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German Pages 832 Year 1944
BUNDESARCHIV
Koblenz, im September 1956 D as Bundesarchiv schließt mit dem jetzt vorgelegten Band XIV die Herausgabe der im Winter 1918/19 vou den Kriegsgeschichtlichen Abtei¬ lungen des Generalstabes des Feldheeres1) begonnenen, später vom Reichs¬ archiv fortgeführten und von der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt des Heeres im Herbst 1944 vollendeten Darstellung des ersten Weltkrieges ab. Alle Mitarbeiter an dem Gesamtwerk werden im „Schlußwort" der
Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt (S. 792 f.) namentlich angeführt. Danach lag die Verantwortung 'für das Gesamtwerk bei dem jeweiligen Präsidenten, also zuletzt bei Professor W. Foerster; die Leitung für die Bände X—XIV hatte Direktor Th. v. S c h ä f e r inne. In einer beson¬
deren Veröffentlichung sollte noch ein zusammenfassender Überblick als Auszug aus dem Gesamtwerk, gewissermaßen eine kurzgefaßte Geschichte des ersten Weltkrieges, gegeben werden, doch ist man über gewisse Vor¬
arbeiten und Anfänge nicht hinausgekommen2). Der im Frühjahr 1956 vom Bundesarchiv zum Druck beförderte Band
XIII des Weltkriegswerkes stellte den Nachdruck eines im April 1943 in
beschränkter Auflage mit dem Erscheinungsjahr 1942 herausgegebenen und damals „nur zum Dienstgebrauch" vorgesehenen Werkes dar. Dagegen ist der Band XIV vor dem Zusammenbruch nicht mehr veröffentlicht worden.
Er wurde 1943 zum Satz gegeben Und im Laufe des Jahres 1944 ausgedruckt.
Vom Reindruck sind einige Dutzend Stücke in- ausgedruckten Rohbogen erhalten, die bei der Firma Leipziger Druckhaus in Leipzig lagern. Sie *) Durch Vfg. v. 18. 10. 1918 wurde erstmalig die Errichtung einer Kriegsgeschicht¬ lichen Abteilung beim Chef des Generalstabes des Feldheeres befohlen „zur Fortführung der begonnenen Arbeiten über die Geschichte des Weltkrieges". Sie wurde Ende Januar 1919 umgebildet und erweitert zu drei Kriegsgeschichtlichen Abteilungen mit verschiedenen Arbeitsgebieten. Dazu trat im Februar 1919 die ehemalige Prüfungs¬ stelle für Kriegsakten als vierte Kriegsgeschichtliche Abteilung. 2) Auskunft von Professor W. Foerster
tragen ebenso wie Band XIII den Vermerk „Nur zum Dienstgebrauch"3). Die Titelseiten waren abweichend von den früheren Bänden nur einfarbig
gedruckt. Durch fotomechanischen Nachdruck eines im Bundesgebiet greif¬ baren Stückes konnte die hier vorgelegte Veröffentlichung in der erforder¬ lichen Auflagenhöhe gewonnen werden4). Aus der dem Band XIII s. Zt. von
der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt vorangestellten „Einführung zum XIII. und XIV. Bande" ist ersichtlich, daß für den Zeitabschnitt vom
Juli 1917 bis November 1918 ursprünglich drei Bände vorgesehen waren; sie mußten aber infolge der durch den zweiten Weltkrieg geschaffenen besonderen Lage in zwei Bänden zusammengedrängt werden. Daraus er¬ klärt sich, daß der Band XIV einen Umfang angenommen hat, der mit
793 Textseiten weit über den eines jeden der früheren Bände hinausgeht.
Nach Vorlagen, die sich bei Professor W. Foerster und General d. Inf. a.D. H. Metz befanden, sind die Karten-Vervielfältigungen wieder wie beim Band XIII im Schwarz-Weiß-Druck gefertigt worden. Der entspre¬ chende Hinweis im Haupttitel zu Band XIV sowie ein gesondert beigefügtes Titelblatt nebst Inhaltsverzeichnis für die Beilagen lassen erkennen, daß bereits 1944 die Absicht bestand, die umfangreichen Beilagen in einem gesonderten Bande herauszubringen. Das Bundesarchiv hat sich in der vor¬ liegenden Ausgabe im Interesse der Handlichkeit der Bände diesem Ver¬
fahren angeschlossen. Der Band XIV beschreibt die Vorbereitung und Durchführung der großen deutschen Offensiven im Westen 1918, die Gegenangriffe der Alliierten, den Krieg „zur Luft", Österreich-Ungarns Kriegführung im Jahre 1918, den Abschluß des Krieges durch den Waffenstillstand sowie den Rückmarsch des Westheeres in die Heimat. Es handelt sich also um einen Zeitabschnitt, bei dessen Würdigung außer den rein militärischen auch politi¬ sche Gesichtspunkte zu berücksichtigen waren. Die Behandlung vor allem
dieser politischen Ereignisse des Jahres 1918 hat bereits vor Erscheinen des Nachdruckes zu den verschiedensten Vermutungen Anlaß gegeben, ob¬ wohl bisher nur die ersten und überdies unvollständigen Druck-Fahnen bekannt geworden waren. In unserem Vorwort zum Band XIII haben wir
schon auf die kritischen Erörterungen hingewiesen, denen Mitteilungen von
Professor Dr. Fritz T. Epstein, Slawische und Zentraleuropäische Ab¬
teilung in der Library of Congress (Washington), über die Tendenz gewis3) Es fällt auf, daß die Formulierung abweicht von der in den beiden VerschlußsachenVorschriften vom 1. 10. 35 und vom 1. 8. 43 (H.Dv. 99, M.Dv. Nr. 9, L.Dv. 99) im Abschnitt 11/6/A/a festgelegten Formel „Nur für den Dienstgebrauch" (N.f.D.). — S. auch Fußnote 5. 4) Eine Anzahl von Druckfehlern wurde beim Nachdruck ausgemerzt.
ser Korrekturen in den ihm zugänglichen Druck-Fahnen des Bandes XIV zugrunde lagen5). Um so mehr war es unsere Pflicht als der jetzigen Heraus¬
geber, die Texte der Fahnen und der nachfolgenden Umbrüche unterein¬ ander und mit dem endgültigen Drucke zu vergleichen. Alle nennenswerten
Unterschiede zwischen den verschiedenen Korrekturstadien sind am Schlüs¬ se dieses Bandes in einem besonderen Nachtrag zusammengestellt worden. E i n Stück der Druck-Fahnen ist eben das, an dem Professor Fritz T.
Epstein seine Beobachtungen anstellte. Es befindet sich in der Library of Congress in Washington. Bei seiner Inventarisierung hat Professor Fritz
T. Epstein eine findbuchartige wissenschaftlich-kritische Vorbemerkung geschrieben6). Einen von der Library gefertigten Mikrofilm dieser Vor¬ bemerkung und der Fahnen konnte das Bundesarchiv nach Herstellung fotografischer Abzüge für den Textvergleich mit benutzen7). Diese Fahnen¬ abzüge sind insofern Fragment, als sie mit der Spalte 644 (— Ende des Kapitels VIII C „Das Waffenstillstandsersuchen" auf Seite 639 des nach¬ 5) Vgl. Bd. XIII Einleitung S. 4 und die dort in Fußnote 8 enthaltenen Stellenhinweise. Dazu General a. D. Dr. phil. h. c. Bernhard Schwertfeger in der „Allgemeinen Zeitung (Wormser Anzeiger)" v. 4. 10. 1950. — Zu der erwähnten Fußnote 8 im Band
XIII hat der aus Gefangenschaft zurückgekehrte Leiter des Politischen Archivs des
Auswärtigen Amtes Legationsrat Dr. J. Ullrich sich jetzt folgendermaßen geäu¬ ßert: Das Amt hatte auf Grund Ribbentropscher Richtlinien für die Zensur von Büchern, die auswärtige Angelegenheiten berührten, zu dem Bande XIII Stellung zu nehmen. Bei der Übermittlung der amtlichen Stellungnahme hat Dr. Ullrich mündlich den persönlichen Rat gegeben, den Vorschriften für die Flerausgabe derartiger Werke auszu¬ weichen durch Beschränkung der Veröffentlichung des Bandes XIII auf innerdienstliche Kreise, d. h. durch seine Ausgabe „Nur für den Dienstgebrauch". 6) Darin wird über den historischen Wert des letzten Bandes des Weltkriegswerkes u. a. ge¬ sagt:
. . By quoting in many instances from lost records, the whole volume and
especially the parts dealing with military and political developments preceding the German demand for an armistice must be regarded as extremely valuable for military as well as diplomatic research concerning the last months of the First World War, i. e. from March of 1918.
The political influence exercised by the German Supreme Command (OHL) in 1918 is ignored or minimized in an amazing manner; for instance^ the sudden dismissal of von
Kuehlmann, the Secretary of State for Foreign Affairs, at the request of the OHL is glossed over in two lines. The multiple changes made in the page-proof of the chapter dealing with measures and events of the second half of September, 1918, are due to a
frantic search for extenuating circumstances made by obvious partisans of the former Heeresleitung; they show a desparate effort to Shoulder the Civilian Government, the Reichsleitung, with as much responsibility as possible for the capitulation in November.
This volume is indispensable for research on American participation in the fighting of 1917—1918
.
.
7) Der recht unscharfe Mikrofilm hat die Seiten 244, 486, 609 und 644 des Umbruches nicht erfaßt.
stehenden Druckes) abbrechen8). Sie enthalten also nicht mehr die letzten Abschnitte, in denen gerade die ereignisreichen Monate Oktober und No¬ vember 1918 und darin auch die damalige, sich überstürzende politische Entwicklung dargestellt worden sind. Ihnen fehlen noch Titelei und Inhalts¬ verzeichnis sowie der Nachweis des Schrifttums, der Index und das Beilagen¬ werk. In der Hand des früher in der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt tätigen Ministerialrats a. D. Helmuth G r e i n e r (jetzt in Wiesbaden) be¬
findet sich ein gleiches Stück der Druck-Fahnen. Auch dieses führt wie die in Washington aufbewahrte Überlieferung nur bis zur Spalte 644 und weist
im übrigen die gleiche Unvollständigkeit auf. Es trägt den Blaustift-Vermerk „Korrekturen Präsident F o e r s t e r" mit Sichtvermerken von diesem und
von Direktor Th. v. Schäfer. Ministerialrat a. D. H. G r e i n e r besitzt
auch den größten Teil der B e i 1 a g e n; es fehlen ihm die Karten-Beilage 6
und die gedruckten Beilagen 34—39 sowie 41—45. Die in beiden Stücken der Fahnenabzüge handschriftlich oder mit Ma¬
schinenschrift, z. T. auf eingefügten Zetteln, ersichtlich gemachten Korrek¬ turwünsche stimmen in allen Einzelheiten miteinander überein.
Das nächste Stadium der Textgestaltung stellt sich dar in drei unter¬
einander gleichartigen Umbruchstücken. Die vorerwähnten Korrektur¬ wünsche sind hier schon berücksichtigt, also in den Satz aufgenommen. Diese Umbrüche enthalten den ganzen Text bis Seite 768, ferner auch Titelei und Inhaltsverzeichnis sowie Schrifttumsnachweis und Index.
Das eine Umbruchstück gehört Professor W. Foerster in Irschen¬ hausen9). Dazu liegt eine fast vollständige Beilagensammlung (mit Ausnahme der Beilage 6) mit besonderem Titel und besonderem Inhalts¬ verzeichnis vor. Das zweite ist im Besitze des Bayer ischen Haupt¬
staatsarchivs Abteilungll, des ehemaligen Heeresarchivs Mün¬ chen. Diesem war das Stück Anfang 1945 dienstlich vom damaligen Chef
der Heeresarchive überwiesen worden. Es enthält zusätzlich das eingangs
erwähnte „Schlußwort" der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt. General der Inf. a. D. Hermann M e t z in Berlin-Dahlem hatte ein drittes
Umbruchstück in Händen. Es war ihm von einem führenden ehemaligen
Angehörigen des Reichsarchivs bzw. der Kriegsgeschichtlichen Forschungs¬ anstalt des Heeres vor Jahren zu treuen Händen überlassen worden und 8) Von der Druckerei als erste Korrektur gekennzeichnet und datiert auf die Zeit vom 14. 7. 43 bis 1. 10. 43.
9) Die ersten 10 Bogen tragen rot gestempelte Daten; diese erstrecken sich vom 28. April 1944 bis zum 13. Mai 1944.
umfaßt die provisorisch gebundenen Textbogen mit dem „Schlußwort" (insgesamt 794 Seiten) sowie— in besonderer Mappe mit Titel und Inhalts¬ verzeichnis — den vollständigenBeilagenband. Einige wenige Korrekturen in diesem Stück weisen geringfügige Abweichungen von denen
der beiden vorerwähnten Uberlieferungen auf10). Text und Verbesserungen dieses dritten Stückes stellen die letzte Revision vor dem schließlichen Aus¬
druck dar11).
10) Sie sind in der „Zusammenstellung wichtiger Textveränderungen zwischen Fahnen, Um¬ brüchen und Reindruck" im Nachtrag kenntlich gemacht. n) Offenbar auf Unachtsamkeit des Druckereipersonals (Kriegsverhältnisse 1944!) zurück-, zuführen ist die Nichtbefolgung mehrerer Korrekturanweisungen. Die Ausführung der im Umbruchstadium gewünschten Korrekturen hat im Ausdruck nur noch wenige und ganz unwesentliche Verschiebungen von einer Seite zur anderen verursacht (eine Silbe
bis höchstens eine Zeile). Merkliche Veränderungen sind nur auf den Seiten 787 bis 791
infolge größerer Umstellungen im Inhaltsverzeichnis eingetreten.
