Die Kriterienfrage in der Jesusforschung: Vom Differenzkriterium zum Plausibilitätskriterium 9783666539367, 3525539363, 3727811293, 9783525539361


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German Pages [368] Year 1997

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Die Kriterienfrage in der Jesusforschung: Vom Differenzkriterium zum Plausibilitätskriterium
 9783666539367, 3525539363, 3727811293, 9783525539361

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ΝΤΟΑ 34 Gerd Theissen / Dagmar Winter Die Kriterienfrage in der Jesusforschung

NOVUM TESTAMENTUM ET ORBIS ANTIQUUS (ΝΤΟΑ) Im Auftrag des Biblischen Instituts der Universität Freiburg Schweiz herausgegeben von Max Küchler in Zusammenarbeit mit Gerd Theissen

Zu den Autoren: Dagmar Winter, geb. 1963, Studium der evangelischen Theologie in Erlangen, Aberdeen und Heidelberg. Abschluß mit dem 1. kirchlichen Examen 1989. Anschließend Stipendiatin der Hanns-Seidel-Stiftung und Vikarin der Evangelischen Kirche in Hessen Nassau. 1996 Promotion an der Theologischen Fakultät Heidelberg. Sie ist z.Zt. Assistant Curate an der St. Mark's Church in Bromley, Kent. Gerd Theissen, geb. 1943, Studium der evangelischen Theologie und Germanistik in Bonn. Promotion 1969 und Habilitation 1972 im Fach Neues Testament. Lehrer an Gymnasien 1976-1978. Professor in Kopenhagen 1978-1980, seit 1980 in Heidelberg. Buchveröffentlichungen zur Jesusforschung: Soziologie der jesusbewegung 1977; Der Schatten des Galiläers 1986; zusammen mit Annette Merz: Der historische Jesus 1996.

NOVUM TESTAMENTUM ET ORBIS ANTIQUUS

Gerd Theissen / Dagmar Winter

Die Kriterienfrage in der Jesusforschung Vom Differenzkriterium zum Plausibilitätskriterium

UNIVERSITÄTSVERLAG FREIBURG SCHWEIZ VANDENHOECK & RUPRECHT GÖTTINGEN 1997

34

Die Deutsche Bibliothek - QP-Einheitsaufnahme

Theissen, Gerd: Die Kriterienfrage in der Jesusforschung: vom Differenzkriterium zum Plausibilitätskriterium / Gerd Theissen / Dagmar Winter. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht; Freiburg, Schweiz: Univ.-Verl. 1997 (Novum testamentum et orbis antiquus; 34) ISBN 3-525-53936-3 (Vandenhoeck & Ruprecht). ISBN 3-7278-1129-3 (Univ.-Verl.).

Herausgegeben mit der Hilfe des Hochschulrates Freiburg Schweiz und des Rektorats der Universität Freiburg Schweiz

Die Druckvorlagen wurden von den Verfassern als reprofertige Dokumente zur Verfügung gestellt

© 1997 by Universitätsverlag Freiburg Schweiz Paulusdruckerei Freiburg Schweiz ISBN 3-7278-1129-3 (Universitätsverlag) ISBN 3-525-53936-3 (Vandenhoeck und Ruprecht)

INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS VORWORT I.

IX

DIE KRITERIENFRAGE IN DER JESUSFORSCHUNG: DAS SACHLICHE PROBLEM DES DIFFERENZKRITERIUMS

II.

V

1

1. Phasen der Jesusforschung und die Kriterienfrage

1

2. Grundsätzliche Probleme der Kriterienfrage

8

3. Das Differenzkriterium im Rahmen der Kriterien in der Jesusforschung 3.1. Quellenwertargumente 3.2. Besonderheitsindizien 3.3. Echtheitskriterien

11 12 16 17

4. Einführung in die Problematik des Differenzkriteriums 4.1. Sachliche und begriffliche Klärungen zum Differenzkriterium a) Unterscheidung von zwei Kriterien hinter dem Differenzkriterium b) Sprachliche und inhaltliche Unscharfen des Begriffs „Differenz" c) Positive und negative Anwendungen des Differenzkriteriums 4.2. Motive für die Anwendung des Differenzkriteriums a) Theologische Motive b) Geschichtstheoretische Motive

19 19 19 22 23 23 23 25

5. Auf dem Weg zu einer umfassenderen Methodologie

26

DAS DIFFERENZKRITERIUM IN DER GESCHICHTE DER JESUSFORSCHUNG: FORSCHUNGSGESCHICHTLICHE ASPEKTE DER KRITERIENFRAGE 1. Die Vorgeschichte des Differenzkriteriums 1.1. Renaissancehumanismus: Kritik als Rekonstruktion des ursprünglichen Textes 1.2. Aufklärung: Kritik als Rekonstruktion der Geschichte hinter dem Text a) Die Vorbereitung der Aufklärung: Der Sozinianismus b) Aufklärung: Der englische Deismus c) Aufklärung: Der Beginn der historisch-kritischen Exegese in Deutschland

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1.3. Der Historismus a) Einleitung b) Das Persönlichkeitsideal als Kategorie für das Verständnis Jesu i) Der geschichtsmächtige Held ii) Das Genie iii) Jesus als geschichtsmächtiger Held und als Genie iv) Das Persönlichkeitsideal als Voraussetzung für das Differenzkriterium Exkurs: Das literarische Genre „Jesusbuch" Exkurs: Das Gelehrtenideal der einsamen Originalität c) Historismus und Authentizität 1.4. Hintergründe für die gegen Kirche und Judentum gewendeten Tendenzen des Differenzkriteriums a) Das Differenzkriterium gegenüber dem Christentum (DKC) b) Das Differenzkriterium gegenüber dem Judentum (DKJ) Exkurs: Zum Begriff des Antijudaismus Exkurs: Der geschichtsphilosophische Entwicklungsgedanke Die Geschichte des Differenzkriteriums in seinem systematischen Zusammenhang mit dem Verständnis Jesu 2.1. Die liberale und religionsgeschichtliche Frage nach dem historischen Jesus a) Kriterien i) Die methodischen Grundlagen für die Entwicklung der Frage nach dem historischen Jesus von D.F Strauß bis W Wrede ii) Ρ W Schmiedels Formulierung eines Kriteriums - das Differenzkriterium gegenüber dem Christentum (DKC) iii) Andere Kriterienformulierungen b) Das Jesusbild bei Wilhelm Bousset ( 1865-1920) 2.2. Die Kritik der dialektischen Theologie und die Skepsis der Formgeschichte a) Auswirkungen auf Jesusforschung und Kriterienfrage i) Die theologische Unangemessenheit der Leben-Jesu-Forschung ii) Die historisch-methodische Unmöglichkeit der Leben-Jesu-Forschung b) Das Jesusbild bei Rudolf Bultmann (1884-1976) 2.3. Die Neue Frage nach dem historischen Jesus a) Die Motive für die Neue Frage b) Die Kriterien in der Diskussion i) Der Einfluß der Formgeschichte ii) Ernst Käsemanns Formulierung des Differenzkriteriums und die Diskussion der fünfziger Jahre iii) Die weitere Kriteriendiskussion

42 42 45 45 47 49 58 63 65 65 68 68 69 70 73

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VII c) Das Differenzkriterium und das Jesusbild bei Günther Bornkamm (1905-1990) 2.4. Der "Third Quest' nach dem historischen Jesus a) "Third Quest' - eine neue Forschungsphase i) Bezeichnung und kurze Charakterisierung des 'Third Quest' ii) Die Genese des Third Quest - ein knapper Abriß b) Das Differenzkriterium in der Diskussion c) Das Jesusbild bei J.H. Charlesworth 2.5. Abschliessende Bemerkungen: Die Historizität Jesu und das Differenzkriterium III.

DAS HISTORISCHE PLAUSIBILITÄTSKRITERIUM ALS KORREKTUR DES DIFFERENZKRITERIUMS: METHODOLOGISCHE ASPEKTE DER KRITERIENFRAGE

1. Das historische Plausibilitätskriterium und seine Unterkriterien 1.1. Historische Wirkungsplausibilität und das Differenzkriterium gegenüber dem Christentum (DKC) a) Tendenzwidrigkeit als erster Aspekt historischer Wirkungsplausibilität b) Quellenkohärenz als zweiter Aspekt historischer Wirkungsplausibilität 1.2. Historische Kontextplausibilität und das Differenzkriterium gegenüber dem Judentum (DKJ) a) Kontextentsprechung als erster Aspekt von Kontextplausibilität b) Kontextuelle Individualität als zweiter Aspekt von Kontextplausibilität 1.3. Historische Gesamtplausibilität als Verbindung von Wirkungsund Kontextplausibilität und die Besonderheit der historischen Gestalt Jesu 2. Das Problem historischer Authentizität 2.1. Die Problematik der Anwendung des Authentizitätsbegriffs auf Jesusworte 2.2. Die Problematik der Anwendung des Authentizitätsbegriffs auf „Tatsachen" und Ereignisse des Lebens Jesu 2.3. Der authentische „Gegenstand" 2.4. Authentizität und historisches Gesamtbild

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175

176 176 177 180 183 183 188

191 194 195 198 201 203

Vili 3. Das Problem historischer Plausibilität 3.1. Jesus unter Juden (Kontextplausibilität) 3.2. Jesus und die Christen (Wirkungsplausibilität) 3.3. Ein historisch plausibles Gesamtbild (Gesamtplausibilität)

206 209 212 214

4. Zusammenfassung: Eine Neuformulierung der Kriterien historischer Jesusforschung

215

5. Exkurs: Analogien zur Kriterienfrage in der Jesusforschung: Das Beispiel der montanistischen Prophetensprüche

217

IV. KRITERIEN DER JESUSFORSCHUNG UND DER GARSTIG BREITE GRABEN DER GESCHICHTE: HERMENEUTISCHE ASPEKTE DER KRITERIENFRAGE

233

1. Das Problem Lessings: Glauben und Geschichte

233

2. Das Problem historischer Quellenkritik 2.1. Das Kriterium der Quellenkohärenz 2.2. Das Kriterium der Tendenzwidrigkeit

240 243 247

3. Das Problem des historischen Relativismus 3.1. Das Kriterium der Kontextentsprechung 3.2. Das Kriterium kontextueller Individualität

250 254 256

4. Das Problem der historischen Fremdheit 4.1. Die Fremdheit des historischen Jesus 4.2. Die Nähe des historischen Jesus

260 262 263

5. Eine aporetische Lösung: Versöhnung mit dem Hypothetischen des Lebens und Denkens

266

ANHANG: ZITATENSAMMLUNG VON FORMULIERUNGEN UND KOMMENTAREN ZUM THEMENKREIS DES DIFFERENZKRITERIUMS IN CHRONOLOGISCHER ORDNUNG 269 BIBLIOGRAPHIE

317

AUTORENREGISTER

342

STELLENREGISTER

346

VORWORT Dies Buch stellt die Geschichte und Kritik des Differenzkriteriums dar und schlägt vor, es durch ein historisches Plausibilitätskriterium zu ersetzen: Nicht das, was zur jüdischen Umwelt und zum Urchristentum in Differenz steht, soll als echt gelten, sondern was als individuelle Erscheinung plausibel in seinen jüdischen Kontext eingeordnet werden kann und die christliche Wirkungsgeschichte Jesu im Urchristentum plausibel zu erklären vermag. Kontext- und Wirkungsplausibilität sind u.E. die entscheidenden Kriterien in der Jesusforschung. Das Buch ist eine Gemeinschaftsarbeit. Es basiert auf einer Dissertation von D. Winter, die von der Heidelberger Theologischen Fakultät im Jahre 1995 angenommen wurde. Im Zentrum dieser Dissertation steht die forschungsgeschichtliche Untersuchung des Differenzkriteriums, an ihrem Ende das hier vorgeschlagene Plausibilitätskriterium. Bei der Betreuung der Dissertation hat G. Theißen die hermeneutischen Überlegungen im letzten Teil des Buches entwickelt. Das Buch ist somit das Ergebnis eines langjährigen Gesprächs über die Kriterien der Jesusforschung. Im ersten, gemeinsam verfaßten Teil stellen wir die sachliche Problematik des Differenzkriteriums in der heutigen Forschungssituation dar. Dabei soll deutlich werden, warum gerade dies Kriterium für die Jesusforschung entscheidend ist. Der umfangreiche zweite Teil ist von D. Winter verfaßt. Er zeigt, wie es zur Formulierung des Differenzkriteriums in den verschiedenen Phasen der Jesusforschung kam: Die Differenz zum Urchristentum wurde in der alten liberalen Jesusforschung zum methodischen Hauptkriterium, die Differenz zum Judentum erhielt in der sogenannten „Neuen Frage" nach dem historischen Jesus zentrale Bedeutung. Das zweiseitige Differenzkriterium dominierte die Jesusforschung programmatisch in dieser Zeit der „Neuen Frage", also von ca. 1953 bis 1980. Aber die in ihm enthaltenen geistesgeschichtlichen Voraussetzungen sind mit dem Entstehen der historischkritischen Forschung seit Renaissance und Reformation verbunden und können ohne den Hintergrund der Aufklärung und des Historismus im 19 Jh. nicht verstanden werden. All diese Voraussetzungen sollen sichtbar gemacht werden. Der dritte, gemeinsam verfaßte Teil formuliert als Ergebnis der Problemgeschichte ein neues historisches Plausibilitätskriterium, das sachlich mit dem sogenannten „Third Quest for the historical Jesus" seit ca. 1980 verbunden ist. Dies Kriterium will weniger etwas Neues vorschreiben, als methodologisch nachvollziehen, was sich in der Jesusforschung in den letzten 15 Jahren faktisch verändert hat.

χ Der letzte von G. Theißen verfaßte Teil vertieft die methodologischen Überlegungen zur Neuformulierung eines Kriteriums durch hermeneutische Reflexionen. Historische Jesusforschung wollte oft den „garstig breiten Graben" zwischen Geschichte und Glauben überspringen. Obwohl dies nie gelungen ist, bleibt der christliche Glaube an die Geschichte gebunden. Die Frage bleibt: Wie kann sich relative Plausibilität historischer Ergebnisse je mit unbedingter Gewißheit verbinden? Welcher Grad von Zuverlässigkeit ist überhaupt in historischer Forschung erreichbar? Wir haben diese grundsätzlichen Fragen bewußt von den Fragen historischer Methodologie abgetrennt. Unsere Neuformulierung eines historischen Kriteriums sollte auch von denen geteilt werden können, die die im letzten Teil entfalteten hermeneutischen Voraussetzungen nicht teilen. Ein Buch zur historischen Methodik der Jesusforschung mag vielen überflüssig erscheinen, zumal die Methoden der neutestamentlichen Wissenschaft immer differenzierter und präziser werden, so daß sie wegen ihrer „Scholastik" oft kritisiert werden. Daher seien zwei Gründe für die Wichtigkeit der Kriterienfrage in der Jesusforschung genannt. Der erste Grund: Jesus ist umstritten. Die Pluralität der wissenschaftlich und vorwissenschaftlich entworfenen Jesusbilder läßt sich in einer freien Gesellschaft nicht einschränken. Vergleichbare Probleme haben wir in vielen Bereichen. Angesichts des Pluralismus von Meinungen und Einstellungen in Ethik und Politik haben sich offene Gesellschaften schon längst auf einen „Metakonsens" geeinigt: Legitimität wird nicht durch inhaltliche Kriterien, sondern formale Verfahren erzeugt. Spielregeln des Dialogs machen pluralismusfahig. In Religion und Kirche stehen wir vor ähnlichen Aufgaben. Die historisch-kritischen Methoden, die ständig weiter zu entwickeln sind, bieten Dialogregeln, um sich sachlich mit den geschichtlichen Grundlagen einer Religion auseinandersetzen zu können. Methodologische Überlegungen sind daher keine weltfremde Scholastik, sondern helfen dazu, Bedingungen für ein gutes Zusammenleben zu schaffen - in den Kirchen, zwischen den Religionsgemeinschaften und inmitten einer säkularisierten, pluralistischen Welt. Der zweite Grund betrifft unser spezifisches Problem: Das Differenzkriterium grenzt Jesus programmatisch vom Judentum und Christentum ab. Mit dem von uns vorgeschlagenen Plausibilitätskriterium wird Jesus als individuelle Erscheinung entstehungsgeschichtlich in den Kontext des Judentums eingeordnet und wirkungsgeschichtlich mit dem Christentum verbunden. Damit werden wir methodologisch einem der wichtigsten Ergebnisse von mehr als 200 Jahren historischer Jesusforschung gerecht: Der historische Jesus gehört zwei Religionen an, dem Judentum und dem Christen-

XI tum. Diese Erkenntnis irritiert Mitglieder beider Religionen, Christen mehr als Juden. Unser historisches Plausibilitätskriterium macht diese Erkenntnis zu einer Voraussetzung historisch-kritischen Umgangs mit den Jesustraditionen. Das heißt: Wer sich überhaupt mit historischen Methoden mit Jesus beschäftigt, kann das nicht tun, ohne die Vorgabe zu machen, daß Jesus in den Kontext des Judentums gehört und im Christentum in Gestalt der von ihm zeugenden Quellen nachwirkt. Nur die Transformation theologischer Ansprüche in Forschungsstrategien (aufgrund des Heroen- und Geniekults im 19. Jh. und aufgrund der kerygmatheologischen Reduktion des historischen Jesus auf ein bloßes „Daß" im 20. Jh.) konnte u.E. den Zusammenhang zwischen historischer Methodik und der Einbettung Jesu in einen jüdischen Enstehungs- und christlichen Wirkungszusammenhang „unterbrechen" und aufheben. Wenn nun - theologisch geurteilt - die Beziehung zum historischen Jesus Teil christlicher Identität ist und - historisch geurteilt - Jesus ins Judentum gehört, folgt daraus, daß in den geschichtlichen Grundlagen des Christentums eine Verpflichtung enthalten ist, das Verhältnis zum Judentum (und zu anderen Religionen) neu zu gestalten. Zwei große Herausforderungen der modernen Zeit für die Kirchen verbinden sich hier umittelbar miteinander: die Herausforderung durch historische Kritik und durch den interreligiösen Dialog, hier insbesondere den jüdisch-christlichen Dialog. Die beiden Verfasser teilen daher die in Zeiten postmodemer Mentalität verbreitete Einstellung nicht, historisch-methodologische Probleme seien nur für historische Spezialisten wichtig, für die gelebte Religion aber irrelevant. Ohne Methodik haben wir keine Dialogregeln, mit denen wir uns vernünftig über das auseinandersetzen können, was uns wichtig ist. Für Christen hat die Auseinandersetzung mit dem historischen Jesus zentrale Bedeutung. Mit der These, daß die Auseinandersetzung mit dem historischen Jesus für Christen unwichtig sei, hat zwar eine intellektuell ungeheuer kreative Strömung in der protestantischen Theologie eine Zeit lang Aufsehen erregt. Dem theologischen common sense (zumal außerhalb der deutschsprachigen protestantischen Theologie) hat dies jedoch nie eingeleuchtet. Es ist daher kein Zufall, daß das Buch die Gemeinschaftsarbeit eines Theologen mit einer Theologin ist, die in der anglikanischen Tradition Englands zu Hause ist: Die lange Zeit von deutscher Forschung dominierte historische Jesusforschung hat in den letzten 15 Jahren ihren Schwerpunkt in englischsprachige Länder verlegt. Der forschungsgeschichtliche Teil wird würdigen, daß auch die Anfange historisch-kritischer Bibelforschung in England liegen.

XII Die Entstehung dieser Arbeit verpflichtet uns zu mannigfachem Dank. Die Promotion von D. Winter wurde durch ein Stipendium der HannsSeidel-Stiftung großzügig unterstützt. Prof. K. Berger schrieb das Zweitgutachten zu ihr. Der Begriff „Plausibilitätskriterium" geht auf ihn zurück und wird von ihm als ein Kriterium für die Erforschung der ganzen Geschichte des Urchristentums verstanden. Prof. M. Küchler hat die Arbeit in die Reihe Novum Testamentum et Orbis Antiquum aufgenommen. Die Evangelische Kirche von Hessen und Nassau hat die Drucklegung durch einen Druckkostenzuschuß unterstützt. Darüber hinaus danken wir allai, die uns bei der Entstehung dieser Arbeit persönlich geholfen haben. Annette Merz hat das Manuskript gelesen und wichtige sachliche Verbesserungen vorgeschlagen. Helga Wolf und Heike Goebel haben das Manuskript in seinen verschiedenen Entstehungsstadien geschrieben und ihm eine lesbare Form gegeben. Sie alle haben dazu beigetragen, Fehler aufzuspüren. Beim Korrekturenlesen haben darüber hinaus Dr. Rosemary Seile und Annette Weißenrieder geholfen. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank. Dagmar Winter dankt insbesondere auch den Gemeinden der English Church in Heidelberg, der evangelischen Michaelskirche in Reichelsheim/Odenwald und St Mark's Church in Bromley/Kent. Dagmar Winter Bromley

Gerd Theißen Heidelberg

I. DIE KRITERIEN FRAGE IN DER JESUSFORSCHUNG: DAS SACHLICHE PROBLEM DES DIFFERENZKRITERIUMS 1.

Phasen der Jesusforschung und die Kriterienfrage

Die „Jesusforschung" als wissenschaftliches Bemühen um ein Bild von der hi stori schaa Gestalt Jesu ist ein Kind der Aufklärung. Begleitet von wechselnden Interessen bis hin zu einem Interesse, das in der protestantischen Theologie zeitweise die paradoxe Form des Desinteresses nahm, durchlebte sie mehrere Phasen. Nach dati Anfangen im 18. Jahrhundert (den englischen Deisten, Reimarus) kam es im 19. Jahrhundert - am profiliertesten in der liberalen Theologie - zur Blüte der „Leben-Jesu-Forschung" Ihr ging es um die Darstellung eines historisch wahren Lebens Jesu, das theologisch als kritische Potenz gegenüber kirchlicher Christologie fungierte. Dieser historische Jesus stellte einen Gegenentwurf zur dogmatisch-christologischen Tradition der Kirche dar und war theologisch-ethisch von großer Relevanz. Sofern man Kriterien der Jesusforschung formulierte, standen sie sachlich einem „Differenzkriterium" nahe, das aber einseitig zur Unterscheidung von Jesus und Urchristentum angewandt wurde: Echt war insbesondere das, was der Verehrung Jesu durch die spätere Kirche widersprach. Betont wurde die „Differenz" des historischen Jesus zum Urchristentum. In Deutschland erfuhr diese Tradition zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine scharfe Zäsur. Albert Schweitzer schrieb seine Geschichte der LebenJesu-Forschung, die als Grabgesang für diese Forschungsphase bezeichnet wurde.1 Vor allem aber lehnte Rudolf Bultmann den historistischtheologischen Ansatz der liberalen Jesusforschung ab, die aus geschichtlichen Gegebenheiten unmittelbar theologische Aussagen herleiten wollte. Er, ein führender Kopf der einflußreichen dialektischei Theologie, versagte

1

Schweitzer legte in seinem Buch zwar durchaus selbst einen Entwurf des historischen Jesus vor. Aber auch dieser Entwurf wirkte gerade deswegen so niederschmetternd, weil er zu dem Ergebnis kam, daß die Jesus wesentlich bestimmenden eschatologisch-apokalyptischen Gedanken irrig und zeitbedingt waren. Übrig blieb „nur" ein ethischer Grundgedanke. Schließlich sollte nicht übersehen werden, daß Schweitzer in seiner Kritik an der Leben-Jesu-Forschung mit seinem Motiv der „Ehrfurcht vor der historischen Wahrheit" (H. PLEITNER: Liberale Hermeneutik, p. 230) selbst ganz in der Tradition liberaler Theologie stand.

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dem „historischen Jesus" theologische Bedeutung. Historisch ordnete er ihn (bzw. charakteristischerweise seine „Verkündigung") ganz ins Judentum ein, als Voraussetzung des Christentums,2 nicht aber als dessen entscheidende Grundlage, die er vielmehr im (nach)österlichen Kerygma von Kreuz und Auferstehung sah. Auf dem Hintergrund dieser theologischen und historischen Bewertung wurde die Formgeschichte zur dominierenden Methode der Evangelienforschung.3 Das Bündnis von „Kerygmatheologie" und Formgeschichte führte zu einer Krise des historischen Interesses an Jesus in der Theologie. Es wurde zerrieben zwischen einer formgeschichtlich begründeten Skepsis „von unten" und einem kerygmatheologischen Anspruch „von oben" Diese zweite Phase der Jesusforschung war jedoch nur eine Übergangsphase. Während im angelsächsischen Raum - trotz Schweitzer und Bultmann ein breites Interesse am historischen Jesus ungebrochen fortdauerte, erwachte dieses neu in der deutschen Bultmann-Schule der fünfziger Jahre. Man spricht von der „Neuen Frage" gegenüber der „Alten Frage" des letzten Jahrhundert. Während es damals um ein „Leben Jesu" im biographischen Sinn ging, mit dem man sich vom kirchlichen Christusbild emanzipieren wollte, stand für die Jesusforschung der „Neuen Frage", des „New Quest" (J. Robinson), die Frage nach der Kontinuität zwischen historischem Jesus und dem nachösterlich geglaubten Jesus Christus im Mittelpunkt der Diskussion. Damit wurde die Differenz zwischen dem historischen Jesus und dem Urchristentum wieder relativiert, um so mehr aber die Differenz zum Judentum betont. R. Bultmann hatte den Anfang des Christentums mit dem Kerygma von Kreuz und Auferstehung datiert, d.h. mit der nachösterlichen Christologie. Hier begann für ihn etwas Neues gegenüber dem Judentum. Seine Schüler, die schon im vorösterlichen Jesus den sachlichen Anhaltspunkt für solch eine Christologie suchten, mußten dagegen schon bei Jesus einen Beginn des Exodus aus dem Judentum suchen. Alles, was Jesus vom Judentum zu unterscheiden schien, wurde für sie besonders wichtig. Programmatisch für die „Neue Frage" wurde daher das

2

Cf. R. BULTMANN: Theologie des NT, §§ 1-4. „Ihr Ziel lag nicht darin, ursprüngliche Quellen zu rekonstruieren, sondern sie ging davon aus, dass überlieferte Texte zunächst mehr Aufschluß geben über die Berichtenden als über das Berichtete. Ausgangspunkt der Überlieferung ist danach nicht der historische Jesus, sondern die sich zu Jesus als ihrem gegenwärtigen Herrn bekennende Gemeinde." (D. LÜHRMANN: Die Frage nach Kriterien, p. 63.) 3

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„Differenzkriterium" wie es E. Käsemann in einem Aufsatz formulierte, der diese neue Phase der Jesusforschung einleitete: „Einigermaßen sicheren Boden haben wir nur in einem einzigen Fall unter den Füßen, wenn nämlich Tradition aus irgendwelchen Gründen weder aus dem Judentum abgeleitet noch der Urchristenheit zugeschrieben werden kann, speziell dann, wenn die Judenchristenheit ihr überkommenes Gut als zu kühn gemildert oder umgebogen hat."4 Zwar gilt (als ein Erbe der „Alten Frage" nach dem historischen Jesus) der Unterschied Jesu zum Urchristentum weiterhin als ein methodisches Prinzip, die Unterscheidung vom Judentum ist aber entscheidender Denn bei der Unterscheidung vom Urchristentum wird gerade der Teil des Urchristentums hervorgehoben, in dem die jüdischen Traditionen am stärksten nachwirkten: die Judenchristenheit. Dem entspricht das inhaltliche Ergebnis: Im selben Aufsatz, in dem zum ersten Mal das zweiseitige Differenzkriterium formuliert wird, finden wir die Aussage, Jesu Souveränität erschüttere „die Grundlagen des Spätjudentums und verursacht darum entscheidend seinen Tod", was nur dadurch gemildert wird, daß das Spätjudentum mit der ganzen „Weltanschauung der Antike mit ihrer Antithese von kultisch und profan'" zusammen gesehen wird: Die in Jesus verkörperte Kritik des damaligen Judentums trifft nach Käsemann jede antike Religion. Mit dem Fundus an Werkzeugen, den die klassischen Methoden der Form- und Redaktionsgeschichte sowie dies religionsgeschichtliche Differenzkriterium bereitstellte, wurden in der Folgezeit zahlreiche Jesusbücher von namhaften Neutestamentlern geschrieben: u.a. von Günther Bomkamm, Herbert Braun, Kurt Niederwimmer und Eduard Schweizer. Nicht zur Bultmann-Schule gehören in dieser Zeit der wegen seiner großen Leserschaft auch zu erwähnende Ethelbert Stauffer sowie Joachim Jeremias, dessen erster Band6 seiner neutestamentlichen Theologie, eine Jesusdarstellung, sachlich der „neuen Frage" zugerechnet werden kann. In Deutschland zunächst relativ unbemerkt, hat seit Anfang der achtziger Jahre hauptsächlich im angelsächsischen Sprachraum eine neue Phase

4

E. KÄSEMANN: Das Problem des historischen Jesus, p. 144 = Exegetische Versuche und Besinnungen I, p. 205. 5 E. KÄSEMANN: Das Problem des historischen Jesus, p. 147 = Exegetische Versuche und Besinnungen I, p. 208. 6 Ein weiterer Band ist nie erschienen.

4 der Jesusforschung begonnen, „Third Quest" (T. Wright)7 oder „Jesus Research" (J.H. Charlesworth) genannt.' Gemeinsam ist den mannigfaltigen Bemühungen um Jesus die Betonung wirklich historischer Forschung, die einem profangeschichtswissenschaftlichen Anspruch genüge tun will und sich mehr oder weniger scharf von kirchlich-dogmatisch motivierter Forschung abgrenzt. Diese Abgrenzung macht sich in dreifacher Weise bemerkbar: a) Jesus wird konsequent ins Judentum eingeordnet. Man verzichtet oft bewußt auf dai Versuch, durch Jesusforschung dem christlichen Glauben an Jesus eine Legitimationsbasis zu verschaffen. Für die Zuwendung zum jüdischen Jesus im „Third Quest" spielte dabei die wachsende Einsicht in die Problematik des Antijudaismus in der (nicht nur deutschen) Theologie und die Beschäftigung mit der Judenverfolgung und -Vernichtung unter dem deutschen Faschismus eine Rolle. Vor allem aber ist die Beschäftigung jüdischer Gelehrter mit Jesus für die Genese des Third Quest wichtig gewesen. b) Die Bevorzugung der kanonischen Quellen zu Jesus wird bewußt in Frage gestellt. Im Prinzip gelten alle „apokryphen" Evangelien und Jesustraditionen als gleichwertige Quellen, über deren Quellenwert ausschließlich aufgrund historischer Einsicht differenziert geurteilt wird - unter Vernachlässigung der traditionellen theologischen Orientierung an den kanonischen Evangelien.9 Auftrieb dafür gab insbesondere die Entdeckung des Thomasevangeliums (im Jahre 1945), zumal bei den Forschem, die in ihm von dai synoptischen Evangelien unabhängige Traditional finden wollen. c) Hatte sich die „neue Frage" insbesondere für die theologische Bedeutung der Verkündigung und des Geschicks Jesu interessiert, so wird Jesus innerhalb der „dritten Frage" bewußt im Kontext der Real- und Sozialgeschichte Palästinas gedeutet.10 Dadurch erhaltai manche Arbeiten zu Jesus zusätzlich einai „profanai Akzait" - unabhängig davon, ob das Auftreten Jesu in 7

Der Begriff „Third Quest" wurde von T. Wright in: S. NEILL/T. WRIGHT: The Interpretation of the New Testament, p. 379, geprägt. ' Die Bezeichnung „Jesus Research" geht auf J.H. CHARLESWORTH: From Barren Mazes, p. 221, zurück. 9 Ein Titel wie der von C.W. HEDRICK: The Tyranny of the Synoptic Jesus, pp. Iff zeigt, welch hohe Erwartungen von der Auswertung nicht-kanonischer Quellen geweckt wurden: Befreiung von der Diktatur des synoptischen (und d.h. kanonischen) Jesus! 10 Cf. auch W. STENGER: Sozialgeschichtliche Wende und historischer Jesus.

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Korrelation mit einer gesellschaftlichen Krise oder mit einer vergleichsweise entspannten sozialen Situation gesehen wird. Die „dritte Frage" hat sich inzwischen mannigfach verästelt. Ein einheitliches Jesusbild ist keineswegs erarbeitet worden. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Autoren sind noch größer als bei den Autorai der „neuen Frage" Das läßt sich z.T. wissenschaftssoziologisch erklären. Zwischen den Autoren des „New Quest" und des „Third Quest" besteht nämlich ein bemerkenswerter Unterschied. Die Autoren der „Neuen Frage" entstammten fast alle einer Schule, und innerhalb dieser Schule wurde eine neue Frage aufgeworfen, bzw. eine alte Frage neu formuliert. Bei einem Treffen Alter Marburger dem Schülerkreis Bultmanns hielt Ernst Käsemann 1953 semen bahnbrechenden Vortrag über „Das Problem des historischen Jesus" Dieser Vortrag, der im darauffolgenden Jahr veröffentlich wurde, brachte die Diskussion in Gang. Die Situation beim „Third Quest" ist völlig anders. Ohne ein bestimmtes Startsignal tauchten auf einmal Arbeiten auf, die wir der „Dritten Frage" zurechnen. Dieser Neuansatz lag in der Luft, ohne von jemandem bewußt unter einem bestimmten Gesichtspunkt auf die Tagesordnung gesetzt worden zu sein. Grundsätzlich hat die in den USA und Großbritannien nie so wie in der deutschsprachigen Welt theologisch problematisierte historische Forschung durch die verbesserten Kenntnisse über das erste Jahrhundert n.Chr. Anlaß gehabt, die Frage nach dem historischen Jesus neu aufzugreifen. Daß der Schwerpunkt dieses Neuansatzes in der angelsächsischen Welt liegt, dürfte aber auch mit dem gewachsenen Selbstbewußtsein gegenüber der deutschen Theologie zusammenhängen. Es scheint so, als habe man hier „erst recht" dieses in deutschen Fachkreisen11 vermiedene Thema des historisdiöi Jesus gerne behandelt. Ein Ausdruck dieses Interesses an der historischen Gestalt Jesu ist die 1985 erfolgte Einrichtung des sog. „Jesus Seminar" am Westar Institute in den USA, initiiert durch R.W Funk. Dieses Seminar hat sich zum Ziel gesetzt, einerseits die Jesusforschung zu fördern, indem es die Arbeit fachlich qualifizierter Wissenschaftler koordiniert, andererseits deren Ergebnisse der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, was letztlich der Jesusforschung wieder zugute kommen soll.12 11

Interessanterweise haben sich freilich immer wieder und unabhängig von theologischen Bedenken wie Kenntnissen populäre Jesusbücher großer Beliebtheit erfreut. 12 Ein erstes Ergebnis wurde 1993 vorgelegt. R.W. FUNK/R. W. HOOVER (edd.): The Five Gospels.

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Wie die bisherigen Phasen der Jesusforschung jeweils mit Neubestimmungen von Kriterien verbunden waren, so auch die Jesusforschung der „Dritten Frage" Wir beobachten einerseits eine schleichende Erosion des Differenzkriteriums, andererseits einen abrupten Neuanfang mit Hilfe eines bisher nachrangigen Kriteriums. Zunächst zur schleichenden Erosion des Differenzkriteriums. Das Differenzkriterium wurde schon immer mit Kautelen versehen. Man wandte ein, die Abgrenzung zu Judentum und Urchristentum übersehe die zweifellos vorhandene geschichtliche Kontinuität zwischen Judentum, Jesus und dem Urchristentum. Auch seien angesichts unseres fragmentarischen Wissens von Judentum und Urchristentum Abweichungen von beiden geschichtlichen Größen kaum sicher feststellbar. Angesichts der Pluralität des Judentums wie des Urchristentums verliere die Forderung nach „Unähnlichkeit" oder „Abgrenzung" zudem ihre Trennschärfe. In das mannigfache Spektrum des Judentums und Urchristentums passe jede überlieferte Aussage von Jesus hinein. Solche Kautelen dienten oft nur dazu, dem Differenzkriterium seine kritische Wirkung zu nehmen. Es sollte mit gutem Gewissen mehr als echt angesehen werden dürfen als das Wenige, das sein scharfes Messer übrig ließ. Mit dem Aufkommen der „dritten Frage" aber geriet das Differenzkriterium grundsätzlich ins Abseits: Wenn zum Programm erhoben wird, daß Jesus ins Judentum gehört, macht die zum methodischen Grundsatz erhobene Abgrenzung zum Judentum wenig Sinn. Sinnvoller wäre die Frage, welche Variante des Judentums uns bei Jesus begegnet. Wenn femer zum Programm erhoben wird, daß die ganze urchristliche Literatur, einschließlich der apokryphen und „häretisch" gefärbten Quellen herangezogen werden muß, dann kann man Jesus nicht dem ganzen Urchristentum entgegensetzen, sondern muß fragen: Welchem Urchristentum soll er entgegengesetzt werden? Soll es, wie es in der klassischen Formulierung bei Käsemann heißt, das Judenchristentum sein? Oder hat vielleicht manche Strömung im (keineswegs einheitlichen) Judenchristentum Jesusüberlieferung getreuer bewahrt als das Heidenchristentum? Wie wurde das Bild Jesu in den verschiedenen Strömungen des Urchristentums weiterentwickelt? Und worin treffen sich diese verschiedenen Bilder? Es kann kein Zweifel bestehen: Eine neue Kriterienbestimmung ist überfallig. Es ist daher kein Zufall, daß man in dieser Situation alle methodischen Fragen grundlegend neu lösen wollte: J.D. Crossan verzichtet z.B. in seinem Jesusbuch13 auf das Differenzkriterium und läßt sich durch die Auf13

J.D. CROSSAN: The Historical Jesus, pp. XXVII-XXXIV; pp. 427ff; ders.. Materials and Methods in Historical Jesus Research, p. 3ff.

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wertung apokrypher Quellen zu einem aus Altersbestimmung und Mehrfachbezeugung kombinierten methodischen Kriterium inspirieren. Zunächst einmal datiert er viele apokryphe bzw. literarkritisch erschlossene Quellen sehr früh. Zur ältesten Schicht gehören bei ihm: die Paulusbriefe, die älteste Schicht des Thomasevangeliums, drei Papyri mit Fragmenten unbekannter Evangelien (PapEgerton; das Fajumfragment, PapOxyrhynchos 1224), die Fragmente des Hebräerevangeliums; hinzu kommen vier rekonstruierte Quellen: die Logienquelle, eine Wundersammlung, ein apokalyptisches Szenario (hinter Mk 13 und Did 16) und ein „Kreuz-Evangelium", das er als Quelle des Petrusevangeliums postuliert. Keines der kanonischen Evangelien gehört also zur ältesten Schicht. Sie sind entthront. An zweiter Stelle untersucht Crossan, wie oft eine Jesustradition unabhängig voneinander überliefert ist. Die Heranziehung apokrypher Texte gibt dabei verständlicherweise den Traditionen einen Vorrang, die in ihnen bezeugt sind. Beide Kriterien werden durch eine kombinierte Zahl für jede einzelne Überlieferung bestimmt: Wenn eine Überlieferung in der ältesten Schicht und dazu (in verschiedenen Schichten) unabhängig voneinander vier Mal bezeugt ist, erhält sie die Ziffer (1, 4). Das Wort gegen die Ehescheidung ist z.B. in der ältesten Schicht bezeugt (bei Paulus und in Q) und dazu vier Mal unabhängig voneinander in verschiedenen Schichten, nämlich in IKor 7,10f, in Q (Lk 16,18 = Mt 5,31f), in Mk 10,10-12 und in Herrn mand IV, 1,6b.10. Das Verfahren hat unbestreitbar intellektuellen Charme. Seine Klarheit und seine methodische Konsequenz sind bestechend. Aber es leidet unter Frühdatierungen, die kaum konsensfahig sind. Hinzu kommt die Zufälligkeit der Überlieferung. Was zufallig auf einem Papyrusschnipsel erhalten ist, erhält ein relativ großes Gewicht. Vor allem aber kann man mit diesem Verfahren (auch wenn man es hinsichtlich der Datierungen vorsichtiger und konsensfahiger durchführen würde) im Grunde nur eins feststellen: das erkennbare Alter einer Überlieferung, ohne daß man das hohe Alter anderer Überlieferungen ausschließen könnte, die nicht so häufig belegt sind. Unsere kurze Skizze der Phasen moderner Jesusforschung hat gezeigt: Jede dieser Phasen ist mit einer Neubestimmung der Kriterien für Echt und Unecht verbunden. Diese Neubestimmung ist für die jüngste Phase noch nicht befriedigend durchgeführt. Die Kriterienfrage muß noch einmal grundsätzlich erörtert werden.

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2.

Grundsätzliche Probleme der Kriterienfrage

Seitdem die Jesusforschung historisch-kritisch arbeitet, kann sie kein bestimmtes Evangelium oder eine Evangelienharmonie zur Grundlage machen. Ausgangspunkt der Jesusforschung war ja gerade die Infragestellung der uneingeschränkten historischen Glaubwürdigkeit der Evangelientexte. Mit anderen Worten: die für die mittelalterliche Historiographie bestimmende Bindung an „auctoritates" wie die der Schrift wurde auch in der Exegese aufgegeben. Da die „affirmative Kraft der Tradition"14 wegfiel, mußten „auctoritates" neu qualifiziert werden (z.B. durch Augenzeugenschaft).15 Folglich waren Kriterien zur Bearbeitung und Auswertung der zur Verfügung stehenden Quellen erforderlich. So wurde die in der klassischen Philologie ausgebildete und dann auf die Geschichtswissenschaft übertragene historisch-kritische Methode der Quellenforschung in der Exegese übernommen. Die Quellenkritik in Form der Literarkritik wurde die „vornehmste Methode"1' der historischen Theologie der alten Leben-JesuForschung, ergänzt durch Form- und Traditionsgeschichte. Dabei ging es zunächst immer um die Suche nach den ältesten Quellen und der ältesten Gestalt einer Überlieferung. Als sich dann in der Form- und Traditionsgeschichte herausstellte, daß auch die ältesten Überlieferungen kerygmatisch geprägt sind und keinen unbedingt zuverlässigen Zugang zur Geschichte boten, mußte man nach weiteren Kriterien suchen - und fand das auf religionsgeschichtlichem Vergleich und quellenkritischer Lektüre basierende Differenzkriterium. Die sich aus der historischen Kritik ergebenden Kriterien gehen reduktionistisch mit dem Quellenmaterial um: von den vorliegenden Texten sollen die „unhistorischen" ausgeschieden bzw. die „authentischen" herausdestilliert werden. Ein Kriterium legt das zugrunde zu legende Unterscheidungsmerkmal fest. Die Bestimmung solcher Kriterien wird dabei auch durch außerwissenschaftliche Faktoren gelenkt. Einige der theologischen Probleme, die mit der Kriterienfrage verbunden sind, seien wenigstens kurz genannt:

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G. MELVILLE: Kompilation, Fiktion und Diskurs, p. 135. Cf. Reimarus' Kriterienkatalog zur Zeugenschaft in: H.S. REIMARUS: Die Vernunftlehre, pp. 252-261. 16 D. LÜHRMANN: Die Frage nach Kriterien, p. 60. 15

9 In der von protestantischen Theologen bestimmten Jesusforschung11 wurde besonderes Gewicht auf die Worte Jesu gelegt, und der Nachweis der historischen Authentizität gewisser Worte Jesu gewann große Bedeutung. Diese Konzentration auf die Verkündigung Jesu ist auch darauf zurückzufuhren, daß bei ihrer Überlieferung - im Gegensatz zur Überlieferung der Taten Jesu - „das Medium der Überlieferung mit dem Medium des Überlieferten identisch [ist], so dass in der Überlieferung von Jesus das Wort Jesu erhalten sein kann."11 Aber natürlich spielt wohl auch die Hochschätzung des „Wortes" in der protestantischen Theologie bei dieser Konzentration auf die Worte Jesu eine Rolle. Angesichts der grundlegend positivai Bedeutung Jesu von Nazareth für das Christentum konnte der Nachweis historischer Authentizität für bestimmte Inhalte zu einem theologischen Argument werden, umso mehr als im Zeitalter des Historismus „Wahrheit" als „historische Wahrheit" aufgefaßt wurde.19 Gleichzeitig wurde immer auch die Frage nach dem für Jesus Wesentlichen gestellt. Gelegentlich ist nicht klar unterschieden worden zwischen dem durch das Kriterium erhobenen wahrscheinlich „authentischen" Stoff und dem Stellenwert dieser Inhalte, der ja möglicherweise für den irdischen Jesus nur marginal war.20 Darüber hinaus stellte das Differenzkriterium die Frage nach dem Singulären und Einzigartigen der Gestalt Jesu. Je mehr in der modernen Zeit das Bewußtsein verblaßte, daß Jesus Offenbarung des transzendenten Gottes ist, um so mehr lastete auf historischer Forschung der Erwartungsdruck, in der immanenten Geschichte seine Einzigartigkeit herauszuarbeiten - oft als versteckten Hinweis auf seine Offenbarungsqualität (oder als Ersatz für sie). Da die Evangelien die wichtigsten Quellen für Jesus darstellen, spielt schließlich die theologisch aufgeladene Frage der Zuverlässigkeit der

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J. GNILKA: Jesus von Nazaret, p. 17 „Zu einer Leben-Jesu-Forschung im katholischen Bereich ist es nicht gekommen. Hier sollte die Exegese erst in Verbindung mit der neuen Evangeliumsbetrachtung [i.e. nach 1945] aufbrechen." 18 D. LÜHRMANN: Die Frage nach Kriterien, pp. 64f. 19 Mit der Auslieferung an die Geschichte wurde jedoch zugleich jede Wahrheit relativiert - ein Grundproblem des Historismus. 20 Daraufhat M.D. HOOKER: On Using the Wrong Tool, p. 574, mit ihrer Unterscheidung von „Verschiedenem" und „Bezeichnendem" hingewiesen.

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Schrift eine Rolle.21 Damit verbinden sich christologische Fragen nach der Kontinuität bzw. Diskontinuität zwischen dem historischen Jesus und dem in den kanonischen Texten des Neuen Testaments dargestellten und geglaubten Jesus Christus. So stehen im Hintergrund der Jesusforschung immer bestimmte theologische bzw. christologische Konzepte sowie die Diskussion um den Zugang zur Bibel. Dies alles hat sich in der Methodologie und den Kriterien historischer Jesusforschung niedergeschlagen, die in den Evangelien nach authentischen Stoffen sucht. Theologische Interessen und historische Methodik sind eine enge Verbindung eingegangen. Dabei stellt sich ein grundsätzliches Problem. Auffallig ist die seit Beginn der Jesusforschung regelmäßig auftretende Forderung nach profangeschichtlicher Methodik bzw. die Feststellung, profangeschichtlichem Anspruch genüge zu tun und für alle historischen Quellen geltende Methoden zu entwickeln. Trotzdem werden die Kriterien in der Regel allein aufgrund der Texte des Neuen Testaments entwickelt und auch nur auf sie angewendet, um dort vorhandenes authentisches Jesusgut herauszuarbeiten. Bei ihrer Formulierung spielen methodologische Überlegungen der allgemeinen Geschichtswissenschaft eine erstaunlich geringe Rolle. Das Ergebnis dieses Vorgehens kann aber für sich genommen noch nicht zum historischen Jesus', will sagen zu einem historischen Bild der Gestalt Jesu, führen. Hierzu muß der gesamte historische Hintergrund seines Wirkens, muß die analoge Problematik der historischen Auswertung anderer Überlieferungen berücksichtigt und die allgemeine Methodik der Geschichtswissenschaft miteinbezogen werden. Die Arbeit an der Kriterienfrage in der Jesusforschung führte daher zeitweilig zu einem widersprüchlichen Ergebnis. Einerseits wurde mit Hilfe des Differenzkriteriums die über das Neue Testament hinausgehende historische Welt berücksichtigt, aber nur als konstrastiver Hintergrund der Erscheinung Jesu. Andererseits entfernte man sich eben dadurch von der allgemeinen historischen Methodologie, denn hinter dem Differenzkriterium stehen, wie wir oben angedeutet haben und im Verlauf der Arbeit näher belegen werden, ganz spezifische theologische Interessen.

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Cf. etwa die erleichterte Bemerkung A. Neumanns, nachdem er auf Schmiedels „Grundsäulen" verwiesen hat: „The existence of such statements is the salvation of the Synoptic Gospels, giving them a definite value as sources. The Gospels cannot be pure sagas or legends when material so intractable is enshrined in them." (A. NEUMANN: Jesus, 1906, p. 10.)

11 3.

Das Differenzkriterium im Rahmen der Kriterien in der Jesusforschung

Dies Buch konzentriert sich auf das Differenzkriterium. Aber ist es tatsächlich das entscheidende Kriterium? Die neueste Entwicklung in der Jesusforschung scheint dies in Frage zu stellen. Wir beobachten in der „Dritten Frage" sowohl eine schleichende Erosion dieses Kriteriums als auch einen abrupten Neuanfang mit anderen Kriterien. Daher ist eine Sichtung der vielen Kriterien nötig, die man im Laufe der Zeit entwickelt hat, um den Stellenwert des Differenzkriteriums zu bestimmen. Wir haben dabei nicht den Ehrgeiz, alle vorgeschlagenen Kriterien aufzulisten und zu besprechen.22 Vielmehr geht es uns um eine systematische Ordnung dieser 22

Im folgenden seien drei Kriterienkataloge aufgelistet. Der erste stammt von D.G.A. CALVERT An Examination of the Criteria for Distinguishing the Authentic Words of Jesus, p. 211. „Those sayings are judged to be authentic which (1) are positively distinctive from Jewish thoughts; (2) are positively distinctive from the thought of the post-Easter Church; (3) contain elements that could not be from church; (4) exhibit Aramaisms in various forms and reflect Palestinian conditions; (5) are found in more than one tradition or form; (6) are characteristic of the known teaching of Jesus." Es ist leicht zu sehen, daß Nr. 3 nur ein besonders ausgeprägter Fall von Nr. 2 ist und Nr. 1-3 zusammen das klassische Differenzkriterium darstellen. Das sprachliche Kriterium Nr. 4 ist schwach, da ganz Syrien aramäisch sprach und ein semitisierender biblischer Stil im ganzen Urchristentum nachzuweisen ist. Nr. 6 ist das klassische Kohärenzkriterium und Nr. 5 das Kriterium der Mehrfachbezeugung. Ausführlicher ist die Liste von M.E. BORING: Criteria of Authenticity, pp. 3ff = ders.. The Continuing Voice of Jesus, pp. 192ff: (1) Attestation in multiple sources (2) Attestation in multiple forms (3) The linguistic criterion (4) The environmental criterion (5) Tendencies of the developing tradition (6) Dissimilarity („in contrast to both Judaism and Christianity") (7) Modification („the more radical form is usually the earlier form") (8) Coherence (9) Plausible tradition history (10) Hermeneutical potential („the earliest form must have been in order to generate the others"). Es ist leicht zu sehen: Nr. 5, 7, 9 und 10 sind Varianten desselben Verfahrens, Ursprünglicheres traditionsgeschichtlich von Sekundärem zu unterscheiden. Zusammen mit Nr. 3, dem linguistischen Argument, gehören sie zum größten

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Kriterien. Es lassen sich bei ihnen nämlich drei Gruppen unterscheiden: Quellenwertargumente, Besonderheitsindizien und Echtheitskriterien. Wie wir sehen werden, handelt es sich nur bei den letzten im strengen Sinne um Kriterien. 3.1. Quellenwertargumente Quellenwertargumente sagen etwas darüber aus, ob wir überhaupt eine Chance haben, in einem gegebenen Quellenmaterial historische Überlieferung zu finden bzw. auf die Geschichte selbst zurückschließen zu können, d.h. Quellenwertargumente beurteilen die Auswertbarkeit von Quellen (oder ihre Wertlosigkeit) für eine Rekonstruktion der Geschichte, führen aber deren Auswertung nicht selbst durch - es sei denn, man ist überzeugt, eine absolut zuverlässige Quelle gefunden zu haben. Da es absolut zuverlässige Quellen jedoch in der menschlichen Geschichte nicht gibt, bleibt selbst bei der besten Quelle die Aufgabe, diese weiter zu untersuchen. Dazu aber braucht man weitere Argumente und Kriterien, die über die Bestimmung des generellen Quellenwertes hinausgehen. Quellenwertargumente formulieren daher in der Regel nur notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für die Herausarbeitung echter Jesusüberlieferung. In der Jesusforschung sind die wichtigsten Quellenwertargumente das Alter einer Teil zu den Quellenwertargumenten, die das Alter einer Überlieferung erheben. Nr. 1, 2 und 8 werten in verschiedener Weise ein und denselben Sachverhalt aus: die Kohärenz der Quellen. Nr. 4 und Nr. 6 beziehen sich in komplementärer Weise auf die Umwelt Jesu, nämlich auf das, was ihn mit ihr verbindet (Nr. 4) und von ihr trennt (Nr. 6). Beides gehört u.E. als Kontextplausibilität zusammen. Aus der umfangreichen Liste von ebenfalls 10 Kriterien bei C.A. EVANS: Authenticity Criteria in Life of Jesus Research, pp. 6ff, sind uns folgende schon bekannt: Multiple Attestation, Multiple Forms, Semitic Features and Palestinian Background, Dissimilarity, Consistency (or Coherence). Neu hinzukommen ein Kriterium „Contradiction", das aber nur die Kehrseite des Kohärenzkriteriums ist: Was sachlich anderen echten Überlieferungen widerspricht, ist unecht. Zwei Kriterien unterscheiden jüngere und ältere Schichten: „Least Distinctive" meint, daß es eine Tendenz zur sekundären Ausmalung und Präzisierung gibt; „Tradition Contrary to Editorial Tendency" hebt redaktionelle und traditionelle Elemente voneinander ab. Zwei weitere Kriterien sind inhaltliche Züge, die schon die erfolgreiche Anwendung von Kriterien voraussetzen - „Besonderheitsindizien", wie wir sie nennen würden: „Proleptic Eschatology" und „Prophetic Criticism" C.A. Evans plädiert selbst für ein behutsam angewandtes „dissimilarity-criterion" und berührt sich dabei in vielem mit unseren Überlegungen.

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Überlieferung, d.h. ihre zeitliche Nähe zum Geschehen, das palästinische Lokalkolorit, d.h. seine Prägung durch den Ort des Geschehens selbst, und die Unabhängigkeit bzw Abhängigkeit von Überlieferungen. a) Das Alter der Überlieferung kann sowohl bei schriftlichen Quellen als auch bei den in ihnen enthaltenen älteren (schriftlichen und) mündlichen Traditionen etwas über ihre Auswertbarkeit sagen. Ein Glücksfall ist es, wenn man durch zeitgeschichtliche Ereignisse Anhaltspunkte für einen terminus post oder ante quem erhält. So gehen einige der bei Mt und Lk erhaltenen Traditionen, obwohl sie erst nach 70 n.Chr. formuliert wurden, auf die Zeit vor der Tempelzerstörung zurück, etwa die Aufforderung, die Tempeldrachme zu zahlen (Mt 17,23ff), oder sich mit seinem Bruder vor dem Opfer zu versöhnen (Mt 5,23f). Jüdischer Krieg und Tempelzerstörung waren einschneidende Ereignisse. Sie haben ihre Spuren hinterlassen. Noch relevanter wäre es, wenn sich auch Nachwirkungen der Krise unter Gaius Caligula in der Tradition zeigen ließen - womit wir in die Zeit nach 40 n.Chr. kämen. Meist aber erschließen wir das Alter nicht aus der Zuordnung von Überlieferungen zu zeitgeschichtlichen Ereignissen, sondern aufgrund von Mehrfachüberlieferungen. Da Paulus sich in den 50er Jahren hin und wieder auf Jesusworte beruft, die er empfangen hat (und die daher in einer noch älteren Zeit schon existierten), ist die Existenz von Jesusüberlieferung für die Zeit vor 50 n.Chr. gut bezeugt. Da er auf Jesusworte nur in bestimmten Konflikt- und Streitfragen zurückgreift (Ehescheidung IKor 7,1 Of; Unterhaltspflicht IKor 9,14; Streit beim Abendmahl IKor 11,17ff) darf man annehmen, daß er noch mehr Jesusüberlieferung kannte, sie aber nicht zitierte, sei es, weil sich kein Anlaß bot, sei es, weil er sich mehr am erhöhten Christus als am irdischen Jesus orientierte (2Kor 5,16). Beispiele für nachweisbar alte Überlieferung sind schließlich die zahlreichen Doppelüberlieferungen von Q und Mk, da sie älter sein müssen als beide Quellen. Da Q schon vor 70 entstanden ist, Mk etwa um 70 n.Chr., haben wir auch hier einen Beleg für ältere Traditionen, die bis in die erste Generation hineinreichen. Die Bestimmung des Alters gibt freilich kein Kriterium für Echtheit und Unechtheit: Was erst in späten Quellen bezeugt ist, kann an sich alt und sogar echt sein. Was in den ältesten Quellen steht, kann umgekehrt auf frühe nachösterliche Gemeindebildungen zurückgehen. Die Altersbestimmung funktioniert dagegen manchmal als ein negatives Kriterium: Was nicht nur spät bezeugt, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit auch spät entstanden ist, muß als Zeugnis für Jesus ausscheiden. Nur in dieser negativen Form kann die Altersbestimmung einer Tradition ein „Echtheitskriterium" oder besser: ein „Unechtheitskriterium" sein.

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b) Auch die Untersuchving palästinischen Lokalkolorits23 gehört zur Bestimmung des Quellenwerts einer Schrift oder einer Tradition. Und auch hier gilt: Mit palästinischem Lokalkolorit wird nicht die Echtheit einer Überlieferung nachgewiesen, sondern nur ihre palästinische (oder sogar galiläische) Verwurzelung. Es steigt zwar die Wahrscheinlichkeit, daß auch Jesus dies oder jenes gesagt oder getan haben könnte, aber nur aufgrund zusätzlicher Argumente wäre eine Echtheit erschließbar. Ebenso wie bei der Altersbestimmung ist auch bei der Lokalkoloritforschung manchmal eine negative Anwendung dieses Quellenwertarguments als Kriterium möglich. Was nachweislich nicht nur (sekundär) außerhalb Palästinas geprägt wurde, sondern auch außerhalb Palästinas entstanden ist, kann unmöglich von Jesus selbst stammen. Man muß bei diesem Quellenargument freilich einräumen: Es hängt von zufalligen Gegebenheiten ab, ob wir die galiläische oder palästinische Verwurzelung einer Tradition wirklich nachweisen können. Galiläisches Lokalkolorit ist z.B. die ländliche Verankerung der Jesusüberlieferung und die Ausklammerung der beiden großen Städte Galiläas, Sepphoris und Tiberias, die nirgendwo in den synoptischen Traditionen erwähnt werden. Lokalkolorit könnte die Zollstation in Kapernaum sein, weil dort im späteren ersten Jahrhundert keine Grenze mehr verlief, wohl aber zu Zeiten des Herodes Antipas. Lokalkolorit könnten die Reisen Jesu in das Territorium der benachbarten heidnischen Städte sein, nach Tyros, Sidon und in die Dekapolis. Denn hier, auf dem ländlichen Territorium dieser Städte, lebten jüdische Minoritäten. Lokalkolorit könnte die Assoziation des schwankenden Schilfrohrs mit Königshöfen in Mt 11,7 sein, falls einige Münzen des Herodes Antipas ein Schilfrohr als Emblem zeigen. Lokale Bindung verrät schließlich die Darstellung des galiläischen Sees, besonders dort, wo er „Meer" genannt wird, als sei er der zentrale See, um den sich eine kleine Lebenswelt herum gruppiert. Erzählungen von Bootsreisen sind nur auf diesem Hintergrund Galiläas denkbar usw c) Die Unabhängigkeit von (mindestens) zwei Überlieferungen erhöht den Quellenwert beider Überlieferungen, während ihre Abhängigkeit den Quellenwert der abhängigen Quelle auf den der Vorlage reduziert, oder genauer, ihn noch geringer macht als ihn. Auch hier folgt aus noch so vielen unabhängigen Überlieferungen nicht die Echtheit einer Überlieferung, sondern nur ihr Alter. Allenfalls dort, wo wir sicher sein könnten, daß zwei Überlieferungen nur durch das gemeinsam bezeugte historische Ereignis verbunden sind, also gewissermaßen auf zwei unabhängige Augenzeugen zurückge23

Vgl. G. THEISSEN: Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien, passim, für die folgenden Beispiele.

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hen, würde aus einem Argument zur Bestimmung des Quellenwerts auch ein positives Echtheitskriterium. Wir können freilich in den Evangelien nie sicher sein, ob die Überlieferungsvarianten durch unabhängigen Zugang zur selben Geschichte entstanden sind oder auf eine einzige Überlieferung zurückgehen, die sich sekundär in zwei Überlieferungsvarianten verzweigt hat. Nur so viel kann man sagen: Die Mehrzahl vieler unabhängiger Zeugnisse erhöht auch im positiven Sinne die Wahrscheinlichkeit, auf Historisches zu stoßen. Nun können wir bei den Evangelien in einigen Fällen fast sicher sein, daß wir bis an die Geschichte selbst heranreichende unabhängige Überlieferungen haben: dort nämlich, wo wir christliche Texte mit nichtchristlichen vergleichen können. Es handelt sich um wenige Fälle. Aber sie sind zur Einschätzung des gesamten Quellenwerts der Evangelien von oft unterschätzter Wichtigkeit. Über Jesus besitzen wir wahrscheinlich das in seinem Kern auf Josephus zurückgehende Testimonium Flavianum (Ant. 18,63-64). Es ist in christlicher Überarbeitung überliefert. Das schränkt Vergleich und Auswertbarkeit ein. Anders ist es bei drei weiteren Gestalten, die in den Evangelien erwähnt werden: bei Johannes dem Täufer, Herodes Antipas und Pilatus. Über alle berichtet Josephus. Hinzu kommen bei den beiden Politikern weitere Zeugnisse, Münzen und eine Inschrift. Hier können wir gewissermaßen in Form von Stichproben synoptische Aussagen mit Aussagen ganz anderer Herkunft vergleichen und uns dadurch ein Urteil bilden, in welchem Maße wir in den Evangelien überhaupt mit historisch zuverlässigen Überlieferungen rechnen dürfen. Man könnte diese Art von Quellenwertargumenten auch als Beitrag zur Lokalkoloritforschung werten. Denn zweifellos ergeben alle Erkenntnisse über die Umwelt und ihre Gestalten Aufschlüsse darüber, wie tief die synoptische Tradition in der sozialen und politischen Welt Palästinas verwurzelt ist mit einem Ergebnis, das sich immer wieder bestätigt: Sie ist ohne diese konkrete Umwelt gar nicht zu denken. Wie gesagt: Nur in einem vermuteten Grenzfall kann die Unabhängigkeit von Überlieferungen auch direkt als Echtheitskriterium fungieren. Umgekehrt aber läßt sich das Abhängigkeits- und Unabhängigkeitsargument als Unechtheitskriterium einsetzen: Überlieferungen, die eindeutig von anderen abhängig sind und ohne diese gar nicht entstanden sein können, haben keinen Anspruch auf Echtheit. Quellenwertargumente sind also in der Regel nicht direkt als positive Echtheitskriterien einsetzbar, wohl aber als negative Unechtheitskriterien. J.D. Crossans Kombination von Alter- und Unabhängigkeitsargument wäre demnach zunächst kein Echtheitskriterium im strengen Sinne, wohl aber ein Mittel zur Einschätzung des Quellenwerts einer Überlieferung und kann darüber hinaus negativ als Unechtheitskriterium eingesetzt werden. Aber

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auch hier sei eine Kautele formuliert. Nicht alles, was in einer jüngeren literarischen Schicht oder in spät datierbaren Texten begegnet, ist deswegen schon unecht. Ein Beispiel möge genügen. Die geheime Belehrung im Haus nach dem öffentlichen Streitgespräch über Ehe und Ehescheidung ist in Mk 10,10-12 deutlich ein sekundärer Anhang zu einem in sich geschlossenen Überlieferungsstück. Dennoch ist das in dieser geheimen Lehre weitergegebene Ehescheidungslogion mit hoher Wahrscheinlichkeit authaitisch - nicht nur wegen der guten Bezeugung in unabhängiger Überlieferung, sondern auch, weil es innerhalb jüdischer Traditionen einen eigenen Akzent hat und im Urchristentum nachweisbar Schwierigkeiten bereitete: Das MtEv fügt eine „porneia-Klausel", Paulus eine „Mischehen-Klausel" hinzu, um das apodiktische Nein zu jeder Ehescheidung mit Ausnahmen zu versehen (vgl. Mt 5,32; 19,9; lKor7,10f). 3.2. Besonderheitsindizien

Besonderheitsindizien nennen wir alle jene Merkmale der Jesusüberlieferung, die nur ihr eigentümlich sind.24 Grundlage zu ihrer Feststeilling ist der Vergleich mit anderen zeitgenössischen Überlieferungen. Besonderheitsindizien sind demnach logisch vom Differenzkriterium abhängig, stellen also keine „norma normans", sondern eine „norma normata" dar. Dennoch werden sie mit einem gewissen Recht immer wieder in Kriterienkataloge aufgenommen. So gelten allgemein als besondere Merkmale der Verkündigung Jesu das nicht-responsorische Amen, mit dem viele Jesussprüche eingeleitet werden, die Anti-Makarismen, die gerade diejenigen seligpreisen, die (jetzt noch) ein Defizit haben, femer die Form der Antithesen: „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt wurde ..., ich aber sage euch" Auch der Ausdruck „Menschensohn" gehört in seiner charakteristischen Art (ohne Vergleich und ohne Bezug auf eine Vision) zur Besonderheit der Jesusüberlieferung. Solche Besonderheitsindizien werden in ihrer Bedeutung für die Rekonstruktion des historischen Jesus sowohl über- als auch unterschätzt. Sie werden überschätzt, wenn man sie als „Kriterien" einsetzt, die einem Jesuswort die Qualität des Echten verleihen sollen. Denn eben diese Besonderheiten der Jesusüberlieferung wurden im Urchristentum nachgeahmt. 24

J. JEREMIAS: Kennzeichen der ipsissima vox Jesu, pp. 145ff; ders., Neutestamentliche Theologie, pp. 19-45 hat versucht, von Jesus bevorzugte Redeweisen und allgemeine Merkmale seiner Sprache (Gleichnisse, Rätselsprüche, die Rede von der Königsherrschaft Gottes, Amen und Abba) herauszuarbeiten. Sein Vorgehen ist prinzipiell sinnvoll. Um eigentliche „Kriterien" handelt es sich dagegen nicht. Sie sind schon vorausgesetzt.

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Weil sie schon früh als charakteristische Merkmale seiner Sprache galten, drangen sie in viele Überlieferungen ein, die entweder von Jesus stammten oder neu gebildet wurden. Es kam zu Analogiebildungen im „Stil Jesu" So läßt sich nachweisen, daß der Ausdruck „Menschensohn" sekundär in viele Worte eingedrungen ist. Eben deswegen werden die Besonderheitsindizien oft in ihrer Bedeutung für die Jesusforschung unterschätzt. Denn bei dai meisten besteht wenig Zweifel, daß sie insgesamt auf Jesus zurückgehen müssen. Sie sind keine Kriterien zur Bestimmung seiner ipsissima verba, wohl aber Merkmale seiner ipsissima vox. Mögen wir auch im einzelnen unsicher sein, ob dies oder jenes Wort wirklich auf Jesus zurückgeht, so sind wir doch erstaunlich sicher, daß diese oder jene Waldung, eine bestimmte sprachliche Form und die Formaisprache seiner Verkündigung als Ganzes auf ihn zurückweisen. 3.3. Echtheitskriterien

Eigentliche Echtheitskriterien25 sind u.E. nur die beiden traditionellai und inzwischen klassischen Kriterien: das Differenz- und das Kohärenzkriterium. Das Differenzkriterium spielte latent schon immer eine Rolle, wurde aber erst am Anfang der „Neuai Frage" programmatisch von E. Käsemann formuliert. Was nicht aus Juden- und Urchristentum ableitbar ist, hat Anspruch auf Echtheit. Von ihm abhängig ist das Kohärenzkriterium. Es weitet dai Umfang des echtai Jesusgutes aus, indem auch weitere Stoffe für echt erklärt werden, wenn sie in Übereinstimmung mit dem stehen, was 25

Eine Formulierung der Echtheitskriterien, die den zeitweise bestehenden Konsens gut zum Ausdruck bringt, findet sich in N. PERRIN: Rediscovering the Teaching of Jesus, p. 39 = Was lehrte Jesus wirklich, pp. 32ff: 1. Das „Kriterium der Unähnlichkeit": „Die älteste Form eines Wortes, die wir erreichen können, darf als echt betrachtet werden, wenn man nachweisen kann, daß es von charakteristischen Eigentümlichkeiten sowohl des antiken Judentums als auch der jungen Kirche unterschieden ist, und das wird in besonderem Maße da der Fall sein, wo man nachweisen kann, daß die christliche Tradition, die am Judentum orientiert ist, ein Wort von seiner ursprünglichen Eigenart weg-entwickelt hat" (p. 32). 2. Das „Kriterium der Kohärenz"· „Stoffe aus der ältesten Überlieferungsschicht können als echt angenommen werden, wenn sich nachweisen läßt, daß sie mit den Stoffen zusammenhängen, die mit Hilfe des Kriteriums der Unähnlichkeit als echt erwiesen wurden" (p. 39). 3. Das „Kriterium vielfacher Bezeugung", demgegenüber N. Perrin einige Vorbehalte hat, „läuft darauf hinaus, solche Stoffe als echt anzuerkennen, die in allen oder in den meisten Quellen, die wir hinter den synoptischen Evangelien entdecken können, bezeugt sind" (p. 40).

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nicht aus Juden- und Urchristentum abgeleitet werden kann. Durch dieses zusätzliche Kriterium kann ein umfassenderes und einheitliches Bild von der Gestalt Jesu erreicht werden. Die Strenge in der Beurteilung historischer Authentizität durch das Differenzkriterium war damit zwar quantitativ gemildert, nicht so sehr aber qualitativ, denn die aufzuzeigenden starken historischen und theologischen Tendenzen des Differenzkriteriums konnten sich auf diese Weise fortsetzen. Das Kohärenzkriterium meint zunächst einmal sachliche Übereinstimmung mit einem Kern echten Jesusgutes. Es bezieht sich nicht nur auf Einzelheiten. Im Hintergrund steht immer ein Entwurf von einem ganzen Jesusbild. Sachlich kann dies Bild Widersprüche enthalten wie den zwischen präsentischer und futurischer Eschatologie. Entscheidend ist, daß solche Widersprüche als sinnvolle Spannungen interpretierbar sind. Man könnte das Kohärenzkriterium ferner auf eine biographische „Kohärenz" beziehen: Fast alles, was wir Jesus zuschreiben, muß in die Zeit zwischen zwei Eckdaten seines Lebens passen, seine Taufe durch Johannes den Täufer und seine Kreuzigung in Jerusalem. Auch dabei kann man mit Entwicklungen rechnen. Wer die Taufe zur Vergebung der Sünden auf sich nimmt, um dem zukünftigen Zorn Gottes zu entfliehen dann aber mit einer Predigt von der Herrschaft Gottes auftritt, die vor allem Gnadenpredigt ist, nämlich Zuwendung zu den Schwachen und Verlorenen, der hat sich von der Verkündigung seines Meisters entfernt: Nirgendwo macht Jesus die Taufe zur Bedingung der Rettung! Schließlich kann man das Kohärenzkriterium auch auf eine traditionsgeschichtliche Kohärenz beziehen, d.h. auf eine Übereinstimmung sachlicher Inhalte in verschiedenen unabhängigen Traditionssträngen. Sofern es sich dabei um ein und dieselbe Tradition handelt, wird traditionsgeschichtliche Kohärenz als Kriterium der Mehrfachbezeugung oft als drittes klassisches Kriterium den beiden Hauptkriterien nachgeordnet. Es gehört aber im Grunde zu den Quellenwertargumenten: Hier wird mit der Unabhängigkeit mehrfach bezeugter Traditionen argumentiert, die zunächst nur auf das Alter, nicht aber auf die Echtheit einer Überlieferung zurückschließen läßt. Unser Überblick über die wichtigsten Kriterien der Jesusforschung zeigt: Nur die zuletzt genannten Kriterien von Differenz und Kohärenz sind Echtheitskriterien im engeren Sinne, und unter ihnen hat das Differenzkriterium die größere Bedeutung. Die anderen „Kriterien" sind Quellenwertargumente, die uns helfen, aus den vielen Überlieferungen und Texten die herauszufiltem, bei denen man mit Aussicht auf Erfolg nach echtem Jesusgut suchen kann. Sie sind auf weitere Kriterien angewiesen und können selbst nur im negativen Sinn als Kriterien des Unechten eingesetzt werden. Insgesamt gehören die Quellenwertargumente also in die Überlegungen vor

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der Anwendung der eigentlichen Echtheitskriterien. Bei den Besonderheitsindizien dagegen sind diese Echtheitskriterien schon vorausgesetzt. Es handelt sich um die nachträgliche Anwendung dieser Kriterien. Denn die besonderen Merkmale der Verkündigung Jesu setzen die Feststellung der Abweichung von allen anderen Überlieferungen mit Hilfe des Differenzkriteriums voraus. Das traditionelle Kohärenzkriterium wird durch die Besonderheitsindizien relativiert. Denn diese haben sich sekundär in der ganzen Jesusüberlieferung ausgebreitet und ihr dadurch einen „kohärenten" Charakter gegeben. Quellenwertargumente und Besonderheitsindizien sind u.E. aber auch darüber hinaus für das methodische Verfahren in der Jesusforschung wichtig: Sie entscheiden, ob eher die Echtheit oder die Unechtheit einer Jesusüberlieferung nachzuweisen ist. Je höher wir den Quellenwert einer konkreten Überlieferung ansetzen und je mehr Indizien wir für die Besonderheit Jesu in ihr nachweisen können, um so mehr liegt die Beweislast bei denen, die ihre Unechtheit vertreten. Je geringer der Quellenwert und je weniger typisch „Jesuanisches" vorhanden ist, um so mehr fallt die Beweislast den Vertretern der Echtheit zu. Wenn Quellenwertargumente und Besonderheitsindizien aber die „Beweislastregel" beeinflussen, dann zeigt das: Sie bereiten die eigentliche Beweisführung vor, sind aber nicht selbst schon ein (ausreichender) Beweis für Echtheit oder Unechtheit. Dieser Beweis wird mit anderen Kriterien - i.d.R. mit dem Differenz- und und Kohärenzkriterium geführt. Gerade das entscheidende Differenzkriterium aber ist, wie wir oben gezeigt haben, durch die jüngste Entwicklung der Jesusforschung problematisiert worden. Was ist sachlich so problematisch an ihm?

