verschlossenheit unter den Designer/innen geführt sowie zu weiter wachsender Unzufriedenheit. Die Konflikte zwischen den einzelnen Abteilungen sowie zwischen der Produktentwicklung und dem Marketing seien schließlich verantwortlich gewesen für unrealistische Entwicklungsvorgaben und Verkaufserwartungen sowie daraus folgend die Überproduktion schlechter Spiele, während gleichzeitig Neuentwicklungen eingestellt wurden.49 Nachdem Atari dann völlig überraschend am 8. Dezember 1982 einen Einbruch der Verkäufe angekündigt hatte, woraufhin ein massiver Einbruch der Warner-Aktie gefolgt sei, vermeldete die Infoworld im August 1983, dass Atari über 300 Millionen US-Dollar Verlust für das zweite Quartal 1983 angekündigt habe. Diese Summe stehe für das Zusammenwirken vieler Probleme bei Atari, den Überschuss an Konsolen- und Spielbeständen sowohl bei Atari als auch bei Händlern sowie die steigende intensive Konkurrenz in allen Geschäftsbereichen.50 Nachdem Atari bereits die Fertigung von Konsolen und Modulen in den USA eingestellt und massive Entlassungen durchgeführt hatte, folgte im April 1984 eine zweite Welle, von der auch die Abteilungen unter ALAN KAY betroffen war einschließlich der ›Games Research Group‹ mit etwa 16 Angestellten. Diese Versuche, das Unternehmen zu retten, blieben jedoch erfolglos, sodass die Reste von

Chapel Hill/NC 2001. (Online) Auch hatte Atari Autor Steve Bloom dazu angehalten, die Namen der von ihm befragten ›Inventors‹ zu verfälschen, um diese nicht an die Konkurrenz zu verlieren. Vgl. S. Bloom: Video Invaders. New York/NY 1982. S. 46-49. 49 Vgl. R.I. Sutton, K.M. Eisenhardt, J.V. Jucker: Managing organizational decline - Lessons from Atari. In: Organizational Dynamics, Vol. 14, Is. 4, Spring 1986. S. 17-29. Vgl. auch R.I. Sutton: Weird Ideas That Work. New York/NY u.a. 2002. S. 75-77. Eine Retrospektive dieser Zeit bei Atari hat Howard Scott Warshaw in einer Sammlung von Interviews mit Entwickler/innen dokumentiert. Vgl. Once Upon Atari [DVD]. San Jose/CA 2003. Chris Crawford kritisiert zu Recht, dass die Dokumentation, obwohl der Name anderes vermuten lässt, allein die ›VCS Software Group‹ von etwa 1980 bis 1984 behandelt und damit dem Unternehmen mit 10.000 Angestellten sowie drei großen Geschäftszweigen kaum gerecht wird. Warshaw gibt sich im Rahmen der Dokumentation leider wenig Mühe, diese Inhalte in den größeren Kontext der Atari Inc. einzuordnen. Vgl. C. Crawford: Once Upon Atari. In: Erasmatazz.com, Library. o.O. o.J. (Online) Kassar habe jedoch nichts aus diesen Ereignissen gelernt und die Entwickler/innen in einem Interview als »high-strung prima donnas« bezeichnet. Die Anekdote, rund um das hier erwähnte Interview, das wohl in einer Sonntagsausgabe der San Jose Mercury News abgedruckt wurde, wird in vielen ›Geschichten‹ erwähnt, doch wurden die Veröffentlichungsdaten bisher nicht recherchiert. 50 Vgl. S. Mace: Atari, TI report big losses for second quarter. In: Infoworld, Industry Report, Vol. 5, No. 34, 22. Aug. 1983. S. 16. Douglas Carlston datiert den Ausgangspunkt des Zusammenbruches der Softwarebranche auf ebenjenen Tag. Vgl. Ders.: Software People. New York/NY 1985. S. 221-245, hier 222.

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Atari schließlich im April 1984 vom Commodore-Gründer JACK TRAMIEL aufgekauft wurden.51 Während mangelhafte Personalführung und insbesondere die fehlende Anerkennung der Spieleentwickler/innen bei Atari zu anhaltenden Problemen führte, wurden gleichzeitig Konkurrenzunternehmen gegründet, zu deren Geschäftsmodell es gehörte, den Entwickler/innen sowohl finanzielle als auch mediale Anerkennung zuzugestehen. Zu diesen zählte neben Activision und Imagic auch Electronic Arts. ›Software Artists‹?

Unter den im Sommer 1983 durch Electronic Arts beworbenen ›Software Artists‹ war auch BILL BUDGE, dessen Pinball Construction Set zu den sechs Erstveröffentlichungen des neu gegründeten Spieleherstellers gehörte. Auf dem Plakat, das im Rahmen der Werbekampagne etwa der Oktoberausgabe der Creative Computing beilag und später bei Electronic Arts direkt bestellt werden konnte, war das in Versalien gedruckte ›SOFTWARE ARTISTS‹ allerdings mit einem Fragezeichen versehen: »It is a name these people are uncomfortable with. [...] ›I’m not sure there are any software artists yet,‹ says Bill Budge. ›Maybe we’ve got to earn that title.‹ [...] Pictured here are a few people who have come as close to earning it as anyone we know. They are people who expect – even presume – a deeper involvement of your imagination. They envision programs that will teach you by experience rather than memorization. They want to blur the traditional distinctions between art and entertainment and education and fantasy. [...] In short, they are people who may, over the next decade or so, change your life. And for that reason, you should know them.«52

Unter den acht abgebildeten Personen findet sich BILL BUDGE ganz rechts, sein Kinn auf einen nietengespickten Lederhandschuh gestützt.53 Gleich neben der großen, zentral stehenden Fotografie wird BUDGE vorgestellt. »BILL BUDGE [...] is something of a hero within the burgeoning software movement. He’s done things with code that cause veteran designers to blink in disbelief. Maybe his accomplishments are the result of his nearly poetic talents in the arcane algebra of machine language, or maybe they’re the outgrowths of the things he thinks about – like software friends, whole universe inventions and 51 Vgl. S. Mace, T. Shea: Atari enters second phase of layoffs. In: Infoworld, News, Vol. 6, Is. 16, 16. Apr. 1984. S. 13. Vgl. S. Mace: A New Atari Corp. In: Infoworld, The Industry, Vol. 6, Is. 32, 6. Aug. 1984. S. 50-53; auf der letzten Seite auch eine »time line« zur Geschichte von Atari. Alan Kay verließ die Firma Atari im Mai 1984, nur wenige Monate nach der Markteinführung des Apple ›Macintosh‹, der in vielen Punkten an die Forschungsarbeit des Xerox PARC anknüpfte, um »research fellow« bei Apple Computer zu werden. Vgl. S. Steve: Kay Power. In: Electronic Games, Vol. 3, Is. 4, Apr. 1985. S. 40-42, 70. 52 Electronic Arts: We See Farther (Poster). In: Creative Computing, Vol. 9, No. 10, Oct. 1983. S. 71-78. 53 Gerade das so einprägsame Bild des Handschuhs ist laut Budge ein Zufallsprodukt, da er diesen nur als Witz zum Fotoshooting mitgebracht hatte, Seeff ihn aber dazu überreden konnte, ihn für das Foto auch zu tragen. Vgl. DICE 2011: »Full Circle« Panel with Bill Budge. In: G4tv.com, 17. Feb. 2011. (Online)

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the emotional values of computerdom. Whatever the causes, there is general agreement that his PINBALL CONSTRUCTION SET is the most powerful program ever written for an 8-bit machine. If you’re the least bit skeptical of what these computers are really worth, you ought to watch PINBALL in action. You’ll see.«

Das Pinball Construction Set, verlegt von Electronic Arts, erschien im Juni 1983 im Handel.54 Damit gehörte es zu jenen Spielen, die mit ihren Verpackungen auf sich aufmerksam machen sollten, sich bewusst an der imagebildenden Funktion von Musikalben orientierten und den Raum gaben, die Entwickler/innen als ›Software Artists‹ in Szene zu setzen.55 Die aus stabiler Pappe gefertigte sogenannte ›Flat-Box‹ gleicht dabei einem kleinen Schallplattenalbum etwa in den Maßen 9" × 9" (tatsächlich nur etwa 22,1 × 22,1 cm) und kaum 1 Zentimeter dick – im Vergleich: Die typische Schallplattenpapphülle misst 12.375" × 12.375" (31,43 × 31,43 cm). Auch NORMAN SEEFF, der neben den Fotografien für die Werbekampagne auch Bilder für die Verpackungen von Spielen beisteuerte, hatte sich in den 1970er-Jahren nicht zuletzt als Gestalter von Schallplattencovern und beiliegenden Postern einen Namen gemacht.56 Die Idee einer ›Flat-Box‹ für Computerspiele in Anlehnung an Schallplattenalben geht wohl auf TRIP HAWKINS zurück, der mit ihnen nicht nur habe Geld sparen, sondern die gleiche Hingabe und Werbewirkung für Künstler/innen erzielen wollte, wie sie im Musikgeschäft üblich sei. Der beauftragten Agentur sei es dabei gelungen, die größte Druckerei für Schallplattenalben zu gewinnen und etwas Besseres, eine speziell für Disketten angepasste und sogar günstigere Verpackung zu entwickeln. Das Album für das Pinball Construction Set, an dem

54 Vgl. Bill Budge: Pinball Construction Set. Redwood City/CA 1983. Das ›Pinball Construction Set‹ war bereits ab Ende 1982 für den Apple II über den Eigenvertrieb BudgeCo zu beziehen. »One more nice thing BudgeCo has provided is the opportunity for everyone to become a famous game designer.« Vgl. o.A.: Things To Come – The Pinball Construction Set. In: Softline, Vol. 2, No. 2, Nov. 1982. S. 8f., hier 9. Im Juni 1983 erschien das Set dann als Teil der ersten Produktserie von Electronic Arts zusätzlich für den Atari-800-Heimcomputer. Im November 1983 folgte dann die Portierung auf den verbreiteten Commodore-64-Heimcomputer. Vgl. H. Falk: Publishers – Electronic Arts. In: Ders. (Hg.): GOTCHA, 20.02.2004. (Online) Dem Verfasser liegt die C64-Fassung vor, portiert von Olaf Lubeck. 55 »In June, their first games hit the market, and the response was overwhelming. [...] The packaging of the products was as attractive as it was innovative—album format: color photographs, liner notes, author bins and pictures—class all the way.« o.A.: New Players – Electronic Arts. In: Softline, Vol. 2, No. 6, Jul.-Aug. 1983. S. 52f., hier 52. 56 »Die Vorder- und die Rückseite des Plattencovers erfüllten eine ungemein wichtige Funktion. Durch sie konnte es gelingen, vor dem Hören der Musik bereits eine bestimmte Stimmung oder einen Appeal zu erzeugen: Die Hülle war im doppelten Sinne Imageträger. Eine Fotografie der Interpreten auf dem Cover weckte oder bestätigte Erwartungen, welche die Platte einzulösen vermochte oder nicht. [...] Diese Funktion nutzte die Musikindustrie, um den Sound mit der Bildebene zu verbinden. Norman Seeff ist als Gestalter und als Fotograf einer der Meister dieser Kunstform. [...] Seine Gabe ist es, den eigentlich unendlich weit entfernten Künstler als ein uns verwandtes Wesen zu zeigen.« Vgl. T. Schirmböck, J. Emmons: The Look of Sound. In: A. Wieczorek, T. Schirmböck (Hg.), Ausstellungskatalog: Norman Seeff – The Look of Sound. Heidelberg u.a. 2014. S. 10-12, hier 10.

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sich die Agentur habe exemplarisch austoben sollen, sei als erste Verpackung produziert worden und habe den Standard für alle folgenden gesetzt.57 Bei der ›Flat-Box‹ des Pinball Construction Set handelt es sich um ein zweifach aufklappbares Format gleich einem Wickelfalz. Die Titelseite ist eine am Rand offene Tasche, die den dünnen ›User’s Guide‹ sowie eine Referenzkarte enthält. Klappt man die Titelseite um, so blickt man auf der rechten Seite auf den Datenträger, eine 5¼-ZollDiskette, die in einer dünnen Schutzhülle bis zur Hälfte in einem Ausschnitt der Seite versenkt ist. Gleich hinter der Diskette ist das Impressum abgedruckt, darunter als Erstes: »Pinball Construction Set was designed, developed and programmed by Bill Budge.« Die Rückseite und die Innenseiten enthalten Informationen über das Programm und seinen Autor. Die Verpackung ist beinahe vollständig in Schwarz gehalten, von den farbkräftigen Abbildungen abgesehen, die von Text in weiß und blau gesetzter Serifenschrift begleitet werden.58 Das schwarz gerahmte Cover zeigt eine weite weiße, von einem orthogonalen Raster durchzogene, leicht windschiefe Ebene, vor einem blauen, mittig hell angestrahlten Hintergrund, dessen Ränder im Dunklen verschwinden. In surrealistischer Manier ragen zwei keramikweiße Hände in entspannter Pose wie Skulpturen aus der Ebene nach oben, beide Handinnenflächen einander gegenüber, um einen gedachten Mittelpunkt leicht in den Raum gedreht. Zwischen ihnen, in der Bildmitte, schwebt eine glänzende Kugel, auf der sich neben dem schwarz-blauen Hintergrund ein Flippertisch mit weißen und blauen Elementen sowie rotem Rahmen spiegelt, dessen Quelle jedoch – ebenso wie die Kamera – verborgen bleibt bzw. an den Ort der Betrachtenden gesetzt wird.59 Die Hände 57 Vgl. H. Falk: Publishers – Electronic Arts. In: Ders. (Hg.): GOTCHA, 20.02.2004. (Online) Verpackungsdesign, visuelle Gestaltung sowie Texte (»liner-notes«) wurden in Zusammenarbeit der beiden in San Francisco ansässigen Agenturen Steinhilber, Deutsch & Gard sowie Goodby, Berlin & Silverstein entwickelt. In den vier Variationen ›Tri-fold‹ (Drei-Flügel-Album), ›Bi-fold‹ (Zwei-Flügel-Album), ›Record Sleeve‹ (Tasche) und ›Fat Box‹ (Etui) kam das »mini album« bis 1988 zum Einsatz, bis es schließlich konventionelleren Verpackungsformen wich, nicht ohne jedoch Nachahmungen bei anderen Herstellern angeregt zu haben. Vgl. H. Falk: Collectibles – EA Flat Boxes. In: Ders. (Hg.): GOTCHA, 20.02.2004. (Online) 58 Die Gesamtanlage des Albums erinnert an Dark Side of the Moon (1973) von Pink Floyd, eines der gleichermaßen kommerziell wie kritisch erfolgreichsten Alben der Welt. Die LP erschien in den USA ursprünglich im sogenannten Gatefold-Format, zum Aufklappen, ganz in Schwarz gehalten, mit einem Prisma zentral auf Vorder- und Rückseite und einem teils in Spektralfarben zerlegten Lichtstrahl, der die gesamte Hülle umläuft. Die Texte auf Innen- und Rückseite sind dabei sachlich in weißer Schrift auf schwarzem Grund gehalten. Vgl. J. Harris: The Dark Side of the Moon. New York/NY u.a. 2006. S. 141-147. 59 Das Cover erinnert wohl nicht zufällig an die Lithografie Hand with Reflecting Sphere (bzw. Self-Portrait in Spherical Mirror) aus dem Jahre 1935 des niederländischen Künstlers M.C. Escher, dessen Bilder in ihrer Kombination aus Konstruiertheit und Psychedelik ab Ende der 1960er-Jahre – häufig widerrechtlich – immer wieder für Titelseiten von Schallplatten und Druckerzeugnissen Verwendung fanden. Die Idee wurde dann 1985 nochmals und deutlich expliziter aufgegriffen für die Titelgestaltung des ebenfalls bei Electronic Arts veröffentlichten Programmes ›Timothy Leary’s Mind Mirror‹. Zu den vorbildhaften Plattencovern vgl. etwa R. Seim: Plattencover und Konzertplakate. In: H. Schramm (Hg.): Handbuch Musik und Medien. Konstanz 2009. S. 397-438.

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wie auch die frei schwebende Kugel werfen einen deutlich sichtbaren Schatten auf die Ebene, was allen Elementen zusätzliche Räumlichkeit verleiht, während auf der Bildfläche selbst zwei Grafiken platziert sind. In der unteren linken Ecke prangt das Logo von Electronic Arts mit dem entsprechenden Schriftzug60 und zentral über allem auf dem schwarzen Hintergrund schließlich der Titel des Programmes, wobei der Name seines Autors nicht nur genannt, sondern tatsächlich als Signatur im grau-weißen Schriftzug vorangestellt wird: Bill Budge – Pinball Construction Set. Auf der Rückseite ist, überschrieben mit »About the Game«, großflächig ein Bildschirmfoto aus dem Programm abgedruckt. Es ist umrahmt von mehreren kurzen Textblöcken, die einzelne Funktionen des Spieles erläutern und von denen weiße Pfeile auf die jeweilig korrespondierenden Werkzeuge auf dem Bildschirm zeigen. Der Beschreibungstext verspricht: »A nearly telepathic link between you and the machine. Here is the promise made good. Here is the reason why you bought a computer in the first place.« Zentral, am unteren Rand der Verpackungsrückseite heißt es unter dem Logo von Electronic Arts in einem Text unter dem Titel ›About our Company‹: »We’re an association of electronic artists who share a common goal. We want to fulfill the potential of personal computing. That’s a tall order. But with enough imagination and enthusiasm we believe there’s a good chance for success. Our products, like this program, are evidence of our intent. If you’d like to get involved, please write to us [...].«

Wenn man schließlich die letzte Seite aufklappt und alle drei Innenpaneele offenliegen, wird auch der Autor BILL BUDGE ausführlicher vorgestellt. In großflächigen Fotografien, welche die gesamte Innenseite der aufgefalteten Verpackung füllen, ist er gleich fünf Mal in lässig sitzender Pose vor schwarzem Hintergrund zu sehen. Seine Erscheinung, durch einen optischen Effekt verzerrt, erhellt den dunklen Raum, der sich vor den Betrachtenden aufspannt, als bewege sich BUDGE mit der Geschwindigkeit elektrischen Stromes – ähnlich Laserstrahlen in der Dunkelheit – um diese herum, sowohl in den Hinter- als auch in den Vordergrund. Fotografiert mit weißen Handschuhen wird nicht nur auf die Abbildung des Covers rekurriert, sondern BUDGE als ein Magier inszeniert, der mit Leichtigkeit über die Schwerkraft triumphiert, indem er die glänzenden Spielkugeln 60 Das klassische Logo von Electronic Arts, bestehend aus Würfel, Kugel und Pyramide, wurde auf Anregung von Rich Melmon, dem Vizepräsidenten ›Sales and Marketing‹, von Barry Deutsch in der Agentur Steinhilber, Deutsch & Gard entwickelt und steht sowohl für das »basic alphabet of graphic design« als auch für die drei Buchstaben E, O und A aus dem Firmennamen, wobei die variierende Rasterung auf technische Verfahren verweist und zugleich Licht, Schatten und damit Volumen anzeigt. Diese drei Formen wurden in den Folgejahren immer wieder bewusst in den Titelbildern von Spielen versteckt. Vgl. H. Falk: Publishers – Electronic Arts. In: Ders. (Hg.): GOTCHA, 20.02.2004. (Online) Die sogenannten Grundformen Kreis, Quadrat und Dreieck, in ihrem Verständnis maßgeblich geprägt von der Kunstlehre Wassily Kandinskys, sind spätestens durch die Rezeption der Bauhaus-Lehren in den USA popularisiert und für das Grafikdesign kanonisiert worden. In der Folge wurden sie insbesondere auch in der Werbung eingesetzt, nicht zuletzt, wenn es um die Darstellung des Designs selbst ging. Vgl. A. Witte: Grundfarben und Grundformen in der Werbung. In: R.W. Brednich, H. Schmitt (Hg.): Symbole. Münster u.a. 1997. S. 483-495.

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durch scheinbar pure Willenskraft über seinen Händen schweben lässt. Oberhalb der Fotografien werden in vier kleinen Textblöcken pro Seite, neben Abbildungen aus der Grafik des Programms, die Werkzeuge des Konstruktionsbaukastens beschrieben. Und dann stellt der Text den Spielenden BILL BUDGE vor, und zwar als einen von ihnen, einen »grown up kid genius« und doch durchschnittlichen Spieler, der sich die Nächte mit Programmieren um die Ohren schlage, aber genau wisse, wie es sich anfühle, am anderen Ende des Programmes zu sitzen. »What is a construction set? Why would you want one? Budge thinks about things like this. [...] After all, the world is a construction set of sorts. You grab this and you add that and you make stuff. In a sense, Budge is just taking this process to a certain point and passing it on. He’s sculpting this beam of electrons, putting them through the arcane phases of machine language and then handling them to you in the more familiar forms of screwdrivers, hammers, and magnifying glasses. [...] Icons, he calls them. ›They’re symbols. Not just symbols for things in the world, but placeholders for the vast chunks of programming behind it all. They make the game accessible, make it feel like a construction set.‹ [...] Move the flippers here. Put a bumper in the mouth of the corridor. [...] Then shoot a ball through and wonder. With each flicker of light, waves of Budge code flood this way and that. Logic gates traffic bits by the thousands. You don’t see it. You don’t want to see it. You don’t have to see it. [...] Budge smiles, ›In a way, I’m just saving you a lot of time. You can read the manual for a few minutes, got over to the parts box, and get started. Right away, it works. You’re doing it. [...] That’s what makes this thing a toy.‹«

Es blieb allerdings nicht bei Anzeigen und Plakaten und aufwendig gestalteten Spieleverpackungen. TRIP HAWKINS, Firmengründer von Electronic Arts, suchte insbesondere den Kontakt zu den Spielemagazinen, um die Standpunkt seiner Firma zu erklären. Bereits in der Juliausgabe 1983 des Magazins Softline gelang es HAWKINS, die Sichtweise von Electronic Arts auf Programmierer/innen als Künstler/innen zu positionieren. »You won’t hear staffers at Electronic Arts ever refer to its programmers as programmers. They prefer the term software artists. Electronic Arts thinks of the computer not only as a technological advancement but as a new medium of communication. Software, then, becomes an art form that’s presented through that medium. According to Hawkins, the best software is being produced by people who act and think much the same way artists act and think; their first concern is for the opportunity to express themselves.«

BUDGE gehöre zur Riege dieser Künstler/innen. Der eigentlich als Einzelgänger bekannte »programmer supreme« sei nach einer langwierigen Anwerbung aber schließlich sehr froh gewesen, das Marketing, die Verpackung und die Dokumentation seiner Programme an Electronic Arts abzugeben und sich ganz auf das zu konzentrieren, was ihm Freude bereite: »designing games«. Mit dem Bild der Künstler/innen vor Augen, habe sich die Abteilung für »talent-development« aufgemacht, die herausragendsten »software designers« in den verschiedensten kreativen Bereichen ausfindig zu machen. Electronic Arts wolle bleibende Werke schaffen und setze daher auf Spiele, die auch lehrende Inhal-

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te hätten, sodass es gelinge, die »lasting values at the creative heart of play« anzusprechen.61 Auch in einem Bericht der Computer Gaming World, erschienen in der Oktoberausgabe 1983, macht HAWKINS deutlich, dass es zuallererst darum gehe, neue Talente zu finden und aufzubauen. »One of their key concepts in this area is the strong publicity that they give to the authors of their games. Each game comes packaged in a heavy cardboard album about 9" × 9". Each is in full color glossy and gives an introduction to and a picture of the game creators. EA hopes that treating the author of a game as the artist that he or she is will encourage the growth of talent, and encourage creativity.«

Electronic Arts biete zudem Unterstützung bei der Fertigstellung der Produkte sowie eigens entwickelte Werkzeuge, um etwa Programme einfacher auf anderen Plattformen zu übertragen. Schließlich wolle man spezielle Marketingstrategien einsetzen, um größere Stückzahlen zu verkaufen, indem etwa Packungen aussagekräftig gestaltet seien. »EA enters into contracts with its authors much like a recording studio does with its musicians, and encourages them to think of software as an art form. [...] The first generation of games from EA has six new releases and one translation. Bill Budge, now an Electronic Arts artist, has translated his Pinball Construction Set [...] for the Atari. [...] If this first generation of games is any indication of the quality and craftsmanship that Electronic Arts hopes to put into all of its releases, then we (the consumers) have just acquired a new hero.«62

Die Marketingkampagne von Electronic Arts ging jedoch noch weiter und präsentierte, an die erste Anzeige anknüpfend, BUDGE auf einer eigenen Doppelseite im November 1983 im Scientific American, links mit einer ganzseitigen Porträtfotografie, rechts den Begleittext überschrieben mit: »Are You Sure You Want To Call This Guy An Artist?«63 BUDGE, der über das Programmieren spreche, als schreibe man ein Gedicht mit einem Vokabular von nur 600 Wörtern, stelle Überlegungen an zur Entwicklung einer künstlichen Intelligenz, um einen glaubhaften, wandlungsfähigen »software friend« zu erschaffen, eine Illusion von Persönlichkeit. Er sei derjenige, heißt es, der dieses weit entfernte

61 o.A.: New Players – Electronic Arts. In: Softline, Vol. 2, No. 6, Jul.-Aug. 1983. S. 52f., hier 52. 62 Vgl. D. Long: Electronic Arts, Trip Hawkin’s Dream Come True. In: CGW, Vol. 3, No. 5, Oct. 1983. S. 10f. 63 Vgl. Electronic Arts: Bill Budge wants to write a program so human that turning it off would be an act of murder. In: Scientific American, Vol. 249, Is. 5, Nov. 1983. S. 24f. Eher als Randbemerkung verweist die Anzeige dann auch auf das Portfolio des Unternehmens: »Bill Budge’s classic PINBALL CONSTRUCTION SET is just one of more than a dozen remarkable publiccations by a company called Electronic Arts. We’re an association of software artists, united by a common goal: we want to realize the potential of the home computer. To do this, we’re creating software worthy not only of the capabilities of these machines, but also of the minds that use them.« Ebd. Die Schwarz-Weiß-Fassung der ersten Anzeige war in der Septemberausgabe 1983 von Scientific American abgedruckt.

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Ziel erreichen könne, habe er doch auch schon mit dem Pinball Constuction Set die Art und Weise verändert, mit der man über Personal Computer denke: »Instead of reacting to the machine, you were suddenly inside it, trafficking information this way and that, making things. It was like programming, but with familiar items – you’d grab this bumper, move those flippers, change the colors, then shoot a ball through it all and wonder. Maybe for the first time in a popular program, you could feel the power of the computer. [...] Steve Wozniak called it ›the best program ever written for an 8-bit machine.‹«

Und plötzlich frage man sich, was BUDGE wohl als Nächstes mache. Er selbst wird schließlich als nachdenklich und selbstkritisch gezeigt: »›Sometimes I worry,‹ he says. ›I worry about the ability of software to absorb you, focus on you, steal you away from your family and friends. Because in its short-term excitement, it seems to be more interesting. Of course, it’s not.‹ [...] He leans on his hand. ›Not yet.‹«

Die Werbestrategie von Electronic Arts zeigte allerdings bereits im Dezember 1983 erste, bewusst eingesetzte Brüche, wohl auch angesichts eines durch abstürzende Videospielumsätze angeschlagenen Marktes für Computerspiele.64 So entschied man bei Electronic Arts, das Softwaresortiment zu diversifizieren und zudem im Markt für ›Home Management Software‹ tätig zu werden. In einer aufwendigen doppelseitigen Werbeanzeige für die Textverarbeitung Cut & Paste sowie den finanzmathematischen Taschenrechner Financial Cookbook wurden daraufhin – nach dem Vorbild der früheren Anzeige – die sieben beteiligten Programmierer, unter ihnen DAVID MAYNARD, in lässiger Pose fotografisch inszeniert, begleitet nicht nur von einer »Philosophy of Design«, sondern auch von einem »Commitment to Home Management«. Über einer Anzeige für das Financial Cookbook hieß es im September 1984 sogar: »Can A Computer Make You Rich?«65 Damit erscheinen die Anzeigen beinahe wie Parodien des firmeneigenen Manifestes. Im gleichen Atemzug wurde der Fokus der anderen Softwareanzeigen schrittweise von den Produzierenden hin zu den Produkten selbst verschoben, so etwa auf jene für Apple-Computer portierten Spiele, das Music Construction Set, den Archon-Nachfolger Adept, die Konquistadoren-Simulation Seven Cities of Gold sowie das aggressive Angebot von drei Produkten zum Preis von zweien.66 Deutlich wird der Wandel in der Positio64 »Those of us in the home computer industry had thought that, with the death of videogames, the mantle had been passed to a new generation: us. Instead, videogames dragged us down with them.« C. Crawford: The History of Computer Games – The Atari Years. In: JCGD, Vol. 5, Is. 1, Oct. 1991. S. 6-9, hier 9. 65 Vgl. Electronic Arts: Home Management Software. In: Creative Computing. Vol. 9, No. 12, Dec. 1983. S. 66f. Vgl. Ders.: Can A Computer Make You Rich? In: Creative Computing, Vol. 10, No. 9, Sep. 1984. S. 153. 66 Electronic Arts: Electronic Arts for the Apple. In: Creative Computing. Vol. 9, No. 12, Dec. 1983. S. 68f. Ders.: The End of Dinkety-Dink-Dink. In: Creative Computing. Vol. 9, No. 12, Dec. 1983. S. 158. Ders.: Buy 2, Get 1 Free. In: CGW, Vol. 4, Is. 6, Dec. 1984. S. 8. Ders.: Son of Archon. In: CGW, Vol. 4, Is. 6, Dec. 1984. S. 17 (tatsächlich mit einer großen Fotografie von Jon Freeman, Paul Reiche III. und Anne Westfall). Ders.: A Second Chance to Get the New World Right. In: CGW, Vol. 4, Is. 6, Dec. 1984. S. 41.

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nierung der ›Designer/innen‹ jedoch schon anhand der Anzeige für das Basketballspiel Julius Erving and Larry Bird Go One-on-One, die in großen Lettern mit der Frage »Software Artists?« überschrieben ist und einzig thematisiert, wie man »this year’s hottest sports game« aus »two rather inexperienced designers« herausbekommen habe.67 »We talked to them, photographed them in action, studied their moves and their stats and their styles. Then we set out to create on computer disc an event which may never happen in real life. We put the two of them together on a dream court of light, for an electronic afternoon of one-onone. [...] It wasn’t easy. When they talked, we listened. When they criticized, we made big changes. When they gave suggestions, we took them.«

Als Designer/in wird niemand mehr genannt.68 Damit war die herausragende Stellung der ›Software Artists‹, wie sie mit der ersten Anzeige etabliert worden war, zumindest schon 1984 in der Außendarstellung deutlich relativiert. Zuletzt erschien etwa in der Dezemberausgabe 1986 von Compute! eine doppelseitige Anzeige unter Überschrift ›The Class of ’86‹, in der Electronic Arts noch einmal »our best software artists« präsentierte, die mit ihren Spielen und Anwendungen auf die Herausforderungen der »audio-visual horsepower« des Amiga geantwortet hätten; unter den 16 waren BRIAN FARGO, GLENN TENNEY, LARRY REED, RICK KOENIG, DAMON SLYE, EDDIE DOMBROWER, MIKE WALLACE, ANNE WESTFALL und JON FREEMAN.69 Das Pinball Construction Set bescherte BUDGE dennoch anhaltenden Ruhm, nicht zuletzt, da es in den Folgejahren eine ganze Welle an weiteren Konstruktionsbaukästen anstieß. Im April 1984 widmete die Infoworld diesen ›Computer Erector Sets‹ eine eigene Titelgeschichte, da die Spielenden bald in die Lage versetzt wurden, Musik, »adventure games, space stations, doll houses, movies, text outlines, and perhaps even construction sets themselves« zu konstruieren und damit die mystifizierte Computerprogrammierung sowie die volle Macht der Programmmodifikation für sich zu erschließen. Das Pinball Construction Set, das laut BUDGE in der Tradition der von SEYMOUR PAPERT formulierten »microworlds« stehe, sei dabei »the game that started it all«.70 In DOUGLAS CARLSTONS früher Geschichte der Softwareindustrie Software People von 1985 wählte der Präsident des Softwareverlages Brøderbund beispielhaft BUDGE als einen jener »Legendary Programmers«, die mit ihrem herausragenden Charakter die Softwareindustrie geprägt hätten.71 BUDGE sei der vollkommenste Vertreter einer neuen 67 Vgl. Electronic Arts: Software Artists? In: Creative Computing. Vol. 9, No. 12, Dec. 1983. S. 225. Ders.: Software Artists? In: CGW, Vol. 4, Is. 3, Jun. 1984. S. 8. 68 Hawkins betonte später, er habe selbst wesentlich zu Design und Produktion des Spieles beigetragen, um sein Bild von einer von Berühmtheiten getragenen Sportsimulation zu etablieren. »I designed the One on One game, and then hired Eric Hammond to implement it. He was struggling, so we moved him up to our town and had him work in a cubicle near where I was sitting for the last several month.« M. Ramsay: Gamers at Work. New York/NY 2012. S. 5. 69 Vgl. Electronic Arts: The Class of ’86. In: Compute, Is. 79, Dec. 1986. S. 14f. 70 Vgl. S. Mace: Computer Erector Sets. In: InfoWorld, Vol. 6, No. 16, 16.04.1984. S. 38-40. 71 »One of [the legendary programmers of the gold-rush years], Bill Budge, is not only an example of the new breed of programmer as fine artisan, but also an old friend of mine. His programs Raster Blaster and Pinball Construction Set were milestones in software history, ac-

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Art von Programmierer/in, die sich als Lehrer/in und Künstler/in sowie als Techniker/in und Handwerker/in sehe, er werde von Electronic Arts durch Auftritte, Poster und ganzseitige Anzeigen wie ein »pop star« und »culture hero« beworben. Er liebe das Programmieren, sei gutaussehend, vielseitig interessiert, belesen, ein ›Synthesizer‹ und Innovator und müsse erst noch an die Grenzen seiner Fähigkeiten stoßen.72 BUDGE habe das Programmieren (wie alle großen Programmierer/innen in jungen Jahren) im Alter von 16 Jahren auf dem ›harten Weg‹ durch den mühsamen und komplexen Umgang mit maschinennaher, kompakter und schneller Assemblersprache noch auf der ›Highschool‹ gelernt. Für die Karriere eines Programmierers haben ihn dann zwei »›religious experience[s]‹« gewonnen, als er erstmals das Prinzip der Programmschleife verstanden und er seinen ersten Kontakt zu einem Personal Computer gehabt habe. Ohne in eine Hackergemeinschaft eingebunden zu sein und ganz auf sich gestellt, habe BUDGE zunächst gezögert, sich ganz dem Programmieren zu widmen, bis er sich 1975 im »computer science program« an der Universität in Berkeley eingeschrieben habe, wo ihm sein Freund ANDY HERTZFELD 1977 einen der ersten Apple-Computer gezeigt habe.73 Sofort fasziniert von dessen enormer grafischer Bandbreite und der Aussicht, mit diesem ähnlich einem Jazzmusiker auf einem Piano herumzuspielen, habe sich BUDGE 1978 verschuldet, um einen Apple II zu kaufen. Ab 1979 habe er dann verstärkt mit Assemblersprache experimentiert, was ihn in die Lage versetzte, grafisch deutlich leistungsfähigere Programme zu produzieren sowie seine ersten Spiele zu verkaufen, wobei er immer schneller, besser und mit jedem verkauften Programm kommerziell erfolgreicher wurde. Ausgestattet mit einem finanziellen Polster und ausgehend von seinem Interesse an Flipperautomaten habe er sich dann an einer Flippersimulation versucht und das grafisch bahnbrechende Raster Blaster (1981) entwickelt. Basierend auf diesem Programm und herausgefordert durch die Äußerung eines anderen Programmierers sei dann das Pinball Construction Set entstanden, dessen grafische Benutzeroberfläche es erstmals ermögliche – ohne Programmierwissen– die inneren Abläufe des Computers zu manipulieren.74

claimed for their artistry as well as the sheer dollar volume of their sales.« D.G. Carlston: Software People. New York/NY 1985. S. 11f. 72 Hier und folgend, vgl. ebd., S. 83-102. 73 Carlston zitiert Budge: »I wanted to make cartoons and games. That’s what I thought was really neat about these new little computers that you could plug into your television. I thought that computers by themselves were a lot less interesting than computers combined with other things-like entertainment or education or art.« Ebd. 74 Schon auf der COMPCON ’82 im Februar 1982 hatte Budge auf verschiedene Techniken und Möglichkeiten der Grafikprogrammierung für Spiele hingewiesen. Vgl. Ders: Impossible Graphics for Microcomputers. In: IEEE Computer Society (Hg.): COMPCON ’82, Digest of Papers. Los Alamitos/CA 1982. S. 73-74. »Chris Jochumson, who had created Broderbund’s The Arcade Machine, [that enabled the user to create a variety of of ›shoot-’em-up-games,‹] was there, and so was David Snider. David had written a best-selling pinball game that Broderbund sold under the name David’s Midnight Magic. [...] David was of the opinion that a generalized pinball microcomputer construction set, one that could simulate a wide variety of pinball layouts, couldn’t be created, [...] Bill was convinced that it could be done. It took him longer than he thought it would take, but he was certainly right.« Ebd., S. [97], 98f.

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Schließlich habe Electronic Arts BUDGE für seine Reihe von »software artists« gewinnen können, ihn und sein Programm massiv beworben – niemand habe es mehr verdient.75 BUDGE plane derweil, weitere Werkzeuge zu entwickeln, mit denen etwa auch Film- und Theaterschaffende arbeiten und ihre Kunst weiterentwickeln könnten, wobei er sich explizit auf die Arbeit von ALAN KAY beziehe und dessen Versuch, neue Metaphern für die Arbeit mit dem Computer zu finden. DOUGLAS CARLSTON kommt zu dem abschließenden Urteil: »I know a few young programmers, and they give me good reason to suspect that Bill Budge is just one of many software artists who will make themselves known in the next three, five, or ten years. But today’s teenage programmers have at least one advantage over Bill: As a pioneer, he didn’t have any role models himself, but the up-and-coming hackers of today and tomorrow have Bill Budge and his products to emulate.«76

Trotz der großen Erwartungen, auch gegenüber sich selbst, was nach dem Pinball Construction Set folgen solle, zog sich BUDGE Mitte der 1980er-Jahre erschöpft aus der Spieleindustrie zurück, womit diese einen ihrer ersten ›Popstars‹ gleich wieder verlor.77 Bereits die ursprüngliche Werbeanzeige, die im Juni 1983 erschienen war, hatte den Titel ›Software Artist‹ süffisant in Zweifel gezogen. Schon hier wurde BUDGE mit dem Hinweis zitiert, dass man sich diesen Titel wohl noch verdienen müsse. Die abgebildeten Personen seien – laut Electronic Arts – diejenigen, die diesem Titel am nächsten stünden. So ist ganz am Ende zu lesen: »When you see what they’ve accomplished, we think you’ll agree with us that they can call themselves whatever they want.«78 ›So You Still Want to Write a Computer Game‹

In einem Interview aus dem Jahr 2001 erinnerte sich CHRIS CRAWFORD an seine Zeit bei Atari, in der es absurd schien, dass ›Game Design‹ einmal eine entwickelte Profession 75 »As far as Bill is concerned, his apprenticeship was shoot-’em-up games, he became a journeyman with Raster Blaster, and he just started his career as a master software craftsman with Pinball Construction Set. He and a lot of others, including me, think that the world has only begun to see the effects of his unique talent.« Ebd., S. 100f. 76 Ebd., S. 102. 77 »I was burned out from trying to constantly out-do myself. This was after spending a lot of time thinking what to do after ›Pinball Construction Set.‹ [...] I filled a lot of notebooks with design ideas. I spent a few summers in Maui windsurfing. I did some programming for Apple [...].« Vgl. J. Hague: Bill Budge. In: Ders. (Hg.): Halcyon Days. Issaquah/WA 1997. (Online) Von Oktober 1984 bis Juni 1985 (Vol. 4, Is. 2-10) veröffentlichte Budge seine eigene Technologie-Kolumne ›The Graphics Page‹ im Magazin Softalk. Erst in den 1990er-Jahren entwikkelte Budge wieder Spielesoftware, zunächst eine Flippersimulation für Electronic Arts. Obwohl er nicht mehr in gleicher Weise ins Rampenlicht zurückkehrte, wurde Budge im Jahr 2011, nach David Crane im Vorjahr, mit dem zweiten ›Pioneer Award‹ der ›Academy of Interactive Arts and Sciences‹ ausgezeichnet. Vgl. C. Kohler: Trailblazing DIY Pinball Game Snags Pioneer Award for Bill Budge. In: Wired.com, 21. Jan 2011. (Online) 78 Electronic Arts: Can A Computer Make You Cry? In: Creative Computing, Vol. 9, No. 6, Jun. 1983. S. 166f.

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sein würde, und Game Designer/innen einmal wie »rock stars« sein könnten. Damals habe es auf der Welt nur wenige Dutzend »game designers« gegeben, die meisten von ihnen waren untereinander bekannt, zumindest im Hause Atari, wobei sich viele von ihnen nicht als »game designers« betrachteten. »For example, I remember a meeting where the department manager said, ›All right everybody, we need to print up new business cards for everybody, and we need to select what kind of title you want.‹ And there was some thing of a debate among the staff whether they wanted to be listed as ›Game Designer‹ or ›Programmer.‹ I remember people saying, ›Gee, you know, if we put our titles down as Game Designer, we may not be able to get another job.‹ And I think we ended up going with ›Game Programmer.‹ But game design was nowhere near the thing it is today, it was just a very obscure thing. I remember telling people when they’d ask me, ›What do you do?‹ And I’d say, ›I design games for Atari.‹ And they’d say, ›Wow. That’s really strange. How do you do that?‹ It was a very exotic answer back then.«79

Ungeachtet dieser Situation nutzte CRAWFORD, nachdem er sich in der Titelei von The Art of Computer Game Design selbst als »game designer« bezeichnet hatte, den Begriff durchgehend und selbstverständlich im gesamten Buch80, gelegentlich im Wechsel mit »designer/s«81 und »computer(-)game designer/s«82 sowie in Abgrenzung etwa zum »simulations designer«, »storyteller«, »toymaker« und »(nonartistic) programmer«.83 Game Designer/innen werden bei CRAWFORD also unverkennbar als zentral handelnde Personen identifiziert, die für die gesamte kreative Produktion eines Spieles verantwortlich zeichnen, angefangen bei Konzeption und Entwurf bis hin zur Programmierung und Ausbesserung. CRAWFORD geht sogar so weit, als siebte und letzte Regel des Umganges mit dem Computer als »Game Technology« die »Unity of Design Effort« zu fordern und damit die Einheit von Designer/in und Programmierer/in in einer Person.84 79 Vgl. R. Rouse, III.: Game Design in Theory and Practice. Plano/TX 2001. S. 271. Das erwachende Selbstbewusstsein der Game Designer, ein »creator« und nicht ein »nameless programmer« zu sein, wurde von Atari aus auch nach Japan exportiert. Der Japaner Masanobu Endo, der für NAMCO u.a. den Spielautomaten Xevious entwickelte, versteckte 1982 seine Signatur im Spiel: »NAMCO ORIGINAL program by EVEZOO.« Dem ging sein Besuch bei Atari voraus, die das Spiel in den USA vertreiben sollten. Er erinnert sich anekdotenhaft: »An Atari staffer asked me: ›What do you do?‹ I said: ›I write programs, create game content, and make characters.‹ The staffer replied, ›Oh, you’re a game designer. That’s what we call a person who does everything at Atari.‹« Von da an verwendete er die Bezeichnung für sich selbst. »Back in ’82, there was no understanding about the video-game world. I used the term ›game designer‹ because I wanted people to think game makers were smart and precise.« B. Ashcraft: Arcade Mania! Tokio 2008. S. 76f. 80 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. VIII, 2, 5, 9, 42-44, 46-48, 52, 54, 56f., 59-61, 63f., 66, 72, 77f., 81, 85, 91, 105. 81 Vgl. ebd., S. XI, 6, 10, 24f., 36, 41, 43f., 47-49, 52f., 56f., 60f., 64, 66, 68f., 72-74, 80, 8285. 82 Vgl. ebd., S. XIV, 41, 48, 51, 92. 83 Vgl. ebd., S. 5, 9, 56f. Er nennt zudem »board game designer«, »arcade game designers« sowie »home video game designers«. Ebd., S. 47, 59. 84 Vgl. ebd., S. 56f., hier 57.

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So wendet er sich explizit gegen »design teams« aus »nontechnical game designer« und »nonartistic programmer«, die für die Aufgaben des jeweils anderen blind seien. Sowohl Design als auch Programmierung seien schwierige und mit schmerzhaften Entscheidungen behaftete Aktivitäten, deren Stile sich gegenseitig behinderten; während Ersteres unrealistische Ansprüche stelle, blieben bei Letzterem auftretende Möglichkeiten ungenutzt. Beide Fähigkeiten seien selten und nur schwer zu erlangen, noch seltener seien sie in einer Person anzutreffen. Erst mit solchen Individuen an der Spitze eines Projektes könnten Untergebene unterschiedliche Teile aus Design und Programmierung übernehmen, ihre kreative Energie multiplizieren und selbst wertvolles Training erhalten. In jedem Falle müsse sich der kreative Prozess in einer »single mind« vereinen. »There is no easy way to produce good computer games. You must start with a good designer, an individual with artistic flair and a feel for people. That person must then learn to program. The opposite direction of development [...] will not work, for programmers are made but artists are born.«

Bereits in der Juliausgabe 1983 des Magazins Computer Gaming World veröffentlichte JON FREEMAN im Rahmen seiner Kolumne ›The Name of the Game‹ einen Beitrag, in dem er sich ebenfalls mit der Bezeichnung ›Game Designer/in‹ auseinandersetzt.85 Namen seien nämlich wesentlich dafür verantwortlich, wie man über Dinge denke und – in der Konsequenz – handele. Ausgangspunkt ist seine Beobachtung, dass die Mehrzahl der »›game designers‹«, die in Broschüren, Artikeln, Interviews und Anleitungen genannt oder zitiert werden, gar keine seien, sondern etwas ganz anderes. Diese Verwirrung teilten Redakteur/innen, Führungskräfte in der Industrie, Spielende wie auch Designer/innen selbst und sie habe verheerende Auswirkungen. Im Falle von Brettspielen sei die Antwort auf die Frage, was ein ›Game Designer‹ sei, allerdings bekannt: »The designer of board games is the one who conceives the idea of the game and works out the rules. The layout of the board, the number and kinds of pieces, strength, movement, money, dice, cards, whatever: all these things clearly fall within the designer’s purview. Others may draw the final version of the board, paint the cover, mold the pieces, print the money, and so on — but the artists, graphic artists, typesetters, etc. are not game designers.«

Im Falle von ›Computer games‹ sei die Sache schwieriger, da insgesamt fünf unterschiedliche Disziplinen am ›Design‹ eines ›Computer game‹ beteiligt seien: »game design and development«, »program design and execution«, Grafikdesign, das Design von Soundeffekten und Musik sowie schließlich das Verfassen des Handbuches. ›Game Design‹ dürfe aber nicht verwechselt werden mit der Implementierung des Konzeptes, der Regeln, der Grafik und Soundeffekte in ein Computerprogramm; dies sei »programming«. »Game design for a computer game is, in fact, exactly the same sort of stuff as it is in a board, card, or role-playing game: determining and defining in detail matters of game structure, aim, goal, subject, theme, layout, and so forth—who does what to whom, and what the result is.«

Selbst wenn die Entwicklung eines Spieles vollständig in den Händen einer einzelnen Person liege, sei es nicht immer richtig, diese als »›game designer‹« zu betiteln, wenn es 85 Vgl. J. Freeman: What’s in a name? In: CGW, Vol. 3, No. 4, Jul./Aug. 1983. S. 38, 45.

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sich dabei um eine Tätigkeit handele, die diese tatsächlich kaum ausgeführt habe. Denn viele Entwickler/innen, vor allem von ›Video games‹, seien vor allem mit Entwurf und Ausführung des Programmierens, daneben mit Grafik- sowie Sounddesign und nur sehr wenig mit ›Game Design‹ befasst; im Falle einer Portierung oder Kopie eines bestehenden Spieles sinke der Anteil von ›Game Design‹ schließlich sogar auf null. Daher sei die richtige Bezeichnung für die meisten »›videogame designers‹« eher »›program designers‹« oder »›game programmers‹«. Die Folgen dieses Missverständnisses seien nicht nur die Wahnvorstellungen vieler Programmierer/innen, die sich für Game Designer/innen hielten. Vielmehr werde die Tätigkeit des ›Game Design‹ in vielen Fällen nicht als eigenständiges Aufgabenfeld erkannt. Programmierung sei ein essenzieller Bestandteil eines jeden Computerspieles und daher nicht schlechtzureden: »Good program design is as much an art (and potentially as creative an art), as game design.« Doch tatsächlich gebe es nur sehr wenige Menschen, die beide Disziplinen mit ihren unterschiedlichen Begabungen und Denkweisen beherrschten.86 Spiele von Programmierer/innen seien oft simpel und unoriginell, jene von Designer/innen seien beinahe unausweichlich überdimensioniert und ungelenk. Die naheliegende Lösung dieses Problems, nämlich die Zusammenarbeit von Designer/in und Programmierer/in, sei jedoch für all jene verstellt, die zwischen diesen Disziplinen keinen Unterschied machten. Wenn »program design« jedoch »game design« genannt werde, so verliere »real game design« seine Signifikanz und Aufmerksamkeit, werde zu einem nachgelagerten Gedanken. Die Konzeption und Kreation eines Spieles werde mit der sklavischen Nachahmung und dem dreisten Abkupfern anderer Spiele gleichgestellt. Wer die Bezeichnung ›Game Design‹ betrachte, werde also mit reichlich verschiedenen Bedeutungen konfrontiert. Für die Aprilausgabe 1984 der Computer Gaming World, unmittelbar vor CRAWFORDS Entlassung – er wird noch immer mit »heads a game design/research group at Atari, Inc.« geführt – und kurz vor der Veröffentlichung seines Buches The Art of Computer Game Design, verfasste er seinen Folgeartikel ›So You Still Want To Write A Computer Game!‹, in welchem er gleich zu Anfang betont, dass die »computer games industry« in den vergangen 24 Monaten dramatische Veränderungen durchgemacht habe, die auch angehende »computer game designer« betreffe. Unverändert sei noch immer, dass »Assembly language« die einzige Option für ernst zu nehmende »game designers« darstelle, und dass sich das unbeständige Wesen von Ruhm und Reichtum weder verlässlich auf die richtigen Personen richte, noch zwingend in Verkaufszahlen niederschlage. Dagegen scheine der Aufruf sowohl zur Ausbesserung – »polish, polish, polish« – als auch zur Originalität angesichts der zunehmenden Produktqualität und der wachsenden Erwartungshaltung der Kundschaft heute sogar noch zutreffender zu sein. Die wichtigste Veränderung in den vergangenen zwei Jahren sei der Verlust von Übersicht und Vorhersagbarkeit über die Verbreitung und Verfügbarkeit von Personal- und Heimcomputern, was es besonders schwierig mache, sich für eine Entwicklungsplattform zu entscheiden. In diesem Zuge habe sich 48K als Standard für Disketten und Arbeitsspeicher durchgesetzt, was mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Arbeit bedeute. Verbunden mit den wachsenden Projektgrößen sei schließlich ebenso 86 Beispielhaft nennt Freeman: »Dan Bunten, Chris Crawford, and Robert Leyland have talent in both areas, but they don’t have a lot of company.« Vgl. ebd., S. 46.

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der Übergang von der entwickelnden Einzelperson zum größeren »software development team«, das in Zukunft sogar noch wichtiger werde. »Richard Garriott, Dan Bunton, and Jon Freeman are examples of notable game designers who are really team leaders rather than lonely individuals. Even I, the squawking exponent of rugged individualism, resorted to a team effort to execute EXCALIBUR.« Die Spieleentwicklung wandle sich von der kleinen Manufaktur zum Großbetrieb. Wo es einem Individuum vor drei Jahren noch möglich gewesen sei, die Industrie zu revolutionieren, bleibe diesem nun nur noch die Möglichkeit, in Vollzeit an Projekten zu arbeiten oder Unterstützung durch außenstehende Organisationen einzuholen. Für angehende »game designer«, die sich dadurch entmutigen ließen, solle dies zumindest ein Zeichen für die Reifung der Industrie sein.87 Und auch JON FREEMAN, der zu jener ursprünglichen Gruppe von ›Software Artists‹ gehörte, die in der Werbekampagne von Electronic Arts beworben worden waren, widmete sich im April 1984 in seiner Kolumne den ›Software Superstars‹, über die in der jüngsten Zeit viel gesprochen worden sei, ohne jedoch die Bedeutung des Begriffes zu klären. Er selbst habe eine Abneigung gegenüber dem Begriff ›Superstar‹, da es sich um eine unzulässige Übertreibung handele. Es gebe bis jetzt keine Entwickler/innen, die sich als Superstar qualifizierten. Selbst wenn es manchen Zeitungsartikel gegeben habe, der »Real World« seien diese Personen unbekannt; keine Groupies, keine Schlagzeilen, keine Auftritte im Fernsehen, keine Anwesen in teuren Vierteln. Selbst in der »computer community« seien namentliche Bekanntheit und Respekt wenig verbreitet, während Verlagshäuser wenig Interesse daran hätten, finanzielle Ansprüche bekannterer Designer/innen und Programmierer/innen sowie etwaige Starallüren wie in der Film- und Musikindustrie zu (er)tragen. Passender und lohnender sei da schon das Verhältnis von Autor/in und Buchverlag, bei dem das Endprodukt im Mittelpunkt stehe, während sich alles andere im Hintergrund abspiele. Ähnlich wie als Autor/in könne und solle man aber durchaus eine gewisse Berühmtheit erlangen, womit auch die Anerkennung individueller Errungenschaften, die Betonung herausragender Leistungen gegenüber Schund und Plagiaten sowie eine berechtigte materielle und immaterielle Belohnung einhergehe. ›Software Stars‹ könnten ihrem Publikum dasselbe bieten wie Schriftsteller/innen ihrer Leserschaft: Qualität, Beständigkeit, die Befriedigung erfüllter Erwartungen. Einige Verlagshäuser arbeiteten daran, eine ähnliche Markentreue in ihrer Kundschaft aufzubauen. Etablierte ›Stars‹ seien ein Mittel, um Vorhersagbarkeit herzustellen, und die könnten dazu beitragen, dass weniger »good stuff« im Morast der Mittelmäßigkeit untergehe. Der Schlüssel für Designer/innen und Programmierer/innen echte ›Software Stars‹ zu werden, sei es, eine beständig hohe Qualität abzuliefern, womit auch der Erwerb von Software eine wahre Freude werden könne.88 In der Dezemberausgabe 1984 der Computer Gaming World widmete FREEMAN seine Kolumne ›The Name of the Game‹ der Frage: ›Should You Turn Pro?‹ Denn jedweder, auch nur »half-serious gamer« habe schon einmal den Gedanken gehabt, selbst ein Spiel zu entwickeln. Wer Wochen damit zubringe, einen Kopierschutz auszuhebeln, könne sich ebenfalls damit befassen, einen zu entwickeln. Für alle anderen sei diese Ent87 Vgl. C. Crawford: So You Still Want To Write A Computer Game! In: CGW, Vol. 4, Is. 2, Apr. 1984. S. 11. 88 Vgl. J. Freeman: Software Superstars? In: CGW, Vol. 4, Is. 2, Apr. 1984. S. 39.

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scheidung jedoch schwieriger zu fällen, da sie unter anderem von Talent, Temperament, Hintergrund, Neigung, finanzieller und familiärer Situation abhängig sei. Computerspiele seien weder ein Weg zu Ruhm noch zu Reichtum. Auch wenn es kaum möglich sei, mit dieser Arbeit Millionen zu verdienen, könne man inzwischen durchaus mit »designing games« seinen Lebensunterhalt bestreiten. Dennoch sei dieses Geschäft von enormem Druck begleitet, etwa wenn man sich als Anfänger/in das zweite Spiel einfallen lassen müsse. Ein ernsthaftes Projekt benötige mindestens sechs Monate, wirklich große Projekte bräuchten Jahre. Alle neun bis zwölf Monate ein neues Spiel zu veröffentlichen, sei schon gut, aber selbst dann brauche es sechs Monate, bis man das erste Honorar erhalte, wobei sich dessen Höhe schwerlich bestimmen ließe. Zum jetzigen Zeitpunkt, Ende 1984, sei es zwar nicht unmöglich, aber deutlich schwieriger, in die Branche einzusteigen, da die guten, erfolgreichen Firmen deutlich weniger bereit seien Unbekannten eine Chance zu geben. Es sei zu erwarten, dass viele Softwareunternehmen das Weihnachtsgeschäft nicht überlebten, da es ihnen kaum gelänge, sich Plätze in den Regalen zu sichern. Angesichts dieser Situation sei es – wie bei vielen anderen kreativen Tätigkeiten – besser, sich entweder einer gänzlich anderen Branche zu widmen oder sich selbstständig zu machen. Unbehindert von Firmenpolitik und künstlichen Restriktionen, könne man der eigenen ›künstlerischen Freiheit‹ und dem eigenen Arbeitsrhythmus folgen, müsse aber auch ungeachtet aller Widerstände Abgabetermine einhalten und sei finanziell dem Gefallen des Verlagshauses und des Publikums ausgeliefert. Letztlich sei nur man selbst in der Lage zu beurteilen, ob man unter die professionellen Entwickler/innen gehen wolle; und wenn man glaube, es handle sich um einen Weg, um schnell zu Geld zu kommen, so lerne man in jedem Falle dazu. Doch was immer man tue, man solle niemals Schule oder Arbeitsstelle aufgeben ohne ausreichend Geld in der Hand und auf dem Bankkonto. Dann gelte: »Play with your computer. Take classes. Read books (not just computer books), see movies, play games (and not just computer games). Join users’ groups. Talk. Play more games: analyze them, enjoy them, criticize them. Change the rules, experiment, improve them. Spend every waking moment at your computer—and as much time as possible away from it. Find a good, original idea; take the time to develop it properly; polish it until it shines. When you’re really satisfied with it, show it to a successful publisher, and be prepared to polish it until they are satisfied.«89

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt SHARON DARLING in ihrem Artikel ›Birth of a Computer Game‹, erschienen in der Februarausgabe 1985 des Magazins Compute!, basierend auf Gesprächen mit CRAWFORD, FREEMAN, BUDGE, BRUCE CARVER und DAN BUNTEN. Dabei handele es sich um einige der berühmtesten Namen im »computer game design«. Dennoch solle man sie nicht bloß »master programmers« nennen, sondern Künstler, die zudem wüssten, wie man einen Computer programmiert. Tatsächlich werde das Programmieren überbewertet, da für ein gutes Spiel vielmehr ein Verständnis von Design, visueller Gestaltung und Interaktion entscheidend sei. Um als MöchtegernGame-Designer/in zu beginnen, gebe es zwei Ansätze: entweder sich etwas auszudenken, das über die geläufige Vorstellung eines Computerspieles hinausgehe, oder von dem als Richtschnur auszugehen, das bisher vollbracht worden sei. Angehende Designer/innen müssten sich aber klar darüber sein, dass dieser Prozess keineswegs ein einfacher sei. Es 89 Vgl. J. Freeman: Should you turn pro? In: CGW, Vol. 4, Is. 6, Dec. 1984. S. 16, 42.

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gehöre zur »artistic honesty«, nicht allein Programme zu schreiben, die Imitationen oder Variationen bereits existierender Spiele seien, sondern sich zu fragen, wie man ein wichtiges weltweites Interesse einfange. Man müsse bereit sein, sich auf verfügbare Themen, Techniken und Ansätze einzulassen, die noch nicht genutzt worden seien, statt das eigene Universum zu eng zu definieren. Alle fünf Designer seien sich allerdings darin einig, dass es derzeit für jede Person schwierig sei, ein Spiel im heute unberechenbaren Markt veröffentlicht zu bekommen. CRAWFORD wird abschließend mit den Worten zitiert: »I will point out the sad truth. We have pretty much passed the period where hobbyists could put together a game that would have commercial prospect. It’s much more difficult to break in, much less stay in. Right now, in November 1984, I would discourage anyone. If you want to do a game, do it for fun, but don’t try to do game designs to make any money. The odds are so much against the individual that I would hate to wish that heartbreak on anyone.«90

Dagegen erschien noch in der Märzausgabe 1985 des Magazins Electronic Games, ein Artikel von ROBERT ALONSO unter dem Titel ›How To Become A Game Designer. Turning Your Hobby Into $$$.‹ Wenn man Spaß an Computerspielen habe und vor allem daran, sie zu kreieren, dann solle man der wachsenden Gruppe respektabler Personen – »from students to homemakers« – beitreten, die in diesem »artistically satisfying, lucrative field« eine Menge Geld verdienten. »Computer game designers are unique in that they begin designing and making money at a young age. They develop their talent in all directions, as well as command high fees. The market for computer games is rapidly expanding, and the more original or difficult an idea, the better its chances of becoming a hit.«

Mit Klonen oder Derivaten sei es heute nicht mehr getan. Um erfolgreich zu sein, müsse man ein innovatives Programm in der schnelleren und weniger fehleranfälligen Maschinensprache schreiben und dieses im Anschluss dokumentieren oder erklären können. Dies sei umso wichtiger, da Spiele inzwischen für viele unterschiedliche Systeme umgesetzt werden müssten. Viele Unternehmen suchten neue Programmierer/innen und Programme, doch müsse man Verträge stets überprüfen lassen, um sich vor skrupellosen Vereinbarungen zu schützen. Selbst exzellente Spiele würden abgelehnt, wenn sie nicht ins Sortiment eines Verlages passten, sie technologisch rückständig oder anderen Spielen zu ähnlich seien. Dann könne man auch an Magazine herantreten, wobei man davor zurückschrecken solle, sämtliche Rechte an einem Produkt abzutreten. Auch als Autor/in von Zeitschriftenartikeln bzw. Listings oder Computerbüchern könne man gut verdienen. Vor allem Letzteres sei weit weniger kompliziert, als man gemeinhin annehme, und könne dabei deutlich mehr Geld einbringen als ein Programm, da die Buchverlage in diesem wachsenden Markt nach neuen Veröffentlichungen gierten. »›Computer game designer‹ has become a viable career choice, right up there with doctor, lawyer, and engineer. Young people, as well as some older ones, are making fortunes with software, maga-

90 Vgl. S. Darling: Birth of a Computer Game. In: Compute!, Is. 57, Vol. 7, No. 2, Feb. 1985. S. 48-54, hier 54.

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zine articles, and books. You could be the next one, so don’t delay, write a program, article or book today!«91

Das Magazin Electronic Games wurde schon eine Ausgabe später endgültig eingestellt, da als Nachwirkung des Einbruches des US-amerikanischen Videospielemarktes auch die Werbekunden für entsprechende Magazine ausblieben. Game Designer/innen in der Computer Gaming World und bei Electronic Arts

1986 ging ein zentrales Organ des Austausches für Game Designer/innen verloren. Die Computer Gaming World, die in den ersten Jahren ihres Erscheinens von 1981 bis Ende 1985 unter anderem diverse Artikel von CRAWFORD, die Kolumne ›The Name of the Game‹ von FREEMAN, die Reihe ›The Silicon Cerebrum‹ von BRUCE WEBSTER sowie die Artikelserien ›Real World Gaming‹ und ›Dispatches: Insights from the strategy game design front‹ von DAN BUNTON abgedruckt hatte, räumte den Schriften der Game Designer/innen nun keinen Platz mehr ein. Das ursprünglich gegebene Interesse an ›Game Design‹ erklärt sich aus den Anfängen des Magazins, an die sich Gründer und Herausgeber RUSSELL SIPE in seinem Gasteditorial zum 15-jährigen Jubiläum so erinnert: »In late 1979, I got the harebrained notion that I could be a computer game designer. I had designed a board game or two and thought that, with a few month invested in reading programming tutorials, I could become a ›player‹ in what I thought would be a wonderful emerging hobby and industry. I was right about the hobby and industry, but quite wrong about being a computer game designer. [...] After spending only two weeks with the Applesoft tutorial manual, I knew that I didn’t have the personality to be a programmer. [...] While trying to figure out how to get the computer to pay for itself, I was playing a lot of games.«

Erst dann, angesichts der fehlenden Möglichkeit sich mit anderen über Spiele auszutauschen, sei er auf die Idee gekommen, ein Magazin zu gründen, das Spiele rezensiert und als Plattform für den Austausch der Spieler/innen dient.92 Auch der Titel des Magazins Computer Gaming World sollte – wie sich SIPE schon anlässlich der 50. Ausgabe, erschienen im August 1988, erinnerte – den Anspruch widerspiegeln, nicht nur Rezensionen abzudrucken, sondern eben auch Designaspekte sowie jene Personen und Unternehmen, welche die Spiele produzierten, zu behandeln.93

91 Vgl. R. Alonso: How To Become A Game Designer. In: Electronic Games, Vol. 3, No. 3, Mar. 1985. S. 34f. 92 Vgl. R. Sipe: 15 Years Of Playing To Win. In: CGW, No. 148, Nov. 1996. S. 20, 22. »You see, in those days the designer and the programmer were the same person. The concept of specialized skills exhibited by design teams, producers, and the like would not make an appearance until the mid ’80s when Electronic Arts codified the development-team approach to game design.« Ebd. 93 »[The name] Computer Gaming World was decided upon because it suggested that we would do more than just review computer games. We were interested in the whole world of computer games. We were interested in the strategies, in the design aspects of the games, in the people

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Nachdem jedoch in der September/Oktober-Ausgabe 1985 noch sowohl CRAWals auch BUNTEN und FREEMAN Beiträge veröffentlicht hatten, finden sich in den folgenden Ausgaben nur noch wenige Beiträge zum ›Game Design‹. Ab Ausgabe 28, erschienen im Mai 1986, wurden CRAWFORD, BUNTON und FREEMAN gleichzeitig und kommentarlos aus der Liste der ›Contributing Editors‹ gestrichen, der sie seit ihrer Einführung im Februar 1985 (CRAWFORD seit September/Oktober 1985) angehört hatten.94 Dabei hatte Chefredakteur RUSSELL SIPE noch Anfang des Jahres 1986 nur dezent auf anstehende Änderungen im Magazin hingewiesen, angesichts von dessen Rolle als führendes Informationsmedium über den sich erholenden Markt der Computerspiele: FORD

»With this issue CGW begins its sixth year of publication. A lot of water has gone under the bridge since 1981. Through the trials and tribulations that have brought down even some of the goliaths of the computer magazine industry, CGW has continued to grow (slowly, steadily, but surely). [...] With the start of our sixth year, we continue our never-ceasing task of making CGW better. [...] Except for those three months [February, July, and October] you will see a new issue of CGW each month. [...] We have always felt that CGW was the most timely and in-depth source of information about computer games. The new publication schedule can only serve to improve this situation.«95

Zugunsten von Befragungen der Designer/innen im Rahmen von Interviews und ›Profiles‹ und anderen redaktionellen Inhalten wie Spielevorschauen und -rezensionen, der Berichterstattung über Fachmessen und -konferenzen, wie insbesondere der ›Consumer Electronics Show‹ jeweils im Winter (Las Vegas, Nevada) und Sommer (Chicago, Illinois) und die ›Conference of the Software Publishers Association‹ sowie von Reportagen über die Entwicklung von Spielemarkt, Technologie und Industrie wurden die Anteile an ›Game Design‹-Beiträgen deutlich reduziert. Diese Situation mag mit dazu beigetrabehind the games, and in the companies that produced the games.« R. Sipe: The Greatest Story Ever Told. In: CGW, No. 50, Aug. 1988. S. 6f. 94 Der letzte Beitrag in der Reihe ›The Silicon Cerebrum‹ erschien bereits in der Juni/Juli-Ausgabe 1985; Bruce Webster wurde Ende 1985 letztmalig in der Liste der ›Contributing Editors‹ geführt. Diese Änderungen blieben ebenfalls unkommentiert. Vgl. B. Webster: Social Values. In: CGW, Vol. 5, Is. 3, Jun.-Jul. 1985. S. 28f., 39. o.A.: Menu. In: CGW, Vol. 5, Is. 5, Nov.Dec. 1985. S. 5. Nach längerer Pause hatte Crawford 1985 gerade erst einen neuen Artikel beigesteuert, ›joining CGW as a regular contributor‹, gefolgt von seiner neuen Kolumne ›A Crock of Crawford‹ in der Folgeausgabe. Es sollte allerdings bei diesem einen Beitrag in der Reihe bleiben. Vgl. C. Crawford: Games You’ll Never See. In: CGW, Vol. 5, Is. 3, Jun.-Jul. 1985. S. 20, 38. o.A.: This n’ That. In: CGW, Vol. 5, Is. 4, Sep.-Oct. 1985. S. 9. C. Crawford: Process Intensity Versus Data Intensity. In: ebd., S. 30, 33. 95 Vgl. R. Sipe: Editorial – Changes. In: CGW, No. 25, Jan.-Feb. 1986. S. 6. Aus dem Rückblick auf das Jahr 1986, den Charles Ardai für die Dezemberausgabe verfasste, lässt sich die große Zuversicht herauslesen, dass sich das Hobby von den Turbulenzen im Jahr 1985 erholen werde. »Four short years ago, we were on top of the world; two years ago, our world collapsed. Those companies that survived the shakeout kept producing games, but interest in the field diminished just as quickly as technology shot ahead. One by one, computer magazines folded, companies bankrupted, and stores closed.« C. Ardai: Year in Review. In: CGW, No. 33, Dec. 1986. S. 20f., 24-26, hier 20.

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gen haben, dass CRAWFORD im Sommer 1987 mit The Journal of Computer Game Design sein eigenes Magazin für den Austausch unter Game Designer/innen gründete.96 Damit änderte sich allerdings auch die Perspektive, die das Magazin mit Blick auf die Designer/innen vermittelte, die nun weniger als Teil der Gemeinschaft, sondern als ihr Gegenüber dargestellt wurden. So führte die Computer Gaming World im November 1986 erstmals eine neue Serie unter dem Titel ›Designer Profiles‹ ein, in der »interviews with top name computer game designers« geführt werden sollten. Nach nur sechs ›Profiles‹ wurde die Reihe im Sommer 1987 allerdings wieder eingestellt, sodass bereits angekündigte Interviews nicht mehr erschienen.97 Dagegen wurde ab 1987 im Rahmen ganzer Artikelserien die Berichterstattung über die großen Entwicklungsstudios und Verlagshäuser immer weiter ausgebaut, angefangen mit den ›Titans of the Computer Gaming World‹ (1987/88), über die ›Fantastic Voyages‹ zu Unternehmen (1988/89) bis zum Blick ›Behind the Screens‹ (ab 1991).98 Dieser Wandel im Umgang mit der Darstellung der Game Designer/innen in Computer Gaming World zeigt sich auch in der Verwendung von Informationskästen im Rahmen der Spielbesprechungen. So wurde bereits ab der dritten Ausgabe der Computer Gaming World (März/April 1982) – wie SIPE bemerkt »due to the request of several readers« – jeder Rezension ein Informationskasten beigefügt, der die ›Basic Information‹ eines Spieles beinhaltete: ›Name‹, ›Type‹, ›System‹, ›Format‹, ›# PLAYERS‹ (Anzahl),

96 In der Erstausgabe beschwert sich Chris Crawford darüber, dass »computer magazines« und »computer games magazines« nicht daran interessiert seien, »material on game design« zu publizieren und lieber ›reviews‹ und ›strategy tips‹ drucken würden. Vgl. C. Crawford: Why a Journal of Computer Game Design? In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./Jul. 1987. S. 2. 97 Zudem waren angekündigt: Dan Gorlin, Dan Bunton, Gary Grigsby und Bruce Webster. Vgl. F. Boosman: Designer Profiles – Alan Miller. In: CGW, No. 32, Nov. 1986. S. 6-10, hier 6. Scorpia: Designer Profiles – Brian Moriarty. In: ebd., S. 16-18. F. Boosman: Designer Profile – Chris Crawford (Part 1). In: CGW, No. 33, Dec. 1986. S. 46-49. Ders.: Designer Profile – Chris Crawford (Part 2). In: CGW, No. 34, Jan.-Feb. 1987. S. 56-59. Ders.: Designer Profile – Doug Crockford. In: CGW, No. 35, Mar. 1987. S. 40-44. J.L. Wilson: Designer Profile – Dave Anderson. In: CGW, No. 37, May 1987. S. 46f. F. Boosman: Designer Profiles – Jon Freeman & Anne Westfall. In: CGW, No. 38, Jun.-Jul. 1987. S. 34, 44. ›Designer Profiles‹ erschienen zwar weiterhin, aber nur noch unregelmäßig und deutlich kürzer, erstmals wieder im Februar 1992. 98 Vgl. C. Ardai: Titans of the Computer Gaming World – Epyx. In: CGW, No. 36, Apr. 1987. S. 12-14, 53. Ders.: Titans of the Computer Gaming World – Electronic Arts. In: CGW, No. 37, May 1987. S. 28f., 40f. Ders.: Titans of the Computer Gaming World – Activision. In: CGW, No. 38, Jun.-Jul. 1987. S. 36f., 48f. Ders.: Titans of the Computer Gaming World – Infocom. In: CGW, No. 39, Aug.-Sept. 1987. S. 38f., 46f. M.E. Brooks: Titans of the Computer Gaming World – MicroProse. In: CGW, No. 41, Nov. 1987. S. 16-18, 54. B. Proctor: Titans of the Computer Gaming World – SSI. In: CGW, No. 44, Mar. 1988. S. 36f., 48. o.A.: Fantastic Voyages. In: CGW, No. 52, Oct. 1988. S. 42-44, 59. o.A.: Fantastic Voyages II. In: CGW, No. 53, Nov. 1988. S. 42-44. o.A.: Fantastic Voyages III. In: CGW, No. 55, Jan. 1989. S. 32-34. o.A.: Fantastic Voyages IV. In: CGW, No. 60, Jun. 1989. S. 48f., 53. o.A.: Nothin’ »Dopey« About Willy (Behind the Screens). In: CGW, No. 84, Jul. 1991. S. 50f.

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›Author‹ (!), ›Price‹ und ›Publisher‹.99 Während in den Informationsboxen der Ausgabe von September/Oktober 1985 noch immer allein von einem ›Author‹ die Rede war, kam im Heft darauf erstmals in drei Fällen die Bezeichnung ›Designer‹ zum Einsatz. Auffallend ist, dass es sich bei einem dieser Fälle um eine seltene Variante von ›Wargame‹ handelte, bei dem das Programm auf dem Computer das Spiel mit Brett und Steinen nur ergänzte – »combining a text only program with a traditional board game map and counters«.100 Dem Autor der Rezension mag es passender erschienen sein – wie es bei ›Wargames‹ üblich war – von einem ›Designer‹ zu sprechen. Warum nun ausgerechnet bei zweien der ›Micro-Reviews‹ ebenfalls die Bezeichnung ›Designer‹ verwendet wurde, ist nicht mehr nachzuvollziehen.101 Im Frühjahr 1986, mit der Umstellung der Ausgabenzählung und anderer kleinerer Anpassungen des Layouts, blieben die Informationsboxen für drei Ausgaben verschwunden. Erst mit der Maiausgabe 1986 tauchten sie kommentarlos immer wieder auf, nun jedoch in Gänze inkonsistent. Noch bis zum Jahresende 1986 kann nicht von einer einheitlichen redaktionellen Richtlinie gesprochen werden. Die Informationskästen, welche die grundlegenden Informationen zu einem Spiel bereithalten sollen, kommen nicht durchgehend zum Einsatz und enthalten dann teilweise unterschiedliche Stichpunkte. So ist beinahe genauso häufig von ›Author‹ wie von ›Designer‹ die Rede. Es erscheint so, dass man die Bezeichnung ›Designer‹ mit höherer Wahrscheinlichkeit bei ›Wargames‹ und ›Simulationen‹ einsetzte, während bei erzähllastigen Adventures bzw. Rollenspielen oder Lernprogrammen eher ›Author‹ gewählt wurde; dies jedoch keinesfalls konsequent. Es mögen aber auch individuelle Vorlieben der einzelnen Redaktionsmitglieder eine Rolle gespielt haben. Diese Situation provozierte schließlich einen Brief von DOUG SHARP, der in der Aprilausgabe 1987 anprangerte, dass der Autor der Rezension zu Defender of the Crown die Qualitäten des Produktes zwar gelobt, jedoch mit keinem Wort »Kellyn Beck, the game’s designer«, auch nur erwähnt habe, obwohl dieser für eben jene Qualitäten verantwortlich sei. Er selbst sei zwar ebenfalls »game designer« und daher an der Namensnennung interessiert, doch gehe es ihm hier darum, dass KELLYN BEECK es verdient habe, bekannt zu sein »as one of the best designers in the business«. Der direkte Kommentar des Herausgebers zum Brief fiel allerdings schnippisch aus: Man gebe sich in Zukunft Mühe konsistent zu sein, wenn es darum gehe, auch die Zuschreibung der »designs« des Briefautors zu vernachlässigen, der Autor der Rezension habe sich auf die Beschreibung konzentriert und die »Basic Information box« dabei schlicht vergessen. Das Produkt könne wie ein Film für sich selbst sprechen und auch Filmemacher bekämen ihren Ruhm nicht durch ihre frühen Werke zugesprochen.102 Dennoch steht SHARPS Brief stellvertretend für die wachsende Sensibilität für die Leistungen der Designer/innen durch Nennung ihres Namens anzuerkennen. So setzt sich im Laufe des Jahres 1987 der Begriff ›Designer/in‹ für jede Art von Spiel auch bei der Computer Gaming World durch, sodass die Angabe von da an in jedem Informationskasten zu einer Rezension erschien, sofern die Information verfügbar war. Schon Ende der 1980er-Jahre wurden allerdings 99 Vgl. R. Sipe: From the Editor ... In: CGW, Vol. 2, Is. 2, Mar.-Apr. 1982. S. 2, passim. 100 Vgl. W.H. Harrington: Golan Front. In: CGW, Vol. 5, Is. 5, Nov./Dec. 1985. S. 48f. 101 Vgl. S. McKames et al.: Micro-Reviews. In: CGW, Vol. 5, Is. 5, Nov./Dec. 1985. S. 57-60, 63. 102 Vgl. D. Sharp: Defender of Reknown! In: CGW, No. 36, Apr. 1987. S. 48.

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als ›Designer/in‹ statt einzelner Personen auch gelegentlich ganze Entwicklungsstudios genannt; eine Praxis die im Verlauf der 1990er-Jahre deutlich zunahm und die Realitäten der Computerspielentwicklung widerspiegelte. Im Abstand von mehr als zwei Jahren erschienen 1986 und 1988 zwei Artikel von DON L. DAGLOW zur Frühgeschichte der Spieleentwicklung in der Computer Gaming World. In der Maiausgabe des Jahres 1986 widmet er sich den ›Dark Ages of Computer Game Design‹ in den 1970er-Jahren bis zum Durchbruch des Personal Computer Anfang der 1980er-Jahre. In dieser Zeit, »early in my career as a game designer«, sei es das größte Problem gewesen, überhaupt Zugang zu den Großrechnern an den Hochschulen zu bekommen, die das Herz des »computer gaming, from its roots in the mid-sixties to the dawning of the Micro Age in the mid-seventies« darstellten. Vielerorts seien die unnützen und doch rechenhungrigen Spielprogramme verboten oder in die ansonsten ungenutzten Rand- und Nachtzeiten gedrängt worden, ohne deren freie und offene Verbreitung jedoch tatsächlich unterbinden zu können. Viele von ihnen seien dann ab Mitte der 1970er-Jahre auf die frühen Personal Computer übertragen und auch als Listing in Büchern abgedruckt worden.103 Erst anlässlich der 50. Ausgabe der Computer Gaming World schloss DAGLOW direkt an seinen ersten Artikel an und beschreibt die sich wandelnde Rolle der ›Computer Game Designer‹ vor dem Hintergrund seiner Erfahrung in der Videospielentwicklung und der ersten »Cartridge Wars« von 1978 bis 1981, als Game Designer/innen vor allem namenlose Programmierer/innen in großen Unternehmen gewesen seien, damit befasst, das »Obvious Design of the Obvious Product« zu erstellen, über die Zeit von 1981 bis 1982, als es vor allem darum gegangen sei, möglichst schnell den aktuellen Hit aus den Spielhallen für die Heimkonsolen zu konvertieren, nicht selten unter Inkaufnahme qualitativer Mängel, gefolgt von 1982 und 1983, einer kurzen Zeit der Anerkennung des ›Game Design‹ als Tätigkeit, begleitet von angemessener Bezahlung und Berühmtheit, und schließlich der Zeit von 1983 bis 1984, als die Überflutung des gesättigten Marktes mit billigen Nachahmungsprodukten der Videospielindustrie noch vor ihrer Reife den Todesstoß versetzt habe. DAGLOW bemerkt in diesem Kontext, dass der enorme Erfolg des Nintendo Entertainment Systems praktisch keinerlei positiven Effekt für USamerikanische Unternehmen habe, da die Spieleentwicklung ausschließlich in Japan stattfinde. Die Aufmerksamkeit der Welt habe von 1978 bis 1982 auf den Videospielen geruht, die gegenwärtige Industrie basiere auf jenen Strukturen, die kleine Verlags- und Entwicklungshäuser in deren Schatten für den »home computer game market« aufgebaut hätten. Die kleinen Gruppen dort fest angestellter Game Designer/innen und externer Programmierer/innen, deren Namen auf Verpackungen genannt wurden, wurden so für qualitativ hochwertige Produkte bekannt und seien noch gegenwärtig als Leiter/innen in der Industrie tätig.104 DAGLOW hatte bereits 1986 resümiert, dass es zwar angesichts der damaligen Beschränkungen schon in den »Dark Ages« der frühen 1970er-Jahre einige »nice designs«

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Vgl. D.L. Daglow: The Dark Ages of Computer Game Design. In: CGW, No. 28, May 1986. S. 12-14. Vgl. D.L. Daglow: Over the River and Through the Woods. In: CGW, Is. 50, Aug. 1988. S. 18, 42.

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gegeben habe, er aber dennoch zugeben müsse, dass es die heutige Zeit sei, die wirklich die »art form of game design« hervorbringe. »Listening to designers like Dan Bunten, Chris Crawford, Jon Freeman, Richard Garriott and Stuart Smith (among many who deserve mention) talk about the CRAFT of this new medium, you realize that they are the ones who are proving that computer Game Design truly is an art form that can mirror life and show us more by the reflection. If designing games on mainframes in the 1970’s represents the Dark Ages of Computer Game Design, the Microcomputer in the 1980’s has proclaimed its Renaissance.«105

DAGLOWS Schlussbemerkung, in »one of the best articles we [Computer Gaming World] have ever published«, dürfte noch ganz unter dem Eindruck des ersten ›Electronic Arts Artists’ Symposium‹ gestanden haben. Er war selbst ab 1983 als Producer für Electronic Arts tätig und hatte diverse Spiele in ihrer Entwicklung betreut. Mit Ausnahme von RICHARD GARRIOTT hatten alle von ihm genannten Designer 1986 für Electronic Arts Spiele entwickelt oder in Entwicklung: BUNTEN (Robot Rascals), CRAWFORD (Patton versus Rommel), FREEMAN (Archon II: Adept) und SMITH (Age of Adventure).106 Informationen zum ›Electronic Arts Artists’ Symposium‹, das wohl mindestens zwei Mal, 1986 und 1987, stattgefunden hat, sind allerdings spärlich gesät, da diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden und jenseits anekdotischer Bemerkungen nicht dokumentiert sind.107 Das Symposium gehörte zu dem breiten Spektrum an Maßnahmen, die Electronic Arts unternahm, um die angestellten Künstler/innen mit möglichst optimalen Arbeitsbedingungen auszustatten. Gar nicht genug betont werden kann hier die Anfang der 1980er-Jahre vorbildlich wirkende Etablierung des Berufsbildes ›Producer‹, das analog zur Musikindustrie als begleitendes Komplementär in der Spieleentwicklung für die Künstler/innen dienen sollte, deren ausführliche Darstellung jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengte. Es muss im Rahmen dieser Symposien gewesen sein,

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Vgl. D.L. Daglow: The Dark Ages of Computer Game Design. In: CGW, Is. 28, May 1986. S. 12-14, hier 14. Nachdem Daglow gemeinsam mit Eddie Dombrower das Spiel Earl Weaver Baseball für Electronic Arts entwickelt hatte, war er noch 1987 zu Broderbund gewechselt. Vgl. D.L. Daglow: I Think We’ve Got a Hit ... In: CGW, No. 39, Aug.-Sep. 1987. S. 8f., 53. So erwähnt etwa Jim Gasperini beiläufig: »At an EA developer conference a while back, Trip Hawkins posed a challenge: ›design a game your father might want to play.‹« J. Gasperini: Culture, Idealism, and the Real World. In: JCGD, Vol. 2, Is. 4, Apr. 1989. S. 4-7, hier 6. Das Symposium findet auch Erwähnung in der 2011 angestrengten Klage von Robin Antonick gegen Electronic Arts, ihm als ursprünglichen Entwickler von John Madden Football (1988) die Anteilszahlungen, die namentliche Nennung und eine Entschädigung für die derivative Spieleserie vorenthalten zu haben. Electronic Arts habe auf einem solchen ›Artist Symposium‹ für die unabhängigen Entwickler/innen u.a. Einführungen in die ›Clean Room‹-Methodologie des ›Reverse Engineering‹ gegeben, um Urheberrechtsverletzungen in der Entwicklung auszuschließen. Diese sei im vorliegenden Fall jedoch nicht zum Einsatz gekommen. Vgl. US District Court, Northern District of California (Hg.): Robin Antonick v. Electronic Arts Inc. In: Courthouse News Service, 31.03.2011. (Online) S. 16, passim.

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dass HAWKINS auch die Vorstellung von der Computerspielindustrie als »New Hollywood« etablierte, die noch Jahre später immer wieder zitiert wurde.108 Wohl schon nach zwei Symposien wurden diese Treffen allerdings eingestellt, vermeintlich wegen Unstimmigkeiten der Entwickler/innen mit Electronic-Arts-Chef HAWKINS, wie es ERNEST ADAMS in einem Interview von 2007 zu Protokoll gab: »A couple of years after Electronic Arts was founded, Trip Hawkins invited all EA’s developers ... to a two-day event called the Artists’ Symposium. This was a big success and the first time that any developers had come together in a group, pretty much anywhere. I believe they held two of them. However, eventually the developers began comparing notes on their contracts and royalty rates, and those who were getting less than others began to object. Trip says he wasn’t going to fund an event that enabled his developers to band together against him, so there were no more Artists’ Symposiums. So Chris Crawford (who was one of the EA artists) invited 15 people to get together for a day in his own home. 26 people showed up, and it was so successful that he decided to set up a company and put on a proper conference in a hotel. That was in 1988 and was the founding of the Computer Game Developers’ Conference.«109

Dass tatsächlich der Austausch der Künstler/innen über gängige Geschäftspraxen den entscheidenden Grund für die Einstellung des Symposiums lieferte, erscheint allerdings als eher unwahrscheinlich, wenn etwa MARK LEWIS, Director of European Publishing, anlässlich der Gründung der ersten Europa-Niederlassung in London – und der Absicht, Ähnliches in Frankreich und Deutschland zu tun – Mitte 1987 gegenüber dem britischen Magazin Commodore Computing International erklärte: »At this very moment, we’re holding our Annual Artist Symposium in California ... We fly in 80 to 100 artists for several days of discussions. They can talk about anything from what our packaging is like to why you are only paying 12 % ... We position the company as an artists community.«110

Auch der schon 1983 sich abzeichnende mangelnde Erfolg der Werbekampagne, auf den etwa JIMMY MAHER hinweist, wird allein nicht für die Einstellung des Symposiums verantwortlich sein.111 Wie JEFFREY FLEMING betont, sei Electronic Arts ab Mitte der

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Vgl. o.A.: A History of Computer Games. In: CGW, No. 88, Nov. 1991. S. 16, 19f., 22, 24, 26. Vgl. E. Hoffman: Living the Dream – Let’s Get Together. In: Escapist Magazine, Is. 117, 02.10.2007. (Online) »We might have a similar get together here [...] In some place like Leeds Castle.« Vgl. o.A.: Electronic Arts – Market Leader. In: Commodore Computing International, Vol. 6, No. 2, Sep. 1987. S. 26-28, 30f., hier 28. Vgl. J. Maher: Seeing Farther. In: The Digital Antiquarian, 23.01.2013. (Online) Trotz der teilweise schwierigen Marktlage habe Electronic Arts von 1983 bis Anfang 1987 zwölf aufeinanderfolgende Quartale mit Profit vorweisen können und sei damit das am schnellsten wachsende Unternehmen der Branche. Im Jahr 1986 sei Electronic Arts mit 27 Millionen US-Dollar Umsatz das größte US-Unternehmen für Heimsoftware gewesen, mit 84 Prozent Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. Kürzlich habe man zudem die Struktur des Unternehmens auf die drei Sparten »Entertainment, Interactive Stories and Creativity« aufgeteilt. Vgl.

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1980er-Jahre immer weiter von der ursprünglichen, werbewirksamen Herausstellung individueller Game Designer/innen abgerückt, um »game genres« und gezielt Spielemarken aufzubauen, auf die die Kundschaft deutlich stärker reagiert habe. Auch wurde statt auf Designer/innen zunehmend auf zugkräftige Berühmtheiten gesetzt, allem voran Sportler, um die das Marketing für Spiele gestrickt wurde. Zudem wurde das Produktsortiment um Softwareanwendungen wie Deluxe Paint ergänzt, die grundsätzlich einer anderen Vermarktung bedurften. Eine zusätzliche Herausforderung sei der Aufbau internationaler Distributionswege gewesen, insbesondere in Europa, die einen bleibend hohen Anteil am Erfolg des Unternehmens haben sollten, da vor allem Heimcomputer und Personal Computer dort bis weit in die 1990er-Jahre die dominierenden Spieleplattformen blieben. In den USA wurde dagegen der lange Zeit angeschlagene Konsolenmarkt durch die Bemühungen von Nintendo und Sega Ende der 1980er-Jahre wiederbelebt, weshalb auch HAWKINS sich entschloss, nicht ohne Widerstand im Unternehmen, auf die neue Generation an Spielekonsolen zu setzen, um damit einen neuen Massenmarkt zu erreichen. Nach ersten Spielen für das Nintendo Entertainment System im Jahr 1988 folgte der Gang von Electronic Arts an die Börse im Herbst 1989, um mit den zusätzlichen Geldmitteln den Einstieg in den Markt zu finanzieren, angefangen mit dem Sega Genesis (in Deutschland: Sega Mega Drive).112 Neben der stetigen Ausdifferenzierung und Professionalisierung der Spieleentwicklung in den 1980er-Jahren mit immer weiter wachsenden Teams, zu denen Electronic Arts durch seine Struktur eben auch beitrug und die es immer schwieriger machten, einzelne Entwickler/innen besonders herauszustellen, mögen alle genannten Gründe dazu beigetragen haben, dass das Unternehmen zwischen 1987 und 1988 sukzessive nicht nur die Künstler/innen-Marketingkampagne und das Flatbox-Verpackungsdesign113, sondern auch das ›Artists’ Symposium‹ einstellte. Es ist wohl zu einfach, die Gründung der ›Computer Game Developers’ Conference‹ im Frühjahr 1988 auf das von Electronic Arts nicht mehr gestillte Verlangen nach Austausch zu reduzieren, wie es ADAMS tut. Es ist letztlich nicht auszuschließen, dass die Ankündigung, die ›Computer Game Developers’ Conference II‹ im September 1988 würde sich explizit nicht nur an Entwickler/innen, sondern auch an Verlagshäuser richten, um diesen wichtigen Austausch ebenfalls zu unterstützen, die Notwendigkeit eines weiteren Symposiums allein für Angestellte und Künstler/innen von Electronic Arts nichtig erscheinen ließ; die Teilnahme von HAWKINS an der zweiten und dritten Konferenz ist zumindest anekdotisch verbrieft. Und doch verwenden sowohl CHRIS CRAWFORD, CLIFF JOHNSON als auch ERIC GOLDBERG in ihren Zusammenfassungen des

112 113

o.A.: Electronic Arts – Market Leader. In: Commodore Computing International, Vol. 6, No. 2, Sep. 1987. S. 26-28, 30f., hier 27f. Vgl. J. Fleming: We See Farther – A History of Electronic Arts. In: Gamasutra.com, 29.01.2013. (Online) Ein zusätzlicher Faktor für die Einstellung des Flatbox-Verpackungsformates dürfte die sukzessive Durchsetzung des 3½-Zoll-Diskettenformates für Heimcomputer und PCs gegenüber dem bis dahin geltenden 5¼-Zoll-Standard gewesen sein, die schon zwischen 1985 und 1988 überdeutlich wurde. Vgl. Disk/Trend, Inc. (Hg.): Disk/Trend Report – Flexible Disk Drives. Mountain View/CA 1991. Die Flatbox-Verpackung war für die kleineren, stabileren, aber auch etwas dickeren Disketten, vor allem, wenn die immer größer werdenden Spiele nach mehr als einer von ihnen verlangten, auf Dauer untauglich.

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Jahres 1988 den Begriff ›Symposium‹ noch mehrfach synonym mit ›Conference‹ (letzteren Titel trug diese bereits in ihrer zweiten Inkarnation im September 1988). Es war eine Wortregelung, die sich schon im Jahr darauf verlor, während die ›Computer Game Developers’ Conference‹ stetig an Bedeutung gewann.114 ›Building A Community‹

Im Zentrum der Gründung des Journal of Computer Game Design 1987 und der ›Computer Game Developers’ Conference‹ 1988 stand von Beginn an die Schaffung einer Gemeinschaft von Game Designer/innen. So nennt CRAWFORD vier Gründe für die Einrichtung des Journal. Mit diesem solle erstens sowohl eine Plattform geschaffen werden, um »material on game design« zu publizieren, als auch ein Forum, um über diese Fragen untereinander zu kommunizieren und zu diskutieren. Zweitens müsse man eine Vertrautheit mit den Realitäten des Geschäftslebens entwickeln, da die Spielentwicklung mit so vielen Variablen und Entscheidungen gespickt sei, über die »designers« – im Gegensatz zu »publishers« – schlecht informiert seien und die deshalb häufig ignoriert werden: »That’s no way to run a business.« Es gehe zudem drittens um die Professionalisierung des Berufsstandes, um auch in der Berichterstattung und in der Öffentlichkeit wahrgenommen und verstanden zu werden. Schließlich sei es viertens besonders wichtig, einen Sinn für die Gemeinschaft untereinander zu schaffen. »We are a social group, with common interests, common problems, and common needs. We need to work together to address our common problems. We are competitors, that is true, but we compete for territory in a universe bounded not by physical limits but by the limitations of our own creativity. There is plenty of room for all of us.«

Man müsse allerdings anerkennen, das beinahe »all of what we do is intensely subjective«. Es sei daher »resistant to the type of absolute proof that we would like in matters that are felt intensely«.115 114

115

Trotz der Verwendung des Begriffes ›Symposium‹ wird das ›Electronic Arts Artists’ Symposium‹ in den Berichten nicht explizit erwähnt im Gegensatz zur Konferenz der ›Software Publisher’s Association‹ (SPA). Vgl. C. Johnson: Report on the April Computer Game Designers Symposium. In: JCGD, Vol. 1, No. 7, Jun./Jul. 1988. S. 11-13. C. Crawford: Computer Game Developer’s Conference II. In: JCGD, Vol. 1, Is. 7, Jun./Jul. 1988. S. 13. Vgl. E. Goldberg: A Celebration of Geeks. In: JCGD, Vol. 2, No. 1, Oct./Nov. 1988. S. 10-14. Dort auch der Hinweis, es zeuge von Ignoranz zu glauben, dass man von Personen, wie Trip Hawkins, nichts lernen könne; »The community seemed taken with Trip Hawkins’s ›New Hollywood‹ metaphor.« Ebd., S. 12f. Eric Goldberg erwähnt zudem, dass der unbändige Trip Hawkins nicht habe zustimmen können, als man Verlagshäusern vorwarf, sie könnten – trotz ihrer Marketing-Ausgaben – keinerlei Erklärung für Verhaltensmuster der Kundschaft geben. Vgl. E. Goldberg: Portrait of the Game Designer as a Young Profit-and-Loss Statement. In: JCGD, Vol. 2, Is. 5, Jun. 1989. S. 12-15, hier 12. In der inhaltlichen Ausrichtung setzt Crawford vor allem auf: »articles on theoretical issues in game design: the role of conflict in games, characterization, artificial intelligence, and many more issues. We need ›Designer’s Reviews‹ of subfields in game design, tracing the development of each subfield as expressed in the latest games in that subfield. We need opinion

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Im Editorial der vierten Ausgabe des Journal of Computer Game Design, erschienen im Dezember 1987, bemerkt CRAWFORD die steigende Zuversicht in der Gemeinschaft der Entwickler/innen. Die Jahre von 1979 bis 1981 seien als Pionierzeit geprägt gewesen von der Begeisterung für das neue Medium und seinen Möglichkeiten, auch wenn »computer games« weder besonders gut, noch besonders erfolgreich gewesen seien. In den Jahren 1982/83 habe es einen enormen wirtschaftlichen Boom gegeben, der vor allem Programmierer/innen angezogen habe, die in der Lage gewesen seien, innerhalb von acht Wochen ein fertiges Spiel vorzulegen. Dann sei der unausweichliche Absturz der Jahre 1984/85 gefolgt, den nur wenige gut geführte Unternehmen und wirklich entschlossene Designer/innen überstanden hätten; opportune Entwickler/innen seien weitergezogen. Nun, in den Jahren 1986/87, habe sich die Branche erholt, nicht mit der Naivität früherer-Jahre, aber mit genug Optimismus und Erfolg, um – so seine Hoffnung – mit Idealismus und neuer Experimentierfreude in die Zukunft zu schauen.116 Es ist eben jene Ausgabe des Journal in der CRAWFORD auf Nachfrage der Leser/innen den Vorschlag macht, ein Symposium für Game Designer/innen auszurichten. Im Rahmen der ›West Coast Computer Faire‹ im April 1988 solle das Symposium für maximal 15 Teilnehmer/innen bei ihm zu Hause stattfinden. Bei größerer Nachfrage müsse man einen Konferenzraum mieten.117 Schon in der Folgeausgabe vermeldet CRAWFORD dann unter der Überschrift ›The Symposium is On!‹, dass die »First Conference of Computer Game Designers« am Montag, den 11. April 1988, in seinem Haus nahe San Jose stattfinden werde.118 In der Juni/Juli-Ausgabe 1988 des Journal erschien dann ein mehrseitiger ›Report on the April Computer Game Designers Symposium‹, verfasst von CLIFF JOHNSON. Die 26 Teilnehmer/innen haben ausgiebig über die Rolle der Interaktivität in Computerspielen, das Verhältnis »art form« und Publikum, das, was ein gutes Spiel ausmache und es von Filmen oder auch Theater unterscheide, sowie das Verhältnis von Programmierer/in und Designer/in diskutiert. »What was discussed reveals the true spirit and purpose of the Symposium, that is, to establish a sense of community among the game designers and, most important, to establish a mode of communication between one another. With every new game and with every new deal, we are all forced to tread the path of those who have gone before, but few of us benefit from what the other has learned [...].«

Es gehe darum, die gesamte Industrie offener, ehrlicher und fairer zu gestalten, um auch langfristig ein belastbares Verhältnis zu den Verlagen aufzubauen, einen weiteren »video

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pieces to sort out our attitudes on such issues as copy protection, relations with publishers, and the best way to organize a design team.« Vgl. C. Crawford: Why a Journal of Computer Game Design? In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./Jul. 1987. S. 2f. Vgl. C. Crawford: Editorial – Better Days. In: JCGD, Vol. 1, Is. 4, Dec./Jan. 1987/88. S. 2. Vgl. C. Crawford: A Symposium For Game Designers? In: JCGD, Vol. 1, Is. 4, Dec./Jan. 1987/88. S. 15. Vgl. C. Crawford: The Symposium is On! In: JCGD, Vol. 1, No. 5, Feb./Mar. 1988. S. 11.