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ETuc zum Dienstgebrauch!
Oberkommando des leeres
Der v)eltkrjeg Vierzehnter Vand
Der Weltkrieg 1914 bis mS
Im Auftrage des
Oberkommandos des Heeres bearbeitet und herausgegeben von der
Rriegs geschichtlichen Forschungsanftalt des -Heeres
*
Die militärischen Operationen zu Lande
Vierzehnter Band
Berlin im Jahre J944
Gedruckt bei Ernst Siegfried Mittler und Sohn
Die Kriegführung an der XVestfronr im Jahre
Mit 53 Beilagen, davon 41 Rarren und Skizzen,
in besonderem Band
D. und 2. Armee hatte, legte General vvn Kuhl^) den „fertigen Plan einer Offensive von Frelinghien—Festubert aus über Bailleul—Hazebrouck unter Deckung der rechten Flanke am Douve-Abschnitt, links am La Bassse-Kanal" vor, mit dem Ziele, die Engländer abzuschneiden, die
dicht massiert im nördlichsten Teile von Frankreich ständen. Im einzelnen führte er aus: „Nördlich und westlich ist das Meer, die denkbar ungünstigste operative Lage. Eine entscheidende Operation! Nicht zu früh einschwenken nach Norden, sondern mit tiefgestaffeltem linken Flügel immer weiter ausholen, um die Engländer abzuschneiden. Bedenken nur: die im Winter
überschwemmte Lys-Niederung ist zu überschreiten. Bor Anfang April ist diese Operation nicht durchführbar. 35Divisionen, 400 schwere Batterien sind nötig." General Ludendorsf habe dagegen eingewendet: „Schwierig¬ keit der Lys, linker Flügel mutz von vornherein südlich des La BasseeKanals vorgehen, um auch nach links aufzurollen, mehr Bewegungsfreiheit zu schaffen. Bor allem aber müssen wir spätestens Ende Februar oder
Anfang März angreifen, um dem Feinde unbedingt zuvorzukommen". Major Wetzell und Oberst Graf Schulenburg sprachen für den Angriff beiderseits von Berdun.
Am Schluß der dreistündigen Aussprache nahm General Luden-
dorff in folgendem Sinne Stellung^): „Die Lage in Rußland und Italien wird es voraussichtlich ermöglichen, im neuen Jahr einen Schlag auf dem Westkriegsschauplatz zu führen. Das beiderseitige Kräfteverhältnis wird etwa gleich sein. Es können für eine
Offensive etwa 35Divisionen und 1000 schwere Geschütze verfügbar gemacht werden. Sie werden zu einer Offensive ausreichen, eine zweite
größere Offensive, etwa zur Ablenkung, wird nicht möglich sein. Unsere Gesamtlage fordert, möglichst früh zuschlagen, möglichst Ende i) Das Folgende nach dessen Tagebuchaufzeichnung vom 11. Nov. 1917. — Orte auf Beil. I?. ") Nacl> einer Niederschrift bei der 5?gr. .Kronprinz Rupprecht,
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Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
tt.November Februar oder Anfang März, ehe die Amerikaner starke Kräfte in die Waag" schale werfen können. Wir müssen die Engländer schlagen. Auf diesen drei Leitsätzen sind die Operationen aufzubauen. Die von
der Heeresgruppe Rupprecht vorgeschlagene Operation über Hazebrouck, Deckname „St. Georg", gegen Flanke und Rücken der englischen Haupt» kräfte, ist zweifelsohne sehr wirksam, aber die Geländeschwierigkeiten sind doch sehr erheblich, vor allem aber ist dieser Angriff von der Witterung abhängig und kann nicht früh genug gemacht werden. Um Zeit zu ge¬ winnen, könnte man zuerst die Franzosen durch einen Ablenkungsangriff festhalten, etwa bei Verdun, hierbei den dortigen Bogen abschneiden und sich dann gegen die Engländer wenden. Aber dazu reichen die Kräfte und die Munition nicht aus.
Es ist zu prüfen, ob nicht weiter südlich günstigere Vorbedingungen für eine Operation gegeben sind. Insbesondere erscheint ein Angriff bei St. Quentin aussichtsreich. Nach Gewinnen der Somme-Linie Peronne— Ham könnte er unter Anlehnung der linken Flanke an die Somme weiter
in nordwestlicher Richtung vorgetragen werden und zum Aufrollen der englischen Front führen. Besonders wichtig für ein Gelingen ist es, daß
durch weittragendes Feuer und Bombengeschwader die Bahnhöfe unbenützbar und dadurch das rechtzeitige Heranführen der feindlichen operativen Reserven erschwert werden muß". Damit hatte der Erste Generalquartiermeister ausgesprochen, daß er die Engländer, nicht die Franzosen, schlagen wolle. Über die Gründe, die ihn veranlaßten, den Entscheidungsschlag gegen die Engländer zu führen, schrieb General Ludendorff nach dem Krieges: „Wir entschieden uns aus politischen^) und militärischen Gründen für die englische Front. Wir nahmen an, daß England wohl eher dem Frieden geneigt werden würde, wenn ihm selbst eine vernichtende Niederlage auf
französischem Boden beigebracht, als wenn sein Bundesgenosse Frankreich getroffen wurde. Auch wohnte dem englischen Heere nach unserer Ein¬ schätzung eine geringere operative Wendigkeit inne als dem französischen. Der Erfolg gegen die Engländer erschien also leichter und sicherer. Wir hatten aber allen Anlaß, nach den dreijährigen Ersahrungen unserer Gegner alle Umstände auszunutzen, die uns die riesenhafte Aufgabe nur irgendwie
erleichtern konnten". Der Gedanke des Angriffs bei St. Quentin bedeutete eine gewaltige
operative Erweiterung des Vorschlages der Heeresgruppe Kronprinz 1) Ludendorff: „Die überstaatlichen Mächte im letzten Fahre des Weltkrieges", S. 14. 2) Vgl. S. 4ff. und 14f.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
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Rupprecht, indem nicht mehr die Mitte, sondern der Südflügel der eng¬ lischen Front getroffen werden sollte und daran die Hoffnung geknüpft
wurde, sie in ihrer ganzen Ausdehnung aufzurollen. Es handelte sich also um eine Durchbruchsoffensive größten Ausmaßes. Beim Angriffsvorschlag der Heeresgruppe hätte man — zunächst wenigstens — mit dem englischen
Heere allein zu rechnen gehabt, der Angriff bei St. Ouentin griff bereits auf die französische Front über, deren linker Flügel damals bis zum Omignon-Bach reichte, mußte also vom ersten Tage an auch auf starke Teile
der letzteren stoßen. Gegen das kühne Unternehmen, das eine Offensive in dem nunmehr
geplanten Umfange darstellte, hatten Major Wetzell und Oberst Gras Schulenburg Bedenken. Auch sahen beide, wie es scheint, die Weisung, daß die Offensive gegen die Engländer zu führen sei, noch nicht als end¬ gültig an, und General Ludendorff selber war offensichtlich bereit, die abweichenden Ansichten nochmals zu hören. So reichte ihm Oberst Graf Schulenburg bereits am 12. November die Abschrift eines Berichtes ein, l2.N»«mb«
den er nach der Besprechung in Möns seinem Oberbefehlshaber erstattet hatte. Er empfahl darin aus den schon bekannten Gründen nochmals den Doppelangriff bei Berdun, schilderte die Schwierigkeiten eines Angriffs bei der 6. oder 2. Armee und führte dann aus: „Engländer und Franzosen werden, um einen strategischen Durchbruch von größter Bedeutung zu verhindern, alle beabsichtigten oder begonnenen Angriffe einstellen und dem Angreifer starke Reserven entgegenwerfen. Der Feind wird also gezwungen, sich da zu schlagen, wo die Oberste Heeresleitung es will. Doch ist anzunehmen, daß bei einem so weit gesteckten Ziel, wie dem strategischen
Durchbruch, die Gegenwirkung sich bald so steigert, daß der Angriff steckenbleibt und sich eine lange Dauerschlacht daraus entwickelt. ... Ich kann
aber nicht übersehen, ob wir die Mittel haben, diese Dauerschlacht durchzu¬ kämpfen". Auch Major Wetzell hatte den Gedanken des Angriffs gegen
die Franzosen noch nicht aufgegeben.
c) Denkschrift der Heeresgruppe Kronprinz Nupprecht über die Offensive gegen die Engländer.
Die verschiedenen Möglichkeiten der Offensive gegen die Engländer zu prüfen, war Ausgabe der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Be¬ teiligt wurden die Oberkommandos der 6. und 2. Armee. Das Ergebnis legte die Heeresgruppe in einer umfangreichen Denkschrift am 20.No- 20. «»»«mb«
vember der Obersten Heeresleitung vor. In der sicheren Annahme, daß die Engländer im Frühjahr die Offensive in Flandern fortsetzen würden,
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Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
LS.November dachte sie dabei nach wie vor in erster Linie an Entlastung und Sicherung 1917* der Flandern-Front^). Die Heeresgruppe blieb daher bei der bereits am II. November in
Möns durch General von Kühl vorgetragenen Ansicht, daß der nach Eintritt
günstigerer Witterung überraschend geführte Angriff an der Lys-Front (St. Georg) mit der Hauptrichtung über Estaires auf Hazebrouck gegen Flanke und Rücken der im Ypern-Bogen und westlich davon anzunehmen-
den Masse des englischen entscheidend zu schlagen, bringen und die deutsche Durchbruch durch die auf
Heeres die beste Aussicht biete, die Engländer ihre Offensive in Flandern zum Scheitern zu Anterseeboots-Basis zu schützen. Der taktische weite Strecken schwachen, auf den Boden auf-
gesetzten Stellungen sei nicht schwierig und lasse auf raschen Erfolg hoffen. Es werde für den operativ wenig geschulten, nur auf den Stellungskrieg
vorbereiteten Feind, auch mit Hilfe seiner Reserven, nicht leicht sein, sich aus der dicht zusammengedrängten Masse mit großenteils starr festgelegten Kampfmitteln schnell nach der rechten Flanke zu entwickeln und seine be¬ drohten Verbindungen zu decken. Die schwierigen Bodenverhältnisse in der nassen Lys-Niederung liehen freilich als frühesten Zeitpunkt für den Angriff Ansang April erscheinen. Das sei indessen insofern ohne Nachteil, als auch die Engländer in Flandern unter ähnlichen Geländeschwierigkeiten nicht früher anzugreifen imstande seien. An der dortigen Front könne dann unbedenklich, ohne die Unterseeboots-Basis zu gefährden, bis zur Linie Vladsloe—westlich von Roulers—Wervicq ausgewichen werden^). Einer Bedrohung der linken Flanke des Angriffs durch französische Kräfte, deren Heranführung mit der Bahn durchaus möglich erschien, müsse durch Staffelung starker Reserven hinter dem linken Flügel begegnet werden. Als Mindestmaß für die Durchführung dieser Operation berechnete die Heeresgruppe 40 voll aufgefüllte, gut ausgerüstete Divisionen, etwa 400 bis 500 schwere Batterien sowie l5 Heeres-Feldartillerie-Regimenter, also vor allem an Artillerie erheblich mehr als am 11» November von General
Ludendorff in Aussicht genommen. Die Denkschrift untersuchte dann die sonstigen im Bereich der Heeres¬ gruppe vorhandenen Angriffsmöglichkeiten. Eine Verschiebung des GeorgAngriffs nach Süden über den La Bassee-Kanal^) bis zum Höhengelände von Loretto—Houdain wurde nicht für empfehlenswert gehalten, noch 1) Die Denkschrift behandelte dabei, je nach Entwicklung der Lage und den voraus¬
sichtlichen Stärkeverhältnissen, sowohl die Möglichkeiten eines entscheidenden Angriffs wie
eines ausfallartigen Entlastungsangriffs. Die hier folgende Darstellung beschränkt sich auf inhaltliche Wiedergabe der Vorschläge für einen entscheidenden Angriff. 2) Vgl. Bd. XIII, S. 81 und dortige Beil. 4 (grüne Linie).
3) Orte auf Beil. 13
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
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weniger eine entscheidende Operation in der Gegend von Arras, wegen
der dort stark und tief ausgebauten feindlichen Stellungen: „Der Engländer hat volle Bewegungsfreiheit für die Entwicklung seiner Hauptkräfte nach Süden. Der Franzose kann mittels seines guten Bahnnetzes rechtzeitig Reserven nach der Gegend von St. Pol—südwestlich Arras heranführen.
Treten nicht besondere günstige Umstände ein, so besteht die Gefahr, daß die Operation zu einer sackartigen Ausbuchtung der Front, nicht aber zu einer Entscheidung in der Bewegungsoperation führt".