4.

Einführung in die Problematik des Differenzkriteriums

4.1. Sachliche und begriffliche Klärungen zum Differenzkriterium a) Unterscheidung von zwei Kriterien hinter dem

Differenzkriterium

In der Behandlung des Differenzkntenums herrscht allgemein eine gewisse Unklarheit darüber, daß es sich um zwei grundsätzlich verschiedene und auch verschieden zu begründende Kriterien handelt.2* Das eine Differenz26

Dies ist auch D. Liihrmann in seinen sonst sehr erhellenden Ausführungen zur Kriterienfrage entgangen. Daher fuhrt er das Differenzkriterium allein auf den religionsgeschichtlichen Ansatz zurück und vernachlässigt den - ebenfalls ur-

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kriterium bezieht sich auf die nachösterliche christliche Geschichte, Überlieferung und Redaktion, das andere auf das Judentum und die jüdische Umwelt Jesu. Um beide Kriterien kurz und bündig unterscheiden zu können, ist im folgenden vom DKC (bezogen auf die Differenz zum Christentum) und vom DKJ (bezogen auf die Differenz zum Judentum) die Rede. Das DKC leitet sich ab von den ältesten Auswertungsprinzipien der allgemeinen Quellenkunde. Es geht davon aus, daß historische Quellen nicht von neutralen Berichterstattern verfaßt werden. Daher erfordert eine Annäherung an den authentischen historischen Hintergrund berichteter Sachverhalte eine Bewußtmachung aller Intentionen und Lebensumstände des Bearbeiters bzw. des Autors der Quelle. Dabei erhalten alle Inhalte, die schlecht in das Konzept des Bearbeiters oder Verfassers passen und seiner Zeit fremd sind, besondere historische Glaubwürdigkeit. In der Evangelienforschung arbeitet das DKC auf dem Feld der Redaktions-, Überlieferungsund Formgeschichte nach diesem Grundsatz. Die Redaktionsgeschichte erarbeitet das Konzept bzw. die Theologie der Redaktion, die Formgeschichte verleiht Aufschluß über die Funktion und Bedeutung bestimmter Texte in der Geschichte der frühchristlichen Gemeinden („Sitz im Leben"). Alle Texte bzw. Textelemente, die nach unserer Kenntnis der Überlieferungsgeschichte der christlichen Gemeinde nicht von Nutzen waren oder deren Interessai widersprachen, werden mit dem DKC für historisch und authentisch befunden. Dasselbe Prinzip ist gemeint mit „absichtlicher" bzw. „unabsichtlicher" Überlieferung.27 Das DKJ ist analog zum DKC formuliert: Allem, was in Jesu Worten und Taten vom Judentum differiert, ist historisch größere Wahrscheinlichkeit zuzuweisen. Diese Argumentation basiert auf religionsgeschichtlichen Überlegungen. Auf zwei Probleme ist in diesem Zusammenhang schon jetzt aufmerksam zu machen: Erstens ist damit eine von der „christlichen" Wirkungsgeschichte Jesu bestimmte Sicht Jesu und seiner Anhänger impliziert. Jesus erscheint oft a priori als der, der das Judentum verlassen hat. Aber auch wenn Jesus „nur" als innerjüdischer Reformator gesehen wird, findet oft eine Bewertung statt,

sprünglichen quellenkritischen Aspekt (D. LÜHRMANN: Die Frage nach Kriterien, p. 65). E. P. SANDERS/M. DAVIES: Studying the Synoptic Gospels, p. 316, sprechen von „the criterion of double dissimilarity" 27 M. BLOCH: Apologie der Geschichte, pp. 73f: )rDie Indizien, die uns die Vergangenheit hin und wieder unabsichtlich liefert, ermöglichen uns [u.a., nicht] das Opfer jener Vorurteile, übertriebenen Vorsicht und jener Kurzsichtigkeit [zu] werden, an der der Blick eben dieser [früheren] Generation krankte."

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die über das Judentum hinausgehende Elemente für das Wesentliche bei Jesus erachtet und durch sie christliche Identität begründen will.2' Solche Jesusforschung für den innerkirchlichen Gebrauch kann aber dem allenthalben geforderten profanhistorischen Wissenschaftsanspruch nicht genügen. Zweitens treten Schwierigkeiten beim Versuch der überlieferungs- und redaktionsgeschichtlichen Begründung des DKJ auf, denn das Jesusgut der Evangelirai ist von den ersten Christen, also von den Anhängern Jesu, tradiert worden, die in Jesus von vornherein etwas Besonderes sahen. Dann kann das DKJ aber nicht greifen. Drain alles 'Besondere', was Jesus vom Judentum unterscheidet, könnte auf die christlichen Tradenten zurückgehen. Man könnte zwar mit Recht argumentieren, die ersten „Christen" seien noch keine Christrai im Sinne der späteren Trennung vom Judentum und als „Judenchristen" eher „Juden" als „Christrai" gewesen. Dann aber wird das Dilemma noch größer. Wenn auch in diesem Falle Jüdisches radikal aus der Jesustradition auszusondern wäre, erschiene Jesus als der erste Christ, dessen judenchristliche Anhänger ihn gar nicht verstanden haben können in diesem Fall wäre aber die Zuverlässigkeit der durch sie vermittelten Jesustradition grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Das DKJ impliziert also in jedem Fall in der Anwendung auf die Evangelien - und andere ausführliche Quellen stehen nicht zur Verfügung - eine Hypothese zur Entstehung dieser Quellen. Diese Quellen sind historische Artefakte.29 Die Rekonstruktion ihrer Entstehungsgeschichte wird oft unbewußt von modernen Prämissen gelenkt: Im Hintergrund des DKJ stehen vor allem geschichtstheoretische Ideen, deren Rezeption durch theologische Motive verstärkt wurde (cf. unten 4.2b). Beide, das DKC und das DKJ, arbeiten mit Evangeliraitexten und mit dem Mittel des Vergleichs. Das DKC bleibt im Bereich der urchristlichen Texte (obwohl natürlich in den formgeschichtlichen Überlegungen Fragen der urchristlichrai Geschichte eine wichtige Rolle spielen) und vergleicht d a i christlichen Hintergrund der Texte mit eben diesen Textrai, während

2

' So ganz deutlich bei Käsemann, wenn er auch sprachlich unklar nur davon redet, die Differenz zum Judentum sei Jost noch wichtiger" (E. KÄSEMANN: Das Problem des historischen Jesus, p. 206; kursiv DW). 29 Die problematische Rede von der Authentizität" wird hier besonders deutlich. Meist ist damit gemeint, daß die Evangelien für ein Wort oder eine Tat historisch zutreffend Jesus als Subjekt angeben, d.h., daß sie im modernen Sinn historisch wahrheitsgemäße Zeugen sind.

22 das DKJ das auch aufgrund anderer Texte und Quellen rekonstruierte Judentum mit den urchristlichen Texten vergleicht. b) Sprachliche und inhaltliche Unscharfen des Begriffs „ Differenz " Der Begriff „Differenz" wird unterschiedlich verstanden und verschieden bezeichnet. So erscheint das Differenzkriterium unter den Bezeichnungen Unähnlichkeitskriterium, Unableitbarkeitskriterium, Diskontinuitätskriterium oder Aussonderungsprinzip. Noch vielfaltiger ist das Vokabular, das benutzt wird, um die Sache dieses Kriteriums zu beschreiben: Abweichung, Widerspruch, Gegensatz, unterscheidbar, sich abhebend, scharf profiliert, sich nicht einfügend, spezifisch für Jesus, (nicht) auf jüdischem Niveau, (jüdisch) möglich, unnachahmlich, unwiederholbar, nicht daraus erklärbar, nicht aus den Voraussetzungen des Judentums herzuleiten, ohne Präzedenz, nicht ableitbar, ohne Parallelen, analogielos, völlig einzigartig. In dieser Variationsbreite schlägt sich nicht nur eine formale Uneinigkeit in der Bezeichnung dieses Kriteriums nieder. Es handelt sich auch um sachliche „Differenzen" im Verständnis, über die freilich ebenfalls kaum Klarheit herrscht. Wenn man „Differenz" zwischen einem Jesus zugesprochenen Wort und dem Judentum bzw. dem Christentum feststellt, dann kann damit gemeint sein: Der Ausspruch Jesu ist anderweitig nicht belegt und im Rahmen des Judentums bzw. Christentums prinzipiell nicht möglich oder denkbar, d.h. kein anderer Mensch hätte dies sagen können. Der Ausspruch Jesu ist aus jüdischer Tradition faktisch nicht ableitbar, kann also nicht durch traditionsgeschichtliche Genealogie in seinen Kontext eingeordnet werden. Er ist im Judentum bzw. Christentum in dieser Variante einmalig und daher konkret nicht ableitbar, obwohl er prinzipiell gut in seiner Umwelt vorstellbar ist und allgemeine Analogien tatsächlich vorhanden sind. Die Suche nach einer „Differenz" Jesu zu seiner Umwelt (in dem oben geschilderten mannigfaltigen Sinn) ist ferner wissenschaftslogisch problematisch. Die Rede von „historischer Differenz" setzt ein bestimmtes historisches Bild vom Judentum und Christentum voraus,30 das immer begrenzt ist, weil unsere Quellen fragmentarisch sind. Damit steht die Anwendung eines „Differenz"-Kriteriums vor einem enormen wissenschaftslogischen Problem. Jede Behauptung von Differenz ist zwangsläufig ein Argumentie30

Diesem Bild können auch problematische essentialistische Urteile (über das „Wesen" des Christentums und Judentums) zugrunde liegen.

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ren e silentio,31 denn Differenz, gar Unableitbarkeit, ist historisch nicht verifizierbar. Denn solch eine Verifikation erforderte ein vollständiges Bild von der Geschichte, wohingegen Quellen immer nur fragmentarischen Charakter haben. Daher sind negative universale Aussagen nicht möglich, erst recht nicht bezogen auf ein komplexes und vielfaltig schillerndes historisches Gebilde. Die inzwischen überholte Vorstellung, es handle sich beim Judentum der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts um ein uniformes Gebilde, mag erheblich dazu beigetragen haben, daß die Behauptung der „Differenz" lange nicht als problematisch empfunden wurde. c) Positive und negative Anwendungen des

Differenzkriteriums

Das Differenzkriterium (als DKJ wie als DKC) unterteilt mit dem Mittel des Vergleichs das vorhandene Textmaterial prinzipiell in zwei Gruppen, wobei die Grenzen angesichts der komplexen Traditionen natürlich fließend sind: ein Teil differiert zum Judentum bzw zum Christentum, der andere Teil entspricht dem Judentum bzw dem Christentum. Daraufhin wird das Kriterium positiv oder negativ angewandt. Eine positive Anwendung bedeutet, daß das jeweils differierende Material zugrundegelegt wird, ohne das andere auszuschließen. Eine negative Anwendung indes sondert das nichtdifferierende Material grundsätzlich als unecht aus und zieht nur noch das differierende in Betracht. Es liegt auf der Hand, daß die negative Anwendung des Kriteriums sehr viel schärfer und folgenreicher ist als die positive. In letzter Zeit hat sich die Mehrzahl der Forscher - soweit sie das Differenzkriterium überhaupt benutzen - für die positive Anwendung ausgesprochen. 4.2. Motive für die Anwendung des Differenzkriteriums

a) Theologische Motive Die theologische Motivation zur Anwendung des DKC gründet ursprünglich in der dogmenkritischen Haltung der Jesusforschung des 18. und 19 Jahrhunderts. Hier dominiert diese Form des Differenzkriteriums eindeutig gegenüber dem DKJ. Der Jesusforschung in der „Alten Frage" ging es um 31

Cf. auch eine pharisäische Grundregel, nach der „es keine negative Zeugenschaft geben kann. Niemand in Israel kann vor Gericht aussagen, was ein Angeklagter nicht gesagt oder nicht getan oder nicht begangen habe; ebensowenig kann heute jemand bezeugen, was Jesus nicht gewesen sei." (P. LAPIDE: Der Jude Jesus, p. 118.)

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die Befreiung des historischal Jesus von dogmatischen Fesseln, wobei allein der historischen Faktizität theologische Relevanz zugebilligt wurde. Ergebnisse der historischen Jesusforschung ließen sich somit direkt als theologische Argumente verwenden. Zu diesen Voraussetzungen paßte das quellenkritische Differenzkriterium hervorragend, und es nahm zugleich die Ergebnisse vorweg: Der historische Jesus mußte in Differenz zum Christus der kirchlichen Quellen treten. Die klare Formulierung des DKC als methodischem Grundsatz32 1901 durch Paul Wilhelm Schmiedel ist in diesem (liberalen) Sinne apologetisch motiviert und reagiert auf radikale Kritik an der Historizität des Lebens Jesu. Die Anwendung des DKJ in der Jesusforschung hat oft einen schlichten Grund, der eine negative Sicht des Judentums schon voraussetzt:33 „Das Grundgesetz der Dramaturgie bedarf des Schurken, als Gegenspieler, um den Held des Schauspiels zur vollen Geltung kommen zu lassen. [So kann] Jesu Licht vor dem schwarzen Hintergrund 'der Juden' um so heller aufscheinen 'i34 Dazu förderten entsprechende christologische Konzepte, die die völlige Andersartigkeit (Jesu) Christi betonten, die Arbeit mit dem DKJ.3' Aus diesem Grund war für die von der dialektischen Theologie beeinflußten Exegeten der „Neuen Frage" das DKJ wichtig, zumal es die Skepsis an der Jesusforschung mit einer vorweisbaren Methode zu überwinden galt. Man wollte aber die Gestalt Jesu historisch nicht völlig isolieren. Neben dem „Bruch mit dem Judentum" betonte man daher umso mehr den Zusammenhang mit dem Urchristentum. Das für diese Phase der Jesusforschung typische Interesse an der Kontinuität zwischen Jesus und Christentum ließ so das DKC zugunsten des DKJ in den Hintergrund treten.34 32

"Grundsäulen eines wahrhaft wissenschaftlichen Lebens Jesu" (P.W SCHMIEDEL: Das vierte Evangelium, 1906). Die erste Formulierung der Grundsäulen wurde schon 1901 in Englisch veröffentlicht. 33 Diese negative Sicht des Judentums ist schon in den Evangelien angelegt, am deutlichsten im Johannesevangelium. 34 Ρ LAPIDE: Der Jude Jesus, p. 15. 35 Cf. Luz (in: P. LAPIDE/U. LUZ: Der Jude Jesus, p. 166), der dieses Problem klar anspricht: „Postulate dogmatischer Art, etwa so, daß Jesus etwas ganz Besonderes gewesen sein muß, weil der Christ anders sich nicht ausschließlich auf ihn und seine Auslegung Gottes beziehen kann, darf es für mich nicht geben." 36 In der klassischen Formulierung des Differenzkriteriums für die „Neue Frage" durch Käsemann (1954) finden sich die beiden og. Elemente: die Betonung der Differenz zum Judentum, indem besonders auf judenchristliche Tradenten verwiesen wird („... speziell wenn die Judenchristenheit ihr überkommenes Gut als zu kühn gemildert oder umgebogen hat." E. KÄSEMANN: Das Problem des

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Sofern bei der Anwendung des DKC an judenchristliche Tradenten der Jesusüberlieferung gedacht wurde, konnte sich das DKC sogar in ein verkapptes DKJ wandeln. Ferner spielte der theologische Antijudaismus eine Rolle. Man wollte Jesus möglichst vom jüdischen Volk dissoziieren, auf das man bis in die Gegenwart diskriminierend blickte, und tat dies besonders dadurch, daß man schon bei Jesus in der Gesetzesfrage einen klaren Bruch mit dem Judentum nachzuweisen versuchte. Dies setzt das negative Bild des alles im Judentum beherrschenden Gesetzes und der jüdischen „Gesetzlichkeit" voraus. Die Ablehnung solcher „Gesetzlichkeit" ist ein wichtiges Element traditioneller protestantischer Identität. b) Geschichtstheoretische Motive Die geschichtstheoretische Grundlage und Motivation zur Anwendung des DKC, besonders aber des DKJ, bildet die Individualitätslehre. Aus ihr folgt „ein Vorgehen des Spezifizierens, in welchem von denjenigen Merkmalen abgesehen wird, die das zu erkennende Ereignis mit anderen gemeinsam hat, zugunsten von solchen Merkmalen, durch die es sich von ihnen un37 terscheidet." Es geht um das „Besondere" einer Person, um ihre spezifische Individualität. Da das historische Individuum Jesus von Nazareth mit seiner Wirkungsgeschichte von weltgeschichtlicher Tragweite als eine historische Größe betrachtet wird, konzentriert sich in diesem geschichtstheoretischen Konzept alles auf das Einmalige und Besondere dieser historisch innovativen Person.3' Das heißt im Falle Jesu, auf seine Differenz zu seiner jüdischen Umwelt sowie zu seinen als Epigonen verstandenen Nachfolgern. Von diesem Konzept her läßt sich auch verstehen, daß es bei der Bewertung des durch das DKJ erhobenen Materials zu einer Verquickung von Urteilen über die historische Authentizität und über den Stellenwert der herausdestillierten Elemente für die Gestalt Jesu kommt. Das „Echte" und historischen Jesus, p. 144) sowie die theologische Hochschätzung der prinzipiellen Andersartigkeit Jesu („Immerhin ist es für uns ja fast noch wichtiger, wenn wir zu Gesicht bekommen, was ihn von Gegnern und Freunden trennte." Ibid.). 37 K.-G. FABER: Theorie der Geschichtswissenschaft, p. 60. 38 Hierbei dürfte im letzten Jahrhundert auch das Gelehrtenideal der einsamen Originalität mitgespielt haben. Originalität als prinzipielle und selbstverständliche Voraussetzung für den Aufstieg an der deutschen Universität führte zur Originalität um jeden Preis. In diesem Umfeld ist es verständlich, daß solche Originalität auch für Jesus postuliert und gesucht wurde. (Cf. T. NIPPERDEY: Deutsche Geschichte, pp. 472.475).

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das „Wesentliche" bzw. für diese Gestalt „Typische" werden nicht unterschieden. 5.

Auf dem Weg zu einer umfassenderen Methodologie

Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet ein kritisch analysierendes Referat der Forschungsgeschichte zum Differenzkriterium (Kapitel Π). Wir unterscheiden vier Phasen der Jesusforschung. Für jede Phase wird nach einer Gesamtdarstellung der Kriterienfrage jeweils ein Jesusbuch analysiert, nämlich die Jesusbücher von W Bousset, R. Bultmann, G. Bornkamm und J H. Charlesworth. Wir haben diese vier Jesusdarstellungen ausgewählt, weil sie für die jeweilige Phase der Jesusforschung repräsentativ sind. Sie sind frei von extremen Thesen und von einem besonnenen Wissenschaftsethos geprägt. Natürlich hätten wir auch andere Darstellungen wählen können. Die Analyse gerade dieser Jesusbücher hat exemplarischen Charakter. Vollständigkeit wird in der Forschungsgeschichte ohnehin nicht angestrebt. Von besonderem Interesse ist für uns die Geschichte des Verhältnisses und der Kombination des DKC und DKJ. Dabei sollen Einsichten in die Motive und Tendenzen des Differenzkriteriums sowie in seine Problematik gewonnen werden. Das Differenzkriterium soll dabei nicht nur kritisiert werden. Der quellenkritische Ansatz des DKC und das religionsgeschichtlich begründete DKJ sollen vielmehr in ihrem berechtigten Anliegen reflektiert und einzelne Elemente für die zukünftige Jesusforschung übernommen werden. Aus der Kritik am Differenzkriterium wird aber deutlich werden, daß diese Elemente des Differenzkriteriums in einen neuen methodologischen Gesamtrahmen zu stellen sind. Die Third-Quest'-Phase der Jesusforschung hat hier wichtige Änderungen gebracht. Sie impliziert - unter Beibehaltung und Neubelebung des DKC - vor allem eine Inversion des DKJ. Die Annäherung an die historische Gestalt Jesu erfordert, den Bezug auf das Judentum seiner Zeit methodisch in neuer Weise einzubinden. Dieser methodische Umbruch soll kritisch rezipiert und schließlich (in Kapitel ΠΙ) in Form neuer Methodengrundsätze ausdrücklich expliziert werden. Ziel dieses dritten Kapitels ist es, die durch das Differenzkriterium vertretenen berechtigten Fragestellungen aufzugreifen und sie so zu erweitern, daß ein theologisch und geschichtswissenschaftlich plausibles Konzept erreicht wird. Das „Kriterium historischer Plausibilität", d.i. unsere Neuformulierung eines Kriteriums, will diesem Anliegen gerecht werden. Wir werden dieses historische Plausibilitätskriterium als ein doppeltes Kriteri-

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um formulieren, das an die Stelle des doppelten Differenzkriteriums treten soll, und zwar einerseits als Kriterium jüdischer Kontextplausibilität und andererseits als Kriterium christlicher Wirkungsplausibilität. Wenn dabei der Begriff „historische Plausibilität" an die Stelle des Begriffs „Differenz" tritt, so wird damit von vornherein signalisiert: Nicht allein Unterschiede und Differenzen zum Judentum und Urchristentum werden zur methodischen Basis der Jesusforschung, sondern ihr historisch „plausibler" Zusammenhang, der sowohl Kontinuität wie Diskontinuität, Analogie wie Differenz, Übereinstimmung wie Gegensatz umfassen kann. Mit dem Begriff „ historische " Plausibilität verbindet sich femer der Anspruch, Kriterien zu formulieren, die dem allgemeinen historischen Methodenbewußtsein entsprechen und daher nicht nur auf die Jesusüberlieferung, sondern mutatis mutandis auf vergleichbare andere Überlieferungen anwendbar sind. Aus diesem Grund schließt der dritte Hauptteil mit einem Exkurs zur Frage der Authentizität bzw. Nichtauthentizität der montanistischen Prophetensprüche. Das Vorgehen der Forschung entspricht hier sehr viel weniger dem traditionellen Differenzkriterium als dem hier vorgeschlagenen historsichen Plausibilitätskriterium. Ein letzter, hermeneutischer Teil (Kapitel IV) wird das Verhältnis dieses historischen Plausibilitätskriteriums zum modernen historischen Bewußtsein einerseits, zur Unbedingtheit religiösen Glaubens andererseits reflektieren. Wir greifen in ihm die vorher erarbeiteten Kriterien noch einmal auf, um zu zeigen, daß sie den geschichtlich gewordenen Grundaxiomen modernen historischen Bewußtseins entsprechen. Im Anhang findet sich in chronologischer Ordnung eine Zitatensammlung von Formulierungen und Kommentaren zum Themenkreis des Differenzkriteriums. Dabei handelt es sich natürlich nur um eine Auswahl. Abschließend sei noch einmal betont, daß es in der vorliegenden Arbeit nicht um die Jesusforschung an sich geht, erst recht nicht um ihre vollständige Darstellung. Das gilt besonders hinsichtlich der Flut neuer Jesusbücher. Ebensowenig können hier alle in der Jesusforschung verwendeten und diskutierten Kriterien verhandelt werden. Viele Kriterien werden nur kurz behandelt. Im Zentrum der Arbeit steht das Differenzkriterium mit seiner Geschichte und dem in ihm vorausgesetzten Verhältnis Jesu zum Judentum und Christentum als methodischer Grundlage der Jesusforschung.

II. DAS DIFFERENZKRITERIUM IN DER GESCHICHTE DER JESUSFORSCHUNG: FORSCHUNGSGESCHICHTLICHE ASPEKTE DER KRITERIENFRAGE 1.

Die Vorgeschichte des Differenzkriteriums

Das Differenzkriterium in seiner zweifachen Gestalt als DKC und DKJ setzt bestimmte Fragestellungen und Einsichten im Umgang mit historischen Texten voraus. Die Bezeichnung „Kriterium", wie sie in der Jesusforschung gebraucht wird, weist auf ein beurteilendes, unterscheidendes Tun hin: Ein Kriterium gibt das Merkmal für die Selektion von ursprünglicherem Material an. „Differenz" sagt, worin dieses Merkmal besteht. Die Bezugsgröße für diese „Differenz" liegt im Fall des DKC zunächst auf der Textebene selbst. Die nachösterliche christliche Gemeinde hat als Überlieferungsträger den Text gestaltet. Es geht hier also um eine philologische Fragestellung, sofern es gilt, die Differenzen zwischen 'christlicher1 und 'ursprünglicher1 Darstellung durch eine weitgehend textimmanente Analyse aufzuspüren.1 Beim DKJ befindet sich die Bezugsgröße außerhalb des Textes,2 es geht um eine über das Philologische hinausgehende historische Frage: Formen und Inhalte im Text werden mit denen in jüdischen Texten verglichen, um Differenzen festzustellen. Das DKJ, aber auch das DKC - sofern es die Kenntnis der Geschichte der ersten Christen voraussetzt - implizieren eine Auseinandersetzung mit geschichtlichen Gegebenheiten, die hinter dem Text stehen. Ziel des Einsatzes beider Formen des Differenzkriteriums ist die Erkenntnis historisch zuverlässigen Materials in den Quellen und damit eines historisch zuverlässigen Bildes von Jesus. Dieses Motiv, das die Entwicklung des Kriteriums im Rahmen der Jesusforschung überhaupt erst möglich macht, ist vor der Entwicklung der neuzeitlichen Geschichtswissenschaft nicht denkbar. Die grundsätzliche Voraussetzung für die Formulierung eines Differenzkriteriums liegt folglich in einer Differenzierung von sekundärer Inter1

Die Problematik der hierbei zugrundeliegenden Annahme, die 'christliche' Überformung ließe sich wie eine obenaufliegende Farbschicht ablösen, wird an anderer Stelle diskutiert werden. 2 Ein Sonderfall ergibt sich, wenn man durch Judenchristen in die Überlieferung einfließende ,,(re)judaisierende" Elemente annimmt.

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pretations- und ursprünglicher Autorenebene einerseits (DKC), von Textund geschichtlicher Realebene andererseits (DKJ). Mit der einen Seite ist die Entwicklung der Philologie angesprochen, mit der anderen die der Geschichtswissenschaft. - Mit dieser Zuordnung zu zwei Wissenschaftsgebieten handelt es sich um eine systematisch gemeinte Unterscheidung aus der Perspektive unserer Fragestellung. Die geschichtliche Entwicklung beider ist eng miteinander verwoben.3 Vorweg geschickt sei ein stichwortartiger Überblick der Etappen im Prozess zunehmender Differenzierung:

1.

MITTELALTER Interpretations-, Autoren- und geschichtliche Realebene bilden eine Einheit.

2.

RENAISSANCEHUMANISMUS Die Entstehung der modernen Philologie fuhrt zur Trennung von heutiger Interpretation und ursprünglicher Intention auf der Textebene Ziel ist die Rekonstruktion des Textes.

3.

AUFKLÄRUNG Die Entstehung der modernen Geschichtswissenschaft führt zur Trennung von Text- und geschichtlicher Realebene. Ziel ist die Rekonstruktion der historischen Wirklichkeit hinter dem Text.

1.1. Renaissancehumanismus: Kritik als Rekonstruktion des ursprünglichen Textes Das Verständnis von Texten ist stetem Wandel unterzogen. Eine für unsere Fragestellung direkt relevante Weiterentwicklung und Differenzierung dieses Verständnisses bahnt sich mit der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit in Renaissance und Humanismus an. Im Mittelalter werden zwar durchaus Quellen geprüft und auf ihre Wahrheit hin befragt. 4 Maßgebend sind aber die Autoritäten der Tradition, die z.B. untereinander verglichen werden. Zu ihren Texten wird ein unmittelbarer Zugang vorausgesetzt, so daß - ohne Wahrnehmung einer historischen Kluft - ein Dialog zwischen 'historischen' Textinhalten und der Gegenwart geführt wird. Im Rahmen der mittelalterlichen Schulmeinung vom 3

Cf. dazu vor allem die Arbeiten von U. MUHLACK. Zur mittelalterlichen Historiographie cf. G. MELVILLE: Kompilation (kritisch dazu U. MUHLACK: Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung) und J. KNAPE „Historie". 4

30 vierfachen Schriftsinn bezeichnet 'Historia' „die unterste, buchstäbliche Verständnisebene eines Textes" 5 Dieser von Hugo von St. Victor in diesem Sinne hermeneutisch gefüllte Begriff* bleibt auf der literarischen Ebene und bezeichnet nur die Darstellung der Geschichte, nicht diese selbst. Die prinzipielle Glaubhaftigkeit des Literalsinns steht nicht zur Debatte. 1 Das heißt, wir haben hier keine kritische Unterscheidung zwischen literarischer und geschichtlicher 'Historia' Was die Bindung an maßgebliche Autoritäten angeht, steht die erwachende Philologie im Renaissancehumanismus" in Kontinuität und Diskontinuität zum Mittelalter. Es besteht die Überzeugung, „daß jeder Anspruch, der aus einem früheren Geschehen abgeleitet wird, nur durch eine unanfechtbare Überlieferung anerkannter Autoren über das fragliche Ereignis gestützt werden kann." 9 Damit wird einerseits die Bindung an solche Texte nicht aufgegeben, wenngleich die Einbeziehung der klassischen Antike den Absolutheitsanspruch der christlichen Tradition aufweicht. Andererseits wird aber die Überlieferung einer kritischen Untersuchung unterzogen,10 es

- J. KNAPE: „Historie", p. 92. Vormals wurde der historia-Begjiff nur literarisch verstanden, nämlich auf die Geschichtswerke der Christenheit bzw. auf die Erzählung geschehener Ereignisse bezogen. Cf. hierzu J. KNAPEs materialreiche Untersuchung „Historie"; pp. 87f zu Hugo v. St. Victor. 7 Die Fixierung auf gegebene Geschichtsdarstellungen findet einen Reflex in der mittelalterlichen Verwendung des Begriffs 'historia': er wird für die Darstellung der Geschichte gebraucht, während für die Sache selbst andere Begriffe benutzt werden (J. KNAPE: „Historie", p. 92). Beides wird trotz begrifflicher Differenzierung jedoch noch nicht kritisch gegeneinander ausgespielt. ' Auf das Problem des Humanismusbegriffs sei hier nur hingewiesen, ohne darauf eingehen zu können. Ich folge Holeczeks Definition: „Im Zentrum dessen, was wir unter Humanismus verstehen, befindet sich die im Spätmittelalter aus dem Studium und der Nachahmung der antiken Literatur und ihrer Inhalte sich neu herausbildende sprachlich-literarische Kultur " (H. HOLECZEK: Humanistische Bibelphilologie, p. 24). Die Bezeichnung 'Renaissancehumanismus' zielt vor allem auf Vertreter wie Erasmus, Valla und dessen philologische Richtung (cf. ibid., p. 25). 9 W SETZ: Lorenzo Vallas Schrift, p. 43. 10 A. BUCK: Die humanistische Tradition, p. 138: „Während der mittelalterliche Leser im antiken Autor die Bestätigung bestimmter Ideen seiner vorgegebenen christlichen Weltanschauung sucht, strebt der Humanist danach, zuerst den antiken Autor als historische Person zu erkennen und dann mit Hilfe des antiken Autors die modernen Probleme zu lösen." Die Hinwendung zur Geschichte geschieht nicht um ihrer selbst willen. Daher hat die humanistische Interpretation 6

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entsteht erstmals eine kritische Distanz zum überlieferten Text. Ziel ist „die Begegnung mit der Persönlichkeit des antiken Autors in dessen Werk"11, das zu diesem Zweck möglichst originalgetreu wiederhergestellt werden soll. Das Werk vertritt dann seinen Autor. Die Rückkehr zu den Ursprüngen, 'ad fontes', die diese Epoche auf ihre Fahnen geschrieben hat, meint also vor allem die Erfassung des ursprünglichen Sinns antiker Texte.12 Dies führt zur Suche nach alten Handschriften und ihrer chronologischen Klassifizierung, also zur historischen Textkritik. Diese ist untrennbar verbunden mit der neuen Pflege der alten Sprachen. In diesem textkritischen und sprachlichen Sinn fordert etwa Thomas More, „... daß man in allen Zweifelsfallen möglichst nahe an den 'apostolischen Wortlaut' heranzukommen suchen soll."13 An L. Vallas „In latinam Novi Testamenti interpretationem ex collatione graecorum Exemplarium adnotationes" (1444) läßt sich beispielhaft zeigen, daß die humanistische philologische Arbeit auch das NT einbezieht, das damit wie eine profane Quelle behandelt wird. Die gewachsene Einsicht in die Geschichtlichkeit eines Textes und in den geschichtlichen Abstand zum antiken Text erfordert weiterhin eine historische Textinterp retati on, die auf den historischen Kontext abhebt und mit seiner Hilfe den Text kommentiert. Diese historische Interpretation ist freilich zu unterscheiden von einer historischen Auswertung der untersuchten Texte. Ziel ist allein die Restituierung der alten antiken Dokumente, nicht aber eine Darstellung der antiken Geschichte mit Hilfe dieser Dokumente. Für den humanistischen Geist haben nämlich die antiken Quellen letztlich in sich selbst normative Geltung und sind damit der eigentlichen Historisierung prinzipiell entzogen. Zwar finden sich im historischen Kommentar historische Daten, aber diese sind der Textinterpretation untergeordnet. Historisch-kritische Geschichte wird nicht „über die Aufbereitung der antiken Dokumente hinaus" getrieben.14 In Bezug auf Jesus heißt das beispielsweise für Erasmus, daß er nicht Jesus selbst zum Gegenstand sei-

neben der Betonung des Literalsinns immer eine besondere Nähe zum sensus tropologicus. Die Maxime lautet „Historia magistra vitae" (aus Cicero, de orat. II, 36). 11 A. BUCK: Die humanistische Tradition, p. 133. 12 Für die folgenden Bemerkungen cf. die klaren Darstellungen von U. MUHLACK: Historie und Philologie, pp. 5If; id.. Von der philologischen zur historischen Methode, pp. 156-162; sowie G. MELVILLE: Kompilation. 13 H. HOLECZEK. Humanistische Bibelphilologie, p. 161. 14 U. MUHLACK: Von der philologischen zur historischen Methode, p. 166.

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ner Überlegungen macht, sondern den Text, durch den er diese Gestalt wahrnimmt.13 Die berühmte Arbeit von Lorenzo Valla, die das Dokument über die Konstantinische Schenkung als Fälschung entlarvte, tat dies typischerweise hauptsächlich durch Analyse des Lateins." „Die Frage nach Wahrscheinlichkeit und Belegbarkeit des darin behaupteten historischen Geschehens spielt eine untergeordnete Rolle."17 Wichtig ist aber die Frage der Autorenschaft. Sobald die humanistische Philologie neutestamentliche Texte als literarische Artefakten behandelt, treten sie als von Individuen verfaßte Werke in den Blick: „Unlike scholastic exegetes, humanists approached a text with a certain curiosity about the distinctive personality and style of each author."1' Hier haben wir also den ersten Schritt, der auch im DKC vorausgesetzt wird: auf den Text fixiert, geht es um die Restituierung und Erfassung von dessen ältester Form in dessen spezifischem Stil. Desweiteren kennt die humanistische Geschichtstheorie ein Kriterium, das ebenfalls in die Vorgeschichte des DKC gehört. Da Wahrheitsgemäßheit und Nützlichkeit der Geschichte bzw. Geschichtsschreibung verknüpft waren, wurden bestimmte Anforderungen an die Person des Historikers gestellt. Diese waren weniger formaler Art (z.B. der Anspruch, die Ereignisse selbst als Augenzeuge erlebt zu haben, die sog. Autopsieforderung) als persönlicher Natur. „Die Verwirklichung des Wahrheitspostulats und die Sicherung der Faktentreue der historischen Darstellung erscheint [vor allem] als eine Frage des persönlichen Ethos des Historikers", desweiteren seiner geistigen Qualifikationen.19 Zu der verlangten Gesinnung gehört auch die Unparteilichkeit. Eine solche Forderung gilt sowohl für den humanistischen Historiographen selbst wie für den Autor einer antiken Quelle.20 Damit ist indirekt ein weiterer Grundstein für das DKC gelegt, denn es beruht auf der Einsicht, daß die christlichen Autoren und Überlieferer gerade nicht „unparteilich" sind und keine objektive Darstellung der Geschichte geleistet haben oder leisten konnten.

15

J.D. TRACY' Ad fontes, p. 264. R. PFEIFFER: Die Klassische Philologie, p. 58. 17 W SETZ: Lorenzo Vallas Schrift, p. 43. 111 J.D. TRACY' Ad fontes, p. 255. 19 R. LANDFESTER: Historia magistra vitae, pp. 96f; cf. zum Thema insgesamt pp. 94-108. 20 Beispiele für diese Forderung nach Unparteilichkeit finden sich Mitte des 16. Jahrhunderts bei Georg Widman und Johannes Sleidan, nachzulesen in der Zitatensammlung im Anhang. 16

33

1.2. Aufklärung: Kritik als Rekonstruktion der Geschichte hinter dem Text Kriteriologischer Leitfaden für die Humanisten war die Frage 'echt oder gefälscht' Die Authentizität der Texte im philologischen Sinn stand zur Debatte. In der Aufklärung im 18. Jahrhundert stößt die ins Bewußtsein dringende Eigenständigkeit rationaler Welterfahrung eine Tür zu neuer Erkenntnis von Geschichte auf. Die Geschichtswissenschaft hat die Quellen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu untersuchen. „An die Stelle der Wahrheit als Rechtgläubigkeit tritt die historische Wahrheit. An die Stelle der sauberen Inventarisierung von Wahrheit und Irrtum in der Geschichte tritt als Darstellungsideal die Rekonstruktion der 'wahren Geschichte' "21 Mit Droysen zu reden, wird die „Kritik der Echtheit" durch die „Kritik der Richtigkeit" ergänzt.22 Zu dieser Kritik der Richtigkeit gehört eine Prüfung der Glaubwürdigkeit, wobei die Frage nach der inneren Glaubwürdigkeit auf die für die Aufklärung so wichtige Rationalität abhebt: die Kohärenz mit rationaler Welterfahrung und natürlich-moralischer Evidenz23 ist ein bedeutsames Wahrheitskriterium. Zusammen mit der Prüfung der äußeren Glaubwürdigkeit, die in der damals sog. 'Schriftstellerkunde' die Glaubwürdigkeit des einzelnen Autors untersucht24, sind diese Elemente der 'Kritik der Richtigkeit' schon in Petrarcas humanistischen Kriterien der verisimilitude) und auetoritas25 angelegt. Leitend ist nun aber die Ratio. Die Bibel als solche ist kein „historisches Lehrbuch"26 mehr, und auch die anderen klassischen Autoren der Antike verlieren ihre bestimmende Autorität. Insofern hiermit geschichtliches Denken einzieht, das sich ohne Bindung an die spezifische Darstellung der Texte ein Bild von historischen Abläufen zu machen versucht, wird auch eine Grundlage für das DKJ gelegt. Die „Kritik des Früheren und Späteren"27, die als diakritisches Verfahren zu Beginn des 19. Jahrhunderts in die Geschichtswissenschaft einzieht, ermöglicht durch die Erarbeitung einzelner Überlieferungsschichten schließlich eine differenziertere Form des DKC. Der zugrundeliegende 21

E. STOVE: Kirchengeschichte I, pp. lOlf. J.G. DROYSEN: Historik, pp. 99.122; die Idee für die Anwendung dieser theoretisch-systematischen Einteilung auf die Wissenschaftsgeschichte stammt von H.W BLANKE: Aufklärungshistorie, pp. 168ff. 23 E. STOVE: Kirchengeschichte I, p. 144. 24 H.W BLANKE: Aufklärungshistorie, p. 170. 25 E. KESSLER: Petrarca, p. 26. 26 K. SCHOLDER Ursprünge und Probleme, p. 82. 27 J.G. DROYSEN: Historik, p. 114. 22

34 Grundsatz wurde später von J.G. Droysen so formuliert: „Es handelt sich um die Frage, ob das, was uns vorliegt, noch unversehrt das ist und sein kann, was es war und sein wollte, und welche Veränderungen zu erkennen und für den Zweck der historischen Aufgabe außer Rechnung zu bringen sind." 2 ' Die Anwendung historisch-kritischer Methoden auf biblische Texte ist Voraussetzung dafür, daß die Entwicklung dieser allgemeinen geschichtswissenschaftlichen Verfahren für die Jesusforschung fruchtbar wird. Auf der Ebene der Textkritik hat schon Valla das NT nicht anders als einen profanen Text behandelt. Aber der von ihm kritisch rekonstruierte Text war für ihn noch immer ein heiliger Text und eine unumstrittene Autorität. Das in der Aufklärung folgende kritische Interesse an einer historischen Darstellung der von der Bibel berichteten und hinter ihr stehenden Ereignisse setzt jedoch die prinzipielle Infragestellung des totalen Wahrheitsanspruches der Bibel voraus.29 Das heißt, daß eine neue Autorität erforderlich ist, um die Bibel zu depotenzieren: die Vernunft. Dieser Schritt bedeutet einen gewaltigen Bruch mit der Inspirationslehre der altprotestantischen Orthodoxie und zieht eine völlige Neufassung des reformatorischen „sola scriptura" nach sich, indem dieses Schriftprinzip von seinen dogmatischen Bindungen gelöst wird.30 a) Die Vorbereitung der Aufklärung: Der Sozinianismus Das 17 Jahrhundert läßt sich für unsere Fragestellung als die Zeit des großen Übergangs verstehen 31

2,1

J.G. DROYSEN: Historik, p. 115. K. SCHOLDER: Ursprünge und Probleme, pp. 56-78 (astronomisches Weltbild) und pp. 79-104 (geschichtliches Weltbild), parallelisiert diesen Vorgang in Bezug auf die Historie mit dem Wandel in der Astronomie, der eine drastische Veränderung des Weltbilds bewirkte. Der von Scholder behauptete Einfluß des modernen naturwissenschaftlichen Weltbilds auf die Bibelkritik ist von Reventlow unter Hinweis auf die Frömmigkeit und Bibelgläubigkeit von Boyle und Newton (m.E. ein zu schwaches Argument angesichts des allgemeinen großen geistigen Umbruchs) bestritten worden (H. REVENTLOW' Wurzeln, p. 58). 30 Die altprotestantische Orthodoxie, die die Exegese unter die Systematik subsumierte, setzte damit lediglich Luther fort, der sich ja nur teilweise von der Inspirationslehre abgewandt hatte. Cf. O. MERK: Anfange neutestamentlicher Wissenschaft, pp. 39-41. 31 H. REVENTLOW: Bibelautorität, p. 258 et passim. 29

35

Der Reformationszeit folgt auf protestantischer Seite die Orthodoxie, deren Betonung der Schrift und Inspirationslehre eine über die textkritische Arbeit hinausgehende Kritik nicht möglich macht - es sei denn, man beabsichtigt die Infragestellung der ganzen orthodoxen Dogmatik. Folglich stammen die Impulse zur historischen Kritik nicht aus der Orthodoxie. Vielmehr gilt: „Alle entscheidenden Fortschritte in der Entwicklung des historisch-kritischen Instrumentariums sind Folge polemischer Interessen",32 die sich gegen die Orthodoxie wenden. Das zeigt die Bewegung des Sozinianismus, die für jenen Übergang charakteristisch ist. Sie verfolgt ein polemisches Interesse und stellt die „Frage nach dem Verhältnis von scriptura, doctrina und ratio" 33 Ebenso wie John Locke (1632-1704) und Johannes Clericus (1657-1736), die die Vernunft als erkenntniskritischen Maßstab für das Verständnis der Schrift ansahen, gehen sie von der grundsätzlichen Übereinstimmung von ratio und scriptura aus. Diese beiden bilden für die Sozinianer eine Einheit gegen die doctrina. Mit der Vernunft ist somit ein Maßstab immens kritischen Potentials eingeführt, wird aber (nur) noch nicht gegen die scriptura ausgespielt.34 Vielmehr ist der Sozinianismus überzeugt, „die Autorität der Schrift ebenso wie die Autorität der Vernunft in vollem Umfang erhalten zu können, wenn er die dogmatische Tradition opferte." 3 'Es wird auf rationale Weise für die Faktizität biblisch berichteter Ereignisse Stellung bezogen. Dabei kommen Argumente zur Anwendung, die bis heute methodisch eine Rolle spielen: Eine Behauptung, deren Verbreitung Nachteile für die bringt, die sich für sie einsetzen, ist vermutlich wahr. Aufgrund der Christenverfolgung wird so im sozinianischen Katechismus für die Wahrheit der Auferstehung argumentiert.36 Das heißt, daß hier, wenn auch nicht mit letztlich historischer Absicht, ein biblischer Text in einem historischen Kontext (hier: Christenverfolgung) gesehen wird. Soweit die Historizität der Schrift betroffen ist, hat aus heutiger Sicht im Sozinianismus die Vernunft der Schrift gegenüber eine ancilla- und keine kritisch unterscheidende Funktion. Dogmatisch dagegen ist die Ratio 32

E. STOVE: Kirchengeschichte II, p. 36, n. 8. K. SCHOLDER Ursprünge und Probleme, p. 41. 34 K. SCHOLDER: Ursprünge und Probleme, p. 171, urteilt daher, daß nach 1680 die Aufklärung wohl die historischen Gewichte verändert, aber nichts wesentlich Neues gebracht habe. 35 K. SCHOLDER Ursprünge und Probleme, p. 54. 36 K. SCHOLDER: Ursprünge und Probleme, p. 45: „... es widerspricht dem sensus communis, daß sich jemand für eine Unwahrheit [sc. Auferstehung] solchen Bedrängnissen aussetzt." 33

36

ein kritisches principium cognoscendi und unterscheidet zwischen heilsnotwendiger und bloß nützlicher Doktrin.37 b) Aufklärung: Der englische Deismus Bei dai Sozinianem führt die neuentdeckte Autorität der Vernunft im Bündnis mit der Schrift zum Konflikt mit der Dogmatik. Das erstarkende Selbstbewußtsein der Vernunft macht langfristig die Ausweitung dieses antidogmatischen Konflikts auf die Schrift selbst unausweichlich. Die Vernunft wendet sich jetzt auch gegen die Schrift. Den für unsere Fragestellung entscheidenden Schritt taten die englischen Deisten, ohne die die historisch-kritische Forschung von Reimarus nicht denkbar ist. Die aufklärerische Entdeckung autonomer Welterfahrung wie im Empirismus eines John Locke (1632-1704) läßt grundsätzliche Kritik gegenüber der biblischen Überlieferung möglich werden.38 John Toland (1670-1722) erklärt „that I hold nothing as an Article of my Religion, but what the highest Evidence forc'd me to embrace."39 Der Beitrag Tolands zur exegetischen Forschungsgeschichte ist vor allem deshalb wichtig, weil auch seine kirchlichen Gegner sich auf seine Voraussetzungen einließen, nur den sensus historicus bzw. literalis gelten zu lassen und die Schrift als Informationsquelle, nicht allein als Glaubensgrund zu verstehen.40 Der 'sensus historicus' wurde so das Einfallstor für die historisch-kritische Methode in der Bibelexegese,41 denn er bildet den Ansatzpunkt für die Möglichkeit, den biblischen Text als einen Geschichtstext zu lesen. Welche Hoffnungen sich daran knüpften, zeigt der Deist Thomas Morgan (1680-1743): the biblical History has afforded more Matter of Dispute and Contention than all other Books in the World. But this could 37

K. SCHOLDER: Ursprünge und Probleme, pp. 46f. J. ORR: English Deism, p. 246: „The antisupernaturalism of the deists led them not only to reject the miracles of the Bible but also to reject the church doctrine of the inspiration of the Bible. Having rejected these, the deists felt the necessity for supplying some plausible theory of the natural origin of the Books and of its contents. This led to a study of the origin of the Books of the Bible, to investigations of questions of canon and authorship." 39 J. TOLAND: Christianity Not Mysterious, p. ix. 40 R.E. SULLIVAN: John Toland, pp. 249f; John TOLAND: Christianity Not Mysterious, p. 39: „Revelation was not a necessitating Motive of Assent but a 31

Mean of Information." 41

U. MUHLACK: Geschichtswissenschaft in Humanismus und in der Aufklärung, p. 363.

37

never have happened, had this sacred History been read critically, and interpreted by the same Rules of natural and Rational probability and Credibility, as we read all other History 1(42 Lord Shaftesbury (1671-1713) sieht freilich eben darin auch ein Problem, daß der Christ nur einen historischen Glauben („no more than a nicely critical historical faith") hat.43 Mangels eigener Erfahrung des Berichteten müsse dies zwangsläufig zur Skepsis fuhren. Diese Problematisierung eines „historischen Glaubens" wird vom Deisten Thomas Chubb (1679-1747) entscheidend weitergeführt. Er unterscheidet zwischen dem wahren Evangelium Jesu Christi und dem, was die Evangelisten aufgrund ihrer abstrusen „private opinions"44 daraus gemacht hätten. Diese grundsätzliche Differenzierung findet sich schon bei Baruch de Spinoza (1632-1677), der für die historisch-kritische Forschung grundlegende Bedeutung hat. Er fordert, wenn auch zunächst wenig folgenreich45, zur Schrifterklärung „eine getreue Geschichte der Schrift auszuarbeiten, um daraus als sicheren Daten und Prinzipien den Sinn der Verfasser der Schrift in richtiger Folgerung abzuleiten."46 Um nun Glaubwürdiges gegenüber Unglaubwürdigem in der Jesusüberlieferung zu erkennen, führt Chubb (neben einem ethisch-rationalistischen Verständnis eines ewigen Naturgesetzes als Maßstab) einen empiristischen Analogiemaßstab ein: „not only credibility, but also a conformity to our natural notices of things, and to the eternal rules of right and wrong in the subject, ought to be the boundaries of our faith and practice."47 Femer argumentiert Chubb auf bemerkenswerte Weise für die grundsätzliche Glaubhaftigkeit der Existenz Jesu. „That there was such a person as Jesus Christ, and that he, in the main, did, and taught as is recorded of him, appear to be probable." 4 ' Dieses Wahrscheinlichkeitsurteil begründet er mit dem wirkungsgeschichtlichen, i.e. histori-

42

T. MORGAN: The Moral Philosopher, vol. 3, p. 140. Lord SHAFTESBURY: Characteristics of Men, Manners, Opinions, Times, 6. Aufl., 1738, vol. 2, p. 201; zitiert nach H. REVENTLOW Bibelautorität, p.515. 44 T. CHUBB: The True Gospel, p. 49 et passim. 45 H. REVENTLOW Wurzeln, p. 59. Spinoza kommt auch eine wichtige Rolle in der Vermittlung der Ideen des englischen Deismus nach Deutschland zu (cf. J. ORR; English Deism, p. 190). 46 Β. de SPINOZA: Tractatus Theologico-Politicus, in: Opera/Werke, lat. u. dt. Bd. 1, edd. Günter Gawlick u. Friedrich Niewöhner, Darmstadt 1979, pp. 231/233; zitiert nach: H. REVENTLOW Wurzeln, p. 60. 47 T. CHUBB: The True Gospel, p. 78. 48 T. CHUBB: The True Gospel, p. 41. 43

38 sehen Argument, daß die Ausbreitung des Christentums weniger gut denkbar sei, wenn das Leben Jesu eine Erfindung gewesen wäre. In den traditionskritischen Überlegungen der Deisten wird die Historie also in, hinter und auch vor der Schrift entdeckt. Während Chubb zwischen der Lehre Jesu und der Lehre seiner Apostel bzw der Evangelisten differenziert und die Folgegeschichte bedenkt, läßt sich bei Matthew Tindal (1656-1733) ein Bewußtsein für die historische Lebenswelt Jesu besonders deutlich erkennen: Jesu Worte seien „accomodated to the then Way of speaking" 49 Tindal selbst „denkt an diesem Punkt nicht weiter'"0, aber die Einsicht in die Zeitgebundenheit der Äußerungen Jesu verbunden mit dem Akkomodationsgedanken ist für die weitere Geschichte neutestamentlicher Exegese sehr bedeutsam.

c) Aufklärung: Der Beginn der historisch-kritischen Exegese in Deutschland Die Entwicklung der Akkomodationstheorie, wie wir sie bei den Deisten finden, ist Ausdruck der in der Aufklärung entdeckten Differenz zwischen der „überzeitlich-gültigen Wahrheit der nt. Lehre [so wie die Aufklärung dies verstand] und ihrer zeitgeschichtlich-bedingten, für uns nicht verbindlichen Einkleidung" 51 Für unsere Fragestellung von Interesse ist die Ver49

M. TINDAL: Christianity as old as the Creation, or, the Gospel, a Republication of the Religion of Nature, 1730; ohne Seitenangabe zitiert bei H. REVENTLOW Bibelautorität, p. 629. Cf. auch Τ MORGAN: The Moral Philosopher, vol. 1, p. 442: „The Books of the New Testament ought to be read critically, with an Allowance for Persons, Circumstances, and the Situation of Things at that Time." ,0 H. REVENTLOW Bibelautorität, p. 629. Wie auch bei Chubb spielt die ewige, angeborene natürliche Religion bei Tindal eine bestimmende Rolle. Dies illustriert Reventlows Urteil: „eine echt historische Sicht hat die Aufklärung nicht gebracht. Dafür war sie zu sehr auf zeitlose Werte fixiert." (H. REVENTLOW· Wurzeln, p. 62.) 51 Ρ ALTHAUS: Art. Akkomodation, col. 209. Für die patristisch-rhetorischen Ursprünge des Akkomodationsgedankens und seine Vermittlung an die Neuzeit durch Erasmus cf. P. WALTER: Theologie aus dem Geist der Rhetorik, pp. 3353; für die Diskussion in der Aufklärung cf. G. HORNIG: Die Anfange, pp. 211236. „Akkomodation" im Sinne der Aufklärung ist zu unterscheiden von der sog. „biblischen Akkomodation" im Sinne der Anpassung „einer Bibelstelle auf einen Gegenstand, den sie weder im Wortsinn noch im typ. Sinn bezeichnet, aber wenigstens ihrem Wortlaut nach bezeichnen kann." (J. SCHILDENBERGER: Art. Biblische Akkomodation, col. 239.)

39

bindung der Akkomodationstheorie mit jener Zeitbedingtheit, die sich im Falle der neutestamenthchen Jesusüberlieferung auf das Judentum bezieht. Das in diesem Kontext geäußerte Akkomodationsverständnis kann sowohl einer bibelkritischen wie einer apologetischen Position dienlich sein. Die Akkomodationslehre begegnet schon bei dem eine antiorthodoxe, bibelkritische Haltung vertretenden holländischen Remonstranten Johannes Clericus (1657-1736). Er setzt mit seinem Akkomodationsverständnis die Minderwertigkeit jüdischen Glaubens und Denkens voraus: „Aber da Jesus Christus und die Apostel nicht in die Welt gekommen sind, um die Juden die Kritik zu lehren, darf man sich nicht wundem, wenn sie entsprechend der allgemeinen Meinung redeten."·2 Dogmatisch geht er von einer großen Differenz zwischen dem Evangelium Jesu Christi und jüdischer Lehre aus. Genauso denken die apologetischen Vertreter einer Akkomodationslehre. Zu ihnen gehört vor allem der Name J.S. Semlers (1725-1791), der aus systematischen Gründen hier vorgezogen werden soll. Seiner Ansicht nach hat sich Jesus sozusagen wider besseres Wissen den Vorstellungen seiner Zeit bedient, um sich verständlich zu machen. In diesem Erklärungsmodell spiegelt sich das pädagogische Interesse der Aufklärung. Die hermeneutische Theorie der Akkomodation soll die Autorität Jesu retten, indem sie ihn den Niederungen jüdischen Glaubens enthebt. Jesus von Nazareth ist zwar einerseits als historische Gestalt entdeckt." Gleichzeitig wird aber von Anfang an die Einbettung in seine jüdische Umwelt als problematisch empfunden und die Differenz seiner 'eigentlichen' Botschaft zum Judentum betont. Diese Differenz wird immer schon vorausgesetzt und ist mit der Abwertung des Judentums verbunden wer die Differenz negiert, argumentiert christentumskritisch und wertet Jesus ab. Die Frage, auf welche Elemente der Überlieferung die Akkomodationstheorie anzuwenden sei, läßt sich als eine Vorform des DKJ verstehen. Dies gilt insofern, als die in der Akkomodationslehre erfolgende Unterscheidung 'wesentlich - unwesentlich' 52

Johannes CLERICUS. Sentimens des quelques théologiens de Hollande sur L'Histoire Critique Du Vieux Testament par le Ρ Richard Simon ..., Amsterdam 1685, p. 126; zitiert nach H. REVENTLOW Bibelexegese als Aufklärung, p. 15. Schon für das AT gilt nach Clericus, daß Gott „durch seine Güte genötigt gewesen [sei], sich dem groben Geist des fleischlich gesinnten Volkes Israel anzupassen." (H. REVENTLOW' Bibelexegese als Aufklärung, p. 12) 53 O. MERK: Anfange neutestamentlicher Wissenschaft, p. 17, macht auf einen wichtigen Fortschritt bei Semler gegenüber Reimarus aufmerksam: „Die historische Rekonstruktion muß die Interpretation vorgegebenen Materials stets mitberücksichtigen. Statt vom Betrug durch Jünger und Apostel zu reden, ist interpretatorisch die Absonderung Jesus - Apostel zu bewältigen."

40 in der historischen Rekonstruktion des Lebens Jesu später dazu führte, 'wesentlich' mit 'historisch' zu identifizieren. In der Tradition des D K J geht die Identifizierungskette noch weiter: christlich

wesentlich

historisch

jüdisch

unwesentlich

unhistorisch

Ein Beispiel für die das Judentum abwertende Tendenz der Akkomodationslehre ist Semlers Beurteilung der endgeschichtlich-futurischen und der präsentischen Naherwartung.54 Erstere hält er für eine Akkomodation an die zeitgenössischen Hoffnungen des Judentums. Mit dieser historischen Einschätzung verbindet sich die dogmatische Ablehnung einer (jüdischen) futurischen Eschatologie. Demgegenüber versteht Semler das Johannesevangelium als Ausdruck genuin christlichen Glaubens und dessen präsentische Eschatologie „als eine direkte Kritik an dem Partikularismus der jüdischen Heilserwartung."" Anders geht H.S. Reimarus (1694-1768) mit vergleichbaren historischen Einsichten zu Jesus um. Bei ihm finden wir eine kritische Anwendung der Akkomodationslehre. Er unterscheidet zwei Teile der Lehre Jesu, die allgemeine und die positive Religion. Ein Teil ist der natürliche, vernünftige, „zu welcher Jesus, bey seiner Reformation, auch die positive Jüdische zu lenken gesucht, ohne sie aufheben zu wollen" 56 Der andere Teil ist von einem Juden für Juden.57 So ist für Reimarus eindeutig: „Jesus, als der Messias, wollte die Levitischen Gebräuche nicht ändern. Es blieb alles in den Schranken Jüdischer Gewohnheiten."38 Aus diesen Gründen lehnt er einiges von der johanneischen Einkleidung der Rede Jesu als unhistorisch ab. Anders als Semler spricht sich Reimarus gerade mit dem Akkomodationsargument dafür aus, Jesus könne sich gar nicht so wie im Johannesevangelium ausgedrückt haben, da er sich mit johanneischen Reden den Juden nicht hätte verständlich machen können.59

54 Cf. G. HORNIG: Die Anfänge, p. 227-230; dort auch ausführliche Nachweise zu Semler. 55 G. HORNIG: Die Anfänge, p. 228. * H.S. REIMARUS: Apologie, vol. 2, p. 40 (§ 1). 57 H.S. REIMARUS: Apologie, vol. 2, pp. 40f (§ 1). 58 H.S. REIMARUS: Apologie, vol. 2, pp. 97.108 (Überschrift 4. Kapitel und § 5). 59 H.S. REIMARUS: Apologie, vol. 2, p. 66 (§ 10).

41

Reimanis ist stark von den englischen Deisten beeinflußt.60 Insbesondere die Differenz, die Chubb zwischen Jesus und den Aposteln sieht, wird von Reimarus methodisch festgemacht. Wir haben hier in einer zu seiner Zeit (Mitte des 18. Jh.) unveröffentlichten Schrift eine ganz frühe Formulierung des DKC vor uns: ...das neuerliche System der Apostel [richtet sich] nicht nach den Facüs, sondern die Erzehlung der Factorum muß sich nach ihrem geänderten System richten. Mithin muß man alles dasjenige in ihrer Geschichte, was einen Strich von der Apostel ihrem späteren System hat, weglassen, und Jesu nicht beymessen, wenn man desselben wahre Meynung und Absicht zu wissen verlangt."61 Für die Methodengeschichte ist Reimarus weiterhin wichtig durch seine Vernunftlehre, in der er allgemeine Grundsätze zur „Erkenntniß der Wahrheit" formuliert. Diese „Anweisung zum richtigen Gebrauche der Vernunft" - so im Titel der Vernunftlehre - faßt ganz pointiert das neue aufklärerische Weltverständnis zusammen. „Die Beschreibung dessen, was tatsächlich passiert war, setzt die Geltung der Sätze vom Widerspruch und vom zureichenden Grunde, also die Stabilität und die Wunderresistenz der Welt voraus Danach konnte man Zeugenaussagen auch im biblischen Bereich wie juristische Zeugenaussagen behandeln "62 So sagt Reimarus . „Es kommt auf rem facti an, was die Stifter einer neuen Sekte gesagt und geschrieben haben und wie ihre Werke zu verstehen sind."63 Zu Reimarus' Grundsätzen zählen das schon bei den Sozinianern vorfindliche Argument der Glaubwürdigkeit eines Zeugen, wenn dessen Aussage ihm selbst Nachteile einbringt,64 sowie ein Kohärenzkriterium, das auch hinter der og. Fassung des DKC steht: „Eine Schrift, oder eine Stelle in derselben ist dem vermeynten Verfasser zuzuschreiben. Wenn die besonderen Wörter und Ausdrücke, so wie die Meynungen und Sachen, mit des Mannes Schreibart, 60

Cf. H. REVENTLOW· Das Arsenal; auf pp. 56f wird die Abhängigkeit von Chubb gezeigt. G. GAWLICK. Der Deismus als Grundzug, p. 43, n. 35: „Reimarus repräsentiert die Spätphase der Geschichte des Deismus; er faßt die Ergebnisse seiner Vorgänger, insbesondere der englischen Deisten, zusammen und systematisiert sie." 61 H S. REIMARUS: Apologie, vol. 2, p. 172. Viel weniger radikal, da nicht auf die „wahre Meynung und Absicht Jesu" zielend, macht Gabler Ende des 18. Jahrhunderts auf die möglichen verschiedenen Intentionen der Bibelautoren aufmerksam (J.R GABLER: Von der richtigen Unterscheidung der biblischen und der dogmatischen Theologie, p. 40). 62 W SCHMIDT-BIGGEMANN: Theodizee und Tatsachen, p. 82. 63 H.S. REIMARUS: Apologie, vol. 2, p. 21. 64 H.S. REIMARUS: Die Vernunftlehre, § 247, p. 260.

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Meynungen und Zeiten; und in einer besonderen Stelle, auch mit dem Zusammenhange, übereinstimmen."65 Reimarus reiht in diese Sammlung von Regeln der Kritik, um den wahren Urheber eines Zeugnisses zu bestimmen, u.a. das Kriterium der mehrfachen Bezeugung ein.66 Wie exemplarisch an einigen Vertretern der Aufklärung gezeigt werden sollte, sind somit im 18. Jahrhundert die methodengeschichtlichen Voraussetzungen für beide Typen des Differenzkriteriums geschaffen. Der quellenkritische Ansatz hat schon früher das DKC auf literarischer Ebene möglich gemacht, mit der Wahrnehmung der Jünger Jesu als historischer Individuen im Deismus wird eine Differenz zwischen ihnen und Jesus erkannt und das DKC auch auf historischer Ebene anwendbar. Die aufklärerische Entdeckung der Historie hinter der Schrift fuhrt zum Konflikt der traditionellen Dogmatik mit historischen Einsichten - dies umso mehr, als historische Singularität und Partikularität sich schlecht mit der aufklärerischen Vorstellung einer allgemeinen ewigen Religion vertragen. Die Akkomodationslehre ist ein Versuch, diesen Konflikt auf verschiedene Weise hermeneutisch zu entschärfen oder anderweitig fruchtbar zu machen. Grundproblem ist dabei das Jüdische an Jesus. Semler kommt aus kaum verhohlenen dogmatischen Gründen so zu einer Vorform des DKJ, indem er jüdische Elemente mittels der Akkomodation erklärt und davon das 'Proprium' Jesu auch historisch unterscheidet und abhebt. Diese Vorform des DKJ unterscheidet noch nicht Historisches und Authentisches von Unhistorischem und Unauthentischem, sondern das 'Wesentliche' vom 'Zeitbedingten' Jedoch wird beides, sei es das 'Wesentliche' in der Vorform des DKJ oder das 'Historische' im später ausgebildeten DKJ, auf Jesus zurückgeführt. In der Vorform bei Semler vollzieht Jesus selbst die Akkomodation an die jüdische Welt. Der Schritt zum historisch-kritischen DKJ geschieht dann, wenn die Akkomodation den Jüngern Jesu als den Überlieferen! seiner Worte und Taten zugeschrieben und damit Jesus abgesprochen wird. 1.3. Der Historismus a)

Einleitung

Friedrich Meinecke beschreibt den Historismus als „zunächst nichts anderes als die Anwendung der in der großen deutschen Bewegung von Leibniz 65 66

H.S. REIMARUS: Die Vernunftlehre, § 252, pp. 266f. H.S. REIMARUS: Die Vemunftlehre, § 252, p. 267.

43

bis zu Goethes Tode gewonnenen neuen Lebensprinzipien auf das geschichtliche Leben."67 In den vorangehenden Abschnitten wurde deutlich, wie in Humanismus und Aufklärung Schritt für Schritt die Ablösung von Dogmatik und Bibel als bestimmenden Autoritäten erfolgte. Dennoch findet in dieser Zeit die historisch-kritische Forschung noch im Kontext normativer Erkenntnisinteressen - „historia magistra vitae" statt. Die von Meinecke genannten neugewonnenen Lebensprinzipien, für die die Autonomie menschlichen Denkens und Handelns zentral ist, ziehen mit ihrer Anwendung auf die Historie nun nicht mehr ein normatives sondern ein historisches Erkenntnisinteresse nach sich. Hintergrund und Voraussetzung für diese neuen Prinzipien ist der Wandel der Realitätserfahrung angesichts der großen Umwälzungen im Entstehungsprozeß der Moderne in Europa. Eine dynamische Geschichtsauffassung ist die Folge, bei der die Wirklichkeit grundsätzlich historisch, menschliches Handeln grundsätzlich geschichtlich gebunden und Geschichte als allein von Menschenhand geformt erscheint.6" Die Historie an sich, nämlich die Geschichte als Ausdruck der Geschichtlichkeit des Menschen, wird zu einem eigenen Thema. Damit steigt auch die Geschichtswissenschaft zu einer vollwertigen eigenen Disziplin auf und versteht sich nicht mehr als Hilfswissenschaft. Diese neue Geschichtswissenschaft befaßt sich mit den historischen Bewegungen und Entwicklungen, die durch den Wegfall bzw. die Loslösung von der Vorstellung einer außeroder übermenschlichen Geschichte eine neue Dignität erhalten. So kommt im Historismus die Wende zur Immanenz endgültig zum Durchbruch.69 Im Zusammenhang mit dem neuen selbständigen Stellenwert geschichtlichen Handelns ist die enorme Ausstrahlungskraft großer geschichtlich handelnder Persönlichkeiten zu sehen. An die Stelle eines transzendenten Geistes, der die Geschichte durchwaltet, treten die Personen, die erkennbar geschichtlich wirken. Die Entdeckung autonomen menschlichen Denkens und Handelns führt zu einer Fixierung auf die individuelle Personalität, die bis zum Ende des 19 Jahrhunderts soziale und wirtschaftliche Faktoren in der Geschichte weitgehend ausgeblendet sein läßt.

67

F MEINECKE: Die Entstehung des Historismus, p. 2. "Der Historismus versteht die Geschichte als die Verwirklichung menschlicher Freiheit." U. MUHLACK. Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, p. 427 69 U. MUHLACK: Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, p. 419 et passim; cf. auch id.. Von der philologischen zur historischen Methode, p. 180. 68

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Leopold von Ranke (1795-1886) ist der hervorragende erste Vertreter des Historismus,70 dessen Ideal es ist, „die historische Wahrheit der Welt zu vergegenwärtigen."71 Sein Historismus „im guten Sinne", wie Meinecke formuliert, kreist um die beiden Pole Individualität und individuelle Entwicklung.72 Die Erkenntnis der historischen Individualität gilt Ranke als Grundvoraussetzung zur historischen Erkenntnis. Diese Individualität ist in ihrer unverwechselbaren Eigenart festzuhalten, und es ist die Aufgabe des Historikers, die Unterschiede der einzelnen geschichtlichen Epochen herauszuarbeiten. Nur vom Besonderen sind Schlüsse auf das Allgemeine möglich. Hierin unterscheidet sich Ranke grundsätzlich von Hegels Geschichtsanschauung, die - für Ranke ganz ungeschichtlich - von einer metaphysischen Geschichtsphilosophie bestimmt ist. In diesem Gegensatz zu Hegel ist Rankes als klassisch geltende Formel des Historismus zu lesen: jede Epoche ist unmittelbar zu Gott. Diese Unmittelbarkeit, die jeder Epoche einen Wert in sich gibt - in der Zeit nach Ranke auch ohne Beziehung zu Gott -, motiviert die Geschichtsforschung einerseits zur klaren Methodik, andererseits zur strengen Objektivität, um die Historie möglichst so darzustellen, wie sie in ihrem Ursprungsmoment geschah. Durch den Wegfall eines externen Maßstabs für die Geschichte wird die Historizität selbst zum einzigen Maßstab. Dadurch erklärt sich die große Aufwertung des Authentischen, und dies ist auch der geschichtsphilosophische Hintergrund für die Aufnahme der philologischen Quellenforschung im Historismus, für den die Forderung nach enger Verbindung zwischen Quellenforschung und Geschichtsschreibung kennzeichnend ist. Beide Impulse, zur Methodik und zur Objektivität, sind ein Vermächtnis Rankes an die Geschichtswissenschaft. Er hat die kritische Methode zur Quellenerschließung für die historische Wissenschaft zur allgemeinen Geltung gebracht, und er hat allerstrengste Objektivität vom Historiker gefordert, die das berühmte „blos zeigen, wie es eigentlich gewesen"73 zum Ziel hat.

70

Eine gute Einführung zu Ranke bietet Helmut BERDING: Leopold von Ranke, in: Hans-Ulrich Wehler (ed.): Deutsche Historiker. Band I, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1971, pp. 7-24. 71 L. v. RANKE: Zur Kritik neuerer Geschichtsschreiber, p. 150. 72 F MEINECKE: Die Entstehung des Historismus, p. 595. 73 L. v. RANKE: Geschichten der romanischen und germanischen Völker, p. VII (Vorrede der ersten Ausgabe von 1824).

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Die Konsequenz des Historismus in der Historisierung der Wirklichkeit führt zur diakritischen Analyse in der Quellenforschung, eine der größten Leistungen des 19. Jahrhunderts auf diesem Gebiet. Da auch die Quellen selbst als historisch, d.h. geschichtlichen Veränderungen unterworfen, begriffen werden, kommt es zur Entdeckung von Überlieferungsschichten, von denen der ursprüngliche Bericht abzuheben ist.74 Damit entwickelt der Historismus die direkten methodischen und inhaltlichen Prämissen für das Differenzkriterium. b) Das Persönlichkeitsideal als Kategorie für das Verständnis Jesu Die Art und Weise, in der die Jesusforschung Jesus sieht und einordnet, ist mitbestimmend für die Wahl ihres methodischen Instrumentariums. Die theologische Sichtweise nimmt wiederum teil am philosophischen Gedankengut ihrer Zeit. In der Jesusforschung des 19 Jahrhunderts spielt dabei die neoromantische Helden- und Genieverehrung eine bedeutende Rolle. Dieser gewaltige Themenkomplex kann hier nicht als solcher behandelt werden. Es geht vielmehr darum, auf einen Zusammenhang aufmerksam zu machen: das Differenzkriterium läßt sich als Ausdruck des geschichtsphilosophischen Konzepts von der Rolle des Individuums in der Geschichte verstehen. Denn aus der Individualitätslehre folgt „ein Vorgehen des Spezifizierens, in welchem von denjenigen Merkmalen abgesehen wird, die das zu erkennende Ereignis mit anderen gemeinsam hat, zugunsten von solchen Merkmalen, durch die es sich von ihnen - das heißt aber nicht: von allen anderen! - unterscheidet."7' i)

Der geschichtsmächtige Held

Der Begriff des 'geschichtsmächtigen Helden' ist, anders als der Geniebegriff, stellvertretend für den gesamten Vorstellungskreis der historischen Größe, des historisch bedeutenden Individuums zu verstehen. Entscheidend geht es hier um ein historisch wirkungsmächtiges (und immer männliches)76 Individuum. „Daß das Individuelle - und nicht das Allgemeine - Gegenstand und Erkenntnisziel der Geschichtswissenschaft ist und auch das Erkenntnisverfah74

Cf. H.W BLANKE: Aufklärungshistorie, pp. 173f, unter Hinweis auf Droysens Historik. 7 " K.-G. FABER; Theorie der Geschichtswissenschaft, p. 60. 76 Die Ausgrenzung der Frau aus dem öffentlichen Leben zeigt sich hier in aller Deutlichkeit.