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game crash of 1984« zu verhindern und gemeinsam die Kreativität der Branche zu pflegen. »But check the word ›programmers‹ at door. We’re game designers!«119 CRAWFORD äußerte sich ebenfalls erfreut darüber, dass über die meisten Themen zwar Uneinigkeit bestanden hätte, die Diskussion aber zivilisiert und zielführend, ernsthaft und zugleich humorvoll sowie höchst professionell verlaufen sei. Unerwarteterweise seien die meisten Teilnehmer/innen bereits älter als 30 Jahre gewesen, was darauf hindeuten könne, dass es länger dauere, »design talent« zu »refine and polish.« Vielleicht würden dieselben Leute auch nur älter. »But easily the most powerful feeling of the day was the dawning sense of awareness of community. For the first few hours, you could see people looking around the circle of faces with a sense of awe. ›My God!‹ their faces said, ›Lookit all these other people who are game designers just like me!‹ People who have spent years working in isolation suddenly realized that there are others who ask the same questions, fight the same battles, and make the same mistakes they have. [...] Like I said, the details of what was said have left me, but the powerful sense of community, the feeling of cameraderie with the others in that room will not soon recede. You shoulda been there.«120

Basierend auf dem stürmischen Erfolg des ersten Symposions für Game Designer/innen sowie den aufregenden und intensiven Diskussionen kündigte CRAWFORD bereits in derselben Ausgabe die ›Computer Game Developers’ Conference II‹ an. Getragen vom Enthusiasmus sei umgehend ein Komitee gegründet worden, um weitere Konferenzen zu veranstalten, wozu man bereits das ›Milpitas Holiday Inn‹ als möglichst kostengünstigen Standort auserkoren habe. »We are excited about this conference. This is the first opportunity for the entire community to gather and talk shop. From what we learned in the first conference, we know that such discussions can be exhilarating and enlightening. We very much hope that all professional game designers will come to this conference. [...] it is important for the community at large to have an opportunity to gather once a year and recognize itself as a community. Please come and help make this a success.«121

Schon in der Oktoberausgabe des Journal folgte ein ausführlicher Bericht unter dem Titel ›A Celebration of Geeks‹ über die ›Second Computer Game Developers’ Conference‹ im September 1988, verfasst von ERIC GOLDBERG. Anders als beim ersten Symposium hätten allerdings auch Vertreter/innen der Verlage an der Konferenz teilgenommen, da sie ebenso ein wichtiger Teil des »computer game development process« darstellten und auch keine Schreibwerkstatt ohne Lektor/in eines Buchverlags vollständig sei.

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Vgl. C. Johnson: Report on the April Computer Game Designers Symposium. In: JCGD, Vol. 1, No. 7, Jun./Jul. 1988. S. 11-13, hier 12. Die letzte Seite ist den 26 ›Attendees of the First Symposium of Game Designers‹ gewidmet. Vgl. C. Crawford: EndPage: Ruminations on the Symposium. In: JCGD, Vol. 1, Is. 7, Jun./Jul. 1988. S. 14. Vgl. C. Crawford: Computer Game Developer’s Conference II. In: JCGD, Vol. 1, Is. 7, Jun./Jul. 1988. S. 13.

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»As one employee pointed out, this conference is the only place, including the SPA, where the entire spectrum of people who design, develop, program, produce, market, and sell computer games is represented. It offers an unparallelled opportunity for developers to learn, from each other, and from everyone else with whom they work. [...] And as long as the developer’s conference is firmly established as serving the interests of the independent developer first, we will have a forum that can benefit everyone in the community.«

Zudem zeige die »design community« ein starkes kommerzielles Bewusstsein, wenn der Erfolg oder Misserfolg eines Spieles an dessen Verkaufszahlen festgemacht werde, worin wohl die Nähe zum Silicon Valley mit seinen erfolgreichen Firmengründungen oder auch die Geldbesessenheit der späten 1980er-Jahre deutlich werde. Dennoch herrsche keinesfalls die Meinung vor, wie sie in vielen anderen Kreativfeldern, welche für den Heimkonsum entwickelten, verbreitet sei, dass sich Kunst und kommerzieller Erfolg häufig ausschließen müssten. »Over 150 computer game developers and assorted hangers-on discovered that they were not alone, that they were part of a sizable community, that the other people in the community shared their hopes and concerns about the entertainment software field [...]. This second developers’ conference will come to hold a certain charm for the people who attended. Never again will we experience that first rush of excitement of seeing a community come together, and never again will we be so damn grateful to find out how many people there are out there who are like us. By the time of the next conference, the game design community will have matured [...].«122

Ein halbes Jahr darauf verfasste GOLDBERG auch für die Juniausgabe des Journal einen Bericht über die dritte ›Computer Game Developers’ Conference‹ vom Mai 1989, die wesentlich von kommerziellen Erwägungen angesichts stagnierender Verkäufe von Softund Hardware und der Konkurrenz mit dem von Nintendo wiederbelebten Konsolenmarkt geprägt gewesen sei. In der Gruppe der rund 300 Teilnehmer/innen habe sich eine gewisse Form von Misstrauen breitgemacht, wenn es etwa darum gehe, dass auch Marketing und Marktforschung keine sicheren Aussagen über den Erfolg eines Produktes machen könnten, oder dass man sich mit den »network game providers« oder Entwickler/innen für Automaten oder Konsolen auseinandersetzen müsse; hier spreche man noch deutlich mit der gemeinsamen Stimme eines ›PC game designer‹: »one or more disks, one machine, one player«. Schließlich sei deutlich geworden, dass es in dieser angespannten Situation eine besondere Herausforderung darstelle, einen steten Strom an talentiertem Nachwuchs heranzuziehen, von dem das Wachstum und Überleben der Branche jedoch abhängig sei. »After the act of creation, the development and nurturing of new talent by publishers is the nearest thing to black magic. [...] The best publishers set up an environment in which staffers champion 122

Vgl. E. Goldberg: A Celebration of Geeks. In: JCGD, Vol. 2, No. 1, Oct./Nov. 1988. S. 1014, hier 10f., 13f. Chris Crawford und Dave Menconi äußerten im Nachgang Missfallen über die nicht immer gelungene Kommunikation und Moderation in den Vorträgen und Seminaren. Vgl. C. Crawford: What went Wrong. In: JCGD, Vol. 2, No. 1, Oct./Nov. 1988. S. 14. D. Menconi: Guest Editorial – Conference Lessons. In: JCGD, Vol. 2, Is. 1, Dec. 1988. S. 2.

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promising would-be developers, and give these developers occasional assistance as their first projects head towards fruition. However, finding these talents is still very much a matter of serendipity.«

Die Spieleindustrie habe die bedauerliche Angewohnheit, sich mit beschleunigter Geschwindigkeit zu entwickeln, und sei allein in den vergangenen sieben Jahren durch den Boom in die Krise und vom Miniboom zum Abschwung gegangen. Es sei kein Wunder, dass all jene, die diese Achterbahnfahrt mitgemacht hätten, mit besonderer Vorsicht und Beunruhigung auf die Zukunft der Branche blickten. Diese Leute hätten gemeinsam viele beeindruckende Errungenschaften vollbracht, darunter nichts weniger als die schnelle Reifung der »developers’ conference«. Man könne freudig die Ergebnisse erwarten, wenn diese ihre Aufmerksamkeit auf das richtige Gleichgewicht zwischen Kunst, Kommerz und Technologie richteten.123 Unter dem Motto ›Art vs. Profit in Computer Game Design‹ widmete sich erstmals auch die Computer Gaming World im Jahr 1989 der ›Computer Game Developers’ Conference‹ (CGDC), die weit weniger Einmütigkeit gezeigt habe als frühere Treffen. Vor dem Hintergrund unsicherer Zukunftsaussichten habe man sich auf der Konferenz vor allem mit Analysen und Vorhersagen der Branchenentwicklung befasst. »In spite of divergent opinions, this conference is still the most fecund and stimulating environment in the history of an infant industry. It is not surprising that an industry which is zealously attempting to accelerate consumer acceptance would have widely disparate visions of the future.«124

Anlässlich der Konferenz im Jahr 1990 erschien ein nur einseitiger Beitrag mit einigen ›Beobachtungen‹ von BILL PIRKLE im Journal. Durch die Vorträge und Diskussionsrunden habe er den Eindruck gewonnen, dass die Spieleindustrie in ihrer Arbeit viele zentrale Technologieentwicklungen zusammenführe, selbst wenn diese gar nicht entstanden seien, um »computer games« zu machen. »It also appears from the conference that the industry is stabilizing as professionals in the industry continue their specialization. Every step of a computer game project (except its initial inspiration) can now be subcontracted—it’s the perfect cottage industry! I think the CGDC plays a crucial role as this process continues to unfold, a process which will make our product development and delivery system efficient and competitive.«

Auch die Frage, ob Spieleentwickler/innen als Künstler/innen anzusehen seien, habe man diskutiert, wobei die CGDC für diese Diskussionen einen guten Rahmen biete. Insgesamt scheine sich der Graben zwischen den Spielen der finanzkräftigen, aber konservativen Verlage mit angeschlossenen Studios und den Spielen der unabhängigen Entwickler/innen, die neue Wege gehen wollten, zu verbreitern. Die CGDC spiele hier eine neutrale Rolle und könne mit ihrer Diskussion über allgemeine Techniken, aber auch rechtlicher Rahmenbedingungen sowohl den Großunternehmen als auch den unabhän123 124

Vgl. E. Goldberg: Portrait of the Game Designer as a Young Profit-and-Loss Statement. In: JCGD, Vol. 2, No. 5, Jun. 1989. S. 12-15. o.A. [Redaktion]: Ars Gratia Pecuniae (Art for Money’s Sake). In: CGW, No. 60, Jun. 1989. S. 44, 55, hier 44.

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gigen Studios dienen, um bessere Unterhaltungssoftware für alle zu machen. Er wünsche sich allerdings einen besseren Austausch zwischen »artists« und »electronics designers«, um neue Technologien zu entwickeln, die mit Filmen, Musik und anderen Formen der Erholung und Unterhaltung mithalten könnten. »Finally, at the conference, I could not help feeling that I was in the presence of something special—walking the halls with people shaping Earths new art form. It felt like being on the back lot in the early Hollywood days.«125 Deutlich umfangreicher fiel erstmals die Berichterstattung der Computer Gaming World aus, die einen fünfseitigen Artikel zu den ›Reflections on the 1990 Computer Game Developers’ Conference‹ abdruckte. »In three years of observing the evolution of the Computer Game Developers’ Conference, it has grown from a tiny circle of visionary idealists into a larger pluralistic community of pragmatists, technicians, commercially oriented craftsmen, theoreticians and (dare we say it) artists. The agenda has expanded from talking about games, what makes them good and how to make them better to talking about the future, ethical and emotional impact, socializing potential, and transformational goals of computer games. Where we spoke of the blatant mercenary atmosphere of last year’s conference, this year offered a broader perspective over the overriding money questions of the previous year. [...] To be sure, these developers are concerned about making their livings (and/or fortunes), but they are also concerned about their art.«

Die Themen der Konferenz reichten vom Gegensatz von Kunst und Kommerz sowie der Rolle visueller Künstler/innen im Game Design über die Möglichkeiten von Interfacedesign und Virtual Reality, die Finanzierung unabhängiger Produktionen, die kulturellen Vorurteile bezüglich Geschlechterrollen sowie die Möglichkeit, Computerspiele »as works of art« als Werkzeug der Sozialisation einzusetzen, die Funktionen künstlicher Intelligenz und optischer Datenträger angesichts des Umstandes, dass die »techniques of artists are often transformed by their media«, die Versprechungen und das Versagen der Spielautomaten als Ausdruck des gestiegenen Interesses für »other art forms within the rubric of computer entertainment« bis zu den Prinzipien des ›World Building‹. »The difference between art and state-of-the-art must be the difference between purpose (intent and effect) and technique. This year’s Computer Game Developers’ Conference effectively demonstrated that today’s crop of designers understand both.«126 Im Jahr 1991 hatte dann CRAWFORD als Herausgeber des Journal of Computer Game Design gleich mehrere Autoren gebeten, ihre Eindrücke von der Konferenz festzuhalten, da 550 Teilnehmer/innen und zweieinhalb Tage Programm sie größer gemacht haben als je zuvor und es so unmöglich sei, »for one person to capture the experience of being 125

126

Vgl. B. Pirkle: CGDC 1990 Observations. In: JCGD, Vol. 3, Is. 5, Jun. 1990. S. 6. »It seems to me that that [the game developer as an artist] would depend on whether or not the work uplifts the players spirit, and gives him faith in his future. These are the things that art does and are what most people agree distinguishes art from craft. Is there a Beethoven’s fifth out there, a game so powerful in its concept, and so effective in its interface that the experience actually changes the player’s attitudes?« Ebd. o.A. [Redaktion]: Art and State-of-the-Art Are Not Synonymous. In: CGW, No. 74, Sep. 1990. S. 24, 36f., 54, 56, hier 24, 56.

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there«. Während BILL PIRKLE vor allem die Einsichten in den Spielemarkt durch die von den großen Verbänden gesammelten Zahlen und Fakten über Verkäufe und die Branche als Ganzes lobte, betonte KEN ST. ANDRE die besondere Gelegenheit der Konferenz, sich mit Gleichgesinnten zusammenzutun und auszutauschen, sei es zwischen den Veranstaltungen oder im Rahmen abendlicher Essensgespräche; dabei habe Letzterer viele neue Menschen kennengelernt. Wie schließlich ›ein Beobachter‹ bemerkt, haben an der Konferenz in diesem Jahr so viele junge angehende Entwickler/innen und »wannabees« teilgenommen wie nie zuvor.127 Auf vier Seiten widmete sich auch die Computer Gaming World ausgewählten ›Highlights from the 1991 Computer Game Developers’ Conference‹. Neben den Vorträgen und Diskussionen zum richtigen Gebrauch künstlicher Intelligenz in Computerspielen sowie den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Film und Computerspiel seien vor allem die beiden Debatten um den richtigen Einsatz des Sterbens von Figuren im Computerspiel und das Verhältnis von »Goog Graphics Versus Good Game Play« prägend gewesen.128 Schließlich fiel im Jahr darauf CRAWFORDS Bilanz der ›Computer Game Developers’ Conference‹, die Ende April 1992 beinahe 600 Teilnehmer/innen angezogen hatte, durchweg positiv aus. »The sense of community that was one of the fundamental goals for the conference has clearly been achieved; I observed a great many happy reunions of friends who hadn’t seen each other since the last conference. It was also obvious that there were newcomers to the conference; they sat in forlorn little groups, looking rather lost amid this sea of conviviality. I’m happy to say that by Tuesday such groups had long since disappeared as the newcomers were welcomed into the community and made to feel part of the group.«

Alle Vorträge seien gut besucht gewesen, ebenso die populären Diskussionsrunden mit maximal 30 Personen. Es habe einige großartige Vorträge gegeben, nur wenige Problemfälle sowie ein gelungenes Kostümbankett mit Preisverleihung. Nach vielen Jahren der Suche habe man zudem mit dem Westin Hotel bis auf Weiteres eine Heimat gefunden. »By all accounts, this was the most successful conference to date. The realities of interpersonal interactions guarantee that the comments I hear will be biased towards the positive; even so, the tenor of the congratulatory comments I received was stronger, deeper, and more heartfelt than in any previous year. People really seemed to mean it when they said, ›This was the best conference ever!‹ More important, the written feedback forms bear out my anecdotal observations. The attendees were quite lavish in their praise, and the complaints were almost always tempered with reassurances that the conference as a whole was still a smashing success.«129 127 128 129

Vgl. Various and Sundry Authors [div.]: 1991 Computer Game Developers’ Conference. In: JCGD, Vol. 4, Is. 4, Apr. 1991. S. 8-10. Vgl. o.A. [Redaktion]: »Cogito Ergo Ludo« (»I Think, Therefore I Play«). In: CGW, No. 83, Jun. 1991. S. 42, 44-46. Vgl. C. Crawford: 1992 Computer Game Developers’ Conference. In: JCGD, Vol. 5, Is. 5, Jun. 1992. S. 14f.

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Gleichzeitig markiert das Jahr 1992 den Höhepunkt der Berichterstattung der Computer Gaming World über die ›Computer Game Developers’ Conference‹ mit dem bis dahin umfangreichsten Artikel, geteilt auf zwei Hefte. Darin kam die Redaktion zu dem Schluss: »The Computer Game Developers Conference has become an institution, but it is a maturing organization. This year’s conference had the best program balance ever, in terms of subjects, feature tracks and variety of speakers. It was also the best-suited facility for the conference compared to the venues in the past. [...] next year’s conference promises to be even better.«130

Nach fünf Jahren Journal of Computer Game Design und einer Ausgabe nach der positiven Bilanz der CGDC resümiert CRAWFORD in der Augustausgabe 1992 über erreichte Ziele und noch ausstehende Herausforderungen. Von Anfang an habe er betont, mit dem Journal die »art of computer game design« entwickeln zu wollen und es als Forum für Game Designer/innen anzubieten, sich untereinander und mit der Welt auszutauschen. »The truth is, five years ago computer game design was a field without an identity. ›Computer game designers‹ didn’t exist in any significant numbers. Our industry was populated by a random collection of programmers, graphic artists, writers, and other talented people who somehow slopped games together. There was no community of game designers, no sense of identity, no common terminology, no shared outlook. We were a mob, not a community.«

Es sei das zentrale und erklärte Ziel des Journal gewesen, eine soziale und intellektuelle Gemeinschaft zu begründen, die Identität der »computer game designers« gegenüber den »programmers« zu stärken, die grundlegenden Begriffe des Handwerkes zu definieren, die Rollen der unterschiedlichen Gewerke zu bestimmen, die in der Spieleindustrie arbeiteten, und die Rahmenbedingungen des Geschäftslebens zu diskutieren, innerhalb derer man sich bewege. Nach fünf Jahren sei diese Gemeinschaft durch die Arbeit des Journal und auch der ›Computer Game Developers’ Conference‹ nun existent, selbst wenn es noch vieles gebe, über das man diskutieren könne, so seien auch die grundlegenden Begriffe des Bereiches definiert, weshalb man sich nun dem »nitty-gritty of game design« zuwenden könne. »Most important, we as game designers have a clear identity. We know who we are, perhaps not with Jungian clarity, but almost as well as many other professions. We are not the kid brothers of ›real‹ programmers. Game design is not a temporary stage that real programmers go through between college and their first serious job. It is a tough, demanding job that is widely recognized as one requiring talent, and we have identified a class of designers who have that talent. We’ve come a long way.«131

130

131

Vgl. o.A. [Redaktion]: Consensual Hallucinations and Good Vibrations. In: CGW, No. 96, Jul. 1992. S. 76, 78, 80, 82, 84. o.A. [Redaktion]: Designing People ... In: CGW, No. 97, Aug. 1992. S. 48, 50, 52, 54, hier 54. Vgl. C. Crawford: Editorial – Five Years and It’s Time for a Change. In: JCGD, Vol. 5, Is. 6, Aug. 1992. S. 2.

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»Florence during the Renaissance«

Anlässlich der häufigen Nachfrage im Umfeld der zweiten Konferenz, ob man das Zusammentreffen der Spieleentwickler/innen an einem anderen Ort als der San Francisco Bay Area stattfinden lassen könne, wertete CRAWFORD die Zahlen der Abonnements des Journal im Dezember 1988 aus. Darin sah er bestätigt, was ein Komiteemitglied der CGDC als »Florence during the Renaissance« bezeichnet habe, nämlich die Konzentration der US-amerikanischen Spieleentwicklung an der Westküste rund um San Francisco und das Silicon Valley. Auch wenn diese Zahlen die Branche nicht vollständig abbildeten, so vermittelten sie doch einen repräsentativen Eindruck, zumal vier der wichtigsten »Publisher« und weitere aus der zweiten Reihe, die gemeinsam für den größten Teil der Spieleveröffentlichungen verantwortlich zeichneten, ebenfalls dort angesiedelt seien. Diese starke Konzentration einer Hightechindustrie sei durchaus bemerkenswert und verdiene den sprichwörtlichen Titel »Florence during the Renaissance«.132 CRAWFORD hatte bei der Durchzählung festgestellt, dass fast die Hälfte aller Abonnements im Bundesstaat Kalifornien abgeschlossen worden waren; beinahe ein Drittel allein in der Bay Area.133 Diese Aussage provozierte einen Widerspruch in Form eines kurzen Briefes in der Folgeausgabe, verfasst von DOUG SHARP, der diese der »Bay-Area-Ungezogenheit« zuschrieb. »What Renaissance? Where are the masterpieces? Artists pushing a mature artform to transcendant heights? Cross-fertilization between media? See my article in JCGD 1,1 for my depressing ETA for computer gaming’s Renaissance.« An diesem Punkt in der Geschichte des »computer game design« gebe es deutliche Vorzüge, isoliert zu arbeiten. Das Medium sei in einem solch primitivem Zustand, dass es für Künstler/innen entscheidend sein könne, Einflüsse zu meiden – als Form ästhetischer Vorbeugung. Zudem sorge ein angemessener Abstand zum »New Florence« auch für weniger Störungen durch den »Publisher«.134 Der Einspruch von SHARP ist insofern berechtigt, da die Formulierung »Florence during the Renaissance« tatsächlich eine Vielzahl von Konnotationen mit sich führt, über deren Analogisierung sich streiten lässt. Unabhängig 132

133

134

Vgl. C. Crawford: Florence during the Renaissance. In: JCGD, Vol. 2, Is. 2, Dec. 1988. S. 5. Der Ursprung der Redewendung lässt sich nicht mehr zweifelsfrei bestimmen. Interessanterweise findet sich diese aber schon Ende der 1960er-Jahre bei der Autorin und Kolumnistin Sheilah Graham in Verbindung mit der Blütezeit der in Los Angeles ansässigen Filmstudios: »The Decade between 1935 and 1945 was an exciting time in Hollywood. It was like Florence during the Renaissance. The artists in every field came to Hollywood.« S. Graham: The Garden of Allah. New York/NY 1969. S. 127. Vgl. ebd. Crawford orientierte sich an der wohl gebräuchlichen Einteilung der Volkszählungsregionen des ›United States Census Bureau‹, hebt aber bestimmte Staaten hervor, um Häufungen zu kennzeichnen. Im Gegensatz zur San Francisco Bay Area meint »Southern California« hier die zehn Counties südlich des 35. Breitengrades: Imperial, Kern, Los Angeles, Orange, Riverside, San Bernardino, San Diego, San Luis Obispo, Santa Barbara und Ventura. Der Einfachheit halber werden alle Ortsangaben innerhalb Kaliforniens, die nicht zu diesen Counties zählen, der San Francisco Bay Area zugeschlagen. Vgl. D. Sharp: Letter. In: JCGD, Vol. 2, Is. 3, Feb. 1989. S. 9. Sharp verweist auf seinen Artikel: Was Pong Our Fred Ott’s Sneeze? In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./Jul. 1987. S. 4f. »ETA«: engl. ›Estimated time of arrival‹, dt. ›Geschätzte Ankunftszeit‹.

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von ihren Gründen und Folgen dürfte aber kaum ein Zweifel an der bemerkenswerten Konzentration der Spieleentwicklung in der San Francisco Bay Area bestehen. Mit Blick auf die Verzeichnisse der Teilnehmer/innen, wie sie in den Tagungsbänden der-Jahre 1991 und 1994 enthalten sind, bestätigt sich der Befund von CRAWFORD in aller Deutlichkeit. In den Jahren 1991 und 1994 betrug der Anteil der Entwickler/innen aus dem Bundesstaat Kalifornien etwa 70 Prozent bzw. etwa 65 Prozent, wobei mit etwa 200 Personen 1994 (16 Prozent) fast so viele Teilnehmer/innen aus Südkalifornien kamen, wie noch 1991 aus der Bay Area (59 Prozent). Alle anderen Regionen trugen zur Gesamtzahl der Besucher/innen in beiden Jahren jeweils nur einstellige Prozentanteile bei, mit einem erhöhten Anteil um 7 Prozent aus Oregon und Washington, Heimat der Microsoft-Zentrale, und den bei CRAWFORD ursprünglich genannten ›Southern States‹, einem Konvolut aus 16 Staaten, um 6 Prozent. Als einzelner Staat sticht neben Kalifornien nur noch Texas hervor mit einem Anteil von immerhin noch 3 Prozent im Jahr 1994. Alle anderen Regionen der USA liegen darunter. Allerdings hatte die Konferenz zunehmend auch internationales Publikum ansprechen können, die 1994 beinahe 5 Prozent der Teilnehmer/innen ausmachten.135 Selbst wenn diese Form der Lesung ihre deutlichen Grenzen aufweist, da etwa eine Konferenz, die in der San Francisco Bay Area stattfindet, besonders viele Personen aus dem direkten Umkreis anzieht, fällt die Konzentration auf Kalifornien auf. Bei den Zahlen handelt es sich zudem allein um die bis zum Stichtag der Drucklegung vorliegenden Anmeldungen. Die Zahl der Besucher/innen aus der Region, die kurzfristig per Tageskarte teilnahmen, dürfte also eher noch größer sein. So wird die Konferenz selbst zum deutlichsten Signal der Vorherrschaft der San Francisco Bay Area. Insgesamt bemerkenswert ist allerdings das Wachstum der ›Computer Game Developers’ Conference‹, das hier stellvertretend für das Wachstum der gesamten Spieleindustrie steht. Schon in der Augustausgabe 1990 bemerkte CRAWFORD den Erfolg der Konferenz anhand der »growth curve for attendees«. »This is an impressive growth pattern, and although such rapid growth is unlikely to continue, there can be no question that the CGDC is now an industry institution. I mean, rully, dahling, everybody who’s anybody is there. If you’ve been missing the conference, perhaps you should reconsider. This is the annual event for computer game developers.«

135

Zusammengetragen aus den Verzeichnissen der Teilnehmer/innen und enthalten in den Tagungsbänden der-Jahre 1991 und 1994. Vgl. CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Proceedings. o.O. 1991. S. 51-67. CGDC: Eighth Annual Computer Game Developers’ Conference Proceedings. o.O. 1994. S. 146-174. Ein vergleichbares Zentrum der Spielentwicklung in den USA, wenn auch nicht mit gleicher Dichte, ist zu dieser Zeit einzig Nordost-Texas, insbesondere Austin; die Nordostküste rund um das MIT in Cambridge hatte in den 1990er-Jahren zugunsten der San Francisco Bay Area bereits an Relevanz eingebüßt.

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Abb. 2: Anzahl der Personen, die ein Abonnement des Journal of Computer Game Design bezogen (1988) bzw. an der Computer Game Developers’ Conference teilgenommen (1991, 1994) haben, aufgeschlüsselt nach Regionen der USA. Oregon & Washington 400

200 100 0

300 200 100 0

Mountain States

400 300

WA

'88 '91 '94

'88 '91 '94 MT

OR

San Francisco Bay Area

ID WY

800 700 600 500

NV

CA

UT

400 300 200 100 0

CO

'88 '91 '94

AZ

NM

CA 400 300 200 100 0

Southern California

Texas

'88 '91 '94 TX

HI

400 300 200 100 0

'88 '91 '94

400 300 200 100 0

'88 '91 '94

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400 300 200 100 0

New York & New York City NY

VT

'88 '91 '94

NH MA CT

Plains States

Boston Area RI

200 100 0

100 0

MN

MI PA

IA

NE

KS

OH

IN

IL

New Jersey

MO

400

100 0

'88 '91 '94

100 0

'88 '91 '94

'88 '91 '94

MD DE WV

VA

KY OK

Gesamt

AR

SC MS

1200 1100 1000 900

International

800 700 600 500

NC

TN

1300

AL

'88 '91 '94

100 0

Washington, D.C.

GA

LA

800 700

FL

600 500 400 300 200

Southern States

'88 '91 '94

NJ

300 200

400 300 200

400 300 200

400 300 200 100 0

'88 '91 '94

Pennsylvania

WI

SD

'88 '91 '94

400 300 200

Chicago Area

ND

100 0

400 300

ME

400 300 200 100 0

'88 '91 '94

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Dass der Erfolg der Konferenz keineswegs nachgelassen hat, wird deutlich, wenn man die Kurve auch über das Jahr 1990 hinaus verfolgt. Nachdem die Zahl der Teilnehmer/innen in den Jahren 1991 und 1992 im Vergleich zum Vorjahr nur minimal anstieg, erreichte diese Mitte der 1990er-Jahre wieder Wachstumsquoten von 139 bis gar 200 Prozent. Dabei war die Zahl der Teilnehmer/innen niemals geringer als im Vorjahr.136 Im Dezember 1994 berichtet dann CRAWFORD von einer ersten Konferenz für Entwickler/innen an der Ostküste, an dessen Organisation er ebenfalls beteiligt gewesen sei. »[T]here was always one problem with the CGDC: it was a local conference heavily weighted towards Bay Area people. A quick perusal of the published attendee list shows that fully 50 % of the attendees come from the Bay Area; another 25 % come from the West Coast. Indeed, less than 10 % of CGDC attendees come from the East Coast. Yet, there’s a lot of activity going on back East. Fully 30 % of the subscribers of this journal are on the East Coast. Clearly, there’s a problem.«

Nachdem vielfach der Wunsch geäußert worden sei, die ›Computer Game Developers’ Conference‹ an andere Veranstaltungsorte zu verlegen, habe sich die Möglichkeit ergeben, eine solche im November 1994 an der Ostküste veranstalten. Dabei sei das Veranstaltungsprogramm nicht nur auf das Publikum zugeschnitten gewesen, weil die »East Coast has a very different collection of talents than the West Coast«, sondern auch mit weiter gefasstem Blick auf zukünftige Entwicklungen als es die CGDC tue. Trotz der unerwartet geringen Zahl von nur 60 bis 70 Anmeldungen sei die Konferenz mit ihren anregenden Diskussionen und ihrer Konzentration talentierter Personen auf kleinstem Raum eine der lohnendsten gewesen, die er seit langer Zeit besucht habe. Für Veranstalter BOB ALEXANDER sei die Konferenz allerdings ein Verlustgeschäft gewesen, weshalb es, unabhängig von dessen Enthusiasmus, nicht zu einer Neuauflage kommen sollte.137 Vor allem im Vergleich dazu erscheint es als besonders gerechtfertigt, wenn die Computer Gaming World ihre Berichterstattung über die ›8th Annual Computer Game Developers Conference‹ in der Juliausgabe 1994 mit den Worten ankündigt: »Once a year, San Jose becomes Florence during the Renaissance for more than 1,000 computer game designers and programmers. The creative brain trust of the industry gathers to share ideas, techniques and philosophy, as well as swap stories about the old dayas.«138

Dabei unterschätzte auch die Computer Gaming World, deren Redaktion selbst Anfang 1995 nach dem Motto »Northern California Or Bust!« von den Anaheim Hills nahe Los Angeles nach San Francisco umziehen sollte, die Konzentration der Branche in der San 136

137 138

Vgl. C. Crawford: Editorial – State of The Buffoonian. In: JCGD, Vol. 3, Is. 6, Aug. 1990. S. 2f., hier 2. Dort stehen auch die Zahlen und Quoten für die Jahre von 1988 bis 1990. Vgl. zu den späteren Zahlenangaben die Auflistung mit Quellen im Anhang. Vgl. C. Crawford: The East Coast Developers Conference. In: JCGD, Vol. 8, Is. 2, Dec. 1994. S. 5. Vgl. o.A.: [Inhaltsverzeichnis]. In: CGW, No. 120, Jul. 1994. S. 6.

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Francisco Bay Area, die unabhängig vom allgemeinen Wachstum im gesamten Gebiet der USA von den 1980er- bis in die 1990er-Jahre hinein Bestand hatte.139 Die Redewendung »Florence during the Renaissance« galt folglich eben nicht nur während der Tage der Konferenz, sondern weit darüber hinaus.140 Mit DAVID L. BANKS widmete sich 1997 ausgerechnet ein Statistiker, damals ›Associate Professor‹ im ›Department of Statistics‹ an der Carnegie Mellon Universität, der Fragestellung, wie es in der Geschichte der Menschheit an spezifischen Orten immer wieder zu Häufungen von Genies habe kommen können. Als offensichtliche Beispiele nannte er Athen (440-380 v.u.Z.), Florenz (1440-1490) und London (1570-1640). Naheliegende Erklärungsversuche wie der Wohlstand einer Gemeinschaft, friedliche Lebensumstände, künstlerische Freiheit, soziale Mobilität oder das Auftreten eines neuen Paradigmas deckten sich nicht mit den historischen Gegebenheiten. BANKS schlug eine eigene Liste an Faktoren vor, verblieb jedoch letztlich ratlos.141 In dem Versuch, auf die von BANKS aufgeworfene Fragestellung eine Antwort zu geben, ist vor allem am Beispiel Florenz auf die Bedeutung von Austausch und Ausbildung hingewiesen worden. Florenz sei eine der Städte gewesen, in denen das System der Zünfte entstanden sei und damit ein reguliertes System für den sozialen Zusammenhalt und die Ausbildung, das einen regelrechten Lehrstammbaum der Florentiner Künstler/innen hervorgebracht habe, die schon in jungen Jahren bei Meistern in die Lehre gegangen seien, um das Handwerk von klein auf durch Kopieren, Üben und Problemlösen zu erlernen. Der große Einfluss von Zusammenarbeit, Konventionen und Methoden in den frühneuzeitlichen Werkstätten relativiere besonders das verbreitete Ideal des individuellen Genies als Messlatte für originelle künstlerische Leistungen.142 Schließt man sich diesen jüngeren Forschungen zur Arbeit der Künstler/innen in den frühneuzeitlichen Werkstätten an, denen vor allem daran gelegen war, die Vorstellung vom unerklärlichen

139

140

141

142

Vgl. o.A.: Northern California Or Bust! In: CGW, No. 130, May 1995. S. 18, 14 [Impressum]. Die Formulierung verweist auf den großen Goldrausch von ›Pike’s Peak‹ bzw. Colorado ab 1858 und das Motto vieler Siedler/innen, die sich dorthin auf den Weg machten: »Pikes Peak or Bust!« Vgl. R.L. Brown: The Great Pikes Peak Gold Rush. Caldwell/ID 2001. S. 43, 45f. Es ist aber auch in jüngerer Zeit nicht unüblich das Silicon Valley und die San Francisco Bay Area mit »Florence during the Renaissance« zu vergleichen. Vgl. M.A. Zook: The Geography of the Internet Industry. Malden/MA u.a. 2005. S. 167. Jüngst E. Weiner: The Geography of Genius. New York/NY 2016. »The problem of excess genius is one of the most important questions I can imagine, but very little progress has been made. It surprises me that essentially no scholarly effort has been directed towards it. I warmly solicit any suggestions from readers that may help me to clarify my own confusion and uncertainty regarding this.« D.L. Banks: The Problem of Excess Genius. In: Classification Society of North America Newsletter, Is. 48, Feb. 1997. (Online) Zu diesem Zusammenhang vgl. D. Coyle: Die Talent-Lüge. Bergisch Gladbach 2009. S. 7176, 241. B. Cole: The Renaissance Artist At Work. Boulder/CO u.a. 1990. S.A. Epstein: Craft Guilds, Apprenticeship, and Technological Change in Preindustrial Europe. In: The Journal of Economic History, Vol. 58, Is. 3, Sep. 1998. S. 684-713. A. Ladis, C.H. Wood, W.U. Eiland (Hg.): The Craft of Art. Athens/GA 1995.

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Originalgenie zu revidieren, so werden auch die Bedingungen ihrer Häufung anschlussfähig. Nicht wenige Universitäten und Colleges in den USA konnten noch in den 1960erund 1970er-Jahren mit ihren Abteilungen für ›Computer Science‹ wesentliche Impulse für die Ausbildung zukünftiger Unternehmer/innen geben, worauf TIMOTHY LENOIR im Falle der Universität von Utah hingewiesen hat.143 Doch blieb das wichtigste Anlaufziel für Software-Entwickler/innen mit landesweiter Anziehungskraft, stets das Silicon Valley und die es umgebende San Francisco Bay Area, das mit seiner Dichte an Forschungs- und Ausbildungsinstitutionen, dem verfügbaren Investitionskapital privaten und öffentlichen Geldgebern und der speziellen Westküstenmentalität der Konkurrenz und Gemeinschaft besonders günstige Konditionen für Firmengründungen bot.144 Auch aus Sicht der Angestellten war das Umfeld attraktiv, da sich eine Vielzahl potentieller Arbeitgeber auf engstem Raum ballten. So war beispielsweise nicht nur Steve Jobs kurzzeitig für Atari tätig, sondern auch Spieleentwickler/innen wie BILL BUDGE oder Electronic Arts-Gründer WILLIAM ›TRIP‹ HAWKINS für Apple. Dieses enge Netz an Verflechtungen, aber auch der enge Zusammenhalt und Austausch innerhalb der Branche betitelte DOUGLAS CARLSTON 1985 noch als die ›Brotherhood‹.145 Anfang bis Mitte der 1980er-Jahre wurde das kreative Potenzial der Spieleentwicklung für Heim- und Personal-Computer durch die schrittweise Desintegration von Atari und den konkurrierenden Konsolenherstellern zusätzlich befeuert. Atari war mit etwa 10.000 Angestellten einer der größten Arbeitgeber im Silicon Valley, wovon im Laufe der Zeit etwa 400 im engeren Sinne mit der Spieleentwicklung für verschiedene Plattformen befasst waren. Aufgrund mangelhafter Personalpolitik verlor Atari bereits ab 1979 und dann nochmals 1982 viele Mitarbeiter/innen, bis das Unternehmen nach desaströsen Verlusten schließlich 1984 aufgespalten wurde. Dieser Exodus an Erfahrung mündete in einer Vielzahl von Neugründungen oder Aufstockungen des Personals in bereits bestehenden Entwicklungsstudios. Angesichts des Spielemarktes Mitte der 1980er-Jahre – zum einen war der Markt für Spielekonsolen kollabiert und wurde erst durch die Einführung des Nintendo Entertainment System (NES) Ende 1985 wiederbelebt, woran US-amerikanische Entwickler/innen jedoch für viele Jahre keinerlei Anteil hatten, zum anderen hatten die Spielhallen ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz vollständig eingebüßt – waren die Heim- und Personal-Computer die einzigen Plattformen, für die sich die Spieleentwicklung überhaupt noch lohnte. Eine Handvoll ehemaliger AtariEntwickler/innen setzte ihre gesammelte Erfahrung für andere interaktive Technologieanwendungen ein, etwa die Virtual Reality, die mit ihrer aufwendigen und teuren Infrastruktur jedoch nur durch staatliche Geldgeber finanziert werden konnte. Andere gingen der Branche für immer verloren.146 Die San Francisco Bay Area verfügte aber nicht allein über eine Häufung an Entwicklungsstudios, sondern an auch an allgemeiner Infrastruktur. Führende Universitäten 143 144 145 146

Vgl. T. Lenoir: Virtual Reality Comes of Age. In: T.P. Hughes, NRC (Hg): Funding a Revolution. Washington/DC 1999. S. 226-249, hier 230-232. (Online) Vgl. A. Saxenian: Regional Advantage. Cambridge/MA u.a. 2000. S. 11-57. Vgl. D.C. Carlston: Software People. New York/NY 1985. S. 48, 91-93, 202, 138-177. Vgl. ebd. S. 221-245. C. Crawford: The History of Computer Games – The Atari Years. In: JCGD, Vol. 5, Is. 1, Oct. 1991. S. 6-9. M. Goldberg, C. Vendel: Atari Inc. – Business is Fun. Carmel/NY 2012.

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und Forschungseinrichtungen sorgten für einen anhaltenden Nachschub an jungen, gut ausgebildeten Talenten. Zugleich konnten freiberufliche Künstler/innen und Medienschaffende zur Verstärkung einzelner Projekte angeheuert werden ebenso wie zuarbeitende Unternehmen für Musik- oder Audio-, Video- oder Grafikproduktion. Finanzielle und organisatorische Unterstützung etwa bei Firmengründungen war durch Geldinstitute und Rechtsberatungen leichter zu bekommen, die bereits mit Medien- und Technologieunternehmen sowie der Unterhaltungsindustrie vertraut waren. Zudem waren in der Region bereits Hardwareherstellung, computerspezifische Werkzeugentwicklung sowie Vertriebsstrukturen für Software fest etabliert. Außerdem bot Kalifornien als das am dichtesten besiedelte Gebiet der USA vor allem für die kleineren Unternehmungen bereits einen ausreichend großen Absatzmarkt, um sogar mit kleineren Stückzahlen erfolgreich zu sein, ohne direkt das ganze Land erreichen zu müssen. Schließlich etablierte ein Zusammenschluss von Konsolenherstellern und -publishern im Jahr 1995 mit der ›Electronic Entertainment Expo‹ (E3) auch die für viele Jahre wichtigste Spielemesse in Kalifornien. Von 1978 bis 1994 hatte die wichtigste Messe für Unterhaltungssoftware, die ›Consumer Electronics Show‹ (CES), immer abwechselnd im Januar in Las Vegas (›Winter Consumer Electronics Show‹, WCES) und im Juni in Chicago (›Summer Consumer Electronics Show‹, SCES) stattgefunden. Doch angesichts der neuen Konkurrenz durch die ›Electronic Entertainment Expo‹ (E3), die erstmals vom 11. bis 13. Mai in Los Angeles stattfinden sollte, verkündete die ›Electronic Industries Association‹ (EIA), Betreibergesellschaft der ›Consumer Electronics Show‹ (CES), schon Anfang 1995, dass die Veranstaltung, die für den folgenden Sommer geplant gewesen sei, ausgesetzt werde, um Konzept und Standort zu verändern.147 LARRY O’BRIEN, Chefredakteur des Magazins Game Developer, betonte jedoch in der August-/Septemberausgabe 1995, dass es im Vergleich zur ›Computer Game Developers’ Conference‹ in San Francisco, die so überaus deutlich vom Personal Computer beherrscht worden sei, keinen größeren Kontrast habe geben können als die »E3 show in Los Angeles«, einem eindrucksvollen Spektakel auf fast 70.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, einzig der »interactive entertainment industry« gewidmet, wobei es schien, als seien diese beinahe vollständig Kampfspielen vorbehalten – nun im Gewand von einfarbigen, dreidimensionalen Polygonen. »The lack of creativity in the cartridge industry was overwhelming. The home computer CDROM game is where all the innovation is. [...] Hollywood and the cartridge industry are staring with incestuous lust into each other’s eyes, totally missing the fact that the home computer is going to drive the U.S. gaming industry and that U.S. software developers are poised to become as dominant in the entertainment software industry as they are in the applications industry.«

Entwickler/innen in den USA könnten keinerlei Interesse daran haben, Tausende, wenn nicht gar Millionen von Dollar in Entwicklungslizenzen zu investieren, wenn sie sich mit einem Hit auf dem Spielemarkt für Personal Computer zugleich den Zugang zu den Konsolen sichern könnten, umworben mit den offenen Checkbüchern der Hard-

147

Vgl. o.A.: E3 Replaces Summer CES (ProNews). In: GamePro, Vol. 7, No. 1, (#66) Jan. 1995. S. 211.

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warehersteller.148 Die erste E3 habe dennoch mehr als 4000 Besucher/innen gehabt im Vergleich zur »7th Annual Computer Game Developers Conference« mit 2400, sich aber um den Wettstreit zwischen den Konsolenherstellern Sega und Sony gedreht, begleitet von der Abstinenz der neuen Nintendo-Konsole zugunsten des sehr skeptisch beäugten ›Virtual Boy‹-Gerätes und einer kaum zu ertragenden Geräuschkulisse.149 Die ›Electronic Entertainment Expo‹ sollte wohl erst im Jahr 1996 zur zentralen Messe der Spieleindustrie, nicht nur für »video games«, sondern auch für »computer games« aufsteigen. So ließe sich erklären, warum etwa die Computer Gaming World die E3 des Jahres 1995 nicht einmal erwähnt, dann aber im Folgejahr einen viele Seiten umfassenden Messebericht präsentierte.150 Computer Game Developers’ Association

Noch in der Erstausgabe des Journal of Computer Game Design Juni 1987 im sah CHRIS CRAWFORD trotz der »growing community of professionals working in the field of computer game design« wesentliche Defizite in der Wahrnehmung von Professionalität. Insbesondere in der Presse würden weiterhin »silly articles« erscheinen, schlechte (»seriously flawed«) Spiele enthusiastisch besprochen, Personen ohne Entwicklungserfahrung – Produzent/innen – zu »matters of game design« befragt oder gar völlig Außenstehende angehalten, sich am »game design« zu probieren. »The problem here is that the press and the public do not perceive that computer game design is a serious profession requiring talent, expertise, and experience to master.« Es sei eine wesentliche Aufgabe, auch die verbreitete Wahrnehmung aktiv zu verändern: weg von der Vorstellung, »computer game design« sei »a fun hobby that kids play at before they grow up to become real programmers«.151 148

149

150 151

Vgl. L. O’Brien: Then There Was a Doughnut and a Snake ... In: Game Developer, Aug./ Sep. 1995. S. 2-4, hier 4. Ders.: Brain Goes Whoosh! In: Game Developer, Jun./Jul. 1995. S. 4. Vgl. N. Claro, B. Hanscome: Schmooze News. In: Game Developer, Aug./Sep. 1995. S. 14. MCV-Redakteur Christopher Dring fühlte sich aufgrund des alles beherrschenden Konkurrenzkampfes zwischen den Konsolenherstellern noch 2013 an die erste E3 erinnert. Als Gegenmodell zur ›Software Publishers Association‹, die in den Augen von Industrievertetern eher mit PC-Software befasst gewesen sei und daher die »video games industry« vernachlässigt habe, sei im April 1994 die ›Interactive Digital Software Association‹ (IDSA) gegründet worden, deren Mitglieder, allen voran die großen Konsolenhersteller Sony, Sega und Nintendo, unter diesem gemeinsamen Dach die erste E3 finanziert hätten. So sei die erste E3, die vom 11. bis 13. Mai 1995 im ›Los Angeles Convention Center‹ stattgefunden habe, ganz vom Wettbewerb der neuen Spielkonsolen Sony PlayStation, Sega Saturn und Nintendo Ultra64 (später Nintendo64) geprägt gewesen. In vielerlei Hinsicht habe die E3 des Jahres 1995, die in ihren Ursprüngen noch deutlicher als Handelsmesse zu erkennen gewesen sei, den enormen Aufstieg der »video games« in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre begründet. Vgl. C. Dring: A Tale of Two E3s – Xbox vs Sony vs Sega. In: MCV, 11.07.2013. (Online) Vgl. o.A.: Big Game Hunt. In: CGW, No. 145, Aug. 1996. S. 47-50, 54, 56, 58, 60, 64, 66, 68-70, 72, 74, 76-78, 83f., 86, 90f., 93, 95f. Vgl. C. Crawford: Why a Journal of Computer Game Design? In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./ Jul. 1987. S. 2.

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Kein Jahr später, im April 1988, griff CRAWFORD diese Thematik im Rahmen seines Editorials noch einmal auf angesichts des amateurhaften Verhaltens, von dem ihm vielerorts berichtet werde. Mangelndes Vertrauen von Verlagen sei angebracht, wenn Entwickler/innen frustriert ihre Projekte aufgäben, um die Branche zu verlassen, nicht in der Lage seien, Terminabsprachen einzuhalten, auf Kontrolle über den Quellcode oder absurden Vertragsklauseln bestünden, und die Publisher mitten im Projekt mit nicht abgesprochenen Forderungen konfrontierten. Dieses Verhalten schade der ganzen Gemeinschaft und führe zu einer überbordenden Bürokratie zur rechtlichen Absicherung. Das Vertrauen beider Parteien sei der Lebenssaft eines jeden Geschäftes und schaffe Freiräume, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Selbst wenn es noch keine Tradition gebe, auf die man sich berufen oder auf deren Grundlage man Strafen aussprechen könne, so sei es das Mindeste, innerhalb der Gemeinschaft einen professionellen Standard einzufordern sowie grobe Verstöße ehrlich und konstruktiv publik zu machen.152 CRAWFORD geht allerdings auch mit den Publishern hart ins Gericht, wenn er im Heft darauf erklärt, dass ihre irrationalen, inkonsistenten und langsamen Entscheidungsprozesse sowie ihre mangelhafte Qualitätssicherung von unerträglicher Inkompetenz zeugten.153 Angesichts dieser Missstände überrascht es wenig, dass sich CRAWFORD niemals besonders für den Gedanken begeistern konnte, eine berufliche Vereinigung zu gründen. Schon im Editorial der Oktoberausgabe 1988 des Journal of Computer Game Design, nach der zweiten ›Computer Game Developers’ Conference‹, hatte er sich mit den dort allgegenwärtigen Überlegungen befasst, eine formelle Vereinigung der Spieleentwickler/innen aufzubauen, wobei es Argumente dafür und dagegen gebe. Eine solche Berufsvereinigung könne einen Mustervertrag für Game Designer/innen formulieren und damit Verhandlungen mit Verlagen erleichtern oder auch einen Service für Anhörungen bereitstellen, wenn man etwa an der Höhe von Bonuszahlungen zweifle. Der Bedarf einer kollektiven Herangehensweise für »computer game designers« sei unbestreitbar, da diese immer wieder in schlechte Verhandlungspositionen gerieten, keine angemessene künstlerische Wertschätzung erfahren und der Großteil des Geldes von den Verlagen gemacht werde. Den meisten gehe es dabei nicht um Provokation, sondern darum, den Stand des eigenen Berufes zu verbessern und den Informationsaustausch zu unterstützen, etwa durch ein zentrales Verzeichnis von »entertainment software talent« oder eine Bibliothek von raren Dokumenten, die speziell für Game Designer/innen von Interesse seien. Eine solche Vereinigung könne über ihre Vertretung und die Art ihrer Finanzierung selbst bestimmen. Damit könne diese deutlich effektiver agieren als er selbst, der einem Vorsitzenden derzeit noch am nächsten komme. Es gebe aber auch anders lautende Stimmen, da angezweifelt werde, dass man sozial bereit sei, eine solche Berufsvereinigung zu gründen. Für den formalen Ausdruck einer Gemeinschaft sowie die vielen Schwierigkeiten und Kompromisse, die damit einhergingen, fehle es den »computer game designers« noch an Gemeinschaftssinn. Zudem sei eine solche formelle Vereinigung und ihre Bürokratie gar zwingend notwendig, wenn ihre Aufgaben durch andere Institutionen wie das Journal of Computer Game Design und die ›Computer Game Developers’ Conference‹ für den Informationsaustausch geleistet würden. Er selbst glaube nicht mehr daran, dass die Einrichtung einer solchen Vereini152 153

Vgl. C. Crawford: Editorial – Amateurism. In: JCGD, Vol. 1, Is. 6, Apr./May 1988. S. 2. Vgl. C. Crawford: Editorial – Incompetence. In: JCGD, Vol. 1, Is. 7, Jun./Jul. 1988. S. 2.

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gung unausweichlich sei, wenn man etwa die gemeinsame Kommunikation über ein ›Bulletin Board System‹ (BBS) organisieren könne. Man könne also entweder jetzt eine solche Organisation gründen, es später tun oder darauf verzichten und die existierenden Medien nutzen. CRAWFORD rief schließlich dazu auf, das Thema zu diskutieren.154 Mehr als ein Jahr später, in der Dezemberausgabe 1989 des Journal, bilanzierte CRAWFORD jedoch, dass weder der ›JCGD Round Table‹, der beim Online-Dienst GEnie eröffnet worden sei, noch das Industrieverzeichnis, für das JACK THORNTON im September um Zusendungen gebeten hatte, besonders viele Rückmeldungen aus der Gemeinschaft bekommen hätten. Gleiches gelte für seine Gehaltsumfrage des letzten Jahres, die immer wieder vorgebrachten Bitten um Artikel für das Journal oder den von ELAINE DITTONS unternommenen Versuch, auf Grundlage gängiger Verträge einen Mustervertrag zu erstellen. »The trend here is obvious. Game designers have not yet developed much community spirit. As a group, we are still pretty much loners rather than joiners. We don’t go out much for collective action. We’re too busy following our individual paths to invest any time in joint efforts.«

Dies alles sei umso ironischer, angesichts der immer wieder aufkeimenden Idee eine Form von Berufsvereinigung zu gründen, die für gemeinsame Interessen eintrete. Auf seine vor über einem Jahr formulierte Aufforderung hin, Vorschläge für die Gründung bzw. Nichtgründung einer Vereinigung zu machen, habe er keine einzige Zuschrift erhalten. Vor dem Hintergrund, dass es noch immer an einer ausreichend zusammenhaltenden Gemeinschaft fehle, habe er sich entschieden, sich gegen eine solche Vereinigung auszusprechen. Der Mangel an Gemeinschaftsgeist habe aber auch finanzielle Folgen, da zugleich Geschäftskontakte und damit Vergleichs- und Entscheidungsmöglichkeiten, technische Unterstützungsleistungen durch Teilhabe am gemeinsamen Fundus von Ressourcen und Problemlösungen und Kenntnisse über Vertragsangelegenheiten ausblieben. Es sei also dringend notwendig, sich an den Angeboten zu beteiligen, auch bei Bekannten für das Journal zu werben und bei der nächsten ›Computer Game Developers’ Conference‹ aufzukreuzen.155 Angestachelt von CRAWFORDS Äußerungen erschienen in der Folgeausgabe des Journal zwei Zuschriften, die mit dessen Rolle haderten bzw. sich für die Gründung einer Berufsvereinigung stark machten. So wendete sich etwa MIKE JOSELYN, der sich an Diskussionen um die ›Game Designer’s Guild‹ im Umfeld der Brettspiele erinnert fühlte, gegen die Vorstellung, das Journal of Computer Game Design könne allein die Interessen der Designer/innen vertreten. Insbesondere der Umgang mit den Verlagen, die vornehmlich an Profit und nicht an Qualität interessiert seien, gestalte sich schwierig, wenn man nicht wie CRAWFORD über einen bekannten Namen verfüge. Verlage seien auch bereit, für minderwertige Arbeit Geld zu bezahlen, solange sie billig sei und sich trotzdem verkaufe. Nur ein Zusammenschluss erfahrener Game Designer/innen könne die beste Arbeit hervorbringen, die ihnen möglich sei, statt mit einem Mindestmaß an Aufwand Geld zu verdienen. 154 155

Vgl. C. Crawford: Are We Ready for a Formal Association? In: JCGD, Vol. 2, Is. 1, Oct./ Nov. 1988. S. 2. Vgl. C. Crawford: Fire & Brimstone on Community Spirit. In: JCGD, Vol. 3, Is. 2, Dec. 1989. S. 2f.

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»So what is a GOOD game designer? He is a PROFESSIONAL game designer. And as a PROFESSIONAL, he may look askance at unions. Unions, after all are for LABOR, and a computer programmer of any sort is WHITE COLLAR work. All this talk about contracts, shared information, dues, participation, etc. sounds very much like an organization trying to gain some leverage with the bosses (i.e. the publishers). If you think I’m being silly or waving the red flag here, think about teachers. They are professionals, many of them belong to unions, and many of them don’t— precisely because of the attitude I’ve already outlined. So are writers, and certainly the screenwriters guild is a union for professionals, with a standard contract and, let’s face it, alot of economic clout because of their solid organization.«

Alleine Werbung für das Journal zu machen, reiche nicht aus, da nur wenige Personen tatsächlich an der Untermauerung der Industrie und den »actual workings of the creative process« Interesse hätten. Der Rest von ihnen sei mit ihrer glückselig machenden (aber unterhaltsamen) Naivität vollkommen zufrieden. Dies möge auch auf einen Großteil der Leserschaft des Journal zutreffen, die nicht im Silicon Valley oder im Westen der USA lebten. Und selbst, alle infrage kommenden Personen für ein Abonnement zu gewinnen, führe noch nicht zu einer Handhabe gegenüber Verlagen. Es sei zu klären, ob das Journal als Medium des Austausches, als Plattform für die Kommunikation zwischen Designer/innen und Verlagen oder als Magnet für Abonnements dienen solle. Darüber hinaus müsse stärker dafür geworben werden, Beiträge stärker an den Erfordernissen der Leserschaft zu orientieren und außerdem über eine Form regelmäßigen Einkommens zu verfügen, sei es über ein Buch oder Sonderhefte. Es gelte, Artikel zu bestimmten Themen anzufordern und andere Inhalte, etwa zu Verträgen, in einer Form zu publizieren, die eine Diskussion in Gang brächten. Das Journal sei ein ehrenhaftes Unterfangen und ein unverzichtbarer Teil der Designer/innen als Gruppe, doch es brauche mehr, damit es nicht als »special interest newsletter« verkümmere.156 Noch deutlicher äußerte sich MARK BALDWIN im gleichen Heft, dessen Brief sich als Manifest zur Gründung einer Vereinigung lesen lässt. Im Verlauf der letzten Jahre, vermittelt durch das Journal und die ›Computer Game Developers’ Conference‹, habe sich eine Gemeinschaft zum Wohle aller gebildet, die durch Freundschaft und Zusammenarbeit, »skills, abilities and professionalism« zusammengehalten werde. Vor diesem Hintergrund mache er nun den Vorschlag, diese Gemeinschaft zu strukturieren und eine »association of professional game designers« zu gründen. Es gehe dabei nicht um eine Gewerkschaft oder Gilde, da es nicht das Ziel sei, die Mitglieder zu kontrollieren, sondern um eine künstlerische Organisation, die Individuen und die Industrie aus der Einheit ihrer Mitglieder heraus unterstütze. Eine solche Vereinigung könne formelle Mittel der Kommunikation bereitstellen, die Identifikation als Gruppe erleichtern, in Sachen Verträge, Versicherungen und Rechtsberatung helfen, Preise und Anerkennungen für herausragende Werke aus den Reihen der Gleichgesinnten verleihen sowie neue Mitglieder an den Beruf heranführen. Als Organisation diene sie dazu, ein Gleichgewicht gegenüber unehrenhaften und unehrlichen Verlagen herzustellen. Daneben gebe es auch weniger greifbare Vorteile wie die Schaffung einer größeren dienlicheren Gemeinschaft, die besser und stärker zusammenhalte sowie eine entsprechende Identität bekäme. Gegen eine solche Vereinigung werde immer wieder als Argument vorgebracht, dass diese zuerst nach einer zusammenhaltenden Gemeinschaft verlange, doch sei zweifelhaft, dass es 156

Vgl. M. Joslyn: Letter. In: JCGD, Vol. 3, Is. 3, Feb. 1990. S. 12f.

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ohne Vereinigung jemals diese Gemeinschaft geben werde. Eine formale Organisation sei das Werkzeug, um die voneinander unabhängig agierenden Personen zusammenzuführen. Es werde bei der kommenden ›Computer Game Developers’ Conference‹ die Möglichkeit geben, die Vereinigung zu diskutieren. Dorthin sollten alle kommen, um die Vereinigung durch Anwesenheit, Fähigkeiten und Kenntnisse zu unterstützen und sie zum Nutzen aller einzurichten. Der Bedarf sei gegeben und die Zeit für die ersten Schritte sei gekommen. »RESOLVED, THAT A FORMAL ASSOCIATION OF COMPUTER GAME DESIGN PROFESSIONALS BE HEREBY ESTABLISHED.«157 Im Anschluss an die ›Computer Game Developer’ Conference‹, die Anfang April 1990 in San Jose stattgefunden hatte, berichtete dann RICHARD MULLIGAN über die Diskussionsgruppe zur ›Association of Computer Game Developers‹, die sich bei diesem emotionalen Thema jedoch tief gespalten gezeigt habe. So habe auch CHRIS CRAWFORD, stellvertetend für die Gruppe der Nein-Sager/innen, seine Bedenken wiederholt, nicht zuletzt, da ein Scheitern des Vorhabens die Gründung einer Vereinigung auf Jahre hin unmöglich mache. Dem gegenüber habe die Gruppe der Ja-Sager/innen betont, dass die Zeit für für eine Vereinigung gekommen sei. Insgesamt bewege man sich langsam und vorsichtig, aber unaufhörlich in Richtung der Gründung einer Berufsvereinigung, doch geschehe dies auf die Gefahr hin, die Gemeinschaft in zwei verfeindete Lager zu spalten. Durch den persönlichen Einsatz von CRAWORD, DAVE MENCONI und dem Vorstand der ›Computer Game Developer’ Conference‹ sei bereits viel in Sachen Gemeinschaftsbildung erreicht worden. Getragen durch das Journal und die jährlich stattfindende Konferenz mit dem dort vorherrschenden Austausch und Zusammenhalt habe sich der Gedanke einer nationalen Vereinigung festgesetzt; doch bleibe der Eindruck bestehen, dass es für eine solche noch zu früh sei. Erstens gebe es keine Bewegung in der von einem aussterbenden Individualismus geprägten Basis der »computer game designers«, die für die Gründung einer Organisation votiere. Zweitens sei diese Nische der Computerindustrie noch so jung, dass sie sich noch immer nicht als (inter)nationale Gemeinschaft wahrnehme. Drittens bestünden kaum Erfahrungen über den Nutzen einer Berufsvereinigung. Viertens müsse eine solche Organisation auf dem persönlichen Kontakt aufbauen, wie er durch die jährlichen Konferenzen gegeben sei, und sich in den Treffen lokaler Gruppen fortsetzen. Fünftens gebe es generelle Vorbehalte gegenüber Gewerkschaften und Gilden, die sich auch auf eine Vereinigung übertragen lassen. Game Designer/innen seien immer bereit, einer Vereinigung beizutreten, wenn man ihnen versichern könne, dass es nicht darum gehe, die Industrie oder ihre Mitglieder zu regulieren. Die Satzung einer Berufsvereinigung müsse die Beschaffung, Bereitstellung und Ausgabe von Informationen, Werkzeugen und Angeboten darlegen und begrenzen. Sie sollte einen Mitgliedschaftsbeitrag für die entstehenden Kosten einnehmen, jedoch keinesfalls mehr als 100 US-Dollar. Zudem müsse die Satzung deutlich machen, dass keine feindliche Position gegenüber Verlagen, sondern vielmehr eine Veränderung und Verbesserung schlechter Geschäftspraktiken angestrebt werde. Schließlich brauche es eine Ausschuss und einen Prozess für Beschwerden, um national und international unprofessionelles und unethisches Verhalten der Designer/innen und Verlage anzuprangern

157

Vgl. M. Baldwin: Letter. In: ebd. S. 3.

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und abzustellen. Diese genannten Punkte sollten dazu beitragen bei dieser Angelegenheit zu einer rationalen Diskussion zu finden.158 Neben diesen ersten Schritten sollte das Jahr 1990 allerdings noch zwei Ereignisse bereithalten, welche die Gründung einer Berufsvereinigung trotz aller vorgebrachten Bedenken mit Nachdruck auf die Tagesordnung setzte. Wie KELLYN BEECK im Rahmen seiner Rubrik ›The Journal Reporter‹ in der Aprilausgabe 1990 des Journal of Computer Game Design berichtete, sei im Februar ein Gesetzesantrag im Staat Kalifornien vorgelegt worden mit dem Ziel, den Inhalt von »computer and video games« zu beschränken. Mit ›Assembly Bill 3280‹ sei vorgesehen, den Verkauf Spielen zu verbieten, welche Alkoholund Tabakwerbung abbildeten, was in der vorliegenden Form allerdings »›any interactive electronic amusement device‹« betreffe und auch die Darstellung von Figuren einschließe, die Alkohol trinken oder rauchen. Es gehe darum, die Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen zu unterbinden, etwa durch Bannerwerbung in Sportspielen. »Any attempt to pass legislation censoring the content of computer games should be viewed with alarm, because the interactive entertainment medium, although less well established than the print and broadcast media, should be protected by the same First Amendment rights to freedom of speech. Such protections should be nurtured and guarded with great care. Interactivity, used wisely and responsibly, can become a powerful tool for mass communication and education, as well as for entertainment. But freedom of expression is integral to that growth, and should be defended against all attempts to censor it.«

Zudem müsse man sich dem Recht auf freie Meinungsäußerung würdig erweisen und im Rahmen des Produktionsprozesses verantwortungsvoll mit kreativen Entscheidungen umgehen, was eben auch die Abbildung von Alkohol- und Tabakgebrauch betreffe.159 In der Augustausgabe 1990 des Journal berichtet CRAWFORD, dass der Entwurf, obwohl unter »computer game developers« viel darüber diskutiert worden sei, ohne jeden Widerspruch und mit nur wenigen Änderungen, das Unterhaus passiert habe. Erst dann habe sich, organisiert von MARK WELCH und geleitet von MARGARET PENA, Widerstand formiert, sodass er selbst Ende Juni nach Sacramento gefahren sei, um vor dem Justizausschuss gegen das Gesetz vorzusprechen. Denn es habe bisher noch gar keinen Fall von bezahlter Werbung in Computerspielen gegeben, würde jedoch viele unschuldige Spiele betreffen, die solche Inhalte nur abbildeten. Man behandele ungerechtfertigterweise Computerspiele anders als alle anderen Unterhaltungsmedien. Nach der Aussage eines Juraprofessors und eines Anwaltes von Sega, sei das Gesetz auch dank eines wohlwollenden Vorsitzenden im allgemeinen Einvernehmen mit dem Zusatz versehen worden, dass allein bezahlte Werbung für Alkohol und Tabak untersagt werde, was die Regelung deutlich entschärfe, sie aber nicht weniger problematisch in Hinsicht auf den ersten Verfassungszusatz mache. Es sei im Rückblick auf das Verfahren allerdings sehr beunruhigend, dass die Industrie eine so schlechte Figur abgegeben habe, sich gegen ein solches Gesetz zu formieren. 158 159

Vgl. R. Mulligan: The Association of Computer Game Developers. In: JCGD, Vol. 3, Is. 5, Jun. 1990. S. 10-12. Vgl. K. Beeck: The Journal Reporter. In: JCGD, Vol. 3, Is. 4, Apr. 1990. S. 8f.

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Sei es aus falscher Selbstsicherheit oder aus der Überzeugung, dass sich jemand anderes kümmern werde: Es habe sich niemand die Mühe gemacht, Briefe zu schreiben, Faxe zu versenden oder Telefonate zu führen. Wenn nicht MARK WELCH die Initiative ergriffen hätte, sei der einzige Gegenwind von der ›American Civil Liberties Union‹ gekommen. Besonders beunruhigend sei für ihn jedoch die Wahrnehmung, dass sein Argument, es handele sich bei Computerspielen um ein Unterhaltungsmedium wie jedes andere, keinerlei Widerhall gefunden habe. Dies deute auf ein massives Imageproblem, wenn Computerspiele einzig als ›Kinderspielzeug‹ wahrgenommen würden. Nicht nur, dass niemand auf die Idee käme, ähnliche Regelungen für Hollywoodfilme einzufordern, diese machten auch durch künstlerischen Wert und die Behandlung politischer oder sozialer Probleme ganz anders von ihrem Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch – ein Recht, das man schwerlich für sich in Anspruch nehmen könne. »It is imperative that we computer game designers push harder on the upper end of the artistic range of the medium. We must work to establish in the minds of the public the notion that computer games are an art form, capable of addressing the same issues that other media address. This is the most positive action that we can take. [...] On the negative side, we must increase our sensitivity to our vulnerability. [...] We as an industry must remind ourselves that, in the eyes of the public, we are not an art form. To many, we are cheap junk entertainment, slightly unsavory. [...] If further legislative assaults on our industry arise, we’ll be hard put convincing legislators that we are deserving of the same protections that other art forms enjoy. We’re on thin ice; we had better keep our noses clean!«

Interessanterweise ergänzt CRAWFORD seinen Artikel mit einem Informationskasten zu einem, wie er schreibt, entfernt verwandten Thema. Im Rahmen der ›Operation Sun Devil‹ sei der ›Secret Service‹ nämlich kürzlich gegen »computer hackers« vorgegangen und habe Computer sowie Datenträger konfisziert. Was im ersten Moment positiv stimme, sei bei genauer Betrachtung jedoch eher beängstigend, da der Secret Service bei seinen Opfern nicht sehr wählerisch gewesen sei. Unter den Betroffenen sei auch das Entwicklungsstudio ›Steve Jackson Games‹, dessen sämtliche Ausstattung man konfisziert habe, bloß weil eine Person im Unternehmen unter Verdacht stehe. Das in Entwicklung befindliche Spielbuch über »cyberpunks« liege nun seit vier Monaten auf Eis, in denen man die Firma ihrer gesamten Technik beraubt habe und die nun wohl zugrunde gehe, ohne dass jemals Anklage erhoben worden sei. Der Secret Service sei augenscheinlich gegen jede Person vorgegangen, deren Name in irgendeinem Hacker/innen-Computer aufgetaucht sei. Dies habe also auch schwerwiegende Konsequenzen für gesetzestreue Bürger/innen. Wer könne schon ausschließen, jemals eine E-Mail an Hacker/innen gesendet zu haben? Und wer könne es ohne Weiteres verkraften, mitten in der Nacht seine ganze Ausstattung an ein Einsatzkommando des Secret Service zu verlieren?160 Die von CRAWFORD geschilderte Situation sollte nicht ohne Folgen bleiben. Nachdem der Secret Service die gesuchten Dokumente nicht hatte finden können, seien alle Geräte an STEVE JACKSON zurückgegeben worden. Mit seinem Buch Monate in Verzug, mit nur noch knapp der halben Belegschaft und dem Ruin nahe, habe dieser auch noch feststellen müssen, dass der gesamte elektronische Briefverkehr auf den Computern ge160

Vgl. C. Crawford: AB3280 – A Shot Across the Bow. In: JCGD, Vol. 3, Is. 6, Aug. 1990. S. 10f.

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löscht worden war. Da er bei Bürgerrechtsgruppen wegen mangelnden Verständnisses der Technologie auf wenig Verständnis stieß, wandte sich JACKSON an die elektronische Gemeinschaft im WELL (Whole Earth ’Lectronic Link) und konnte MITCH KAPOR, JOHN PERRY BARLOW und JOHN GILMORE davon überzeugen, sich dieser Angelegenheit anzunehmen. Nachdem sie weitere verwandte Bürgerrechtsverletzungen gesammelt und in dem Artikel ›Crime & Puzzlement‹ veröffentlicht hatten, entschieden sie eine Organisation zur Aufklärung, zur Vertretung und zum Schutz der Bürgerrechte im Umgang mit neuen Technologien zu gründen. Im Juli 1990 wurde die ›Electronic Frontier Foundation‹ als ›501(c)(3) Nonprofit organization‹ ins Leben gerufen. Sie verkündete umgehend, Steve Jackson Games und weitere Nutzer/innen des firmeneigenen Mitteilungssystems in einem Gerichtsverfahren gegen den ›United States Secret Service‹ zu vertreten.161 Vor diesem Hintergrund lud das Programmheft der ›Computer Game Developers’ Conference‹ im März 1991 zu einem ›Roundtable‹ unter dem Titel ›Forming an Association‹ ein, organisiert von DAVID WALKER. Seit der letzten Konferenz sei ein Entwurf für eine Satzung erarbeitet und von einer Gruppe freiwilliger Entwickler/innen durchgesehen und überarbeitet worden. Dieser Entwurf und andere Angelegenheiten einer Vereinigung sollten Gegenstand der Diskussion sein. Aktuelle Pläne sähen vor, die Berufsvereinigung auf der Konferenz des Jahres 1992 zu gründen und dort erstmals einen Vorstand zu wählen.162 Der entsprechende Konferenzbericht der Computer Gaming World endet unter der Überschrift ›Developing Community‹ mit der Feststellung, dass die Gemeinschaft mit der Gründung eines Zusammenschlusses einen wichtigen weiteren Schritt getan habe. »The design community took action at this year’s conference to more formally align as an association of developers. Through the years, this conference has had an important impact on the computer game industry. We believe the new association will provide for even more effective cooperation in the future.«163

Basierend auf dieser Vorarbeit gründete WALKER, der Anfang der 1990er-Jahre regelmäßige Treffen für Entwickler/innen von ›Computer Entertainment‹ veranstaltet hatte, zunächst gemeinsam mit RICHARD PFERDNER in Los Angeles, dann gemeinsam mit TIM 161

162

163

Vgl. J.P. Barlow, John Perry: Crime and Puzzlement, Part 1 (08.06.1990). In: Electronic Frontier Foundation, San Francisco/CA 1995. (Online) Ders.: A Not Terribly Brief History of the Electronic Frontier Foundation (08.11.1990). In: ebd. (Online) Vgl. F. Turner: From Counterculture to Cyberculture. Chicago/IL u.a. 2008. S. 141-174. »Since the last conference, a draft charter for an association has been created. It has been reviewed and refined by a small group of developers who have volunteered to help turn the concept into reality. The draft charter and other association issues will be the subject of this roundtable. Present plans call for creation of the assocation in time to have the first election of officers at the 1992 conference. This is your chance to participate in the creation of this organization. The roundtable will start with a review of what has happened in the last year and a discussion of future plans. It will then be opened for general discussion.« CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Program. o.O. 1991. S. 5. Vgl. o.A. [Redaktion]: »Cogito Ergo Ludo« (»I Think, Therefore I Play«). In: CGW, No. 83, Jun. 1991. S. 42, 44-46, hier 46.

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BRENGLE in der San Francisco Bay Area, schließlich 1992 die ›Computer Entertainment Developers Association‹ (CGDA) und übernahm zugleich die Rolle des Vorsitzenden.164 Passend dazu war 1992 als Gastredner zum Abendbankett der ›Computer Game Developers’ Conference‹ der Mitgründer der ›Electronic Frontier Foundation‹ und »folk hero« JOHN PERRY BARLOW eingeladen worden. Dieser habe die Gelegenheit allerdings genutzt, um die Wirkungen und Folgen der Arbeit der »computer game industry« für die Wahrnehmung von Realität zu hinterfragen. Dabei sei BARLOW – in Anlehnung an JEAN BAUDRILLARD – von der Beobachtung ausgegangen, dass viele Leute in der heutigen Gesellschaft, statt reale Erfahrungen zu machen, diese eher durch Information als entfremdete Erfahrung ersetzten, also etwa Reiseberichte betrachteten statt selbst zu reisen, Sport beobachteten statt ihn selbst zu betreiben und »computer games/videogames« spielten statt authentische Abenteuer einzugehen. Dieses Problem entstehe, wenn die entfremdete Erfahrung stellvertretender Befriedigung unbewusst zu einem Teil der Wahrnehmung von Realität werde, die Simulation von hinter dem Bildschirm herauslaufe und sich an die Realität hefte. Ohne Rückbindung an die reale Welt und ohne jede Form von Konsequenz, gehe der stellvertretenden Umwelt jedes moralische Gewicht verloren, weshalb entfremdete, ganz in der Information eingerichtete, verrückte Bürger/innen auch in der Lage seien, anderen menschlichen Wesen etwas anzutun. Es sei also die dringende Aufgabe der Entwickler/innen »to design multiplayer games«, um dem Umgang mit dem Gegenüber die Bedeutung und Schwere zurückzugeben. BARLOW habe schließlich darauf beharrt, dass die Kreationen all jener Menschen, die im Bankettsaal anwesend waren, nicht nur auf die Wahrnehmungen der nächsten Generation, sondern auch auf die Haltungen zukünftiger Bürger im globalen Dorf wirkten; es sei gefährlich, wenn man von sich selbst oder von anderen nicht ernst genommen werde, dabei hätten die Anwesenden die Möglichkeit, eine positive, globale Haltung einzunehmen, noch ehe die Mächtigen wüssten, was sie im Schilde führten.165 CRAWFORD notierte in seinem Rückblick, dass viele Entwickler/innen wohl nicht damit gerechnet hätten, von BARLOW, der sich als verständnisvoller Beobachter der Softwareszene gezeigt habe, statt einer Lobhudelei eine solch komplexe, exzellente und anregende Ansprache mit ernsten, moralischen Sticheleien vorgesetzt zu bekommen, etwa mit Blick auf das »›testosterone poisoning‹ in computer games«.166 Im November 1992 erschien dann mit The Hacker Crackdown eine umfassende Chronologie der Ereignisse rund um die ›Operation Sundevil‹ und die Gründung der ›Electronic Frontier Foundation‹, verfasst von BRUCE STERLING, dem Gastredner des Vorjahres.167 In den folgenden zwei Jahren blieb es um die ›Computer Entertainment Developers Association‹ eigentümlich ruhig, wohl auch, da es an konkreten Streitthemen fehlte. Dies sollte sich erst ändern, als mit der Frage nach einer Alters- bzw. In-

164 165 166 167

Vgl. D. Walker: David Walker Profil. In: LinkedIn, Mountain View/CA 2014. (Online) Vgl. o.A. [Redaktion]: Consensual Hallucinations and Good Vibrations. In: CGW, No. 96, Jul. 1992. S. 76, 78, 80, 82, 84, hier 76-78. Vgl. C. Crawford: 1992 Computer Game Developers’ Conference. In: JCGD, Vol. 5, Is. 5, Jun. 1992. S. 14f., hier 14. B. Sterling: The Hacker Crackdown. New York/NY u.a. 1992. S. 138-152, 229-250, 285209. Vgl. Ders.: The Wonderful Power of Storytelling. In: JCGD, Vol. 4, Is. 5, Jun. 1991. S. 6-11.

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haltskennzeichnung von Computerspielen erneut die Angst vor staatlicher Überregulierung und dem Verlust kreativer Gestaltungsmöglichkeiten um sich griff. Bereits auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ des Jahres 1991 hatte eine von NICKY ROBINSON und TIM BRENGLE geleitete Diskussionsrunde unter dem Titel ›Professionalism‹ zu so wichtigen Problemen wie Projektplanung, Qualität, wie mit Marketingtreffen umzugehen sei und warum man so wenig Respekt erfahre, keinerlei Teilnehmer/innen gefunden.168 Auch CRAWFORD formulierte fünf Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe des Journal und unmittelbar nach der Konferenz des Jahres 1992 einmal mehr den Aufruf ›Get Professional!‹. Denn auch wenn sich die ursprünglich isoliert arbeitenden Techniker/innen zu einer vernetzten Gemeinschaft entwickelt haben, so ließen deren Werte noch immer eher an den »20 year-old hacker« denn an den »40 year-old electrical engineer« denken. Noch immer sei es für jede Ausgabe des Journal ein Kampf, Beiträge zu bekommen, bei denen es sich dann allzu oft um Meinungsäußerungen und nicht um die »nitty-gritty details« des Game Design handele; technische Informationen, Algorithmen oder Berechnungsmethoden seien die Ausnahme. Es sei ein Problem, das sich bei der ›Computer Game Developers’ Conference‹ fortsetzte, da kaum jemand bereit sei – und manche es gar von Vorgesetzten untersagt bekämen – spezifische Informationen, Programmierbeispiele und -techniken oder auch Verkaufszahlen preiszugeben. Es gelte vielmehr, sich an einem Wertekanon zu orientieren, den man grob »professionalism« nenne, der die intellektuelle Gemeinschaft als etwas Größeres akzeptiere als das einzelne Unternehmen und doch auf die Hilfe und die Bereitschaft aller, Informationen zu teilen, angewiesen sei. Dieser Austausch sei gegründet auf pragmatischen Überlegungen und gegenseitigem Vertrauen. Nicht Geschäftsgeheimnisse sollten mitgeteilt werden, sondern jene »good practices«, die an vielen Orten und seit mehr als zwei Jahren erfolgreich zum Einsatz kommen. Zur Lösung dieses Problems müsse die Gemeinschaft selbst aktiv und professioneller werden, da sich kein Unternehmen, das nur in kurzen Zeitabständen und Profiten denke, darum kümmere.169 Im Jahr 1993 wandte sich CRAWFORD für das Journal of Computer Game Design einmal mehr an mehrere Teilnehmer/innen der ›Computer Game Developers’ Conference‹, um mithilfe von Anekdoten und Beobachtungen ein vollständigeres Bild der Konferenz zu vermitteln, namentlich an KATHERINE LAWRENCE, NOAH FALSTEIN, MARK BALDWIN und ELLEN GUON. CRAWFORD selbst könne sagen, dass die Veranstaltung seine Erwartungen bei Weitem übertroffen habe mit über 900 teilnehmenden Personen. Nicht nur, dass die Konferenz inzwischen über die Grenzen der Gemeinschaft hinaus bekannt geworden sei und damit Teilnehmer/innen anziehe, die man nicht zum Feld der »computer games« zählen könne; ihre Akzeptanz als einziges ernst zu nehmendes Zusammentref-

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169

»It forces the conclusion that topics like quality and timeliness are not very interesting to game developers. Should there be any doubt in our minds as to why we are not perceived as professionals?« Vgl. Various and Sundry Authors [div.]: 1991 Computer Game Developers’ Conference. In: JCGD, Vol. 4, Is. 4, Apr. 1991. S. 8-10, hier 10. Vgl. C. Crawford: Editorial – Get Professional! In: JCGD, Vol. 5, Is. 5, Jun. 1992. S. 2.

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fen für Entwickler/innen von »interactive entertainment« steige ebenfalls, was zu mehr Teilnehmer/innen für »The Big Industry Conference« führe.170 Im gleichen Heft schildert auch ERIC GOLDBERG im Rahmen des Artikels ›We Have Met the Future, and He Is Us‹ seine Eindrücke von der »1993 Computer Game Developers’ Conference«. Es sei besonders auffällig gewesen, dass sich die gesamte Branche in Gleichgültigkeit geübt habe angesichts der »Interactive Entertainment Revolution«, die sich nun unübersehbar vor ihren Augen ereigne und beispielhaft vorgeführt durch die auf 1000 gestiegene Teilnehmer/innen-Zahl, die Präsentation des 3DO und die allgegenwärtigen Vorträge und Diskussionen über »Interactive Multimedia« und die tatsächliche Relevanz der CD-ROM als Datenträger der Zukunft. Vertreter/innen aus Hollywood hätten ebenfalls nicht mit Versprechungen zu bevorstehenden finanziellen Erfolgen gegeizt. 1993 sei auch das Jahr gewesen, in dem die Gemeinschaft den »education market« für sich entdeckt hätte, verpackt in der Marketingphrase des »edutainment«. Das wachsende Interesse an »education« lasse sich zum Teil aber auch damit erklären, dass fünf Jahre nachdem DANI BUNTEN in der ersten »keynote address« der ›Computer Game Developers’ Conference‹ von 1988 dem vornehmlich männlichen Publikum verkündet hatte, dass der Schlüssel zum Game Design die Gründung einer Familie und damit der Kontakt mit der normalen alltäglichen Welt von Partner/in und Kindern sei, tatsächlich immer mehr Menschen in der Spieleindustrie zu Eltern geworden seien, deren Überlegungen zunehmend den schmalen Pfad reiner Unterhaltung verließen hin zu den Bedürfnissen des Nachwuchses. Trotz alledem sei nur wenig Begeisterung für die neuen Technologien und das »interactive entertainment« zu spüren gewesen. »Maybe we know something that everybody else doesn’t. [...] Maybe we’ve seen the Next Big Thing come and go often enough in our field’s short history that we need to see tangible evidence of the interactive revolution before we buy into it. Or maybe it’s the Chris Crawford in all of us: we’re dedicated to the proposition that game design is an artform, and crass commerce and filthy lucre are but distractions. (Yeah, right. That must be it.)«171

Wie die Computer Gaming World beschreibt, habe die ›Computer Game Developers Conference‹ des Jahres 1993 in vielerlei Hinsicht wie eine Mischung aus einer Feier zur bestandenen Reifeprüfung und einem Klassentreffen, bei dem man sich alter Zeiten erinnert, gewirkt. Auf der einen Seite habe man die Helden vergangener Tage gefeiert wie etwa die Designer/innen der inzwischen aufgelösten Firma Infocom. Auf der anderen Seite habe man den Eindruck gewonnen, dass die Gemeinschaft der Entwickler/innen aus dem Schatten ihrer selbst gemachten »Traumwelt« und ihrer wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit herausgetreten sei. Nach langen Jahren der gefühlten Annäherung zeigten inzwischen große Hollywoodunternehmen gesteigertes Interesse an der Branche, daher halte neues Personal und deutlich mehr Geld Einzug sowie die Möglichkeit zu neuen Ufern aufzubrechen.

170 171

Vgl. Various Authors [div.]: 1993 Computer Game Developers Conference. In: JCGD, Vol. 6, Is. 5, Jun. 1993. S. 4f. Vgl. E. Goldberg: We Have Met the Future, and He Is Us. In: JCGD, Vol. 6, Is. 5, Jun. 1993. S. 6-8.

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»From the time many of our public companies formed in the early ’80s with vacuous but effective promises of making ›stars‹ out of computer game designers, the design community has tried to be its own counterculture and counterpoint to the slick marketing departments that package their talent. Many ruined companies rest in the graveyard of computer game history because both sides of a commercial entertainment product were not properly integrated.«172

Parallel zur Berichterstattung erschien zudem ein Editorial zum Thema ›Entertainment Software Enters The Hollywood Era‹. Denn vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung von Filmproduktion und -vertrieb rücke Hollywood durch die Einrichtung neuer Abteilungen, die Übernahme von Softwareunternehmen und die Intensivierung der Zusammenarbeit immer näher an die Spieleindustrie heran, was viele neue Möglichkeiten, aber eben auch diverse Gefahren mit sich bringe. So beträten viele Personen die Branche, die von »interactive entertainment« keine Ahnung haben und die auf der Grundlage demografischer Umfragen sowie dem Ziel, den größtmöglichen Massenmarkt zu erreichen, die Spieleentwicklung auf das sogenannte ›High Concept‹ und womöglich auf das Absurdeste reduzierten. Zudem wachse die Betonung der »special effects« und »game technologies«, die jenseits kronkreter Spiele oder Geschichten entstünden, aber auch der »cross-promotion« und »licensing deals«, die notwendiger Weise Enttäuschungen mit sich brächten. Es entstehe ein Umfeld, in dem es für kleine Entwicklungsstudios und unabhängige Designer/innen immer schwieriger werde, Zugang zum Vertriebssystem zu bekommen. Zudem sei zu erwarten, dass geltende inhaltliche Standards aufgeweicht werden, um ein größeres Publikum zu erreichen, bis hin zur Übernahme einer Alterskennzeichnung, wie sie für Filme bereits gängig sei.173 Anstatt im Jahr darauf einen allgemeinen Rückblick auf die ›Computer Game Developers’ Conference‹ 1994 zu verfassen, widmete sich CRAWFORD in der Juniausgabe des Journal vor allem der Kontroverse um die Untersagung eines Vortrages von Entwickler/innen durch die beteiligten Unternehmen Virgin und Disney. Die Nachfrage bei der Firma Disney habe zu seiner Überraschung das Resultat ergeben, dass diese ausnahmslos alle Aspekte, die das Geschäft des Unternehmens betreffen, als ihr Eigentum betrachte, weshalb der Vorstand der Konferenz sich entschieden habe, einen offenen Brief zu dieser Situation im Konferenzprogramm abzudrucken. Hier gehe es allerdings weniger um einen spezifischen Fall als um die grundlegende Frage, wie viele Informationen man untereinander austauschen sollte. Er beobachte zwei unterschiedliche kulturelle Herangehensweisen: einerseits die »hacker culture«, die jegliche Information als frei erachte, ihren Austausch als Pflicht und ihre Vorenthaltung als Berechtigung, sie sich zu nehmen, und andererseits die »corporate culture«, personifiziert durch die ›Anzugträger‹, die Information als wertvolles Eigentum verstünden, deren Weitergabe an die Konkurrenz nicht sinnvoll sei. Diese Angelegenheit sei für die Spieleindustrie besonders sensibel, da sie in ihrer Pionierzeit aus der Hackerkultur hervorgegangen war, sich nun aber mit ihrem stetem Wachstum im Übergang zur »corporate mentality« befinde, wobei die Kultur des Informationsaustausches drohe, verloren zu gehen. Er könne diese Entwick172

173

Vgl. o.A. [Redaktion]: Graduation Day for Computer Entertainment. In: CGW, No. 108, Jul. 1993. S. 34, 36, 38, hier 34. o.A. [Redaktion]: More Hijinx with the Class of ’93. In: CGW, No. 109, Aug. 1993. S. 38, 40, 42. Vgl. o.A. [Redaktion]: The Buffo New Tinseltown. In: CGW, No. 108, Jul. 1993. S. 162.

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lung auch bei sich selbst beobachten, da er noch 1981 den Programmcode mit ausführlichem Kommentar schon einen Monat nach Veröffentlichung des erfolgreichen Spieles zum Kauf anbot, während er heute mit Informationen und vor allem Programmcodes sparsamer sei. Natürlich sei es für die Industrie als Ganzes besser, wenn Unternehmen ihre Informationen einfach herausgäben, doch missachte man damit die Kosten, die mit der Entwicklung neuer Informationen einhergingen angesichts immer größerer Teams, Budgets und Risiken. Folglich sei ein Mittelweg die beste Entscheidung, doch liege aus Sicht einzelner Unternehmen kein Vorteil im Austausch von Informationen. Es handele sich um das Phänomen der ›Tragik der Allmende‹, bei dem die von Einzelinteressen vieler geleiteten optimalen Entscheidungen der Gruppe als Ganzes schadeten. Am wichtigsten sei jedoch die Gruppe der ›Talentierten‹, die für die Schaffung aller Informationen verantwortlich sei, sich jedoch nicht wie das Marketing und die Distribution kontrollieren ließe. Vielmehr benötige diese kreative Gruppe die professionelle Entwicklung, also die Möglichkeit, Informationen aufzunehmen und neue Fähigkeiten zu lernen. Anders als für ›Anzugträger‹, die dieses Konzept schwerlich nachvollziehen könnten, liege die Motivation für diese Gruppe in der Qualität der kreativen Arbeit sowie in ihrer Anerkennung durch Gleichgesinnte, und nicht allein im Profit. »Thus, every creative worker has a need to stand up in front of his peers and show off his contribution to the body of common knowledge. To deny that moment of glory is to deprive the creative worker of one of the fundamental satisfactions of the career. [...] creative people have a personal need to display their talents to the world. They need to give away their knowledge. And the corporations need the creative talents.«

Es sei also für individuelle Unternehmen wesentlich, zwischen der unternehmerisch relevanten »proprietary information« und der »professional expertise«, welche unter Kreativen frei ausgetauscht werden dürfe, zu unterscheiden. Diese Unterscheidung nicht zu machen, vertreibe die Kreativen, während die »creative community« sich vor allem bei solchen Unternehmen ansiedele, die eine offene Einstellung zum Austausch von Informationen haben. Wer unter einer restriktiven Firmenpolitik leide, könne auf der Konferenz jederzeit einen neuen Arbeitgeber finden. CRAWFORD schlägt vor, »Proprietary information« nur auf jene Informationen anzuwenden, aus denen sich ein klarer Wettbewerbsvorteil ableite, da sie allein diesem Unternehmen zur Verfügung stünden, während jene Informationen, die in gleicher oder ähnlicher Form auch anderswo zum Einsatz kämen, nicht als Eigentum betrachtet werden könnten. Letztlich sei aber weder die eigene noch die von Disney vorgeschobene Definition entscheidend, sondern jene, welche von den Kreativen mitgetragen werde und damit die gesamte Zukunft der Industrie forme.174 Die Setzung dieses Themas zeugt bereits von einem gewissen Bruch zwischen

174

Vgl. C. Crawford: Editorial – Personal Thoughts on the Disney Brouhaha. In: JCGD, Vol. 7, Is. 5, Jun. 1994. S. 2-5. Crawford hatte bereits Ende 1991 seine Bedenken darüber geäußert, dass große Verlage für Unterhaltungssofware begonnen hätten, zum Schaden der gesamten Industrie Spieletechnologie patentieren zu lassen, um die steigenden Kosten der Spieleproduktion zu kompensieren. Vgl. C. Crawford: Editorial – Patents, Poobahs and Peasants. In: JCGD, Vol. 5, Is. 2, Dec. 1991. S. 2f.

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CRAWFORD und den Interessen der Gemeinschaft, die zu dieser Zeit anderweitig gebunden waren. Die Diskussion um die Darstellung gewalttätiger Inhalte, die Herstellung von Spielen für eine spezifisch erwachsene Zielgruppe und die Alters- bzw. Inhaltskennzeichnung von Spielen hatte sich bereits Anfang der 1990er-Jahre angekündigt, wie sich vor allem an den Editorials in der Computer Gaming World, verfasst von Chefredakteur JOHNNY L. WILSON, nachvollziehen lässt. So hatte sich WILSON in einer Reihe von drei Ausgaben, von August bis Oktober 1992, mit den immer häufiger auftretenden Fällen exzessiver Gewaltdarstellung gegen Menschen befasst, die wegen der wachsenden Qualität visueller Darstellung zum Teil ein unerträgliches Ausmaß annehme. Spieler/innen müssten mit den Konsequenzen von Gewalt konfrontiert werden. »I think that the current state of game design dangerously understates the inadequacy of violent solutions to human problems. When we design games that force the player character to shoot his/her way out with no chance to reflect on who is being shot or why, we are reinforcing the concept that life is cheap, advocating to a lesser or greater degree the use of senseless violence.«175

In der Februarausgabe 1994 berichtet JOHNNY L. WILSON dann, dass die beiden Senatoren JOSEPH LIEBERMAN und HERBERT KOHL unmittelbar vor der Drucklegung des Heftes Anhörungen abhielten und der Spieleindustrie damit drohten, von staatlicher Seite aus einzuschreiten, wenn es ihnen nicht selbst gelänge, ein »viable and consistent rating system« vorzulegen. Wie WILSON allerdings betont, sei eine Form der freiwilligen Kennzeichnung, welche die Eltern und die Kundschaft über problematische Inhalte eines Spieles informiere, statt nur ein Alterssiegel anzubringen, überfällig. Idealerweise sei jeder Verlag für diese Kennzeichnung selbst verantwortlich und würde nur durch ein unabhängiges Gremium einer Vereinigung untersucht, wenn es zu Beschwerden komme. So ließe sich »artistic freedom in the world of computer and video games« sicherstellen.176

Schon in der folgenden Juniausgabe der Computer Gaming World legte sich Wilsons grundsätzlich positive Einstellung, da die inzwischen bevorzugte Lösung, vorgelegt vom Zusammenschluss der Konsolenhersteller und -verlage ›Interactive Digital Software Association‹ (IDSA), auf einer Ansammlung von Missverständnissen aufbaue und von der völligen Unkenntnis über die unterschiedlichen Zielgruppen, Herstellungsprozesse und Ausmaße von »video games« und »computer games« zeuge. Das größte Missverständnis sei, dass es sich bei Computerspielen ausschließlich um Spielzeuge für Kinder handele, 175

176

Vgl. J.L. Wilson: What Is Senseless Violence? In: CGW, No. 97, Aug. 1992. S. 136. Ders.: More Senseless Violence. In: CGW, No. 98, Sep. 1992. S. 128. Ders.: It’s Only A Game! In: CGW, No. 99, Oct. 1992. S. 160. Wilson hatte sich schon 1990 für eine Kennzeichnung potenziell anstößiger Inhalte ausgesprochen. Vgl. J.L. Wilson: For Mature Audiences Only. In: CGW, No. 73, Jul.-Aug. 1990. S. 8. Ders.: They’re Only Toys. In: CGW, No. 104, Mar. 1993. S. 146. Vgl. dazu die schon 1987/88 erschienene Artikelreihe ›Goodbye »G« Ratings‹ von John Williams anlässlich einer neuen Welle von »Adult Entertainment Software«. Vgl. J. Williams: Goodbye ›G‹ Ratings (Part One). In: CGW, No. 39, Aug.-Sep. 1987. S. 30f. Ders.: Goodbye ›G‹ Ratings (Part Two). In: CGW, No. 40, Oct. 1987. S. 52f. Ders.: Goodbye ›G‹ Ratings (Part Three). In: CGW, No. 43, Feb. 1988. S. 48f. Vgl. J.L. Wilson: Mea Culpas And Culpability. In: CGW, No. 115, Feb. 1994. S. 8.