Eingehend befaßte sich die Denkschrift schließlich mit den Bedingungen und Aussichten des von General Ludendorff angeregten Angriffs im Räume von St. Quentin, also bei der 2. Armee. Die Denkschrift hob die
strategische Bedeutung dieses Angriffs hervor, maß ihm aber der räumlichen Entfernung wegen keine unmittelbare Einwirkung auf den in Flandern zu erwartenden GroßkaMpf zu. Sie erwähnte, daß er sowohl die Eng¬ länder wie die Franzosen zwingen würde, sich mit ihren Reserven dagegen zu wenden, und daß er somit die Offensivpläne beider Gegner durchkreuze: „Entscheidende Operationen bei der 2. Armee können nur zum Ziel haben,
die feindliche Front zu durchbrechen und im Bewegungskriege gegen die feindlichen Reserven möglichst entscheidende Erfolge zu erzielen. Dabei ist die Somme — ein Hindernis von seltener Stärke — als Flankenanlehnung
zu erwarten. Der Grundzug einer Operation bei der 2. Armee muß daher
sein, zunächst die feindliche Front zu durchbrechen, um die linke Flanke der Operation gegen die Franzosen zu decken und die feindliche Front nach Nordwesten auszurollen. Die Operation ist dann gegen die im Raum
zwischen der Somme und dem Pas de Calais befindlichen feindlichen Kräfte nach Nordwesten zu im Bewegungskriege weiterzuführen. Der Feind hat das Meer im Rücken. Dies bietet uns Aussicht aus durchschla¬ gende Entscheidungen, wenn die Operation weit genug vordringt. Wie
die Operation nach gelungenem Durchbruch im einzelnen weiter verlaufen wird, hängt von den Maßnahmen des Feindes ab und läßt sich nicht über-
sehen. Voraussetzung für solche Operationen sind aber starke Kräfte, wesentlich stärkere, als bei St. Georg nötig wären". Als günstig wurde bezeichnet, daß im Gebiet der 2. Armee Angriffsoperationen zu jeder
Jahreszeit möglich seien und daß der taktische Durchbruch durch die im allgemeinen nicht stark ausgebauten und zur Zeit nur schwach besetzten
feindlichen Stellungen voraussichtlich keinen großen Schwierigkeiten be¬ gegnen würde. Mit starken örtlichen Reserven des Feindes rechnete die
Heeresgruppe nicht. Nachteilig aber sei, daß nach gelungenem Durchbruch die Operation durch das beim Alberich-Rückzug zerstörte Gelände führe und das breite Stellungs- und Trichtergebiet der Somme-Schlacht zu über-
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Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive»
20.November winden habe. Auch sei das Aufrollen der feindlichen Front nach 9torf>m7, westen dadurch erheblich erschwert, daß der Angriff aus einer nach Süd¬
westen gerichteten Front erfolge und erst nach Erreichen der Somme in die strategisch wirksame Richtung eindrehen könne.
Schließlich hegte die Heeresgruppe Zweifel, ot> die von General Luden-
dorff als besonders wichtig unterstrichene Störung feindlicher Truppen¬ verschiebungen durch Beschießung der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte mit schwerem Flachfeuer und durch Bombenabwurf in hinreichendem Maße gelingen würde. Bei länger anhaltendem schlechtem Wetter würde die Mitwirkung der Flieger ausfallen. Den Engländern sei es während der
Flandern-Schlacht „weder durch Beschießung noch durch Bombenangriffe auf unsere Bahnhöfe" gelungen, den Betrieb wesentlich zu stören. Als geeignete Ausgangsstellen für den Angriff im Bereich der 2. Armee sah die Heeresgruppe sowohl die Strecke Oueant^)—Bellicourt wie auch die Strecke Bendhuille—Oise an. In beiden Fällen sollte zunächst An¬ lehnung an die Somme gewonnen und dann die Operation in nordwest¬
licher Richtung auf St. Pol geführt werden. Der Kräftebedarf wurde im elfteren Falle auf 55,im letzteren auf 50 Divisionen, im übrigen auf etwa 600 schwere Batterien und 18 Heeres-Feldartillerie-Regimenter veranschlagt. Ein zugleich mit dieser Denkschrift der Obersten Heeresleitung unter¬ breiteter Vorschlag des Generalstabschess der 2.Armee, Major Stapff, unterschied sich von dem der Heeresgruppe insofern, als er eine Reihe mehr oder minder gleichzeitig geführter Angriffsunternehmungen vorsah, von deren Ineinandergreifen der taktische Durchbruch in breiter Front erwartet wurde. Dabei sollte die Offensive von vornherein auf beiden Afern der Somme, und zwar mit dem Schwerpunkt zunächst in der Rich¬ tung auf Ham, geführt werden, um dann so weit als möglich auf Amiens vorzudringen und die Angriffsfront mehr und mehr nach Norden zu ver¬ breitern. Für den linken Flügel wurde Anlehnung an die Oise für erforder¬ lich gehalten, um den von Süden zu erwartenden französischen Gegen¬
angriffen mit möglichst geringen Kräften gewachsen zu sein. Dieser Ope¬ ration war der Deckname „St. Michael" gegeben.
2. Vis zum Jahresende 5917/58. Beilage 2,3 a und 5.
2« vq«mb«r
i9i7.
Der englische Angriff bei Eambrai am 20. November und der zehn
Tage darauf folgende deutsche Gegenangriff unterbrachen für einige Zeit die Überlegungen für die Offensive des Jahres 1918. Anmittelbare Folge x) Orte auf Beil. V.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
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jener Kämpfe war die Auflockerung der englischen Kräfteansammlung in Flandern und die Verteilung der dortigen Reserven auf die ganze englische
Front. Gleichzeitig ließen die Anfang Dezember beginnenden Verhand¬ lungen mit Rußland, die Mitte des Monats zum Waffenstillstand im
Osten führten, auf baldige Verstärkung der Westfront in weit größerem Amfang hoffen, als bisher angenommen werden konnte.
Die Heersgruppe Kronprinz Rupprecht rechnete daher jetzt nicht mehr mit der Fortsetzung der englischen Offensive in Flandern, sondern nahm an, daß Engländer und Franzosen sich im kommenden Frühjahr im ganzen defensiv verhalten, das Eintreffen starker amerikanischer Kräfte abwarten und eine große Offensive nicht vor dem Sommer wagen würden.
Damit entfielen wesentliche Voraussetzungen des bisherigen Entwurfs für die Georg-Operation: die Entlastung der deutschen Front in Flandern war nicht mehr erforderlich, und die englischen Hauptkräfte waren nicht mehr im Vpern-Bogen zu fassen.
a) Vezem ber-Denkschriften der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. In einer Eingabe vom 15. Dezember kam die Heeresgruppe Kron¬
prinz Rupprecht zu folgendem Schluß: „Steht der Gegner in Erwartung unseres Angriffs bereit, so wird der Durchbruch schwierig. Es kommt daher vor allem darauf an, irgendwo überhaupt durchzu¬ brechen. Der Durchbruch kann uns nur durch Überraschung gelingen. Er ist nur dort möglich, wo verhältnismäßig schwache Stellen uns ein abgekürztes Angriffsverfahren ermöglichen. Eine Materialschlacht, wie
sie bisher die Engländer und Franzosen versucht haben, hat keine Aussicht. Gelingt die Überraschung nicht und besteht Gefahr, daß die Operation in eine Materialschlacht ausklingt, so muß die Offensive angehalten werden, um an anderer Stelle erneut den überraschenden Durchbruch zu ver¬
suchen"^).
Im übrigen sah die Heeresgruppe nach wie vor die Lys-Front zwischen
Armentieres und dem Kanal von La Vassee als günstigste Stelle für den Durchbruch an. Man werde dort immer noch in Flanke und Rücken starker i) Am 19.Dez. 1917 schrieb Gen. von Kühl in sein Tagebuch: „Wir arbeiten unsere Entwürfe zu St. Georg (Angriff auf Armentisres) weiter aus. Man muh flüssig, wendiger werden, nicht stur an dem einen Punkt mit Gewalt durchdringen wollen: man muß mehrere
Eisen im Feuer haben. Geht es nicht durch Überraschung, dann schnell umgruppieren und anderswo angreifen. Dort aber muß alles vorbereitet sein. Schnelligkeit! Vor allem an
mehreren Punkten demonstrieren oder auch wirklich anpacken. Die englischen Durchbrüche sind immer daran gescheitert, daß sie alles auf einen Punkt zogen und dort unaufhörlich mit ihrem überlegenen Material und Personal hämmerten. Wir dann ebenso. So die
Materialschlacht! Das ist für uns ausgeschlossen".
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Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
Kräfte stoßen und den Engländern durch Inbesitznahme des Küstengebietes 2s.v«,.mb°.
Dünkirchen und durch Bedrohung von Calais einen schweren Schlag versetzen können. Der Durchbruch werde aber nur dann gelingen — und das war neu — wenn die Masse der feindlichen Reserven durch zeitlich
vorangehende Maßnahmen und Unternehmungen anderweitig gebunden sei. Hierfür komme die Ypern-Front, weil der geplanten Einbruchsstelle zu nahe, weniger in Frage als die Gegend von Cambrai, wo die Engländer,
falls sich die Lage nicht wesentlich ändere, mit deutschem Angriff rechnen würden. Der Heeresgruppe schwebte dabei freilich als Mittel zur Bindung der feindlichen Reserven an dieser Stelle nicht ein tatsächlich durchgeführter Angriff, sondern nur eine „große Demonstration" vor. Dazu sollten im
März die Vorbereitungen für eine große Offensive bei Cambrai so weit getroffen werden, daß sie dem Engländer wahrscheinlich erscheine: „Kräfte und Reserven sind tatsächlich in solchem Umfang bereitzustellen, als es mit der späteren Durchführung des Angriffs bei Armentieres vereinbar ist". Abgesehen von dieser Täuschungsmaßnahme sollten von Anfang März an im Vpern-Bogen, nördlich von Lens und bei St. Quentin mit etwa zwei
bis vier Divisionen und starker Artillerie größere Teilangriffe geführt werden, um sich die Initiative zu wahren, Angriffen des Gegners zuvorzukommen und seine Reserven abzulenken. In den nächsten Tagen ergänzte und erweiterte die Heeresgruppe diese Vorschläge. Um die Wirkung der Georg-Offensive zu erhöhen, hielt sie einen zeitlich in Einklang mit ihr stehenden Teilangriff vom Houthoulster
Wald her gegen den Vpern-Bogen für zweckmäßig. Für den Fall, daß die Georg-Offensive wider Erwarten nicht zum Erfolg führe und daher angehalten werden müsse, empfahl sie, „sofort umzudisponieren", um an anderer Stelle die Überraschung aufs neue zu versuchen: „Der Gegner ist gegen eine solche Operation sicher im Rachzug. Nutzen wir dies aus, so besteht alle Aussicht auf einen Erfolg an anderer Stelle". Der Heeres-
gruppe schien dann schnelle Kräfteverschiebung nach der Bpern-Front empfehlenswert, mehr noch eine solche mit Bahn und Fußmarsch nach der Front bei Cambrai zur überraschenden Durchführung der
Michael-Offensive. Beide Fälle seien vorzubereiten. Die MichaelOffensive käme weiter auch noch für den Fall in Betracht, daß die GeorgOffensive einen besonders günstigen Verlaus nehme und es sich darum
handle, diesen Erfolg dahin auszunutzen, „die ganze feindliche Front nördlich der Somme ins Wanken zu bringen". Angesichts der englischen Kräfteverschiebung von der Flandern- an die Somme-Front war unterdessen auf dem linken Flügel des übergroßen Frontabschnitts der 2. Armee eine besondere Armeegruppe Etreux (bis¬
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
61
herige Abschnitte St. Quentin und Oise) abgeteilt worden^). Für diese befahl die Oberste Heeresleitung am 19. Dezember den Einsatz des neu ausgestellten Armee-Oberkommandos 18; es sollte am 27. Dezember den Befehl übernehmen. In einer Eingabe vom 21. Dezember faßte die Heeresgruppe Kron¬
prinz Rupprecht ihre Ansichten über die Michael-Offensive noch einmal zusammen. Die frühere Annahme, daß die Engländer gegenüber der Front der 2. Armee künftig nur schwach ausgebaute Stellungen und wenig Re¬
serven hätten, treffe jetzt nicht mehr zu. Auch die Franzosen würden hinter ihrem linken Flügel stets stärkere Reserven bereit halten. Die Verhältnisse für einen deutschen Angriff an dieser Frontstrecke seien daher noch schwieriger geworden. Trotzdem empfahl die Heeresgruppe die Vorbereitung der Michael-Offensive nicht nur als Demonstration aus den schon dargelegten
Gründen, sondern auch als entscheidungsuchende Kampfhandlung für den Fall, „daß besonders ungünstige Wetterverhältnisse — lang anhaltende Nässe im Frühjahr — die Ausführung von St. Georg für längere Zeit
unmöglich machen sollten oder wenn dieser Angriff keine Aussicht auf
Überraschung mehr haben sollte". Auch dann aber glaubte sie, der MichaelOffensive Aussicht aus Erfolg nur unter der Voraussetzung zubilligen zu können, daß starke Teilangriffe in Flandern und die Demonstration eines großen Angriffs im Gebiet von St. Georg einen sehr erheblichen Teil der englischen Reserven von der Eambrai-Front fortzögen. Die Durchführung der Michael-Offensive dachte sich die Heeresgruppe so, daß die 2. und 13. Armee — jede etwa zwanzig Divisionen stark — aus breiter Front, von Villers-Guislain^) bis zur Oise, durch-
brechen sollten. Auf dem rechten Flügel der 2. Armee hatte eine räumlich abgesetzte Gruppe, sechs bis acht Divisionen, aus der Front Pronville— Moeuvres vorzustoßen, um im Verein mit dem von Villers-Guislain aus-
geübten Druck den gegen Eambrai vorspringenden englischen Stellungsbogen abzuschneiden. Der 2. Armee fiel die Ausgabe zu, den Durchbruch unter Anlehnung ihrer linken Flanke an die Somme westlich von Peronne
in der Richtung aus Vapaume fortzuführen und die englische Front nach Nordwesten aufzurollen. Die 13. Armee sollte den Somme-Abschnitt zwischen Peronne und Ham und den Erozat-Kanal gewinnen und die linke Flanke der Offensive decken. Zur operativen Ausnutzung war eine Reservearmee von 12 bis 15Divisionen, die später durch frei werdende Kräfte der 13. Armee vermehrt werden könnten, hinter der 2. Armee
bereitzustellen. 1) Bd. XIII, S. 142. 2) Orte auf Beil. b.