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ren bestimmt, diese Anschauung hat vor allem in der deutschen Historie eine große Tradition."77 Diese Tradition ist durch die philosophischen Konzepte der deutschen klassisch-idealistischen Epoche bestimmt. Der Gedanke der Individualität und Einmaligkeit aller historischen Erscheinungen gehört zu den Grundvoraussetzungen des geschichtlichen Denkens bei Johann Gottfried Herder (1744-1803), der damit einen großen Einfluß ausübte. Dieser Gedanke bezieht sich nicht nur auf die Individualität der Völker, sondern auch auf die Einmaligkeit jedes einzelnen Menschen, dessen Aufgabe die Verwirklichung des nur in ihm ruhenden Spezifikums ist ('werde, was du bist!').711 Bei dem Gedanken der Verkörperung absoluter Ideen und Werte im Individuum ist vor allem auch Jean Paul Friedrich Richter (1763-1825) zu nennen, der an ein festgelegtes individuelles Idealbild in jedem Menschen glaubte.79 Wilhelm von Humboldt (17671835), der das Bildungswesen (Gymnasium und Universität) des 19. Jahrhunderts maßgeblich gestaltet hat, betont, daß nichts auf Erden so wichtig sei wie die höchste Kraft und die vielseitige Bildung der Individualität.80 Daher solle jeder Mensch zu seiner eigenen, einmaligen inneren Form kommen." Dieses Gedankengut prägt natürlich auch die Geschichtswissenschaft des 19 Jahrhunderts, und das Paradigma 'Individuum Gemeinschaft' begleitet die Diskussion bis in unsere Zeit hinein.82 Es verbindet sich mit einer Vorstellung von historischer Größe, die gerade darin gesehen wird, daß sich das Allgemeine und Individuelle in einzigartiger Weise verbinden. Die klassische Formulierung dazu stammt von dem Historiker Jacob Burckhardt (1818-1897): „Die Geschichte liebt es bisweilen, sich auf einmal in einem Menschen zu verdichten, welchem hierauf die Welt gehorcht. Diese großen Individuen sind die Koinzidenz des Allgemeinen und des Besondern, des Verharrenden und der Bewegung in Einer Persönlichkeit."83 Schon früher, 1826, hat sich Schleiermacher in einer Akademieabhandlung in ähnlicher Weise mit dem Thema des 'großen Mannes' befaßt: „Wo eine neue geschichtliche Entwicklung, wo eine neues

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K.-G. FABER: Theorie der Geschichtswissenschaft, p. 45. Cf. Κ. SCHOLDER: Herder und die Anfange, p. 428; A. REBLE: Geschichte der Pädagogik, pp. 190f. 79 A. REBLE: Geschichte der Pädagogik, pp. 192f. 80 A. REBLE: Geschichte der Pädagogik, p. 193. 81 A. REBLE: Geschichte der Pädagogik, p. 194. 82 Man denke an die Auseinandersetzung um Individuum und Struktur in den 70er Jahren und an den Historikerstreit der 80er Jahre. 83 J. BURCKHARDT: Das Individuum und das Allgemeine, p. 166. 78

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oder erneutes gemeinsames Leben von einem ausgeht, da und nur da ist ein großer Mann."84 Der Philosoph schlechthin des Ideals von der großen geschichtsmächtigen Persönlichkeit aber ist im 19 Jahrhundert der Schotte Thomas Carlyle (1795-1881), der selbst als Genie verehrt wurde. Wie die og. Beispiele von Herder bis Burckhardt nahelegen, hat Carlyle vor allem deswegen solchen Ruhm genossen, weil seine „Sicht der Geschichte als die Geschichte großer Männer wie eine pathetische Bekräftigung längst verbreiteter Meinung" wirkte.85 1841 wird sein bekanntestes Werk „On Heroes, Hero-Worship, and the Heroic in History'"6 publiziert. Hier wird mit Beispielen verschiedener Heldentypen ausgeführt, daß die Weltgeschichte sich als Biographie der Heroen'7 schreiben läßt. „Gottunmittelbarkeit und absolute Priorität des genialen Einzelnen"" bilden den Kern seiner vielgelesenen Anschauung. ii)

Das Genie

Eine weitere wichtige Variante des Persönlichkeitsideals im 19 Jahrhundert drückt sich im Geniekult aus. Ein angemessenes Verständnis dieses Geniekults bedarf eines kurzen Seitenblicks auf die Geschichte des Geniebegriffs, denn die in diesem Begriffsfeld bereitgestellten Kategorien sind für das Verständnis Jesu im 19 Jahrhundert von Bedeutung. Zunächst muß festgestellt werden, daß im allgemeinen Sprachgebrauch 'Genie' sich entweder auf einen ganzen Menschen oder auf dessen Geist und Talent oder auf einen überindividuellen Geist (z.B. Genie eines Volkes/einer Ära/einer Sprache) beziehen kann. In jedem Fall drückt sich in diesem Genie aber etwas Einmaliges, Unverwechselbares aus. Das Wort 'Genie' ist in der Form des lat. genius schon im 16. Jahrhundert durch die Humanisten in die deutsche Sprache gedrungen.19 Dabei handelt es sich um einen deutlich religiös konnotierten 'Geist' in oder neben 84

D.F.E. SCHLEIERMACHER: Über den Begriff des großen Mannes, p. 527 H. KAHLERT- Der Held, p. 167; cf. den ganzen Abschnitt, pp. 163-169. 86 Erschienen als Bd. 5 von. The Works of Thomas Carlyle, ed. H D. Traill, 30 vols., London: Chapman & Hall, 1896-1901. 87 Cf. auch Carlyles Aufsatz Biography, in: Fraser's Magazine, April 1832, bzw. in Bd. 28 von: The Works of Thomas Carlyle, ed. H D. Traill, 30 vols., London: Chapman & Hall, 1896-1901, pp. 44ff. " H. KAHLERT· Der Held, p. 141. 89 Hauptsächliche Quelle für diese historischen Bemerkungen zur Begriffsgeschichte ist der materialreiche Artikel Genie von J. u. W. GRIMM in ihrem Deutschen Wörterbuch, cols. 3396-3450. 8Î

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dem Menschen, sei es als göttliche Stimme im Menschen oder als selbständiges göttliches Wesen. Die Ableitung von genius aus gignere läßt dieses göttliche Wesen auch als lebensschaffende Kraft verstehen. Im 17 und 18. Jahrhundert verbreitert sich die Anwendung des Wortes zum einen in die abstraktere Richtung (Genius/Genie der Zeit, der Menschheit), zum anderen wird ganz konkret Natur, Christus, Gott und der einzelne (meist historisch bedeutende) Mensch als Genie oder Genius bezeichnet. In Bezug auf Jesu Botschaft spricht etwa Schiller von der Lehre des himmlischen Genius 90 In der Folgezeit meint Genie vor allem den „menschengeist in seiner höchsten erscheinung, ausgehend vom gebiet der dichtung, dann erweitert auf alles menschenwesen überhaupt" 91 Die zahllosen Belegstellen bei Grimm ergeben drei miteinander assoziierte Bedeutungszusammenhänge für den Geniebegriff: es handelt sich hierbei a)um das Schöpferische, Erfinderische, b)um die Irrelevanz von Regeln bzw. die Aufhebung der Bindung an Regeln und c) um das Natürliche, Ursprüngliche, Originale, auch Naive. ad (a) Herder nennt Genies Schöpfer92 und Erfinder93, auf Genies führt v. Creuz die größten Veränderungen in der Welt, neue Religionen usw. („kurz, ein neues Menschensystem") zurück,94 für Adelung unterscheidet sich das Genie vom Talent, indem es nicht nur ins Werk setzt, sondern erschafft.95 ad (b) Schiller hält fest, daß die Regeln das Genie stören,96 Geliert, Lessing, Hamann und Goethe fordern vom Genie die Auflehnung gegen Formen, Regeln und Prinzipien.97 Den begrenzten Wert von Regeln hat Geliert in einflußreichen Vorlesungen betont, das Genie müsse sich davon selbst befreien.9'

90

Nachweis bei J. u. W GRIMM: Art. Genie (2f), col. 3402. J. u. W GRIMM Art. Genie (9), col. 3412. 92 Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (9a), col. 3414. 93 Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (9d), col. 3419. 94 Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (9d), cols. 3418f. 9 ' Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (12h), col. 3449. 96 Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (9a), col. 3413. 97 Nachweis bei J. u. W GRIMM: Art. Genie (1 le), cols. 3429-3431. 98 Nachweis bei J. u. W. GRIMM Art. Genie (9), cols. 3412ff. 91

49 ad (c) Goethe verbindet mit dem Geniebegriff das Ursprüngliche, und für Kant ist Originalität kennzeichnend für sein Verständnis des Genies." Michaelis beschreibt bei der Besprechung der Authentie neutestamentlicher Schriften „das völlige Original-Genie" der Schriftsteller Johannes und Paulus.100 Quellgeist und Urkraft kennzeichnen das Genie.101 Schiller verlangt Naivität vom Genie,102 Lessing ordnet ihm Einfalt zu.103 Die reine Kraft der Natürlichkeit ohne Kunst oder Gelehrsamkeit gilt auch in England Anfang des 18. Jahrhunderts als typisch für das Genie.104 Die religiöse Konnotation erhält sich in fast allen diesen Zusammenhängen. Dem Genie haftet Übermenschliches an, der große Mensch als Genie gilt als Halbgott, gottähnlich oder gottgleich, er ist ein Gott unter Menschen.10' Interessanterweise beschreibt Hamann die Leiden des Genies mit Bildern aus der Passionsgeschichte Jesu: „genie ist eine domenkrone und der geschmack ein purpurmantel" 106 iii)

Jesus als geschichtsmächtiger Held und als Genie

Die Modelle des geschichtsmächtigen Helden und des Genies, in denen das Individuum eine so besondere Rolle spielt, haben problemlos in die LebenJesu-Forschung Eingang gefunden. Im christologischen Rahmai tritt Jesus als Individuum, nämlich als Vorbild und Bezugspunkt persönlicher Frömmigkeit schon seit dem 12. Jahrhundert in dai Blick.107 Durch die Historisierung des Geschichtsverständnisses wird die Zentralgestalt christlichen Glaubens als historische Gestalt entdeckt, d.h. auch als großes historisches Individuum. Da das philosophische Verständnis von Geschichte untrennbar

99

Nachweis bei J. u. W GRIMM: Art. Genie (5b), col. 3407; (9f), cols. 3420f, auch (12d), col. 3445. 100 J.D. MICHAELIS: Einleitung in die göttlichen Schriften des Neuen Bundes 1, p. 47 101 Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (IIb), col. 3429. 102 Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (9a), col. 3413. 103 Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (9b), col. 3415. 104 Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (9c), cois. 3416Í 105 Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (9d), cols. 3417-3419. 106 Nachweis bei J. u. W GRIMM Art. Genie (1 lg), col. 3434. 107 Cf. D. GEORGI: Art. Leben-Jesu-Theologie, der diesen Aspekt entlang seines geschichtlichen Abrisses deutlich aufzeigt. Die wachsende Bedeutung des Individuums Jesu im zweiten Jahrtausend unterstreicht auch J. PELIKAN: Jesus Christus, p. 17.

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die historische Forschung mitbestimmt, wird der „historische Jesus" zwangsläufig in solchen geschichtsphilosophischen Kategorien gedacht. In beiden Ausprägungen des Persönlichkeitsideals, beim geschichtsmächtigen Helden und beim Genie, hat der Träger eine besondere Beziehung zum Absoluten. Ihm eignet eine mythische Qualität, die ihn von seiner Umwelt grundsätzlich unterscheidet. Burckhardt bezeichnet die wirkliche Größe als ein „Mysterium", die sich mit der „Einzigkeit" und „Unersetzlichkeit" des großen Mannes verbindet.108 Der Geniebegriff gibt dem Mysterium einen Namen, das Geniale „erklärt" in einer den christologischen Dogmen gegenüber skeptisch gewordenen Gesellschaft auf zeitgenössisch plausible Weise die historische Einzigartigkeit und deren Wirkung.109 1902 beobachtet A. Kalthoff (1850-1906) in seiner Polemik durchaus richtig: „Nachdem die liberale Theologie nicht mehr den Mut hat, sich zu dem dogmatischen Glauben zu bekennen, soll der Heros Jesus im Bewußtsein der Kirche dieselbe Stelle einnehmen wie einst der Gottmensch."110 In diesen Zusammenhang gehört auch die in der alten LebenJesu-Forschung vieldiskutierte Frage nach dem messianischen Bewußtsein Jesu, die in diesem Kontext nicht nur eine psychologische, sondern auch eine geschichtsphilosophische Dimension hat.111 Eine deutliche Differenzierung im Gebrauch des Genie- und Heldenbegriffs in Bezug auf Jesus läßt sich im allgemeinen nicht feststellen.112 Für Bousset waltet im religiösen Bereich „die Unberechenheit des Individuums, 108

J. BURCKHARDT: Das Individuum und das Allgemeine, pp. 152f. Den mythischen Charakter jenes „Genieglaubens" beschreibt Anfang des 20. Jahrhunderts kritisch E. Grisebach: „Dieser Glaube an das Genie beruht auf der Voraussetzung, daß im Menschen ein ursprüngliches Element zum Durchbruch komme, das ihn mit dem All eint und eine 'Selbsttranszendierung des Lebens' möglich macht. Das Genie soll die Einheit zwischen Menschlichem und Göttlichem herstellen Das Genie ist selbst eine mythische Gestalt." (E. GRISEBACH: Gegenwart, pp. 97f.) 110 A. KALTHOFF· Das Christus-Problem, pp. 20f. 111 Zu den politischen Implikationen der Darstellungsweise Jesu als individuelles innerlich-persönliches Genie, cf. die aufschlußreiche Untersuchung von Marilyn Chapin MASSEY' Christ Unmasked. 112 In seinen allgemeinen Ausfuhrungen zum großen Mann unterscheidet Schleiermacher diesen großen Mann vom Genie: Er ist nicht, wie das Genie, verflochten in das Leben, auf das er wirkt, weil er gerade dessen Urheber ist. Aber er ist auch beschränkt „auf das ihm von der Natur angewiesene Gebiet" (d.h. Staat oder Kirche), während das Genie in seinen (z.B. künstlerischen) Wirkungen äußerlich unendlich ist. (D.F.E. SCHLEIERMACHER: Über den Begriff des großen Mannes, pp. 526-529.) 109

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des Genius und des Heros."113 Die begriffliche Überschneidung spiegelt sich auch in Ottos Beschreibung Jesu als einer historisch nicht ableitbaren religiös-genialen Individualität.114 In der Synthese des Persönlichkeitsideals bildet das 'geniale' Element die innere Grundlage für die geschichtsmächtige heldenhafte Persönlichkeit. Das 'Geniale' ist eine Chiffre für Gott, der durch die ideale Persönlichkeit Jesus die Weltgeschichte bewegt. So ist nicht nur das Persönlichkeitsideal im allgemeinen, sondern auch die Verehrung Jesu als große Persönlichkeit im 19 und frühen 20. Jahrhundert verbreiteter Konsens.11" Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß z.B. Schleiermacher und Carlyle beide eine Scheu haben, Jesus unter die großen Manner bzw. Heroen einzuordnen.116 Diese Zurückhaltung begründet sich nicht in einer Sichtweise Jesu, die mit dem Persönlichkeitsideal nicht vereinbar wäre. Vielmehr wird Jesus prinzipiell durchaus als einzelner Großer verstanden, aber im Vergleich zu allen anderen Größen noch höher angesiedelt.117 Schon Karl Hase sieht im Charakter Jesu „das Höchste des Menschengeistes" verwirklicht, der „nicht ein buntes Abbild der auf ihn einwirkenden Außenwelt ist, vielmehr mit dem eigenen klaren Willen die Geschichte ge-

113

W BOUSSET· Die Bedeutung der Person Jesu für den Glauben, p. 303. IM £ OTTO: Leben und Wirken Jesu nach historisch-kritischer Auffassung, 1901, p. 62; zitiert nach H. KAHLERT Der Held, p. 162. 115 Cf. H. KAHLERT Der Held, p. 137 et passim. Ein zeitgenössischer scharfer Kritiker Carlyles, William Thomson (später Erzbischof von York), stellt 'heroworship' grundsätzlich überhaupt nicht in Frage, wendet sich jedoch gegen Carlyles Auswahl und Beschreibung von 'heroes' und legt Jesus, „our great example", als Maßstab für jeglichen 'hero' an. (William Thomson: Review, in: Christian Remembrances, Aug 1843, vi, pp. 121-143; abgedruckt in: Jules Paul SEIGEL (ed.): Thomas Carlyle, pp. 171-192; hier pp. 172-176.) n< Zu Carlyle cf. die These von R. apRoberts: „the whole lecture on Odin [in On Heroes, Hero-Worship and the Heroic in History, 1840] is in fact a disguised account of the nature of Christ and of the early development of Christianity, in terms as rationalist and non-supernaturalist as those of D.F Strauss's Leben Jesu (1835-1836), which was being read and reviewed by the cognoscendi in England in 1838 and 1839." (R. apROBERTS: The Ancient Dialect, p. 75) 117 Schleiermacher redet in seinen Ausführungen über den großen Mann konjunktivisch und geheimnisvoll von dem Einen, der alles menschliche Maß überschreite (D.F.E. SCHLEIERMACHER: Über den Begriff des großen Mannes, p. 528). Ausführlicheres über den historischen Jesus bei Schleiermacher und D.F. Strauß bei D. LANGE: Historischer Jesus oder mythischer Christus.

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staltet hat " m Nach D.F Strauss fließt Jesu Grundanschauung „aus der innersten Stimmung seines eigenen Herzens", in ihm sei der religiöse Genius Fleisch geworden.11' Keim betont Mitte des 19. Jahrhunderts in seinem Jesusbuch die Rolle der schöpferischen Persönlichkeit in der Weltgeschichte und nennt als seine Gewährsmänner Hegel, Schelling und Schleiermacher.120 Wenn Carlyle die Einbeziehung Jesu auch kaum vollzog, so waren deutsche protestantische Theologen zur Stelle, die dies ausdrücklich mit Berufung auf ihn taten. Mit Bezug auf die Kleideiphilosophie Carlyles121 schreibt Baumgarten 1909: „Und wir möchten glauben, daß die Ausdehnung der Heldenverehrung auf Jesus ..., den er aus echt schottischer Scheu doch außerhalb der Helden gestellt, das entsprechende Kirchenkleid abgeben würde."122 Bousset, ein großer Carlyle-Verehrer, nennt Carlyle einen Propheten123 und stellt ein Carlyle-Zitat an den Anfang seines ersten Jesusbuchs,124 in dem er Jesus als schöpferischen Genius bezeichnet.125 In seiner Auseinandersetzung mit Kalthoff stellt Bousset eindeutig fest: „Die Religion lebt nur in und von großen Persönlichkeiten. Mittelpunkt und Höhepunkt aber aller das Leben der Religion tragenden Führer ist die Person Jesu."126 Julius Wellhausen ist in seiner Israelitischen und Jüdischen Geschichte deutlich von Carlyle beeinflußt und zitiert ihn auch in Zusammenhang mit seiner Feststellung, „die Religion des Evangeliums ist der Indivi111

K. HASE: Das Leben Jesu, p. 23 (hier 2. Aufl. 1835; 1. Aufl. 1829). D.F. STRAUSS: Das Leben Jesu für das deutsche Volk, pp. 105f. 120 Th. KEIM: Geschichte Jesu von Nazara, pp. 3f. 121 Nach Carlyle sind Kleider Symbole und stehen fur alles das, was Menschen denken und tun. Kleider, auch Kirchenkleider, verschleißen mit der Zeit und bedürfen der Erneuerung durch den schöpferischen Heros, der immer von der gleichen Art ist, aber seiner Zeit gemäß rezipiert wird, so daß die Heldenverehrung einer Gesellschaft Rückschlüsse auf ihren kulturellen Stand zuläßt. 122 Otto BAUMGARTEN: Art. Carlyle, Thomas, col. 1586. 123 Titel eines Aufsatzes von W. BOUSSET: Thomas Carlyle - ein Prophet des 19. Jahrhunderts, cols. 249ff. Zu Boussets Carlyle-Rezeption, cf. H. KAHLERT: Der Held, pp. 171-202; Κ. BERGER: Exegese und Philosophie, pp. 85-114; und A.F. VERHEULE: Wilhelm Bousset, pp. 373-375. Für reiches Belegmaterial zur Hochschätzung des genialen Einzelnen bei Troeltsch, auch als Fernwirkung von Carlyle, cf. H. KAHLERT: Der Held, pp. 250-267. 124 W BOUSSET: Jesu Predigt in ihrem Gegensatz zum Judentum, p. 1. Bousset zitiert aus Carlyles Sartor Resartus eine der seltenen Stellen, in der Jesus (our divinest symbol) explizit genannt wird. 125 W BOUSSET: Jesu Predigt in ihrem Gegensatz zum Judentum, p. 79. 126 W. BOUSSET: Was wissen wir von Jesus?, p. 72. 119

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dualismus" Wellhausens Geschichtsdarstellung kulminiert in der Gestalt Jesu, der „das Ewiggiltige, das Menschlich-Göttliche in dem Brennspiegel seiner Individualität" sammelt, denn er ist „das grösste Beispiel von der zeugenden Kraft der Seele" 128 Dabei zieht Wellhausen einen Vergleich zum Judentum: „Was das Gesetz nicht bewirkt, bewirkt der individuelle Typus."129 Ähnlich stellt Holtzmann dai 'religiös-sittlichen Genius' auf die 'überjüdische' Seite Jesu, während der Messias auf die jüdische Seite gehört.130 Auch für Wrede ist die Persönlichkeit Jesu das Entscheidende, das seine „Weltanschauung" trägt.131 Der Wrede-Schüler Weidel will das „Schöpferisch-Geniale" in Jesus sehen und bezeichnet ihn als Herrenmensch, Heros und Kind, Prophet und Reformator, absoluten Individualisten und dergleichen mehr.132 Jülicher unterstreicht die einzigartige Persönlichkeit Jesu und dessen religionsgeschichtliche Bedeutung.133 Für ihn ist deutlich erkennbar, „ob ein Gedanke und die Art, wie er ausgedrückt ist, das automatische Erzeugnis einer Gemeinschaft von Menschen ist, oder die kühne Schöpfung einer einzigen überragenden Persönlichkeit" 134 Diese Auffassung war freilich nicht auf Deutschland beschränkt: in einem Jesusartikel von 1901 beschreibt A.B. Bruce Jesu Charakter und Handeln mehrfach als „heroic" und unter der Leitung eines „religious genius" 135 Die Leben-Jesu-Forschung hat durchaus Jesus in Verbindung mit dem AT gesehen. Dabei wurde mittels der „Profeten-Anschluß-Theorie" das Persönlichkeitsideal weiter durchgehalten, indem man bei dm Propheten als Vergleichsgrößen zu Jesus ansetzte. Mit der „Profeten-Anschluß-Theo-

127

J. WELLHAUSEN: Israelitische und Jüdische Geschichte, p. 321. Cf. auch Kahlerts Argumente zu Wellhausens Abhängigkeit von Carlyle, H. KAHLERT Der Held, pp. 218f. 12 * J. WELLHAUSEN: Israelitische und Jüdische Geschichte, p. 315. 129 J. WELLHAUSEN: Israelitische und Jüdische Geschichte, pp. 315f. 130 H J. HOLTZMANN: Das messianische Bewußtsein Jesu, p. 99. 131 W WREDE: Die Predigt Jesu vom Reiche Gottes (1894), in: Id.. Vorträge und Studien, pp. 84-126; p. 126: „Ueber allem aber, was man die Weltanschauung Jesu nennen kann, steht das, was sie beseelt, seine Persönlichkeit." 132 K. WEIDEL: Jesu Persönlichkeit, pp. 10-12. 133 Α. JÜLICHER: Die Religion Jesu, pp. 47.68. 134 Α. JÜLICHER: Neue Linien in der Kritik der evangelischen Überlieferung, p. 74. 135 A.B. BRUCE: Art. Jesus, cols. 2441.2442.2447.

54 rie"136 ist die Vorstellung von der Rolle „großer Männer" in die Geschichte des Alten und Neuen Testaments integriert worden. Dadurch erscheinen die alttestamentlichen Propheten als eine „Kette religiöser Heroen",137 die die Religion Israels stifteten. Interessanterweise findet sich auch bei dem Historiker Eduard Meyer die Ansicht, Israels Propheten seien eine vorzügliche Verkörperung einer „well-defined individuality as a dominant agent under a religious form", so daß es hier zu „the first great action of individuality in the history of mankind" komme.138 Der Zusammenhang zwischen der Vorstellung von der großen Persönlichkeit, den Propheten und Jesus wird ganz deutlich bei Duhm: Die Propheten, Führer der Menschheit, haben einen ganz eigenen Genius und gelten als „die Männer des ewig Neuen" Ihre Nachgeschichte war ein Abstieg, und schließlich kreuzigte Israel Jesus, „den gefahrlichen Neuerer" 139 Die Theorie vom Niedergang nach der prophetischen Zeit ist in der alttestamentlichen Wissenschaft - bis weit in das 20. Jahrhundert hinein selbstverständlich vorausgesetzt worden.140 Dies bildet die Grundlage für das Postulat, Jesus schließe an die großen Propheten an. Eine Profeten-Anschluß-Theorie findet sich schon bei Strauß: „So war in dem späteren Judenthum, wenn wir es mit dem Standpunkte der Propheten vor und unter dem Exil vergleichen, ein Rückschritt nicht zu verken136

Dieses Schlagwort von Klaus Koch drückt aus: „Jesus von Nazareth, vielleicht schon Johannes der Täufer, knüpfen über 5 Jahrhunderte Verfall hinweg bei den großen Profeten an, deren Reihe mit Deuterojesaja endete." Mit Jesus setzt sich demnach „der Gott der Profeten aufs neue durch, wahrer und menschlicher als je zuvor." (K. KOCH: Ratlos vor der Apokalyptik, pp. 35f) 137 GUNKEL, H.. Art. Individualismus 1.1. und Sozialismus im AT, col. 498. 138 E. MEYER: The Development of Individuality, p. 220. Liebeschütz vergleicht Meyer und Jacob Burckhardt und stellt trotz aller Unterschiede fest, daß die Anschauung von der „Selbstentdeckung des Individuums als höchste Stufe des Menschentums" diese beiden Söhne des 19. Jahrhunderts miteinander verbindet (H. Liebeschütz: Das Judentum im deutschen Geschichtsbild, p. 284). Burckhardt hatte übrigens ebenfalls eine hohe Meinung von den Propheten und war in dieser Einschätzung von seinem Lehrer De Wette abhängig (ibid., pp. 221-223) 139 Β. DUHM: Israels Propheten, pp. 4.8. In der 41 Jahre früher entstandenen Theologie der Propheten (1875) macht Duhm die Voraussetzung seiner Darstellung explizit, „diejenige nämlich, dass die Entwicklung nicht allein in der Bewegung der Masse, auch nicht allein in der Einwirkung des äussern Gangs der Geschichte begründet ist, sondern vor allem in der Persönlichkeit der hervorragendsten grossen und edlen Geister ruht." (p. 20) 140 Cf. hierzu den Exkurs: „Der geschichtsphilosophische Entwicklungsgedanke", unten 11,1.4.

55 nen; mit seiner Richtung auf äußerlichen Dienst, auf Vermehrung und spitzfindige Ausspinnung des Ceremonienwesens war es dem Gott, den es suchte, wieder ungleich ferner gerückt als die Propheten, die seine Gegenwart im Geiste des Menschen geahnt, in Rechtschaffenheit und Menschenliebe seinen wahren Dienst erkannt hatten." „Indem Jesus diese heitere, mit Gott einige, alle Menschen als Brüder umfassende Gemüthsstimmung in sich ausbildete, hatte er das prophetische Ideal eines neuen Bundes mit in's Herz geschriebenen Gesetz (Jerem. 31,3 lfg.) in sich verwirklicht."141 Auch Ernest Renan (1823-1892, bekannt durch sein La vie de Jésus, 1863) sieht Jesus auf einer Linie mit den großen Propheten.142 Sogar Kalthoff, der Christus gerade nicht als historisches Individuum, sondern als „das transcendente Prinzip der Kirche" auffasst, behauptet, daß „der Christus der Evangelien über die Schriftgelehrsamkeit von Jahrhunderten hinweg dem Genius der Propheten eine Auferstehung bereitete" 143

Kahlert hat ganz richtig gesehen, daß die Profeten-Anschluß-Theorie eine weitere Facette der Heldenverehrung darstellt:144 Die Propheten stifteten die (partikulare) Religion Israels, Jesus stiftet die universale Religion des Christentums. Um Kontinuität und Diskontinuität zwischen der jüdischen Herkunft Jesu und Jesus selbst zu bestimmen, wird eine bestimmte Variation des Persönlichkeitsideals ins Spiel gebracht. Jesus wird als der Typ des Übergangsmenschen interpretiert, den Meinecke so definiert: „Alle großen reformatorischen Persönlichkeiten sind Übergangsmenschen gewesen, deren Inneres 'zweier Zeiten Schlachtgebiet' war, deren Gedankenwelt der eindringenden Forschung oft eine überraschende Kontinuität mit der von ihnen gesprengten Überlieferung aufweist. Der Neuerer stößt regelmäßig nur einen Teil des Alten bewußt von sich ab und verläßt kaum je ganz dessen nährenden Boden."145 Ebenso versteht Burckhardt den geschichtlichen Helden überhaupt in dieser Weise: „In den Krisen kulminiert in den großen Individuen zusammen das Bestehende und das Neue (die Revolution)."146 So ordnet Kolbing Jesus in die Reihe religiöser Reformatoren ein. Diese bedienen sich, „wenn es sich um den Ausdruck ihres religiösen Erkennens

141

D.F STRAUSS: Das Leben Jesu für das deutsche Volk, vol. 1, pp. 85.105. Cf. D. M. HOFFMANN: Renan und das Judentum, pp. 264.280. 143 Α. KALTHOFF· Das Christus-Problem, pp. 26.86. 144 H. KAHLERT· Der Held, p. 279; p. 280: „'Heldenverehrung' ist die geheime Ideologie der 'Profeten-Anschluß-Theorie." 145 F MEINECKE: Persönlichkeit und geschichtliche Welt, p. 7 146 J. BURCKHARDT: Das Individuum und das Allgemeine, p. 166. 142

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handelt, nicht aus Akkomodation, sondern aus innerem Bedürfnis der überlieferten Formen religiöser Erkenntnis oder lehnen sich doch an sie an, um sie, ihnen selbst oft unvermerkt, mit neuem Inhalt zu füllen."147 Hier wird deutlich, wie die Charakterisierung Jesu als Übergangsmensch sich gleichzeitig auch als eine zeitgenössische Weise des Umgangs mit eben jenem Sachverhalt verstehen läßt, der 100 Jahre zuvor die Akkomodationstheorie hervorrief: mit dem Sachverhalt nämlich, daß Jesus sich durchaus in jüdischen Formen bewegt hat. Als Übergangsmensch oder Reformator aber muß er über sie hinausgehen. So betont Jülicher zwar die tiefe Verwurzelung Jesu in jüdischem, alttestamentlichem Boden, fügt jedoch einschränkend hinzu: „aber seine Wipfel ragen weit über das Höchste, was in jenem Walde je gewachsen war, in überjüdische Regionen."148 Stärker noch als Kolbing macht Ninck deutlich, daß die Erscheinung Jesu zwar nicht als völlig neu wie vom Himmel her nachweisbar ist, aber das „Überkommene ist unter seinen Händen alles neu geworden" 149 Dagegen argumentiert J. Weiss schon früher gegen „die rationalistische Neigung, die Bedeutung Jesu in der Neuheit der von ihm vorgetragenen Gedanken und Lehren zu suchen" Für ihn ist es selbstverständlich, daß „die neue Religion sich an die Gedankenformen und Ausdrucksweisen ihrer Zeit anschließt. "150 Warn Weiss die entscheidende Größe Jesu nicht in seinen Theorien, sondern in seinem gelebten Glauben sieht, dann rückt hier wieder die Persönlichkeit in den Mittelpunkt.151 Schließlich vertritt Weiss eine Akkomodationstheorie: „Auch der gewaltigste Genius steht unter dem Druck der Überlieferung, und wenn er sein inneres Leben mitteilen will, so kann er zunächst nur in allgemein verständlichen Worten sagen, was er leidet."152 Neben der Anknüpfung an Israels Erbe sind noch weitere Punkte zu nennen für die theologische Relevanz bestimmter Aspekte des Persönlichkeitsideals: Jesus ist der große Religionsstifter Mit der Betonung der Einzigkeit Jesu, gerade auch in Bezug auf seine Stiftung des Christentums, wird die Absolutheit des Christentums unterstrichen. Jesus gilt historisch als Ausgangspunkt (besser: als Ausgangspersönlichkeit) und Kern des 147

Ρ KOLBING: Die geistige Einwirkung Jesu auf Paulus, p. 36. A. JÜLICHER: Die Religion Jesu, p. 54. 149 J. NINCK: Jesus als Charakter, p. 277; ibid. (bezogen auf jüdische Tradition): „Was er nicht zitiert, ist wichtiger, als was er zitiert." 150 J. WEISS: Die Predigt vom Reiche Gottes, pp. 34f. 151 An anderer Stelle führt Weiss die „Entstehung des ältesten Christentums auf eine Wirkung der Persönlichkeit Jesu auf seine Jünger zurück." (Das Problem der Entstehung des Christentums, p. 515) 152 J. WEISS: Das Problem der Entstehung des Christentums, p. 427. 141

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Christentums, und das nicht erst bei der liberalen Theologie des ausgehenden 19. Jahrhunderts, sondern schon bei F.C. Baur: „Kann man überhaupt von dem Wesen und Inhalt des Christenthums reden, ohne zum Hauptgegenstand der Betrachtung vor allem die Person seines Stifters zu machen, und dai eigentümlichen Charakter des Christenthums eben darin zu erkennen, dass es alles, was es ist, einzig nur durch die Person seines Stifters ist "153 Wo Jesus thematisiert wird, steht damit umgekehrt auch das Christentum zur Debatte. Und schließlich will die Betonung der Persönlichkeit in der Endphase der alten Leben-Jesu-Forschung eine Nähe des modernen Menschen zu Jesus ermöglichen. Der Persönlichkeitsbegriff erhält hermeneutische Funktion. Das Scheitern des Versuchs einer historischen Biographie Jesu ist erkannt, aber in den Jesusworten der Synoptiker meint man, authentische Äußerungen Jesu vorliegen zu haben, die auch ohne exaktes Wissen um die jeweiligen Umstände einen Einblick in seine Persönlichkeit gewähren könnten.154 Persönlichkeit wird dabei als eine isolierbare und zeitlose Größe verstanden, über die der Zugang zu Jesus erfolgen kann. Dabei wird also zum einen die Persönlichkeit ohne Kontext für erfaßbar gehalten. Zum anderen soll über den historischen Graben hinweg Nähe zu Jesus durch die Größe 'Persönlichkeit' vermittelt werden. Diesem statischen Menschenbild zufolge finden wir in der Vergangenheit „Menschen von unserem Fleisch und Blut, Geist von unserem Geist, persönliches Leben, wie wir es selbst erleben."155 Das Verständnis Jesu als große Persönlichkeit kann jedoch auch die Differenz zwischen Jesus und allen anderen hervorheben. Das zeigt sich beim Thema des Bewußtseins Jesu. Schleiermacher spricht vom „Selbstbewußtsein" Jesu, das ihn von allen anderen Menschen unterscheide.156 Das Thema des - möglicherweise messianischen - Bewußtseins Jesu im psychologisch-historischen Sinn hat die alte Leben-Jesu-Forschung dann nachhaltig beschäftigt. Christologische Hoheit wird als Messiasbewußtsein historisch greifbar. Lührmann weist auf den Begriff persona als den christologischen Hintergrund für 'Persönlichkeit' hin.157 Daran zeigt sich wieder eine für die

153

F.C. BAUR: Das Christenthum und die christliche Kirche, pp. 221 So argumentiert K. WEDDEL: Jesu Persönlichkeit, pp. 7f. 155 E. PREUSCHEN: Idee oder Methode, p. 8. Die Analogie zu manchem kurzschlüssigen Versuch unserer Tage, anhand der Psychologie Jesus nahe zu kommen, liegt auf der Hand. 15i D.F.E. SCHLEIERMACHER: Das Leben Jesu, p. 109. 157 D. LÜHRMANN: Die Frage nach Kriterien, p. 61. 154

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Leben-Jesu-Forschung typische Verlagerung christologischer auf historische Bezugspunkte in der theologischen Argumentation. Die in diesem Abschnitt genannten Beispiele illustrieren, wie Jesus dem Zeitgeist gemäß - als religiöses Genie oder geschichtsmächtiger Held begriffen wird: als Prophet, Übergangsmensch und Reformator, Stifter und Persönlichkeit. Mit diesen Kategorien verbindet sich ein bestimmtes historisches Erklärungsmodell für das Verhältnis Jesu zum Judentum seiner Zeit und zum Urchristentum. Im folgenden ist zu zeigen, wie dieses geschichtsphilosophische Konzept die historische Rekonstruktion und Methode entscheidend mitbestimmt. iv)

Das Persönlichkeitsideal als Voraussetzung für das Differenz kriterium

Ob persona, Persönlichkeit oder Genie, ob Jesus 'Genie' anhaftet oder er selbst eines ist: es handelt sich immer um eine möglichst plausible Kategorie,158 an der die Einzigartigkeit Jesu festgemacht werden kann. Wie zu zeigen ist, läßt sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Differenzkriterium und den Charakteristika des Persönlichkeitsideals feststellen. Um die folgenden Ausführungen zu gliedern, greifen wir auf die drei miteinander assoziierten Charakteristika zurück, die in den historischen Bemerkungen zum Geniebegriff genannt wurden. Es sind dies die Attribute: (a) schöpferisch und erfinderisch; (b) nicht an Regeln gebunden bzw. diese aufhebend und (c) natürlich, ursprünglich und original. ad (a) Ein Verständnis Jesu als schöpferische Gestalt betont seine prinzipielle Andersartigkeit im Vergleich zu seiner Umwelt. Dadurch läßt sich die Fassung des Differenzkriteriums als Unableitbarkeitskriterium verständlich machen: Was völlig neu geschaffen wird, läßt sich nicht ableiten. R. Otto sieht die neue Religion Jesu aufbrechen „aus der Tiefe und dem Geheimnis seiner religiös-genialen Individualität: eine Tiefe und ein Geheimnis, das sich allem psychologischen Sezieren verschließt und allem künstlichen historischen Ableiten sich widersetzt."159 Hier läßt sich ein Grundgedanke des DKJ, sogar in seiner Form als Unableitbarkeitsprinzip, klar in seinem Zu-

158

"Plausibel" im Sinn, daß ein gesellschaftlicher Konsens über die Bedeutung dieser Kategorie besteht. 159 R. OTTO: Leben und Wirken Jesu nach historisch-kritischer Auffassung, 1901, p. 62; zitiert nach H. KAHLERT: Der Held, p. 162.

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sammenhang mit dem Persönlichkeitsideal erkennen ohne aber in dieser Zeit als DKJ formuliert zu werden. Das schöpferische Element steht dann in einer besonderen Verbindung mit dem gesellschaftlichen Umfeld der großen Persönlichkeit, wenn diese Gesellschaft des Heros bedarf, um aus einer Krise geführt zu werden.160 Aus dieser Krisensituation ergibt es sich, daß sich die große Persönlichkeit gerade durch ihren neuen, schöpferischen Beitrag auszeichnet. Carlyles Geschichtsphilosophie ist eine Variante des Grundgedankens vom einsamen Individuum gegen den Rest der Welt.161 Nach Carlyles Theorie treten in den Krisenzeiten der Menschheit Führelpersönlichkeiten auf, die die Rettung bringen. Bei Bousset wird diese Vorstellung besonders deutlich auf die Gestalt Jesu im Judentum übertragen.162 Dadurch bestimmen sich die Führerpersönlichkeit Jesus und die Krisengestalt 'Spätjudentum' antithetisch gegenseitig. Berger weist auf den zweifachen Einfluß Carlyles hin: ,,a) Betont wird [in Boussets Arbeiten] das unbewußte, schöpferische Leben, das sich mit dem Neuen verbindet (ausdrücklicher Rekurs auf Carlyle), und b) das vorjesuanische Judentum erhält die Züge der von Carlyle geschilderten Krisensituationen, was insbesondere die Erstarrung betrifft. Es wird zur Folie für die Persönlichkeit Jesu."163 Mit diesem Geschichtsbild als Vorverständnis wird deutlich zwischen Jesus und Judentum getrennt. Das Entscheidende an Jesus sind diejenigen Elemente, die zum Judentum differieren. Damit legt sich das DKJ für die exegetische Arbeit zur Rekonstruktion der historischen Gestalt Jesu nahe. Es wird aber nicht als Authentiekriterium verwendet, sondern allenfalls zur 160

Cf. auch J. BURCKHARDT- Das Individuum und das Allgemeine, p. 166: „In den Krisen kulminiert in den großen Individuen zusammen das Bestehende und das Neue (die Revolution). Ihr Wesen bleibt ein wahres Mysterium der Weltgeschichte; ihr Verhältnis zu ihrer Zeit ist ein hieròs gamos (eine heilige Ehe), vollziehbar fast nur in schrecklichen Zeiten, welche den einzigen höchsten Maßstab der Größe geben, und auch allein nur das Bedürfnis nach der Größe haben." 161 Cf. E. MEYER: The Development of Individuality, p. 222: „the conscience of a single individuality in opposition to the whole surrounding world" 162 Während dem 'Spätjudentum' neue sittliche Impulse, eine wirklich lebendige Kraft und ein schöpferischer Geist fehlten, sei Jesu Predigt wahrhaft schöpferisch, so W BOUSSET Jesu Predigt in ihrem Gegensatz zum Judentum, pp. 31.38.41. Cf. auch J.B. HEINRICH: Christus, p. 29, wo von der „herabgekommensten Zeit des Judenthums" die Rede ist. Beispiele für die Behauptung des Niedergangs des Judentums zur Zeit Jesu sind Legion. 163 K. BERGER· Exegese und Philosophie, p. 96.

60 Erhebung des Entscheidenden, Wesentlichen: „aus dem Echten [muß] wiederum das Wesentliche erhoben werden: Das Wesentliche ist das Neue, ist das Originale. Nicht das, was Jesus mit seinem Volk und seiner Zeit teilt, ist das, was geschichtliche Bedeutung gehabt hat, sondern was er über sie hinaus besaß."164 Schließlich und vor allem führt die religionsgeschichtliche Arbeit mit dem Heros-Modell (und der Verehrergemeinschaft) in Verbindung mit der klassischen Quellenkritik direkt zum DKC in seiner berühmten Definition von Ρ W Schmiedel: „When a profane historian finds before him a historical document which testifies to the worship of a hero unknown to other sources, he attaches first and foremost importance to those features which cannot be deduced merely from the fact of this worship, and he does so on the simple and sufficient ground that they would not be found in this source unless the author had met with them as fixed data of tradition. The same fundamental principle may be safely applied in the case of the gospels, for they also are all of them written by worshippers of Jesus."165 Dieses DKC, das hier auf der Basis und in der Sprache der 'Heldenverehrung' formuliert wird, findet sich sachlich schon bei Reimarus und D.F Strauss. Interessant bei Schmiedel ist, daß er sich persönlich von der Heldenverehrung Jesu deutlich distanziert. Die Verehrung Jesu durch die ersten Christen sei zu weit gegangen, und ebenso lehnt er auch den Jesuskult seiner Zeitgenossen ab. Die Vorstellung, Jesus sei absolut vollkommenes Vorbild gewesen und habe ganz Neues gebracht, hält Schmiedel keineswegs für frömmigkeitsrelevant. „Für meine Person wende ich auf Jesus nicht einmal das Wort an, er sei einzigartig; denn entweder sagt es gar nichts, insofern jeder Mensch einzigartig ist, oder es läßt sich so verstehen, daß es zuviel sagt."166 Auf diesem Hintergrund gewinnt das DKC bei Schmiedel gerade die Funktion, kritisch gegen ein vom Persönlichkeitsideal geprägtes Bild Jesu vorzugehen. Daher läßt diese Perspektive ein parallel formuliertes DKJ nicht zu, welches sich ja auf die Besonderheit Jesu unter seinen Mitmenschen richtet.

164

H. WEINEL: Biblische Theologie des Neuen Testaments, p. 42. Weinel schließt damit an Semlers Argumentationskette 'historisch - wesentlich - christlich' (s.o., II.1.2.c)an. 165 Ρ W SCHMIEDEL: Art. Gospels, col. 1872. 166 Ρ W SCHMIEDEL: Die Person Jesu, p. 280; vgl. hierzu die ganzen Ausführungen auf pp. 280f.

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ad (b) Auf dem gleichen Blatt wie die Betonung der schöpferischen Persönlichkeit Jesu inmitten einer verfallenden Gesellschaft steht der Nachdruck auf seine Ablehnung dessen, was für diese Gesellschaft als zentral angesehen wird: das Gesetz, besonders die sog. Gesetzeskasuistik. Die Beschreibung der Differenz Jesu zum Judentum stützt sich u.a. auf die behauptete Ablehnung dieses Gesetzes bzw. des Gesetzlichen durch Jesus. Diese Ablehnung wird als eine geschichtliche Neuerung bzw. als Rückgriff auf prophetisches Gut verstanden, denn das Gesetz, das Ferdinand Weber (1836-1879) erstmals abwertend mit Gesetzlichkeit verbindet und als solches zum Wesen der jüdischen Religion erklärt, wird bei dem wirkungsmächtigen Wellhausen zum Unterscheidungsmerkmal zwischen Israel und Judentum.167 Jesus bringt dem sittlichen Leben eine „Vielheit urkräftig neuer Impulse", bei ihm ist „alles zunächst unmittelbares Leben und That, fast nichts Lehre und Theorie" 161 So polemisiert er „gegen die sinnverwirrende Menge der Satzungen" und „gegen das das Leben zerreissende Vielerlei der Gesetze" 169 Das romantisch gefärbte Persönlichkeitsideal, das die Ablehnung von Regeln und Prinzipien impliziert, trägt daher - neben dem konfessionell-protestantischen Hauptmotiv in dieser Frage des 'Gesetzes' - auch zur inhaltlichen Spitze des Differenzkriteriums als DKJ bei. Allerdings ist das DKJ in dieser theologisch befrachteten Hinsicht erst in der 'neuen Frage' nach dem historischen Jesus in der Mitte des 20. Jahrhunderts wichtig. ad (c) Auch das dritte og. Bedeutungsfeld des Ursprünglichen und Einfachen läßt sich in einen Zusammenhang mit dem Differenzkriterium stellen. Das DKC sucht nach dem nicht Gebildeten, nach dem Einfachen, das eben nicht von der werdenden Kirche geformt, sondern in ursprünglicher einfacher Kraft von Jesus selbst geschaffen wurde. Auch hier zeigt sich der Zusammenhang, daß das Verständnis Jesu als eines Genies die Erwartung fördert, seine Worte ließen sich an jener einfachen Urkraft erkennen. Der Einfluß eines romantischen Ideals ist dabei nicht zu übersehen. Bousset betont die große Schlichtheit der Gestalt Jesu.170 Wemle stellt fest: „Je mehr wir in der 167

G.F MOORE: Christian Writers on Judaism, pp. 228-237 Dies steht natürlich auch in Verbindung mit der og. „Profeten-Anschluß-Theorie" 1411 W BOUSSET· Jesu Predigt in ihrem Gegensatz zum Judentum, p. 51. 169 W BOUSSET Jesu Predigt in ihrem Gegensatz zum Judentum, p. 54. 170 W BOUSSET· Was wissen wir von Jesus?, p. 52; ibid.. „Jesu Gestalt ist so einfach, daß sie das Auftragen auf eine Fläche verträgt, so wirklich und ein-

62 Überlieferung uns Jesus selber nähern, desto mehr tritt alles Dogmatische und Theologische zurück" 171 Jülicher beschreibt den Zauber frischen Lebens und stellt einen Vergleich zwischen dem ursprünglichen Diamanten und dem geschliffenen Glas an, um die einzigartige Leuchtkraft des wirklichen Jesus zu illustrieren.172 Um als (meist eher intuitives) Kriterium zu wirken, ist diese Charakterisierung Jesu abhängig einerseits von der Beschreibung des Judentums z.Zt. Jesu als dekadent (z.B. Vorwurf der gesetzlichen Sophisterei) - dann führt sie zum DKJ, andererseits von einer mehr oder weniger kirchenkritischen Haltung, die in der sich formierenden Kirche den Verlust des ursprünglichen frischen Impulses Jesu sieht - dann bildet sie eine Grundlage für das DKC. Die drei Charakterisierungen Jesu, die von der Genie- und Heldenverehrung inspiriert sind, stehen untereinander in Verbindung und geben jeweils Anstöße fur verschiedene Varianten des Differenzkriteriums ab. Das Genie ist schöpferisch und (religions)stiftend.

—> Das Judentum steckt —> DKJ in der Krise, —> die ersten Christen —> DKC sind Epigonen und 'judaisieren'.

Das Genie verstößt gegen —> Das Judentum ist Regeln und Prinzipien. durch Gesetzlichkeit, —> das Christentum durch Dogmen belastet.

--> DKJ

Das Genie äußert sich —> gg.ein verkünsteltes einfach und ursprünglich. Judentum —> und gg. die sich formierende Kirche

~> DKJ

~> DKC

--> DKC

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß nicht nur Jesus selbst im Rahmen des Persönlichkeitsideals als großer Mensch verstanden wurde. Auch seine Lehre wird interpretiert als Befreiung vom (jüdischen) Nationa-

drucksvoll, daß sie der Plastik der historisch-pragmatischen Darstellung entbehren kann, so groß und herrlich, daß ihre Herrlichkeit aus dem Mosaik noch herausleuchtet." 171 Ρ WERNLE: Die Quellen des Lebens Jesu, p. 87. 172 A. JÜLICHER: Die Religion Jesu, p. 45.

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lismus zugunsten eines universalen Individualismus, so bei Bousset.173 Dieser mit dem Persönlichkeitsideal verbundene Gegensatz, der zwischen Judentum und Christentum gesehen wurde, trägt auch zur Plausibilität des DKJ bei. Exkurs: Das literarische Genre „Jesusbuch" Die genannten geschichtsphilosophischen Tendenzen, Jesus als einsame und einzigartige Persönlichkeit zu sehen, gehören zum Kontext des literarischen Genre 'Jesusbuch', in der die Leben-Jesu-Forschung ihren verbreitetsten Ausdruck fand. Bei dieser literarischen Form ist der Zusammenhang zum Roman des 19. Jahrhunderts nicht zu übersehen, in dem die „innere Wichtigkeit des Individuums den geschichtlichen Gipfelpunkt erreicht" hat. 114 Darin hat der Roman ebenso wie die Leben-Jesu-Forschung Anteil an den Tendenzen der allgemeinen Geistesgeschichte. Sofern die Leben-Jesu-Forschung in literarische Darstellungen mündet, sind freilich direkte Parallelen der Jesus-Darstellung zu Merkmalen des Romans im 19. Jahrhundert auffallig. Natürlich ist ein historisches Jesusbuch von einem fiktiven Roman zu unterscheiden. Das Jesusbuch läßt sich nicht einfach in das Genre 'Roman' einordnen. Auffallig ist aber, daß Geschichtsforscher allgemein sowie Leben-Jesu-Forscher im 19. Jahrhundert immer wieder ganz offen das Element der Intuition und der Divination für die historische Rekonstruktion betonen. 175 Jede historische Darstellung ist zugleich ein kreativer Vorgang im literarischen Bereich. Daher ist der Vergleich zwischen Jesusbuch und Roman legitim und sinnvoll. In seinem klassischen Werk zur Entwicklung des Romans im späten 18. und im 19. Jahrhundert beschreibt Watt die Absicht des Romanautors, einen authentischen Bericht von tatsächlichen individuellen Erfahrungen zu geben. 176 Originalität und Individualität sind Kriterien für das sich konstituierende Genre des Romans, das sich gegen einen literarischen Traditionalismus durchsetzen will. Von Belang ist dabei die Bedeutungsverschiebung im Wort 'original', auf die Watt aufmerksam macht: meint es im Mittelalter noch 'von Anfang an existierend', bedeutet es nunmehr 'nicht abgeleitet, unabhängig'. Die im Roman zu berichtenden individuellen Erfahrungen sind in diesem Sinn einmalig und neu. 177 Im Bereich der Geschichtsphilosophie haben wir bereits gesehen, wie das allgemein geltende Persönlichkeitsideal noch einmal verstärkt auf Jesus übertragen wird. Ebenso gilt dies nun für die literarische Darstellung der Innerlichkeit 173

W BOUSSET' Jesu Predigt in ihrem Gegensatz zum Judentum, p. 50. Id.. Das Wesen der Religion, p. 163. 174 G. LUKACS: Die Theorie des Romans, p. 103. 175 Cf. R S. TURNER: Historicism, Kritik and the Prussian Professoriate, p. 474. 176 Das Folgende nach I. WATT The Rise of the Novel. Studies in Defoe, Richardson and Fielding, Harmondsworth: Penguin, 1972 (1st ed. 1957), pp. 9-37. 177 Cf. die englische Bezeichnung 'novel' fiir 'Roman'.

64 Jesu. Die Betonung des subjektiven Erlebens, von der bereits die Blüte des Entwicklungsromans im 18. Jahrhundert zeugt, schlägt sich, wie schon erwähnt, auch in den Fragen um das Bewußtsein Jesu nieder. Mit der Personalisierung von Geschichte verstärkt das Genre 'Jesusbuch1 gleichzeitig ein entsprechendes geschichtsphilosophisches Verständnis der Gestalt Jesu. So bemerkt Helmut Scheuer in seinen Studien zur literarischen Gattung der Biographie: „ die Isolierung der Person ist ja nicht nur eine Darstellungstechnik, sondern zugleich wird damit auch ein bestimmtes Geschichtsverständnis vermittelt."178 In diesem Sinn handelt es sich also um einen Zirkel: die heldenhafte geniale Gestalt Jesu wird zum Thema eines Jesusbuchs, diese Darstellung bedingt wiederum ein entsprechendes Jesus- und Geschichtsverständnis. Diese Darstellungsweise Jesu wird aber auch durch eine sehr viel ältere Tradition gefordert, zu der die Hagiographie und der imitatio-Gedanke gehören. Die im ausgehenden Mittelalter aufkommende Betonung des Individuums führt in der Frömmigkeitsform der Devotio moderna zum Verständnis Jesu als eines besonderen Individuums und darum als Vorbild.179 Die Christozentrik der Reformation stellt im Raum des Protestantismus auch den irdischen Jesus (dabei vor allem dessen Leiden und Kreuzestod) in den Mittelpunkt des Interesses. In der ethisch ausgerichteten erwecklichen Erbauungsliteratur wird das Bild Jesu als eines herausragenden Individuums immer wieder neu ins Zentrum der Lebensorientierung gestellt. Das Stichwort der 'Nachfolge Jesu' deutet die Vorbildhaftigkeit der Gestalt Jesu an, in der das historische Einst und das Jetzt eng zusammenrücken. Was im 17 Jahrhundert poetisch gesagt wird - „'Mir nach', spricht Christus, unser Held, Ich bin das Licht, ich leucht euch für mit heiigem Tugendleben."180 - soll im 19. Jahrhundert das Jesusbuch mit historischem Anspruch vertreten. In dieser Zeit tritt das pädagogische Element hinzu, das die Personalisierung der Geschichte mit der Vorbildfunktion begründet.181 Schließlich lebt die Lesbarkeit eines populären Jesusbuchs auch immer von dem von Lapide so genannten 'Grundgesetz der Dramaturgie', dem gemäß der Held Jesus besonders stark von seinen Gegenspielern, in diesem Fall den Juden, abgesetzt werden muß,182 und dies gilt besonders in Anbetracht seines gewaltsamen Todes, der ja in der Tat eine Erklärung fordert. Durch all das wird die Differenz Jesu zum Judentum weiter betont. 178

H. SCHEUER: Biographie, p. 197 Zu den durch Ranke, Droysen und Dilthey vertretenen Typen der Biographik im Kontext des deutschen Historismus, cf. J. OELKERS: Biographik, pp. 300-303. 179 So bei W Ockham. Cf. D. GEORGI: Art. Leben-Jesu-Theologie, p. 567; dort weitere Literatur. 180 Johann SCHEFFLER (1624-1677), EG 385 (Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die EKHN, Frankfurt: Spener 1994). 181 H. SCHEUER: Biographie, p. 205. 182 P. LAPIDE: Der Jude Jesus, p. 15.

65 Exkurs: Das Gelehrtenideal der einsamen

Originalität

Das schöpferische Persönlichkeitsideal hat, maßgeblich durch Humboldt, deutsche Gymnasien und Universitäten auch dahingehend geprägt, daß die Ausbildung der Individualität zum Leitbild wurde. Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts löste ein neues Leistungssystem die Herrschaft der Gelehrtengeschlechter allmählich ab. An der Leistungsuniversität sollte schöpferische Forschungstätigkeit Priorität haben. Durch die Notwendigkeit, sich zu profilieren, wurde Originalität Voraussetzung für den Aufstieg an der Universität des 19. Jahrhunderts. In seinem hohen (Selbst)verständnis als Gelehrter hat Fichte zudem nicht nur selbsttätige und schaffende Akte des Geistes verlangt, sondern dies mit der höchsten Stufe sittlicher Ausbildung verbunden, die den Gelehrten zum Lehrer des Menschengeschlechts machen soll.183 So konnte dieses Idealbild der Gelehrten für ihren eigenen Stand - das Leitbild der einsamen individuellen Originalität - mit dem Idealbild für Jesus verschmelzen. Historische Abhängigkeiten und Ableitbarkeiten waren kaum von Interesse. Auch wenn diese Einbettung gesehen wurde - das Wesentliche blieb das Neue, Originale, denn dies hat geschichtliche Bedeutung,184 auch im Leben eines Gelehrten an der Universität. c) Historismus und Authentizität Das Differenzkriterium hat zur Aufgabe, historisch Authentisches festzustellen und unterscheidet zwischen authaitischer, d.h. ursprünglicher, und später entstandener Überlieferung. Somit ist es ein Instrument der historisch-kritischen Methode, die es sich zum Ziel gesetzt hat, „mittels kritischer Prüfung der beschriebenen Vergangenheit die 'wirkliche' Vergangenheit zu rekonstruieren."1" Der Historismus im 19. Jahrhundert betrachtet Wahrheit grundsätzlich als historische Wahrheit. Im Bereich der Theologie tritt damit Jesus als historische Gestalt in dai Mittelpunkt. „Seine Lehre und sein Glaube wurde als Kern des Christentums betrachtet, er war dai Liberalen der Bringer der vollkommenen Religion. ",,

Jesus



Christentum

verhält es sich so:

Judentum



>

Christentum

Betrachten wir zunächst die Einwirkung des historischen Kontextes auf Jesus, also seine Einbettung in die Geschichte des Judentums. Für Jesus gilt wie für jeden Menschen, daß er aus einer langen biologischen und historischen Vorgeschichte hervorgegangen ist. Aufgrund der Komplexität dieser Vorgeschichte ist er wie jedes Individuum biologisch und historisch ein 12

K. HÜBNER: Kritik der wiss. Vernunft, p. 334-337 T. NIPPERDEY: Kann Geschichte objektiv sein, p. 231. 14 Gedacht ist hier etwa an die Wirkungen des Osterglaubens, der Heidenmission und des Paulus auf die Heranbildung des Christentums. 13

193 „absurder Grenzfall von Unwahrscheinlichkeit" 15 Auch für ihn gilt, daß „the individual is not a social atom [but] a complex synthesis of social elements."16 Das Anliegen des DKJ, die Einzigartigkeit Jesu zu zeigen, kann daher aufgenommen werden, wenn wir seine Einzigartigkeit als geschichtliche Gestalt insofern relativieren, als jeder Mensch einzigartig ist und Individualität nicht in der Differenz jeden Details eines menschlichen Lebais zur Um- und Nachwelt besteht, sondern in der einmaligen Zusammensetzung dieser Elemente aus dem reichen Schatz der geschichtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten.17 Die Frage, die sich dann für die Jesusforschung ergibt, lautet: aus welchen umweltkonformen Elementen setzt sich das Individuum Jesus von Nazareth in einzigartiger Weise zusammen, und in welche Beziehung treten sie in unverwechselbarer Weise bei ihm zueinander? Wir suchen nach einem historischen' Gesamtbild von ihm, das den Kontext mit einbezieht - und zwar nicht als Negativfolie. Es geht vielmehr um die Individualität Jesu im Judentum, also um kontextuelle Individualität, nicht um absolute Singularität. Auf dem Hintergrund dieser relativierenden Überlegungen zur kontextuellen Individualität ist dann die Frage nach einer wirkungsgeschichtlichen Besonderheit des Individuums Jesus von Nazareth legitim, also nach jenen Impulsen, die von Jesus auf das Urchristentum ausgegangen sind und in denen sich etwas „Unverwechselbares" bemerkbar macht. Denn: „People are not like molecules in a gas. Some are différait from others and some have more effect upon society than others. It is still a good question wether without Lenin there would have been the October Revolution."18 Entsprechend ist zu fragen: Wäre das Christentum ohne Jesus denkbar? Gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem historischen Jesus und dem nachösterlichen Christentum? Und welches Gewicht hat dieser Zusammenhang? E P Sanders sagt im Anfangskapitel seines Jesusbuchs „that there is no causal thread between his (i.e. Jesus') life, his death and the Christian movement is possible, but it is not satisfying historically " 1 9 15

M. LINTZEL: Voraussetzungen des Individuums, p. 173. F FERRAROTTI: Biography and the Social Sciences, p. 79. 17 Hier wird noch einmal deutlich, wie ein uniformes Bild vom Judentum und die Vorstellung eines in allem differierenden Jesus einander befördern: ohne Differenz Jesu zu seiner Umwelt ließe sich dieser nicht mehr unter seinen Zeitgenossen identifizieren, ohne Uniformität des Judentums wäre die Differenz Jesu schwerer aufrecht zu erhalten. 18 M. BRODBECK: Methodological Individualism, p. 327 19 E P. SANDERS: Jesus and Judaism, p. 22. Dieses „Kriterium", ob etwas historisch befriedigend oder unbefriedigend ist, ist mehrfach kritisiert worden 16

194 Wir haben somit zwei Begründungen für die Besonderheit Jesu als Gesamterscheinung: Kontextuell ist sie eine individuelle Kombination umweltkonformer Elemente im Judentum; wirkungsgeschichtlich ist sie Ursache geschichtlicher Folgen, die über die Grenze des Judentums hinausführen. Zur Überprüfung des Gesamtbildes Jesu in seiner Besonderheit sind beide Aspekte des historischen Plausibilitätskriteriums notwendig. Beide Aspekte lassen sich zu diesem Zweck in folgender Formulierung des Plausibilitätskriteriums zusammenfassen: Der Zusammenhang verschiedener Elemente im Leben Jesu, der eine einmalige Konstellation im Kontext des Judentums darstellt und zugleich einen sinnvollen wirkungsgeschichtlichen Zusammenhang mit der Entstehung des urchristlichen, vom Judentum sich lösenden Glaubens erkennen läßt - insofern also „einzigartig" ist -, ist ein Kriterium für Historizität. Wir sprechen von historischer Gesamtplausibilität.20 Die Einzigartigkeit und Individualität der ganzen Gestalt Jesu wird hierbei anders als beim traditionellen DifFerenzkriterium nicht mit der Umwelt kontrastiert, sondern in sie eingebettet. Eine solche kontextgebundene Individualität (oder „Differenz") Jesu läßt sich aufgrund der größeren Komplexität für die Person als ganze wahrscheinlicher machen als für einzelne Aussprüche Jesu. Es bleibt festzuhalten, daß diese Differenz grundsätzlich auf der Individualität eines jeden Menschen (d.h. auf seiner Differenz zu seinen Mitmenschen) beruht und dem Analogiegrundsatz nicht widerspricht. In diesem Sinn charakterisiert J. Riehes Jesu Vision und Botschaft mit Recht als „a distinctive yet analogous response"21 zu der ihn umgebenden Realität. 2.

Das Problem historischer Authentizität

Die Suche nach der „Besonderheit" Jesu war bei der Forschung im Zeichen des Differenzkriteriums eng mit der Suche nach dem „Authentischen" ver-

möglicherweise zurecht, sofern nicht apriorisch eine Kontinuität gesetzt werden darf. Letztlich trifft diese Kritik jedoch Sanders nicht, da es ihm vielmehr darauf ankommt, „that the evidence shows that there was a causal connection" E.P SANDERS betont zurecht: „this is far more important than a priori suppositions" 20 Formal, wenn auch mit anderer inhaltlicher Zuspitzung, entspricht dies der Fragestellung von J. KLAUSNER (Jesus von Nazareth, p. 7): „Das Christentum wurde in Israels Mitte geboren, aber Israel als Volk hat es mit aller Macht zurückgestoßen. Wo liegt der Grund dafür?" 21 J. RICHES: The World of Jesus, p. 9.

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bunden, ja mit ihm identisch. Aber was ist Authentizität? Die Antwort ist zunächst leicht: Der Jesusforschung liegen in der christlichen Überlieferung22 Berichte über das Leben Jesu vor. Erzählt wird von seinen Worten und Taten, vom Verlauf der letzten Tage seines Lebens. Historische Kritik fragt nach der Echtheit und Authentizität dieser Jesus zugeschriebenen Lebensäußerungen - also danach, ob sie wirklich Jesus zum Autor haben. Oft aber scheint mehr gemeint zu sein. Und darin liegt ein Problem. 2.1. Die Problematik der Anwendung des Authentizitätsbegriffs auf Jesusworte Ein kurzer Blick auf die Geschichte des Wortes 'authentisch' zeigt, wie problematisch es ist, im Zusammenhang der neutestamentlichen Texte von Authentizität zu reden. Das griechische Wort αυθεντικός bezeichnet das Ursprüngliche, Originale. Im Mittelalter fand 'authentisch' Verwendung für die besiegelte Echtheit von Dokumenten sowie für die Dokumente, die die Echtheit von Reliquien verbürgten (authenticum instrumentum). Damit konnten diese Reliquien als echt, als 'authentisch' gelten. Unter der Authentizität der Heiligen Schrift wurde die auf Inspiration und Kanonizität beruhende normative Bedeutung der Bibel verstanden.23 Das bedeutet eine Belastung für die Verwendung des Authentizitätsbegriffs in der historischen Jesusforschung. Zum einen schwingt damit in der Authentizitätsfrage der Schrift ein für eine historische Fragestellung unangemessenes supranaturales Element mit,24 das sich auf die Gewißheit der Echtheit sowie auf diesen 'echten' Inhalt bezieht. Das Mißverständnis führt zu der Erwartung an die Jesusforschung, sie möge 'glaubenskrisenfeste' Ergebnisse hervorbringen. Danach sollen historische Kenntnisse genauso 'sicher* sein wie für den glaubenden Menschen die Existenz Gottes und umgekehrt die Existenz Gottes so 'sicher' wie historische Fakten. Der Begriff 'historische Authentizität' gerät in den Verdacht, von absoluter Wahrheit handeln zu wollen. Demgegenüber ist mit Harvey festzuhalten: „What we have to ask is not whether a given statement is true with a kind of supernatural certainty but whether the fact

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Die kanonischen Evangelien sind unsere Hauptquellen, aber eine Einengung auf sie unter Auslassung der außerkanonischen Überlieferung wäre „unhistorisch" (cf. H. KÖSTER Die außerkanonischen Herrenworte, p. 236). 23 Cf. F HAUCK / G. SCHWINGE: Art. Authentie, pp.30f. 24 Mit Inspiration kann historische Forschung als solche nicht rechnen, denn sie nimmt kein un- oder überhistorisches Wesen wahr.

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which it reports may be regarded as at least as well established as any other fact which comes down to us from antiquity."25 Zum anderen ist in der Forschungsgeschichte von Authentizität vorrangig in Bezug auf Jesusworte die Rede - die Echtheit einer Reliquie und die Echtheit eines Jesuswortes lassen sich aber nicht auf eine Ebene stellen. Eine Reliquie kann absolut echt sein, d.h., es ist möglich, daß es sich bei einem Knochen tatsächlich um einen sterblichen Überrest eines bestimmten, als Heiligen verehrten Menschen handelt. Dies wäre dann ein isoliert als echt feststellbares Faktum. Analoges wäre zunächst theoretisch auch von einem echten Jesuswort aussagbar. Hier endet jedoch der Vergleich, da der Unterschied des authentischen 'Inhalts' zu Buche schlägt. Um Authentizität zu bestimmen, muß ja der Gegenstand solcher Bestimmung eindeutig geklärt sein. Die Reliquie oder das authenticum sind materiell, das Jesuswort ist ein sprachlich Gegebenes. Das heißt, im Falle eines Jesusworts muß der Inhalt erfaßt werden. Dieser Inhalt ist aber nicht eindeutig, denn es geht um etwas Ungegenständliches, um einen Sinn, nicht um ein brutum factum wie etwa einen konkreten Papyrusfetzen mit ein paar Worten, bei dem das Datum der Aufzeichnung oder die Herkunft der Tinte bestimmt werden sollen.26 Daraus folgt, daß der Umgang mit einem echten Jesuswort auf wesentlich komplexere Probleme trifft, als das bei einer authentischen Reliquie oder einem Reliquiendokument der Fall ist. Bei einer Reliquie ist der materielle Gegenstand das Entscheidende, auch wenn er eingebettet ist in eine Heiligenlegende, die ihm Bedeutung verleiht. Bei einem Jesuswort ist das materielle Substrat (bestehend aus Handschriften und Drucken) dagegen unwichtig und austauschbar - verglichen mit dem Sinn, der in ihm „transportiert" wird. Man kann daher sagen: Während eine Reliquie in gewisser Weise für sich abgeschlossen ist (und selbständig neben anderen sterblichen Überresten desselben Heiligen stehen kann), steht ein 'echtes' Jesuswort immer im Zusammenhang einer Gesamtheit von Worten, die erst ein Verstehen dieses einen Wortes ermöglichen. Mehr noch, „determining the sense of the expressions in a text or spoken discourse involves the identification of a network of beliefs which are systematically related to one another, which are anchored, however loosely, in experience "27 Das historische Verständnis eines 'echten' Jesuswortes bedarf der Kenntnis des

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A.E. HARVEY: Jesus and the Constraints, p. 5. Cf. J. RICHES / A. MILLAR: Conceptual Change, p. 37: from an epistemologica! point of view the senses possessed by the expressions occurring in a text are not hard data - they have to be inferred." 27 J. RICHES / A. MILLAR: Conceptual Change, p. 37. 26

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ganzen historischen Kontextes. Nur so kann geklärt werden, was überhaupt als authentisch zu bestimmen ist. Damit gerät die an ein Jesuswort gestellte Authentizitätsfrage aber in eine schwierige Situation. Denn zum historischen Kontext gehört auch der Entstehungskontext und damit die Verfasserfrage, deren Klärung also zur Bestimmung des Gegenstandes beiträgt. Diese Verfasserfrage ist aber doch der mit der Authentizitätsfrage überhaupt erst zu entscheidende Sachverhalt! Sofern der Verfasser zum Kontext gehört, verändert sich mit ihm der Gegenstand der Untersuchung. Anders gesagt, ein von Jesus überliefertes Wort verändert auch inhaltlich seinen Sinn, je nachdem ob wir es Jesus zuschreiben oder seinen späteren Anhängern. Die in den Worten Jesu intendierte erzählte Zeit bleibt in jedem Fall dieselbe, die Erzählzeit aber wäre eine andere im Falle der Authentizität oder Nicht-Authentizität. Wir befinden uns also in einem Zirkel von inhaltlicher Auslegung eines Jesuswortes und der Frage nach seiner Authentizität. Die Interpretation von Mk 8,34: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach", soll diesen Sachverhalt veranschaulichen. Das Logion scheint auf den ersten Blick die Kreuzigung Jesu vorauszusetzen. Es wäre dann nachösterlich entstanden. Es müßte aber bald mit der Erfahrung in Spannung geraten sein, daß nur wenige Nachfolger Jesu das Martyrium tatsächlich erlitten haben. Das blieb eine Ausnahme. Hier aber wird es als Regel formuliert. Beim Gedanken an eine imitatio Christi würde man zudem erwarten, daß die Nachfolger aufgefordert würden, „sein Kreuz" (d.h. das Kreuz Jesu) auf sich zu nehmen und nicht ihr eigenes. Will man das Logion Jesu zuschreiben, so gibt es drei Möglichkeiten der Interpretation: eine realistische, eine spirituelle und eine rituelle Deutung. Die realistische Deutung sagt: Jesus hat nicht nur für sich, sondern für alle seine Nachfolger mit einer Hinrichtung durch die Römer gerechnet. Nachfolge war für ihn ein Weg zur Hinrichtung. Das würde nur geringfügig modifiziert, warn Jesus eine solche Vorstellung von jüdischen Widerstandskämpfern übernommen hätte. In jedem Fall müßte man ihm eine sehr viel deutlichere Konflikterwartung zuschreiben, als gemeinhin geschieht. Auch Jesus wußte, daß er in irgendeiner Weise „Widerstand" übte. Die spirituelle Deutung versteht das Kreuztragen als ein allgemeines Bild für „Leiden" Dazu aber gibt es in unserem geschichtlichen Raum keine Belege. Die rituelle Deutung nimmt an, Jesus habe seine Jünger mit einem Kreuzeszeichen auf der Stirn tätowiert - also mit einem Siegel, das in der Endzeit vor Not und Gefahr bewahren soll (vgl. Ez 9,46). Wie immer man entscheidet, für uns ist wichtig: Die Interpretation des Logions und das Urteil über eine Authentizität bedingen einander gegensei-

198 tig. Das Logion muß einen anderen Sinn haben, wenn es als authentisch oder als nicht-authentisch beurteilt wird. Und umgekehrt: je nach dem, welchen Sinn man ihm zuschreibt, kann es als echt oder unecht beurteilt werden.21

2.2. Die Problematik der Anwendung des Authentizitätsbegriffs auf „Tatsachen" und Ereignisse des Lebens Jesu Das Problem der Uneindeutigkeit von Jesusworten aufgrund einer doppelten Kommunikationsebene (nämlich in der erzählten Zeit und in der Erzählzeit), stellt sich ebenso bei allen anderen Lebensäußerungen Jesu. Nur „Kemtatsachen", über die reine Chroniken29 Auskunft erteilen, sind (wie Reliquien) nicht dem Wandel ausgesetzt. Hübner macht auf die vielen möglichen Beziehungen eines Ereignisses und den dadurch bewirkten Wandel aufmerksam: die Ereignisse [werden] mit wachsender zeitlicher Entfernung in ihren mannigfaltigen Beziehungen zu anderen, zu mehr und zu späteren Geschehnissen gesehen So treten die Einzelheiten mehr und mehr in verschiedene Beziehungen zueinander, und damit ändern sich auch ihre Bedeutung, ihre Funktion und sogar ihr Inhalt."30 Der historische Gegenstand selbst zwingt uns „im Fortschritt der Entwicklung, die Auffassung davon zu ändern, was an ihm wichtig oder unwichtig, zusammengehörig oder getrennt, übel oder gut ist 'Der Gegenstand ändert sich' heißt dabei nichts anderes, als daß er in neue Beziehungen zu späteren Ereignissen tritt Er bietet eine neues Deutungspotential, das nunmehr dem Historiker zur Auswahl steht."31 Und so bekommt auch ein „Jesuswort" bzw. eine „Jesustat", einen anderen Gehalt, wenn als Urheber nicht Jesus angenommen wird, den wir nicht ohne den interp retatoli s chen Rahmen der ihm folgenden 2000jährigen Christentumsgeschichte sehen können.32 Das be-

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Cf. U. LUZ: Das Evangelium nach Matthäus, pp. 142ff, zu den verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten. 29 Cf. H. WHITE zum Unterschied von Geschichte und Chronik: „histories gain part of their explanatory effect by their success in making stories out of mere chronicles; and stories in turn are made out of chronicles by an operation that I have elsewhere called 'emplotment'. By emplotment I mean simply the encodation of the facts contained in the chronicle as components of specific kinds of plot-structures " (The Historical Text as Literary Artefact, p. 46). 30 K. HÜBNER: Kritik der wiss. Vernunft, p. 346. 31 Κ. HÜBNER Kritik der wiss. Vernunft, p. 356. 32 Ein zeitgenössischer Historiker hat die Ereignisse natürlich ganz anders gesehen, cf. die berühmte Notiz des Tacitus, Hist. V,9: „Sub Tiberio quies."