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sodass die Vertreter/innen aus Elternschaft, Kinderpsychologie und Erziehung, welche über die Kennzeichnung entschieden, diese einzig und unter Missachtung eines größtenteils erwachsenen Publikums daraufhin untersuchten, ob sie gut oder angemessen für Kinder seien. Die daraus folgende Alterskennzeichnung mache es Spielen, die sich an ein erwachsenes Publikum richteten, deutlich schwerer, den Weg in den Handel zu finden. Zudem sei ein Sichtungsverfahren, das vor der Veröffentlichung liege, für Entwicklungsstudios von Computerspielen deutlich schwieriger einzuhalten als für jene von Videospielen, was zu Marktverzerrungen führen könne. Schließlich sei das gesamte Verfahren vor allem für Computerspiele sehr zeitaufwendig, mit viel Bürokratie und hohen Kosten verbunden – zum Nachteil der Spieler/innen. Der Artikel schloss mit dem Aufruf an die Leserschaft, sich durch die Zusendung von Briefen an die beiden Senatoren Gehör zu verschaffen.177 Die Bedenken gegenüber dem ›Video Games Rating Act of 1994‹ waren denn auch einer der Punkte, welche die Computer Gaming World in ihrer Berichterstattung über die achte ›Computer Game Developers’ Conference‹ aufgriff. Wie sich etwa an der von CRAWFORD geleiteten Podiumsdiskussion über ›Multimedia versus Game Design‹ und vor allem an ERNEST ADAMS ›Predigt‹ unter dem Titel ›Celluloid to Silicon‹ zeige, hätte in diesem Jahr mit den »Hollywood types« eine neue Gruppe Teilnehmer/innen gefunden, die von vielen in der »game community« misstrauisch beäugt würden und die unter dem Verdacht stünden, trotz aller Kritik, »the movie industry’s single-letter rating system« auch der Spieleindustrie aufbürden zu wollen.178 Eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Darstellung der ›Ratings‹-Debatte spielte zudem das erst ab Januar 1994 erscheinende und an Popularität gewinnende Magazin Game Developer, dessen Redakteure sich wiederholt gegen ein mit vielen Problemen behaftetes System der Alters- bzw. Inhaltskennzeichnung aussprachen. So richtete sich Redakteur ALEXANDER ANTONIADES im Editorial der Septemberausgabe 1994 ›Deflating the Ratings‹ an die Entwickler/innen, die vor dem vorgeschlagenen »video game rating system« Angst hätten und sich den »dictatorial commandments« über Inhalte und »censorship« entziehen wollten. Wer einer Kennzeichnung die Grundlage entziehen wolle, müsse, wie es schon bei einer Diskussionsrunde auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ 1994 diskutiert worden sei, vor allem Entscheidungen, Optionen und Alternativen anbieten, um die Spieler/innen nicht zwingend mit Gewaltanwendung zu konfrontieren. Ausschüsse und die Öffentlichkeit müssten verstehen, dass »interactive entertainment« einzustufen nicht dasselbe sei, wie einen Film einzustufen. »And, while I’m not in favor of video game ratings, forcing creative minds to work out nonviolent alternatives is not the end of the world, nor the end of this industry. [...] developers today are still more or less free to do whatever they want. The backlash brought about by the latest round of violent video games won’t last long, but could cause problems for all developers in the near future.«179 177

178 179

Vgl. J.L. Wilson: Game Ratings – PC-17 Not Suitable For Mature Audiences, No. 119, Jun. 1994. S. 12. Ders.: Towards A Gamer’s Liberation Movement. In: CGW, No. 117, Apr. 1994. S. 10. Ders.: Not Just For Kids. In: CGW, No. 142, May 1996. S. 20, 22. Vgl. o.A. [Redaktion]: The Designer’s Dilemma. In: CGW, No. 120, Jul. 1994. S. 26, 2831, hier 29. Vgl. A. Antoniades: Deflating the Ratings. In: Game Developer, Sep. 1994. S. 2.

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Im gleichen Heft fasste ALEX DUNNE die aktuelle Situation in seinem Beitrag ›The Ratings Game‹ zusammen. Als Reaktion auf die Vorlage des ›Video Game Rating Act of 1994‹ am 3. Februar im Kongress, in der die Einrichtung einer staatlichen Institution zur verpflichtenden Prüfung und Regulierung von Spielen gefordert wurde, hätten sich in der Spieleindustrie zwei Gruppen gebildet. Auf der einen Seite stehe die jüngst gegründete ›Interactive Digital Software Association‹ (IDSA) der großen Spieleverlage und Konsolenhersteller, die ihr eigenes System einer Kommission für Alterskennzeichnungen von »video games and computer games« vorgelegt habe. Auf der anderen Seite stehe eine Koalition aus ›Software Publisher’s Association‹ (SPA), ›Shareware Trade Association and Resources‹ (STAR), ›Educational Software Cooperative‹ (ESC) und ›Association of Shareware Authors and Distributors‹ (ASAD), die über 3000 vornehmlich kleinere Verlage vertrete und sich zugunsten einer Selbstkennzeichnung sowohl gegen die gebührenpflichtige Prüfung von Produkten als auch die Zentralisierung von so viel Macht in einer einzigen Institution ausspreche. Im Kern gehe es um das eigentümliche Konzept der Einstufung dreier Kategorien von anstößigen Inhalten: »nudity, profanity, and violence«. Dabei sei eine solche Einstufung weder eindeutig noch selbsterklärend. Dennoch deute sich bereits an, dass auch der Plan der IDSA keine Kennzeichnungspflicht vorsehe und es nicht gekennzeichneten Spielen kaum möglich sein werde, von den großen Handelsketten ins Programm aufgenommen zu werden. Anders als in der Film- oder Musikindustrie werde aber nicht mehr über das Für und Wider solcher Kennzeichnungen debattiert, sondern nur noch über die Form gestritten. Niemand aber stelle sich mehr gegen »game ratings«. »The subject of ratings, like many questions of what is morally acceptable, draws people into its vortex. Whether it’s book burnings or warning labels on compact discs, there are plenty of fervent people who will argue their side of the case. Unlike book burnings and music warnings, though, the fate of games appears to be sealed, as no champion against game ratings has stepped forth. Perhaps in our ›politically correct‹ world today, we are no longer willing to fight the trend toward having someone else taste-test everything for us.«180

Nicht weniger deutlich äußerte sich Chefredakteur LARRY O’BRIEN in der Ausgabe darauf in seinem Editorial ›A Rant on Ratings‹. Es könne nicht angehen, dass man ein undifferenziertes und bevormundendes, bürokratisches und teures, Kreativität beschränkendes System einsetze, nur um die notwendige Verantwortung der Produzierenden und der Rezipierenden infrage zu stellen. »Rating systems are crap. With the entire entertainment industry rolling over whenever Congress calls a hearing, it’s fallen on us to denounce these initiatives for what they are—cynical posturing and electioneering with no substance. Rating systems, whether for movies, television, video games, or any other form of communication, don’t work, cost money, and impede creativity. Everyone at those hearings, politicians and witnesses alike, knows that. But there’s nothing politicians love more than ›standing up for the family‹ and blaming America’s cultural violence on Hollywood. So

180

Vgl. A. Dunne: The Ratings Game. In: Game Developer, Sep. 1994. S. 6f. J. Durbetaki: Ratings Brouhaha. In: Game Developer, Dec. 1994. S. 6.

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the entertainment industry submissively pisses all over itself and proposes ›voluntary‹ systems from the pathetic to the laughable.«181

Es war diese aufgeheizte Stimmung, in der es ERNEST W. ADAMS gelang, eine Vereinigung der Spieleentwickler/innen nach seinen Vorstellungen zu positionieren. Der sich als Quereinsteiger im Silicon Valley durchschlagende ›Software Engineer‹ ADAMS mit einem Bachelor-Abschluss in Philosophie von der Stanford Universität war, nach eigenen Angaben, im Mai 1991, nur zwei Jahre nach seinem Einstieg in die Spieleindustrie, dem Vorstand der ›Computer Game Developers’ Conference‹ beigetreten und hatte diese gemeinsam mit den anderen Vorstandsmitgliedern von einer kleinen unterfinanzierten und mit Verlusten belasteten Unternehmung in ein profitables MillionenDollar-Geschäft verwandelt. Im Jahr 1994 habe es sich die ›Computer Game Developers’ Conference‹ dann leisten können, die Gründung der ›Computer Game Developers Association‹ zu finanzieren, mit ADAMS an der Spitze.182 In einem Interview aus dem Jahre 2007 und in einem Vortrag von 2014 beschreibt ADAMS die Gründung der ›Computer Game Developers Association‹ ausführlicher, ausgehend von seinem eigenen Werdegang. Nachdem er sieben Jahre lang als ›software engineer‹ in einer Firma gearbeitet hatte, die CAD-Werkzeuge für die Elektronikindustrie herstellte, sei er in vielerlei Hinsicht geschockt gewesen, die gesamte Spieleindustrie im Jahr 1989 im positiven Sinne rückständig vorzufinden. Verbreitete Techniken des ›Software Engineering‹ wie technische Dokumentation, Versionsverwaltung oder wartungsoptimierter Programmcode würden als elitäre Zeitverschwendung abgetan, E-Mail oder ARPAnet seien kaum jemandem bekannt gewesen und viele Spiele würden noch immer in Maschinensprache verfasst. Als er dann 1991 dem Vorstand der ›Computer Game Developers’ Conference‹ beigetreten sei, dem einzig erfahrene und mit den Umständen vertraute Entwickler/innen angehört hätten, habe er schnell feststellen müssen, als Späteinsteiger mit seinen seltsamen Ideen allein zu sein. Seine Ziele für eine professionelle Vereinigung seien immer sehr eng an dem Vorbild der ›Association for Computing Machinery‹ (ACM) orientiert gewesen, deren Mitglied er seit einigen Jahren gewesen sei, allem voran die Unterstützung der individuellen Entwickler/innen (und nicht der Unternehmen) in ihren Interessen und ihrer jeweiligen be181

182

Vgl. Larry O’Brien: A Rant on Ratings. In: Game Developer, Dec. 1994. S. 2. In der Rubrik über Neuigkeiten ›Bit Blasts‹ berichtete das Heft zudem über das ›Recreational Software Advisory Council‹ (RSAC) der SPA, ASP und anderer Vereinigungen und die Einführung einer Inhaltskennzeichnung. »First we had to deal with our parents forbidding us from seeing R-rated movies, then came that music label identification scandal, now this. Now our games and the very digital frontier we hold sacred are being threatened. Cyberia is inherently anarchic, chaotic, and methodic in its madness. Down with censorship!« D. Anderson, N. Claro: More to Hate About Ratings. In: Game Developer, Dec. 1994. S. 10. Er selbst sei für die Einrichtung gesponserter Veranstaltungen neben dem Hauptprogramm, der Stellenbörse, des Ausstellungsbereiches für Hersteller und der ›Product Spotlights‹-Entwickler/innen-Auszeichnungen verantwortlich gewesen, habe das Personal für Registrierung und Kundenservice eingestellt und verwaltet, einige Publikationen gesetzt, gedruckt und organisiert, die Arbeit des Konferenzpersonals geleitet, das Budget seiner Abteilungen verantwortet und als Zeremonienmeister durch das Abendbankett geführt. Vgl. E.W. Adams: Résumé. In: Ders.: The Designer’s Notebook, 2014. (Online)

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ruflichen Entwicklung. Gleichzeitig habe er klargemacht, dass es nicht darum gehe, eine Gewerkschaft zu gründen, auch weil viele Entwickler/innen im höchsten Maße unabhängig und als Unternehmensgründer/innen tätig seien. Nach dem Vorbild der ACM habe er auch Unterstützung bei der Gründung kleiner Unternehmen, fortwährende Ausbildungsmöglichkeiten und womöglich ein eigenes »journal« bieten wollen. Eine vergleichbare Vorstellung von einer professionellen Gesellschaft oder formellen Vereinigung habe nicht existiert, was keine Rolle gespielt habe bis zu den Untersuchungen des Kongresses über die Gewalt in Videospielen. Die von DAVE WALKER gegründete ›Computer Entertainment Developers Association‹ (CEDA) sei zu diesem Zeitpunkt in erster Linie dem anhaltenden informellen Austausch der rund 70 beigetretenen Entwickler/innen gewidmet gewesen, nicht aber der Außenkommunikation gegenüber Industrie, Politik und Öffentlichkeit. WALKER habe jedoch zugesagt, die CEDA mit der von ADAMS gegründeten Vereinigung zusammenzuführen und die Liste der Mitglieder weiterzugeben, was ihn zugleich zum ersten Mitglied der CGDA machte. »In the summer of 1994 I went to the CGDC board and asked them to let me create the CGDA as a department of the conference itself – an association within the business. I promised it wouldn’t cost too much, and their response was, ›Fine – if you do all the work.‹ So I did. I recruited some people from the outside to be a board of directors, but remember at this point it had no formal existence. The first directors were me, Jon Freeman, Kevin Gliner, Dave Walker [...] and Susan Lee-Merrow. Soon thereafter, Anne Westfall replaced Jon Freeman. I used the CGDC’s mailing list to put out a call, and several hundred people signed up. We were off and running. In the spring of 1995, we spun off the CGDA as a fully-incorporated 501 (c) 6 nonprofit member-owned organization.«

Wie ADAMS im Interview von 2007 selbst betonte, sei es der frühen ›International Game Developers Association‹ in ihrer Anfangsphase gar nicht mehr möglich gewesen, in den Prozess der Anhörungen im Kongress einzugreifen, doch hätten Entwickler/innen nun eine »official professional organization«, um mit einer Stimme zu sprechen.183

183

Vgl. E. Hoffman: Living the Dream – Let’s Get Together. In: Escapist Magazine, Is. 117, 02.10.2007. (Online) S. 1-3, hier 1f. Adams betonte gleich zu Beginn seines Vortrages, dass es sich bei dieser Darstellung um seine persönliche Sichtweise handele und andere sich wohl an andere Dinge erinnern mögen. Nach zweieinhalb Jahren trat Ernest W. Adams 1997, auch weil sich eine Gruppe als IGDN abgespalten hatte, als Präsident der CGDA zurück. Nach deren Wiedereingliederung benannte sich die Vereinigung in ›International Game Developers Association‹ (IGDA) um. Vgl. E.W. Adams: Herding Cats Doesn’t Begin to Describe It. In: GDC Vault 2014. (Online) Interessanterweise hatte die ›Association for Computing Machinery‹ ab den 1950er-Jahren den Ruf einer vornehmlich an wissenschaftlichen Diskursen interessierten Vereinigung, die den tagtäglichen Herausforderungen der Programmierer/innen in Unternehmen zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Vgl. N. Ensmenger: The Computer Boys Take Over. Cambridge/MA u.a. 2010. S. 170-175. Der Kongress folgte schließlich dem Ende Juli 1994 von der IDSA vorgelegten Vorschlag einer freiwilligen Kennzeichnung von fünf unterschiedlichen Altersgruppen und kurzen Inhaltsbeschreibungen; das ›Entertainment Software Rating Board‹ (ESRB) nahm bereits Mitte September 1994 seine Arbeit auf. Vgl. C. Kohler: July 29, 1994. In: Wired.com, 29.07.2009. (Online)

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ALEXANDER ANTONIADES, Redakteur des Magazins Game Developer, beschreibt 1995 in seinen Bemerkungen zur ›Computer Game Developers’ Conference‹, die mit ihren vielen Informationsangeboten sowohl erfahrene als auch angehende Entwickler/innen anspreche und damit etwa 2500 Personen vermeldet habe, dass bereits das zweite Jahr in Folge die Nachfrage nach Tickets unterschätzt worden sei, sodass man vielfach potenzielle Teilnehmer/innen habe abweisen müssen. »The main buzz was about the CGDC show itself and revolved around founding member Chris Crawford’s talk on the second day. Crawford railed against show management and admitted that he had been kicked off the board of directors. It was a sad note to this show, which started nine years ago in someone’s living room and has grown larger than anyone would have thought possible.«184

Die Redaktion der Computer Gaming World widmete der ›Computer Game Developer’s Conference‹ im Jahr 1995 eine Meldung von nicht mal einer Seite, denn obwohl mehr als 2200 Teilnehmer/innen gezählt wurden, beherrschte ein Thema die Konferenz. Denn im Anschluss an seinen Vortrag, der ein Appell für algorithmisch getriebene Handlungsstränge und künstliche Persönlichkeiten in der »interactive fiction« gewesen sei, habe CRAWFORD verkündet, dass er aus dem Vorstand der ›Computer Game Developer’s Conference‹ ausgeschlossen worden sei. »Ironically, founding visionary Chris Crawford chose a few moments at the end of his film lecture on Interactive Fiction to announce his removal from the board which oversees the conference and to offer his formal good-bye to assembled admirers. Crawford received a well-deserved standing ovation for his past efforts and is expected to continue his work of challenging developers in some type of small group work, a strong point in the Crawford style.«185

Wie ERNEST W. ADAMS in seinem ›Résumé‹ von 2014 festhält, sei die ›Computer Game Developers’ Conference‹ dann unter seiner maßgeblichen Beteiligung im Oktober 1995 an den Verlag ›Miller Freeman, Inc.‹ verkauft worden. Er selbst habe Teile des Verkaufsprospektes geschrieben, die anfänglichen Gespräche mit potenziellen Bietenden geführt und im Rahmen der Prüfung und Bewertung des Unternehmens dokumentarische Belege für dessen Wert bereitgestellt.186 In einem Artikel, den er selbst unter ›persönliche Erfahrungen‹ eingeordnet und am 14. August 2010 auf seiner Website veröffentlicht hat, blickte CRAWFORD noch einmal auf die Geschichte der ›Computer Game Developers’ Conference‹ zurück und schilderte zudem seine Sicht des Verkaufes der Konferenz an den Verlag ›Miller Freeman Inc.‹. Der enorme Erfolg der ersten beiden Veranstaltungen im April und September 1988 hatte CRAWFORD und die fünf weiteren Mitglieder des Planungskomitees dazu veranlasst, eine Organisation zur Ausrichtung der Konferenz zu gründen. Dies habe jedoch zu zwei schwerwiegenden Fehlentscheidungen geführt, die sich Jahre später als fatal erweisen sollten. Zum einen sei eine im Geiste gemeinnützige Organisation mit dem Grund184 185 186

Vgl. A. Antoniades: Live from the CGDC Show Floor! In: Game Developer, Jun./Jul. 1995. S. 16. o.A. [Redaktion]: C:\Game\Gurus\Grow. In: CGW, No. 132, Jul. 1995. S. 26. Vgl. E.W. Adams: Résumé. In: Ders.: The Designer’s Notebook, 2014. (Online)

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gerüst einer kommerziellen Unternehmung ausgestattet worden und zum anderen seien die Anteile des Unternehmens aus Gründen der Gleichberechtigung zu gleichen Teilen unter den sechs Vorstandsmitgliedern aufgeteilt worden mit der Auflage, diese abzugeben, wenn sie aus dem Vorstand ausschieden. Auch wegen seiner Besessenheit wegen der Ausrichtung der Konferenz habe es im Anschluss an die fünfte Konferenz im März 1991 Streit im Vorstand gegeben, weshalb einige Mitglieder den Vorstand verließen und durch neue ersetzt werden mussten. Der sich dennoch einstellende enorme Erfolg sei der Konferenz allerdings zum Verhängnis geworden. Denn um das Verhältnis von »professional game designers« und »wannabees« nicht übermäßig zu strapazieren, seien die Teilnahmegebühren im Laufe der Zeit immer weiter angestiegen. Doch trotz Abendbankett und anderen Angeboten sei es nicht möglich gewesen, das eingenommene Geld wieder auszugeben. So habe man den Mitgliedern des Vorstandes erlaubt, sich Ausstattung anzuschaffen, einen Teil ihrer Arbeit durch Subunternehmer/innen erledigen zu lassen und sich selbst eine Aufwandsentschädigung zu zahlen. Besonders schwerwiegend sei jedoch gewesen, ERNEST ADAMS Frau als dauerhafte Assistenz einzustellen, da sie für wesentliche Bestandteile der anstehenden Aufgaben, etwa die große Menge an Anmeldungen am Computer zu verwalten oder Materialien zu transportieren, aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht geeignet gewesen sei. Als es schließlich darum gegangen sei, die Organisation angesichts der großen eingehenden Geldmengen transparent als kommerzielles Unternehmen zu positionieren und alle, auch frühere Vorstandsmitglieder, angemessen nach geleisteten Jahren zu bezahlen, habe sich der Vorstand entschieden, CRAWFORD aus dem Vorstand zu entfernen und seine Anteile zu konfiszieren. CRAWFORDS Gegenangebot von 1 Million US-Dollar für sämtliche Anteile sei ebenso abgelehnt worden wie eine anteilige Bezahlung an ihn von 166.000 US-Dollar. Die folgende Konferenz im Jahr 1995 sei eine Katastrophe gewesen, woraufhin sich der Vorstand entschieden habe, die Veranstaltungsrechte für 3 Millionen US-Dollar zu verkaufen. Während die vorherigen Vorstandsmitglieder mit 3.000 US-Dollar Entschädigung abgespeist worden seien, habe man ihm 166.000 USDollar angeboten, um eine Klage zu vermeiden. Mit viel Wohlwollen und unter Zeitdruck habe er der Vereinbarung zugestimmt. Die verbliebenen fünf Mitglieder des Vorstandes – (hier alphabetisch) ERNEST ADAMS, TIM BRINGLE, SUSAN LEE-MERROW, NICKY ROBINSON und ANNE WESTFALL – hätten durch den Verkauf ihrer Anteile an ›Miller Freeman, Inc.‹ jeweils mehr als 500.000 US-Dollar kassiert. Der Ablauf dieser Ereignisse, wenn er auch einige Details ausgespart habe, gereiche niemandem zu Ruhm, doch werde vor allem deutlich, wie die Atmosphäre der Kollegialität jener des Kommerzes gewichen sei.187 Schon im Rahmen seines im April 1996 im Journal of Computer Game Design erschienenen Artikels ›Computer Games Are Dead‹ hatte CRAWFORD der Computerspieleindustrie eine ›dead community‹ attestiert. Der Verlust des Gemeinschaftsgeistes zeige sich etwa auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹. Aus dem Branchentreffen, das ab 1988 isoliert arbeitende Game Designer/innen in einer langsam wachsenden Gemeinschaft zusammengeführt habe, sei ein seelenloser Karneval ohne sozialen Zusammenhalt geworden. Auf dem Abendbankett des Jahres 1995 seien Schreiduelle ausgetragen, Nahrungsmittel geworfen und Personen ausgewiesen worden. Dies sei nicht 187

Vgl. C. Crawford: The Computer Game Developers’ Conference. In: Erasmatazz.com, 14.08.2010. (Online)

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allein das Ergebnis des Wachstums, sondern auf das Fehlen eines soliden Moralkodexes zurückzuführen, sodass jede Form von Altruismus und künstlerischem Streben der Gier, Apathie und Gleichgültigkeit gewichen sei. So sei etwa sein Artikel über das von einem Verlag durchgesetzte Verbot eines Vortrages wegen der angeblichen Veröffentlichung geschäftlichen Eigentums nur auf Unverständnis gestoßen. »I publicly raised the moral issue created by this case; did we as an industry want to live with this kind of moral precept? My question should have spurred a soul-searching debate about the complexities of intellectual property and how ownership of that intellectual property can spread to others through business relationships; instead it was met with utter apathy. Nobody seemed to be interested in the question.«

Besonders deutlich sei dies jedoch durch den Verkauf der ›Computer Game Developers’ Conference‹, der führenden Gemeinschaftsveranstaltung der Industrie, die einst explizit als öffentliche Dienstleistung gegründet und betrieben worden sei, an den Verlag ›Miller Freeman‹. Es sei ein Verkauf gewesen, an dem sich die hinzugekommenen Mitglieder des Vorstands bereichert hätten trotz ihrer Verpflichtung, keinerlei persönlichen Vorteil aus ihrer Tätigkeit zu erwarten. Diese Regelung sei zu Lasten der Gemeinschaft erfolgt, der früheren Geschäftsführer/innen und von ihm selbst, den man ob seiner Bedenken aus dem Vorstand geworfen habe. »Some of the same people who sold the CGDC are now running the CGDA. One would think that CGDA members would demand their replacement at the earliest possible date, if only to assert the highest moral standards for their nascent organization, but in fact no such demand has materialized. Indeed, one of the sellers, Ernest Adams, is now a candidate for a full-time salaried position as Executive Director of the CGDA. When I point out the irony of this situation to members of the community, the most common response is, ›If he does a good job for us, why should we care about his past?‹«

Das gesamte unethische Verhalten erfolge ohne merklichen Aufschrei der Gemeinschaft, die nur zynisch mit den Schultern zucke, die Ellbogen ausfahre und daher dazu verdammt sei, in Enklaven zu zerfallen.188 Im Magazin Game Developer, immerhin das führende Entwickler/innen-Magazin seiner Zeit und beim Verlag ›Miller Freeman‹ erscheinend, der sich kurz zuvor die Veranstaltungsrechte an der ›Computer Game Developers Conference‹ gesichert hatte, findet sich in der Juni/Juli-Ausgabe 1996 wenig mehr zur Konferenz als die Bemerkung des neuen Chefredakteurs ALEX DUNNE, dass diese erstmals beinahe 4000 Teilnehmer/innen angezogen habe und eine Vielzahl neuer Produkte vorgestellt worden sei.189 Dagegen erschien zur gleichen Zeit in der Computer Gaming World ein doppelseitiger Bericht von PAUL SCHUYTEMA, der nun jedoch als Publikum explizit und allein nur noch die »game players« ansprach, die sich glücklich schätzen könnten: 188 189

Vgl. C. Crawford: Computer Games Are Dead. In: CGW, Vol. 9, Is. 4, Apr. 1996. S. 2-11, hier 6-8. Vgl. A. Dunne: Reboot. In: Game Developer, Jun./Jul. 1996. S. 6. D. Anderson: On With the Show. In: ebd., S. 10.

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»Sure, the conference was over-crowded and full of too much schmoozing to really create a blistering signal-to-noise ratio, but it showed one clear indication about the people who make the games you play: they love to do it and they take their art and craft very, very seriously. Game Developers spend incredible amounts of energy on the problems of design, interactivity, graphics, sound, everything. Not one person I talked with at the conference was anything but a dedicated (almost manical) game creator.«

Die diesjährige Konferenz sei neben technologischen Themen wie ›3-D‹ und ›Windows 95‹ vor allem vom Kommunikationsbedürfnis jenseits offizieller Kanäle in speziell angemieteten Appartements und der »job search« geprägt gewesen angesichts massenhaft herumlaufender »head hunters« und Unternehmensführungen sowie Hunderten offener Stellen, die überall ausgehängt gewesen seien. Die Veranstaltung, die auf das größte Interesse gestoßen sei, habe sich um die eindrucksvolle 3-D »graphics engine« von Quake gedreht, entwickelt von JOHN CARMACK und MICHAEL ABRASH. »In the most fitting reflection of the spirit of the conference, Abrash ended his talk with the simple idea: ›We’re just trying to make the world a little better. How much better would you have been if John and I patented these ideas instead of me coming up here and telling you how we did it?‹ The crowd responded with a long thunder of applause.«

In einer Randspalte berichtete SCHUYTEMA schließlich auch noch von CRAWFORD, der auf eigene Kosten im Vorfeld der ›Computer Game Developers’ Conference‹ eine eigene eintägige Konferenz veranstaltet habe, um sich mit 43 ausgewählten Personen in 24 Workshops über die Zukunft des »interactive entertainment« auszutauschen, da, wie dessen Programmheft erkläre: »The predicating assumption behind this conference is my belief the conventional computer games and video games have reached a creative dead end, yet there remains so much potential to interactive entertainment.«190 ›accomplished artist‹

Schon in der ersten Ausgabe des Journal of Computer Game Design im Juni 1987 ging CRAWFORD explizit – neben kurzen »Author-Descriptions«, welche den Artikeln beigestellt waren – der Frage nach, woher Game Designer/innen kamen, und lieferte damit eine erste kurze Sammlung von fünf Lebensbeschreibungen von »several noted game designers« (KELLYN BEECK, DAN BUNTON, CHRIS CRAWFORD, JON FREEMAN und DOUG SHARP), wie diese zum »business of computer game design« gekommen seien. Das Bestreben, dem »professional computer game design« nachzugehen, werde nämlich erschwert, da es keine erkennbaren Wege gebe, die direkt in das Berufsfeld führten. Es gebe weder »academic programs in computer game design« noch private Colleges »for Famous Computer Game Designers«, die den »eager young hopeful« ihr Geld für ein »useless diploma« abnehmen würden. Dennoch könne man nicht einfach in einem »drugstore in Silicon Valley« sitzen in der Hoffnung, entdeckt zu werden. Beinahe allen ist gemein, dass sie bereits in der Kindheit Interesse an Spielen zeigten, sei es als »lifelong game addict«, »avid player of games since childhood«, sei es, dass sie »played games heavily as a boy« oder dass ihr Interesse an »games considerably predates most other 190

Vgl. P. Schuytema: The Gamesters Ball. In: CGW, No. 143, Jun. 1996. S. 93f.

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game designers.« Mit Spielen (»games«) sind dabei allerdings weniger »computer games« gemeint, als vielmehr Brettspiele (»boardgames«, »Milton-Bradley games«) und im speziellen »wargames« (»Avalon-Hill games«, »Simulations Publications, Inc (SPI)«). Geboren in den 1950er-Jahren, blieb diese Faszination bei den meisten die kompletten 1960erund 1970er-Jahre hindurch präsent, während die gewählten Ausbildungshintergründe eher unterschiedlich seien – nicht selten allerdings mit technologischem oder kreativem Schwerpunkt (»Journalism, after a semester-long fling with Computer Science«, »Industrial Engineering«, »physics«, »Writer«, »Astronautical Engineering« zzgl. »literature and art«). Alle von ihnen legten sich zwischen 1977 und 1980 einen »personal computer« zu und erlernten – im Regelfall autodidaktisch – das Programmieren. Häufig waren es dann erste Prototypen oder kleinere erfolgreiche Projekte, die ihnen eine Anstellung in einem Entwicklungsstudio einbrachten oder auch zur Gründung eines solchen anregten.191 Wie GEORGE C. METOS, General Manager und Vizepräsident von Sculptured Software, in einem Antwortbrief in der Nachfolgeausgabe also richtig bemerkte, hatten die genannten Designer/innen ihre »design opinions« außerhalb der »home computer games« entwickelt. Erst später seien sie zum Computer gewechselt, »[to] transcend their prior restrictions of size, speed, uniqueness, convenience, graphic appeal, portability, etc.« Folglich seien ihre »game design abilities« gewachsen, ohne das Ziel, »video game designers« zu werden; eine Aussicht, die sie wohl nicht gewagt hätten zu antizipieren oder zu planen.192 Noch in der Dezemberausgabe 1990 des Journal beschrieb COREY COLE unter der Überschrift ›So You Want to Be a Game Designer‹ seinen langen Weg zum Game Design. Schließlich sagten sich viele Spieler/innen, dass sie Ähnliches oder Besseres zu schaffen in der Lage seien. Als Game Designer/in in die »computer game industry« einzusteigen, sei nicht einfach, aber es gebe Möglichkeiten, die Chancen zu verbessern. Als leidenschaftlicher Spieler von Pen-and-Paper-Rollenspielen habe er sich mit Aufkommen des Personal Computer mehrfach daran versucht, ein solches Spiel zu programmieren und so wichtige Erfahrung gesammelt. Nachdem er bereits acht Jahre vergeblich versucht hatte, in die Computerspielindustrie einzusteigen, sei vor zwei Jahren Sierra OnLine auf ihn zugekommen, da sie für die Umsetzung eines Rollenspielprojekts nach dem besten Turnierrollenspielleiter gesucht hätten. Bereit sich neuen Projekten zu widmen und die ›Bay Area‹ zu verlassen, sei er aufgrund seiner Programmiererfahrung umgehend von KEN WILLIAMS als »systems programmer« angeworben worden. Einige Monate später sei dann das »design proposal« von ihm und seiner Frau angenommen worden, mit ihr als Game Designerin. Erst beim Nachfolgeprojekt werde er nun offiziell als CoDesigner genannt. Tatsächlich sei er also erst nach vielen Jahren und dann über die Programmierung zum ›Game Design‹ gekommen, begleitet von einem deutlich geringeren Gehalt. Die entscheidenden Fragen seien also, in welchem Umfang man dieser Tätigkeit nachgehen wolle, ob man bereit sei, dafür alles aufs Spiel zu setzen, und schließlich, ob es sich um etwas handele, dass man einfach tun müsse. »If the answer isn’t a resounding ›Yes!‹ to each question, then you probably won’t make it. You have to both love and hate 191 192

Vgl. C. Crawford: Whence Come Computer Game Designers? In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./Jul. 1987. S. 11f. Vgl. G.C. Metos: Re – Whence come computer game designers? In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 2f.

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computer (and other) games. You have to have a driving need to create a great, unique game.« Unabhängig davon, ob man für ein Unternehmen oder freischaffend arbeite, gelange man immer wieder in Situationen, die ohne die richtige Motivation nicht zu bewältigen seien. Zudem werde man nicht mit einem eigenen Projekt betraut, das große Mengen an Zeit und Geld verschlinge, wenn es an Vision und Antrieb fehle. Wenn man von allem überzeugt sei, gelte es, ein Verlagshaus davon zu überzeugen. Dazu brauche es wie in allen »creative industries« erstens und vor allem Kontakte, nicht nur, damit ein »game proposal« überhaupt Beachtung finde, sondern auch, weil es bei allem anderen helfe. Idealerweise könne man zweitens nicht nur mit mindestens einem großartigen »game concept« und einer originellen Idee aufwarten, sondern zugleich deutlich machen, dass man selbst am besten dazu geeignet sei, diese umzusetzen. Drittens müsse man den richtigen Zeitpunkt abpassen, zu dem nach neuen Spielen oder Designer/innen gesucht werde und zu dem das eigene Konzept nicht zu ähnlich zu bereits existierenden Konzepten und im kommenden Jahr möglichst gefragt sei. Schließlich erscheine es oft als Glück, einen Trend oder eine Möglichkeit, die sich biete, zu erkennen und auch zu ergreifen. »So you still want to be a game designer? Breaking in isn’t easy, and it isn’t always fun. But if you really have what it takes to be a designer, and are willing to take the risks, you can make it. And the computer game field needs you. Polish some ideas, make contacts in the field, and when you see the brass ring, grab it!«193

Die zweite Ausgabe des Journal of Computer Game Design im August 1987 beschließt CRAWFORD mit der Beschreibung des Lebens freischaffender Game Designer/innen, das zugleich Fluch und Segen sei, um sich gegen die Mythologisierung des Berufsstandes zu wenden. So habe man etwa völlige Freiheit über die eigene Arbeitszeit, sei aber auch dem ständigen Druck ausgesetzt, seine Projekte verantwortlich fortzuführen. Zum einen biete sich eine völlige kreative Freiheit, man könne besser und produktiver arbeiten, zum anderen sei man aber für sämtliche Geschäftsentscheidungen selbst verantwortlich, habe weder Vorgesetzte noch Kollegen, um Aufgaben oder Verantwortung zu teilen, bis hin zur fehlenden finanziellen Sicherheit. Die harte und aufreibende Arbeit schlage sich vor allem zum Ende eines Projektes in der eigenen Stimmung nieder und mache nicht unbedingt Spaß. Dem gegenüber stehe jedoch die tiefe innere Befriedigung, etwas erschaffen zu haben, die sich jedoch erst Monate nach dem Abschluss eines Projektes einstelle, wenn man das fertige Produkt in Händen halte.194 Ebenso stellte CRAWFORD zwei Ausgaben später die Frage, ob nicht zur Profession der Game Designer/innen eine gewisse Egomanie gehöre. Denn diese befähige dazu, »in a poorly defined field such as game design« die nötige Kreativität zu entwickeln, sich höhere Ziele zu stecken, als zu erreichen seien, und noch unbekannte Grenzen auszuloten. Zudem würde Egoismus dazu anspornen, die gesetzten Ziele nicht einzuschränken und dabei das mögliche Scheitern in Kauf zu nehmen. »I think that egotism lives in game designers because of a selection effect. Game designers without healthy egos will never 193 194

Vgl. C. Cole: So You Want to Be a Game Designer. In: JCGD, Vol. 4, Is. 2, Dec. 1990. S. 11f. Vgl. C. Crawford: Late Night Ruminations on the Game Designer’s Life. In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 14.

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achieve as much as their better-endowed colleagues.« Dagegen würde jedoch Selbstverliebtheit nach einem Projekt den Glauben bestärken, man hätte alle Ziele bereits erreicht, blind machen für begangene Fehler und jeden der Möglichkeit berauben, aus diesen zu lernen und besser zu werden. Schließlich sei Egoismus, wenn man ihn nach außen trage und andere mit diesem konfrontiere, bloß beschämend. Folglich solle man seine Egomanie für sich behalten und sich wieder an die Arbeit machen.195 Im August 1988 widmet CRAWFORD dann die letzte Seite des Journal den Erfolgen und Fehlschlägen, von denen er im Verlauf seiner kurzen Karriere bereits einige vorzuweisen habe. Erfolg sei ein soziales und machtvolles Erlebnis, der dem inneren Glauben und Zweifel, etwas Großartiges geschaffen zu haben, die Versicherung und Anerkennung der Masse verleihe. Derartige Exzesse lieferten allerdings auch Grund zur Sorge, da sie Falscheinschätzungen seiner Person und Fähigkeiten provozierten, sowohl bei Anderen, über tiefgreifende Einsichten zu verfügen, als auch bei sich selbst, sich für ein kreatives Genie zu halten. Fehlschläge dagegen seien einsame Erlebnisse. Man werde entweder gemieden oder mit Sympathiebekundungen abgespeist, welche das Disaster umso mehr vor Augen führten. Ein Fehlschlag entziehe sich jeder Rationalisierung und Erklärung und verbleibe als Monument der eigenen Unwürdigkeit. Mit Zynismus, Bitterkeit und Beschuldigungen reagiere man gegenüber der unverständigen Öffentlichkeit und der eigenen Unfähigkeit, die gesteckten Ideale zu verwirklichen. Gegen das Gift des Fehlschlages helfe allein, eine starke Dosis Egoismus, die es wertzuschätzen und zu pflegen gelte, um die eigenen Ideale vor Fehlschlägen zu schützen.196 Wie ERIC GOLDBERG von der zweiten ›Computer Game Developers’ Conference‹ 1988 berichtet, haben DAN BUNTON und CRAWFORD gleichermaßen festgestellt, dass »the well-rounded person has the greatest potential to be an accomplished artist«. BUNTON habe in seiner ›Keynote Speech‹ betont, dass man als Teil einer reifenden Gemeinschaft dem Status des »nerd« entwachsen sowie mit außergwöhnlichem Talent ausgestattet sei und auf das bisher Erreichte stolz sein könne. Den vornehmlich männlichen Teilnehmern der Konferenz habe er dann sein einfaches und doch schwer umzusetzendes Rezept für anhaltenden Erfolg und professionelles Wachstum präsentiert: »find a good woman, marry her, have kids, and then learn from your kids.« Eine Partnerin, mit der man seine Interessen teile, baue eine Brücke in die »mainstream adult culture«, in der Arbeitsspeicher, Flugsimulationen oder Zauberer keine gängigen Gesprächsthemen seien. Durch Kinder bleibe man zudem in Kontakt mit der Weltsicht von Jugendlichen, der Populärkultur und habe Teil an einer gemeinsamen Sprache mit Teenagern, die den größten Teil der Kundschaft ausmachten. Diesem häuslichen Ruhm müsse man treu bleiben, bis man das Feld wegen Langweile, Ruhestand oder Tod verlasse. BUNTEN habe noch einmal betont, dass um als Künstler/in effektiv durch die eigene Arbeit kommunizieren zu können, man den Referenzrahmen des Publikums verstehen müsse. So seien auch Schriftsteller/innen soziale Wesen mit großem Interesse am Leben und Arbeiten anderer Menschen. Es seien Hinweise, die wohl auch für alleinstehende Frauen funktionieren

195 196

Vgl. C. Crawford: Egotism. In: JCGD, Vol. 1, Is. 4, Dec./Jan. 1987/88. S. 16. Vgl. C. Crawford: Endpage – Triumph and Failure. In: JCGD, Vol. 1, Is. 8, Aug./Sep. 1988. S. 16.

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sollten.197 Dies passe zu den Äußerungen von CRAWFORD, der einen »academic approach« zu demselben Problem vorgeschlagen habe. Angehende Designer/innen sollten in einem möglichst breiten Spektrum belesen sein; erst das ausgiebige Studium von Literatur, Philosophie, Soziologie, Geschichte, Naturwissenschaften usw. verschaffe dem eigenen Werk Tiefe und möglicherweise Größe.198 Entsprechend seiner Überzeugung kündigte CRAWFORD dann im Rahmen seines Editorials zum dritten Jubiläum des Journal of Computer Game Design im August 1990 »A New Service« an: die ›JCGD Library‹. »I have a new service in mind for the Journal. It seems to me that we lack a central repository for documents. It would be nice if we had a single source for the various references, papers, and items that only game designers would be interested in. So I will offer this service, starting with the next issue. I will put together a catalogue of the various documents of interest to game designers, get some inventory, and start taking orders. Like the Journal, I do not intend to make this a profit center. Instead, I’ll just charge my cost plus a shipping and handling fee.«

Die Leserschaft solle Vorschläge oder Anfragen unterbreiten, welche Themen in die ›JCGD Library‹ aufzunehmen seien und wo man diese beziehen könne. Selbst wenn man ein Produkt besitze, das für andere Entwickler/innen von Interesse sei, könne man dieses zur Kommission in der ›JCGD Library‹ hinterlegen. Der Zweck der Bibliothek sei nicht primär kommerzieller Natur, sondern vor allem, Entwickler/innen seltene oder nur schwer zu findende Materialien leicht zugänglich zu machen.199 Die Hinwendung zu anspruchsvoller Literatur beschriebt CRAWFORD auch auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ 1991 in seinem Vortrag ›The Evolution of Taste‹ als eine zwingende Notwendigkeit in der persönlichen Entwicklung. Ähnlich wie bei Süßigkeiten und Zeichentrickfilmen sei er selbst, nachdem er sich als Kind auch an populären Comics mit ihren intensiven Geschichten, klar gezeichneten Charakteren und leuchtenden Farben erfreut habe, schließlich von ihrer Gleichförmigkeit gelangweilt gewesen. So habe er begonnen, erwachsenere, vielfältigere und feinsinnigere Kost zu lesen wie JULES VERNE und MARK TWAIN. Später sei er aufgestiegen zu THOREAU, HEMINGWAY und SHAKESPEARE. Nun lese er die Historiker ARNOLD J. TOYNBEE (18891975), FERNAND BRAUDEL (1902-1985) und CARL VON CLAUSEWITZ (1780-1831).200 197

198 199

200

Noch fünf Jahre später, im Sommer 1993, erklärte Goldberg, dass sich wohl viele Personen in der Spieleindustrie den Vorschlägen von Bunten angenommen und inzwischen Familien gegründet hätten. Vgl. E. Goldberg: We Have Met the Future, and He Is Us. In: JCGD, Vol. 6, Is. 5, Jun. 1993. S. 6-8. Vgl. E. Goldberg: A Celebration of Geeks. In: JCGD, Vol. 2, No. 1, Oct./Nov. 1988. S. 1014, hier 10f., 13. Vgl. C. Crawford: Editorial – State of the Buffoonian. In: JCGD, Vol. 3, Is. 6, Aug. 1990. S. 3. Nachdem Crawford im Jahr darauf bemerkte, dass die ›JCGD Library‹ langsam ausgeweitet werde, finden sich keine Erwähnungen der Bibliothek mehr. Eine Liste der in der ›JCGD Library‹ aufgenommenen Gegenstände wurde nicht veröffentlicht. »First, we’ll be slowly expanding the JCGD Library of resources you just can’t get anywhere else.« Ders.: Another Year, Another Dollar. In: JCGD, Vol. 4, Is. 6, Aug. 1991. S. 2. Vgl. C. Crawford: The Evolution of Taste. In: JCGD, Vol. 4, Is. 4, Apr. 1991. S. 11-13, hier 12.

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Im Jahr darauf bemerkt CRAWFORD über die ›Computer Game Developers’ Conference‹ ebenfalls, dass der beste Teil der Konferenz in den privaten Gesprächen der Game Designer/innen liege. »I had some stimulating and intense discussions with Sid Meier, Will Wright, Dan Bunten, and Brian Moriarty. [...] I was surprised to learn just how literate these top designers are. In a field dominated by video-think, these people are voracious and enthusiastic readers on all manner of subjects. There’s a lesson here for aspiring game designers.«201

Ab 1993 veröffentlichte CRAWFORD dann im Journal of Computer Game Design und in der Nachfolgepublikation Interactive Entertainment Design mehrere ›Book Reviews‹, etwa zu The Creators (1992) von DANIEL J. BOORSTIN, zu Understanding Comics (1993) von SCOTT MCCLOUD, das ihm WILL WRIGHT auf der CGDC gegeben habe, zu zwei Büchern über »Game Programming« sowie zu Systems of Survival (1994) von JANE JAKOBS.202 Noch im Dezember 1995 berichtet CRAWFORD von den Lesegewohnheiten anderer Game Designer/innen, die er auf der ›East Coast Developers Conference‹ danach befragt habe, namentlich DANIELLE BERRY, BRIAN MORIARTY, DAVE WALKER, NOAH FALSTEIN, ROBERT GEHORSAM, ERIC GOLDBERG und GORDON WALTON, denn: »I’ve noticed that many of the better software designers are also heavy readers.«203 So wendet sich CRAWFORD im April 1996 in seinem Artikel ›Advice to a Young and Eager Programmer‹, der in Titel und Tonalität an RAINER MARIA RILKES Briefe an einen jungen Dichter erinnert, auch an angehende Programmierer/innen. Programmierung sei ein Medium, ein interessanter und kraftvoller Weg des Ausdruckes, etwas über die Welt zu sagen, und kein Selbstzweck, wie es viele Programmierer/innen glaubten, die in die Falle geraten seien, nur noch die Eleganz der Programmierung und damit das Medium in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen. Programmieren sei wie Schriftstellerei, da es irgendwann nicht mehr darum gehe, die Grammatik zu verbessern, sondern sich Gedanken darüber zu machen, was man sagen wolle. »Videogames and computer games right 201 202

203

Vgl. C. Crawford: 1992 Computer Game Developers’ Conference. In: JCGD, Vol. 5, Is. 5, Jun. 1992. S. 14f., hier 15. Angesichts des umfangreichen Buches The Creators bemerkt Crawford, dass er sich bereits durch solche ›Schinken‹ wie »Toynbee, Kissinger, and Braudel« gearbeitet habe. Vgl. C. Crawford: Book Review – The Creators. In: JCGD, Vol. 6, Is. 5, Jun. 1993. S. 9. »My current reading includes Erasmus, Epictetus, some history, stuff like that. So when I say that this is a great book, I don’t mean that it’s better than the latest high-tech thriller.« Ders.: Book Review – Understanding Comics. In: JCGD, Vol. 7, Is. 5, Jun. 1994. S. 6f., hier 6. Ders.: Book Review – Two Books on Game Programming. In: JCGD, Vol. 8, Is. 2, Dec. 1994. S. 13. Ders.: Book Review – Systems of Survival. In: JCGD, Vol. 9, Is. 5, Jun. 1996. S. 15. Crawford hatte sich in derselben Ausgabe auch auf das Buch Wonderful Life von Stephen Jay Gould bezogen. Ders.: The Cambrian Era of Game Design. In: JCGD, Vol. 9, Is. 5, Jun. 1996. S. 12-14. »Just now I’m working on the following items: Adagia, by Desiderius Erasmus, two volumes, one in English and one in Latin; The History of Food; The Rise of the West; Psycholinguistics; and The Coming of the Greeks.« C. Crawford: Reading Habits of the Rich and Famous. In: JCGD, Vol. 9, Is. 2, Dec. 1995. S. 15.

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now are analogous to ›See Spot run. Run, Spot, run‹ written with polysyllabic vocabulary, multiple clauses, and liberally sprinkled Latin phrases and literary allusions.« Es sei durchaus ratsam, sich so viel technologisches Wissen und Methodik wie möglich anzueignen, was am besten funktioniere, indem man programmiere. Doch kleine Programme zu schreiben, sei schnell trivial, da die wahren Probleme erst bei monströsen und kaum überschaubaren Projekten aufträten; erst dann erweise sich eine objektorientierte Programmierung bei vielen Tausend Zeilen Code als nützlich. Es sei allzu leicht, diese Hinweise zu ignorieren, wenn man niemals einen Fehler in einem riesigen Programm habe aufstöbern müssen. Es gelte, den eigenen Programmcode nicht persönlich zu nehmen, vor allem, weil es sich um persönlichen Stil handele; letztlich könnten viele Programmierer/innen jedoch, besseren Code abliefern als man selbst. Und deshalb seien die Techniken anderer häufig praktische und lehrreiche Verbesserungen des eigenen Stiles. Er empfehle dazu die Bücher Code Complete (1993) von STEVE MCCONNELL und Writing Solid Code (1993) von STEVE MAGUIRE, die besonders für diejenigen hilfreich seien, die bereits über viele Jahre Erfahrung verfügten. Sein wichtigster Ratschlag sei allerdings, sich die Breite zu bewahren und sich nicht völlig in die enge Welt der Programmierung hineinsaugen zu lassen. Wenn man nichts zu sagen habe, warum dann die Sprache lernen? Und der einzige Weg, eine interessante Perspektive zu entwickeln, sei es, sich ganz in das Wissen über die Welt hineinzustürzen. Nachrichten aus dem Fernsehen befriedigten aber nur die kindliche Neugier nach den letzten Gräueltaten und Unglücken, die sich ständig wiederholten. Wenn es darum gehe, die Strömungen der Kultur zu verstehen, müsse man sich an Zeitungen und Magazine halten. Um etwas zu lernen, gebe allerdings nichts Besseres, als möglichst viele und vielfältige Bücher zu lesen. Sich breites Wissen anzueignen, sei wichtig, um die Grundlage soliden Denkens und einen Weg, den eigenen Geist zu schulen, was aber Jahrzehnte in Anspruch nehme. Alle diese Ideen seien hilfreich, um einen eigenen starken, klaren Standpunkt zu entwickeln und interessante Gedanken hervorzubringen, die man dann durch Programmierung ausdrücken könne. Wenn man jedoch niemals den eigenen Geist trainiere, habe man auch nichts Interessantes mitzuteilen und verbringe den Rest des Lebens damit, Pixel auf den Bildschirm zu schaufeln.204 Zum Ideal der Allgemeinbildung und Belesenheit der Game Designer/innen kommt noch jene Forderung nach umfassender Bildung hinzu, welche im antiken Griechenland 204

»Right now I’m reading Stephen Jay Gould’s stuff on evolution—he’s great! I’m also studying linguistics, although I’ve not had the courage to tackle Chomsky yet. I love Erasmus and devour his stuff. Every night I curl up with a Latin edition of his Adages and an English translation, and go through it line by line. Eventually I’ll learn Latin that way. I also read a lot of history—just finished The Rise of the West, a truly penetrating analysis of history. It tempts me to go back and tackle Toynbee. I am also reading some Thomas Jefferson, and I am sad to admit that my copy of Herodotus hasn’t been opened in a month. Have you read any good psychology lately? I’ve been reading about consciousness, particularly its historical development.« C. Crawford: Advice to a Young and Eager Programmer. In: JCGD, Vol. 9, Is. 4, Apr. 1996. S. 11f, hier 12. Rainer Maria Rilkes Briefe an einen jungen Dichter waren, kompiliert aus der Korrespondenz mit Franz Xaver Kappus, erstmals posthum 1929 erschienen und lagen schon 1934 in englischsprachiger Übersetzung vor. Vgl. R.M. Rilke: Letters to a Young Poet. New York/NY u.a. 1934.

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als ενκυκλιος παιδεια (enkyklios paideia) bekannt war und die im Rahmen der Rhetoriklehrbücher, allem voran CICEROS, auf die eigene Disziplin und damit die angehenden Redner/innen übertragen wurde. Die Ausbildung in den freien Künsten, aber auch in Philosophie, Geschichte und Recht, wie es zum Idealtypus des orator perfectus gehörte, hatte das Ziel nicht allein eine technische, sondern zugleich eine ethische Kultivierung und Bildung zu vollbringen.205 An eben diesem Ideal orientierte man sich in vielen aufstrebenden Disziplinen wie der antike Baumeister VITRUV, der in seinen Zehn Büchern über Architektur für die theoretische Ausbildung fordert, man müsse in einer Vielzahl von Disziplinen (encyclios disciplina) gebildet sein. Zum Nutzen der architektonischen Tätigkeit seien vor allem Schriftkunde, Zeichnen, Geometrie, Arithmetik, Geschichte, Philosophie, Musik, Medizin, Jura und Astronomie.206 In Anlehnung an die antiken Autoritäten findet sich dann im 15. Jahrhundert, etwa in LEON BATTISTA ALBERTIS drittem Buch Über die Malkunst (1435/36), das ganz der Ausbildung und dem Ideal des ›Malers‹ gewidmet ist, der Anspruch formuliert, dass der/die Künstler/in über eine umfassende Bildung verfügen müsse, um Historienbilder zu gestalten – wie die humanistische Bildung. Begleitet von dem Bestreben, das Ansehen der Malerei durch ihre Annäherung an den Bildungskanon der artes liberales zu steigern, wurde in der Kunsttheorie zunehmend die intellektuelle über die bloß handwerkliche Arbeit gestellt und aktiv der Vergleich mit den anderen Künsten gesucht, wozu vor allem der Vergleich von Poesie und Malerei bei HORAZ Anlass gab. Das Ideal allseitig gebildeter und gelehrter Künstler/innen, die als ›Doctus Artifex‹ mit allen freien Künsten, Geschichte und Theologie sowie den Schriften antiker Dichtung und Redekunst vertraut sein sollten, wurde zu einem festen Bestandteil der Kunsttheorie bis ins 17. Jahrhundert.207 Dass CRAWFORD diese Forderung stets wiederholt, mag allerdings eher ein Zeichen dafür sein, dass er diese Allgemeinbildung und Belesenheit im ›Game Design‹ vermisste. Gleichzeitig konnte er mit einigen prominenten Personen aufwarten, die seine Überzeugung teilten.208 Parallel zu den Überlegungen über die ›richtige‹ Lebensführung als Game Designer/in, entspann sich eine Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen des unabhängigen 205 206 207

208

Vgl. F.-H. Robling: Redner und Rhetorik. Hamburg 2007. S. 75-160, passim. Vgl. T. Fögen: Wissen, Kommunikation und Selbstdarstellung. München 2009. S. 106-151. »Mir gefällt, wenn der Maler in allen freien Künsten gebildet ist, so gut er kann; vor allem aber möchte ich, dass er die Geometrie beherrsche. [...] Und es wird [den Malern] von Nutzen sein, Gefallen an den Dichtern und Rednern zu finden.« L.B. Alberti: Über die Malkunst. Darmstadt 2002. S. 151. Vgl. R.W. Lee: Ut Pictura Poesis. In: The Art Bulletin, Vol. XXII, New York/NY 1940. S. 196-269, hier 235-242. J. Białostocki: The Doctus Artifex and the Library of the Artist in the XVIth and XVIIth Centuries. In: Ders: The message of images. Wien 1988. S. 150-165. Interessanterweise formulierte Game Designer Ken Levine noch 2007 in einem Interview mit MTV den Vorwurf: »Most video game people have read one book and seen one movie in their life, which is ›Lord of the Rings‹ and ›Aliens‹ or variations of that. There’s great things in that, but you need some variety. [...] I just steal from other sources.« S. Totilo: GameFile: ›BioShock‹ Bucks Convention; ›Warcraft‹ Sells Big & More. In: MTV.com, 29.01.2007. (Online)

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Entwickelns angesichts zunehmend komplexer werdender Aufgaben. In der Aprilausgabe 1988 vergleicht CRAWFORD drei verschiedene Wege, um dem »problem of creating computer games« mit menschlichen Fähigkeiten zu begegnen, die über jeweils eigene Stärken und Schwächen verfügten. Der ›einsame Wolf‹ sei die ursprüngliche Form eines/einer ›Game Designer/in‹. Er arbeite allein, an entferntem Ort und verantworte jeden Aspekt eines Spieles: Design, Grafik, Geräusche, Programmierung und Testen, wobei nur vereinzelte Aufgaben wie die visuelle Gestaltung an Subunternehmer/innen abgegeben würden. Das kleine Team bestehe aus zwei bis fünf Personen, die gemeinsam an einem Spiel arbeiteten und sich jeweils auf einen Aspekt des Spieles konzentrierten, oder sich eine Aufgabe wie die Programmierung teilten, um die fertigen Teile schließlich zu einem Ganzen zusammenzufügen. Das Studio sei eine größere Gruppe mit einem Spektrum von Spezialistinnen und Spezialisten, die für jedes Projekt in neuen kleinen Teams zusammengestellt würden, jeweils unterschiedliche Verantwortlichkeiten übernähmen und je nach Notwendigkeit zum Projekt beitrügen. In einem Studio seien so immer gleich mehrere Spiele in Produktion. Der ›einsame Wolf‹ habe den Vorteil, dass die Kommunikation über das komplexe Unterfangen der Softwareentwicklung und ihre Koordination wegfalle, die die Teams stets eine Menge Zeit und Aufwand koste. Dieses Problem werde in der Spieleentwicklung sogar noch verstärkt, da auch Personen mit nicht technologischen Spezialisierungen beteiligt seien, deren Beiträge oft schwer zu integrieren sind. Während der ›einsame Wolf‹ von der fehlenden Notwendigkeit der Abstimmung profitiere, fehle ihm jedoch der positive Aspekt des Entscheidungsprozesses in der Gruppe, was ihn für »design narrow-mindedness« anfällig mache. Die Stärke kleiner Teams und Studios liege darin, die Spezialisierungen der Mitglieder zu nutzen, da Talent für Design und Programmierung in einer Person selten gleichermaßen vorhanden sei (»One of the unsolved problems of the computer games industry«) und innerhalb von Gruppen Begabungen miteinander kombiniert werden könnten. Besonders in kleinen Teams könnten die Mitglieder lernen, als soziale Einheit zusammenzuarbeiten. Studios erlaubten einen höheren Grad an Spezialisierung unter den Mitgliedern, wobei die Gefahr bestehe, die »design integrity« des Spieles zu verlieren. Tatsächlich gebe es keine empirische Grundlage, um ein Modell den anderen im Allgemeinen vorzuziehen; jedes von ihnen habe bereits erfolgreiche Produkte hervorgebracht, womit wohl jeder Weg gangbar sei. Obwohl die Arbeit in der Gruppe durch Designer/innen häufig bevorzugt werde, glaube er, dass der ›einsame Wolf‹ viele Vorzüge besitze. Dieser sei zwar fatalerweise häufig mit »design narrow-mindedness« geschlagen, die man nur als Generalist/in überkommen könne, sei dann aber zu weit größeren Leistungen imstande als jede Gruppe und daher in Zukunft für viele Innovationen im »computer game design« verantwortlich. Auch wenn es immer welche von ihnen geben werde, blieben sie doch eine seltene Erscheinung. Er vermute, dass das kleine Team die beste Allzweckumgebung biete, um Spiele zu entwickeln. Jedes Mitglied bleibe mit der Arbeit der anderen vertraut und das soziale Umfeld fördere die intensiven Diskussionen über Design, die notwendig seien, um großartige Spiele zu machen. Dennoch bleibe Raum für individuelle Spezialisierung. Dagegen sei das Studio der Ort, um technologische Sprünge zu wagen, da es die tiefe Spezialisierung innerhalb der Gruppe erlaube, besonders prächtigen Geräusche, Grafiken und Animationen zu präsentieren. Dort seien auch die neuen Technologien zu finden wie die CD-ROM.

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Diese Situation, wie er sie zurzeit sehe, werde sich in Zukunft vor allem wegen zweier Trends verändern und damit sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich ein Modell, um Computerspiele zu entwickeln, durchsetzen werde. Der erste Trend sei der steigende Qualitätsstandard, der im Gegensatz zu noch vor vier Jahren von der Kundschaft erwartet werde und es ›einsamen Wölfen‹ immer schwerer mache, ein Produkt am Markt zu platzieren, das in irgendeinem Bereich Schwächen habe. Studios seien mit ihren Ressourcen wesentlich besser dazu in Lage, diese Standards zu erfüllen. Der zweite Trend, der dem ersten zuwiderlaufe, sei die immer weiter wachsende Leistungsfähigkeit der Werkzeuge für Designer/innen. Während noch vor vier Jahren, jedes Spiel habe in Maschinensprache geschrieben werden müssen, sei es mit den höheren Programmiersprachen bei wachsender Produktivität möglich, einen ähnlich schnellen Programmcode vorzulegen. Zudem erlaubten es Spezialwerkzeuge für Geräusche, Grafiken und Animationen, immer günstiger eine hochwertige Qualität herzustellen. Die Zeit werde zeigen, ob sich die wachsenden Ansprüche der Kundschaft oder die wachsenden Fähigkeiten der Werkzeuge durchsetzen werde.209 In seinem Artikel ›Scribes Versus Authors‹ vom Februar 1989 stellt CRAWFORD die ›Schreiber/innen‹, die vornehmlich mit der Technologie und dem Handwerk des Schreibens, der Führung des Stiftes und Anordnung der Wörter usw. befasst seien, den Autorinnen und Autoren gegenüber, die sich der Kreation, Entwicklung, Organisation, dem Ausdruck und Verfassen von Ideen verschrieben haben, und nicht der Qualität des Geschriebenen. Er benutze diese beiden Ideale als Pole eines Spektrums, auf dem sich Personen in der Geschichte verschiedentlich anordnen ließen, mit einen Übergewicht in Richtung ›Schreiber/innen‹. Ganz ähnlich stelle sich die Verteilung der Programmierer/innen dar, mit einem Übergewicht an Technologieverliebten gegenüber jenen, die am Ausdruck profunder Ideen interessiert seien. Schon in den »early days of the computer games industry« seien ›Schreiber/innen‹ in der Überzahl gewesen, da die Beschränkung der Hardware nach starker, leistungsfähiger und strenger Programmierung verlangt habe. »All the brilliant ideas in the world were of no value in an environment that affor209

Vgl. C. Crawford: The Lone Wolf versus the Wolfpack. In: JCGD, Vol. 1, Is. 6, Apr./May 1988. S. 12f. Es ist in diesem Kontext interessant, dass der Begriff ›narrow-mindedness‹ noch in einem zweiten Artikel von Crawford in derselben Ausgabe eine zentrale Rolle spielt. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Ideen der Programmierung werde ›narrowmindedness‹ zu einer Eigenschaft, die gezwungenermaßen von der Präzision eindeutiger Sprachen wie mathematischer Notation oder Programmiersprachen hervorgebracht werde. Denn »computer languages are narrow-minded because they are precise. Since the entire intellectual thrust behind the creation of computer languages is the pursuit of precision, any imprecision of expression would run counter to the fundamental intent of the language, and would therefore not be tolerated. The compiler is the successor to the knucklerapping grammarian.« Die Formulierung von Wissen sei in den vergangenen Jahrhunderten zunehmend detailliert, streng und präzise geworden. Programmiersprachen, die in dieser Tradition stünden, seien daher häufig frustrierend und zum Verzweifeln. Natürliche Sprachen seien dagegen deutlich nachsichtiger. Vgl. C. Crawford: The Ideas of Programming – Languages. In: JCGD, Vol. 1, Is. 6, Apr./May 1988. S. 6-8, hier 7f. T. Fredenberg: Letter. In: JCGD, Vol. 1, Is. 7, Jun./Jul. 1988. S. 7. Da der ›Lone Wolf‹ gezwungenermaßen Programmierer/in und Designer/in in sich vereint, liegt es nahe, dass es vor allem die »narrow-mindedness« von Ersterem ist, die Letzteren behindert.

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ded little opportunity to express those ideas. Authors held no status in the games community of 1980.« Diese Situation habe sich in den vergangenen acht Jahren verändert, begünstigt durch die enorme Leistungsfähigkeit der IBM-PC-Klone, die nun die Prioritäten der Gemeinschaft verändere und der grafischen Machbarkeit einen geringeren Wert beimesse. Auch die Beschränkungen der Hardware spielten keine so große Rolle mehr, weshalb die Programmierung weniger Herausforderungen bereithalte und weniger Tricks erfordere. So seien auch die Schreiber/innen vergangener Tage von der »computer games industry« innerhalb einer Dekade fallen gelassen worden. Demgegenüber feiere die Industrie nun die Fähigkeiten der Autorschaft: »The ability to create, develop, organize, and express a fun idea through the medium of the computer is rapidly becoming the dominant factor in the eyes of many publishers who must choose between competing proposals.« Dieser Prozess sei noch nicht abgeschlossen. Noch immer erschienen Spiele, die das Werk von Schreiber/innen und zudem kommerzielle Erfolge seien, doch würden die Fähigkeiten des Programmierens mit der sich weiterentwickelnden Hardware immer weniger wichtig. Er selbst habe kürzlich eine angehende, junge Game Designerin getroffen, die über keinerlei technologische Ausbildung verfügt und sich doch voller Begeisterung den »computer games« zugewandt habe. Wo man ihr noch vor zwei Jahren einen anderen Karriereweg nahegelegt hätte, seien die Werkzeuge inzwischen so zugänglich, dass auch Technologieunerfahrene über immer mehr Möglichkeiten verfügten.210 Angesichts des Umstandes, dass der »individual game designer« in jüngster Zeit immer wieder als bedrohte Spezies gehandelt werde, befasst sich GREG COSTIKYAN im April 1991 mit dem bevorstehenden ›Triumph of the Individual‹. Das Argument laute, Computerspiele seien so komplex geworden, dass eine einzelne Person unmöglich mit sämtlichen Fähigkeiten aufwarten könne, um in einem überschaubaren Zeitraum ein Produkt zu entwickeln, das heutigen Marktstandards gerecht werde. Es heiße, Studios seien die Zukunft: »design teams«, in denen Designer/innen, Programmierer/innen, Visuelle Gestalter/innen und Musiker/innen an jedem Projekt gemeinsamen arbeiteten. Und tatsächlich sei in den vergangenen Jahren der Trend weg von unabhängigen Freischaffenden hin zu Studios im eigenen Hause gegangen. Spiele auf einem Computer seien in vielerlei Hinsicht schwieriger zu realisieren als in jedem anderen Medium, da jede Änderung einen Programmieraufwand verlange. Die Möglichkeit, sich ganz auf die Ausarbeitung der Spielbarkeit und des Spaßes konzentrieren zu können, mache die Arbeit am »paper game« häufig befriedigender als beim »computer game«, bei dem ein Großteil der Zeit in die Aufgabe fließe, das Programm lauffähig zu machen. Mit der wachsenden Komplexität der Computerspiele, nicht zuletzt in Sachen Sound, Grafik, Animation und

210

Vgl. C. Crawford: Scribes Versus Authors. In: JCGD, Vol. 1, Is. 8, Aug./Sep. 1988. S. 14f. Als Antwort auf den Artikel von Crawford verfasste Autor Chet Day, der sich selbst technologieunerfahren nennt und ab Mitte der 1980er-Jahre immer wieder an seinen fehlenden Programmierfähigkeiten gescheitert sei, eine optimistisch stimmende Beipflichtung, insbesondere in Bezug auf das Werkzeug ›Hypercard‹, dessen Leistungsfähigkeit sich allerdings erst einmal erweisen müsse. »The time has come to open the circle.« C. Day: A Technowimp Revisits »Scribes Versus Authors«. In: JCGD, Vol. 2, Is. 3, Feb. 1989. S. 14f.

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Interface, seien diese Probleme nur größer geworden und erforderten immer mehr Programmieraufwand. Dieser Trend sei aus Sicht der Designer/innen weit von einem Idealzustand entfernt, werde aber nicht ewig anhalten. Fortschritte in der »computer science« sollten Designer/innen von der trockenen Aufgabe des Programmierens befreien und es ermöglichen, Spiele in einem losgelösten Raum zu konzipieren, um sich ganz auf die kreativen Elemente zu konzentrieren, ebenso wie es Textverarbeitungen, Tabellenkalkulationen, CAD/CAM oder MIDI für das Schreiben, Rechnen, Konstruieren und Komponieren am Computer erreicht hätten. Die Technologie der künstlichen Intelligenz werde immer weiter ausreifen, viele dröge Aufgaben übernehmen und schließlich dabei helfen, Algorithmen zu überarbeiten. Ein »game« sei auch nur eine Ansammlung von Daten und Algorithmen, einem Interface sowie Spielzielen. Es sei ein »Computer Assisted GamE Design« (CAGED) notwendig, das es erlaube, Datenstrukturen aufzumalen und diese mit einem einfachen Interface über Algorithmen zu verbinden, diesen eine Bildschirmdarstellung zuzuweisen und ein Interface aus standardisierten Blöcken zusammenzusetzen. Grafiken könnten aus vorgefertigten Paketen ausgewählt, Geräusche und Musik direkt eingespielt werden. Und natürlich müsse es möglich sein, das Spiel in einer interaktiven Entwicklungsumgebung zu spielen und fliegend Änderungen vorzunehmen. Dies sei erst der Anfang angesichts zukünftiger Möglichkeiten, Computer und »intelligent design assistants« über natürliche Sprache zu steuern, sich von diesen Alternativen oder Analogien aus dem reichen Speicher existierender Spiele vorschlagen, OnlineDienste hinzuziehen, Grafiken anhand von Vorgaben generieren und verändern zu lassen. Erst dies verwandle die »keyboard jockeys« in wahre Designer/innen: »people who spend their time designing and not worrying about the details of implementation.« Mit den Fortschritten in der Computertechnologie werde es durch Softwarewerkzeuge ermöglicht, alle möglichen Dinge zu tun, die ansonsten nur spezialisierten Personen vorbehalten gewesen seien; dies sei sogar notwendig, da ansonsten die Komplexität der Computer und der Ansprüche nicht mehr zu bewältigen sei. In der Konsequenz werde die Herstellung lauffähiger Systeme nach immer weniger Programmierkenntnissen verlangen im Gegensatz zur Fähigkeit, sich interessante Spiele vorstellen und diese definieren zu können. Die Qualität der Spiele werde zunehmen, da sich die Spieleentwicklung auch jenen öffne, die mit den geheimnisvollen Einzelheiten der Programmierung nicht vertraut seien. In zwei oder drei Dekaden sei das Feld des »computer gaming« grob mit jenem des Buch- und Zeitschriftenwesens zu vergleichen: eine Horde unabhängiger Medienschaffende, die ihre Produkte von mehreren Verlagshäusern vertreiben ließen, von denen nur wenige eine Belegschaft im eigenen Hause unterhielten.211 In der folgenden Ausgabe des Journal antwortet DAVE MENCONI auf den Beitrag von COSTIKYAN mit einem Brief: In den 15 Jahren in denen er programmiere, habe er schon häufiger gehört, wann immer eine neue Programmiersprache oder Entwicklung in der »computer science« vorgestellt worden sei, dass man in Zukunft keine Programmierer/innen mehr brauchen werde und nun endlich das Zeitalter der Nutzer/innen beginne. Keine dieser Prognosen habe sich bewahrheitet. Die einfache Wahrheit sei vielmehr, dass Programmierer/innen niemals wegen eines technologischen Zaubertricks plötzlich ohne Job dastünden. Die wachsende Leistungsfähigkeit der Computer habe bloß dazu geführt, dass sich die Grenze des Annehmbaren verschoben habe. Noch im211

Vgl. G. Costikyan: Triumph of the Individual. In: JCGD, Vol. 4, Is. 4, Apr. 1991. S. 4f.

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mer gehe es darum, aus den Maschinen das bestmögliche herauszuholen, wozu es weiterhin nach einem tiefgreifenden Verständnis für alle Aspekten der Hardware und Software verlange. Sicherlich machten hohe Programmiersprachen vieles leichter, doch es sei trotzdem noch immer notwendig, auch in Maschinensprache zu programmieren, da mit der Leistung der Computer zugleich die Ansprüche der Kundschaft gewachsen seien. Die wegbereitende Anwendung des Handwerkes sei noch immer für Programmierer/innen reserviert. In zehn Jahren seien Computer noch einmal deutlich leistungsfähiger als heute, und diese Verbesserungen ließen vieles, das heute Aufmerksamkeit errege, wie Spielzeug aussehen. Doch es würden immer Programmierer/innen gebraucht, die in der Lage seien, auch aus den neuen Maschinen das Bestmögliche herauszuholen. Anderes zu behaupten, sei bestenfalls phantasievoll. »You might just as well suggest that a fine artist who paints in oil doesn’t need to learn all the technical details of his art—the pigments, the brushes, the surfaces, the techniques—because we’ve built a painting machine that will do it all for him. Far from making his job easier, such a painter would have to know all the things he had to know before PLUS the idiosyncracies of the painting machine! All the machine would do is separate the artist from his medium.«

Gleiches gelte für die Vorstellung, dass der Computer in der Lage sein werde, bedeutungsvolle Texte zu generieren und damit Schriftsteller/innen arbeitslos mache. Selbst wenn solche Systeme in der Lage seien, bei stark formalisierten Texten oder Routinearbeit zu helfen, brauche es weiterhin eine Person, um die Maschine anzuleiten. Gute Programmierer/innen hätten von »easy-to-use«-Entwicklungssystemen nichts zu befürchten. Fernab von diesen Vorstellungen könnten leistungsfähige Systeme der Zukunft Programmierer/innen durchaus von banalen Aufgaben befreien und ihnen Gelegenheit geben, die Hardware noch weiter zu fordern, während sich die Nichtprogrammierer/innen auf die Erstellung der Inhalte konzentrieren könnten.212 Auf den Brief von MENCONI antwortet dann COSTIKYAN noch einmal in der folgenden Augustausgabe des Journal: Es sei tatsächlich richtig, dass Programmier/innen nicht in Gefahr seien, ihre Jobs an irgendeine fortschrittliche Technologie zu verlieren, doch dies bedeute nicht, dass sie für immer und ewig für die spezifische Aufgabe der Spieleentwicklung benötigt würden; sie hätten anderes zu tun. Dies sei ja auch nicht für das Schreiben oder Komponieren am Computer der Fall. »Why is game design intrinsically different from these other artforms?« Gegenwärtig seien es die Spiele, welche die Grenzen dessen ausloteten, was mit dem Personal Computer möglich sei. Annehmbare Grafik und Geschwindigkeit verlangten nach Maschinensprache und schnellen Systemen, wobei vor allem höhere Programmiersprachen in den vergangenen Jahren zu einer gravierenden Verbesserung der Situation beigetragen hätten. Doch seien Spiele auf ewig dazu verdammt, diese Grenzen auszuloten? Würden immer Programmierer/innen gebraucht, um das letzte bisschen Leistung aus einer Plattform herauszuquetschen? Es sei vorstellbar, dass mit der wachsenden Leistungsfähigkeit der Computer auch die Kundschaft immer mehr von den Spielen verlange: Bessere Grafik, Geräuschkulisse, Interfaces und Tiefe möge Programmierung auf immer notwendig machen. Aber er glaube es nicht. Ein Spiel sei kein Programm, wie er aus eigener Erfahrung, mehr als 20 Spiele »designed« zu haben, die keinerlei Programmierung bedurft hätten, attestieren könne. 212

Vgl. D. Menconi: Letter to the Editor. In: JCGD, Vol. 4, Is. 5, Jun. 1991. S. 3.

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»A game is a work of art—or a bit of entertainment, if you prefer—that involves a player or players in contest, either with each other or an underlying system. You can create games in paper, or you can create them in cyberspace, just as you can write on clay tablets or phosphor dots.«

Die Computertechnologie werde einen kritischen Punkt erreichen, an dem die Hardware ausreichend schnell und die Softwarewerkzeuge ausreichend durchdacht sein würden, damit Designer/innen Spiele kreieren könnten, die schnell, hübsch und mitreißend genug seien, um von neu programmierten Spielen nicht mehr unterscheidbar zu sein; »Why not?«213 Noch Anfang der 1990er-Jahre konnte man als Game Designer/in der festen Überzeugung sein, dass sich der Designprozess durch leicht zu bedienende Entwicklungssysteme vollständig von der technologischen Umsetzung lösen würde. Als entsprechende Vorbilder waren bereits in den 1980er-Jahren einige erfolgreiche, wenngleich simple ›Construction Sets‹ für bestimmte Spieltypen sowie diverse Schreibsysteme für das Verfassen von ›Interactive Fiction‹ erschienen, die es auch Laien ermöglichten, ohne Programmierkenntnisse interaktive Anwendungen zu erstellen.214 Als dann Mitte der 1990er-Jahre, neben den ersten Level-Editoren, die einigen Spielen beigelegt waren, zunehmend Entwicklungsbaukästen verfügbar wurden, erschien diese Vision in greifbare Nähe zu rücken. So berichtet etwa PAUL C. SCHUYTEMA in der Märzausgabe 1995 der Computer Gaming World über den Spielebaukasten Maxis’ Klik & Play, der es erlaube, die »Essence of Game Creation« zu erkunden und besser zu verstehen, warum manche Spiele besser seien als andere. »A game design, for me, is a lot like a recipe. You need the finest ingredients, of course, but if you don’t blend them together in just the right proportions, you get some inedible garbage. [...] A game coming out of a high-profile publisher may have the authority of glamour and mega-buck production, but if the game design isn’t sound, you end up with crap in a very pretty box.«

Da inzwischen diverse Ressourcen zum Thema ›Spieleprogrammierung‹ verfügbar würden, werde das verbreitete Missverständnis sichtbar, dass »game programming« dasselbe sei wie »game design«. Die vielen abgekupferten Spiele zeugten jedoch davon, dass zu einem großartigen Spiel weit mehr gehöre als Programmierung. Es gehe darum, alle Komponenten eines Spieles im richtigen Verhältnis zueinander zusammenzumischen und mit »game design« und »game flow« dafür zu sorgen, dass es auch funktioniere. Und eines der besten Werkzeuge, um mit »game design« zu experimentieren, sei Maxis’ Klik & Play, da es ermögliche, ein komplettes Spiel von Grund auf zu konstruieren und mit dessen grundlegenden Bestandteilen zu arbeiten. Wenn es auch einige technologische Beschränkungen mit sich bringe und am besten geeignet sei, kleine und einfache »hand-eye coordination games« zu bauen, erfordere es doch die gleichen künstlerischen Sensibilitäten, einen solchen kleinen »splash of genius« zu kreieren und die nach CRAWFORD 213 214

Vgl. G. Costikyan: Letter. In: JCGD, Vol. 4, Is. 6, Aug. 1991. S. 3. Ganz ähnlich wurden Anfang der 1990er-Jahre Befürchtungen laut, dass bedingt durch moderne Techniken der Programmierung entsprechende Jobs von den USA im großen Stil ins Ausland verlagert werden könnten. Vgl. E. Yourdon: Decline and Fall of the American Programmer. Englewood Cliffs/NJ 1992.

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zentralen Elemente eines Spieles – »representation, interactivity and conflict« – miteinander in Einklang zu bringen. Der Baukasten verlange dabei zwar einige Einarbeitungszeit, erlaube es aber, sich eben nicht mit prächtiger Grafik, sondern mit dem zu befassen, worauf es ankomme: »gameplay and balance«, die Verwaltung von Ereignissen, Aktionen und Reaktionen, die Anpassung der eigenen Ideen an die gegebenen Möglichkeiten, die sinnvolle Platzierung der Spielelemente sowie das richtige Verhältnis von Risiko, Belohnung, Bestrafung und Entscheidungsfreiheit. »Game design is a topic discussed far less often than it should be, but it is the ›black magic‹ which is at the heart of any great game. Graphics are cool, sound effects and music can jazz up an experience, but a game’s interface must be clean and efficient, and more than anything, the design and flow of the gameplay must play like a sweet symphony, not like some discordant dirge. [...] If you want to dabble in the ›dark art‹ of design and event processing, dive into KLIK & PLAY. You’ll learn volumes about why some games play like poetry and others are only as enjoyable as a hairy wombat with whooping cough.«215

DAVID GERDING, freischaffender Autor und Dozent für »interactive media« am Columbia College of Chicago, beschreibt in seinem Artikel ›Has Push-Button Game Design Arrived?‹ in der April/Mai-Ausgabe 1995 des Magazins Game Developer, dass neben den in der Spieleentwicklung bereits verbreiteten Compilern für höhere Programmiersprachen, fortgeschrittenen Grafik-Rendering-Systemen und Programmbibliotheken nun auch standardisierte Entwicklungsplattformen immer wichtiger werden. Mit der zunehmenden Reife einer jeden Industrie steige auch die Komplexität und Spezialisierung ihrer Werkzeuge. Ziel sei es nicht nur, die Produktivität dramatisch zu erhöhen, sondern auch, die Zahl der benötigten Programmierer/innen zu reduzieren und damit die Kosten für die Fertigstellung eines Projektes drastisch zu senken. Ein ideales Entwicklungssystem sammle und verwalte die vielen Einzelteile von Grafiken und Animation bis hin zu Programmroutinen und erlaube es Grafiker/innen und Designer/innen über das Interface oder die Script-Sprache eines Editors (»highlevel, low-learning curve tools«) das Spiel zu bauen, ohne die Hilfe von Programmierer/innen in Anspruch zu nehmen. »Ideally, programmers can then focus on improving and adding new parts to the development engine, while (less expensive) teams of game designers and artists develop titles. In reality, programmers are still an integral part of any developmentsystem-assisted team, even if they’re there only to make the game do new tricks.«

Neben den in Nutzung befindlichen unternehmensspezifischen Entwicklungsumgebungen seien inzwischen auch entsprechende Erweiterungen für Microsoft Windows, der »game creator« Klik & Play von FRANÇOIS LIONET und YVES LAMOUREX sowie das Programm Macromedia Director 4.0 veröffentlicht worden, die in der ein oder anderen Form als Entwicklungswerkzeuge eingesetzt werden könnten.

215

Vgl. P.C. Schuytema: Do-It-Yourself Game Design. In: CGW, No. 128, Mar. 1995. S. 182, 184, 186. Schuytema hatte sich im Monat zuvor aktuellen Handbüchern zur Spieleprogrammierung gewidmet. Vgl. Ders.: The Dream Job. In: CGW, No. 127, Feb. 1995. S. 206, 210, 212.

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Es bestehe allerdings die Gefahr, dass sich Spiele, die mit einem standardisierten Entwicklungssystem entstünden, in Aussehen und Spielerfahrung ähnlich seien. Dies stünde zwar einem kritischen und finanziellen Erfolg nicht zwingend im Wege, verleite aber zur kleinschrittigen Weiterentwicklung im Gegensatz zum revolutionären Wandel, was für »game purists« kaum ausreichend sei. Der Trick sei es, das Wachstum des Entwicklungssystems und die Hinzufügung neuer Werkzeuge von den Bedürfnissen der Game Designer/innen und Grafiker/innen abhängig zu machen; hier dürfe die Spieleentwicklung nicht über das ›Game Design‹ gestellt werden. Das »game design« auf Knopfdruck sei inzwischen Realität und mit den sich stets weiterentwickelnden Werkzeugsammlungen bräuchten Grafiker/innen, Designer/innen und Programmierer/innen immer weniger Knöpfe drücken, damit ihre Träume Gestalt annähmen. Während die Zahl der verfügbaren Werkzeuge immer weiter zunehme, verlange es jedoch paradoxerweise in Zukunft nach einem deutlich größerem ›Genius‹, um ein Spiel zu bauen, das so noch nie jemand gespielt habe. Darin bestehe eine fabelhafte Herausforderung.216 Während also laut SCHUYTEMA Maxis’ Klik & Play vor allem für den »purpose of studying game design« geeignet ist,217 zeigt GERDING auf, wie sich die neuen Entwicklungswerkzeuge in den Produktionsprozess einbringen ließen, wobei seine Vorstellung von einem losgelösten Designprozesses sowohl von ideal funktionierenden Programmen als auch von idealisierten Anwendungszusammenhängen ausgeht.218 Ganz ähnlich verweist auch BEN SAWYER 1996 nicht nur auf die Möglichkeit mit solchen Werkzeugen und ›Editable Games‹ erste Schritte in der Designpraxis zu machen, sondern auch mithilfe eines »high-level multimedia scripting product« im Rahmen der Planungsphase ein »interactive storyboard concept« zu bauen, das als Prototyp dienen könne.219 Insgesamt wachse in der Spieleentwicklung zwar die Bereitschaft vor dem Hintergrund steigender Kosten und verbindlicher Abgabetermine, auch auf nicht firmeneigene Werkzeuge, Bibliotheken und Entwicklungsumgebungen zu bauen, die Entwicklung eines Produktes mithilfe entsprechender Baukästen schneller aus den Händen der Programmierer/innen zu nehmen und in jene der Designer/innen zu geben und eher auf kleinschrittige Weiterentwicklungen der Produkte zu setzen. Dennoch seien auch die ›Multimedia Authoring Packages‹ bzw. ›Game Authoring Systems‹ nur zusätzliche Alternativen unter den vielen Programmiersprachen, von denen in 90 Prozent aller Fälle weiterhin C++ gewählt werde. Sie erlaubten es, parallel für mehrere Plattformen zu entwickeln, seien leicht zu nutzen und brächten schnell überarbeitbare Ergebnisse hervor, könnten jedoch nicht für jeden Spieltyp eingesetzt werden und zudem sehr langsam sein.220 Schließlich findet sich die Vorstellung von unabhängig agierenden Designer/innen bei ARNIE KATZ wieder, der das abschließendes Kapitel ›Designing the Future‹ seines 216 217 218 219 220

Vgl. D. Gerding: Has Push-Button Game Design Arrived? In: Game Developer, Apr./May 1995. S. 42-46. Vgl. P.C. Schuytema: Do-It-Yourself Game Design. In: CGW, No. 128, Mar. 1995. S. 182, 184, 186, hier 182. Vgl. D. Gerding: Has Push-Button Game Design Arrived? In: Game Developer, Apr./May 1995. S. 42-46. Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 155f., 91. Vgl. ebd., S. 379-399, hier 382f., 387, 390f.

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Buches Inside Electronic Game Design von 1996 mit der Erwartung beendet, dass sich die Natur des Beitrages, den Designer/innen für ein Projekt leisteten, durch die Weiterentwicklung der Computertechnologie wandeln werde. So würden die Werkzeuge der Implementation immer zugänglicher und verlangten nicht länger nach Programmierkenntnissen, weshalb man die Implementation nun selbst übernehmen könne, statt über ein »specifications document« nur indirekt beteiligt zu sein. So ließe sich ohne Zwischenschritt bereits eine Annäherung des Designs auf dem Bildschirm realisieren, was die Designer/innen trotz der darüber hinaus zu leistenden Entwicklungsarbeit näher an das fertige Produkt heranrücke. Dazu werde auch die Verbreitung von »game engines« beitragen, welche die Entwicklung von Produkten mit gemeinsamer Struktur aber veränderlichen Inhalten erleichtere. »Designers can work out a game in rough using an engine because engines frequently require no programming expertise and they allow for major creative input. Of course, programmers will still be necessary to both prepare those engines and to do the finishing touches and nonstandard aspects of a project. However, the ability to put even a rough approximation of what is desired onto the screen will insure that designers remain the principal providers of game content in the new century.«221

Während sich die Werkzeuge für unterschiedlichste Zwecke durchaus weiterentwickelten, sollte sich die Vorstellung von einer völligen Unabhängigkeit des Designs von der Softwareentwicklung zumindest für den kommerziellen Sektor auf absehbare Zeit als Fehleinschätzung erweisen. Die Ausdifferenzierung der Tätigkeiten sowie die Arbeit in kleinen und großen Teams war zur unumkehrbaren Realität der Spieleentwicklung geworden222, wobei die Frage nach der Verantwortlichkeit für das ›Werk‹ als Ganzes im Unbestimmten verblieb. Während einerseits der Wunsch erkennbar ist, man könne sich als Game Designer/in – ähnlich wie als Drehbuchauto/in – darauf beschränken, in unabhängiger Autorschaft ›Design Documents‹ zu verfassen und diese an das meistbietende Verlagshaus oder Entwicklungsstudio zu verkaufen, ohne letztlich in den Produktionsprozess eingebunden zu sein,223 konnte sich andererseits am anderen Ende des Spektrums die Vorstellung etablieren, dass man als Game Designer/in – ähnlich wie als Regisseur/in beim Film – in die Rolle der richtungsweisenden und visionären Projekt- und Teamleitung aufsteigt. In der Augustausgabe 1989 des Journal erschien der Artikel ›The Emergence of the Software Director as the Creative Force in Games‹ von TOM MAREMAA, der mit einer Bestandsaufnahme begann: »Software development, these days, is, largely, a mess.« Projekte würden begonnen und dann aufgegeben, Verträge liefen aus, Programmierer/innen wendeten sich neuen Aufgaben zu, sodass niemand bleibe, um Entscheidungen über den 221 222

223

Vgl. A. Katz, L. Yates: Inside Electronic Game Design. Rocklin/CA 1996. S. 235-240, hier 240. Vgl. ebd., S. 97f., 149f. So hatte sich etwa David Joiner im Frühjahr 1994 mit den an Relevanz gewinnenden Fragen des Teammanagements befasst, vornehmlich wie man mithilfe von Persönlichkeitstests nach dem Vorbild von Myers-Briggs die Kollaboration zwischen den Teammitgliedern verbessern könne. Vgl. Talin: Tools For Teams. In: JCGD, Vol. 7, Is. 3, Feb. 1994. S. 12-14. Vgl. A. Katz, L. Yates: Inside Electronic Game Design. Rocklin/CA 1996. S. 97f., 149f.

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Programmcode oder die Grafik und Ästhetik zu treffen. Darüber gerieten Entwicklungsstudios in Verspätung, verpassten ihre »milestones« und verlören sich in der Programmierung. In diesem Chaos begännen Verlagshäuser zunehmend Projekte im eigenen Hause zu entwickeln, wo sie Zeitpläne und Programmierer/innen besser kontrollieren, Personal rotieren oder Ressourcen anpassen könnten, ohne jedoch die Probleme zu lösen. In den letzten Jahren sei man nach dem Vorbild von Electronic Arts dazu übergegangen, ›Software Producers‹ als Projektverantwortliche zu etablieren, was jedoch bereits antiquiert und uneffektiv sei, da es einen ständigen Interessenkonflikt zwischen Arbeitgeber und Entwicklungsstudio gebe und es zudem oft an Kontinuität fehle, wenn Producer/innen im Verlauf langer Entwicklungszyklen den Arbeitgeber wechselten oder wegen Burn-out aufgeben müssten. Als eine Lösung für dieses Problem schlage er den ›Director‹ als neue kreative Kraft in der Softwareentwicklung vor. »Just as Truffaut, the great French filmmaker, argued for the auteur in filmmaking a quarter century ago in the obscure French film quarterly Cahiers du Cinema, I would argue that, in order to produce great software, you need strong personalities to direct its development and, once again, reach a broader base of gameplayers and end-users, [...].«

Als ›Director‹ hüte man die Vision des Spieles, dirigiere die Entwicklung, wie es Producer/in oder Produktmanager/in als Repräsentierende des Verlages nicht vermögen, gebe die Arbeit vor und stelle die Personen ein, die zu ihrer Realisation gebraucht würden. In den frühen Tagen der Softwareentwicklung sei man als Programmierer/in zwingend zugleich Director gewesen, mit einer Vision und der alleinigen Verantwortung, diese umzusetzen. Dagegen sei die Aufgabe, hochqualitative Unterhaltungssoftware zu entwikkeln, inzwischen deutlich komplexer und umfasse große Teams. Als Software Director müsse man die Vision des Programmes wie als Regisseur/in den Film im Kopf haben, sich auf das »look and feel« des Produktes fokussieren, die »special effects« oder Erlebnisse gezielt einzusetzen wissen, Verständnis für die Ansprüche und Erwartungen der Nutzer/innen haben und schließlich Risiken eingehen, das Werk ›signieren‹ und die Autorschaft übernehmen mit einer angemessenen Anerkennung aller Beteiligten. Er selbst habe diese Rolle bei der Entwicklung des Spieles GrandSlam Tennis wahrgenommen und die Integration von Grafik, Sound und Animation dirigiert sowie später das Projekt eines bekannten Autors und Programmierer/innen zu dessen Umsetzung ausfindig gemacht. Dies funktioniere nur, wenn man als Director Spiele baue, die man selbst spielen wolle, gerichtet an eine bestimmte Kundschaft, und neue Wege gehe, statt alte Formeln zu wiederholen. So bekomme ein Werk Persönlichkeit oder die besondere Note, was einem Spiel als enormen Vorteil Lebendigkeit, Magie und Mythos verleihe – »some force that transcends the moment«. Während Producer/innen von Firma zu Firma springen und Programmierer/innen mit ihren Projekten hadern, was zu Verspätungen oder gar abgebrochenen Entwicklungen führe, sei die Entstehung der ›Software Directors‹ nach dem Vorbild der großen Filmschaffenden des 20. Jahrhunderts als eigenständige kreative Klasse unausweichlich, um den »software mess« zu überwinden. Nicht zuletzt durch den Einfluss der Spielekonsolenhersteller werde sich der Spielemarkt in den Jahren 1989 und 1990 deutlich ausweiten, aber auch fragmentieren. Schneller als man glaube, würden

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jedoch kleinere, unternehmungsfreudigere Studios mit großen Erfolgen aufwarten und einen neuen Schlag ›Software Director‹ in die Welt setzen.224 CRAWFORD widmet sich sechs Jahre später, im Juni 1995, ein letztes Mal der Frage, ob eine einzelne Person oder ein Team besser in der Lage sei, die Anforderungen des ›Game Design‹ zu bewältigen. Dabei orientiert er sich an der »auteur theory«, die sich mit der Frage befasst, wer angesichts des Umstandes, dass so viele Personen kreative Beiträge zur Entstehung eines Filmes leisteten, für dessen ›Herz und Seele‹ verantwortlich sei. Auf der einen Seite stehe das »team model«, in dem ein Werk das Ergebnis der Zusammenarbeit vieler talentierter Individuen sei, wobei ein »team leader« die Aufgabe habe, deren Zusammenhalt, Motivation und Anspannung sicherzustellen und damit den kreativen Beitrag vieler Teammitglieder zu optimieren. Auf der anderen Seite stehe das »auteur model«, das die wahrhaft kreative Leistung einer einzelnen Person – Regisseur/in als kreative Kraft hinter einem Film – zuweise, wie es kein Kommitee oder Team hoffen könne zu erreichen, sodass es die Aufgabe aller anderen Beteiligten sei, zu assistieren. Die grundlegende Differenz zwischen den Modellen sei das Maß an Autokratie und Gleichberechtigung innerhalb einer Gruppe, wobei es auch Mischformen gebe. FREDERICK BROOKS hat in seinem Buch The Mythical Man-Month überzeugend dargelegt, dass gute Programmierung nicht von großen Teams, sondern von wenigen talentierten Individuen ausgeht. Nach dessen Ansatz eines ›Eingriffsteams‹ solle jedes Projekt der Leitung einer einzelnen, sehr talentierten Person unterstehen, die einen Großteil des Programmcodes selbst erstelle und durch spezialisierte Programmierer/innen unterstützt werde. Dieses Modell folge derjenigen eines medizinischen ›Eingriffsteams‹ mit Fachärztinnen und -ärzten, angeleitet von einer herausragenden Person, das sich wegen der enormen Verantwortung eines Eingriffes ähnlich dem »auteur model« funktional ausgebildet habe. Das extremste Beispiel des »auteur model« sei die Schriftstellerei mit in aller Regel unabhängig arbeitenden Autorinnen und Autoren, für deren Arbeit man bis heute, trotz der Bedeutung des Buchmarktes, kein effektives Kollaborationsmodell gefunden habe. Das »team model« sei dagegen besonders erfolgreich im Bereich des Sportes, wo autonom agierende Spieler/innen gemeinsam ein Ziel verfolgten. Ein anderes Beispiel sei die Militäreinheit, die entgegen der verbreiteten Annahme stark von der individuellen Initiative abhängig seien. Es erscheine ganz so, dass vor allem dort, wo Individuen sowohl in Isolation als auch in kritischen Situationen schnell handeln und entscheiden müssten, vor allem ein Teamansatz verfolgt werde, während dort, wo es auf herausragendes Urteilsvermögen und Expertise ankomme, eher das »auteur model« gewählt würde. Im Falle des ›Game Design‹ handele es sich um eine Tätigkeit, die von Mitgliedern eines Teams weder in Isolation noch unter dem Druck sich rasch verändernder Situationen ausgeführt werde. Dagegen brauche ›Game Design‹ ein hohes Maß an herausragendem Urteilsvermögen und Expertise, und nur wenige Personen verfügten über die Erfahrung diese Tätigkeit gut auszuführen. So liege die Schlussfolgerung nahe, dass ›Game Design‹ am besten in einer »auteurial atmosphere« durchgeführt werde, was jedoch dem Willen zur Gleichberechtigung der Programmierer/innen zuwiderlaufe.

224

Vgl. T. Maremaa: The Software Director. In: JCGD, Vol. 2, Is. 6, Aug. 1989. S. 10f.

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»I think that the answer lies in the changing nature of our profession. Let’s face it, microcomputer programmers have always been loners and have glorified the loner lifestyle. But as our projects have grown larger, more and more people have gotten sucked into them. We’ve gotten more crowded, and when you’re crowded, you need somebody to keep everyone off each other’s toes. Strict egalitarianism works well in the Wild West, where individuals are miles apart. In the crowded cities, it’s not so good a fit. As game design becomes less and less like the Wild West and more and more like the crowded cities, expect the historical egalitarianism of programmers to be edged aside for more pragmatic styles.«225

Die Aufgabenteilung und Definition der an der Spieleentwicklung beteiligten Parteien, die ab Mitte der 1990er-Jahre unter der Bezeichnung ›Developer‹ gefasst wurden, lässt sich beispielhaft an dem umfangreichen Report ›The Faces Of Creation‹ von PAUL C. SCHUYTEMA nachvollziehen, der in der Oktoberausgabe 1995 der Computer Gaming World erschien. Auf der Titelseite wurde er beworben als »An Inside Look At The Real World Of Game Design« und im Inhaltsverzeichnis beschrieben mit »Anatomy Of Game Design – [...] Modern computer game development requires a finely orchestrated studio production. [...] CGW follows the muse of the game designers, programmers, artists, and producers from conception through intended perfection.« Dabei gliedert der Autor den Artikel anhand von vier Berufsfeldern, jeweils begleitet von einem ›Profile‹ aus der Industrie und beginnend mit ›Game Designer‹. Die Grundidee für ein Spiel, entstamme sie von einer Serviettenzeichnung, aus einer unter der Dusche angestellten Überlegung oder auch einer sorgsam moderierten Gruppendiskussion, sei häufig noch so allgemein formuliert, dass sie – verloren in einer Welt der Möglichkeiten – für die Durchführung eines Projektes noch nichts nütze. Hinzu komme der Umstand, dass Spiele heute – im Gegensatz zu den 1970er- und 1980erJahren – beinahe ausschließlich von Teams produziert würden, von einem Dutzend bis zu 100 Personen, und zudem über millionenschwere Budgets verfügten, was es notwendig mache, Projekte im Vorfeld ausführlich zu planen und nicht mehr im laufenden Prozess zu entwickeln. Als Designer/in oder Mitglied eines »design team« sei man verantwortlich für die Ausarbeitung der Ausgangsidee in ein durchdachtes »design document«, an dem sich Programmierer/innen, visuelle Künstler/innen, Musiker/innen und die übrigen Entwickler/innen orientieren könnten. Game Designer STEVE BARCIA beschreibt beispielhaft den Entwicklungsprozess vom ersten »brainstorming« im Team über die »rough outline«, den Überblick zentraler Konzepte, bis zum durchgearbeiteten »design document«, das unter Ausschluss äußerer Einflüsse reife, bis es das Spiel vollständig beschreibe, bevor dann mit der Programmierung begonnen werde. Dabei denke er die ganze Zeit an die Endnutzer/innen; es gehe nicht darum, sich mit anderen Spielen zu messen, sondern allein darum, ein gutes Spiel zu machen, das »fun«, »cool« und »addictive« sei. BARCIA verfüge mit seinem Abschluss in »electrical engineering« über die systematischen Fähigkeiten, um ein besonders funktionales »design document« zu erstellen. Er könne als Programmierer nicht nur besser einschätzen, was machbar sei, sondern bereits Algorithmen formulieren, um die Beschreibung des Designs zu ergänzen. Der größte Teil des Designs bedeute, die Grundlagen zu formulieren, doch gebe es eine natürliche Grenze für die Kontrolle und Regelvarianten, die man Spieler/innen zumuten könne, bis diese nicht mehr verstünden, worum 225

Vgl. C. Crawford: Auteurs Versus Teams. In: JCGD, Vol. 8, Is. 5, Jun. 1995. S. 10f.