62
»i.
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
Der Eingabe fügte die Heeresgruppe Angriffsentwürfe der 6. und 2. Armee bei und ließ eine neue Ausarbeitung der 2. Armee über die
Führung der Michael-Operation folgen. Fn ihr wurde auch diesmal die Zerlegung der Offensive in eine Reihe räumlich getrennter Angriffe auf breiter Front von Bullecourt bis an die Oise, mit einem kräftigen Stoß
sogar südlich der Oise, vorgeschlagen. Der Hauptstoß sollte aus der Linie Gonnelieu—St. Quentin erfolgen. Zur Bindung der feindlichen Reserven wurden vorhergehende Ablenkungsangriffe an verschiedenen Stellen der
Westfront für erforderlich gehalten. „Die 2. Armee kämpft um die Ent¬ scheidung des Krieges">) — schrieb ihr Oberbefehlshaber, General von
der Marwitz —, „aber auch die anderen Armeen müssen mit ihren letzten Reserven kämpfen, um möglichst viele Kräfte von der entscheidenden Front abzuziehen". Vorgeschlagen wurden Demonstrationsangriffe an der Küsten¬ front, bei Dixmuiden, aus der Linie Gheluvelt (östl. von Vpern)—Warneton und bei Verdun. Die Gedankengänge der 2. Armee unterschieden sich also— wie schon der Vorschlag des Majors «,«mf>tt Für den 27. Dezember^) wurden die Generalstabschefs der drei m7' Heeresgruppen zu einer Besprechung nach Kreuznach befohlen, in der die Entscheidung endgültig zugunsten der Offensive gegen die Engländer fiel. Im einzelnen legte sich die Oberste Heeresleitung aber noch nicht fest. Die drei Generalstabschefs erhielten folgende schriftliche, nur
für sie bestimmte Weisung^): „I. Das Kräfteverhältnis an der Westfront wird sich bis Ende Februar zu unseren Gunsten verschoben haben. Wir können im März angreifen,
müssen aber jederzeit auf einen feindlichen Angriff gefaßt sein. 2. Es sind besonders vorzubereitend: Bei Heeresgruppe Nupprecht: a) Angriff gegen den Ppern-Bogen (St. Georg II), verbunden mit Durchbruch Gegend Armentivres (St. Georg I);
b) Angriff Loretto-Höhe^)—Arras (Mars); 1) Vermutlich ist etwa um diese Zeit auch das grundsätzliche Einverständnis des Kaisers eingeholt worden. Vgl. S. 15 (Brief des Genfeldm. von Hindenburg vom 7. Januar).
2) Nach Kronprinz Nupprecht von Bayern: „Mein Kriegstagebuch", S. 305, tyat ihm Gen. von Kühl folgende weitere Einzelheiten der Besprechung mitgeteilt: „Es stehen zur Zeit an der Westfront 172 deutsche Divisionen ebensovielen feindlichen Divisionen gegenüber. Von den 172 feindlichen Divisionen befinden sich 60 in Reserve zurückbehalten. Mitte Februar verfügen wir im Westen über 196 Divisionen, von denen 80 hinter der Front. Der Gegner kann sich bis zu dieser Zeit um einige bisher in Italien verwendete Divisionen verstärken. Bis Mitte Februar wird die Heeres-Feldartillerie im Westen auf 150 Abteilungen gebracht, die dort stehende schwere Artillerie um 345 Batterien vermehrt, die größtenteils aus dem Osten kommen. Der bis März zur Einstellung bereite Rekrutenjahrgang 1899 wird rund 250000 Mann betragen, außerdem rechnet man damit, monatlich 50000 Wiedergenesene einstellen zu können. Da der Iahresverlust 1917 1200000 Mann betrug, kann sonach der Ersatz für die wahrscheinlich im Jahre 1913 erwachsenden Verluste nicht als ausreichend bezeichnet werden. Schlimmer noch wie um die Frage des Mannschaftsersatzes steht es um die Frage des Pferdeersatzes. Es sind in Deutschland fast keine gebrauchsfähigen Pferde mehr vorhanden. Der monatliche Verlust an Dienst¬ pferden beträgt 20000. Man will versuchen, durch vermehrten Vau von Lastkraftwagen Abhilfe zu schaffen; es wird aber bei der starken Inanspruchnahme der Industrie sich nicht viel erreichen lassen. Auch mangelt es an Benzin. Die Zufuhr aus Rumänien ist durch
das Zufrieren der Donau wesentlich erschwert". 3) Beil. 3a. 4) Bei Lens.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
69
c) Angriff über die Front der 2. und 13. Armee (Michael), und zwar
Richtung Bullecourt—Bapaume (Michael I), Richtung nördlich St. Quentin—Peronne (Michael II), Richtung südlich St. Quentin und bei La Fere (Michael III).
Bei Heeresgruppe Deutscher Kronprinz: Ausweichen der 3. Armee — Argonnen (Hektor) und Gegenangriff der 1. Armee — Champagne (Achilles).
Bei Heeresgruppe Herzog Albrecht: Angriff aus dem Breusch-Tal (Straßburg), Abwehr im Sundgau (Belfort). 3. Es sind irrt Entwurf zu bearbeiten: Bei den Heeresgruppen Deutscher Kronprinz und Herzog Albrecht: Angriff westlich und südlich an Berdun vorbei auf Clermont—Troyon^) (Castor und Pollux). 4. Die Vorbereitungen haben schon jetzt zu beginnen und sind so zu fördern, daß sie am 10. März beendet sind". Während also der Doppelangriff bei Berdun nur im Entwurf be¬
arbeitet werden sollte und die sonstigen im Bereich der Heeresgruppen
Deutscher Kronprinz und Herzog Albrecht befohlenen Vorbereitungen nicht den Zweck hatten, dort entscheidungsuchende Angriffe großen Stils, sondern nur ablenkende Unternehmungen auszuführen, wurde die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht mit Angriffsvorbereitungen an ihrer ganzen Front beauftragt. General Ludendorff äußerte denn auch am 27. Dezember zu General von Kühl, daß bei ihm die Entscheidung liege, und der General-
feldmarschall fügte hinzu, diese Offensive müsse gelingen^). Der Heeresgruppe wurde, außer dem an diesem Tage am linken Flügel der 2. Armee neu eingesetzten Armee-Oberkommando lö (General von Hutier mit
Generalleutnant von Sauberzweig als Generalstabschef), die Überweisung des in Italien frei gewordenen Armee-Oberkommandos 14 unter General Otto von Below in Aussicht gestellt.
z. Der Januar Beilagen 2, 3 a und 5.
Für die nächste Zeit handelte es sich in erster Linie um Ausarbeitung der Angriffsentwürfe durch die Heeresgruppen und Armeen. Erschwert wurde diese Arbeit durch den Mangel an sicheren Grundlagen, da die *) An der Maas, füM. von Verdun. 2) Tagebuch des Gen. von Kühl. Am 1. Jan. 1918 wiederholte Gen. Ludendorff
dieselbe Äußerung am Fernsprecher gegenüber Gen. von Kühl.
70
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
Oberste Heeresleitung den Umfang der zur Verfügung stehenden Kräfte an Divisionen wie insbesondere auch an Artillerie, bevor der Friede mit
Rußland abgeschlossen war, nicht mit Bestimmtheit angeben konnte.
a) Erwägungen bei den Heeresgruppen Deutscher Kronprinz und Herzog Albrecht. Ziemlich schnell fiel die endgültige Entscheidung in der Frage des Doppelangriffs bei Verdun. Ein von Oberstleutnant von Klewitz,
^7 Generalstabschef der 3. Armee, vorgelegter Entwurf für den Angriff an der Argonnen-Front (Eastor) hielt trotz der schwierigen Geländeverhältnisse einen großen taktischen Erfolg und im Anschluß daran handstreichartiges Vorgehen gegen die abgeschnürte Festung Verdun für möglich. Doch wies die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz auf die „Schwäche der Operation" hin, die in ihrer Abhängigkeit vom gleichzeitigen Vorgehen aus der Front von Verdun (Pollux) lag. Dieses Vorgehen, über die
Maas hinweg, bezeichnete die Armee-Abteilung Caber als taktisch äußerst schwierig und nur bei Einsatz sehr starker Kräfte durchführbar. Der General-
stabschef der Heeresgruppe Herzog Albrecht, Oberst Heye, schloß sich dieser Auffassung an und konnte die Operation wegen des erforderlichen
hohen Kräftebedarfs auch als Ablenkungsunternehmen nicht empfehlen. General Ludendorff ließ daher bereits Mitte Januar 1918 die Weiter¬ bearbeitung des Doppelangriffs bei Verdun ganz fallen. Nicht viel anders war das Ergebnis der Überlegungen über einen
Ablenkungsangriff im Elsaß. Am 8. Januar legte General von Krafft seine von General Ludendorff erbetenen Betrachtungen zu dieser Frage vor. Er sprach sich gegen den Gedanken aus, den Angriff beiderseits des Breusch-Tales gegen die obere Meurthe zu führen, um
dann erst nach Süden den Vogesen-Kamm aufzurollen; das Gelingen des
Angriffs sei in beträchtlichem Maße auf Überraschung gegründet, mit..dem Eingreifen der südlich anstoßenden Nachbarabschnitte des Feindes müsse gerechnet werden. Einem Durchbruch an der südlichen Vogesen-Front billigte er andererseits nur bei Erweiterung des Angriffsfeldes nach Norden Erfolgsaussichten zu. Infolgedessen hielt er es für erwünscht, den Angriff
aus der ganzen elsässischen Front zu führen, bezweifelte aber, daß die hierfür erforderlichen 32Divisionen verfügbar sein würden. Zu dem gleichen Ergebnis kam am 14. Januar die Heeresgruppe Herzog Albrecht auf Grund der von den Armee-Abteilungen A und B ausge¬
arbeiteten Entwürfe (Decknamen Straßburg und Belfort). Sie berechnete den Kräftebedarf für den Angriff an der elsässischen Gesamtfront bei gleich¬
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
71
zeitiger Sicherung des Sundgaues auf rund 30 Divisionen, der sich infolge
der voraussichtlichen starken- feindlichen Gegenwirkung nach einiger Zeit noch erhöhen würde. Für einen enger begrenzten Vorstoß aus dem BreuschTal bis zur oberen Meurthe (Linie Badonviller—Col de Ste. Marie west¬
lich von Markirch) seien 16 Divisionen erforderlich. Abschließend bemerkte die Heeresgruppe, daß in den Vogesen die Wetterlage Anfang März
größere Unternehmungen erheblich erschweren würde. General Ludendorfs ordnete daraufhin am Ib. Januar zwar die Fortsetzung der Vorbereitung des Angriffs Straßburg in der erweiterten Form an, fügte aber hinzu, daß es von der Entwicklung der Gesamtlage und seinen eigenen Entschließungen hinsichtlich der Hauptoffensive ab¬ hänge, ob der Angriff überhaupt und ob er aus der weiteren oder engeren Basis geführt werden könne. Als dann der Chef des Feldeisenbahnwesens, Oberst Freiherr von Oldershausen, auf die für einen größeren Angriff
sehr ungünstigen Eisenbahnverhältnisse im Elsaß hinwies, da die Leistungs¬ fähigkeit der Iubringerlinien — zum großen Teil Gebirgs-Feldbahnen —
sehr beschränkt sei, verzichtete General Ludendorff endgültig daraus, dort einen dem Entscheidungsschlage vorangehenden Ablenkungsangriff zu führen. Am 29. Januar befahl er, den Angriff Straßburg nur noch „unter der Voraussetzung zu bearbeiten, daß ein deutscher Angriff an anderer Stelle vorangegangen und daher nur mit einem Teil der französischen
Reserven und einer geringen Verstärkung der feindlichen Front zu rechnen" sei. Der Kräftebedarf sei so zu bemessen, daß in der Front etwa die Linie Raon-l'Etape—St. Di« genommen und der Angriff des linken Flügels nach Süden in der Richtung des Vogesen-Kammes weitergeführt würde, wobei sich der rechte Flügel der Armee-Abteilung B anzuschließen habe. Auch die von der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz für den Fall eines frühzeitigen französischen Großangriffs in der Champagne vorgeschlagene und von General Ludendorff als Ablenkungsunternehmen in Erwägung gezogene Operation — Ausweichen der 3. Armee (Hektor) und Gegenangriff der 1. Armee (Achilles) — ließ sich nach eingehender Prüfung mit einem Entscheidungsschlage gegen die Engländer nicht in
Einklang bringen. Die Heeresgruppe berichtete am 13. Januar, daß dazu 48 Divisionen und fast 1000 schwere Batterien erforderlich sein würden. Selbst bei erheblichen Abstrichen glaubte sie, daß diese Kräfte und Mittel für eine Nebenoperation auch nicht annähernd zur Verfügung gestellt werden könnten. Sie schlug daher vor, von den Vorbereitungen für den Achilles-Gegenangriff Abstand zu nehmen und bei der 1. und 3. Armee
etwaigem feindlichen Großangriff soweit erforderlich auszuweichen. Soll¬ ten in beschränktem Umfange Kräfte frei werden, so könnten diese, wo sich
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
72
Gelegenheit biete, offensiv gegen den nachdrängenden Feind eingesetzt werden. Nur für solche Offensivstöße wollte die Heeresgruppe die Grund¬
lagen noch vorbereiten. General Ludendorfs behielt sich die Entscheidung zunächst vor, schloß sich aber nach seiner Frontreise^) am 24. Januar der Auffassung der Heeresgruppe an. Die Operation Hektor-Achilles sollte zwar „flüssig" erhalten werden, die Ausführung der Vorbereitungen sich aber auf die Herrichtung des Kampffeldes und seiner Verbindungen be-
schränken.