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deutet, „... interpretation always becomes an internal part of a 'fact' Interpretation enters into the construction of fact." Aber. „If there is some free construction, it is also true that our interpretation is never simply arbitrary, for it is based on and limited by what our experience receives, i.e., by the object of experience." 33 Nun widerspricht es alltäglichem common sense, daß beim Urteil über die Faktizität von Ereignissen deren Interpretation eine so große Rolle spielen soll zumal sich die zu interpretierende Bedeutung geschichtlich verändert. Daher sei zur Veranschaulichung ein Beispiel skizziert: die Tempelreinigung (Mk 11,15-19 parr). Seitdem die Historizität von Jesusüberlieferungen umstritten wurde, hing es weitgehend von ihrer Interpretation ab, ob sie für historisch gehalten wurde oder nicht. Dort, wo Jesus politisch interpretiert wird, wurde sie zum Schlüssel für ein historisches Verständnis seines Wirkens. Zeigte dieser Konflikt mit dem Tempel nicht, daß Jesus einen Aufstand geplant hatte, der von Judas verraten worden war und deshalb kläglich scheitern mußte? War die Störung des Tempelbetriebs nicht ein gezielter Angriff auf die politische Elite des kleinen Tempelstaates? Innerhalb einer solchen politischen Interpretation des Lebens Jesu war die Tempelreinigung natürlich historisch.34 Sah man in Jesus dagegen vor allem einen religiös-ethischen Prediger, der in der Bergpredigt zu Gewaltverzicht und Feindesliebe gemahnt hatte, dann mußte ein gewalttätiges Vorgehen gegen Sachen und Personen dem Zentrum der Lehre Jesu widersprechen. Was lag näher, als auf die innere Unwahrscheinlichkeit dieses Zwischenfalls hinzuweisen? Wie sollte Jesus mit seinen wenigen Anhängern den riesigen Tempelvorhof unter Kontrolle gebracht und den Verkauf von Opfertieren verhindert haben können? War hier nicht unhistorische Phantasie am Werk?35 Verstand man Jesus schließlich als eschatologischen Propheten, der eine Wiederherstellung Israels ankündigte, so rückte die Erwartung eines neuen 33

B.J. LEE: The Galilean Jewishness of Jesus, p. 41. Er beruft sich hierbei insbes. auf W DEAN. Cf. auch Humphreys: documents can be regarded not merely as a sum composed of the separate pieces included within it, but as a representation - hence as a description - of some larger reality external to the documents as such." (R.S. HUMPHREYS: The Historian, p.9.) 34 Eine klassische Darstellung Jesu als eines politischen Rebellen ist R. EISLER: ΙΗΣΟΥΣ ΒΑΣΙΛΕΥΣ OY ΒΑΣΙΛΕΥΣΑΣ, 1929/30. Der Titel bedeutet: Jesus ein König, der nicht König wurde. 35 So etwa argumentiert E. HAENCHEN: Der Weg Jesu, pp. 382-389: „Zwischen diesem Jesus, der mit seinen Anhängern gewaltsam im Tempel eine neue Ordnung' einführt, und dem Jesus der Gleichnisse besteht eine tiefe Kluft" (p. 387).

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Tempels wieder ins Zentrum der Verkündigung Jesu: Die Erneuerung Israels findet ihren Ausdruck in der Erneuerung seiner zentralen Institution! Sofern damit eine eschatologische Erwartung ins Spiel kam, konnte Jesu Aktion im Tempel als prophetische Symbolhandlung interpretiert werden. Ihre Bedeutung lag nicht in den realen Auswirkungen auf das Treiben im Tempelvorhof, sondern in der Botschaft über den Tempel, er werde bald zerstört werden, um einem besseren Tempel Platz zu machen!36 Diese verschiedenen politischen, ethischen und eschatologischen Interpretationsansätze sind nicht unvereinbar. Tempelweissagung und Tempelreinigung gehören als Prophetie und prophetische Symbolhandlung zusammen. Ihre eschatologische Deutung paßt zur Gesamtverkündigung Jesu. Auch die „politische" Deutung ist nicht ohne Berechtigung. Prophetische Verkündigung stand in Israel oft in Zusammenhang mit sozialen und politischen Spannungen. Jesu Opposition gegen den bestehenden Tempel war nur eine Variante in einer verbreiteten Tempelopposition im damaligen Judentum. In ihr kommt ein strukturell bedingter Konflikt zwischen Land und Stadt zum Ausdruck.37 Ferner läßt sich nachweisen, daß gerade in der Zeit Jesu politische Konflikte oft in Form symbolpolitischer Handlungen ausagiert wurden.31 Sie wurden damit auch entschärft. Beispiel für solch eine symbolpolitische Bewältigung von Konflikten im Kleinen ist das Streitgespräch über die Steuer (Mk 12,13-17). Jesus nimmt in ihm nicht direkt zur Frage Stellung, ob man dem Kaiser Steuer zahlen soll oder nicht. Er weicht einer klaren Stellungnahme zu der seit 6 n.Chr. nachwirkenden Steuerverweigerungskampagne aus. Er weicht bei seiner Antwort zunächst auf das Medium einer non-verbalen Sprache aus. Er läßt eine Kaisermünze herbeischaffen und ihr Bild betrachten. Die Rückgabe kaiserlichen Eigentums an den Kaiser ist religiös und moralisch unbedenklich. Die Frage nach der Legitimität der Steuerzahlung wird damit relativiert, zumal Jesus in seiner verbalen (und nicht nur symbolischen) Antwort den Vorbehalt hinzufugt: und gebt Gott, was Gottes ist!" Ahnliche symbolpolitische Handlungen können wir in der damaligen Zeit sowohl auf Seiten der Herrscher als auch auf Seiten einiger Propheten im Volk feststellen. Die Benutzung eines symbolpolitischen Mediums ist dabei auch Zeichen einer relativ

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Eine Interpretation in diesem Sinne hat E.P. SANDERS: Jesus and Judaism, pp. 61-76, vorgelegt. Sie wird weitergeführt durch H. MÖDRTTZER: Stigma und Charisma, pp. 144-156. 37 Vgl. G. THEISSEN: Die Tempelweissagung Jesu, pp. 142ff. 38 Vgl. G. THEISSEN: Symbolpolitische Konflikte bei Jesus und in seiner Umwelt (erscheint in der EvTh ca. 1997/8).

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friedlichen Zeit. Symbolische Handlungen können militante Aktionen ersetzen - oder zumindest aufschieben. Solche Handlungen sind daher vereinbar mit der Predigt von Gewaltlosigkeit und Feindesliebe. Das Beispiel soll zeigen: Auch bei einem „Ereignis" geht es nie ausschließlich um die Frage, ob es historisch oder unhistorisch ist, sondern: In welchem Sinne muß es verstanden werden, um als historisch oder unhistorisch gelten zu können? Die Interpretation seiner Bedeutung entscheidet über die Beurteilung seiner Faktizität. Je nach Interpretation paßt es besser in den zeitgeschichtlichen jüdischen Kontext des Wirkens Jesu oder in den nachösterlichen Kontext der urchristlichen Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte. Dabei leuchtet unmittelbar ein, daß in die Interpretation der Tempelreinigung allgemeine Einstellungen des Interpreten über den Zusammenhang zwischen Religion und Gesellschaft, Kirche und Politik, Wissenschaft und Engagement eingehen, die von der geschichtlichen Situation und Biographie der Forschenden abhängig sind. Als methodologisches Fazit aus unseren Überlegungen können wir demnach festhalten: Bei einem Prüfverfahren über die Authentizität von überlieferten Lebensäußerungen Jesu müssen wir deren unterschiedlichen Aussagegehalt und Sinn bei verschiedenen möglichen Urhebern und im Rahmen verschiedener Interpretationsansätze durchspielen. Anhand der oben entwickelten Kriterien ist dann eine Entscheidung über die historische Plausibilität einer Rückführung auf Jesus zu treffen.

2.3. Der authentische „Gegenstand" Wie weit kann aber diese Rückführung gehen, d.h., was kann als 'authentisch' gelten? Wir haben bisher nur von einzelnen Worten und Taten Jesu gesprochen. Jesusforschung reserviert heute das Prädikat 'authentisch' jedoch nicht nur für die ipsissima verba (für das, was Jesus wortwörtlich gesagt hat), sondern bezieht es auch auf die ipsissima vox (die eigentümliche Stimme Jesu, die nicht auf Wortwörtlichkeit festgelegt ist). Bei der ipsissima vox begnügt man sich mit allgemeinen Zügen seiner Verkündigung und Formensprache, mit dem, was wir „Besonderheitsindizien" genannt haben. Diese Verlagerung ist zu begrüßen. Authentizität im Sinne wörtlicher Urheberschaft wäre nur dann sinnvoll feststellbar, wenn wir von Jesus eigene (oder diktierte) Aufzeichnungen hätten. Aufgrund der Überlieferungsgeschichte kommen aber alle seriösen Versuche, die echten verba Jesu wortwörtlich zu bestimmen, über ein unbefriedigendes und mit Un-

202 wägbarkeiten belastetes Minimum nicht hinaus.39 Solche Versuche sind theologisch oft dadurch motiviert, mit den ipsissima verba Jesu einen Kanon im Kanon erstellen zu wollen.40 Aber auch die Konzentration auf die ipsissima vox geht manchem zu weit. Schon 1959 zielt J.M. Robinson auf einen Authentizitätsbegriff, der sich auf historische Bedeutsamkeit, nicht auf wortwörtliche Echtheit bezieht.41 Vögtle hat den weniger engen Begriff vom „Richtungssinn des gesamten Wirkens Jesu"42 ins Spiel gebracht, und Thüsing schlägt vor, von der „ipsissima intentio Jesu"43 zu reden. Sofern nicht ein Kanon im Kanon von Jesusworten erstellt werden soll, ist es wesentlich interessanter, anstatt Jesu Äußerungen wörtlich zu erarbeiten, die Richtung seines ganzen Lebens zu erfassen. Der intentio-Begriff ist allerdings problematisch, wenn damit das innere Wollen Jesu gemeint ist. Vielmehr sind wir um der Kontrollierbarkeit willen an die 'äußeren' Äußerungen Jesu gebunden, d.h. an das, was Jesus tatsächlich kommuniziert hat.44 39

Auch Harvey begründet sein Abrücken von der ipsissima-Fragestellung u.a. damit: „... there is virtually no single report of any of the words and deeds of Jesus of which we can be certain, and there is indeed quite a large number of them which are likely to be either fictitious or fashioned by the tradition into something very different from the original." (A.E. HARVEY Jesus and the Constraints, p. 4). Hahn lehnt die Alternative 'echt oder Gemeindebildung' ab und geht davon aus, daß in den meisten Fällen „Mischbildungen" vorliegen (F HAHN: Methodologische Überlegungen, p. 29). 40 Das ist schon die Intention des Deisten Th. Chubb Anfang des 18. Jahrhunderts. Wie ein solcher Kanon bestimmten theologischen Interessen auch heute dienen können soll, macht z.B. die Bemerkung Gambers im Vorwort zu seiner Sammlung von Jesus-Worten deutlich: „In der heutigen Zeit, in der die Gestalt und die Predigt Jesu verfälscht werden und nicht wenige in dem Mann aus Nazareth in erster Linie einen Sozialreformer sehen, scheint es besonders wichtig zu sein, das was Jesus tatsächlich gelehrt hat, den Menschen immer wieder neu vor Augen zu stellen." (K. GAMBER: Jesus-Worte, p. 3) 41 J.M. ROBINSON: A New Quest, p. 99, n.3. 42 Α. VÖGTLE: 1. Kap.. Jesus von Nazareth, p. 23. 43 W THÜSING: Neutestamentliche Zugangswege, p. 183; ibid.. „Hierbei darf 'intentio' jedoch nicht auf das vordergründig feststellbare Bewußtsein eingeengt werden, sondern meint die aus der 'Grundbefindlichkeit' bzw. 'Tiefenschicht' dieses singulären Menschen Jesus sich ergebende Sinnrichtung seines Lebens und Wirkens - im ganzen und von daher auch in den einzelnen konkreten Fällen." 44 Cf. In diesem Sinn ist es nicht unbedenklich, wenn Charlesworth die Bedeutung der Worte Jesu mit der inneren Absicht Jesu identifiziert: „My concern is

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Die Loslösung von dem Ziel, die ipsissima verba oder vox ermitteln zu wollen, geht weiter dahin, daß die Jesusforschung sich nicht auf die 'Jesusworte' beschränken soll. Schon um deren Sinn zu erhellen, ist eine Kenntnis des gesamten Wirkens Jesu erforderlich. Darüber hinaus sollte sich die Jesusforschung - vor allem im protestantischen Bereich - grundsätzlich von der Wortfixierung lösen und auch das gesamte Wirken Jesu zu ihrem Thema machen. Harvey verweist bei seinem Abrücken von der Echtheitsfrage daher mit Recht auf die ganze Überlieferung als Weg zum historischen Jesus: „Attention is now directed more towards the impression made by the narrative as a whole."45 Die Diskussion um die Grenzen des Authentizitätsbegriffs weist auf ein grundsätzliches Problem in der Jesusforschung hin: auf das Verhältnis zwischen einem Gesamtbild von Jesus und dem Urteil über die vielen Einzeltraditionen von seinen Worten und Taten. 2.4. Authentizität und historisches Gesamtbild Der Ansatz des Differenzkriteriums sowie vieler anderer Kriterien läuft auf die Feststellung einzelner 'authentischer1 Äußerungen oder Merkmale Jesu hinaus. Diese erhalten eine große Bedeutung, ihre Tendenz ist aber durch die Art des Kriteriums festgelegt. Das Differenzkriterium z.B. präjudiziert ja schon ein Gesamtbild von Jesus, nämlich seine Andersartigkeit gegenüber seinen Zeitgenossen sowie den ersten christlichen Gemeinden. Bei dem Urteil über die Authentizität von Einzelüberlieferungen spielt also das Gesamtbild des jeweiligen Forschers von Jesus schon immer eine Rolle. Ein bestimmtes Gesamtbild Jesu liegt aber auch der jeweiligen Quelle zugrunde, in der Authentisches gesucht wird. Der christlichen Jesusüberlieferung ging ein Selektionsprozeß voraus, so daß sie bereits eine tendenziöse Auswahl darstellt.46 Und nicht alles, was in urchristliche Schriften einging, not with the sound of his own voice (ipsissima vox), but with the meaning he poured forth through the words that appeared when he intended to communicate something to someone." Cf. J.H. CHARLESWORTH: Jesus Within Judaism, p. 166. 45

A.E. HARVEY' Jesus and the Constraints, p. 5. Das ist kein moralischer Vorwurf, sondern die alte und wichtige Einsicht der Formgeschichte, die die Texte zunächst einmal als Ausdruck der Situation der Erzählzeit, nicht der erzählten Zeit, versteht. Zu betonen ist jedoch: Dies ist keine nur fur neutestamentiiche Texte geltende Einsicht, etwa weil sie sich als kerygmatische Texte grundsätzlich von allen anderen Texten unterscheiden, sie gilt für alle Quellen. In den Worten eines alten Historikers: die Quellen sind zugleich „Überreste" der Gegenwart, in der sie entstanden (G. DROYSEN: Hi46

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wurde durch dai Kanonisierungsprozeß fur uns aufbewahrt. Manche Schriften gingen verloren. Diese Einsicht macht deutlich, daß aus diesen Quellen erhobenes authentisches Material allein nicht zu einer vollständigen oder repräsentativen Darstellung des historischen Jesus fuhren kann. Darum sind alle Versuche, durch ein subtraktives Vorgehen allein anhand der neutestamentlichen Überlieferung zum 'historischen Jesus1 vorzustoßen, nur begrenzt erfolgreich. Das trifft die traditionelle Verwendung des Differenzkriteriums sowie alle Überlegungen, die unter abzutragenden Überlagerungen den reinen, unverdorbenen, eben 'authentischen' Jesus zu finden mei47

nen. Das Interesse am Aufweis von Authentizität einzelner Überlieferungen ist oft mehr ein exegetisches als ein historisches Interesse. Historische Jesusforschung, deren Ziel nicht eine Auslegung der neutestamentlichen Texte, sondern ein Gesamtbild von der Person Jesu ist, sollte daher nicht die Authentizitätsbestimmung einzelner Textteile der neutestamentlichen Überlieferung zum ersten Angelpunkt machen wollen. Bei einem solchen Verfahren wird ja nur suggeriert, dies sei tatsächlich der erste Angelpunkt, während noch davor immer schon die Vorstellung von einem Gesamtbild Jesu steht. Ein historisches Gesamtbild von Jesus aber geht quantitativ und qualitativ über die in der kanonischen Jesusüberlieferung erhaltenen Einzelüberlieferungen hinaus.48 Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die undifferenzierte Rede von Authentizität exegetisch problematisch und historisch wenig hilfreich ist. Vielmehr müssen wir zwischen der Authentizität einzelner Worte, allgemeiner Züge der Sprache Jesu und dem Richtungssinn seines gesamten Wirkens differenzieren, also zwischen verba ipsissima, vox ipsissima und intentio ipsissima. Dabei zeigt sich, daß wir bei den allgemeineren Aussastorik, p. 37; auch p. 65: „Sind die Quellen Auffassungen, so ist in ihnen ein doppeltes Moment, das des Auffassenden und dessen, was er aufzufassen hat.") Desweiteren gilt grundsätzlich - und das ist besonders hinsichtlich der Anwendung des Differenzkriteriums auf die christliche Überlieferung relevant - „Das Einmalige und Unwiederholbare ist dasjenige, das der Erinnerung und Erzählung würdig ist." (R. BUBNER: Geschichtsprozesse und Handlungsnormen, p. 132.) 47 So aber E. FLORIS: Sous le Christ, Jésus, p. 13: „II était possible de séparer le Christ de Jésus, comme on sépare dans une fresque la surface picturale de sa sinopie." 48 Das ist gegen Dahl festzuhalten, der der Ansicht ist, die Jesusüberlieferung sei ein Maximum, in dem alles enthalten ist, was für unser historisches Wissen um Jesus von Bedeutung ist." (N. A. DAHL: Der historische Jesus, p. 119)

205 gen über Wirken und Lehre Jesu sicherer sind als bei vielen Einzelurteilen. Wenn wir über die ipsissima intentio Jesu sagen, er habe in seiner Verkündigung dem Kommen der Gottesherrschaft eine entscheidende Bedeutung beigemessen, so ist diese Aussage einwandbeständiger als die Feststellung zur vox ipsissima, Jesus habe von dieser kommenden Gottesherrschaft in der Terminologie des olam-ha-ba (des kommenden Äons) gesprochen. Und diese Feststellung ist leichter begründbar als das konkrete Urteil über die Echtheit des Logions: „Wer die Gottesherrschaft nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht in sie hineinkommen" (Mk 10,15). Wahrscheinlich handelt es sich hier um ein ipsissimum verbum, jedoch sind wir hinsichtlich des ursprünglichen Wortlauts unsicher (vgl. den abweichenden Wortlaut von Mt 18,3). Authentizitätsurteile sind in den verschiedenen Bereichen also von abgestufter Plausibilität - wobei auch das keine allgemeine Regel ist: Bei einigen konkreten Worten sind wir uns erstaunlich sicher, daß Jesus (sinngemäß) dies oder jenes gesagt hat! Mit diesem Problem einer abgestuften Plausibilität hängt ein zweites Ergebnis unserer Überlegungen zusammen. Forschungslogisch stehen bei der Rekonstruktion eines historischen Jesusbildes keineswegs Authentizitätsurteile über einzelne Traditionen am Anfang, aus denen wir dann induktiv ein Gesamtbild zusammensetzen. Vielmehr sind Urteile über Einzeltraditionen von einem Gesamtbild von Jesu abhängig, mag dies auch noch so vage und offen sein. Historische Jesusforschung besteht weitgehend in der Überprüfung und Differenzierung von solchen vorgängigen Gesamtbildern. Insofern trifft es sich gut, daß wir in mancher Hinsicht bei allgemeinen Aussagen über Jesus (also beim „Gesamtbild" von ihm) eine relativ große Wahrscheinlichkeit erreichen. Wir können daher von einem hermeneutischen Zirkel zwischen der Gesamtplausibilität eines Jesusbildes und der Plausibilität von Urteilen über Einzelheiten seines Verkündigens und Wirkens sprechen. Beide Probleme zusammen - der abgestufte Grad von Wahrscheinlichkeit bei allgemeinen und konkreten Aussagen in der Jesusforschung und der Zirkel zwischen einem vorgängigen Gesamtbild von Jesus und Urteilen über Einzeltraditionen läßt uns nach dem Erkenntnisstatus unserer Ergebnisse in der Jesusforschung fragen. Unsere These ist, daß wir bestenfalls zu plausiblen Urteilen kommen. Eben deswegen haben wir unser Kriterium das „historische Plausibilitätskriterium" genannt. Doch was ist Plausibilität?

206 3.

Das Problem historischer Plausibilität

Wir werden nie wissen 'wie es eigentlich gewesen1 (Ranke), nie können wir in die Rolle eines damaligen Augenzeugen schlüpfen, ob uns das wünschenswert und sinnvoll erscheint oder nicht. Ein zutreffendes historisches Gesamtbild ist eine Idealvorstellung, ein Grenzwert, dem wir uns immer nur in Form von Plausibilität annähern können. Plausible Urteile sind relative Urteile. Ihre Relativität zeigt sich in drei Merkmalen: Sie sind intersubjektiv, probabilistisch und überholbar. Das erste Merkmal sei mit Hilfe der Wortbedeutung veranschaulicht: Plausibel, von lateinisch plausibilis „beifallswürdig", läßt sich im Deutschen mit „einleuchtend, verständlich, begreiflich, glaubhaft, stichhaltig, triftig" 49 umschreiben. Ein Kriterium für historische Plausibilität50 kann demnach nur ein Kriterium für die Forschung sein. „Wir erkennen von der Vergangenheit das, was wir von dem überlieferten Inhalt der Dokumente verstanden haben und für wahr halten,"51 Damit wir es aber „für wahr halten" und damit dies intersubjektiv vermittelbar ist, muß es plausibel sein.52 Es geht um die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von Forschungsthesen.53 Mit der Bezeichnung unseres Kriteriums als „Plausibilitäts"-Kriterium schließen wir also bewußt die Subjektivität der Forscher und die Intersubjektivität der Forschergemeinschaft (also das, was in ihr Zustimmung finden kann) in unsere Methodik mit ein.

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DUDEN Bd. 5, Fremdwörterbuch, 3. Aufl., Mannheim-Wien-Zürich 1974, p. 568. 50 Der Begriff „Kriterium der Plausibilität" wird auch von K. Berger verwendet, der damit auf die Kohärenz eines historischen Gesamtbildes bzw. -Verlaufs zielt (cf. Κ. BERGER: Einführung in die Formgeschichte, pp. 184f). In seinen Ausführungen, in denen Berger für die Aufnahme solcher historischer Arbeitsweise in die Formgeschichte plädiert, versteht sich 'Plausibilität' als Synonym für 'Stimmigkeit': „Das Kriterium ist damit die Stimmigkeit und Plausibilität dieses Bildes im ganzen " (ibid., p. 184). 51 H.-I. MARROU: Über die historische Erkenntnis, p. 157 52 Natürlich ist Marrou darin zuzustimmen, daß historische Erkenntnis „letzlich auf einem Glaubensakt" beruht, weil ja „keine historische Wahrheit eigentlich im strengen Sinne des Wortes unbestreitbar zwingend ist." (H.-I. MARROU. Über die historische Erkenntnis, p. 160). Aber es geht, wie er selbst sagt, eben darum, jene „Glaubwürdigkeit" (hier direkt auf Quellen bezogen) auf ein vernünftiges Urteil zu gründen (ibid.). 53 Cf. die simple Feststellung von A. Cameron: ,4t is after all part of a historian's job to convince his audience" (in: A. CAMERON (ed.): History as Text, p.207).

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Der Begriff der Plausibilität enthält darüber hinaus ein probabilistisches Moment. Er impliziert, daß es sich um Wahrscheinlichkeitsurteile handelt. Wahrscheinlichkeit beruht auf einem Vergleich verschiedener Möglichkeiten. Wenn etwas 'wahrscheinlich' ist, dann ist es immer 'wahrscheinlicher als' etwas anderes. Ein Abwägen entscheidet über die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit, in unserem Fall über historische Plausibilität. Die grundsätzlich höhere Plausibilität läßt sich sachlich begründen, der Grad der Plausibilität ist jedoch von einer individuellen Einschätzung abhängig. Wenn bestimmte Indizien einen bestimmten Schluß plausibel und wahrscheinlich erscheinen lassen, so kann dennoch die persönliche Einschätzung, wie wahrscheinlich und plausibel dies ist, unterschiedlich ausfallen. Das hängt mit einem dritten Moment des Plausibilitätsbegriffs (neben dem inter-subjektiven und dem probabilistischen Moment) zusammen. Ein Plausibilitätsurteil ist offen und überholbar: „Der plausible Schluß kann in dem Augenblick, in dem er gezogen wird, sehr wertvoll sein, aber ein Fortschritt des Wissens kann ihn leicht entwerten: Seine Bedeutung ist nur momentan, vergänglich, flüchtig, provisorisch,"54 Mit anderen Worten: Ein Plausibilitätsurteil ist falsifizierbar und durch Wissensfortschritt überholbar. Ein naiver Falsifikationismus würde sich mit dem Nachweis der Unechtheit einzelner Jesusüberlieferungen begnügen und mit diesem Nachweis auch das Jesusbild widerlegt sehen, das die umstrittenen Jesusüberlieferungen als authentische voraussetzt. Demgegenüber ist für einen intelligenten Falsifikationismus zu plädieren („sophisticated falsificationism"): „Contrary to naive falsificationism, no experiment, experimental report, observation statement or well-corroborated low-level falsifyinghypothesis alone can lead to falsification. There is no falsification before the emergence of a better theory " 55 Diese Doppelforderung des intelligenten Falsifikationismus läßt sich in der Jesusforschung auf zwei Ebenen erheben: auf der Ebene des Gesamtbildes von Jesus und der Ebene konkreter Einzelüberlieferungen. Ein Gesamtbild des Wirkens Jesu läßt sich nicht durch den Nachweis erschüttern, daß einzelne seiner Elemente unecht oder unhistorisch sind. 54

G. POLYA Mathematik und plausibles Schließen, vol. 2, p. 177 " I. LAKATOS: Falsification and the Methodology of Scientific Research Programmes, p. 119. Schon Droysen hat für Fälle umstrittener Authentizität gefordert: „... zum vollen Beweis der Unechtheit gehört, daß der wirkliche Ursprung des Gefälschten, die Zeit, der Zweck der Fälschung nachgewiesen wird." (J G. DROYSEN: Historik, p. 100)

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Vielmehr kommt es erst zu einer durchschlagenden „Falsifikation", wenn ein alternatives Gesamtbild von Jesus entworfen werden kann, innerhalb dessen die falsifizierten Einzelelemente keine Rolle mehr spielen. Um ein Beispiel zu nennen: Um das u.E. zutreffende eschatologische Jesusbild zu erschüttern, reicht es nicht aus, einzelne eschatologische Worte Jesu als unecht wahrscheinlich zu machen. Der Entwurf eines „non-eschatological Jesus" wird erst plausibel, wo man für das traditionelle Gesamtbild des eschatologischen Jesus eine glaubwürdige Alternative anbieten kann: das Bild eines jüdischen Kynikers mit paradoxen Lebensweisheiten. Kann man wahrscheinlich machen, daß solch ein jüdischer Kyniker in Galiläa im 1. Jh. vorstellbar ist, so gewönne es an Glaubwürdigkeit, wenn man die eschatologischen Worte mit futuiischem Sinn Jesus abspricht. Aber selbst dann wäre die Arbeit für diese unechten Einzelüberlieferungen noch nicht getan. Denn nun muß man zusätzlich nachweisen, inwiefern das Urchristentum eine futurisch-apokalyptische Eschatologie entwickeln konnte, für die es bei Jesus kein Vorbild fand. Kurz, man muß auch die „unechten Worte" aus einem (anderen) Kontext heraus verständlich machen: aus dem Gesamtkontext des Urchristentums und seiner Geschichte. Damit bewegen wir uns auf der zweiten Ebene, auf dem der intelligente Falsifikationismus greift: auf der Ebene der Einzeltraditionen, für die im Falle der Unechtheit eine neue geschichtliche Heimat gesucht werden muß. Die Doppelforderung des intelligenten Falsifikationismus hat sich hier praktisch schon in der Beweislastfrage durchgesetzt, die in der Diskussion um Jesusgut lange eine große Rolle gespielt hat. Bis etwa Mitte dieses Jahrhunderts oblag all denen die Beweislast, die ein Jesuswort für unecht hielten, dann kehrte sich die Lage gerade herum. Inzwischen vertreten z.B. Hooker56 und Sanders57 die Ansicht, daß jede Behauptung, für oder gegen Echtheit, ihre Beweislast zu tragen hat. Das ist eine angemessene Forderung, da es immer um Wahrscheinlichkeiten geht. Es stellt sich also in der historischen Forschung nicht einfach die Alternative echt' oder 'unecht', sondern: Wie läßt sich eine vorhandene Überlieferung historisch am befriedigendsten erklären: durch Rückführung auf Jesus oder durch Erklärung aus einem anderen geschichtlichen Kontext heraus. Insgesamt gibt es drei Möglichkeiten, auf die sich Jesus zugeschriebene Überlieferungen zurückfuhren lassen: Juden - Jesus - Christen. Forschungslogisch hat eine Rückführung auf Juden dabei einen anderen

" M.D. HOOKER: On Using the Wrong Tool, p. 580. E.P. SANDERS: Jesus and Judaism, p. 13.

51

209 Stellenwert im Sinne der Doppelforderung des intelligenten Falsifikationismus als eine Rückführung auf das Urchristentum.

3.1. Jesus unter Juden (Kontextplausibilität) Die dreifache Alternative Juden - Jesus - Christen ist problematisch, sofern sie Jesus selbstverständlich vom Judentum abhebt und seine Unterscheidbarkeit von seinen Zeitgenossen mit der von den späteren Christrai gleichsetzt. Das Verhältnis Jesu zu seinem jüdischen Kontext hat A.E. Harvey mit dem Konzept der 'constraints of history1 zu fassen gesucht, das er von J. Bowker übernommen und auf Jesus übertragen hat:58 „No individual, if he wishes to influence others, is totally free to choose his own style of action and persuasion: he is subject to constraints imposed by the culture in which he finds himself. If communication is to take place, there must be constraints which are recognised by both the speaker and his listeners " 59 Die Einbindung Jesu in die Sprach- und Handlungsmuster seiner Umwelt darf freilich nicht doketisch mißverstanden werden, als handele es sich um historische Fesseln, die Jesus sich freiwillig um seiner 'beschränkten' Zuhörerschar willen angelegt hätte.60 Eine weitere Schwierigkeit besteht in Harveys Weiterführung, anhand der constraints die Jesus zur Verfügung stehenden Möglichkeiten feststellen zu wollen.61 Der Versuch, auf diese Weise ein Profil Jesu zu erarbeiten, lebt von der vorausgesetzten Vorstellung von Jesu faktischem Verhalten und wird allzuleicht zum Zirkelschluß. Der Ansatz bei den historischen Optionen wird daher heftig von Bai Meyer in " J. BOWKER: The Sense of God, 1973, p. 61: „... it is illuminating to look at the whole range or repertory of possible eventualities, and then to ask what has constrained this particular item into its actual expression." Ibid., p. 86: ,Jf religion is seen as the attempt to organize meaning and action in relation to particular compounds of limitation, it can be seen that as goal-seeking behaviour it will operate within particular constraints." Ausdrücklich zu Jesus nimmt Bowker andernorts folgendermaßen Stellung: ,Jf Jesus had not stayed so obviously within the boundary condition of Israel, then his unique configuration of teaching would not have been so disruptively problematic." (Id.. The Religious Imagination, 1978, p. 129) " A.E. HARVEY· Jesus and the Constraints, p. 6. 60 So in der Akkomodations-Theorie bei Reimarus und Semler, cf. G. HORNIG: Art. Akkomodation. Das Wort „constraint" hat diesbezüglich einen unglücklich zwanghaften Unterton. 61 A.E. HARVEY: Jesus and the Constraints, p. 7· „These constraints allow us to establish the options which were open to a person such as we believe Jesus to have been ..."

210

seiner Rezension des Jesusbuchs von Harvey kritisiert: „The systematic effort to determine what 'options' were 'available' to Jesus is sometimes misleading. Historical inference moves not from possibility to actuality (as Harvey's procedure implies), but simply from the known to the unknown. Often we have better knowledge of what the subject actually did than of what range of options had been open to him. Moreover, history is full of surprises, regularly bringing to light the realization of options that no one could know - or even after the fact could independently establish - to have been 'available' Having judgments of fact hinge on our antecedent knowledge of 'available options' makes for tame history."62 Zu einem gewissen Grad gibt Harvey das auch zu: Jesus habe wie jeder wahrhaft kreative Mensch die constraints seinen Zielen unterwerfen können.63 Gegen Ben Meyer ist aber einzuwenden, daß gerade durch sozialgeschichtliche Untersuchung zwar nicht individuelle, wohl aber allgemeine Optionen transparent gemacht werden können, die für ein historisches Urteil über die Vergangenheit wichtig sind. Für ein adäquates Verständnis der geschichtlichen Gestalt Jesu fordert auch der sozialgeschichtliche Ansatz, zum Gegenstand der Untersuchung all das zu machen, was wir über seine Zeit eruieren können.64 Aus diesem Grund will Banks eine Erweiterung des Rahmens für die Frage nach dem historischen Jesus erreichen. Dabei bezeichnet er drei Bereiche, die er miteinbezogen sehen möchte, nämlich das zeitgenössische Milieu und Verhalten sowie psychologische und soziologische Aspekte.65 Als Zielvorstellung formuliert er: „The consequence of such research would, I believe, be a Jesus more firmly located in his immediate social and historical context, more broadly related to the popular attitudes and ethical ideals of his times and more precisely understood at a psychological and sociological level."66 Ahnlich argumentiert auch Lee: „While we cannot enter into the subjectivity of Jesus, if we can ascertain with some security, as I think we can, what his assumptive world was like, we stand a better chance of authentically

62

B. F. MEYER: Review of A.E. Harvey, Jesus and the Constraints of History, p. 654. 63 A.E. HARVEY Jesus and the Constraints, p. 7. 64 Cf. hierzu den Aufsatz von W. STENGER: Sozialgeschichtliche Wende und historischer Jesus, mit umfangreichen Literaturangaben. " R.J. BANKS: Setting 'The Quest for the Historical Jesus' in a Broader Framework, p. 62. 66 R.J. BANKS: Setting 'The Quest for the Historical Jesus' in a Broader Framework, p. 72.

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hearing the basic proclamation of the Good News."67 Kriteriologisch führt dies zu Steins „criterion of Palestinian environmental phenomena" 68 Für uns bedeutet der Gedanke der Einbindung Jesu in seine Umwelt, daß der jüdische Charakter eines Jesuswortes für die Rückführung auf den historischen Jesus keinen Plausibilitätsverlust impliziert. Dies gilt umso weniger, als die neutestamentliche Überlieferung christlich getragen und redigiert ist und das Verhältnis zwischen Juden und der entstehenden christlichen Bewegung sich rasch verschlechterte. Das heißt: Hier kann unser Kriterium der „Tendenzsprödigkeit" (also eine Korrektur des DKC) gegen das DKJ im traditionellen Sinne greifen, das deshalb korrigiert werden muß. Was 'jüdisch' plausibel ist, genießt für die Rückführung auf Jesus hohe historische Plausibilität. Zumindest muß 'echtes' Jesusgut mit dem vielfaltigen Erscheinungsbild des Judentums seiner Tage im weitesten Sinn vereinbar sein. Dies nennen wir jüdische Kontextplausibilität. Aufgrund der 'christlichen' Überlieferung ist es nicht möglich, eine darin enthaltene jüdisch geprägte Äußerung einem jüdischen Zeitgenossen Jesu zuzusprechen und dem Juden Jesus abzusprechen. Das wäre allenfalls in einem Falle möglich: Das Judentum zur Zeit Jesu ist keine homogene Einheit, sondern umfaßt vielfältige, sich widersprechende Strömungen. Könnte man eine Jesusüberlieferung einem Judentum zuordnen, das sich vom Judentum Jesu deutlich unterscheidet und könnte man wahrscheinlich machen, daß ein solches von Jesus unterschiedenes Judentum im Urchristentum präsent war und auf die Überlieferung, Auswahl und Bildung von Jesusworten Einfluß genommen hat, dann könnte man solch ein Jesuswort für unecht erklären. So kann man u.E. dort, wo ein nachösterliches Judenchristentum schon vorhandenen nachösterlichen heidenchristlichen Tendenzen widerspricht, mit einer sekundären Gemeindebildung rechnen. Die Aussage, daß Jesus nicht gekommen ist, um Gesetz und Propheten aufzulösen, sondern zu erfüllen (Mt 5,17), könnte man so erklären. Unsere Argumentation zeigt jedoch. Wir haben hier ein Jesuswort nicht deshalb für unecht erklärt, weil es zum Judentum gehört, sondern weil es eine bestimmte Variante des nachösterlichen Christentums repräsentiert. Insgesamt gilt: Im Sinne der Doppelforderung des intelligenten Falsifikationismus ist mit dem Nachweis einer jüdischen Kontextentsprechung keine Alternative zur Erklärung eines Wortes als echtes Jesuwort gegeben. Im Gegenteil: Jüdische Kontextentsprechung ist eine notwendige (wenn

67 H

B.J. LEE: The Galilean Jewishness of Jesus, p. 55. R H. STEIN: The 'Criteria', pp. 236-238.

212 auch nicht für sich schon hinreichende) Bedingung, um Jesusworte als echte Jesusworte erkennen und identifizieren zu können. 3.2. Jesus und die Christen (Wirkungsplausibilität) Aufgrund der christlichen Überlieferung und ihrer sich legitimierenden Berufung auf Jesus ist ein 'Jesuswort', das keinen guten 'christlichen' Sinn macht, also als urchristliche Schöpfung nicht plausibel wäre, grundsätzlich wahrscheinlich auf Jesus zurückzufuhren. Das ist das Argument wirkungsgeschichtlicher Plausibilität, sofern sie nach tendenzspröden und tendenzwidrigen Elementen in der Jesusüberlieferung fragt. Eine Erklärung von Jesusworten im Rahmen des Urchristentums würde umgekehrt die Doppelforderung des intelligenten Falsifikationismus erfüllen, eine Überlieferung nicht nur als unecht zu erklären, sondern aus einem alternativen geschichtlichen Kontext heraus zu deuten. Aber auch hier sind drei Einschränkungen zu machen. Zunächst einmal ist an die Überlegungen zum sich wandelnden Gegenstand der Authentizität aus dem vorigen Abschnitt zu erinnern. Möglicherweise kann ein Wort, das im christlichen Sinn plausibel ist, einen anderen plausiblen Sinn im Fall der Rückführung auf Jesus erhalten. Wir müssen also bei einer Unechtheitserklärung immer auch testai, ob das Wort (in einem anderen Sinn) nicht auch als ein Wort des historischen Jesus gedeutet werden kann. Eine gute Einpassung in den Kontext des nachösterlichen Urchristentums schließt ja nicht aus, daß es nicht auch in den Kontext des historischen Wirkens Jesu paßt. Desweiteren ist den theologischen Interpretationstendenzen der neutestamentlichen Schriften „potentiell eine heuristische Funktion für die Eruierung der 'frühen' Theologie Jesu"69 nicht abzusprechen. Die Texte des Neuen Testaments, unsere Hauptquellen, sind ein Teil der Wirkungsgeschichte Jesu und weisen dadurch auf den historischen Jesus zurück.70 Im Sinne des intelligenten Falsifikationismus formuliert Fowl ein Kriterium: „If one's explanatory hypothesis flatly contradicts someone else's explana69

W. THÜSING: Neutestamentliche Zugangswege, p. 116. Cf. das Argument von Dahl: „Die Tatsache, daß das Wort oder das Geschehen innerhalb der JesusÜberlieferung einen Platz gefunden hat, beweist, daß es mit dem im Jüngerkreis lebenden Gesamtbilde zusammenstimmte." (N.A. DAHL: Der historische Jesus, p. 117). Hier ist zu fragen, was das beweist, denn der verkündigende Jüngerkreis ist ohne den Eindruck des Ostererlebnisses nicht zu denken. 70 Unter 1.2 wurde deutlich gemacht, daß das Christentum nicht monokausal auf das Wirken Jesu zurückgeführt werden darf.

213 tion (in this case, the gospel writers') one should be able to give a reasonable account of how that explanation came to be so comprehensively misguided."71 An dritter Stelle ist noch einmal an unser Kriterium der „Quellenkohärenz" zu erinnern. Ein in urchristlichen Quellen konstant wiederkehrender Zug, ein mehrfach unabhängig überliefertes Wort kann echt sein. Auch dies Kriterium wurde mit der zunehmenden Erkenntnis der inneren Pluralität des Urchristentums immer deutlicher formuliert. Es begegnet im inzwischen klassischen Kriterienkatalog als Kriterium der Mehrfachbezeugung. Schille hat ein präziseres traditionsgeschichtliches Kriterium vorgeschlagen: das, was von den unterschiedlichen Verkündigungstypen der ersten nachösterlichen Zeit übereinstimmend als Jesu Erkenntnis bezeichnet worden ist, [darf] auch tatsächlich aus Jesu Reden und Handlungen hergeleitet werden."72 Die Betonung liegt hierbei auf den unterschiedlichen Verkündigungstypen. Darauf basiert das sehr ähnliche, von Crossan dargelegte „criterion of adequacy: that is original which best explains the multiplicity engendered in the tradition. What original datum from the historical Jesus must we envisage to explain adequately the full spectrum of primitive Christian response?"73 Die Rückführung auf Jesus ist plausibel, wenn Elemente aus verschiedenen Überlieferungssträngen ein kohärentes Bild ergeben. Dabei ist auch auf die Kohärenz von Wort- und Tatüberlieferung zu achten.74 Um hier über Plausibilität entscheiden zu können, ist eine Beschäftigung mit der Überlieferungsgeschichte, mit den verschiedenen Trägern der Überlieferung und ihren jeweiligen Interessen,75 erforderlich. Auf diese Weise kann über die christliche Überlieferungsplausibilität entschieden werden.

71

S. FOWL: Reconstructing and Deconstructing, p. 327 G. SCHILLE: Ein neuer Zugang zu Jesus?, p. 250. 73 J.D. CROSSAN: Materials and Methods, p. 11. In diesem Zusammenhang ist auch Hookers Forderung nach einem „Stammbaum" für überlieferte Jesusworte zu berücksichtigen. 74 Ein solches „positives Echtheitskriterium" stellt Demke auf: „Auf verhältnismäßig sicherem Boden stehen wir dort, wo Jesu Worte und sein Verhalten in die gleiche Richtung gehen, so daß sie sich gegenseitig erläutern." (C. DEMKE: Im Blickpunkt, p. 63). Ebenso auch F MUSSNER (Methodologie der Frage nach dem historischen Jesus, p. 128). 75 Schon unter 1.1. a) wurde auf das Problem hingewiesen, daß sich auch das 'christliche' Interesse je nach der konkreten geschichtlichen Situation der Überlieferungsträger kurzfristig ändern kann. 72

214 In der Verhältnisbestimmung von Jesusüberlieferung zum Urchristentum greift also die Doppelforderung des intelligenten Falsifikationismus: Einzelüberlieferungen, die in unser (bisher erarbeitetes) Bild von Jesus und seinem jüdischen Kontext nicht passen, wohl aber positiv sehr gut aus der Geschichte des Urchristentums heraus erklärt werden können, sind als unecht anzusehen. Umgekehrt gilt: Was in unser (bisher erarbeitetes) Bild von Jesus und seinen jüdischen Kontext paßt, aber gegenüber urchristlichen Tendenzen spröde ist oder trotz der unterschiedlichen Tendenzen in verschiedenen urchristlichen Überlieferungsströmen immer wiederkehrt, das ist echt. 3.3. Ein historisch plausibles Gesamtbild (Gesamtplausibilität)

Die bisherigen Überlegungen machen deutlich, daß Plausibilität maßgeblich durch Kohärenz evoziert wird. Ein Gesamtbild muß ein Mindestmaß an Kohärenz aufweisen, um plausibel zu sein.76 In unserem Zusammenhang geht es dabei nicht nur um Kohärenz in den zu rekonstruierenden Sprüchen Jesu o.ä., sondern darüber hinaus um die Kohärenz eines Gesamtbildes Jesu im Kontext des Judentums und frühen Christentums. Ein solches Bild schließt Inkohärenzen in der Verkündigung Jesu ein und verlangt kein widerspruchsfreies System seiner Theologie. Das Gesamtbild darf sich nicht zum Kriterium verselbständigen, das dann allein ausscheidend auf bestimmte Inhalte wirkt. Diese Gefahr liegt dann nah, wenn man meint, ein 'gesichertes' Gesamtbild zu haben.77 Gerade das 'bisher erarbeitete Gesamtbild' gilt es ständig zu überprüfen. Was wir 'Gesamtplausibilität' nennen, ist also kein unabhängiges zusätzliches Kriterium zu Kontext- und Wirkungsplausibilität, sondern eher eine 'regulative Idee', die bei der Auswertung historischer Zeugnisse wirksam ist. Die Plausibilität unseres Gesamtbildes steigt dabei mit seinen Bezugspunkten in historischen Zeugnissen, während mit einer zunehmenden Genauigkeit des Gesamtbildes ohne diesen historischen Rückhalt die Plausibilität abnimmt.78

76

H. SCHÜRMANN: Jesu ureigener Tod, p. 25. Schürmann nennt diesen Aufweis, „daß sich die verschiedenen Beobachtungen und Erkenntnisse zu einem verstehbaren Gesamtbild zusammenfügen", den „Konvergenzbeweis" 77 H. SCHÜRMANN: Kritische Jesuserkenntnis, p. 21, formuliert zwar vorsichtig, tendiert aber in die Richtung, das Gesamtbild als Kriterium und nicht als Ziel zu begreifen. n Cf. H.-I. MARROU: Über die historische Erkenntnis, p. 170: „... in der Geschichte [wächst] die Genauigkeit sehr bald auf Kosten der Gewißheit."

215

4.

Zusammenfassung: Eine Neuformulierung der Kriterien historischer Jesusforschung

Historische Jesusforschung sollte sich nicht an theologischen Zielvorgaben orientieren.79 Historie und Dogmatik sind getrennt zu halten, und d.h.. In der Geschichtswissenschaft darf nicht mit supranaturalen und analogielosen Geschehnissen gerechnet werden. Vielmehr sind die Überlieferungen von Jesus mit den Mitteln der allgemeinen historischen Geschichtswissenschaft zu erforschen. Diese Überlieferungen können exegetisch und literaturwissenschaftlich ausgelegt werden. Aber sie können auch als Quellen für historische Fragen herangezogen werden.80 Es gibt keinen Grund, sie nicht auch historisch auszuwerten. Historische Jesusforschung kann und will nicht Jesu Verkündigung oder Teile derselben wortwörtlich rekonstruieren. Vielmehr geht es ihr darum, die wesentlichen Inhalte, die Jesus vermitteln wollte, in einem Gesamtbild von seiner Person zu erfassen. Sie wägt dabei Wahrscheinlichkeiten ab, um ein Urteil über die historische Plausibilität der Rückführung auf Jesus zu fallen. Hierzu sind Kriterien erforderlich. Je mehr dieser Kriterien erfüllt werden, desto höher die Plausibilität. Eigentliche Echtheitskriterien sind zu unterscheiden von Quellenwertargumenten und Besonderheitsindizien: Quellenwertargumente bestimmen Alter, Ort und Unabhängigkeit von Überlieferungen und damit die allgemeine Chance, in ihnen Historisches und Authentisches zu gewinnen. Sie sind bei der Anwendung von Echtheitskriterien schon vorausgesetzt. Besonderheitsindizien, die die besonderen Merkmale der Sprache Jesu und seiner Taten erfassen, setzen dagegen ihrerseits die Anwendung von Echtheitskriterien schon voraus. Zur Bestimmung der Echtheit haben wir ein 79

Cf. E.P SANDERS' „... effort to free history and exegesis from the control of theology" (Jesus and Judaism, pp. 333f). Die Abgrenzung gegen eine theologische Zielvorgabe versteht 'theologisch' in einem engen, ideologischen Sinn, den Glauben an Jesus als den Offenbarer sachlich zu rechtfertigen. In einem weiteren Sinn liegt es u.E. durchaus im 'theologischen' Interesse, historische Jesusforschung zu fördern, da Jesus nach christlicher Überzeugung eine historische Gestalt war. 80 R S. HUMPHREYS: The Historian, p. 8: „historians regard documents not as the ultimate end of their work but as evidence; they use them to get at the ideas, actions, and pattern of behavior which they record and imply " Cf. auch H.-I. MARROU: Über die historische Erkenntnis, p. 144: „Wir studieren ein Dokument nicht um seiner selbst willen, sondern um durch dieses die Vergangenheit zu erreichen."

216

historisches Plausibilitätskriterium mit zwei Unterkriterirai formuliert: das Kriterium der Kontext- und der Wirkungsplausibilität. 1) Das Kriterium (jüdischer) Kontextplausibilität umfaßt zwei Aspekte: Kontextentsprechung und kontextuelle Individualität. Gefordert wird zunächst „Kontextentsprechung" Was Jesus gewollt und gesagt hat, muß mit dem Judentum in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts in Galiläa vereinbar sein. Komplementär zu ergänzen ist die Suche nach „kontextueller Individualität" Was Jesus gewollt und getan hat, muß als eine individuelle Erscheinung im Rahmen des damaligen Judentums erkennbar sein. Historische Jesusforschung, die Jesus als geschichtliche Gestalt in seiner Zeit wahrnimmt, setzt bei seiner jüdischen bzw. galiläischen Welt des 1. Jh. an. Als eine Gestalt mit einer bestimmten sozialen Identität machte sich Jesus seinen Zeitgenossen verständlich. Dabei sind generelle Denkbarkeit und individuelle Erkennbarkeit kein Widerspruch. 2) Das Kriterium wirkungsgeschichtlicher Plausibilität bezieht sich dagegen auf die Nachwirkung Jesu im Urchristentum. Auch hier lassen sich zwei Aspekte unterscheiden: Tendenzsprödigkeit gegenüber allgemeinen Tendenzen im Urchristentum und gleichbleibende Kohärenz angesichts der jeweils verschiedenen Tendenzen in einem pluralistischen Urchristentum. An erster Stelle steht die Suche nach tendenzwidrigen Elementen: Was innerhalb der Jesusüberlieferung in Differenz zu den Interessen der urchristlichen Quellen steht, aber in ihrer Überlieferung tradiert wird, kann in graduell zu differenzierender Weise historische Plausibilität beanspruchen. Diese positive Verwendung des DKC entspricht einem Grundsatz der Quellenkritik, nämlich dem der Tendenzsprödigkeit. Da die umfangreichsten Quellen über Jesus, nämlich die Texte des Neuen Testaments, selbst ein Teil der Wirkungsgeschichte Jesu sind, fließen hier überlieferungs- und wirkungsgeschichtliche Überlegungen zusammen. Die andere Seite von Wirkungsplausibilität ist die Übereinstimmung zwischen unabhängigen Quellen oder „Quellenkohärenz"· Die Kohärenz einzelner Elemente aus unabhängigen unterschiedlichen Überlieferungen, verschiedenen Traditionsschichten und verschiedenen Gattungen innerhalb der Jesusüberlieferung schafft historische Plausibilität. Die zwei Unterkriterien unseres historischen Plausibilitätskriteriums sind verschiedene Strategien, Kohärenz und Inkohärenz, Kontinuität und Diskontinuität, Übereinstimmung und Nicht-Übereinstimmung auszuwerten - einmal im Blick auf das Judentum, dann im Blick auf das Urchristentum. Wir erhalten danach folgende Systematik unserer vier Unterkriterien:

217

Auswertung von Übereinstimmungen

Auswertung von Nichtübereinstimmung

Kontextplausibilität

Kontextentsprechung

Kontextuelle Individualität

Wirkungsplausibilität

Quellenkohärenz

Tendenzwidrigkeit

Alle Einzelurteile über die Echtheit und Unechtheit von Jesusüberlieferungen sind durch mehr oder weniger explizite Gesamtbilder vom Wirken Jesu bestimmt, die mit jeder Einzelentscheidung überprüft werden. Diese Gesamtbilder stammen teils aus den Quellen, teils aus der Forschungsgeschichte, teils aus dem vorwissenschaftlichen Umgang mit christlicher Tradition. Solche Gesamtbilder unterliegen als ganze derselben Kombination von Kriterien wie einzelne Überlieferungen von Jesu Worten, Taten und seinem Geschick: Was wir von Jesus insgesamt wissen, muß ihn als Individualität innerhalb des zeitgenössischen jüdischen Kontextes erkennbar machen und mit der christlichen (kanonischen und nicht-kanonischen) Wirkungsgeschichte vereinbar sein. Wir sehen in dieser Formulierung eines Kriteriums historischer Gesamtplausibilität kein zusätzliches (drittes) Kriterium neben Wirkungs- und Kontextplausibilität, sondern eine in allen Kriterien, Quellenwertargumenten und Besonderheitsindizien wirksame regulative Idee. Wir beginnen bei der Forschung immer mit einem Vorgriff auf ein noch so vages „gesamtplausibles" Bild, um es immer wieder zu testen, zu präzisieren und zu korrigieren. Und wir überprüfen alle Einzelergebnisse am Ende daran, ob sie in ein stimmiges Gesamtbild passen. 5.

Exkurs: Analogien zur Kriterienfrage in der Jesusforschung: Das Beispiel der montanistischen Prophetensprüche

Die „Analogielosigkeit", die man zum Echtheitskriterium von Jesusworten erhob, wurde für die methodologische Reflexion, die dies Kriterium formulierte, oft von vornherein in Anspruch genommen. Sie geschah meist ohne Blick auf analoge Forschungsprobleme. Zwar wollte man mit den allgemeinen historisch-kritischen Methoden arbeiten, betonte aber gleichzeitig die Einzigartigkeit der urchristlichen Quellen so sehr, daß für die Jesusforschung nur autochthone Kriterien in Frage kamen. Daran ist etwas wahr. Denn wo finden wir sonst in der Geschichte Charismatiker, die nichts Schriftliches von sich hinterlassen haben und von deren Botschaft und Wirken wir nur durch lange nach ihrem Tod niedergeschriebene Berichte

218

wissen? Wo finden wir eine Analogie zu dem singulären Bewußtsein der Tradenten und Verfasser dieser Berichte, von jemandem zu zeugen, der nicht nur eine Gestalt der Vergangenheit war, sondern als Auferstandener lebendige Quelle von Autorität und Inspiration in der Gegenwart ist? Wo finden wir sonst eine solche Mischung von echten und unechten Worten? Die Singularität des neutestamentlichen Kerygmas schien den Blick auf analoge Probleme überflüssig zu machen - zumal man annahm, daß sie in Gestalt der Evangelien zu singulären literarischen Formen geführt habe. Und doch finden wir auch in anderen Bereichen vergleichbare Probleme. Vor allem ist hier an prophetische Gestalten zu denken - sowohl in der Geschichte Israels als auch im frühen Christentum." Auch die Propheten Israels haben in der Regel keine Schriften hinterlassen. Auch hier überlieferten Schüler ihre Worte und schrieben sie nieder. Auch hier entstand eine Mischung aus echter Meisterprophetie und nachahmender Schülerprophetie, also eine Verbindung von echten und unechten Worten, die erst in der Neuzeit durch kritische Forschung aufgelöst wird. Natürlich schwankt auch hier die Forschung zwischen resignierender Skepsis und naivem Vertrauen in die Überlieferung. Vorherrschend aber ist ein selbstkritisches Zutrauen, methodisch zwischen echt und unecht unterscheiden zu können, wenn auch mit unterschiedlichem Grad an Wahrscheinlichkeit. Ein Vergleich zwischen alttestamentlicher Prophetenforschung und neutestamentlicher Jesusforschung unter methodologischem Aspekt wäre auf jeden Fall eine eigene Untersuchung wert. Hier sei nur auf folgendes hingewiesen: Auch Alttestamentler arbeiten bei der Bestimmung echter Prophetenworte mit dem Kriterium der Kontextplausibilität: Echt ist, was in die historische Situation paßt, die mit Hilfe der Prophetenworte und anderer Quellen rekonstruiert wird. Was sich aus einer späteren Situation heraus interpretieren läßt, gilt als unecht. Das Kriterium der Wirkungsplausibilität spielt ebenfalls eine Rolle: Tendenzspröde Elemente werden gern als authentisch erkannt. Wenn z.B. das spätere (deuteronomistische) Prophetenbild in den Propheten Umkehrprediger sieht, kommen all jene Züge als authentische Elemente in Frage, die bei den vorexilischen Propheten eine unbedingte Gerichtsbotschaft vorauszusetzen scheinen. Aber auch die Propheten in frühchristlicher Zeit sind in mancher Hinsicht vergleichbar, insbesondere die sogenannte „Neue Prophetie"82, die

81

Einen aufschlußreichen Vergleich zwischen Jesusüberlieferung und Prophetenüberlieferung enthält M. SATO: Q und Prophetie, jedoch vor allem für die Logienquelle im Vergleich zu alttestamentlichen Prophetenbüchern.

219 wahrscheinlich in der Mitte des zweiten Jh.s n.Chr. ca. 157 n.Chr. (nach Euseb erst ca. 172 n.Chr.), in Phrygien auftrat und sehr schnell über ihre lokalen Grenzen hinaus wirkte.' 3 Nach den ältesten Berichten standen in ihrem Zentrum drei Gestalten: der Prophet Montanus und zwei Prophetinnen mit Namen Maximilla und Prisca.®4 Ihr Zentrum lag in zwei kleinen phrygischen Städten, Pepuza und Thymion, denen sie den Namen „Jerusalem" gaben. Ihre Botschaft und ihr Wirken läßt sich unter vierfachem Aspekt charakterisieren: 1 Der charismatische Aspekt: Die neuen Propheten und Prophetinnen weissagten in einer damals ungewöhnlichen Weise, nämlich in Ekstase, in der sie sich als inspiriertes Werkzeug des Heiligen Geistes - insbesondere K

Der Begriff „Neue Prophetie" entspricht wohl am ehesten dem Selbstverständnis der montanistischen Bewegung. Ihr Anhänger Tertullian spricht von den „neuen Propheten" (pud. 21,7). In den ältesten Quellen werden sie von außen jedoch meist die ,,Phrygier", „Kataphiygier" oder „die nach den Phrygiern genannte Sekte" genannt (so in der ältesten Quelle bei Eus. KG V,16,l). Der Begriff „Montanisten" begegnet erst relativ spät in den Quellen im 4. Jh. bei Kyrill von Jerusalem (Catechesis 16). - Anregungen für diesen Exkurs über den Montanismus stammen aus einem gemeinsamen Seminar von A.M. Ritter und G. Theissen über „Rechtgläubigkeit und Häresie im Urchristentum" 83 Die Quellen zum Montanismus sind übersichtlich gesammelt bei Ρ de LABRIOLLE: Les sources de l'histoire du Montanisme, Paris 1913 (mit franz. Übersetzung) und bei R.E. HEINE: The Montanist Oracles and Testimonia, 1989 (mit engl. Übersetzung). Im folgenden werden die Quellen nach R.E. Heine zitiert. Aus der Literatur seien nur wenige zusammenfassende Arbeiten genannt: Ρ de LABRIOLLE: La crise montaniste, Paris 1913; K. ALAND: Bemerkungen zum Montanismus und zur frühchristlichen Eschatologie, pp. 105148; Α. JENSEN: Gottes selbstbewußte Töchter, pp. 268-352; CH. TREVETT Montanism, Cambridge 1996. Als Überblicksartikel seien genannt: R.E. HEINE: Art. Montanus, Montanism, ABD IV (1992) pp. 898-902; W.H.C. FREND: Art. Montanismus, TRE 23 (1994) pp. 271-279. Dort findet sich eine deutsche Übersetzung der erhaltenen Prophetensprüche und ein umfassendes Literaturverzeichnis. M Der Name 'Prisca' wird in den Quellen auch in der Verkleinerungsform Priscilla wiedergegeben. Umstritten ist, ob Montanus wirklich der „Gründer" der Bewegung war. A. JENSEN: Töchter, pp. 268ff., will ihn zum Organisatoren der Bewegung machen. Er sei nur der „Paraklet" der Prophetinnen gewesen. Richtig ist, daß der Paraklet durch alle Propheten und Prophetinnen in gleicher Weise sprach. Die Prophetinnen sind von Montanus unabhängiger, als es die Quellen darstellen. Aber Montanus war mehr als ein Organisator, vgl. CH. TREVETT: Montanism, pp. 160-162.

220 des im JohEv verheißenen Parakleten - verstanden. Ihre Worte waren eine Mischung aus verständlichen Botschaften und unverständlichen Äußerungen. Sie verbanden das Charisma der Prophetie mit dem Charisma der Glossolalie - beides Geistesgaben, die bei Paulus selbstverständlich zum Leben der Gemeinde gehörten. 2. Der ethische Aspekt: Sie vertraten einen moralischen Rigorismus. Sexuelle Askese galt ihnen so viel, daß sie die Auflösung bestehender Ehen in Kauf nahmen: Maximilla und Priscilla sollen ihre Männer verlassen haben. Hinzu kam Speiseaskese, neue Formen des Fastens, die vielleicht der Vorbereitung für den Empfang von Auditionen und Visionen dienten. Ferner ist eine Hochschätzung des Martyriums bezeugt. Mit all dem fallen sie jedoch nicht aus der kirchlichen Lehre heraus. Obwohl sie als Pseudopropheten angegriffen wurden, kritisierte man weniger ihre ethischen Handlungen (ihre Früchte), sondern primär die ekstatische Form des Offenbarungsempfangs unter Ausschaltung der Vernunft." 3. Der ekklesiologische Aspekt: Die neue Prophetie entwickelte eine erstaunliche organisatorische Kraft. Sie gewann viele Anhänger, organisierte Versammlungen in den „Jerusalem"-Städten Pepuza und Thymion, sammelte Spenden von den Anhängern ein und bezahlte regelrechten Lohn an ihre Lehrer. Besonders auffallig war, daß sie viele Frauen als Anhänger gewann. Sie waren in der montanistischen Bewegung den Männern gleichgestellt, waren doch Frauen genau so wie Männer vom Geiste ergriffen worden. 4. Der eschatologische Aspekt: Die Neue Prophetie hat wahrscheinlich die Naherwartung neu belebt. Maximilla verkündete, daß sie die letzte Prophetin sei; nach ihr käme das Ende (Epiph.pan. 48,2.4 = Heine Nr. 6).86 Aber 85

Ein Versuch, sie nach ihren „Früchten" zu beurteilen, findet sich in der zweiten Quelle bei Euseb: Daß sie Geschenke annehmen, wird ihnen vorgeworfen (Eus. KG V,18,ll). Die Montanisten hatten wohl ein effektives „Finanzsystem" entwickelt. Aber darum bemühten sich andere Gemeinden auch. 86 Für den Spruch wurden alternative Deutungen vorgeschlagen: Er habe ursprünglich nur sagen wollen: Nach der Prophetie komme (im Sinne von IKor 13,8ff) die vollendete Erkenntnis. Der Spruch sei nachträglich in ein Trostwort umformuliert worden, um das Ende der Prophetie nach Maximilla zu bewältigen (so A. JENSEN: Töchter, pp. 308-310). Oder man verstand ihn als Absicherung der montanistischen Tradition für die Zeit nach dem Tod Maximillas: Bis zum Ende sollten die Worte der Gründergestalten kanonische Gültigkeit haben (so G. SCHÖLLGEN: „Tempus in collecto est" Tertullian, der frühe Montanismus und die Naherwartung ihrer Zeit, pp. 87f). Aber (1.) der Wortlaut spricht für eine

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es handelte sich nicht um eine rein ftiturische Eschatologie, in der Gemeinschaft der neuen Propheten sah man schon das neue Jerusalem verwirklicht. Das konnte sich mit der Erwartung verbinden, daß in Pepuza das Herabkommen des neuen Jerusalems zu erwarten war - eine Botschaft, mit der wohl eine spätere montanistische Prophetin namens Quintilla hervortrat (Epiph.pan. 49,1).11 Die in Kleinasien ohnehin lebendige Erwartung einer Naherwartung: συντέλεια spielt auf Mt 28,20 an. Es heißt dabei eben nicht: Bis zum Weltende wird es keinen Propheten mehr geben, sondern: Nach mir gibt es keinen Propheten, sondern das Ende. (2.) Der Spruch wird in der Quelle im Sinne einer Naherwartung verstanden (vgl. Epiph.pan. 48,2.4ff = Heine Nr. 26, pp. 28ff). (3.) Er ist an einen singulären Kontext gebunden: Der Tod des Montanus und der Prisca sind vorausgesetzt. Nur Maximilla lebt noch. Die Prophetie der Montanisten starb auch nicht auf Dauer aus, wie der antimontanistische Schriftsteller in Epiph.pan. 48, 2, Iff behauptet. Epiphanius selbst setzt pan. 49,1 noch eine „Quintilla" voraus, die aller Wahrscheinlichkeit nach erst nach den prophetischen Gründergestalten aufgetreten ist (vgl. CH. TREVETT · Montanism, pp. 167ff). Eine latente Naherwartung war ohnehin bei vielen Christen vorhanden: Die Eschatologie der Montanisten hatte darüber hinaus präsentische Züge. In Phrygien entstand in ihren Gemeinden schon das neue Jerusalem. Die Prophetie ist Gabe der Endzeit. Sie bringt (so Maximilla in Epiph.pan. 48,13,1 = Heine Nr. 8) schon die vollendende „Gnosis Gottes" Der Montanismus ist weniger eine Erneuerung urchristlicher Naherwartung als eine Erneuerung des urchristlichen Enthusiasmus, der durchaus eschatologisch motiviert sein konnte. 17 Quintilla dürfte eine spätere montanistische Prophetin sein. Von ihr ist ein Spruch überliefert, der zugleich Prisca zugeschrieben wird: „Christus kam zu mir unter dem Erscheinungsbild einer Frau in einem glänzenden Gewand und gab mir Weisheit ein und offenbarte mir, daß dieser Ort (sc. Pepuza) heilig sei und hier das Jerusalem aus dem Himmel herabkommen werde" (Epiph.pan. 49,1,3 = Heine Nr. 11). Tertullian weiß nichts von der Lokalisierung der Jerusalemerwartung in Pepuza. Auch die frühen antimontanistischen Schriftsteller schweigen davon. Da die „Quintillianisten" später als eigenständige Gruppe unter den Montanisten auftreten und Epiphanius gerade ihnen eine Zulassung von Frauen zum Priester- und Bischofsamt zuschreibt, die sie mit dieser Vision zu begründen scheinen (Epiph.pan. 49,1-3; Heine Nr. 94), spricht viel dafür, den Spruch Quintilla zuzuschreiben. In ihm ist wohl die Berufungsvision der Quintilla erhalten: Christus erscheint ihr in Gestalt der „Frau Weisheit", befähigt sie zur Lehre, indem er ihr Weisheit verleiht. Die bisher allgemeine Erwartung eines neuen Jerusalems wird aufgrund dieses Spruches in Pepuza lokalisiert vielleicht als Bewältigung der Parusieverzögerung: Wenn schon die Endzeit in die Ferne rückt, so ist man doch am entscheidenden endzeitlichen Ort. Zur Zuschreibung des Orakels an Quintilla vgl. CH. TREVETT Montanism, pp. 167ff. A. JENSEN: Töchter, pp. 319ff, will in dem oben zitierten Prophetenspruch

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neuen Welt und eines neuen Jerusalems (Vgl. JohApk 21, Iff) aber wird von vornherein in der „Neuen Prophetie" lebendig gewesen sein. Wichtig ist: Die „Neue Prophetie" erschien in den ältesten Quellen als rechtgläubige charismatische Bewegung. Tertullian schloß sich ihr im Bewußtsein an, in ihr zu verwirklichen, was er als rechtgläubiger Christ schon immer gewollt hatte. Erst später wurde die „Neue Prophetie" als Häresie gebrandmarkt. Die Quellenlage ist komplex, aber überschaubar, wenn man die Quellen nach den drei geographischen Regionen ordnet, in denen Montanisten in den ersten beiden Generationen auftreten, in Kleinasien, Rom und Nordafrika" Für den kleinasiatischen Raum sind uns die Berichte des Euseb (ca. 260/5-339/40) und Epiphanius (ca. 315-403 n.Chr.) erhalten. Beide stützen sich auf ältere Quellen. Euseb exzerpiert zwei antimontanistische Quellen. Die erste stammt von einem Anonymus, der im 14. Jahr nach dem Tod der Prophetin Maximilla schreibt - wahrscheinlich in der Zeit um 190 n.Chr. (Eus. KG V, 16-17 = Heine Nr. 23). Die zweite Quelle geht auf einen Apollonius zurück und ist ca. 40 Jahre nach dem Auftreten des Montanus verfaßt worden (KG V,18 = Heine Nr. 24). Auch Epiphanius stützt sich nach eigenen Angaben auf ältere Quellen, die bis in die Zeit um 200 zurückgehen könnten und wahrscheinlich in Asien entstanden sind (Epiph.pan. 48,1-13 = Heine Nr. 26). Die wichtigsten Quellen für das Auftreten des Montanismus in Rom sind neben Eusebs Notizen über den Gegner dieser neuen Bewegung Gaius (KG 11,25,5-7; VI,20,3 = Heine Nr. 28, 29) die Aussagen des Ketzerbekämpfers Hippolyt in der ersten Hälfte des 3. Jh.s (Hipp. réf. Vm,19; X, 25-26 = Heine Nr. 32.33). Die nordafrikanischen Quellen sind dadurch ausgezeichnet, daß wir hier nicht nur Aussagen von Gegnern der Montanisten haben, sondern Überlieferungen von Montanisten selbst: das Martyrium der Perpetua und Felicitas und die Schriften Tertullians aus seiner montanistischen Phase (= Heine Nr. 35, 36-70). Die Frage ist nun: Sind die Überlieferungen der „Neuen Prophetie" tatsächlich den Überlieferungen von Jesus vergleichbar? Bei allen Unterschieden kann man auf folgende strukturelle Ähnlichkeiten hinweisen: dagegen die Berufungsvision der Prisca sehen, die den entscheidenden Anstoß für die ganze Bewegung gab. " Vgl. die Überblicke bei R E. HEINE: Art. Montanus, Montanism, ABD IV, pp. 898ff; CH. TREVETT: Montanism, pp. 46-76.

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1. Es handelt sich hier wie dort um eine charismatische Bewegung. Beide sind nicht ohne Vorläufer. Dem Auftreten Jesu ging das Wirken Johannes des Täufers voran. Dem Auftreten der „Neuen Prophetie" gingen zahlreiche christliche Propheten in Kleinasien voraus: Der Seher Johannes, dem wir die Apokalypse verdanken; Philippus und seine prophezeienden Töchter in Hierapohs (Eus. KG 10,31,3; 111,39,9); die Prophetin Ammia in Philadelphia (Eus. KG V,17,3), ferner Quadratus, der sowohl mit den Töchtern des Philippus (KG 111,37,1) als auch mit Ammia (KG V,17,2) verbunden wird. Das Auftreten von Propheten ist daher in Kleinasien gut vorstellbar. Es ist „kontextplausibel" - zumal wir in den Sprüchen der Neuen Prophetie das Nachwirken kleinasiatischer Traditionen (wie der JohApk und der Parakletenvorstellung des JohEv) nachweisen können. 2. Das Überlieferungsmedium ist in beiden Bewegungen am Anfang mündlich. Zwar hören wir auch von Schriften der drei prophetischen Gründergestalten. Die ältesten Quellen jedoch wissen nichts von ihnen: Der antimontanistische Anonymus (in Eus. KG V,16-17) kennt die Montanisten aus Gesprächen in Ancyra (V,16,4). Er zitiert ein Orakel der Maximilla (V,16-17) - das aber entnimmt er einem Buch des Asterius Urbanus; d.h. ca. 14 Jahre nach deren Tod gibt es schriftliche Niederschriften der ursprünglich mündlichen Orakel. Diese Niederschriften stammen aber nicht von dm Propheten und Prophetinnen selbst. Die zweite auf Apollonius zurückgehende Quelle bezieht sich nirgendwo auf eine Schrift der Propheten und Prophetinnen, kennt aber den Brief eines ihrer Anhänger Themison (Eus. KG V,18,5). Selbst Epiphanius zitiert keine Schrift von Montanus, Priscilla oder Maximilla, dafür überliefert er die meisten Prophetensprüche, die er immer mit verba dicendi einleitet: Er behandelt sie als (ursprünglich) mündliche Tradition (Epiph.pan. 48,1-13). Erst in Rom wendet sich Hippolyt gegen Bücher der drei Gründergestalten (réf. VIII, 19,1.5). Gaius polemisiert dort gegen ihre „kühne, verwegene Aufstellung neuer Schriften" (Eus. KG VI,20,3). Der sehr viel spätere Dialog zwischen einem Montanisten und einem Orthodoxen (= Heine Nr. 89) sieht darin, daß Priscilla und Maximilla Bücher verfaßt haben, sogar einen Verstoß gegen lTim 2,12, wonach die Frau nicht über den Mann herrschen soll." Der Befund ist wohl so zu deuten, daß die ursprünglich mündlichen Prophetensprüche sekundär verschriftlicht wurden - nicht von den Propheten und Prophetinnen selbst, sondern von ihren Anhängern. Möglicherweise wurden Sammlungen dieser " Die Polemik gegen die schriftstellerische Tätigkeit der montanistischen Propheten findet sich bei Heine Nr. 89, p. 124/125. Zu weiteren Schriften der Montanisten vgl. K. ALAND: Bemerkungen, pp. 105f Anm. 3.