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es gehe, und keine einfachen »rules of thumb« mehr ausreichten. Spieler/innen müssten die Auswirkungen ihrer Handlungen spüren können, um mitgerissen zu werden. Zudem müsse man genug Tiefe, etwa durch unterschiedliche Herangehensweisen und zufällige Elemente, anbieten, damit es sich immer wieder lohne, das Spiel zu spielen. Man müsse die Spielenden zudem begeistern, ihr Adrenalin anregen und sie ins Spiel ziehen, sodass sie sich mit ihren Entscheidungen identifizierten und der »game’s world« Glauben schenkten; »Creating that suspension of disbelief is the pinnacle of design that all strive for.« Die künstliche Intelligenz und damit die »balance« im Spiel, die so wichtig für ein herausforderndes Erlebnis sei, könne erst sehr spät abgeschlossen werden, da diese Teile erst dann geschrieben werden könnten, wenn man das Spiel vollständig kenne. Game Design sei harte Arbeit, zum Teil frustrierend und sehr zeitintensiv, aber er finde Vergnügen daran, wenn auch Familienangehörige und Außenstehende kaum verstünden, was er tue. BARCIA beschreibt zudem in seinem ›Guide to Becoming a Good Designer‹, man solle möglichst viele und möglichst unterschiedliche Spiele spielen. Um »game ideas« kennenzulernen und eigene Ideen zu entwickeln, müsse man zum einen lernen, das eigene Geschmacksurteil zu schulen, und zum anderen, die Geschmäcker anderer Menschen zu verstehen. Er habe sich in unterschiedliche Regelsysteme und deren Funktionieren eingelesen sowie eine Hierarchie von Regeln formuliert, um eigene Ideen zu bewerten. Schließlich müsse man sich in Bescheidenheit üben, um mit vielen Leuten zusammenarbeiten zu können. Während man als Game Designer/in für die »initial ideological foundations« eines Projektes zuständig sei, bringe und halte man als ›Game Producer/in‹, mit einem gleichermaßen vorhandenen Verständnis für Design und das Geschäft, alle Bestandteile und die Beteiligten zusammen. Schließlich sei man als ›Lead Programmer‹ für die technologische Realisierung der »design ideas« und als ›Game Artist‹ für die visuelle Gestaltung vom »user interface« bis zu den Zwischensequenzen verantwortlich. In den frühen Tagen der Computerspiele seien Designer/in, Programmierer/in und Künstler/in noch ein und dieselbe Person gewesen, doch mit der Weiterentwicklung der Industrie habe die Qualität der visuellen Gestaltung, die notwendig sei, um ein Massenpublikum zu erreichen, nach einer professionelleren Handschrift verlangt. Angesichts der »interactive nature of games« sei es aber unverzichtbar, dass Designer/innen, Programmierer/innen und Künstler/innen eng zusammenarbeiteten. »The professions we’ve looked at are only some of the many talented individuals needed to bring a game from gestation to fruition. Musicians must compose the music, others must create the sound effects we hear. Writers must compose stories and dialogue. As the game wraps up, quality-assurance teams must evaluate the gameplay as well as the stability of the code, and finally, when the game nears completion, someone must tell the world about it, by placing ads in magazines and making sure that magazines like CGW can review it for you.«226

Auch BEN SAWYER hält gleich im Einführungskapitel seines Buches Ultimate Developer’s Sourcebook von 1996 fest, dass Spiele zwar ursprünglich von sehr kleinen Teams oder gar »›lone-wolf‹ developers« entwickelt worden seien, heute jedoch von ganzen Gruppen realisiert würden, selbst wenn das ›Design‹ von nur einer Person stamme. Auf sich allein 226

Vgl. P.C. Schuytema: The Faces Of Creation. In: CGW, No. 135, Oct. 1995. S. 6, 38-40, 42, 44, 48, 50, 52, 54, 56, 284.

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gestellte Entwickler/innen würden zu einer bedrohten Spezies, da die Tage, in denen eine Person über genügend Zeit, Talent und Geld verfügt habe, um ein Produkt auf dem neuesten Stand der Technik zu entwickeln, beinahe vorbei seien. Spiele verlangten nach zu viel professioneller und qualitätvoller Grafik, Musik und Programmiertechnik, um nur von einer Person gestemmt zu werden, womit auch die Fähigkeit im Team zu arbeiten, diese zu organisieren und zu managen immer wichtiger werde. »While the lone-wolf developer used to be prevalent on the plains of development, he or she is becoming a dying breed. Most of today’s sophisticated multimedia styled apps require multiple developers along with artists, musicians, and producers to manage the entire task.«227 In seiner Übersicht gängiger Tätigkeitsprofile in der Spieleentwicklung nennt SAWYER neben den ›Designers‹ die ›Producers‹, ›Programmers‹ (›Junior‹, ›Technology‹, ›Lead/ Senior‹), ›Software Testers‹, ›Writers‹ (Schriftsteller/innen), ›Artists‹ (dt. Visuelle Gestalter/innen), ›Musicians‹ und Personen aus ›Marketing and Sales‹, begleitet von ›Variants and Hybrids‹, die in einzelnen Unternehmen mit gewisser Unschärfe auftreten könnten. Designer/innen könnten über einen Hintergrund in Programmierung, meist aber in einem kreativen Bereich wie Film, Musik oder auch Theater verfügen. Da »[d]esigning a computer game« eine Tätigkeit sei wie keine andere, sei es allerdings kaum möglich, eine Schule zu besuchen, um zu lernen, wie man ein »effective game designer« werde. Die meisten Unternehmen setzten zwei bis drei Designer/innen ein, um ein Spiel zu entwickeln, wobei meist eine Person insgesamt für das »›design‹ of the game« verantwortlich sei. Designer/innen würden bei vielen Unternehmen im eigenen Hause ausgebildet, wobei häufig ein Schlüsselmitglied des Projektteams als Designer/in eingesetzt werde. Andere Unternehmen nähmen dagegen professionelle Schriftsteller/innen oder Designer/innen unter Vertrag. Notwendige professionelle Fähigkeiten seien Erfahrung im Schreiben für ein spezifisches Medium sowie im ›Game Design‹ und Wissen über die Herausforderungen des Designs sowie das Spielegeschäft, wobei Kenntnisse in Programmierung, Theater oder Videoproduktion ein Pluspunkt seien.228 ARNIE KATZ beschreibt die Rolle der Game Designer/innen in seinem Buch Inside Electronic Game Design von 1996 vor dem Hintergrund des historischen Wandels der Spieleentwicklung; als Game Designer/in müsse man diese Rolle, ihre Verantwortlichkeiten und Erwartungen gegenüber den anderen Beteiligten eines Teams verstehen. Noch in den 1970er-Jahren habe es keine Game Designer/innen gegeben, da niemand allein dafür bezahlt worden sei, die oft noch simplen und nur wenige Seiten umfassenden Inhalte eines Spieles zu spezifizieren. In den Entwicklungsstudios der 1970er- und 1980er-Jahre seien die Aufgaben in den kleinen Teams, die oft zugleich Firmeneigentümer/innen waren, zudem selten klar abgegrenzt gewesen, wobei die Qualität der Spiele vor allem von den Fähigkeiten der Programmierer/innen abhängig gewesen sei. Diese Art der Spieleproduktion sei insbesondere durch den Erfolg von Electronic Arts an ihr Ende gelangt, deren Entwicklung durch Teams mit spezifischer Aufgabenteilung und wachsenden Anforderungen an Expertise, Spezialisierung und Professionalität vorbild227

228

Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 8, 24, hier 24. »That’s not to say there isn’t still room for a lone wolf or two out there—many games might not require a huge development team.« Ebd. Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 563574, hier 569f.

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haft für die Branche gewirkt habe; Spiele würden inzwischen beinahe ausschließlich von Teams entwickelt. So seien auch Game Designer/innen in ihrer Spezifik in die Welt getreten, deren Beitrag und Bedarf, abgesehen von wenigen ›ignoranten‹ Studios, heute nicht mehr infrage gestellt werde. »Today, the projects are even bigger, and even more planning is needed to keep everyone on track. The game designer is the one who writes the plan that guides the entire project. [...] Everyone is supposed to follow the plan the designer has written, and no changes can be made without consulting that person, who is responsible for incorporating those changes into the design document and informing the other people working on the project about it.«229

Zu Beginn der Entwicklung sei es deutlich leichter und kostengünstiger, Änderungen am Spiel vorzunehmen als in späteren Phasen. Auch Verlage verlangten inzwischen nach ausführlicherer Vorbereitung und Dokumentation des Produktionsprozesses vor der Vertragsunterzeichnung. Bei so vielen Beteiligten sei es dringend notwendig, für die Designer/innen einen Gesamtplan für die Entwicklung eines Spieles vorzulegen und dessen Einhaltung zu kontrollieren. Grundvoraussetzungen zur Ausübung dieser Tätigkeit, für die es keinen Doktortitel oder Ausbildungsgänge gebe, seien die Liebe zu und die Vertrautheit mit elektronischen Spielen. Es sei das erste Gebot, das Feld eingehend zu studieren, sich umfassendes Wissen über Spiele der Vergangenheit und Gegenwart anzueignen und die Ergebnisse des bereits Versuchten zu kennen, um nicht das Rad neu zu erfinden oder alte Ideen als neue zu verkaufen. Diese sorgfältige Vorbereitung führe nicht nur zu größerer Geschwindigkeit und Effizienz, da man Ideen für eigene Spiele bekomme, sofern man nicht zu viele Elemente aus derselben Quelle entnehme, sondern auch mit Negativbeispielen konfrontiert sei und allem, was es zu vermeiden gelte. Im Gegensatz zu analytischen Fähigkeiten seien weder spielerische noch technologische Fähigkeiten dringend notwendig, um Game Designer/in zu werden, selbst wenn entsprechende Kenntnisse durchaus hilfreich sein könnten. Zur anhaltenden Selbstausbildung gehöre zudem die Auseinandersetzung mit der Populärkultur, die wichtig sei für die Entwicklung des Spielemarktes und als Quelle für Spielethemen. Auch wenn es die eine, universelle Methode der Spieleentwicklung nicht gebe, sei das »game design team« im Rahmen der Organisation eines Entwicklungsprozesses in aller Regel der Projekt- und Finanzplanung durch ›Producer/in‹ und Produktmanager/in unterstellt sowie häufig mit Personen aus den wichtigsten Abteilungen besetzt: Design, Programmierung, visuelle Gestaltung und Sound. Als Game Designer/in kreiere man den »intellectual content« eines Spieles, angefangen bei einem »basic concept«, also einer »great idea« und einem »proposal« bzw. einem Konzept zur Verwendung einer bestehenden Lizenz, das den gesamten Prozess der Spieleentwicklung in Gang setze. Wenn der Verlag den Vorschlag akzeptiere, müssten ein »preliminary design document«, das es bei komplizierteren Spielen erlaube, alle Aspekte und mögliche Probleme zu bewerten, sowie dann »final design specifications«, die jeden Aspekt des Spieles möglichst detailliert und umfassend beschreiben, verfasst werden. Nach der Annahme der »final design specifications« sei der Hauptteil der Arbeit für die 229

Vgl. C. Crawford: EndPage: Ruminations on the Symposium. In: JCGD, Vol. 1, Is. 7, Jun./Jul. 1988. S. 14.

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Game Designer/innen erledigt, sodass diese gelegentlich an diesem Punkt aus dem Projekt ausschieden, häufiger jedoch weiterhin zur Beratung, Prüfung des Entwicklungsfortschrittes und Ergänzung oder Überarbeitung der Spezifikationen bereitstünden, denn selbst die besten von ihnen könnten durch unvorhergesehene Umstände sabotiert werden. Designer/innen seien in der Regel nicht dazu verpflichtet, ein Spiel zu testen oder die Handbücher für es anzufertigen, sollten aber durchaus ein Auge darauf haben, sofern sie dafür zusätzlich entlohnt würden. Die meisten Designer/innen seien aber daran interessiert, ihre Teilhabe am Realisationsprozess eher zu reduzieren und sich den Spezifikationen für das nächste Spiel zu widmen. Schließlich sei es entscheidend, mit dem gesamten Entwicklungsteam zusammenarbeiten zu können, wenn man das Spiel durch den gesamten Prozess begleite. Es gelte, sich mit Respekt zu behandeln und sowohl das gängige Geben und Nehmen zu akzeptieren als auch mit Kritik umzugehen, die selten gut artikuliert und dazu von weniger qualifizierten Personen vorgetragen werde. Man solle stets aufmerksam zuhören, alle Äußerungen anhand der eigenen filtern und alles aufnehmen, das angemessen erscheine. Gelegentlich müsse man aber auch schwere Zeiten durchleben und kleine Punkte dem größeren Ziel unterordnen.230 »The seismic changes in hardware technology have made game design a completely different job, requiring a different set of skills. If current software authors traveled back to the late 1970s, when game designers had to have deep technical knowledge of the hardware’s capabilities, many would be unemployable as game designers. Today, a designer is the person who definesthe content of an interactive entertainment product, an architect drawing the plans for the construction crew to implement. But the original ›game designers,‹ our forefathers, didn’t even think of themselves as such. They were the computer hackers of a bygone era, when creating games was the seemingly frivolous hobby of otherwise serious computer programmers.«231

Bezeichnend ist, dass man mit Anbruch der 1990er-Jahre kaum noch über Game Designer/innen als Künstler/innen sprach.232 So geht es etwa in GREG JOHNSONS Beitrag zur ›Computer Game Developers’ Conference‹ 1993 unter dem Titel ›Computer Games and Art‹ zwar durchaus um die Frage, ob man Computerspiele als Kunst bezeichnen könne. Doch sind mit »artists« hier nur noch die Gestalter/innen des visuellen Erscheinungsbildes gemeint. Diese fänden ihre Erfüllung vor allem außerhalb ihrer Arbeit, da es das Ziel der Grafik von Computerspielen sei, nur etwas zu zeigen, also der Funktionalität im Sinne der Spielmechanik zu genügen, statt etwas hervorzurufen: »some sort of emotional response or reaction«. Damit werde die künstlerische Vision eingeschränkt. JOHNSON nennt drei Kriterien für Kunst: die Schaffenden selbst, die ihrer Identität durch ein Konzept, eine Stimmung oder eine Emotion Ausdruck verliehen, das Werk selbst, das sich durch Tiefe und Raffinesse auf vielen unterschiedlichen Ebenen zugleich auszeichne, oder die Person, die eine emotionale Wirkung von Bedeutung und Wert erfahre. Die Misere der »graphic artists« sei es, dass die Vorgaben für grafische Darstel230 231 232

Vgl. A. Katz, L. Yates: Inside Electronic Game Design. Rocklin/CA 1996. S. 91-98. Vgl. ebd., S. 1-58, hier 1. Ausführlicher zu diesem Phänomen in den 1990er-Jahren habe ich mich später an anderer Stelle geäußert. Vgl. B. Blankenheim: Aus ›Software Artists‹ werden Game Designer/innen. In: Ders. (Hg.): Game Designers & Software Artists. Glückstadt 2020. S. 37-50.

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lungen vor allem durch technische und kleinteilige Vorgaben geprägt seien, die nicht nur einer starken und gemeinsamen kreativen Vision, sondern auch der kreativen Autorität im Wege stünden. Vielmehr brauche es eine koordinierte Philosophie für die Auswahl eines Grafikstiles. Schließlich gebe es drei Gründe, den »graphic artists« mehr kreative Autorität und Mitspracherecht zuzugestehen: Neue Darstellungstechnologien erlaubten es, ein größeres Publikum zu erreichen, talentiertere Künstler/innen für die Branche zu gewinnen und nicht nur hübschere Produkte, sondern ganz neue Produktarten zu entwickeln. Nur eine künstlerische Vision könne die alten Fähigkeiten des Geschichtenerzählens von traditionellen Technologien mit der Interaktion von Computerspielen zusammenführen.233 Ähnlich äußert sich DAVID SIEKS in seiner Kolumne ›Artist’s View‹ in der Dezemberausgabe 1994 des Magazins Game Developer. Unter der Überschrift ›Artist vs. Artisan‹ begreift auch er Künstlerschaft als etwas außerhalb der Computerspiele, das in Form von Personal oder Ambition erst in die Spieleentwicklung zu integrieren sei. Ausgehend von einer Anekdote über einen Besuch im New Yorker Guggenheim Museum, stellt er fest, dass zwar Verwirrung und Uneinigkeit über die Vorstellung herrsche, was Kunst sei, sich Computerspiele und ihre Macher/innen sich aber schwer darin täten, diese Bestätigung zu erhalten. Schon der Begriff ›Spiel‹ mache es ihnen schwer, ernst genommen zu werden. Auch der »visual artist« für Computerspiele werde eher als Handwerker gesehen. Angesichts der enormen Geschwindigkeit und den zunehmenden Möglichkeiten der Technologie sei diese Situation aber im Wandel begriffen, da sich die schillernden Ergebnisse fortgeschrittener Grafiksoftware immer häufiger auf Titelseiten, in Film und Fernsehen und selbst in Kunstgalerien wiederfänden. Mit den heutigen multimedialen Möglichkeiten würden Spiele nicht nur immer besser aussehen, klingen und immer mehr Interaktion bieten; man habe nun Werkzeuge verfügbar, die Künstler/innen und einem neuen Medium von bedeutsamem kreativem Ausdruck angemessen seien. Auch wenn die Kunstwelt technologischen Bemühungen traditionell skeptisch gegenüberstehe, verfüge der Computer doch über zu viele audiovisuelle und interaktive Fähigkeiten, um ihn zu ignorieren. Es sei Zeit für einen Paradigmenwechsel, damit die Gesellschaft Computerspiele als wahre Kunstform anerkenne: in der Lage, Staunen auszulösen, Vorstellungskraft und Verstand anzuregen, das Publikum gefangen zu nehmen und zur Schönheit fähig zu sein. Dies habe für viele Produkte erst einmal gar keine Auswirkungen. Der Wandel in der Industrie stehe nämlich erst am Anfang. Es gebe zwar diverse Beispiele für herausragende Talente in der Branche, die versuchten, Spiele in neue Richtungen zu bewegen. Der kreative Impuls, etwas zu machen, das mehr sei als ›nur ein Spiel‹, werde aber kaum durch Spielentwickler/innen gesetzt, denen es vor allem darum gehe, eine bessere Fassung von etwas bereits Bekanntem zu machen. Nicht alle Spiele müssten oder sollten danach streben, Kunst zu sein. Alle Spiele würden allerdings gewinnen, wenn man Künstler/innen stärker in die Entwicklung einbeziehe. Dennoch würden sie oftmals eher als Werkzeuge eingesetzt. Ohne dass Grafiker/innen und Musiker/innen von Beginn an mit am Tisch säßen, verliere man aber wertvolle kreative Impulse. Es gelte, neue Wege

233

Vgl. o.A. [Redaktion]: More Hijinx with the Class of ’93. In: CGW, No. 109, Aug. 1993. S. 38, 40, 42, hier 40, 42.

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zu beschreiten, um Technologie mit Talent, Spielbarkeit mit Schönheit, Strategie mit Farbe und Klang zu verschmelzen.234 In der Augustausgabe 1997 des Magazins Game Developer beschreibt schließlich JOSH WHITE in einem umfangreichen Beitrag, wie sich ein freischaffender »artist« in eine Spieleentwicklung einfügen und dort mit anderen Teammitgliedern kommunizieren kann. Mit »artist« ist dabei unmissverständlich eine Person gemeint, die Grafiken, Texturen oder 3-D-Modelle für ein Spieleprojekt beisteuert, während Game Designer/innen dafür zuständig seien, zu entscheiden, welche künstlerischen Bestandteile für die spezifische Spielerfahrung gebraucht würden.235 ›Legends of Game Design‹

Bereits in der zweiten Ausgabe des Journal of Computer Game Design im August/September 1987 widmet CRAWFORD eine Seite der Frage, wie deutlich der »creator’s name« im Vergleich zum Verlag auf der Packung eines Spieles zu erkennen ist. Verlage hätten von Hause aus ein Interesse daran, den Bekanntheitsgrad der Game Designer/innen gering zu halten, um deren Verhandlungsposition zu schwächen sowie den eigenen Ruhm und Gewinn zu maximieren. Und die Verlage hätten alle Möglichkeiten dazu, da sie die Verpackungsgestaltung und Werbung kontrollierten: »The result is that few game designers get the credit they deserve.« In einem groben Vergleich stellt CRAWFORD die »computer games« anderen Industrien gegenüber, die häufig bereits Lösungen für dieses altbekannte Problem ausgehandelt haben. Im Vergleich der Schriftgrößen von Verlag und Autor/in auf Büchern, CDs, Videokassetten und »computer games« wären Letztere weit abgeschlagen, während Schriftsteller/innen, Musiker/innen und Filmemacher/innen in der Regel deutlich sichtbar seien. Dabei habe er bereits Produkte von vor 1985 ausgeschlossen, denn »in the early days, publishers didn’t put the author’s name on the package at all.« CRAWFORD ruft schließlich dazu auf, die namentliche Nennung der Autor/innen zum Inhalt von Vertragsverhandlungen zu machen. Auch wenn freiwillige Zugeständnisse kaum zu erwarten seien, sei doch zu hoffen, dass sich bald ähnliche Konventionen etablierten, wie sie in anderen Industrien weitverbreitet seien.236 Zwei Jahre nach Erscheinen des Artikels wendet sich CRAWFORD noch einmal den Spieleverpackungen zu. Dabei muss er allerdings feststellen, dass die ohnehin schon unzureichende Namensnennung der Autor/innen sogar noch rückläufig sei, was laut CRAWFORD, nach Maßnahmen verlange. »This may strike some readers as much ado about nothing. After all, some might reason, financial considerations must remain paramount when so many developers must struggle to make a living. Worrying about credit assignment is just glorified ego-tripping. [...] This is short-sighted reasoning. Look at it this way: the goodwill that a superior game creates in the minds of consumers is an asset. It is an intangible asset, but a valuable one, for it will be a major factor in the consumers’

234 235 236

Vgl. D. Sieks: Artist vs. Artisan. In: Game Developer, Dec. 1994. S. 63f. Vgl. J. White: The Artist Synapse. In: Game Developer, Aug. 1997. S. 26-41, hier 32. Vgl. C. Crawford: Some Observations on Credit Assignment. In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 8.

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decision to purchase future games. To whom should that asset accrue? Right now, the publishers arrogate most of that asset to themselves, and authors acquiesce to the arrogation.«237

In der Märzausgabe 1990 der Computer Gaming World widmet sich auch JOHNNY L. WILSON in seinem Editorial der Bedeutung der Namen bekannter Game Designer/innen. Während es für ihn nicht unüblich sei, alle Bücher einzelner Schriftsteller/innen zu sammeln und deren Namen in Gesprächen fallen zu lassen, um das Interesse eines Gegenübers an bestimmten Themen oder Genres zu erkennen, sei dies bei »computer games« nicht der Fall. In den Marketingabteilungen der Verlagshäuser für Unterhaltungssoftware habe der »designer’s name«, selbst bei solchen, die eine Reihe von Erfolgen und entsprechende »star quality« vorweisen könnten, nämlich keine besondere Bedeutung und ziere deshalb auch keine Verpackungen. Erstens hätten Verlage die Befürchtung, mit einer Klasse ›Star-Designer/innen‹ vor allem steigende Personalkosten zu provozieren. Bei Film, Musik und Fernsehen seien Künstler/innen gefragt, da ihre »star quality« zum Interesse der Kundschaft beitrage, doch Softwareverlage scheuten diese neue Möglichkeit des Marketings. Zweitens verhielten sich Designer/innen nicht wie Stars, stünden nicht in der Öffentlichkeit, erlaubten keine ausgiebige und frühzeitig planbare Berichterstattung über ihre Produkte und stellten sich keinen Diskussionen in Nutzer/innen-Gruppen oder auf Messen. Drittens habe sich die Presse vor allem auf die Produkte konzentriert und zugleich die Persönlichkeiten hinter ihnen vernachlässigt. Auch die Computer Gaming World, die in der Nennung der Designer/innen und ihrer Ansichten führend sei, müsse den »›electronic artists‹« mehr Raum geben, welche die Unterhaltungssoftwareindustrie antrieben. Viertens schenke die allgemeine Öffentlichkeit der Frage, »who designs what games«, keinerlei Beachtung und verpasse damit nicht nur einige herausragende Designs und faszinierende Persönlichkeiten der Branche, sondern kaufe auch Produkte, die sie besser gemieden hätte. Um dieser Situation entgegenzuwirken, rufe die Computer Gaming World alle Verlagshäuser dazu auf, ihren gängigen »artist/designer/developer contracts« eine Passage über Ort und Umfang der Zuschreibung kreativer Leistungen auf der Verpackung hinzuzufügen und zudem größere Buchstaben dafür zu verwenden. Designer/innen und Mitglieder der »design teams« müssten der Presse und Öffentlichkeit zugänglich sein, sich in Nutzer/innen-Gruppen und Schulen äußern sowie an »game conventions« teilnehmen dürfen. Die Computer Gaming World werde größere Aufmerksamkeit auf die Designer/innen legen, sie häufiger in Artikeln erwähnen, ihre »strategy and design notes« veröffentlichen und gelegentlich gar Bilder abdrucken. Schließlich appelliere man an die Leserschaft, mehr auf die Namen der Designer/innen zu achten und auch die Verlage wissen zu lassen, wenn und warum diese gute Arbeit leisteten.238 237

238

Vgl. C. Crawford: Credit Assignment Revisited. In: JCGD, Vol. 2, Is. 6, Aug. 1989. S. 12. Während auf den Verpackungen von Video- und Computerspielen, unabhängig von den Entwicklungsstudios, kaum noch Autorinnen und Autoren genannt wurden, gelang es den Spieleautorinnen und -autoren von Brett- und Gesellschaftsspielen vor allem in Deutschland zur gleichen Zeit, ihren Anspruch auf Nennung auf der Verpackung gegenüber den Verlagen nachhaltig durchzusetzen. Vgl. S. Woods: Eurogames. Jefferson/NC u.a. 2012. S. 5254. Damit gelang ihnen, was Sid Sackson schon 1969 für alle Spieleerfinder/innen gefordert hatte. Vgl. S. Sackson: A Gamut of Games. New York/NY 1969. S. 32. Vgl. J.L. Wilson: Editorial. In: CGW, No. 69, Mar. 1990. S. 8.

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Erst beinahe dreieinhalb Jahre später befasst sich JOHNNY L. WILSON dann mit dem »celebrity design phenomenon«, denn angesichts der Annäherung von Unterhaltungssoftwareindustrie und »show business« werde es immer üblicher, berühmte Persönlichkeiten als Designer/innen zu rekrutieren. Electronic Arts habe schon in den 1980erJahren vor allem Sportler/innen für Produkte gewonnen und deren Namen in großen Lettern auf die Verpackungen gedruckt, was von vielen anderen Verlagshäusern kopiert worden sei mit verschiedentlich umfassenden Beiträgen. Einige Produkte seien das Ergebnis eines Teams in Zusammenarbeit mit einer Berühmtheit, doch meistens handele es sich um wenig mehr als um die Lizenzierung eines Namens. Doch sei die Videoaufnahme von Bewegungen durch Sportler/innen oder die Zusammenfassung einer Hintergrundgeschichte durch Schriftsteller/innen tatsächlich mit einem »computer game design« gleichzusetzen? Reichten die Bereitstellung von Charakteren und Welten oder einiger Überbleibsel aus einer Filmproduktion schon aus, um als ›Game Designer/in‹ bezeichnet zu werden? Derzeit sei es für die Kundschaft vollkommen unmöglich zu beurteilen, ob eine Berühmtheit irgendetwas zu einem ›Game Design‹ beigetragen hat. Dieses Wissen bedeute jedoch einen großen Unterschied, da allein ein berühmter Name auf der Verpackung ein Spiel keineswegs besser mache, während das Modell einer Software, auf den speziellen Erkenntnissen einer Berühmtheit aufzubauen, einem Produkt durchaus einen Mehrwert gebe. Die Kundschaft müsse lernen, die Frage nach der Einbindung von Berühmtheiten zu stellen, Verlagshäuser müssten lernen, unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit deutlich zu kommunizieren. Schließlich liege es auch in der Verantwortung der Presse, unangenehme Fragen zu stellen, auch wenn man immer wieder von der minimalen Beteiligung der Berühmtheiten enttäuscht werde.239 Im Rahmen seiner Kolumne ›Inside Gaming‹ widmet sich ARNIE KATZ unter der Überschrift ›Designer: Get Rich Quick?‹ der Frage, wie man sich als Game Designer/in im Jahr 1989 durchschlagen könne. Während er mit seiner Arbeit als Kritiker keine nennenswerte Aufmerksamkeit erfahren habe, sei ihm mit Respekt und der Anerkennung eines kleineren Superstars begegnet worden, kaum dass er ›Game Designer‹ zu seinem Lebenslauf hinzugefügt habe. In den späten 1970er-Jahren sei die Geschichte ›Computerfreak wird durch Videospiel-Erfolg zu Silicon-Valley-Millionär/in‹ massenhaft in Zeitungen, Magazinen und Fernsehsendungen erzählt und mit Auswirkungen bis heute von der Öffentlichkeit verschlungen worden. Tatsächlich hätten einige Atari-Designer/innen sechsstellige Checks bezogen oder Designer/innen von Computerspielen hätten basierend auf einem einzelnen Erfolg Unternehmen gegründet, doch sei der sofortige Reichtum leider weiterhin die Ausnahme. Einige wenige Designer/innen seien durch Anteilszahlungen von erfolgreichen Spielen reich geworden, doch verdiene man im Durchschnitt weniger als 40.000 US-Dollar im Jahr, wobei feste Anstellungen nicht sehr häufig und mit einer Vielzahl nicht designbezogener Tätigkeiten verbunden seien. Das »electronic-gaming business« habe sich seit den frühen 1980er-Jahren jedoch grundlegend gewandelt, was auch die Möglichkeiten für höhere Gehälter, Voraus- oder Anteilszahlungen reduziere. So sei man nicht mehr als Generalist/in allein für ein Spiel verantwortlich, sondern agiere als Spezialist/in innerhalb eines Teams. Die Verkaufs239

Vgl. J.L. Wilson: Celebrity Design – Have We Been Misled? In: CGW, No. 110, Sep. 1993. S. 8.

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zahlen eines »video game« erreichten die Millionen, während »computer games«, die zudem mit Piraterie zu kämpfen haben, bereits bei 50.000 verkauften Einheiten als erfolgreich gelten. Schließlich habe der Wettbewerb unter unabhängigen Entwicklungsstudios, der zunehmend auch international wirke, die von Verlagshäusern geleistete Bezahlung für Software stark unter Druck gesetzt. Designer/innen seien zunächst dafür verantwortlich, ein Verlagshaus durch die Vorlage eines kurzen Dokumentes und einer nicht interaktiven Demonstration (›demo‹) von der Finanzierung eines Spieles und der Leistungsfähigkeit des Entwicklungsstudios zu überzeugen, was aber jedes Mal auch mit Kosten verbunden sei, die nicht kompensiert würden und nicht zwingend zum Erfolg führten. Es sei folglich sinnvoll, den Aufwand und das Maß an Anpassung überschaubar zu halten, um nicht die Eigenständigkeit der Idee zu opfern. Früher oder später beginne dann die Verhandlung mit einem interessierten Verlagshaus, das sich allerdings, da es allein das Risiko trage, selten freigiebig zeige. Die Entlohnung für das Projekt werde durch die Verlagshäuser zerteilt und erst mit Erreichen von »production milestones« an die Entwicklungsstudios ausgezahlt, von der Vertragsunterzeichnung bis hin zur Fertigstellung des Spieles. Von der Höhe des Entwicklungsbudgets werde auch die monatliche Bezahlung der Game Designer/innen abgeleitet, wobei diese oft nur etwa drei Monate an der Entwicklung beteiligt seien. Die hoch gehandelte prozentuale Beteiligung am Gewinn erreiche die Designer/innen kaum noch, da Verlagshäuser zunächst ihre Kosten decken müssten, und betrage weniger als die monatliche Bezahlung. Erfolgreiche VollzeitDesigner/innen könnten, alle Einkommensquellen zusammengerechnet, bis zu 50.000 US-Dollar im Jahr verdienen, was Berufen mit ähnlicher Ausbildung und Erfahrung vergleichbar sei. Computerspiele ›zusammenzubrauen‹ sei befriedigend und angemessen profitabel, sodass niemand, der Erfolg habe, auf Mahlzeiten verzichten müsse; gleichzeitig seien Game Designer/innen mit Ferienhäusern jedoch eher selten.240 Nachdem im Monat zuvor ein Interview mit RALPH BEAR im Magazin VideoGames & Computer Entertainment erschienen war, widmet sich ARNIE KATZ im Juli 1991 im Rahmen eines Artikels weiteren Giganten des ›Electronic Gaming‹. Tausende von Personen hätten in den vergangenen 30 Jahren signifikante Beiträge zum Hobby geleistet. Die so wichtigen Beiträge der Computerwissenschaftler/innen auf dem Gebiet der Hardware, welche die »video and computer games« erst ermöglichten, außen vor lassend, konzentriere er sich auf jene Heldinnen und Helden, deren Entwicklungen und Entdeckungen die direktesten und unmittelbarsten Auswirkungen auf die Unterhaltungssoftware gehabt haben. Dabei nennt Katz zunächst allein besonders einflussreiche Unternehmer und Entscheidungsträger wie etwa NOLAN BUSHNELL, Visionär und Gründer der Firma Atari, die für die Popularität der »video games« in den USA verantwortlich waren, JACK TRAMIEL, Gründer der Firma Commodore und Stratege hinter der Veröffentlichung des in der ganzen Welt erfolgreichen Heimcomputers C64, BARRY FRIEDMAN, Gründer und Geschäftsführer der ›International Computer Group‹, die als Agentur wegweisend für die weltweite Lizenzierung und Distribution von Spielen war, JIM LEVY, Mitgründer und Geschäftsführer des ersten unabhängigen Entwicklungsstudios ActiVision, TRIP HAWKINS, Gründer von Electronic Arts, der wesentlich zur Spezialisierung und Professionalisierung der Spieleentwicklung beigetragen hat, BOB JACOB, Mitgründer und ausführender Produzent des Entwicklungsstudios Cinemaware, das für seine »interactive 240

Vgl. A. Katz: Designer – Get Rich Quick? In: VG&CE, Apr. 1989. S. 74f.

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computer-gaming movies« bekannt war, und schließlich KEN WILLIAMS, SoftwarePionier und Gründer von Sierra On-Line. Erst im Anschluss erwähnt Katz dann auch Designer/innen bzw. Entwickler/innen wie SCOTT ORR, BARRY MORSTAIN und ED DANIELS, die sich besonders um die »electronic sports game category« verdient gemacht haben, BRUCE ARTWICK, SID MEIER und DON MATTRICK, deren Simulationen zu den populärsten Spielen überhaupt gehörten, DAVE LEBLING, MARK BLANK und ihre Firma Infocom, die »computer adventure games« wesentlich weiterentwickelt hätten, ANDREW GREENBERG und ROBERT WOODHEAD, denen mit Wizardry die Erfindung des »fantasy role-playing gaming« auf dem Heimcomputer gelungen sei, und schließlich ROBERTA WILLIAMS, »›The Queen of Adventure Gaming‹« und Autorin der King’s Quest-Serie.241 Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hatte KATZ damit in seiner Auflistung nicht nur einen Schwerpunkt auf unternehmerisches Handeln gelegt, sondern zudem – im Sinne einer Historisierung der Spieleindustrie – Personen ausgewählt, deren Leistungen bereits Anfang oder Mitte der 1980er-Jahre erbracht waren. Dabei mag es ihm auch ein Anliegen gewesen sein, eher im Hintergrund agierende Gestalter/innen der Branche in den Vordergrund zu rücken, doch blieb für ihn und weitere Beobachter/innen der Spieleindustrie der marktwirtschaftliche Erfolg das zentrale Auswahlkriterium für die Legendenbildung herausragender Entwickler/innen. CRAWFORD befasst sich im Editorial der Februarausgabe 1992 des Journal of Computer Game Design unter der Überschrift ›A Grain of Sand, A Gust of Wind‹ ebenfalls mit ehemaligen Größen der Spieleindustrie, allerdings mit dem Ziel, auf die Vergänglichkeit von Ruhm und Erfolg hinzuweisen. So habe man etwa LEO CHRISTOPHERSON, einer der ersten »computer game designers«, nach seinem einmaligen Erfolg mit Android Nim (1978), das mit seiner damals beeindruckenden Grafik von der Presse gefeiert worden sei, schnell wieder aus den Augen verloren. Auch BOB BISHOP, der als begabter Programmierer des Apple II allein grafisch aufwendige und dennoch erfolgreiche Spiele als Präsentation seines Könnens vorgelegt habe, sei schließlich aus der anspruchsvoller werdenden Spieleentwicklung ausgestiegen. Genauso sei NASIR GEBELLI mit einer enormen Menge an visuell beeindruckenden und in kürzester Zeit entwickelten Spielen reich und berühmt geworden, bis er im Kollaps der Industrie 1984 verschwunden sei. GREG CHRISTENSON habe noch als Student mit seinem imposanten, aber derivativen Erstlingswerk viel Geld und Ruhm verdient, sei allerdings, kaum etwas über Game Design wissend, nicht in der Lage gewesen, ein Nachfolgeprodukt auf die Beine zu stellen. Ähnlich sei es JOHN HARRIS ergangen, der basierend auf seinem Pac-Man-Klon Jawbreakers als Wunderkind gefeiert und sogar in STEVEN LEVYS Buch Hackers beschrieben worden sei, der Branche aber kurze Zeit später den Rücken gekehrt habe. Und schließlich seien auch JONATHAN GAY und MARK STEPHEN PIERCE, die als Team zwei audiovisuell eindrucksvolle und weithin beachtete Spiele für den Macintosh produziert hätten und von denen man weitere sensationelle Spiele erwartet habe, von der Bildfläche verschwunden. Es sei unausweichlich, dass in Zukunft noch weitere Entwickler/innen in der Spieleindustrie diesen Pfaden folgten, die schon frühere ›Stars‹ genommen hätten, selbst wenn einige von ihnen aktuell Würdigung und Wohlstand erfahren.242

241 242

Vgl. A. Katz: Giants of Electronic Gaming. In: VG&CE, Jul. 1991. S. 102f. Vgl. C. Crawford: A Grain of Sand, a Gust of Wind. In: JCGD, Vol. 5, Is. 3, Feb. 1992. S. 2f.

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Unbeeindruckt von dieser Warnung – und dafür deutlich stärker beeinflusst von den großen finanziellen Erfolgen der frühen 1990er-Jahre – blieb der Blick bei der Suche nach möglichen Vorbildern in der Branche dennoch auf die von Ruhm und Reichtum begleiteten ›Stars‹ gerichtet. So widmete sich die Computer Gaming World im November 1996 im Rahmen der umfassenden Titelgeschichte ›150 Best (and 50 Worst) Games of All Time‹ anlässlich des 15-jährigen Bestehens des Magazins auch den ›15 Most Influential Industry Players Of All Time‹. Dabei wurden die 15 Namen durchnummeriert beginnend bei eins mit TRIP HAWKINS, Gründer und Visionär von Electronic Arts, das Computerspiele wie Schallplatten vermarktet und ihre Designer/innen wie Künstler/innen behandelt habe, sowie »prophet of the computer game industry as the New Hollywood«. Es folgen KEN WILLIAMS, Programmierer des ersten Grafik-Adventure und Gründer von Sierra On-line, BRIAN FARGO, Gründer von Interplay Productions und Designer hinter wegweisenden Rollenspielen, RICHARD ›LORD BRITISH‹ GARRIOTT, Designer der Ultima-Rollenspiele sowie Gründer und Creative Director von Origin, ROBERTA WILLIAMS, Designerin des ersten Grafik-Adventures und vieler weiterer erfolgreicher Abenteuerspiele, JOEL BILLINGS III, Gründer von SSI, das als früher Verlag für Strategiespiele viele talentierte Designer/innen rekrutierte, CHRIS CRAWFORD, Autor des elementaren Buches über »computer game design«, Designer herausfordernder Strategiespiele und Gründer der ›Computer Game Developers’ Conference‹, SID MEIER, Designer herausragender und thematisch vielfältiger Simulationen und Strategiespiele, RUSSELL SIPE, Gründer des Magazins Computer Gaming World, JOHN CARMACK, das »technological genius at id Software« und verantwortlich für den Aufstieg von 3-D, Shareware und »multiplayer gaming«, ›WILD BILL‹ STEALEY, Gründer von MicroProse und Interactive Magic, »super salesman and industry ›character‹«, DOUG CARLSTON, Mitgründer und Geschäftsführer von Broderbund, JON FREEMAN, Pionier und Gründer von Automated Simulations, später Epyx, sowie Designer vieler bekannter Spiele und schließlich GILMAN LOUIE, Geschäftsführer von Spectrum HoloByte und Verleger legendärer und innovativer Simulationen.243 Schließlich fand auf der ›Computer Game Developer’s Conference‹ des Jahres 1997 als Keynote eine Podiumsdiskussion unter dem Titel ›Legends of Game Design‹ statt, geleitet vom Chefredakteur der Computer Gaming World, JOHNNY L. WILSON, welche diese neue Gewichtung verdeutlicht.244 Denn obwohl WILSON zu Beginn betont, dass keine Liste von »Computer Gaming Legends« jemals vollständig sei und erst recht nicht ohne die Nennung von Namen wie CHRIS CRAWFORD, DANIELLE BUNTEN BERRY, RICHARD ›LORD BRITISH‹ GARRIOTT oder SID MEIER waren die Personen auf dem Podium andere: NOLAN BUSHNELL, CHRIS ROBERTS und JOHN ROMERO. Gerade NOLAN BUSHNELL, obwohl selbst gar kein ›Game Designer‹, sondern Gründer und ehemaliger Geschäftsführer der Firma Atari, erscheint in diesem Kontext eher als Personifikation des Pionier- und Unternehmergeistes in der Spieleindustrie, mit der er jedoch seit dem Verkauf von Atari an die Warner Gruppe 1978 nur noch peripher befasst war.245 243 244 245

Vgl. o.A.: The 15 Most Influential Industry Players Of All Time. In: CGW, No. 148, Nov. 1996. S. 110f. Vgl. J. Wilson, N. Bushnell, C. Roberts, J. Romero: Keynote, Legends of Game Design. In: GDC Vault, 1997. (Online) Nolan Bushnell hatte sich ab Mitte der 1990er-Jahre als Berater beim Technologieunternehmen Aristo International bzw. PlayNet engagiert, das u.a. mit Internetzugang ausgestattete

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Mit CHRIS ROBERTS saß jedoch ein Game Designer in der Runde, der in den 1990er-Jahren – getragen vom »phenomenal success of the Wing Commander series« – zum Vorzeigeentwickler eines in Technologie, Präsentation und Narration aufwendigen Mediums aufgestiegen war. Dabei ließ es sich WILSON jedoch nicht nehmen, in dessen Vorstellung auch ein kritisches Thema anzusprechen, auf das man später zurückkommen wolle: das »Wing Commander-Syndrome and how its killing the industry«.246 WILSON griff damit ein Phänomen auf, das CRAWFORD schon etwa ein dreiviertel Jahr nach Veröffentlichung des ersten Wing Commander im Journal of Computer Game Design beschrieben hatte und dem bezeichnenderweise eine von BRENDA LAUREL geleitete ›Debate‹ zum Thema ›Good Graphics vs. Good Game Play‹ auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ im März 1991 vorausgegangen war, wobei ROBERTS für und CRAWFORD gegen die folgende Aussage argumentieren sollte: »Resolved: that the creation of good graphics should receive higher priority in the development process than the creation of good game play.«247 Wie die Computer Gaming World die Debatte zusammenfasst, habe ROBERTS den Punkt verteidigt, dass Grafik helfe, Spiele zu verkaufen und das »game play« zu verbessern. Zudem betont er, dass es die steigenden Produktionskosten für audiovisuell aufwendige Spiele es notwendig machten, deren »looks« und den damit verbundenen Werten mehr Aufmerksamkeit zu schenken. CRAWFORD hingegen habe erwidert, dass eine solche Höhergewichtung der Grafik die Verpackung über den Inhalt stelle, und darauf hingewiesen, dass die erfolgreichen, wenn auch ausgestorbenen Infocom-Spiele gar keiner Grafik bedurften. Der Grafik käme zwar durchaus ein Wert zu, doch nur gutes »gameplay« verleihe Wiederspielwert. Schließlich seien sich beide darin einig, dass eine ›strategische Allianz‹ zwischen Grafik und »gameplay« wichtig sei, wobei Erstere die Kundschaft anziehe und Letzteres sie halte.248 Wie ein ›Beobachter‹ bemerkte, sei mit der ›bittersüßen‹ Debatte zwischen ROBERTS und CRAWFORD gar das inoffizielle Thema der Konferenz gesetzt worden. Dabei habe ROBERTS niemals eine Chance gehabt, tatsächlich einen Raum voller Game Designer/innen davon zu überzeugen, dass die »Presentation« mehr wert sei als das »Game Play«. ROBERTS werde jedoch Trost darin finden können, dass Wing Commander bei den ›Developer Awards‹ in den Kategorien ›Best Graphics‹, ›Best Audio‹ und ›Best Technical Achievement‹ abgeräumt und sich inzwischen eine 250.000 Mal verkauft habe.249

246 247 248 249

und vernetzte Touchscreen-Systeme für Gastronomie und Spielhallen entwickelte. Das Unternehmen musste jedoch noch vor Markteinführung der Geräte 1998 Konkurs anmelden. Vgl. J. Wilson, N. Bushnell, C. Roberts, J. Romero: Keynote, Legends of Game Design. In: GDC Vault, 1997. (Online) Vgl. CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Program. o.O. 1991. S. 5. Vgl. o.A. [Redaktion]: »Cogito Ergo Ludo« (»I Think, Therefore I Play«). In: CGW, No. 83, Jun. 1991. S. 42, 44-46, hier 45. Vgl. Various and Sundry Authors [div.]: 1991 Computer Game Developers’ Conference. In: JCGD, Vol. 4, Is. 4, Apr. 1991. S. 8-10, hier 10.

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Abb. 3: Schätzung der »Typical Development Costs« in den 1980er-Jahren $225.000 $200.000 $175.000 $150.000 $125.000 Typical Development Cost

$100.000 $75.000 $50.000 $25.000 $0 1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

Quelle: nach CRAWFORD (1991)

Nachdem CRAWFORD bereits in der Aprilausgabe 1991 des Journal festgestellt hatte, dass Spiele allein aufgrund der verbesserten Grafik immer größer werden, widmet er sich im Juni 1991 in dem Artikel ›Modern Times‹ der Feststellung, Spiele würden in der Produktion immer teurer.250 Bei dieser Entwicklung, die schon seit Längerem zu beobachten sei, handele es sich um einen grundlegenden Wandel, der jeden Aspekt in der Industrie betreffe. Anfang der 1980er-Jahre sei Spieleentwicklung eine Sache von Einzelpersonen und wenigen Monaten gewesen, sodass produktive Programmierer/innen gleich mehrere Spiele im Jahr hätten fertigstellen und enormen Gewinn erzielen können. Mitte der 1980er-Jahre seien einfache Gewinne selten, Entwicklungsteams die Regel und Einzelentwickler/innen die Ausnahme geworden, begleitet von stetig wachsenden Entwicklungskosten (Abb. 3). In den letzten zwei Jahren seien die Entwicklungskosten jedoch noch einmal dramatisch in die Höhe geschossen, wofür es mehrere Gründe gebe. Große Teile der Kundschaft tendierten inzwischen dazu, sich ein »hit game« zu kaufen, das in der Folge schnell eine Viertelmillion Einheiten absetze, während für die restlichen Produkte nur noch wenig Raum im Markt bleibe und auch gute Spiele nur noch geringe Stückzahlen absetzen könnten. Das heiße aber nicht, dass der Markt effizienter geworden sei, die besten Spiele auszuwählen, sondern vor allem, dass Groß- und Einzelhändler wählerischer geworden seien, welche Spiele sie überhaupt in großer Zahl in den Verkauf nehmen. Mit überraschend großem Einfluss auf das Game Design ausgestattet, würden diese in einer Art »self-fulfilling prophecy« nur noch Spiele in die Regale stellen, die gute Verkäufe versprechen, und sie somit in »big hits« und »losers« aufteilen. Schließlich seien auch die Kosten für das Marketing eines Spieles so stark angewachsen, dass sich der Aufwand für kleine Spiele nicht lohne. Für Entwicklungsstudios sei es folglich attraktiver, nicht mehr auf das »good game«, sondern auf den »big hit« zu setzen, dessen Gewinne ein ganzes Unternehmen finanzieren könnten. Die Entwicklung eines Produktes sei zu einem großen Wettspiel geworden, sodass es aus Sicht der Unternehmen sinnvoll sei, den Einsatz zu erhöhen und mehr Geld in ein einzelnes Produkt zu investieren. Die beiden »biggest 250

Vgl. C. Crawford: Modern Times. In: JCGD, Vol. 4, Is. 5, Jun. 1991. S. 14f. Ders.: Changing Graphics. In: JCGD, Vol. 4, Is. 4, Apr. 1991. S. 2.

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hits« des Jahres 1990, darunter Wing Commander, seien Beispiele für die riesigen Geldmittel, die inzwischen eingesetzt werden, um Marktanteile zu kaufen. Diese Strategie funktioniere allerdings nur, solange wenig Konkurrenz am Markt herrsche, weshalb sich die Frage aufdränge, ob sich ein »ideal development budget« finde oder die Publisher in einen zerstörerischen Kampf der großen Budgets gezwungen würden. In jedem Falle hätten heimische Entwickler/innen und Einzelpersonen in diesem Umfeld keine Chance mehr, ihr Spiel zu veröffentlichen. »Face it: there is no way that an individual can make a commercial computer game these days. The cost have risen too high.« Alleine Studios mit Teams, die spezialisierte Entwickler/innen beschäftigten, könnten sich in diesem Markt behaupten. Doch auch unabhängige Entwicklungsstudios, die seit Mitte der 1980er-Jahre noch den Großteil der Spiele vorgelegt hätten, seien inzwischen bedroht, da viele Geschäftsführer/innen nun dazu übergegangen seien, große Budgets nur noch an interne Entwicklungsteams zu geben, über deren Produkte sie volle Kontrolle hätten. Angesichts der steigenden Entwicklungskosten seien die Folgen eines Fehlschlages allerdings so schwerwiegend, dass man immer weniger Bereitschaft zeige, unkonventionelle Spiele und unerprobte Konzepte zu finanzieren. Damit beraube man sich jedoch genau jener Kreativität und Diversität, die eine Unterhaltungsindustrie am Leben erhalte. In Zukunft sei damit zu rechnen, dass der Trend steigender Budgets anhalte, auch wenn die ersten großen unvermeidbaren Flops ein höheres Maß an Vorsicht im Umgang mit Monsterbudgets einfordere. Die CD-ROM werde diesen Prozess nur noch verstärken, da die wachsende Kapazität des Datenträgers nach besserer Grafik und damit höheren Ausgaben für visuelle Gestaltung verlange, insbesondere in Bezug auf Game Design und Programmierung. So werde die kreative Kontrolle weg vom »game designer«, hin zu einem neuen Typus »multimedia producer« übergehen. Viele seiner Überlegungen wiederholt CRAWFORD dann in seinem Editorial ›Repent! The End is Near!‹, das in der Aprilausgabe 1992 des Journal erschien, die als Werbemaßnahme kostenlos an die über 500 Teilnehmer/innen der ›Computer Game Developers’ Conference‹ verteilt wurde. So nennt er das »big-budget game« als eine der vier Kräfte, welche am Werk seien, und den Untergang der Computer Games herbeizuführen. Spiele mit Entwicklungskosten von über einer halben Millionen US-Dollar würden strategisch eingesetzt, um Marktanteile zu kaufen, selbst wenn man mit dem ersten Spiel Verluste mache und erst Folgeprodukte das Geld wieder einspielten. Aber die steigende Erwartungshaltung der Kundschaft könne nicht auf Dauer erfüllt werden, schon gar nicht von Produkten mit einem normalen, bedacht kalkulierten Budget. Aber um die großen Budgets zu bekommen, müsse jede Designentscheidung vor der Geschäftsführung, der Verwaltung und dem Marketing gerechtfertigt werden, was es schwieriger mache, kreative Risiken einzugehen. Das sei mit ein Grund für die schleichende Senilität der Branche. Die hohen Kosten der Spieleentwicklung seien zudem verantwortlich für das Aussterben der unabhängigen Entwicklungsstudios, die wegen der großen Summen, die auf dem Spiel stünden, massive Eingriffe in Produkt und Prozess erdulden müssten. Die hohen Gewinnerwartungen trieben die unabhängigen Studios in den Tod. Zudem stünden externe Entwicklungen immer hinter den internen zurück, sodass immer die Gefahr bestehe, von den Verlagshäusern fallen gelassen zu werden. Unabhängige Entwicklungs-

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studios, welche die wichtigste Quelle für innovative Produkte seien, würden so ihrer Existenzgrundlage beraubt, was einmal mehr zur schleichenden Senilität beitrage.251 Noch 1996, im Rahmen seines Abgesangs auf die »computer games«, blickt CRAWFORD auf das Jahr 1990 und die Veröffentlichung von Wing Commander zurück als das Ereignis, das zu einem Wendepunkt in der »history of computer games« geführt habe. Denn die größte Stärke des Spieles habe einzig in seinem Budget bestanden, das um ein Vielfaches höher gewesen sei als die zu diesem Zeitpunkt üblichen 150.000 USDollar. Es sei der Produktionsfirma Origin einzig darum gegangen, Marktanteile zu kaufen, was in der unausgereiften Spielebranche jedoch verheerende Folgen gehabt habe. Statt die allgemeine Qualität der Produkte zu erhöhen, habe Origins Entscheidung einen umgekehrten Goldrausch ausgelöst, in dem riesige Mengen an Kapital in schlechte Produkte investiert worden seien, die Kundschaft überteuerten Schrott in den Regalen vorgefunden habe und zudem eine Horde Gauner/innen und opportune Anleger/innen angelockt worden seien. Als Ergebnis seien die Eintrittskosten in die Industrie im Laufe der 1990er-Jahre so stark gestiegen, dass »computer game design« nun enorme Geldmittel voraussetze, womit man aber zugleich talentierte Individuen, die immer das kreative Treibmittel der Branche gewesen seien, aus dem Markt ausgeschlossen habe.252 Basierend auf ihrem enormen Erfolg entwickelte sich Wing Commander tatsächlich nicht nur zur kostenintensivsten Spieleserie der Industrie, sondern zugleich zum Paradebeispiel für eine immer teurer werdende Spieleproduktion. WILSON selbst berichtet im September 1994 in der Computer Gaming World unter der Überschrift ›Wing Commander $ 3 Million‹ über das zu diesem Zeitpunkt riesige Budget des dritten Serienteiles, der mit seinem »cast full of Hollywood professionals« und die aufwendig produzierten Videosequenzen für das »computer game business« eine »new era of product planning, financing and marketing« einläute.253 Schon im September des folgenden Jahres machte dann Wing Commander IV mit echten Filmsets und einem Budget von 10 Millionen US-Dollar von sich reden, nachdem der Rekord, gesetzt durch das Vorgängerspiel, bei 3,5 Millionen US-Dollar liege.254 Schließlich fragte die Computer Gaming World sogar anlässlich der ersten ›Sneak Preview‹ des Spieles auf der Titelseite der Dezemberausgabe 1995: »Wing Commander IV – Is It Worth $ 12 Million?«255 Doch trotz dieser Problematik blieb das »Wing Commander Syndrome« im Jahre 1997 nicht sehr viel mehr als ein Witz zur Erheiterung des Publikums; es war in der folgenden Diskussion kein Thema mehr. Dritte ›Legende‹ in der Gesprächsrunde war schließlich JOHN ROMERO, Game Designer hinter Doom (1993), den WILSON allerdings nicht nur mit dem Hinweis vorstellt, dass er der Welt gezeigt habe, dass die »first person perspective was the real, logical way to immerse people as quickly as possible into games«, sondern zuallererst: »the person 251 252 253 254 255

Vgl. C. Crawford: Repent! The End is Near! In: JCGD, Vol. 5, Is. 4, Apr. 1992. S. 2-4. Ders.: A Reminder. In: JCGD, Vol. 5, Is. 3, Feb. 1992. S. 11. Vgl. C. Crawford: Computer Games are Dead. In: JCGD, Vol. 9, Is. 4, Apr. 1996. S. 2-11, hier 4. Vgl. J.L. Wilson: Wing Commander $ 3 Million. In: CGW, No. 122, Sep. 1994. S. 12. Vgl. o.A.: Origin Shoots For The Stratosphere With $ 10 Million Wing Commander. In: CGW, No. 134, Sep. 1995. S. 28. Vgl. T.L. Coleman: Is The Price Of Freedom Worth $ 12 Million? In: CGW, No. 137, Dec. 1995. S. 46f., 50, 52, 54, hier Titelseite.

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who proofed to us that Shareware was viable and wasn’t second tier minor league anymore«.256 So hatte etwa die Computer Gaming World dem Entwicklungsstudio id software ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung von Doom und während der Arbeiten am Nachfolger im Sommer 1994 einen mehrseitigen Report gewidmet. Autor CHRIS LOMBARDI sah sich angesichts der einfachen Büroräume des Studios an den »computer gaming Gold Rush« der frühen 1980er-Jahre erinnert, in dem es auch Entwickler/innen in ihren Schlafzimmern und Garagen gelungen sei, viele Millionen zu verdienen. Die kleine Gruppe von zehn Entwickler/innen im texanischen Mesquite hatte sich Anfang der 1990er-Jahre selbstständig gemacht, um über das Verlagshaus Apogee Shareware-Produkte zu entwickeln. Diese kostenlose Probeversion konnte über das Internet, Zeitschriften oder auch von Nutzer/in zu Nutzer/in getauscht werden; wer jedoch das vollständige Spiel haben wollte, bestellte es direkt beim Hersteller – ohne Werbung oder Handel. Mit Commander Keen, Catacombs 3D und Wolfenstein 3D habe sich das Team einen Ruf für beeindruckende Spiele erarbeitet, bis schließlich Doom erschien sei, dessen Shareware-Fassung am 10. Dezember 1993 auf dem FTP-Server der Universität von Wisconsin veröffentlicht wurde und sie mit Hunderttausenden von verkauften Spielen alle reich gemacht habe. »Though id is rolling in the fruit of their labors, it doesn’t seem to have affected their day-to-day lives much. Several of them are buying or building houses, except for J. Carmack who still lives out of a one bedroom apartment [...]. Instead of a home, Carmack has bought not one, but two Testarossas, the second of which is currently undergoing an 800 hp twin turbo transformation. [...] Romero has since turned a green eye on Carmack’s machines and has bought his own yellow Testarossa.«257

Trotz der teils negativen Auswirkungen wurde der finanzielle Erfolg zum primären Kriterium eines vorbildlichen Handelns, sei es von Atari, des ersten branchenbestimmenden Unternehmens, oder der Erfolg großer Spielehits der 1990er-Jahre, hier die Wing Commander-Serie (ab 1990) und Doom (1993). Es handelt sich um ein Problem, dass nicht zuletzt auch in der Art der Geschichtsschreibung begründet ist, die sich vornehmlich um Heldenverehrung bemüht oder herausragende und damit kommerziell erfolgreiche Werke in den Mittelpunkt stellt. In der US-amerikanischen und besonders im ›Silicon Valley‹ florierenden Gründer/innen- und Unternehmer/innen-Mentalität, wohl ein Überbleibsel aus der kalifornischen Pionierzeit und den Tagen des Goldrausches, hatte nicht nur der moderne Mythos vom ›gescheiterten Künstler‹ keinen Platz mehr.258 Ein Groß256 257

258

Vgl. J. Wilson, N. Bushnell, C. Roberts, J. Romero: Keynote, Legends of Game Design. In: GDC Vault, 1997. (Online) Vgl. C. Lombardi: To Hell and Back Again. In: CGW, No. 120, Jul. 1994. S. 20-24, hier 23. Passenderweise zeigt ein Bild den Programmierer John Carmack vor seinem roten Ferrari Testarossa mit dem Hinweis, dass auch sein Zweitwagen ein Testarossa sei. Ebd., S. 22. Im August 1996 hatte das Magazin Wired den führenden Köpfen bei id Software und Machern des »most popular computer game of all time« sogar eine Titelgeschichte gewidmet einschließlich einer seitenfüllenden Fotografie auf der Titelseite. M. Laidlaw: The Egos at Id. In: Wired, Vol. 4, Is. 8, Aug. 1996. S. 122-127. Vgl. J. Kotkin, P. Grabowicz: California, Inc. New York/NY 1982. R. Barbrook, A. Cameron: The Californian Ideology. In: Mute, Vol. 1, Is. 3, Autumn 1995. (Online) M. Kenney

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teil der Bemühungen, sich nicht allein als Designer/in, sondern auch als Kunstschriftsteller/in, Kritiker/in, Lehrer/in, Organisator/in oder Kommunikator/in um die ›Kunst des Game Design‹ verdient zu machen, werden an ihrem finanziellen Erfolg gemessen, was nicht wenige Leistungen ins Hintertreffen geraten lässt.259 So sind Game Designer/innen mit einer Heldenverehrung konfrontiert, wie sie zuvor einzig Anfang der 1980er-Jahre existierte, während zugleich der Produktionsprozess in den Hintergrund rückte. Diese ›Legenden‹ zeichneten sich nicht mehr durch Selbsttheoretisierung aus, sondern durch die mit Marketingbemühungen verschmelzenden, in Podiumsdiskussionen und Interviews verkündeten Anekdoten über erfolgreiche Produkte und die ›Best Practice‹.260 Dass die Vorstellung von Ruhm und Reichtum keinesfalls die Arbeitsverhältnisse der meisten Entwickler/innen in den 1990er-Jahren widerspiegelt, ist etwa den Bemerkungen BEN SAWYERS zu entnehmen, der erklärt, dass diese einzigartige Profession besondere Qualitäten, harte Arbeit und viele unterschiedliche Fähigkeiten voraussetze: »thinking, artistry, creativity, and discipline.« Auch solle man sich darauf einstellen, über gängige Bürozeiten hinaus zu arbeiten.261 Selbst wenn Spiele inzwischen beeindruckend viel Umsatz generierten, könne man nicht davon ausgehen gleich das nächste »Blockbuster Game« vorzulegen. Vielmehr brauche es lange Zeit, um anhand erster fertiggestellter Projekte die eigenen Fähigkeiten zu schulen und stets dazuzulernen, ohne gleich über »fame and money« nachzudenken.262 In diesem Sinne hat auch DIANA GRUBER in ihrem Programmierhandbuch Action Arcade Adventure Set von 1994 die Spieleentwicklung als ›A Labor of Love‹, eine Tätigkeit, in der viel Liebe steckt, bezeichnet. »What is the profile of a typical game developer? You must be dedicated, diligent, determined, and just slightly deranged. And hopefully your only motivation isn’t to make a lot of money writing best-selling games. Game programming is a crazy field that takes a lot of creative energy and a desire to push the boundaries of traditional software development. It takes a sort of crazy genius to be successful at writing games, and if you don’t start out that way, be warned, it’s the way you are likely to end up.«263

259

260

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(Hg.): Understanding Silicon Valley. Stanford/CA 2000. C.-M. Lee, W.F. Miller, M. Gong Hancock, H.S. Rowen (Hg.): The Silicon Valley Edge. Stanford/CA 2000. Zum Mythos vom ›gescheiterten Künstler‹ vgl. H. Belting: Das unsichtbare Meisterwerk. München 1998. S. 150-166, passim. Zur verehrungswürdigen Leistung antiker und frühneuzeitlicher Künstler/innen, bedeutende Kunstmittel erfunden oder eine schulbildende Kunstrichtung begründet zu haben, vgl. U. Heinen: Malerdiplomatie als heroische Leistung. In: K. Helm, H.W. Hubert, C. PosseltKuhli, A. Schreurs-Morét (Hg.): Künstlerhelden? Merzhausen 2015. S. 204-235, hier 205. ›Best Practice‹ meint in diesem Kontext die Präsentation von erfolgreich abgeschlossenen Projektergebnissen mit Vorbildcharakter, die jenseits ihrer gestalterischen Qualitäten nicht selten von der Aura des Budgets oder der Auftraggeber/innen profitieren. Zum kontrovers diskutierten Begriff ›Best Practice‹ in der Softwareentwicklung vgl. C. Kaner, J. Bach, B. Pettichord: Lessons Learned in Software Testing. New York/NY u.a. 2002. S. XX-XXIII, 261-263. S.W. Ambler: Questioning »Best Practices« for Software Development. In: Ambysoft Inc., Calgary 2005-2014. (Online) Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 8. Vgl. ebd., S. 18f. Vgl. D. Gruber: Action Arcade Adventure Set. Scottsdale/AZ 1994. S. 25.

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›Professionalism‹ und ›Professionalization‹ »Graves: Well, there are lots of cooperatives in the form of game publishers that publish interactive fiction. There’s a single designer who dictates how it will be, and then there are slaves that produce music, text, and graphics and who implement the vision of the designer. Sloane: Is there another name for the slaves? Graves: Yes, let’s see. How about software development professionals.« Sarah Jane Sloane & David Graves/Interview One264

Das ›Game Design‹ als spezifische Profession verdankte sich der Ausdifferenzierung und Arbeitsteilung in der Spieleentwicklung, wie sie sich etwa im Hause SPI schon im Wargame-Design der 1960er- und 1970er-Jahre vollzog und im Laufe der 1980er-Jahre auch bei Computerspielen Einzug hielt.265 Noch Anfang der 1980er-Jahre bezeichnete ›Game Design‹ entweder eine konzeptionelle und entwerfende Tätigkeit, die ihre Realisation erst in der Implementierung erfuhr und daher von Ingenieur/innen und Programmierer/innen ›nebenher‹ und untergeordnet ausgeführt wurde, oder ›Game Designer/innen‹ wurden direkt verstanden als Konstrukteur/innen, die alle Aufgaben von Entwurf und Konzeption bis hin zur Umsetzung integrierten. Erst mit der zunehmenden Größe von Projekten begann auch die Ausdifferenzierung der Rollen in der Spieleproduktion, allem voran diejenige der Game Designer/innen, die in dieser Zeit zunehmend die Vision des Spiels hüteten und die Projektleitung übernahmen. Auf der anderen Seite war es gerade der ausführende ›Developer‹, der sich als Sammelbegriff für alle an der Spieleentwicklung beteiligten Personen durchsetzen sollte. In gewisser Weise bildet sich hier eine Entwicklung ab, die JOHN. A. WALKER in seinem Buch Designgeschichte für das ›Design‹ als Ganzes umreißt: »In der Renaissance hielt ein Kunsttheoretiker wie Vasari disegno (was in der Praxis Zeichnung bedeutete) für die Grundlage aller bildenden Künste; sie wurden daher oft ›Zeichenkünste‹ genannt. Gleichzeitig verwendete man disegno auch für die Planungs- und Entwurfsphase, die der Ausführung von Gemälden, Skulpturen usw. vorangeht. Für alle bildenden Künstler war Design daher ein Teil ihrer eigenen schöpferischen Tätigkeit, die noch nicht als Beschäftigung für Spezialisten angesehen wurde. Designer im spezifischen Sinn traten erst später hervor im Zuge der wachsenden Arbeitsteilung, die sich in Europa und Amerika als Begleiterscheinung der Industriellen Revolution des 18. und 19. Jahrhunderts entwickelte.«266 264

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266

Vgl. S.J. Sloane: Interactive Fiction, Virtual Realities, and the Reading-Writing Relationship. Columbus/OH 1991. (Online) S. 197-204, hier 200 (Appendix A, Interview One, Apr. 1991). Vgl. S.B. Patrick: Notes on Game Design. In: SPI (Hg.): Wargame Design. New York/NY 1977. S. 89-117. B. Blankenheim: Was können wir vom Wargame Design lernen? In: M.-A. Casasola Merkle et al. (Hg.): Spiele entwickeln 2012-2015, Bd. 1. o.O. 2015. S. 216225. Vgl. J.A. Walker: Designgeschichte. München 1992. S. 34-36, hier 35.

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Um den Grad der Professionalisierung, den das ›Game Design‹ von 1982 bis 1996 erreicht hatte, zu beurteilen, kann man auf die Kriterien zurückgreifen, die der Soziologe GEORGE RITZER bereits in den 1970er-Jahren in seinem Buch Working: Conflict and Change formulierte. Professionalisierung lasse sich demnach anhand von verschiedenen Ansätzen beschreiben, wie etwa durch sechs strukturell-funktionale Charakteristiken, wobei diese aus der Prozessperspektive in einer historischen Entwicklung und nicht immer in der gleichen Reihenfolge zu betrachten seien. Auch müsse man aus politischer Perspektive annehmen, dass diese nicht unbedingt tatsächlich existierten, sondern vor allem Dritte von deren Existenz überzeugt werden müssen.267 Allem voran verfüge eine Profession über eigenständiges, umfassendes, komplexes, konsistentes und für das Funktionieren der Gesellschaft wichtiges ›allgemeines, systematisches Wissen‹, das nur von erfahrenen Personen im Rahmen von Ausbildungsprogrammen formell oder informell an andere weitergegeben werden könne. Schon hier werden Brüche in der Anlage der Profession deutlich, denn während durchaus zentrale Säulen in der Tätigkeit des ›Game Design‹ existieren, von denen noch ausführlicher die Rede sein wird, kann kaum von einem allgemein akzeptierten Wissensbestand gesprochen werden; zu individuell sind die Herangehensweisen, zu wandlungsfähig ist das Medium und zu unterschiedlich sind die Projekte. Noch in den 1990er-Jahren gab es keinen Konsens über einheitliche Inhalte oder Methoden, die so auch nicht als Bestandteil eines gemeinsamen Lehrsystems oder Curriculums begriffen werden konnten. Eine Profession entwickle zudem den ›Anspruch der Autonomie‹ von externer Kontrolle zur Sicherstellung von Qualität, begleitet von dem Anspruch der Selbstkontrolle und der Vergabe von Lizenzen, um Zugang, Ausbildung und professionelles Verhalten (Ethik) zu regulieren und ggf. Verstöße zu ahnden. Während das Verhältnis von Entwicklungsstudios und Verlagshäusern bereits in den 1980er-Jahren sehr eng ausfiel und Produkte als Ergebnis von Aushandlungsprozessen wahrgenommen wurden, verbot sich unter dem Verweis auf das Recht der freien Meinungsäußerung vor allem die staatliche Einflussnahme auf Werke, etwa in Form einer vorgegebenen Alterskennzeichnung. Dagegen gehörte es zu den Eigentümlichkeiten der Gründung der ›Computer Game Developers Association‹, dass diese von Beginn an ohne jede Zugangsbeschränkung konzipiert war. Vor allem CRAWFORD bemängelte immer wieder die durchwachsene Professionalität der Branche und das Fehlen eines eindeutigen Verhaltenskodexes. Eine Profession stehe auch ein für den ›Anspruch des Altruismus‹ und der Gemeinschaft entgegen Eigennutz und ökonomischem Interesse; diese Definition von symbolischem Erfolg in der Öffentlichkeit werde allerdings genauso angezweifelt wie die Vorstellung von einer ›Berufung‹ zur Tätigkeit. Der immer wieder postulierte finanzielle Erfolg der Branche stehe im krassen Gegensatz zu ihren teilweise grenzwertigen Arbeitsbedingungen mit instabilen Arbeitsverhältnissen, oft unterdurchschnittlicher Bezahlung und wenig verlässlichen Vertragsparteien. So komme es, dass nicht selten eine Form von ›Berufung‹, Leidenschaft und damit auch Altruismus für diese Arbeiten vorausgesetzt werde; eine für die Kreativwirtschaft nicht unübliche Mythologisierung des Medienschaffens, die das Agieren in Unsicherheit erträglich erscheinen lasse. Für Außenstehende seien diese Spannungen allerdings wenig sichtbar. 267

Vgl. G. Ritzer: Working – Conflict and Change. Englewood Cliffs/NJ 1977. S. 41-67. Dazu auch B.L. Zwerman, J.L. Thomas, S. Haydt, T.A. Williams: Professionalization of Project Management. Newtown Square/PA 2004. S. 13f., passim.

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Eine Profession habe den ›Anspruch der Autorität‹, die sie unangefochten über Auftraggeber/innen ausüben könne, da nur ihnen es möglich sei, deren Bedürfnisse zu beurteilen und durch qualitätvolle Arbeit zu befriedigen, wobei im Falle von Massenprodukten stets die Kundschaft das letzte Wort habe. Während es in den 1980er-Jahren noch gängig war, zur Reduktion von Risiko und Komplexität den Prozess der Spieleentwicklung und damit die Verantwortung vollständig an unabhängige Game Designer/innen zu übertragen, wurde deren Autorität in den 1990er-Jahren immer wieder infrage gestellt, sowohl vonseiten kritischer Auftraggeber/innen, die sich zunehmend auf Methoden des Marketings verließen, als auch vonseiten einer immer besser informierten Kundschaft, die sich mit ihren Erwartung und Wünschen immer mehr Gehör verschaffte. Game Designer/innen seien bis heute mit der Herausforderung konfrontiert, ihre spezifischen Wünsche, Vorstellungen und fachlichen Urteile durchzusetzen. Eine Profession verfüge über eine unverkennbare Beschäftigungskultur, bestehend aus formellen und informellen Gruppen wie Organisationen, Vereinigungen, Schulen und Arbeitsformen, in denen die zuvor genannten Wissensbestände, Ansprüche, Werte und Symbole geteilt, stabilisiert und weitergegeben werden. Tatsächlich wird bereits Ende der 1980er-Jahre das Bestreben deutlich, eine Gemeinschaft der Designer/innen zu etablieren mit Publikationen (Journal of Computer Game Design), Konferenzen (›Computer Game Developers Conference‹) und Interessensgemeinschaften (›Computer Game Developers Association‹). Allerdings entwickeln viele dieser Bemühungen keine anhaltende Bindekraft, wie sie etwa Gewerkschaften in der Filmindustrie durchsetzen konnten. Wissensbestände, Ansprüche, Werte und Symbole bleiben fragmentiert und die daraus folgende Offenheit sowie unkonventionelle Beschäftigungskultur wird zu einem festen Bestandteil der Branche. Schließlich strebten Professionen oder ihre Vertreter/innen nach allgemeiner und rechtlicher Anerkennung, indem sie versuchten, die Öffentlichkeit und das Rechtssystem von allen zuvor genannten Ansprüchen und Privilegien zu überzeugen und diese auch gegen wirtschaftliche und soziale Widerstände sowie die Interessen der Auftraggeber/innen durchzusetzen. Zu diesem Zweck bediene man sich politischer Macht, welche die entscheidende Differenz von sog. ›Professionen‹ gegenüber anderen Tätigkeiten sei. Es gebe allerdings auch innerhalb von Professionen unterschiedliche Lager und Vorstellungen über deren Ausrichtung und Entwicklung, was bis zu einer Segmentierung und Ausdifferenzierung der Professionen führen könne. Letztlich komme der Frage, wie Professionen politische Macht akkumulieren und einsetzen, eine zentrale Bedeutung zu. Die Etablierung einer Profession ›Game Designer/in‹ in den 1980er- und 1990erJahren musste sich zudem als schwierig erweisen in einer Zeit, in der Professionen stärker unter Druck gerieten. Die zunehmende Routine, die Computerisierung und Rationalisierung von Arbeitsprozessen oder zumindest bestimmter Funktionen machte die zuvor unbestimmten und komplexen Aufgaben für die Massen zugänglich. Tatsächlich öffnete die zunehmende Verfügbarkeit von kostenlosen Level-Editoren, aber auch von Grafik-Rendering-Systemen und Entwicklungsumgebungen die Spieleentwicklung für Quereinsteiger/innen, die sich vor allem aus den Reihen der Fans und Spieler/innen speisten.268 So wurden viele professionelle Tätigkeiten zunehmend als künstlerische, 268

Nach der Pionierphase der 1970er- und 1980er-Jahre, in der vor allem in anderen Kontexten gut ausgebildete Quereinsteiger/innen die Branche bevölkerten, erscheint es ganz so, als ob Anfang der 1990er-Jahre die zweite Generation an opportunen Entwickler/innen nach-

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denn als wissenschaftliche Fähigkeiten interpretiert, die in vielen Fällen von jedweder Person, die über entsprechende Erfahrungen verfüge, ausgeführt werden könne, selbst wenn diese nicht über eine Ausbildung oder Zertifikate verfüge; »para-professionals« und autonome »nonprofessionals« nehmen für sich in Anspruch, diese Tätigkeiten ausführen zu können. Schließlich seien auch Missbrauch oder (qualitatives) Versagen durch Professionen und ihre Vertreter/innen, sei es aus Elitismus, Geldhunger oder fehlende Sorge um die Interessen der Kundschaft, nicht dazu angetan, das Vertrauen in eine Berufsgruppe zu steigern. Ganz im Gegenteil: Es würden diese immer weniger einer unabhängigen externen Kontrolle und übergeordneten Rahmenbedingungen ausgesetzt, um etwa Arbeitsgeschwindigkeit, Arbeitsumfeld, Produktgestaltung und auch Entlohnung fest aneinanderzukoppeln. Game Designer/innen verharrten folglich in den 1990er-Jahren in ihrem Status zwischen Beschäftigung und Profession. Mit anderen wurden sie unter dem Dach der Sammelbezeichnung ›Game Developer‹ in eine konturlose Großgruppe überführt, deren spezifische Tätigkeit für Außenstehende kaum noch erkennbar war. Das Bestreben, Game Designer/innen als Künstler/innen zu verstehen und zu positionieren, diente und dient nicht zuletzt der Durchsetzung von Ansprüchen der Autonomie und der Autorität, die seit Langem immer wieder neu verhandelt werden. Abschließend sei allerdings noch einmal auf den kulturellen Wandel in der Spieleentwicklung hingewiesen, der sich in den 1990er-Jahren mit der nachrückenden Generation der Entwickler/innen einstellte. Beispielhaft für das Feld der ›Wargames‹ beobachtete JAMES F. DUNNIGAN, wie sich im Verlauf der 1990er-Jahre mit dem Aufkommen der »computer wargames« und dem Verdrängen des »board (manual) wargaming« ein Bruch in der Tradition des Game Design vollzog, da sich die Regeln der Computerspiele der Veränderung durch die Spieler/innen entzögen. Dies habe einen »significant divide« hervorgerufen: und auf der einen Seite die Spieler/innen, die noch viele »manual games« gespielt hätten, auf der anderen Seite diejenigen, die einzig mit »computer wargames« groß geworden seien. DUNNIGAN unterscheidet folglich die »software generation of gamers« von einer ihr vorausgehenden »mushware generation of gamers« (Pappmaschégeneration); »for what people do with complex procedures in their brain, without benefit of a computer.«269 »The ones who were exposed to manual wargames became, whether they wanted to or not, wargame designers. The mushware gamers could not avoid understanding how the games worked, and in excruciating detail. It did not surprise me that many of today’s (middle aged) programmers were manual wargamers. [...] If you could handle manual wargames, programming was no great challenge. [...] Many manual wargamers went on to develop computer games (wargames and games in general.) But in the 1990s, you saw the emergence of developers who had no manual wargames experience. This trend will continue, meaning more and more wargames will be designed by people

269

rückte, die bereits mit dem Medium ›Personal Computer‹ und dessen Spielen aufgewachsen war. Eine Künstler/innen-Sozialgeschichte der Spieleindustrie ist ein Desiderat, wobei zu erwarten ist, dass eine Untersuchung über Milieu, Bildungshintergrund und Biografien einzelner ›Szenen‹ sowohl historische und landesspezifische Entwicklungen als auch (nicht unbedingt schmeichelhafte) Besonderheiten der Branche aufzuzeigen in der Lage wäre. Vgl. J.F. Dunnigan: Wargames Handbook, Third Edition. Lincoln/NE u.a. 2000. S. xix.

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with no mushware experience. This may not be noticed for quite some time, if ever. The mushware generation grew up with games that emphasized accuracy and historical realism. Manual games kept the designers honest, as the players could see how the game worked and figure out for themselves if they thought the designers approach was on target or not. Computer wargames plunged the games inner workings into darkness. Most gamers don’t care, the games are easier to use and that sells games more than anything else. The mushware generation will pass from the scene.«270

270

Ebd., S. xix-xx. Der Verfasser selbst hat bei der Mitentwicklung des Konzeptes für das Spiel WarCommander (2001) weder um entsprechende historische Simulationen noch die Grundlagen des ›Wargame Design‹ gewusst, geschweige denn, dass er darauf aufmerksam gemacht worden wäre. Einzige Orientierungspunkte waren, wie in der Branche üblich, die damaligen Marktführer der Echtzeitstrategie sowie Multiplayer-First-Person-Shooter.

INHALTSANGABE Das Kapitel befasst sich mit der Frage nach der Wesensbestimmung des Designgegenstandes ›Computerspiel‹, ausgehend von der Diskussion darüber, was ein Spiel ist. (357-371) | Eine wesentliche Form der Gliederung des Gegenstandes sind verschieden Spielkategorien, die sich im Verlauf der 1980er- und 1990er-Jahre als Gattungen ausformten. (371-381) | Auch wird die Besonderheit des ›Computer Game Design‹ gegenüber dem Design für andere Plattformen diskutiert. (381-400) | In den 1990er-Jahren setzte dann verstärkt die Geschichtsschreibung über Computerspiele als Selbstvergewisserung der Branche ein. (401-409) | Schließlich folgte als Höhepunkt die Diskussion um den Tod und die Zukunft der Computerspiele, der einen zentralen Umbruchpunkt der Branche markiert. (409-418)

IV. ›computer games‹ – Ontologien und Taxonomien eines Designgegenstandes »what a game is«

C

CRAWFORD beginnt schon sein erstes Kapitel in The Art of Computer Game Design mit der Frage nach dem Wesen und den Eigenschaften des Spieles.1 »If we desire to understand games and game design, we must first define what we mean by the word game. We must also determine the fundamental characteristics of all games.« Der Begriff ›game‹ werde jedoch in so vielen Kontexten und mit so vielen Bedeutungen verwendet, dass er sich einer sorgfältigen und kritischen Analyse entziehe sowie dazu verleite, die Komplexität des ›Game Design‹ zu ignorieren. So könne man sich als Amateur/in, nur in Programmierung geschult und ohne Vorbereitung, alleine auf die eigene Erfahrung als Spieler/in beziehen, überschätze damit aber das eigene Verständnis und untergrabe das Lernpotenzial. Außerdem gebe es Unmengen von Zweideutigkeiten, mit denen man aufräumen müsse. »Game designers have no well-defined set of common terms with which to communicate. Discussions of game design frequently disintegrate into arguments over meanings of terms.« CRAWFORD benennt beispielhaft vier Kategorien von Spielen: Brettspiele, Kartenspiele, athletische Spiele und schließlich Computerspiele, wobei Letztere nur die jüngste Mode der ›Games‹ darstellten. Allen diesen Spielen seien vier grundlegende Elemente bzw. Faktoren gemeinsam: ›Representation‹, ›Interaction‹, ›Conflict‹ und ›Safety‹. Zuallererst betont er unter dem Punkt ›Representation‹, dass es sich bei einem »game« um ein geschlossenes, formales System handele, das einen subjektiven Ausschnitt der Realität wiedergebe. Es sei geschlossen, da es mit seinem Regelwerk eine »model world« und alle in ihr angelegten Vorkommnisse vollständig und unmissverständlich beschreibe. Es sei formal, da es über explizit formulierte Regeln verfüge, und ein System, da es aus einer Zusammenstellung von Teilen bestehe, die auf häufig komplexe Weise miteinander interagierten. Schließlich träfen in der Repräsentation eine objektive und eine subjektive Seite aufeinander, wobei die subjektive Seite überwiege. Auch wenn ein Spiel in keinster Weise die objektive Welt widerspiegele, so könne es doch eine »very real metaphor« für die subjektive Weltwahrnehmung der Spielenden oder ihrer »private fantasy world« sein. Die menschliche Fantasie sei dafür verantwortlich, eine objektiv unwirkliche in eine subjektiv reale Situationen zu transformieren. »A game creates a fantasy

1

HRIS

Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 1-12.

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representation, not a scientific model.« Während etwa eine Simulation ein ernsthafter Versuch sei, ein reales Phänomen möglichst detailgenau und in modellierbarer Form nachzubilden, wobei Vereinfachungen nur widerwillig und als Zugeständnis an materielle oder konzeptionelle Einschränkungen gemacht würden, sei ein »game« eine »artistically simplified representation« eines Phänomens, welche ganz bewusst vereinfacht sei, um die Aufmerksamkeit der Spielenden auf die für wichtig befundenen Faktoren zu lenken. Eine Simulation habe den Zweck, einer Berechnung oder Prüfung zu dienen, ein »game« habe den Zweck, zu belehren oder zu unterhalten. Genauigkeit (»accuracy«) sei das sine qua non der Similationen; Deutlichkeit (»clarity«) sei das sine qua non der »games«. Damit verhalte sich das »game« zur »simulation« wie das Gemälde zur technischen Zeichnung, da ein »game« nicht einfach eine niedere oder unvollständige Simulation sei, sondern vielmehr Designer/innen absichtlich Details ausblendeten, um eine Botschaft zu akzentuieren. »Where a simulation is detailed, a game is stylized.« Daher handele es sich bei einem Spiel immer um einen Ausschnitt der Realität, da die gewählten Inhalte den anziehenden Schwerpunkt eines »game« bildeten, der es zugleich davor bewahre, unverständlich oder ununterscheidbar zur Realität zu werden.2 CRAWFORD betont daraufhin die besondere Rolle der ›Interaction‹, die es dem Publikum erlaube, den Wandel der Welt durch das Hervorrufen von Ursachen und die beobachteten Wirkungen zu erforschen. Die »interactive experience« mache den besonderen Reiz der »games« aus und unterscheide sie von statischen Medien wie Gemälden, Skulpturen oder Fotografien sowie von dynamischen Medien wie Filmen, Musik, Geschichten oder Tanz. Zudem unterschieden sich »games« von Puzzles und anderen intellektuellen oder körperlichen Aufgaben durch ihre Interaktivität, da Gegner/innen die Handlungen der Spielenden anerkennen und auf diese reagieren würden. Manche »games« enthielten Puzzles, verlören aber schnell ihren Reiz, wenn sie einmal gelöst seien. Von Geschichten seien »games« zu unterscheiden, da die Interaktivität es erlaube, jene Beziehungen aus Ursache und Wirkung, die ansonsten in einer festgefügten Reihenfolge erschienen, selbst zu einer Erzählung zusammenzufügen und durch Entscheidungen zu verändern, Alternativen, Gegenpositionen und Umkehrungen sowie vielfach mit je unterschiedlicher Struktur zu erforschen.3 Schließlich seien »games« in der Art, wie sie die Manipulation der Fantasiewelt erlaubten, angesiedelt zwischen festgefügten Erzählungen und Spielzeug, das deutlich weniger Beschränkungen unterliege und das ganz nach Belieben verwendet werden könne. »The storyteller has direct creative control over his audience’s experience; the game designer has indirect control; the toymaker has almost none.« 2

3

Crawford formuliert allerdings gleichzeitig Ausnahmen, welche den Definitionsversuch aufweichen. So kämen manche Spiele der Anforderung nicht nach, vollständige und unmissverständliche Regelwerke zu formulieren. Andere verfügten nur über implizite oder vage Regeln, selbst wenn solche »informal games« nicht typisch seien. Schließlich gebe es auch Mischformen von Simulation und Spiel, wenn etwa »training simulations« auf »educational games« träfen. Vgl. ebd. S. 4f. Crawford verweist hier perspektivisch auf die Forschung von Brenda Laurel und der ›Systems Research Group‹. So bestünde tatsächlich die Aussicht mit »computer games« in der Handlung auf die Spielenden zu reagieren, anstatt sie nur einen engen Pfad entlangzuführen. »However, the ability to formulate surprise requires an ability to analyse the player’s actions, deduce his expectations, and generate a believable plot twist that confutes his expectations without frustrating him. Artificial intelligence that advanced has yet to be created.« Vgl. ebd. S. 9.

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Interaktion, also das Interagieren mit einer anderen Person, sei wichtig, da sie das Spiel von einer rein technischen Operation zu einem sozialen Ereignis und von dem passiven, leblosen und teilnahmslosen Lösen eines Rätsels in eine aktive, lebendige und emotionale Herausforderung mit vielfältigen Lösungswegen transformiere. Die aufregende Möglichkeit der »computer games«, fehlende Mitspielende durch eine »illusory personality« zu ersetzen, sei noch kaum entwickelt, obwohl diese durch schnelle und genaue Reaktionen das Spiel in eine hochgradig interaktive Erfahrung verwandeln könne. Interaktion sei eine vielseitige Eigenschaft mit einem breiten Spektrum an Realisationsmöglichkeiten, und je höher die »interactiveness« sei, umso höher werde auch die »›gaminess‹«. Einige Spiele böten nur sehr wenige Wege der Interaktion zwischen den Spielenden und somit kaum Möglichkeiten, sich einzubringen oder auf das Gegenüber zu reagieren. Andere erlaubten eine deutlich reichhaltigere Interaktion und die aufregende Möglichkeit, miteinander zu ringen. Nicht die Mechanik der Interaktion sei wichtig, sondern ihre emotionale Bedeutung, sich ausdrücken zu können, aber auch zusammenzuarbeiten oder sich gegenseitig zu täuschen. Das dritte wiederkehrende Element aller Spiele sei der ›Conflict‹, der natürlich aus der Interaktion erwachse, indem die Spielenden versuchten, ein Ziel zu erreichen und von Hindernissen oder auch von Gegner/innen davon abgehalten würden. Nur wenige hätten Spaß an Spielen, die versuchten, solche Konflikte außen vor zu lassen. Wenn jedoch ein »computer-simulated player« die Rolle der Opposition übernehmen solle, so müsse dieser stets über eine »Persona« und zumindest den Anschein zweckdienlicher Reaktion auf Handlungen der Spielenden verfügen. Da Konflikte im wahren Leben oft indirekt seien und sich, ohne Aussicht auf einen Sieg oder jedwede Lösung, über lange Zeiträume austrügen, werde der Konflikt in der akzentuierten Form einer subjektiven Repräsentation häufig übertrieben und in seiner direktesten und intensivsten Form dargestellt: Gewalt. Diese sei keineswegs essenziell oder grundlegend für Spiele, sei aber als offensichtlicher und natürlicher Ausdruck eines Konfliktes in Spielen sehr verbreitet. Schließlich verfügten Spiele über die unwiderstehliche Eigenschaft der ›Safety‹, um Erfahrungen über Konflikte und Gefahren zu machen, ohne jedoch tiefgreifenden Konsequenzen oder ihrer physischen Realisation ausgesetzt zu sein. Es gebe natürlich Konsequenzen, etwa finanzielle Risiken beim Glücksspiel oder der Verlust von Würde beim Verlieren eines Wettstreits, weshalb eine Partie gegen den Computer mit deutlich weniger Blöße verbunden sei. Die besonders aufregende Erfahrung nicht weniger Spiele sei allerdings vor allem von dem Geldeinsatz abhängig, deshalb »our categories, as always, tend to blur«. Wenig später formuliert auch WARREN ROBINETT im ersten Kapitel seines unveröffentlichten Buchmanuskriptes Inventing the Adventure Game von 1983 die Frage: ›What Is a Video Game?‹ Es handele sich um eine Welt der Einbildung ohne jede stabile Realität hinter der Darstellung, bevölkert von nicht existenten Kreaturen, die doch für das Auge sichtbar und durch die Hand greifbar seien. Auch ein wirklichkeitsgetreu simulierter hüpfender Ball sei nur ein »blip of light« ohne wirkliche Eigenschaften; seine Position, Geschwindigkeit, Masse und Elastizität seien nur Zahlen im Computer, seine Flugbahn und Sprungkraft seien bestimmt durch Gesetze der Physik, die nur als mathematische Gleichungen im Programm existierten. Ein »video game« bilde üblicherweise eine Situation des wahren Lebens nach (»mimics«): Die Beschleunigung und Bewegung von Raketen im All, hüpfende Tischtennisbälle, ein Kajak in der Strömung eines Flusses, die

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Nahrungskette in der Ökologie oder auch eine Schlacht zwischen zwei kleinen Gruppen von Kriegern wie beim Schach. In diesem Sinne imitierten »video games« das Leben. »A video game is a simulation, a model, a metaphor.« Da die Gesetze der Physik, welche die Realität des Spieles konstruieren, simuliert werden müssten und damit genauso leicht gebrochen werden könnten, werde das Unmögliche möglich. Dies sei der Grund, weshalb »video games« solch ein wundervolles Medium für die Vorstellungskraft seien mit ähnlichen Freiheiten wie der Animationsfilm. Da »video games« noch immer Spiele seien, bräuchten sie Ziele, Wettstreit und ein Resultat über Sieg oder Niederlage. Diese Qualität eines Spieles, unsicher und herausfordernd zu sein, aber immer zu gewinnen, nenne man »Spielbarkeit«. Eine gute Spielidee verlange nach »balancing« und Abstimmung, um »spielbar« zu sein, indem Punkte, Verzögerungen und andere Werte des Spielprogramms justiert würden. Ein »video game« bestehe aus elektronischen Bauteilen, verschalteten Platinen und einem Computer in einer Kiste, verbunden mit einem Fernsehbildschirm sowie einer Eingabemöglichkeit mit Knöpfen und Hebeln. Das Programm, das »heart of a video game«, sei im Arbeitsspeicher des Computers abgelegt und definiere nicht nur Formen und Farben, sondern enthalte auch jene Instruktionen, welche die Bewegungen und das Verhalten in unterschiedlichen Situationen steuerten. Ein »video game designer« schaffe ein Programm, das das eigene Spiel, die Spielregeln und die Reaktionen der Formen in Kontakt mit den Spielenden beschreibe. Als Designer/in wirke man als ›Gesetzgeber/in‹ durch das Programm, während der Computer dessen Einhaltung kontrolliere. »Video game design is a new art form, rich with unexplored possibilities. Most forms of art have their technical problems, so it is not so strange that a video game designer needs to be a good programmer. An artist making kinetic sculptures needs to be part mechanical engineer. The game designer needs skill in both conception and execution. He needs to think about what kind of ideas make good video games and know how to turn a good idea into a working program.«4

Im Anschluss an eine Bemerkung von CRAWFORD entsponn sich über eine Folge von mehreren Beiträgen, die 1990 im Journal of Computer Game Design erschienen, eine Diskussion über die Definition des Gegenstandes ›Game‹ in Abgrenzung zu anderen Phänomenen. CRAWFORD hatte im Februar 1990 etwa eine halbe Seite, die neben einem Artikel frei geblieben war, der Frage gewidmet, wie sich »Toys« und »Puzzles« von »Games« unterscheiden. Alle drei haben gemeinsam, dass sie Systeme besäßen, die sich auf interessante oder ausgefallene Weise verhielten. Ein »Toy« biete das System allein dar und halte dazu an, dieses spielerisch-experimentell zu erschließen. Ergänzt um Regeln und ein Ziel erhalte man ein »Puzzle«, das von den Spielenden verlange, mit dem System formal und zweckgerichtet zu interagieren. Weiterhin ergänzt um eine gegnerische Partei, welche versuche, die Spielenden vom Erreichen ihres Zieles abzuhalten, erhalte man ein »Game«. So sei ein Ball ein tolles Spielzeug, das man durch Regeln und Aufgaben, etwa durch einen Ring zu treffen, in ein Puzzle transformieren könne; doch erst durch einen »opponent« werde daraus ein »game« wie Basketball.5 4 5

Vgl. W. Robinett: The First Video Games. In: Ders.: Inventing the Adventure Game. Chapel Hill/NC 2001. (Online) Vgl. C. Crawford: Toys Versus Puzzles Versus Games. In: JCGD, Vol. 3, Is. 3, Feb. 1990. S. 10.