Bis Ende Januar stand somit fest, daß die Front der Heeresgruppen Deutscher Kronprinz und Herzog Albrecht für Ablenkungsunternehmungen größeren Stils nicht in Betracht kam. General Ludendorff hat sich nach
dem Kriege dahin geäußert^): „Gern hätte die Oberste Heeresleitung Ablenkungsangriffe dem Hauptangriff vorausgehen lassen, wie es der franzvsische General 93uat3) vorschlägt. Aber dazu fehlten uns, wie auch er richtig vermutet, die Kräfte und namentlich schwere Artillerie und technische Angriffsmittel. Die vorhandenen Kräfte reichten gerade, einen Angriff auf so breiter Grundlage zu führen, baß es möglich erschien, den Feind zu durchbrechen und zur Operation zu kommen". b) Vorbereitungen und Erwägungen bei der Heeresgruppe
Kronprinz Rupprecht. Von der Jahreswende an hatte das Oberkommando der Heeres-
gruppe Kronprinz Rupprecht, an deren Front die große Entscheidung gesucht werden sollte, mit der Vorbereitung der verschiedenen gegen die Engländer in Frage kommenden Angriffe begonnen. Zur Geheimhaltung vor den eigenen Truppen wurde dabei jede Armee in dem Glauben er-
halten, daß der von ihr vorzubereitende Angriff auch tatsächlich ausgeführt würde. Die Vorarbeiten erstreckten sich daher überall auf Ausbau der
Verkehrseinrichtungen (Straßen, Bahnen, Bahnhöfe, Nachrichtennetz), Unterkünfte, Flugplätze usw. Im einzelnen hatte die 4. Armee den Angriff gegen den Vpern-Bogen (Georg II), die S. Armee sowohl den Angriff in der Gegend von Armentieres (Georg I) wie auch gegen die Linie Loretto/
Vimy-Höhen—Arras (Mars) vorzubereiten. In der Bearbeitung der drei Michael-Angriffe teilten sich die 2. und 18. Armee derart, daß der 2. die Entwürfe für die Angriffe an der Eambrai-Front (Michael I in der Richtung aus Bapaume, Michael II in der Richtung auf Peronne), der 18. Armee !) e. ?4ff. *) „Kiegführung und Politik" S. 2Ib. S) Seit Sommer 1918 Chef d. Geilst, d. französ. Heeres in Frankreich, in seinem Buche: „Ludendorff", S. 232ff.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
73
für den Angriff beiderseits von St. Quentin (Michael III) zufielen. Letzterer sollte zur Deckung der linken Flanke nur bis an die Somme und den
Crozat-Kanal geführt werden; inwieweit er durch einen Vorstoß über La Fore unterstützt werden könne, war zu prüfen. Darüber hinaus hatte General Ludendorff aber bereits am ZI. Dezember im Sinne des von der 2. Armee vorgeschlagenen Angriffs auch südlich der Oise^) die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz gebeten, zu erwägen, „ob im Anschluß an Michael auch die 7. Armee angreifen" könne. Andererseits warnte er am 3. Januar die Heeresgruppe Kronprinz Rup-
precht, sie solle sich nicht zu sehr „aus St. Georg festlegen"^). Mehr und mehr gewann der Gedanke die Oberhand, die Michael-Offensive durchzuführen. Am 10. Januar legte die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht der Obersten Heeresleitung ihre Absichten ausführlich dar. Sie betonte eingangs die Notwendigkeit, zur Vermeidung einer sich lange hinziehenden
Materialschlacht „schlagartig durchzubrechen". Das sei nur möglich durch Überraschung; diese müsse durch Geheimhaltung, Wendigkeit, Täuschung des Gegners und schnellste Ausführung des Aufmarsches erreicht werden. Dann sei zu hoffen, daß der Angriff schließlich einen schwachen Punkt des Feindes überraschend treffe. Die Heeresgruppe fügte aber hinzu: „Erweist sich die geplante Angriffsrichtung bei Beginn des Angriffs als ungünstig, so müssen wir in der Lage sein, schnell zu wechseln, nötigenfalls auch aus mehreren der vorbereiteten Angriffe zu kombinieren. Es ergeben sich sonach viele Möglichkeiten. Deren schnellste Ausführung ist die Kunst der Führung". Die Denkschrift verbreitete sich dann eingehend über die verschiedenen Angriffsmöglichkeiten, wog ihre Vorteile und Schwächen gegeneinander ab und kam auf die von Anbeginn vertretene Ansicht zurück, daß der
Angriff Georg I „immer noch der beste und wirksamste" sei: „Er trifft auf schwache Stellungen, zum Teil aus Portugiesen. Aber ungewöhnlich nasse Witterung kann ihn verhindern, er muß die Lys überwinden. Steht der
Feind hier mit starken Kräften bereit und hat hier Stellungen vorbereitet, so hat der Angriff keine Aussicht. Dann müssen wir anders angreifen". Den Michael-Angriff hielt die Heeresgruppe besonders nach vorhergegangenen Ablenkungsangriffen an anderen Stellen für vorteilhaft, „wenn es gelänge, die englischen Hauptkräfte nach Ppern und Armentieres zu ziehen und wenn die Franzosen anderswo gefesselt wären". Das bedeutete freilich eine Hinausschiebung der ganzen Angriffshandlung bis in die Jahreszeit, zu der in Flandern angegriffen werden konnte, und ließ sich daher mit dem von General Ludendorff für den Entscheidungsschlag *) Vgl. S. 77f. 2) Tagebuch-Aufzeichnung des Gen. von Kühl vom 8. Jan. 1918.
74
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
Januar bestimmten Zeitpunkt März schwerlich in Einklang bringen. Auf die Mög1918' lichkeit, von Bullecourt und aus dem Raum nördlich von St. Quentin die
im Cambrai-Bogen stehenden Engländer zu umfassen, wurde hingewiesen. In diesem Sinne hatte die Heeresgruppe der 2. Armee bereits am 3. Januar
„Abschnüren der im Cambrai-Bogen stehenden Engländer" als erstes Ziel der Angriffe Michael I und II bezeichnet. Am 13.Januar besprach General Ludendorff mit dem aus der Durch¬ reise in Kreuznach anwesenden General von Krafft^), Generalstabschef
des inzwischen zum Einsatz bei der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht bestimmten Armee-Oberkommandos 17 (bisher 14), die bis dahin vorliegenden Angriffsentwürfe. Beide Generale hegten die gleichen Zweifel, ob die Georg-Angriffe in Flandern und an der Lys kriegsent-
scheidend wirken würden. General von Krafft versprach sich durchschlagenden Erfolg von einer Vereinigung des Mars- und des Michael-Angriffs von Lens bis zur Oise. Einen in solcher Breitenausdehnung, 95 Kilo-
meter, geführten Angriff würden die feindlichen Reserven schwerlich abdämmen können. General Ludendorff schenkte dem Gedanken aufmerk-
samste Beachtung. Ob freilich die Kräfte dafür ausreichen würden, bedurfte
eingehender Prüfung. Auch General von Löhberg kam nochmals zu Worte. General
Ludendorff hatte ihn bald nach Überreichung seiner Denkschrift^) aufgefordert, sich über die Möglichkeit eines Großangriffs aus dem Abschnitt der 6. Armee zu äußern. General von Loßberg schlug dazu „Angriff bei und nördlich Lens vor, mit dem Ziel, die Engländer auseinander zu sprengen, ihren nördlichen Teil zu vernichten und die stark ausgebaute feindliche Berteidigungszone um Arras von Westen her, also von rückwärts, zu nehmen.
Dann Fortsetzung der Offensivoperation in Richtung auf Amiens"^). Er warnte dabei ebensosehr vor einem Frontalangriff gegen das festungsartig ausgebaute Stellungssystem um Arras, wie vor zeitraubendem taktischem
Durchbruch durch das Trichterfeld der Somme-Schlacht. c) Frontreise des Generals Ludendorff und die Entscheidung vom 24. Januar 1918.
Der Erste Generalquartiermeister machte seine endgültige Entschließung von den Ergebnissen einer Reise abhängig, bei der er vom 18. bis
21. Januar die Armeen der Heersgruppe Rupprecht und die 7. Armee 1) Das Folgende nach Krafft von Dellmensingen: „Der Durchbruch", S. 16?ff. 2) S. 67. S) Fritz von Loßberg: a.a.O., S. 320.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
75
aufsuchte. Er unterrichtete sich an Ort und Stelle durch eingehende Aus¬ sprachen mit den Generalstabschefs der Heeresgruppen, der Armeen und der an den Vorbereitungen beteiligten Generalkommandos über die Lage
und verschaffte sich insbesondere Klarheit über die taktischen Verhältnisse, die Vor- und Nachteile der einzelnen Angriffsentwürfe. Am 13. Januar wurden die Verhältnisse bei der 4. Armee durchgesprochen, am 19. bei der 6. Armee, am 20. bei der 2. und 18. Armee, am 21. bei der 7. Armee. Operative Erörterungen lehnte General Ludendorfs dabei mit der Be-
gründung ab, daß die schönsten Operationspläne nichts nützen, wenn nicht zunächst der taktische Durchbruch durch die feindliche Stellungsfront gelänge. Eine ganz geheime Besprechung mit General von Kühl und Oberst
Graf Schulenburg am Nachmittag des 21. Januar in Avesnes beschloß die Reise. Dabei entschied General Ludendorff^): „St. Georg ist zu sehr von der Witterung abhängig. Wenn Frühjahr naß, kann es Mai werden, bis der Angriff möglich ist. Mars ist taktisch zu
schwer. Daher wird Michael gemacht, auf rechtem Flügel etwas verlängert bis zur Scarpe. Im ganzen verfügt die Oberste Heeres¬ leitung im Westen über 63 Divisionen. Bis Ende März kommen aus Ru߬
land und Italien noch vielleicht 24 Divisionen, je nachdem sich in Rußland die Verhältnisse geklärt Habens. Im ganzen dann vielleicht 85 bis 90 DiVisionen in Reserve (außer den Stellungs-Divisionen)". In seinen „Kriegserinnerungen ^) hat General Ludendorff diese Entscheidung wie folgt begründet: „Drei Abschnitte kamen in Frage: In Flandern von Vpern bis Lens, zwischen Arras und St. Ouentin oder 'La Fere und beiderseits Verdun, unter Aussparung der Festung. Alle drei Richtungen hatten, wie es immer in solchen Fällen ist, vieles für und gegen sich. Feindliche Streitkräfte in großer Stärke standen um Vpern und Arras, vor der Ailette-Stellung^) und ostwärts bis in die Gegend von Verdun, die
schwächste Stelle war beiderseits St. Ouentin; mehr nach Norden zu stand
der Feind seit den Schlachten bei Eambrai dichter. Das Gelände war bei dem nördlichen Angriff schwierig. Die Gangbarkeit der Lys-Niederung westlich Lille, über die der Schwerpunkt des Angriffs gehen mußte, war von Jahreszeit und Witterung ungemein abhängig. J) Tagebuchaufzeichnung des Gen. von Kühl vom 22. Jan. 1918.
2) Die Friedensverhandlungen in Brest-Litorvsk zogen sich in die Länge (Bd. XIII, S. 346 ff.). 3) A. a. O. S. 473ff.
4) Linker Flügel der 7. Armee.
76
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
Januar Vor Mitte April war auf ihre Betretbarkeit außerhalb der Wege nicht mit 1918' Sicherheit zu rechnen. Das war in Rücksicht auf Amerika sehr spät.
Der mittlere Angriff bot der Bodenbeschaffenheit noch keine Schwierig¬ keiten, wohl aber waren bei seinem Fortschreiten die Trichterfelder der Somme-Schlacht zu überwinden. Der Verdun-Angriff führte in stark bergiges Gelände. Diese beiden Angriffe konnten unabhängig von der Jahreszeit beginnen. Die taktischen Verhältnisse lagen demnach für den mittleren Angriff am günstigsten, er traf die schwächste feindliche Stelle, das Gelände bot keine Schwierigkeiten. Auch war er jederzeit möglich. Strategisch war der nördliche Angriff insofern günstig, als er ein großes, aber doch beschränktes Ziel hatte. Er konnte uns eine Verkürzung der Front bringen, wenn es gelang, Calais und Boulogne zu nehmen. Auch der
Angriff auf Verdun konnte uns eine Frontberichtigung bringen, deren Wert mehr auf taktischem Gebiet lag. Der mittlere Angriff ging scheinbar
sehr ins Weite. Durch Verlegung seines Schwerpunktes in die Gegend zwischen Arras und Psronne, auf die Küste zu, war dem vorzubeugen.
Drang dieser Stoß durch, so konnte der strategische Erfolg allerdings ein gewaltiger sein, indem wir die Hauptteile des englischen Heeres von dem französischen trennten und sie dann gegen die Küste drängten. Ich wandte mich dem mittleren Angriff zu. Es waren aber die Zeitfrage und die taktischen Erwägungen, die mich dazu veranlaßten, dabei an erster Stelle die Schwäche des Feindes. Ob diese anhalten würde, konnte ich allerdings nicht wissen. Die Taktik war über die reine Strategie zu stellen. Ohne taktischen Erfolg war eine solche nicht zu treiben. Eine Strategie, die nicht an ihn denkt, ist von vornherein zur Erfolglosigkeit verurteilt".