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Sprüche später Montanus, Priscilla und Maximilla direkt zugeschrieben. In jedem Fall haben wir in der Jesusüberlieferung wie in den Sprüchen der Neuen Prophetie sekundär verschriftlichte mündliche Überlieferung. 3. Ist vielleicht die einzigartige Gegenwartsbedeutung des Erhöhten ein Proprium der Jesusüberlieferung? Hat das Weiterwirken Jesu als Erhöhter irgendeine Analogie? Immerhin kann man darauf hinweisen, daß auch in der „Neuen Prophetie" der Paraklet als der eigentliche Autor der Sprüche galt. Tertullian überliefert drei montanistische Prophetensprüche, die er keiner der Gründergestalten zuschreibt, sondern dem Parakleten selbst (Tert. pud. 21,7; anim 55,5 = Heine Nr. 12,14) bzw. dem Geist (fug. 9,4 = Heine Nr. 13). Zwar ist ein Spruch von Maximilla erhalten, wonach sie die letzte Prophetin ist (Epiph. pan. 48,2.4). Aber es hat nachweisbar nach ihr noch montanistische Prophetie gegeben - die Prophetin Quintilla, von der Epiphanius eine Vision Christi in weiblicher Gestalt berichtet (pan. 49,1), ferner eine Prophetin, von der Firmilian berichtet (in: Cyprian ep. 75,7).90 4. Vergleichbarkeiten gibt es auch bei der schriftlichen Quellenlage: Wir verfügen jeweils über mehrere, potentiell unabhängige Überlieferungskomplexe und Schriften. Die drei nach Kleinasien gehörenden alten Quellen sind wahrscheinlich unabhängig voneinander. Der 40 Jahre nach dem Auftreten des Montanus schreibende Apollonius könnte zwar von dem 14 Jahre nach dem Tod der Maximilla schreibenden Anonymus abhängig sein - beide erwähnen das Vorgehen des Bischofs Zoticus gegen die „Neue Prophetie" (Eus. KG V,16,17; V,18,13); aber es gibt Unterschiede. Beim älteren Anonymus tritt der ekstatische Charakter der Neuen Prophetie hervor; der jüngere Apollonius betont die effektive Organisation und prangert das Finanzwesen der „Neuen Prophetie" und ihrer Anhänger an: „Er (sc. Montanus) ist es, der Steuereinnehmer aufstellte, unter dem Titel Opfer Geschenke anzunehmen verstand und den Verkündigern seiner Lehre Lohn auszahlte, auf daß die Predigt seiner Lehre durch Schlemmerei an Kraft gewänne" (Eus. KG V,18,2). Zeichnet sich darin eine Entwicklung von charismatischen Anfangen zu institutionellen Strukturen ab? Oder interessieren sich beide für verschiedene Aspekte derselben Bewegung? Auch die 90

Die Quelle des Epiphanius wendet gegen die Montanisten ein, daß nach Montanus, Priscilla und Maximilla kein Prophet mehr unter ihnen aufgetreten sei (Epiph.pan. 48,2,1 = Heine Nr. 26). Aber sein Argument, daß Maximilla mit ihrer Aussage, nach ihr käme kein Prophet mehr, die Existenz des Charismas unter den Montanisten „zerstöre", setzt voraus: Man beansprucht weiterhin den Geist. Nur deshalb kann der antimontanistische Schriftsteller hier einen Widerspruch bei den Montanisten selbst sehen.

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nordafrikanischen Quellen sind z.T von dai römischen Quellen unabhängig. Tertullian ist nicht nur via Rom über die „Neue Prophetie" informiert.91 Der Unterschied in der Quellenlage liegt beim Montanismus und der Jesusbewegung vor allem darin: Bei Jesus haben wir fast ausschließlich Quellen von Anhängern, bei den Montanisten vorwiegend Quellen von Gegnern. Tendenziös sind die Quellen in beiden Fällen. Und so fragt sich bei beiden: Gibt es in ihnen tendenzspröde oder tendenzwidrige Elemente? Die Unterschiede zwischen Jesusbewegung und Neuer Prophetie, zwischen der Überlieferung von Jesusworten und montanistischen Prophetensprüchen, sollen mit all dem nicht geleugnet werden. Vergleichbar - aber deshalb nicht gleich - sind hier wie dort der charismatische Ursprung der Bewegung, der Anfang der Traditionsbildung in mündlicher Sprache, die Gegenwartsbedeutung des Geistes über den Tod der Gründergestalten hinaus und die Pluralität der Quellen. Diese Vergleichbarkeit dürfte auch für die methodologische Frage nach Echtheitskriterien gelten. Wenigstens haben wir hier ein vergleichbares Problem: Von dai montanistischen Prophetensprüchen sind 19 erhalten, meist gelten ca. 14 von ihnen als authentisch. Welche Kriterien liegen zugrunde, wenn man echte und unechte Sprüche unterscheidet? Eindeutig gilt das Kriterium: Unecht ist, was nur im Rahmen einer späteren geschichtlichen Situation so verständlich wird. So lassen sich z.B. einige terminologische Prägungen eindeutig mit bestimmten theologiegeschichtlichen Konflikten verbinden. Ein Musterbeispiel ist ein Fragment aus den „Oden des Montanus" (Heine Nr. 17). „Christus hat eine Natur (φύσιν) und eine Energie (ένέργειαν) sowohl vor dem Fleisch (d.h. der Fleischwerdung) als auch nach dem Fleisch (d.h. in seiner Existenz als Erhöhter), damit er kein Verschiedener sei, wenn er Unterschiedliches und Verschiedeies tut." Das ist die Sprache einer sehr viel späteren Zeit: Um die Einheit der Natur rang man im christologischen Streit des 5. Jh.s, um die Einheit der „Energie" im 7 Jh., Montanus kann unmöglich so gesprochen haben. Komplizierter wird die Echtheitsfrage bei einer Reihe von Montanus zugesprochenen Sprüchen mit trinitarischer Formulierung. Er soll gesagt haben: „Ich bin der Vater und der Sohn und der Heilige Geist (bzw. der Paraklet)" (Vgl. Heine Nr. 15,16). Einerseits kann man diese trinitarische Selbstvorstellung im Sinne des modalistischen Monarchianismus verstehen 91

Vgl. CH. TREVEIT: Montanism, p. 64.

226 - also als Ausdruck einer zeitgleich mit dem Montanismus in Rom diskutierten Lehre, Gott habe sich unter verschiedenen Formen, als Vater, Sohn und Heiliger Geist, offenbart. Andererseits konnte man solch eine Selbstvorstellung auch als hybride Selbstapotheose verurteilen. Und daran waren die Gegner der „Neuen Prophetie" besonders interessiert: Da sie den Montanisten keine „häretischen" Ansichten über Gott und Christus vorwerfen konnten, richtete sich ihre Kritik vor allem gegen die ekstatische Form der Prophetie und die angeblich darin zum Ausdruck kommende Selbstüberschätzung der Propheten. Während wir bei der Jesusüberlieferung annehmen, daß die Anhänger Jesu ihn nach seinem Tod an die Seite Gottes gerückt haben, um ihn als göttliches Wesen zu verehren, finden wir bei den Gegnern der Neuen Prophetie eine Tendenz, den montanistischen Propheten nachträglich ein Selbstverständnis zuzuschreiben, das sie in die Nähe Gottes rückte - um sie umso mehr als Häretiker verurteilen zu können. Daher könnten die Sprüche des Montanus mit trinitarischer Selbstvorstellungsformel unzutreffende Unterstellungen antimontanistischer Gegner sein. Sie begegnen erst in relativ späten Quellen - im Gespräch eines Orthodoxen mit einem Montanisten und bei Didymus von Alexandrien im 4. Jh (= Heine Nr. 89; 103). Es könnte sich aber auch um einseitige Wiedergabe echter Orakel (bzw. von deren Einleitung) handeln, die ursprünglich im Sinne eines Inspirationsbewußtseins zu verstehen sind: Der historische Montanus hat sich sicher nicht mit dem trinitarischen Gott identifiziert, wohl aber konnte er sich als Sprachrohr Gottes oder Jesu oder des Heiligen Geistes verstehen.92 In anderen Fällen läßt sich der Zweifel an der Authentizität von montanistischen Orakeln begründet zurückweisen. Wir wählen dazu als Beispiel die Berufung auf den „Parakleten" Diese begegnet in den Prophetensprüchen nur bei Tertullian - nicht jedoch in den ältesten kleinasiatischen Quellen. Haben sich also die montanistischen Propheten und Prophetinnen etwa nur auf den „Geist" berufen, ihn aber nicht den „Parakleten" genannt? Wurde erst später daraus eine Berufung auf den Parakleten des JohEv, als man die neuen Offenbarungen des Geistes biblisch begründen mußte? 92

Als Analogie wären die von Celsus bezeugten christlichen (?) Propheten in Syrien zu nennen, die sich im Ich-Stil mit Gott oder einem Sohn Gottes oder einem göttlichen Geist identifizieren (vgl. Origen. c.Cels. 7,9 = Heine Nr. 18). Die Verbindung der drei göttlichen Instanzen geschieht hier durch „oder" Auch wenn hier keine montanistischen Propheten gemeint sind, so dürften es doch christliche Propheten sein: die „trinitarische" Stilisierung, die apokalyptische Erwartung, der Übergang von verständlicher in unverständliche Rede (= Glossolalie) - all das läßt sich am leichtesten durch christliche Traditionen erklären.

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Wurde diese Verbindung von prophetischem Geist und Paraklet vielleicht erst in Rom geschaffen, wo Hippolyt (ref. 8,19) und Ps-Tertullian (adv.haer. 7) sie voraussetzen?93 Und ist Tertullian von dieser römischen Tradition abhängig? Wenn man fragt, mit welchen Argumenten gegen solch eine Skepsis die Ursprünglichkeit des Parakletenmotivs in der montanistischen Überlieferung begründet werden kann und de facto begründet wird, so stößt man auf die uns vertrauten Argumentationsformen von Wirkungs- und Kontextplausibilität, auch wenn diese Begriffe nicht benutzt werden. Um das zu illustrieren, wenden wir die für die Jesusüberlieferung erarbeiteten Kriterien auf das Problem der Echtheit montanistischer Prophetensprüche an mit einer gewissen Konzentration auf das Parakletenmotiv 1. Wirkungsplausibilität: Echt ist, was sich als Wirkung der historischen montanistischen Propheten und Prophetinnen plausibel machen lassen kann, sei es, daß es in mehreren potentiell unabhängigen Überlieferungskomplexen begegnet, sei es, daß es als tendenzsprödes (oder zumindest tendenzneutrales) Element nicht aus den Interessen der späteren Überlieferer ableitbar ist. a) Quellenkohärenz: Eine Identifikation des Geistes mit dem Parakleten findet sich nicht erst in den römischen Quellen bei Hippolyt und Ps Tertullian. Auch der wahrscheinlich kleinasiatische Traditionen verarbeitende Epiphanius spricht vom Parakleten, freilich nicht innerhalb eines der von ihm tradierten montanistischen Orakel, sondern in der Stellungnahme zu dai Montanisten: Montanus verherrliche sich selbst. Der verheißene Paraklet werde dagegen Christus (nach Joh 16,14) verherrlichen. Daher sei der Anspruch des Montanus falsch (Epiph.pan. 48,11,4). Dieser Einwand des Epiphanius könnte ein Echo auf einen von den Montanisten vertretenen Anspruch sein.94 Hinzu kommt: Auch Irenäus spricht vom Parakleten in seiner Zurückweisung der (antimontanistischen) Gegner des prophetischen Charismas (vgl. adv.haer. 111,1,12 = Heine Nr. 27). Muß er nicht auch den Anspruch der montanistischen Propheten keinen, daß der Paraklet durch sie spreche? Nimmt man hinzu, daß Tertullian keineswegs durchgehend von römischen Quellen und Informationen abhängig sein dürfte, sondern in

93

So die These von R.E. HEINE: The Role of the Gospel of John in the Montanist Controversy, pp. 1-19; ders.. The Gospel of John and the Montanist Debate at Rome, pp. 95-100. Gegen seine These argumentiert CH. TREVETT: Montanism, pp. 62-66, u.E. mit überzeugenden Gründen. 94 So CH. TREVETT: Montanism, p. 64.

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Nordafrika auch auf anderem Wege von den Montanisten erfahren haben wird, dann ist es ganz unwahrscheinlich, daß das Motiv des Parakleten erst sekundär in die Überlieferung eingedrungen sein könne. Es begegnet (möglicherweise) unabhängig voneinander in der kleinasiatischen Quelle des Epiphanius, bei Irenäus in Lyon, bei Hippolyt in Rom und Tertullian in Karthago. Es dürfte bis in die Ursprünge zurückgehen. b) Tendenzsprödigkeit. Es lohnt sich, die Prophetensprüche näher zu betrachten, die explizit auf den Parakleten zurückgeführt werden, um zu fragen, ob das Parakletenmotiv eine bestimmte Tendenz zum Ausdruck bringt: Tertullian, resurr. mort. 11,2 = Heine Nr. 9: „Der Paraklet sagt durch die Prophetin Prisca: Sie sind Fleisch und sie hassen (doch) das Fleisch." Tertullian, pud. 21,7 = Heine Nr. 12: „Dies erkenne ich und will es noch mehr (als du), denn ich habe den Parakleten selbst, der in den neuen Propheten sagt: Die Kirche kann die Sünde vergeben, aber ich will es nicht tun, damit sie nicht auch noch anderes sündigen." Tertullian, anima 55,5 = Heine Nr. 14: „Wenn Du für Gott sterben willst so, wie der Paraklet es lehrt, so nicht in erschlaffendem Fieber und in Betten, sondern in Martyrien: Warn du dein Kreuz auf dich nimmst und dem Herrn folgst, wie er es selbst befiehlt, so ist dein Blut der ganze Schlüssel zum Paradies." Vom JohEv und seinen Parakletenaussagen her gibt es eigentlich keinen Grund, gerade diese Aussagen und keine anderen auf den Parakleten zurückzuführen. Der Spruch über die Sarx greift wahrscheinlich Doketen an, weil sie selbst Fleisch sind, aber das Kommen des Herrn im Fleisch leugnen und überhaupt die Sarx abwerten. Nach dem JohEv aber ist die Sarx nichts nütze, verglichen mit dem lebendigmachenden Geist (Joh 6,63). Der Plural σάρκες in dem montanistischen Spurch erinnert dabei mehr an die JohApk, wo er sich drei Mal findet (Apk 17,16; 19,18.21), als an das JohEv. Die Weigerung, Sünden zu vergeben, steht in direktem Widerspruch zu den joh Aussagen vom Geist. Die Verleihung des Geistes durch den Auferstandenen ist Übertragung von Vollmacht zur Sündenvergebung (Joh 20,22f). Jedoch kennt der 1 .Johannesbrief unvergebbare Sünde - neben Sünden, die vergeben werden können (1 Joh 5,16f). Der Martyriumsspruch wendet sich vor allem an Frauen. In einer Parallele in Tert. de fuga IX,4 ist von Entbindungen die Rede und der Tod in den Betten auf das Sterben im Wochenbett zu beziehen. Dieser Parallelspruch wird auf den „Geist" und nicht speziell auf dm „Parakleten" zurückge-

229 führt. Und in der Tat, zwischen der Parakletentradition im JohEv und dem Martyrium gibt es zwar Verbindungen (vgl. Joh 15,26-16,2), aber die montanistische Martyriumstheologie ist so im JohEv nicht vorgebildet. Unser Fazit ist: Die Verbindung des Parakleten mit einzelnen Sprüchen ist bei Tertullian inhaltlich kaum motiviert." Wenn er einige Sprüche unter die Autorität des Parakleten stellt, so steckt dahinter keine erkennbare Tendenz. Viel unbefangener würde sich das Auftreten des Parakleten erklären, wenn dieser im Montanismus schon immer als Autorität galt. Er kann deshalb formelhaft mit verschiedenen Inhalten verbunden werden. Aber zugegeben, dies ist nur ein schwaches Argument für die Echtheit, wohl aber ein Argument dafür, daß die Berufung auf den Parakleten Tertullian vorgegeben war. 2. Kontextplausibilität. Echt ist, was innerhalb der Entstehungssituation der montanistischen Prophetie im Kleinasien des 2 Jh.s n.Chr. plausibel ist, sei es, daß es mit diesem Kontext übereinstimmt, sei es, daß es als individuelle Erscheinung in diesem Kontext hervortritt. a) Kontextuelle Entsprechung. Eine charismatische Bewegung, die sich auf den joh Parakleten beruft und für ihre mündliche Verkündigung dessen Autorität beansprucht, paßt gut zu allem, was wir vom Christentum in Kleinasien (und insbesondere in der Umgebung Phrygiens) wissen. Papias von Hierapolis schätzt dort in der ersten Hälfte des 2. Jh.s die mündliche Überlieferung höher als die ihm bekannten Evangelien. Sicher kannte er das Mt- und MkEv, möglicherweise auch das JohEv, das er vielleicht als Maßstab im Auge gehabt hätte, warn er die falsche „Ordnung" im MkEv bemängelt (Eus. KG DI,39,15). Die mündliche Überlieferung nennt er mit einer johanneisch klingenden Wendung „die lebendige Stimme" (Eus. KG ΠΙ,39,4). Hinzu kommt, daß er Chiliast ist - und wohl eben jene konkreten apokalyptischen Träume träumte, die eine Generation nach ihm der Montanismus neu belebte. An Propheten war dieses Gebiet des Christentums reich: Johannes auf Patmos, Philipp und seine Töchter in Hierapolis, Am95

Die allgemein auf den „Parakleten" bzw. den „Geist" zurückgeführten Sprüche bei Tertullian entsprechen mit ihrer strengen Ethik so sehr der Mentalität des Tertullian, daß man mit A. JENSEN: Töchter, pp. 286-298, fragen kann, ob sie nicht erst in Nordafrika entstanden sind. Stellt Tertullian seine eigenen Meinungen unter die Autorität des Parakleten - oder wählt er aus der montanistischen Tradition die aus, die seiner strengen Mentalität entsprechen? Für unsere Frage nach der Ursprünglichkeit des Parakleten ergibt sich hier: Nur wenn Tertullian mit einer vorgegebenen Autorität rechnen kann, kann er ihr sekundär Sprüche zuschreiben.

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mia in Philadelphia und Quadratus sind hier zu nennen. Die Montanisten scheinen sich selbst in diese Prophetensukzession hineingestellt zu haben (Eus. KG V,17,3). Nimmt man hinzu, daß die johanneischen Schriften in Kleinasien eine große Wirkungsgeschichte hatten, so daß Irenaus davon überzeugt war, das JohEv sei in Ephesus geschrieben, so ist (unabhängig davon, ob das stimmt) plausibel: Ein Wiederaufflammen der urchristlichen Prophetie gerade in dieser Region mußte als eine Tätigkeit des Parakleten erlebt und gedeutet werden. Diese Deutung muß in diesem Milieu so selbstverständlich gewesen sein, daß sie nicht eigens betont werden mußte. b) Kontextuelle Individualität: Die montanistische Prophetie läßt sich weithin aus den Traditionen urchristlicher Prophetie „ableiten" Die Sprüche sind voll von biblischen Anspielungen, die Topoi haben biblische Wurzeln.96 Und doch wurde die „Neue Prophetie" als etwas Ungewöhnliches erlebt. Man könnte das darauf zurückführen, daß die Zeit der charismatischen Prophetie vorbei war. Was in den Anfängen des Urchristentums zu den „normalen" Wirkungen des Geistes gehörte, mußte in einer sich institutionell gestaltenden Kirche ein Fremdkörper bleiben: Neben Kanon, Tradition und Amt hatte lebendige Offenbarung keinen Ort. Aber vielleicht ist das zu einfach gedacht. Denn es gab ja gerade in Kleinasien eine prophetische „Tradition" Man sollte daher das Neue in der montanistischen Prophetie ernst nehmen. Die Zeitgenossen sahen es in der ekstatischen Form des Offenbarungsempfangs und der Offenbarungsvermittlung. Schon der Anonymus hebt hervor: In Phrygien „soll ein Mann namens Montanus in dem unbändigen Verlangen, Führer zu sein, dem Widersacher Zutritt gestattet haben und von Geistern beeinflußt, plötzlich in Verzückung und Ekstase geraten sein, so daß er anfing, Laute auszustoßen und seltsame Dinge zu reden und in einer Weise zu prophezeien, die offenkundig der alten kirchlichen Überlieferung und überkommenen Lehre widersprach" (Eus. KG V,16,7). Nicht der Inhalt seiner Lehre widersprach danach der kirchlichen Tradition, sondern die Form dieser Verkündigung. Manche Prophetensprüche sind wohl schon davon bestimmt, daß diese neue Art der Prophetie verteidigt werden mußte. Neben biblischen Bildern begegnet hier nicht zufallig ein neues Bild. In einem seiner bekanntesten Sprüche sagt Montanus:

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Vgl. Epiph.pan. 48,11 = Heine Nr. 2: „Darauf sagt dieser armselige kleine Mensch Montanus: Weder ein Engel noch ein Sendbote, sondern ich, der Herr, Gott, der Vater ist gekommen." Hier wird fast wörtlich Jes 63,9 aufgenommen. Vgl. CH. TREVETT: Montanism, pp. 8 Iff, dort weitere Beispiele.

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„Siehe, der Mensch ist wie eine Leier, und ich fliege hinzu wie ein Schlegel. Der Mensch schläft, und ich wache. Siehe, der Herr ist es, der die Herzen der Menschen erregt und den Menschen ein (neues) Herz gibt." (Epiph.pan 48,4,1 = Heine Nr. 3) Das Bild vom (neuen) Herzen, das Gott den Menschen gibt, ist ein biblisches Bild. Es greift auf Ez 11,19f; 18,31, 36,26 und Jer 31,3 Iff zurück. Der „Mensch" der in einen tiefen Schlaf fallt, ist Reminiszenz von Gen 2,12ff. Neu aber ist das Bild von Leier und Plektron. Es stammt aus paganer Tradition. Leier und Plektron sind Attribute des Gottes Apollo Der dritte homerische Hymnus beschreibt die Ankunft des Gottes in Pythos: „Da gibt von dem goldenen Plektron geschlagen die Leier ein liebesseliges Schallen" (Horn. Hymn. 3,184f). Sollte also doch etwas an der Tradition dran sein, Montanus sei ein Konvertit gewesen, was immerhin schon die älteste Quelle behauptet (Eus. KG V,16,7)? Daß er vorher Apollopriester war, könnte aufgrund des Bildes von Plektron und Leier später hinzugekommen sein.'7 Wie dem auch sei: Das Bild von der Leier bringt ein neues Element in die prophetische Sprache.98 Montanus betont hier die völlige Passivität des Menschen beim Offenbarungsempfang, wahrscheinlich, um den Vorwurf abzuwehren, seine Prophetie sei nicht von Gott empfangen. Dabei gehört zum prophetischen Offenbarungswort nur die erste Hälfte des Spruches. Hier spricht Gott im Ich-Stil durch den Mund des Propheten. Das Folgende ist Interpretation, in der von Gott in der 3 Person gesprochen wird. Der Kommentar hebt das Entscheidende hervor: Gott selbst ist für die Ekstase verantwortlich. Denn hinter der Aussage, daß Gott selbst die Herzen der Menschen erregt, steckt das für den Montanismus so charakteristische Phänomen der Ekstase. Hinweise auf dies neue Element in der montanistischen Prophetie dürften echt sein. 97

So im „Dialog eines Montanisten mit einem orthodoxen Christen" (Heine Nr. 89, dort p. 122/123). 91 Das Bild ist aber auch sonst im Urchristentum belegt. Vgl. OdSal 6,lf: „Wie die Hand durch die Zither wandert und die Saiten tönen, so tönt in meinen Gliedern der Geist des Herrn, und ich ertöne in seiner Liebe." Daneben begegnet das Bild von der Flöte, die durch den Atem (das pneuma) zum Tönen gebracht wird (Athenagoras, Supplie. 9,1). Vgl. weitere Analogien bei CH. TREVETT: Montanism, p. 83.

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Wir können hier abbrechen. Die montanistischen Sprüche wären es wert, ausführlicher untersucht zu werden - sowohl um ihrer selbst willen als auch aus methodologischen Gründen. In unserem Zusammenhang soll nur so viel gezeigt werden, daß die methodischen Kriterien der Jesusforschung bei Echtheitsfragen allgemeine Kriterien sind, die auch bei vergleichbaren geschichtlichen Erscheinungen mit analoger Quellenproblematik angewandt werden. Man mag in den konkreten Urteilen im Falle von Jesusworten und von montanistischen Sprüchen zu ganz anderen Ergebnissen kommen, immer aber wird man nach einer Kontext- und Wirkungsplausibilität der Worte fragen, also danach, ob sie aus ihrem konkreten historischen Kontext heraus verständlich werden und ob sie wiederum ihre eigenen geschichtlichen Wirkungen verständlich machen können, d.h. ob der Quellenbefund als Auswirkung der Ereignisse selbst oder als Auswirkung einer späteren Situation plausibel zu machen ist. Wichtig ist für uns insbesondere die Erkenntnis: Bei den montanistischen Sprüchen verlangt niemand „Unableitbarkeit" aus der Umwelt oder aus der (späteren) montanistischen Bewegung." Ein Differenzkriterium wird nicht angewandt. Vielmehr bilden die kontextplausible Ableitbarkeit aus dem kleinasiatischen Christentum und ein wirkungsplausibler Zusammenhang mit der späteren montanistischen Bewegung (einschließlich ihrer Gegner) den Rahmen für das, was potentiell echt sein kann. Was sich innerhalb dieses Rahmens als etwas Individuelles heraushebt, ist dann als tatsächlich echt fur uns erkennbar, wobei solche Echtheitsurteile immer nur Plausibilitätsurteile sind.

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A. JENSEN: Gottes selbstbewußte Töchter, p. 321, argumentiert zu Epiph. pan. 49,1 mit der Analogielosigkeit einer Vorstellung, aber weniger, um sie als authentisch zu sichern, sondern um sie als den entscheidenden Anstoß für den Montanismus werten zu können: „Es wäre durchaus denkbar, daß Priska hier selbst vom Beginn ihrer prophetischen Inspiration und Aktivität berichtet. Gleichzeitig erklärt sich so ihre Autorität als Führerin oder eine der Führerinnen der Bewegung. Die Vision Christi in Gestalt einer Frau ist ungewöhnlich und kühn: Es gibt dazu keine direkte Parallele in der frühchristlichen Literatur."

IV. KRITERIEN DER JESUSFORSCHUNG UND DER GARSTIG BREITE GRABEN DER GESCHICHTE: HERMENEUTISCHE ASPEKTE DER KRITERIENFRAGE 1.

Das Problem Lessings: Glauben und Geschichte

Das letzte Kapitel zur Methodik historischer Jesusforschung hat das Plausibilitätskriterium als rein historisches Kriterium eingeführt. Schon die Bezeichnung „historisches Plausibilitätskriterium" soll dessen strikt geschichtswissenschaftlichen Charakter betonen, ebenso die begriffliche Unterscheidung seiner beiden Unterkriterien als Kontext- und WirkungspXzusibilität. Denn die Einbettung von Ereignissen in ihren Kontext und die Erklärung von Quellen aus deren Wirkungsgeschichte gehören zu den Aufgaben jeder Geschichtsschreibung. Auch der Begriff „Plausibilität" ist bewußt profan gewählt. Plausibilität ist eine in verschiedenem Grade einleuchtende Wahrscheinlichkeit, sie ist nicht religiöse Gewißheit. Was plausibel ist, ist immer nur relativ plausibel. Eben damit aber ergibt sich für den theologischen Gebrauch der Texte und die theologische Berufung auf Geschichte ein fundamentales hermeneutisches Problem. Diesem hermeneutischen Problem ist das letzte Kapitel gewidmet.1 Ein weit gespannter Begriff von „Hermeneutik" würde auch die Methodik umfassen, sofern man unter Hermeneutik die wissenschaftstheoretischen Reflexionen aller Verfahren in den Geistes- und Geschichtswissenschaften versteht. Wir werden daher im folgenden Kapitel noch einmal die vier methodischen Kriterien besprechen (jeweils anhand anderer Beispiele). Aber der Gesichtspunkt, unter dem wir uns jetzt für sie interessieren, ist etwas Neues. Historische Methodik entwickelt und begründet Verfahren, über die wir bewußt verfügen können. Sie wird zur Hermeneutik, wo sie auch die uns unverfügbaren Voraussetzungen historischen Erkennens reflektiert - das geschichtliche Vorverständnis, unser Lebensverhältnis zur Sache, die wirkungsgeschichtliche Verbundenheit mit ihr oder die Fremd1

Dieses Kapitel basiert auf einer Gastvorlesung am 1. Januar 1990 an der Universität Glasgow. Überarbeitete Fassungen wurden (als Teile) vorgetragen an der University of Cambridge am 8.6.1994, an der Lutheran School of Theology at Chicago am 10. Oct. 1994 und der Universität von Helsinki am 12.9.1995. Dank sei allen Kollegen gesagt, die durch ihre Anregungen die Ausarbeitung dieser Gedanken gefordert haben. Eine frühere Fassung ist Chr. Burchard gewidmet und wird veröffentlicht in: SJTh 1996 oder 1997.

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heit des Ganz-Anderen. Auch die von uns entwickelten Kriterien historischer Jesusforschung sind an Voraussetzungen gebunden, über die wir methodisch nicht verfügen können: nämlich an die Voraussetzungen des historischen Bewußtseins, wie es seit der Aufklärung entstanden ist. Wir werden daher versuchen, unsere Kriterien als Ausdruck von axiomatischen Überzeugungen zu entfalten, die im modernen historischen Bewußtsein wirksam sind. Hermeneutik umfaßt jedoch noch ein zweites Moment über die Reflexion unverfügbarer Voraussetzungen des Verstehens hinaus. Hermeneutische Arbeit beginnt vor allem dort, wo normativ geltende Traditionen - klassische literarische Texte, überlieferte Gesetze und religiöse Offenbarungen durch die sich wandelnde Zeit ihre unmittelbare Normativität verlieren. In der Situation wachsenden geschichtlichen Abstandes vergewissern sich Menschen durch hermeneutische Anstrengung dessen, was in ihren Traditionen über den Wandel der Zeiten hinweg Geltung besitzt. Hermeneutische Reflexion hat somit ein Doppelgesicht: Einerseits macht sie die unausweichliche Veränderung unseres Verhältnisses zur Vergangenheit durch das moderne Bewußtsein bewußt. Andererseits stellt sie die Frage, was trotz des relativierenden historischen Bewußtseins weiterhin Geltung besitzt. Das allgemeine hermeneutische Problem überdauernder Geltung von Traditionen verschärft sich in der Theologie in einer besonderen Form. Die axiomatischen Überzeugungen des modernen historischen Bewußtseins stehen in Spannung zur Gewißheit religiösen Glaubens. Glaube ist unbedingte Gewißheit, ein Mut zum Leben und zum Sterben, der sich auf die Person Jesu stützt und durch sie geprägt ist. Alles, was wir von Jesus wissen, ist aber durch historische Quellen vermittelt. Deren Auslegung ist umstritten und wird immer umstritten bleiben. Alles Wissen von Jesus ist daher mehr oder weniger hypothetisch. Es ist im besten Fall „plausibel" Denn immer kann man sagen: Es könnte auch anders sein. Der Glaube aber sagt apodiktisch: So ist es. Das Problem ist: Wie kann bedingtes historisches Wissen zur Grundlage unbedingter Gewißheit werden? Das war auch Lessings Problem, als er im Jahre 1777 seine kleine Schrift „Über den Beweis des Geistes und der Kraft" schrieb. Er war in der historischen Beurteilung der Jesusüberlieferung kein radikaler Skeptiker. Aber er wußte: Im Bereich der Geschichtswissenschaft gibt es keine notwendigen Urteile, sondern nur „zufällige Geschichtswahrheiten" - die unter dem Vorbehalt stehen, es könnte auch anders gewesen sein. Unbedingte Gewißheit kannte seine Zeit nur in Form „notwendiger Vernunftwahrheiten" Zwischen beiden sah er eine tiefe Kluft: „Zufallige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen Vemunftwahrheiten nie wer-

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den." Angesichts dieser Kluft rief er aus: „Das, das ist der garstig breite Graben, über den ich nicht kommen kann, so oft und so ernstlich ich auch den Sprung versucht habe. Kann mir jemand hinüberhelfen, der tu' es; ich bitte ihn, ich beschwöre ihn. Er verdienet einen Gotteslohn an mir."2 Nach über 200 Jahren historisch-kritischer Forschung ist der Graben tiefer, länger und breiter geworden. Im folgenden soll er in seinen drei Dimensionen so dargestellt werden, wie er heute erkennbar ist. Das Kapitel wird entsprechend drei Teile haben. 1. Der Graben ist tiefer geworden. Historische Quellenkritik hat an Radikalität zugenommen. Wer sich einmal auf historisch-kritische Forschung eingelassen hat, der weiß: Alle Quellen über Jesus sind von Menschen geschaffen, sind einseitig, tendenziös, möglicherweise in vieler Hinsicht unhistorisch. Nie werden wir die Chance haben, sie an den Ereignissen selbst zu überprüfen Wir können sie immer nur mit anderen Quellen vergleichen, mit Quellen, die wiederum einseitig und tendenziös sind. Alles historische Wissen ist daher irrtumsfahige Rekonstruktion aufgrund irrtumsfähiger Quellen. Es ist immer nur mehr oder weniger plausibel. 2. Der Graben ist länger und verzweigter geworden. Nehmen wir einmal an, wir besäßen ein zutreffendes historisches Bild von Jesus - das Problem der historischen Quellenkritik wäre also gelöst und wir wüßten. So ist es gewesen und nicht anders. Dennoch würde noch ein zweites Problem zu schaffen machen: Alles was wir über Jesus erfahren, ist ableitbar, hat

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Vgl. G.E. LESSING: Über den Beweis des Geistes und der Kraft, in: K. Wölfel (ed.): Lessings Werke III, Schriften II, pp. 307-312, zusammen mit dem Kommentar von K. Beyschlag, pp. 638-640. Zwei Unterscheidungen überlagern sich in den Gedanken Lessings: Die rationalistische Unterscheidung zwischen notwendigen Vernunftwahrheiten und zufalligen Geschichtswahrheiten, die auf Leibniz' Unterscheidung zwischen vérités de fait und vérités de raison zurückgeht. Die andere Unterscheidung betrifft innerhalb dieser grundlegenden Polarität nur die Tatsachenwahrheiten und stammt aus einer empiristischen Tradition, nämlich die Unterscheidung zwischen den Tatsachen, die wir unmittelbar erfahren können, und denen, von denen wir nur Kenntnis durch die Vermittlung von Zeugen und Quellen haben. Lessing wäre zufrieden, wenn vermittelt bezeugte Tatsachen durch sachliche Analogien bestätigt würden, die man in der Gegenwart unmittelbar erfahren könnte - also z.B. wenn nicht nur in der Zeit Jesu Wunder geschehen wären, sondern sie noch in der Gegenwart üblich wären. Die Spannung zwischen dem rationalistischen und dem empiristischen Denkschema wird betont von L.P WESSEL: Lessing s Theology, pp. 106ff, 119ff. Eine kurze Skizze der Theologie Lessings bietet A. SCHILSON: Lessings Christentum.

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Analogien und Genealogien. Alles ist relativ, eingebettet in einen geschichtlichen Kontext, nichts ist absolut. Das Problem des historischen Relativismus droht Jesu Einzigartigkeit aufzulösen. Der Graben, der zu ihm führt, ist nicht nur länger geworden, er führt in ein Labyrinth von Gräben, in dem alles mit allem in Verbindung steht, der Weg zum Ausgang aber verborgen bleibt. 3. Der Graben ist breiter geworden. Auch dazu ein Gedankenexperiment: Nehmen wir an, das Problem des historischen Relativismus ließe sich lösen, d.h. wir hätten in den Traditionen über Jesus etwas Unverwechselbares, Unableitbares und Singuläres erkannt - so bliebe das Problem der historischen Distanz. Der Teufelsaustreiber und Weltuntergangsprophet Jesu gehört in eine versunkene antike Welt, die sich mit jedem Tag unaufhaltsam von unserer Welt entfernt. Die Fremdheit dieser Welt anzuerkennen, gehört zum wissenschaftlichen Ethos jedes Historikers. Nichts fürchtet er so sehr wie den Vorwurf, Jesus zu modernisieren und ihn nach dem Motto zu interpretieren: Jesus, recht verstanden, hat im Grunde immer schon gesagt, was ich meine. Wir müssen die Fremdheit und Andersartigkeit des historischen Jesus anerkennen. Die skizzierten drei Probleme - das Problem historischer Quellenkritik, des historischen Relativismus und der historischen Distanz - sind der Grund dafür, daß niemand über Lessings Graben springen kann. Niemand hat bisher in dieser merkwürdigen theologischen Disziplin gesiegt, die man „Weitsprung über Lessings Graben" nennen könnte. Trotz verschiedener Anläufe sind bisher alle gescheitert. Selbst die besten Weitspringer landeten mitten im Graben. Dabei aber macht man eine wichtige Entdeckung: Der Graben ist voll Wasser, und es macht Spaß, in ihm zu schwimmen. Eben dazu möchten wir am Ende dieses Buches einladen: Mit uns in den Graben zu springen, ins kalte Wasser. Nicht als Weitspringer, wohl aber als Schwimmer gelangen wir ans andere Ufer, auch wenn wir dann vielleicht jemand brauchen, der uns ans Trockne zieht. Mit diesem Bild haben wir im Grunde schon das Wichtigste gesagt, das wir im folgenden Kapitel entfalten. Dennoch dürften einige „Anmerkungen" zu diesem Bild nützlich sein. Zunächst müssen wir fragen: Was suchen wir eigentlich, wenn wir über den Graben zu springen versuchen? Die Antwort lautet: Gewißheit über eine historische Gestalt, um darauf in verantwortlicher Weise Glauben gründen zu können, d.h. eine religiöse Lebensdeutung und Lebenspraxis. Die gesuchte historische Gewißheit wäre dabei nur die notwendige, nicht die hinreichende Bedingung zur Begründung religiösen Glaubens. Denn dieser geht zwar von historischen Gewißheiten aus, greift

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aber über sie hinaus - und wäre verwundbar, wenn sich die historischen Gegebenheiten ganz anders als bisher darstellten. Oder vorsichtiger gesagt: Er müßte sich dann anders verstehen und korrigieren. Noch einmal ein Blick auf Lessings Lösung. Für Lessing konnte die gesuchte persönliche Gewißheit nur durch Übereinstimmung von zufalligen historischen Sachverhalten mit „notwendigen Vernunftwahrheiten" entstehen - also von Wahrheiten, die der Mensch mitbringt, wenn er die Quellen liest. Solch eine einleuchtende Vernunftwahrheit war für ihn das Liebesgebot. Es überzeugte ihn auch in Form der ganz unhistorischen Legende vom Testament des Johannes, jenem Testament, das nur aus drei Worten bestanden haben soll: „Kindlein, liebet einander!"3 Lessings Lösung kann nicht unsere sein - schon deshalb nicht, weil wir an der Existenz notwendiger Vernunftwahrheiten, abgesehen von formalen und tautologischen Sätzen, zweifeln. Unsere Lösung knüpft dennoch an ihn an. Wir fassen ihre theoretischen Voraussetzungen in drei Punkten zusammen: 1 Gewißheit entsteht nie ausschließlich durch äußere Daten (seien sie nun empirisches Material oder historische Quellen), sondern immer nur durch Übereinstimmung axiomatischer Überzeugungen in uns mit mehr oder weniger zufalligen äußeren Daten. Axiomatische Überzeugungen (oder Ideen) sind all jene Sätze, bei denen Menschen keine Begründungspflicht mehr empfinden, sondern mit denen wir wiederum andere Sätze begründen - weil sie in unseren Augen niemals nicht wahr sind. Gewißheitserfahrung entsteht, wenn schon bestehende Gewißheiten durch äußere Daten „bestätigt" werden.4 2. Gewißheit ermöglichende axiomatische Überzeugungen sind im Bereich der Geschichte nicht angeboren, sondern historisch erworben. Es sind jene Überzeugungen, die das moderne historische Bewußtsein konstituieren, wie es sich seit der Aufklärung gebildet hat und die den historischen „Graben" so unüberwindbar erscheinen lassen. Es sind vor allem die drei eben skizzierten Überzeugungen, daß alle Quellen von irrtumsfähigen Menschen gemacht sind, daß alle Ereignisse in Analogjen und Genealogien eingebettet sind und daß sich die Geschichte anachronistischen Rückprojektionen entzieht. Wir gewinnen diese Überzeugungen heute nicht erst aufgrund konkre3

G.E. LESSING: Das Testament Johannis (1777), in: Schriften II, pp. 313-318. Über axiomatische Überzeugungen findet man wertvolle Gedanken bei D. RITSCHL: Die Erfahrung der Wahrheit, pp. 147ff. Sie werden weiter entwickelt in: G. THEISSEN: L'herméneutique biblique et la recherche de la vérité religieuse, pp. 485ff. 4

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ter Quellenarbeit, wir bringen sie als Ideen mit, wenn wir Quellen analysieren. Und sie bestätigen sich immer wieder. Es sind bewährte Überzeugungen, empirisch getestete Ideen. 3. Wir können die Axiome historischen Bewußtseins nicht willkürlich außer Kraft setzen und Glauben dadurch ermöglichen, daß wir gegen das historische Bewußtsein irrtumsfreie (inspirierte) Quellen, analogielose Ereignisse oder ewige Wahrheiten postulieren. Nicht gegen unsere axiomatischen Überzeugungen, sondern mit ihnen müssen wir Gewißheit im Umgang mit dem historischen Jesus finden. Dabei soll im folgenden gezeigt werden, wie die genannten drei Axiome eine innere Dialektik enthalten. Durchdenkt man sie konsequent, so umfassen sie auch das Gegenteil ihrer selbst und eröffnen so die Möglichkeit einer Selbstbegrenzung der historischen Skepsis, des historischen Relativismus und der historischen Fremdheit. Sie begründen dadurch keine religiöse Gewißheit, aber sie stehen ihr nicht im Wege. Nicht indem wir sie überspringen, sondern indem wir in sie eintauchen wie in kaltes Wasser, gelangen wir zu den uns zugänglichen Gewißheiten. Die im folgenden zu entfaltende These ist: Die soeben skizzierten drei Axiome modemer historischer Forschung stehen mit den Kriterien der Jesusforschung in Zusammenhang. Diese Kriterien bilden zwar keine Brücke, die uns trockenen Fußes über Lessings garstigen Graben gehen läßt, aber ergeben eine Art Rettungsring, der uns vor dem Ertrinken bewahrt, wenn wir den Graben durchschwimmen. Erinnern wir noch einmal in Stichworten an die in der bisherigen Forschung geltenden Kriterien: Das Differenzkriterium ergibt durch Vergleich mit dem Judentum und Urchristentum ein Minimum an historischem und authentischem Material. Es wird ergänzt durch das Kohärenzkriterium, das darüber hinaus alle sachlich zu diesem Minimum passenden Überlieferungen für authentisch erklärt. Zusätzlich kann ein Test gemacht werden, der alle in mehreren Quellen unabhängig bezeugten Überlieferungen oder Inhalte herausarbeitet und so das historische Material weiter ergänzt. Unsere Untersuchung zielte nicht darauf, anstelle dieser Kriterien etwas völlig Neues zu setzen. Wohl aber wollten wir die Elemente dieses Kriterienkatalogs neu arrangieren und ergänzen. Im folgenden ist es unsere Aufgabe zu zeigen, daß unsere Neuformulierung des Differenzkriteriums dai axiomatischen Grundüberzeugungen modernen (profanen) historischen Forschens entspricht. Der Übersicht halber skizzieren wir die wichtigsten Thesen vorweg: Die Idee menschlicher Unvollkommenheit und Irrtumsanfälligkeit findet ihren angemessenen Ausdruck im Kriterium der „Wirkungsplausibilität".

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Aufgabe historischen Forschens ist es, Quellen so zu interpretieren, daß sie als Auswirkung der von ihnen bezeugten Geschichte (oder der Geschichte ihrer Autoren) erkennbar werden. Oder anders gesagt, historische Forschung hat nicht nur die Aufgabe, die Ereignisse zu erzählen, sondern sie so zu erzählen, daß die von ihnen zeugenden Quellen als Auswirkung dieser Ereignisse verständlich (bzw. bei unzuverlässigen Quellen nicht verständlich) werden. Wir müssen also in der Jesusforschung die historische Wirkung Jesu, wie sie uns in der Gestalt der von ihm zeugenden Quellen vorliegt, erklären und interpretieren. Aufgrund menschlicher Unvollkommenheit und Irrtumsanfälligkeit haben wir in diesen Quellen dabei nie ein völlig kohärentes, aber auch selten ein völlig inkohärentes Bild der Ereignisse. Wir finden vielmehr beides und müssen daher beides erklären: Kohärenz und Inkohärenz. Inkohärenzen sind für uns wertvolle Indizien: Sofern sie auf Widersprüche zu den dominierenden Tendenzen in den christlichen Quellen zurückgehen, sind sie ein Schlüssel zur historischen Erinnerung. Dies ist das alte Kriterium der Differenz zum Urchristentum, das wir (als ein Unterkriterium historischer Wirkungsplausibilität) „Tendenzwidrigkeit" genannt haben. Das andere Unterkriterium besteht in der Auswertung der Kohärenz des Jesusbildes in verschiedenen Quellen, sofern diese unabhängig voneinander sind. Auch in solchen quer durch verschiedene Quellen sich durchhaltenden Züge kann die Geschichte selbst nachwirken. Die zweite axiomatische Grundüberzeugung modernen historischen Forschens, die Idee der Relativität aller Geschehnisse, findet ihren Ausdruck im Kriterium der Kontextplausibilität. Wir müssen alle Jesusüberlieferungen geschichtlich relativieren, d.h. in ihren jüdischen Kontext einordnen und dabei sowohl Übereinstimmungen als auch Abweichungen, Kohärenz als auch Inkohärenz im Verhältnis zu ihm untersuchen. Damit nehmen wir das traditionelle Kriterium der Differenz gegenüber dem Judentum auf und formulieren es in ein Kriterium kontextueller historischer Individualität um - als erstes Unterkriterium von Kontextplausibilität. Denn es wird durch ein zweites Unterkriterium komplementär ergänzt: durch die Suche nach Übereinstimmungen mit dem jüdischen Kontext, also die Suche nach Kontextentsprechungen Denn nur das, was aus dem konkreten jüdischen Kontext des 1. Jh.s n.Chr. „abgeleitet" werden kann und in ihm denkbar ist, kann dem historischen Jesus zugeschrieben werden. Dieser steht nicht „absolut" in der Geschichte, sondern ist in sie verwoben, und d.h. in die konkrete Geschichte des Judentums seiner Zeit. Eben darin besteht seine „Relativität" Und eben das behauptet die Grundidee historischen Relativismus für alles geschichtliche Geschehen in Bezug auf seinen jeweiligen Kontext.

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Bleibt noch die dritte moderne Grundüberzeugung historischen Forschens: die apriorische Überzeugung von der Fremdheit allen Geschehens, das auch da, wo es unseren Überzeugungen zu widersprechen scheint, eigenständig in sich zu würdigen ist. Diese Grundüberzeugung schlägt sich nicht in bestimmten Kriterien nieder. So kann man keineswegs behaupten: Je fremder eine Überlieferung unseren Überzeugungen ist, um so mehr hat sie Anspruch auf historische Authentizität. Die Eigenständigkeit und Integrität der Geschichte besteht eben darin, daß wir sie weder als positive Entsprechung zu unserer geschichtlichen Welt noch als ihr negatives Gegenbild rekonstruieren können. In beiden Fällen würden wir sie nicht in sich würdigen. Die Eigenständigkeit der Geschichte wird erst dort zugänglich, wo wir uns durch bewußte methodische Verfahren die Möglichkeit schaffen, uns von unseren eigenen Voreingenommenheiten zu lösen. Kurz, die dritte Grundüberzeugung historischen Bewußtseins schlägt sich darin nieder, daß wir immer wieder neu nach Kriterien des Historischen suchen und diese verbessern und verfeinem. Soweit also sei unser Versuch vorweg skizziert, Lessings garstigen Graben zu überspringen: Wir werden in ihn hineinspringen, aber nicht ertrinken, wenn wir uns an methodischen Kriterien orientieren können. 2. Das Problem historischer Quellenkritik Alle Quellenkritik basiert auf einem impliziten anthropologischen Axiom: Menschen sind fehlbare Menschen. Sie überliefern nie die historische Wahrheit „an sich" (sofern es sie überhaupt gibt), sondern stellen Geschichte im Spiegel ihrer Interessen, Tendenzen und Absichten dar. Daher die vielen Widersprüche zwischen den Quellen. Daher auch die Notwendigkeit, gegenüber allen Quellen kritisch zu sein und sie zunächst als Ausdruck ihrer Entstehungsverhältnisse zu interpretieren, ehe wir sie als Dokument für die von ihnen dargestellten Ereignisse oder Gehalte auswerten. Obwohl wir deshalb allen Quellen, auch den zuverlässigsten und besten, mit methodisch diszipliniertem Mißtrauen gegenübertreten müssen, gibt es zweifellos historische Gewißheiten. Niemand zweifelt daran, daß Cäsar oder Luther gelebt und gewirkt haben. Ja, niemand zweifelt an der Existenz eines Pontius Pilatus. Woher diese Gewißheit? Wo doch angeblich alles historische Wissen relativ und hypothetisch ist? Bei Versuchen, über Lessings Graben zu springen, stößt man an dieser Stelle auf eine interessante Dialektik: Die Überzeugung von der durchgehenden menschlichen Fehlbarkeit, die aller historischen Kritik axiomatisch

241 zugrunde liegt, bewahrt uns zugleich vor einer totalen Skepsis. Denn wenn Menschen zu unvollkommen sind, um die Wahrheit „an sich" wiederzugeben, dann sind sie ebenso wenig vollkommen genug, um perfekte Täuschungen über historische Sachverhalte bewußt oder unbewußt zu arrangieren/1 Selbst wenn es im 1. Jh. n.Chr. ein Kommittee zur Irreführung späterer Historiker gegeben hätte und eine Verschwörung mit dem Ziel, uns ein fiktives Bild des damaligen Palästina und der Ereignisse in ihm zu hinterlassen auch das mächtigste Kommittee wäre zu ohnmächtig, um alle Quellen und Relikte wirklich zu kontrollieren und ihnen eine bestimmte Sicht der Dinge aufzuprägen. Sollte es sich etwa verabredet haben, von Pilatus verschiedene Münzen in der palästinischen Erde zu verstecken, eine Inschrift von ihm herstellen zu lassen, die später als Treppenstufe im Theater von Caesarea unauffällig der Nachwelt erhalten blieb? Sollte es Philo, Josephus und Tacitus (oder Abschreiber von deren Schriften) dazu überredet haben, verstreute Notizen über Pilatus in ihre Werke aufzunehmen? Sollte es die Evangelisten dazu angestiftet haben, von ihm in einer Weise zu berichten, die zwar jenen verstreuten Notizen nicht widerspricht, aber aus ihnen kaum abgeleitet werden kann? Unmöglich! Jedem Historiker wird es so ergehen: Im Umgang mit den sehr zufälligen Quellen über Pilatus bildet sich intuitiv die Gewißheit, daß wir es mit einer konkreten historischen Person zu tun haben. Niemand bezweifelt die Geschichtlichkeit des Pilatus. Die Unvollkommenheit des Menschen, die Wahrheit unverfälscht wiederzugeben, bedeutet also auch eine Unvollkommenheit, mit seinen Interessen und Absichten alles total umfärben zu können Da wir heute axiomatisch von der Fehlbarkeit des Maischen überzeugt sind, bevor wir auch nur eine einzige konkrete Quelle studiert haben, sind wir auch a priori, d.h. durch dasselbe Axiom, vor dem Verdacht geschützt, alles sei Einbildung, was uns in diesai Quellen berichtet wird, sofern wir überhaupt ein ausreichend komplexes Quellenmaterial haben. Damit aber kommen wir zu einer Neubewertung des Lessingproblems Lessing sah in der geschichtlichen Zufälligkeit der Überlieferung die Ursache für die Erschütterung von Glaubensgewißheit. Jede Überlieferung sagt implizit für den kritischen Leser: Es könnte auch anders gewesen sein. Wir haben dagegen festgestellt: Sofern es überhaupt historische Gewißheit gibt, basiert sie auf dem zufälligen Charakter der Überlieferung. Je überzeugen' Einige der folgenden Gedanken sind durch M. BLOCH: Apologie der Geschichte, inspiriert.

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der uns diese Zufälligkeit in der Überlieferung entgegentritt, um so mehr bildet sich die intuitive Gewißheit: Wir haben es mit wirklicher Geschichte zu tun. Es ist zwar wahr: Zufallige Geschichtswahrheiten können nicht die Grundlage notwendiger Vemunftwahrheiten sein (an deren Existenz ohnehin Zweifel angebracht sind). Zufallige Geschichtswahrheiten sind aber die einzig mögliche Grundlage historischer Gewißheit - und mehr als solche historische Gewißheit können wir gegenüber historischen Gegenständen nicht erlangen. Eben das ist gemeint, wenn wir sagen: Wir müssen mitten in den Graben historischer Zufälligkeit hineinspringen und dürfen uns dabei wohlfuhlen. Denn nur inmitten historischer Zufälligkeit kommen wir zu historischer Gewißheit. Ins Wasser historischer Zufälligkeit springen, heißt, sich mit den zufallig erhaltenen Quellen zu beschäftigen. Nur wenn sie ausreichend komplex sind, können wir das Axiom von der begrenzten Fähigkeit des Menschen zur totalen Wahrheit wie zur völligen Verfälschung in beide Richtungen aktivieren. Unsere These ist nun folgende: Die Unfähigkeit des Menschen zur historischen Wahrheit an sich zeigt sich in den vielen Widersprüchen und Unstimmigkeiten der historischen Quellen. Die Unfähigkeit des Menschen zur totalen Verfälschung der historischen Wahrheit wiederum zeigt sich darin, daß solche Inkohärenzen in vielen Fällen kohärent interpretiert werden können. Inkohärenzen, die kohärent interpretiert werden können, sind das beste Indiz dafür, daß wir uns der historischen Wahrheit nähern. Werfen wir im folgenden einen Blick auf beides: auf die Widersprüche und auf deren kohärente Interpretation. Zwar können wir Quellen nie mit der hinter ihnen stehenden historischen Realität vergleichen, wohl aber Quellen untereinander. Dabei fallen immer Widersprüche auf. Sie sind fruchtbar, wenn sie so gedeutet werden können, daß Quelle A unabhängig von Quelle Β ist, so daß wir einen zweifachen Zugang zur historischen Realität besitzen - sozusagen zwei Fenster, durch die wir einen Blick auf sie erlangen. In der Jesusforschung ist die Quellenlage in dieser Hinsicht nicht schlecht: Selbst wenn man das JohEv und ThomEv außer Betracht läßt," bleiben nach dem jetzigen Stand der Literarkritik zwei voneinander unabhängige alte Quellen: das MkEv und die Lo6

Wir sollten zwischen „Autonomie" und „Unabhängigkeit" unterscheiden. Das ThomEv ist auf jeden Fall eine autonome Tradition, deren Eigenart ohne die kanonischen Evangelien erklärt werden kann. Das schließt nicht aus, daß die kanonischen Evangelien einen sekundären Einfluß auf einige Traditionen oder auf die Textgeschichte genommen haben. Vgl. die Behandlung des Problems bei S.J. PATTERSON. The Gospel of Thomas and Jesus.

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gienquelle und darüber hinaus zwei voneinander unabhängige Überlieferungskomplexe: das mt und lk Sondergut. Die klassische Formgeschichte vermehrte die Zahl der Quellen noch einmal, indem sie jede kleine Einheit wenigstens potentiell als isolierbare Überlieferung betrachtete - und jeder Gattung eine spezifische Perspektive zuschrieb. Wir verfugen so über viele Datai, zwischen denen kleine Spannungen festgestellt werden können. Wenn sich aus diesem Netz von inkohärenten Daten aufgrund jeweils in sich abgerundeter Überlieferungen ein kohärentes Jesusbild entwerfen läßt und das tut jedes Jesusbuch - dann kann die Quellenlage nicht ganz ungünstig sein. Diese Überlegungen bestärken uns in der Notwendigkeit, das traditionelle Kohärenzkriterium umzuformulieren. Schon der Begriff „Kohärenz" führt in die Irre. Wie wir sahen, funktioniert das Kriterium ja nur, weil in den Quellen eine Mischung von kohärenten und inkohärenten Elementen enthalten ist. Wir können entweder die kohärenten Züge auf dem Hintergrund inkohärenter Elemente betrachten und erstere als Hinweis auf die historische Realität deuten, oder wir können inkohärente Elemente auf dem Hintergrund relativ kohärenter Tendenzen in den Quellen herausheben und gerade in diesen sperrigen Elemental Relikte einer hinter den Quellen liegenden Geschichte sehen. M.a.W wir können entweder Quellenkohärenz auswerten oder Tendenzwidrigkeit. Beide Unterkriterien sind voneinander abhängig.

2.1. Das Kriterium der Quellenkohärenz Die Übereinstimmung von Quellen7 kann zweifellos auf die historische Wirklichkeit weisen, vor allem dann, wenn die Quellen unabhängig voneinander sind und ihre voneinander abweichenden Tendenzen als Ideosynkra„Übereinstimmung" und „Kohärenz" sind keine zeitlosen Maßstäbe. Was wir für kohärent halten, ist vielleicht für andere inkohärent et vice versa. Die Briefe des Paulus sind voll von Widersprüchen. Er gehört zu den „Systematikern" unter den neutestamentlichen Schriftstellern, wenn man an den Römerbrief denkt. Weniger systematisch denkende Gestalten (unter ihnen auch Jesus) dürften in ihren Äußerungen zumindest genauso viele Widersprüche haben wie Paulus, wenn nicht noch mehr. Wir müssen daher einen historischen Sinn dafür entwikkeln, was bei einem Autor und in einer gegebenen Zeit als „stimmig" und was als widersprüchlich empfunden wurde. Vergleiche zwischen den beiden Geschichtswerken des Josephus (dem Bellum und den Antiquitates) zeigen, welche erstaunlichen Abweichungen bei demselben Autor bei der Wiedergäbe derselben Ereignisse, Quellen und Traditionen möglich sind!

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sien der jeweiligen Quelle (z.B. als typisch johanneische Züge) interpretiert werden können. Auch wenn wir damit das traditionelle Kohärenzkriterium aufgreifen, sei doch noch einmal an einen wichtigen Unterschied erinnert: Das Kohärenzkriterium war logisch vom Differenzkriterium abhängig. Unser Kriterium der Quellenkohärenz kann dagegen auf Quellen angewandt werden, ohne daß schon vorher in ihnen (mit Hilfe des Differenzkriteriums) echte und unechte Elemente geschieden werden. a) Das gilt für den sog. „Querschnittsbeweis ", der nach wiederkehrenden Topoi, Formen und Inhalten in verschiedenen Traditionsströmen fragt. In der Verschiedenheit dieser Traditionsströme schlägt sich die „Unvollkommenheit" des Menschen wieder, die historische Wahrheit in einem kohärenten Bild wiederzugeben (wobei es sich um eine sehr kreative Unvollkommenheit handelt, die eine Fülle „poetischer" Jesusbilder hervorgebracht hat). Gerade diese Unvollkommenheit aber gibt uns eine Chance: Wenn trotz aller Verzerrungen und in verschiedene Richtungen weisender Tendenzen gleichbleibende Züge Jesu immer wiederkehren, so sind sie, gemessen an diesen verschiedenen Tendenzen, jeweils Relikte des Historischen. Was also übereinstimmend im Sondergut von Mt und Lk, in der Logienquelle und im MkEv, im JohEv und ThomEv zu finden ist, hat wahrscheinlich eine Wurzel in der Geschichte selbst. So finden wir in diesen Traditionsbereichen überall den Begriff der Gottesherrschaft (bei Mt variiert zu „Himmelsherrschaft"). Es besteht kein Zweifel, daß es sich um einen Zentralbegriff der Verkündigung Jesu handelt. Abgesehen vom JohEv und ThomEv sprechen ferner alle Quellen von dieser Gottesherrschaft in apokalyptischen Farben, d.h. von einem wunderbaren neuen Zustand, in den die ganze Welt verwandelt wird und der jenseits der immanenten Geschichte liegt; denn auch die verstorbenen Patriarchen werden in der Gottesherrschaft zu finden sein (Mt 8,1 Of). Wenn das JohEv und ThomEv abweichend von der Gottesherrschaft als einer gegenwärtiger Größe reden oder sie (wie das ThomEv) gar zur Chiffre für das wahre, himmlische Selbst des Maischen machen, dann handelt es sich teils um einseitige Fortsetzung von präsentischen Aspekten der basileia-Verkündigung Jesu, teils aber um die Auswirkung gnosisnaher Tendenzen, die das Bild des historischen Jesus umgeformt haben. Daher sind wir ziemlich sicher: Jesus verkündigte die basileia innerhalb eines apokalyptisch gefärbten Vorstellungsrahmens, den er freilich audi transzendierte, wenn er die zukünftige Gottesherrschaft schon als gegenwärtige proklamierte.' 8

Uns ist bewußt, daß es in der zeitgenössischen amerikanischen Exegese eine Tendenz gibt, die apokalyptischen und kosmischen Aspekte der Eschatologie

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b) Auch bei gattungsinvarianten Elementen rechnen wir mit der Unvollkommenheit des Menschen zur Wiedergabe der Wahrheit und zu ihrer völligen Verdrehung: Wenn verschiedene Gattungen und Formen vergleichbare und untereinander kohärente Elemente enthalten, können diese historisch oder authentisch sein. So hören wir z.B. von den Wundern Jesu sowohl in Form von Wundergeschichten (also in einem erzählenden Genre) als auch in Form von Aussprüchen Jesu (also in der Wortüberlieferung). Die Wunder werden in diesen beiden Gattungen verschieden dargestellt. In den Wundergeschichten fehlen jene Züge, die für die Wortüberlieferung charakteristisch sind: die Verkündigung der Gottesherrschaft, der Ruf zur Umkehr, der Gedanke der Nachfolge. Aber wir können diese Inkohärenz gut erklären:9 Schon zu Lebzeiten Jesu haben sich Menschen von den Wundern Jesu erzählt - unabhängig davon, ob sie seinem Ruf zur Umkehr angesichts der nahen basileia folgten. Deshalb begegnet uns Jesus auch in einigen volkstümlichen Geschichten als Wundertäter im Lichte des allgemeinen antiken Glaubens an Wundertäter ohne spezifisch christliche Züge. Mit der Wortüberlieferung verhielt es sich anders. Sie wurde von Jesu Nachfolgern überliefert, also von Jüngern, die seinen Lebensstil teilten. Sie waren wie Jesus heimatlos, hatten oft ihre Familien verlassen und waren arm. Sie überlieferten die zu diesem Lebensstil passenden Worte von der nahen Verwandlung der ganzen Welt, von der Notwendigkeit der Umkehr für alle und vom Ruf in die Nachfolge an einige. Auch Wunder gehörten zu dieser Botschaft. Sie erscheinen daher in der Logienüberlieferung verbunden mit der basileia-Predigt (Mt ll,28par), mit dem Umkehrruf (Mt ll,20ff) und mit der Entscheidung für oder gegen Jesus (Mt 1 l,2ff par). Aufgrund ihres mit Jesu übereinstimmenden Lebensstils gab es für die Nachfolger Jesu im engeren Sinne, also für die „Wandercharismatiker" keinen Grund, die Worte Jesu radikal zu ändern und sie im Lichte einer ganz anderen Mentalität neu zu deuten. Es gibt daher eine gute Chance, daß die Worte Jesu von ihnen in seinem Geist überliefert wurden. Ja noch mehr, die Wortüberlieferung bestätigt, daß die Wunder Jesu auch Menschen zugänglich waren, die sich Jesus nicht angeschlossen haben (Mt 11,20-24; 12,22ff). Auch Gegner wußten von seinen Wundern. Wir können daher aufgrund der Logienüberlieferung vermuten, daß nicht nur Anhänger Jesu von seinen Wundern erzählt haben. Solche Hinweise machen die Entstehung einer nicht spezifisch christlichen Wunderüberlieferung in Erzählform plausibel. Unser Ergebnis

Jesu zu leugnen. Vgl. M.J. BORG: Jesus in Contemporary Scholarship, pp. 4768; 69-96. 9 Vgl. zum folgenden G. THEISSEN: Lokalkolorit und Zeitgeschichte, pp. 119ff.

246 ist also: Eine historisch-kritische Rekonstruktion des Wirkens Jesu kann die Entstehung von zwei verschiedenen Quellenkomplexen erklären, der Wundererzählungen, die bis ins Volk drangen, und der Wortüberlieferung, die auf seine Jünger beschränkt blieb. Jesus wurde verschieden im Volk und bei seinen Jüngern erlebt. Berücksichtigt man das, so kann man die Inkohärenzen der Jesusüberlieferung bei der Wunderüberlieferung in verschiedenen Gattungen kohärent interpretieren. In diesem Fall gehen wir nicht von der Äquidistanz beider Gattungen zur Geschichte aus; wir rechnen vielmehr damit, daß sich die allgemeiner verbreiteten Wundergeschichten schneller von der historischen Realität entfernt haben als die Wortüberlieferung. c) Das Prinzip, Inkohärenzen in den Quellen als Hinweis auf eine kohärente Geschichte zu deuten, liegt auch dem traditionellen Kriterium der Mehrfachbezeugung zugrunde, das D J. Crossans Buch fast ausschließlich zugrunde liegt. Wir hatten schon im ersten Kapitel dieses Buches auf mögliche Einseitigkeiten hingewiesen. Wenn man ein Jesusbild ausschließlich auf mehrfach bezeugte Traditionen in kanonischen und nicht-kanonischen Texten basiert, macht man sich von zwei Dingen abhängig: einerseits von der zufalligen Erhaltung einiger Worte und Taten auf Papyrusfragmenten, andererseits von der tendenzbestimmten Auswahl von Jesusworten im ThomEv Weil das ThomEv das Bild eines „nicht-eschatologischen Jesus" enthält, wird man fast automatisch bei einem Bild vom historischen Jesus enden, das nicht eschatologisch (im apokalyptischen Sinne) ist. Darüber hinaus gilt grundsätzlich: Die Mehrfachbezeugung ist ein schwächeres Kriterium als Querschnittsbeweis und Gattungsinvarianz, da Mehrfachbezeugung nur dann auf die historische Realität zurückschließen läßt, wenn wir die verschiedenen Belege für ein und dieselbe Überlieferung nicht als Varianten einer einzigen Überlieferung erklären können, sondern als zwei voneinander unabhängige Zugänge zur historischen Realität - m.a.W wenn wir letztlich auf zwei Augenzeugen stoßen.10 Das ist nie ausgeschlossen, aber schwer nachweisbar. Bei sachlich und formal Verwandtem in verschiedenen Traditionsströmen und Gattungen (also bei Querschnittsbeweis 10

Vgl. denselben Vorbehalt bei N. PERRIN: Was lehrte Jesus wirklich? p. 41. Das Kriterium der Mehrfachbezeugung wurde vor allem von T.W Manson verwandt, der dabei zwei Quellen voraussetzte, die nach seiner Meinung von Augenzeugen verfaßt waren: Hinter dem MkEv stand für ihn die Autorität des Petrus, hinter der Logienquelle die des Apostels Matthäus. Unter dieser Voraussetzung wird das Kriterium der Mehrfachbezeugung natürlich zu einem hervorragenden Echtheitskriterium. Kaum jemand aber teilt heute diese Voraussetzungen.

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und Gattungsinvarianz) ist es dagegen von vornherein wahrscheinlicher, daß mehrere voneinander unabhängige „Kontakte" mit der historischen Realität zugrunde liegen. Man gelangt jedoch durch Querschnittsbeweis und Gattungsinvarianz nur zu allgemeinen Zügen, die Jesus generell zugesprochen werden können (z.B. das Motiv der Suche nach dem Verlorenen). Hier ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß das Motiv auf Jesus zurückgeht, eine Konkretisierung ist dagegen schwierig. Bei Mehrfachbezeugung einer konkreten Einzeltradition ist der Wahrscheinlichkeitsgrad für ein Authentizitätsurteil dagegen oft geringer, dafür ist das Resultat wegen seiner Konkretheit aussagekräftiger. 2.2. Das Kriterium der Tendenzwidrigkeit Das Kriterium der Tendenzwidrigkeit11 illustriert besonders gut, warum die historisch-kritische Wahrheitssuche von der Unvollkommenheit des Menschen im Umgang mit der Wahrheit profitiert: Obwohl er in allen seinen Erzählungen und Berichten von seinen eigenen Tendenzen bestimmt ist, kann er doch nicht verhindern, daß einige tendenzwidrige Elemente erhalten bleiben. Darum gilt ganz allgemein: Was den allgemeinen und dominierenden Tendenzen in urchristlichen Quellen widerspricht, kann historisch sein. Zur Veranschaulichung seien noch einmal einige tendenzwidrige Elemente genannt: Die Taufe Jesu widerspricht der Tendenz des Urchristentums, Jesus als ein göttliches Wesen zu verehren. Denn die Taufe setzt ein Sündenbekenntnis voraus, das wahrscheinlich auch Jesus gesprochen hat. Zumindest konnten Hörer und Leser der Taufgeschichte auf diesen naheliegenden Gedanken kommen. Die urchristliche Überlieferung übt sich hier in theologischer Schadensbegrenzung. Das JohEv räumt z.B. ein, daß Jesus Sünden trug, als er zur Taufe kam, aber nur um zu betonen: Er trug die Sünden der Welt, nicht seine eigenen (Joh 1,29). Es verwandelt die Taufgeschichte in die Geschichte einer Begegnung des Täufers mit Jesus. Tendenzwidrig ist ein Teil der Kritik an Jesus, sei es die Kritik von Gegnern, die ihm vorwerfen, mit dem Satan im Bund zu stehen (Mt 12,24), 11

Die „Säulen", auf denen einst Ρ W SCHMIEDEL: Gospels; ders.. Das vierte Evangelium gegenüber den drei ersten, die historische Jesusforschung gründen wollte, sind solche Tendenzwidrigkeiten. Bei E.P SANDERS / M. DAVIES: Studying the Synoptic Gospels, pp. 304ff, begegnet dies Kriterium unter dem Stichwort: „Strongly against the grain; too much with the grain." Das zugrundeliegende Prinzip, nach dem die lectio difficilior probabilior ist, kennen wir aus der Textkritik.