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Diese Randnotiz provozierte gleich zwei Antwortbriefe in der folgenden Ausgabe. In ersterem schlägt STEPHEN LINHART vor, die Unterscheidung zwischen Puzzles und »Games« durch Hinzufügung weiterer Kategorien zu verdeutlichen. Die wiederholte Ausführung eines Puzzles mit dem Ziel der Verbesserung durch Einsatz physischer Fähigkeiten sei ein Sport, aber nicht zwingend ein »Game«, was aber durchaus vorkomme. Außerdem gebe es durchaus »Solo games«, die ihre Variation jedoch aus chaotischen und unvorhersehbaren Algorithmen bezögen und dementsprechend keine festgefügte Lösung besäßen wie etwa Solitaire. Für »games« sei es also wesentlich, dass die Spielenden auf einzigartige und ungewisse Situationen reagierten, um ein Puzzle zu lösen, bedingt durch die Interaktion mit anderen oder durch unvorhersagbare Algorithmen. Doch was passiere, wenn man Handlung, Charaktere, Sound, Grafik und/oder Text zu einem Spielzeug, Puzzle, Sport oder »game« hinzufüge? Diese Kombinationen eröffneten völlig neue Möglichkeiten, die bisher weder benannt seien, noch außerhalb von Personal Computern existiert hätten. »These are the possibilities which computer game designers have been struggling with as a profession, and THAT is our basis of competitive advantage.«6 In Letzterem widerspricht BILL KUNKEL der Trennung von »game« und »puzzle«. In seinem essayhaften Brief kommt er zu dem Schluss, dass ein Puzzle stets eine Lösung habe, die es zu einem Ende bringe; ihre Herausforderung liege in dem Nachvollziehen der Gedanken ihrer Schöpfer/innen. »Games« seien dagegen beliebig oft wiederholbare Wettkämpfe und erforderten individuelle Problembewältigungen für ein oder mehrere Ziele. Da es jedoch keine feste Methode, sondern schier endlose Möglichkeiten gebe, um einen Ball in einen Korb zu buchsieren, handele es sich um ein »game« und kein »puzzle«.7 Dieser Diskussion schließt sich im August 1990 auch GREGG STANLEY an mit dem Hinweis, dass im Forum ›JCGD Roundtable‹ auf der Online-Plattform GEnie weitere Definitionen veröffentlicht und diskutiert werden. Er selbst definiert: Ein Spielzeug sei ein alleinstehendes System, dem man sich forschend und unbegrenzt nähern könne. Ein Puzzle sei ein Spielzeug für Einzelne, ergänzt um ein Ziel und eine festgelegte Lösung. Ein »Game« sei ein Puzzle mit gegnerischen Parteien, ein symmetrischer oder asymmetrischer Konflikt als Nullsummenspiel, der das Lösen von Problemsituationen erfordere. Bei der Verwendung von künstlicher Intelligenz (KI) handele es sich so gesehen ebenfalls nicht um ein »game«, da es letztlich von der Wahrnehmung der Spielenden abhinge, ob sie diese als gegnerische Partei anerkennen oder in ihr bloß eine Ansammlung von Regeln erkennen; es sei eine Wahrnehmung, die sich auch ändern könne. Erst wenn die KI eine Rolle übernehme, die ansonsten von Spielenden ausgefüllt werde, sehe man sich ähnlichen Problemsituationen gegenüber.8 EVAN ROBINSON bemängelt im Oktober 1990, dass die bisher vorgelegten Versuche einer Taxonomie und Klassifizierung der Verpackung des »game« mehr Aufmerksamkeit schenkten als seinen inneren Systemen. Anfangs durchaus konzeptionell reizvoll seien diese nicht angemessen, was vor allem daran liege, dass ein und dasselbe Spiel von verschiedenen Spielenden, abhängig von deren Verwendung, unterschiedlich eingeordnet würde. Im Rahmen einer Diskussion um Taxonomien sei es sehr beunruhigend, wenn sich der Gegenstand der Einordungsversuche unkontrollierbar durch die Klassifizierungen bewege. Gegenstände dagegen allein nach ihrem gängigen Verständnis zu klassifizie6 7 8

Vgl. S. Linhart: Letter. In: JCGD, Vol. 3, Is. 4, Apr. 1990. S. 13. Vgl. B. Kunkel: Another Letter Still! In: JCGD, Vol. 3, Is. 4, Apr. 1990. S. 14. Vgl. G. Stanley: It’s a Puzzle. In: JCGD, Vol. 3, Is. 6, Aug. 1990. S. 8f.

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ren, resultiere in instabilen Definitionen und sei daher wenig befriedigend. ROBINSON folgert, dass man damit befasst sei, den falschen Gegenstand zu kategorisieren und zudem versuche, Begriffe mit einer neuen Bedeutung zu belegen, die jedoch dem allgemeinen Sprachgebrauch entspringen, was unweigerlich zu Missverständnissen führe. Das kritische Element seien vielmehr die unterschiedlichen Wege, in denen Nutzerinnen mit den Unterhaltungsprodukten interagierten. ROBINSON schlägt drei ›Types of Play‹ vor: Das ›unstrukturierte Spiel‹ sei vornehmlich die explorative Interaktion mit einem System, um dessen Verhalten zu untersuchen. Das ›strukturierte Spiel‹ sei vornehmlich die einwirkende Interaktion mit einem System, um einen bestimmten Zustand oder Effekt zu erzielen. Das ›konkurrierende Spiel‹ sei die Interaktion von mehreren Spielenden mit einem System, bei dem jedoch das Ziel eines ›strukturierten Spieles‹ nicht von allen Beteiligten gleichermaßen erreichbar sei. Diese Definitionen sollten verwendet werden, um die Art der Interaktion von Nutzer/innen mit Systemen zu kategorisieren. Man könne ersteres auch als »Toy«, zweiteres als »Puzzle« und letzteres als »Game« bezeichnen, doch dürfe dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verwendung eines Produktes letztlich durch die Nutzer/innen bestimmt sei; »to our customers (both publishers and end users alike) they are all computer games no matter what we call them.«9 Vor dem Hintergrund dieser Diskussion, die sowohl im Journal als auch im Forum ›JCGD Roundtable‹ auf der Online-Plattform GEnie wütete, legte CRAWFORD im Dezember 1990 schließlich einen letzten persönlichen Definitionsversuch vor. Über allem stehe die Kategorie des »Intertainment« für alle Formen der interaktiven Unterhaltung, die sich aufteile in einerseits »›Interactive stories‹«, minimal interaktive, etwa verschiedene Wege anbietende Geschichten, deren Reiz jedoch in der Erzählung liege, und andererseits in »Playthings« durch ihre festgelegten Reaktionen auf Aktionen der Spielenden interessante Systeme. Basierend auf ihrer Verwendung, die jedoch von den Spielenden abhängig sei, teilten sich »Playthings« wiederum in einerseits »Toys«, vornehmlich forschenden Umgang hervorbringendes Spielzeug ohne definiertes Ziel, und andererseits »Challenges«, ein Spielzeug zuzüglich eines physisch oder intellektuell definierten Zieles, das es zu erreichen gelte. Je nachdem, ob eine gegnerische Partei beteiligt sei oder nicht, unterteilten sich »Challenges« in »Puzzles«, Herausforderungen mit eindeutig definierten Zielen und zu überwindenden Hindernissen, jedoch ohne zielgerichtete Einwirkung dritter, und in »Conflicts«, Herausforderungen zwischen zwei oder mehr Parteien, sofern diese als solche von den Spielenden erkannt werden. Schließlich gebe es zwei Formen von »Conflicts«, abhängig davon, ob die gegnerischen Parteien ihre Handlungen gegenseitig beeinflussen oder nicht: In »Competitions« träten Spielende gegeneinander an, indem sie ihre eigene Leistung optimierten, während sie in »Games« versuchten, mit ihren Handlungen ihr Gegenüber vom Erreichen des Zieles abzuhalten.10 Noch auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ im März 1991 organisierte DAVID WALKER eine Diskussionsrunde unter dem Titel ›What Exactly IS a Game?‹, um gemeinsam mit den Teilnehmenden über die weitgefächerten und sich teilweise widersprechenden Meinungen zu reden, wie sie gerade in den Online-Foren anzutreffen seien. »It is clear that each person’s definition is closely linked to their personal experience. 9 Vgl. E. Robinson: Types of Play. In: JCGD, Vol. 4, Is. 1, Oct. 1990. S. 7. 10 Vgl. C. Crawford: Yet Another Definition of Game. In: JCGD, Vol. 4, Is. 2, Dec. 1990. S. 13f. Crawford wird diese Taxonomie noch 2003 als Grundlage für seine Definitionen verwenden. Vgl. Ders.: On Game Design. Indianapolis/IN 2003. S. 6-8.

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This is normal, and no one is inherently more correct than anyone else. But, if we want to have discussions of substance instead of semantics, we must come to a common understanding of the basic terms of our trade.«11 Auch mit diesem Versuch scheint sich jedoch kein Konsens eingestellt zu haben. KATZ widmet gleich das erste Kapitel im Abschnitt ›The Theory of Electronic Game Design‹ seines Buches Inside Electronic Game Design den ›Important Definitions‹ oder, wie es im Inhaltsverzeichnis heißt, der Frage ›What Is a Game?‹. Eine jede Disziplin bringe ihr eigenes spezialisiertes Vokabular hervor, von dem manches sehr bekannt, anderes nur in der Branche gebräuchlich und wieder anderes außerhalb der Branche sogar mit abweichender Bedeutung in Verwendung sei. Der Begriff ›Game Designing Language‹ sei einem konstanten Wandel in Haupt- und Nebenbedeutungen ausgesetzt, weshalb jede Festlegung immer nur eine Momentaufnahme sein könne. Der Wandel des ›Game Design‹ werde auch die Erfindung neuer Begriffe und die inhaltliche Veränderung alter notwendig machen. Zudem variierten Bezeichnungen von Team zu Team und von Unternehmen zu Unternehmen. Dabei erschienen KATZ sämtliche Definitionen in seinem Buch noch dermaßen im Fluss zu sein, dass er betont, sie entsprächen dem Stand vom 1. Dezember 1994. Gleich zu Anfang stellt er fest, dass es den »electronic gamers« auf die Frage ›What Is a Game?‹ allerdings nach einer spezielleren Definition verlange, als sie etwa in einem Lexikon zu finden sei, vor allem weil konventionelle Bestimmungen, wenn auch im Grundsatz korrekt, häufig solche Spiele ignorierten, die man alleine spiele oder gegen eine künstliche Intelligenz am Computer. Die KI ermögliche es erstmals, Spielenden immer die richtige Zahl Gegner/innen mit dem passenden Schwierigkeitsgrad zur Verfügung zu stellen, um stets einen spannenden Wettbewerb zu gewährleisten und auch klassische Brettspiele in eine Herausforderung für einzelne Spielende zu verwandeln. »An electronic game is a competition involving one or more machine or human opponents, conducted under rules using interactive electronic technology. An electronic game must have a goal, one or more obstacles to the attainment of that goal, and a means by which the goal can be achieved.«

Das Ziel solle als zentraler Konflikt des Spieles dienen und durch eine emotionale oder kontextuelle Bindung über bloße Neugier und Herausforderung hinaus nicht nur den Antrieb bieten, das Spiel zu beginnen und zu beenden, sondern auch das Gefühl geben, etwas erreicht zu haben. Die Hindernisse, welche sich den Spielenden dabei in den Weg stellten, und die Mittel, sie zu überwinden, bildeten mit ihrer Spannung zueinander schließlich die Grundlage für die Begeisterung des Spielens und den Kern dessen »what makes a game a game«. Erst Hindernisse gäben dem Spiel eine Herausforderung und damit einen Unterhaltungswert; »Gaming« sei insofern eine von Freude begleitete Aufwendung von Anstrengung. Ein exzellentes Spiel zeichne sich häufig dadurch aus, wie intelligent es Hürden und Spielende miteinander in Konkurrenz setze, sodass es weder langweilig und ohne Herausforderungen erscheine, noch der Eindruck entstehe, es sei unmöglich, die gestellten Aufgaben zu meistern. Es sei dabei allerdings nicht entschei11 Vgl. CGDC: Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference Program. o.O. 1991. S. 7.

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dend, ob es tatsächlich darum gehe, Gegner/innen zu schlagen oder vielmehr die eigene persönliche Bestleistung. Nicht zuletzt vonseiten des Marketings würden unter gegebenen Umständen auch gerne die Begriffe ›Simulation‹ oder ›Simulator‹ für bestimmte Spiele oder Sparten eingesetzt, was jedoch zu deren unklarem Gebrauch führe. Während sich nämlich Simulationen ihrem Gegenstand möglichst realistisch und detailliert näherten, seien ›Games‹ eher symbolische Repräsentationen, weder real noch detailreich. Ein und derselbe Gegenstand könne also sowohl ›Simulationen‹ als auch ›Games‹ hervorbringen. Der Ursprung der symbolischen Spiele gehe bereits auf antike Brettspiele zurück, in denen jedes Element für etwas gestanden und sich entsprechend verhalten habe. Erst mit den Sportund Kriegssimulationen seit den 1950er-Jahren sei ein realistischer Anspruch in die Welt der Spiele eingetreten. Im Design bedeute ›Realismus‹, dass die Kombination der Spielelemente den Spielenden das Gefühl vermitteln solle, an einer akkuraten, wenn nicht stellvertretenden Widerspiegelung der Realität teilzuhaben, selbst wenn ihre rigorose interne Konsistenz, Logik und Präzision sich nur mit zukünftigen oder spekulativen Ereignissen befasse. Eine Simulation zu entwickeln, bedeute also stets, einen Drahtseilakt zwischen Genauigkeit und Spielbarkeit zu bewältigen. In einem ›Simulator‹ schlüpften Spielende schließlich in die Rolle einer Person, aus deren Perspektive diese dann agieren müssten, wobei die reine Ausführung der Tätigkeit häufig im Mittelpunkt stünde und die Ziele in den Hintergrund träten. Schließlich gelte es noch, ›Games‹ und ›Puzzles‹ zu unterscheiden, die ansonsten viele Gemeinsamkeiten haben. Ein elektronisches Puzzle sei eine interaktive elektronische Erfahrung, welche die Fähigkeit zur Problemlösung teste; es verfüge über eine Ausgangssituation, eine Prozedur und immer nur eine einzelne und eindeutige Lösung, weshalb es seine Herausforderung jedoch schnell verliere. Auch wenn Puzzles sehr schwierig sein könnten und sie zudem in vielen Spielen auf unterschiedlichste Weise zum Einsatz kämen, seien sie alleine kaum komplex genug, um ein ›game‹ zu sein.12 Im Dezember 1994 erschien mit dem Artikel ›I Have No Words And I Must Design‹ von GREG COSTIKYAN in der zweiten Ausgabe des britischen Magazins interactive fantasy, eine – wie es auf der Titelseite heißt – »analysis of the art of game design«, in dem der Autor angesichts der großen Menge an unterschiedlichen Spielen, die unter dem Namen »gaming« versammelt würden, fragte: »Do these things have anything at all in common? What is a game? How can you tell a good from a bad one?« Denn alleine das Urteil, dass es sich um etwas ›Gutes‹ handele, helfe noch niemandem, etwas besser zu machen. Um also bessere Spiele schaffen zu können, seien Game Designer/innen darauf angewiesen, Spiele zu analysieren, zu begreifen und ihre interessanten Aspekte zu verstehen. Dazu bedürfe es einer »critical language«, die man jedoch, da es sich um eine »new form« handele, erst erfinden müsse. Ein ›Game‹ sei kein Puzzle, da es sich nicht um eine statische, logische Struktur handele, die nur eine Lösung aufweise, sondern dynamisch auf die Handlungen der Spielenden reagiere, wobei es auch Mischformen zwischen beidem gebe. Ein ›Game‹ sei kein Spielzeug, da es über festgelegte Ziele verfüge und sich damit nicht völlig der freien Erforschung, Manipulation und Reinterpretation öffne. Ein ›Game‹ sei keine Geschichte, da eine solche inhärent linear und unveränderlich sei, während ein ›Game‹ inhärent non12 Vgl. A. Katz, L. Yates: Inside Electronic Game Design. Rocklin/CA 1996. S. 61-69.

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linear und von den Entscheidungen der Spielenden abhängig sei. »Gaming is not about telling stories.« Schließlich verlange ein ›Game‹, anders als traditionelle Kunst- und Unterhaltungsformen, deren Publikum zwar interpretiere und dennoch passiv sei, nach Partizipation. ›Games‹ seien nicht autokratisch, sondern demokratisch und erlaubten es dem gemeinen Menschen die eigene künstlerische Erfahrung zu kreieren. Die Designer/innen stellten nur die Regeln zur Verfügung, nach welchen die Spielenden improvisierten; eine demokratische Kunstform für ein demokratisches Zeitalter.13 COSTIKYAN schlägt auf dieser Grundlage schließlich als Definition vor: »A game is a form of art in which participants, termed players, make decisions in order to manage resources through game tokens in the pursuit of a goal.« Der Begriff ›Decision-making‹ solle den nicht aussagekräftigen Ausdruck ›interactive‹ ersetzen, da dieser ohne einen Zweck keinerlei Wert besitze; alle Spiele seien interaktiv, aber ein Lichtschalter sei es auch. Erst durch die Möglichkeit, auf der Grundlage der verfügbaren Informationen, der vorhandenen Spielgegenstände und Ressourcen, des Zieles sowie der gegnerischen Kräfte eine Entscheidung zu treffen, mache ein ›game‹ aus. Auch wenn es möglich sei, sich im Umgang mit einem Spielzeug selbst Ziele zu setzen, sei es häufig frustrierend, wenn ein Spiel dies nicht unterstütze. Ziele seien die vielen involvierenden und süchtig machenden Etappen, welche durch ein Spiel leiteten, selbst wenn es keine Siegbedingung besitze. Ohne ein Ziel, dem man entgegenstrebe, seien Entscheidungen bedeutungslos. Aufgabe der Opposition sei es, den Spielenden einen Kampf um den Sieg abzuverlangen und so die Fülle und die emotionale Anziehung zu erhöhen, entweder in Form eines direkten Wettstreites, oder aber durch eine Vielzahl von physischen und psychischen Hindernissen, gegnerischen Charakteren, Puzzles oder auch den Zufall. »Whatever goals you set your players, you must make the players work to achieve their goals.« Das Verwalten von Ressourcen sorge dafür, dass Entscheidungen eine Bedeutung zukäme. Ressourcen seien alle Elemente, über welche die Spielenden verfügten, und je mehr es von ihnen gebe, umso größer sei die Komplexität und umso interessanter seien die Entscheidungen. Jeder Ressource müsse allerdings eine Rolle im Spiel zukommen, ansonsten sei sie nichtig. Die Spielgegenstände (›Game tokens‹) seien alles Einheiten, welche die Spielenden direkt manipulieren könnten und die das Mittel bildeten, um die Ressourcen zu verwalten. Statt nur die Parameter eines selbst ablaufenden Systems zu verändern, verlangten die Gegenstände des Spieles nach Steuerung durch die Spielenden. »The fewer the tokens, the more detailed they must be. It is no coincidence that role-playing games, which give the player a single token, also have exceptionally detailed rules for what that token can do.« Schließlich seien die Informationen, die den Spielenden über das Interface zur Verfügung gestellt würden, wesentlich für deren 13 »Games provide a set of rules; but the players use them to create their own consequences. It’s something like the music of John Cage: he wrote themes around which the musicians were expected to improvise. Games are like that; the designer provides the theme, the players the music. A democratic art-form for a democratic age.« G. Costikyan: I Have No Words And I Must Design. In: Interactive Fantasy, Vol. 1, Is. 2, Dec. 1994. S. 22-38, hier 24. In der politischen Überzeugung Costikyans mag auch die Ostküstenmentalität eines New Yorkers mitschwingen. Zur Nähe zwischen der ›Partizipation‹ in der Kunst und den Demokratietheorien der 1990er-Jahre sowie ihrer Kritik vgl. J. Rebentisch: Theorien der Gegenwartskunst. Hamburg 2015. S. 58-91.

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Entscheidungen. Genauso könne aber auch das Vorenthalten von Informationen sinnvoll sein, um Spannung aufzubauen oder um Spielende nicht zu überfordern, ohne sie jedoch in unübersichtlichen Menüs oder auf dem Bildschirm zu verstecken oder den Spielenden jegliche Grundlage der Entscheidungsfindung zu entziehen. Im Anschluss an Definition und Erläuterung nennt COSTIKYAN noch acht weitere Wege, um Spiele zu stärken, wobei nicht jede Technik auch für jedes Spiel angemessen sei: erstens Diplomatie und Assistenz unter den Spielenden zuzulassen, also temporär Ziele zu teilen, sich zu helfen, aber auch Seiten wechseln zu können. Zweitens dem Spiel durch Thema, Ausstattung, Details und den Sinn für einen bestimmten Ort einen emotionalisierenden Anstrich (»Colour«) von »ethos, atmosphere and pageantry« zu geben. Drittens die Mittel der Simulation eines Systems zu nutzen, um »atmosphere und ethos« einer Welt oder Situation wiederzugeben, aber auch die Identifikation mit Charakteren zu erleichtern. Viertens durch Zufallsereignisse sowie ein breites Spektrum an Elementen und Kombinationen für Vielfalt im Ablauf der Gefechte zu sorgen, damit jede Partie ein wenig anders verlaufe. Fünftens die Identifikation mit der Position und Perspektive, in welcher sich die Spielenden befinden, sicherzustellen und die emotionale Kraft und Wirkung der Vorstellungskraft zu nutzen. Sechstens den Spielenden durch die Übernahme einer »persona« aus Sprache, Gefühlen und Gedanken das Spielen einer Rolle sowie die Teilhabe an sozialen Aktivitäten zu ermöglichen und zugleich Identifikation und Anstrich zu stärken. Siebtens Funktionen und Hilfen für das Knüpfen und Pflegen von Kontakten unter den Spielenden anzubieten. Achtens eine etwa durch stetig wachsende Herausforderungen steigende narrative Spannung mit einem Höhepunkt am Ende des Spieles zu realisieren. Am Ende seines Artikels bestätigt COSTIKYAN seine Feststellung, dass die von ihm gewählte Definition tatsächlich alle »forms of gaming« beschreibe. Um allerdings zu beurteilen, ob es sich um ein gutes oder schlechtes Spiel handele, sei man noch immer darauf angewiesen, es zu spielen. Dennoch ergäben sich aus den gewählten Begriffen auch Möglichkeiten den Reiz eines Spieles zu analysieren, was jedoch an dieser Stelle eine Übung für Lesende bleiben müsse. Die vorgelegte analytische Theorie sei jedoch keineswegs hermetisch abgeschlossen und vollständig, da es Spiele gebe, die sich den Schlussfolgerungen entzögen, und Aspekte über den Reiz von Spielen, welche die Theorie übersehen habe. Sie sei daher noch in Arbeit begriffen und nur ein erster Vorstoß zur Kodifizierung der intellektuellen Analyse der »art of game design«. Andere seien willkommen und sogar dazu ermuntert, auf dieser Struktur aufzubauen oder ungeachtet der Vorarbeit alternative Theorien vorzuschlagen. »If we are to produce works worthy to be termed art, we must start to think about what it takes to do so, to set ourselves goals beyond the merely commercial. For we are embarked on a voyage of revolutionary import: the democratic transformation of the arts. Properly addressed, the voyage will lend grandeur to our civilization; improperly, it will create merely another mediocrity of the TV age, another form wholly devoid of intellectual merit.«14

14 Vgl. G. Costikyan: I Have No Words And I Must Design. In: Interactive Fantasy, Vol. 1, Is. 2, Dec. 1994. S. 22-38, hier 25, 37f.

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COSTIKYANS Artikel, der die meisten Leser/innen über das World Wide Web gefunden haben dürfte, übte eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Theoriebildung in Game Design und die aufstrebenden Game Studies aus. Auch wenn nicht mehr nachvollziehbar ist, wann der Artikel über COSTIKYANS Website abrufbar war, die bereits 1995 ihren Betrieb aufnahm, ist davon auszugehen, dass er ab Ende der 1990er-Jahre zu den meistgelesenen oder zumindest meistgenannten Artikeln über das Thema ›Game Design‹ zählte.15 Vor allem sein provokanter Titel16 führte allerdings dazu, dass er in erster Linie als eine Bankrotterklärung der bis dahin geleisteten Theoriebildung wahrgenommen wurde und wird.17 Dabei schloss COSTIKYAN an Überlegungen anderer Designer/innen an, die etwa – genau wie er selbst – im Journal of Computer Game Design publiziert hatten.18 Spätestens 2002 bekamen COSTIKYANS Thesen eine deutlich größere Bühne geboten, und zwar in Form einer ›Keynote‹ auf der ›Computer Games and Digital Cultures Conference‹ im finnländischen Tampere, der ersten internationalen Konferenz ihrer Art, aus der schließlich die ›Digital Games Research Association‹ (DiGRA) hervorgehen sollte. Vor diesem Hintergrund erschien auch COSTIKYANS Artikel deutlich überarbeitetet und ergänzt, jedoch unter gleichem Titel erneut, als sei seit seiner Veröffentlichung 1994 kein Fortschritt mehr erzielt worden. Dabei fügt sich sein Ansatz in ein ganzes Spektrum methodischer Ansätze, welche zur gleichen Zeit versuchten – aufgrund der solchermaßen diagnostizierten Theorielücken – eine allgemeingültige Sprache für das Game Design zu konstruieren. Auch weil COSTIKYAN in seinem Artikel allein CRAWFORDS Buch The Art of Computer Game Design als »one of the few decent books published about game design« (einmal mehr fälschlicherweise auf 1982 datiert) erwähnt, wurde jegliche Theoriebildung seit dessen Erscheinen nivelliert.19 15 Costikyans Website war zum Zeitpunkt der Fertigstellung der vorliegenden Arbeit leider nicht mehr erreichbar. (Online: http://www.costik.com) 16 Der Titel ist eine Referenz auf die Science-Fiction-Kurzgeschichte ›I Have No Mouth, and I Must Scream‹ von Harlan Ellison, an deren Computerspielumsetzung ab 1992 gearbeitet wurde, die aber erst Ende 1995 erschien. 1993 hatte Ellison einen wohl irritierenden Hauptvortrag auf dem Preisverleihungsbankett der siebten ›Computer Game Developers’ Conference‹ gehalten. o.A.: Graduation Day for Computer Entertainment. In: CGW, Is. 108, Jul. 1993. S. 33f., 36, 38, 40, hier 33f., 36 (»I Have No Message, But I Must Scream«). 17 Noch 2013 hat Brenda Romero im Rahmen ihres Seminars ›Foundations of Interactive Game Design‹ an der UC Santa Cruz auf Greg Costikyans Artikel von 1994 verwiesen als »Height of industry’s inability to talk to itself«. Vgl. B. Romero: Foundations of Interactive Game Design, Session 03. In: UC Santa Cruz, 2013. (Online) S. 12. 18 Costikyan, der sich im Text nur auf Crawfords Buch The Art of Computer Game Design bezieht, dankt am Ende des Artikels »Chris Crawford, Will Wright, Eric Goldberg, Ken Rolston, Doug Kaufman, Jim Dunnigan, Tappan King, Sandy Peterson, and Walt Freitag, whose ideas he has liberally stolen« für deren Beiträge. Vgl. G. Costikyan: I Have No Words And I Must Design. In: Interactive Fantasy, Vol. 1, Is. 2, Dec. 1994. S. 22-38, hier 38. 19 Vgl. G. Costikyan: I Have No Words & I Must Design. In: F. Mäyrä (Hg.): Computer Games and Digital Cultures Conference Proceedings, Tampere, June 2002. (Online) Um die Jahrtausendwende sollte ein neuer Schub von Theoriebildung einsetzen, nun allerdings maßgeblich getragen von ontologisch operierenden Methodologien, die ihre Designregeln aus einer jeweils eigenen Wesensbestimmung des Spieles und seiner Bestandteile ableiteten und sich nicht sel-

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Am Ende des dritten Kapitels ›The New Age of Game Development‹ in BEN SAWYERS Ultimate Game Developer’s Sourcebook von 1996, das zugleich das Ende des ersten Buchteiles ›Getting Started with Game Development‹ ist, fasst der Autor die wesentlichen Lehren und Fragen aus seinem Blick in die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Spieleentwicklung zusammen. Dort formuliert er einen einzigen Absatz unter der Überschrift ›What Is a Game? What Is a Good Game?‹. In den letzten Jahren seien auf dem Spielemarkt einerseits vermehrt extrem lineare Produkte erschienen in Kombination mit beeindruckend aufwendiger Grafik. Andererseits hätten sich Produkte jenseits des Spielemarktes spiel-ähnlicher interaktiver Erfahrungen angenommen. Solche Beispiele vernebelten die Bemühungen um eine exakte Definition des Begriffes ›game‹. Und doch beginnt er: »Over time, as games have grown in complexity and artistry, it has become more apparent that the definition of what is a game is central to the medium.« Es handelt sich um eine eigentümliche Feststellung des Autors, enthält doch sein eigenes über 800 Seiten umfassendes Buch keine solche Definition. Im einführenden Kapitel zu den häufigsten Fragen bezüglich der Spieleentwicklung beantwortet SAWYER insgesamt 29 ausgewählte Fragestellungen und keine von ihnen möchte wissen, was denn ein ›Game‹ sei. Auch der Rest des Buches schlägt nicht einmal eine Arbeitsdefinition vor. Selbst im direkten Anschluss an seine Feststellung äußert er die Vermutung, dass es in Zukunft eher zu noch mehr neuartigen, hybriden Formen von ›Games‹, Multimedia und Online-Diensten kommen werde. Und tatsächlich scheint sich SAWYER klar darüber zu sein, dass eine Definition des Begriffes ›game‹ auch einengend wirken kann, wenn er gleich auf der ersten Textseite im Innenteil seines Buches auf die Frage, welche Arten von Spielen man denn kreieren könne, antwortet: »Just about anything you can dream up—adventure games, simulation games, role-playing games, sports games, shoot-em-up arcade games, flight simulators, card games, awesome 3D games, and even kids’ games. The best part about the game field is that it is bursting at the seams with creativiten einem eigentümlichen Ideal zur strengen Formalität verpflichtet fühlten. Dabei waren auch diese – und das ist bemerkenswert – nicht aus spiel- oder medientheoretischen Überlegungen motiviert, sondern aus den Überlegungen zu den spezifischen Anforderungen einer Designpraxis, die – so etwa Doug Church 1999 – noch immer über kein einheitliches Vokabular verfügte: »The primary inhibitor of design evolution is the lack of a common design vocabulary.« Vgl. D. Church: Formal Abstract Design Tools. In: Gamasutra.com, 16.07.1999. (Online) Einen Überblick dieser ›Game Design Methods‹ gibt Bernd Kreimeier bereits 2003, wobei er als einzige Beiträge vor 1998 Greg Costikyans Artikel sowie »Chris Crawford’s Art of Computer Game Design« in der Online-Fassung anführt und schließlich Letzteren zu jenen anekdotischen Diskursen zählt, über die es – wie wohl auch über die »Design Bible Method« – hinauszuwachsen gelte. Neue Ansätze seien Doug Churchs ›Formal Abstract Design Tools‹ (FADT), Hal Barwoods und Noah Falsteins Regelsammlung ›The 400 Project‹ sowie die ›Game Design Patterns‹, vertreten durch Jussi Holopainen, Staffan Bjork und ihn selbst. Vgl. B. Kreimeier: Game Design Methods – A 2003 Survey. In: Gamasutra.com, 03.03.2003. (Online) Zu ergänzen ist das ›MDA framework‹ (Mechanics, Dynamics, Aesthetics) von Robin Hunicke, Marc LeBlanc und Robert Zubek, das im Rahmen des ›Game Design and Tuning Workshop‹ auf der ›Game Developers’ Conference‹ von 2001 bis 2004 entstanden ist. Vgl. Dies.: MDA – A Formal Approach to Game Design and Game Research. In: Northwestern University, 25.05.2004. (Online)

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ty. This is one area of technology where you can let your imagination go. If you come up with a new game form and it catches fire, you might be headed for early retirement.«20

Die eigentümlich hartnäckigen Bemühungen um eine allgemein akzeptierte ontologische Bestimmung des Begriffes ›Game‹ muss in der Rückschau beinahe fruchtlos und naiv erscheinen. Eine direkte Parallele in der frühneuzeitlichen Anleitungsliteratur, die sich zwar über Bestandteile, Funktionen, Gattungen und Qualitäten von Kunstwerken äußert, nicht jedoch über deren ontologischen Status, besitzt sie nicht.21 Dass das Fehlen einer solchen Bestimmung dennoch als Makel, ihre unbedingte Formulierung als Notwendigkeit erlebt wurde, muss jedoch stets vor dem Hintergrund der Neuartigkeit des Mediums betrachtet werden, dessen Designer/innen sich mit wachsendem Erfolg vor Fremdbestimmung und Laientum zu schützen suchten. Entsprechend überrascht es nicht, dass diese Versuche, das Phänomen ›game‹ zu fassen in keinster Weise durch die Rezeption spieltheoretischer Schriften angeleitet wurden.22 DANI BUNTEN hatte zwar bereits 1985 eine Rezension des Buches Why People play von MICHAEL J. ELLIS in der Computer Gaming World veröffentlicht, doch hatte dieses, wie sie selbst 1996 bemerkt, jenseits eines Rechtfertigungsgrundes, für den tagtäglichen Kampf gute Spiele zu machen, wenig zu bieten.23 Tatsächlich legte CRAWFORD erst 1995 eine Buchrezension zu JOHAN HUIZINGAS Homo Ludens vor, und zwar erst nachdem er dessen ERASMUS-Biografie gelesen hatte. CRAWFORDS ausführliche Beschreibung 20 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 57f., 4. Im direkten Anschluss nennt Sawyer drei große Gruppen von Spielen, geordnet anhand der Plattformen, für die man entwickeln könne: »Computer Games«, »Video Games« und »Multiplayer Games«. 21 Berühmter und einflussreicher hatte Leon Battista Alberti die Bestimmung des Bildes im Rahmen seiner Beschreibung der Perspektivkonstruktion in der kurzen und pragmatischen Analogie abgehandelt, das Bild sei wie ein Fenster, durch welches man ein Ereignis beobachten könne. Vgl. L.B. Alberti: Das Standbild, die Malkunst, Grundlagen der Malerei. Darmstadt 2011. I, 19 (S. 224). Ontologische Fragestellungen der Bildtheorie waren dagegen – obwohl z.B. in der Philosophie Platons schon angelegt – vornehmlich Gegenstand der Bildtheologie, die zwar durchaus rezipiert und thematisiert, aber nicht als zwingende Vorbedingung für die Produktion selbst erachtet wurde. Vgl. H. Belting: Bild und Kult. München 2011. 22 Umso eigentümlicher erscheinen heutige Versuche, in den ›Game Studies‹ eine solche Bestimmung durch eine Kreuztabellierung von u.a. kulturhistorischen, soziologischen, ethologischen und designtheoretischen Definitionen aus der Geschichte der Spieltheorie herzustellen. Vgl. etwa K. Salen, E. Zimmerman: Rules of Play. Cambridge/MA u.a. 2003. S. 71-83. J. Juul: Half-Real. Cambridge/MA u.a. 2005. S. 23-54. 23 Vgl. D. Bunten: Dispatches – Why people play. In: CGW, Vol. 5, Is. 2, Apr.-May 1985. S. 27. M.J. Ellis: Why people play. Englewood Cliffs/NJ 1973. »Several years ago when I was getting involved with a psychologist [...], I had this need to find justification for my career. Writing video games just didn’t seem sophisticated enough. I searched for deeper roots of play to rationalize the value of my profession. I found a couple of books that dealt with the issue and wrote a synopsis of the best one [...]. With that publication I satisfied my need for credibility (at least in my own eyes). Although the information was entertaining it had little to offer the day to day struggle to make good games.« D. Bunten Berry: The Importance of Play. In: Anticlockwise.com, 1996. (Online)

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sowie der Hinweis, das Buch sei nur sehr schwer zu bekommen, deuten allerdings darauf hin, dass es zuvor in seinem Umfeld nicht rezipiert wurde. »I’m sad to tell you that you’ll not be able to find this book. It’s long out of print, and I was very lucky to find a copy. That’s too bad, because Huizinga’s analysis of play is impressive. Console yourself with the knowledge that his treatment is appallingly academic. Greek words [...] are sprinkled liberally across the pages. Yes, we’ve finally reached the point where, if you really want to understand game design, you’ll have to brush up on your Greek.«

Vor dem Hintergrund von HUIZINGAS umfassender Beschreibung des Spielphänomens betont CRAWFORD in seiner abschließenden Bewertung sogar, dass Game Designer/innen mit etwas herumhantierten, dass sie noch nicht ansatzweise verstanden hätten. »Someday we will, and when we do, game design will no longer be seen as a trivial or lightweight effort. Someday game design will be part of our effort to understand ourselves. Someday, game design will yield profound new insights.«24 Fast konträr zu den meisten anderen Inhalten der Theoriebildung im ›Game Design‹ erscheint die Wesensbestimmung des ›Game‹ wie eine späte Konsequenz aus der Annäherung von Produktions- und Rezeptionstheorie in der Moderne sowie eine Stärkung der Rezipierenden und der Ästhetik seit den 1960er-Jahren, durchmischt mit einer ›Wissenschaftlichkeit‹ nachahmenden Metaphysik und begleitet von einer objektiv anmutenden Aussagenlogik.25 Während pragmatische Arbeitsdefinitionen ihrem Wahrheitsgehalt nach strittig sind, können sie im Rahmen der künstlerischen Tätigkeit nicht durch Ontologie oder Ästhetik ersetzen werden. Dass die dennoch unternommenen Versuche vor allem normativ, zum Teil inkonsistent und oft schon in sich widersprüchlich waren, hat weder zu ihrer Durchsetzung noch ihrer Verbreitung beigetragen, sodass sich letztlich ein Pluralismus der Begriffe etablierte, der bis heute anhält. Gemessen an den durchwachsenen und letztlich erfolglosen Bemühungen um eine einheitliche Bestimmung dessen, was ein ›Game‹ sei, drängt sich allerdings deutlich der Eindruck auf, dass es gar keiner letztgültigen Wesensbestimmung bedarf, um Spiele zu entwickeln. SAWYER mag damit recht behalten, dass es zentral für das Medium sei, eine Definition zu haben, doch gibt es vielmehr – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Paragone-Diskussion – ein riesiges Spektrum an möglichen Festlegungen, die nicht selten implizit, aber immer individuell getroffen werden. So nennt auch SAWYER als Orientierungsgröße eher die unterschiedlichen ›Categories‹ von Spielen, welchen er im An-

24 Vgl. C. Crawford: Play and Mentation. In: JCGD, Vol. 8, Is. 5, Jun. 1995. S. 4-6, hier 4, 6. Einen Hinweis auf Huizinga gibt es allerdings schon 1976 bei Stewart Brand. Vgl. Ders.: Theory of Game Change. In: A. Fluegelman (Hg.): The New Games Book. Garden City/NY 1976. S. 137-140. Gegenüber dem bescheidenen Beitrag der Spieltheorie zu den Fragen des ›Game Design‹, lässt sich durchaus sagen, dass Crawfords anhaltende Beschäftigung mit Erasmus von Rotterdam deutliche Spuren in seiner Arbeit hinterlassen hat, die bis zur Benennung seiner Website reichen: Erasmatazz. Vgl. C. Crawford: Erasmus Rampant! In: JCGD, Vol. 8, Is. 5, Jun. 1995. S. 15. Ders.: Erasmus the Ludosophist. In: JCGD, Vol. 9, Is. 6, Aug. 1996. S. 10-12. Seine Website ist seit spätestens 1998 online (http://erasmatazz.com). 25 Etwa in der Nachfolge von Roman Ingarden. Ders.: Das literarische Kunstwerk. Tübingen 1972. Ders.: Untersuchungen zur Ontologie der Kunst. Tübingen 1962.

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schluss ein ganzes Kapitel widmet, aber immer wissend, dass es jederzeit zu einer Innovation kommen könne, die das gesamte Feld einer Neuordnung aussetzt. Spielkategorien als Kunstgattungen

CHRIS CRAWFORD formuliert bereits 1984 ›A Taxonomy of Computer Games‹ als zweites Kapitel seines Buches The Art of Computer Game Design. Bei dem Versuch Hunderte erhältliche »computer games« zu ordnen, könne man eine ganze Menge über ›Game Design‹ lernen. Er verweist dabei explizit auf CHARLES DARWIN, dessen Beobachtungen auf der Reise an Bord der Beagle schließlich zur Evolutionstheorie geführt hätten. Ganz ähnlich solle eine Taxonomie der »computer games« die Gemeinsamkeiten und Verwandtschaftsbeziehungen von Spielfamilien, Differenzen zwischen Familien sowie zwischen einzelnen Familienmitgliedern beleuchten. Zudem könne sie auf bisher unerforschte »areas of game design« hinweisen und grundlegende »principles of game design« aufzeigen. CRAWFORD betont allerdings, dass er seine Taxonomie nicht für die einzig richtige hält und zudem nicht an die eine richtige Taxonomie glaubt. Eine Taxonomie sei bloß ein Weg, eine große Zahl verwandter Elemente zu organisieren. Tatsächlich seien jedoch viele unterschiedliche Ansätze zulässig und insbesondere der Versuch, mehrere Alternativen zu entwickeln, könne dabei helfen, verbreitete Eigenschaften zu untersuchen. Als Grundlage seiner Taxonomie schlägt CRAWFORD die Unterteilung in zwei ausgedehnte Kategorien vor: Zum einen gehe es um »skill-and-action (S&A) games«, die größte und populärste Gruppe von Spielen, die mit ihrer Präsenz in Spielhallen und auf Konsolen (CRAWFORD spricht exklusiv vom Atari 2600) für die meisten Menschen synonym mit »computer games« überhaupt seien; sie forderten vor allem Wahrnehmung und Motorik, Hand-Augen-Koordination und schnelle Reaktionen, liefen in Echtzeit, betonten Grafik und Sound sowie Joysticks oder Paddles gegenüber Tastaturen als Eingabegeräte. Zum anderen gehe es um »strategy games«, die Nachdenken und kognitive Leistung betonten und zugleich, da sie in der Regel rundenbasiert seien, deutlich weniger motorische Fähigkeiten voraussetzten; sie seien deutlich zeitaufwendiger sowie kaum auf Konsolen, nicht in Spielhallen und daher beinahe exklusiv auf Personal Computern anzutreffen. CRAWFORD versammelt unter den »Skill-And-Action Games« die Unterkategorien »Combat Games«, »Maze Games«, »Sports Games«, »Paddle Games«, »Race Games« sowie »Miscellaneous Games«. Die »Strategy Games« umfassen dagegen »Adventures«, »D&D Games«, »War Games«, »Games of Chance«, »Educational And Children’s Games« und »Interpersonal Games«. In der abschließenden Zusammenfassung gibt CRAWFORD zu, dass auch sein Vorschlag fehlerbehaftet ist, nicht zuletzt, da die Kriterien zur Einteilung das Ergebnis historischer Zufälle sind. So gebe es keinen fundamentalen Grund, »D&D games« anders zu behandeln als »war games«, selbst wenn sich beide getrennt voneinander entwickelt hätten und auch historisch ziemlich unterschiedlich seien. Ebenso trage er mit den »educational games« dem Umstand Rechnung, dass es derzeit Bemühungen von Pädagogen gebe, Spiele zu entwickeln. So sei die Taxonomie ein Flickenwerk, wie auch die Menge der erhältlichen »computer games« ein Flickenwerk sei. Im Verlauf der Zeit und unter den Kräften des Marktes werde sich eine organisiertere und kohärentere Ordnung herausbilden. An seiner Taxonomie könne man dennoch deutlich ablesen, dass es vor allem bei den »skill-and-action games« einige erkennbare Archetypen gebe, auf die jeweils eine Familie von Imitatoren gefolgt sei, die das Szenario variiert und verbessert habe, sowie

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schließlich erfolgreicher gewesen sei. Zudem sei erkennbar, dass »cognitive games« gegenüber den »skill-and-action games« noch immer unterentwickelt seien und auch die Unterkategorien untereinander weniger deutlich ausdifferenziert, was auf kreatives Potenzial hindeute. »A taxonomy reflects the state of the material it attempts to organize. Computer game design is changing quickly. We would therefore expect the taxonomy presented here to become obsolete in a short time. New taxonomies must be created te reflect the changes in the marketplace in the next few years. For the present, however, the proposed taxonomy can provide us with an organized way to view the potpourri of games while suggesting new areas to explore.«26

Erst zwölf Jahre später, im 1996 erschienenen Buch The Ultimate Game Developer’s Sourcebook, versucht sich BEN SAWYER wieder an einem umfassenden Überblick über die ›Game Development Categories‹. Besagtes Kapitel befindet sich im dritten Teil des Buches unter dem Titel ›Designing Different Types of Games‹ im Anschluss an einen kurzen Überblick allgemeingültiger Regeln für erfolgreiches ›Game Design‹. SAWYER unterscheidet 15 Kategorien von Spielen, die er jeweils kurz beschreibt, deren Referenztitel und spezifische ›Design Issues‹ er vorstellt und die er mit einem Ausblick in die Zukunft versieht: »3D ›Point-of-View‹ Games«, »Adventure Games and Interactive Fiction«, »Edutainment Games«, »Fighting Games«, »God Games«, »Multiplayer Games«, »Platform Games«, »Puzzle and Card Games«, »Retro Games«, »Role Playing Games«, »Shooters«, »Simulation Games«, »Sports Games«, »Virtual Reality Games« und »Wargames«. Bei SAWYER stehen diese gleichrangig nebeneinander, werden nicht zusätzlich unterteilt, sondern sind vielmehr in alphabetischer Reihenfolge geordnet. Zudem betont er auf der Titelseite des Kapitels, dass es vor allem darum gehe, von herausragenden Vorbildern zu lernen: »There are memorable games that might help you make yours just as memorable«.27 Vergleicht man die Kategorien bzw. Subkategorien zunächst direkt miteinander, wird deutlich, dass es zum Teil direkte Entsprechungen gibt, während andere Einträge jeweils nur in einer Liste auftauchen. Ein detailierterer Vergleich sollte über Entwicklungen Aufschluss geben. CRAWFORD beginnt seine Taxonomie von 1984 mit den enorm populären »Combat Games«: direkte, gewalttätige Konfrontationen, deren Herausforderung an den »human player« es sei, nicht von Projektilen getroffen zu werden, während die »bad guys« zerstört werden müssten. Unterschiede zwischen den Spielen ergeben sich in erster Linie durch die genutzte »geometry«, etwa »first-person« oder »third-person«, wobei Ersteres spannender und fesselnder, aber auch technologisch deutlich aufwendiger und damit seltener sei, sowie durch die gegnerische Bewaffnung. »Combat games have always been at the heart of computer gaming. Players never seem to tire of them, and it appears they will be around for a long time to come.«28 SAWYER versammelt die von CRAWFORD genannten Spiele in der Kategorie ›Shooters‹, behandelt diese aber nur sehr kurz, da sie sich, obwohl weiterhin produziert, gegenüber den noch immer wohlbekannten Spielhallen-Referenz26 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 19-39, insbesondere 19f., 31, 38f., hier 39. 27 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 157207. 28 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 20-25, hier 25.

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titeln kaum weiterentwickelt haben und sie zudem in ihrer Popularität von den aktuellen 3-D-Titeln abgelöst würden.29 Als sehr erfolgreiche Nische unter den Actionspielen ergänzt SAWYER allerdings die ›Fighting Games‹, die bei CRAWFORD noch nicht auftauchten. Diese haben vor allem mit den wachsenden grafischen Möglichkeiten an Popularität gewonnen und könnten mit interessanten Welten, vielfältigen und in Strategie, Statur und Eigenschaften unterschiedlichen Charakteren sowie mit Spezial- und Geheimattacken, Waffen und Gewalt aufwarten. ›Fighting Games‹ hingen auch in Zukunft von anhaltendem Erfindungsreichtum ab, könnten aber durch Online-Multiplayer, Virtual Reality oder als Teil größerer Spielsysteme weiterhin bestehen. Schließlich hätten Menge und Erfolg der »3D ›Point-of-View‹ Games«, von denen die meisten Science-Fiction»Shoot-outs« seien, trotz des zunehmenden Einsatzes von 3-D-Technologie in praktisch jeder Kategorie, eine neue angesagte Kategorie begründet. In dieser gehe es darum, die Spielenden in eine 3-D-Umgebung zu versetzen, in der sie sich frei, fließend und schnell bewegen und wehrhaft verhalten könnten, wobei vor dem Hintergrund grafischer Leistungsfähigkeit das so wichtige Design und »level editing« häufig vernachlässigt werde. Schließlich sagt er ihnen eine herausragende Zukunft voraus. Besonders fällt auf, dass SAWYER die »3D ›Point-of-View‹ Games« in die Tradition der »Maze Games« stellt, da diese Spiele ebenfalls als Irrgarten aus Räumen, Korridoren und dort platzierten Objekten angelegt seien, in denen sich Spielende zurechtfinden müssten.30 Dabei tauchen die »Maze Games« selbst, die bei CRAWFORD noch die zweite Gruppe der »S&A games« ausmachen, bei SAWYER nicht mehr als Kategorie auf. CRAWFORD hatte darunter vornehmlich Pac-Man und seine vielen Derivate zusammengefasst, bei denen Spielende ihren Weg durch einen Irrgarten suchen müssen, verfolgt von »›bad guys‹«, deren Zahl, Geschwindigkeit und Intelligenz das Tempo und die Schwierigkeit des Spieles bestimmten.31 Beinahe beiläufig erwähnt CRAWFORD dagegen die »sports games«, die populäre Sportarten nachmodellieren, sich dabei aber auch Freiheiten erlauben, um »playability« und »decent designs« hervorzubringen. Dabei handele es sich jedoch um Anachronismen aus der Zeit, als »computer games« keine eigene Identität besessen hätten, es einen Mangel an originellen Ideen gegeben habe und man an bereits bekannte Spielkonzepte hätte anknüpfen müssen. Diese Mauerblümchen des »computer gaming« würden in der Zukunft keinerlei Aufmerksamkeit mehr erfahren.32 Die Einschätzung von CRAWFORD betreffend »Sports Games« erscheint rückblickend als voreilig, wenn SAWYER sie zwölf Jahre später als das »bread and butter« der Computerspieleindustrie sowie »the single best-selling category in all of gaming« bezeichnet. Obwohl es schon sehr früh Simulationen sowohl von fiktiven als auch tatsächlich existierenden Sportarten gegeben habe, sei 29 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 193f. Sawyer spricht hier von einem standardisierten und idealisierten Designschema aus »power ups«, ansteigendem Schwierigkeitsgrad und einem »main monster« als Hindernis am Ende eines jeden Levels, während es noch immer künstlerische Freiheiten (»creative license«) bei Grafik und Hintergründen gebe. 30 »In this respect, many 3D games are not all that different from arcade-style side scrollers where the main goal is to navigate your way through a level until you collect enough points to move up to another level.« Ebd. S. 171-175, 158-163, hier 163. 31 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 25-27. 32 Vgl. ebd. S. 27f.

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das »modern sport game« erst Ende der 1980er-Jahre entwickelt worden, insbesondere durch und in der Nachfolge der Spiele Earl Weaver Baseball (1987) und John Madden Football (1988). Die »basic design formula« die man mit diesen Spielen entwickelt habe, sei die Kombination eines großartigen »arcade game« mit einer durch umfangreiche Statistiken gestützten Managementfunktion, um etwa eigene Teams zusammenzustellen, und einer Präsentation, die sich an Fernsehübertragungen orientiere, mit mehreren Kameraperspektiven, Kommentar, offiziellen Lizenzen usw. Inzwischen seien »Sports Games« als »big profit makers« der am härtesten umkämpfte Markt, der nach enormen finanziellen Mitteln und hoher technischer Expertise verlange, zugleich aber für Electronic Arts und auch andere Firmen eine wesentliche Säule des wirtschaftlichen Erfolges darstelle und dies mit den Möglichkeiten von verbesserter Grafik und Multiplayer bleiben werde.33 Genau wie den »Maze Games« hatte CRAWFORD auch den »Paddle Games« und »Race Games« je eine eigene Kategorie zugeteilt, die so ebenfalls bei SAWYER nicht mehr auftauchen. »Paddle Games« seien allesamt Variationen von Pong, bei denen es darum gehe, ein Projektil mit einem Schläger abzuwehren, um unterschiedliche Ziele zu erreichen, wobei er allerdings an deren zukünftigem Entwicklungspotenzial zweifele. »Race Games«, die in der Regel bei gleichbleibender Geschwindigkeit nur danach verlangten, Hindernissen auszuweichen, seien, laut CRAWFORD, gar keine »true games«, sondern Puzzles, da es an Interaktion mit anderen Spielenden fehle, was sie erst zu einem flexiblen Mittel für Game Design mache.34 Bei SAWYER tauchen Rennspiele, obwohl keineswegs vom Markt verschwunden, nur noch als Randbemerkung bei den Simulationen und Sportspielen auf.35 Schließlich nennt CRAWFORD unter den »skill-and-action games« noch die »Miscellaneous Games«, die sich einer eindeutigen Zuordnung seiner Kategorien entzögen, darunter insbesondere Donkey Kong.36 Es sind diese Spiele, die – 1984 bei CRAWFORD noch ohne Namen oder Kategorie – laut SAWYER nach den »shooters« und »maze games« einen weiteren »fundamental game type« begründeten: »a popular category of games which became known as Platform games.« Zentrale Bedeutung für diese Kategorie hätten ein einzigartiges und durch Puzzles herausforderndes »Level Editing« sowie die Entwicklung von in Eigenschaften und Animation eigenständigen Charakteren. Als dem »most successful arcade game type of all time« gehörten »Platform games« inzwischen zu den ausgereifteren und weiterhin populären Kategorien, weshalb sich ihr »gameplay« trotz grafischer Verbesserungen und des anstehenden Schrittes in die dritte Dimension in Zukunft kaum mehr verändern werde.37 CRAWFORD beginnt die Darstellung der »Strategy Games« mit den »Adventures«, die sich alle auf Adventure, eines der ältesten »computer games«, zurückführen ließen und in dem sich Spielende durch eine komplexe Welt bewegen sowie Werkzeuge und 33 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 198202. 34 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 28f. 35 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 194202. 36 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 29-31. 37 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 182185, hier 182.

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Beute sammeln, um Herausforderungen zu meistern und schließlich das Ziel zu erreichen. »Adventures« hätten dabei bereits mehrere Entwicklungsschritte durchgemacht, häufig angetrieben von einzelnen Innovationen, gefolgt von einer großen Menge an Derivaten, angefangen bei den »pure text adventures«, bei denen man Befehle in einen Parser eingibt, über jene Adventures, die zusätzlich jene Schauplätze abbildeten, in denen sich die Spielenden bewegten, sowie die »giant adventures«, die sich in ihrer Größe über mehrere Datenträger und Umwelten erstreckten, bis hin zum rein grafischen und mit dem Joystick gesteuerten Adventure. Adventures seien allerdings vor allem Puzzles und weniger »games«, da es sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, um statische Hindernisse handele, die keinerlei Herausforderung mehr darstellten, sobald man ihre Lösung kenne.38 Auch SAWYER führt die »Adventure Games«, die zu den »oldest and most popular type of game« zählten, als eigene Kategorie, betont aber durch den Beisatz »and Interactive Fiction«, dass diese Spiele vor allem eine Geschichte erzählten, in denen die Spielenden die Hauptrolle übernähmen und Rätsel lösten, um das Abenteuer zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. Die meisten erfolgreichen Spiele dieser Kategorie seien Teile größerer Produktlinien, die auf konstruierten »game engines« und Entwicklungsumgebungen basierten. Da mit diesen die wesentlichen Fragen von Stil, Interface und Präsentation geklärt seien, könne man sich in der Entwicklung auf Handlung und Charaktere konzentrieren und sich an auch ›reiferen‹ Inhalten für eine erwachsene Zielgruppe versuchen. Die Zukunft dieser Kategorie sei geknüpft an die (auch technologische) Weiterentwicklung des »interactive storytelling«, dem die Adventures, die ohne Zweifel auch weiterhin zu den zentralen Produkten zählen würden, am nächsten stünden.39 Auf die »Adventures« folgt bei CRAWFORD die ›komplett eigenständige‹ Kategorie der »D&D Games«, also alle jene Spiele, die durch das Rollenspielsystem von Dungeon & Dragons inspiriert seien. Dieses freie und informelle Spiel, in dem eine Gruppe von Spielenden unter der Leitung eines »dungeonmaster« eine fantastische Welt erforsche, kooperiere und Konflikte überstehe, um Schätze zu sammeln, auf einen Computer zu übertragen, habe den Vorteil, dass man keine weiteren Mitspielenden brauche und der Maschine zudem das aufwendige Verwalten und Auswürfeln der Werte überlassen könne. Dabei haben es die bisher erhältlichen Spiele jedoch versäumt, den »spirit of D&D« wirklich einzufangen. Inzwischen sei es in Hinblick auf die Nutzung von Text und Grafik, aber auch gewalttätigen Inhalten zunehmend zu Überschneidungen zwischen »Adventures« als Puzzles und »D&D Games« als »true games« gekommen, sodass diese nicht nur schwerer zu unterscheiden seien, sondern mit den »fantasy role-playing (FRP) games« eine eigene Klasse von Spielen begründet haben, deren Kombination aus ›suchen und finden‹ sowie ›feindliche Kreaturen schlagen‹ man häufiger sehen werde.40 Als SAWYER sich zwölf Jahre später dieser Spiele annimmt, behandelt er sie unter dem Titel ›Role Playing Games‹ (RPGs), führt sie aber auch auf die analogen Vorfahren, gespielt mit »pen, paper and dice«, zurück. RPGs eigneten sich besonders für Spielserien, um eine erfolgreiche etablierte Spielwelt mit weiteren Details auszuschmücken, und sollten 38 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 31-33. 39 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 163167. Sawyer verweist interessanterweise auf künftige technologische Entwicklungen, wie sie etwa Chris Crawford in Arbeit habe. Vgl. ebd. S. 167. 40 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 33f.

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entsprechend angelegt werden. Die Spielwelt solle eine möglichst unverwechselbare und interessante Umwelt umfassen, in der eine ganze Gesellschaft mit Charakteren und ihren ›Leben‹ sowie realistischen Systemen als Hintergrund für die Geschichte dienten. So sei denn auch die flexible, dynamische und möglichst situationsabhängige Interaktion mit den Non Player Characters (NPCs) eine der größten Herausforderungen beim Design von RPGs. Schließlich verlange der Kampf als eine Form von »miniature wargame« nach besonderer Aufmerksamkeit, da dieser den Hauptunterschied zu »Adventure Games« ausmache. SAWYER diagnostiziert für RPGs eine Zeit des Umbruches, da man wie bei vielen anderen Spielen auch versuche, eine größere Zielgruppe zu erreichen, ohne das Ideal zu verraten, wobei gerade die Bewegung hin zu »multiplayer gaming systems« eine große Entwicklung sei.41 Als dritte Gruppe der »Strategy Games« nennt CRAWFORD die »War Games«, die als kommerzielles Produkt in Form von Miniaturen und Brettspielen bereits eine 100 Jahre währende Geschichte vorzuweisen haben. »War Games« seien höchst komplex, verfügten über umfangreiche Regelwerke und eine relativ lange Spieldauer, weshalb es sich als plump und schwerfällig erwiesen habe, erfolgreiche und angesehene Brettspiele einfach für ein Computerspiel zu imitieren. Bessere Versuche in diesem noch wenig entwickelten Bereich seien experimentellerer Natur, machten aber von den computereigenen Möglichkeiten der Grafik und des ›Human Engineering‹ Gebrauch. In Zukunft müsse das »Computer war gaming« jedoch sowohl in der Öffentlichkeit als auch unter den meisten Designer/innen eine eigene Identität jenseits des »board war gaming« erhalten.42 SAWYER, der die »Wargames« ebenfalls als Kategorie führt, kann schließlich berichten, diese seien durch die Unterstützung des Computers, etwa durch Multimedia und Geschwindigkeit, auch über die traditionellen »wargame lovers« hinaus, gewachsen. Viele »Wargames« seien besonders betroffen von dem Problem der historischen Genauigkeit, die mit einer angemessenen Herausforderung in Eintracht zu bringen sei, bis hin zu der Möglichkeit, unter den richtigen Bedingungen den Lauf der Geschichte zu verändern. Mit der Weiterentwicklung von Benutzeroberflächen, künstlicher Intelligenz und verbesserter Grafik sowie der Einbindung von Mehrspieleroptionen, Echtzeitberechnung und der Vereinfachung der »play mechanics« – SAWYER nennt explizit Command & Conquer von den Westwood Studios – sei zu erwarten, dass »Wargames« in Zukunft neue Fans finden könne.43 Eher beiläufig erwähnt CRAWFORD auch die seit Jahrtausenden existierenden »Games of Chance«, womit er vornehmlich Würfel- oder Kartenspiele meint. Diese seien zwar leicht zu programmieren, nutzten aber kaum die besonderen Fähigkeiten des Computers, während sie die Vorteile ihres Ursprungsmaterials einbüßten. Diese leidlich erfolgreichen Produkte zeigten die ganze Torheit, Spiele unbedacht von einem Medium auf ein anderes zu übertragen.44 Bei SAWYER gehen die »Games of Chance« in der größer angelegten Kategorie »Puzzle and Card Games« auf, die als kurzer Zeitvertreib oder Pau41 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 188193. »And, both Interplay and Origin, among other notable RPG producers, are planning major online RPGs for the coming year.« Ebd. 42 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 34-36. 43 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 204207. 44 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 36f.

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senbeschäftigung angelegt seien und sich trotz ihres schlechten Rufes unter Entwickler/innen vor allem in Form von Spielesammlungen gut verkauften. Solche »puzzle, card or basic boardgames« seien besonders erfolgreich und auch von der Kritik gefeiert, weil es ihnen gelinge, ein einfaches Spiel in ein einzigartiges »gaming environment« zu versetzen und entsprechend mit multimedialen und anderen Spielelementen zu versehen. In dieser Form würden die »Puzzle and Card Games« auch weiterhin bestehen.45 Tab. 3: Vergleich der Taxonomien für Computerspiele ›A Taxonomy of Computer Games‹ nach Crawford (1984) Combat Games SkillAndAction Games

›Game Development Categories‹ nach Sawyer (1996) Shooters Fighting Games

Maze Games

3D »Point-of-View« Games

Sports Games

Sports Games

Paddle Games Race Games

Strategy Games

Miscellaneous Games

Platform Games

Adventures

Adventure Games and Interactive Fiction

D&D Games

Role Playing Games

War Games

Wargames

Games of Chance

Puzzle and Card Games

Educational And Children’s Games

Edutainment Games God Games Simulation Games

Interpersonal Games Retro Games Virtual Reality Games Multiplayer Games Quelle: Nach CRAWFORD (1984) und SAWYER (1996)

45 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 185187.

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Als fünfte Kategorie nennt CRAWFORD die »Educational And Children’s Games«, die – obwohl alle Spiele in irgendeiner Weise lehrreich seien – explizit mit Zielen der Vermittlung entwickelt werden. Bisher gebe es erst sehr wenige Spiele in dieser Kategorie, da an Vermittlung interessierte Personen bisher wenig Interesse an »game design« gezeigt hätten. Dennoch haben diese Spiele ein großes Potenzial und motivierende Energie, sodass mit hervorragenden Ergebnissen zu rechnen sei. Tatsächlich ist die Entwicklung dieser Kategorie das beste Zeugnis für die Einschätzung CRAWFORDS, dass die »cognitive games« unterentwickelt seien und deutliches Potenzial für Kreativität und Ausdifferenzierung besäßen.46 So finden sich Spiele, die CRAWFORD noch in dieser einen Kategorie zusammengefasst hatte, bei SAWYER in gleich drei neuen Kategorien wieder: »Edutainment Games«, »God Games« und »Simulation Games«. »Edutainment Games« seien in der Lage, die Spielenden so glücklich zu beschäftigen, dass Lernprozesse möglichst unerkannt angestoßen würden, wobei auch SAWYER betont, dass beinahe jedes Spiel »educational« sei, da es ein gewisses Maß an strategischem Denken erfordere. Grundsätzlich gebe es in dieser Kategorie viele spezifische Problemstellungen zu bedenken, etwa die angestrebten Lernziele oder Lehrinhalte zur Positionierung des eigenen Spieles, die Anforderungen bestimmter Altersgruppen, die Möglichkeit, bekannte Marken oder Charaktere zu lizensieren, oder die Notwendigkeit, Spielende und Käufer/innen gleichermaßen anzusprechen. Die Zukunft der »Edutainment Games« hänge davon ab, Spiele und Inhalte zu fesselnden Erlebnissen zu verbinden, liege aber womöglich auch in komplexen Lernumgebungen, die unterschiedlichste Formen von Informationsaufbereitung anböten, darunter Spiele. »God Games« statteten die Spielenden mit einer gewaltigen Kontrolle über Makro- und Mikrosysteme aus, ließen sie Handlungen planen sowie Ressourcen verteilen und ermittelten auf dieser Grundlage ein Resultat, wobei es die Aufgabe sei, das sich entwickelnde System, etwa eine Gesellschaft, so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. SAWYER betont dabei, dass es sich bei »God Games« um »the most basic form of simulation games« handele, die anders als Fahr- oder Flugzeugsimulationen jedoch größere und komplexere Systeme abbildeten, was enorme Anforderungen an Recherche und »Systems Modeling« stelle. Diese Spiele hätten für sich eine komfortable Nische als »novel learning, strategic, and fun gaming experience« gefunden, die gerade mit den Möglichkeiten der Vernetzung in eine strahlende Zukunft blickten.47 »Simulation Games« – »among the strongest category of games ever made« – seien vor allem computerisierte Modelle von Fahr- und Flugzeugen, aber auch Raumschiffen oder technischen Anlagen. Angeführt von zivilen und militärischen Flugsimulationen reiche das Spektrum weit über die häufig assoziierten Kriegsanwendungen hinaus bis hin zu motorisierten Wettrennen, Flugschauen oder fiktiven Weltraumschlachten. Aber auch viele andere Spiele hätten beträchtliche »simulative qualities«; so handele es sich beim gängigen »wargame« ebenso wie bei vielen »sports games« um Simulationen. Simulationen stünden in ihrem Bestreben, der Realität möglichst nahe zu kommen, stets vor der Herausforderung, die richtige Menge an Details einzubinden, um zwar realistisch, aber nicht 46 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 37-39. 47 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 167171, 175-178. Sawyer nennt als erstes Beispiel, das er gespielt habe, Hamurabi, das Crawford noch den »Educational And Children’s Games« zuordnete, wobei etwa SimCity und andere Maxis-Titel zugleich als nichttraditionelle »Edutainment Games« aufführt. Vgl. ebd. S. 168170. Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 37.

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langweilig oder zu komplex zu wirken. Andere Herausforderungen seien die Einbindung einer Geschichte sowie spannender Missionen, die Entwicklung einer für möglichst viele Titel nutzbaren Grafik-»Engine« und das Einbringen neuer Ideen jenseits einer verbesserten Präsentation. Simulationen seien bisher vor allem vom Fortschritt der 3-D-Technologie abhängig gewesen, böten aber dennoch Raum für Kreativität.48 Als letzte Unterkategorie nennt CRAWFORD schließlich ›Interpersonal Games‹ und meint damit vor allem seine eigenen Experimente, im Rahmen eines Spieles Beziehungen zwischen Individuen oder Gruppen etwa durch Konversationen zu beeinflussen. Diese bisher nicht entwickelte Kategorie sei vor allem deshalb aussichtsreich, da sie wichtige Fantasien bediene und Themen wie etwa Unternehmenspolitik, Seifenopern, Schauer- und Liebesgeschichten, internationale Diplomatie oder Spionage umfassen könne. »Other art forms devote attention to interpersonal relationships; it is only a matter of time before computer games follow a similar course.«49 Bei SAWYER findet sich jedoch kein vergleichbarer Eintrag mehr. Er behandelt dagegen mit »Multiplayer Games«, »Retro Games« und »Virtual Reality Games« gleich drei Kategorien, die keine Entsprechung bei CRAWFORD haben. SAWYER stützt so dessen These von der Zeitabhängigkeit der Taxonomien, indem SAWYER beschreibt, »Multiplayer Games« seien »the hottest buzzword in game development for 1996 and beyond«, »Retro Games« (Spiele älter als 10 Jahre) seien »a really fast-growing category« und »Virtual Reality Games« »the catch phrase of the 90’s«. »Multiplayer Games« kämen in vielen Formen vor: vom gemeinsamen Spielen am Computer im selben Raum über per Modem oder lokalem Netzwerk verbundene Computer bis hin zu den zukünftigen Möglichkeiten von über das Internet erreichbaren Spieleservern oder Online-Services. Besonders zu beachten seien dabei das Geschäftsmodell, die Notwendigkeit ganze Spiel- und Kommunikationsumgebungen anzubieten, sowie die steigenden Anforderungen an ›künstliche Mitspieler‹. Ohne Zweifel seien »Multiplayer Games«, da sie noch in ihrer Frühphase steckten, einer der wichtigsten, aber auch abenteuerlichsten Wachstumsbereiche der Zukunft. »Retro Games« seien die spektakulären ›Klassiker‹ insbesondere von den Spielhallen und Spielkonsolen der späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre, die auf neueren Systemen wieder zugänglich gemacht würden (»exact replica«) oder ein neues modernisiertes Äußeres erhielten, dabei jedoch das Originalspiel bewahrten (»new version«). »Retro Games« würden zu einer willkommenen Facette der Computerindustrie, sodass auch zukünftige Generationen an diesen frühen Spielen Freude haben könnten. Schließlich wendet sich Sawyer noch den »Virtual Reality Games« zu, die mit aufwendigen Installationen, insbesondere den »head mounting displays« sowie der Bewegungssensorik, realistische 3-DUmwelten erzeugten und nun jenseits von Vergnügungsparks, Spielhallen usw. erstmals auch für den Heimgebrauch erschwinglich seien. Derzeit sei die Technologie zwar noch nicht ausgereift, doch fehle es vor allem an Geschichten, Charakteren und glaubhaften Spielwelten, die allerdings in Abhängigkeit von zusätzlicher, neuer und teurer Hardware entwickelt werden müssten. Angesichts der vielen gescheiterten Produktentwicklungen 48 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 194198. Sawyer nennt als frühe Beispiele auch Chris Crawfords Simulationen eines Kernkraftwerks SCRAM und eines Energieunternehmens Energy Czar, die dieser selbst unter »Educational And Children’s Games« eingeordnet hatte. Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 37. 49 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 38.

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werde es noch lange dauern, bis die beeindruckenden Möglichkeiten der »Virtual Reality Games« wirklich den Massenmarkt erreichten.50 In der produktionstheoretischen Betrachtung der Spielkategorien als Kunstgattungen liegt der besondere Wert in ihrem Wandel, der in der Kunstliteratur stets aufs Neue nach Begründungen verlangt.51 Im direkten Vergleich beider ›Taxonomien‹ wird deutlich, wie sich die Menge der verfügbaren Spiele zwischen 1982 und 1996 entwickelt hat, dass sich aber zugleich auch die Wertmaßstäbe der Bewertung der Gattungen veränderte.52 CRAWFORD schätzt im Rahmen seines Buches die intellektuellen Herausforderungen und narrativen Möglichkeiten der »strategy games«, wie sie auf Personal Computern heimisch sind, deutlich mehr als die simplen, auf Hand-Augen-Koordination ausgelegten »skill-and-action games«, wie sie vor allem für Heimkonsolen und Spielhallen typisch sind. Für BEN SAWYER sind dagegen vor allem Popularität und wirtschaftlicher Erfolg ausschlaggebend für die Aufnahme einer Kategorie, was notwendigerweise zu Auslassungen führt, aber auch zu starken Ausdifferenzierungen am anderen Ende des Spektrums. Damit bietet er vornehmlich einen temporären Überblick über den Spielemarkt und weniger eine sachlogische Systematik der »computer games«, womit aber zugleich die bei CRAWFORD formulierte Vorstellung in den Hintergrund rückt, man könne durch eine solche Untersuchung unterentwickelte Leerstellen auffinden. Vielmehr rücken Referenztitel bzw. »benchmark games« in den Mittelpunkt, was auf eine Form ›systemischer Schließung‹ der Spieleindustrie hindeutet, in der als wichtigste Quelle der Kreativität das Studium der Vorbilder tritt.53 Die noch bei CRAWFORD implizierte Ge50 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 178181, 187f., 202-204, hier 178, 187, 202. 51 Vgl. U. Pfisterer: Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Stuttgart 2002. S. 95-126. Wie schon Claus Pias festgestellt hat, herrscht an Gliederungsversuchen kein Mangel. Doch anders als die dort genannten beliebig-systematischen und anthropologischen Versuche oder dessen medienhistorische Aufarbeitung der drei »Gegenstandgruppen oder Äußerungsmengen« (Foucault), für die er die Begriffe ›Action‹, ›Adventure‹ und ›Strategie‹ verwendet, geht es bei den nachfolgenden Gattungen eben nicht um feststehende Qualitäten, sondern um deren Veränderlichkeit, variierende Beschreibung, Zuteilung und Bewertung. Vgl. C. Pias: Computer Spiel Welten. München 2002. S. 10, Anm. 4, passim. 52 Obwohl genauere terminologische Untersuchungen fehlen, lässt sich überblicksartig sagen, dass die Bezeichnung ›Genre‹ für die unterschiedlichen Typen von Spielen erst im Verlauf der 1990er-Jahre in Zeitschriften gängig wird, wenn auch bis heute nicht verbindlich. So etwa in der Computer Gaming World im Jahr 1998 nach einem größeren Relaunch des Layouts: »Our reviews are categorized by genre. Not every game fits neatly into a single genre, but here’s how we define the categories in general [...].« o.A.: The Game Genres. In: CGW, No. 168, Jul. 1998. S. 139. Benjamin Beil weist darauf hin, dass – analog zum Film – das ›Genre‹ vornehmlich als Mittel zur Vermarktung und Selektion – also als Kategorie der Rezeption, die jedoch auf die Produktion zurückwirkt – virulent wird. Vgl. B. Beil: Genrekonzepte des Computerspiels. In: GamesCoop: Theorien des Computerspiels. Hamburg 2012. S. 13-37, hier 17-19. 53 Aus produktionstheoretischer Sicht greift folglich Campbell-Kellys Bemerkung etwas kurz, das »genre publishing« in Kategorien wie »racin’, fightin’ or shootin’« sei vor allem die erste bewusste Strategie des Risikomanagements in der Spieleindustrie gewesen, um die Erwartungshaltung des Publikums zu lenken, einen Rahmen für das Verständnis für ähnliche Funktions-

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wichtung der Gattungen ist Mitte der 1990er-Jahre, angesichts des enormen kommerziellen Erfolges einzelner Kategorien, aber auch im Zuge der Anerkennung lukrativer Nischen aus dem Denken weitestgehend verschwunden. Damit gehört aber auch die Höhergewichtung des Personal Computers, die für CRAWFORD noch selbstverständlich war, spätestens zu Zeiten von SAWYERS Buch der Vergangenheit an.54 Computer Game Design »[C]ould we refer to ourselves as ›computer game designers‹ instead of ›video game designers‹? I have always associated the term ›video game‹ with arcade games and the Atari 2600. We’ve come a long ways since those days and don’t need to use a term that has, in some people’s minds, a tawdry connotation.« Chris Crawford/The Journal of Computer Game Design55

Im Februar 1982 hielten die beiden Ingenieure und Designer für Atari-Spielautomaten ED LOGG und MIKE ALBAUGH im Rahmen der COMPCON, der vierundzwanzigsten internationalen Konferenz der IEEE Computer Society, abgehalten in San Francisco, einen Vortrag unter dem Titel ›A Comparison of Coin Operated and Home Games‹, angesiedelt in der Sektion ›Heroes and Unique Aspects of Computer Games‹. Die Vortragenden betonten dabei, dass selbst wenn sowohl Spielautomaten als auch Spiele auf einem »personal computer« oder »computer terminal« für die Verwaltung von Daten und die Steuerung von gegnerischen oder verbündeten Einheiten einen Computer – also einen Mikroprozessor – verwendeten, sie doch in vielerlei Hinsicht verschieden seien. Die Auswahl an Spielen, welche man auf dem Markt für münzbetriebene Automaten einerseits und den Hausgebrauch andererseits realisieren könne, sei grundlegend verschieden. Ziel und Steuerung eines Automatenspieles müssten ohne Konsultation eines Handbuches verständlich sein, weshalb es sich in der Regel um Spiele der Hand-AugenKoordination handele, die Intensität und Begeisterung bieten, ohne dass man sich viele Gedanken machen müsse. Anders als bei »home games« setze sich der Markt für Automaten zum größten Teil aus unregelmäßig Spielenden zusammen, sodass für langwierige Spiele, die man an einem anderen Tag fortsetze, Spiele mit umfassenden Regelwerken, langen Phasen des Nachdenkens und der Notwendigkeit, große Mengen Geld für eine langsam voranschreitende Partie zu investieren, keine Nachfrage bestehe. Beinahe alle erfolgreichen Automatenspiele würden zwar auch für die Heimgebrauch lizenziert, wowiesen, Steuerung und Regeln zu bieten und so die Lernanforderungen niedrig zu halten, bevor man sich der Werbewirkung von Filmlizenzen oder Berühmtheiten zugewandt habe. Vgl. M. Campbell-Kelly: From Airline-Reservations to Sonic the Hedgehog. Cambridge/MA u.a. 2004. S. 45, 281. 54 Beide Autoren sind zudem fest in der US-amerikanischen Perspektive verhaftet, sodass etwa Wirtschafts- und Aufbausimulationen, die eine so wichtige Rolle für die Spieleentwicklung in Deutschland spielten, gar nicht erst erwähnt werden. 55 Vgl. G.C. Metos: Re – Whence come computer game designers? In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 2f.

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bei allerdings stets Kompromisse in Bezug auf Geschwindigkeit und »game play« gemacht werden müssten, um diese auf einem Universalgerät umsetzen zu können. Ein »home game« biete deutlich mehr Optionen, etwa in der Auswahl von Schwierigkeitsgraden, während ein Automat nur durch eine langsam ansteigende Schwierigkeit differenzieren könne. Zusätzliche Unterschiede bestünden in der Implementierung, die bei Automaten ausschließlich in Assembler-Maschinensprache, bei »home games« aber auch in höheren Programmiersprachen vorgenommen werde, dem Testing, wobei ein Automat erst nach erfolgreichem »field test« in Produktion gehe, der Werbung, die sich nur bei »home games« direkt über TV und Anzeigen an Konsumierende wende, und schließlich dem Problem der Piraterie, die bei Spielautomaten deutlich seltener, weil aufwendiger und leichter nachzuweisen, sei. Sie fassen zusammen: »The primary differences between coin operated and home games arise from the fact that the market for the two types of games is different. This affects the programming language used, the design of the visual displays, monitor orientation, game choice, controls and many other factors. The parts of a coin operated game are usually designed for a particular game, whereas home video games are designed to use the universal television raster-scan hardware and general-purpose computer. Home games that imitate coin operated games often don’t have the speed and the intensity of the original. However, a broader range of games can be implemented as home games.«56

Im zweiten Teil der Artikelserie ›Real World Gaming‹, erschienen im Herbst 1982, antwortete DANI BUNTEN mit einer humorvollen Eröffnung auf den Vorwurf, sich in extremistischer Weise gegen »arcade games« und »hand/eye coordination« ausgesprochen zu haben: »The scene opens with an evangelist behind a pulpit gesturing wildly. He shouts, ›We must stop the spread of the demon spawned arcade games that are destroying the minds of our people. Repeat after me—I believe in Strategy Games ...‹«. BUNTEN vertrete keine extremistische Position, sondern habe vielmehr eine Schwäche für farbenfrohe Grafik und Animationen, dennoch brauche es auch etwas, das das Hirn fordere und nicht nur die Sinne.57 In der Einführung zur Artikelserie hatte BUNTEN bemerkt, dass es unter den »computer games« eine Vielzahl an unterschiedlichen Typen von Spielen, Geschmäckern und damit Zielgruppen gebe: »arcade/action games«, die zweifellos derzeit auf das größte Interesse stießen, »adventure games, wargames, business games, sports games, fantasy games and so on and so on«. Mit dem Beitrag solle auf das enorme Potenzial der »simulation games« hingewiesen werden, wenn es Game Designer/innen nur gelänge, bessere Spiele zu entwickeln. »Simulation Games« haben eine lange Geschichte und lassen die Spielenden ein Unterfangen des realen Lebens erfahren, das einem normalerweise nicht offen stünde, wie etwa eine Karriere als Immobilien- oder Industriemagnat/in, Welten-

56 Vgl. E. Logg, M. Albaugh: A Comparison of Coin Operated and Home Games. In: IEEE Computer Society (Hg.): COMPCON ’82, Digest of Papers. Los Alamitos/CA 1982. S. 7072, hier 72. 57 Vgl. D. Bunten: Real World Gaming, Game System Definition. In: CGW, Vol. 2, Is. 5, Sep./ Oct. 1982. S. 35f., hier 35.

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retter/in, Kunstpilot/in, Anführer/in oder Athlet/in.58 Alle diese Spiele vereinfachten allerdings die reale Welt, um die Spielbarkeit sicherzustellen, nicht selten um den Preis, nur noch einen abstrakten Schatten der realen Welt zu bieten. »Before the advent of computer games, most games were either so abstract as to have only a vague resemblance to reality or were so complex as to be unplayable for most people. But the computer offers the possibility of creating games that make realism playable. [...] Computers can reduce the conflict between the complexity necessary for realism and the simplicity required for playability.«

Der Computer könne im Hintergrund sämtliche Daten, Aufstellungen und Tabellen verwalten sowie alle notwendigen Analysen und Berechnungen leisten, um ein gutes Modell der realen Welt bereitzustellen, sodass sich die Spieler/innen auf reale Fakten und Entscheidungen konzentrieren und etwas über die Komplexität der Tätigkeit lernen könnten. »These games would be ›educational‹ without your even knowing that you are learning. They would be exciting in ways that arcade games couldn’t possibly be. There are limits to the challenge of just coordinating a hand on a joy-stick with an eye on a video screen. But, since simulation games add a mental aspect, there are no bounds to the potential for fulfillment. (It’s been said that there is no toy like the human mind.)«

Dass Simulationen dennoch nicht besonders erfolgreich seien, liege nicht an einer generellen Abneigung gegenüber Denkaufgaben. Personal Computer würden derzeit in jedem Falle von der richtigen Zielgruppe gekauft, sodass der Großteil der »computer games audience« zur intelligenteren, gebildeteren und wohlhabenden Elite gehöre. In der Tradition der Brettspiele werde Realismus jedoch noch immer mit Komplexität assoziiert, was diese unattraktiv mache. Leider würden noch immer überkommene Konventionen genutzt, während zugleich viele neue Möglichkeiten des Computers ungenutzt blieben wie etwa Grafik oder kontinuierliche physische Beteiligung. Interessant ist, dass CRAWFORD den Begriff »computer game« in seinem 1984 erschienenen Buch The Art of Computer Game Design noch als Sammelbegriff für das breite Spektrum an unterschiedlichen Erscheinungsformen der Spiele einführt. »Computer games« bildeten eine eigene Kategorie neben z.B. Brettspielen, Kartenspielen und athletischen Spielen. Nur die jüngste Mode der ›Games‹ würde auf fünf unterschiedlichen Typen von »game computers« gespielt: erstens teure und zweckgebundene Spielautomaten, zweitens preiswerte und zweckgebundene, tragbare Geräte, drittens vielseitig ein58 Bunten nennt »real estate tycoon« in Monopoly, »›would be‹ military strategists« in ›Wargames‹ und selbst Spielautomaten bieten eine Art »›role playing‹ simulation game«, in dem man etwa die Welt vor einem gefürchteten Feind retten könne. D. Bunten: Real World Gaming, Introduction. In: CGW, Vol. 2, Is. 4, Jul./Aug. 1982. S. 35f. »In the real world there are numerous examples of activities that are exciting as well as challenging. We have probably all wondered at times what it would be like to be a stunt pilot, a historic leader, a business tycoon or a great athlete. Why not have games that let us experience these things?« D. Bunten: Real World Gaming, Game System Definition. In: CGW, Vol. 2, Is. 5, Sep./Oct. 1982. S. 35f., hier 35.

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setzbare »home game machines«, viertens ›Personal Computer‹ und fünftens Großrechner. Der Computer fungiere in vielen dieser Spiele als Gegner und Schiedsrichter und sorge zudem häufig für animierte Grafiken.59 Im Anschluss widmete er dann gleich ein ganzes Kapitel der Frage was den Computer als eine ›Game Technology‹ von anderen Technologien unterscheide.60 »Every art form is expressed through a physical medium. The control and manipulation of the medium is a technical problem the artist must master. Thus the sculptor must thoroughly understand the limitations of marble or bronze. The painter must understand the technology of paint and the behavior of light. The musician must be deeply skilled in the technology of creating sound. So too must computer game designers thoroughly understand their medium. The computer offers special possibilities and imposes special constraints on the designer.«

Es gebe insgesamt sechs Eigenschaften, die den Computer gegenüber anderen Spieltechnologien wie Spielkarten oder -brettern auszeichneten. Das erste Charakteristikum des Computers sei dessen Reaktionsfreudigkeit (›Responsiveness‹), welche über die Interaktivität eines jeden Spieles entscheide und vielfältige Reaktionen auf menschliche Spieler/innen erlaube. Der Computer könne die Spielgeschwindigkeit, -dauer und schwierigkeit bis hin zu den Spielregeln individuell und dynamisch anpassen, da selbst während einer Partie alle Elemente und Parameter veränderlich seien. Bei guten Beispielen könne man als Spieler/in aus einer großen Menge verschiedener Einstellungsoptionen wählen und auch zu mehreren spielen. Diese Uneingeschränktheit und Flexibilität sei von zentraler Bedeutung für Game Designer/innen, auch wenn diese noch zu wenig Gebrauch davon machten. Der Computer habe zudem die Möglichkeit, als Schiedsrichter zu fungieren, alle notwendigen Aufsichtsaufgaben zu übernehmen und selbst komplexeste Regeln zu handhaben, sodass sich die Spieler/innen aufs Spielen konzentrieren könnten. Ein anderer Vorteil des Computers sei es, mit seiner enormen Rechengeschwindigkeit Spiele ohne Pausen, Verzögerungen oder die Aufteilung in Züge in Echtzeit zu berechnen und ablaufen zu lassen. Der Computer könne außerdem als Gegner eingesetzt werden und sei etwa beim Schach ein gutes Beispiel für künstliche Intelligenz, wenn auch die meisten Spiele noch immer zahlenmäßige Überlegenheit statt raffinierter Algorithmen einsetzten. Darüber hinaus könne der Computer auf zweckdienliche Weise die Menge der an die Spieler/innen weitergegebenen Informationen begrenzen, was nicht nur Vermutungen über komplexe und teilweise unbekannte Systeme zu einem interessanten und sehr realen Teil des Spieles mache, sondern auch dazu beitrage, die Vorstellungskraft anzuregen, die Illusion von Realität zu steigern und in die »fantasy world« hineinzuziehen. Schließlich habe der Computer den Vorteil, Daten mit anderen Computern über die Telefonleitung austauschen zu können, was es ermögliche, viele Spieler/innen in einem Spiel zusammenzubringen, selbst wenn viele administrative Probleme noch nicht gelöst seien. Wie jede Technologie habe der Computer allerdings auch Schwächen, von denen die schmerzhafteste die begrenzten Fähigkeiten der Ein- und Ausgabe seien. Die Reaktionsfreudigkeit des Computers sei leider nichts wert, wenn man als Spieler/in nicht sagen könne, was man wolle, und nicht verstehe, was dieser antworte. Vor allem guter Grafik 59 Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 3f. 60 Vgl. ebd. S. 41-58.

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komme dabei eine große Bedeutung zu, diese sei aber wegen vieler Beschränkungen oft nur schwer zu realisieren. In gleicher Weise seien die Eingabegeräte für Computer sehr restriktiv, da sie nur wenige (Joystick) oder fehleranfällige (Tastatur) Eingaben ermöglichten und zudem nur indirekte und kompliziert mit realen Handlungen zusammenhingen. Der Computer leide darüber hinaus an seiner Ein-Spieler/in-Orientierung am heimischen Schreibtisch, wenn man sich nicht auf die mühsame und störende Prozedur einlasse, die Sitzplätze zu tauschen, was Computerspielen ihren antisozialen Ruf eingebracht habe. Schließlich müsse der Computer mühsam und schwierig programmiert werden, was gegenüber anderen Technologien, deren Produktion – vermittelt über Entwürfe, Prototypen und Platzhalter – delegiert werden könne, besonders harte Anforderungen an Game Designer/innen stelle; »the programming effort exerts a major influence over the design process. Implementing a design well is a majot hurdle for any computer game designer.« Überdies formuliert CRAWFORD auf dieser Grundlage insgesamt sieben Regeln (›Precept‹), um von den Stärken und Schwächen der Technologie optimalen Gebrauch machen zu können. Erstens solle man eine Maschine ›nicht gegen den Strich bürsten‹, sich unrealistische Ziele setzen und dieser Aufgaben zumuten, die ihr nicht angemessen seien. Der Computer sei Diener der Designer/innen, deren Aufgabe es sei, die maximale Leistung aus ihm herauszuholen und ihn nur solche Funktionen ausführen zu lassen, die er gut ausführen könne. Und obwohl es sich um eine weitverbreitete fehlgeleitete Praxis handele, solle man zweitens ein Spiel nicht von einem Medium, für das es ursprünglich entwickelt worden sei, auf den Computer übertragen. Es sei ein Symptom des Umstandes, dass man sich in einer frühen Phase des »computer games design« befinde, sich an bereits existierenden Technologien zu orientieren, was sich jedoch rückblickend als wenig raffiniert erweisen werde. »Any memorable work of art is as much a product of its vehicle of expression as it is a work of imagination. Shakespeare reads best in Elizabethean English; translation to modern English loses the linguistic panache we find so entertaining. The rhetoric of Isocrates, dull and drab in English, acquires a thrilling cadence in acient Greek. Great books that touched our souls when we read them almost always disappoint us when we see their movie adaptations. Why should computer games be immune to this law of loss-in-translation?«

Drittens solle man ein Spiel stets um die Ein- und Ausgabe herum entwerfen, da es tatsächlich eine der größten Schwächen des Computers sei, Informationen zwischen Maschine und Mensch hin- und herzubewegen. Durch die Aufteilung des Bildschirmes und die Ausgabe von Geräuschen müsse die Information an die Spieler/innen möglichst direkt und natürlich fließen, um nicht »good game structures« oder »architectural beauties« mit verwirrenden Ausgaben und frustrierenden Eingabemöglichkeiten zu zerstören; »What can and annot be displayed, what can and cannot be input must decide the shape of the game. [...] The quality of a game’s I/O strcture is crucial to its success.« Game Designer/innen müsse es viertens eine Herzensangelegenheit sein, die Gesamtstruktur eines Spieles ›sauber zu halten‹, um nicht bei der Entwicklung der Details oder bei Problemen allzu schnell und ohne Rücksicht auf die Wirkung solcher Pfuschereien, Flicken an die Struktur zu heften. »A game must have artistic unity to have emotional impact on its audience. Artistic unity can only be achieved by sticking to the theme and eschewing distracting details.« Auch der Einsatz stilistischer Mittel (›color‹), jener Textur und Haptik, welche für Glaubwürdigkeit sorge, brächte stets solchen Schmutz, der

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nichts zum Thema des Spieles beitrage, mit sich, und müsse folglich gegen diesen abgewogen werden. Idealerweise finde jede Regel universell im Spiel Anwendung, anders als es die ›gigantische Gemenge‹-Schule des Game Design praktiziere, einfache Strukturen mit Spezialregeln und -inhalten (›features‹) zu überhäufen. Fünftens werde die Fähigkeit des Computers, Daten zu verarbeiten, statt sie nur zu speichern, häufig missverstanden, weshalb es gelte, ein Gleichgewicht zwischen der Speicherung und Verarbeitung von Informationen zu finden, nicht den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und auf große Datenmengen und ›Schmutz‹ zu setzen. Wer den Computer nur einsetze, um statische Informationen abzulegen und aufzurufen, mache von seinen Möglichkeiten keinen angemessenen Gebrauch – von den fundamentalen Eigenschaften des »game play« wie Interaktivität, Dynamik, Plastizität und Reaktionsfreude – und produziere eher eine Geschichte als ein Spiel. Sechstens sollten Abzweigungen im Spielverlauf möglichst sanft, nicht im vorausgehenden Entwicklungsprozess durch die Designer/innen, sondern im Moment des Spielens durch die Spielregeln definiert werden. Obwohl auch diese Entscheidungen immer dieselben seien, verändere sich ihre Bedeutung in jeder Situation. Während jede harte Entscheidung durch die Designer/innen von Hand angelegt werden müsse, bräuchten bei sanften Entscheidungen nur Optionen für ganze Gruppen möglicher Fälle definiert werden, die jedoch durch die Vielzahl von Variablen stets voneinander zu unterschieden seien. Es handele sich um ein grundlegendes Prinzip, zutiefst verschachtelte und weithin miteinander verbundene Abzweigungen zu entwickeln, und doch werde es immer wieder ignoriert. Schließlich fordert CRAWFORD an siebter Stelle die »Unity of Design Effort« und damit die Einheit von Designer/in und Programmierer/in in einer Person, anstatt diese Aufgaben »design teams« zu überlassen. Als »nontechnical« Game Designer/in stelle man unrealistische Ansprüche, als »nonartistic« Programmierer/in lasse man Möglichkeiten ungenutzt, beide seien für die schwer zu erlernende Tätigkeit des jeweils anderen blind und behinderten sich mit ihren Stilen gegenseitig. Erst von Individuen, die mit beiden Fähigkeiten ausgestattet seien und die als »single mind« den kreativen Prozess an der Spitze eines Projektes in sich vereinen, könnten auch Untergebene unterschiedliche Teile aus Design und Programmierung übernehmen, ihre kreative Energie multiplizieren und selbst ein wertvolles Training erhalten. Um »good computer games« zu produzieren, sei es notwendig, mit einem »good designer« zu beginnen, »an individual with artistic flair and a feel for people«, der sich das Programmieren aneignen müsse. Andersherum funktioniere der Prozess nicht, »for programmers are made but artists are born«. Der Computer sei nur eine Technologie unter vielen, die manches gut und manches schlecht leiste. Es sei die Rolle der Künstler/innen den Schwächen aus dem Weg zu gehen und die Stärken zum größten Vorteil zu verwenden. In diesen frühen Zeugnissen zeigt sich die grundlegende Herausforderung, die spezifischen Gerätschaften in den ihnen eigenen Stärken und Schwächen wahrzunehmen und etwa den Heimcomputer bzw. Personal Computer nicht bloß als heimische Spielhalle ohne Notwendigkeit des Münzeinwurfes zu verstehen,61 sondern zu fragen, welche spezi61 In diesem Sinne hatte etwa Gregg Williams, ›Senior Technical Editor‹ der Zeitschrift BYTE, noch in der Dezemberausgabe 1981 die traumhafte Vorstellung beschrieben, eine verborgene Spielhalle zu betreten, in der die Automaten keine Einwurfschlitze besitzen. »Strictly speaking,

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fischen Spiele angesichts einer spezifischen Konstellation aus Hardware und Rechenleistung, Produktions- und Finanzierungsmodell, Zielgruppe und Nutzungsverhalten möglich sind oder was in dieser spezifischen Konstellation angemessen ist. Die auf diese Weise bestimmte Differenz verläuft entlang der beiden Phänomene ›Computer Games‹ auf der einen und ›Video Games‹ auf der anderen Seite, gelegentlich ergänzt um ein drittes: ›Arcade Games‹ bzw. ›Coin-Op Games‹. Sie trat als erstes innerhalb des Unternehmens Atari zutage, das als erstes und einziges Unternehmen alle drei Phänomene bediente und das aus produktionstechnologischen sowie organisatorischen Gründen gezwungen war, intern zwischen diesen zu differenzieren. So war ab 1973 ›Coin-Op Division‹ für die Entwicklung neuer Spielautomaten zuständig. Aufbauend auf den etablierten Marken und Spielprinzipien folgte 1975 die ›Consumer Products Division‹, welche die Konsolen Home Pong (1975) sowie Atari VCS bzw. Atari 2600 (1977) für die Verwendung am heimischen Fernsehgerät auf den Markt brachte. Neben ihren anderen Aufgaben waren sowohl die ›Consumer Engineering Group‹ als auch die ›VCS Software Group‹ im Rahmen des ›Home Computer Project‹ an der Forschung und Entwicklung für die beiden im Jahr 1979 erschienenen Heimcomputer Atari 400 und 800 beteiligt, für deren Betreuung schließlich die ›Home Computer Division‹ eingerichtet wurde. Alle diese Abteilungen bedienten jeweils unterschiedliche Geräte, Märkte und Zielgruppen (Abb. 4). Wie CRAWFORD jedoch selbst in seinem kursorischen Rückblick auf die ›Atari Years‹ zusammenfasst, hatte der Untergang von Atari in den Jahren 1983 und 1984 die gesamte Spieleindustrie in Mitleidenschaft gezogen. »The videogame industry died in 1983; home computer sales boomed in Christmas 1983. Nevertheless, entertainment software sales for disk-based machines died in 1984. At the time, it made no sense. Those of us in the home computer industry had thought that, with the death of videogames, the mantle had been passed to a new generation: us. Instead, videogames dragged us down with them. Computer games were too closely identified in the public mind with videogames. The dramatic collapse of the videogame industry convinced everybody that this had been just a passing fad. They turned their backs on everything.«62

Der Schaden sei für all jene Unternehmen im Bereich des »computer gaming« am größten gewesen, die dem »videogaming« am nächsten gestanden hätten. Viele kleine Verlage, spezialisiert auf »skill-and-action games«, seien untergegangen; überlebt hätten jene, die sich anderen Plattformen und »something other than games, or at least something more serious« verschrieben haben. Einigen wenigen Verlagen und Entwicklungsstudios sei es in diesen Jahren gut gegangen, »largely because their products were so clearly distinct from videogames«.

the Coinless Arcade does not exist. But, in a way, it does: in the software available for many of today’s microcomputers.« Daraufhin nennt er die »microcomputer games«. Vgl. G. Williams: The Coinless Arcade. In: BYTE, Vol. 6, No. 12, Dec. 1981. S. 36-41, hier 36. 62 Vgl. C. Crawford: The History of Computer Games – The Atari Years. In: JCGD, Vol. 5, Is. 1, Oct. 1991. S. 6-9, hier 9.

Teams

Gruppen

(*1973-1978)

Kee Games

Abteilungen

(*1978)

Coin-Op Development Teams

(*1973)

Coin-Op Engineering/ R&D Group

(*1973)

Coin-Op Division

(*1973-1984)

R&D: Cyan Engineering

(*1977-1979)

Home Computer Project

(*1975)

Consumer Engineering Group

(*1975)

Consumer Products Division

Atari Inc.

(*1972-1984)

(*1978)

VCS Software Group

(*1975-1979)

Consumer R&D (*1975-1979)

Pinball Division (*1977-1981)

Electronic/ Board Games Division

(*1979/1980)

Home Comp. Applications Group

(*1979/1980)

Home Computer Division

(*1981)

Software Development Support Grp.