In der geheimen Besprechung mit den Generalstabschefs der beiden Heeresgruppen wurde ferner eine Neugliederung der Westfront
besprochen. Innerhalb der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht sollte zwischen der 6. und 2. Armee aus Abgaben dieser Armeen die 17. Armee unter General der Infanterie Otto von Below mit Generalleutnant Krafft von Dellmensingen als Generalstabschef gebildet werden. Damit
wäre die Heeresgruppe auf fünf Armeen angewachsen. Die 18. Armee
sollte daher zur Heeresgruppe Deutscher Kronprinz treten, die Grenze zwischen ihr und der 2. Armee etwas nach Süden an den OmignonBach verlegt werden. Die 5.Armee der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz
und die Armee-Abteilung Cder Heeresgruppe Herzog Albrecht sollten zu einer neuen Heeresgruppe unter General der Artillerie von Gallwitz vereinigt und damit die umfassende Front gegenüber von Verdun in eine
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
77
Hand gelegt werden. Bei der Heeresgruppe Herzog Albrecht war im Anschluß an diese Veränderungen auf dem rechten Flügel unter rietal der Infanterie Graf von Bothmers die 19. Armee neu zu bilden. Durch die Neugliederung, die für die Michael-Front am l. Februar
in Kraft treten sollte, wurde die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz in starkem Umfange an der dort geplanten Offensive beteiligt. Generai Ludendorff schrieb dazu in seinen Kriegserinnerungen : „Es kam mir in Erinnerung an den November-Feldzug in Polen 1914 darauf an, weitgehenden Einfluß auf die Schlacht zu haben. Das war schwierig, wenn nur eine Heeresgruppe führte; es kam dann jeder Eingriff nur zu leicht
auf ein Hineinreden einer höheren Dienststelle hinaus. Die Hilfsmittel der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz waren in weitestgehendem Umfang heranzuziehen. Das wurde durch diese Befehlsgliederung erleichtert". Er fügte hinzu, es sei dem Generalfeldmarschall und ihm, „da die strategische Lage es verlangte, eine menschliche Freude" gewesen, den Deutschen Kron¬ prinzen mit zur ersten großen Angriffsschlacht im Westen heranzuziehen, dynastische Interessen hätten ihn dabei aber nicht bewegt^). Nach Vortrag beimKaiseram 23. Januar erging am 24. Januar der Be¬
fehl zur Neugliederung der Westfront sowie die grundlegendeVerfügung fürdieVorbereitung dergroßenOffensive. Es waren vorzubereiten:
Seitens der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht: Mars linker Flügel (beiderseits der Scarpe, also anders abgegrenzt als nach der Kuhlschen Aufzeichnung vom 22. Januar) und Michael I (Angriffsrichtung nordöstlich von Bapaume) durch 17. Armee, Michael II durch 2. Armee; Seitens der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz: Michael HI (An¬ griff südlich des Omignon-Baches beiderseits von St. Quentin) durch 18. Armee, Erzengel (Angriff südlich der Oise über die Front der Gruppe Erepy) durch 7. Armee ^).
___
x) Bisher Ob.B. der an der Ostfront aufzulösenden Deutschen Südarmee. 2) A. a. O. S. 475.
3) Gen. von Kühl zeichnete am Tage nach der entscheidenden Besprechung auf: „21. O. K. 13 ... tritt zur Hgr. Deutscher Kronprinz!! Man konnte diesen nicht ganz aus¬
schalten bei dem großen Angriff!!" Gen. von Mertz, damals Chef der Oper. Abt. Balkan der O. H. L., bestätigte aber in einer Stellungnahme vom März 1954 mit großem Nachdruck die Ludendorffsche Dar¬ stellung: „Fch habe mit Kopfschütteln ... davon Kenntnis genommen, daß der Beteiligung der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz an der Großen Schlacht .dynastische Beweggründe' unterstellt wurden. Gewiß hat z. B. der Generalfeldmarschall diese Mitwirkung aus .dy¬
nastischen Gründen' begrüßt, aber solche haben nach meiner festen Überzeugung da¬ mals keine Rolle gespielt, am allerwenigsten natürlich bei General Ludendorff". 4) ©.73.
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
78
Der Michael-Angriff hatte etwa am 20. März, die Angriffe Mars linker
Flügel und Erzengel hatten wenige Tage später, nach Umgruppierung der Michael-Artillerie, zu beginnen. Der Michael-Angriff sollte die feind¬ liche Front durchbrechen „mit dem Ziel Linie La Fere (linker Flügel)— Ham—Poronne und dann in Verbindung mit Mars linker Flügel über
Peronne—Arras vordringen". Der Angriff Erzengel sollte „lediglich ab¬ lenken" und hatte den Besitz der Höhen östlich des Oise/Aisne-Kanals zu erstreben. Neu war der Hinweis, daß, falls der Michael-Angriff stecken¬ bleibe, ein Angriff über die Front der 3.Armee (Roland) in Betracht käme. Während der Angriff „Mars rechter Flügel" nicht weiter zu bearbeiten war, sollten die Vorbereitungen für die Angriffe Georg I und II so heiter betrieben werden, daß sie Anfang April beendet waren. Bei Georg I durfte nur noch mit etwa 30 Divisionen der Obersten Heeresleitung ge¬
rechnet werden. Bezüglich der übrigen Angriffsvorbereitungen an den Fronten der
Heeresgruppen Deutscher Kronprinz und Herzog Albrecht wurden die
schon erwähnten Entscheidungen^) getroffen. Anordnungen für demonstra¬ tive Unternehmungen sollten folgen. Der Entschluß der Obersten Heeresleitung war auf Grund langer und
reiflicher Überlegungen zustande gekommen, bei denen das Für und Wider in jeder Hinsicht sorgfältig abgewogen worden war. Das Ergebnis hielt sich im Rahmen der Richtlinien, die General Ludendorff am II. No¬ vember 1917 in Möns gegeben hatte. Auch die Angriffsstelle war so ge¬ wählt, wie er es schon damals vom taktischen und operativen Standpunkt
als wünschenswert bezeichnet hatte. Die Ideallösung freilich, die ihm mit einer zeitlichen Zusammenfassung der Mars- und Michael-Angriffe auf der Front von Arras bis zur Oise vorgeschwebt hatte, war wegen der
Begrenztheit der verfügbaren Kräfte, insbesondere der artilleristischen Kampfmittel, nicht zu verwirklichen, und nur ungern hat sich General Ludendorfs unter dem Zwang der Verhältnisse später zu der Aushilfe ent¬
schlossen, der Michael-Operation durch zeitlich nachfolgende Teilangriffe beiderseits der Scarpe und südlich der Oise vermehrte Breitenausdehnung zu geben. Der Schwerpunkt der Operation sollte nach gelungenem takti¬ schen Durchbruch auf das Vorgehen der 17. und 2. Armee im Raum nördlich der Somme (abwärts von Peronne) gelegt werden, während der lö. Armee nur die Flankendeckung an der Somme-Strecke Peronne— Ham und am Erozat-Kanal zugedacht war. J) S. 70 ff.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
79
Folgende Kräfteverteilung wurde in Aussicht genommen: 17. Armee für Michael 119 Divisionen, davon zwei Stellungs-Divisionen, und 1900 Geschütze; für Mars linker Flügel sechs Divisionen, davon vier
Stellungs-Divisionen. 2. Armee für Michael II 18 Divisionen, davon drei Stellungs-Divisionen, und 1300 Geschütze. 13. Armee für Michael III 24 Divisionen, davon fünf Stellungs-Divi-
sionen, und 2500 Geschütze. Damit waren die Kräfte für den taktischen Durchbruch den Angriffsbreiten der Armeen (17. und 2. zusammen — 45 km, 18. — 37 km) ent¬
sprechend gleichmäßig auf die Front verteilt. Als Reserven der Obersten Heeresleitung wurden zunächst drei Divisionen bestimmt.
4. Februar und März JYI8. Beilagen 3 a,3b und 5.
In den folgenden Wochen brachte die Bearbeitung der Angriffsentwürfe den Armeen häufigen schriftlichen Meinungsaustausch der Obersten Heeresleitung mit den unterstellten Kommandobehörden und eine ganze Reihe mündlicher Besprechungen des Ersten Generalquartiermeisters mit Oberbefehlshabern und Generalstabschefs. Sie dienten der Klärung
zweifelhafter oder strittiger Punkte. Daß die Engländer ihre Front in der ersten Ianuarhälfte bis südlich von St. Quentin und dann sogar bis über
La Fsre hinaus ausgedehnt hatten, änderte nichts an den Absichten.
a) Meinungsaustausch über die Offensive bei der Heeresgruppe
Kronprinz Nupprecht. Es handelte sich zunächst um die Frage, welche Rolle die von General
von Kühl bis zuletzt dringend befürwortete Georg-Offensive in Flan¬ dern im Rahmen der Gesamtoperation spielen sollte. Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht hatte sich im Anschluß an die von der Obersten
Heeresleitung angeordnete Fortführung der Vorbereitungen für die GeorgAngriffe am 27. Januar nochmals dafür eingesetzt, daß diese, wenn auch nicht als Entscheidungsschlag, so doch als Ablenkungsunternehmungen, und zwar noch vor der Michael-Operation, geführt werden sollten: „Nur wenn die feindlichen Reserven durch Ablenkungsangriffe anderweitig fest¬
gehalten werden, besteht Aussicht auf das Gelingen der beabsichtigten Hauptangriffe ... Georg I und II bedrohen den für den Engländer wich-
80
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
Februar tigsten Teil seiner Front, sie werden ihm daher den Entschluß sehr erAnfangM-r, schweren, Kräfte von seinem Nordflügel nach der Somme abzutranspor¬ tieren". Für den Abschluß der Georg-Vorbereitung hatte die Heeresgruppe daher die gleichen Termine gestellt wie für Michael. General Luden¬ dorff entschied jedoch in einer Besprechung am 3. Februar in Möns, daß mit Rücksicht auf die verfügbaren Kräfte an der Flandern-Front keine
Ablenkungsangriffe, sondern nur Demonstrationen stattfinden könnten^). Die Vorlage der Angriffsentwürfe der 4. und S. Armee, aus denen sich ergab, daß die Heeresgruppe die von den Armeen geforderte, sehr weit¬
gehende Kräfteausstattung billigte, veranlaßte General Ludendorff am 10. Februar, die Ausgabe klarzustellen, die er den Georg-Angriffen im
Rahmen der bevorstehenden Operationen zudachte: „Nachdem die Oberste Heeresleitung sich für St. Michael als Hauptoperation entschieden hat, kommen St. Georg I und II nur als zweiter Kampfakt in Frage und auch nur dann, wenn der Michael-Angriff nicht zu einem großen Durch¬
bruchserfolge führen, sondern sich an den herbeigeholten englischen und französischen Reserven festlaufen sollte. Aus der dann eingetretenen Ge¬ samtlage heraus wird sich der Aufbau für St. Georg I und II durch Um¬ gruppierung der Kräfte, insonderheit der artilleristischen des MichaelAngriffs, ergeben. Es wird nicht möglich, aber auch nicht erforderlich sein, die St. Georg-Operation in der von den Armee-Oberkommandos 4 und 6
bearbeiteten Form und mit dem dort angeforderten Kräftebedarf durch¬ zuführen. Wir werden die von den Armeen berechneten Kräfte nicht an¬
nähernd in dem Umfange zur Verfügung haben oder sie in kurzer Zeit, worauf es ankommt, heranführen und einsetzen können. So wird die Operation auf dem linken Flügel (Angriff Süd von St. Georg I) weit¬ gehend eingeschränkt werden oder ganz wegfallen müssen, da mehr als 20 Divisionen (außer den Stellungs-Divisionen) für St. Georg I und etwa 12bis 15 Divisionen (außer den Stellungs-Divisionen) für St. Georg II
nicht rechtzeitig verfügbar gemacht werden können. Es ist jedoch bestimmt anzunehmen, daß die St. Georg-Operation auch auf dieser Grundlage als
zweiter Kampfakt durchschlagenden Erfolg haben wird, da mit Sicherheit x) Uber die Besprechung verzeichnete Gen. von Kühl in seinem Tagebuch: „Diese hatte ein betrübendes Ergebnis: Die Zahl unserer Divisionen reicht rvohl zur Offensive, nicht aber die schwere Artillerie. Der ganze Ablenkungsangriff bei 4. und V. Armee fällt daher weg. Das war aber die Vorbedingung für Michael. Gegen diesen war an sich viel einzuwenden. Er hatte nur Aussicht, wenn man die Engländer bei Ppern und Armentiöres
bedroht. Dort sind die Engländer sehr empfindlich wegen Calais und wegen ihrer tattisch ungünstigen Lage im Apern-Bogen. Es war grohe Aussicht, ihre Reserven dorthin zu ziehen. Das soll nun durch Täuschungsversuche ersetzt werden" (vgl. S. öl, Eingabe der Hgr. vom 21. Dez. 1917).
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
31
damit zu rechnen ist, daß die Masse der englischen Reserven durch den St. Michael-Angriff weiter südlich gebunden sein wird. Es wird sich daher für die St. Georg-Operation zunächst darum handeln, rasch beiderseits Armentisres ... in Richtung Hazebrouck vorwärts zu kommen und gleich¬
zeitig den Vpern-Bogen von Nordwesten abzuschnüren". Damit war jeder Zweifel beseitigt, daß die Georg-Angriffe nur noch als Aushilfe für den Fall in Frage kamen, daß der entscheidungsuchenden
Michael-Operation der erstrebte volle Erfolg nicht beschieden sein sollte. Auch in bezug auf die Durchführung der Michael-Operation selbst bestanden noch längere Zeit verschiedene Auffassungen. Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht wie die 17. Armee versuchten mehrfach die Zu¬ stimmung der Obersten Heeresleitung dazu zu erreichen, daß der Nord¬ flügel des Michael-Angriffs wenigstens bis an die Scarpe ausgedehnt werden dürfe, um die flankierende Wirkung auszuschalten, die aus dem
Räume südlich von Arras gegen den nach Südwesten gerichteten Angriff der 17. Armee befürchtet wurde.