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sei es die Kritik des Volkes, das in ihm einen Fresser und Weinsäufer sieht (Mt 11,19). Ein tendenzwidriges Element ist ferner die Furcht des Herodes Antipas, Jesus sei der wieder auferstandene Täufer (Mk 6,14). Dies Gerücht setzt eine Hochschätzung des Täufers und eine Vorstellung von Auferstehung als Rückkehr ins Leben voraus, die nach Ostern unwahrscheinlich ist. Vor allem aber ist der Kreuzestod zu nennen. Er widerspricht allen Tendenzen zur religiösen Verehrung Jesu. Es war nicht leicht, die Hinrichtung eines Verbrechers als das Schicksal eines Erlösers zu deuten. Das Urchristentum war sich dessen bewußt, daß das Kreuz ein Skandalon war (IKor 1,18ff). Ein besonders günstiger Fall von „Tendenzwidrigkeit" liegt vor, wo wir über zwei Aussagen mit entgegengesetzter Tendenz verfügen und wo sich dennoch Übereinstimmungen ergeben. Wo Freund und Feind von denselben Fakten ausgehen, dürften diese historisch sein. So wurden die Exorzismen Jesu von seinen Anhängern als Zeichen der hereinbrechenden Gottesherrschaft gedeutet (Mt 12,28), von seinen Gegnern aber als Auswirkung dämonischer Macht (Mt 12,24). Beide Seiten setzen dabei aber die Existenz der Exorzismen voraus. Wir rechnen zwar für beide Seiten mit einer enormen Tendenz zur einseitigen und verzerrten Darstellung also mit der menschlichen Unvollkommenheit zur Wahrheit -, aber eben deshalb erhalten solche übereinstimmenden Aspekte ein um so größeres Gewicht. Das letzte Beispiel zeigt, wie die Suche nach tendenzwidrigen Elementen und Übereinstimmungen oft zusammenfallt. Es mag zwar zunächst widersprüchlich wirken, daß sowohl Übereinstimmungen als auch NichtÜbereinstimmungen als Ausgangspunkt für eine historische Rekonstruktion dienen sollen. Faktisch ist meist beides verbunden. Die Taufe Jesu entspricht sowohl dem Kriterium der „Quellenkohärenz" als auch dem der „Tendenzwidrigkeit" Sie ist mehrfach unabhängig voneinander bezeugt (Mk 1,9-11 parr; HebrEv 2; Joh l,32ff). Sie wird in mehreren Gattungen erwähnt: in den synoptischen Erzählungen wie in einem Summarium der Apg z: (Apg 10,37 vgl. 1,22). Daraus ergibt sich eine gewisse „Kohärenz der Überlieferung" Zugleich aber gibt es Aspekte der Taufgeschichte, die ausgesprochen tendenzwidrig sind wie die Abhängigkeit Jesu vom Täufer, die in Mt 3,14 sekundär gemildert wird, oder das bei der Taufe vorausgesetzte Sündenbekenntnis, das z.T. bewußt geleugnet wird (Nazaräerevangelium fr:2). In der konkreten historischen Arbeit wenden wir also beide Unterkriterien zugleich an. Und auch logisch besteht zwischen ihnen kein Widerspruch: Was in Quellen mit eindeutig verschiedener Tendenz übereinstimmt, ist zumindest innerhalb dieser Quellen „tendenzspröde". Es läßt

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sich nicht als Ausdruck ihrer spezifischen Perspektive deuten. Und umgekehrt gilt: Was in den Quellen entgegen allgemeinen Tendenzen als Relikt stehen geblieben ist, wird vor allem dann historisch auswertbar, wenn es zu anderen „Relikten" dieser Art gut paßt. Es ist daher legitim, beide Kriterien als Unterkriterien eines einzigen Kriteriums aufzufassen. Beide basieren auf Wirkungsplausibilität. Wenn wir Inkohärenzen in den Quellen auf eine kohärente Geschichte hinter ihnen hin interpretieren, so deuten wir die Wirkungsgeschichte (zu der auch die Quellen gehören) als Entfernung von Jesus, bei der sperrige historische Relikte gegen allgemeine Tendenzen erhalten blieben. Wir rechnen mit einer wirkungsgeschichtlichen „Entfernung" von der historischen Wahrheit, die aber nie vollkommen durchschlägt. Wenn wir Übereinstimmungen in verschiedenen (unabhängigen) Quellen als Hinweise auf den historischen Jesus deuten, so betrachten wir die Wirkungsgeschichte und die zu ihr gehörenden Quellen als ein Kontinuum, das uns mit ihrem Ursprung bei Jesus verbindet. Wir rechnen mit einer wirkungsgeschichtlichen „Bewahrung" der historischen Wahrheit, die ebenfalls niemals vollkommen ist: Denn die Verzweigung der Wirkungsgeschichte in viele plurale Überlieferungsströme spricht eindeutig gegen jede ungebrochene Bewahrung von Erinnerung. Beide Tendenzen sind in jeder Wirkungsgeschichte in verschiedener Mischung vorhanden: eine Tendenz weg vom Ursprung und eine andere, in welcher der Ursprung nachwirkt. Quellenkohärenz und Tendenzwidrigkeit sind Teilaspekte von „Wirkungsplausibilität" Dies Kriterium setzt also in seinen beiden Aspekten die Idee menschlicher Irrtumsfahigkeit voraus. Menschliche Unvollkommenheit zur Wahrheit trennt uns zwar von der Wahrheit, menschliche Unvollkommenheit bei der „Herstellung" der Unwahrheit aber bewahrt uns in den meisten Fällen vor einer vollkommenen Verfälschung der Geschichte, die wir nachträglich nicht mehr aufdecken könnten. Das Kriterium der Wirkungsplausibilität ist jedoch nicht ausreichend. Die Frage bleibt: Wie können wir sicher sein, daß nicht die religiöse Imagination des Urchristentums nach Ostern ein Bild von Jesus schuf, das sich in verschiedenen Traditionssträngen und Quellen erhalten hat? Wer sagt uns, daß wir auf die historische Wirklichkeit Jesu stoßen und nicht auf die geschichtliche Wirklichkeit eines frühen Bildes von ihm? Sind nicht grundsätzlich alle Quellen durch die religiösen Überzeugungen des frühen Urchristentums gefärbt, das die Erinnerung an den historischen Jesus im Lichte der Ostererfahrung tiefgreifend umgeformt hat? Diese Überlegung zeigt, daß ein zweites Kriterium notwendig ist: das Kriterium der Kon-

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textplausibilität.12 Je überzeugender wir die jüdische Kontextbindung Jesu aufdecken können, umso mehr werden wir gewiß, daß wir hinter die nachösterlichen christlichen Jesusbilder gelangen können, um die historische Realität vor Ostern zu finden, und daß Jesus kein Produkt der Geschichte des Urchristentums, sondern des Judentums ist. Vorausgesetzt ist, daß alles bei ihm „relativ" ist - relativ nämlich auf seinen konkreten jüdischen Kontext hin. Daher müssen wir dies Kriterium der Kontextbindung Jesu im Rahmen der Problematik des historischen Relativismus diskutieren. 3.

Das Problem des historischen Relativismus

Historischer Relativismus sagt: Alle geschichtlichen Phänomene hängen untereinander zusammen. Sie stehen in „Relation" zueinander oder sind „relativ zueinander" Alle müssen aus ihrer Vorgeschichte abgeleitet, aus ihrer Situation heraus erklärt und durch Analogien erhellt werden. Nichts ist unableitbar, da alles Ergebnis einer Entwicklung ist. Nichts ist unvergleichlich, da alles Analogien hat. Nichts ist absolut. Der christliche Glaube stützt sich aber auf Jesus als Vermittler einer absoluten Gewißheit: der Gewißheit, durch ihn mit Gott konfrontiert zu werden. Zwischen dieser Glaubensgewißheit und der historischen Relativität Jesu tut sich erneut Lessings garstig breiter Graben auf. Zu Lessings Zeiten war er noch nicht in seinem ganzen Ausmaß sichtbar. Erst die religionsgeschichtliche Forschung des 19 Jh.s hat bewußt gemacht, wie sehr Jesus in seine Zeit und die Religionsgeschichte eingebettet ist. Trotzdem hat die historische Jesusforschung die Gewißheit, bei Jesus auf eine einzigartige, unverwechselbare Gestalt zu stoßen, dem Differenzkriterium zugrunde gelegt. Widerspricht die Gewißheit einer Unverwechselbarkeit und Unableitbarkeit Jesu aber nicht der Grundüberzeugung des historischen Relativismus, daß alles mit allem zusammenhängt - daß nichts völlig singulär ist? Wie wir sahen, wurde der Zweifel am Differenzkriterium noch dadurch verstärkt, daß es sich als undurchführbar und irreführend erwiesen hat, undurchführbar, weil es ein universales negatives Urteil enthält, das wir unmöglich verifizieren können.13 Als irreführend, da es alles 12 Das Kriterium der „Kontextplausibilität" begegnet in verschiedener Form fast in allen Kriterienkatalogen, z.B. als „environmental criterion" 13 Um die Unableitbarkeit einer Jesusüberlieferung aus seiner Umwelt nachzuweisen, müßten wir ein lückenloses Bild von dieser Umwelt haben. Das hat man schon früh gesehen. Vgl. M D. HOOKER: Christology and Methodology, p. 482: „Use of this criterion seems to assume that we are dealing with two known

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unterschlägt, was Jesus mit dem Judentum und dem Urchristentum gemeinsam hat. Wir können uns daher nicht einfach auf das in der Jesusforschung praktizierte Differenzkriterium berufen, um dem historischen Relativismus zu entgehen. Es ist selbst zu problematisch. Und doch steht in seinem Hintergrund eine „Idee", die berechtigt ist: die Überzeugung von der Individualität des Historischen. Gerade mit Hilfe des historischen Relativismus können wir diese Überzeugung von der Individualität der historischen Erscheinungen in zweifacher Weise begründen und vertreten. Der Grundsatz, daß alles mit allem zusammenhängt, bedeutet zunächst, daß man bei einer geschichtlichen Erscheinung Elemente nie isoliert interpretieren darf, sondern nur im Zusammenhang aller gleichzeitig existierenden Elemente - gleichgültig, ob es sich um einen Text, einen Menschen oder eine soziale Bewegung handelt. Wir begegnen hier erneut einer inneren Dialektik: Selbst wenn einzelne Elemente „ableitbar" wären, wäre damit die Kombination von Elementen noch nicht „ableitbar" Sie könnte singulär sein. Je mehr Elemente nun kombiniert sind, um so geringer die Wahrscheinlichkeit, irgendwo in der Weltgeschichte eine sachlich vergleichbare Erscheinung zu finden. Bei Menschen scheint das a priori unmöglich zu sein, weil jeder Mensch eine so komplexe Erscheinung ist, daß eine „Wiederholung" ausgeschlossen ist. Darum nähern wir uns geschichtlicher Realität von vornherein mit dem axiomatischen Glauben an ihre Individualität. Historischer Relativismus enthält jedoch noch eine andere Idee, die in gleicher Weise als axiomatische Überzeugung wirkt: die Idee der Entwicklung. Das Prinzip, daß alles mit allem verbunden ist, gilt nicht nur für synchronische Beziehungen von Elementen innerhalb eines historischen Phänomens, sondern auch für die diachronische Folge von Elementen (von Traditionen, Gedanken oder Motiven). Historischer Relativismus sagt: Alles kann von vorhergehenden Größen abgeleitet werden. Deshalb können wir alles historische Material in eine Folge von früheren und späteren Elementen und damit von Entwicklungsstadien einordnen. Wenn nun alle Elemente völlig gleich wären, so wäre es unmöglich, sie in eine zeitliche Folge zu bringen. Wir wären unfähig, verschiedene Stadien innerhalb dieser Folge zu unterscheiden. Die Idee der Entwicklung impliziert in sich immer schon die Idee der Singularität jedes einzelnen Momentes dieser Entwicklung, factors (Judaism and Early Christianity) and one unknown Jesus; it would perhaps be a fairer statement of the situation to say that we are dealing with three unknowns, and that our knowledge of the other two is quite as tenuous and indirect as our knowledge of Jesus himself."

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denn wir können sie nur denken, wenn wir frühere und spätere Stadien, vorhergehende und folgende Elemente unterscheiden können. Auch in dieser Hinsicht impliziert also historischer Relativismus notwendig den axiomatischen Glauben an historische Individualität. In der Tat wurden beide Ideen, die der Entwicklung und der Individualität, zur gleichen Zeit in der Geschichtswissenschaft entwickelt: in der Zeit des Historismus im 19 Jh. Sie gehören sachlich zusammen.14 Unser Gedankengang ist also folgender: Hinter dem historischen Relativismus steht ein ganz elementares Axiom: Wir müssen alles im Zusammenhang interpretieren. Daraus ergibt sich einerseits eine Relativierung aller historischen Erscheinungen durch Einbettung in diachronische und synchronische Kontexte, andererseits eine Individualisierung jeder historischen Erscheinung aufgrund ihres singulären Ortes in diachronischen Entwicklungen und aufgrund ihrer Komplexität als synchroner Gebilde. Wenn alles mit allem zusammenhängt, ist alles sowohl relativ wie individuell. Wenden wir nun diese allgemeine historische Überzeugung auf die konkrete Gestalt Jesu an, so kommen wir zu dem Ergebnis: Jesu Singularität besteht in einer singulären Kombination jüdischer Traditionen sowie darin, daß seine Worte und Taten ein unverwechselbares Stadium in jener Entwicklung repräsentieren, die vom Judentum zum Urchristentum fuhrt. Dem wird das traditionelle Differenzkriterium nicht gerecht, da es methodisch nicht sowohl Differenzen als auch Übereinstimmungen zwischen Jesustraditionen und deren jüdischen Kontext in Rechnung stellt. „Kontextplausibilität" umfaßt beide Aspekte. Nur indem wir beide Aspekte berücksichtigen, können wir die Aporie vermeiden, negative universale Aussagen machen zu müssen, die wir grundsätzlich nicht verifizieren können. Niemals können wir nachweisen, daß irgendetwas in der Jesusüberlieferung nicht im Judentum belegbar, aus ihm nicht ableitbar oder gar in ihm nicht vorstellbar ist. Wohl aber sind wir in der Lage, positive Urteile über Zusammenhänge zwischen einer begrenzten Menge jüdischer Quellen und der Jesustradition zu machen. Wir können daher im Vergleich zu einer begrenzten Quellenbasis singuläre Züge in der Jesusüberlieferung feststellen oder innerhalb einer konkreten Entwicklungslinie ihren unverwechselbaren Ort herausarbeiten. Anders gesagt, wir können ihre Einbettung in konkrete synchronische oder diachronische Zusammenhänge untersuchen und innerhalb dieser Zusammenhänge Individualität nachweisen.

14

Vgl. F. MEINECKE: Die Entstehung des Historismus.

253 Dieser Gedanke einer inneren Dialektik des historischen Relativismus kann auch für die ihm zugrunde liegende antidogmatische Überzeugung durchgeführt werden, daß Jesus auf keinen Fall „singulär" und „analogielos" sein dürfe. Wenn man dies Axiom konsequent durchdenkt, führt es zu einer Einschränkung seiner selbst. Das zeigt die Entwicklung der religionsgeschichtlichen Forschung zum Urchristentum. Lange Zeit galt es als Zeichen „unaufgeklärter" dogmatischer Bindung, die Singularität Jesu gegen alle religionsgeschichtlichen Ableitungen zu verteidigen und sich dagegen zu sträuben, Jesus und das Urchristentum konsequent von religionsgeschichtlichen Analogien her zu begreifen und ohne Vorbehalt in religionsgeschichtliche Entwicklungen einzuordnen. Heute vermutet man dagegen gerade in der Überschätzung religionsgeschichtlicher Analogien und Entwicklungslinien eine oft (unbewußte) dogmatische Bindung an die Singularität Jesu und seinen zentralen Ort in der Welt- und Religionsgeschichte. Denn die alte religionsgeschichtliche Forschung hat viele der von ihr ausgewerteten Analogien erst (unbewußt) einer interpretado Christiana unterzogen, ehe sie aufgrund solch einer Uminterpretation erfolgreich zur Erklärung urchristlicher Erscheinungen ausgewertet werden konnten. So war man überzeugt, daß in den Mysterienkulten sterbende und auferstehende Gottheiten verehrt würden. Heute sehen wir, daß es in den Mysterienkulten wohl die Sehnsucht nach einem neuen Leben (vor oder nach dem Tode) zum Ausdruck gebracht wird, von einer A u f erstehung" der in ihnen verehrten Gottheiten aber keine Rede sein kann. Es kommt vielmehr zu Kompromissen zwischen Tod und Leben. Persephone (oder Kore) muß ein Drittel des Jahres in der Unterwelt bleiben, nur in den restlichen zwei Dritteln darf sie in die Welt göttlichen Lebens zurückkehren. Der Leichnam des Attis bleibt tot, aber er verwest nicht; nur sein kleiner Finger bewegt sich. Osiris herrscht in der Unterwelt, gehört also selbst zu den Toten, aber aus seinem Leichnam wächst Getreide. Mithras ist überhaupt kein sterbender Gott und entfällt als Analogie. Seine Gestalt ist eher ein „Gegenentwurf' zur Symbolisierung von Todeserfahrung und Lebenshofifnung in den anderen Mysterienkulten. Nach unserer derzeitigen Erkenntnis kennt nur das Urchristentum eine sterbende und auferstehende Gottheit. Die Verkündigung von ihr fand Resonanz bei Menschen, die in ihren Mythen von sterbenden Gottheiten auch die Sehnsucht nach neuem Leben zum Ausdruck brachten. Aber nur im Urchristentum wird diese Sehnsucht in Gestalt einer Auferstehung von den Toten zum Ausdruck gebracht. Die ältere religionsgeschichtliche Forschung hatte die Mysteriengottheiten also unbewußt nach dem Modell der Christusgestalt gedeutet. Christus war für sie de facto der Schlüssel zur Religionsgeschichte. Und das ist noch immer unbewußte christliche (oder antichristliche) Dogmatik, die es erschwert, jede Erscheinung um ihrer selbst willen wahrzunehmen und zu würdigen. Dasselbe gilt für die Einordnung von Erscheinungen in religionsgeschichtliche Entwicklungsreihen. Es ist kein Zufall, daß gerade eine eher konservative „Biblische Theologie" den Nachweis solcher Entwicklungsreihen vom Alten bis

254 zum Neuen Testament zu ihrem Programm erhoben hat. Auch dabei stellt sich die Frage, ob nicht von vornherein suggeriert wird, alle Entwicklungslinien im Alten Testament und Frühjudentum liefen auf die eine und einzigartige Gestalt Jesu hinaus. So werden etwa die wenigen Menschensohntexte in Dan 7, äthHen 36-71 und 4Esra 13 allzu schnell als „Vorstufen" zu den urchristlichen Aussagen vom Menschensohn gelesen. Oder Lev 16 und Jes 53 werden als Hinweise auf den Glauben an den Sühnetod Jesu gelesen, obwohl vielleicht erst eine (beeindruckende) interpretatio Christiana im Sündenbockritual von Lev 16 eine Existenzstellvertretung des getöteten und vertriebenen Tieres für den sündigen Menschen entdecken kann. Oder es werden überall im Alten Testament und der daran anschließenden jüdischen Literatur messianische Aussagen gefunden und so gedeutet, als stünde die Messiaserwartung im Zentrum der jüdischen Religion. In Wirklichkeit war sie nur eine Variante eschatologischer Hoffnungen. Erst aus einer christlichen Perspektive kann man die sog. „messianischen" Zeugnisse so lesen, als liefen sie auf eine sich immer mehr steigernde und immer sublimere Messiaserwartung hinaus. Der biblische Messianismus ist zweifellos eine Entwicklungslinie neben anderen, aber nicht die einzige. Nur für die ersten Christen wurde sie zur zentralen Perspektive. Das Bewußtsein religionswissenschaftlicher Relativität führt also heute eher dazu, allzu schnell herangezogene Analogien und allzu kühn konstruierte Entwicklungslinien zu „relativieren" Es bleibt die große Aufgabe, jede Erscheinung in sich zu würdigen und sie gleichzeitig in umfassende Zusammenhänge einzuordnen, ohne daß diese Zusammenhänge a priori auf eine Gestalt hin zentriert werden. Die Argumentationslage hat sich gegenüber den Anfangen der religionsgeschichtlichen Forschung somit stark verändert: Als Ausdruck eines aufgeklärten kritischen historischen Bewußtseins gilt es heute, gerade die Individualität Jesu herauszuarbeiten. Die Behauptung einer analogielosen Singularität gilt als ebenso dogmatisch wie die Versuche, eine der profiliertesten Gestalten der antiken und der jüdischen Geschichte hinter lauter Analogien und Entwicklungsreihen undeutlich werden zu lassen. 3.1. Das Kriterium der Kontextentsprechung Je mehr eine Jesustradition in den Kontext zeitgeschichtlicher Ereignisse, lokaler Gegebenheiten, jüdischer Traditionen und jüdischer Mentalität paßt, umso mehr wächst in uns die Gewißheit, daß Jesus kein Geschöpf urchristlicher Phantasie sein kann. Denn worin sonst unterscheidet sich eine fiktive von einer historischen Gestalt als dadurch, daß wir sie datieren, lokalisieren und mit anderen historischen Gestalten und Personen in Verbindung bringen können.15

15

Vgl. R.G. COLLINGWOOD: The Idea of History, pp. 246f.

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Die Elemente in der Jesusüberlieferung, die wir oben als Beispiele für Tendenzwidrigkeit genannt haben, können noch einmal dazu dienen, um das Kriterium der Kontextentsprechung zu illustrieren. Die Taufe Jesu am Anfang seines Wirkens, die Kritik seiner Gegner an seinem Wirken (darunter auch die Reaktion des Herodes Antipas) und die Kreuzigung als Ende seines Wirkens. Taufe, Kritik und Hinrichtung Jesu sind mit den drei Namen: Johannes dem Täufer, Herodes Antipas und Pontius Pilatus verbunden Alle drei Gestalten begegnen auch in nicht-christlichen Quellen16, so daß wir die Aussagen christlicher Quellen durch andere Quellen kontrollieren können. Das Ergebnis ist: Wir haben in den christlichen Quellen zweifellos historisch zuverlässige Informationen über diese drei Gestalten, wenn auch aus einer bestimmten Perspektive. Wir können per analogiam schließen: Wenn die Überlieferung hinsichtlich dieser drei zeitgenössischen Gestalten einen historischen Hintergrund hat, so wird dies im selben Umfang auch für Jesus selbst gelten. Ein weiterer Aspekt von Kontextentsprechung ist die Einbettung von Jesustraditionen in einen bestimmten lokalen Kontext.17 Lokalkolorit liegt etwa vor, wenn wir von einer Taufe in der Wüste hören (vgl. Mk 1,4)! Die Aussage scheint auf dai ersten Blick paradox zu sein. Aber der Jordan ist in der Tat streckenweise von Wüste umgeben und von ihr nur durch eine schmale Flußaue getrennt. Vor allem aber können wir Jesustraditionen in Verbindung mit jüdischen Traditionen und jüdischer Mentalität bringen. Die Assumptio Mosis wurde (wahrscheinlich in einer erweiterten Ausgabe) kurz vor dem öffentlichen Auftreten Jesu neu herausgegeben. In dieser Schrift begegnen wir einer Erwartung des Königreiches Gottes in nicht-gewalttätiger Form. Die Frommen warten darauf, daß sich Gott gegen den Satan durchsetzt. Die Verkündigung Jesu ist verwandt: Auch bei ihm setzt sich die Gottesherr16

Die Quellen sind 1) zu Johannes dem Täufer: Jos.Ant. 18, 116-119; Mt 3,Iff parr; 2) zu Herodes Antipas: Jos.Ant. 18,36-38. 101-105 usw., Mt 14,Iff parr, Lk 13,3 If; 23,6ff; ohne Namen wird Antipas auch in Dio Cass 55,27,6 und 59,8.2 erwähnt. Zwei Inschriften sind von ihm erhalten vgl. OGIS Nr. 416; 417; seine Münzen werden zugänglich durch Y MESHORER: Jewish Coins and the Second Temple Period, pp. 72-75. 133-135. 3) Pilatus ist bezeugt in Jos.Ant. 18,35.55-59.62.64.87-89; Bell. 2,169-177; eine Inschrift wurde in Caesarea gefunden vgl. J. LEMONON: Pilate et le gouvernement de la Judée, pp. 23-32. Zu seinen Münzen vgl. Y MESHORER: Jewish Coins, pp. 102-6. 17 Einen Überblick über die galiläische Umwelt gibt aufgrund seiner vorhergehenden Forschungen S. FREYNE: The Geography, Politics, and Economics of Galilee and the Quest for the Historical Jesus, pp. 75-121.

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schaft gegen den Satan (in Exorzismen) durch (Mt 12,28), auch hier ohne jede menschliche Gewalt. Wir erhalten daher in der Assumptio Mosis einen flüchtigen Einblick in das Milieu, in dem die Verkündigung Jesu zu Hause ist. Gleichzeitig finden wir Unterschiede zur Assumptio Mosis. Die Königsherrschaft Gottes ist in ihr den Heiden entgegengesetzt. Dieser Gegensatz verschwindet in der Jesusüberlieferung. Im Gegenteil, Jesus verheißt in einem seiner Worte, daß Menschen aus allen Himmelsrichtungen in die Königsherrschaft Gottes strömen werden - unter ihnen Heiden, auch wenn die jüdische Diaspora mitgemeint sein dürfte (Mt 8,10f). Auf solche individuellen Züge innerhalb eines nachweisbaren Kontextes macht die andere Hälfte unseres Kriteriums der Kontextplausibilität aufmerksam. 3.2. Das Kriterium kontextueller Individualität Jeder Vergleich zwischen Jesus und seiner Umwelt umfaßt die Feststellung von Ähnlichkeit und Unähnlichkeit. Wie überall im Leben erkennen wir auch hier eine Person an ihren individuellen Merkmalen oder genauer: einer Merkmalkombination, die wir oft nur intuitiv erfassen. Tatsache ist, daß wir im Alltag schon kleine Ausschnitte einer Gestalt, ein paar Bewegungen, die Stimme usw. als Identifikationsmerkmale von Menschen erkennen, ohne uns diskursiv über sie Rechenschaft ablegen zu können. Auch in der historischen Überlieferung von Jesus stoßen wir auf solche „Besonderheitsindizien" wiederkehrende Züge, die wir nirgendwo anders finden. Auch hier handelt es sich oft um komplexe Indizien. Zwei Beispiel für solche komplexen Indizien seien angeführt. Das eine basiert auf synchronischen Beziehungen zwischen einer Fülle von Elementen, das andere auf der besonderen Stellung eines Elements innerhalb einer diachronischen Entwicklung. Im Hintergrund beider Arten von „Merkmalen" steht also die Idee des historischen Relativismus, der ein „Element" in der Geschichte nur in Relation zu anderen verbundenen „Elementen" verstehen kann. Auch wenn wir bei jedem einzelnen Wort oft unsicher sind, ob es wirklich von Jesus stammt oder nicht, so sind wir doch erstaunlich sicher, daß wir die Formensprache seiner Verkündigung kennen - also die einzigartige Kombination literarischer (mündlicher) Formen, Topoi und Grundstrukturen, die mit Jesus verbunden ist. Wenn wir bei jeder einzelnen Form der Jesusüberlieferung nur ein einziges Exemplar als authentisch nachweisen können, haben wir damit das ganze Genre für Jesus nachgewiesen. In der Regel könnten mehrere Exemplare einer Gattung authentisch sein. Selbst wenn wir also unsicher sind, ob wir in einem bestimmten Fall mit unserem

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Authentizitätsurteil richtig liegen, so könnten wir doch in einem anderen Fall zutreffend geurteilt haben. Es ist meist unwahrscheinlich, daß keines der mannigfachen Exemplare eines bestimmten Genres echt sein sollte. Anders gesagt: Obwohl wir unsicher sind, ob wir im einzelnen die „parole" Jesu identifizieren können, so kennen wir doch seine „langue" sehr gut. Wir wissen, daß Jesus Gleichnisse und Bildworte, Weherufe und Makarismen, Sentenzen und Mahnungen benutzt hat. Zu all diesen Formen gibt es Parallelen im Judentum. Ihre Kombination aber ist einzigartig. Wir kennen keinen anderen jüdischen Lehrer in dieser Zeit, der eben diese Kombination von Strukturen und literarischen Formen vereint - und sie dazu noch mit einer charismatischen Tätigkeit als Wundertäter und Anführer einer Jüngerschar verbindet. An zweiter Stelle sei ein Beispiel für eine unverwechselbare Stellung in einer diachronischen Entwicklungslinie genannt, bei dem die zweite Leitidee des historischen Relativismus (der Entwicklungsgedanke) als erkenntnisleitende Steuerung der Aufmerksamkeit wirksam ist. Wir wählen noch einmal die Eschatologie Jesu als Beispiel. Die Königsherrschaft Gottes setzt sich oft in einem Krieg gegen die Heiden oder andere Feinde durch. Man denke an die Kriegsrolle in Qumran. Die Assumptio Mosis paßt dies Konzept an eine friedlichere Zeit Anfang des 1 Jh.s n.Chr. an. Hier sind die Frommen Israels absolut gewaltlos. Sie ziehen sich in eine Höhle zurück, um angesichts einer großen Religionsverfolgung den Tod und das Hereinbrechen der Gottesherrschaft zu erwarten. Jesus setzt diese Linie fort: Bei ihm kann die Gottesherrschaft vorläufig mit dem imperium romanum koexistieren. Sie beginnt ja schon jetzt, also zu einer Zeit, in der die Römr unangefochten regieren. Das Volk der Gottesherrschaft ist auch bei Jesus gewaltlos und zur Gewaltlosigkeit verpflichtet. Es ist im Gegenteil die Gottesherrschaft selbst, die Gewalt erleidet - sei es von Gegnern oder von Anhängern (Mt 1 l,12f). Sie beginnt nach Jesus schon mit Johannes dem Täufer. Die Christen nach Ostern gingen einen Schritt weiter. Sie identifizierten dai Beginn der eschatologischen Ereignisse mit der Auferweckung Jesu von dai Total. In dieser Entwicklungslinie von einer ftiturischen, durch maischliche Aktivität z.T mit herbeigeführten Gottesherrschaft zu einer präsentischai und „aoristischai" Eschatologie, nimmt der Stürmerspruch von der Gewalttat gegen die Gottesherrschaft eine einzigartige Stellung ein. Er nimmt schon vorhandaie Tendenzen im Judentum auf, führt sie weiter und wird noch einmal durch den urchristlichen Glauben weitergeführt. Je mehr man sich in dieser Weise in die Jesusüberlieferung vertieft, umso unwiderlegbarer wird die Gewißheit, daß sich ihre Einpassung in über-

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greifende Entwicklungslinien und ihre spezifische Kombination von Traditionen und Formen nirgendwo sonst so findet. Diese Gewißheit ist berechtigt, auch wenn in ihr ein quasi „apriorisches Element" wirksam ist, nämlich die Ideen historischer Entwicklung und Individualität. Das Differenzkriterium wird von uns nicht deshalb kritisiert, weil es Jesus Individualität zuschreibt, sondern aus drei anderen Gründen. Erstens unterschlägt das Differenzkriterium die Dialektik von historischer Relativierung und Individualisierung. Beides gehört zusammen, die Einbettung historischer Erscheinungen in diachronische und synchronische Zusammenhänge und die Überzeugung von der Individualität alles Historischen. Individualität ist immer kontextuelle Individualität. Methodisch erfaßbar wird sie nur durch Einordnung in Kontexte. Zweitens ist der im Differenzkriterium vorausgesetzte Begriff von Individualität oft überzogen. Jesus besitzt Individualität wie jeder Mensch und insbesondere, wie jeder historisch wirksame Mensch. Der Nachweis des Individuellen und Singulären wird mißbraucht, wenn man damit andeuten will, er sei mehr als ein Mensch." Drittens wird in den hermeneutischen Reflexionen zum Differenzkriterium nicht sichtbar, daß der Gedanke der Individualität ein apriorisches Element hat. Hier wird eine Idee wirksam, die historisches Bewußtsein entwickelt hat, die wir in den Quellen immer wieder bestätigt finden, aber niemals aus den Quellen per Induktion ableiten könnten. Wenn man erkennt, daß historische Forschung mit solchen apriorischen „Ideen" die historische Wirklichkeit rekonstruiert, wird gleichzeitig Toleranz dafür geschaffen, daß das religiöse Bewußtsein mit weitergehenden „Ideen" die Gestalt Jesu betrachtet und in noch umfassenderen Zusammenhängen deutet. Exkurs: Die weitergehenden theologischen „Ideen" können sich innerhalb der Jesusüberlieferung auf einen gut dokumentierten Glauben stützen, der den Rahmen des Historischen in der Tat sprengt: den Osterglauben.19 Hier liegt sowohl nach urchristlichen Aussagen (Rom l,3f) als auch nach gegenwärtiger theologischer Einsicht der sachliche Grund für all jene Aussagen über Jesus, mit denen nicht nur historisches Bewußtsein transzendiert wird, sondern auch das, was der historische Jesus über sich selbst gesagt hat. Wir können im Rahmen unseres " E.P. SANDERS / M. DAVIES: Studying the Synoptic Gospels, pp. 301-344, nennen ihren zweiten „Test" zur Erhebung authentischen Jesusgutes „uniqueness", aber es handelt sich nach ihrem Verständnis um eine begrenzte „Einzigartigkeit" Vgl. E.P. SANDERS: The Question of the Uniqueness of the Teaching of Jesus. 19 Wir verweisen für eine Behandlung der historischen und hermeneutischen Probleme des Osterglaubens auf G. THEISSEN / A. MERZ: Der historische Jesus, pp. 415ff.

259 Buches die Problematik des Osterglaubens nicht diskutieren. Viele wollen auch ihn in den Bereich des Historischen einbeziehen - entweder mit dem kritischen Ergebnis, daß er, weil es keine Analogien zu ihm gibt, auf kein objektives Ereignis weise, oder mit dem „apologetischen" Ergebnis, daß man ihn auf eine vergleichbare Ebene mit anderen historischen Ereignissen stellt, um so seine Objektivität zu sichern. Zweifellos ist der Osterglaube von Menschen ein historisches Ereignis. Das, woraus er sich nach seiner Intention bezieht, ist jedoch so wenig „historisch" wie die Schöpfung ex nihilo, die niemals Gegenstand historischer Arbeit an Quellen sein wird. Ereignisse in einem Raum jenseits des Todes entziehen sich grundsätzlich der Arbeit des Historikers. Dieser Raum sprengt unsere Erfahrungswelt. Die historischen Prinzipien von Immanenz und Analogie gelten aber nur fur unsere Erfahrungswelt. Aber diese ist nicht alles. Wer davon überzeugt ist, daß sie in besonderen „Erfahrungen" (in Erfahrungen mit der Erfahrung, d.h. mit ihren Grenzen und Bedingungen) porös wird und dabei eine umfassendere Wirklichkeit zugänglich wird, der kann das Ostergeschehen als Einbruch einer transzendenten Wirklichkeit denken - und gleichzeitig den Glauben an Ostern historisch untersuchen, ohne das, worauf er sich bezieht, historisch „auflösen" zu müssen. Wir können den Schöpfungsglauben historisch untersuchen - und gleichzeitig das Wunder der Schöpfung als etwas ganz Originäres erleben. Die Frage, ob sich Ostern und der Osterglaube den „Ideen" des historischen Relativismus entziehen, ist also differenziert zu beantworten: Mit dem Ostergeschehen ragt eine Wirklichkeit in unsere Welt hinein, die sich notwendig historischem Relativismus entzieht, wenn sie das ist, was zu sein sie vorgibt. Mit dem Osterglauben aber haben wir die historisch untersuchbaren Überzeugungen von Menschen, für die alle Prämissen und Methoden historischkritischer Forschung gelten. Zurück zu unserem Plausibilitätskriterium. Wir hatten gesehen, daß das traditionelle Differenzkriterium einen richtigen Kern enthält, wenn es mit einer Individualität rechnet. Hier handelt es sich um eine gut getestete und bewährte historische „Idee" Sie darf aber nicht unter der Hand von einer sehr viel weitergehenden religiösen (oder theologischen) Idee belastet werden, wonach im historischen Jesus eine transzendente Wirklichkeit in unsere Welt einbricht. Es stehen hier zwar keineswegs auf der einen Seite reine „Empirie", auf der anderen Seite reiner „Glaube" gegenüber Vielmehr handelt es sich in beiden Fällen um apriorisch wirkende „Ideen", in beiden Fällen wird auf bestätigende Erfahrungen verwiesen. Beide Annäherungsweisen an Jesus sind legitim. Historische „Ideen" (die in jeder historischen Methodik erkenntnisleitend sind) erschließen uns den Zugang zur historischen Realität. Religiöse Ideai wollen den Zugang zu einer transzendental Realität eröffnen. W a s wir auf historischem Wege an Ergebnissen erhalten, wird überfrachtet, wenn man in die historische Idee der Individualität insgeheim d a i Gedanken der „Offenbarung" (d.h. eines Einbruchs der Trans-

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zendenz) hineinlegt. Das aber ist schon in der Konstruktion des Differenzkriteriums enthalten, sofern „Differenz" eine Unableitbarkeit aus Judentum und Christentum meint - also eine Unableitbarkeit aus der Geschichte überhaupt. Wir ersetzen daher das Differenzkriterium durch ein Plausibilitätskriterium, wonach Jesustraditionen dann authentisch sind, wenn sie als etwas Individuelles im jüdischen Kontext des 1. Jh. n.Chr. erkennbar sind und als Ursprung der in den urchristlichen Quellen vorliegenden Wirkungsgeschichte plausibel gemacht werden können. Für unseren Zusammenhang bleibt entscheidend: Nur durch Bejahung des historischen Relativismus gelangen wir zur Erkenntnis der Individualität Jesu. Diese Individualität wird dabei im Rahmen des Judentums relativiert. Aber das ist theologisch gesehen kein Nachteil. Die Beziehung des Christentums zum Judentum gehört zum Wesen des Christentums. Was den historischen Relativismus angeht, so ist er zunächst zwar ein tiefer Graben; aber der Sprung in diesen Graben ist auch ein Gewinn. Wir müssen eintauchen ins kalte Wasser des historischen Relativismus: Es verbindet Christentum und Judentum - und darüber hinaus alle Religionen. 4.

Das Problem der historischen Fremdheit

Aber damit sind noch nicht alle Probleme gelöst. Angenommen, wir besäßen ein historisch zuverlässiges Bild vom historischen Jesus, das seiner Individualität im Rahmen des Judentums gerecht wird, so bliebe das Problem seiner historischen Fremdheit. Die Jesusüberlieferung führt uns in eine andere Welt. Sie ist darin kein Sonderfall. Im Gegenteil: Jede historische Überlieferung entfernt sich von uns alle 24 Stunden um einen Tag. Die Fremdheit des Historischen ist kein besonderes Problem gerade der Jesusüberlieferung. Vielmehr geht modernes historisches Bewußtsein grundsätzlich von der Überzeugung aus, daß jede Überlieferung historisch fremd sei und wird gerade bei den vermeintlich vertrauten Überlieferungen skeptisch, ob sie uns wirklich so nahe stehen, wie es den Anschein hat, oder ob uns zufallige Übereinstimmungen mit unserer Lebenswelt nicht vorschnell dazu verführt haben, in ihnen etwas von uns selbst wiederzuentdecken. Das Postulat der historischen Fremdheit wird also an jede Überlieferung herangetragen, auch an die vermeintlich vertrauten. Es ist eine axiomatische Überzeugung historischen Wissens, die sich im Umgang mit der Geschichte immer wieder bewährt hat. Daher gibt es kein größeres Sakrileg in der historischen Wissenschaft als das, fremde Lebenswelten und Erscheinungen zu „modernisieren", an-

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statt sie aus ihrem eigenen Kontext und aus sich selbst heraus zu verstehen.20 Das gilt um so mehr, je größer ein in der Gegenwart verankertes Interesse vorhanden ist, aus der Vergangenheit Orientierungen für die Gegenwart abzuleiten - und die Vergangenheit im Kontext der Gegenwart zu interpretieren. Gerade das ist bei Jesus der Fall. Christlicher Glaube macht die Gestalt Jesu zum Zentrum seiner Lebensorientierung - tut also gerade das, was aus der Perspektive eines strengen Wissenschaftsethos als Garant für die Korrumpierung sachlicher Arbeit gilt. Aktualisierung der Vergangenheit erscheint hier als Vergewaltigung der Geschichte. Wieder tut sich vor uns Lessings breiter Graben auf - diesmal in besonders einschüchternder Form. Denn die Überwindung dieser historischen Distanz scheint schon deshalb von Vergeblichkeit gekennzeichnet zu sein, weil sie jeden Tag zunimmt. Jesus scheint immer mehr an den Rand unserer Kultur zu rücken und in seine Zeit zurückzugehen, aus der er als Fremder in unsere Zeit gekommen ist. Wohlgemerkt: Die Überzeugung von der Fremdheit des Historischen ist eine axiomatische Idee. Wir treten mit dieser Idee schon immer an die Quellen heran. Auch hier geht es uns wie bei anderen axiomatischen Ideen des historischen Bewußtseins. Konsequent durchdacht, entwickeln sie eine Dialektik, die ihr Gegenteil als ihren notwendigen Bestandteil erscheinen läßt. Nur wer auf der Fremdheit der historischen Überlieferung insistiert, entdeckt in ihnen eine Nähe, die sie als Ausdruck derselben kulturellen Aktivität verstehen läßt, in der auch Menschen in der Gegenwart engagiert sind. Wie ist das möglich? Machen wir folgendes Gedankenexperiment. Angenommen, wir fanden in geschichtlichen Texten nur unsere vertraute Lebenswelt wieder oder ihre Lebenswelt wäre noch immer mit unserer eigenen identisch, die Konsequenz wäre, daß wir diese Lebenswelt nicht mehr als „geschichtliche" Welt (d.h. als eine sich verändernde und als von uns veränderbare Lebenswelt) erlebten, sondern als natürliche Welt, die in ihren Grundstrukturen konstant bleibt und notwendig so ist, wie sie ist. Erst die Fremdheit des Historischen macht uns bewußt, daß historische „Lebenswelten" ebenso vom Menschen konstruierte Sinnwelten sind wie unsere eigene moderne Welt. Paradoxerweise wird uns damit erst über historisch Fremdes bewußt, was uns mit allen Maischen in Vergangenheit und Zukunft gleichzeitig macht: nämlich die kulturelle sinngebende Aktivität des Maischen, der niemals in einer natürlichen Umwelt lebt, sondern in einer konstruierten Lebenswelt, die er 20

Vgl. H.J. CADBURY: The Peril of Modernizing Jesus.

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durch Deutungen und Überzeugungen, Institutionen und Techniken selbst aufbaut - und dabei eine große Mannigfaltigkeit zeigt. Wieder gilt: Wir dürfen nicht gegen das moderne Axiom der Fremdheit des Historischen einen Zugang zur Vergangenheit suchen etwa durch Rückgriff auf zeitlose Wahrheiten, die nur in historisch veränderlicher Gestalt vorliegen. Vielmehr müssen wir uns auf diese Fremdheit vorbehaltlos einlassen, auch wenn Jesus dabei zunächst an den äußersten Rand unserer Kultur zu rücken scheint. Denn je fremder eine historische Gestalt zunächst ist, um so größer wird die Chance, daß wir in Auseinandersetzung mit ihrer Fremdheit neue Dimensionen unserer kulturellen Sinngebungsaktivität entdecken und dabei unser Verstehen menschlicher Kultur nicht nur bestätigen, sondern erweitern und vertiefen. Läßt sich das konkret am Beispiel der Gestalt Jesu aufweisen, - diese Dialektik von Distanz und Nähe, Fremdheit und Vertrautheit? Unsere These hierzu lautet: Die Fremdheit Jesu, wie sie sich in seinen Exorzismen, Radikalismen und apokalyptischen Erwartungen zeigt, rückt ihn an den Rand unserer Kultur. Aber gerade diese bizarren Züge lassen sich als Ausdruck eines Protestes deuten, der das Herz unserer Kultur darstellt: ihre verborgene Mitte und ihr heimliches Programm. 4.1. Die Fremdheit des historischen Jesus

Die Fremdheit des historischen Jesus zeigt sich in seiner Erwartung einer umfassenden kosmischen Wende: Er glaubte, daß die Gottesherrschaft schon verborgen präsent wäre, aber in naher Zukunft alles verwandeln würde. Danach sollte nichts mehr so sein, wie es vorher war. Sowohl in Gleichnissen und Bildern konnte man von dieser umfassenden Wende reden wie in allgemeinen Sprüchen. Sie erschien als ein Mysterium fascinosum mit undeutlichen Umrissen. Deutlich ist nur, daß ein endgültiges Gericht der Gottesherrschaft vorhergehen sollte. Denn nicht alle würden in sie gelangen. Das Gericht bedrohte alle. Durch Umkehr war Rettung möglich. Diese Umkehr umschloß bei den engeren Nachfolgern Jesu eine bizarre ethische Radikalität: die Bereitschaft zum Verzicht auf Gegenwehr und zur Feindesliebe, Sorglosigkeit hinsichtlich des Lebensunterhalts, Verzicht auf Besitz und Armut, Bruch mit Familie und Familienpietät - selbst den Vater sollte man unbegraben lassen, wenn die Gottesherrschaft es forderte. Gemessen an ihr war alles andere unwichtig - das normale Leben mit Arbeit und Beruf, Haus und Familie. Diese Gottesherrschaft brachte Heil für jetzt Außenstehende: Besessene wurden geheilt, der Teufel erschien besiegt, Dämonen flohen. Kranke wurden in merkwürdigen Wundem geheilt, mora-

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lisch Stigmatisierte akzeptiert, die Armen und Kinder sollten zur Macht in der Gottesherrschaft kommen. Aber dieser zentrale Inhalt seiner Verkündigung, die Gottesherrschaft, wurde von der Geschichte nicht „eingelöst"· Sie kam nicht. Vielmehr zog Jesus nach Jerusalem - vielleicht in Erwartung der Wende. Vielleicht unter bewußtem Risiko eines gewaltsamen Todes. Er wurde durch die römischen Behörden hingerichtet, an die ihn die jüdische Aristokratie ausgeliefert hatte. Nach seinem Tod hatten die Jünger Erscheinungen, die in ihnen die Überzeugung weckte, daß er von den Toten auferstanden sei. Wer war dieser Jesus? Teils ein sensibler Poet, teils ein apokalyptischer Prophet, teils ein Wundertäter und Exorzist, dazu ein charismatischer Führer und ein extremer Ethiker! Wir würden seine Fremdheit noch mehr empfinden, wenn uns die Jesusüberlieferung nicht schon so vertraut geworden wäre. 4.2. Die Nähe des historischen Jesus

Und doch kann uns gerade dieser Jesus, der unserer modernen Welt fremd bleibt, auf überraschende Weise nahekommen. Wir müssen dazu nur die in den Jesusüberlieferungen enthaltene Sinndeutung von Welt und Leben auf die Aufgabe beziehen, die alle menschliche Kultur hat: nämlich Selektionsdruck zu reduzieren. Kultur beginnt mit der Chance, daß menschliches Leben dort ermöglicht wird, wo es unter natürlichen Bedingungen unmöglich wäre - ermöglicht durch technische Bearbeitung der Umwelt, soziale Institutional des Ausgleichs und ethisch motivierende Überzeugungen. Sie beginnt, wo der Schwache, der an und für sich keine (oder nur geringere) Lebenschancen hat, durch bewußtes menschliches Verhalten neue (oder bessere) Chancen zum Leben erhält. In dem Augenblick hat der Mensch das Reich der Natur verlassen und ist in das Reich der Kultur eingetreten er überschreitet eine Schwelle, hinter die er immer wieder zurückzufallen droht.21 In der Bibel wird aus dieser kulturellen Verpflichtung zur Reduktion von Selektionsdruck ein schroffer Protest gegen das Selektionsprinzip, der im Altai Testament beginnt und in der Gestalt des Jesus von Nazareth seinen klarsten Ausdruck findet. Das durch ihn begründete Christentum ist - wie F Nietzsche scharfsinnig gesehen hat - Gegenprinzip gegen die Selektion.22 Denn in ihm wird der Schwache nicht nur geschützt, ihm wird 21

Für eine Entfaltung dieser Gedanken vgl. G. THEISSEN: Biblischer Glaube in evolutionärer Sicht. 22 Vgl. F NIETZSCHE: Der Antichrist § 7 (in: F NIETZSCHE: Werke). Er definiert das Christentum als eine Religion des Mitleids und schreibt: „Das Mit-

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sogar ein Vorrang zugesprochen: In der Gottesherrschaft sollen die Armen, Kranken, Hungernden und Kinder zur Geltung kommen. Die Wundergeschichten mögen für uns bizarr sein. Aber sie bringen einen unbedingten Protest gegen die natürliche Verteilung von Lebenschancen - sie geben dem erlöschenden und reduzierten Leben eine neue Chance. Die Ethik Jesu mag für uns zu radikal sein, aber sie vollzieht nur den Bruch mit der bisherigen biologischen Evolution. In Frage gestellt wird die biologisch fundierte Familiensolidarität - die Liebe zu den genetisch Verwandten; gefordert wird dagegen die biologischen Verhaltenstendenzen entgegengesetzte Feindesliebe - die Liebe zu denen, die nicht genetisch (oder kulturell) verwandt sind. Die apokalyptische Erwartung einer schon beginnenden kosmischen Wende, die verborgen jetzt schon beginnt, mag bizarr und illusionär wirken, entspricht aber genau der Situation des Menschen an der Schwelle zwischen der biologischen und kulturellen Evolution, zwischen dem Reich der Natur und der Freiheit. Überall wo sich der Mensch gegen die Macht des Selektionsprinzips erhebt, hat er diese Schwelle schon überschritten in vielen einzelnen Akten, verborgen mitten in einer Welt, die insgesamt nach anderen Gesetzen verläuft. Der neue Raum, in den er tritt, aber bleibt ihm in seinen Dimensionen verschlossen. Die Gerichtserwartung wirkt mit ihrer Scheidung von Guten und Bösen archaisch und grausam. Aber sie stellt nur den Selektionsdruck dar, der über allem menschlichen Leben steht - und der auch in der Moral weiterwirkt: Der Böse soll weniger Lebenschancen als der Gute haben. Aber gerade diese einfache Verteilung von Gut und Böse wird in der Jesusüberlieferung in Frage gestellt. Nur die Umkehrenden passieren das Gericht. Nur die, die ihre Sünden eingestehen - also eingestehen, daß sie eigentlich keine Chance haben - werden gerettet. Auch die Irritation der urchristlichen Osterbotschaft paßt in dies Bild - ja, gibt ihm ein neues Zentrum: Ein Gescheiterter und Ohnmächtiger wird in ihr zum Ursprung des Lebens. Was aus dem Leben ausgeschieden wird, wird zum Inbegriff eines neuen Lebens. Selektion bedeutet Tod und Leiden, nämlich verminderte Lebens- und Überlebenschancen. Die Überwindung des Todes aber ist Überwindung von Selektion. Sieht man in der Gestalt Jesu - gerade in dem, was uns bizarr und fremd erscheint - einen Ausdruck antiselektionistischen Protests, so gerät diese Gestalt vom äußersten Rand unserer Kultur in ihr Zentrum - wenigstens für die, die sich dem Programm einer Selektionsreduktion für die schwächeren oder die weniger „angepaßten" Mitmenschen verpflichtet wissen. Daß dies leiden kreuzt im grossen ganzen das Gesetz der Entwicklung, welches das Gesetz der Selektion ist. Es erhält, was zum Untergange reif ist."

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„Programm" befolgt wird, ist so wenig sicher, wie der Gedanke, daß es als Verpflichtung akzeptiert wird. Der Nationalsozialismus war ein offener Verrat an diesem Programm. Und es wurde nicht nur von ihm verraten, sondern oft genug auch von christlichen Kirchen. Immer zog solcher Verrat unermeßliches Leiden nach sich. Menschliche Kultur ist nicht einfach Überwindung des Selektionsdrucks, sondern die Chance, ihn überwinden zu können - und zugleich die Gefahr, ihn künstlich in kollektiven Grausamkeiten zu erhöhen. Fassen wir unseren Gedankengang zusammen. Persönliche Gewißheit im Umgang mit dem historischen Jesus entsteht durch das Zusammentreffen axiomatischer Überzeugungen und zufalliger Quellen. Die aromatischen Überzeugungen des modernen historischen Bewußtseins vertiefen zunächst den Graben zwischen uns und dem historischen Jesus. Die drei Prämissen - die Fehlbarkeit aller historischen Quellen, die historische Relativität aller Erscheinungen und die Fremdheit alles Historischen - führen zu historischer Skepsis, Relativierung und Distanz. Der historische Jesus scheint in einer unzugänglichen Vergangenheit zu versinken. Dieselben Prämissen enthalten aber eine innere Dialektik, die notwendigerweise das Gegenteil ihrer selbst umschließt. Konsequent durchdacht, begrenzt die Fehlbarkeit aller menschlichen Quellen auch unsere historische Skepsis, öffnet die Einordnung Jesu in geschichtliche Zusammenhänge den Blick für seine Individualität, führt die Auseinandersetzung mit seiner provozierenden Fremdheit zu einer überraschenden Nähe. Der Graben, der uns vom historischen Jesus trennt, bleibt breit, lang und tief. Wir können ihn nicht überspringen. Aber wenn wir in ihn hineinfallen, so ist das keine Katastrophe: Wir können in ihm schwimmen und dabei Jesus näherkommen. Deshalb sind wir noch nicht am anderen Ufer. All unser Wissen ist hypothetisch, auch die größte uns zugängliche Gewißheit. Alles steht unter dem Vorbehalt: Es könnte auch anders sein. Wir haben gezeigt, daß trotzdem aufgrund axiomatischer Überzeugungen persönliche Gewißheit möglich ist. Diese axiomatischen Überzeugungen sind jedoch historisch geworden. Sie sind nicht zeitlos notwendig, auch wenn wir uns nicht vorstellen können, wir könnten uns historischen Gegenständen je mit anderen Prämissen nähern. Für uns ist das in ihrem Licht Erfahrene „gewiß" - so gewiß, wie menschliche Gewißheit überhaupt sein kann. Aber auch diese Gewißheit ist nicht unbedingte Gewißheit. Es bleibt ein Einschlag des Hypothetischen. Lessings Graben wird nicht zugeschüttet. Wie können wir uns mit ihm versöhnen? Anders gesagt: Wie können wir uns mit dem hypothetischen Charakter allen Wissens und Glaubens versöhnen?

266 5.

Eine aporetische Lösung: Versöhnung mit dem Hypothetischen des Lebens und Denkens

Fragen wir zunächst: Welche Wege ist die Theologie bisher gegangen, um diesen Graben argumentativ zu überwinden? Vier Wege seien skizziert: 1. Die Orientierung am biblischen Jesusbild. Alle historischen JesusRekonstruktionen sind mit einer Aura von Hypothesen umgeben. Warum soll man diesen Konstrukten wissenschaftlicher Phantasie nicht das biblische Jesusbild vorziehen - im Vertrauen darauf, daß es eine Auswirkung des historischen Jesus ist? Haben wir nicht den „wirklichen Jesus" in dem von ihm „bewirkten Bild" erhalten? Ist der wirkliche Jesus der wirksame Jesus? Für diese „biblizistische" Lösung plädierte Martin Kähler 1892 in seiner klassischen Schrift „Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus" 2. Die historische Absicherung des Jesusbildes. Immer wieder entsteht das Bedürfnis, dies biblische Jesusbild durch historische Forschung abzusichern. Programmatisch wurde dieses Bemühen bei den „positiv-kritischen" Jesusforschern vertreten: von Joachim Jeremias, Leonhard Goppelt und Werner Georg Kümmel. Man erwartet von historischer Forschung gesicherte Erkenntnisse - mitten in einer Fülle von Hypothesen und Ungewißheiten: „Nur der Menschensohn selbst und sein Wort können der Verkündigung Vollmacht geben."23 3. Die kerygmatheologische Reduktion des Jesusbildes. Wer weniger Vertrauen zu konsensfahigen Ergebnissen der historischen Forschung hat und den christlichen Glauben nicht von den wechselnden Hypothesen der Wissenschaft abhängig machen will, kann mit der Kerygmatheologie R. Bultmanns die Beziehung des christlichen Glaubens auf das formale „Daß" des Gekommenseins Jesu reduzieren: Beim Vollzug von Predigt und Glauben bezieht man sich zwar auf das biblische Jesusbild, bei der theologischen Argumentation und Reflexion dagegen auf einen unanschaulichen Bezugspunkt. 4. Das symbolische Verständnis des Jesusbildes löst sich noch konsequenter von der Geschichte. Poetische und bildliche Texte (wie z.B. die Gleichnisse Jesu) haben ihre Wahrheit in sich, unabhängig von ihrer Geschichtlichkeit und Authentizität. Warum soll man das neutestamentliche Zeugnis 23

J. JEREMIAS: Der gegenwärtige Stand der Debatte um das Problem des historischen Jesus, p. 25.

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von Jesus nicht als Bild und Gleichnis für zeitlose Wahrheiten deuten? Etwa, indem man hier die Einsicht findet, daß der Mensch in seiner Existenz und Freiheit von unverfügbarer Gnade lebt? Diese innere Wahrheit bedarf keiner äußeren Bestätigung. Das Jesusbild wird so nicht nur „entmythologisiert", sondern „entkerygmatisiert" Es wird aus einer Botschaft, die in einer bestimmten historischen Situation verwurzelt ist, zu einer zeitlosen Chiffre. Für diese Lösung plädiert - in Anlehnung an den Philosophen Karl Jaspers - F Buri.24 Die bisher eingeschlagenen Wege enthalten alle ein Wahrheitsmoment, befriedigen aber nicht. Die biblizistische und die symbolische Lösung widersprechen einer irreversiblen kritischen Einstellung modemer Mentalität zu geschichtlichen Quellen, die zwischen historischer Wirklichkeit und den Zeugnissen von ihr unterscheiden will. Weder können wir pauschal durch einen erweiterten Wirklichkeitsbegriff uns mit der Auskunft begnügen, daß im Grunde alle biblischen Zeugnisse etwas „Wirkliches" bezeugen, noch mit einem expandierenden Symbolbegriff, nach dem alle Aussagen in ihnen auch dort, wo sie eindeutig ein einmaliges geschichtliches Geschehen meinen - im Grunde zeitlos symbolisch zu deuten sind. Berechtigt ist hier wie dort, daß wir die überlieferten Texte in jedem Fall in sich wertschätzen können und daß sie - unabhängig von ihrem historischen Wirklichkeitsgehalt - wirkliche Erfahrungen und Erfahrung von „Wirklichem" im weitesten Sinne des Wortes enthalten. So schwanken die meisten zwischen einer positiv-kritischen Maximalisierung des Historischen und dessen kerygmatheologischen Minimalisierung. Die positiv-kritische Lösung überzeugt aber deshalb nicht auf Dauer, weil sie immer wieder die relativierende Macht des Hypothetischen überspringen muß. Sie macht den Glauben von wechselnden historischen Hypothesen abhängig. Die kerygmatheologische Reduktion ist undurchführbar. Die Reduktion der Geschichtlichkeit Jesu auf das bloße „Daß" des Gekommenseins setzt voraus, daß vorweg Konsens darüber besteht: Wer immer da gekommen ist, ist von entscheidender Bedeutung. Wenn diese Bedeutung innergeschichtlich unsichtbar bleibt, so läßt sie sich nur in einem die Geschichte transzendierenden Mythos aussagen. Um das anhand eines Bildes zu illustrieren: Die Kerygmatheologie sieht den Menschen in der Situation von verschütteten Menschen. Für verschüttete Maischen besteht das Heil schon darin, daß andere Menschen zu ihnen vordringen. Ihr Aussehen ist gleichgültig, gleichgültig ihre Herkunft und ihre konkrete Motiva24

F. BURI: Entmythologisierung oder Entkerygmatisierung der Theologie.

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tion. Entscheidend ist allein, daß sie die Verbindung mit der Welt des Lichts und des Lebens wieder herstellen. Vorausgesetzt aber ist ein sicheres Wissen um diese Welt des Lichts und Lebens. Vorausgesetzt ist die absolute Gewißheit, daß sich der Rettungstrupp in rettender Absicht nähert. Ahnliche Voraussetzungen steht unausgesprochen hinter der kerygmatheologischen Reduktion: Sie setzt die Überzeugung von einer jenseitigen „Welt" Gottes voraus. Sie setzt die Gewißheit voraus, daß Heil durch Kontakt mit dieser „Welt Gottes" entstehen kann. Beides vorausgesetzt kann es zum Allerentscheidendsten werden, daß jemand aus dieser Welt in die Geschichte tritt. Das bloße „Daß" ist nur innergeschichtlich ein bloßes „Daß" Im Rahmen eines umgreifenden „Mythos", der die Geschichte transzendiert, ist es schon immer mit einem Inhalt gefüllt: Es ist das Gekommensein eines Erlösers. Wir können am Ende unseres Buches nur eine persönliche Antwort versuchen. Der unentrinnbare hypothetische Charakter all unseres Wissens nötigt uns dazu, uns mit diesem hypothetischen Charakter zu versöhnen. Vier Gründe können wir dafür anführen: einen hermeneutischen, philosophischen, ästhetischen und religiösen Grund. Zunächst unser hermeneutischer Grund, wobei „hermeneutisch" hier umfassend als Reflexion jedes Vorgehens in Geistes- und Geschichtswissenschaft verstanden wird. Alles in der Jesusforschung ist mehr oder weniger hypothetisch. Aber auf dem Rücken aller Hypothesenbildungen entsteht notwendig eine Gewißheit: Daß es sinnvoll ist, über Jesus historische Hypothesen zu entwickeln, also zwischen verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen und die wahrscheinlicheren anderen vorzuziehen. Gerade die hypothetische Relativierung, die sagt: „Es könnte auch anders sein!" macht uns dessen gewiß „Es gibt etwas, das anders sein könnte" - oder es wäre sinnlos, weiterhin über diesen Gegenstand historische Hypothesen zu entwikkeln. Auch die Überzeugung von seiner Geschichtlichkeit, also von seinem bloßen „Daß", bildet sich durch hypothetisches Abwägen von Möglichkeiten dessen, was Jesus gewesen sein könnte. Der durchgehende Charakter des Hypothetischen wird so zur Grundlage von Gewißheit. Unser zweiter Grund ist ein philosophischer. Man kann auch präziser sagen: Es ist ein metaphysischer, denn er setzt ein Bild von der Gesamtwirklichkeit voraus. Wir sind uns dessen bewußt, daß solche Bilder kühne Antizipationen dessen sind, was wir endgültig nicht wissen können. Entscheidend für uns ist: Nicht nur unser Wissen, sondern unser ganzes Leben hat hypothetischen Charakter. Der Strom des Lebens ist ein Prozeß von trial and error, der den Grundbedingungen der Realität zu entsprechen sucht, die Gott gesetzt hat. Die Welt und alles Leben ist eine Hypothese,

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die Gott zu entsprechen versucht. Auch unser Wissen gehört dazu, auch das Neue Testament und auch die christliche Religion. Alles ist hypothetisch und überholbar. Und gerade deshalb können wir uns mit diesem hypothetischen Charakter unseres Wissens und Glaubens versöhnen. Eine dritte Antwort basiert auf ästhetischer Erfahrung. Alles Wissen ist vorläufig, auch unser Wissen von Jesus, aber wir können es ästhetisch gestalten. Hierdurch gewinnt es eine Abrundung, die in sich wertvoll bleibt, auch wenn unser Wissen vergänglich ist. Unsere Darstellungen von Jesus sollten daher ästhetischen Charakter haben. Dichtung versöhnt mit der Überholbarkeit unseres Wissens. Eine vierte und letzte Antwort beruht auf religiösem Glauben. Alles Wissen ist Hypothese, - und alles Leben ist eine Hypothese, Gott zu entsprechen. Alles Hypothetische ist dem Risiko des Scheiterns ausgesetzt. Aber christlicher Glaube ist überzeugt, daß Gott auch die scheiternden Varianten des Lebens akzeptiert. Er verleiht von sich aus jene Entsprechung zu ihm, nach der alles Leben unterwegs ist. Er bietet im Evangelium die Übereinstimmung mit sich selbst an - ohne Vorbedingung, unbedingt und uneingeschränkt. Wir sprachen am Anfang von Lessings breitem Graben. Es ist der Graben zwischen hypothetischem Wissen und unbedingtem Glauben. Wir können diesen Graben nicht überspringen. Wir können nur in ihn hinein springen - mitten in eine Flut von Hypothesen, Versuchen und Fragmenten. Aber wir können in dieser Flut bis ans andere Ufer schwimmen und es erreichen, wenn sich uns eine Hand hilfreich entgegenstreckt. Diese Hand haben Generational von Christen immer wieder erfahren: als Gottes Gnade, die auch unsere hypothetischen Versuche akzeptiert. Christen wurde die Bibel immer wieder zur Chance einer Dialogaufnahme mit Gott - und damit zum Medium einer Gewißheit, die alle historische Plausibilität überschreitet.

ANHANG: ZITATENSAMMLUNG VON FORMULIERUNGEN UND KOMMENTAREN ZUM THEMENKREIS DES DIFFERENZKRITERIUMS IN CHRONOLOGISCHER ORDNUNG 1521 LUTHER, Martin: Grund und Ursach aller Artikel D. Martin Luthers, so durch römische Bulle unrechtlich verdammt sind, 1521, in: WA 7, pp. 308-457.

„Sie sagen auch, ich bring new ding auff und sey nit zuvermutten, das alle andere szo lange geyrret haben. Wen der zeyt lenge solt genugsam sein zur auszrede, hetten die Juden die allerbesten sache wider Christum gehabt, des lere anders ware, den sie in tausent iaren gehört hatten. Auch hetten die heyden billich die Aposteln vorachtet, die weyl yhr forfahrn mehr den drey tausent iare viel anders geglaubt hatten." (p. 313) um 1550 WIDMAN, Georg: Chronica, zitiert nach: KNAPE, Joachim: „Historie" in Mittelalter und früher Neuzeit. Begriffs- und gattungsgeschichtliche Untersuchungen im interdisziplinären Kontext, Baden-Baden 1984 (= SaeSp 10).

„Drei Dinge sind es, so schreibt Georg Widman um 1550 in seiner 'Chronik', die in Historien 'die warheit zue beschreiben verhindern'· 1. Statt eines sorgfaltigen Quellenstudiums auf zweifelhafte Gerüchte hören ('allein vom hörichsagen schreiben') 2. Einen parteiischen Standpunkt einnehmen ('einem theil mehr guttes dann dem andern gönnen'); 3. Die Bemühungen um die literarische Gestaltung so in den Vordergrund stellen, daß die Wahrheit (d.h. die Tatsachen) Schaden nimmt ('mehr gesehen wollen sein in Zierlichkeit der wortt ihres schreibens, wann der warheit nachzuhorchen')." (Widman, pp. 6.18; bei Knape, p. 381) 1555 SLEIDAN, Johannes: Warhafftige vnd Eigentliche beschreibung der Geistlichen vnd Weltlichen sachen Übers, u. hg. v. Marcus Stammler, Straßburg 1557 (Erster Druck 1555), zitiert nach: KNAPE, Joachim: „Historie" in Mittelalter undfrüherNeuzeit. Begriffs- und gattungsgeschichtliche Untersuchungen im interdisziplinären Kontext, Baden-Baden 1984 (= SaeSp 10).

271 „Wa partheien seindt / wa krieg vnd emörang (sie) ist / da finden sich anklagungs vnd verantwortungs schriffien vnd gegenschrifften / wie man weiß. Welcher nun dises also bloß erzellet / vnd keinem theil zûspricht / der thût niemandt kein vnxecht / sonder haltet sich nach Ordnung der Histori / Dann die schmach oder Iniuri ist am affect gelegen / wie die rechte außweisen / sonst müßten alle Historiei / so von anfang der Welt gewesen / vnd des namens würdig seindt / beschuldigt / vnd in argwöhn gezoge werden. Es müß darumb nit alles war sein / was eine parthey der anderen fürwirfft / Dann wa feindschafft ist / weiß man wol / das kein theil dem anderen hofiiret / vnd solt es alles war sein / was die Bäpst vnd andere dergleichen / wider der Protestierenden lehr vnnd Personen / seither fiinff vn dreissig jaren geredt vnd geschriben / so müßten es die heilloseßte leut auff erden sein." (Vorrede Sleidans; bei Knape, p. 383)

1738 CHUBB, Thomas: The True Gospel of Jesus Christ Asserted. Wherein is shewn what is, and what is not that Gospel: what was the great and good end it was intended to serve; how it is exactly suited to answer that purpose; and how, or by what means that end has in a great measure been frustrated, London 1738.

the private opinions of those who wrote Christ's history, and of those who were appointed and sent out to preach his gospel to the world, were in many instances very abstruse " (p. 49) „... everything is not Christ's gospel which weak, or ignorant, or artful men have taken upon them to call by that name." (p. 50)

1738-40 MORGAN, Thomas: The Moral Philosopher, vol. I-Ifl, London 1738-1740, Faksimile-Neudruck in einem Band, ed. Günter Gawlick, Stuttgart-Bad Cannstatt 1969.

„... his (sc. Jesus') Disciples and Followers soon fell into very odd Notions about him, and reported several Things of him, that were neither consistent with his Character and general Design, nor with the Religion which he had preach'd and propagated. they soon patch'd up a Religion very different from that of Nature, join'd Judaism and Christianity together, and in Favour of their old, national Prejudices, made Christ himself a false Prophet. In a Word, they understood and reported every Thing that he said, according to their own Prejudices and false Opinions concerning the Messias; for no two Religions in the world can be more inconsistent and irreconcileable than Judaism and Christianity, yet if a Man reads the New Testament as a plain, historical, and uncorrupted Account of Things, without any critical Remarks upon the State of Religion, and

272 the Circumstances of that Time, he might be tempted to imagine, that Judaism and Christianity are both one and the same Religion." (vol. I, pp. 439-441) „... the biblical History has afforded more Matter of Dispute and Contention than all the other Books in the World. But this could never have happened, had this sacred History been read critically, and interpreted by the same Rules of natural and Rational probability and Credibility, as we read all other History." (vol. Ill, p. 140)

1766 REIMARUS, Hermann Samuel: Die Vernunftlehre als eine Anweisung zum richtigen Gebrauche der Vernunft in dem Erkenntniß der Wahrheit, aus zwoen ganz natürlichen Regeln der Einstimmung und des Widerspruchs, 3. verb. Aufl., Hamburg 1766, Nachdruck, ed. Friedrich Lötzsch, München 1979. „Wenn die erzählte Sache dem Zeugen selbst, oder denen, welchen er wohl will, zur Unruhe, Schaden oder Unlust gereichen, oder denen, welchen er abgeneigt ist, Ehre, Vortheil und Lust bringen kann: so ist es ein Zeichen seiner Aufrichtigkeit." (§ 247, p. 260) „Eine Schrift, oder eine Stelle in derselben ist dem vermeynten Verfasser zuzuschreiben. Wenn die besonderen Wörter und Ausdrücke, so wie die Meynungen und Sachen, mit des Mannes Schreibart, Meynungen und Zeiten; und in einer besondern Stelle, auch mit dem Zusammenhange, übereinstimmen." (§ 252, pp. 266f)

Mitte des 18. Jb. - unveröffentlicht REIMARUS, Hermann Samuel: Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes, vol. 2, ed. Gerhard Alexander, Frankfurt 1972 (= erste vollständige Publikation). das neuerliche System der Apostel [richtet sich] nicht nach den Factis, sondern die Erzehlung der Factorum muß sich nach ihrem geänderten System richten. Mithin muß man alles dasjenige in ihrer Geschichte, was einen Strich von der Apostel ihrem späteren System hat, weglassen, und Jesu nicht beymessen, wenn man desselben wahre Meynung und Absicht zu wissen verlangt." (p. 172)

1787 GABLER, Johann Philipp: Von der richtigen Unterscheidung der biblischen und der dogmatischen Theologie und der rechten Bestimmung ihrer beider Ziele (1787), in: Georg STRECKER (ed.): Das Problem der Theologie des Neuen Testaments, Darmstadt 1975 (= WdF 367), pp. 32-44. Untersuchung der Intention der biblischen Autoren; Kohärenzprinzip bei ihrer Rekonstruktion:

273 „Endlich muß man gut unterscheiden, ob der Apostel mit seinen eigenen oder mit den Worten anderer spricht; ob er vorhat, irgendeine These nur aufzuzeigen oder aber zu beweisen; und wenn er das will, ob er den Beweis aus der inneren Natur und Beschaffenheit der Heilslehre selbst zieht oder aus den Aussprüchen der Bücher der alten Lehrform (= des Alten Testaments), und zwar angepaßt an das Verständnis der ersten Leser. Wenn wir uns aber richtig an dieses alles halten, dann erst werden wir die wahren heiligen Vorstellungen die jedem Autor vertraut waren, herausholen; freilich nicht alle (dafür wäre in den Büchern, die auf uns gekommen sind, kein Platz), sondern nur jene, die die Gelegenheit oder das Bedürfnis zu schreiben aus den Herzen der Autoren selbst herausgepreßt hatte, nichtsdestoweniger aber genügend viele, und zwar nicht selten von der Art, daß die übrigen, die übergangen worden sind, nicht schwer von da gesammelt werden können, wenn sie ein einzigartiges, deutlich gezeigtes Prinzip der Meinungen aufstellen oder wenn sie durch irgendeine notwendige Konsequenz mit ihnen verbunden sind: Die Sache jedoch erfordert viel Vorsicht." (p. 40) 1818 de WETTE, Wilhelm Martin Leberecht: Lehrbuch der christlichen Dogmatik in ihrer historischen Entwickelung dargestellt. Erster Theil. Biblische Dogmatik Alten und Neuen Testaments. Oder kritische Darstellung des Hebraismus, des Judenthums und Urchristenthums, 2. Aufl., Berlin 1818. 1) daß wir die Lehre Jesu unterscheiden von der Auffassung derselben durch die Apostel und Evangelisten" (§ 228, pp. 209f).

1835 STRAUSS, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet, Bd. 1, Tübingen 1835. „Indem es nämlich der übernatürlichen Ansicht von Jesu Person darum zu thun sein muß, ihn als völlig einzig in seiner Art, als unabhängig von allen äusseren, menschlichen Einflüssen, als Auto- und näher Theodidakten hinzustellen: so muß sie nicht allein ['nicht allein' hier i.S. von 'unter anderem'; DW] jede Vermuthung, als hätte er etwas von Anderen entlehnt und gelernt, entschieden zurückweisen " (p. 301) bei verherrlichenden Relationen, wie unsre Evangelien sind, [ist] in streitigen Fällen immer diejenige Angabe die minder glaubwürdige . . ., welche jenem Zweck der Verherrlichung am meisten entspricht." Das ist „ein Kriterium grösserer Wahrscheinlichkeit", (p. 473)

274

1864 HEINRICH, J.B.. Christus. Ein Nachweis seiner geschichtlichen Existenz und göttlichen Persönlichkeit, zugleich eine Kritik des Rationalismus, des Straußischen Mythicismus und des Lebens Jesu von Renan, Mainz 1864.

„Nun wohlan, Jesus Christus, wie ihn die Evangelien schildern, hat weder mit den Idealen der Griechen, noch mit denen der Juden etwas gemein; er steht himmelhoch über Allem, was je die Sage geträumt, was je Dichter geschaffen, Philosophen gedacht; und zwar nicht in unbestimmten Zügen und nebelhaften Umrissen, die mehr ahnen, als genau erkennen lassen, sondern in solcher Bestimmtheit, Klarheit und Lebendigkeit hat uns das Evangelium sein Bild vor Augen gestellt, daß wir es so zu sagen mit Händen greifen können. So steht Christus da in absoluter göttlicher Originalität, ohne irgend seines Gleichen in dem ganzen Reiche sowohl der Geschichte, als der Ideale zu haben: und man will uns glauben machen, galiläische Fischer, unbekannte Leute aus der Hefe des Volkes hätten in der herabgekommensten Zeit des Judenthums und Heidenthums, sei es in absichtlichem Betrug, sei es in bewußtloser Träumerei, diesen Christus und diese evangelische Geschichte ersonnen!" (p. 29) 1866 KEIM, Karl Theodor: Der geschichtliche Christus. Eine Reihe von Vorträgen mit Quellenbeweis und Chronologie des Lebens Jesu, 3. Aufl,. Zürich 1866.