(*1982-1984)

Games Research Group

Corporate Research

(*1982-1984)

* Jahr der Gründung; ggf. Jahr der Schließung (soweit bekannt)

Legende:

(*1982-1984)

Systems Research Group

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Abb. 4: Entwurf eines Organigramms der Firma Atari Inc. (1972-1984)63

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Aus der Asche sei Ende der 1980er-Jahre eine neue »entertainment software industry« hervorgegangen: auf der einen Seite das Unternehmen Nintendo, das, da sich das »videogames business« vollständig diskreditiert hatte, die »videogame industry« ohne Wettbewerb nach seinem eigenen Ebenbild habe neu erschaffen können; und auf der anderen Seite der IBM-PC, gemeinsam mit einer nüchterneren, konservativeren Industrie.64 Als CRAWFORD dann im August 1987 in der zweiten Ausgabe des Journal of Computer Game Design in seinem Kommentar zu einem Leserbrief darauf hinweist, man solle die eigene Berufsgruppe doch lieber als »computer game designers« denn als »video game designers« bezeichnen, zeigt sich die deutliche Haltung der Abstandnahme. Er verbinde der Begriff »video game« mit Spielhallenautomaten und der Spielkonsole Atari 2600. Doch habe man es seit diesen Tagen weit gebracht und brauche keinen Begriff, der in den Augen mancher Leute eine kitschige Konnotation besitze.65 In der Dezemberausgabe 1988 des Journal stellt CRAWFORD dann noch einmal die Frage ›What is a Computer?‹, nicht ohne hier die besondere Rolle des Personal Computer zu betonen. Ausgehend von der Beobachtung, dass eine allein technologische Definition im Sinne einer Aufzählung von Komponenten, für die Beantwortung der Frage nicht ausreichend sei, betont er, dass es sich bei einem ›Computer‹ um ein Werkzeug handele, das durch seine Funktion bestimmt sei. Doch anders als zur Zeit der Erfindung möglichst leistungsfähiger Rechenmaschinen könne heute niemand mit Bestimmtheit mehr sagen, worin die Funktion eines Computers tatsächlich bestehe. Es sei vor allem die »Personal Computer Revolution« gewesen, die dem Computer viele neue Einsatzmöglichkeiten eröffnet habe, und über die meisten von ihnen sei man eher gestolpert, als dass sie bewusst hergestellt worden wären. Die bis dahin kaum gekannte ›Interaktivität‹, also die unmittelbare Rückmeldung auf Eingaben, habe Anwendungen und Experimente hervorgebracht, die auf älteren Großrechnern noch undenkbar gewesen wären: die Tabellenkalkulation mit direkter Zahlenmanipulation (VisiCalc), die 63 Die Darstellung stützt sich auf die gesammelten Angaben in: M. Goldberg, C. Vendel: Atari Inc. Carmel/NY 2012. S. Fulton: The History of Atari, 1971-1977. In: Gamasutra.com, 06.11.2007. (Online) Ders.: Atari: The Golden Years – A History, 1978-1981. In: Gamasu– tra.com, 21.08.2008. (Online) Eine inhaltlich wie auch methodisch fundierte ›Corporate his– tory‹ von Atari ist weiterhin Desiderat. 64 Ebd. 65 Vgl. G.C. Metos: Re – Whence come computer game designers? In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 2f. Etwa für Brenda Laurel besitzt der Begriff ›Videogame‹ noch Mitte der 1980er-Jahre eine gewisse Anziehungskraft: »The term ›video game‹ is used in the text of this study to refer to computer games that run on either personal computers or video-game machines; however, in order to assist the reader in identifying a particular game, computer games will be described in footnote references in terms of the type of machines on which they run— arcade games (coin-operated machines), video games (video-game machines), and personal computer games (personal computers).« B.K. Laurel: Toward the Design of a Computer-Based Interactive Fantasy System. Columbus/OH 1986. (Online) S. 7, Anm. 1. Fünf Jahre später subsumiert sie dann alle Formen unter »computer games«: »But I must observe that computer games (including arcade games, videogames, and PC games) have been the principal means whereby most people in the world have come into contact with computers for the first time [...].« B. Laurel: Computers as Theatre. Reading/MA u.a. 1991. S. 167f.

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Textverarbeitung nach dem WYSIWYG-Prinzip (MacWrite) und die Programmiersprache, die Programme ohne vorherige Kompilierung ausführte (BASIC). In allen Fällen habe es die Interaktivität den Menschen erlaubt, ungeklärte Probleme zu erforschen, ihre Kreativität einzusetzen und anhand sofortiger Rückmeldungen immer neue Varianten und Möglichkeiten auszuprobieren, mit Zahlen, Texten oder Programmen zu spielen. »Play and interaction are closely coupled concepts. Rich, deep interaction is indistinguishable from play.« Das vierte große Anwendungsfeld der ›Personal Computer‹ seien schließlich die Spiele. Obwohl diese von mancher Seite gerne vernachlässigt würden, stünden sie der »very essence of computing«, also der Interaktivität und der »personal computer revolution« näher, als alles andere, das man hervorgebracht habe. Reicher, tiefer und intensiver als jede andere Anwendung zögen Spiele ihre Nutzer/innen völlig in ihren Bann, in unmittelbarer Interaktion mit dem Computer versunken. Egal ob wenige Informationen sehr schnell oder große Mengen an Informationen eher langsam ausgetauscht würden, Spiele bieten weit mehr Interaktion als jede andere Form von Software.66 Schon im Frühjahr 1983 hatte der Herausgeber der Computer Gaming World festgestellt, dass die vormals strenge Trennung von teurem, aber vielseitigem Personal Computer und billigem, aber weniger leistungsfähigem Heimcomputer nicht mehr gegeben war.67 Das zentrale Problem für die Entwicklung von Computerspielen noch Mitte der 1980erJahre war die Vielzahl der erhältlichen Plattformen, die jeweils mit einer eigens anzupassenden Spielversion unterstützt werden mussten. Diese unübersichtliche Situation provozierte nicht zuletzt Auseinandersetzungen wegen der Frage, welche Plattform denn nun die richtige sei, um für sie zu entwickeln, und welche nicht. So äußert etwa JON FREEMAN im Rahmen seiner Kolumne in der Computer Gaming World eine besonders harsche Kritik am Commodore 64, der von vielen Publikationen zu Unrecht als Heilsbringer gefeiert werde. Das Gerät sei nicht besonders günstig und niemand möge es, dafür zu programmieren. Die grafischen und auditiven Fähigkeiten würden überschätzt und seien kaum besser als jene der bereits erhältlichen Heimcomputer von Atari. Schließlich sei die technische Ausstattung fehlerhaft, das Betriebssystem sowie dessen Dokumentation unverständlich und besonders nutzer/innenunfreundlich, sodass jedes andere Gerät vorzuziehen sei.68 Dieser Kritik entgegnet KEN ST. ANDRE in einem Leserbrief im Folgeheft, dass FREEMAN dem Commodore kaum eine faire Chance gegeben habe. Tatsächlich biete der C64 mehr als jedes vergleichbare Gerät, könne mit seiner Grafik durchaus mithalten und sei mit seinem Sound-Chip anderen Geräten sogar deutlich überlegen. Zwar sei der Commodore 64 kein fehlerfreies Produkt, doch er sei deutlich besser als alles andere auf dem Markt.69 Mehr als zwei Jahre später, Ende 1985, fiel FREEMANS Einschätzung des Commodore Amiga dagegen ganz anders aus. In seinem Artikel ›The Dream Machine‹ lobt er den Commodore Amiga über alle Maßen, da er erstmals alle positiven Eigenschaften verschiedener Computer in sich vereine. Dies betreffe Leistungsfähigkeit, Betriebssystem und Nutzer/innenoberfläche sowie Ein- und Ausgabemöglichkeiten. 66 67 68 69

Vgl. C. Crawford: What is a Computer? In: JCGD, Vol. 2, Is. 2, Dec. 1988. S. 14f. Vgl. R. Sipe: Computer Games in 1983. In: CGW, Vol. 3, Is. 2, Mar.-Apr. 1983. S. 10f. Vgl. J. Freeman: The emperor’s new clothes. In: CGW, Vol. 3, Is. 5, Oct. 1983. S. 25, 50. Vgl. K. St. Andre: C64 Defended (Letters). In: CGW, Vol. 3, Is. 6, Dec. 1983. S. 15, 50.

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»For the first time, designers can worry about straining the limits of their imagination rather than the limits of their chosen machine. [...] For the first time, you can buy [...] a machine that is perfectly suited to your favorite sort of game without giving up the capabilities necessary for other kinds. If this combination does not spark a computer game/videogame Renaissance, nothing will.«

Innerhalb eines Jahres sei der Großteil der Software, der inzwischen auf dem Macintosh verfügbar sei, auch für den Amiga zu haben, womit ein nicht gekannter Prozess der Standardisierung einsetzen werde. Im Weihnachtsgeschäft des Jahres 1986 würden 8-BitMaschinen nur noch in Antiquariaten verkauft und IBM-PCs lediglich von den verknöcherten Ostküstenunternehmen gekauft. Die »personal computer revolution« habe wegen des Durcheinanders im Markt, einfallsloser Software und fehlender Standards für einige Jahre stagniert und es sei allzu leicht gewesen, den Computerherstellern die Schuld zu geben. Dies sei mit dem Amiga nun vorbei.70 Wie deutlich sich die Verhältnisse in eine andere Richtung verschieben sollten, deutete bereits eine Titelgeschichte an, die im Dezember 1986 unter dem Titel ›The MSDOS Invasion‹ im Magazin Compute! erschien. Wie der Autor TOM R. HALFHILL darin beschreibt, seien die seit Mitte des Jahres 1985 erhältlichen Klone des IBM-PC zu einem deutlich geringeren Preis bei nicht selten höherer Leistung inzwischen auch für Heimnutzer/innen so attraktiv geworden, dass der ursprünglich als Arbeitsplatzgerät konzipierte Personal Computer den Heimcomputern den Rang ablaufe. Ob von heimischen oder asiatischen Herstellern oder gar aus den frei erhältlichen Komponenten selbst zusammengebaut, seien die deutlich günstigeren IBM-Klone für Heimanwender/innen interessant, da sie alle in der Lage seien, MS-DOS und jede für dieses Betriebssystem erhältliche Software ablaufen zu lassen, womit auch die Nachfrage nach Unterhaltungssoftware für IBM-kompatible Personal Computer steige; es sei eine Bitte, der man in der US-amerikanischen Spieleindustrie nur allzu gerne nachkomme. Es sei zu erwarten, dass die IBM-Klone den im Jahre 1986 noch stark fragmentierten ›U.S. Home Computer Market‹ auch über das bevorstehende Weihnachtsgeschäft hinaus dominieren werden (Abb. 5).71 Abb. 5: U.S. Home Computer Market nach Halfhill (1986)

Apple -- 16 %

Commodore -- 31%

Atari -- 14.7 %

Andere -- 15.8 % IBM -- 12 % Tandy -- 9.5 % Leading Edge -- 1 %

70 Vgl. J. Freeman: Amiga – The Dream Machine. In: CGW, Vol. 5, Is. 4, Sep.-Oct. 1985. S. 24f., 34, hier 34. 71 Vgl. T.R. Halfhill: The MS-DOS Invasion. In: Compute!, Is. 79, Vol. 8, No. 12, Dec. 1986. S. 32, 34, 36, 38 (Grafik: S. 36).

0

10,000

20,000

30,000

40,000

1984

Apple II

1985

Commodore 64

1986

1987

1988

Atari ST

Heimcomputer-Verkäufe in den USA (in tausender Einheiten)

1989

Amiga

1990

1991

1992

1993

IBM PC (und Klone)

Macintosh

1994

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Abb. 6: »Personal computer market share« nach REIMER (2005)

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Wie CRAWFORD noch beinahe ein Jahr später in einem Artikel über die Forschung und Entwicklung in der Spieleindustrie bemerkt, sei nun absehbar, dass sich für die kommenden fünf Jahre als Industriestandards für »computer games« die IBM-Klone und der Apple Macintosh durchsetzen werden, während die älteren oder bereits obsoleten Geräte wie Commodore 64, Apple II, Amiga und Atari nicht länger unterstützt werden müssten. CRAWFORD verbindet diese Beobachtung mit der Hoffnung, dass mit der sinkenden Zahl von Modellen auch der Aufwand für Portierungen zurückgehe, sodass in Zukunft mehr Geld in die wirklich innovative Forschungs- und Entwicklungsarbeit fließen könne.72 CRAWFORDS Beobachtung entspricht der Entwicklung auf dem Markt für Personal Computer (PC), wie sie sich bis Mitte der 1990er-Jahre fortsetzte.73 Ab 1984 hatte Commodore, gestützt von dem günstigen Preis und die breite Auswahl an Software, über 2 Millionen Einheiten des C64 pro Jahr absetzen können, bis dessen Technologie wie auch die anderer 8-Bit-Computer schließlich 1987 als veraltet galt. Obwohl andere Systeme wie der Amiga oder der Atari ST zunächst leistungsfähiger und preiswerter waren, hatten der IBM-PC und seine Klone sich zunehmend als Industriestandard etabliert und Ende 1986 erstmals einen Marktanteil von 50 Prozent überschritten. Damit war der Aufstieg des PCs, dessen Marktanteil bis 1990 auf 84 Prozent anstieg, nicht mehr zu bremsen, und die Verfügbarkeit neuer günstiger Grafikkarten machten ihn zudem als Spieleplattform attraktiv. Angefangen mit der Veröffentlichung von Wing Commander (1990), dessen visuelle Darstellung andere Computer, Spielkonsolen und Spielautomaten weit hinter sich ließ, setzte nun der Personal Computer die Maßstäbe für neue Spiele, nicht mehr der Amiga. Mit Wolfenstein 3D (1992), Ultima VII (1992), Ultima Underworld (1992), DOOM (1993) und System Shock (1994) folgten technologisch höchst anspruchsvolle Spieletitel, welche die Möglichkeiten der Computerunterhaltung immer weiter vorantrieben. Zugleich wurde der PC durch Microsoft Windows 3 (1990) und 3.1 (1992) immer anwendungsfreundlicher, was ihn für Unternehmen wie für Privatanwender/innen als Arbeitsplattform interessant machte. Während sich der PC unvermindert gut verkaufte und 1994 über 90 Prozent Marktanteil erreichte, ging die Zeit beinahe aller Mitbewerber zu Ende. Atari hatte seinen gesamten Anteil am Konsolenmarkt an Nintendo verloren und konnte 1993 kaum noch Einheiten des ST-Heimcomputers verkaufen, sodass das Unternehmen schließlich 1996 selbst ver72 Vgl. C. Crawford: Editorial – R&D Spending on Games. In: JCGD, Vol. 1, Is. 3, Oct./Nov. 1987. S. 2. 73 Eine wirtschaftshistorische Aufarbeitung des Zusammenhanges von Software und Hardwareverkäufen ist ein Desiderat. Dazu hier und im Folgenden der populärwissenschaftliche Artikel von Jeremy Reimer zu den Verkaufszahlen aus 30 Jahren Personal Computer aus dem Jahr 2005. Vgl. J. Reimer: Total share. In: Ars Technica, 15. Dec. 2005. (Online) Insbesondere S. 5-8. »The lack of reliable information about the sales figures and market share for early computers compelled me to stay up all night a few years back, scouring the Internet and flipping through all my computer history books in the hope of compiling a complete set of figures. [...] Many sources are incomplete, and some are contradictory. [...] In the end, I had to combine and cross-reference many sources, canceling out those that contradicted each other and filling in the gaps with interpolation. There are undoubtedly some errors in the figures, but overall I believe they represent the most complete picture available for the industry as a whole over the last thirty years.« Ebd. S. 10.

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kauft wurde. Konfrontiert mit den stark sinkenden Verkaufszahlen des C64- sowie des Amiga-Heimcomputers und der Unfähigkeit, leistungsstarke Nachfolgesysteme am Markt zu etablieren, musste Commodore im April 1994 schließlich Konkurs anmelden. Zudem scheiterten Anfang der 1990er-Jahre die letzten Versuche, ein alternatives Betriebssystem großflächig am PC-Markt zu positionieren. Die von einer großen Medienkampagne begleitete Veröffentlichung von Windows ’95 im August 1995 kurbelte nicht nur erneut die Verkäufe von PCs an, sondern machten Microsofts Betriebssystem zum de-facto-Standard auf allen IBM-PCs und Klonen mit dem Apple Macintosh als letztem ernst zu nehmenden, wenn auch in nur kleinen Nischen vertretenen Konkurrenten. Für manche Beobachter/innen blieb allerdings der Eindruck bestehen, dass man die spezifischen Möglichkeiten und die immer weiter wachsende Leistungsfähigkeit des Personal Computers nur unzureichend nutze. So erschien mit dem Artikel ›Computer Game Amenities‹ des Anwendungsentwicklers DAVID DUNHAM im Dezember 1990 ein Hinweis darauf, dass die Mehrzahl der »computer games« die Vorzüge des ›Personal Computer‹ nicht nutzten, weshalb Spielende viele frustrierende Aufgaben übernehmen müssten, die ein Computer jedoch deutlich besser handhaben könne. So solle ein Computerspiel, das einen ›Kopierschutz‹ verwende, nachdem es einmal auf der Festplatte gespeichert sei, auch ohne zusätzliches Material funktionieren. Zudem sei es unsinnig, den Spielenden trotz verfügbarer Festplatte vorzuschreiben, an welchem Ort und zu welcher Zeit sie Spielstände speichern und laden könnten. Gerade die Aufgabe, Informationen zu notieren und zu organisieren, für die Computer besonders geeignet seien, werde viel zu häufig an die Spielenden übertragen. Dies gelte auch für das Zeichnen von Karten, das automatisiert ablaufen solle und nicht mit Papier und Bleistift. Alle im Spiel vorkommenden Texte sollten so lesbar wie möglich sein und ggf. auch eine Auswahl der Schrifttype zulassen. Ein Computerspiel solle keine Inkompatibilitäten zum Betriebssystem provozieren oder sämtliche Ressourcen für sich beanspruchen. Spielende sollten nicht gezwungen werden, langweilige, sich stets wiederholende Arbeitsabläufe durchzuführen, was ein Computer deutlich besser könne. Schließlich gebe es keinen Grund, zufällig gesetzte Limitierungen etwa für die Menge an transportierbaren Gegenständen einzusetzen. Wer immer ein Spiel entwerfe und implementiere, solle sich daran erinnern, dass dieses gemacht werde, um auf einem Computer gespielt zu werden. Ein Computer sei ein Werkzeug zur Informationsverarbeitung und erhöhe die individuelle Produktivität. Nur weil dies in Rezensionen selten erwähnt werde, gebe es keinen Grund, nicht einige grundlegende natürliche Vorzüge des Computers zu nutzen.74 CRAWFORD zeigte sich ebenfalls sowohl 1987 als auch Ende 1995 sehr enttäuscht über die mangelnden positiven Auswirkungen, welche die steigende Leistungsfähigkeit der Hardware auf die Qualität der Software habe. Wie er in seinem 1987 erschienenen Artikel ›We Are Not Keeping Pace With the Hardware‹ bemerkt, verfügten die aktuellen Personal Computer wie der IBM-PC, Macintosh, Amiga oder Atari 520ST gegenüber jenen des Jahres 1983 wie Apple II, Atari 800 oder Commodore 64 über etwa 500 Prozent mehr Prozessorleistung, 800 Prozent mehr Arbeitsspeicher und 300 Prozent mehr Datenträgerkapazität. Doch während in anderen Industrien selbst sehr kleine technologische Fortschritte enorme Auswirkungen haben könnten, liege die Vermutung nahe, dass »computer game designers« noch immer in den kleinen Programmen vergangener 74 Vgl. D. Dunham: Computer Game Amenities. In: JCGD, Vol. 4, Is. 2, Dec. 1990. S. 4f.

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Tage verhaftet seien und nicht im selben Maße von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machten. Computerspiele verfügten zwar über bessere Grafik, leichtgängigere Interfaces und mehr Inhalte, doch seien sie selbst nur eine Ansammlung von geringen Verbesserungen und keine Abkehr von vergangenen Praktiken. Das Problem liege in der Haltung begründet: Man denke weiterhin in kleinen Evolutionsschritten und nicht in Revolutionen, wenn es nicht unbedingt notwendig sei. Die verfügbare Leistungsfähigkeit und Speicherkapazität aktueller Computer machten viele Techniken der Sparsamkeit obsolet, doch fehle es noch an Ideen, wie man die neuen Fähigkeiten tatsächlich nutzen könne. Es sei nicht damit getan, eine Menge teurer Grafik über ein altes Spiel zu stülpen. Bis jetzt hätten »computer game designers« die Erwartungen, die mit der neuen Hardware einhergingen, enttäuscht.75 Acht Jahre später, im Dezember 1995, greift CRAWFORD diesen Gedanken noch einmal auf und veröffentlicht den Artikel ›We’re Still not Keeping up with the Hardware‹. Dabei vergleicht er die Leistungsfähigkeit eines Atari-800-Computers (1979) mit dem eines Apple PowerMac 8500 (1995) und stellt fest, dass sich diese um ein Vielfaches, insgesamt etwa eintausendfach, erhöht habe. Doch trotz dieser enormen und beispiellosen Leistungssteigerung sei die »gigantic revolution in game design« ausgeblieben, denn die aktuellen Spiele seien zwar deutlich besser als ihre antiquierten Vorfahren, aber keinesfalls 100 oder 1000 Mal besser oder unterhaltsamer. Dieser Vergleich sei natürlich unfair, da die Wirkung mit der Zeit nachlasse, während die Erwartungshaltung des Publikums zunehme, doch habe man das Gefühl grenzenloser Möglichkeiten vergessen, das ein »antiquarian game designer« haben müsse angesichts der Vorstellung, dass diese Geräte im Jahre 1995 weitverbreitet seien und Tausende von Menschen in der Spieleindustrie arbeiteten mit teilweise siebenstelligen Entwicklungsbudgets. So stelle sich vor allem Ernüchterung ein, wenn man sich eingestehe, dass es heute vor allem aufgewärmte Spielkonzepte von damals gebe. Die technologischen Möglichkeiten sollten sich in kosmetische Verbesserungen, leichter zu verwendenden Interfaces und besseren, schlaueren und größeren Programmen niederschlagen. Doch während die audiovisuelle Aufbereitung der Spiele tatsächlich deutlich hinzugewonnen habe, sei die Installation und Konfiguration eines Spieles heute sogar komplizierter und zudem die »entertainment software« nur unwesentlich intelligenter als damals. Doch warum es so schwerfalle, mit der Verbesserung der Hardware Schritt zu halten, darauf hat CRAWFORD ebenfalls keine Antwort.76 In der Oktoberausgabe des Journal of Computer Game Design 1991, in derselben Ausgabe, in der er sich auch der ›Atari Years‹ erinnert, erscheint CRAWFORDS deutlicher Appell, ›Computerspiele‹ und ›Videospiele‹ weiterhin getrennt voneinander zu behandeln. Anfang der 1980er-Jahre seien »Videogames« und »Computer Games« noch eng miteinander verbunden gewesen, da jedes erfolgreiche Spiel der frühen Heimkonsolen auch für ›Personal Computer‹ umgesetzt worden sei. Dies hätte sich jedoch mit dem Zusammenbruch des Marktes für »Videogames« im Jahre 1984 grundlegend verändert, da nur solche Spiele und Entwickler/innen im Markt überlebt haben, denen es gelungen sei, 75 Vgl. C. Crawford: We Are Not Keeping Pace With the Hardware. In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 12. 76 Vgl. C. Crawford: We’re Still not Keeping up with the Hardware. In: JCGD, Vol. 9, Is. 2, Dec. 1995. S. 12f.

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sich von »Videogames« so deutlich wie möglich abzusetzen. Diese Zeiten seien jedoch vorbei. Nintendo, Sega und NEC seien die neuen Marktführer, getrieben von dem Ziel, Millionen von Einheiten eines Spieles zu verkaufen und damit Millionengewinne zu erwirtschaften, wohingegen die Verkäufe und Profite von »Computer Games« kaum der Rede wert seien. Auch seien die »home computers« den »videogame consoles« technologisch lange nicht mehr so weit voraus, wie es einmal der Fall gewesen war. In der Folge hätten »computer game designers« bereitwillig damit begonnen, die Grenze zwischen »Videogames« und »Computer Games« zu verwischen; zu anziehend seien die Verlockungen des Geldes. Und die Arbeit der »computer game designers« werde von der »videogame industry« nur zu gerne aufgenommen. Das heiße jedoch nicht, dass »videogame designers« untalentiert oder unkreativ seien, sondern nur, dass das kreative Potenzial – also risikofreudige, experimentelle, freilaufende und auch ungewöhnliche Produkte hervorzubringen – in einem Umfeld, das viel weniger Kosten aufgrund von Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Marketing verursache, aus wirtschaftlichen Gründen größer sei. Die große Bandbreite an unterschiedlichsten Spielen erlaube es den »videogames people«, sich mit ihrem »big money« das Beste aus den »fresh ideas« herauszupicken, was jedoch zu dem fälschlichen Eindruck führen könne, die Situation entwickle sich zum Wohle beider Seiten. Allerdings stellten sich in der Praxis inzwischen Folgewirkungen ein, die für beide Seiten schädlich seien. So gebe es deutlich wahrnehmbare Versuche der »computer games people«, die Anforderungen des »videogame business« zu antizipieren. Man beginne sich zu fragen, auf welche Weise ein Spiel kommerziell nutzbarer für den »videogames market« werde und schließlich auch ›Designs‹ an ein unterstelltes »videogames ideal« anzupassen. Damit gehe jedoch der besondere Stil und die Fähigkeit verloren, neue und andere Wege zu gehen, was die Produkte für »videogames people« weniger wertvoll mache. Dies sei unter anderem ein Grund, weshalb er sich so hingebungsvoll gegen die Ausweitung der »videogames« auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ ausgesprochen habe. Es gehe nicht darum, dass »videogames« generell etwas Schlechtes oder ihre Designer/innen unausstehlich seien; er befürchte, die Verschmelzung von »videogames«, »coin-op games« und »computer games« in einem großen Ganzen namens »›electronic games‹« werde die Besonderheiten der »computer games« durch Geld und Macht dieser anderen Industrien hinwegschwemmen. Dies wäre vor allem eine Katastrophe für das »Computer gaming«, wenn so viel mehr Zeit, Energie und Geld aufgewendet werde, um Spiele zu machen, die sich in der »videogame world« verkauften. Dieser Wandel sei bereits absehbar, da sich alle großen Verlagshäuser, anders lautender Aussagen in der Vergangenheit zum Trotz, zunehmend in Richtung »videogames« bewegten, womit zugleich weniger Geld für die Entwicklung von »computer games« bleibe. Dies zwinge nicht nur viele Entwickler/innen zur Geschäftsaufgabe oder aber in den Markt für »videogames«, sondern führe auch zu einer Vernachlässigung der kostengünstigen Forschung und Entwicklung, die »computer games« so attraktiv gemacht habe. Der beste Weg, mit der »videogames industry« Geld zu verdienen, sei es also, diese auf Abstand zu halten, um den experimentellen Stil sowie das »heart and soul« der »computer games« zu erhalten, und nur so nah heranzulassen, um den ein oder anderen Vertrag abzuschließen. Während etwa ›home games‹ auf die audiovisuellen Möglichkeiten eines Standardfernsehgerätes beschränkt seien, könnten Spielautomaten nicht nur leistungsfähigere Bildschirme und Lautsprecher verwenden, sondern diese auch in ungewöhnlichen Aufbauten einsetzen. Bei Letzteren würden Darstellungsmodi und Hardware für jedes Spiel

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spezifisch entwickelt, während Erstere stets auf die Limitationen einer bereits existierenden, universell angelegten Plattform zugeschnitten werden müssten. Zudem verfügten Universalrechner häufig bloß über eine Tastatur, »Video game systems« über Joysticks oder »keypad controls«, wohingegen Spielautomaten über die verschiedensten Eingabemöglichkeiten verfügten, sofern diese der Nutzung in öffentlichen Räumen standhielten. Es gebe keine Notwendigkeit für die strenge Trennung beider Welten, da es für jede Seiten wichtig sei, die Entwicklung der jeweils anderen im Auge zu behalten. Zwar könne jemand über »videogames« einen Artikel für das Journal beitragen oder einen Vortrag auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ halten, doch handele es sich stets um einen geachteten Gast und nicht um ein wahlberechtigtes Mitglied.77 Noch im Rahmen seines Editorials im April 1992, in der er das Ende der Ära der »disk-based computer games« verkündet, betonte CRAWFORD die Unterschiede zwischen »computer games« und »videogames«, die jedoch verloren zu gehen drohten.78 Denn die Zeiten, in denen die »catridge-based machines« dem Personal Computer unterlegen gewesen seien und PC-Spiele gegenüber den günstigen einfältigen »videogames« stets mit mehr Vielfalt und Substanz hätten punkten können, seien nun vorbei. Die »Videogame hardware« sei in den vergangenen Jahren immer besser geworden und werde mit der Einführung der CD-ROM gegenüber dem Durchschnitts-PC sogar im Vorteil sein. Zudem nehme die Raffinesse der Software auf diesen Plattformen zu, sodass zunehmend auch Spiele vom PC auf portiert würden. Der in der Anschaffung relativ teure Personal Computer verliere gegenüber den günstigeren Konsolen an Boden, womit der Markt für »disk-based products« immer kleiner werde. Die Kundschaft wisse einfach nicht, dass nur ein PC die Flugsimulationen in Geschwindigkeit und Vollständigkeit unterstützen könne und es die besten Spiele unter den Rollenspielen und »almost every other area of gaming« nur für den PC gebe. Folglich sei keine ›weicher‹ Übergang zu anderen Produkten zu erwarten. Spätestens 1996 werde sich in dem auf einen Bruchteil seiner alten Größe geschrumpften Markt für Disketten eine neue Ordnung durchgesetzt haben, in der »disk-based gaming« auf der einen Seite nur noch mit »geek games« und komplizierten Regelwerken in Verbindung gebracht werde, während es auf der anderen Seite nur noch luftige »lite games« gebe, um sich in einer zehnminütigen Arbeitspause die Langeweile zu vertreiben. Demgegenüber seien die beiden wichtigsten alternativen Medien in vielerlei Hinsicht ganz anders, nicht nur mit jeweils eigenem Publikum, Alterszuschnitt und verfügbarem Einkommen, sondern auch mit Blick auf die Spiele, die auf diesen Medien funktionierten. Der größte Markt seien Spiele für Jugendliche auf den »cartridge-based systems« bzw. »videogame consoles«: aufgewärmte Fassungen aktueller Spiele, die vor allem auf audiovisuelle Präsentation Wert legten und die CD vor allem nutzten, um sich bewegende Hintergründe und Musik während des »gameplay« einzuspielen. Die andere Seite der CD-Software werde beherrscht von ernsthaften Schulungsanwendungen, die jedoch den »the ugly

77 Vgl. C. Crawford: Computer Games Versus Videogames. In: JCGD, Vol. 5, Is. 1, Oct. 1991. S. 13f. 78 Vgl. C. Crawford: Repent! The End is Near! In: JCGD, Vol. 5, Is. 4, Apr. 1992. S. 2-4, hier 3f. Die entsprechende Ausgabe wurde kostenfrei an die über 500 Teilnehmer/innen der ›Computer Game Developers’ Conference‹ verteilt. Ders.: A Reminder. In: JCGD, Vol. 5, Is. 3, Feb. 1992. S. 11.

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word ›game‹« zu vermeiden suchten und lieber »bastard terms such as ›edutainment‹« verwendeten. BEN SAWYER behandelt die Unterschiede zwischen ›Computer Games‹ und ›Video Games‹ im Jahre 1996 schließlich nur noch unter der Fragestellung, für welche Spieleplattformen man überhaupt entwickeln könne, und stellt ihnen als dritte Möglichkeit die ›Multiplayer Games‹ an die Seite. Computerspiele werden entwickelt, um auf einem Personal Computer zu laufen. Noch bis vor kurzer Zeit habe es viele verschiedene und weithin unterstützte Systeme gegeben, doch abgesehen vom geringen Marktanteil des Apple Macintosh sei die beherrschende Plattform unter den PCs das MS-DOS/Windows-System. Allerdings gebe es unter den IBM-PCs und seinen vielen Klonen eine Vielzahl von Variationen mit allen möglichen unterschiedlichen Systemkonfigurationen. Der fehlende Standard mache es notwendig, Minimalanforderungen an einen Computer zu formulieren, wobei sich die Verbreitung einer leistungsfähigen Technologie stets verändere. Ähnlich müsse man sich nun mit Windows ’95 auf ein neues Betriebssystem einstellen, dessen Programmierung sich wegen Bibliotheken und Schnittstellen deutlich anders gestalte. Videospiele zu entwickeln sei noch komplizierter, da sie einerseits für eine spezialisierte Hardware angepasst werden müssten, doch seien die führenden Systeme von Sony, Sega und Nintendo andererseits deutlich verbreiteter als der IBM-PC, und ihr Zuspruch wachse weiterhin. Um für diese Systeme Spiele zu machen, brauche es allerdings spezielle teure Entwicklungsplattformen, deren Zugang von den Herstellern kontrolliert werde. Der Einstieg in die Videospieleentwicklung sei daher mit einer deutlich höheren Investition verbunden, wenn diese auch im Laufe des Lebenszyklus eines Gerätes sinke. Schließlich gebe es drei große Gruppen von ›Multiplayer Games‹: Die erste, noch sehr teure, aber zunehmend populäre Möglichkeit, zwei Computer miteinander zu verbinden, seien ›Peer-to-peer modem games‹, wobei die Technologie, Daten über die Telefonleitung zu senden, immer schneller und verbreiteter werde. Zweitens gebe es Spiele, die im lokalen Netzwerk Daten austauschen könnten, wobei die meisten Netzwerke an Arbeitsplätzen in Unternehmen bestehen, was den Einsatz schwierig mache. Als dritte und zukunftsweisende Lösung könne man über das Internet einen Server zur Verfügung stellen, der die »dynamic game information« von Spielenden aus der ganzen Welt verwalte, selbst wenn derzeit die Technologie des Datenaustausches noch schwer zu handhaben sei. Bei SAWYER wird somit besonders deutlich, dass Mitte der 1990er-Jahre keine feste Assoziation zwischen unterschiedlichen Kategorien von Spielen und den Plattformen, auf denen sie gespielt werden, mehr besteht. Die zentralen Unterschiede sind nur noch technologische und finanzielle Eintrittsbarrieren, die Hindernisse und Herausforderungen für die Projektplanung sowie schließlich die Verbreitung einer spezifischen Plattform und damit die Größe des erreichbaren Publikums, sodass die Frage »What Systems Will Work With Your Game?« nur noch eine von vielen ist, die eher Marketing und technologische Umsetzung betrifft als die grundlegenden Designentscheidungen.79 Auch im Buch Inside Electronic Game Design von ARNIE KATZ und LAURIE YATES findet sich keine Auseinandersetzung mit den Unterschieden von Computerspielen auf 79 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 4-7, 103.

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der einen und Videospielen auf der anderen Seite mehr, geschweige denn von Spielhallenautomaten und mobilen Spielgeräten. Das Konzept eines allgemeinen ›Game Design‹ oder ›Electronic Game Design‹ löst diese Unterschiede auf, wobei gleichzeitig kein Gefühl für die Spezifik bestimmter Plattformen mehr zu bestehen scheint und für den Verlust von Gestaltungsmöglichkeiten durch die Angleichung der Designprozesse. Der Begriff ›Computer Game‹ konnte schon Anfang der 1980er-Jahre – im weiteren Sinne – als Sammelbezeichnung für sämtliche Spielformen verwendet werden, die zur Verarbeitung von Informationen elektronische Schaltungen einsetzen. Er diente auch – im engeren Sinne – für eine spezifische Konstellation aus Hardware, Software und Nutzungsverhalten, die als Produkt einzig solche Spiele betitelte, die entweder auf Heimcomputern oder Personal Computern lauffähig waren. Hardwareseitig trugen etwa bestimmte Speichermedien, zunächst die Diskette und später die Festplatte, sowie Peripherien wie Tastatur und Maus dazu bei, dass eine Software realisiert wurde, wie sie etwa auf Spielautomaten und -konsolen nicht möglich waren. So konnte sich softwareseitig eine eigene Traditionslinie aus Vorbildern und Konventionen bilden, die nicht nur bei Spielen, sondern auch bei der Anwendungssoftware Anknüpfungspunkte fand. Schließlich sprachen diese Spiele eine genau definierte Gruppe von Nutzer/innen an mit spezifischem Einkommens- und Bildungshintergrund, mit thematischen, stilistischen und spielmechanischen Vorlieben sowie mit einem bestimmten Kauf- und Spielverhalten. Angetrieben von den enormen Problemen, die Atari und die ganze Spieleindustrie ab 1983 durchlebte, wurde diese Nische für mindestens eine Dekade tonangebend für die verbliebenen Entwickler/innen und Unternehmen in den USA Komplexe Regelwerke für Strategie- und Rollenspiele, technologisch aufwendige Simulationen, Abenteuer mit umfassenden Erzählungen, aber auch experimentelle Programme konnten unter dem gemeinsamen Banner ›Computer Game‹ gedeihen. Wer die in der Literatur präsente Trennung zwischen Heim- und Personal Computer auf der einen Seite sowie Spielkonsolen (und sogar Spielautomaten) auf der anderen Seite als »überflüssig« abtut, verkennt die enorme Rolle, welche die Differenz von »computer games«, »video games« und »coin-op games« noch in den 1980er- und 1990er-Jahren spielte und die sich vor dem Hintergrund der Kunstliteratur als ›Rangstreit der Gattungen‹ zu erkennen gibt. Vor allem CRAWFORD äußerte sich wiederholt und nachdrücklich zu den Vorteilen der intelligenteren und raffinierteren ›Computer Games‹ gegenüber den dümmlichen Konsolen- und Automatenspielen.80 Tatsächlich bedürfen alle diese Technologien eines ›Computers‹ – im Sinne einer programmierbaren Apparatur zur Informationsverarbeitung – und sie sind in diesem Sinne Plattformen für ›Computerspiele‹. Doch sind die Spezifika der ›Computer Ga80 Ganz ähnliche Überlegungen zum Historienbild als anspruchsvollster und höchster Bildgattung finden sich in der Kunstliteratur der Frühen Neuzeit. Damit stehen die Game Designer/innen der 1990er-Jahre, die sich nicht mehr bestimmten Gattungen oder Plattformen verpflichtet fühlen, den Künstler/innen der Renaissance nahe, die sich in Abgrenzung zu den antiken Berichten von den Spezialisierungen auf bestimmte Bildgegenstände und damit dem Ideal des universell gebildeten und der ganzen Kunst fähigen Menschen folgend, keine Grenzen in der Beherrschung einzelner Gattungen wie etwa Zeichnung, Porträt oder Landschaftsmalerei zogen. Vgl. U. Pfisterer: Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Stuttgart 2002. S. 95-126, hier 95-97.

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mes‹, deren Entwicklung durchaus mit der Emergenz der PCs verbunden ist, und ihre individuellen Ausformungen gegenüber den »video games« mit diesem Ansatz nicht mehr zu erklären.81 In diesem Sinne haben etwa IAN BOGOST und NICK MONTFORT ihre Forschungs- und Buchreihe ›Platform Studies‹ ins Leben gerufen, in welcher Plattformen im Hinblick auf die bisher wenig beachteten technologischen Spezifika von Computersystemen und -architekturen sowie auf ihren kulturellen Entstehungskontext hin untersucht werden, die ihrerseits als Grundlage für die vier aufbauenden Level ›Code‹, ›Form/ Funktion‹, ›Interface‹ und schließlich ›Rezeption/Anwendung‹ dienen.82 Ab Mitte der 1990er-Jahre deutete sich allerdings an, dass die von CRAWFORD noch so stark betonte Trennung von ›Computer Games‹ und ›Video Games‹ in einer sich immer stärker konsolidierenden Industrie nicht länger haltbar sein würde. In der letzten Konsequenz verloren beide Begriffe ihre Trennschärfe, wenngleich weiterhin zwischen den Plattformen ›PC‹ und ›Konsole‹ unterschieden wurde.83

81 Vgl. C. Pias: Computer Spiel Welten. München 2002. S. 299. Dass Spiele zwischen unterschiedlichen Systemen portiert werden können und vor allem heutzutage auch werden, ändert daran reichlich wenig. Diese Gleichsetzung erscheint im Gegenteil selbst als eine historische Perspektive, da die gleichzeitige Entwicklung für mehrere Plattformen ein Phänomen der technologischen Annäherung von Konsolen und Personal Computer war, die in aller Deutlichkeit erst ab Mitte der 1990er-Jahre mit der Konvergenz der Rechner-, Datenträger- und 3-D-Technologien möglich wurde, beispielhaft vorgeführt durch die Markteinführung der Spielkonsole ›Xbox‹ von Microsoft im November 2001, die in ihren Hardware-Spezifikationen von einem PC kaum zu unterscheiden war, sich aber in Bezug auf Nutzungskontext und Geschäftsmodell deutlich anders als der PC positionierte. Vgl. D. Takahashi: Opening the Xbox. Roseville/CA 2002. S. 149-162. 82 Als untersuchenswerte ›Plattformen‹ nennen Bogost und Montfort beispielsweise die Empfehlungen der ›Multimedia PC Marketing Council‹, einer Arbeitsgruppe der ›Software Publishers Association‹, die 1991, 1993 und 1996 insgesamt drei Vorgaben-Level für einen ›Multimedia Personal Computer‹ (MPC) entwickelte, um einheitliche Standards für IBM-kompatible PCs, insbesondere zur Nutzung von CD-ROMs, zu etablieren, die sie technologisch deutlich von gleichzeitig erhältlichen Videospielkonsolen unterschieden. Vgl. I. Bogost, N. Montfort (Hg.): Platform Studies. o.O. 2015. (Online) Basierend auf diesen Vorgaben legte zudem das ›GamePC Consortium‹ (GPCC) im Herbst 1995 erstmals die ›GamePC Level 1 Compatible System Specification‹ vor. Vgl. N. Claro: Hot Off The Press! In: Game Developer, Dec./Jan. 1995. S. 15. A. Dunne: A Hardware Spec for Games. In: ebd. S. 9-12. Ders.: A 3D Benchmark for the Industry. In: Game Developer, Oct./Nov. 1995. S. 5-8. 83 »The term videogame originally meant arcade and home console games, excluding computer games (many of which, in the early days, were text-only); it is still sometimes used that way. In the industry, the term is rarely used; people instead distinguish between PC (personal computer) games and console games.« G. Costikyan: Talk Like a Gamer. In: E. McKean (Hg.): Verbatim, Vol. XXVII, No. 3, Summer 2002. S. 1-6, hier 4.

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Die Geschichte der Computerspiele

Nachdem ab Anfang der 1980er-Jahre nur vereinzelte Beiträge zu einer Geschichte des Computerspiels bzw. zu deren Entwicklung erschienen waren, die zudem häufig anekdotischen und eher persönlichen Charakter hatten, wurden Mitte der 1990er-Jahre die ersten Versuche unternommen, umfassende Historien als Bestandteil der Produktionsliteratur selbst zu verfassen. Nach mehreren Artikeln zum Ursprung der Computer- und Videospiele im Magazin Creative Computing,84 hatten STEVEN LEVY und DOUG CARLSTON mit ihren Mitte der 1980er-Jahre erschienenen Geschichten der Computerszene wichtige frühe und wohl weithin rezipierte Beiträge zur Geschichte der Computerspiele geleistet.85 Ab Ende der 1980er-Jahre waren es vornehmlich die Spielemagazine, in denen mehr oder weniger ausführliche Darstellungen der ›History of Computer Games‹ erschienen, die nun jedoch Beiträge der jeweiligen Redaktionen und eher der Game Designer/innen waren.86 So veröffentlichte die Redaktion der Computer Gaming World zum zehnjährigen Jubiläum des Magazins im November 1991 eine ›History of Computer Games‹, beginnend 1962 mit der Entwicklung von Spacewar und anderen frühen Spielen der 1970er-Jahre, die zur Gründung der kommerziellen Spieleindustrie führten, gefolgt von einer Beschreibung verschiedener bekannter Unternehmen, ihren Persönlichkeiten und Auseinandersetzungen bis zum Jahr 1991.87 Anlässlich der 100. Ausgabe der Computer Gaming World verfasste dann Herausgeber RUSSELL SIPE einen umfassenden Rückblick auf die vergangenen elf Jahre »history of computer gaming« aus Perspektive des Magazins, mit je einer Seite ausgewählter Anekdoten, Spiele und Unternehmensinformationen zu jedem Jahr bis 1991.88 Das Jahr 1996 markiert schließlich den Zeitpunkt, zu dem erstmals im Rahmen von Lehrbüchern mehrere Versuche einer zusammenhängenden Geschichtsschreibung unternommen werden, wobei sie in diesem Kontext gänzlich unterschiedliche Zwecke erfüllen. ARNIE KATZ und LAURIE YATES widmen der »History of Electronic Game De84 J.M. Graetz: The Origin of Spacewar! In: Creative Computing, Vol. 7, No. 8, Aug. 1981. S. 56-67. J. Anderson: Who Really Invented the Video Game? In: Creative Computing, Vol. 8, No. 10, Oct. 1982. S. 190, 192, 196. Anderson erwähnt auch, dass Herausgeber David H. Ahl das Spiel Tennis for Two 1958 am Brookhaven National Laboratory als Schüler zu sehen bekommen hatte. Beide Artikel wurden wieder abgedruckt in der Erstausgabe des kurzlebigen Spielemagazins Creative Computing Video & Arcade Games im Frühjahr 1983. Vgl. auch F. Lovece: The Honest-to-Goodness History of Home Video Games. In: Video Review, June 1983. S. 40-42. 85 S. Levy: Hackers. New York/NY 1994. (1. Aufl. 1984.) D.C. Carlston: Software People. New York/NY 1985. 86 Einzig Chris Crawford verfasste 1991 für das Journal of Computer Game Design einen Rückblick auf die ›Atari Years‹ von 1979 bis 1984, gewidmet den beiden Hauptentwicklungen im »gaming«: »the videogame explosion and the coming of age of computer games«. Vgl. C. Crawford: The History of Computer Games – The Atari Years. In: JCGD, Vol. 5, Is. 1, Oct. 1991. S. 6-9, hier 6. 87 Vgl. o.A.: A History of Computer Games. In: CGW, No. 88, Nov. 1991. S. 16, 19f., 22, 24, 26. 88 Vgl. R. Sipe: 3900 Games later ... In: CGW, No. 100, Nov. 1992. S. 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30.

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sign« in ihrem Buch Inside Electronic Game Design von 1996 gleich den ersten Abschnitt nach der Einführung und etwa ein Fünftel des gesamten Buches. Diese Geschichte sei Teil der Vorbereitung, um selbst Designer/in zu werden, sei aber auch für alle »games«Liebhaber/innen von Interesse. Der Abschnitt ist unterteilt in die vier Kapitel »The Early Days« (ab 1960), »The Golden Age« (ab 1978), »The Great Crash« (ab 1984) und »The Renaissance« (1982 bis 1995). Der Schwerpunkt der Historie liegt allein dabei nicht auf der technologischen Entwicklung, Spielen, Personen oder Unternehmen, sondern auch auf den enormen Veränderungen, welche die Tätigkeit des ›Game Design‹ in diesem Zeitraum erfahren habe. Anfangs sei man als Game Designer/in noch vor allem Programmierer/in, Ingenieur/in oder Visionär/in gewesen und habe aus der schwer zu beherrschenden Technologie überhaupt erst mal ein Spiel bzw. Produkt machen müssen. Während mit dem »Golden Age« die »do-it-all designer-programmers« als ›Auteur‹ sichtbar geworden seien, habe sich im Laufe der 1980er-Jahre die arbeitsteilige Entwicklung durchzusetzen begonnen. Als Reaktion auf den »Great Crash« des amerikanischen Spielemarktes habe man schließlich gelernt, die »game design function« zu stärken und mit erfahrenen Personen zu besetzen, die sich ganz dieser Aufgabe widmen sollten, bei immer weiter wachsenden Team- und Projektgrößen.89 Auch diese Historie geht zurück auf eine Serie von Artikeln, verfasst von ARNIE KATZ, JOYCE WORLEY und BILL KUNKEL, die bereits von April bis Juni 1988 im Magazin ANALOG Computing erschienen war. Der erste Teil ›In the beginning ...‹ (19621972) behandelt die Beiträge von STEVE RUSSELL (Spacewar), RALPH BAER (Magnavox Odyssey) und NOLAN BUSHNELL (Atari) zu Entwicklung der Videospiele, nicht ohne bereits auf »the dizzying rollercoaster that was the First Golden Age of Video Gaming« zu verweisen. Der zweite Teil ›The Golden Age dawns‹ (1973-1980) ist dem Aufstieg von Atari sowie der Veröffentlichung der ersten programmierbaren Spielkonsolen gewidmet. Und schließlich beschreibt der dritte Teil ›The Golden Age‹ (1980-1983) die Gründung der ersten unabhängigen Entwicklungsstudios, die als Dritthersteller für Spielkonsolen programmierten, sowie den enormen Erfolg der Videospiele und Spielhallenautomaten. Der angekündigte vierte Teil ›The Great Fall‹ erschien nicht mehr, da KATZ, WORLEY und KUNKEL nach vier Ausgaben der Rubrik ›Video Game Digest‹ zum Magazin Computer Gaming World gewechselt waren.90 Wie im Rahmen des letzten Artikels betont wird, war auch das Schicksal von KATZ, WORLEY und KUNKEL, die 1981 das Magazin Electronic Games gegründet hatten, aufs Engste mit dieser Geschichte verknüpft.91 Es ist also wenig überraschend, dass ARNIE KATZ noch Mitte der 1990er-Jahre die Einteilung entsprechend der ›biologischen‹ Abfolge von Wachstum (»The Early Days«), Reife (»The Golden Age«), Verfall (»The Great Crash«) und schließlich Wiedergeburt (»The Renaissance«) reaktiviert. 89 Vgl. A. Katz, L. Yates: Inside Electronic Game Design. Rocklin/CA 1996. S. 1-58, hier 1. (Das Buch umfasst 276 Textseiten zzgl. 11 Seiten Titelei.) 90 Vgl. A. Katz, J. Worley: The History of Video Gaming ... Part 1. In: ANALOG Computing, Is. 59, Apr. 1988. S. 71f. Dies.: The History of Video Gaming ... Part 2. In: ANALOG Computing, Is. 60, May 1988. S. 84f. Dies., B. Kunkel: The History of Video Games ... Part 3. In: ANALOG Computing, Is. 61, Jun. 1988. S. 83f. Dies.: Video Gaming World. In: CGW, No. 48, Jun. 1988. S. 40-42. 91 Vgl. A. Katz, J. Worley, B. Kunkel: The History of Video Games... Part 3. In: ANALOG Computing, Is. 61, Jun. 1988. S. 83f.

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Auch BEN SAWYER stellt den anderen Inhalten seines umfassenden Ultimate Game Developer’s Sourcebook als Teil des ersten Abschnittes ›Getting Started with Game Development‹ und gleich nach der Beantwortung gängiger Fragen zur Spieleentwicklung, eine »History of Computer Games« voran. SAWYER behandelt auf nur zehn Textseiten nach wenigen kurzen Bemerkungen über die »bescheidenen Anfänge« der Computerspiele den Aufstieg von Atari und der Konkurrenz, die erste Bereinigung des Marktes 1983, den Aufstieg des Personal Computers als Spieleplattform sowie die Rückkehr der Videospielkonsolen, die zweite Bereinigung des Marktes von 1989 bis 1991 und schließlich den ›Krieg der Konsolen‹ zwischen Nintendo und SEGA, gefolgt von einer ›Brief Game History Timeline‹ auf noch einmal fünf Seiten.92 Seinem historischen Überblick lässt SAWYER allerdings ein Kapitel unter dem Titel ›The New Age of Game Development‹ folgen, in dem er den gegenwärtigen Stand der Dinge in der Industrie beschreibt. Dort thematisiert er die Bedeutung neuer Computer- und Datenträgertechnologie, neuer Vertriebsmodelle, jüngster Unternehmensübernahmen und -zusammenschlüsse, die anstehende neue Konsolengeneration sowie den Einfluss von Multimedia-Entwickler/innen und die Neugründung vieler kleiner Entwicklungsstudios. Als Aussicht für die unmittelbare Zukunft nennt er schließlich ›Multiplayer Games‹, die wachsende Leistungsfähigkeit der Spieleplattformen, die Aufwertung des Personal Computers als Spieleplattform durch Microsofts Windows ’95, den Zugriff auf enorm leistungsfähige GrafikWorkstations und die Durchsetzung der ›Virtual Reality‹. Erst im Anschluss beschreibt SAWYER dann den Sinn dieser Geschichte, indem er betont, welche reiche Historie die Computerspiele bereits vorzuweisen haben: »Everything essential is there—the giant discoveries, the absolutely mesmerizing mistakes, the incredible personalities, and tall tales.« Wer die Geschichte der Spiele und ihrer Entwicklung zu schätzen lerne, könne nur bewundernd in deren Zukunft blicken. Computerspiele steckten noch immer in den Kinderschuhen, seien erst etwa 25 Jahre alt und je nach Sparte, auf die man schaue, noch deutlich jünger. Filme, Bücher und Musik seien dagegen zum Teil bis zu 600 Mal älter. »A decade from now, if I’m still writing updates to this book, this history and future of games section will probably comprise not a chapter but a complete volume!«93 Eine dritte evolutionstheoretische Sicht auf die Spieleentwicklung, in der sich »trends of game designs« in ökologische Nischen wiederfinden, hatte etwa NOAH FALSTEIN 1994 in seinem Artikel ›Darwinian Game Design‹ vorgeschlagen. Die noch junge »computer game industry« habe inzwischen genug Generationen erlebt, um eine Evolution durchzumachen. Auch die Welt der Spiele biete viele Umwelten in Form von Plattformen mit Gemeinsamkeiten, aber auch jeweils unterschiedlichen, mehr oder weniger günstigen Bedingungen. Eigenschaften, die für eine Umwelt vorteilhaft seien, könnten sich in einer anderen als Nachteil erweisen, weshalb bestimmte »genres of games« (Gattungen) sich in einer Umwelt ausbreiten, in einer anderen jedoch nicht überleben könnten. Die schwierigsten Bedingungen herrschten zweifellos in den Spielhallen, wo sehr eng gesteckte Vorgaben und die unmittelbare Notwendigkeit, Geld einzuspielen, deutlich mehr Wettbewerb und Spezialisierung hervorgebracht habe. Unter diesen Rahmenbedingungen seien besonders kurzweilige Renn- und Kampfspiele erfolgreich, während Strategespiele keine Chance haben. »Useful traits [...] are quickly copied, and one successful ›mutation‹ will quickly inspire a whole series of me-too products trying to mimic 92 Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 27-44. 93 Vgl. ebd. S. 45-64, hier 56.

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that success.« Der Markt für heimische Computer sei dagegen weniger bösartig, sodass ein größeres Spektrum an Spielen überleben könne. Spieler/innen seien geduldiger, erwarteten jedoch ein bestimmtes Maß an Leistung für ihr Geld. Variationen bestehender »genres« seien häufiger anzutreffen als neue Gattungen und entwickelten sich schrittweise von einer Form in die nächste, um sich dem Wandel der Technologie und der Geschmäcker anzupassen. Aber auch Massensterben habe es bereits gegeben. Dabei sei manche erfolgreiche Gattung bereits auf älterer Hardware (in den »pre-Cambrian« Tagen) möglich gewesen, habe aber erst den richtigen Zeitpunkt finden müssen. Wiederum andere seien erst mit technologischem Fortschritt, wachsender Leistungsfähigkeit und neuen Ein- und Ausgabemöglichkeiten möglich.94 In Anlehnung an STEPHEN JAY GOULDS Buch Wonderful Life (1989) unterbreitet schließlich CHRIS CRAWFORD noch in der vorletzten Ausgabe seines Magazins Interactive Entertainment Design im Juni 1996 eine »stunning analogy for designers of interactive entertainment to consider«. Ein Blick auf die frühe Evolutionsgeschichte der Erde mache nämlich deutlich, dass diese weder in geraden Bahnen noch in der bekannten Baumstruktur mit stets zunehmender Komplexität verlaufe, sondern vielmehr das Ergebnis von Anpassung und Aussterben sei. So habe es etwa in der Zeit des Kambriums, in der es zu einer Explosion von mehrzelligen Organismen gekommen sei, Dutzende grundlegend unterschiedliche anatomische Baupläne gegeben, deren Lebewesen jedoch deutlich weniger ausdifferenziert und komplex gewesen seien. Dagegen unterscheide man im Tierreich heute nur noch wenige Baupläne, unter ihnen etwa Wirbeltiere (Vertebraten), Weichtiere (Mollusken) und Gliederfüßer (Arthropoda), die aber über Unmengen unterschiedlicher Variationen in den Spezies verfügten. Schließlich seien viele der unterschiedlichen Organismen und Baupläne am Ende des Kambriums ausgestorben, während die Überlebenden komplexere Ausformungen innerhalb desselben Bauplans entwickelt hätten. Mit Blick auf eine Vielzahl von Produkten, die in Anfang der 1980er-Jahre entwickelt worden seien, dränge sich der Eindruck auf, dass es damals ebenfalls ein deutlich größeres Spektrum an Ideen gegeben habe, wenn auch viele von ihnen noch sehr schwach gewesen seien wie etwa das experimentelle Alien Garden (1982) oder sein eigenes Balance of Power (1985) – eine Geopolitiksimulation –, deren Weiterentwicklung einfach ausgeblieben sei. »Between the poverty of the hardware and the inexperience of the designers, we just didn’t know how to build really great designs. We look back fondly at such hoary old classics as Star Raiders and Centipede, but they wouldn’t stand a chance in today’s market. Thus, we need to consider what some of these games might have evolved into, had they been given the opportunity.«

Genauso lasse sich ein Vergleich zu dem Aussterben der Dinosaurier ziehen, welches das Überleben und die Entwicklung der Säugetiere in eben jenen Nischen, die zuvor besetzt gewesen seien, überhaupt erst ermöglicht habe; ein glücklicher Zufall. »The same is true of computer games. The current state of design does not reflect the best possible outcome; it reflects the historical happenstances that have destroyed some perfectly worthy ideas and elevated some mediocre ideas to greatness.« Schließlich sei manches andere erfolgreiche Produkt, das in der Folge Gegenstand der Nachahmung wurde, bloß zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen, ohne dass eine historische Notwendigkeit 94 Vgl. N. Falstein: Darwinian Game Design. In: JCGD, Vol. 7, Is. 6, Aug. 1994. S. 10f.

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über Erfolg und Misserfolg, Bestehen oder Verschwinden bestimmter Spielformen entschieden habe. Man glaube noch immer gerne an die Macht des freien Marktes und der Konkurrenz am Markt, um die bestmöglichen Ergebnisse hervorzubringen, doch selbst die so lange Evolutionsgeschichte der Erde habe weder perfekte noch reproduzierbare Ergebnisse hervorgebracht. Schließlich stelle sich die Frage, was wohl jenseits der beschrittenen und der schon wieder vergessenen Pfade noch zu entdecken sei.95 Im Jahr darauf erschien dann mit Joystick Nation von Publizistin J.C. HERZ die »first popular history and critique of electronic entertainment«, die im zweiten Kapitel ›A Natural History of Videogames‹ ganz ähnliche Vergleiche zwischen der Evolutionsgeschichte und der Computerspielgeschichte anstellt. Der erste Teil des Kapitels unter dem Titel ›Cosmology‹ besteht aus einem mehrseitigen Zeitstrahl, beginnend 1962, mit Spacewar, dem sie auch das einführende Kapitel widmet, endend 1996 mit der Veröffentlichung der Spielkonsole Nintendo 64 und begleitet von Beschreibungen besonders wichtiger Spiele. Im Rahmen dieser linearen Darstellung der Geschichte trägt die Autorin den kritischen Momenten Rechnung, indem sie etwa den »First Videogame Crash (The Hardware Plague)«, der Überflutung des Marktes mit Pong-Geräten und den folgenden Konkurs vieler Konsolenhersteller von 1977, oder den »Second Videogame Crash (The Software Plague)«, der Überflutung des Konsolenmarktes mit billigen Spielen, die folgende Pleite vieler Softwarehäuser und das Einfrieren der »videogame R&D« von 1983 als Aussterben beschreibt. Mit Blick auf HERZ’ Einteilung der Geschichte in Zeitepochen wird allerdings deutlich, dass ihre Darstellung nicht nur USA-zentristisch, sondern zudem sehr eng an die Veröffentlichungsgeschichte der ›Videogame‹-Konsolen angelehnt ist; sie unterscheidet »The Pre-Pong Era« (ab 1962), »The Pong Era« (ab 1972), »The Atari Era« (ab 1977), »The 8-Bit Era« (ab 1986), »The 16-Bit Era« (ab 1989) und schließlich »The ›Next Generation‹ Era« (ab 1995).96 Den zweiten Teil ihrer Geschichte widmet HERZ der ›Phylogeny‹, die sie mit der Feststellung beginnt: »The early 1980s were the Cambrian Age of videogames, when new species proliferated like so many marine algae. By the middle of the decade, distinct genres had evolved from archetypes like Asteroids, Space Invaders, and Missile Command into a whole menagerie of side-scrollers, maze games, driving games, and martial arts contests.«

Genres seien nicht nur deutlich unterscheidbar gewesen, sondern auch auf bestimmte Plattformen beschränkt. Schnelle, visuell aufregende und Koordination erfordernde Actionspiele seien aus der Tradition der Spielhallen vor allem als Umsetzungen auf den Konsolen zu Hause gewesen, während die langsameren, komplexeren und mit Geschichten aufwartenden Abenteuerspiele aus der Tradition der Großrechner vor allem auf dem PC zu finden gewesen seien. Diese Trennung sei jedoch mit dem Aufkommen der CDROM verschwunden, sodass inzwischen jedes Genre auf jeder Plattform zu finden sei und die Genres selbst untereinander begännen zu verschmelzen.

95 Vgl. C. Crawford: The Cambrian Era of Game Design. In: JCGD, Vol. 9, Is. 5, Jun. 1996. S. 12-14, hier 13. S.J. Gould: Wonderful Life. New York/NY u.a. 1989. 96 Vgl. J.C. Herz: Joystick Nation. Boston/MA u.a. 1997. S. 5-23, hier 15, 19f., Klappentext.

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»Game lineage isn’t like biological evolution, where an extinct line stays extinct. In game design, someone can come along two billion years later and say, gee, those trichordates actually had something going for them. I think I’ll use them in a game.«97 In den hier aufgeführten Ansätzen zu einer Geschichte der Computerspiele lassen sich verschiedene Modelle der Geschichtsschreibung ausmachen, die zu einer Reduktion historischer Komplexität eingesetzt werden: erstens die entwicklungsbiologische Analogie eines einzelnen Organismus, die bereits kulturhistorische Vorläufer hat, zweitens die historische Analogie, etwa zu Kunstepochen und damit zur Kulturgeschichte oder zu erdgeschichtlichen Epochen und damit zur Naturgeschichte, und drittens die evolutionsbiologische Analogie einer Population über einen langen Zeitraum. Diese Modelle sind dabei nicht zwingend konsequent zu Ende geführt oder immer deutlich voneinander getrennt. Zudem konnte die Letztere keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Während HERZ sich der gleichen Terminologie bedient wie CRAWFORD, bleiben die Konsequenzen für ihre Form der Geschichtsschreibung aus. Damit handelt es sich eher um eine historische Analogie zu einem Konzept, das selbst in der Evolutionsgeschichte umstritten ist98, als um die Anwendung eines evolutionsbiologischen Erklärungsmodells, wie es CRAWFORD vorgeschlagen hatte, um den Blick der Designer/innen für ungenutzte, weil vergessene Möglichkeiten zu öffnen. Das als eine Form der Selbstfindung formulierte Vorhaben von HERZ, der »evolution of videogames« und zugleich ihrer Verbreitung »into our patterns of thought« nachzugehen, richtet sich nicht mehr an die Produzierenden, sondern an die Rezipierenden, »media junkies, technoculture insiders, and anyone who pies for their old Atari«.99 Dagegen richten sich KATZ, YATES und SAWYER an angehende praktizierende Designer/innen und verbinden ihre Form der Geschichtsschreibung mit dem Ziel, eine historische Verortung der eigenen Disziplin vorzunehmen oder sogar die jeweils unmittelbare Zukunft zu überhöhen, womit sie deutlich in der Tradition der Kunstliteratur stehen. Bereits die Geschichtsschreibung der Rhetorik, wie sie sich seit der Antike in Form von Monografien oder in Einleitungs- und Schlusskapiteln von Lehrbüchern der Rheto97 Trotz der Aufweichung an den Rändern und dem Drang, Hybride herzustellen, unterscheidet Herz acht ›Genres‹, denen sie eine gewisse Langlebigkeit attestiert: Action, Adventure, Fighting, Puzzle, Role-Playing, Simulations, Sports und Strategy. Vgl. ebd. S. 24-31, hier 24f. 98 Vgl. C.R. Marshall: Explaining the Cambrian ›Explosion‹ of Animals. In: Annual Review of Earth and Planetary Sciences, Vol. 34, May 2006. S. 355-384. 99 Vgl. J.C. Herz: Joystick Nation. Boston/MA u.a. 1997. S. 3, Klappentext. Spiegelbildlich, wenn auch in der Tradition der Spielemagazine, erschien Ende 1996, als Sonderheft des britischen Magazins Computer and Video Games (CVG), The Complete History of Computer and Video Games, verfasst von dem Journalisten Paul Glancey, der sich im Vorwort nicht an Entwickler/innen, sondern an Spieler/innen richtet: »It’s now your solemn duty to fill in those gaps in your education by turning the page and reading how things got to where they are today.« Die Geschichte der Computer- und Videospiele zu kennen, erscheint also als Bildungspflicht einer nachwachsenden Kunstliebhaber/innen-Generation. Entsprechend des Veröffentlichungszeitraumes des Magazins CVG, behandelt der Autor auf knapp 100 Seiten nach einem kurzen Prolog die Jahre von 1981 bis 1996 jeweils in einem eigenen Kapitel, mit Fokus auf das Erscheinen bestimmter Geräte und Spiele sowie aus vornehmlich britischer Perspektive. Vgl. P. Glancey: The Complete History of Computer and Video Games. London 1996. Hier S. 5.

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rik oder Homiletik (Predigtlehre) findet, diente gerade nicht einer wertfreien Aufzeichnung der Historie, sondern vielmehr spezifischen Zwecken im Kontext der rhetorischen Ausbildung. Typische Motive für die Abfassung der Rhetorikgeschichte sind die Aufwertung der Kunst durch berühmte Gründerväter, die Bewahrung des historischen Geschehens in Erinnerung der eigenen Position und die Abgrenzung von konkurrierenden, vorangegangenen Theorien etwa in der Betonung des pädagogischen Vorzuges des theoretisch fundierten Unterrichtes bei ARISTOTELES. Bei CICERO dient die historische Verankerung der Rhetorik nicht nur zu ihrer kulturanthropologischen Nobilitierung, sondern der chronologischen Charakterisierung der wichtigsten griechischen und römischen Redner, ihrer Stile, Vorzüge und Fehler, aber auch der Einordnung oder Überhöhung der eigenen Position. Bei QUINTILLIAN ist die Darstellung der Veränderungen der rhetorischen Kunstlehre anhand ihrer Fachliteratur vor allem der Erstellung von kanonischen Listen vorbildlicher Redner/innen für deren Nachahmung im Rahmen ihrer Ausbildung gewidmet, sowohl in pragmatischer Hinsicht in Bezug auf Stil, Wortschatz und Techniken als auch in pädagogischer Hinsicht auf Lebenswandel und individuelle Haltung. Schließlich dient die Geschichte der Rhetorik auch der Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Situation der Kunst, als Mittel der Literatur- und Kulturkritik sowohl im Negativen (Verfall) wie auch im positiven (Überlegenheit). Auch im Falle der Rhetorikgeschichte ist ein universales Prinzip »das Deutungsschema von Aufstieg, Blüte und Niedergang der Beredsamkeit, das schon in der Antike entstand und bis in die Darstellungen des 19. Jh. hinein fortgewirkt hat«.100 Auch die Vorstellungen vom Ursprung und der historischen Entwicklung der Künste, wie sie sich in der Kunstliteratur der Frühen Neuzeit findet, orientierte sich an der Abfolge von Wachstum, Reife, Verfall und schließlich Wiedergeburt, nicht zuletzt, um den damaligen Anspruch, an einer ›Renaissance‹ teilzuhaben, zu rechtfertigen. Während es jedoch zum einen unterschiedliche Gründungsmythen, historische und psychologische Theorien zum Ursprung der Künste gab, herrschte zum anderen noch keinesfalls Einigkeit über die Anwendung der Entwicklungsblaupause auf die historischen Ereignisse und die Epocheneinteilungen, bis schließlich durch GIORGIO VASARIS Viten eine weithin akzeptierte Lesart geschaffen wurde, nicht ohne aber den Widerspruch zu hinterlassen, dass die Kunst mit Michelangelo bereits ihre Vollendung erreicht habe.101 In dieser Tradition verbindet noch ARNIE KATZ die ›biologische‹ Abfolge der Entwicklungsstadien Wachstum, Reife und Verfall mit der kulturhistorischen Analogie der Wiedergeburt (»The Renaissance«). Es sollte – trotz aller Probleme und Unstimmigkeiten – zur favorisierten Lesart der Computer- und Videospielgeschichte aufsteigen, wobei ihr eigentlicher Sinn, nämlich zunächst nur die Geschichte der Heimvideospiele und dann die Entwicklung des ›Game Design‹ selbst zu beschreiben, zunehmend in Vergessenheit geriet und die einzelnen Epochen eher als Assoziationsräume für bestimmte Geräte oder Spiele herangezogen wurden.102 100

101 102

Vgl. F.-H. Robling: Rhetorikgeschichtsschreibung. In: HWdR, Bd. 10. Sp. 1079-1099, hier 1082, 1084-1087. K. Heldmann: Antike Theorien über Entwicklung und Verfall der Redekunst. München 1982. Vgl. U. Pfisterer: Die Kunstliteratur der italienischen Renaissance. Stuttgart 2002. S. 84-94. Mit der Veröffentlichung der ersten Chronologie der Videospiele (von 1970 bis 1993), die im Dezember 1994 im Selbstverlag unter dem Titel Phoenix: The Fall & Rise of Home Videogames erschien, wurde der mythologische Charakter von Fall und Aufstieg zu einem festen

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Schließlich folgt die ›History of Computer Games‹, wie sie SAWYER schildert, keinem strengen Schema, auch weil er rund um das Jahr 1990 einen zweiten ›Shakeout‹ der Branche beschreibt, welcher die vereinfachte Lesart des singulären Tiefpunktes verhindert.103 Schon im Juni 1989 hatte ARNIE KATZ im Rahmen seiner Kolumne ›Inside Gaming‹ im Magazin VideoGames & Computer Entertainment die Frage gestellt: »Will Video Games Crash Again?« Genau diese Frage sei ihm in den vergangenen Wochen von Hunderten Personen aus der Geschäftsführung gestellt worden und angesichts des letzten Zusammenbruches des Spielemarktes, der 1985 zu einem fast vollständigen Stillstand der Industrie geführt habe, sei nachvollziehbar, dass dieser Gedanke noch immer starke Unruhe auslöse. Allerdings sei es nicht das Desinteresse der Kundschaft gewesen, das zu diesem ›Crash‹ geführt habe, sondern der rapide Preisverfall in einem an qualitativ minderwertigen Produkten völlig übersättigten Markt. So seien auch Nintendo und Sega bei der Einführung ihrer Konsolen 1986 sehr darauf bedacht gewesen, keine Überproduktion von Spielen zuzulassen. Sei er bis vor Kurzem noch überzeugt gewesen, dass jeder Trend einmal zu Ende gehen müsse, glaube er inzwischen, dass die Basis an verbreiteten Spieleplattformen und damit die Nachfrage nach Spielen so groß sei, dass ein neuer Crash zumindest unwahrscheinlich erscheine. Ob ›Video Games‹ allerdings ein bleibender Bestandteil der US-amerikanischen Freizeitkultur bleiben würden, entscheide sich erst mit dem Sprung auf die unmittelbar bevorstehende neue 16-Bit-Konsolengeneration, welchen die Kundschaft mitgehen müsse.104 Im Falle von Computerspielen sehe die Situation allerdings etwas anders aus, wie KATZ im Monat darauf in seinem Ausblick auf deren Zukunft bemerkt. Diese seien nämlich durch veränderte Interessen der Kundschaft und ebenjene neue Konsolen enorm unter Druck geraten, wodurch selbst alteingesessene Softwarehäuser finanzielle Probleme bekommen hätten. Aber auch wenn die Verkäufe die Erwartungen nicht erfüllt hätten, sei der grundsätzliche Trend positiv. »So computer games will survive and thrive in the 1990s, even if a few individual outfits take a financial beating.« Die erfolgreichen Spiele der 1990er-Jahre seien allerdings andere als in den 1980ern, begleitet von neuen Technologien und Möglichkeiten.105 In den folgenden Monaten berichtete auch das Journal of Computer Game Design über die Probleme der Computerspielbranche. Tatsächlich seien die Verkaufszahlen im Weihnachtsgeschäft des Jahres 1989 hinter den Erwartungen zurückgeblieben, jedoch nicht so schlimm wie befürchtet. Mit dem Publisher Epyx habe eines der ältesten Verlagshäuser für Spielesoftware Konkurs anmelden müssen und The Software Toolworks habe sich mit dem Spielepublisher Mindscape zusammengeschlossen. Wie GORDON WALTON und LAURA MISKINES zudem betonen, seien 1989 die 20 Topspiele für über 70 Prozent der Verkäufe verantwortlich gewesen, was dem Rest der Branche wenig Spielraum lasse. Der Fokus verschiebe sich auf weniger Produkte, die zwar immer auf-

103 104 105

Bestandteil in der Geschichtsschreibung der »history of home videogames«, die allerdings bewusst die Geschichte der Automaten, Heimcomputer und Personal Computer ausspart. Autor und Herausgeber Leonard Herman nennt als zentrale Inspiration für sein Buch das Erscheinen der Rubrik ›Video Game Digest‹ von Katz, Worley und Kunkel im ANALOG Magazine. Vgl. L. Herman: Phoenix. Union/NJ 1994. S. X. Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 37, 42f. Vgl. A. Katz: Will Video Games Crash Again? In: VG&CE, Jun. 1989. S. 78f. Vgl. A. Katz: Computer Gaming 2000 A.D. In: VG&CE, Jul. 1989. S. 74f.

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wendiger zu produzieren seien, zugleich aber über immer kürzere Lebenszyklen verfügten. Ergebnis dieses Prozesses sei eine immer professioneller agierende Industrie, die sich auf eine kleine Zahl hochwertiger Produkte konzentriere, welche sich in einem flauen Markt durchsetzen müssten.106 Die von SAWYER niedergeschriebene Geschichte macht vor allem deutlich, dass die ›History of Video Games‹ nicht identisch ist mit der ›History of Computer Games‹. Dennoch schildert er sie – bis hin zum Zeitstrahl – als weitestgehend lineare Erfolgsgeschichte mit Höhen und Tiefen und deren Zukunft Begeisterung abverlange. Wie er bereits in seiner Einführung betont, sei »Game Development« derzeit heißer als das Death Valley im Sommer: mit über 6 Milliarden US-Dollar Umsatz weltweit im Jahr 1994, einer großen und stetig wachsenden Gemeinschaft an Entwickler/innen sowie Spieler/innen nur in den USA. »With online services and interactive networks expanding like crazy, there are opportunities out there for game developers that have never existed before. One might say that this is the best time to enter the game development field in a big way. But you’d better move fast because the competition is really heating up.«107

In diesem Sinne hat auch THOMAS S. KUHN darauf hingewiesen, dass die kurz gefasste, hochselektive Geschichtsschreibung der Wissenschaften, wie man sie in den Einleitungen gängiger Einstiegsliteraturen zu den verschiedensten Disziplinen vorfinde, in dem Ansinnen, den aktuellen Normalzustand zu schildern, stets ein kohärentes, kontinuierliches und kumulatives Gesamtbild zeichne, womit sie nicht nur Umbrüche, sondern auch ihr eigenes Zustandekommen verschleiere. Diese eher mythische, vereinfachte Form erfülle bei Inkaufnahme der Vermittlung falscher Informationen vielmehr den pädagogischen Zweck, angehenden Praktizierenden als Orientierung zu dienen, sich selbst und die eigene Teilhabe in einer disziplinären Tradition zu verorten.108 Der Tod und die Zukunft der Computerspiele

CRAWFORD schließt bereits sein 1984 erschienenes Buch The Art of Computer Game Design mit einem Kapitel ›The Future of Computer Games‹. Dort wiederholt er seine Grundannahme, dass es sich bei ›Computer Games‹ um eine unerschlossene Kunstform handele, die jedoch eines Tages ihr volles Potenzial ausschöpfe werde. Die Geschichte lehre jedoch, dass man mit solchen Hoffnungen vorsichtig sein müsse. Wohin also entwickelten sich ›Computer Games‹, wie veränderten sie sich in den kommenden Jahren und träten sie als bedeutsame Kunstform in Erscheinung? Einige Trends seien bereits erkennbar, auch wenn sich deren Deutung angesichts unterschiedlicher Interpretationen des »current state of computer game design« als schwierig erweise. Die erste und wichtigste Frage betreffe das Überleben der »computer game industry«, die immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert sei, bloß ein kurzes und vorüber106

107 108

Vgl. K. Beeck: The Journal Reporter. In: JCGD, Vol. 3, Is. 2, Dec. 1989. S. 8f. Ders.: The Journal Reporter. In: JCGD, Vol. 3, Is. 3, Feb. 1990. S. 14f. G. Walton, L. Miskines: Shakeout! In: JCGD, Vol. 3, Is. 3, Feb. 1990. S. 6f. Vgl. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 7f. Vgl. T.S. Kuhn: The Structure of Scientific Revolutions. Chicago/IL u.a. 1974. S. 136-143.

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gehendes Phänomen zu sein. Die große Zuversicht vonseiten der Industriemitglieder sei dem enormen Wachstum der vergangenen Jahre zu verdanken, dem jedoch natürliche Grenzen gesetzt seien. Auch gebe es inzwischen gesellschaftliche Vorbehalte gegenüber Spielhallen und den Auswirkungen von anhaltendem Spielen, vor allem für Kinder. Es seien bereits größere Unternehmen als Atari und größere Industrien als diese untergegangen. Es gebe gute Gründe, optimistisch zu sein, etwa weil Computerspiele das grundlegende Bedürfnis nach aktiver Erholung befriedigten, doch solle man nicht glauben, dass sich die Erfolge der Vergangenheit einfach wiederholten. Die meisten Voraussagen über die Zukunft der Computerspiele gehen, so CRAWFORD, vom technologischen Fortschritt als zentralem Faktor des Wandels aus und betonten die zu erwartenden Verbesserungen von Leistungsfähigkeit, Ein- und Ausgabemöglichkeiten; »fabulous games with full of unbelievable graphics and sensational experiences«. Er sei gegenüber diesen Voraussagen, die darauf basierten, gegenwärtige Entwicklungen zu multiplizieren und in die Zukunft fortzuschreiben, sehr skeptisch eingestellt, da sie blind für unerwartete Wendungen seien. Die Technologie werde sich ohne Zweifel verbessern, doch stelle sich die Frage, ob Game Designer/innen allein durch diese beschränkt würden, und nicht vielmehr durch künstlerische Unreife; technologischer Stillstand sei künstlerischem Stillstand stets vorzuziehen, um nicht nur noch aufgehübschte Variationen bereits existierender Spiele produzieren zu müssen. Es werde wohl in beiden Bereichen Fortschritte geben, doch technologische Entwicklung könne niemals der Motor des Wandels sein, dies müsse die künstlerische Reifung leisten. Es zeige sich auch im Vergleich von Stummfilm und modernem Blockbusterkino, dass sich künstlerische Qualität nicht durch technologische Vorteile aufwiegen lasse. Aus seiner Sicht vollziehe sich eine technologische Revolution immer auf die gleiche Weise, was etwa beim Automobil, beim Fernsehen und eben auch beim Computer zu beobachten sei. Zunächst sei eine neue Technologie nur wenigen zugänglich; sie sei teuer, unzuverlässig und leide an einem Mangel an Unterstützung und Inhalten. Mit der Zeit würden diese Probleme jedoch überwunden und die zunehmende Verbreitung der Technologie bringe einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel und Veränderungen in den täglichen Lebensgewohnheiten mit sich. In einer Weise, die nicht vorhersehbar gewesen sei, wandele die Gesellschaft schließlich auch die Technologie, weg von ihrer pragmatischen Anwendung und hin zu einem Mittel des Ausdruckes, der Erholung und als Selbstzweck. Genau dies geschehe gerade mit dem Personal Computer, selbst wenn das Ausmaß für die kommenden Jahre noch schwer einzuschätzen sei. Die Gesellschaft werde massive Veränderungen durchlaufen und der Computer werde zum Mittel der Freizeitgestaltung aufsteigen. Allem voran das ›Computer Game‹ sei zur zentralen Anwendung geworden mit Millionen verbreiteter und verkaufter Produkte. Schon jetzt zeige sich der Wandel der Technologie durch die Gesellschaft in mehreren Bewegungen, die auch gegeneinander strebten. Da Computerspiele zu einer Ware des Massenmarktes geworden seien, seien sie auch Opfer von dessen homogenisierenden Kräften, die statt auf Originalität und Kreativität vor allem auf bewährte Formeln setzten. Ebenso wie bei Film und Fernsehen führe diese Tyrannei zur Produktion des ewig gleichen Spieles in neuen Kleidern. Dennoch sei auch der Massenmarkt gelegentlich dazu in der Lage, inmitten seelenloser Klone qualitätvolle Werke hervorzubringen. Nur weil eine Idee im Massenmarkt funktioniere, sei sie nicht notwendigerweise Schund. Der Spielemarkt sei allerdings deutlich weniger zentralisiert und weniger abhängig von großen Produktionsmengen zur Kostensenkung, was ihn eher

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mit den Märkten für Bücher oder Musikalben vergleichbar mache und damit eine größere Vielfalt und Unabhängigkeit vom Massengeschmack erlaube. Diese »baby markets« im Schatten des Massenmarktes böten nicht nur Versuchsgelände für neue Ideen, sondern auch einen Rückzugsort für alle jene, die vor der Mittelmäßigkeit flüchteten. Solche kleinen Märkte seien nicht sehr entwickelt, da Computerspiele noch immer von männlichen »teenagers« und »computer ›nerds‹« geprägt seien, doch würden Spiele bald reichere »explorations of fantasies« zu bieten haben. »Eventually, games will be recognized as a serious art form, although the exploration of games as an art form will be restricted to a small fraction of the total design activity. Most of the effort will always be devoted to serving popular taste. Yet this tiny group of games artists will be responsible for creating the future classics of games, the games that will endure.«

Eine größere Vielfalt des Computerspielemarktes werde sich allerdings erst einstellen, wenn sich im Laufe der Zeit auch der Geschmack des Publikums weiterentwickle. Dieses werde sich, schon aus Langeweile an den direkten, einfachen und intensiven Reizen, die an Kinder und Jugendliche gerichtet seien, subtileren und interessanteren Produkten zuwenden mit einem größeren Spektrum an Emotionen. Das wichtigste Element dieser Evolution des Geschmackes sei aber die Entwicklung eines Wortschatzes, eines Vokabulars, wie es jedes Medium brauche, um eine bedeutsame Kommunikation zu erreichen; je reicher das Vokabular, desto größer das Potenzial des Ausdruckes. Selbst das Kino, das menschliche Gestik und Mimik unmittelbar darstellen könne, habe einen spezifischen visuellen Wortschatz entwickelt, um seine kommunikative Macht auszuweiten. Erst ein eigenständiges Vokabular der Interaktion, das über bildliche Darstellung hinausgehe und den Ausdruck von Emotionen zwischen Mensch und Computer erlaube, werde das unausweichliche Aufblühen der Vielfalt mit sich bringen. »The artistic challenge is vast, yet we have managed to charge stone, pigment, taut string, and celluloid with feeling. We will succeed with silicon.« Abschließend betont CRAWFORD, dass er eine Zukunft sehe, in der Computerspiele eine zentrale Freizeitbeschäftigung darstellen: mit einem ausdifferenzierten Massenmarkt aus »cyberschlock«, aber auch vielen kleinen umso wichtigeren Märkten aufregender »literature of computer games«, selbst wenn ein einzelnes dieser Spiele kaum dem wirtschaftlichen Erfolg des Massenmarktes nahekommen werde. Schon 1985 würden Softwaregeschäfte ebenso verbreitet sein wie Plattenläden, 1990 so verbreitet wie Buchgeschäfte, gefüllt mit Regalen voller Spiele, die jeden beliebigen Geschmack bedienten. Zudem könne man die aktuellen Produkte der Lieblingsautorinnen und -autoren besichtigen, deren Spiele in alphabetischer Reihenfolge zusammenstünden, während die Wände mit Postern neuer »smash hit games by software superstars« geschmückt seien, um schließlich das persönliche Spiel der Wahl mit nach Hause zu nehmen.109 Gemessen an 109

Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. 103-112, hier 110f. Angesichts des Siegeszuges des Personal Computers als »the ›ultimate‹ game machine«, wagte auch William H. Harrington mit seinem Artikel ›Future Games‹ in der Novemberausgabe 1985 der Computer Gaming World einen Blick in die Zukunft, und zwar im Gespräch mit »some of the ›stars‹ of computer gaming«. Vgl. W.H. Harrington: Future Games. In: CGW, Vol. 5, Is. 5, Nov.-Dec. 1985. S. 13-15, hier 15. Nach ähnlichem Muster hat Keith Ferrell Ende 1987 einen umfassenden Artikel zur Zukunft der Computerspiele aus Ge-

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diesen Hoffnungen und Voraussagen musste die tatsächliche Situation im Jahr 1996 enttäuschen. Im April 1996 erschien schließlich im Magazin Interactive Entertainment Design, zwei Ausgaben vor dessen endgültiger Einstellung, ein zehn Seiten umfassender Artikel von CRAWFORD unter dem Titel ›Computer Games are Dead‹, in dem er ein letztes Mal mit der Entwicklung des Mediums abrechnete.110 Er betont dabei, dass er das »intense word« vom Tode, das man mit Endgültigkeit und dem Verschwinden sämtlicher Lebenszeichen verbinde, bereits jetzt verwende, da er jede Hoffnung auf Besserung, auf Anpassung an veränderte Umstände aufgegeben habe, da die Infektion zu schwerwiegend und das Ende unausweichlich sei; »therefore, I conclude that computer games are dead«. Die Formulierung »computer games« bezeichne dabei für ihn mehr als nur in Folie eingeschweißte Pappschachteln in einem Verkaufsregal, sondern ein ganzes Feld, eine Industrie, eine Gemeinschaft, einen Organismus mit vielen Einzelteilen. Der schleichende Tod eines solchen Organismus sei das Ergebnis des kollektiven Versagens vieler Einzelteile; und ganz Ähnliches sei bei »computer games« der Fall, wobei hier kein vollständiger Kollaps vorliege, sondern eine »computer games industry«, die im Angesicht des Todes erstarrt, komatös und leblos in jedem bedeutungsvollen Sinne sei. Vergleichbares sei bereits mit der »coin-op industry« passiert, die Ende der 1970erund Anfang der 1980er-Jahre führend gewesen sei, die schlausten und talentiertesten Designer/innen angezogen, die meiste Kreativität freigesetzt und die besten Spiele hervorgebracht habe, welche erst dann auf Konsolen und Computer übertragen worden seien. Doch obwohl diese Spiele noch immer hergestellt und verkauft werden, seien Spielautomaten heute aus der Wahrnehmung verschwunden und fristeten ein Schattendasein bis zu ihrem ruhmlosen Tode. Ebenso zeigten ›Videogames‹ erste Symptome des Verfalles. Die jedes Jahr neu erscheinenden Spiele verfügten über immer kargere und weniger überschwängliche Lebenszeichen, seien nur noch mitleiderregende Echos vergangener Zeiten, die nicht mehr die Dynamik und Energie ihrer Vorfahren erreichten. Und habe es auch die ›Computer Games‹ ereilt, was gleich mehrere Indikatoren nur allzu deutlich anzeigten: der Übergang des Antriebes von den Schaffenden auf den Markt, der Kauf von Marktanteilen, das geschlossene Distributionssystem, der Tod der Kreativität und der Gemeinschaft. In den frühen Tagen der Computerspielentwicklung seien Designer/innen bzw. Programmierer/innen so rar gewesen, dass diese gegenüber der Geschäftsleitung deutlich mehr Entscheidungen hätten durchsetzen können. Doch mit der wachsenden Zahl an Entwickler/innen sei die kreative Kontrolle verloren gegangen. Zudem habe man den Markt inzwischen besser vermessen, sodass viele Entscheidungen auf das Marketing und seine Binsenweisheiten übergegangen seien. Während jedoch der Blick der Schaffenden auf die Zukunft, neue Möglichkeiten sowie das Ausloten und Überschreiten von Grenzen gerichtet sei, richte sich der Blick des Marketings auf die Vergangenheit, auf bereits erfolgreiche Konzepte, an die es sich zu halten gelte. Jede Industrie sei von dem Widerstreit dieser beiden Perspektiven geprägt, doch die reine Orientierung am Markt habe

110

sprächen mit ›Ten Industry Leaders‹ kompiliert. Vgl. K. Ferrell: The Future of Computer Games. In: Compute!, Is. 90, Vol. 9, No. 11, Nov. 1987. S. 14-28. Vgl. C. Crawford: Computer Games are Dead. In: JCGD, Vol. 9, Is. 4, Apr. 1996. S. 2-11.

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die ›Computer Games‹ von einem Medium in einen Gebrauchsgegenstand verwandelt und damit jeden Lebens beraubt. »A medium is a channel of communication, something whose content is constantly in flux and ever-surprising. This flux, this change, is the heartbeat of life of the medium. There is always the hope of a brighter future with any medium, because the content can always change to address new conditions.«111

Im Jahre 1990 sei das Budget für ein Computerspiel erstmals von den gängigen 150.000 auf eine Millionen US-Dollar gestiegen. Man habe bewusst und sehr erfolgreich die Strategie verfolgt, Marktanteile zu kaufen. In dem folgenden »gold rush« der letzten fünf Jahre seien dann jedoch riesige Geldsummen verbrannt worden, da zu wenig Erfahrung und Reife bestanden hätte, um die plötzlich wachsenden Budgets in die richtigen Projekte zu investierten. So habe man vornehmlich überteuerten Müll produziert und in die Regale gestellt, das Vertrauen der Käufer/innen verloren sowie opportune Gauner/innen in die Industrie gelockt. Zugleich seien die Einstiegsbarrieren in die Branche gestiegen, weshalb man viele kreative und talentierte Personen abweise.112 Darüber hinaus trage das geschlossene, streng geregelte und auf Profit optimierte Vertriebssystem aus Verkaufsgeschäften, Großhändlern und Verlagen dazu bei, dass kein Raum für Experimente bleibe, da man inzwischen genau zu wissen glaube, was sich verkaufe und was nicht. Wenn es auch nicht falsch sei, Wissen über den Markt anzuwenden, fehle es doch an intellektueller Demut, dass man tatsächlich nur über einen Bruchteil des Wissens verfüge. Erfolg oder Misserfolg sei nicht mit Sicherheit auf einzelne Faktoren zu reduzieren, doch würden vorschnell Erfahrungen verallgemeinert und Ideen fallen gelassen. »Entertainment is first and foremost a field in flux, and an industry that cannot support experimentation in an organized fashion is a dead industry. Such is the case with computer games.«113 Die Folge sei der Tod der Kreativität, der sich besonders seit 1990 in der Form von »slavish imitations« erfolgreicher Spiele und der engen Bindung an das von Vorbildern begrenzte Territorium zeige. Es fehle an originellen Gedanken und fundamental neuen Ideen. Allzu schnell verstecke man sich hinter der lächerlichen Vorstellung, man habe das Medium und sein kreatives Potenzial in den vergangen 15 Jahren bereits vollständig erforscht und könne nun nur noch die übrig gebliebenen Früchte aufsammeln. Das kreative Versagen der letzten Jahre deute darauf hin, dass man nicht in der Lage sei, die Veränderungen, Entwicklungen und das wachsende Potenzial des Mediums zu erkennen. Schließlich zeige sich die Krankhaftigkeit der Industrie im Verlust des Gemeinschaftsgeistes, welcher der Gier, Apathie und Gleichgültigkeit gewichen sei. Dass es noch nicht zum Zusammenbruch gekommen sei, liege in der falschen Selbstwahrnehmung des finanziellen Erfolges. Begründet durch die früheren Erfolge der Industrie sei es noch immer leicht, an Geld zu kommen und große Umsätze zu generieren, die jedoch zum Großteil aus Investitionen bestünden, welche sich in Zukunft auszahlen müssten. Zudem baue der Erfolg auf der Verfügbarkeit billiger Arbeitskraft, da das krea111 112 113

Ebd. S. 4. Crawford macht diese Entwicklung vor allem am Spiel Wing Commander (1990) fest. Vgl. Kap. B.I.3 ›Legends of Game Design‹. Ebd. S. 5.

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tive und technische Personal noch immer nicht ordentlich bezahlt werde, sondern vielmehr immer neue junge Talente bereit seien, für wenig Geld zu arbeiten in der Hoffnung, einmal mehr zu verdienen. Schließlich sei der Erfolg der Spielesoftware in den vergangenen fünf Jahren vor allem durch die wachsende Verbreitung von PC-Hardware bedingt, wobei zurückgehende Verkaufszahlen bei einer Sättigung des Marktes auch zu einem Rückgang von Spielverkäufen führen würden. So konzentriere sich der Erfolg auf wenige Titel, die in der Lage seien, die Fähigkeiten der Hardware in Szene zu setzen. Folglich stünde eine Welle nachlassender Verkäufe unmittelbar bevor, welche die Branche hart und unvermittelt treffen werde. Wenn das »computer gaming« dennoch gerettet werde, so liege dies an zwei Kräften: Multimedia und dem Internet. Dabei seien beide Technologien allerdings weder in der Lage noch interessiert daran, das »computer gaming« zu verändern. Der Begriff ›Multimedia‹ würde gar bewusst in der Tradition des ›Interactive Entertainment‹ als Ablehnung und Gegenmodell zum »gaming« positioniert. Die Kultur des Internets sei hingegen noch kaum definiert und werde die »techie-nerd culture«, welche auch die »computer games« dominiere, entweder in sich aufnehmen oder ablehnen, was ebenfalls nicht zu einer Veränderung führe. Die neuen Möglichkeiten sozialer Interaktion würden das »gaming« ebenfalls nicht verändern, sondern entweder den Stil bekannter Produkte übernehmen oder als ›Internet interactive Entertainment‹ zu Spielformen führen, die sich vom »computer gaming« unterschieden. Wesentlich sei, dass nicht die Technologie die Menschen verändere, sondern die Menschen die Technologie. Das »computer gaming« habe im Verlauf der letzten Dekade seine Zielgruppe gefunden und bekomme seine Form nun durch dessen Erwartungen diktiert, und zwar nicht als Massenmedium, sondern als insuläres und wandlungsunfähiges Hobby. Auch neue Technologien seien nicht in der Lage dies zu ändern. Die aktuelle Generation der Entwickler/innen habe die Fackel im Kampf für den schnellen Profit fallen lassen und damit den Versuch aufgegeben, ein lebendiges Medium mit strahlender Zukunft zu erschaffen. Stattdessen habe man mit »computer games« ein Hobby entwickelt, das zwar löblich und schließlich auch von Dauer sei, aber nicht annähernd das Potenzial erreiche, das man sich Anfang der 1980er-Jahre erträumt habe. CRAWFORD selbst betont, dass er nicht so schnell aufgeben werde und bereit sei, die Fackel weiterhin zu tragen. Es gebe viele Talente außerhalb der »traditional computer gaming community«, z.B. in den Bereichen Multimedia und Internet, die bereit seien, eine neue kreative Gemeinschaft zu bilden, eine, die sich mit der Schaffung eines Massenmediums und nicht mit der Ausbeutung einer Technologie befassen wolle. Er blicke mit Optimismus und Aufregung auf diese Aufgabe und die Menschen, die vor Energie und Enthusiasmus überliefen: »They’re out there, ready to make a revolution.« Zwei Ausgaben später war Schluss. Im August 1996 erschien die letzte Ausgabe von Interactive Entertainment Design, wie der Herausgeber verriet, aufgrund mangelnder Abonnements.114 CRAWFORDS Analyse blieb allerdings nicht ungehört. In der Augustausgabe 1996 der Computer Gaming World antwortet der leitende Redakteur JOHNNY L. WILSON mit seinem Editorial ›The Future Of Gaming – Are Computer Games Here To Stay?‹. Obwohl es stets gefährlich sei, über die Zukunft zu spekulieren, müsse er dieses Thema behan114

Vgl. C. Crawford: Goodbye. In: JCGD, Vol. 9, Is. 6, Aug. 1996. S. 13f.

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deln, »because lots of people, for whom I have the greatest respect, believe that the computer game industry is creatively dead«. Besonders angesichts der letzten ›Electronic Entertainment Exposition‹ in Los Angeles, die kaum anderes als mehr von demselben – »MOTS (More Of The Same)« – zu bieten gehabt habe, sei bereits laut das Totengeläut angeschlagen worden. Auch er selbst sehe die Spiele der E3, die bloß ein Jahrzehnt alte Konzepte mit neuen Technologien, verbesserter Grafik- und Audioausgabe kaschierten, als Warnung für die Industrie, sich frischer Perspektiven zu berauben. Dennoch sei er optimistisch, was die Zukunft der ›Computer Games‹ angehe. Allem voran glaube er, dass die Konnektivität aller elektronischen Geräte in Zukunft per Netzwerk und Internet nicht nur die Heimelektronik, sondern auch die Menschen verbinden werde. So würden etwa Sportübertragungen aus Fernsehprogramm, »fantasy teams« und Simulation mit Online-Zusatzinformationen zusammengeführt. Zudem könne man sich Spielrezensionen oder Interviews mit Game Designer/innen im Bewegtbild ansehen, um dann per Knopfdruck ein Spiel herunterzuladen, einem Multiplayerspiel beizutreten oder online Gegner/innen zu finden. Er erwarte, dass ›Virtual Reality‹-Brillen in Zukunft so leistungsfähig und bezahlbar werden, dass eine ganze Familie gemeinsam die »richness of the gaming experience« teilen könne. Außerdem würden »synthetic actors«, deren Aussprache und Mimik von realen Schauspieler/innen abgefilmt und deren Bewegungen durch ›Motion Capturing‹ auf 3-D-Modelle projiziert werde, die Spiele bevölkern und situationsbezogen auf die Spielenden reagieren, sodass sowohl »interactive dramas« als auch realistische Avatare in Vorstellungswelten möglich würden. »Such potential allows for more advanced human interaction than violence and lets gamers establish virtual relationships. As in any art form, these relationships may be based in fictional worlds, based on non-existent situations, and involve imaginary characters, but they are a metaphor for life. They can teach us and sensitize us to new perspectives, cultures and ideals. That’s an exciting potential.«

Es werde eine neue technische Peripherie geben, welche wesentlich zu den »gaming experiences« etwa von Sport- und Flugsimulationen beitrage, z.B. durch 3-D-Eingaben oder ›Force Feedback‹. Schließlich sei er überzeugt, dass das »interactive entertainment« schon kurz nach 2005 mit anderen Unterhaltungsindustrien im Hinblick auf Ansehen und Einnahmen gleichziehen werde, um diese in den Jahren darauf zu überflügeln. Die neuen Technologien ermöglichten Spiele, die mehr seien als ›Shooters‹ und »hack and slash«. Auch er sei frustriert angesichts der Unreife des Mediums und des Mangels an Kreativität, der in heutigen Produkten sichtbar scheine. Doch mit Blick auf die Geschichte der Filmindustrie werde deutlich, dass man sich noch immer in der Stummfilmzeit bewege, erst kurz davor, in die neue Ära des Tonfilmes einzutreten.115 Und tatsächlich musste sich die Situation aus der Perspektive des Magazins deutlich anders darstellen. Bereits 1995 war man dazu übergegangen, umfassend über anstehende Veränderungen und Revolutionen im ›Computer Gaming‹ zu berichten. Nachdem Technikredakteur LOYD CASE im Juni 1995 Microsofts neuem Betriebssystem Windows ’95 voller Begeisterung einen ausführlichen Artikel gewidmet hatte, weist JOHNNY L. WILSON im Monat darauf auf drei technologische Entwicklungen hin, die das ›Computer Gaming‹ in den nächsten 18 Monaten nachhaltig verändern würden: die ›Win 95 115

Vgl. J.L. Wilson: The Future Of Gaming. In: CGW, No. 145, Aug. 1996. S. 20, 22.