General Ludendorfs war an sich
dem Wunsche durchaus zugeneigt, sah sich aber doch am 8. Februar auch in dieser Frage zu der Antwort genötigt, daß „mit Rücksicht aus die zur Verfügung stehenden infanteristischen und artilleristischen Kräfte" der Durchbruch nur in dem am 24. Januar befohlenen Umfange ausgeführt werden könne. Die 17. Armee habe daher aus der Front Fontaine-les
Croisilles^)—Kanal westlich von Graincourt anzugreifen. Bei günstigem
Verlauf sollte die Operation einige Tage später nach Umgruppierung der Michael-Artillerie durch den Angriff „Mars linker Flügel" erweitert werden.
Die 17. Armee bat aber am II. Februar bei Vorlage ihres Angriffsentwurfs nochmals, die Durchführung des Mars-Angriffs nicht an feste Befehle zu binden und ihn nicht erst nach völlig durchgeführtem neuen
Artillerieaufmarsch gleichzeitig beiderseits der Scarpe anzusetzen, sondern der Führung freie Hand zu lassen, auch mit Hilfe der für Mars bereit¬ gehaltenen Kräfte einen Erfolg des rechten Flügels von Michael I weiter auszubauen.
General Ludendorff bezeichnete diesen von General von
Krafft bei einer Besprechung am 12. Februar im Armee-Hauptquartier St. Amand näher begründeten und auch von General von Kühl befür¬ worteten Gedanken „als den glücklichsten Ausweg aus der beengten Lage, in die er die 17. Armee ganz gegen seinen Wunsch habe versetzen müssen". Die geforderte vermehrte Kräftezuteilung an die 17. Armee glaubte er
jedoch nicht bewilligen zu können. Infolgedessen blieb auch der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht nichts anderes übrig, als die 17. Armee am i) 3 km nordöstl. von Croisilles. Weltkrieg. XIV. Band.
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
82
F«braar
13, Februar darauf hinzuweisen, daß es zunächst genügen müsse, die rechte
Ansa°g"Ms-z. Flanke ihres Angriffs gegen Arras zu sichern. Hingegen habe ein starker linker Flügel der Armee die Verbindung mit dem Angriff der 2. Armee
zu suchen, um die im Cambrai-Bogen stehenden englischen Kräfte abzu¬ schnüren. General Ludendorff trat dieser Auffassung bei: „Das Wesen des ganzen St. Michael-Angriffs", so teilte er der Heeresgruppe am
16. Februar mit, „liegt in seiner Breite. Der angestrebte Durchbruch muß daher im schnellen Vorwärtskommen aller drei Angriffs-Armeen gesucht, insbesondere das taktische Zusammenwirken der inneren Flügel des
Michael I und Ii-Angriffs hierzu auch wirklich erreicht werden. Der Schwerpunkt des Angriffs der 17. Armee liegt somit zunächst in Richtung Bapaume und östlich. Die Durchführung des Mars-Angrisfs hängt allein von dem erreichten Gesamterfolg des Michael I bis III-Angriffs ab. Sie kann nicht nur in die Hand der 17. Armee gelegt werden. Der Befehl
hierzu muß vielmehr der Obersten Heeresleitung vorbehalten bleiben". Aus diesem Grunde wollte diese auch ihre als bewegliche Reserve in Ausficht genommenen drei Divisionen^) zunächst in der Gegend von Denain zurückhalten, um sie je nach den Verhältnissen bei der 17. oder 2. Armee zu verwenden.
Die hier betonte Notwendigkeit engen taktischen Zusammenwirkens der 17. und 2. Armee zur Abschnürung des Cambrai-Bogens schien
der Obersten Heeresleitung in den Ende Februar vorgelegten Befehlsentwürfen nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit zum Ausdruck zu kommen. Daher forderte General Ludendorff am ö. März: „Die inneren Flügel der beiden Armeen müssen südwestlich des Waldes von Havrincourt zusammengeführt werden. Hierzu muß der linke Flügel der 17. Armee zunächst den Höhenzug bei Hermies^) gewinnen und darüber hinaus in
Richtung Bertincourt—Barastre vorgehen. Hierfür erscheint er zu schwach, da die 17. Armee zu sehr an die operative Verwendung ihres rechten Flügels denkt. Die 2. Armee greift mit dem rechten Flügel nicht scharf genug an ... Sie will erst am zweiten Tage Equancourt erreichen. Hier-
hin und noch darüber hinaus gehört der rechte Flügel am ersten Tage ... Rur wenn es gelingt, den Cambrai-Bogen am ersten Tage aus der eng-
lischen Front herauszuschlagen, ist eine großzügige Operation möglich". Die Heeresgruppe konnte jedoch melden, daß das Zusammenwirken der inneren Flügel der 17. und 2. Armee in dem geforderten Sinne bereits
sichergestellt sei. 6.79.
2) Hierzu Beil. 6.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
83
b) Meinungsaustausch über die Aufgaben der 18. Armee. Den Michael III-Angriff sah die 18. Armee nicht als besonders schwierig an. Schon Mitte Januar hatte ihr Generalstabschef, General¬ leutnant von Sauberzweig, in einem Brief an Oberstleutnant Wetzell der
Überzeugung Ausdruck gegeben, daß innerhalb von zwei bis drei Tagen Somme und Erozat-Kanal erreicht sein würden: „Diese Linie wird nicht überschritten. Alle Reserven werden in nordwestlicher Richtung abgedreht und in dieser Richtung, linker Flügel auf Pöronne, zum Angriff angesetzt. Aus dem Anfang Februar vorgelegten Angriffsentwurf der 18. Armee schien nun hervorzugehen, daß sie die ihr zugewiesenen Kräfte ziemlich gleichmäßig ohne besonderen Schwerpunkt auf die Front vom OmignonBach bis zur Oise verteilen wollte. Einen Vorstoß starker Kräfte über La Fere hielt sie wegen der schwierigen Entwicklung aus der dortigen Straßenenge für wenig aussichtsvoll. Sie glaubte, den Zweck, dort und weiter nördlich feindliche Reserven auf sich zu ziehen und festzuhalten, durch ein Täuschungsunternehmen erreichen zu können. Zu diesen Ab-
sichten bemerkte die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, daß der Schwerpunkt aus den Nordflügel des Angriffs zwischen Omignon-Bach und Somme gelegt werden müsse, während dem schwächer auszustattenden
Angriff zwischen Somme und Oise nur die Flankendeckung zufalle; auf den Vorstoß aus La Fvre dürfe trotz seiner Schwierigkeit nicht verzichtet werden. Dieser Auffassung stimmte General Ludendorfs am 10. Februar zu und stellte für den Rebenangriff über La Fvre noch einige JägerBataillone in Aussicht. Am 3.März betonte er, es sei „bei schnellem und
günstigem Verlauf des Michael-Angriffs durchaus erwünscht, daß der linke Flügel der 18. Armee noch über den Kanal vordringe"; gemeint war der
Crozat-Kanal. Dazu sollten jetzt auch möglichst viele Divisionen der 7. Armee zum Nachziehen über La Fsre bereitgestellt werden. Die Heeresgruppe griff diesen Gedanken freudig auf und zog aus ihm in einer Eingabe vom 6. März weitere Schlußfolgerungen. Sie rechnete
nach Beginn der Offensive mit schnellem Einsetzen französischer GegenWirkung, und zwar bei durchschlagendem deutschen Erfolge durch unmittelbare Unterstützung der Engländer. Schritten die Franzosen etwa über die Linie Roye—Noyon in nordöstlicher Richtung zu Gegenangriffen, so würde ein starker Flankenstoß aus der Linie Fussy—Tergnier sehr wirksam sein. Hierzu müßten an diesen Punkten Brückenköpfe schnell in die Hand genommen werden. Zur Durchführung einer „großzügigen Offensive im Siegfried-Gebiet" verfüge die Heeresgruppe aber nach Beginn des MichaelAngriffs an eigenen Reserven nur noch über drei zum Angriff geeignete
Sie Vorbereitung der deutschen Westoffensipe.
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Divisionen, deren wirksamer Einsatz nur bei rechtzeitiger Vorbereitung der Heranführung gesichert sei. Die Oberste Heeresleitung ordnete daher an, diese drei Divisionen in der Nähe der Bahn unterzubringen, und befahl
darüber hinaus das Gleiche auch für zwei bei der Heeresgruppe Gallwitz und für drei bei der Heeresgruppe Herzog Albrecht untergebrachte Divisionen. Im Rahmen des der 18. Armee zugedachten Flankenschutzes für die große Operation durfte und sollte also ihr linker Flügel unter günstigen Umständen über die ursprünglich festgesetzte Grenze des Crozat-Kanals hinausgehen. Nun aber richtete am 7. März bei einer Besprechung in Möns General von Sauberzweig an den Ersten Generalquartiermeister
die Frage, ob auch die Somme überschritten werden dürfe, denn
„je größer die Zahl der französischen zur Unterstützung herbeieilenden Truppen sei, welche die 18. Armee auf sich zöge, um so näher käme man diesem Ziel (Trennung von Engländern und Franzosen), um so mehr würde
auch die Z.Armee entlastet"^). General Ludendorff erwiderte, daß Somme und Crozat-Kanal überall da überschritten werden könnten, wo
man leicht hinüberkomme. In der Bildung von Brückenköpfen jenseits der Somme sah er die willkommene Gelegenheit, den Feind mit unserer Offensive auch von dieser Seite her ständig zu bedrohen und ihn daran zu
hindern, seine Hauptkräfte unter dem Schutz des Somme-Hindernisses in aller Sicherheit gegen den deutschen Offensivstoß nördlich des Flusses zu
verschieben^). e) Der Angriffsbefehl der Obersten Heeresleitung vom 10. März. Den Hauptgegenstand der Besprechung in Mons^) am 7. März bildete die Gesamtoperation. Zugrunde gelegt war dabei der Entwurf des
Angriffsbefehls der Obersten Heeresleitung. Alle beteiligten Oberbefehls¬ haber und deren Generalstabschefs wurden nicht nur über ihre taktischen Ausgaben, sondern zum ersten Male auch über die operativen Ziele, und zwar im Sinne des am 10. März folgenden Befehls, unterrichtet. Es trat klar zutage, daß der Schwerpunkt bei der 17. und 2. Armee lag. Dem
schon früher mehrfach geäußerten Wunsch der 17. Armee, gegebenenfalls mit ihrem rechten Flügel über Eroisilles nach Nordwesten vorzudringen, wurde stattgegeben. Eine Aussprache des Generals Ludendorff mit General von Krafft brachte auch darin Übereinstimmung, daß der MarsAngriff, je nach dem Erfolge des rechten Flügels der 17. Armee beim Michael-Angriff, sich auch in anderer als der bisher vorbereiteten Form *) Aus einer nach dem Kriege verfaßten Niederschrift des Gen. von Sauberzweig. 2) Tagebuch des Gen. von Krafft. Vgl. auch von Krafft: „Der Durchbruch", S. 174. 8) Das Nachfolgende ebenfalls in erster Linie nach dem Tagebuch des Gen. von Krafft.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
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anschließen könne. Zur Unterstützung sollte die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht eintretendenfalls unverzüglich alle verfügbaren Reserven an den rechten Flügel der 17. Armee hinter die Mars-Front heranführen. Demgegenüber wurde die Aufgabe der 18. Armee nochmals eindeutig als die des Flankenschutzes gekennzeichnet. Die Darlegungen des Ersten Generalquartiermeisters waren bei voller Würdigung aller Schwierigkeiten der bevorstehenden Aufgabe von starker Zuversicht getragen. Am 10. März erließ Generalfeldmarschall von Hindenburg den grund¬ legenden Angriffsbefehl:
„Seine Majestät befehlen: 1. Der Michael-Angriff findet am 21.März statt1). — Einbruch in erste
feindliche Stellung 940 vormittags. 2. Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht schnürt dabei als erstes großes taktisches Ziel den Engländer im Cambrai-Bogen ab und gewinnt nördlich des Omignon-Baches bis zu seiner Einmündung in die Somme die Linie Eroisilles—Bapaume—Psronne—Omignon-Mündung. Bei
günstigem Fortschreiten des Angriffs des rechten Flügels 17. Armee ist dieser über Eroisilles weiter vorzutragen.
Weitere Aufgabe der Heeresgruppe ist, Richtung Arras—Albert vorzu¬ stoßen, mit linkem Flügel die Somme bei Peronne festzuhalten und mit Schwerpunkt auf dem rechten Flügel die englische Front auch vor der 6. Armee ins Wanken zu bringen und weitere deutsche Kräfte aus dem
Stellungskrieg für den Vormarsch frei zu machen. Sämtliche hinter der 4. und 6. Armee stehenden Divisionen sind hierfür eintretendenfalls unver¬
züglich heranzuziehen. 3. Heeresgruppe Deutscher Kronprinz gewinnt zunächst südlich des Omignon-Baches die Somme und den Erozat-Kanal. Bei raschem Vor¬ wärtskommen hat 18. Armee die Übergänge über die Somme und die Kanal-Abergänge zu erkämpfen. Daneben hat die 18. Armee sich bereit
zu halten, ihren rechten Flügel bis Psronne auszudehnen. Die Heeres¬ gruppe nimmt Bedacht auf Verstärkung des linken Flügels 18. Armee durch Divisionen der 7., 1. und 3. Armee. 4. Aber 2. Garde-I.D., 26. württ. I.D. und 12. ID. verfügt die O.H.L. 5. Über „Mars" und „Erzengel" behält sich die O.H.L. je nach dem Stand der Operationen Entscheidung vor. Vorbereitungen sind ununterbrochen
durchzuführen. 6. Die übrigen Armeen handeln gem. Chef des Gestbs. Ia Nr. 6925 geh. op. Mob. vom 4. Z. 182). l) Vgl. S. 104.