Gegensatz zu Pharisäern (p. 21); „Vollendung des Judenthums zu Ueberwindung des Judenthums" (p. 26); „... ein echtestes und eldestes Kind Israels, die Schlußgestalt des hebräischen Volksgeistes, der stolze Wipfel der hochgewachsenen, wenn schon im Wetter zerschlagenen Ceder Gottes." (p. 71) „Wie ist er also Jesus Christus geworden ...? Von der Berührung mit den Menschen, mit den Ideen der Zeit, welche ihn bereicherten, aber seine Eigenthümlichkeit unter ihrer Uniformität erstickten ist er zu sich selbst entflohen." (p. 75)

1867 KEIM, Karl Theodor: Geschichte Jesu von Nazara in ihrer Verkettung mit dem Gesamtleben seines Volkes, Zürich 1867.

„Die theologische Geschichtsforschung, gleichzeitig ein Glied der allgemeinen Geschichtswissenschaft und ein Glied der wissenschaftlich sich begründenden oder rechtfertigenden Kirche, wird mit dem Auftrag betraut, das Leben Jesu zu beschreiben. Das Grundgesetz der geschichtlichen Wissenschaft auch gegenüber dem Leben Jesu heißt Zusammenhang, das Losungswort der Kirche Besonderang, dort

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Gliedschaft der Reihe, hier Einzigkeit, dort menschliche, hier göttliche Persönlichkeit. Immerhin haben sich doch diese Gegensätze zumal in unserer Zeit gemildert und abgeschwächt. Einmal die Wissenschaft selbst ist von ihren NivellirungsArbeiten (sie!), welche die Größen der Weltgeschichte zu Gunsten der großen Masse und der Kleinen erniedrigten, doch ziemlich zurückgekommen." (pp. 3f) „Mag man die christlichen Quellen beschuldigen, sie haben mit oder ohne Absicht das Leben Jesu ideal zugefarbt, dort [i.e. im Judenthum und Heidenthum] wird eine nüchterne unparteiliche Haltung, und wenn dieses nicht, immerhin doch eine realistische Kritik geboten, aus deren Erwägungen, Enthüllungen, Anklagen, Widerlegungen ohne Zweifel eine Summe des Geschichtlichen zu erheben ist. Ja, wenn sich die Gegensätze sogar reinlich ergänzten, wenn den vermutheten Uebertreibungen des Christenthums sich lauter Verkleinerungen und Verleumdungen der Gegner zur Seite stellten, würde sich vielleicht aus beiden Einseitigkeiten ein Mittel, aus beiden Subjectivitäten eine Objectivität ziehen und errathen lassen." (p. 8) 1878 WÜNSCHE, August: Neue Beiträge zur Erläuterung der Evangelien aus Talmud und Midrasch, Göttingen 1878.

„Jeder Talmudist macht nämlich die Erfahrung, dass sich manche Aussprüche und Reden Jesu mit grosser Leichtigkeit in das talmudische Idiom übertragen lassen, bei andren hält es wiederum schwer, den richtigen talmudischen Ausdruck dafür zu finden. Sollte darin nicht ein Kriterium für die Aechtheit des Textes selbst liegen? Sollten nicht solche Aussprüche und Reden, deren Uebertragung in das talmudische Idiom mit Leichtigkeit sich vollziehen lässt, entschiedenen Anspruch auf Authenticität haben, oder wenigstens beweisen, dass sie unmittelbar einem das talmudische Idiom redendem Munde entstammen, dagegen solche, die nur durch schwierige Manipulationen in die Talmudsprache umgesetzt werden mögen, Zweifel an der Ursprünglichkeit aufkommen lassen? Wenigstens können Begriffe und Gedanken dadurch, dass sie in dem Referenten ihren Weg durch das griechische Sprachventil genommen haben, leicht nach dieser oder jener Seite modificirt worden sein." (pp. Vif) 1887 BEYSCHLAG, Willibald: Das Leben Jesu, 2. Aufl., Halle 1887.

„Gewiß, wir fragen im 'Leben Jesu' nach Thatsachen, nicht nach Dogmen, und wir suchen diese Thatsachen aus den Berichten herauszustellen nach eben den Regeln historischer Kritik, nach welchen überhaupt aus Ueberlieferungen die zu Grunde liegenden Thatsachen herausgestellt werden. Aber indem wir das thun,

276 stoßen wir auf eine Eigenart unseres Gegenstandes, für die uns unsere sonstige geschichtliche Erfahrung nicht mit Maaßstäben ausgerüstet hat. Also die historische Behauptung der Gottesoffenbarung in Christo des Wunders, der Gottmenschheit tritt uns aus den Quellen entgegen. Haben wir das Recht, dies alles von vornherein ins Gebiet der Fabel zu verweisen, weil auf den übrigen Blättern der Geschichte uns so Außerordentliches, Uebernatürliches nicht entgegentritt, oder wo uns etwa in den Ueberlieferungen vom Leben eines Buddha oder Muhammed Aehnliches vorkäme, wir uns von vornherein berechtige fühlen, den Glauben daran abzulehnen? Aber wir sind doch Christen, und nicht Buddhisten oder Muhammedaner, und wissen, was für Vorzug wir damit haben; nicht das Natürliche und Menschliche als solches, nur das Ewige und Göttliche im Natürlichen und Menschlichen kann Gegenstand der Anbetung, des religiösen Glaubens sein. Wollten wir also dasselbe hier von vornherein wegstreichen und ins Fabelreich verweisen, so würden wir im Voraus absprechen über die Wahrheit des Christenthums Wer sähe nicht, daß die Geschichtswissenschaft mit einem solchen aphoristischen Verwerfüngsurtheil die Grenzen ihrer Berechtigung schlechthin überschritte " (pp. 7f)

1898 DALMAN, Gustaf: Die Worte Jesu mit Berücksichtigung des nachkanonischen jüdischen Schrifttums und der aramäischen Sprache erörtert, Bd. 1, Leipzig 1898. „Wer wissen will, welches die aramäische Urgestalt eines Herrenworts gewesen ist, wird ebenso sehr Graecismen als hellenistische(n) Hebraismen auszuscheiden haben, um zu einem Wortlaut zu gelangen, welcher im Munde Jesu wenigstens denkbar ist und der aramäischen Überlieferung der Apostel am nächsten steht." (p. 15)

1900 HARNACK, Adolf: Das Wesen des Christentums. Sechzehn Vorlesungen vor Studierenden aller Facultäten im Wintersemester 1899/1900 an der Universität Berlin gehalten, Leipzig 1900. „Die Predigt Jesu wird uns auf wenigen, aber großen Stufen sofort in eine Höhe führen, auf welcher ihr Zusammenhang mit dem Judentum nur noch als ein lockerer erscheint, und auf der überhaupt die meisten Fäden, die in die 'Zeitgeschichte' zurückführen, unbedeutend werden." (p. 10) WEISS, Johannes: Die Predigt vom Reiche Gottes, 2. Aufl., Göttingen 1900. „Hoffentlich wird man von theologischer Seite nicht sagen, diese meine Ausführungen gingen darauf aus oder seien geeignet, die Originalität Jesu abzuschwächen. Es sollte doch nunmehr die Zeit gekommen sein, da man die rationalistische Neigung, die Bedeutung Jesu in der Neuheit der von ihm vorgetragenen

277 Gedanken und Lehren zu suchen, überwunden hat. Eine freiere und lebendigere geschichtliche Anschauung wird es für selbstverständlich und natürlich halten, dass die neue Religion sich an die Gedankenformen und Ausdrucksweisen ihrer Zeit anschliesst. Ihre schöpferische Kraft liegt nicht in den Theorieen, sondern in dem Glauben, mit welchem sie diese zu beseelen im Stande ist. Nicht dass Jesus den Gedanken des Reiches Gottes gefunden hat, ist seine Grösse, sondern dass er für die Ueberzeugung gelebt, gekämpft und gelitten hat, die Herrschaft Gottes sei nunmehr im Begriffe zu erscheinen und für immer den Sieg zu erringen." (pp. 34f)

1901 SCHMIEDEL, Paul Wilhelm: Art. Gospels, in: EB(C) 1901, vol. 2, cols. 1761-1898. „When a profane historian finds before him a historical document which testifies to the worship of a hero unknown to other sources, he attaches first and foremost importance to those features which cannot be deduced merely from the fact of this worship, and he does so on the simple and sufficient ground that they would not be found in this source unless the author had met with them as fixed data of tradition. The same fundamental principle may be safely applied in the case of the gospels, for they also are all of them written by worshippers of Jesus. If we discover any such points - even if only a few - they guarantee not only their own contents, but also much more. For in that case one may also hold as credible all else which agrees in character with these, and is in other respects not open to suspicion." (col. 1872f)

1904 WERNLE, Paul: Die Quellen des Lebens Jesu, Halle 1904. das, was wir fest in Händen haben, ist der Glaube der Urgemeinde. Er kann auf Jesus selbst zurückgehen, ganz oder zum Teil; er kann auch erst zurückgetragen sein in Wort und Leben Jesu." (p. 85)

1906 JÜLICHER, Adolf: Neue Linien in der Kritik der evangelischen Überlieferung, Gießen 1906 (= Vorträge des Hessischen und Nassauischen theologischen Ferienkurses H. 3). „Wenn sich charakteristische Züge von einer anschauungslosen Masse abheben, wenn Worte von eigentümlichem Schnitt und Charakter uns begegnen, etwa wie Mc. 2,2 lf. (altes Kleid und alte Schläuche) so ist das der sicherste Beweis der Authentie. Gewiß, mit dem Begriff der Unerfindbarkeit ist Mißbrauch getrieben worden, aber wir können ihn nicht preisgeben. Das eigenartig Frische, das Pointierte, Individuelle hat in den Evangelien das Präjudiz der Echtheit für sich.

278 sollte es so schwer sein, in vielen Fällen fast sicher zu entscheiden, ob ein Gedanke und die Art, wie er ausgedrückt ist, das automatische Erzeugnis einer Gemeinschaft von Menschen ist, oder die kühne Schöpfung einer einzigen überragenden Persönlichkeit?" (pp. 73f) KELLERMANN, Benzion: Kritische Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Christentums, Berlin 1906.

Kellermann erachtet „es für eine methodische Forderung der Geschichtswissenschaft, solange von einer Erklärung geschichtlicher Erscheinungen durch hervorragende Persönlichkeiten im Zusammenhange mit ihrem Milieu abzusehen, solange das Milieu selbst einen zureichenden Grund der Erscheinung abgibt, und für die Mitwirkung einer überragenden Persönlichkeit jeder geschichtliche Anhaltspunkt fehlt." Letzteres sieht K. im Falle Jesu und Pauli gegeben, (p. 34) NEUMANN, Arno: Jesus, London 1906.

„For it is impossible (here every historian will agree) for one who worships a hero to think and speak in such a way as to contradict or essentially modify his own worship. Statements which do this can be nothing more or less than survivals of the truth, precious fragments which have been covered and well-nigh hidden for ever by the deposits of later times. For this reason a scholar of our own time, Dr. Schmiedel, has called these portions of the tradition, 'foundationpillars of the life of Jesus.' [Verweis auf Encycl.Bibl. 1901, s.o.] The existence of such statements is the salvation of the Synoptic Gospels, giving them a definite value as sources. The Gospels cannot be pure sagas or legends when material so intractable is enshrined in them." (pp. 9f) NINCK, Johannes: Jesus als Charakter, Leipzig 1925 (1. Aufl. 1906).

„Wir können keinen Satz in der Lehre und keinen Wesenszug in der Erscheinung Jesu nachweisen, den er völlig neu wie vom Himmel her der Welt dargeboten hätte. Und doch ist alles neu und groß gewesen an diesem Mann, und wir dürfen die allerhöchste Originalität für ihn in Anspruch nehmen. Das Überkommene ist unter seinen Händen alles neu geworden. [Lehre und Erscheinung Jesu] ist zum guten Teil dem jüdischen Leben und Lehren scharf entgegensetzt. Was er nicht zitiert, ist wichtiger, als was er zitiert." (p. 277) SCHMIEDEL, Paul Wilhelm: Das vierte Evangelium gegenüber dai drei ersten, Tübingen 1906 (= RV, 1. Reihe, 8. u. 10. Heft).

„Grundsäulen eines wahrhaft wissenschaftlichen Lebens Jesu. Jeder Geschichtsforscher nämlich, auf welchem Gebiete er auch arbeiten mag, befolgt den Grundsatz, in einem Bericht, der von Verehrung für seinen Helden zeugt, in

279 erster Linie das für wahr zu halten, was dieser Verehrung zuwiderläuft, weil es nicht auf Erfindung beruhen kann." (pp. 16f)

1907 HOLTZMANN, Heinrich Julius: Das messianische Bewußtsein Jesu. Ein Beitrag zur Leben-Jesu-Forschung, Tübingen 1907.

„Denn man sollte nicht mehr zweifeln an der Geschichtlichkeit eines Wortes, von dem aus das Geschick Jesu vollkommen befriedigende Erklärung findet." (p. 70) KLAUSNER, Joseph: Jesus von Nazareth. Seine Zeit, sein Leben und seine Lehre, 3. Aufl., Jerusalem 1952 (1. Aufl. 1907).

„Wir sehen zwei Tatsachen vor uns: erstens, daß Jesus als Jude geboren wurde, in Israels Mitte lebte und starb und in jeder Beziehung Jude war; zweitens aber, daß seine Jünger und noch mehr deren Jünger sich von Israel entfernten, oder vielmehr daß die übergroße Mehrheit der Juden die Lehre Jesu nicht annahm Das Christentum wurde in Israels Mitte geboren, aber Israel als Volk hat es mit aller Macht zurückgestoßen. Wo liegt der Grund dafür?" (p. 7)

1909 JÜLICHER, Adolf: Die Religion Jesu und die Anfange des Christentums bis zum Nicaenum, in: Paul Hinneberg (ed.): Die Kultur der Gegenwart. Teil I, Abt. IV, Geschichte der christlichen Religion, 2. Aufl., Berlin-Leipzig 1909, pp. 42-131.

„Meist hebt sich das Fremde von dem Ursprünglichen so deutlich ab, der Diamant von dem geschliffenen Glas, daß das Vertrauen zu diesem Echten, das neben allem glitzernden Schein seine einzigartige Leuchtkraft behauptet, wahrlich kein leichtfertiges ist. in den synoptischen Evangelien ringen die Schriftsteller zu stark mit einem von ihnen oft nicht verstandenen, oft geradezu widerstrebenden Stoff; der wirkliche Jesus, den sie empfangen haben, steht so erhaben über dem, dessen Bild sie dann mit Zutaten aus dem Alten Testament oder babylonischer Mythologie, aus jüdischer Literatur und Volksweisheit oder urchristlicher Theologie und Dichtkunst herrichten, daß der Gedanke, hier lägen bloß verschiedene Schichten einer und derselben Mythen oder Ideen personifizierenden Tätigkeit vor, mehr als geschmacklos ist. Der Eindruck der einzigartigen Persönlichkeit ist doch gewaltiger als der zahlreicher Schwierigkeiten, den uns die Geschichte der Tradition von ihm zurückläßt. Nicht eine Idee, nicht ein Traum, sondern ein Mensch mit geheimnisvoller Größe steht hier wie überall an dem Wendepunkt der Geschichte." (pp. 46f) „Jesu Wurzeln strecken sich tief hinein in jüdischen Boden, er hat sich genährt mit allen Lebensmitteln, die die alttestamentliche Religion ihm bot; aber seine

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Wipfel ragen weit hinaus über das Höchste, was in jenem Walde je gewachsen war, in überjüdische Regionen." (p. 54) „[Jesus] ist ehrlich genug, eine ihm allein eigentümliche Größe, etwas Unvergleichbares, das er fühlt, ganz offen zu bekennen." (p. 58) worin besteht das Neue, das Jesus gebracht hat? Unsre erste Antwort lautet: das Neue war er selber, seine Persönlichkeit." (p. 60) wieder ergibt sich seine Persönlichkeit als das Maß seiner religionsgeschichtlichen Bedeutung. Und wiederum endlich bestätigt sich wunderbar als ihm eigen die jüdische Überwindung des Jüdischen." (p. 68)

1910 WEISS, Johannes: Jesus von Nazareth. Mythos oder Geschichte? Eine Auseinandersetzung mit Kalthoff, Drews, Jensen, Tübingen 1910.

„... ungelöst ist bisher die Aufgabe, ein wirklich wissenschaftliches Prinzip der Unterscheidung zwischen unorganischen Fremdkörpern und wurzelechter Neubildung zu finden " (p. 7) WEINEL, Heinrich: Ist unsere Verkündigung von Jesus unhaltbar geworden?, in: ZThK 20, 1910, pp. 138.89-129.

„Nur solche Züge der Ueberlieferung sind als unecht auszuschalten, die nicht aus einem Interesse Jesu, sondern nur aus einem Interesse der Gemeinde herstammen können. Dieser Grundsatz ist nicht zu dem anderen auszuweiten, daß überall da, wo die Gemeinde ein Interesse hatte - wo aber kein Grund dagegen spricht, daß es Jesus auch gehabt hat -, die Ueberlieferung ganz und gar als unecht anzusprechen sei. Vielmehr muß, da es sich hier immer um eine Ausscheidungs-Operation handelt, erst der Beweis gebracht werden, daß das betreffende Interesse erst später aufgetaucht sein kann." (p. 29) „Das Wesentliche bestimmt sich nach einer ganz anderen Methode als das Echte. Aus dem Echten, das auf die oben genannte Weise festgestellt ist, muß das Wesentliche noch erst ausgeschieden werden, und zwar nach dem Grundsatz: das Wesentliche ist das Originale. Nicht, was Jesus mit seinem Volk und seiner Zeit geteilt hat - das ist natürlich gerade oft das Echte an der Ueberlieferung -, sondern was ihn von seinem Volk und seiner Zeit unterschieden hat, das ist sein, das ist das Wesentliche an ihm und seiner Predigt." (p. 35)

1911 HOLTZMANN, Heinrich Julius: Lehrbuch der neutestamentlichen Theologie, Bd. 1, 2. Aufl., A Jülicher / W. Bauer (eds.), Tübingen 1911.

„Während frühere Gelehrte Analogien zu Jesu Lehren bei den Klassikern gesucht und von hier aus zuweilen auch die Originalität des Christentums bemän-

281 gelt haben, ergibt sich heute eine analoge Fragestellung auch aus fortgesetzter Vergleichung der rabbinischen Literatur. Christi, bzw. judenchristl. Forscher stehen dafür ein, daß Midrasch und Talmud mindestens zu zahlreichen synopt. Herrenworten Parallelen in Fülle darbieten, treten aber zugleich den von jüd. Seite gemachten Versuchen, die letzteren aller selbständigen Bedeutung zu entkleiden, scharf gegenüber. Als nicht minder beschränkt und ungeschichtlich hat sich aber auch die auf christl. Seite bestehende Neigung erwiesen, die jüd. Erbschaft möglichst abzuschwächen oder ganz zu verleugnen, um in den Evglen möglichst nur vom Himmel gefallene Worte anstauenen und verehren zu können. Vielmehr wird nur ein Bewußtsein, welches nachweisbar seine Nahrung und Ausfüllung aus dem fruchtbaren Mutterboden des zeitgenössischen Judentums bezogen hat, den vollen Eindruck geschichtlicher Realität hervorrufen. Ein Genius, der nicht in seiner Zeit wurzelt und heimisch ist, kann auch nicht umgestaltend auf seine Zeit wirken. Wer das Eingehen auf diese Dinge ablehnt, verschließt sich ein wirklich geschichtliches Verständnis nicht bloß des Urchristentums, sondern auch des Christentums überhaupt, sofern der allgemeine und dauernde Ertrag aller bibl.-theol. Studien für Wissenschaft und Leben nur darin bestehen kann, daß man sich der Unabhängigkeit dessen, was Jesus als reines Feuer auf den Altar gebracht hat, das auch seither nicht erloschen ist, sondern unter denkbar größtem Wechsel der es nährenden Stoffe fortgeglüht hat und auf solche Weise zum nachhaltig wirksamen Prinzip eines neuen religiösen Lebens der Völker werden konnte, von den national, örtlich, zeitlich bedingten Momenten der jüd. Theologie, der messianischen Legende und der eschatologischen Perspektive bewußt werde." (pp. 408f) WEINEL, Heinrich: Biblische Theologie des Neuen Testaments. Die Religion Jesu und des Urchristentums, Tübingen 1911 (= GThW 3.2).

,JDer Stoff ist stets auf die Frage hin zu prüfen, ob er Bestandteile enthält, die sich nur aus späteren Tendenzen oder Ueberzeugungen der Christenheit erklären lassen. Solche Teile der Ueberlieferung haben auszuscheiden. Dieser Grundsatz darf nicht in den anderen verkehrt werden, daß alles unecht sei, was sich aus einer Tendenz der Gemeinde erklären läßt. Wenn kein Grund dagegen spricht, daß Jesus auch so gedacht hat, ist die Überlieferung zu halten. Ist so [zusammen mit dem Kriterium der mehrfachen Bezeugung] das Echte festgestellt, soweit das noch möglich ist, so muß aus dem Echten wiederum das Wesentliche erhoben werden: Das Wesentliche ist das Neue, ist das Originale. Nicht das was Jesus mit seinem Volk und seiner Zeit teilt, ist das, was geschichtliche Bedeutung gehabt hat, sondern was er über sie hinaus besaß. Jede geschichtliche Erscheinung wird auf diese Weise charakterisiert und begriffen." (p. 42) 1912 HEITMÜLLER, Wilhelm: Ait. Jesus Christus I., in: RGG 1912, 1. Aufl., cols. 343-362.

282 „Zugrunde zu legen ist das Material, das etwa dem Glauben, der Theologie, der Sitte, dem Kultus der Urgemeinde zuwiderläuft oder wenigsten nicht völlig entspricht. Zu solchen Stücken dürfen wir unbedingtes Zutrauen haben. Das dürfen wir ausdehnen auf alles, was mit solchem Material in organischer Verbindung steht. Nicht selten wird der Fall eintreten, daß etwas sowohl den sicher echten Stücken der Predigt Jesu verwandt ist und zugleich dem Gemeindeglauben entspricht: in solchen Fällen werden wir in Anerkennung des Rechtes der Tradition mit Vorsicht auf Echtheit erkennen. Dagegen ist das Urteil der Unechtheit überall da zu fallen, wo eine Erzählung oder ein Wort allzu deutlich dem Glauben, dem Kultus und den dogmatischen oder apologetischen Bedürfnissen der Gemeinde entspricht oder gar nur aus ihnen zu erklären ist." (col. 361) 1921 BULTMANN, Rudolf: Die Geschichte der synoptischen Tradition, 8. Auflage, Göttingen 1970 (1921, 1. Aufl.) (= FRLANT 29).

Es ist „... unerläßlich, auch bei den Stücken, die es von vornherein nicht nahelegen, die Frage nach der Möglichkeit christlichen Ursprungs zu stellen. Sie wird umsomehr zu verneinen sein, je weniger die Beziehung auf die Person Jesu und auf die Geschicke und Interessen der Gemeinde wahrzunehmen sind, je mehr andrerseits ein charakteristisch individueller Geist sich zeigt." (p. 135) „Wo der Gegensatz zur jüdischen Moral und Frömmigkeit und die spezifisch eschatologische Stimmung, die das Charakteristikum der Verkündigung Jesu bilden, zum Ausdruck kommt, und wo sich andrerseits keine spezifisch christlichen Züge finden, darf man am ehesten urteilen, ein echtes Gleichnis Jesu zu besitzen." (p. 222) 1926 BULTMANN, Rudolf: Ein neuer Zugang zum synoptischen Problem (Übers, v. The New Approach to the Synoptic Problem, in: JR 6, 1926, pp. 337-362), in: Ferdinand Hahn (ed.): Zur Formgeschichte des Evangeliums, Darmstadt 1985 (= WdF 81), pp. 233-255.

„Wenn wir einmal gelernt haben, in der Spruchquelle zu unterscheiden zwischen den Worten, die spezifische Interessen der christlichen Gemeinde verraten oder in Ausdrücken jüdischer Frömmigkeit gehalten sind, und den Worten, die über diese Interessen hinausgehen und große ursprüngliche Gedanken ausdrükken, wird es möglich, die Spruchsammlung kritisch zu verwenden, etwa um aus ihr ein sicheres Bild von der Verkündigung Jesu zu gewinnen." (p. 237)

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1930 GOGUEL, Maurice: The Problem of Jesus, in: HThR 23, 1930, pp. 93-120. „Any statement is probably derived from very ancient tradition, and for practical purposes can be considered authentic, which is inconsistent with the forms in which the most ancient faith of the church is known to us - at least so far as concerns the essential points, such as the resurrection on the third day, the necessity of the redeeming death of Christ and his foreknowledge of his death, and his definite conception and open affirmation of his messiahship. The texts and statements recognized by this process to be authentic become touchstones by which to test other elements of the tradition, centres of crystallization as it were, about which the solid materials contained in the tradition organize themselves." (pp. H2f)

1934 OTTO, Rudolf: Reich Gottes und Menschensohn. Ein religionsgeschichtlicher Versuch, München 1934. Das Wort Lk 12,8 „ist 'echt', denn keine Gemeinde-theologie würde später diese für sie befremdliche Unterscheidung zwischen der Gestalt Jesu selber und dem dereinstigen Richter erfunden haben. Sie ist ferner echt, weil sie dem 'Einheitskriterium' entspricht." (p. 131) „. .. ausgesprochen wiederholen sich in der Gestalt Jesu die alten Züge des isch Elohim, des 'Gottesmannes' und die charakteristischen Züge eines solchen in ihrer Zusammengehörigkeit. Und gerade dieser Umstand, daß es sich bei Christo nicht um ein Beieiander von 'Allerlei' handelt sondern um eine Gruppe von Zügen, die auch sonst im charismatischen Bilde auf typische Weise zusammengehören, ist wichtig. Er bestätigt die Echtheit dieses Bildes, und zugleich kann sein Typus dienen zum Kriterium gegenüber dem durch Legende Angeschobenen oder Übertriebenen." (p. 288)

1937 DIBELIUS, Martin: Jesus, 2. Aufl., Berlin 1947 (1937,1. Aufl.). „Schon Paulus, und erst recht die Kirche nach ihm, hat andere Ausdrucksformen und eine neue Begriffswelt: wenn in der Tradition der Worte Jesu davon nichts oder doch nur wenig zu spüren ist, so bietet das die Gewähr für eine relative Ursprünglichkeit der Überlieferung. Wohl mögen sich gelegentlich andere ähnliche Worte, vor allem aus der Spruchweisheit des Judentums, zu den echten Worten Jesu hinzugefunden haben; aber sie veränderten nichts am wesentlichen Inhalt. Von unechten Worten wird man nur dort reden können, wo deutlich spätere Verhältnisse, Zustände oder Fragen der bereits bestehenden Kirche vorausgesetzt werden." (p. 20)

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1938 BAECK. Leo: Das Evangelium als Urkunde der jüdischen Glaubensgeschichte, Berlin 1938. „Alles das zunächst, was den Erlebnissen, den Hoffnungen und den Wünschen, den Vorstellungen, dem Glaubensbezirk und den Glaubensbildern erst der späteren Generationen gemäß ist, das auch, worin sich die Geburt des Geschehnisses aus dem Bibelsatz oder die Symbolik und das werdende Dogma bekunden, das sodann, was im Hinblick auf die griechisch-römische Welt oder auf die römische Obrigkeit erzählt oder gesprochen ist, was eine gewollte Hinwendung zu ihnen erkennen läßt oder von dem Verlangen zeugt, vor ihnen nicht mit dem jüdischen Volke in eins gesetzt zu werden, das ferner, was sich in der hellenistischen Art, in der Weise hellenistischer Propheten und Wundertäter bewegt, das schließlich, worin sich die Zeit der Katastrophe, die Zeit nach der Eroberung des Tempels bezeugt, das alles erweist sich als spätere Schicht. Es gehört in die Geschichte des Glaubens der Kirche hinein, aber es gehört nicht dem alten Evangelium zu. Umgekehrt das, was ganz anders ist, als Richtung oder Ziel der Geschlechter war, die nach der ersten Jüngergeneration kamen, das, was den Formen, zu denen diese Späteren ihren Glauben weitergebildet haben, widerspricht, das, was von der geistigen, seelischen und politischen Welt, in welche sie nach und nach eintraten, unterschieden ist oder sogar im Gegensatz zu ihr stehen, das also, was vielmehr in Lebensweise und gesellschaftlicher Gestalt, in Stimmung und Denkart, in Sprechcharakter und Stil den Bereich und die Tage aufweist, in denen Jesus gelebt hat, das alles trägt damit die Zeichen des Ursprünglichen, Alten. In ihm treten Worte und Taten Jesu vor uns." (pp. 67f) DODD, Charles Herold: History and the Gospel, London 1938. Dodd schließt aus der Untersuchung sehr verschiedenartiger Überlieferungen: „But all of them in their different ways exhibit Jesus as an historical personality distinguished from other religious personalities of His time by His friendly attitude to the outcasts of society. This convergence of a great variety of strands of tradition is impressive. We may surely say, on strictly critical grounds, that we have here a well-attested historical fact." (p. 94)

1954 KÄSEMANN, Ernst: Das Problem des historischen Jesus, in: ZTbK 51, 1954, pp. 125-153 (auch in: Id.: Exegetische Versuche und Besinnungen, vol. 1, Göttingen 1964, pp. 187-214). „Auf Grund der formgeschichtlichen Arbeit hat sich unsere Fragestellung derart zugespitzt und erweitert, daß wir nicht mehr die etwaige Unechtheit, sondern gerade umgekehrt die Echtheit des Einzelgutes zu prüfen und glaubhaft zu machen haben." (p. 142)

285 Die Hilfe der Formkritik „besteht einzig darin, daß sie als authentisch ausschließt, was nach seinem Sitz im Leben dafür nicht in Betracht kommen kann." (p. 143) „Einigermaßen sicheren Boden haben wir nur in einem einzigen Fall unter den Füßen, wenn nämlich Tradition aus irgendwelchen Gründen weder aus dem Judentum abgeleitet noch der Urchristenheit zugeschrieben werden kann, speziell dann, wenn die Judenchristenheit ihr überkommenes Gut als zu kühn gemildert oder umgebogen hat. Allerdings müssen wir uns dessen bewußt sein, daß man von hier aus keine Klarheit über das erhält, was Jesus mit seiner palästinischen Umwelt und seiner späteren Gemeinde verbunden hat. Immerhin ist es für uns ja fast noch wichtiger, wenn wir zu Gesicht bekommen, was ihn von Gegnern und Freunden trennte." (p. 144)

1955 DAHL, Nils Alstrup. Der historische Jesus als geschichtswissenschaftliches und theologisches Problem, in: KuD 1, 1955, pp. 104-132.

„Alles, was unser Wissen über diese Umwelt Jesu (sc. das palästinensische Judentum) vergrößert, bedeutet eine indirekte Erweiterung unseres Wissens über den historischen Jesus selbst." (p. 118) „Der historische Jesus ist an dem Wegkreuz zu finden, wo Christentum und Judentum sich voneinander zu trennen anfingen, auch wenn es erst allmählich klar wurde, daß die Wege sich in einer solchen Weise trennten, daß das Christentum als eine neue Religion neben dem Judentum in Erscheinung trat." (p. 118) Die Jesusüberlieferung „... ist in ihrer Gesamtheit Gemeindetheologie, zugleich aber auch in ihrer Gesamtheit eine Reflex des Wirkens Jesu, ein Maximum, in dem alles enthalten ist, was für unser historisches Wissen um Jesus von Bedeutung ist." (p. 119) Nach Zitierung von Käsemanns Differenzkriterium: „Nur darf man diese radikale Kritik und ihre Ergebnisse nicht dogmatisieren, sondern muß sie als ein notwendiges heuristisches Mittel neben anderen betrachten. Was in dieser Weise zu finden ist, ist ein kritisch gesichertes Minimum" (p. 126)

1957/58 BEEHL, Peter. Zur Frage nach dem historischen Jesus, in: ThR 24,1957/58, pp. 54-76.

„Nach unserer bisherigen historischen Methode haben wir in den überlieferten Herrenworten nur dann wahrscheinlich authentisches Jesusgut vor uns, wenn sie sich weder aus der urchristlichen Verkündigung noch aus dem Judentum verstehen lassen. Dementsprechend wird gerade zur methodischen Voraussetzung gemacht, daß alles, was auf das nachösterliche Kerygma zielt, für die Verkündi-

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gung Jesu nicht in Frage kommen kann. wie soll dann der Übergang vom Verkündiger zum Verkündigten [historisch] verständlich gemacht werden können?" (p. 56)

1959 CONZELMANN, Hans: Art. Jesus Christus, in: RGG 3,1959, 3. Auflage, cols. 619-653.

„Für die Rekonstruktion der Lehre gilt der methodische Grundsatz: als echt ist anzusehen, was sich weder in das jüdischen Denken einfügt noch in die Anschauungen der späteren Gemeinde. Es handelt sich vor allem um Worte, die ein unwiederholbares Situationsbewußtsein aussprechen. Dieser [sc. der Kernbestand der Gleichnisse] hebt sich durch Stil wie Gedanken klar von allen jüdischen Parallelen ab und spiegelt ein scharf profiliertes Selbstbewußtsein, in welchen Lehren und Handeln (Wunder) als unlösbare Einheit aufgefaßt werden." (col. 623) CONZELMANN, Hans: Zur Methode der Leben-Jesu-Forschung, in: Id. : Theologie als Schriftauslegung. Aufsätze zum Neuen Testament, München 1974 (= BETh 65), pp. 18-29. [= Die Frage nach dem historischen Jesus, in: ZlhK 56,1959, Beiheft 1, pp. 2-13.]

„Um die erforderliche Zuverlässigkeit zu gewinnen, hat die Rekonstruktion dort einzusetzen, wo sie sich nicht im Streit um die 'Echtheit' des Überlieferungsstoffes verliert, also i.w. beim Kernbestand der Gleichnisse Jesu. Diese bieten dann wieder ein Kriterium für die Logien, zumal sich ihnen eine sehr klar umrissene Konzeption zeigt, und zwar ein gedanklicher Entwurf, der unwiederholbar ist, der mit dem Da-Sein der Person Jesu - vor Ostern! - so fest verknüpft ist, daß er gar nicht unverändert in die Situation nach Ostern übertragen werden kann. Das heißt: Es kann sich nicht um eine Bildung der glaubenden Gemeinde handeln. Damit ist eine genügend tragfahige Basis gewonnen." (p. 25)

1960 CULLMANN, Oskar: Unzeitgemäße Bemerkungen zum „historischen Jesus" in der Bultmannschule, in: Id.: Vorträge und Aufsätze 1925-1962, ed. Karlfried Fröhlich, Tübingen-Zürich 1966, pp. 141-158.

„Erster Satz: Alles, was in den Evangelien den zuvor bestimmten Tendenzen der tradierenden Urgemeinde widerspricht, kann auf Jesus zurückgeführt werden. Hier stehen wir in der Tat auf sicherem Boden. Jedoch ist eine wichtige Einschränkung am Platze. Die Tatsache, dass es sich um einen sicheren historischen Kern handelt, beweist nicht, daß wir ihn als sicheres Kriterium benützen dürfen, um von ihm aus auch in anderen, weniger sicheren Fällen zu bestimmen, was Gemeindebildung ist und was nicht. Denn die Basis dieser zufallig uns erhaltenen Stellen . . . ist viel zu eng, als dass dieser gesicherte Kern selbst Krite-

287 rium seiner Präzisierung oder Erweiterung zur Gewinnung eines Gesamtbildes des historischen Jesus sein dürfte. Woher wissen wir denn, dass ein theologisches Anliegen der Urgemeinde nicht in der gleichen Form schon ein Grundmotiv des Denkens Jesu selbst gewesen sein kann? Auch dort, wo ein Bericht oder Ausspruch vorliegt, der eine Gemeindetendenz widerspiegelt und gleichzeitig mit dem zeitgeschichtlichen Rahmen des historischen Jesus sich nicht vereinen lässt, ist der Schluss auf Gemeindebildung im Sinne der Verneinung der Historizität oder Umbildung geboten. Endlich ist dort, wo in einer Gemeindetendenz offenkundig ein allgemeingültiges Gesetz der Legendenentstehung sichtbar wird, die Historizität - allerdings mit Vorsicht - in Frage zu stellen." (pp. 154f) HAHN, Ferdinand: Die Frage nach dem historischen Jesus und die Eigenart der uns zur Verfügung stehenden Quellen (Vortrag 1960), in: Ferdinand Hahn, Wenzel Lohff, Günther Bornkamm: Die Frage nach dem historischen Jesus, Göttingen 1962 (= EvFo 2), pp. 7-40.

„... ein Grundbestand wird zunächst einmal so gewonnen, daß alles, was weder aus dem Spätjudentum noch aus der Urgemeinde erklärt werden kann, fiir die Geschichte Jesu in Anspruch genommen wird. Das Wirken Jesu von Nazareth und der Inhalt seiner Botschaft sind aus der Tradition des damaligen Judentums nicht zu erklären, denn die Grenzen des jüdischen Denkens und Glaubens sind in ganz entscheidender Hinsicht gesprengt. Verkündigung und Handeln stimmen nun aber auch nicht ohne weiteres mit dem überein, was die nachösterliche Gemeinde über seine Geschichte bezeugt." (p. 38) MARXSEN, Willi: Anfangsprobleme der Christologie, 6. Aufl., Gütersloh 1969 (1. Aufl. 1960).

Zu Conzelmanns methodischem Grundsatz: „In diesen Bereich gehört doch aber alles das mit hinein, was (möglicherweise) in der frühesten Urgemeinde entstand oder formuliert wurde, vielleicht auf Grund der Ostererfahrung und in Verbindung mit der Naherwartung der Parusie. Das stand einerseits im Gegensatz zur jüdischen Auffassung, konnte andererseits aber auch in der späteren Gemeinde nicht mehr oder nicht mehr so gesagt werden. So haben wir bei diesem Grundsatz keineswegs ein sicheres Kriterium. Es liefert aber auch nur bedingt ein negatives; denn kann man wirklich ein Wort Jesus absprechen, weil es sich in jüdisches Denken einfügt?" (p. 15) ZAHRNT, Heinz: Es begann mit Jesus von Nazareth, Stuttgart 1960.

wir besitzen keinerlei formale Kriterien, um mit Sicherheit zu entscheiden, was aus dem nachösterlichen Glauben der Gemeinde stammt und was auf Jesus selbst zurückgeht. Nur radikale Kritik führt hier zum Ziel. nicht mehr die Unechtheit, sondern, was weit schwieriger ist, die Echtheit ist zu erweisen. ... Im ganzen wird man mit einem sicheren Boden nur dort rechnen

288 können, wo eine Tradition weder aus der jüdischen Umwelt noch aus dem Gedankengut der Urchristenheit abgeleitet werden kann. Auf diese Weise erhalten wir ein kritisch gesichertes Minimum. Und dies Minimum wiederum kann uns als Maßstab dienen, um daran die übrige Überlieferung zu prüfen. die Grenze zwischen Echtem und Unechtem [läßt sich nicht] mit letzter Sicherheit ziehen." (pp. 118-119)

1961 LOHSE, Eduard: Die Frage nach dem historischen Jesus in der gegenwärtigen neutestamentlichen Forschung (Referat 1961 in Nürnberg), in: ThLZ 87,1962, cols. 161-174.

Authentische Jesusworte sind solche, „die weder aus der urchristlichen Verkündigung noch aus den Voraussetzungen des damaligen Judentums herzuleiten sind. Es ist nicht rundweg zu bestreiten, daß der historische Jesus sich auch eines jüdischen Sprichwortes oder einer allgemeinen Redewendung bedient haben mag, oder daß er auch einen Satz gesprochen haben könnte, den wir als spezifisch christlichen bezeichnen würden. Aber in solchen Sätzen würden wir auch dann, wenn sie von Jesus gesagt sein könnten, nicht gerade der ihm eigenen Verkündigung begegnen, nach der wir suchen." (col. 168)

1962 CARLSTON, Charles Edwin: A Positive Criterion of Authenticity, in: BR 7, 1962, pp. 33-44.

„As applied to the parables (and hence other sayings) the proposed criterion of 'authenticity' would be twofold: 1. An 'authentic' parable will fit reasonably well into the eschatologically based demand for repentance that was characteristic of Jesus' message, and 2. An authentic parable will reflect or fit into the conditions (social, political, ecclesiastical, linguistic, etc.) prevailing during the earthly ministry of Jesus, rather than (or, in some cases, as well as) conditions which obtained in the postresurrection church." (p. 34) „the relative conclusions [i.e. no „absolute historical certainties"] reached show the limitations of this method of historical study. Rather, the attempt has been made to state the criterion positively, because it seems to the writer that this will bring the relative nature of any results obtained clearly to the forefront at the very outset and thus avoid the temptation of using historical methods to prove, rather than to illustrate." (p. 44)

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1963 BAREAU, André: Recherches sur la Biographie du Buddha dans les Sutrapitaka et les Vinayapitaka anciens: De la Quête de l'Éveil à la Conversion de 'Sariputra et de Maudgalyana, Paris 1963 (= Publications de l'École Française D'Extrême-Orient 53).

on voit trop bien les bonnes raisons qu'auraient eu les moines des temps plus récents pour inventer cette histoire et c'est pourquoi l'on doit être prudent sur ce point." (p. 382) KÜMMEL, Werner Georg: Der persönliche Anspruch Jesu und der Christusglaube der Urgemeinde (1963), in: Id.: Heilsgeschehen und Geschichte. Ges. Aufs. 1933-1964, Marburg 1965, pp. 429-438.

es [ist] m.E. durchaus möglich ..., zwischen historisch zuverlässigen alten und fortgebildeten Texten und Vorstellungen mit ziemlicher Sicherheit zu scheiden. Als Kriterium kann man bei solcher Scheidung einerseits die Beobachtung der Tendenzen verwenden, die für die urchristliche Glaubensentwicklung charakteristisch sind und darum verändernd auf die Jesusüberlieferung eingewirkt haben müssen, andererseits wird man die Richtigkeit der so erzielten Resultate daran prüfen können, ob sich aus der Kombination der als alt erkannten Überlieferungen ein einheitliches und in sich verständliches Bild der Gestalt und Verkündigung Jesu gewinnen läßt." (p. 432) TURNER, H.E.W Historicity and the Gospels. A Sketch of Historical Method and its Application to the Gospels, London 1963.

„Where the teaching of Jesus diverges from contemporary Judaism or from that of the Primitive Church or preferably from both, we can be reasonably certain that we are on firm ground. We must not set the limits of contemporary Judaism too narrowly." (p. 73) „ The difficulty of establishing a single (much more a double) negative considerably restricts the application of the criterion in this particular form. A modified form of this principle may, however, prove of greater importance. Where there is an overlap of interest between the Gospels and early Church, but a marked difference in the scale of treatment, we can be reasonably sure that we are on firm historical ground." (p. 74) „This suggested criterion is simply an application of the method of comparison which is a primary tool of all historical enquiry." (p. 75)

1964 McARTHUR, Harvey K.. Basic Issues. A Survey of Recent Gospel Research, in: Interp 18, 1964, pp. 39-55.

M. unterscheidet das Kriterium „that the tendencies of the developing tradition should be discounted" (p. 48) von „the criterion which suggests the elimination

290 of all material which may be derived either from Judaism or from primitive Christianity." (p. 50) Bezogen auf das zweite sagt er: „This is the most difficult of all the criteria to apply since it may easily be construed so as to leave no space between the Scylla of Judaism and the Charybdis of primitive Christianity. It is a radical criterion, since much of the teaching of Jesus must have been more or less standard Judaism, and the elimination of this from the portrait leaves only a fraction of his original teaching - though perhaps the most distinctive fraction. Finally, it is an ambiguous criterion since scholars differ as to whether a particular item is more 'natural' against the background of primitive Christianity or against the background of the ministry of Jesus. Nevertheless, this criterion has received widespread support, and some of its applications are relatively clear-cut." (p. 50) 1965 FULLER, Reginald H.. The Foundations of New Testament Christology, London 1965.

„As regards the sayings of Jesus, traditio-historical criticism eliminates from the authentic sayings of Jesus those which are paralleled in the Jewish tradition on the one hand (apocalyptic and Rabbinic) and those which reflect the faith, practice and situations of the post-Easter church as we know them from outside the Gospels." (p. 18) TEEPLE, Howard M.. The Origin of the Son of Man Christology, in: JBL 84, 1965, pp. 213-250.

„If a saying reflects a situation or point of view which was characteristic of the early church and was not, as far as we know, characteristic of Jesus, the saying probably is not authentic." Kohärenz mit palästinischer Umwelt: „If a saying reflects gentile or hellenistic attitudes, customs, and situations, rather than those which historical knowledge indicates would be characteristic of a Palestinian Jew in the first century A.D., it is probable that the logion is unauthentic." (p. 219) 1966 TRILLING, Wolfgang: Fragen zur Geschichtlichkeit Jesu, Düsseldorf 1966.

Er nennt als die drei entscheidenden inneren Kriterien der Glaubwürdigkeit: „Jesus erscheint als eine Person von kraftvoller Eigenart. Seine Worte haben einen persönlichen Klang und eine unverwechselbare Farbe. Vieles einzelne davon findet sich auch bei anderen großen Rednern, bei den klassischen Propheten Israels und bei religiösen Erweckergestalten Aber alles zusammen ergibt doch einen charakteristischen 'Stil', der so nirgendwo zu finden ist. Vor allem aber bricht an vielen Stellen ein eigenartig hoheitsvolles 'Bewußtsein' hervor, das zu seinem 'Stil' in einem sehr anspruchsvollen Sinn gehört und ohne Paral-

291 lele ist. Durchgehende Linien in seinem Verhalten sind festzustellen Dieses Gesamtbild ist ebenfalls unerfindbar und muß im ganzen geschichtlich zuverlässig sein." (pp. 45f)

1967 BURCHARD, Christoph: Axt. Jesus, in: KP 2, 1967, cols. 1342-1354. „Quelle für den hist. J. wird sie [sc. die Jesustradition] erst durch Scheidung von Ursprünglichem und Zugewachsenem und (nicht mehr subtraktiv zu leistende) Reduktion des Ursprünglichen, das auch schon vom Glauben ausgesucht und durchdrungen ist, auf das Echte bzw. das Geschehene." (col. 1345) „Formalkriterien gibt es einige für J.-worte ..., trotzdem ist meist nur Sach-, nicht Formalauthentizität beweisbar. Materialkriterium ist, daß echt bzw. geschehen nur sein kann, was nicht Glaubenspostulat ist. Das ist zu ermitteln im Vergleich mit Judentum und Urchristentum. Dazu ist freilich der Anteil J. am Urchristentum zu bestimmen ..., damit nicht ein minimalistisches bloßes Differentialbild entsteht. Es besteht also ein Zirkel zwischen der J.-forschung und der Erforschung des Urchristentums " (col. 1346) MOULE, Charles Francis Digby: The Phenomenon of the New Testament. An Inquiry into the Implications of Certain Features of the New Testament, London 1967 (= SBT, Sec. Series, 1). J t would appear that there are certain features in the story of Jesus, the retention of which can scarcely be explained except by their genuineness and durable quality, since everything else was hostile to their survival. This is the principle seized on by Ρ W Schmiedel Modern scholarship has accepted the principle, although without concentrating on Schmiedel's particular instances." (p. 62) PERRIN, Norman: Rediscovering the Teaching of Jesus, New York 1967. the nature of the synoptic tradition is such that the burden of proof will be upon the claim to authenticity Therefore, if we are to ascribe a saying to Jesus, and accept the burden of proof laid upon us, we must be able to show that the saying comes neither from the Church nor from ancient Judaism." (p. 39) Hierauf formuliert Perrin das criterion of dissimilarity' the earliest form of a saying we can reach may be regarded as authentic if it can be shown to be dissimiliar to characteristic emphases both of ancient Judaism and of the early Church, and this will particularly be the case where Christian tradition oriented towards Judaism can be shown to have modified the saying away from its original emphasis." (p. 39) the criterion of dissimilarity must be regarded as the basis for all contemporary attempts to reconstruct the teaching of Jesus." (p. 43)

292 Diesem Differenzkriterium fügt Perrin noch das 'criterion of coherence' and das 'criterion of multiple attestation' bei (pp. 43-46).

1968 NIEDERWIMMER, Kurt: Jesus, Göttingen 1968.

Ν. spricht von den für Jesus spezifischen „analogielosen Elemente[n]" und verweist auf Käsemanns Formulierung des Differenzkriteriums. „Dabei leugnet ja niemand, daß Jesus weithin die religiösen Überzeugungen seiner Umwelt teilte. Er war ein Jude Alles das ist für das Verständnis seines Werkes peripher. Den besten Zugang zum geschichtlichen Jesus wird man vielmehr dadurch gewinnen, daß man jene Elemente seiner Verkündigung und seines Verhaltens aufsucht, um deretwillen es zum Konflikt mit religiösen Autoritäten seiner Zeit kam. Was die Kirche mit dem zeitgenössischen Judentum verbindet, ist für Jesus nicht spezifisch. Was die Kirche vom Judentum trennte, das ist das 'Wesen' der Verkündigung und des Verhaltens Jesu. Das ist schließlich auch geschichtlich wirksam geworden, es hat zur Verwerfung Jesu und zum Exodus der christlichen Gruppen aus dem Judentum geführt, so daß sogar die Frage, ob Jesus wirklich ein bestimmtes überliefertes Wort gesagt, eine bestimmte überlieferte Tat gesetzt hat, relativ gleichgültig wird: wenn es nur erklärt, was das Spezifische seines Wirkens im ganzen war, dann ist das Optimum dessen erreicht, was mit dieser Methode heute erreichbar ist." (pp. 25f)

1969 BRAUN, Herbert: Jesus. Der Mann aus Nazareth und seine Zeit. Um zwölf Kapitel erw. Ausgabe, Gütersloh 1988, 1. Aufl (Stuttgart-Berlin 1969).

„Es gilt zu beobachten: teilt solch ein Jesuswort den Inhalt mit dem umgebenden Judentum, das heißt, ist es untypisch für Jesus, oder hebt sein Inhalt sich von dem umgebenden Judentum ab, ist es typisch für Jesus?" B. nennt folgende Möglichkeiten: „Der Inhalt eines Wortes liegt auf jüdischem Niveau; dann ist es nicht ausschließlich für Jesus typisch. Dennoch kann es sehr wohl echt sein, die andere Möglichkeit ein Jesuswort hat einen Inhalt, der, trotz jüdischer Formulierung, jüdisch oder jüdisch-qumranisch nicht ableitbar ist, sondern jüdischem Denken widerspricht, zum Beispiel das Gebot der Feindesliebe (Matth. 5,44). Hier ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Annahme gerechtfertigt, daß wir in solch einem Spruch der Tradition ein Wort aus dem Mund Jesu, ein echtes Jesuswort vor uns haben." (pp. 29f) KÜMMEL, Werner Georg: Die Theologie des Neuen Testaments nach seinen Hauptzeugen Jesus - Paulus - Johannes, Göttingen 1969 (= GNT 3).

293 „Die entscheidende Kontrolle über die Richtigkeit einer Ausscheidung [ausgesprochen jüdischer oder urchristlicher Vorstellungen] kann freilich nur der Nachweis sein, daß sich aus der Zusammenordnung der so gewonnenen Überlieferungsstücke ein geschichtlich verständliches einheitliches Bild Jesu und seiner Verkündigung ergibt, das auch die weitere Entwicklung des Urchristentums verständlich macht." (p. 24) 1970 KEE, Howard Clark: Jesus In History. An Approach to the Study of the Gospels, New York-Chicago-San Francisco-Atlanta 1970.

,»Another formula of authenticity proposes a via negativa: Whatever in the tradition can be explained as originating in the early church or as taken over by the tradition from Judaism may not be regarded as authentic. [Verweis auf Käsemann] This criterion is weak, because it presupposes a more complete discontinuity between Jesus and Judaism on the one hand and between Jesus and the early church on the other hand than may actually have been the case. Since the tradition portrays Jesus as a critic speaking to Judaism from within, it would be surprising if his teaching did not take over from Judaism a great deal relatively unchanged. Similarly, although it must be acknowledged that the impact of the cross and the rise of the resurrection faith transformed Jesus' followers' understanding of him, it is not necessary to assume that the early church simultaneously transformed all facets of the message attributed to him or its recollection of events in his public activity. One would expect, on the contrary, considerable carry-over from the message and ministry of Jesus to that of the early church. The changes that occurred were generally modifications, not always innovations." (pp. 264f) KOCH, Klaus: Ratlos vor der Apokalyptik. Eine Streitschrift über ein vernachlässigtes Gebiet der Bibelwissenschaft und die schädlichen Auswirkungen auf Theologie und Philosphie, Gütersloh 1970.

alles, was apokalyptisch klingt in den Evangelien, [wird] von vornherein als unjesuanisch ausgeschieden Möglich wird das durch eine für die synoptische Forschung als Richtscnur aufgestellte Reduktionsmethode. Danach ist jesuanisch im Spruchgut der Evangelien nur das, was weder mit jüdischen Gedanken übereinstimmt noch auch mit der Lehre der Urchristenheit. Nur was zur unmittelbar vorhergehenden und unmittelbar nachfolgenden Epoche in erkennbarem Widerspruch steht, darf als echt angenommen werden." (p. 65) „ E i n e solche Reduktionsmethode erweckt den Anschein äußerster historischer Gewissenhaftigkeit. Ist es nicht rühmenswert, lieber mit einem zuverlässigen Minimum zu arbeiten als mit einem vielschichtigen Maximum? Die Faszination des Prinzips für Studenten und jüngere Wissenschaftler ist begreiflich. Doch die Ergebnisse machen stutzig. Heraus springt in der Regel ein Bild Jesu, das einem

294 deutschen kerygmatischen Theologen des 20. Jahrhunderts zum Verwechseln ähnlich wird. Von da aus entstehen Bedenken, ob es wirklich historisch ist, als Maßstab für die Auffindung einer Person der Weltgeschichte und ihrer Wirkung die schlechthinnige Diskontinuität nach vorwärts und rückwärts zu statuieren * Es ist nicht unwichtig, auf diese Methodenfrage zu verweisen; denn hier zeigt sich im Grunde jenes Mittel, durch das die neutestamentliche Wissenschaft jahrelang die Apokalyptik von der Person Jesu ferngehalten hat, um die Tendenz zur Entmythologisierung um so inniger mit ihm zu verknüpfen." *Fußnote: „Man überlege einmal hypothetisch, was von einem Luther übrigbliebe, wenn man ihm alle Motive abspräche, die auch mittelalterlich oder altprotestantisch zu belegen sind! Wenn im Fall Jesus bislang mehr übrigbleibt, könnte das an der Lückenhaftigkeit verfügbarer Vergleichstexte liegen. Es ist nicht ganz einzusehen, warum die Vertreter der Reduktionsmethode so hartnäckig den Gedanken der Königsherrschaft Gottes für Jesus festhalten, als wären die entsprechenden synoptischen Aussagen mit ihrer Modifikation dieser Idee von den Apokalypsen weiter entfernt als in den entsprechenden Aussagen über den Menschensohn. Vielleicht läßt sich ein zuverlässiges Kriterium für jesuanischen Ursprung aufgrund von Sprach- und Gattungsbeobachtung finden, also formgeschichtlich; die Reduktionsmethode hat jedoch in ihrer üblichen Handhabung mit Formgeschichte nichts gemein." (pp. 65f) PERRIN, Norman: What Is Redaction Criticism?, London 1970.

„material may be ascribed to Jesus only if it can be shown to be distinctive in Judaism or the church after him." (p. 71) 1970/71 HOOKER, MornaD.. Christology and Methodology, in: NTS 17, 1970/71, pp. 480-487.

most important, perhaps, is the demand that a saying must be given a reasonable 'pedigree', whether it is attributed to Jesus or the Church." (p. 486) 1971 JEREMIAS, Joachim: Neutestamentliche Theologie. 1. Teil. Die Verkündigung Jesu, Gütersloh 1971.

„Doch hat es (sc. das Kriterium der Unähnlichkeit) eine Schwäche: es arbeitet beim Vergleich der Worte Jesu mit der religiösen Gedankenwelt des palästinischen Judentums und der Kirche einseitig mit dem Prinzip der Originalität und erfaßt infolgedessen die als altertümlich anzusprechenden Jesusworte nur zum Teil. Alle Fälle, in denen Jesus an vorgegebenes Material anknüpft, etwa an Gedanken der Apokalyptik oder an spätjüdische Sprichwörter oder angängigen Sprachgebrauch seiner Umwelt, schlüpfen durch die Maschen, aber auch dieje-

295 nigen Fälle, in denen die Urgemeinde Jesu Worte unverändert weitergab, wie z.B. die Gottesrede (sie!, muß heißen: Gottesanrede) 'Abba. Man muß geradezu sagen, daß die Art und Weise, wie heute vielfach das 'Unähnlichkeitskriterium' als Schibboleth benutzt wird, eine schwerwiegende Fehlerquelle enthält und den historischen Tatbestand verkürzt und entstellt, weil sie die Zusammenhänge zwischen Jesus und dem Judentum nicht in den Griff bekommt." (p. 14)

1972 BARBOUR, Robin S.. Traditio-Historical Criticism of the Gospels. Some Comments on Current Methods, London 1972 (SSC 4).

„The use of the criterion of dissimilarity seems likely to give us a Jesus who presents a very distinctive figure, but not in the way in which the early Christian community regarded him as distinctive; who makes great claims, but not in terms of the titles which form the framework of early Christology. It is therefore likely to make the problem of continuity between the Jesus of history and the Christ of faith, about which the new questers of the historical Jesus are naturally so concerned, extremely difficult to solve except by means of a tertium comparationis like the concept of Existenzverständnis " (p. 15). „The use of the criterion of dissimilarity as a basic tool is not just a heuristic method, as seems to be supposed, but is in itself the adoption of an hypothesis about the historical Jesus and his relation to the early tradition " (p. 19) „The criterion of dissimilarity might become a tool, not indeed for exhuming some of those figures, but for burying the humanity, and especially the Jewishness, of Jesus." (p. 20) „The so-called 'criterion of dissimilarity' by which genuine material relating to Jesus is isolated can only be regarded as one among a number of heuristic criteria. It may produce a critically assured minimum, but it cannot be said to produce an adequate historical core" (pp. 25f) „... the criterion of dissimilarity is being used in an attempt to establish those features of Jesus' words and deed which are so distinctive that they could not have come from the reflection and proclamation of the earliest witnesses in their (of course legitimate) glorification of their Risen Lord. But in this theologicophilosophical context the traditio-historical techniques are in danger of becoming something much more than techniques; they are becoming metaphysical weapons." (p. 33) McELENEY, Neil J.. Authenticating Criteria and Mark 7:1-23, in: CBQ 34, 1972, pp. 431-460.

Das „criterion of discontinuity" stellt „distinctiveness or discontinuity" fest. „But this is no more than saying what any historian says of a period, that anachronisms must be ruled out or what the sources assign to a given person or movement belongs there. This is a positive use of dissimilarity without a simultaneous methodological pronouncement on the authenticity or non-authenticity of

296 other passages. Only with such limited usage can the criterion be successfully employed and its use reconciled with the use of the criterion of coherence. Understood in this manner, however, it does no more than state what is fairly obvious historically." (p. 442) GAGER, John G.. The Gospels and Jesus: Some Doubts about Method, in: JR 54, 1974, pp. 244-272. „Two points in Perrin's formulation of the criterion [of dissimilarity] deserve mention. The statement that a saying will be authentic if it differs from characteristic emphases both of ancient Judaism and the early church seems unnecessarily complicated. To be sure, the early church was 'indebted at very many points to ancient Judaism.' [Perrin] But the only channel for this influence was Christianity itself, and it would be incongruous to assume that Christians borrowed concepts from Judaism which differed from their own views. In other words, a saying which is not consonant with the early church may be regarded as authentic, whether or not it is consonant with first-century Judaism. Thus the wording can be simplified to read 'dissimilar to characteristic emphases of the early Church.' A second problem is Perrin's further claim that 'if we are to seek that which is most characteristic of Jesus, it will be found not in things which he shares with his contemporaries, but in the things wherein he differs from them.' [Perrin] This is obviously a questionable assertion, based as it is on an implicit and unexamined model of human personality. The criterion of dissimilarity cannot guarantee that its results will reflect the kernel of Jesus' teaching. It can only promise to yield 'authentic' results." (p. 257) LATOURELLE, René, S.I. Critères d'authenticité historique des Évangiles, in: Gr. 55, 1974, pp. 609-638. „Avant même d'envisager les récits particuliers, on peut dire que les Évangiles, dans leur ensemble, se présentent comme un cas de discontinuité, en ce sens qu'ils constituent quelque chose d'unique et d'original par rapport à toute autre littérature. Le genre littéraire 'Évangile' est en discontinuité avec la littérature judaïque ancienne comme aussi avec la littérature chrétienne ultérieure. Leur [se. les Évangiles] contenu, c'est la personne du Christ: une personne qui ne se classifle ni suivant les catégories de l'histoire profane universelle, ni suivant celle de l'histoire des religions. Jésus se découvre à l'historien comme un être absolument unique." (p. 622) il serait illégitime, sur la base de cet unique critère, d'éliminer tout ce qui est conforme à la tradition judaïque ou à la tradition ecclésiale." (p. 625) „II existe, en effet, dans le langage, comme dans l'agir de Jésus, des traits caractéristiques, qui constituent ce qu'on peut appeler le style de Jésus: style unique et inimitable." (p. 630)

297 LENTZEN-DEIS, Fritzleo: Kriterien für die historische Beurteilung der Jesusüberlieferung in den Evangelien, in: Karl Kertelge (ed.): Rückfrage nach Jesus. Zur Methodik und Bedeutung der Frage nach dem historischen Jesus, Freiburg-Basel-Wien 1974 (= QD 63), pp. 78-117.

„Mit größerer Wahrscheinlichkeit sind solche Züge der Jesusüberlieferung ursprünglich, die Jesus von der Urgemeinde wie von der jüdischen Umwelt abheben." (p. 97) „Das Kriterium hat den Nachteil, wenn überhaupt, dann nur sehr minimale Einzelzüge erheben zu können. Neuere Forschung zeigt die Bezogenheit des palästinischen Judentums auf das hellenistische und erst recht die Beziehungen des Judenchristentums zur hellenistischen Umgebung. Trotzdem können mit diesem Grundsatz Kristallisationspunkte des 'Jesuanischen' in Jesu Botschaft und Leben erarbeitet werden." (p. 99) MUSSNER, Franz, et al.. Methodologie der Frage nach dem historischen Jesus, in: Karl Kertelge (ed.): Rückfrage nach Jesus. Zur Methodik und Bedeutung der Frage nach dem historischen Jesus, Freiburg-Basel-Wien 1974 (= QD 63), pp. 118-147

„Die Beachtung der Differenzen, um die es im Aussonderungsprinzip geht, vermag zunächst das Sonderprofil Jesu gewiß in aller Deutlichkeit herauszustellen. Doch ist zu beachten, daß ein Mensch sein Profil nicht bloß durch Abhebung von der ihn umgebenden Welt, sondern auch durch Identifizierung gewinnt. Damit ist auch ein Kontinuum sowohl nach rückwärts (Tradition) wie auch nach vorne (Wirkungsgeschichte) gegeben. Mit dem Aussonderungsprinzip ist also nicht der ganze Jesus erreichbar. Die Anwendung des Aussonderungskriteriums kann leicht zu einer unbemerkten Verquickung von historischer Kritik und dogmatischen (Vor-)Urteilen fuhren." (p. 132) 1975 GOPPELT, Leonhard: Theologie des Neuen Testaments, Jürgen Roloff (ed.), 3. Aufl., Göttingen 1981 (das folgende Zitat unverändert schon in der 1. Aufl. 1975).

Goppelt fordert eine traditionskritische Analyse, die in einem ersten Schritt sekundäres Material abhebt, dabei verwendet er u.a. das DKC („Abhängigkeit von der Gemeindesituation" als Merkmal). „Wir versuchen dann auf der anderen Seite von einem Minimum an Echtheit aus durch verstehende Deutung ein Gesamtbild aufzubauen. Das Minimum an Echtheit ergibt sich nach dem Kriterium, über das Konsens besteht, nämlich der religionsgeschichtlichen Besonderheit gegenüber der Umwelt wie gegenüber der frühchristlichen Gemeinde."* Diesem Kriterium stellt Goppelt zur Unterstützung das Kriterium der mehrfachen Überlieferung zur Seite und schließt dann das Kohärenzkriterium an (weitere Überlieferungen erweisen sich „durch Kontinuität in der Sache ebenfalls als ursprünglich").

298 * Hierzu eine Fußnote Goppelts: „Die Besonderheit ist kein Erweis einer religiösen Einzigartigkeit! Die Abgrenzung von Überlieferungen nach diesem Kriterium ist immer relativ; denn sie ist von unserer Kenntnis der Umwelt abhängig. Es wird daher darauf ankommen, die Besonderheit nicht nur statistisch, sondern der Art nach zu bestimmen. Auch dann ist die Abgrenzung nicht exklusiv; es können auch Jesusüberlieferungen, die sich mit der Umwelt berühren, authentisch sein!" (p. 64) LANGE, Dietz: Historischer Jesus oder mythischer Christus. Untersuchungen zu dem Gegensatz zwischen Friedrich Schleiermacher und David Friedrich Strauß, Gütersloh 1975.

Unter Hinweis auf Käsemann: „Die Frage muß also lauten: In welcher Weise hat Jesus jüdische Tradition zu etwas ganz Neuem, ja Entgegengesetztem umgewandelt, so wie es die Urgemeinde weder gewagt noch vermocht hätte? Dabei muß die üblich gewordene Hierarchie der Kriterien umgekehrt werden: Die inhaltlichen Kriterien sind den formalen vorzuordnen; daß Jesus das Neue seiner Verkündigung in volkstümlich gebräuchlichen Formen zum Ausdruck gebracht hat, ist nicht nur nicht auszuschließen, sondern im Gegenteil als sicher vorauszusetzen; er war ja kein literarischer Mensch, und seine Originalität lag nicht auf formalem, sondern auf inhaltlichem Gebiet." (pp. 309f) LÜHRMANN, Dieter: Die Frage nach Kriterien für ursprüngliche Jesusworte. Eine Problemskizze, in: Jacques Dupont (ed.): Jésus aux origines de la christologie, 2. Aufl., Leuven 1989 (1975 1. Aufl.) (= BEThL 40), pp. 59-72.

„Der Wert des Differenzkriteriums liegt darin, dass sich mit seiner Hilfe das Charakteristische an Jesus im Widerspruch zu seiner Zeit zeigen läßt, auch wenn man, da es sich ja ausgesprochenermaßen um ein M'w/'ma/kriterium handelt, bewusst verzichtet auf manches, was nicht zum Ausdruck kommt. das Differenzkriterium [kann] den Unterschied zwischen dem Bekenntnis der Gemeinde zu Jesus und Jesus selbst aufzeigen, auch wenn sich hier manchmal das Bild von Epigonen einschleicht, die nach dem geistigen Höhenflug des Meisters in gewohnte Bahnen zurückkehren." (p. 65) SCHILLEBEECKX, Edward: Jesus. Die Geschichte von einem Lebenden, Freiburg-Basel-Wien 1975. „Formkritisches Kriterium: Das Prinzip der doppelten Unreduzierbarkeit Diese in formgeschichtlichen Kreisen fast allgemein angewandte Methode des Losschälens des Jesus-Eigenen, sowohl gegenüber seinen jüdischen Zeitgenossen als auch gegenüber den späteren Kirchengemeinden " (p. 79) „Damit ist keineswegs gemeint, daß, wenn man von diesem Prinzip ausgeht, geleugnet werden soll, daß Jesus viel alttestamentliches und judaisches Gut übernommen hat und auch in Kontinuität mit dem nachösterlichen christlichen Denken steht; nur daß man in diesen Fällen der Kontinuität aufgrund dieses Kriteriums keine historisch-kritische Sicherheit darüber hat, ob es auf Jesus

299 selbst oder vielmehr auf die jüdisch-christliche Kirche zurückgeht. Mit anderen Worten, es darf nicht als ein negatives Kriterium gehandhabt werden. Positiv gebraucht, hat es einen bestimmten, wenn auch begrenzten Wert. Dieses Kriterium der analogielosen Elemente der Boschaft (sie) und Praxis Jesu sowohl gegenüber dem Judentum seiner Zeit als auch gegenüber der jungen Kirche " (p. 80) „Auch die ältesten Gemeinden können aus ihrem Christentum eigene unreduzierbare Elemente besitzen, die sowohl dem Judaismus als auch späteren Phasen der frühchristlichen Gemeinden gegenüberstehen." (p. 81) SCHÜRMANN, Heinz: Jesu ureigener Tod. Exegetische Besinnungen und Ausblick, Freiburg-Basel-Wien 1975. „Der durch das kritische Aussonderungsprinzip [i.e. das Differenzkriterium wie bei Käsemann definiert] 'gesicherte Kern' an Herrenworten kann methodenimmanent nur ein entstelltes Jesusbild liefern, einen 'ganz anderen' Jesus, der - in psychiatrisch bedenklicher Weise - kontaktlos in seiner jüdischen Umwelt steht und - historisch gänzlich unglaubwürdig - keinerlei Wirkgeschichte ausgelöst hätte. Es ist aber doch ganz unwahrscheinlich, daß die nachösterliche Gemeinde nicht in entscheidender Weise vom Verhalten und vom Wort Jesu geprägt sein soll. Eine konsequente Handhabung dieses Prinzips schließt im voraus ein mögliches ¡Continuum, das wir ja doch erfragen möchten, aus. Es bedarf also dringend einer ergänzenden Untersuchung der 'Rückstände' jenes Aussonderungsprinzips, aus dem sich mit Hilfe von positiven Kriterien noch geschichtliche zuverlässiges Material gewinnen läßt." (p. 23) „Die mit dem Aussonderungsprinzip arbeitende Forschung darf sich weiter nicht im voraus einengen lassen auf die überlieferten Worte Jesu Das Verhalten Jesu, im Zusammensein mit seinem Geschick, ist entscheidend wichtig, wenn man in unserer Frage zu Ergebnissen kommen will." (pp. 25f) „Wichtig ist die Absage an den verbreiteten Methoden-Monismus, positiv: der Konvergenzbeweis, der Aufweis, daß sich die verschiedenen Beobachtungen und Erkenntnisse - seien sie hypothetischer oder moralisch sicherer Art - zu einem verstehbaren Gesamtbild zusammenfügen. Letztlich ist eine geschichtliche Persönlichkeit - und von Jesus gilt das in erhöhtem Maße - nur mit einem Pluralismus von methodischen Zugängen in der 'Begegnung' zu erkennen. Dabei ist das Verstehen einer Person in ihrer unverwechselbaren Eigenart immer mehr als die Summe aller kritisch gesicherten Aussagen über das Geschick, Verhalten und Reden sowie das Selbstverständnis dieser Person, weil eine solche nicht ein bratum factum ist, das einfach historisch 'festgestellt' werden kann. Jenseits aller kritischen Methoden bleibt darum ein nur personal zu erreichender Rest, wenn es um die Erkenntnis einer Person geht." (pp. 25f)

300

1976 DAHL, Nils Alstrup: The Early Church and Jesus, in: Id. : Jesus in the Memory of the Early Church, Minneapolis/Minn. 1976, pp. 167-175.

the interest in the social function of the tradition has tended to result in a social isolation of Jesus himself. This tendency is further strengthened by the widely accepted principle that among sayings attributed to Jesus, those are most likely to be authentic which can not [sic] have originated either in contemporary Judaism or in the church after Easter ('the criterion of dissimilarity')- The irony of the matter is that the new application of rigid critical principles opens the doors to new versions of a modernized Jesus who is separated both from the church and from his Jewish environment but relevant for our time." (p. 168) „The 'criterion of dissimilarity' should only be used in conjunction with historical considerations of synchronic similarity and diachronic continuity." (pp. 17 If) DEMKE, Christoph: Im Blickpunkt: Die Einzigartigkeit Jesu. Theologische Informationen für Nichttheologen, Berlin 1976.

„Auf verhältnismäßig sicherem Boden stehen wir dort, wo Jesu Worte und sein Verhalten in die gleiche Richtung gehen, so daß sie sich gegenseitig erläutern." (pp. 63) FRANCE, R.T.. The Authenticity of Jesus' Sayings, in: Colin Brown (ed.): History, Criticism, and Faith, Downer's Grove/Ill., 1976, pp. 101-143.

„If anyone else in the world of the New Testament could have said the saying in question, it cannot be taken as a saying of Jesus." (p. 109)

1977 CATCHPOLE, David R.. Tradition History, in: I. Howard Marshall (ed.): New Testament Interpretation. Essays on Principles and Methods, Exeter 1977, pp. 165-180.

Zum Differenzkriterium (wird zitiert nach Fuller, 1965): „Firstly, the deceptive simplicity of this test should not mask the fact that at most it can produce the distinctive Jesus but cannot guarantee the characteristic Jesus." (p. 174) „Dissimilarity is, as already noted, a doubtful tool when the relationship between Jesus and the post-Easter churches is under scrutiny. It also has some drawbacks in respect of a discussion of his relationship with Judaism, in view of the incompleteness of our knowledge of Judaism." (p. 177) „... there must also be a coherence of the context presupposed by a tradition with the context of Jesus' mission, as well as a coherence of content. But at least the use of coherence, after dissimilarity to Judaism has been explored, does offer

301 certain advantages: (a) It allows for the incorporation of other material reflecting similarity between Jesus and Judaism, (b) It allows for the continuity between Jesus and some at least of the post-Easter Christian developments." (p. 178) GRANT, Michael: Jesus, London 1977.

„A further criterion requires the rejection from the lifetime of Jesus of all material which seems to be derived from the days of the Christian Church as it existed after his death. to distinguish between the authentic words and deeds of Jesus and the tendencies of the developing tradition which so easily overlaid them, was one of the principal tasks of the 'form critics' One way of attempting this task is to look out for surprises. For anything really surprising in the Gospels is quite likely to be authentic - anything, that is to say, which clashes with what we should expect to find in something written after the time of Jesus." (p. 202) „... the evangelists manifestly do include some unpalatable or even incomprehensible doings and sayings of Jesus, and incidents in his life because they were so indissolubly incorporated in the tradition that their elimination was impracticable; in other words, because they were genuine." (p. 203).