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Explosion‹, die ›3-D Graphics Revolution‹ sowie die nächste ›Sound Wave‹. Obwohl es zu einem schwerwiegenden Umbruch komme, der nach dem Vorbild der Französischen Revolution auch Köpfe fordere, sei die neue Ordnung es wert; es stehe eine »fast-paced era of change« bevor. Erstens sei Windows ’95 angetreten, um die Inkompatibilitätsund Konfigurationsprobleme der PC-Plattform zu beheben. Zweitens werde die Nutzung von 3-D für in Echtzeit berechnete virtuelle Welten und Charaktere durch die Verfügbarkeit spezifischer Beschleunigungshardware unglaubliche Verbesserungen erfahren. Und drittens würden neue Fortschritte in der Sound-Technologie eine nicht nur bisher unbekannte Räumlichkeit und Realität in die »gaming experiences« bringen, sondern auch Online-Sprachübertragung ermöglichen. Von September bis November 1995 erschienen zusammen mit den Ausgaben 134, 135 und 136 der Computer Gaming World drei aufeinanderfolgende ›Special Windows 95 Issues‹, welche den Besonderheiten des neuen Betriebssystems gewidmet waren.116 Ähnlich viel Aufmerksamkeit erfuhr die erste Welle an 3-D-Beschleunigerkarten, die jedoch erst Ende 1996 auf dem Markt erschienen. Schon im Juni 1996 verkündete die Computer Gaming World auf dem Cover ›3-D Is Here!‹ und warf einen ersten Blick die in Entwicklung befindlichen Spiele, gefolgt von einer speziellen ›3-D Issue‹ im Juli 1996, welche die in Kürze verfügbare 3-D-Hardware und ihre Technologie vorstellte. Im August berichtete die Computer Gaming World dann, dass Microsofts Technologieschnittstelle Direct3D verfügbar sei. Schließlich folgte die erste Welle von 3-D-Hardware zum Weihnachtsgeschäft 1996, die umfassend in der November- und Dezemberausgabe geprüft wurde: »Looking back on the past two month, it’s clear that 3Daccelerated graphics is here to stay. We’re just now starting to see cards [...] that really deliver on the promise of better image quality and better performance. Now all we need are the games.«117 Unerwartet große Aufmerksamkeit von der Computer Gaming World erhielt 1996 auch das Spielen zu mehreren, zunächst über lokale Netzwerke und dann das Internet: 116

117

Vgl. L. Case: Microsoft Comes Out To Play. In: CGW, No. 131, Jun. 1995. S. 58, 60, 62f., 65f. J.L. Wilson: Don’t Start The Revolution Without Me. In: CGW, No. 132, Jul. 1995. S. 12, 14. Freilich setzte bereits Anfang 1996 die erste Ernüchterung ein angesichts einer großen Welle von uninspirierten Windows-’95-Spielen, die sich an ein unerfahrenes Publikum aus nur gelegentlich Spielenden richteten oder sich als technologische oder audiovisuelle Spielereien erwiesen. Martin Cirulis stellt schließlich im August 1996 fest, dass es sich eben doch nur um ein Betriebssystem handele, das mehr oder weniger gut funktioniere. J.L. Wilson: When The Gaming Gets Easy. In: CGW, No. 138, Jan. 1996. S. 16, 18. M.E. Cirulis: »What’s The Deal With ... Windows 95?!« In: CGW, No. 145, Aug. 1996. S. 218. »The dynamic world of computer gaming is on the verge of a 3-D revolution unprecedented in the history of the hobby. [...] this 3-D revolution entails new software that renders characters as true 3-D objects [...] [and] also applies to hardware, particularly graphic accelerators, which help crunch all the data to paint those 3-D rendered objects quickly on a home computer.« J.L. Wilson: 3-D And More 3-D (The Source of Frustration). In: CGW, No. 143, Jun. 1996. S. 20. Ders.: 3D Or Not 3D. In: CGW, No. 144, Jul. 1996. S. 20, 22. D. Salvator: Microsoft Finally Ships Direct3D (Read.Me). In: CGW, No. 145, Aug. 1996. S. 40. L. Case: The 3D Wave Hits The Shores. In: CGW, No. 148, Nov. 1996. S. 147f., 150, 152f., 155, 157f. Ders.: The 3D Shock Wave. In: CGW, No. 149, Dec. 1996. S. 263f., 266, 268, 270, hier 270.

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»The age of multiplayer gaming is here. [...] we’re quickly entering the age where it’s more common to find multiplayer options in games than not.« In der Septemberausgabe erschien mit ›NET PLAY‹ zunächst ein ›Comprehensive Guide To Death And Destruction With Friends And Family‹ für lokale Netzwerke gemeinsam mit einer Anleitung für das Spielen dieser ›Multiplayer Games‹ über das Internet mithilfe des Programms Kali. In der Oktoberausgabe folgte dann mit der Titelgeschichte ›INTERNET ATTACK!‹ ein ›Guide To The Best In Online Gaming‹ einschließlich einer Übersicht über Online-Anbieter, Spielenetzwerke, einer langen Liste von Spielen im Internet sowie einer Anleitung zur Einrichtung des Internetzuganges über Windows ’95. In demselben Heft stellt MARTIN CIRULIS jedoch ebenso fest, dass diese ›Net Games‹ noch immer nicht ausgereift seien: »Right now, the industry seems to be on the cusp, and is evolving into a more dynamic, popular form of social entertainment, with many developers taking advantage of Windows 95’s built-in networking and the Internet itself. Unfortunately, [...] multiplayer capacity is still lumped in with features [...] at the end of product developmemt—if there’s still time in the fiscal quarter. If computer gaming is to become a truly social activity, gamers [...] need to demand more challenging variety in play, as well as rich, dynamic universes where our virtual entities can make a real difference.«118

Noch im November 1996, anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Computer Gaming World, versuchte sich KEITH FERRELL im Rahmen eines umfassenden Artikels an einer Prognose für die nächsten 15 Jahre ›Computer Gaming‹, wofür er neben führenden Industriegrößen und Science-Fiction-Autor/innen auch Game Designer/innen befragt hatte. Hier waren die dominierenden Themen ebenfalls: zu erwartende Fortschritte in der Technologie, insbesondere der Computergrafik, wachsende Bedeutung des ›Multiplayer Gaming‹ über Netzwerke und Internet, Ausbleiben der ›Virtual Reality‹ für Computerspiele aufgrund technologischer Limitationen, stärkere Nutzung von Spracherkennung und -verarbeitung, Weiterentwicklung bekannter Spielekategorien, aber auch unerwartete Impulse aus neuen Richtungen, Einbindung verbesserter künstlicher Intelligenz, Verbindung der Computerspiele und ihren spezifischen Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen, mit anderen Künsten und schließlich neue Formen der Einbindung und Interaktion mit immer überzeugenderen und realistischen Spielwelten. CRAWFORD kam noch einmal zu Wort mit seiner Warnung vor Stagnation und dem Verlust von Gestaltungsmöglichkeiten angesichts von Industrieinteressen und Marketing:

118

o.A.: NET PLAY. In: CGW, No. 146, Sep. 1996. S. 65-100, hier 65. L. Case: Look Ma, No LANs! In: CGW, No. 146, Sep. 1996. S. 103f., 106. Auch hier scheint sich Wilson noch auf Crawfords Abrechnungsschrift zu beziehen: »Ignore the rabble who keep muttering something about ›multimedia.‹ Yes, I know multimedia was supposed to bring in entire new waves of gamers [...]. We called it ›multimediocre‹ and ›interinactive‹ software, because it didn’t really do anything.« J.L. Wilson: The Emperor’s New Code. In: CGW, No. 147, Oct. 1996. S. 20, 22, hier 20. o.A.: Log, Load and Log On. In: CGW, No. 147, Oct. 1996. S. 57-121. L. Case: Net Gaming Boot Camp. In: CGW, No. 147, Oct. 1996. S. 123f. M.E. Cirulis: »What’s The Deal With ... Net Games?!« In: CGW, No. 147, Oct. 1996. S. 316.

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»The marketing of computer games has steered the industry into an evolutionary blind alley. [...] A decade ago, we had all this potential, and the liberating factor of not yet knowing what a computer game was supposed to be, and the industry just hasn’t grown. [...] [The publishers] decided that there were certain categories of games, and those are the same today as they were in the days of the Apple II, when the industry got started. Something is profoundly wrong about that.«119 [Herv. i. Orig.]

119

Vgl. K. Ferrell: Computer Gaming – The Next 15 Years. In: CGW, No. 148, Nov. 1996. S. 134-136, 140, 142, hier 140, 142. Der Ingenieur, Romanautor und Game Designer Gentry Lee spekulierte über die Kombination aus »game playing« mit jenen Einsichten, welche traditionell aus anderen Künste stammten. »Somewhere out there [...] is a master who is going to be able to do it all, programming, writing, storytelling, game design, all of it. And when he or she arrives, their work will create the same sort of impact as the best of fiction, or art, or movies. [...] Just as painters learned new tricks when photography came along, so will our novelists, and painters, and filmmakers add new tools to their palettes as computer games become themselves a fully recognized form of art.« Ebd. S. 142.

C. Abschluss

INHALTSANGABE In Anlehnung an die Loslösung der Kunstwissenschaft von der Kunstliteratur blickt das abschließende Kapitel auf die Entstehung der ›Game Studies‹ im Zeitraum von 1997 bis 2001. Ausgangspunkt ist Espen Aarseths Einführung im gleichnamigen Online-Journal. (421-424) | In diesem Kontext werden die daran beteiligten Disziplinen, angefangen bei Literaturwissenschaft über Film- und Fernsehwissenschaft bis hin zu (Neuer) Medienwissenschaft, kritisch in Bezug auf ihre jeweilige Perspektive auf Computerspiele befragt. (424-445) | Das Kapitel mündet in ein Plädoyer, die genannten disziplinären Ontologien und Methodologien als Teil der Geschichtsschreibung der Computerspiele zu begreifen. (445-451) | Am Ende der vorliegenden Studie steht noch einmal eine Zusammenfassung und Konklusion über die Produktionsästhetik des ›Computer Game Design‹ in den Jahren von 1982 bis 1996. (453-456)

I. 1997-2001: Game Studies1 »The greatest challenge to computer game studies will no doubt come from within the academic world. [...] Games are not a kind of cinema, or literature, but colonising attempts from both these fields have already happened, and no doubt will happen again. [...] To make things more confusing, the current pseudo-field of »new media« (primarily a strategy to claim computerbased communication for visual media studies), wants to subsume computer games as one of its objects. [...] This [media-blindness] is clearly a danger when looking at games as cinema or stories, but also when making general claims about games, as though they all belonged to the same media format and shared the same characteristics.« Espen J. Aarseth/Game Studies: Year One2

Von der Kunstliteratur zur Kunstwissenschaft

I

m Jahr 1952 erschien im Züricher Atlantis-Verlag mit dem Atlantisbuch der Kunst ein erster Versuch, eine weltumspannende ›Enzyklopädie der bildenden Künste‹ aus dem »neuen, gemeinsamen kulturellen Verantwortungsbewußtsein[] der alten Nationen Europas« in der Nachkriegszeit vorzulegen.3 Zu diesem fast 900 Seiten starken Band steuerte ERNST H. GOMBRICH gleich zwei Artikel bei, die direkt aufeinander folgen und auch inhaltlich in vielerlei Hinsicht aufeinander verweisen: ›Kunstwissenschaft‹ und

1

2 3

Dieses Kapitel basiert in Teilen auf dem unveröffentlichten Vortrag des Verfassers ›Nicht Bild, noch Wort? – Zur Ontologie interaktiver Medien am Beispiel Games‹, gehalten im Rahmen der Veranstaltungsreihe ›digitally affected – Positionen des Interactiondesigns‹ an der Bergischen Universität Wuppertal am 26. Juni 2014, organisiert von Laura Popplow. E. Aarseth: Computer Game Studies, Year One. In: Game Studies, Vol. 1, Is. 1, Jul. 2001. (Online) Der Band folgte dem 18 Jahre zuvor verlegten Atlantisbuch der Musik und sei in der Zwischenzeit, so der Verleger, unter dem herrschenden Regime in Deutschland nicht mehr möglich gewesen. Vgl. M. Hürlimann (Hg.): Atlantisbuch der Kunst. Eine Enzyklopädie der bildenden Künste. Zürich 1952. S. 5.

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›Kunstliteratur‹. Seinen Beitrag zur ›Kunstliteratur‹ beginnt GOMBRICH mit der Definition, es handele sich um »[...] einerseits das ältere Schrifttum über Kunst, d.h. die technischen Lehrbücher für Künstler, die Handbücher und Reiseführer für Kenner, die Künstlerbiographik und die Kunstphilosophie vor der Entwicklung der Kunstwissenschaft als selbständiger Disziplin, sowie auch die neuere Literatur über Kunst, soweit sie sich nicht wissenschaftlich gibt«.4

Damit reiche die Tradition aller Zweige der Kunstliteratur bis in die Antike zurück, wenn sich auch nur wenige Schriftzeugnisse erhalten hätten. Es sei aber wichtig, sich klarzumachen, dass der Antike der moderne Begriff ›Kunst‹ fremd gewesen sei und das Wort téchnē bzw. ars vielmehr jede Fertigkeit einbeziehe. So habe schon der Rhetoriker QUINTILIAN Vergleiche zwischen Redekunst und Malerei gezogen und damit etwa die Vorstellung von einem Stil in den bildenden Künsten formuliert.5 Selbst wenn sich die Kunstliteratur in den modernen Streitschriften zur Architektur und Malerei, politischen Pamphleten zu allerlei Kunstfragen oder auch den Schriften zur Kunsterziehung fortsetze, sei sie seit dem 19. Jahrhundert von der wissenschaftlichen Literatur zu trennen.6 Die ›Kunstwissenschaft‹ hingegen schließe seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts jede Beschäftigung mit der Kunst der Vergangenheit wie der Gegenwart ein, die auf Erkenntnis hinziele. Je nach Definition zeige sie dabei eine unterschiedliche Nähe zur Geschichtswissenschaft, philosophischen Ästhetik, Psychologie oder eben der Kunstliteratur, wobei sie bestrebt sei, über rein subjektive Urteile hinauszugehen. Die Verselbstständigung der Kunstwissenschaft zwischen 1800 und 1900, vor allem in Abgrenzung zur Ästhetik, sei einhergegangen mit der historischen, geografischen und kulturellen Erweiterung ihres Gegenstandes auf solche Werke, auf die die Vorstellungen von den »schönen Künsten« und ihrer Entwicklung nicht mehr anwendbar waren.7 Die Verwissenschaftlichung der ›Kunstwissenschaft‹ ging also mit der schrittweisen Loslösung von der Kunstliteratur einher, die den Kriterien einer objektiven Wissenschaft nicht mehr zu genügen schien. Diese historische und systematische Trennung lässt sich genauso zwischen der wissenschaftlichen Behandlung der Computerspiele, den ›Game Studies‹, und allen jenen Schriften ausmachen, die der Schaffung einer solchen neuen Disziplin vorausgehen. Und auch im Falle der ›Game Studies‹ ist die Erweiterung eines Untersuchungsgegenstandes zu beobachten, die nun allerdings eine Vielzahl von Disziplinen betrifft, die sich dem Computerspiel aus ihrer spezifischen Perspektive nähern – mit gewichtigen Folgen für die Behandlung der Werke. 4 5

6 7

Vgl. E.H. Gombrich: Art. ›Kunstliteratur‹. In: M. Hürlimann (Hg.): Atlantisbuch der Kunst. Zürich 1952. S. 665-679, hier 678f. Gombrich gibt daraufhin einen Abriss der Entwicklung der Kunstliteratur, den er »bis zur Schwelle des 19. Jh.« aus Julius von Schlossers gleichnamigen Grundlagenwerk mit »geradezu klassischer Geltung« entnimmt und auf das er in seiner »allgemein anerkannten Vorzüglichkeit« abschließend hinweist. Gombrich hatte gemeinsam mit dessen Mitarbeitern Ernst Kris und Otto Kurz in Wien studiert. Vgl. ebd. S. 678f. Vgl. J. v. Schlosser: Die Kunstliteratur. Wien 1985. E. Kris, O. Kurz: Die Legende vom Künstler. Frankfurt a.M. 1980. Vgl. E.H. Gombrich: Art. ›Kunstliteratur‹. In: M. Hürlimann (Hg.): Atlantisbuch der Kunst. Zürich 1952. S. 665-679, hier 676f. Vgl. E.H. Gombrich: Art. ›Kunstwissenschaft‹. In: ebd. S. 653-664, hier 653.

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»Creating a new discipline«

Im Juli des Jahres 2001 erschien mit der ersten Ausgabe des Online-Magazins Game Studies.org – The International Journal of Computer Game Research das erste akademische, von Gleichgestellten begutachtete (peer-reviewed) Fachperiodikum zur Erforschung von ›Computer Games‹. Dabei nutzt Herausgeber ESPEN J. AARSETH, zu diesem Zeitpunkt ›Associate Professor‹ an der Universität Bergen, die Gelegenheit, angesichts des 40-jährigen Jubiläums des ersten ›modernen‹ Computerspiels Spacewar sowie des 30-jährigen Bestehens der kommerziellen Industrie, um das Jahr 2001 zum »Year One of Computer Game Studies as an emerging, viable, international, academic field« [Herv. i. Orig.] zu erklären, mit der ersten internationalen akademischen Konferenz zu Computerspielen, den ersten entsprechenden Studiengängen an Universitäten und der Situation, dass dieser kulturelle Bereich in wissenschaftlichen Kreisen erstmals ernst genommen werde, dessen Wert und zukünftiges Potenzial kaum zu überschätzen sei.8 AARSETH sieht 2001 die Möglichkeit, ein neues Forschungsfeld aufzubauen. Es gebe eine milliardenschwere Industrie praktisch ohne Grundlagenforschung, den faszinierendsten kulturellen Gegenstand, der seit Langem entstanden sei, und die Gelegenheit, ästhetische, kulturelle und technische Aspekte gleichermaßen in einer einzelnen Disziplin zusammenzuführen. Dies sei zwar ein schmerzhafter und mit vielen Fehlern verbundener Prozess, doch sei es möglich, bei Gelingen konstruktiv und kritisch auch über die akademische Welt hinaus, womöglich bis in die Industrie hinein zu wirken. Die größte Herausforderung bei der Einrichtung der neuen Disziplin ›Computer Game Studies‹ bestehe jedoch in den bereits bestehenden Disziplinen der akademischen Welt, die bereits begonnen haben sich ›Computerspiele‹ als Teilfeld zu eigen zu machen und von ihren eigenen Ansprüchen ablassen müssten. Computerspiele seien die vielleicht reichste kulturelle Gattung, die es jemals gegeben habe, und dies befeuere die Suche nach einem passenden methodischen Ansatz. Doch kämen Forschende stets aus anderen Gebieten zum Computerspiel (etwa aus der Anthropologie, Soziologie, Narratologie, Semiotik, Filmwissenschaft usw.) und ihre Ansätze seien unvermeidlich durch den politischen und ideologischen Ballast ihrer eigenen Bereiche bestimmt und motiviert.9 AARSETH wirft diesen Ansätzen ›Medienblindheit‹ vor, die Unfähigkeit spezifische Differenzen zwischen Medien wahrzunehmen, was zu ›medienneutralen‹ Medientheorien führe, die jedoch alles andere als neutral seien. Dies sei eine deutliche Gefahr bei der Betrachtung von Spielen als Kino oder Erzählung, aber auch wenn man versuche, allgemeine Aussagen über Spiele zu machen, als ob diese allesamt zu demselben Medienformat zählten und die gleichen Eigenschaften teilten.10 Spiele sollten zwar ebenso in exis8

E. Aarseth: Computer Game Studies, Year One. In: Game Studies, Vol. 1, Is. 1, Jul. 2001. (Online) 9 Vgl. ebd. Es sei ein weitverbreitetes Dilemma, ob sich Forschende einer neuen Disziplin anschließen oder das Feld für die Ursprungsdisziplin in Beschlag nehmen wollen. Dies wiege umso schwerer, da der ältere Bereich der ›Game Studies‹ praktisch nicht existiere, wobei Aarseth einzig auf die Buchbesprechung zu The Study of Games (E.M. Avedon, B. Sutton-Smith; New York/NY 1971) von Jesper Juul im selben Band verweist. Vgl. J. Juul: The repeatedly lost art of studying games. In: ebd. 10 Aarseth bezieht sich auf eine Formulierung von Liv Hausken, die wie er selbst an der Universität Bergen in ›Media Studies‹ promovierte, ihre Dissertation aber wohl noch nicht publiziert

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tierenden Bereichen und Fachgebieten wie ›Media Studies‹, Soziologie oder ›English‹ untersucht werden, aber »games are too important to be left to these fields. (And they did have thirty years in which they did nothing!)«.11 Es ist lohnend, einen genaueren und von Beispielen begleiteten Blick auf die Frühphase dieser »Geschichte der Kolonialisierung und Rekolonialisierung«, wie sie JULIAN KÜCKLICH nennt,12 zu werfen, die sich zwischen 1997 und 2001 ereignete und damit direkt an den Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit anschließt. In eben jener Zeit begannen sich die Bereiche ›Literature‹, ›Cinema‹ sowie ›New Media‹ verstärkt für Computerspiele zu interessieren, wobei sich deren Vorannahmen laut AARSETH als folgenschwerer Ballast erweisen sollten.13 ›Games as Literature‹

Dass AARSETH dieses Problem so eminent vor Augen stand, hatte wohl auch damit zu tun, dass er es mit seiner eigenen Forschungsbiografie verband. Seine Dissertationsschrift, die in der ›Humanities Computing Section‹ der Universität Bergen entstanden war und 1997 im Druck erschien, befasste sich bereits mit ›Computer Games‹. Unter dem Titel Cybertext formulierte er eine an der Literaturwissenschaft anknüpfende Theorie ›ergodischer‹ Literatur, also Textformen, die aufgrund ihrer offenen und dynamischen Struktur die Partizipation der Leser/innen benötigen, um eine literarische Sequenz hervorzubringen. So formuliert AARSETH einen Textbegriff, der möglichst viele Phänomene einschließen soll, wobei seine Perspektive eine durchaus kritische ist.14

11 12 13

14

hatte. Dies holte sie 2004 mit ihrem Aufsatz nach, der losgelöst von den anderen Beiträgen, am Ende des Bandes Narrative across media erschien. Vgl. L. Hausken: Coda – Textual Theory and Blind Spots in Media Studies. In: M.-L. Ryan (Hg.): Narrative across media. Lincoln/NE u.a. 2004. S. 391-403. Im selben Band richtet sich Aarseth wiederholt gegen den Ansatz von Herausgeberin Ryan mit der Feststellung: »[t]he thought that [...] complex media can be understood by any existing media theory, such a narratology, which was developed for a totally different genre, grows more unlikely with ever stage of the ongoing computer evolution«. Vgl. E. Aarseth, Espen: Quest games as post-narrative discourse. In: M.-L. Ryan (Hg.): Narrative across media. Lincoln/NE u.a. 2004. S. 361-376, hier 361. Vgl. E. Aarseth: Computer Game Studies, Year One. In: Game Studies, Vol. 1, Is. 1, Jul. 2001. (Online) Vgl. J. Kücklich: Invaded Spaces. In: SPIEL, Jg. 23 (2004, H. 2). Frankfurt a.M. u.a. 2007. S. 285-303, hier 285. Vgl. E. Aarseth: Computer Game Studies, Year One. In: Game Studies, Vol. 1, Is. 1, Jul. 2001. (Online) Aarseth selbst nennt in seinem Editorial allerdings weder Namen noch Literatur, auf die sich seine Anschuldigungen beziehen. Die nachfolgende Auswahl ist insofern spekulativ, wenn auch exemplarisch. Vgl. E.S. Aarseth: Cybertext. Baltimore/MD u.a. 1997. S. 1-23. »I wish to challenge the recurrent practice of applying the theories of literary criticism to a new empirical field, seemingly without any reassessment of the terms and concepts involved. This lack of self-reflection places the research in direct danger of turning the vocabulary of literary theory into a set of unfocused metaphors, rendered useless by a translation that is not perceived by its very translators. Thus the interpretations and misinterpretations of the digital media by literary theorists is a recurrent theme of this book.« Ebd. S. 14.

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»Cybertext [...] is not a ›new,‹ ›revolutionary‹ form of text, with capabilites only made possible through the invention of the digital computer. Neither is it a radical break with old-fashioned textuality, although it would be easy to make it appear so. Cybertext is a perspective on all forms of textuality, a way to expand the scope of literary studies to include phenomena that today are perceived as outside of, or marginalized by, the field of literature-or even in opposition to it, for [...] purely extraneous reasons. In this study I investigate the literary behavior of certain types of textual phenomena and try to construct a model of textual communication that will accommodate any type of text.«15

So finden sich bei AARSETH zwar nur vereinzelte, aber erstaunlich unbeschwerte Aussagen über grafische Spiele, was jedoch die aufwendige und problembehaftete Konstruktion eines spezifischen Textbegriffes voraussetzt, um auch solche Phänomene beschreiben zu können, die im eigentlichen Sinne gar nicht ›Text‹, also Schrift, sind.16 Wissend um diese Probleme behandelt AARSETH in seiner Typologie von Cybertexten und in den folgenden vier Kapiteln allein solche Phänomene, die sich vornehmlich der Schriftsprache als Form des Ausdruckes (und ggf. der Eingabe) bedienen: ›Hypertexts‹, ›Adventure Games‹, ›Automated Poetics‹ und ›Multi-User Dungeons‹.17 Dem Computerspiel im engeren Sinne widmet er sich allein im Kapitel ›Intrigue and Discourse in the Adventure Game‹, wobei er explizit nur textbasierte Adventures behandelt, und zwar neben den ursprünglichen Titeln Adventure (1976) und Adventureland (1978) vor allem solche der schon 1989 geschlossenen Firma Infocom.18 AARSETH, der feststellen muss, dass das »textual adventure game«, dessen kurzer Erfolg nur bis Ende der 1980er-Jahre dauerte, nicht länger populär sei, unterstellt jedoch, dass auch die grafisch aufwendigen Spiele der 1990er-Jahre auf dieses Vorbild zurückzuführen seien, sich ihre interne Struktur also nicht verändert habe. »The model [the ›ideal components‹ and information flow of a cybertext] is not limited to single-user adventure games or textbased games but can also describe multi-user dungeons and graphical games such as Doom.«19 Anschließend wendet sich AARSETH der automatisierten Textherstellung und dem ›Interactive Drama‹ zu, Letzteres vor allem in Anlehnung an die Arbeiten von BRENDA

15 Vgl. ebd. S. 18. 16 Vgl. ebd. S. 24-57. Als Beispiele für die Problematik eines rein semantischen Ansatzes werden behandelt Breakout (1976), Dark Castle (1986) und Lemmings (1992); später nennt er auch Pac-Man (Atari 2600, 1982) und Space Invaders (Arcade, 1978). Ebd. S. 95, 162. 17 Darüber hinaus aber z.B. auch Spielbücher (›Choose-Your-Own-Adventure‹), teils fragmentarisch, algorithmisch oder zufällig aufgebaute Romane, Computeranwendungen und Kunstinstallationen. Vgl. ebd. S. 58-75, insbesondere 65-67. Nicht behandelt werden dagegen z.B. Rollenspiele nach dem Vorbild von Dungeons and Dragons (1974). 18 Er nennt: A Mind Forever Voyaging (1985), Deadline (1982), Leather Goddesses of Phobos (1986) und Zork (1980-1982). Vgl. ebd. S. 97-128. 19 Etwa vermittelt über das Spiel Rogue (1980). Vgl. ebd. S. 101-104, hier 103f. Aarseth bemerkt, dass etwa Mary Ann Buckles’ Bemerkungen zur Schaffung von Charakteren, angesichts der nur von Monstern belebten Welten von Doom (1993) oder der langweilig-leeren Welt von Myst (1993), für »computer games« von sogar noch größerer Relevanz seien als früher. Vgl. ebd. S. 110.

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LAUREL, welche er jedoch als unausgereift verwirft.20 Es folgt das Kapitel über MultiUser Dungeons (MUDs), wobei er anmerkt, dass es noch immer eine relativ große Zahl von ihnen gebe, selbst wenn ihr enormes Wachstum nachgelassen habe. Es zeichne sich aber bereits ab, dass wie schon die »single-user games« auch die MUDs den Weg »from text to graphics« gehen werden.21 AARSETH zeigt sich am Ende seiner Arbeit dennoch in seinem Skeptizismus gestärkt, wenn er bemerkt, dass sich seine anfängliche Vorstellung, es liege kaum Literatur zu diesem Thema vor, nicht bewahrheitet habe. »This is no longer true, and indeed it never was. Except for the field of multi-user dungeons, where theorists focus on technical and social aspects [...], these textual fields came with their own canon, poetics, and critical discourse. [...] As far as possible, I try to respect these traditions, knowing that the ideological part of my motivation [...] would inevitably try to rewrite these texts to make them fit my model. I think this appropriation is explicit enough to justify its means, but I welcome any evidence of undue imperialism.«22

AARSETHS durchaus spürbare Zurückhaltung wird dann jedoch eigentümlich konterkariert, wenn gleich der erste Satz des Klappentextes die Frage stellt: »Can computer games be great literature?« Computer- und Videospiele seien bereits als Text zum Gegenstand der Literaturwissenschaft geworden, »applying these theories [of narrative, semiotics, and rhetoric] to materials for which they were not intended.«23 Ebenfalls im Jahr 1997 hatte JANET H. MURRAY ihr Buch Hamlet on the Holodeck vorgelegt. Wie die ausgebildete Programmiererin und promovierte Literaturwissenschaftlerin, die bereits seit 1971 als Dozentin für Geisteswissenschaften am ›Massachusetts Institute of Technology‹ (MIT) tätig war, in ihrer Einleitung ›A Book Lover Longs for Cyberdrama‹ bemerkt, hatte sie erst in den 1980er-Jahren wieder begonnen, sich mit Computern als Schulungsinstrument zu befassen und dann ab 1992 einen ersten Kurs »how to write electronic fiction« angeboten. Der Computer erscheine ihr jeden Tag mehr wie die

20 Vgl. ebd. S. 129-141. 21 Neben den Vorbildern Dungeons & Dragons (1974) und Adventure (1976) wird das erste Multi-User Dungeon (MUD1) von 1980 behandelt sowie AberMUD (1987) und TinyMUD (1989), gefolgt von: BloodMUD, Chaos, DIKUMUD, Islandia, LPMUD, TinyHell, TinyMOO, TinyMuck und TinyMush. Vgl. ebd. S. 142-161, hier 151. 22 Vgl. ebd. S. 183. Aarseth hatte schon in der Einleitung gewarnt: »The field of literary study is in a state of permanent civil war with regard to what constitutes its valid objects. What right do we have to export this war to foreign continents? Even if important insights can be gained from the study of extraliterary phenomena with the instruments of literary study (cautiously used), it does not follow that these phenomena are literature and should be judged with literary criteria or that the field of literature should be expanded to include them. In my view, there is nothing to be gained from this sort of theoretical imperialism [...].« Ebd. S. 15f. 23 Vgl. ebd. Rückseite, Klappentext.

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Filmkamera der 1980er-Jahre: »a truly revolutionary invention humankind is just on the verge of putting to use as a spellbinding storyteller.«24 »As I watch the yearly growth in ingenuity among my students, I find myself anticipating a new kind of storyteller, one who is half hacker, half bard. [...] the spirit of the bard is eternal and irreplaceable, telling us what we are doing here and what we mean to one another. I am drawn to imagining a cyberdrama of the future by the same fascination that draws me to the victorian novel. I see glimmers of a medium that is capacious and broadly expressive [...] [the computer does] promise to reshape the spectrum of narrative expression, not by replacing the novel or the movie but by continuing their timeless bardic work within another framework.«25

Im ersten Teil ihres Buches, der den Titel ›A New Medium for Storytelling‹ trägt, nennt MURRAY eine ganze Reihe von Medien, die gegen die traditionelle, lineare Form des Geschichtenerzählens aufbegehrten und damit zu ›Vorboten des Holodecks‹ werden: von vielgestaltigen Erzählformen und aktiver Publikumsbeteiligung in Schrift, Film und Fernsehen über technologische Anwendungen wie 3-D/IMAX-Kinos, Themenparkattraktionen, »Electronic Games« und Hypertext bis hin zu wissenschaftlichen Forschungsprojekten wie die »Placeholder VR installation« oder dasjenige der »Oz group«, die sich zugleich an der Vorarbeit von Spielen bedienten.26 Doch obwohl im Bereich der Computerspiele, ihrer Dämonisierung zum Trotz, der größte kommerzielle Erfolg erreicht und die größte kreative Anstrengung unternommen worden sei, seien diese erzählerisch dünn, oft von anderen Medien abhängig, ihre Charaktere derart unterentwickelt, dass sie sich kaum für Filmumsetzungen eigneten, und so irritierend, dass sie häufig sogar gegen das »involvement« der Spieler/innen wirkten. Gegenüber den nervösen Kampfspielen seien die langsameren »puzzle games« allerdings eher dazu geeignet, mit befriedigenden Geschichten aufzuwarten, durch audiovisuelle Gestaltung mitreißende »fantasy worlds« zu konstruieren oder dramatische Erfahrungen anzubieten. Unter der Überschrift ›Dramatic Storytelling in Electronic Games‹ erfährt dabei noch 1997, neben der musikalischen Untermalung von MYST, das Text-Adventure Planetfall von 1983 besondere Aufmerksamkeit, an das man sich noch immer liebevoll, aber auch mit Schrecken zurückerinnere angesichts des tragischen Todes von Roboter FLOYD. 24 Vgl. J.H. Murray: Hamlet on the Holodeck. Cambridge/MA u.a 1997. S. 1-10, hier 2. Murray bezieht sich in ihrer gesamten Arbeit auch auf Spiele, vornehmlich aus den 1990er-Jahren, ergänzt von Text-Adventures und einige Spieleautomaten: Adventure (1976), Deadline (1982), Doom (1993), King’s Quest (1986-), Mad Dog McCree (Arcade, 1990), Mario Brothers (1983-), Mortal Kombat III (1995), Myst (1993), Nights into Dreams (1996), Pac-Man (Arcade, 1980), Planetfall (1983), Pong (1972), Quake (1996), The 7th Guest (1993), Sid Meier’s Civilization (1991), SimCity (1989), Star Trek: The Next Generation – A Final Unity (1995), Star Wars (Arcade, 1983), Star Wars: Rebel Assault (1993), Star Wars: Tie Fighter (1994), Star Wars: XWing (1993), Taz in Escape from Mars (1994), Tetris (1985-), X-Men 2: Clone Wars (1995), Zork (1978), Zork II: The Wizard of Frobozz (1981). Vgl. ebd. Kap. ›Bibliography‹, Abs. ›Digital Works‹, S. 314f. 25 Ebd. S. 9f. 26 Vgl. ebd. S. 27-64.

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»At this point the game changes from a challenging puzzle to an evocative theatrical experience. The escape from the planet continues, but without Floyd’s company the player feels lonely and bereaved. [] The memory of Floyd the Robot’s noble self-sacrifice remains with players even years later as something directly experienced. [...] The death of Floyd is a minor milestone on the road from puzzle gaming to an expressive narrative art. It demonstrates that the potential for compelling computer stories does not depend on high-tech animation or expensively produced video footage but on the shaping of such dramatic moments.«

Trotz der ökonomischen und sozialen Kräfte der Spieleindustrie gebe es keinen Grund, warum Entwickler/innen nicht auch anspruchsvollere Geschichten erzählen könnten, die wie schon »Floyd’s death« oder die »revelation of murder« in MYST von dramatischer Wirkung und von Bedeutung für die Spieler/innen seien.27 Im Rahmen des dritten Kapitels ›From Additive to Expressive Form‹ beschreibt MURRAY dann jene vier Eigenschaften, durch welche ›Digital Environments‹ im Allgemeinen charakterisiert werden: Sie seien prozedural und partizipativ (interaktiv) sowie räumlich und enzyklopädisch (immersiv). Der Computer sei zum einen eine Maschine für die Ausführung komplexer Prozesse der Informationsverarbeitung und zum anderem vor allem deshalb so anziehend, weil er auf Eingaben reagiere. Schon das Text-Adventure Zork habe sich diese Prinzipien zu eigen gemacht, indem es das Hin und Her sprachlichen Austausches nutze, um Spieler/innen in eine »fantasy world« hineinzuziehen. Zudem sei der Computer in der Lage, einen Raum zu repräsentieren, durch den man navigieren könne, weshalb er schon bei Atari als räumliches Spielbrett genutzt worden sei, was vielen Anwendungen den Weg geebnet habe von der textbasierten Untergrundwelt in Zork über die Folge von Landschaftsaufnahmen in MYST bis zu den dreidimensionalen Welten der »new videogame dreamscape«. Schließlich verspreche die immer weiter wachsende Speicherkapazität der Computer nicht nur die Zusammenführung unterschiedlichster Medien in einer gemeinsamen Bibliothek, sondern auch – in Kombination mit den anderen Charakteristiken – die Verwaltung kollektiver Kreationen, komplexer Simulationen und schier endloser »worlds of digital narrative«.28 »Current narrative applications overexploit the digressive possibilities of hypertext and the gamelike features of simulation, but that is not surprising in an incunabular medium. As digital narrative develops into maturity, the associational wildernesses will acquire more coherence and the combat games will give way to the portrayal of more complex processes. Participating viewers will assume clearer roles; they will learn how to become orienteers in the complex labyrinths and to see the interpretive shapinng in simulated worlds. At the same time as these formal qualities improve, writers will be developing a better feel for which patterns of human experience can best be captured in digital media. In this way a new narrative art will come into its own expressive form.«29

27 Vgl. ebd. S. 21f., 51-55, hier 53, 55f. 28 Vgl. ebd. S. 71-90. 29 »The process by which this new art form will emerge is already under way and is itself interactive. Each time developers create new genres of digital stories or more immersive games, interactors try them out and grow frustrated or enchanted. Most often these incunabular products arouse expectations they cannot yet fulfill [...].« Ebd. S. 93f.

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Am umfänglichsten äußert sich MURRAY über Computerspiele dann im zweiten Teil ihres Buches unter dem Titel ›The Aesthetics of the Medium‹, der weitestgehend einer Bestandsaufnahme gestalterischer Ideale in elektronischen Medien gewidmet ist. Allem voran gehe es dabei um die ›Immersion‹, völlig in einer gänzlich anderen Realität versunken zu sein, was bereits an sich Vergnügen bereite. Zu einer jeden Frühphase in der Arbeit mit einem Medium zähle das Experimentieren mit der Grenze zwischen der »representational world« und der »actual world«, indem man diese betone, den Zauber zelebriere und die Stabilität der Illusion teste. Der einfachste Weg, eine immersive Erfahrung zu strukturieren und Nutzer/innen an die spezifischen Bedingungen und Grenzen einer Welt zu gewöhnen, sei die Metapher eines Besuches, da sie den Übertritt vom normalen Leben in die virtuelle Welt betone. Der Bildschirm könne selbst zur Immersion beitragen, da über die direkte visuelle Rückmeldung auf Eingaben Spieler/innen unmittelbar mit der Welt eines Spieles verbunden seien, wodurch sie zudem eine dramatische Präsenz erhalte. Im Gegensatz dazu sei MYST allerdings statisch, eine Schatzsuche in einer eigentümlich unbevölkerten Welt; »there is almost nothing to distract you in Myst from the densely textured visual and aural environment, but this intense immersion in visiting the place comes at the cost of a diminished immersion in an unfolding story.« Vor allem im Cyberspace, wo man Figuren begegnen könne, gewinne die Immersion durch Personalisierung, etwa um die eigene Zugehörigkeit zu einer Gruppe mitzuteilen.30 Eine immersive Umgebung als solche wahrzunehmen, hänge zudem davon ab, ob sich Spielende selbst in dieser Umgebung als wirksam erlebten. Besonders Spiele seien in der Lage diese Form der erfreulichen Wirksamkeit zu vermitteln, weshalb es auch für narrative Strukturen sinnvoll sei, sich an diesen zu orientieren. Dabei bereite schon das Navigieren durch digitale Umwelten, deren Erforschung, Kartierung und letztlich Überwindung ein gewisses Vergnügen. Spiele seien, weil es meist darum gehe, durch Räume zu navigieren und Rätsel zu lösen, in besonderer Weise dazu geeignet, heldenhafte Reisegeschichten zu erzählen, wie sie bereits seit den Zeiten des rein sprachlichen Tradierens existierten. Ein Spiel wie MYST verhindere den räumlichen Fortschritt, bis ein Rätsel gelöst sei, verbunden mit einem möglichst dramatischen Moment und idealerweise mit einer Lösung, die sich am »real-world thinking« orientiere. Unter der Überschrift ›Games into Stories‹ widmet sich MURRAY noch einmal beispielhaft dem Spiel MYST und macht anhand von seinen unterschiedlichen Enden den Widerspruch zwischen »game form« und »narrative form« deutlich. Bedeutungsvolle und komplexe Geschichten schienen nur schwer mit der einfachen Gewinnen/Verlieren-Logik von Spielen vereinbar zu sein. Als Spieler/in erlebe man aber ein jedes Spiel, unabhängig von seinem Thema, stets als Protagonist/in eines symbolischen Dramas bzw. einer abstrakten Erzählung, deren Handlung ähnlich den folgenden Schritten ablaufe: Begegnen und Begreifen, Risiko eingehen und Belohnung erhalten, herausgefordert werden und triumphieren, Güter an30 Vgl. ebd. S. 98f., 103-113, hier 109. Es sei nur am Rande erwähnt, dass in dem widersprüchlichen Bestreben, die Rolle der Partizipierenden zu betonen, in Anknüpfung an die ›ReaderResponse-Theory‹, die ›Willing Suspension of Disbelief‹ bei Murray noch zur ›Active Creation of Belief‹ überhöht wird, ohne dabei jedoch die Rolle der Designer/innen zu schmälern. »As the digital art medium matures, writers will become more and more adept at inventing such belief-creating virtual objects and at situating them within specific dramatic moments that heighten our sense of immersed participation by giving us something very satisfying to do.« Ebd. S. 110-112, hier 112.

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sammeln oder Lasten loswerden und in einer Welt voller unvorhersehbarer Gefahren überleben. Egal ob man gewinne, dem Zufall ausgeliefert sei oder verliere, in Spielen lebe man das grundlegendste Verhältnis zur Welt aus: das Bedürfnis, über Widrigkeiten zu siegen, die Umwelt zu formen, Komplexität zu bewältigen und das eigene Leben an die Umstände anzupassen. Es handele sich um ganz einfache, aber mitreißende Geschichten, die wie symbolische Riten des Überganges dem Leben eine Bedeutung gäben. Zudem ließen sich Spiele auch als Texte lesen, die Interpretationen von Erfahrungen bereitstellten. Und selbst Tetris verfüge über einen hochdramatischen Inhalt, der als Ausdruck eines Lebensgefühls durch die Spieler/innen aufgeführt und von den Designer/innen choreografiert werde. Diese Strukturen, eigene Wirksamkeit und Bedeutung in einem geschützten Raum zu erfahren, könnten auch »more expressive narrative forms« nutzen.31 Die seit den Ursprüngen der Computerspiele verbreitetste Form der Erzählung sei jedoch der Widerstreit oppositioneller Kräfte, Parteien oder Figuren, sei es in sportlichen oder dramatischen Konflikten. Andere Spieler/innen, computergesteuerte Charaktere oder auch – zumindest implizit – Game Designer/innen bildeten dabei das Gegenüber mit jeweils bewusst gewählter Perspektive auf das Geschehen. Die »next generation of digital artists« stehe vor der Herausforderung, für den so einfachen Einsatz von Gewalt und Waffen ähnlich zugängliche und unmittelbar reagierende Alternativen zu entwickeln, Spieler/innen in andere und aufwühlende Rollen schlüpfen zu lassen, im Rahmen dieser Konflikte komplexere und mitreißendere Geschichten zu erzählen, die Ungewissheit und die dramatische Spannung des Widerstreites zu erhalten, ohne das Trainieren von Fähigkeiten in den Mittelpunkt zu stellen.32 Um eine vollständig konstruierbare digitale Umgebung zu schaffen, sei über Navigation und Kampf hinaus vor allem ein Repertoire gestischer Ausdrucksmöglichkeiten erforderlich. So biete etwa MYST zwar eine große Vielfalt konkreter Handlungen an, realisiert durch detaillierte Grafik und sorgsames Sounddesign, doch sei die Welt gänzlich unbewohnt.33 MYST verfüge zudem durchaus über blutrünstige Schauspielqualitäten, die Betonung von Verrat und Machtkämpfen sowie eine unverstellte Natur der Wunschbefriedigung. Die primitive Darstellung von schlechten Taten und großen Belohnungen sei dem frühen Stand der Entwicklung von »electronic fiction« angemessen, doch sei das Ende des Spieles auch deswegen so langweilig, weil es von seiner grausigen und gewalttätigen Grundstimmung keinen Gebrauch mache. »In order for electronic narrative to reach a higher level of expressiveness, the medium as a whole must make the shift [...] away from adolescent rehearsal fantasies and toward the expression of more realistic desires.«34 In den letzten beiden Teilen des Buches, in denen es um die notwendigen Mittel und Visionen eines zukünftigen ›Cyberdramas‹ geht, tauchen die Computerspiele dann kaum noch auf. Zwar könne eine ausgereifte Erzähltradition auf den grundlegenden epischen Themen von »electronic games and MUDs« aufbauen, doch verfügten ihre Geschichten kaum über Komplexität und bestünden aus nur wenigen Bedeutungseinheiten

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Vgl. ebd. S. 128f., 137-145. Vgl. ebd. S. 145-147. Vgl. ebd. S. 147-152, hier 150. Vgl. ebd. S. 166f., hier 167.

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sowie recht linearen Abläufen.35 Eine neue Generation, die mit digitalen Umwelten aufgewachsen sei, werde eine Vielzahl neuer Erzählformate entwickeln können. Das Zusammenwachsen populärer Erzählformen im Cyberdrama erlaube es, sich an fiktiven Orten wie in Nachbarschaften zu bewegen und eine Rolle in einer bekannten Geschichte zu übernehmen oder auch die entsprechende Welt selbst und mit anderen zu erkunden.36 Es bleibe aber eine besondere Herausforderung, diesen neuen Erfahrungen und kollaborativen Werken, die auf Partizipation und zuvor definierten Prozeduren beruhten, die gleiche Anerkennung von Autorschaft zuzugestehen wie anderen Medien. »Already in the gaming world there are clear auteurs, creators with characteristic and original style as well as strong technical mastery. To play Mario Brothers or King’s Quest or Myst is to open ourselves to the vision of the shaping author in the same way we open ourselves to the author’s voice in a novel.«37

Nachdem die Systemingeneurin und Privatgelehrte MARIE-LAURE RYAN bereits 1992 mit ihrem Band Possible Worlds, Artificial Intelligence, and Narrative Theory einen Entwurf für die Zusammenführung von Theorien der Narration und Fiktionalität mit der Philosophie der möglichen Welten und der Forschung zur künstlichen Intelligenz vorgelegt hatte, ohne sich überhaupt auf Computerspiele zu beziehen38, erschien 1997 ihr Artikel ›Interactive Drama – Narrativity in highly interactive environment‹ im Magazin Modern Fiction Studies.39 Darin wendet sie sich gegen die weitverbreitete Vorstellung, dass sich eine Literaturtheorie, die sich mit den Möglichkeiten der Interaktivität befassen wolle, einzig mit dem Hypertext befassen dürfe. Dagegen bieten Computerspiele, MOOs, MUDs und vor allem die durch Brillen und Handschuhe vermittelte ›Virtual Reality‹ (VR) ein viel höheren Maß an Interaktivität bis hin zum noch unerreichten Ideal des ›Interactive Drama‹. Wie sie selbst bemerkt, sei es auch im Jahre 1997 noch nicht möglich ein ›Interactive Drama‹ technologisch, wirtschaftlich und vor allem ästhetisch zu realisieren, weshalb sie sich mit diesem als »design problem«, in der Rolle eines »literary theorist curious about what can be done in the artistic domain with electronic technology«. Die technologischen Probleme der VR ausklammernd, spekuliert RYAN über das Zusammenspiel von Narration und Interaktion in virtuellen Realitäten und behandelt deren formale Architektur, Themen, Strukturen, Charaktere und künstliche Intelligenz. Schließlich widmet sie sich beispielhaft zweier in Entwicklung befindlicher Prototypen und ihren unterschiedlichen Designphilosophien: die VR-Simulation Placeholder (LAUREL, STRICKLAND, TOW) und das Oz Project (BATES et al.), in dem es darum gehe, in einer realen Aufführungssituation die für ein System notwendigen Bedingungen zu erforschen.

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Vgl. ebd. S. 192, 197f. Vgl. ebd. S. 251-253, 264f. Vgl. ebd. S. 152f., 274-278, hier 275. M.-L. Ryan: Possible worlds, artificial intelligence, and narrative theory. Bloomington/IN u.a. 1992. 39 Vgl. M.-L. Ryan: Interactive Drama. In: Modern Fiction Studies, Vol. 43, Is. 3, Fall 1997. S. 677-707.

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»I view the future of Interactive Drama as investing in an Alice in Wonderland type of narrativity, made out of episodic ›little stories‹ rather than being supported by an overarching Aristotelian plot. Themetically, it will rely on the visual appeal of the scene, on a fantastic setting conveying a sense of enstrangement [...], on surprising metamorphoses [...], and on alternative expierences of embodiment [...]. The macrolevel will be dominated by an epic exploration, but on the microlevel the fictional world will also include [...] dramatic situations [...] and live dialogue with memorable characters [...].«40

Beide Prototypen folgten dem Ideal, dass ein Durchschreiten der virtuellen Welt eine lohnende, sichere, kontrollierte, zugängliche und einnehmende Erfahrung sei, womit sie weit mehr der Ästhetik der Klassik als der Postmoderne verpflichtet seien. Im Jahr 1999 folgte dann der von RYAN herausgegebene Sammelband Cyberspace Textuality – Computer Technology and Literary Theory, in dem sie die jüngsten Fortschritte in der Computertechnologie zum Anlass nimmt, über die Folgen für die Literaturwissenschaft zu spekulieren.41 In der Einführung des Bandes beschreibt sie, wie in diesen Kontexten der Computer entweder als Co-Autor, als Übertragungsmedium oder als Aufführungsraum fungiert, wobei in der letzten Kategorie als eine von vielen »genres of electronic textuality« auch Computerspiele genannt werden, die als »new environment for the use of text« Eigenschaften aus allen drei Kategorien aufweisen könnten. Anfang der 1980er-Jahre seien Computerspiele entweder gänzlich ohne Text oder gänzlich aus Text bestehend gewesen; erst die Einführung der CD-ROM habe es dem Text erlaubt, Teil einer Multimediaumgebung zu werden, sodass sich die fiktionalen Spielwelten, etwa von MYST, über gesprochene Dialoge oder Nachrichten offenbarten, während Spieler/innen selbst nur noch per Maus und nicht mehr per Tastatur Eingaben machen dürften. Ironischerweise entstehe dagegen eine Vielzahl von Begleittexten in nicht elektronischer Form wie etwa Schummel-Handbücher oder die Geschichte weitererzählende Romane.42 Das Aufkommen solcher elektronischen Texte stelle allerdings grundlegende Annahmen der Literaturtheorie über Medialität, Sprache und Grenzen des Textbegriffes infrage, weshalb man diese nun neu verhandeln müsse. »The territory of the written has not only been subdivided—its very identity has become problematic: Does ›written‹ refer to the visual manifestations of language, or its durable inscription? [...] Electronic textuality could be the advent of a fully non-logocentric mode of expression. [...] Through its commitment to new forms of signification, eletronic literature represents the latest episode of a poetic quest that spans nearly two centuries of literary history [:] [...] [T]he attempt to expand the limits of language.«43 40 Vgl. ebd. S. 701f. 41 M.-L. Ryan (Hg.): Cyberspace Textuality. Bloomington/IN u.a. 1999. 42 Vgl. M.-L. Ryan: Introduction. In: Dies. (Hg.): Cyberspace Textuality. Bloomington/IN u.a. 1999. S. 1-28, hier 8. 43 Vgl. ebd. S. 10f. Es verwundert nicht, dass Aarseth, der ebenfalls einen Aufsatz beisteuerte, erneut die Annektierung neuer Technologien durch die Geisteswissenschaften problematisierte: »[T]he race is on to conquer and colonize these new territories for our existing paradigms and theories, often in the form of ›the theoretical perspective of is clearly really a prediction/description of .‹ [...] There is of course no ›proper‹ way to approach the digital media, and most

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Schließlich legte RYAN im Jahr 2001 ihre Untersuchung Narrative as Virtual Reality – Immersion and Interactivity in Literature and Electronic Media vor, in der sie das Verhältnis von Immersion, vornehmlich verstanden als das durch Vorstellungskraft hergestellte Eingenommensein von einer textlichen Welt, und die Interaktion zum Thema macht, wobei bei Letzterem vor allem jener Typus die meiste Aufmerksamkeit erfahre, der erst aufgrund der elektronischen Technologie möglich geworden sei: »the textual mechanisms that enable the reader to affect the ›text‹ of the text as a visible display of signs, and to control the dynamics of its unfolding.«44 Angesichts der bereits empirisch gegebenen interaktiven Anwendungen von Theorie widmet sie sich in der zweiten Hälfte ihres Buches zunächst den ›Poetics of Interactivity‹, also den Techniken und Strategien interaktiven Erzählens, zum einen am Beispiel des ›Hypertextes‹ und zum anderen an spezifischen Ansätzen, um die Kohärenz einer Handlung gegenüber der Interaktivität zu retten.45 Entgegen einem postmodernen Verständnis von Erzählung, dem akademische Schriftsteller/innen und Theoretiker/innen anhingen, haben Entwickler/innen von kommerziellen »interactive texts« häufig ein enges aristotelisches Verständnis von einer Erzählung, sodass populäre interaktive Werke wie MYST oder Zork dem am längsten bewährten Rezept, Nutzer/innen zu fesseln und eine immersive Erfahrung zu kreieren, verpflichtet bleiben: RYAN nennt sie »classic narrative structures«. Dabei zeigen sich diese Entwickler/innen häufig deutlich skeptischer gegenüber dem erzählerischen Potenzial eines interaktiven Mediums angesichts der schwierigen Aufgabe, eine Erzählung in einem nicht linearen Kontext zu erhalten. So sei eine Vielzahl von Strukturen entwickelt worden, um interaktive Erzählungen zu konstruieren und zugleich die Kohärenz einer Geschichte zu gewährleisten, seien es etwa Netzwerke, Bäume, Irrgärten, wie sie für »adventure games« typisch seien, oder auch Flussdiagramme. Vor allem MYST sei ein gutes Beispiel für eine ›Hidden Story‹, die sich bereits vor den Geschehnissen des Spieles ereignet habe und die es im Rahmen des Spieles aus verstreuten Fragmenten zu rekonstruieren gelte. Dennoch sei das Erzählen von Geschichten nicht die Stärke dieser Texte, mistakes we make at this still early stage will probably prove to be useful lessons later on. But the prevailing attempts to rejuvenate and relocate existing theories by insisting on their relevance for the new media and their unsuspecting users, is a ›colonialist‹ strategy that is always a demonstration of (unnecessary) power and often a misreading of the theory being used.« E.J. Aarseth: Aporia and Epiphany in Doom and The Speaking Clock. In: M.-L. Ryan (Hg.): Cyberspace Textuality. Bloomington/IN u.a. 1999. S. 31-41, hier 31f. 44 Vgl. M.-L. Ryan: Narrative as virtual reality. Baltimore/MD u.a. 2001. S. 1-21, hier 14, 17. 45 Vgl. ebd. S. 173-280. »[T]he more recent books of Espen Aarseth and Janet Murray clearly occupy the poetics end of the spectrum«; »a more descriptive and empirical approach that keeps its mind open as to what the uses and effects of interactivity might be.« Ebd. S. 18. Ryan befasst sich in Kapitel sechs ›From Immersion to Interacticity‹ zunächst ausführlich mit dem im 20. Jahrhundert so prominenten Konzept, den Umgang mit Texten selbst als Form des Spielens zu begreifen, was hier allerdings nicht Thema sein soll. Vgl. ebd. S. 175-199. Ein Spiel zu spielen und Probleme zu lösen, wie es Computerspiele ermöglichen, sei nur eine Form der Interaktivität und nur ein Grund für Leser/innen Eingaben in einen »interactive text« machen zu wollen. Unter den vielen Eigenschaften elektronischer Medien könne etwa auch Zeitdruck wie in Computerspielen zu einem Teil einer Leseerfahrung werden. Vgl. ebd. 210217, hier 211f., 217.

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weshalb es gelte, die »fundamental incompatibility of narrativity and interactivity« zu kompensieren, indem die interaktive Neugier der Spieler/innen auf dem Weg durch die Geschichte immer wieder von spannnenden, aufregenden und delikaten Momenten sowie Episoden angeregt werde, wie es z.B. der »visual hypertext« und direkte MYSTVorläufer The Manhole (1988-) mit vielen kleinen Animationen tue.46 Erst im zehnten und letzten Kapitel unter dem Titel ›Participatory Interactivity in Electronic Media‹ befasst sich RYAN dann auf etwa vier Seiten explizit mit den ›Computer Games‹. Dort betont sie, dass man unterscheiden müsse, zwischen den »game aesthetics«, der ›Welt‹ aus Regeln und Spielsteinen, an der sich ein strategisches Interesse orientiere, und die bloß eine intellektuelle, emotionale Absorption erlaube, und den »world aesthetics«, der mit Individuen bevölkerten, fiktionalen ›Welt‹, die mithilfe der Vorstellungskraft wahrhaft immersive Erfahrungen schaffe. Vor allem die zunehmende Leistungsfähigkeit in der audiovisuellen Repräsentation, die bei fortgeschrittenen Computerspielen von »interactive movies« kaum noch zu unterscheiden sei, erlaube es nun, die abstrakten, rein strategischen Welten, primitive Grafiken sowie die nur auf die Ein- und Ausgabe von Text basierenden »interactive fiction games of the 1980s« hinter sich zu lassen und mithilfe des »thematic appeal« entscheidende Schritte in Richtung Umwandlung der den Spielen eigenen Interaktivität in eine annehmbare immersive Erfahrung zu machen. Während es jedoch bei »interactive movies« einzig darum gehe den Ablauf der Handlung zu beeinflussen, erhielten Spieler/innen in einem »genuine game« spezifische Aufgaben, durch welche sie sich mit den Charakteren identifizierten und an deren Wohlergehen und Triumph zugleich Erfolg und Misserfolg geknüpft sei.47 Designer/innen bedienten sich hier der Terminologie der Narratologie, wenn sie von der ersten oder dritten Person sprächen, um die Perspektive der Spieler/innen auf die Charaktere und die Welt des Spieles zu beschreiben. Aus strategischer Perspektive seien neuere Spiele (der 1990er-Jahre) älteren Spielen (der 1980er-Jahre) nicht überlegen, doch seien sie unendlich immersiver und vermittelten einen Eindruck davon, wie es sei, vor Ort zu sein. Mit diesem Schwerpunkt auf »imaginitive involvement« stelle sich zugleich die Frage nach dem ästhetischen Status der Computerspiele und ob man sie als »games as a form of art« bezeichnen könne, unabhängig von ihrem Design oder den künstlerischen Qualitäten von Grafik, Geräuschkulisse und Handlung. Aus ästhetischer Perspektive werde die Größe von Kunstwerken nach ihrem Potenzial der Selbsterneuerung beurteilt, während es jedoch bei Spielen wie MYST, bei denen das Problemlösen im Mittelpunkt stehe, darum gehe, diese zu ›besiegen‹, womit auch kein Grund mehr bestehe, das Spiel noch einmal zu spielen. Es gebe jedoch keinen Grund, dass nicht auch Computerspiele von der Befriedigung, ein Ziel erreicht zu haben, zu dem kontemplativen und erneuerbaren Vergnügen eines guten Romans oder Gemäldes fortschreiten könnten, wenn man es etwa erlaube, nach Belieben zu einem einmal errungenen »visual pleasure and narrative interest« zurückzukehren ohne die Notwendigkeit, die Handlung vorantreiben zu müssen.48 Am Ende ihres Bu46 Vgl. ebd. S. 242-258, hier 243f., 251-253, 258. 47 An anderer Stelle hat Ryan der »Anatomy of an Interactive Movie« am Beispel von I’m Your Man (1992) ein eigenes Zwischenkapitel gewidmet. Vgl. ebd. S. 271-280, hier 308f. 48 Vgl. ebd. S. 307-310; Endnoten: S. 371f. Sie nennt die »computer games«: Adventure (1976), Battle Chess (1988), Deadline (1982), Doom (1993), Myst (1993), Quake (1996), Tetris (1986-) und Zork (1980-1982) sowie die »video games«: Mario Brothers (1983-) und Pac-Man (Arcade,

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ches bemerkt RYAN schließlich, dass »participatory forms of textuality« wie »computer games« und auch »interactive drama« neben den kindlichen Fantasiespielen und ›Virtual Reality‹-Installationen in Kunst oder Unterhaltung zu jenen menschlichen Erfahrungen und Aktivitäten zählten, die – anders als die stets auf eines konzentrierte und an das Medium Schrift gebundene Literatur – zugleich die Konflikte von Immersion (»world aesthetics«) und Interaktion (»game aesthetics«) sowie von Interaktion, Design und Vergnügen zu meistern hätten.49 Vor allem die Auseinandersetzung der Literaturwissenschaft mit Computerspielen ist geprägt von einer eigentümlichen formalen Annäherung bei gleichzeitiger inhaltlicher Abstandnahme, die vor allem dadurch erreicht wird, dass das Projekt der Verbindung von Interaktion und Narration in die Zukunft projiziert wird nebst Normen, die noch zu erfüllen sind. AARSETH erinnert angesichts dessen an die von derselber Stelle vorgetragenen Verheißungen des ›Hypertextes‹ als neuer literarischer Form, die eine neue, der Funktionsweise des Gehirnes gemäßere Art des Schreibens und einen ›natürlicheren‹ Weg textlicher Kommunikation versprochen habe. Tatsächlich mache aber selbst das World Wide Web nur selten Gebrauch von den Möglichkeiten der Nonlinearität. Eben diese Perspektive, auch Computerspiele als literarische Form zu interpretieren, sei blind für zentrale Aspekte eines Mediums, denn Computerspiele seien meist Simulationen: »[...] they are not static labyrinths like hypertexts or literary fictions. The simulation aspect is crucial: it is radically different alternative to narratives as a cognitive and communicative structure. Simulations are bottom up; they are complex systems based on logical rules.«50

Vor allem die Arbeit von RYAN steht jedoch stellvertretend für die Wiederbelebung, Ausdifferenzierung und Neuorientierung der Narratologie bzw. Erzähltheorie aus der Literaturwissenschaft, die sich spätestens ab der Jahrtausendwende ungekannter Beliebtheit erfreut und in zunehmenden Maße auch Medien jenseits des geschriebenen Wortes in den Blick nimmt.51 AARSETH selbst präsentiert sich 2001 als geläutert und bereit, sich der neuen Disziplin ›Computer Game Studies‹ zuzuwenden. 1980). Der Rest des Kapitels ist dem ›MOO‹ (›Multi-User Domain, object oriented‹), den ›Automated Dialogue Systems‹, dem ›Interactive Drama‹ und schließlich – streng getrennt – noch einmal den beiden »Interactive Drama Projects« ›Placeholder‹ und ›Oz‹ gewidmet. Vgl. ebd. S. 310-331. »The aesthetic criteria of interactive drama will not be those of classic drama; the future of the genre will be as a game to be played and an action to be lived, not as an spectacle to be watched.« Ebd. S. 328. 49 ›Virtual Reality‹ folge dem Grundsatz ›mehr ist mehr‹ und sei deshalb ein »neo-Baroque project«. Vgl. ebd. S. 353-355. 50 E. Aarseth: Computer Game Studies, Year One. In: Game Studies, Vol. 1, Is. 1, Jul. 2001. (Online) Eine Kritik, die David Myers schon 1990 formulierte angesichts erster narratologischer Bemühungen in den 1980er-Jahren. D. Myers: Chris Crawford and Computer Game Aesthetics. In: The Journal of Popular Culture, Vol. 24, Is. 2, 1990. S. 17–32. Dass Aarseth Ryan hier nicht erwähnt, mag ihrem Beitrag zur Erstausgabe geschuldet sein. M.-L. Ryan: Beyond Myth and Metaphor. In: Game Studies, Vol. 1, Is. 1, Jul. 2001. (Online) 51 Vgl. D. Herman (Hg.): Narratologies. Columbus/OH 1999. Darin auch der Beitrag ›Cyberage Narratology: Computers, Metaphor, and Narrative‹ von M.-L. Ryan. Im Anschluss an den von

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›Games as Cinema‹

In der Herbstausgabe 1997 des Magazins Film quarterly veröffentlichte MARK J.P. WOLF, 1995 promoviert an der ›School of Cinema/Television‹ der Universität von Südkalifornien und damals Assistenzprofessor im ›Communications Department‹ an der Concordia Universität Wisconsin,52 den Artikel ›Inventing Space – Toward a Taxonomy of On- and Off-Screen Space in Video Games‹. Gleich zu Anfang seines Artikels stellt WOLF fest, dass trotz der enormen Verbreitung des Mediums kaum akademische Forschung vorliege; so macht er die Spiele seinem Forschungsfeld schmackhaft: »As audiovisual entertainment whose content is largely representational, video games have a lot more in common with film and television than merely characters and plotlines. [...] Theoretically, many of the same issues are present in video games and film: spectator positioning and suture, point of view, sound and image relations, semiotics, and other theories dealing with images or representation. Indeed, video games are themselves becoming more like film and television [...]. As video game graphics increase in resolution and film and television move into the digital realm, the gap between them continues to close.«53

In direkter Konsequenz sieht WOLF die Film- und Fernsehtheorie am besten ausgerüstet, um diesen bisher unzureichend erforschten Gegenstand zu erforschen: »At present, film and television theory are best equipped for dealing with the medium of video games, which clearly overlaps them in places and extends many of their ideas, such as the active spectator, suture, first-person narrative, and spatial orientation. Video games are certainly deserving of their own branch of theory, and it will likely be one which is in close kinship to film and television theory.«

Die anschließende Analyse ist denn auch den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von ›Video Games‹ sowie Film und Fernsehen in der Darstellung von Raum auf und abseits des Bildschirmes gewidmet. Der Autor wird dabei nicht müde, die Vorbildfunktion von Film und Fernsehen in der Geschichte der ›Video Games‹ zu betonen, schreibt ihnen aber zugleich Innovationspotenzial zu, das auf filmisches Erzählen zurückwirken könne. Jerome Bruner angestoßenen ›Narrative Turn‹ wird Erzählen als zutiefst menschlicher, kognitiver Prozess verstanden, der nicht mehr zwingend vom Medium Sprache abhängig ist. J.S. Bruner: Actual minds, possible worlds. Cambridge/MA u.a. 1986. Etwa zur gleichen Zeit setzt sich in diversen Wissenschaften die Vorstellung durch, mit dem Begriff ›Text‹ könne jedwedes mediale Erzeugnis gemeint sein; jeder Rezeptionsvorgang sei folglich ein ›Lesen‹. U. Fix, K. Adamzik, G. Antos, M. Klemm (Hg.): Brauchen wir einen neuen Textbegriff? Frankfurt a.M. u.a. 2002. In Deutschland legen um die Jahrtausendwende etwa Michael Bhatty und Britta Neitzel erste Dissertationen zur Narrativität in Computerspielen vor. M. Bhatty: Interaktives Story Telling. Aachen 1999. B. Neitzel: Gespielte Geschichten. In: Bauhaus-Universität Wiemar, 11.03.2004. (Online) 52 Vgl. CUW: Dr. Mark J. Wolf. In: Dies., Faculty and Staff Lookup, Mequon/WI 2014. (Online) 53 M.J.P. Wolf: Inventing Space. In: Film quarterly, Vol. 51, No. 1, Autumn 1997. S. 11-23, hier 11.

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»The use of space—on-screen and off—in video games is certainly linked to cinematic space, which was an important influence on its development. However, through combination of the spatial structures mentioned above, video game space goes beyond cinematic space and shows the various possibilities for organizing space within a diecetic world, as well as broadening the sense of what a diegetic world can be. The structuring of diegetic space in video games in many ways has come to follow the precedents set by film, and has also revealed new possibilities [...]; as video games continue developing and film moves into the realm of computer graphics, film may, in some ways, begin to follow precedents set by games.«54

Im Jahr darauf, 1998, veröffentlichte Wolf an gleichem Ort in der Rubrik ›Book Notes‹ seine erste und einzige Besprechung eines Computerspieles: MYST, »now best-selling CD-ROM of all time« und »still near the top of the sales charts«.55 Er führt den enormen Erfolg des Spieles und seines Nachfolgers vor allem auf seine Filmartigkeit zurück: »One reason for its success is the experience it gives the player, which in many ways is a very cinematic one (it even begins with a voiceover). Riven, the sequel to Myst, is even more cinematic than its predecessor. Both games are constructed to provide as cinematic an experience as possible, right down to distributer’s logos, closing credits, and opening sequences. [...] Both Myst and Riven rely on the players’s knowledge of the cinematic conventions dealing with the construction of space and narrative.«56

WOLF nimmt das 1993 erschienene Spiel und seinen Nachfolger zum Anlass, über die beginnende Filmartigkeit des Mediums Computerspiel zu spekulieren, führt zum Vergleich seine visuelle und erzählerische Komplexität, sein Budget (!), seine Fähigkeit, das Publikum zu fesseln sowie die Übernahme filmischer Konventionen an und verortet sie schließlich in der Kritik und Theorie des Filmes. Dabei koppelt er diese Aussagen interessanterweise an das Trägermedium CD-ROM: »CD-ROM games are beginning to approach film in their visual and narrative complexity, and even in their budgets (Riven reportedly cost around $ 7 million). While the computer screen may be smaller than a film screen, the games can be just as if not more involving [...]. That these games should adapt cinematic conventions is perhaps not surprising, but through interactivity and the one-on-one relationship with the user, they may even better able to achieve some of the goals of ›total cinema‹ that André Bazin wrote about.«57

2001 erschien schließlich erstmals der von MARK J.P. WOLF herausgegebene Sammelband The Medium of the Video Game, der auch eine überarbeitete Fassung des 1997 veröffentlichten Artikels ›Inventing Space‹ enthält. In seiner Einführung bestimmt WOLF das Jahr 2001 zugleich als das 30-jährige Jubiläum der kommerziellen ›Video Games‹, die sich als »powerful competition for film and television« erwiesen hätten, jedoch als »audiovisual entertainment whose content is largely representational« weit mehr gemein54 Vgl. ebd. S. 12, 22, hier 22. 55 Vgl. M.J.P. Wolf: Book Notes – Myst. In: Film quarterly, Vol. 52, No. 1, Autumn 1998. S. 98. 56 Ebd. 57 Ebd.

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sam hätten als nur Charaktere, Orte oder Handlungsfäden; WOLF nennt z.B. digitale Film- und Animationstechniken, das Publikum und die Ausgabetechnologie.58 Er folgert: »Theoretically, many of the same issues and concepts in film theory can also be applied to video games, and video games are themselves becoming more like film and television. [...] Naturally, then, video game theory finds its roots in film and television theory.«59

WOLF wiederholt seine bereits 1997 aufgestellten Thesen über die Applizierbarkeit filmund fernsehtheoretischer Konzepte und Terminologien, wobei das Repertoire nur entsprechend erweitert werden müsse, um etwa Interaktivität oder Navigation zu erfassen. So könne die Untersuchung von ›Video Games‹ auch positiv auf ältere Theoriebestände zu traditionellen Medien zurückwirken und Vorannahmen hinterfragen helfen. In Bezug auf die kulturelle Bedeutung des Mediums verweist WOLF auf den enormen wirtschaftlichen Erfolg und den Einfluss, den sie wiederum auf andere Medien, insbesondere den Film60 hätten: »As video game graphics increase in resolution and rendering speed, and film and television move into the digital realm, the gap between them continues to close. Gradually, films are joining video games in the realm of computer graphics, not only through the growing use of digital effects in film and the use of video clips and film language within games, but with films [...] which are all entirely computer generated.«61

Folglich hätten es ›Video Games‹ verdient, auch von der wissenschaftlichen Forschung ernst genommen zu werden. Der zweite Teil des Buches, der ausschließlich von MARK J.P. WOLF stammt, befasst sich mit den formalen Aspekten des ›Video Game‹. Als Beispiele werden dabei vornehmlich Spiele gewählt, die verbreitet, bekannt und leicht zu finden seien wie etwa Myst.62 Beinahe entlarvend wirkt dabei der Umstand, dass sich WOLF 2011 noch einmal dem Spiel Myst widmet, und zwar im ersten Band der von ihm selbst und BERNHARD PERRON herausgegebenen Reihe ›Landmark Video Games‹, die sich in aller Tiefe mit einzelnen Spielen oder Spieleserien von historischer Signifikanz auseinandersetzen soll. In der Danksagung zu Beginn des Buches Myst & Riven – The World of the D’ni heißt es denn auch gleich zu Anfang: »First, I would like to thank the Miller brothers and Cyan

58 Vgl. M.J.P. Wolf: Introduction. In: Ders. (Hg.): The Medium of the Video Game. Austin/TX 2001. S. 1-9. 59 Ebd. S. 2. 60 Gleich zu Anfang seiner Einführung nennt Wolf eine Liste mit auf Spiellizenzen basierenden Verfilmungen, von denen die früheste (Super Mario Bros.) jedoch aus dem Jahr 1993 stammt. 61 M.J.P. Wolf: Introduction. In: Ders. (Hg.): The Medium of the Video Game. Austin/TX 2001. S. 6. 62 Vgl. ebd. S. 8.

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Worlds (formerly Cyan); Myst (1993) and Riven are among my favorite games, and I have come to appreciate them even more during the writing of this book.«63 WOLF zählt 2001 zu den Schwierigkeiten bei der Untersuchung des ›Video Game‹, dass im Gegensatz zu anderen Medien nicht allein kritisches, sondern in der Regel auch spielerisches Können verlangt werde, um im Spiel fortzuschreiten.64 Dabei bleibe unberücksichtigt, dass die jeweils abverlangten Fähigkeiten sowie das Durchhaltevermögen, diese zu erlernen, Aufschluss geben über die subjektiven Vorlieben der Forschenden. Dies lässt zugleich Zweifel daran aufkommen, ob auf dieser Grundlage objektive verallgemeinerbare Aussagen über Spiele überhaupt möglich sind. Ganz ähnlich hat sich der Brite GEOFF KING, Dozent und späterer Direktor des Lehrganges ›Film and TV Studies‹ an der Londoner Brunel Universität, zunächst mit dem Hollywoodkino und dann auch mit ›Video Games‹ befasst. Im abschließenden Kapitel seiner 2000 erschienenen Untersuchung ›Spectacular Narratives‹ blickt er auf ›Video Games‹ als logische Weiterentwicklung des Blockbusterfilmes, darunter vor allem Spiele, die auf Lizenzen großer Hollywoodproduktionen basieren.65 Selbst wenn der Autor es 63 Vgl. M.J.P. Wolf: Myst & Riven. Ann Arbor/MI 2011. Eine erste Fassung des Buches erschien bereits 2006 in italienischer Sprache. Als weitere Bände in der Reihe ›Landmark Video Games‹ erschienen 2012 Silent Hill (ab 1999) und 2013 Doom (ab 1993). 64 »Perhaps the main reason for the neglect of the video game is that it is more difficult to study than traditional media. Admittedly, the video game as a ›text‹ is much harder to master.« M.J.P. Wolf: Introduction. In: Ders. (Hg.): The Medium of the Video Game. Austin/TX 2001. S. 7. 65 Seine Beispiele sind Independece Day: The Game (1997) und Star Wars – The Phantom Manace (1999). Vgl. G. King: Spectacular Narratives. London u.a. 2000. S. 175-192. Diese These greift er 2002 in seinem Buch New Hollywood Cinema erneut auf und betont die Bedeutung der »Spectecular imagery« auch für »spin-off products«, wie »computer games«, ohne dass darunter jedoch zwingend die erzählerische Qualität leiden müsse. Vgl. G. King: New Hollywood Cinema. London u.a. 2002. S. 178-223, hier 179. Gemeinsam mit Tanya Krzywinska, die ebenfalls ›Film and TV Studies‹ an der Brunel Universität lehrt, gab King dann den Band ScreenPlay heraus, der explizit den Verschränkungen von Kino und ›Video Games‹ gewidmet ist. G. King, T. Krzywinska (Hg.): ScreenPlay. London 2002. Dabei fühlen sich die Herausgeber bereits genötigt, auf die von Aarseth formulierten Anschuldigungen einer imperialistischen Übernahme des Forschungsgebietes durch filmwissenschaftliche Ansätze zu antworten: »The emphasis of this collection is also the outcome of our specific interests, as editors, coming to games from the more established discipline of film studies with an interest in, and enthusiasm for, games as relatively new and important entertainment medium. [...] Our choice of focus on the relationship between games and cinema is in no way designed to stake any claim on behalf of cinema, or film theory, as a privileged perspective on games. [...] Many games, and many types of game, clearly have very little point of contact with cinema or the cinematic. [...] The focus of this collection is not on all games, but only those that might, in various ways, be understood to some extent with reference to cinema.« G. King, T. Krzywinska: Cinema/Videogames/Interfaces. In: ebd. S. 1-32, hier 2f. Die in solchen Thesen gerne subtil eingestreute These, dass Filme seit den 1990er-Jahren durch ›Computerspielästhetik‹ beeinflusst seien, bedarf besonderen Misstrauens, solange nicht deutlich gemacht wird, was unter einer solchen ›Ästhetik‹ zu verstehen ist. 2006 folgte dann der Band Tomb Raiders & Space Invaders, in dem

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für zweifelhaft hält, dass ›Video Games‹ bzw. eine Variante der ›Virtual Reality‹ das Kino ersetzen könnten, so vermutet er dennoch eine ähnliche Entwicklung solcher Medien: »A full-scale and sustained virtual reality entertainment medium is likely to follow the Hollywood model, offering a combination of narrative and spectacle, the ›amazing‹ vistas we would be able to inhabit and the dynamics of both ›surface‹ plot and underlying narrative thematics. [...] New technologies bring their own specific qualities, but do not automatically change the kinds of materials presented. Narrative in its various dimensions, has been around for a verly long time and is not likely to disappear in future representations any more than it has vanished from the contemporary Hollywood blockbuster.«66

Dagegen formuliert ESPEN AARSETH im Editorial der ersten ›Game Studies‹-Ausgabe deutliche Kritik, die sich nicht allein gegen die Übertragung formal-ästhetischer Aspekte, sondern auch gegen die kommerzielle Orientierung des Hollywoodsystems richtet: »To see computer games as merely the newest self-reinvention of Hollywood, as some do, is to disregard those socio-aesthetic aspects and also to force outdated paradigms onto a new cultural object. True, there is a considerable Hollywoodisation of the games industry at the moment, that started with the ›interactive movies‹ failures of the early nineties, but there is also a world wide, non-commercial, collective games movement that has a better infrastructure than any amateur movement before it.«67

Die These von ›Video Games‹ als Film bzw. als logische Weiterentwicklung des Filmes besitzt vor allem deswegen so viel Anziehungskraft, weil sie zwei Ansätze miteinander verbindet: einerseits den narrativen Fokus der Erzähltheorie und andererseits den visuellen Fokus vieler medien- oder kulturwissenschaftlichen Überlegungen, die zur gleichen Zeit häufig unter dem Label ›New Media‹ zusammengefasst werden. ›Games as »new media«‹

Eine der ersten Veröffentlichungen der ›New Media Studies‹, die sich auch mit kommerziellen Computerspielen befasste, erschien 1999 in Form des Sammelbandes On A Silver Platter: CD-ROMs and the Promises of a New Technology, herausgegeben von GREG M. SMITH, damals Assistenzprofessor für ›Communication Studies‹ am Carlow College in Pittsburgh/PA. Er erklärt in der Einführung freudig, dass man nicht länger über die Möglichkeiten neuer Medien spekulieren brauche, da mit Multimedia, Hypermedia und den in diesem Falle ausgewählten CD-ROMs nun »actual media« als Texte verfügbar und wie Filme und Literatur der Analyse wert seien. Mit der frühen Zuwendung zu solchen neuen Medien verbinde er zugleich die Hoffnung, die Zukunft des Mediums King und Krzywinska die formalen Aspekte ›Gameplay‹, ›Space‹, ›Spectacle‹ und ›Culture‹ erforschen und tatsächlich einen Methodenpluralismus vertreten. G. King, T. Krzywinska: Tomb Raiders & Space Invaders. London u.a. 2006. 66 Vgl. G. King: Spectacular Narratives. London u.a. 2000. S. 192. 67 E. Aarseth: Computer Game Studies, Year One. In: Game Studies, Vol. 1, Is. 1, Jul. 2001. (Online)

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definieren zu helfen, etwa die Bedeutung der ›Interaktivität‹. Die beitragenden »media scholars« rekrutieren sich denn auch vornehmlich aus der Medien-, Literatur-, Kommunikations- und/oder Kulturwissenschaft.68 Die Wahl der CD-ROM als alle Artikel verbindendes Element führt allerdings dazu, dass beinahe alle Beispiele, welche in dem Band näher untersucht werden, erst Mitte der 1990er-Jahre erschienen waren.69 Ebenfalls 1999 erschien mit dem Buch Remediation – Understanding New Media von JAY DAVID BOLTER, Professor für ›New Media Studies‹, und RICHARD GRUSIN, Professor an der ›School of Literature, Media, and Communication‹ am ›Georgia Institute of Technology‹, einer der klassischen Texte des noch jungen Forschungsfeldes ›New Media‹. Sie vertreten die These, ›Neue Medien‹ seien stets durch die Auseinandersetzung (Kopieren, Überarbeiten, in sich Aufnehmen usw.) mit alten Medien geprägt.70 Die Autoren widmen sich dabei elf verschiedenen Medien, die teilweise nicht neu, aber doch neuartig reagierten, wenn sie mit neueren zusammenstoßen. »Our primary concern will be with visual technologies, such as computer graphics and the World Wide Web. We will argue that these new media are doing exactly what their predecessors have done: presenting themselves as refashioned and improved versions of other media. Digital visual media can best be understood through the ways in which they honor, rival, and revise linear-perspective painting, photography, film, television, and print.«71

Das erste Medium, dem sich die Autoren ausführlich zuwenden, sind ›Computer Games‹, deren visuell-technologische Geschichte sie mit Fokus auf ›Arcade and Video Games‹ kurz nachzeichnen. Ihre zentrale These dabei ist, dass sich Spiele daran unterschei68 Vgl. G.M. Smith: Introduction. In: Ders. (Hg.): On A Silver Platter. New York/NY 1999. S. 1-34, hier 1f., 5, passim. Die Beiträge des Bandes stammen von Janet Murray und Henry Jenkins, Greg M. Smith, Angela Ndalianis, Brian Kelly und Scott Bukatman, Ted Friedman, Alison Trope, Pamela Wilson, Vanessa Gack, Leslie Jarmon sowie Lisa Cartwright. 69 Die bizarre Situation, den Datenträger CD-ROM als ›New Media‹ in den Mittelpunkt einer solchen Untersuchung zu stellen, zeigt sich schon an zwei beeindruckend schlecht ausgewählten Beispielen, die Smith in seiner Einleitung nennt: Quake und Wing Commander. Vgl. ebd. Während der Veröffentlichung von Quake (1996) auf CD-ROM eine vielbeachtete Testfassung mit dem Namen ›QTest1‹ um mehrere Monate vorausging, welche die Grafiktechnologie und den Mehrspielermodus demonstrierte und gleichzeitig eine kostenlose Shareware-Fassung erschien, welche die erste von vier Episoden des Spieles, jedoch ohne Soundtrack, enthielt, die beide über das Internet geladen werden konnten, reicht die Serie der Wing Commander-Spiele zurück bis in die frühen 1990er-Jahre. Sowohl der erste als auch der zweite Teil (1990, 1991) erschienen zuerst auf 3.5"- und 5.25"-Disketten, anders als der dritte Teil (1994), der zwar umfangreiche und aufwendig inszenierte Videosequenzen auf gleich vier CDROMs enthielt, das Spielprinzip aber im Wesentlichen unverändert ließ. Nachzulesen auf den entsprechenden Seiten der »video game database« MobyGames (http://www.mobygames.com). 70 J.D. Bolter, R. Grusin: Remediation. Cambridge/MA u.a. 1999. Die Entwicklung der ›New Media Studies‹ ab Mitte der 1990er-Jahre lässt sich anhand der seit 1995 vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Convergence – The International Journal of Research into New Media Technologies nachvollziehen, herausgegeben von J. Knight und A. Weedon. 71 Ebd. S. 14f.

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den lassen, ob sie eher an der ›Remediation‹ des Fernsehens (Action-orientiert, Echtzeit etc.) oder des Filmes (Erzählend, Kameraeinstellungen etc.) orientiert seien. Anhand des ›Interactive Film‹ zeigen sie die ›Remediation‹ des Hollywoodfilmes durch das Computerspiel und bemühen als zentrale Beispiele einmal mehr Myst (1993), aber auch The Last Express (1997), das unter der Leitung von JORDAN MECHNER entstand.72 »[...] there are now hundreds of less innovative games, many based explicitly on Hollywood originals. [...] Just as photorealism has defined reality as being in a photograph, interactive films define it as being in a movie. [...] Although the interaction between the player and the filmed scene is clumsy, the goal of this genre is to close such gaps and give the player the sense she has ›fallen into a movie.‹«73

Schließlich behandeln die Autoren die besonderen Bedingungen in der Herstellung von Unmittelbarkeit, zum einen in der Darstellung sexueller oder gewaltätiger Inhalte in Computerspielen als »popular visual media«, zum anderen in der Schaffung sozial Räume etwa bei Doom (1993) oder Ultima Online (1997). Während Interaktivität das besondere Mittel der Herstellung von Unmittelbarkeit im Computerspiel sei, entstamme das Ziel darstellerischer oder sozialer Unmittelbarkeit bereits den älteren Medien.74 Anfang 2001 legt schließlich LEV MANOVICH, Professor am ›Visual Arts Department‹ der Universität von Kalifornien in San Diego, mit The Language of New Media seine weithin beachtete Analyse der Veränderungen medialer Kommunikation durch den Computer vor, die er allerdings vor allem als eine Untersuchung der visuellen Kultur versteht, die in der Tradition des Kinos steht.75 MANOVICH betont dabei, dass das Medium des Digitalcomputers erst seit Kurzem von Interesse sei, da sich dessen Identität im Verlauf der 1990er-Jahre gewandelt habe, es nicht länger als Arbeitswerkzeug, sondern als »universal media machine« fungiere, um Medien zu erstellen, zu speichern, zu verbreiten und auf diese zuzugreifen. Besondere Aufmerksamkeit erfährt einmal mehr das Spiel Myst (1993) als prototypisches kulturelles Interface der 1990er-Jahre, indem es als Computeranwendung funktioniere und zugleich Medien wie Filme und Bücher zitiere, um sich so einer kulturellen Sprache anderer, bereits vertrauter kultureller Formen zu bedienen.

72 Vgl. ebd. S. 88-99. Die Autoren vertreten ihre Thesen teilweise widersprüchlich oder zumindest beliebig: »[...] interactive computer games such as Myst (and its sequel Riven) and Doom define their reality through the traditions of photography and film. Doom is regarded as authentic because it places the user in an action-adventure movie, Myst and Riven because of the near photorealism of their graphics and their cinematic use of sound and background music.« Ebd. S. 29, 47f., 55, hier 55. 73 Ebd. S. 98f. 74 Vgl. ebd. S. 99-103. Die Autoren stützen sich bei ihrer Darstellung auf ›Joystick Nation‹ von J.C. Herz; zudem verwenden sie den Terminus ›role-playing game‹ missverständlich. 75 Vgl. L. Manovich: The Language of New Media. Cambridge/MA 2001. »To summerize, the visual culture of a computer age is cinematographic in its appearance, digital on the level of its material, and computational (i.e., software driven) in its logic.« Ebd. S. 180.

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»In the following I will explore the contributions of three such forms to this language during its first decades—the 1990s. The three forms [cinema, printed word, general-purpose human computer interface] on which I will focus make their appearance in the opening sequence of the already discussed prototypical new media object of the 1990s—Myst.«76

Darüber hinaus stützt sich MANOVICH bei seiner Argumentation vornehmlich auf ›Computer Games‹ aus den Jahren von 1993 bis 199777 als jenem Bereich, in dem durchschnittliche Computer-Nutzer/innen zuerst mit komplexen physikalischen, systemischen Simulationen, künstlicher Intelligenz oder evolutionären Algorithmen in Kontakt gekommen seien. Sie waren Ausgangsobjekte für Verschränkungen neuer Medien wie etwa Verfilmungen, Gebiete der Anwendung und Erweiterung filmischer Ausdrucksmittel in Form von »cinematics«, »digital video« und der virtuellen Kamera in 3D-Umgebungen, Gegenstand der Interfacegestaltung, Simulationen, die im Gegensatz zu interaktiven Erzählungen zwischen Abschnitten des Wahrnehmens und Handelns oszillierten, Paradebeispiele einer kulturellen Form, menschliche Erfahrung durch kontinuierlich navigierbaren dreidimensionalen Raum zu repräsentieren mit dem Ziel, »to psychologically ›immerse‹ the user in an imaginary universe«, oder Ansammlungen von Algorithmen, welche die narrative Struktur eines Spieles und die Grundlage für die mentalen Modelle der Spieler/innen bildeten.78 Insbesondere die beiden ›Computer Games‹ Myst und Doom von 1993 werden dann immer wieder als herausragende und definierende Beispiele für die erste Dekade der »new media« herangezogen, wenn sich MANOVICH mit dem ›Navigable Space‹ und den »aesthetics of navigation« als »spatial journey« und ›Erzählraum‹ befasst. Bei dieser Form der Navigation handele es sich um eine kulturelle Form, die alle »genres« von Spielen betreffe, unabhängig davon, welchen Konventionen sie sonst folgten; sie sei allen Formen von »new media« gemein. Auch Computerspieler tragen dazu bei, die »poetics of navigable space«, ihr Vokabular und ihre Muster zu formulieren, sei es die schnelle geometrische Bewegung in Doom oder das Flanieren in Myst.79 76 Vgl. ebd. S. 69-71, hier 71. 77 Er nennt: Bad Day on the Midway (1995), Command & Conquer (1995), Creatures (1996), Doom (1993), Dungeon Keeper (1997), GoldenEye 007 (1997), Myst (1993), Myth: The Fallen Lords (1997), Quake (1996), Return to Zork (1993), Riven (1997), Soulblade (1997), The 7th Guest (1993), SimAnt (1991), SimCity (1989), Super Mario 64 (1996), Tekken (1994), Tetris (1986), Tomb Raider (1996), Unreal (1997), Voyeur (1994), WarCraft II (1996) und schließlich die Wing Commander series, wobei Manovich mit der Integration von Spiel und »FMV (full motion video)« vor allem Wing Commander III: Heart of the Tiger (1994) und Wing Commander IV: The Price of Freedom (1996) meinen dürfte. Vgl. ebd. Kap. ›Index‹, S. 335354, 207. 78 Vgl. ebd. S. 33, 43, 68, 83f., 91, 142f., 182f., 210, 214-216, 222f., hier 215. Die »CD-ROMbased games« der 1990er-Jahre haben in dem Bestreben, die Sprache des Filmes nachzubilden, aber mit technologischen Grenzen konfrontiert, die Geschichte des Kinos wiederholt. Andere Spiele trügen zur Erweiterung der Filmsprache bei. Vgl. ebd. S. 312-314, 324. 79 Vgl. ebd. S. 244-253, 259-268, hier 263f. Seiner Argumentation zum Trotz zitiert er J.C. Herz mit der Beobachtung, schon das »classic text-based adventure game Zork« sei durch die Bewegung im Raum erzählt worden. Vgl. ebd. S. 246. Computerspiele wie Doom folgten eher der Logik amerikanischer Erzählungen im Sinne einer Charakterbildung durch die Handlung

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Spiele, die bis Anfang der 1980er-Jahre erschienen waren wie Spacewar, Computer Space und Pac-Man, werden einzig genannt, um die Diskrepanzen zu den neueren Möglichkeiten räumlicher Navigation aufzuzeigen, die sich in einer sich wiederholenden und beschleunigenden »evolution towards fuller and fuller realism« aufgetan haben, und die ihre Vorläufer in Sachen Grafik im Vergleich mit den »photorealistic renderings of Quake (1996) und Unreal (1997)« inzwischen weit hinter sich gelassen haben.80 Spiele aus den 1980er-Jahren werden gar nicht erst erwähnt. MANOVICH interessiert sich also gar nicht für die Spezifik der ›Computer Games‹, sondern erklärt sie zu einer der »areas of new media«, denen sich eine neue Medienwissenschaft zu widmen habe neben Websites, virtuellen Welten, Virtual Reality (VR), Multimedia, interaktiven Installationen, Computeranimation, Digitalvideo, Kino, ›Human-Computer Interfaces‹ sowie »the work of international new media artists and collectives«. Noch in seiner Einleitung bemängelt MANOVICH die Untätigkeit der Theoretiker/innen angesichts der Entstehung von »new media«, doch könne er nicht deutlicher machen, dass auch er sich für die neuen Medien rund um den Kulminationspunkt Computer erst in dem Moment interessiere, in dem sie im Verlauf der 1990er-Jahre an die bestehenden medialen Kontexte andockten. Es ist dieser Bruch in der Geschichtsschreibung der 1990er-Jahre, den er zunächst selbst diagnostiziert und kritisiert, um dann doch eine historische Herleitung der Kernideen von »new media« vorzulegen.81 ESPEN AARSETH warf den ›New Media Studies‹ schließlich vor, ein »pseudo-field« zu sein, das im Wesentlichen darauf ziele, jegliche computerbasierte Kommunikation für die »visual media studies« zu beanspruchen, darunter auch ›Computer Games‹ als einer unter vielen Gegenständen.82 Dieser Anspruch sei aber mit vielen Problemen verbunden, und der Erschließung unbekannter Räume als der Logik europäischer, psychologisch orientierter Erzählungen. Doom sei zudem ein Beispiel für den Zusammenhang militärischer und ziviler Technologie und Vorstellungskraft. Vgl. ebd. S. 271f., 275, 277f. 80 Vgl. ebd. S. 253-259, 281f. »As the speed of CPUs and graphics cards kept increasing, computer games moved from the flat shading of the original Doom [...] to the more detailed world of Unreal [...], which featured shadows, reflections, and transparency.« Ebd. S. 195 81 Vgl. ebd. S. 6-9, 285. 82 Auch in Deutschland haben Computerspiele die Aufmerksamkeit der vornehmlich an Visualität interessierten Wissenschaften erregt, etwa der Bildwissenschaft. Diesen Schritt vorbereitend hatte etwa 1999 Andre Reifenrath seine Dissertation Die Geschichte der Simulation vorgelegt, die – obwohl sie anerkennt, dass eine universelle Definition dessen, was eine »universelle Turingmaschine« hervorbringt, nicht gegeben werden kann – die These vertritt, dass eine »mimetische« Abbildung bzw. Modellbildung der Welt durch den Computer von ihrer Visualität abhängig ist. »Daß der Computer [...] auf das engste mit dem Bild verknüpft ist, stellt eine zentrale These dieser Arbeit dar [...]. [] Der Deutung des Computers als Bildmaschine steht natürlich entgegen, daß Computer im ursprünglichen Sinne elektronische Rechenmaschinen sind. Daß heute kein Computer mehr diese Rechenvorgänge an seiner Oberfläche sichtbar macht, erlaubt nicht, sie zu verleugnen. Aber es war das Bild, und damit und damit die Verdrängung der internen, komplexen Vorgänge von der Oberfläche der Maschine, das zur enormen Durchsetzungskraft der Technologie ursächlich beigetragen hat.« A. Reifenrath: Die Geschichte der Simulation. Diss., unveröffentlicht, Berlin 1999. S. 26, passim. Aufgenommen wurde diese Vorarbeit von Horst Bredekamp, bei dem die Dissertation eingereicht wurde,

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allem voran, dass es sich bei ›Computer Games‹ nicht um ein Medium handele, sondern um viele verschiedene. Da das Spektrum von computerisierten Spielzeugen über Software für Mobilgeräte bis hin zu aufwendigen »massively multi-player games« reiche, mache dies den traditionellen Ansatz des ›Mediums‹ nahezu nutzlos.83 »It seems clear that these games, especially multi-player games, combine the aesthetic and the social in a way the old mass media, such as theatre, movies, TV shows and novels never could. The old mass media created mass audiences, who shared values and sustained markets, but the mass media communities remained imagined [...], with little or no direct communication between participants. Clearly, multi-player games are not like that. In games like MUD1, Ultima online, or Quake Arena, the aesthetic and the social are integrated parts, and this could be regarded as the greatest innovation in audience structure since the invention of the choir, thousands of years ago.«

AARSETH musste folglich den Schluss ziehen, dass keine der genannten Disziplinen in der Lage sein werde, das Phänomen ›Game‹ in seiner Gänze abzubilden, weshalb es der neuen Disziplin ›Computer Game Studies‹ bedürfe. Zur Geschichtlichkeit disziplinärer Ontologien und Methodologien

So arbiträr der gewählte Schlusszeitpunkt dieser Untersuchung ist, da er im Wesentlichen von der Verfügbarkeit der ›Game Design‹-Literatur ausgeht, so kann dennoch eine erste Bilanz vorgelegt werden; die seit 1997 erscheinenden akademischen Untersuchungen über Computerspiele bieten einen entsprechenden Anlass dafür. AARSETH hatte 2001 bereits auf die massiven Probleme bei der Übertragung methodischer Ansätze auf einen so versatilen Gegenstand wie Computerspiele hingewiesen. Was er jedoch selbst nicht reflektiert, ist die Geschichtlichkeit disziplinärer Methodologien, d.h. dass sowohl das Auftreten methodologischer Übertragungen als auch die Eingrenzungen, die dabei vorgenommen werden, tatsächlich etwas über den Gegenstand ›Computerspiel‹ verraten – ein Umstand, den auch die entsprechenden Untersuchungen ebenfalls bewusst oder unbewusst nicht berücksichtigen.84

etwa in dem erstmals in die sechste Auflage von 2003 aufgenommenen Beitrag des Sammelbandes Kunstgeschichte. Eine Einführung (1. Auflage: 1985). In seinem Entwurf der Kunstgeschichte als Wissenschaft von den Bildmedien zählt Bredekamp »die mimetischen Fähigkeiten von Computerspielen zu den bedeutendsten kulturellen Verschichtungen der jüngeren Zeit.« H. Bredekamp: Bildmedien. In: Hans Belting et al. (Hg.): Kunstgeschichte. Berlin 2008. S. 363-386, hier 374f. Ähnlich äußert sich Bredekamp im selben Jahr über den Computer als »eine weitere bildstiftende Instanz ungeahnten Ausmaßes«, dem man seit den 1990er-Jahren durch die Begründung der ›Bildwissenschaft‹ zu begegnen versuche. Vgl. Ders.: Bildwissenschaft. In: U. Pfisterer (Hg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Stuttgart 2003. S. 56-58, hier 57. 83 Vgl. E. Aarseth: Computer Game Studies, Year One. In: Game Studies, Vol. 1, Is. 1, Jul. 2001. (Online) 84 Das ist nur schlüssig, da sich Aarseth inzwischen intensiv mit der Ontologie, also der ahistorischen, universellen Bestimmung des Gegenstandes ›Game‹ befasst. Vgl. dazu die beiden Artikel: E.J. Aarseth: Ludology. In: M.J.P. Wolf, B. Perron (Hg.): The Routledge Companion to

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Wie JULIAN KÜCKLICH beschreibt, sei die von AARSETH vorangetriebene Begründung der ›Game Studies‹ als ›Ludologie‹, welche die folgenden Jahre in ihrer Wahrnehmung prägen würde, nur der Ausdruck einer beinahe überkompensatorisch betriebenen Emanzipationsbewegung gegenüber vor allem narratologischen, aber auch medien- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen, die ihre eigenen inhaltlichen und methodischen Probleme habe hervorbringen müssen. Der Konflikt »zwischen einem formalistischen Essentialismus und einem kontextorientierten Pragmatismus« bleibe letztlich ungelöst, doch geraten Anfang des neuen Jahrtausends zunehmend wieder kulturelle, soziale und ökonomische Kontexte in den Blick bis hin zur allgemeinen Akzeptanz eines perspektivischen und methodischen Pluralismus. So etabliere sich zugleich mit Eintritt in die »postkoloniale Phase« ein zunehmend kritischer Blick auf die wirtschaftlichen, technologischen und kulturellen Bedingungen der Spieleproduktion einschließlich einer generellen Skepsis gegenüber den Ansprüchen von Autorschaft und Kunststatus. Gleichzeitig erfahre die Rolle der Spieler/innen und die kulturelle Situiertheit des Spielens immer größere Aufmerksamkeit, was vor allem am wachsenden Interesse gegenüber »massively multiplayer online games (MMOGs)« abzulesen sei.85 Es ist allerdings bezeichnend, dass KÜCKLICH die Geschichtsschreibung mit keinem Wort erwähnt, da es vor allem die historische Perspektive auf das eigene Forschungsfeld ist, welche den ›Game Studies‹ zu fehlen scheint, sind doch ihre methodologischen Herausforderungen »angesichts der Fluidität und Variabilität von Computerspielen« aufs Engste mit deren Geschichte verbunden.86 So wäre etwa die Beschäftigung der Literaturwissenschaft mit dem Computerspiel spätestens Ende der 1990er-Jahre gemeinsam mit dem Text-Adventure an ihr Ende gelangt, wären nicht zugleich Textbegriff, Dramen- und Erzähltheorie entgrenzt und für die Anwendung auf dem gesamten Bereich Feld medialer Phänomene fruchtbar gemacht worden. Es ist sogar anzunehmen, dass gerade die ›neuen Medien‹ wie das Computerspiel diese Entgrenzungen provoziert und notwendig gemacht haben, da sie das bestehende begriffliche und methodische Repertoire infrage stellten. Schon MARIE-LAURE RYAN hatte sich weit weniger für Computerspiele interessiert als für die Herausforderungen, die diese an die literaturwissenschaftliche Theoriebildung stellten. Narratologische Studien befassten sich folglich vor allem mit noch in Entwicklung befindlichen Forschungsprojekten, etwa zur ›Virtual Reality‹ oder künstlichen Intelligenz, oder mit normativen Vorgaben für solche Computerspiele, die narrativen Standards gerecht werden wollten. Kaum ein Spiel dürfte für die akademische Erschließung der Computerspiele so richtungsweisend gewesen sein wie das 1993 erschienene MYST. Als eines der ersten und zugleich der erfolgreichsten CD-ROM-Spiele gab es mit seinen erzählerischen, audiovisuellen und filmischen Ambitionen vielen Forschenden Argumente an die Hand, sich Video Game Studies. New York/NY u.a. 2014. S. 185-189. Ders.: Ontology. In: Ebd. S. 484492. 85 Vgl. J. Kücklich: Invaded Spaces. In: SPIEL, Jg. 23 (2004, H. 2). Frankfurt a.M. u.a. 2007. S. 285-303, hier 286-293. Es wird an dieser Stelle davon abgesehen, die in diesem Kontext entstandene sog. Narratologie-Ludologie-Debatte ausführlicher wiederzugeben. Vgl. G. Frasca: Ludologists Love Stories, Too. In: M. Copier, J. Raessens (Hg.): Level Up. Utrecht 2003. S. 92-99. 86 Ebd. S. 294-298, hier 298.