1978 MEAL AND, David L.. The Dissimilarity Test, in: SJTh 31, 1978, pp. 41-50.

„Sayings which are similar to the normal run of Jewish teaching or which are similar to the doctrine and practice of early Christianity are temporarily placed on one side. The material which is 'distinctive', in the sense that it differs both from Judaism and from early Christianity, is singled out by the test of dissimilarity. This material is less likely to have been wrongly attributed to Jesus " (p. 43). SCHOTTROFF, Luise / STEGEMANN, Wolfgang: Jesus von Nazareth - Hoffnung der Armen, 2. Aufl., Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1981 (1978 1. Aufl.).

„Wenn man Jesus im Zusammenhang der ältesten Jesusbewegung begreift, lassen sich auch über ihn eine Menge historischer Rückschlüsse begründen. Historisch betrachtet läßt sich Jesus von seinen Nachfolgern nicht isolieren und theologisch ist das nur zu gut. Die Alternative echt = historischer Jesus - unecht = Gemeindebildung versucht Jesus auszugrenzen, ihn abzuheben vom Judentum, bis er auf dem einsamen Podest des genialen Heros steht, dessen Genialität um so deutlicher wird, je weniger er mit den Menschen seiner Umgebung gemein hat. Jesus ist grundsätzlich nicht abgrenzbar gegen bestimmte Gruppen im jüdischen Volk und er ist vor allem nicht abgrenzbar gegen seine ersten Nachfolger." (p. 10)

302

1979 DAUTZENBERG, Gerhard: Der Wandel der Reich-Gottes-Verkündigung in der urchristlichen Mission, in: Id. et al (eds.): Zur Geschichte des Urchristentums, Freiburg-Basel-Wien 1979 (= QD 87), pp. 11-32. die Abgrenzung zwischen der mit den historischen Methoden und nach den anerkannten Kriterien gewonnenen ältesten sozusagen 'authentischen' Schicht der Jesustradition von der unmittelbar anschließenden und diese einen nachösterlichen Verkündigungsentwurf integrierenden urchristlichen Schicht [ist] nur mit einer methodisch kaum auschließbaren beträchtlichen Unschärfe möglich Im allgemeinen wird man sich damit zufriedengeben müssen, daß sich Einzelergebnisse als möglich oder als wahrscheinlich erweisen lassen und daß sich das entworfene Gesamtbild bei zu fordernder innerer Widerspruchslosigkeit und Wahrscheinlichkeit zu den übrigen Daten der Geschichte Jesu und des Urchristentums in Beziehung setzen läßt und Antworten auf in diesem Bereich diskutierte Fragen ermöglicht." (pp. 14f)

1980 HARVEY, Anthony E.. Jesus and the Constraints of History. The Bampton Lectures 1980, London 1982. „No individual, if he wishes to influence others, is totally free to choose his own style of action and persuasion: he is subject to constraints imposed by the culture in which he finds himself. If communication is to take place, there must be constraints which are recognised by both the speaker and his listeners It is evident that he [sc. Jesus] succeeded in communicating with his hearers, his followers, and indeed his enemies. To do so, he had to speak a language they could understand, perform actions they would find intelligible, and conduct his life and undergo his death in a manner of which they could make some sense. This is not to say, of course, that he must have been totally subject to these constraints. Like any truly creative person, he could doubtless bend them to his purpose. But had he not worked from within them, he would have seemed a mere freak, a person too unrelated to the normal rhythm of society to have anything meaningful to say." (pp. 6f) „... the criterion of 'dissimilarity' may be crudely described as the principle that 'odd is true' If we come across something in the gospels which appears strikingly original and for which there is no known parallel or precedent in the ancient world; and if we can see no possible reason for anyone to have invented such a thing and foisted it upon the story of Jesus; then it seems that we have at least an echo of something which happened in historical fact. Its very oddity is an argument for its truth. The criterion needs to be used with caution, since it is always vulnerable to the acquisition of new knowledge: what was once thought to be unparalleled and unprecendented may be shown by new discoveries to have been well established in the culture. Moreover, the criterion must never be used

303 in isolation. It would be impossible to build up a credible portrait of Jesus entirely out of material selected because of its peculiarity: no one has or could ever have a character composed entirely out of idiosyncrasies. The method can be used only to supplement those more normal characteristics for which we have reliable evidence. But there are elements of the gospel tradition (such as the episode of Jesus' mounted entry into Jerusalem) which, as we shall see, are inexplicable unless they derive from authentic reminiscence, and which provide us with invaluable clues to the specific options which were actually chosen by Jesus amid the constraints to which he was subjected." (pp. 8f) HIGGINS, August John Brockhurst: The Son of Man in the Teaching of Jesus, Cambridge 1980.

(Bezieht sich auf Teeple, 1965.) „Some writers give a high place to the criterion, according to which a saying of Jesus is genuine if it is explicable neither from late Judaism nor from the situation of the early church. This standard is questionable, for Jesus was himself a product of late Judaism, and so even a saying containing apocalyptic elements could conceivably be gpnuine." (p. 37) STEIN, Robert H.. The 'Criteria' for Authenticity, in: R.T. France / D. Wenham (eds.): Gospel Perspectives. Studies of History and Tradition in the Four Gospels, vol. 1, Sheffield 1980, pp. 225-263.

„In concluding our discussion of this tool, it would appear that despite many of the criticisms raised of late, when used correctly in conjunction with its innate limitations, the criterion of dissimilarity is nevertheless a most valuable tool in the quest for the ipsissima verba or vox of Jesus. It may in fact be the single most valuable tool for authenticity, for if a saying or action of Jesus in the gospel tradition meets the demands of this criterion, the likelihood of it being authentic is extremely good. It is true that this tool cannot necessarily deliver to us that which is characteristic in Jesus' teachings or even to produce 'an adequate historical core,' but it does give us a 'critically assured minimum' to which other material can be added via other criteria. Care must be taken, however, to apply this tool more objectively than in the past " (p. 244) RIESNER, Rainer: Jesus als Lehrer. Eine Untersuchung zum Ursprung der Evangelien-Überlieferung, Tübingen 1981 (= WUNT Π, 7).

„Heute is weithin anerkannt, daß eine negative Handhabung des 'criterion of dissimilarity' pseudokritisch wäre." (p. 90) „Wertvoll können Unähnlichkeitsbeobachtungen vor allem als Echtheitsindizien sein. Nach allem, was wir wissen, verhielt sich die Mehrheit der Aramäisch sprechenden Urgemeinde gegenüber der Torah recht konservativ. Wo torahkritische Logien in einer semitisierenden Sprachgestalt begegnen, weisen sie besonders deutlich auf Jesus zurück. Für alle nachösterlichen Gemeinden war die Messianität Jesu ein fester Glaubenssatz. Wo nur sehr verhüllte oder indirekte

304

messianische Hoheitsaussagen in Jesus-Worten vorliegen, da verdient die Überlieferung Vertrauen." (p. 91) SCHÜRMANN, Heinz: Das Zeugnis der Redenquelle für die Basileia-Verkündigung Jesu, in: Joël Delobel (ed.): Logia. Les Paroles de Jésus - The Sayings of Jesus, Leuven 1982 (= BEThL 59; Konferenz 1981), pp. 121-200.

„Sobald wir uns mit dem von der wissenschaftlichen Forschung geforderten 'kritischen Grundprinzip' des methodischen Zweifels, näherhin mit dem 'Unähnlichkeitskriterium' dem irdischen Jesus zu nähern versuchen, scheint dieser sich eigenartig dem suchenden Blick und dem erfassen wollenden Zugriff zu entziehen. Wenn wir Rückschlüsse aus der oben skizzierten BasileiaVerkündigung der älteren Q-Schichten auf den vorösterlichen Jesus machen wollen, zwingt uns das Unähnlichkeitskriterium, nichts Jesus zuzuschreiben, was ihm - außer mit seiner Umwelt auch mit der urchristlichen Gemeinde gemeinsam war. Gegen die Handhabung dieses Kriteriums lassen sich aber gerade in unserm Fall - nicht wenige kritische Einwendungen erheben, die weiterhelfen könnten. Eine echte historische Methode kann sich nicht in grundsätzlichem Skeptizismus wohlfühlen, sondern bleibt der Wahrheit verpflichtet; sie wird darum immer nach der 'größeren Wahrscheinlichkeit' fragen und aus solcher in aller Vorsicht Kongruenzbeweise versuchen." (pp. 179f) SCHÜRMANN, Heinz: Kritische Jesuserkenntnis. Zur kritischen Handhabung des „Unähnlichkeitskriteriums", in: BiLi 54,1981, pp. 17-26.

„Das 'kritische Grundprinzip' [des methodischen Zweifels] läßt sich - darüber herrscht für die kritische Jesus-Forschung weitgehend Einmütigkeit - durch das kritische ' Unähnlichkeitskriterium ' konkretisieren. Nach zwei Seiten hin ist eine Aussonderung des Jesustradition notwendig, wenn ein 'gesicherter Kern' eruiert werden soll: Das Jesus-Gut muß abgehoben und zunächst ausgesondert werden aus verwandtem Gut des umgebenden Judentums einerseits, des nachfolgenden Urchristentums andererseits. Dieses 'Unähnlichkeitskriterium' muß freilich kritisch gehandhabt werden: Es sind zwei sich gegenseitig ergänzende Arbeitsgänge durchzuführen, wenn ein überzeugendes Ergebnis gewonnen werden soll. In einem ersten Arbeitsgang ist (I.) mit Hilfe des 'Unähnlichkeitskriteriums' das 'möglicherweise Unjesuanische' auszuscheiden; danach wäre (II.) das 'möglicherweise Jesuanische' durch konvergierende Kriterien aus dem ausgeschiedenen 'möglicherweise Unjesuanischen' zu eruieren. Nur im Zusammenspiel dieser beiden Arbeitsgänge kann es zu Wahrscheinlichkeiten und am Ende zu einem approximativ zuverlässigen kritischen 'Jesusbild' kommen." (p. 18) „Eine radikale und unbesonnene Handhabung des religionsgeschichtlich orientierten Unähnlichkeitskriteriums liefert nicht einen 'originalen' oder 'einzigartigen' Jesus, sondern im Gegenteil ein beziehungsloses 'Original' bzw. eine bedeutungslose Figur, nicht mehr als 'geschichtliche Persönlichkeit' ver-

305 stehbar, als welche Jesus aber in personaler Einmaligkeit mit Sicherheit gewertet werden muß. Konsequent gehandhabt verstößt dieses Kriterium - in doppelter Hinsicht - also schlicht gegen das Prinzip der 'Korrelation' - gewiß ein Grundprinzip allen geschichtlichen Verstehens." (p. 19)

1983 GAMBER, Klaus: Jesus-Worte. Eine vorkanonische Logiensammlimg im Lukas-Evangelium, Regensburg 1983 (= SPLi. Beiheft 9).

„Jesus-Worte sind unerfindbar. Die echten Worte Jesu sind 'Worte des ewigen Lebens' (Joh 6,69). Auffällig ist das Ursprüngliche, Unvermittelte, an der Verkündigung des Herrn. .. Deshalb war die Lehre Jesu auch ganz anders als die der jüdischen Gesetzeslehrer...." „Die Worte Jesu zeichnen sich aus durch ihre Einfachheit, Schlichtheit Das Wort Jesu ist still, einfach und natürlich und doch liegt in ihm eine ungeheure Gewalt. Seine Worte sind das Gewaltigste und Aufrüttelndste, was je gesprochen worden ist." (pp. 7f) STRECKER, Georg: Die Bergpredigt. Ein exegetischer Kommentar, Göttingen 1984.

„Freilich läßt sich einwenden, daß der Einsatz dieses Differenzkriteriums [i.e. DKJ und DKC] die Worte Jesu von ihrer jüdischen Umwelt wie auch von der urchristlichen Gemeinde isoliert, auch, daß es sich um ein Reduktionsverfahren handelt, das die Aussagen des historischen Jesus nicht als echt erheben läßt, in denen jüdisches Gedankengut enthalten ist. Das genannte Kriterium ist aber vor allem aus dem Grund zu hinterfragen, weil es ein Vorverständnis vom Judentum zur Zeit Jesu wie auch von der nachösterlichen Kirche voraussetzt, das als solches zur Debatte gestellt werden muß." (p. 11) WILDER, Amos Ν.. The Historical Jesus in a New Focus: A Review Article of 'The Silence of Jesus' by James Breech (Philadelphia 1983), in: USQR 39, 1984, pp. 225-236.

if his [i.e. Jesus'] impact was to prevail must it not have interlocked with the empirical reality of his theatre of action? What was creative and novel in his work - understood perhaps as deep structure - must have had to come to terms with the actual historical forces which he confronted. This would involve not only action, but debate, with their language patterns and symbol systems. To engender a new ethos in a new gathering of followers could hardly bypass the public options and passionate loyalties of that highly dynamic situation." (p. 234) RICHES, John / MILLAR, Alan: Conceptual Change in the Synoptic Tradition, in: Alternative Approaches to New Testament Study, ed. Anthony E. Harvey, London 1985, pp. 37-60.

„A speaker or writer can employ familiar linguistic forms in new ways to express new thoughts while retaining the 'core' of their customary content. Whether he

306 does or not can only be determined by examining them in the light of whatever else the speaker or writer has to say." (p. 46) Eine Art Kohärenzkriterium: „the fact that a saying harmonizes with a body of sayings, which there are independent grounds for taking to be indicative of Jesus' teaching, counts in favour of the hypothesis that the saying in question, in respect of its content, is ascribable to Jesus. The kind of harmony which matters, however, has to do not just with superficial linguistic or literary features, though these are by no means irrelevant, but more importantly with patterns of thought. Exactly parallel consideration hold for the so-called principle of dissimilarity. It is commonly held that in order to determine which sayings are authentic to Jesus, we must first isolate a group of sayings which are sufficiently dissimilar to contemporary beliefs that they can be regarded as original to Jesus and then extend this group of sayings by adding others which harmonize with it. Where similarity or dissimilarity is concerned, again, what matters are patterns of thought. A group of sayings may be linguistically keyed to first-century Palestine and yet be radically distinct in respect of their content." (p. 57) SANDERS, Ed Parish: Jesus and Judaism, London 1985.

S. nennt folgende Schwierigkeiten des „test of double dissimilarity"· „We know first-century Judaism very imperfectly, and knowledge about the interests of the church between 70 and 100 CE is slender indeed. The test rules out too much. The material which remains after the test is applied is biased towards uniqueness." (p. 16) „Secondly, the remaining material does not interpret itself or necessarily answer historical questions. It must still be placed in a meaningful context, and that context is not automatically provided by summarizing sayings which are atypical, as far as we know, of both Judaism and the Christian church." (pp. 16f) I propose that a hypothesis which does offer a reasonable and well-grounded connection between Jesus and the Christian movement is better than one which offers no connection but which appeals, finally, to accident and to the resurrection experiences to explain why Jesus' mission did not end with his death." (p. 22) „... the only way to proceed in the search for the historical Jesus is to offer hypotheses based on the evidence and to evaluate them in light of how satisfactorily they account for the material in the Gospels, while also making Jesus a believable figure in first-century Palestine and the founder of a movement which eventuated in the church." (p. 166f) Zum Problem der „Einzigartigkeit" (uniqueness) Jesu: in order to derive meaningful information about Jesus ..., scholars must suppose not only that they can reconstruct precisely what Jesus said and precisely what he meant by it, but also that they can eliminate the possibility that anyone else held such views. This enormously increases the dubiousness of the method which already requires hypothesis upon hypothesis. How can one argue histori-

307 cally that a certain attitude or conception is unique? A sober estimate in accord with the normal canons of the writing of history can go no farther than 'otherwiseunattested' " ( p . 138) I worry a bit about the word 'unique' What is unique is the result. But, again, we cannot know that the result springs from the uniqueness of the historical Jesus. Without the resurrection, would his disciples have endured longer than did John the Baptist's? We can only guess, but I would guess not." (p. 240) SIMONIS, Walter: Jesus von Nazareth. Seine Botschaft vom Reich Gottes und der Glaube der Urgemeinde. Historisch-kritisch Erhellung der Ursprünge des Christentums, Düsseldorf 1985. „Das Differenzkriterium ist heute von allen Forschern, denen es um das authentisch Jesuanische geht, als methodisch notwendig und brauchbar anerkannt, daß wir es mit größter Wahrscheinlichkeit dann mit authentisch Jesuanischem zu tun haben, wenn ein Wort, ein Gedanke oder ein Verhalten Jesu sich weder als im zeitgenössischen Judentum gängig und somit möglicherweise von ihm ableitbar erweisen läßt noch sich zeigen läßt, daß das in Frage Stehende sich mit den Vorstellungen, Erwartungen und Interessen der tradierenden Urgemeinde bzw. Gemeinden oder schließlich des jeweiligen Evangelisten deckt, so daß es auch als deren Bildung angesehen werden könnte.... Das Differenzkriterium dient also dazu, positiv analogielose Elemente aufzuspüren " (p. 26) wir [haben] bei der historisch-kritischen Rekonstruktion der Verkündigung und des Wirkens Jesu im ganzen eben nur diese Stücke zu verwenden die positiv als authentisch bzw. historisch zu erkennen sind, wohingegen alle anderen Stücke bei der Rekonstruktion des historischen Jesus außer Betracht zu lassen sind. Das mag zwar zunächst als ein willkürliches und unbegründbares Dekret erscheinen, in Wirklichkeit handelt es sich bei einem solchen Vorgehen lediglich um ein Ernstnehmen der dem Differenzprinzip selbst innewohnenden Sachlogik und damit der geschichtlichen Differenz, die nun einmal zwischen Vor- und Nachösterlichem gegeben ist." (p. 27)

1986 CARAGOUNIS, Chrys C.. The Son of Man. Vision and Interpretation, Tübingen 1986 (= WUNT 38). „The criterion [of dissimilarity] stipulates that authentic words of Jesus must not correspond to characteristic emphases in Judaism or the Early Church. We simply do not have an adequate basis for applying the criterion of dissimilarity in such a way that genuine results will be forthcoming. Another difficulty, the gravest of all, lies at the core of the criterion of dissimilarity, with its underlying assumption that Jesus' teaching must always be distinguishable or dissimilar from the teachings of Judaism and of the Early Church. This would seem to presuppose that no continuity between Judaism and Jesus is permissible, nor is even any lasting influence of Jesus on the Early Church recognized. Both of

308 these assumptions would fly in the face of modern scholarly consensus." (pp. 155f) [the criterion's] inexorably consistent use without restraint or check by other criteria, could only lead finally to the 'de-Judaization' of Jesus as well as the 'de-Jesus-ing' of the Early Church! In either case the Jesus of the criterion of dissimilarity would no longer be the Jesus of history." (p. 157) SEGAL, Alan F.. Rebecca's Children. Judaism and Christianity in the Roman World, Cambridge/Mass. London 1986. The part of his teaching that can be identified as uniquely his [i.e. Jesus'] own and that most affected his contemporaries was apocalyptic. Since the later church would not eliminate authentic Jesus traditions yet at the same time did not favor apocalypticism, the presence of apocalyptic in early Christianity must be attributed to Jesus himself. THEISSEN, Gerd: Der Schatten des Galiläers. Historische Jesusforschung in erzählender Form, München 1986. „Ich zweifle, daß das Differenzkriterium praktikabel ist. Wenn wir bei einem Jesuswort keine Abhängigkeit von jüdischen Traditionen erkennen können, folgt daraus nicht, daß es sie nicht gegeben hat. Jesus könnte von mündlichen Traditionen beeinflußt sein. Oder von Traditionen, die in verschollenen Schriften enthalten sind. Das Differenzkriterium vernachlässigt zudem alles, was Jesus mit dem Judentum gemeinsam hat, als sei er - im Unterschied zu anderen Menschen - nicht aus seinem geschichtlichen Umfeld heraus zu verstehen. Das 'Unableitbarkeitskriterium' (wie man das Differenzkriterium auch genannt hat) ist verkappte Dogmatik: Jesus scheint direkt aus dem Himmel ableitbar zu sein. Und diese Dogmatik hat antijüdischen Akzent: Unableitbar ist, was Jesus in Gegensatz zum Judentum bringt. Anspruch auf Echtheit haben Jesustraditionen, wenn sie im Rahmen des damaligen Judentums historisch möglich sind, aber zugleich einen besonderen Akzent haben, der verständlich macht, daß sich später das Urchristentum aus dem Judentum heraus entwickelt hat. Nicht nur Jesus, das ganze Urchristentum ist aus dem Judentum 'ableitbar' " (p. 199)

1987 BURCHARD, Christoph: Jesus von Nazareth, in: Die Anlange des Christentums. Alte Welt und neue Hoffnung, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1987, pp. 12-58. [man] muß für Jesus tun, was man selbst für Menschen tut, deren Werke samt Nachlaß erhalten sind, und übrigens für das Urchristentum auch: man bessert die Quellenlage durch Zeitgeschichte auf." (p. 12)

309 „Es gibt zwei Zugänge zu Jesus: die Geschichte des Urchristentums, soweit sie sich als Wirkungsgeschichte Jesu begreifen läßt, und die Geschichte Palästinas, soweit sie der Ort des Wirkens Jesu war Jesus und die Anfange des Urchristentums gehören selber zur Geschichte des palästinischen Judentums." (P- 13) SCHWEIZER, Eduard: Ait. Jesus Christus I., in: TRE 16, 1987, pp. 671-726.

„Am sichersten auf Jesus zurückzuführen ist, was weder im Judentum noch in der späteren Gemeinde zu finden ist. Das gilt auch für besondere Redeformen oder Handlungen Doch ist dies ein Minimalbestand, da Jesus selbstverständlich auch jüdisch lebte und lehrte und die Gemeinde von ihm lernte. Man kann dazu rechnen, was sich diesem Grundbestand ohne verdächtige Spuren von Weiterbildung einfügt." (p. 710) weil Gott in Jesus, in seinem gesamten Verhalten, Wirken, Verkünden und Erleben gegenwärtig ist..., ist Jesus 'der Mann, der alle Schemata sprengt' gerade die Weigerung, die vorhandenen Erwartungen und Rollen zu erfüllen, macht seine Einzigkeit aus..." (p. 722) CHARLESWORTH, James H.. Jesus Within Judaism. New Light from Exciting Archaelogical Discoveries, New York 1988.

„I am convinced that we find our way to the greatest historical certainty by excluding (at least in the beginning) those Jesus sayings that can be attributed to the needs and concerns of the earliest 'Christian' communities. But it seems unwise to tighten this criterion further by eliminating material that has its roots in Early Judaism. If a particular saying is discontinous with the needs or motives of the earliest Christians, it does not necessarily render it inauthentic if it has points of contact with Early Judaism. In the past, a preoccupation with the notion of 'uniqueness' has caused many scholars to see this issue inaccurately. The historian's task is to sift through the accounts of those who wrote about Jesus to determine how much of their work may be reliably attributed to Jesus himself. My study of the Jesus tradition has led me to the conclusion that a considerable amount of that tradition which is discontinous with the needs and concerns of the earliest Christians places Jesus squarely in the midst of Early Judaism, and that is precisely where one would expect to find a first-century Palestinian Jew." (p. 6) „From any of these sources [i.e. the Gospels], ...an identifiable Jewish male emerges as a distinct historical personality. behind the later editorial layer of the Gospels lie earlier historical traditions that clarify the distinctiveness of Jesus." (pp. 2 If) „By using the principle of discontinuity, Jesus' authentic words were sought by using a net that released all Jesus' sayings that were paralleled either in Judaism or in the Church. By employing this methodology systematically, we begin with

310 a tendency to portray Jesus as a non-Jew and as a leader without followers." (p. 167) CROSSAN, John Dominic: Divine Immediacy and Human Immediacy. Towards a new first principle in historical Jesus research, in: Semeia 44, 1988, pp. 121-140. „My proposal is to make a virtue of diversity and to formulate my basic question like this: what did Jesus say and do that led, if not necessarily at least immediately, to such diverse understandings? This formulation suggests an alternative first principle to the criterion of dissimilarity, namely, the criterion of adequacy: that is original which best explains the multiplicity engendered in the tradition." (p. 125) LEE, Bernard J.. The Galilean Jewishness of Jesus. Retrieving the Jewish Origins of Christianity, vol. 1: Conversation on the Road not Taken, New York-Mahwah 1988. „I will be trying to understand the Judaism of Galilean Palestine in the time of Jesus, if we understand the religious and cultural matrix in which his human consciousness awakened, we know something real about his subjectivity." (p. 49) „As Christians, we must finally ask what it is that is particular to Jesus in which our own faith finds adequate mooring. But even when we interpret what is particular to Jesus, we do not have a full answer to the question: „Where do we Christians come from in our distinctiveness?" Only part of the answer is found in the particularity of Jesus. The other part is found in the historical and cultural conditions that accompanied and facilitated the evolution of Christian communities as entities outside Judaism, events from about two generations after Jesus. Those later events are crucial to questions about Christian identity " (p. 96)

1989 ERNST, Josef: War Jesus ein Schüler Johannes' des Täufers?, in: FS Joachim Gnilka: Vom Urchristentum zu Jesus, Hubert Frankemölle / Karl Kertelge (eds.), Freiburg-Basel-Wien 1989, pp. 13-33. „Die Fragwürdigkeit des Pudendum-Arguments zeigt sich an bekannten Gegenbeispielen, etwa das Festhalten an der Überlieferung von der Taufe Jesu oder an der Verleugnung des Petrus. Das Verschweigen eines unangenehmen Tatbestandes kann zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, man sollte es aber, wenn überhaupt, nur subsidiär als 'Beweis' einsetzen." (p. 33) HOLTZ, Traugott: Art. Jesus, in: EKL 2, 1989, cols. 824-831. „Überliefert wurde nur das, was den jeweiligen Tradenten wichtig war, geformt von den jeweiligen Interessen. Die Geschichte J. kann nur durch kritische Analyse von Form und Inhalt der Einzelstücke eruiert werden. Irreleitend ist das

311 Kriterium, jesuanisch sei, was nicht jüd. oder christl. ist. Primär muß die Unechtheit einer Überlieferung gezeigt werden; positiv wichtig ist der Aufweis der Kohärenz der als ursprünglich reklamierten Überlieferung. Im einzelnen bleibt solche Analyse oft unsicher, kann jedoch auch zu positiven Ergebnissen führen. Unrevidierbar ist allerdings die Prägung des J.bildes durch die Auswahl bestimmter Traditionen." (col. 825)

1990 DOWNING, F Gerald: Art. Criteria, in: Richard J. Coggins / James L. Houlden (eds.): A Dictionary of Biblical Interpretation, London-Philadelphia 1990.

„Criteria are standards for testing and for coming to a judgement on an issue. In biblical studies the term 'criterion' itself tends mostly to be used in discussing tests for deciding whether sayings or stories attributed, say, to Jesus or to Jeremiah, are to be taken as genuine, or whether they should instead be ascribed to other contemporaries or to subsequent oral or editorial tradition." Er nennt vier Standardkriterien: „Dissimilarity; Authentic Context; Multiple Attestation; and Coherence. (The first of these in particular gets a number of titles, e.g. Dual Irreducibility, Dual Exclusion, Discontinuity.)" (p. 151) Zum Problem, daß sich die beiden erstgenannten Kriterien widersprechen: „Still, if we find Jesus saying something distinctive about issues we know were live at the time, in an appropriate setting, then both criteria can work without cancelling each other out." Und jedenfalls dürften diese beiden Kriterien nicht allein angewandt werden, (p. 152) GNILKA, Joachim: Jesus von Nazareth. Botschaft und Geschichte, Freiburg-Basel-Wien, 1990 (= HThK.S

3). 'das Unähnlichkeitskriterium'· Wir haben es dann mit einer auf Jesus zurückzuführenden Tradition zu tun, wenn diese weder aus dem Judentum abgeleitet noch der Urchristenheit zugeschrieben werden kann. Man sieht, daß es dabei auf absolute Originalität ankommt. Nur das, was wirklich neu war und sich vom Vorhandenen abhob, wird gelten gelassen. Die in diesem Kriterium impliziten Voraussetzungen dürften, reflektiert oder unreflektiert, auf einem bestimmten christologischen Konzept beruhen. Das Kriterium ist ein hilfreiches, aber scharfes Schwert. Man kann sicher sein, daß man bei seiner strikten Anwendung viel Jesusgut von ihm abschneiden würde. Wäre Jesus immer originell gewesen, gliche er einem Chinamissionar, der sich weigert, chinesisch zu sprechen. Als Ausgangspunkt aber verdient es unsere Beachtung, gleichsam als Ansatz für einen zu knüpfenden Faden."(pp. 29f) HORN, Friedrich Wilhelm: Diakonische Leitlinien Jesu, in: Gerhard K. Schäfer / Theodor Strohm (eds.): Diakonie bibüsche Grundlagen und Orientierungen. Ein Arbeitsbuch zur theologischen Verständi-

312 gung über den diakonischen Auftrag, Heidelberg 1990 (= Veröfif. d. Diakoniewiss. Instituts an der Universität Heidelberg 2), pp. 109-126.

„Auf Worte oder Verhalten des historischen Jesus kann da geschlossen werden, wo in den Evangelien noch Vorwürfe der jüdischen Umwelt an Jesus enthalten sind. Diese Vorwürfe sind weder aus Interessen der Gemeindetheologie ableitbar, noch sind sie auf die Gemeinde als Adressaten bezogen; für letztere besteht vielmehr die Schwierigkeit, dieselben Vorwürfe, zumeist in apophthegmatisch erweiterten Szenen, in ihrem Sinn auszulegen." (p. 111) WINTON, Alan Ρ The Proverbs of Jesus. Issues of History and Rhetoric, Sheffield 1990 (= JSNT.S 35).

„The criterion of dissimilarity asserts that a saying can be regarded as authentic if it can be shown to be dissimilar to characteristic emphases both of early Judaism and of the early Church. It is also used negatively to claim that sayings similar to Jewish or Christian traditions are inauthentic, for it is presumed that their Sitz im Leben is in the life of the church, and not in the life of Jesus. Form criticism seems to provide the logic of this criterion, based on the principle that traditions about Jesus were retained and used in only so far as they met the needs and interests of the early church. However, this insight should not lead too quickly to a judgment about the origin of the material. The concept of Sitz im Leben can be overworked. Sitz im Leben relates to the characteristic function of a tradition: a judgment about the function does not necessarily lead directly to a judgment about origin." (pp. 109f) „It would seem that sayings dissimilar from both Judaism and Christianity are the least likely to help explain the transition from the one to the other. Sayings in continuity with Jewish teaching, and those which modify traditional ideas, would seem most helpful in understanding how Jesus as a Jew came to be seen as the founder of a renewal movement in first-century Judaism." (p. 110) „Our present principles dictate that in the case of material which appears to be unnaturally juxtaposed ...the sayings which do not pass the dissimilarity test are considered inauthentic, because they fail to cohere with 'characteristic' material. There is an alternative, however, and that is to see how material which is 'unnaturally' juxtaposed might cause us to change our understanding of the whole picture. This calls for a suspension of our negative judgment, until we have seen what the whole picture would look like " (p. 112) „We are suggesting that it would be helpful, for reasons of historical interest, to re-examine the framework in the light of the particulars. Our study so far suggests that the dissimilarity test should be abandoned, unless one is self-consciously setting out to assess the uniqueness of Jesus - even then, the results of such work would always depend on an argument from silence. However, we have found, on the positive side, that any account of Jesus' teaching (as part of his overall impact) must help to account for the transition from Judaism to Christianity. Our emphasis should be on understanding Jesus in continuity with his Jewish environment, while being aware that we need to

313 give some account of the strong opposition to Jesus, and the rise of the early Christian movement with its eventual break from Judaism." (p. 113) Three tests for any attempt at historical reconstruction: „1. It must set Jesus convincingly within the context of first century Palestinian Judaism. 2. It must show why his life ended in execution at the hands of the Roman authorities. 3. It must account for, or at least illumine, the birth of the Christian community." (p. 123) MEIER, John Ρ A Marginal Jew. Rethinking the Historical Jesus, New York 1991. „The criterion of 'embarrassment' (so Schillebeeckx) or 'contradiction' (so Meyer) focuses on actions or sayings of Jesus that would have embarrassed or created difficulty for the early Church." (p. 168) „Like all the criteria we will examine, however, the criterion of embarrassment has its limitations and must always be used in concert with the other criteria, a full portrait of Jesus could never be drawn with so few strokes. what we today might consider an embarrassment to the early Church was not necessarily an embarrassment in its own eyes." (p. 170) „Closely allied to the criterion of embarrassment, the criterion of discontinuity (also labeled dissimilarity, originality, or dual irreducibility) focuses on words or deeds of Jesus that cannot be derived either from Judaism at the time of Jesus or from the early Church after him." (p. 171) ,JBy focusing narrowly upon what may have been Jesus' 'idiosyncrasies',it is always in danger of highlighting what was striking but possibly peripheral in his message. „Instead of 'if it is discontinuous, it cannot be from Jesus', we now have 'if it is discontinuous, it cannot be from Jesus' Obviously, dogmatism in either direction must give way to a careful testing of claims in each case." (p. 173) „The criterion of Jesus' rejection and execution A Jesus whose words and deeds would not alienate people, especially powerful people, is not the historical Jesus." (p. 177) MERKEL, Helmut: Die Gottesherrschaft in der Verkündigung Jesu, in: Martin Hengel / Anna Maria Schwemer (eds.): Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt, Tübingen 1991 (= WUNT 55), pp. 119-161.

Das von „Käsemann formulierte Unableitbarkeitsprinzip, das auch unter den Bezeichnungen Unähnlichkeitskriterium, Differenzprinzip oder Differenzkriterium zitiert wird, hat inzwischen weithin Anerkennung gefunden; man wird es als den wichtigsten Ertrag der bisherigen methodologischen Diskussion ansehen dürfen." (p. 132) „Auf den ersten Blick wirkt dieser Einwand [von Klaus Koch, 1970, cf. oben] stark, aber er geht am Entscheidenden vorbei. Nicht die zweifellos bei Luther

314

vorhandenen Elemente mittelalterlichen Denkens geben uns Auskunft über die charakteristische geschichtliche Bedeutung des Reformators, sondern die Elemente, die ihn von seiner mittelalterlichen Umwelt unterscheiden! Und selbstverständlich enthalten auch die altprotestantischen Dogmatiken viele Elemente aus Luthers Theologie, aber eingebaut in ganz andere systematische Konzeptionen, in denen sie andere Funktion und Tragweite haben als bei Luther selbst. Die Unterstellung schließlich, in diesem Kriterium stecke eine antijudaistische Tendenz, müßte letztlich zur Diskreditierung jeglicher historischer Fragestellung fuhren. Sie wäre nur dann bedenkenswert, wenn man eine tendenziöse Anwendung des logisch zwingenden Kriteriums aufweisen könnte." (p. 133) „Ein wirklich historisches Gesamtbild der Verkündigung Jesu wird man nur gewinnen können, wenn man im Sinne Heitmüllers alles, was mit dem kritisch eruierten Minimalbestand 'in organischer Verbindung' steht, als jesuanisch ansieht." (p. 134) SAUER, Jürgen: Rückkehr und Vollendung des Heils. Eine Untersuchung zu den ethischen Radikalismen Jesu, Regensburg 1991 (= Theorie und Forschung 133; Philosophie und Theologie 9).

„Fazit: Die Kondition der Dissimilarität ist zwar eine hinreichende, nicht aber eine notwendige Bedingung der Authentizität von Jesusgut; das Dissimilaritätskriterium vermag die Authentizität bestimmter Jesusworte oder die Historizität bestimmer Verhaltensweisen Jesu wohl darzulegen, aber es kann Authentizität und Historizität nicht mit Sicherheit ausschließen. Die Anwendung des Dissimilaritätskriteriums ist somit zwar selbst zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Rekonstruktion der Verkündigung des historischen Jesus." (p. 88) 1992 BAASLAND, Ernst: Theologie und Methode. Eine historiographische Analyse der Frühschriften Rudolf Bultmanns, Wuppertal / Zürich 1992, p. 260f.

„Die entscheidende Frage in der Forschung ist deshalb eher die, ob man seine Gesamtsicht auf dem Originalitäts-(und Kohärenz-)Kriterium oder auf dem Längsschnitt-(und Kohärenz-)Kriterium aufbauen muß. Wir werden hier versuchen, die letztgenannte Lösung näher zu begründen, die auch Bultmann vor 1920 angedeutet hat. Für ein wirklich historisches Verständnis müssen die Kohärenz- und Konsequenzprinzipien Vorrang vor dem theologischen Diskrepanzkriterium haben. Eine historische Betrachtung kann nicht Jesus von der Jesusbewegung und aus seinem soziokulturellen Kontext lösen. Deshalb müssen im Rahmen einer Gesamtlösung sämtliche Züge als historisch angesehen werden, die Jesu Tod und seine Wirkung auf die Jünger, Juden und Römer erklären; die Entstehung der Urgemeinde und der Mission verständlich machen; die Entstehung der Überlieferung der Evangelien selber erklären: warum tritt dort Jesus als der einzige Lehrer auf?

315 Als Kontrolle gehört neben diesen wirkungsgeschichtlichen Fragen zu einer historischen Gesamtsicht auch, daß vermeintlich historische Daten sich in das historische Milieu einfügen (das sog. environmental criterion); Jesu Wort sowohl in sich als auch im Vergleich mit seinen Handlungen Kohärenz aufweisen (Kohärenz- bzw. Querschnittskriterium); auch für die nach unseren Begriffen dunklen Worte' (und fremdartigen Handlungen) eine plausible Erklärung gefunden wird. Anhand dieser Kriterien wird das Urteil in der Historizitätsfrage positiver ausfallen als bei Bultmann." (p. 261)

1994 BORG, Marcus J.. Reflections on a Discipline: A North American Perspective, in: Bruce D. Chilton / Craig A. Evans (eds.): Studying the Historical Jesus. Evaluations of the State of Current Research, Leiden-New York-Köln, 1994, pp. 9-31.

„The decline of dissimilarity as the primary criterion of authenticity is generally characteristic of North American scholars today, with some exceptions" (hier weist Borg auf einige Mitglieder des Jesus Seminar hin; p. 26) „My hunch is that the majority of scholars will continue to be eclectic in making judgments about what goes back to Jesus rather than developing a rigorously methodical method. What seems to count most is a reasonable case that the tradition is early, plus a sense of 'fittingness' into a setting that makes sense in the context of the pre-Easter Jesus." (p. 27)

1996 BECKER, Jürgen: Jesus von Nazaret, Berlin-New York 1996, pp. 17f.

„Das Einstiegs- und Fundamentalkriterium für die Analyse einer Einzelüberlieferung ist das Differenzkriterium. Es erfreut sich mit Recht weitgehender, manchmal auch sogar alleiniger Zustimmung. Es besagt: Solche Tradition kann Jesus zugesprochen werden, deren Inhalt in zwei Zusammenhängen, nämlich innerhalb des Frühjudentums und des Urchristentums, in einer wesentlichen Hinsicht gesondert dasteht, also nach diesen beiden Richtungen Originalität besitzt. Das Kriterium wird inkonsequent erweicht, wenn es voll gegenüber der späteren Gemeinde in Anwendung, gegenüber dem Frühjudentum jedoch nur abgeschwächt in Geltung gebracht werden soll. Das Kriterium zerstört sich selbst, wenn die Originalitätsforderung so überzogen wird, daß aus Jesus nur ein solipsistisches Phantom übrigbleibt. Denn natürlich ist dieses Kriterium angesichts allgemeiner Einsicht in die Verflechtung alles Geschichtlichen so zu begreifen, daß die gemeinte Eigenständigkeit nur innerhalb der frühjüdischen Kultur entstand und also heute nur so wahrgenommen werden kann. Natürlich gilt desgleichen, daß die Urgemeinde auch in Kontinuität zu Jesus lebt. Geht es also nicht darum, Jesus vorab als Nomade in der Weltgeschichte (und das hieße

316 letztlich ungeschichtlich) zu begreifen, so doch darum, das, was ihn besonders und unverwechselbar kennzeichnet, zum primären Gegenstand der Echtheitsdiskussion zu erheben, um so eine bestmögliche Ausgangsbasis für ein umfassenderes Jesusverständnis zu erhalten. Die Kritik, die die Anwendung des Kriteriums auf sich zog, trifft, bei Licht betrachtet, denn auch nur einen exklusiven Mißbrauch desselben, nicht jedoch seine Benutzung zur Sicherung der Kernüberlieferung. Das Kriterium bleibt vielmehr weit und breit konkurrenzlos, wenn die gezielt gesuchte Unverwechselbarkeit Jesu immer zugleich als kontextuelle Ausprägung des Judentums und als Vorgabe mit Kontinuität zum Urchristentum verstanden wird." (pp. 17f) In einer Anmerkung hierzu wendet Becker sich gegen eine christologisch gefärbte Verwendung von „Einzigartigkeit" oder „Singularität".

317

BIBLIOGRAPHIE Den Abkürzungen von Zeitschriften, Reihen und dergleichen (nicht der Verlage), liegt das Abkürzungsverzeichnis von Siegfried M. Schwertner zugrunde: TRE. Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl., Berlin-New York: de Gruyter, 1994. Jahreszahlen in Klammem hinter dem Titel geben das Jahr der Ersterscheinung an. ALAND, K . Bemerkungen zum Montanismus und zur frühchristlichen Eschatologie, in: Kirchengeschichtliche Entwürfe, Gütersloh: Mohn, 1960, pp. 105-148. ALLEN, Ch.. The Newest Testament, in: Washington City Paper, September 4, 1992, pp. 20-23. ALTHAUS, Ρ Art. Akkomodation, in: RGG 1, 1957 3. Aufl., cols. 209f. apROBERTS, R.. The Ancient Dialect. Thomas Carlyle and Comparative Religion, Berkeley-Los Angeles-London: University of California Press, 1988. BACK, S.O.. Jesus of Nazareth and the Sabbath Commandment, Âbo: Âbo Akademi University Press, 1995. BAECK, L.. Das Evangelium als Urkunde der jüdischen Glaubensgeschichte, Berlin: Schocken, 1938. BAMMEL, E.. The revolution theory from Reimarus to Brandon, in: E. Bammel / C.F.D. Moule (eds.): Jesus and the Politics of His Day, Cambridge: University Press, 1984, 11-68. BANKS, R.J.. Setting 'The Quest for the Historical Jesus' in a Broader Framework, in: R.T France / D. Wenham (eds.): Gospel Perspectives. Studies of History and Tradition in the Four Gospels, vol. 2, Sheffield: JSOT, 1981, pp. 61-82. BARBOUR R.S.. Traditio-Historical Criticism of the Gospels. Some Comments on Current Methods, London: SPCK, 1972 (= SCC 4). BAREAU, Α.. Recherches sur la biographie du Buddha dans les Sütrapitaka et les Vinayapitaka anciens: De la Quête de l'Éveil à la Conversion de 'Sàriputra et de Maudgalyàna, Paris: École Française D'Extrême-Orient, 1963 (= PEFEO 53). BARTH, Κ . Kirchliche Dogmatik 1/2. Die Lehre vom Wort Gottes, ZollikonZürich: Evang. Verlag, 1945. BARTSCH, Ch.. 'Frühkatholizismus' als Kategorie historisch-kritischer Theologie. Eine methodologische und theologiegeschichtliche Untersuchung, Berlin: Selbstverlag Institut Kirche und Judentum, 1980 (= SKI 3). BATDORF, I.W Interpreting Jesus since Bultmann. Selected Paradigms and their Hermeneutic Matrix, in: SBL.SP 1984, Chico 1984, pp. 187-215.

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Bubner, R 204 Buck, Α. 30; 31 Bultmann, R 1; 2; 3; 26; 80; 99; 100; 101; 102; 103; 104; 107; 108; 109; 110; 111; 112; 113; 114; 115; 116; 117; 118; 119; 121; 122; 140; 141; 167; 266; 282; 314; 315 Burchard, Chr. 121; 133; 156; 159; 233; 291; 308 Burckhardt, J. 46; 47; 50; 54; 55; 59 Buren, P.M. 160; 161 Buri, F. 267 Busch, Α. 65 Buttler, G. 123 Cadbury, H.J. 261 Calvert, D.G.A. 11; 129 Cameron, A 206 Caragounis, Ch.C. 158; 307 Carlston, Ch.E. 288 Carlyle, T. 47; 51; 52; 53; 59; 75; 94 Catchpole, D.R 135; 137; 158; 300 Charlesworth, J.H. 4; 26; 145; 146; 147; 148; 152; 158; 161; 162; 166; 167; 168; 169; 170; 171; 202; 309 Chilton, B.D. 315 Chubb, Th. 37; 38; 41; 202; 271 Clericus, J. 35; 39 Collingwood, RG. 254 Conzelmann, H. 123; 124; 125; 126; 130; 286 Crossan, J.D. 6; 15; 153; 154; 163; 213; 246; 310 CuUmann, O. 130; 286 Cupitt, D. 148 Dahl, Ν. A 120; 121; 127; 128; 129; 135; 138; 181; 204; 212; 285; 300 Dahnan, G. 89; 276 Dautzenberg, G. 133; 302 Davies, M. 20; 153; 162; 247; 258 Davies, W.D. 185 Dean, W. 199 Delobel, J. 304 Demke, Chr. 133; 213; 300 Dibelius, M. 88; 99; 101; 104; 105; 106; 113; 283 Diem, H. 120 Dodd, Ch.H. 181; 284 Downing, F.G. 157; 311

343 Drews, Α. 66; 88; 280 Droysen, J.G. 33; 34; 64; 203; 207 Duhm, Β. 54 Eichhorn, Α. 81; 82 Eisenmenger, A 76 Eisler, R. 199 Erasmus 30; 31; 38; 72 Ernst, J. 310 Evang, M. 110 Evans, C. A. 12; 315 Everling, O. 83 Faber, K.-G. 25; 45; 46; 138 Falk, Η. 151 Fander, M. 187 Ferrarotti, F. 193 Fichte 65 Floris, E. 204 Flusser, D. 150 Fowl, St. 164; 165; 212; 213 France, R.T. 135; 300; 303 Freud, W.H.C. 219 Freyne, S. 255 Fuchs, E. 121 Fuller, R.H. 117; 128; 290; 300 Funk, R.W. 5; 146; 155; 156 Gabler, J.Ph. 41; 272 Gager, J.G. 131; 137; 296 Gamber, Κ. 134; 202; 305 Gawlick, G. 37; 41; 271 Geliert, C.F. 48 Georgi, D. 49; 64; 123; 124 Gerdes, H. 100; 118 Gnilka, J. 9; 156; 159; 160; 310; 311 Goergen, D. 155 Goethe, J.W. von 43; 48; 49 Goguel, M. 67; 84; 146; 283 Goppelt, L. 134; 145; 266; 297 Grant, M. 301 Greshake, G. 103 Grimm, J. und W 47; 48; 49 Grisebach, E. 50 Gunkel, H. 54; 75; 81; 82; 83; 104 Haenchen, E. 199 Hagner, D.A. 149

Hahn, F. 120; 127; 133; 157; 202; 282; 287 Hamann 48; 49 Hamack, A. 90; 276 Harvey, Α.E. 135; 152; 153; 158; 159; 195; 196; 202; 203; 209; 210; 302; 305 Harvey, V.Α. 117 Hase, Κ. 51; 52 Hauck, F. 195 Hedrick, C.W 4; 148 Hegel, G.F. 44; 52; 73; 74 Heine, RE. 219; 222; 223; 227 Heinrich, J.B. 59; 274 Heitmüller, W 84; 88; 281 Hengel, M. 135; 156; 313 Herder, J.G. 46; 47; 48 Herrmann, W 100 Higgins, AJ.B. 303 Hoffinann, D.M. 55 Hoheisel, K. 74; 75; 78; 94; 95 Holeczek, H. 30; 31 Holtz, T. 125; 163; 164; 310 Holtzmann, HJ. 53; 81; 86; 91; 279; 280 Hooker, M.D. 9; 125; 129; 132; 137; 208; 250; 294 Hoover, R.W 5; 155; 156 Horn, F.W 162; 311 Hornig, G. 38; 40; 209 Hübner, K. 192; 198 Humboldt, W von 46; 65 Humphreys, R. St. 199; 215 Jaspers, K. 267 Jaspert, B. 101; 102; 108; 109; 110; 113 Jensen, A 219; 220; 221; 229; 232 Jensen, Ρ 66; 280 Jeremias, J. 3; 16; 118; 169; 170; 266; 294 Jülicher, A 53; 56; 62; 88; 89; 91; 92; 277; 279; 280 Kahler, M. 99; 100; 102; 118; 266 Kahlert, Η 47; 51; 52; 53; 55; 58; 97 Kalthoff, A 50; 52; 55; 66; 78; 280 Kant, I. 49

344 Käsemann, E. 3; 5; 6; 17; 21; 24; 116; 118; 119; 120; 122; 125; 126; 127; 128; 130; 131; 132; 157; 160; 284; 293; 298; 299; 313 Kautsky, K.J. 66 Kealy, S.P. 119 Keck, L.E. 142 Kee, H.C. 130; 293 Keim, Hl. 52; 89; 274 Kellermann, B. 278 Kertelge, K. 297; 310 Kessler, E. 33; 68 Klausner, J. 149; 194; 279 Knape, J. 29; 30; 270; 271 Koch, K. 54; 138; 293; 313 Kolbing, P. 55; 56 Körner, J. 103 Köster, H. 195 Kraus, H.-J. 76 Kümmel, W.G. 117; 119; 131; 132; 133; 152; 266; 289; 292 Labriolle, P. de 219 Lakatos, 1. 207 Landfester, R. 32 Lange, D. 51; 137; 298 Lange, N.R.M. 70 Lapide, P. 23; 24; 64 Latourelle, R. 134; 135; 137; 296 Lee, B.J. 155; 162; 172; 173; 199; 210; 211; 310 Lehmann, M. 124; 125 Leibniz, G.W. 42; 235 Lemonon, J. 255 Lessing, G.E. 48; 49; 233; 234; 235; 237; 238; 240; 241; 269 Liebeschütz, H. 54; 72; 73; 74 Lintzel, M. 193 Locke, J. 35; 36; 68 Lohse, E. 134; 136; 288 Lührmann, D. 2; 8; 9; 19; 57; 124; 133; 138; 298 Lukacs, G. 63 Luther, M. 34; 71; 72; 240; 270; 294; 313 Luz, U. 24; 198 Maier, G. 135 Maier, J. 148; 149; 150

Manson, T.W. 246 Marquardt, F.W 157 Marrou, H.-I. 206; 214; 215 Marxsen, W. 130; 131; 178; 287 Massey, M.Ch. 50 McArthur, H.K. 117; 128; 132; 134; 289 McEleney, N.J. 129,295 Mealand, D.L. 129; 301 Meier, J.P. 146; 153; 154; 161; 162; 164; 313 Meinecke, F. 42; 43; 44; 55; 252 Melville, G. 8; 29; 31 Merk, O. 34; 39; 82 Merkel, H. 313 Merz, Α. 156; 185; 189; 258 Meshorer, Y. 255 Meyer, Β.F. 155; 209; 210; 313 Meyer, E. 54; 59 Michaelis, J.D. 49 Michaelis, W. 123; 124 Miliar, A. 159; 196; 305 Mödritzer, H. 185; 200 Moore, G.F. 61; 76; 77 Morgan, Th. 36; 37; 38; 72; 73; 271 Mostert, W 71 Moule, Ch.F.D. 128; 291 Muhlack, U. 29; 31; 36; 43 Murray, S.Ch. 171 Mussner, F. 137; 181; 213; 297 Neill, St. 4; 69; 81; 103; 145; 152; 156 Neumann, A. 10; 67; 278 Newton, I. 34 Niebuhr, B.G. 79 Niederwimmer, K. 3; 136; 139; 292 Ninck, J. 56; 90; 278 Nipperdey, Hi. 25; 192 Ockham, W. 64 Oelkers, J. 64 Ogden, S.M. 117 Orr, J. 36; 37; 69; 72; 73 Otto, R. 51; 58; 106; 107; 283 Patterson, S.J: 242 Paulsei, H. 82; 94 Payne, Ph.B. 124 Pelikan, J. 49

345 Perrin, Ν. 17; 126; 134; 246; 291; 292; 294; 296 Petrarca, F. 33; 68 Pfeiffer, R. 32 Pleitner, Η. 1; 65; 66; 81; 86; 91; 92; 98 Polya, G. 207 Preuschen, E. 57 Rade, M. 82; 101; 102; 108; 109; 113 Ranke, L. von 44; 64; 79; 206 Reble, A. 46 Reimarus, H.S. 1; 8; 36; 39; 40; 41; 42; 60; 73; 147; 209; 272 Renan, E. 55; 274 Reventlow, H. 34; 37; 38; 39; 41; 68; 69; 72 Riehes, J. 152; 153; 159; 194; 196; 305 Richter, J.P.F. 46; 283 Riesner, R. 129; 137; 160; 303 Ritsehl, D. 237 Ritter, A.M. 219 Robinson, J.M. 2; 117; 140; 202 Ruether, R. 95 Rürup, R. 70 Sanders, E.P. 20; 149; 152; 153; 157; 161; 162; 164; 166; 172; 193; 194; 200; 208; 215; 247; 258; 306 Sandmel, S. 150 Sato, M. 218 Sauer, J. 132; 314 Scheffler, J. 64 Schelling, F.WJ. von 52 Scheuer, H. 64 Schildenberger, J. 38 Schille, G. 179; 181; 213 Schillebeeckx, E. 131; 178; 298; 313 Schiller, F. von 48; 49 Schilson, A. 235 Schleiermacher, F.D.E. 46; 47; 50; 51; 52; 57; 74; 76; 298 Schmidt, J.M. 93 Schmidt, K.L. 99; 103; 104; 105; 106 Schmidt-Biggemann, W 41 Schmiedel, P.W 24; 60; 66; 67; 81; 82; 83; 84; 85; 86; 87; 88; 89; 97; 100; 101; 102; 247; 277; 278; 291

Schneider, J. 123 Scholder, K. 33; 34; 35; 36; 46; 79; 80 Schöllgen, G. 220 Schottroff, L. 138; 301 Schürer, E. 77 Schürmann, H. 129; 133; 135; 158; 214; 299; 304 Schweitzer, A. 1; 2; 88; 96 Schweizer, E 3; 74; 123; 309 Schwemer, A.M. 313 Schwemer, U. 157 Schwinge, G. 195 Scott, B.B. 147 Segal, A.F. 161; 308 Seigel, J.P 51 Semler, J.S. 39; 40; 42; 209 Setz, W 30; 32 Shaftesbury, A.A.C. (Lord) 37 Simonis, W 134; 307 Sleidan, J. 32; 270 Smend, R. 74 Soden, H. 119 Spencer, J. 72 Spinoza, B. de 37 Stanton, G.N. 145 Stegemann, H. 157 Stegemann, W 103; 113; 138; 301 Stein, R.H. 133; 211; 303 Stenger, W 4; 210 Stove, E. 33; 35; 65 Strauß, D.F 51; 52; 54; 55; 60; 79; 273; 298 Strecker, G. 272; 305 Sullivan, RE. 36 Teeple, H.M. 128; 290; 303 Theissen, G. 14; 156; 157; 164; 185; 187; 189; 200; 219; 237; 245; 258; 263; 308 Thoma, C. 70 Thüsing, W 133; 202; 212 Thyen, H. 111 Tindal, M. 38 Toland, J. 36; 72 Tracy, J.D. 32 Trevett, Chr. 219; 221; 222; 225; 227; 230; 231 Trilling, W 137; 290 Troeltsch, E. 52

346 Turner, H.E.W. 124; 130; 289 Turner, ILS. 63; 66 Valla, L. 30; 31; 32; 34 Vansina, J. 166 Vatke, W. 74; 82; 87 Verheule, A.F. 52; 82; 92; 94; 97 Vermes, G. 151 Victor, Hugo von St. 30 Vielhauer, Ph. 105 Vogler, W 149 Vôgtle, A. 133; 202 Walter, P. 38 Watt, I. 63 Weber, F. 61; 76 Weber, M. 138 Weidel, K. 53; 57 Weinel, H. 60; 65; 85; 88; 90; 91; 280; 281

Weiss, J. 56; 86; 87; 88; 90; 93; 276; 280 Wellhausen, J. 52; 53; 61; 74; 75; 76; 82; 87; 104; 115 Wenham, D. 303 Wernle, P. 61; 62; 83; 96; 112; 113; 277 Wessel, L.P. 235 Wette, W.M.L. 54; 74; 273 Whiston, W 73 White, H. 198 Widman, G. 32; 270 Wilder, A.N. 158; 305 Winten, A.P. 162; 164; 165; 312 Wrede, W 53; 79; 81; 82; 83; 86; 108 Wright, T. 4; 69; 81; 103; 145; 152; 156 Wünsche, A. 89; 275 Zahrnt, H. 129; 134; 139; 287

STELLENREGISTER (AUSWAHL)

Altes Testament Gen 2,12ff 231 Jes 63,9 230 Jer 31,3 Iff 231 Ez 9,4-6 197 Ez ll,19f 231 Ez 18,31 231 Ez 36,26 231

Neues Testament Mt 3,Iff 255 Mt 3,10 189 Mt 3,14 248 Mt 5,3 169 Mt 5,17 211 Mt 5,23f 13 Mt 5,3 If 7 Mt 5,32 16; 186 Mt 5,39 187 Mt 6,24 190 Mt 8,1 Of 244; 256 Mt 8,2If 184 Mt ll,2ff 245 Mt 11,5 85 Mt 11,5f 67 Mt 11,7 14 Mt ll,12f 257 Mt ll,18f 190 Mt 11,19 248 Mt ll,20ff 245 Mt 11,20-24 245 Mt 11,27 179 Mt 11,28 245 Mt 12,22ff 245 Mt 12,24 247; 248 Mt 12,28 248; 256 Mt 12,32 67; 85 Mt 13,3 If 182 Mt 14,Iff 255 Mt 15,24 182 Mt 16,5-12 67; 85 Mt 17,23ff 13

347 Mt Mt Mt Mt Mt Mt

18,3 205 19,9 16 19,28 178 22,7 181 28,18 179 28,20 221

Mk 1,4 255 Mk 1,9-11 248 Mk 2,15-17 182 Mk 2,27 169 Mk 3,21 67; 85; 177 Mk 3,31-35 67; 85 Mk 4,13ff 181 Mk 4,30-32 182 Mk 6,5 67 Mk 6,5-6 85 Mk 6,14 248 Mk 7, Iff 190 Mk 7,15 115; 183 Mk 8,12 67; 85 Mk 8,34 197 Mk 10,10-12 7; 16; 186 Mk 10,15 205 Mk 10,17f 178 Mk 10,17ff 179 Mk 10,18 67; 85 Mk 11,15-19 199 Mk 12,13ff 190 Mk 12,13-17 200 Mk 12,18ff 190 Mk 12,28ff 177 Mk 13 7 Mk 13,32 67; 85 Mk 14,25 142 Mk 15,34 67; 85

Joh 6,63 228 Joh 8,44 70 Joh 10,1-5 181 Joh 15,26-16,2 229 Joh 16,14 227 Joh 20,22f 228 Apg 1,22 248 Apg 10,37 248 Apg 11,7 184 Rom l,3f 258 IKor l,18ff 248 IKor 7,10f 7; 13; 16; 186 IKor 9,14 13 IKor ll,17ff 13 IKor 13,8ff 220 2Kor 5,16 13 Phil 3,2ff 71 lTim 2,12 223 lJoh 5,16f 228 Apk 17,16 228 Apk 19,18.21 228 Apk 21,Iff 222

Frühchristliche Schriften Athenagoras, Supplie. 9,1 231 Cyprian ep. 75,7 224 Didache 16 7

Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk Lk

9,60 187 13,Iff 185 13,6-9 189 13,18f 182 13,3If 255 15,Iff 182 16,18 7 23,6ff 255

Joh 1,29 247 Joh l,32ff 248 Joh 4,22 70

Epiphanius von Salamis pan. 48,1-13 222; 223 pan. 48,2.4 220; 224 pan. 48,2.4ff 221 pan. 48,2,1 224 pan. 48,2,Iff 221 pan. 48,4,1 231 pan. 48,11 230 pan. 48,11,4 227 pan. 48,13,1 221 pan. 49,1 221; 224; 232 pan. 49,1-3 221

348 pan. 49,1,3 221 Euseb von Cäsarea KG Π,25,5-7 222 KG ΠΙ,31,3 223 KG m,37,1 223 KG ΠΙ,39,4 229 KG ΠΙ,39,9 223 KG ΠΙ,39,15 229 KG V,16-17 222; 223 KG V,16,1 219 KG V,16,4 223 KG V,16,7 230; 231 KG V,16,17 224 KG V,17,2 223 KG V,17,3 223; 230 KG V,18 222 KG V,18,2 224 KG V,18,5 223 KG V,18,11 220 KG V,18,13 224 KG VI,20,3 222; 223 Hebräer-Evangelium 2 248 Hermas mand IV, 1,6b. 10. 7 Hippolyt réf. Vm,19 222; 227

réf. VIE,19,1.5 223 réf. Χ, 25-26 222

Irenenäus adv. haer. 111,1,12 227 Kyrill ν. Jerusalem, Catechesis 16 219 Oden Salemos 6, If 231 Orígenes c.Cels. 7,9 226 Ps-Tertullian adv.haer. 7 227 Tertullian anima 55,5 224; 228 fug. 9,4 224 pud. 21,7 219; 224; 228 resurr. mort. 11,2 228 Thomas-Evangelium 20 182

Sonstige antike Schriften Horn. Hymn. 3,184f 231 Josephus Ant. 18,35 255 Ant. 18,35ff 187 Ant. 18,36-38 187; 255 Ant. 18,55-59 255 Ant. 18,62.64 255 Ant. 18,63-64 15 Ant. 18,87-89 255 Ant. 18,101-105 255 Ant. 18,116-119 255 Bell. 2,169-177 255 Bell. 2,169ff 187 Tacitus Hist. V,9 198

NOVUM TESTAMENTUM ET ORBIS ANTIQUUS (ΝΤΟΑ)

Bd. 1

MAX KÜCHLER, Schweigen, S c h m u c k u n d Schleier. Drei n e u t e s t a m e n t l i c h e Vorschriften zur Verdrängung der Frauen auf dem Hintergrund einer frauenfeindlichen Exegese des Alten Testaments im antiken J u d e n t u m . XXII+542 Seiten, 1 Abb. 1986. [vergriffen]

Bd. 2

MOSHE WEINFELD, The Organizational Pattern and the Penal Code of the Qumran Sect. A Comparison w i t h Guilds and Religious Associations of the Hellenistic-Roman Period. 104 Seiten. 1986.

Bd. 3

ROBERT WENNING, Die Nabatäer - Denkmäler u n d Geschichte. Eine Bestandesa u f n a h m e des archäologischen Befundes. 360 Seiten, 50 Abb., 19 Karten. 1986. (vergriffen]

Bd. 4

RITA EGGER, Josephus Flavius u n d die Samaritaner. Eine terminologische U n t e r s u c h u n g zur Identitätsklärung der Samaritaner. 4+416 Seiten. 1986.

Bd. 5

EUGEN RUCKSTUHL, Die literarische Einheit des Johannesevangeliums. Der gegenwärtige Stand der einschlägigen Forschungen. Mit e i n e m Vorwort von Martin Hengel. XXX+334 Seiten. 1987

Bd. 6

MAX KÜCHLER/CHRISTOPH UEHLINGER (Hrsg.), Jerusalem. Texte - Bilder Steine. Im N a m e n von Mitgliedern u n d F r e u n d e n des Biblischen Instituts der Universität Freiburg S c h w e i z herausgegeben... z u m 100. Geburtstag von Hildi + O t h m a r Keel-Leu. 238 S., 62 Abb.; 4 Taf.; 2 Farbbilder. 1987

Bd. 7

DIETER ZELLER (Hrsg.), M e n s c h w e r d u n g Gottes - Vergöttlichung von Menschen. 8+228 Seiten, 9 Abb., 1988.

Bd. 8

GERD THEISSEN, Lokalkolorit u n d Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition. 10+338 Seiten. 1989.

Bd. 9

TAKASHI ONUKI, Gnosis u n d Stoa. Eine U n t e r s u c h u n g z u m A p o k r y p h o n des Johannes. X+198 Seiten. 1989.

Bd. 10

DAVID TROBISCH, Die E n t s t e h u n g der Paulusbriefsammlung. S t u d i e n zu den Anfängen christlicher Publizistik. 10+166 Seiten. 1989.

Bd. 11

HELMUT SCHWIER, Tempel u n d Tempelzerstörung. U n t e r s u c h u n g e n zu den theologischen u n d ideologischen Faktoren im ersten jüdisch-römischen Krieg (66-74 n. Chr.). XII+432 Seiten. 1989.

Bd. 12

DANIEL KOSCH, Die eschatologische Tora des Menschensohnes. Untersuchungen zur Rezeption der Stellung Jesu zur Tora in Q. 514 Seiten. 1989.

Bd. 13

JEROME MURPHY-O'CONNOR, O.P., The Ecole Biblique and the New Testament: A Century of Scholarship (1890-1990). With a Contribution by Justin Taylor, S.M. VIII + 210 Seiten. 1990.

Bd. 14

PIETER W. VAN DER HORST, Essays on the Jewish World of Early Christianity. 260 Seiten. 1990.

Bd. 15

CATHERINE HEZSER, Lohnmetaphorik und Arbeits welt in Mt 20, 1-16. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg im Rahmen rabbinischer Lohngleichnisse. 346 Seiten. 1990.

Bd. 16

IRENE TAATZ, Frühjüdische Briefe. Die paulinischen Briefe im Rahmen der offiziellen religiösen Briefe des Frühjudentums. 132 Seiten. 1991.

Bd. 17

EUGEN RUCKSTUHL/PETER DSCHULNIGG, Stilkritik und Verfasserfrage im Johannesevangelium. Die Johanneischen Sprachmerkmale auf dem Hintergrund des Neuen Testaments und des zeitgenössischen hellenistischen Schrifttums. 284 Seiten. 1991.

Bd. 18

PETRA VON GEMÜNDEN, Vegetationsmetaphorik im Neuen Testament und seiner Umwelt. Eine Bildfelduntersuchung. 558 Seiten. 1993.

Bd. 19

MICHAEL LATTKE, Hymnus. Materialien zu einer Geschichte der antiken Hymnologie. XIV + 510 Seiten. 1991.

Bd. 20

MAJELLA FRANZMANN, The Odes of Solomon. An Analysis of the Poetical Structure and Form. XXVIII + 460 Seiten. 1991.

Bd. 21

LARRY P. HOGAN, Healing in the Second Temple Period. 356 Seiten. 1992.

Bd. 22

KUN-CHUN WONG, Interkulturelle Theologie und multikulturelle Gemeinde im Matthäusevangelium. Zum Verhältnis von Juden- und Heidenchristen im ersten Evangelium. 236 Seiten. 1992.

Bd. 23

JOHANNES THOMAS, Der jüdische Phokylides. Formgeschichtliche Zugänge zu Pseudo-Phokylides und Vergleich mit der neutestamentlichen Paränese XVIII + 538 Seiten. 1992.

Bd. 24

EBERHARD FAUST, Pax Christi et Pax Caesaris. Religionsgeschichtliche, traditionsgeschichtliche und sozialgeschichtliche Studien zum Epheserbrief. 536 Seiten. 1993.

Bd. 25

ANDREAS FELDTKELLER, Identitätssuche des syrischen Urchristentums. Mission, Inkulturation und Pluralität im ältesten Heidenchristentum. 284 Seiten. 1993.

Bd. 26

THEA VOGT, Angst und Identität im Markusevangelium. Ein textpsychologischer und sozialgeschichtlicher Beitrag. 288 Seiten. 1993.

Bd. 27

ANDREAS KESSLER/THOMAS RICKLIN/GREGOR WURST (Hrsg.), Peregrina Curiositas. Eine Reise durch den orbis antiquus. Zu Ehren von Dirk Van Damme. X + 322 Seiten. 1994.

Bd. 28

HELMUT MÖDRITZER, Stigma und Charisma im Neuen Testament und seiner Umwelt. Zur Soziologie des Urchristentums. 344 Seiten. 1994.

Bd. 29

HANS-JOSEF KLAUCK, Alte Welt und neuer Glaube. Beiträge zur Religionsgeschichte, Forschungsgeschichte und Theologie des Neuen Testaments. 320 Seiten. 1994.

Bd. 30

JARL E. FOSSUM, The Image of the invisible God. Essays on the influence of Jewish Mysticism on Early Christology. X + 190 Seiten. 1995.

Bd. 31

DAVID TROBISCH, Die Endredaktion des Neuen Testamentes. Eine Untersuchung zur Entstehung der christlichen Bibel. IV + 192 Seiten. 1996.

Bd. 32

FERDINAND ROHRHIRSCH, Wissenschaftstheorie und Qumran. Die Geltungsbegründungen von Aussagen in der Biblischen Archäologie am Beispiel von Chirbet Qumran und En Feschcha. XII + 416 Seiten. 1996.

Bd. 33

HUBERT MEISINGER, Liebesgebot und Altruismusforschung. Ein exegetischer Beitrag zum Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft. XII + 328 Seiten. 1996.

Bd. 34

GERD THEISSEN / DAGMAR WINTER, Die Kriterienfrage in der Jesusforschung. Vom Differenzkriterium zum Plausibilitätskriterium. XII + 356 Seiten. 1997

UNIVERSITÄTSVERLAG FREIBURG SCHWEIZ VANDENHOECK & RUPRECHT GÖTTINGEN

ORBIS BIBLICUS ET ORIENTALIS (eine Auswahl)

Bd. 2 5 / 1

MICHAEL LATTKE: Die Oden Salomos in ihrer Bedeutung für Neues Testament und Gnosis. B a n d I. Ausführliche Handschriftenbeschreibung. Edition mit deutscher Parallel-Übersetzung. Hermeneutischer Anhang zur gnostischen Interpretation der Oden Salomos in der Pistis Sophia. X I - 2 3 7 Seiten. 1979.

Bd. 2 5 / l a MICHAEL LATTKE: Die Oden Salomos in ihrer Bedeutung für Neues Testament und Gnosis. Band Ia. Der syrische Text der Edition in Estrangela Faksimile des griechischen Papyrus Bodmer XI. 6 8 Seiten. 1980. Bd. 2 5 / 2 MICHAEL LATTKE: Die Oden Salomos in ihrer Bedeutung für Neues Testament und Gnosis. Band II. Vollständige Wortkonkordanz zur handschriftlichen griechischen, koptischen, lateinischen und syrischen Überlieferung der Oden Salomos. Mit einem Faksimile des Kodex N. X V I - 2 0 1 Seiten. 1979. Bd. 2 5 / 3

MICHAEL LATTKE: Die Oden Salomos in ihrer Bedeutung für Neues Testament und Gnosis. Band III. X X X I V - 4 7 8 Seiten. 1986.

Bd. 52

MIRIAM LICHTHEIM: Late Egyptian Wisdom Literature in the International Context. A Study of Demotic Instructions. X - 2 4 0 Seiten. 1983.

Bd. 58

ODO CAMPONOVO: Königtum, Königsherrschaft und Reich Gottes in den Frühjüdischen Schriften. X V I - 4 9 2 Seiten. 1984.

Bd. 61

HELMUT ENGEL: Die Susanna-Erzählung. Einleitung, Übersetzung und Kommentar zum Septuaginta-Text und zur Theodition-Bearbeitung. 205 Seiten + Anhang 11 Seiten. 1985.

Bd. 76

JOZE KRASOVEC: La justice (Sdq) de Dieu dans la Bible hébraïque et l'interprétation juive et chrétienne. 4 5 6 pages. 1988.

Bd. 90

JOSEPH HENNINGER: Arabica varia. Aufsätze zur Kulturgeschichte Arabiens und seiner Randgebiete. Contributions à l'histoire culturelle de l'Arabie et de ses régions limitrophes. 5 0 4 Seiten. 1989.

UNIVERSITÄTSVERLAG FREIBURG SCHWEIZ VANDENHOECK & RUPRECHT GÖTTINGEN

BIBLISCHES INSTITUT DER UNIVERSITÄT FREIBURG SCHWEIZ

Nachdem Sie das Diplom oder Lizentiat in Theologie, Bibelwissenschaft, Altertumskunde Palästinas/ Israels, Vorderasiatischer Archäologie oder einen gleichwertigen Leistungsausweis erworben haben, ermöglicht Ihnen ab Oktober 1997 ein Studienjahr (Oktober Juni), am Biblischen Institut in Freiburg in der Schweiz ein

Spezialisierungszeugnis BIBEL UND ARCHÄOLOGIE (Elemente der Feldarchäologie, Ikonographie, Epigraphik, Religionsgeschichte Palästinas/Israels)

zu erwerben. Das Studienjahr wird in Verbindung mit der Universität Bern (25 Min. Fahrzeit) organisiert. Es bietet Ihnen die Möglichkeit, eine Auswahl einschlägiger Vorlesungen, Seminare und Übungen im Bereich "Bibel und Archäologie" bei Walter Dietrich, Othmar Keel, Ernst Axel Knauf, Max Küchler, Silvia Schroer und Christoph Uehlinger zu belegen; «®·

diese Veranstaltungen durch solche in Ägyptologie (Hermann A. Schlögl, Freiburg), Vorderasiatischer Archäologie (Markus Wäfler, Bern) und altorientalischer Philologie (Pascal Attinger, Esther Fliickiger, beide Bem) zu ergänzen;

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die einschlägigen Dokumentationen des Biblischen Instituts zur palästinisch-israelischen Miniaturkunst aus wissenschaftlichen Grabungen (Photos, Abdrücke, Kartei) und die zugehörigen Fachbibliotheken zu benutzen;

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mit den großen Sammlungen (über lO'OOO Stück) von Originalen altorientalischer Miniaturkunst des Biblischen Instituts (Rollsiegel, Skarabäen und andere Stempelsiegel, Amulette, Terrakotten, palästinische Keramik, Münzen usw.) zu arbeiten und sich eine eigene Dokumentation (Abdrücke, Dias) anzulegen;

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während der Sommerferien an einer Ausgrabung in Palästina / Israel teilzunehmen, wobei die Möglichkeit besteht, mindestens das Flugticket vergütet zu bekommen.

Um das Spezialisierungszeugnis zu erhalten, müssen zwei benotete Jahresexamen abgelegt, zwei Seminarscheine erworben und eine schriftliche wissenschaftliche Arbeit im Umfange eines Zeitschriftenartikels verfaßt werden. Interessenten und Interessentinnen wenden sich bitte an den Curator des Instituts: Prof. Dr. Max Küchler, Biblisches Institut, Universität, Miséricorde CH-1700 Freiburg / Schweiz

Fax +41 - (0)26 - 300 9754