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dem Computerspiel aus der eigenen disziplinären Perspektive zu nähern. Mit seinen Anknüpfungspunkten in der Literatur-, Film- und Medienwissenschaft sollte es aber zugleich eine bestimmte Lesart des Mediums prägen. Angeregt von dem kurzzeitigen Erfolg der ›Interactive Movies‹, den Einsatz von Realfilmsequenzen im Computerspiel in den 1990ern sowie Filmadaptionen von Spielen auf der großen Leinwand, wurde man in der Folge nicht müde, die Verwandtschaft von Film, Fernsehen und Spiel zu beschwören, wenn auch häufig nur in einer nicht näher erläuterten Form gegenseitiger Beeinflussung.87 Dabei musste eine Analyse von ›Videospielen‹ (ein Terminus mit besonderer Anziehungskraft), die im Anschluss an die Film- und Fernsehtheorie allein auf der Ebene der audiovisuellen Repräsentation agiert, naturgemäß oberflächlich bleiben. Wo Literaturwissenschaft oder Film- und Fernsehwissenschaft ihre Grenzen noch an der Textlichkeit bzw. Bildlichkeit des Mediums zogen, zieht sie die ›New Media‹ explizit historisch, also in den 1990er-Jahren, was sie in ihrer Perspektive ebenfalls deutlich einengt. Statt die vorliegenden Phänomene als Ausdruck einer kunsthistorischen Epoche zu verstehen mit spezifisch technologischen, kulturellen und wirtschaftlichen Produktionsbedingungen, wurden sie gemeinsam zu ›neuen‹ Medien erklärt. Allerdings stützt sich auch AARSETH beim Verweis auf die beträchtliche mediale Vielfalt im Bereich der Computerspiele, welche die traditionelle Medienperspektive nahezu nutzlos mache, von computerisierten Spielzeugen88 über Spiele auf Mobilgeräten89 bis hin zu »massively multiplayer games«,90 durchweg auf Phänomene der späten 1990er-Jahre. 87 Unabhängig von solchen Filmen, in deren Handlung elektronische Spiele viel Raum einnahmen, wie etwa Tron (1982), WarGames (1983), The Last Starfighter (1984) oder The Wizard (1989), waren Filmadaptionen auf der Grundlage erfolgreicher Computer- und Videospiele ein Phänomen der 1990er-Jahre, ohne dabei besonders erfolgreich zu sein: Super Mario Bros. (1993), Double Dragon (1994), Street Fighter (1994), Mortal Kombat (1995), Wing Commander (1999), Pokémon: The First Movie (1999). 88 Aarseth nennt als Beispiel den Roboter ›Furby‹, der erstmals im Frühjahr 1998 auf der ›American International Toy Fair‹ vorgestellt wurde und neben dem ›Tamagotchi‹, das etwa ein Jahr zuvor in den USA und Europa erschienen war, den Markt für elektronisches Spielzeug revolutionierte. Vgl. S. Kirsner: Moody Furballs And The Developers Who Love Them. In: Wired.com, 01.09.98. (Online) 89 Aarseth nennt als Beispiel Drug Wars on the Palm Pilot. Das aus den 1980er-Jahren stammende Spiel war Ende der 1990er-Jahre für verschiedenste Plattformen, teils unter dem Titel Dope Wars, neu aufgelegt worden, darunter auch für Mobiltelefone und PalmOS, und erfreute sich um das Jahr 2000 enormer Beliebtheit. Vgl. D. Leinwand: Users become dealers in ›Dope Wars‹ game. In: USA TODAY, 15.02.2001. (Online) Unerwähnt blieb, dass sich erstmals Ende 1997 Besitzer/innen eines Mobiltelefons mit dem Spiel Snake, das Interfaceentwickler Teneli Armanto für das Nokia 6110 portiert hatte, die Zeit vertreiben konnten. Vgl. L. Bonsignore: Know Your Mobile Game History – Snake. In: OneTechStop.net, 04.02.2012. (Online) 90 Aarseth nennt als Beispiele EverQuest (1999) und Anarchy Online (2001). Dieser Typus von ›Massive Multiplayer Online Role Playing Games‹ (MMORPG), der sich mit einer monatlichen Grundgebühr statt zeitgenauer Abrechnung erstmals an ein größeres Publikum richtete, war allerdings trotz diverser Vorläuferprodukte in einer mehr als 20 Jahre umspannenden Vorgeschichte erst mit Meridian 59 von Archetype Interactive im September 1996 und Ultima Online von Origin Systems ein Jahr darauf begründet worden. Vgl. die ›Online World Time-

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Es zeigt sich also, dass die ›Game Studies‹ selbst an einem Wandel teilhaben, den CRAWFORD im Journal of Computer Game Design, das anlässlich der ›Computer Game Developers’ Conference‹ im April 1992 erschien, das Ende der Ära der »disk-based computer games« nennt. Angesichts des Endes der Diskette, die das ›Computer Game design‹ eine Dekade lang dominiert habe, warnte CRAWFORD vor einem grundlegenden und für viele harten Umbruch in der Industrie, der mit immer weiter steigenden Entwicklungskosten, zunehmender Konkurrenz durch Spielkonsolen und dem Druck der für etwa 1995 zu erwartenden Durchsetzung der ›Compact Disc‹ (CD) als Datenträger für alle gängigen Plattformen verbunden sei.91 Mit der zunehmenden Verfestigung der ›Game Studies‹ am Ende der 1990er-Jahre und den notwendigerweise damit verbunden Grundannahmen über Computerspiele müssen diese gegenüber anderen historischen Phänomenen – und sei es nur die Ära der Diskette als Speichermedium – stumm bleiben oder eine durch andere Medien vorformulierte Position einnehmen.92 Der Zeitpunkt, zu dem einzelne Disziplinen Computerspiele für sich entdecken, verrät folglich viel über deren Sichtweise auf das Medium, sind deren Annahmen noch stets geprägt von der äußerst selektiven Zusammenstellung von Spielen oder Anwendungen, die Eigenschaften aufweisen, die für den jeweiligen Forschungsansatz von Interesse sind. Schließlich werden die gemachten Beobachtungen allzu leichtfertig auf Computerspiele als Ganzes übertragen, besonders gerne, um die Zuständigkeit der eigenen Disziplin für den gesamten Forschungsbereich zu behaupten, bis hin zu normativen Vorstellungen darüber, was Computerspiele leisten sollten. In diesem Sinne ist die akademische Diskussion der Disziplinen nicht nur die Wiederholung des ›Paragone‹-Streites, den bereits die Designer/innen geführt hatten, sondern auch Ausdruck der Situation, dass der weithin anerkannte Methodenpluralismus in keinster Weise klärt, in welchem Verhältnis die Ansätze zueinanderstehen. Vor allem eine historische und an konkreten Untersuchungsgegenständen vorgenommene Herangehensweise kann dazu beitragen, weniger in den Mittelpunkt zu rücken, was eine Disziplin über alle Spiele zu sagen hat, als vielmehr, was

line‹ von Raph Koster, abgedruckt in: J. Mulligan, B. Patrovsky: Developing Online Games. Indianapolis/IN 2003. S. 437-468, hier 459f. Dort auch der Artikel ›The Lighter Side of Meridian 59’s History‹ von Damion Schubert. Ebd. S. 361-371. 91 Vgl. C. Crawford: Repent! The End is Near! In: JCGD, Vol. 5, Is. 4, Apr. 1992. S. 2-4. Ders.: A Reminder. In: JCGD, Vol. 5, Is. 3, Feb. 1992. S. 11. Nach dem Siegeszug auf dem PC wurden optische Datenträger mit der Einführung des Sega Saturn (Mai/Juli 1995) und der Sony PlayStation (September 1995) in den USA und Europa tatsächlich zum Standardmedium auf allen gängigen Plattformen. 92 Auch die später einsetzende Kritik an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Spieleproduktion ist von spekulativen Annahmen durchsetzt, wenn sie zum einen am naiven Gegensatz der genialen Künstler/innen und der stets kompromitierend eingreifenden Geldgeber/innen ausgeht (statt der kreativen Zusammenarbeit zwischen Autor/in und Lektor/in oder Musiker/in und Produzent/in), und zum anderen die wirtschaftliche Situation der 2000er-Jahre auf die gesamte Geschichte der Spieleentwicklung projiziert. Es fehlt jedoch an konkreten Untersuchungen, um eine derartige Kritik an der Spieleindustrie aufrechterhalten zu können. In dieser so schnelllebigen und von steter Veränderung getriebenen Branche, sind eben nicht nur Aussagen über die Medialität der Spiele, sondern auch über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Produktion in einen historischen Kontext einzuordnen.

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sie zum Verständnis eines bestimmten Spieltypus zu einer bestimmten Zeit beizutragen hat. Die Genese der ›Game Studies‹ selbst ist als Teil der ›Game History‹ zu begreifen. Ihr Entstehen und ihre Betrachtungsweisen sind verbunden mit einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte der Spiele, der Geschichte wissenschaftlicher Disziplinen sowie der Verfügbarkeit und Auswahl bestimmter Spiele. Die Diskussion um die Eigenständigkeit der ›Game Studies‹ bzw. Ludologie gegenüber anderen Disziplinen sowie der Versuch einer eindeutigen und gegenüber anderen Medien abgrenzenden Wesensbestimmung fällt zusammen mit den Versuchen einer formal-logischen Beschreibung von Spielen im ›Game Design‹ und entsprechenden Spielen am Markt. Dass diese Einsicht so schwerfällt, ist wohl verbunden mit der tief sitzenden Kränkung der Wissenschaften, die Theoreme in der Beschreibung und Interpretation von Computerspielen nicht allein aus dem Gegenstand oder der Rezeption desselben ableiten zu können, sondern auch dann von Produzierenden und ihren Annahmen abhängig zu sein, wenn man sich trivialen oder populären Alltagsgegenständen zuwendet. Selbst abstrahierende Modelle von ›Medienkultur‹ und ›Kulturindustrie‹ können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Produktion der Computerspiele ihrer Rezeption – und damit auch ihrer Wahrnehmung durch die Wissenschaft – immer vorausgeht und dass die Medienschaffenden den Medienwissenschaften ihren Gegenstand liefern. Die gegenseitige Kränkung von praxisgeleitetem Design und theoriebildender Wissenschaft ist das Ergebnis einer historisch gewachsenen Trennung von Produktion und Rezeption, von Kunst und Kritik, von Praxis und Theorie, deren Überwindung vor allem in der Wissenschaft immer wieder thematisiert wird.93 Im Jahr 2000 legte der Medienwissenschaftler HENRY JENKINS, der bereits 1998 gemeinsam mit JUSTINE CASSELL den Sammelband zu ›Gender and Computer Games‹ herausgegeben hatte,94 in einem nur drei Seiten umfassenden ›Viewpoint‹ des Magazins Technology Review dar, dass es endlich Zeit sei, Spiele in ihrer Bedeutung für Kultur als ›Art Form for the Digital Age‹ ernst zu nehmen: »Computer games are art—a popular art, an emerging art, a largely unrecognized art, but art nevertheless.« Dies rufe unweigerlich seltsame Vorstellung wach: anzugtragende oder juwelengeschmückte Gönner/innen, verzückt angesichts eines aktuellen Spieles, Akademiker/innen mittleren Alters, die sich hochtrabend über Spiele unterhielten, während die kontemplative Stille des Museums durch eigentümliche Töne gestört werde. Solche Bilder erzählten jedoch mehr über zeitgenössische Vorstellungen von Kunst – als trocken und stickig, Eigentum einer gebildeten und wohlhabenden Elite fernab jeder alltäglichen Erfahrungen – denn über Spiele. Dabei sieht JENKINS allerdings vor allem Kritiker/innen in der Pflicht, Innovationen zu dokumentieren und über ihr Potenzial zu spekulieren, um mit handfester Kritik zur Entwicklung des Mediums beizutragen, wie es auch in der frühen Geschichte des Filmes geschehen sei.

93 Eine polemische Beschreibung zum Stand der Schließung der ›Theorie-Praxis-Lücke‹ in den Designwissenschaften hat Ulrich Heinen vorgelegt. Ders.: Bildrhetorik der Frühen Neuzeit – Gestaltungstheorie der Antike. In: G. Joost, A. Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Basel u.a. 2008. S. 143-189, hier 143-152. 94 Vgl. J. Cassell, H. Jenkins (Hg.): From Barbie to Mortal Kombat. Cambridge/MA 1998.

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»Computer games are in a similar phase. We have not had time to codify what experienced game designers know, and we have certainly not yet established a canon of great works that might serve as exemplars. There have been real creative accomplishments in games, but we haven’t really sorted out what they are and why they matter.«

Gedankenvolle Kritik könne, so JENKINS, gegen die Banalität, Formelhaftigkeit und Vorhersagbarkeit heutiger Spiele, die Innovationen und Experimente in der Industrie unterstützen, zu wichtigen Debatten wie etwa zur »game violence« beitragen und die Spieleindustrie für ihre Entscheidungen zur Verantwortung ziehen. Ohne die Unterstützung einer informierten Öffentlichkeit und die Perspektive gedankenvoller Kritiker/innen könnten auch die kreativsten und vorwärtsdenkenden Köpfe in der Spielindustrie wohl niemals das volle Potenzial der Spiele realisieren.95 In JENKINS’ Bemerkungen kommt eine gewisse Verbitterung zum Ausdruck, da in den gesamten 1990er-Jahren bereits eine elaborierte Praxis der Spielekritik existiert habe, an welcher die akademische Beschäftigung mit Computerspielen niemals wirklich Anschluss fand. Gleichzeitig werden die Vorbehalte sichtbar, auch das ›Game Design‹ als gleichberechtigten Partner an diesen Diskussionen zu beteiligen, dabei hatten Designer/innen zu diesem Zeitpunkt bereits eine lange, aber weitestgehend vergessene Reflexionstradition vorzuweisen; sie hatten sie schlicht selbst niedergeschrieben.96 95 Vgl. H. Jenkins: Art Form for the Digital Age. In: Technology Review, Vol. 103, Is. 5, Sep.Oct. 2000. S. 117-120, hier 120. Jenkins bezog sich hier, wie auch später auf den Kritiker Gilbert Seldes und sein Buch The Seven Lively Arts (1925). Dazu auch Ders.: Games, the New Lively Art. In: Ders: The Wow Climax. New York/NY u.a. 2007. S. 19-40. 96 Eben jener Henry Jenkins, Direktor der ›Comparative Media Studies‹ und Projektleiter des ›Games-to-Teach project‹ am MIT, betont dann in dem Artikel ›Theory by Design‹ von 2003, den er gemeinsam mit dem Studierenden Walter Holland und dem Mitarbeiter Kurt Squire verfasste, dass es eine »practitioner’s theory« bzw. »vernacular theory« bzw. »game designer and game player’s theory of games« gebe, die der akademischen Theoriebildung stets vorausgehe und zu der die wissenschaftliche Forschung – einmal etabliert – schnell den Anschluss verliere. »Expert practitioners [...] have made significant contributions to our early understanding of this emerging medium. Professional conferences, such as the Game Developers Conference, have been at least as important [as] academic conferences in formulating and debating game theory, if not more so. And the gamer community also has been actively and publicly involved in making sense of the medium, its audience, and its impact.« Daher suche man, verbunden mit dem Anspruch angewandte Geisteswissenschaft zu betreiben, bewusst die Nähe des ›Game Design‹. Ohne Zugang zu den Hilfsmitteln der Spieleentwicklung behelfe man sich aber zunächst mit Gedankenexperimenten: »our students are working through games on paper, examining existing games, brainstorming about future directions, and through this process, trying to address central issues sourrounding games and education.« Die Ergebnisse dieser Arbeit seien zunächst einmal »design documents«, die, befreit von der Notwendigkeit, ein Produkt vorlegen oder dem Massenmarkt gerecht werden zu müssen, grundlegenden Fragen des Mediums und zukünftigen Entwicklungen nachgehen könnten. Auf diese Weise sei man in der Lage, Theorie zu praktizieren, die sowohl akademischen Maßstäben als auch den Erfordernissen der Praxis gerecht werde, »blurring the lines between theorists and practitioners«. Vgl. W. Holland, H. Jenkins, K. Squire: Theory by Design. In: M.J.P. Wolf, B. Perron (Hg.): The Video Game Theory Reader. New York/NY u.a. 2003. S. 25-46, hier 25-27, 29f., 42-44.

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Seit dem von AARSETH ausgerufenen ›Year One‹ der ›Game Studies‹ im Jahre 2001 hat sich in Publikationen, auf Konferenzen und im Internet ein neuer Pluralismus an Methoden, Zugängen und Analysen in der Beschäftigung mit Spielen etablieren können. Fernab von hochtrabenden Ansprüchen an eine wissenschaftliche Spielekritik sind die ›Game Studies‹ neben dem existierenden Spielejournalismus mit ihrer spezifischen Perspektive zu einem Teil jener Kunstliteratur geworden, die mehr und mehr auf die Produktion von Spielen zurückwirkt. Auch AARSETH wählte für seinen Entwurf der ›Game Studies‹ als Disziplin das Vorbild der ›Architektur‹, die zwar Kunstgeschichte enthalte, aber nicht auf diese zu reduzieren sei. Genauso sollten die ›Game Studies‹ auf ›Media Studies‹, Ästhetik, Soziologie usw. zurückgreifen können, aber dennoch als unabhängige akademische Disziplin bestehen, da sie nicht auf eine Sichtweise reduziert werden können.97 Eine vollständige Annäherung von ›Game Studies‹ und ›Game Design‹ wird allerdings erst möglich sein, wenn nicht nur Game Designer/innen anerkennen, dass die ›Game Studies‹ mit ihrem breiten disziplinären Hintergrund lohnende Impulse für die Spieleentwicklung liefern können (eine Anerkennung, die keinesfalls selbstverständlich ist und immer wieder aufs Neue verdient werden muss). Auch die akademische Forschung muss das ›Game Design‹ als eine Kunst im Sinne einer immer neu herausfordernden Praxis mit eigener Reflexions- und Literaturtradition anerkennen, wertschätzen und gleichberechtigt zu Wort kommen lassen. Die historische und systematische Grundlage für Letzteres dürfte mit der vorliegenden Arbeit erbracht sein.

97 Vgl. E. Aarseth: Computer Game Studies, Year One. In: Game Studies, Vol. 1, Is. 1, Jul. 2001. (Online)

II. 1982-1996: Die Produktionsästhetik des ›Computer Game Design‹ Zusammenfassung und Konklusion

D

ie untersuchten Schriften zur Kunst des ›Game Design‹ fügen sich nahtlos ein in die Tradition abendländischer Kunstliteratur, sie sind zum Teil gar nur aus dieser Perspektive verständlich. Das Zusammentragen, Erschließen, Ordnen und systematische Auswerten der zum Teil verstreuten, zum Teil bisher unzugänglichen Quellen zum ›Computer Game Design‹ haben umfangreiche und komplexe Systematiken, Sichtweisen und Sensibilitäten in ihrer historischen Entwicklung sichtbar werden lassen, die für die Produktion wie auch für die Rezeption von Computerspielen wertvolle Erkenntnisse bereithalten. Mit Blick auf die historische Untersuchung können die Ergebnisse entsprechend der vier Schwerpunkte zusammengefasst werden. So setzte bereits Anfang der 1980er-Jahre eine intensive Diskussion um den Kunststatus von Computerspielen ein. Als leitendes Prinzip wurde dabei die emotionale Ergriffenheit des Publikums im Sinne des Pathos eingesetzt, wobei es sich um eine grundlegende kulturelle Disposition zu handeln scheint; die Diskussion war verbunden mit der Hoffnung, Technologie und Mensch im neuen Medium ›Computer‹ zusammenzuführen. Neben dieser schwer erreichbaren »real art« war man sich zugleich aus diversen Anwendungszusammenhängen der Bedeutung von Kunst als handwerklich-pragmatische Expertise bewusst, sodass eine Reflexion der eigenen Tätigkeit in der Tradition der Kunstliteratur entstand und durchweg in Quellen vorzufinden ist. Die Diskussion um die Möglichkeiten und Grenzen des Mediums Computerspiel setzte sich in den folgenden Jahren in Form eines medialen Wettstreites fort, der erzählerische Qualitäten der Literatur, visuelle Qualitäten des Filmes und interaktive Qualitäten des Computerspiels gegeneinander abzuwiegen versuchte. Da es sich letztlich um eine individuelle Setzung für den Produktionsprozess handelte, stellte sich ein Pluralismus von Zugängen ein, wobei in den 1990er-Jahren die ›Kunst‹ zunehmend im Zusammenfügen der vielen beteiligten ›Künste‹ bestand und mit ›Artists‹ im Rahmen der Spieleproduktion nur noch visuelle und räumliche Gestalter/innen gemeint waren. Vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Projekte, der damit verbundenen Arbeitsteilung, aber auch des wachsenden Anspruches an Professionalität und Kunstfertigkeit im Entwurf, wandelte sich das Tätigkeitsfeld der Game Designer/innen von der alle Arbeitsschritte integrierenden Spieleproduktion zur vornehmlich schriftlichen Konzeption. Im Rahmen der Gemeinschaftsbildung innerhalb der Spielebranche

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gingen Game Designer/innen dann in der Menge der Entwickler/innen auf, ohne dass es gelungen wäre, die Profession mit einem klaren Profil, Bildungsprogramm und Aufgaenbereich zu etablieren, obwohl diese durchaus diskutiert wurden. Daneben gelang es einzelnen herausragenden Persönlichkeiten aber immer wieder, sich als Visionär/in erfolgreicher Spiele einen Namen zu machen. Dem Selbstverständnis nach orientierten sich Game Designer/innen einerseits am ›Personal Computer‹ und damit an spezifischen Konstellationen von Technologie, Zielgruppe und Erwartungshaltung sowie andererseits an kategorialen Einteilungen existierender Spiele und herausragenden Vorbildern, womit auch erste Geschichtsdarstellungen einhergingen. Dies geschah in bewusster Abgrenzung zu Spielkonsolen und Spielautomaten, deren Märkte in den USA Mitte der 1980er-Jahre kollabiert waren und sich für dortige Entwickler/innen erst um 1990 wieder öffnen sollten. Obwohl auch vonseiten der Spieleentwickler/innen Versuche erfolgten, den Gegenstand ›Computerspiel‹ zu definieren, wurden diese für den Entwicklungsprozess nie verbindlich. Mitte der 1990er-Jahre deuteten sich dann grundlegende Umbrüche für die Computerspieleentwicklung an, die Technologie, Finanzierungs- und Produktionsmodelle sowie Verbreitung betrafen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit reichen jedoch deutlich über diese Erkenntnisse hinaus. Zunächst einmal hat sich die Absicht der Untersuchung, durch eine spezifische Auswahl an Quellen eine Geschichte des ›Game Design‹ zu einem bestimmten Ort und einer bestimmten Zeit zu schreiben, als überaus lohnenswertes Unterfangen erwiesen. Es konnten letztlich deutlich mehr Quellen ausfindig gemacht werden als zu Beginn der Untersuchung zu erwarten war, was zugleich verdeutlicht, dass hier noch viel Arbeit zu leisten ist.1 Die vorliegende Untersuchung konnte das umfassende und bisher kaum wahrgenommene Material jedoch nicht vollständig bearbeiten; zwei ursprünglich geplante Bausteine mussten aufgrund des Umfangs fallen gelassen werden.2 Es zeigte sich die dringende Notwendigkeit, den bestehenden und häufig nur oberflächlich argumentierenden Überblicksdarstellungen über die Geschichte elektronischer Spiele vertiefende Einzeluntersuchungen zur Seite zu stellen, um so zu einer komplexeren Form von Geschichtsschreibung zu gelangen. Darüber hinaus hat sich die Struktur der Arbeit als äußerst tragfähig erwiesen. Nicht nur konnte die in den historischen Kunstlehren vermittelte Produktionsästhetik und -theorie zentrale Begriffe und Systematiken bereitstellen, um das Quellenmaterial zu ordnen und zu analysieren, vielfach half sie dabei, mittelbare oder unmittelbare Beziehungen zwischen diesen Theorietraditionen aufzuzeigen, obwohl ihre Beschreibung wieterhin schwierig bleibt. Selbst wenn Analogiebildungen zu den schnellen und fruchtbaren Zugängen zählen, muss eher von langen Rezeptionstraditionen und damit von Homologien ausgegangen werden, so verschlungen, fragmentarisch und eigentümlich sie auch sein mögen. Während etwa die Bestimmung des Kunstverständnisses oder das Rol1

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Eine Forschungsbibliografie zur historischen oder systematischen Erforschung ›elektronischer Spiele‹, sowohl für Primär- wie auch Sekundärliteratur, gar in kommentierter Form, ist Desiderat. Eine Quellenbibliografie zum Thema ›Game Design‹ im Zeitraum von 1982 bis 1996 ist für eine Folgepublikation in Arbeit. Der vorliegende Text ist der erste Teil eines größer angelegten Forschungsvorhabens, dass der Verfasser zwischen 2011 und 2016 durchgeführt hat. Eine zweite Studie, die sich mit der historischen wie systematischen Aufarbeitung des »framework for criticism« und des »model for development« (Crawford) beschäftigt, ist als Nachfolgepublikation geplant.

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lenbild der Künstler/innen an abendländische Traditionen anknüpfen und diese zum Teil reaktivieren (Homologie), scheint der Paragone zu anderen Medien eher dem Umstand geschuldet zu sein, dass die eigene Positionsbestimmung im Vergleich, aber ebenso im Wettstreit zu anderen deutlich leichter fällt (Analogie). Im Umgang mit dem Gestaltungsgegenstand tritt schließlich der Widerspruch zwischen idealistischen und strukturalistischen Wesensbestimmungen und am Produktionsprozess ausgerichteten Orientierungsfunktionen zutage; einerseits schützen Ideale und Utopien vor der rein kommerziellen Vereinnahmung des Gegenstandes, andererseits müssen erarbeitete Vorbilder und Schemata als wandelbare Teile der Produktion begriffen werden. In diesen produktionsästhetischen Systemstellen steckt – unabhängig von ihrer individuellen Ausformung – die eigentliche Errungenschaft der abendländischen Kunstliteraturtradition (Homoiologie). In diesem Sinne konnte schließlich anhand der untersuchten Quellen nachgewiesen werden, dass trotz aller Meinungsverschiedenheiten und unterschiedlicher Ansätze bereits in den Jahren von 1982 bis 1996 ein grundlegendes fachsystematisches Wissen über ›Game Design‹ existierte, das allein der Praxis und Reflexion der Produktion entsprang. Dieses manifestierte sich allerdings nur selten in Form vollständiger schriftlicher Abhandlungen, sondern vielmehr in den vielfältigen Diskussionsschwerpunkten, die sich aus der Praxis des ›Game Design‹ ableiteten. War man auch innerhalb bestimmter Frageund Problemstellungen anderer Ansicht, so bestand doch ein Konsens über die Wichtigkeit der Selbstbestimmung der eigenen Disziplin, des eigenen Mediums und Gegenstandes sowie der eigenen Rolle im Produktionsprozess. Die Wandlungsfähigkeit, Vielgestaltigkeit und ggf. sogar Widersprüchlichkeit gestaltungstechnischen Wissens öffnete dabei genau jene Spielräume, die so wichtig waren, um eine eigene Haltung formulieren3 und auf die jeweiligen Problemstellungen von Ort und Zeit reagieren zu können.4 Das Verhältnis von ›Game Design‹-Literatur und ›Game Design‹-Praxis bleibt vor diesem Hin-

3

4

Vgl. W. Barner: Spielräume. In: H. Laufhütte (Hg.): Künste und Natur in Diskursen der Frühen Neuzeit. Wiesbaden 2000. S. 33-67. A. Scheuermann: Moving Picture Audience – Affektkommunikation im populären Film. In: A. Zika (Hg.): The moving image. Weimar u.a. 2004. S. 113-131. Tatsächlich blieb der Markt der Computer- und Videospiele auch weiterhin in Bewegung. So blickten Spieleentwickler/innen erwartungsvoll auf die ›Computer Game Developers’ Conference‹ Ende April 1997, auf der vor allem der Umgang mit der sich allmählich verbreitenden 3-D-Grafik sowie die Möglichkeiten des Internets von ›Online Gaming‹ über neue Verdienst-, Vertriebs- und Kommunikationswege sowohl für Spieler/innen als auch für Entwickler/innen zu bestimmenden Themen werden sollten. Vgl. B. Sawyer: Here Comes the CGDC. In: Game Developer, Apr./May 1997. S. 44-52. In der gleichen Ausgabe des Magazins Game Developer prognostiziert schließlich Sid Meier in seiner ›Soapbox‹-Kolumne ›A Revolution‹, dass nicht Technologien, größere Datenträger und steigende Rechenleistung den Wandel der Industrie oder gar die Natur der Spiele bestimmten, sondern sich insbesondere das System aus unabhängigen Entwicklungsstudios und finanzkräftigen Verlagshäusern, wie es sich Mitte der 1990erJahre etabliert habe, für die nächsten Jahre als Erfolgsmodell erweisen würde. »By breaking the link—separating the process of game creation from the business of selling a product—the whole industry moves forward.« Vgl. S. Meier: A Revolution. In: Game Developer, Apr./May 1997. S. 72.

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tergrund allerdings schwer zu bestimmen und verlangt nach weiteren Studien, die sich aber auf die vorliegende Systematik werden stützen können.5 Für Forschende, wie auch für Game Designer/innen stellt sich mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit die Frage nach der eigenen Positionsbestimmung. Die »principles of aesthetics« als Produktionsästhetik erneut zugänglich zu machen, erweist sich in vielerlei Hinsicht als wichtiger erster Schritt. Dabei ist die Systematik der Kunstliteratur noch nicht an ihr Ende geführt. Zum einen gilt es, der Kritik und schließlich dem Werkprozess selbst im Rahmen einer Produktionstheorie nachzugehen. Zum anderen kann die Kunstliteratur als Paradigma selbst – auch über das ›Game Design‹ hinaus – dabei helfen, andere Kunstformen, Disziplinen und Kunstlehren als zusammengehörig zu begreifen.

5

Die vorliegende Studie mag aufgrund ihrer Konzentration auf schriftliche Zeugnisse der Stimme von Chris Crawford eine größere Rolle zuweisen, als ihr in der Designpraxis zukam. Doch ihre überdeutliche Präsenz ist für die 1980er-Jahre ebenso typisch wie ihr allmähliches Verstummen in den 1990er-Jahren. Die erfolgsorientierte Branche war kaum noch gewillt, einem Theoretiker Gehör zu schenken, der ab 1990 kein Spiel von Relevanz mehr entwickelt und ihr daraufhin voller unerfüllter Ambitionen den Rücken zugekehrt hatte.

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Doom II: Hell on Earth. [PC]. (Entw./Publ.) id Software, Inc. Mesquite/TX 1994. Earl Weaver Baseball. [PC u.a.]. (Entw.) Mirage Graphics, Inc. (Publ.) Electronic Arts. Redwood City/CA 1987. Eastern Front (1941). [Atari 400/800]. (Entw.) Chris Crawford. (Publ.) Atari Program Exchange. Sunnyvale/CA 1981. Energy Czar. [Atari 400/800]. (Entw.) Chris Crawford. (Publ.) Atari, Inc. Sunnyvale/CA 1980. Excalibur. [Atari 400/800]. (Entw.) Chris Crawford et al. (Publ.) Atari Program Exchange. Sunnyvale/CA 1983. Gossip. [Atari 400/800]. (Entw.) Chris Crawford et al. (Publ.) Atari Program Exchange. Sunnyvale/CA 1983. Hero’s Quest: So You Want To Be A Hero (Quest for Glory). [PC]. (Entw./Publ.) Sierra OnLine, Inc. Coarsegold/CA 1989. Hovertank One. [PC]. (Entw.) id Software, Inc. (Publ.) Softdisk Publishing. Shreveport/LA 1991. Indiana Jones and The Last Crusade. [PC]. (Entw.) Lucasfilm Games LLC. (Publ.) Lucasfilm Ltd. Skywalker Ranch/CA 1989. John Madden Football. [Apple II]. (Entw./Publ.) Electronic Arts. Redwood City/CA 1988. Julius Erving and Larry Bird Go One-on-One. [Apple II]. (Entw.) Eric Hammond. (Publ.) Electronic Arts. Redwood City/CA 1983. King’s Quest. [Apple II]. (Entw./Publ.) Sierra On-Line, Inc. Coarsegold/CA 1984. King’s Quest V: Absence Makes the Heart Go Yonder! [PC]. (Entw./Publ.) Sierra On-Line, Inc. Coarsegold/CA 1990. Klik & Play: The Revolutionary Instant Game Creator. (Entw.) Europress Software Ltd. (Publ.) Maxis Software Inc. Orinda/CA 1994. Legionnaire. [Atari 400/800]. (Entw.) Chris Crawford. (Publ.) Microcomputer Games, Inc. Baltimore/MD 1982. Little Computer People. [Apple II u.a.]. (Entw.) Rich Gold, David Crane. (Publ.) Activision, Inc. Santa Monica/CA 1985. Loom. [PC u.a.]. (Entw.) Lucasfilm Games LLC. (Publ.) Lucasfilm Ltd. Skywalker Ranch/CA 1987.

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Maniac Mansion. [Commodore 64 u.a.]. (Entw.) Lucasfilm Games LLC. (Publ.) Lucasfilm Ltd. Skywalker Ranch/CA 1987. MYST. [Mac]. (Entw.) Cyan, Inc. (Publ.) Brøderbund Software, Inc. Novato/CA 1993. Patton versus Rommel. [Mac]. (Entw.) Chris Crawford et al. (Publ.) Electronic Arts. Redwood City/CA 1986. Planetfall [PC u.a.]. (Entw.) Steve Meretzky. (Publ.) Infocom, Inc. Cambridge/MA 1983. Pollywog. [Apple II]. (Entw.) Alan Wootton. (Publ.) Top-Notch Productions. Santa Monica/CA 1983. Portal: A Computer Novel. [Amiga u.a.]. (Entw.) Nexa Corporation. (Publ.) Activision, Inc. Santa Monica/CA 1986. Quake. [PC]. (Entw.) id Software, Inc. (Publ.) GT Interactive Software Corp. New York/NY 1996. Raster Blaster. [Apple II]. (Entw./Publ.) BudgeCo., Inc. o.O. 1981. Robot Rascals. [Apple II u.a.]. (Entw.) Ozark Softscape. (Publ.) Electronic Arts. Redwood City/CA 1986. SCRAM: A Nuclear Power Plant Simulation. [Atari 400/800]. (Entw.) Chris Crawford. (Publ.) Atari, Inc. Sunnyvale/CA 1980. SimCity. [PC]. (Entw.) Maxis Software Inc. (Publ.) Brøderbund Software, Inc. Novato/CA 1989. SimEarth: The Living Planet. [PC]. (Entw.) Maxis Software Inc. (Publ.) Brøderbund Software, Inc. Novato/CA 1990. Star Raiders. [Atari 400/800]. (Entw.) Doug Neubauer. (Publ.) Atari, Inc. Sunnyvale/CA 1979. Star Trek: The Promethean Prophecy. [Apple II u.a.]. (Entw.) Trans Fiction Systems Corp. (Publ.) Simon & Schuster Interactive. New York/NY 1986. System Shock. [PC]. (Entw.) Looking Glass Technologies, Inc. (Publ.) ORIGIN Systems, Inc. Austin/TX 1994. The Seven Cities of Gold. [Apple II]. (Entw.) Ozark Softscape. (Publ.) Electronic Arts. Redwood City/CA 1984. Trinity. [Apple II u.a.]. (Entw.) Brian Moriarty. (Publ.) Infocom, Inc. Cambridge/MA 1986. Ultima VII: The Black Gate. [PC]. (Entw./Publ.) ORIGIN Systems, Inc. Austin/TX 1992.

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Ultima Underworld: The Stygian Abyss. (Entw.) Blue Sky Productions. (Publ.) ORIGIN Systems, Inc. Austin/TX 1992. Will Harvey’s Music Construction Set. [Apple II]. (Entw.) Will Harvey. (Publ.) Electronic Arts. Redwood City/CA 1984. Wing Commander. [PC]. (Entw./Publ.) ORIGIN Systems, Inc. Austin/TX 1990. Wing Commander II: Vengeance of the Kilrathi. [PC]. (Entw./Publ.) ORIGIN Systems, Inc. Austin/TX 1991. Wing Commander III: Heart of the Tiger. [PC]. (Entw.) ORIGIN Systems, Inc. (Publ.) Electronic Arts, Inc. Redwood City/CA 1994. Wing Commander IV: The Price of Freedom. [PC]. (Entw.) ORIGIN Systems, Inc. (Publ.) Electronic Arts, Inc. Redwood City/CA 1996. Wishbringer. [Apple II u.a.] (Entw.) Brian Moriarty. (Publ.) Infocom, Inc. Cambridge/MA 1985. Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord. [Apple II]. (Entw.) Andrew Greenberg, Robert Woodhead. (Publ.) Sir-tech Software, Inc. Ogdensburg/NY 1981. Wolfenstein 3D. [PC]. (Entw.) id Software, Inc. (Publ.) Apogee Software, Ltd. Garland/TX 1992. Zak McKracken and the Alien Mindbenders. [PC]. (Entw.) Lucasfilm Games LLC. (Publ.) Lucasfilm Ltd. Skywalker Ranch/CA 1988. Zork: The Great Underground Empire. [Apple II u.a.]. (Entw.) Marc Blank, Dave Lebling. (Publ.) Infocom, Inc. Cambridge/MA 1980.

V. Filme und Videos Aufzeichnungen von Vorträgen o.A.: Art History of Games Symposium. In: SMARTech. Scholarly Materials And Research at Tech, Georgia Tech Library 2010. (Online: https://smartech.gatech.edu/handle/1853/ 33113/, zuletzt 01.02.2017; vgl. auch den universitätseigenen YouTube-Kanal, online: http://www.youtube.com/playlist?list=PLA117E9FF1B8C375D, zuletzt 01.02.2017) Adams, Ernest W.: Herding Cats Doesn’t Begin to Describe It. Reflections on 20 Years of the IGDA. In: GDC Vault. Video of the talk held at GDC 2014, 17.-21. März 2014. (Online: http://www.gdcvault.com/play/1020782/Herding-Cats-Doesn-t-Begin, zuletzt 01.02.2017) Budge, Bill: Classic Game Postmortem, Pinball Construction Set. In: GDC Vault. Video of the talk held at GDC 2013, 25.-29. März 2013. (Online: http://www.gdcvault.com/play/ 1018258/Classic-Game-Postmortem-Pinball-Construction, zuletzt 01.02.2017) DICE 2011: »Full Circle« Panel with Bill Budge. In: G4tv.com, Dice Summit, 14th Annual Interactive Achievement Awards, Las Vegas/NV, 17. Februar 2011. (Online: http://www.g4tv.com/videos/51334/dice-2011-full-circle-panel-with-bill-budge/, zuletzt 01.02.2017) Wilson, Johnny/Nolan Bushnell/Chris Roberts/John Romero: Keynote, Legends of Game Design. In: GDC Vault. Video of the panel held at GDC 1997, 25.-29. April 1997. (Online: http://www.gdcvault.com/play/1019941/Keynote-Legends-of-Game, zuletzt 01.02.2017)

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Dokumentationen, Interviews und Reportagen Get Lamp. A documentary about adventures in text. [2 DVDs] (Regie) Jason Scott Sadofsky. (Prod.) Bovine Ignition Systems. o.O. 2010. Once Upon Atari – the documentary series. The uncensored story of what happened behind the scenes at Atari. [DVD] (Regie) Howard Scott Warshaw. (Prod.) Scott West Productions. San Jose/CA 2003. Spielfilme Der unsichtbare Dritte. 50th Anniversary Edition. [Blu-ray] (Regie) Alfred Hitchcock. (Publ.) Warner Home Video. Hamburg 2009.

VI. Abbildungen und Tabellen Abbildungen Abbildung 1: »Chris Crawford, computer-game artist, uses a variety of design techniques to create new, stimulating games for the microcomputer.« In: BYTE, Vol. 7, Is. 12, Dec. 1982, S. 99. © Franklin L. Avery (www.franklinavery.com) (Epigraph, S. 97) Abbildung 2: Anzahl der Personen, die ein Abonnement des Journal of Computer Game Design bezogen (1988) bzw. an der Computer Game Developers’ Conference teilgenommen (1991, 1994) haben, aufgeschlüsselt nach Regionen der USA. (Abs. B.III Florence during the Renaissance, S. 286f.) Abbildung 3: Schätzung der »Typical Development Costs« nach CRAWFORD (1991) Vgl. C. Crawford: Modern Times. In: JCGD, Vol. 4, Is. 5, Jun. 1991. S. 14f. (Abs. B.III Legends of Game Design, S. 345) Abbildung 4: Entwurf eines Organigramms der Firma Atari Inc. (1972-1984) (Abs. B.IV Computer Game Design, S. 388) Abbildung 5: U.S. Home Computer Market nach HALFHILL (1986) Vgl. T.R. Halfhill: The MS-DOS Invasion. In: Compute!, Is. 79, Vol. 8, No. 12, Dec. 1986. S. 32, 34, 36, 38, hier 36. (Abs. B.IV Computer Game Design, S. 391) Abbildung 6: »Personal computer market share« nach REIMER (2005) Vgl. J. Reimer: Total share. In: Ars Technica, 15. Dec. 2005. (Online). (Abs. B.IV Computer Game Design, S. 392)

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Tabellen Tabelle 1: Vergleich unterschiedlicher Kunstverständnisse für ›Games‹ nach YANG (2010) (Abs. B.I »one in-game moment that stirs up awe or profound emotion«, S. 115) Tabelle 2: ›Corresponding Elements of Qualitative Structure‹ nach LAUREL (1986) (Abs. B.II Interactive Fiction III: Vom Theater zum Holodeck, S. 208) Tabelle 3: Vergleich der Taxonomien bei CRAWFORD (1984) und SAWYER (1996) (Abs. B.IV Spielkategorien als Kunstgattungen, S. 377) Tabelle 4: Liste der ›Computer Game Developers’ Conferences‹ von 1988 bis 1996 (Abs. E.II Vorträge, Festivals und Konferenzen, S. 544)

E. Anhang: Bibliographische Notizen

INHALTSANGABE Die bibliographischen Notizen beginnen mit einem Überblick über die Game-Design-Literatur, ihre Geschichte, Entstehungskontexte und Standorte. (531-539) | Es folgt eine kurze Darstellung der Vorträge, Festivals und Konferenzen, in deren Rahmen Game Design thematisiert worden ist. (541-544)

I. Game-Design-Literatur Board Games, ›New Games‹, Wargaming & RPGs

D

ie Ursprünge des Game Design und der Game-Design-Literatur jenseits technologischer Überlegungen sind vielfältig und verstreut. Aus diesem Grund wird die entsprechende Literatur besonders gerne übergangen, obwohl – wie noch zu zeigen sein wird – nicht nur Parallelen, sondern sogar direkte Beziehungen bestehen. Erste Niederschriften, in denen sich die Tätigkeiten als Autor/in und Sammler/in von Brett- und Gesellschaftsspielen häufig noch verbinden, finden sich ab den 1960erJahren. So veröffentlichte SID SACKSON bereits 1969 seine mit Anekdoten und Beobachtungen angereicherte Spielesammlung A Gamut of Games.1 In den 1970er-Jahren entstand in Großbritannien im Umfeld des Magazins Puzzles & Games ein erster reger Austausch unter Game Designer/innen. Dort publizierten etwa DAVID PARLETT, ERIC SOLOMON, TOM WERNECK und auch SID SACKSON, bis in den 80er-Jahren schließlich der deutsche Spielemarkt tonangebend wurde.2 Erst 1987 erschien mit Gameplan von STEPHEN PEEK wieder ein Handbuch für »Game Inventors«, wobei sich der Autor in den praxisnahen Anteilen auf den Spieleerfinder HERBIE BRENNAN beruft.3 Eine weitere Quelle für Game-Design-Literatur war die ›New Games‹-Bewegung der Westküsten-›Counterculture‹. Ab Mitte der 1970er-Jahre erschienen mit New Games und More New Games! gleich zwei Sammelbände mit Spielen, ergänzt um Artikel über das Erfinden und Leiten von Spielen und Spielfesten.4 In diesem Geiste entstand auch 1978 das Buch The Well-Played Game von BERNIE DE KOVEN.5

1 2

3 4 5

S. Sackson: A Gamut of Games. New York/NY 1969. »The subject of games design and invention as a cultural activity akin to an art form was never far from our collective consciousness. [...] Then in GP58 (March 77), under the title ›But is it art?‹, Paul Morphine considers games design as one of the fine arts. Several inventors, at various times, took the opportunity of writing about their approaches and experiences.« Vgl. D. Parlett: Games & Puzzles Magazine – The inside story. In: David Parlett Gourmet Games, 2015. (Online) Vgl. S. Woods: Eurogames. Jefferson/NC u.a. 2012. S. 35f., passim. Aus diesem Kreis ging auch ›The Games & Puzzles Book of Modern Board Games‹ hervor, herausgegeben von David Pritchard (London 1975). S. Peek: Gameplan. White Hall/VA 1987. A. Fluegelman (Hg.): The New Games Book. Garden City/NY 1976. A. Fluegelman (Hg.): More new games! Garden City/NY 1981. B. De Koven: The Well-Played Game. Garden City/NY 1978.

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In der Szene des modernen Hobby-›Wargaming‹ wurden Designprozesse ebenfalls ab den 1960er- und 70er-Jahren systematisch reflektiert, begründet durch CHARLES S. ROBERTS und seinen Spieleverlag ›Avalon Hill‹ sowie wesentlich bereichert durch den Konkurrenten ›Simulations Publications, Inc. (SPI)‹ von JAMES F. DUNNIGAN und einen wachsenden Stab an Angestellten.6 DUNNIGAN veröffentlichte erstmals 1980 sein Wargames Handbook, das sowohl die Grundlagen des ›Spielens‹ als auch des Designs behandelt.7 Er erinnert sich später: »The first edition of the Wargames Handbook came out in the Summer of 1980, arguably the high point of the golden age of board wargaming.«8 Es war vor allem in der militärischen Ausbildung und Anwendung von ›Wargames‹ beliebt.9 In einer ›Revised Edition‹ erschien es 1993, mit deutlich stärkerem Fokus auf ›computer games‹10, und zuletzt in der ›Third Edition‹ im Jahr 2000.11 Zu den Publikationen rund um das ›Wargaming‹ zählt auch eine große Menge an Zeitschriften, die – vornehmlich herausgegeben von Spieleverlagen und gerichtet an Spieler/innen – bereits ab Mitte der 60er-Jahre erschienen. DUNNIGAN gibt 1980 einen Überblick über die ›Wargame‹ Magazine auf dem (größtenteils) amerikanischen Markt, deren Zahl gleichmäßig, vor allem Anfang und Mitte der 70er-Jahre zugenommen habe: The General (ab 1964), Simulation & Tactics (ab 1967), Campaign (als Panzerfaust ab 1967), Moves (»early 1970’s«), Fire and Movement (»mid-1970’s«), The Dragon, The Grenadier, The Phoenix, The Journal of the Travelers Aid Society (ab »mid to late 1970’s«), Ares (ab 1980).12 Als eine Sonderpublikation des Magazins Simulation & Tactics erschien zudem 1977 ein Buch mit dem Titel Wargame Design mit Beiträgen der Entwickler von SPI, darunter REDMOND A. SIMONSEN und JAMES F. DUNNIGAN.13 Im Umfeld der ›Wargames‹ und Schlachten-Miniatur entstand zudem mit Dungeons & Drangons 1974 die Rollenspiel-Szene, aus der neben einem breiten Spektrum an Regel- und Szenarienbüchern, auch Anleitungstexte für Spieler/innen, Spielleiter/innen und auch angehenden Designer/innen hervorgingen.14 Zu diesem Kreis von Publikationen zählt auch noch das britische Magazin Inter*action, das von 1994 bis zu seiner Einstellung 1995 nach vier Ausgaben vierteljährlich erschien. In dieser Form bot es Raum für wissenschaftliche sowie praxisgeleitete Artikel und Rezensionen zu analogen wie auch digitalen Rollenspielen durch britische und US-amerikanische Verfasser/innen.15 6 7 8

9 10 11 12 13 14 15

Vgl. B. Blankenheim: Was können wir vom Wargame Design lernen? In: M.-A. Casasola Merkle et al. (Hg.): Spiele entwickeln 2012-2015, Bd. 1. o.O. 2015. S. 216-225. J.F. Dunnigan: The Complete Wargames Handbook. New York/NY 1980. J.F. Dunnigan: Wargames Handbook, Third Edition. Lincoln/NE u.a. 2000. S. xi. »Board wargaming had something of a golden age in the 1970s, before being replaced by fantasy role playing games (RPGs) and computer games in the 1980s.« Ebd. S. xxi. »[…] one reason why the 1980 edition of this book stayed in print for over ten years was because many military schools were using it as a textbook for courses on wargame design.« Ebd. S. 3. J.F. Dunnigan: The Complete Wargames Handbook. New York/NY 1992. J.F. Dunnigan: Wargames Handbook, Third Edition. Lincoln/NE u.a. 2000. Vgl. J.F. Dunnigan: The Complete Wargames Handbook. New York/NY 1980. S. 149, 151156. Im Rahmen dieser Untersuchung konnten Magazine nur marginal berücksichtigt werden. SPI (Hg.): Wargame Design. New York/NY 1977. Vgl. J. Peterson: Playing at the World. San Diego/CA 2012. Wegen der Namensgleichheit mit der Firmenzeitung von Sierra wurde das Magazin ab der zweiten Ausgabe in ›Interactive Fantasy‹ umbenannt. Vgl. J. Wallis: An Interruption from the

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Im Vergleich dazu stammt die erste Veröffentlichung im deutschsprachigen Raum, die sich im weitesten Sinne mit ›Game Design‹ befasst, aus dem Jahr 1987. Der Leitfaden für Spieleerfinder und solche, die es werden wollen von Spieleautor, -kritiker und -sammler TOM WERNECK (*1939), verlegt bei ›Ravensburger‹, erlebte diverse Ergänzungen und Neuauflagen.16 Der studierte Jurist WERNECK befasst sich in seinem Buch mit dem Ausformulieren und Testen möglichst origineller ›Spielideen‹ (für Brettspiele), verwendet aber weit mehr Raum auf die Einführung in Schutz- und Vertragsrechte, insb. die Kommunikation zwischen Autor/in und Verlagen. Das Buch blieb bis zu der Veröffentlichung zur ersten Spieleautorentagung 2006 (!) eine Einzelerscheinung.17 Chris Crawford

Die Begründung der Game-Design-Literatur für den Computer ist maßgeblich CHRIS CRAWFORD (*1950) zu verdanken, dessen Buch The Art of Computer Game Design bis heute als monolithisches Werk der 1980er-Jahre wahrgenommen wird.18 Das Buch erschien im Frühjahr 1984 beim Verlag Osborne/McGraw-Hill. In diesem heißt es, CRAWFORD habe sich ab 1972 mit »amateur game designing« befasst und mit TANKTICS (1978) das erste »commercially available wargame« veröffentlicht. So sei er 1979 als »Game Designer« zu Atari gekommen und leite dort als »Vorreiter des Game Design« nun die ›Games Research Group‹. Das 113 Seiten umfassende Buch behandelt in sieben Kapiteln die Fragen was Games sind und warum Menschen diese spielen, eine Taxonomie der ›Computer Games‹, den Computer als »Game Technology«, die »Game Design Sequence«, Designtechniken und -ideale, die Dokumentation eines Entwicklungsprojekts und schließlich die Zukunft der ›Computer Games‹.19 Im Jahr 1997 stieß SUE PEABODY, damals Assistenzprofessorin für Geschichte an der Washington State University Vancouver, auf das längst vergriffene Buch und veröffentlichte in Rücksprache mit CRAWFORD eine redaktionell überarbeitete HTML-Fassung des Textes, ergänzt um ein Vorwort der Herausgeberin sowie ein kurzes Interview mit dem Autor. In dieser Form war es mehrere Jahre im WorldWideWeb frei zugänglich.20

16 17 18

19 20

Publisher. In: Interactive Fantasy, Vol. 1, Is. 2, Dec. 1994. S. 6f. Auch Crawford bewarb das neue Magazin. Vgl. C. Crawford: A New Journal! In: JCGD, Vol. 8, Is. 5, Jun. 1995. S. 14. T. Werneck: Leitfaden für Spieleerfinder. Ravensburg 1987. (Ohne ISBN, mit Schutzgebühr.) M.-A. Casasola Merkle et al. (Hg.): Spiele entwickeln. Berlin 2006. Im gleichen Jahr erscheint ›Spiele finden und Erfinden‹ von Spiel- und Theaterpädagoge Hans Hoppe. So bemerkt etwa Richard Rouse III., dass ›The Art of Computer Game Design‹, obwohl 1983 verfasst, noch immer das beste Buch zum Thema und auch für ihn die Inspiration gewesen sei. »[Rouse:] There’s really no other book like it at all. [Crawford:] Yes, all the other attempts just turn out to be pro gramming books. It is shameful that no one has gone beyond that book.« Vgl. R. Rouse, III.: Game Design in Theory and Practice. Plano/TX 2001. S. 263, 272. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Berkeley/CA 1984. S. VII-IX. Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. Vancouver 1997. Die Universität Vancouver verweist inzwischen auf das eBook (http://library.vancouver.wsu.edu/art-computergame-design, zuletzt 01.02.2017). Noch heute finden sich Kopien der Fassung von 1997 als PDF im WWW, jedoch ohne Seitenzahlen oder Abbildungen. Vgl. Digital Press: Library – Books. 2012. (Online) Das Interview wurde geführt am 17. Juni. 1997: »Interview with Chris Crawford: Fifteen years after Excalibur and The Art of Computer Game Design.« Vgl. ebd.

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Basierend auf dieser Fassung ist das Buch seit 2011 als digitale Publikation über das Online-Angebot von Amazon wieder käuflich zu erwerben, versehen mit einer neuen Einführung und einem Kommentar des Autors am Ende eines jeden Kapitels.21 Darüber hinaus veröffentlichte CRAWFORD 1986 zu seinem im Jahr zuvor erschienenen Spiel Balance of Power ein Buch gleichen Titels bei Microsoft Press, in dem er ausführlich den Produktionsprozess des Spiels, einschließlich Ideenfindung, Recherche und Modellierung beschreibt.22 1991 erschien zudem das Buch How to Program, das sich mit der intellektuellen Leistung des Programmierens befasst.23 Diese Veröffentlichungen wurden begleitet von einer kaum überschaubaren Zahl von Aufsätzen, die an den verschiedensten Stellen – in Büchern und Magazinen – erschienen sind. Die besondere Rolle, die das Buch The Art of Computer Game Design einnimmt, lässt sich an einem wenig später entstandenen Buch aufzeigen: Inventing the Adventure Game von WARREN ROBINETT (*1951). Nach seinem Master-Abschluss in ›Computer Science‹ an der UC Berkeley arbeitete ROBINETT von 1977 bis 1979 in der Spieleentwicklung für den ›Atari 2600‹ und gründete mit einer Gruppe Lehrer/innen 1980 ›The Learning Company‹, um Lernspiele und -simulationen für Heimcomputer zu entwickeln.24 In einem Bericht über die Bedeutung von ›Software Construction Sets‹, erschienen in der Aprilausgabe der InfoWorld 1984 wird erwähnt WARREN ROBINETT sei »currently writing a book on video-game and adventure-game design«.25 Allerdings deuteten sich bereits massive Probleme in der Branche an. In der selben Ausgabe wird berichtet, dass der finanziell angeschlagene Konzern Atari etwa 100 Angestellte, insb. aus dem »longterm research«, habe entlassen müssen, unter ihnen CHRIS CRAWFORD.26 ROBINETT stellte sein Manuskript, an dem er seit 1983 gearbeitet hatte, Ende 1984 fertig. Doch wurde der Computerbuch-Pionier ›Reston Publishing‹, bei dem das Buch erscheinen sollte, sowie dessen Muttergesellschaft ›Prentice Hall‹ 1984 durch die ›Gulf+Western‹Gruppe bzw. den Verlag ›Simon & Schuster‹ übernommen und kurz darauf geschlossen. So blieb das Manuskript, vermeintlich ohne Zielgruppe und Verlag, unveröffentlicht, bis WARREN ROBINETT es 2001 auf seine Website stellte.27

21 22 23 24 25

Vgl. C. Crawford: The Art of Computer Game Design. o.O. 2011. C. Crawford: Balance of Power. Redmond/WA 1986. C. Crawford: How to Program. Washington/DC 1991. Vgl. J. Hague: Warren Robinett. In: Ders. (Hg.): Halcyon Days. Issaquah/WA 1997. (Online) Vgl. S. Mace: Computer Erector Sets. In: InfoWorld, Vol. 6, No. 16, 16.04.1984. S. 38-40, hier 40. 26 Vgl. S. Scott, T. Shea: Atari enters second phase of layoffs. In: InfoWorld, Vol. 6, No. 16, 16.04.1984. S. 13. 27 Vgl. W. Robinett: Preface. In: Ders.: Inventing the Adventure Game. Chapel Hill/NC 2001. (Online) Das heißt aber nicht, dass das Buch keine Leserschaft gefunden hat. So muss das fotokopierte Manuskript von 1983 mit dem Titel ›Imaginary Worlds: Video Game and Adventure Game Design‹ etwa Brenda K. Laurel bei der Abfassung ihrer Dissertation vorgelegen haben. Vgl. B.K. Laurel: Toward the Design of a Computer-Based Interactive Fantasy System. Columbus/OH 1986. (Online) S. 310. Auch David Graves zitiert das »unpublished book on simulated worlds« in einem ungekürzten Artikel von 1988. Vgl. D. Graves: Bringing Characters to Life. Reprinted from: JCGD, Vol. 2, Is. 2, Dec. 1988. S. 10f. (Online)

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Folglich steht CHRIS CRAWFORD nicht allein in dem Bemühen Produktionsprozesse zu reflektieren und niederzuschreiben. Doch sollte The Art of Computer Game Design aufgrund historischer Rahmenbedingungen bis zum Erscheinen des Buches Inside Electronic Game Design von ARNIE KATZ und LAURIE YATES sowie des Ultimate Game Developer’s Sourcebook von BEN SAWYER im Jahr 1996 die einzige veröffentlichte Monographie zum ›Game Design‹ bleiben, wobei im Falle des Sourcebook die Teile Zwei und Drei, welche der ›Art of Game Design‹ und ›Designing Different Types of Games‹ gewidmet sind, nur gut 17% des 832 Seiten starken Buches ausmachen.28 Journal of Computer Game Design & Interactive Entertainment Design

Im Jahr 1987 rief CHRIS CRAWFORD mit dem Journal of Computer Game Design das erste Magazin ins Leben, das allein dem Austausch und der theoretischen Reflexion der Praxis der Spieleentwicklung gewidmet war. Das Journal erschien zweimonatlich im Selbstverlag bis 1996 und war nur über den Herausgeber zu beziehen, wurde aber kostenfrei an alle größeren Publisher und Spielemagazine verschickt. Die Hefte hatten durchschnittlich bloß 14 Seiten Text aufzuweisen.29 CHRIS CRAWFORD steuerte viele Inhalte selbst bei. Ein Großteil des Journal speiste sich jedoch aus den Zusendungen (»Submissions«) anderer Autorinnen und Autoren, die zu dieser Zeit beinahe ausschließlich zugleich in der Praxis des ›Game Design‹ verortet waren; darunter: RHETT ANDERSON, MARK L. BALDWIN, JORN BARGER, KELLYN BECK, DAN BUNTEN, DAN CHANG, DOUG CLAPP, COREY COLE, GREG COSTIKYAN, KATHLEEN CRAWFORD, DON DAGLOW, DAVID DUNHAM, MICHELE EM, STEVE ESTVANIK, NOAH FALSTEIN, ROB FULOP, JIM GASPERINI, ERIC GOLDBERG, DAVID GRAVES, KAREN HUNTER, GREGG IZ-TAVARES, SCOTT JAROL, JEFF JOHANNIGMAN, CLIFF JOHNSON, DAVID ›TALIN‹ JOINER, BILL KUNKEL, BRENDA LAUREL, STEPHEN LINHART, DAVE MENCONI, RICHARD MULLIGAN, JOHN POLASEK, EVAN ROBINSON, DAVID SHAPIRO, DOUG SHARP, KEN ST. ANDRE, FORREST WALKER, GORDON WALTON.30 28 A. Katz, L. Yates: Inside Electronic Game Design. Rocklin/CA 1996. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. Crawford veröffentlichte erst nach 2000 wieder: Ders.: The Art of Interactive Design. San Francisco/CA 2002. Ders.: On Game Design. Indianapolis/IN u.a. 2003. Ders.: On Interactive Storytelling. Indianapolis/IN u.a. 2004. 29 »I will publish this Journal every other month. Each issue will be 12 to 16 pages long. Subscription rates will be $30 per year. Free copies of the Journal will be sent to all major computer game publishers and magazines.« Vgl. C. Crawford: Why a Journal of Computer Game Design? In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./Jul. 1987. S. 2. 30 Außerdem: Ernest W. Adams, C.-J. Appelo, Steve Axelrod, Frank Boosman, Lori Cole, Jim Cooper, Chet Day, Elaine Ditton, Randall Farmer, Timothy Fredenberg, Jon Freeman, Ron Gilbert, Amanda Goodenough, Ellen Guon, Tom Hall, Dav Holle, Bill Hopkins, Jurie Horneman, R.-D. Huijsman, Ed Isenberg, Mike Joslyn, Andy Kanakares, Cem Kaner, James Kerwin, Katherine Lawrence, Susan Lee-Merrow, Jason T. Linhart, Tom Maremaa, Hal Martin, Scott Messier, George Metos, Laura Miskines, Brian Moriarty, David Mullich, Peter Oliphant, Roger E. Pedersen, Bill Pirkle, John Powers III., C. Pronk, David Schroeder, Ezra Shapiro, Ezra Sidron, Andrea Siegel, Tom Sloper, H.-R. Smith, Greg Stanley, Bruce Sterling, Rob Swigart, Ariel Szczupak, Aaron Urbina, William Volk, David Whatley, Gregg Williams, Ken Williams, Kevin Wilson.

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»Material for this Journal is solicited from the readership. Articles should address artistic or technical aspects of computer game design at a level suitable for professionals in the industry. Reviews of games are not published by this Journal. [...] No payments are made for articles.«31

Bereits ab der ersten Ausgabe des Journal wurde auf dem Titelblatt explizit um solche Zusendungen geworben. Schon ab der zweiten Ausgabe wurde zudem darauf hingewiesen, dass Artikel die im Journal erschienen waren, ggf. auch im Computer Gaming Forum bzw. in der Computer Gaming World abgedruckt werden können, womöglich in gekürzter oder zusammengefasster Form.32 Die Zusendung von Artikeln blieb mehr als drei Jahre unvergütet. Erst mit Ausgabe 3 des vierten Jahrgangs (Feb. 1991) erhielten die Autorinnen und Autoren eine kostenlose 1-Jahres Verlängerung ihres Abonnements.33 Ab der Ausgabe 1 des siebten Jahrgangs im Oktober 1993 veröffentlichte CHRIS CRAWFORD das Journal unter dem Namen Interactive Entertainment Design, was zudem mit einer inhaltlichen Neuausrichtung verbunden war. Bereits im April 1993 äußerte sich CRAWFORD skeptisch zum wachsenden Einfluss der »Expositorions« – Schaffenden, die zwar in der Produktion darstellender Medien geschult seien, jedoch über keine Erfahrung im Umgang mit »Interaction Design« verfügten. Angesichts der kreativen Stagnation der »computer games« sei deren kreativer Idealismus und Energie den alteingesessenen ›Dinosauriern‹ jedoch vorzuziehen34: »[...] I have decided that I would rather join these people than try to beat them. I am tinkering with the idea of creating a new publication: The Journal of Interactivity Design. Lord knows these people need it. [...] Right now my preferred scheme runs something like this: fire up the JID on months alternating with the JCGD, and all subscribers to JCGD also get the JID. After a few issues, the JCGD becomes The Journal of Computer Game Technology. The two journals go their separate ways and subscribers choose which to support.«³5

Im Heft darauf verkündete CHRIS CRAWFORD das Journal in Interactive Entertainment Design (IED) umzubenennen. Er gehe davon aus den Großteil des Materials selbst zu verfassen. Das Magazin werde den »computer games« nicht den Rücken zukehren, schließlich seien »computer game designers« die am besten geschulten Expertinnen und Experten im Umgang mit Interaktivität. Die Zukunft liege jedoch im Feld der interaktiven Unterhaltung, auch wenn es noch deutlich kleiner sei.36 Die erste Ausgabe der Interactive Entertainment Design trug denn auch auf dem Titel das Motto: »›Today’s heresy, tomorrow’s dogma‹«. Ihr Inhalt seien Beiträge zu »artistic or technical aspects of interac-

31 Titelblatt. In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./Jul. 1987. S. 1. 32 Vgl. Titelblatt. In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 1. »Authors are hereby notified that their submissions may be reprinted in Computer Gaming Forum.« Vgl. Titelblatt. In: JCGD, Vol. 1, Is. 5, Feb./Mar. 1988. S. 1. Titelblatt. In: JCGD, Vol. 5, Is. 6, Aug. 1992. S. 1. 33 Vgl. Titelblatt. In: JCGD, Vol. 4, Is. 3, Feb. 1991. S. 1. 34 Vgl. C. Crawford: Invasion of the Expositorions. In: JCGD, Vol. 6, Is. 4, Apr. 1993. S. 2f. 35 Vgl. ebd. S. 3. 36 Vgl. C. Crawford: Whither the Journal? In: JCGD, Vol. 6, Is. 5, Jun. 1993. S. 2f.

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tive entertainment design at a level suitable for professionals in the industry«. Auch wurde der Zusatz, dass keine »Reviews« von Spielen veröffentlicht würden, gestrichen.37 Gleichzeitig mit der Richtungsänderung des Journal beginnt jedoch ein schrittweises Ausbleiben von Beiträgen und Lesenden für das Magazin. Ab Ausgabe 6 im August 1994 entschied sich CRAWFORD für jede zugesandte und abgedruckte Artikelseite $50 zu bezahlen.38 Dennoch erreichte die Interactive Entertainment Design niemals mehr die Beteiligung, wie noch das Journal of Computer Game Design. Insgesamt erschienen in den drei Jahren ihres Bestehens nur 16 Artikel, die von Autor/innen eingereicht wurden; im letzten Jahr ihres Erscheinens sogar nur ein einziger. Mit der ersten Ausgabe des achten Jahrgangs im Oktober 1994 wurde auch der Hinweis entfernt, dass Beiträge ggf. in der Computer Gaming World abgedruckt würden, ein entsprechendes Interesse bestand zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr.39 CHRIS CRAWFORD stellte sein Magazin schließlich nach neun Jahren mit der »Final Issue« im August 1996 ein.40 Die Geschichte dieser Publikation erscheint wie ein ständiges Ringen um die Zusendung von Artikeln.41 Doch wenn CHRIS CRAWFORD auf seiner Website, die beinahe alle von ihm verfassten Artikel aller Jahrgänge zur Verfügung stellt, angibt, er habe die meisten Artikel selbst verfasst42, so vermittelt dies ein falsches Bild des Publikationsverlaufs innerhalb des Journal of Computer Game Design. Tatsächlich wurden in den Jahren 1987 bis 1993 die meisten Seiten von Artikeln anderer Autoren gefüllt. Vergleicht man allein die Anzahl veröffentlichter Artikelseiten, so wurden bis zur Ausgabe 6 des sechsten Jahrgangs (1993) nur gut 35% (169 Seiten) von CHRIS CRAWFORD verfasst, während die restlichen 65% (310 Seiten) von anderen Autoren beigesteuert wurden (ohne Beachtung von Briefen oder Umfrageergebnissen). Bis zur Einstellung des Magazins 1996 kamen allerdings nur noch gut 52 Artikelseiten aus Zusendungen hinzu. Dies dokumentiert jedoch umso mehr den massiven Einbruch der Fremdbeteiligung an der Publikation, stieg der Gesamtanteil CRAWFORDS innerhalb der nachfolgenden drei Jahre doch sogar auf etwas mehr als 50% (369 Seiten). 37 Vgl. Titelblatt. In: IED, Vol. 7, Is. 1, Oct. 1993. S. 1. Insgesamt erschienen jedoch nur drei Rezensionen von Spielen sowie drei Buchrezensionen. 38 Vgl. Titelblatt. In: IED, Vol. 7, Is. 6, Aug. 1994. S. 1. 39 Vgl. Titelblatt. In: IED, Vol. 8, Is. 1, Oct. 1994. S. 1. 40 Vgl. Titelblatt. In: IED, Vol. 9, Is. 6, Aug. 1996. S. 1. 41 Vgl. C. Crawford: Call for Articles. In: JCGD, Vol. 1, Is. 1, Jun./Jul. 1987. S. 12. Ders.: Call for Articles. In: JCGD, Vol. 1, Is. 2, Aug./Sep. 1987. S. 13. Ders.: Call for Articles. In: JCGD, Vol. 1, Is. 3, Oct./Nov. 1987. S. 10. Ders.: Begging for Articles. In: JCGD, Vol. 1, Is. 4, Dec./Jan. 1987. S. 10. Ders.: Desperate Call for Articles. In: JCGD, Vol. 1, Is. 6, Apr./May 1988. S. 14. Ders.: The Journal Needs Articles! In: JCGD, Vol. 3, Is. 4, Apr. 1990. S. 15. Ders.: A call for articles. In: JCGD, Vol. 4, Is. 4, Apr. 1991. S. 15. Ders.: ...and speaking of low interactivity. In: JCGD, Vol. 5, Is. 2, Dec. 1991. S. 13. Ders.: A Reminder. In: JCGD, Vol. 5, Is. 3, Feb. 1992. S. 11. Ders.: This Should Have Been The Article That Saved Your Project! In: JCGD, Vol. 6, Is. 2, Dec. 1992. S. 15. Ders.: Slobbering Plea Mixed with Icy Threat. In: JCGD, Vol. 6, Is. 5, Jun. 1993. S. 5. Ders.: Plea for Articles. In: JCGD, Vol. 7, Is. 4, Apr. 1994. S. 12. Ders.: Announcements. In: JCGD, Vol. 7, Is. 6, Aug. 1994. S. 15. 42 »I wrote most of the material but I also published any submissions I could get from others.« Vgl. C. Crawford: The Journal of Computer Game Design. In: Erasmatazz.com, Library. o.O. o.J. (Online)

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Insgesamt bildet das Journal of Computer Game Design, einschließlich seiner Folgepublikation Interactive Entertainment Design sowie der aus ihr hervorgegangenen Konferenzen, die verlässlichsten und dennoch weithin vernachlässigten Quellen der Selbsttheoretisierung für den Zeitraum 1987-1996. Game Developer Magazine

Im Januar 1994 erschien die Premierenausgabe des Entwicklermagazins Game Developer beim Verlag und Veranstalter ›Miller Freeman Inc.‹.43 Dabei befasste sich das Magazin, wie es im ersten Editorial heißt, zunächst vornehmlich mit technologischen Fragestellungen der Programmierung (»Code«), dem wirtschaftlichen Erfolg und Versagen einzelner Spiele und Unternehmen (»Commerce«), sowie zuletzt auch künstlerischen Aspekten elektronischer Unterhaltung, wie Grafik und Musik (»Creativity«).44 Nach nur vier Ausgaben in 1994, und jeweils sechs Ausgaben in 1995 und 1996, kündigte der Verlag ›Miller Freeman Inc.‹ auf der ›Computer Game Developers’ Conference‹ im Frühjahr 1997 an, seinen Einsatz in der Branche der Spieleentwicklung entscheidend ausbauen zu wollen. So sah bereits die Ausgabe April/Mai des ›Game Developer‹ eine inhaltliche und gestalterische Überarbeitung, mit »expanded coverage beyond programming to include design, animation, art, game testing, production, sound design, and management.« In diesem Sinne wurde auch der Untertitel des Magazins von ›Programming for Fun‹ in ›On the Front Line of Game Innovation‹ geändert. Auch wurde eine Gast-Kolumne mit dem Namen ›Soapbox‹ eingeführt, die den Größen der Spieleentwicklung eine Mitteilungsplattform bieten sollte, unter den genannten z.B. SID MEIER, CHRIS CRAWFORD, NOLAN BUSHNELL und DANI BUNTEN BERRY. Ab Juni 1997 erschien das Magazin bis zuletzt im monatlichen Rhythmus. Schließlich wurde angekündigt, das Informationsangebot des Printmagazins durch eine umfangreiche Website mit dem Namen ›Gamasutra‹ zu ergänzen, pünktlich zur ›Electronic Entertainment Expo‹ (E3) im Juni 1997, mit Auszügen der Computer Game Developers’ Conference und des Game Developer Magazins sowie Artikeln, Vortragstexten, Newsgroups und LiveChat-Diskussionen.45 Erst in der Ausgabe Oktober 1997 wurde die wohl erfolgreichste und daher regelmäßig erscheinende Rubrik des ›Game Developer‹ eingeführt: Das ›Postmortem‹.46 Während die Website ›Gamasutra‹ bis heute besteht, wurde das Printmagazin

43 ›Miller Freeman Inc.‹ gehörte bereits seit 1985 zur Gruppe ›United News & Media‹, die noch bis April 1995 unter dem Namen ›United Newspapers‹ firmierte. Ab April 2000 erschien das Magazin unter dem Label der 1999 durch ›United News & Media‹ übernommenen ›CMP Media‹. Das inzwischen in ›United Business Media‹ (UBM) umbenannte Konglomerat stellte das Printmagazin 2013 schließlich ein. 44 Vgl. A. Antoniades: Editor’s Notes – The Dream. In: Game Developer, Jan. (Premiere) 1994. S. 2. 45 Vgl. A. Wallace, T. Winders: Miller Freeman Demonstrates Commitment to Game Developers. In: iAGENCY Press Release Archives, Santa Clara/CA, 26.04.1997. (Online) Vgl. A. Dunne: Game Plan – Chapter IV: A New Hope. In: Game Developer, Apr.-May 1997. S. 6. 46 Im Rahmen eines ›Postmortems‹ schildert ein leitendes Mitglied des Entwicklungsteams eines kürzlich veröffentlichten Spiels aus erster Hand den Entwicklungsprozess, bewertet diesen anhand von je fünf Punkten zu »What Went Right« und »Wrong« und fasst die wichtigsten ge-

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mit dem Heft Juni/Juli 2013 eingestellt. Inzwischen sind sämtliche Ausgaben kostenfrei online verfügbar, wenn auch teilweise unvollständig (insb. ohne Inhaltsverzeichnis) und ohne Anzeigen.47 Computer Game Developers Association

Nach einem auf der Game Developers Conference 1994 gefassten Beschluss wurde noch im selben Jahr die Computer Game Developers Association, als Interessenverband der Spieleentwickler/innen gegründet. Initiator und erster Vorsitzender der Organisation war ERNEST ADAMS. Von 1994 bis 1998 gab die Organisation verschiedene ›Computer Game Developers Association Reports‹ heraus, welche die Arbeitsergebnisse von ›Special Interest Groups‹ oder ›Committees‹ unter ihren Mitgliedern kommunizieren sollten.48 Im Jahr 1999 benannte sich der Verband in ›International Game Developers Association‹ (IDGA) um.49 Weitere Online-Medien

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht mehr beachten werden konnten Texte und Diskussionen die sich auf Online-Plattformen abgespielt haben und damit weder editorisch aufbereitet noch in gedruckter Form erhalten sind.50 Ein entsprechendes Angebot wurde für die Leser/innen des Journal of Computer Game Design im Rahmen eines ›Bulletin Board System (BBS)‹ bereits ab Oktober 1988 eingerichtet, gefolgt von dem ›Game Design RT (Roundtable)‹ über den Online-Dienst ›GEnie‹ ab Oktober 1989.51 Nach der Einstellung des JCGD führte CHRIS CRAWFORD noch von 1996 bis 1997 eine private Mailing-Liste mit dem Titel Lilan fort, die bis zur Einrichtung seiner Website zum Austausch von Beiträgen über ›Game Design‹ genutzt wurde.52

47 48

49 50

51

52

lernten Lektionen zusammen. 2003 erschien eine kommentierte Auswahl von 25 Postmortems. Vgl. A. Grossman (Hg.): Postmortems from Game Developer. San Francisco/CA 2003. Vgl. UBM Tech (Hg.): Game Developer Magazine – Complete Archives. In: GDC Vault, 2014. (Online) Auf die Existenz dieser ›Reports‹ konnte leider nur durch Querverweise geschlossen werden, da sie allein den Mitgliedern der CGDA zugänglich waren. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung konnten diese daher nicht berücksichtigt werden. Vgl. o.A.: History of the IGDA. In: IGDA.org. Mt. Royal/NJ o.J. (Online) Paul C. Schuytema erwähnt im Februar 1995, dass es eine »hypermedia encyclopedia« diverser Verfasser/innen mit dem Titel ›Game Designer’s Handbook‹ gebe, die man sich von einem FTP-Server herunterladen könne (ftp.uwp.edu/pub/games/game-dev). Vgl. P.C. Schuytema: The Dream Job. In: CGW, No. 127, Feb. 1995. S. 206, 210, 212, hier 210. Der Server ist heute nicht mehr erreichbar. Vgl. C. Crawford: Editorial - A Successful First Year. In: JCGD, Vol. 1, Is. 8, Aug./Sep. 1988. S. 2f. Vgl. Ders.: Editorial - Two Years Before the Masthead. In: JCGD, Vol. 2, Is. 6, Aug. 1989. S. 2. Vgl. Ders.: The BBS Moves to GEnie. In: JCGD, Vol. 3, Is. 1, Oct. 1989. S. 14f. Vgl. Ders.: Getting on to GEnie (reprise). In: JCGD, Vol. 3, Is. 6, Aug. 1990. S. 4f. Vgl. Ders.: Annual Reminder to Get on to GEnie. In: JCGD, Vol. 4, Is. 5, Jun. 1991. S. 12f. Vgl. Ders.: A Medley of Business Issues. In: JCGD, Vol. 6, Is. 1, Oct. 1992. S. 15. Vgl. C. Crawford: Lilan. In: Erasmatazz.com, Library. o.O. o.J. (Online)

II. Vorträge, Festivals und Konferenzen IEEE & ACM

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as ›Institute of Electrical and Electronics Engineers‹ (IEEE), und im speziellen die ›IEEE Computer Society‹ (gegründet 1946), sowie die ›Association for Computing Machinery‹ (ACM, gegründet 1947) fungieren weltweit als Partner, Ausrichter und Organisatoren einer kaum überschaubaren Zahl an Kongressen, Konferenzen und Tagungen, die sich mit vornehmlich technologischen Fragestellungen der Computerkonstruktion und -nutzung befassen. Beispielhaft sei hier auf die ACM SIGGRAPH (›Special Interest Group on GRAPHics and Interactive Techniques‹) verwiesen, die seit 1974 jährlich die Konferenz SIGGRAPH ausrichtet, welche sich im weitesten Sinne mit Entwicklungen der Computergrafik auseinandersetzt. Beide Institutionen fungieren als Herausgeber und Verlag nicht nur für die in diesem Rahmen entstehenden Niederschriften, Tagungsbände und Aufsatzsammlungen, sondern auch für diverse Bücher und Periodika.1 Eine detaillierte Aufschlüsselung ist in diesem Rahmen weder zu leisten noch sinnvoll. Dennoch stammt eine nicht geringe Zahl von Veröffentlichungen, die vor und auch nach Gründung branchenspezifischer Konferenzen und Publikationsplattformen zum ›Game Development‹ erschienen sind, aus diesem Umfeld. So fanden Videospiele gelegentlich Aufmerksamkeit im Rahmen der Verselbständigung des Forschungsfeldes ›Computer-Human-Interaction‹ (CHI), wie etwa auf der ›Joint Conference on Easier and More Productive Use of Computer Systems‹ im Mai 1981, veranstaltet von der ›Special Interest Group on the Social and Behavioral Science of Computing‹ (SIGSOC) der ACM.2 1982 folgte die ›Conference on Human Factors in Computer Systems‹ in Gaithersburg, Maryland, als erste Tagung der ACM allein zu Fragen der ›Computer-Human-Interaction‹, auf der zudem die Gründung der ›Special Interest Group on Computer-Human Interaction‹ (SIGCHI) bekannt gegeben wurde, die seit dem als Ausrichter der Konferenz fungiert.3 1

2 3

Rahmendaten unter: IEEE (www.ieee.org), ACM (www.acm.org), IEEE Computer Society (www.computer.org), ACM SIGGRAPH (www.siggraph.org). Zur Geschichte des IEEE, vgl. A.M. McMahon: The Making of a Profession. New York/NY 1984. L. Borman (Hg.): CHI ’81, Proceedings of the Joint Conference on Easier and More Productive Use of Computer Systems, Ann Arbor, Michigan, 20-22 May 1981. New York/NY 1981. J.A. Nichols, M.L. Schneider (Hg.): Proceedings of the Conference on Human Factors in Computer Systems, Gaithersburg, Maryland, March 15-17, 1982. New York/NY 1982. Vgl. auch B. Shneiderman: No members, no officers, no dues. In: ACM SIGCHI Bulletin, Vol. 18, Is. 2, Oct. 1986. S. 14-16.

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Anlässlich der COMPCON im Frühjahr 1982, der 24sten internationalen Konferenz der IEEE Computer Society, abgehalten in San Francisco, erschien eine Zusammenfassung der Vorträge, die in der Sektion ›Heroes and Unique Aspects of Computer Games‹ auch solche von ED LOGG und MIKE ALBAUGH von Atari, sowie von BILL BUDGE und DOUG CARLSTON enthielt.4 Vom 22. bis zum 24. Mai 1983 fand unter dem Titel ›Video games and human development: A research agenda for the 80’s‹ an der Harvard Graduate School of Education in Cambridge, Massachusetts, eine Konferenz statt, auf der aber neben Forschenden aus verschiedenen Bereichen auch »software developers of video and arcade games« teilnahmen.5 Computer Game Developers’ Conference

Die Ursprünge der bis heute jährlich stattfindenden ›Game Developers Conference‹ (GDC) reichen zurück bis ins Jahr 1988 als CHRIS CRAWFORD die Abonnentinnen und Abonnenten des Journal of Computer Game Design zu sich nach Hause einlud, gefolgt von einer zweiten Konferenz noch im selben Jahr. Seit 1989 fand die Veranstaltung jeweils im Frühjahr statt, mit stets wachsenden Teilnehmerzahlen (Vgl. Tab. 4).6 Die mit jedem Jahr umfassender werdenden Tagungsbände waren allerdings allein für Konferenzteilnehmer/innen bestimmt und wurden folglich in sehr kleiner Auflage sowie ohne ISBN veröffentlicht.7 Auszüge aus Vorträgen oder Zusammenfassungen der 4 5

6

7

IEEE Computer Society (Hg.): COMPCON’82, Digest of Papers. Los Alamitos/CA 1982. S. 70-76. M.C. Gutman Library (Hg.): Video games and human development. Cambridge/MA 1983. S. 1. D.S. Heineman nennt sie in der Rückschau, die erste ›Game Studies‹-Konferenz, vgl. Ders: Introduction. In: Ders.: Thinking about Video Games. Bloomington/IN 2015. S. 1-16, hier 3-6. Vgl. C. Crawford: The Symposium is On! In: JCGD, Vol. 1, No. 5, Feb./Mar. 1988. S. 11. C. Johnson: Report on the April Computer Game Designers Symposium. In: JCGD, Vol. 1, No. 7, Jun./Jul. 1988. S. 11-13. E. Goldberg: A Celebration of Geeks. In: JCGD, Vol. 2, No. 1, Oct./Nov. 1988. S. 10-14. o.A.: Ars Gratia Pecuniae (Art for Money’s Sake). In: CGW, No. 60, Jun. 1989. S. 44, 55. E. Goldberg: Portrait of the Game Designer as a Young Profit-and-Loss Statement. In: JCGD, Vol. 2, No. 5, Jun. 1989. S. 12-15. o.A.: Art and Stateof-the-Art Are Not Synonymous. In: CGW, No. 74, Sep. 1990. S. 24, 36f., 54, 56. o.A.: »Cogito Ergo Ludo« (»I Think, Therefore I Play«). In: CGW, No. 83, Jun. 1991. S. 42, 4446. o.A.: Consensual Hallucinations and Good Vibrations. In: CGW, No. 96, Jul. 1992. S. 76, 78, 80, 82, 84. o.A.: Designing People... . In: CGW, No. 97, Aug. 1992. S. 48, 50, 52, 54. o.A.: Graduation Day for Computer Entertainment. In: CGW, No. 108, Jul. 1993. S. 34, 36, 38. o.A.: More Hijinx with the Class of ’93. In: CGW, No. 109, Aug. 1993. S. 38, 40, 42. o.A.: The Designer’s Dilemma. In: CGW, No. 120, Jul. 1994. S. 26, 28-31. o.A.: C:\Game\ Gurus\Grow. In: CGW, No. 132, Jul. 1995. S. 26. J. Dorsey: Ninth Computer Game Developer’s Conference. In: Dr. Dobb’s Developer Update, Vol. 2, No. 6, S. 3-3, Jun. 1995. (Online) P. Schuytema: The Gamesters Ball. In: CGW, No. 143, Jun. 1996. S. 93f. B. Sawyer: The Ultimate Game Developer’s Sourcebook. Scottsdale/AZ 1996. S. 7. Noch im Anschluss an die zweite CGDC im September 1988 wurde für Unterlagen auf das Journal verwiesen: »By general acclamation, the text of the prepared seminars will be found in the pages of the Journal.« Vgl. E. Goldberg: A Celebration of Geeks. In: JCGD, Vol. 2, No. 1,

VORTRÄGE, FESTIVALS UND KONFERENZEN | 543

Konferenzen wurden teilweise in Magazinen veröffentlicht. Letztmalig im Tagungsband des Jahres 1995 wurde ein Verzeichnis aller Konferenzteilnehmer/innen abgedruckt. Aus diesen frühen Jahren existieren auch vereinzelt Videomitschnitte von Vorträgen, wie etwa der ›Dragon Speech‹ von CHRIS CRAWFORD aus dem Jahr 1993.8 Im Oktober 1995 wurden die Rechte zur Austragung der Veranstaltung schließlich an ›Miller Freeman Inc.‹ verkauft, den Verlag des seit 1994 erscheinenden Magazins Game Developer.9 Ab 1996 erschienen die Tagungsbände ebenfalls bei ›Miller Freeman Inc.‹, mindestens bis zum Jahr 2000.10 Unter dem Label ›UBM Tech‹ richtet dieser Veranstalter die ›Game Developer Conference (GDC)‹ sowie diverse internationale Ableger bis heute aus.11 Seit 1996 wurde eine große Zahl an Vorträgen und Präsentationen auch als Video- oder Audiomitschnitt gesichert und über die 2009 eingerichtete Plattform ›GDC Vault‹ zum Teil kostenfrei zugänglich gemacht. Jenseits der historischen Aufzeichnungen sind in diesem Kontext vor allem die seit dem 25jährigen Jubiläum 2011 stattfindenden ›Classic Game Postmortems‹ von Interesse, die aus erster Hand, wenn auch ohne Zeitzeugnis zu sein, den Entwicklungsprozess älterer Spiele darlegen.12

Oct./Nov. 1988. S. 10-14, hier 13. Aus der Bemerkung von Bill Pirkle, dass er an den CGDCs der Jahre 1989 und 1990 vor allem die ›Proceedings‹ schätze, lässt sich auf einen erstmaligen Tagungsband zur dritten Konferenz (1989) schließen. Vgl. B. Pirkle: CGDC 1990 Observations. In: JCGD, Vol. 3, Is. 5, Jun. 1990. S. 6. Bestätigt wird ein Tagungsband zur CGDC 1990 von Crawford, bei dem die ›Proceedings‹ zu bestellen waren. Vgl. C. Crawford: Some new Policies for the JCGD. In: JCGD, Vol. 4, Is. 3, Feb. 1991. S. 7. 8 Dazu der Hinweis: »If you were afraid that you missed any of Chris’s greatest hits, an enterprising videojournalist can allay your worries. A sign festooned with breathless advertising copy (›See Chris crack the whip! See Chris reveal the fundamentals of game design!‹) and action photos (!) informed passers-by that VHS tapes of Chris’s most recent talks could be had for $24.95. Chris tacked on a disclaimer that he had nothing to do with this, but had given his permission.« Vgl. E. Goldberg: Portrait of the Game Designer as a Young Profit-and-Loss Statement. In: JCGD, Vol. 2, No. 5, Jun. 1989. S. 12-15, hier 13. Die ›Dragon Speech‹ ist in fünf Teilen als Videomitschnitt im WorldWideWeb archiviert. Vgl. C. Crawford: The Dragon Speech. In: YouTube.com, 01.06.2007. (Online) 9 Vgl. E.W. Adams: Résumé. In: Ders.: The Designer’s Notebook, 2014. (Online) 10 Jason Scott Sadofski, Archivar der GDC, hat 2011 eine Auswahl von Titeln und Rückseiten der Programmhefte und Tagungsbände online gestellt, beginnend mit dem Jahr 1993. Laut Sadofski liegen schriftliche Zeugnisse bis 2009 vor, wobei das letzte abgebildete Titelblatt eines Tagungsbandes aus dem Jahr 2000 stammt. Danach sind nur noch Titel von Programmheften abgebildet. Vgl. J.S. Sadofski: Tales from the GDC Vault: A Good Cover Story. In: GDC News and Information Blog, 01.06.2011. (Online) 11 Als Teil der GDC wurden im Jahr 1997 erstmals die brancheninternen ›Spotlight Awards‹ vergeben, abgelöst 1999 von den ›Game Developers Choice Awards‹. Der Name der Konferenz wurde erst 1999 um das ›Computer‹ im Titel gekürzt. Im Rahmen der GDC 1999 fand auch erstmals das ›Independent Games Festival‹ statt, ebenfalls veranstaltet von UBM Tech. Ebenfalls erstmals 1999 wurden die ›GAMEXecutive Conference‹ angeboten sowie die ›GDC HardCore Technical Seminars‹. 12 Vgl. UBM Tech (Hg.): Free Content. In: GDC Vault, 2014. (Online)

Chris Crawfords Haus, San Jose/CA Holiday Inn, Milpitas/CA Sunnyvale/CA Le Baron Hotel, San Jose/CA San Jose Hyatt Hotel, San Jose/CA Westin Hotel, Santa Clara/CA Westin Hotel, Santa Clara/CA Westin Hotel, Santa Clara/CA

›The First Conference of Computer Game Designers‹

›Computer Game Developer’s Conference II‹

›Computer Game Developers’ Conference III‹

›Computer Game Developers’ Conference IV‹

›Fifth Annual Computer Game Developers’ Conference‹

›Sixth Annual Computer Game Developers’ Conference‹

›Seventh Annual Computer Game Developers’ Conference‹

›Eighth Annual Computer Game Developers’ Conference‹

Santa Clara Convention Center, Santa Clara/CA Santa Clara Convention Center, Santa Clara/CA

Conference‹

›Computer Game Developers Conference‹

›9th Annual World Famous Computer Game Developers’

Ort

Titel der Konferenz

Tab. 4: Liste der ›Computer Game Developers’ Conferences‹ von 1988 bis 1996

30. März – 2. April 1996

22. – 25. April 1995

23. – 26. April 1994

17. – 20. April 1993

25. – 28. April 1992

9. – 12. März 1991

1. – 2. April 1990

7. – 8. Mai 1989

18. – 19. September 1988

11. April 1988

Termin

~ 4500

~ 2500

~ 1250

~ 900

~ 600

~ 550

~ 479

~ 308

~ 175

~ 26

Personen

544 | D IE K UNST DES C OMPUTER G AME D ESIGN