2) Betraf Ablenkung des Gegners (S. 86).
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
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lo.M-rz. Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht deckt dabei den rechten Flügel der Mars/Michael-Operation gegen einen englischen Gegenangriff.
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz weicht einem französischen Gro߬ angriff gegen 7. (ausschließlich Erzengel-Front), l. und 3. Armee plan¬ mäßig aus.
Bei Heeresgruppe Gallwitz und Herzog Albrecht behält sich O.H.L. Entscheidung über die bei einem französischen Großangriff zu treffenden operativen Maßnahmen oder über das weitere Wegziehen von Divisionen auf das Schlachtfeld vor.
^
v, Hmd-ndurg,-
Der in der Ziffer 6 erwähnte Befehl vom 4. März hatte Ablenkung des Gegners und Fesselung seiner Kräfte angeordnet. Dazu sollte von Anfang März ab an zahlreichen Nebenfronten in steigendem Maße der
Eindruck bevorstehender Offensiv-Operationen hervorgerufen werden, um feindliche Reserven zu binden und in falsche Richtung zu ziehen. Die
Täuschungsmaßnahmen hatten ihren Höhepunkt in der zweiten Märzhälfte zu erreichen und sollten auch nach Beginn des Michael-Angriffs noch einige Tage andauern. Ihr Nachdruck lag bei der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht an der Georg-Front, bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz an der Front der 1. und 3. Armee zwischen Reims und Barennes, bei der Heeresgruppe Gallwitz um Verdun, bei der Heeresgruppe Herzog Albrecht
im östlichen Lothringen und im Elsaß. Im unmittelbaren Zusammenhang mit der Michael-Offensive selbst sollte außerdem bei deren Beginn an der
Georg- und Erzengel-Front lebhaftes Artilleriefeuer einsetzen. Aber die Ausführung der Täuschungsmaßnahmen an den Nebenfronten, die nicht nur den Gegner, sondern auch die eigene Truppe über die wahren Absichten
im unklaren halten sollten, hatte sich die Oberste Heeresleitung bereits am
17. Februar grundsätzlich dahin geäußert, daß nur sorgfältige, zeitlich richtig bemessene Vorbereitung und geschickte Durchführung Erfolg verspreche; bei jedem Truppenteil müsse bis in die Schützengräben hinein das Gefühl bestehen, gerade bei ihm werde der große Entscheidungsangriff stattfinden. Um auf die feindliche Bevölkerung einzuwirken und den Eindruck der deutschen Offensive soweit möglich noch zu steigern, sollten neue weittragende Ferngeschütze nach Beginn des Angriffs die Festung Paris unter Feuer nehmen. Die Bombengeschwader der Luftwaffe hatten,
soweit sie nicht durch die unmittelbaren Bedürfnisse des Erdkampfes in Anspruch genommen waren, die französischen Kanal-Häfen anzugreifen. Irgendwelche Unterstützung der Landoperationen durch Unternehmun¬ gen der Flotte kam angesichts der Lage zur See^) nicht in Frage. Was l) Bd. XIII, S. 447ff.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
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die Flotte in dieser Richtung tun konnte, leistete sie bereits durch den Kampf gegen die feindliche Schiffahrt und damit gegen die rückwärtigen Verbindungen des britischen Expeditions-Heeres. Die unmittelbare
Mitwirkung des österreichisch-ungarischen
Heeres an der Westfront blieb, wie sich inzwischen herausgestellt hattet, auf schwere Artillerie beschränkt. Am 15. März ersuchte der Generalfeld¬ marschall daher um „Entlastung des deutschen Heeres in seinem schweren Entscheidungskampf" durch baldige Offensive in Italien, da die bisher dort eingesetzten französischen und englischen Kräfte anscheinend aus der Front zurückgezogen und nunmehr vor der deutschen Westfront zu erwarten seien. Damit war dem österreichisch-ungarischen Heere eine Aufgabe gestellt, die
den Belangen der Donaumonarchie und der Leistungskrast seiner Truppen mehr entsprach als die Teilnahme an dem besonders schweren Angriff im
Westen. Oberstleutnant Wetzell hatte vorgeschlagen, dazu auch deutsche Kräfte abzugeben; das aber lehnte General Ludendorff ab^). Im Westen wurde, wenn man angreifen wollte, auch der letzte Mann gebraucht. Generaloberst von Arz griff den Angriffsgedanken gerne auf, wies jedoch
daraus hin, daß die Vorbereitungen doch längere Zeit in Anspruch nehmen würden. Am 27. März sagte er für Ende Mai einen Schlag gegen Italien zu unter Zusammenfassung aller verfügbaren Mittel der Wehrkraft der
Monarchie °).
d) Weitere Ausgestaltung des Angriffsplanes. Obwohl mit dem Befehl vom I». März der Operationsplan in großen Zügen festgelegt und den unterstellten Kommandobehörden, wenn auch nur in seinen nächsten Zielen, bekanntgegeben war, blieb sich General
Ludendorfs doch des Moltke-Wortes bewußt, daß „kein Operationsplan 1) S. 29 ff. 2) Hierüber schrieb Obstlt. Wetzell am 24. Juli 1919 an Gen. von Geeckt: „Trotz
unserer Erfahrungen vom Herbst 1917" (die Offensive in Italien unter entscheidender Be¬ teiligung von 7 deutschen Divisionen hatte nach Ansicht Obstlts. Wetzell eine volle Ent¬ lastung der Westfront — das Aufhören der Flandern-Offensive — automatisch ausgelöst)
„war Exzellenz Ludendorff im Frühjahr 1913, trotz fortgesetzter Bearbeitung durch mich, -' •>* zu bewegen, 6 bis 8 Divisionen und entsprechende Stäbe den Österreichern zu über-
u m. Er behauptete, wir dürften die Westfront nicht schwächen; ich erklärte ihm, daß wir vas unbesorgt tun könnten. Es geschah nichts, selbst mein Vorschlag, höhere Stäbe, vor allem solche der Artillerie, hinzuschicken, wurde auch abgelehnt.. Es" (der Gedanke der Unterstützung des Verbündeten in Italien) „war allerdings fast der einzige, über den ich mit Exzellenz Ludendorff ganz auseinandergehender Ansicht war". — Vgl. auch S. 63, Anm. 2.
3) Näheres Kap. X.
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
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»i« mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit der feindlichen 20. snarj. HauptnmiHt hinausreicht". Er sah denn auch das Bild, das er in großen
Amrissen von den bevorstehenden Operationen entworfen hatte, nicht als unabänderlich an. Erstes Ziel war und blieb ihm der taktische Durchbruch. Je nach dessen Verlaus und den Umständen wollte er sich Freiheit der Ent¬ schlüsse und des Handelns wahren. Dieser Standpunkt wurde in den nächsten Tagen im Meinungsaustausch mit den Heeresgruppen mehrfach erkennbar.
Gegenüber der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht handelte es sich dabei zunächst um die Verwendung der drei Divisionen, die
sich die Oberste Heeresleitung als Reserven ausgeschieden hatte und die sie in der Gegend von Denain untergebracht wissen wollte^). Die 17. Armee wurde vorstellig, daß durch die weite Zurückhaltung der Divisionen ihr rechtzeitiger Einsatz zur Ausnutzung der Erfolge des
Michael I-Angriffs unmöglich würde. Sie bat, die Divisionen spätestens am Morgen des 21. März südlich von Douai bereitzustellen; die Heeresgruppe schloß sich dieser Bitte an. General Ludendorff war aber besorgt, daß die Divisionen dann vielleicht schon am 21. März an der Mars-Front
ohne ausreichende artilleristische Vorbereitungen zum Angriff eingesetzt würden, und wünschte zunächst Klarstellung, wie ihre Verwendung gedacht sei; denn es sei „ein schwerer Entschluß, die einzigen O.H.L.-Reserven aus der Hand zu geben und damit auf die Möglichkeit zu verzichten, einen Erfolg an anderer Stelle auszunutzen". Nach der sehr eingehend begründeten Erklärung der Heeresgruppe, daß unter der Voraussetzung eines
vorangegangenen großen Erfolges auf dem rechten Flügel des MichaelAngriffs die sofortige Durchführung des Mars-Angriffs einem erst nach Tagen folgenden gesonderten Angriff entschieden vorzuziehen sei, genehmigte General Ludendorff, daß die drei Divisionen für die Nacht zum 21. März bei und südlich von Douai untergebracht würden. Er faßte nun aber auch die Möglichkeit einer Erweiterung der Operationen nach Norden
durch veränderte Führung des Mars-Angriffs ins Auge und stellte zur Erwägung, ob es in diesem Falle nicht wirkunsvoller sei, den Schwerpunkt des Angriffs nördlich der Scarpe gegen die Vimy-Höhen zu suchen, um das Stellungssystem von Arras durch doppelseitigen Angriff, von
Süden und Norden, zu Fall zu bringen, dadurch die Lücke in der englischen Front außerordentlich zu erweitern und weitgehende operative Möglichkeiten zu schaffen. Auch die Heeresgruppe maß in ihrer Antwort dem Angriff nördlich der Scarpe für die Weiterführung der Operationen be!) S. 79 und 82.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
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sondere Wichtigkeit bei, bezeichnete ihn aber als „dritten Schritt in der Angriffshandlung". Er dürfe erst erfolgen, wenn der rechte Flügel der 17. Armee südlich der Scarpe in den festen Besitz der Höhen südöstlich von Arras gelangt sei und die feindlichen Reserven dort gebunden habe. Die Heeresgruppe bat daher, die drei Divisionen „bei günstiger Entwicklung des Michael I zum Einsatz südlich der Scarpe freizugeben". General Ludendorff erklärte sich am 17. März hiermit einverstanden. Die 2. Armee meldete, daß der Gegner vor ihrer Front den Angriff in der Linie Gonnelieu—Villeret^) zu erwarten scheine und sich darauf, auch durch Aufstellung einer weit abgesetzten zweiten Artilleriewelle, einrichte. General Ludendorff nahm dies zum Anlaß, um am 12. März beide
Heeresgruppen auf die Möglichkeit hinzuweisen, daß „der an sich im Ge¬ lände und durch den feindlichen Stellungsbau nicht leichte Angriff der 2. Armee unter Umständen nur langsam vorwärts kommen" würde. Er
faßte für diesen Fall unter Zurückstellung der strategischen Ziele zunächst die Abschnürung des vor der 2. Armee standhaltenden Gegners durch Vorgehen der inneren Flügel der 17. und 18. Armee gegen seine Flanken ins Auge. Insbesondere bezeichnete er es als Aufgabe der 18. Armee, wenn
sie rascher als die 2. Armee vorwärts komme, ihren rechten Flügel nach Norden in der Richtung auf Beauvois—Tertry—Psronne vorzutreiben. Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht gab die Weisung an die 17. und 2. Armee mit dem Zusatz weiter: „Für die 17. Armee wird es sich in
diesem Falle voraussichtlich darum handeln, ihren Angriff über Mres hinaus in südlicher Richtung fortzuführen und ihre rechte Flanke entsprechend zu decken". Im übrigen bemerkte sie, daß die Fortführung der Operation in der Richtung auf Arras—Albert erst dann möglich sein würde, wenn ein großer taktischer Erfolg im Zusammenwirken mit der 2. und 18. Armee erreicht sei.
Weit stärker und nachhaltiger jedoch als durch diese Erörterungen wurde die Aufmerksamkeit der Obersten Heeresleitung wenige Tage vor Beginn des Michael-Angriffs durch einen Vorschlag der 18. Armee in Anspruch genommen, der geeignet war, die geplanten Operationen in entscheidender Weise zu beeinflussen. General von Hutier wollte die
Aufgabe seiner Armee über den bisher befohlenen defensiven Flankenschutz hinaus dahin erweitern, daß sie durch Fortsetzung des Angriffs über Somme und Erozat-Kanal die zur Unterstützung der Engländer bestimmten
französischen Reserven „auf sich ziehen, schlagen und die Verbindung zwischen Engländern und Franzosen unterbrechen" solle. Er ging dabei von *) Diese und folgende Orte auf Beil. o.
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Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
»l- der Annahme aus, daß die Franzosen, unbeschadet einer größeren Ent-o.Ms-z. ^stungsoffensive an ihrer eigenen Front, die Engländer durch starke, mit den Bahnen in den Raum Amiens—Oise heranzuführende Kräfte unmittel¬
bar unterstützen würden. „Die Aufgabe der 18. Armee", so folgerte er, „er¬ fordert daher entschlossenes schnelles Handeln sowohl bei Erzwingung des Somme- und Erozat-Kanal-Abschnitts wie beim weiteren Vorgehen. Je früher die Armee die Linie Chaulnes—Roye erreicht, um so mehr kann sie damit rechnen, den Franzosen noch im Aufmarsch zu treffen, um so günstiger
gestalten sich ihre Aussichten für den Bewegungskampf". Die Sicherung der linken Flanke an der Oise bis zu den Höhen westlich von Noyon wollte die Armee aus eigenen Kräften übernehmen.
Die ganze Tragweite dieses Vorschlags ging aus dem Begleitschreiben hervor, mit dem ihn die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz am
18. März vorlegte: „Je mehr die französische Gegenwirkung sich gegen die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht richtet, um so wirksamer wird die vorgeschlagene Operation die Franzosen treffen. Der Feind wird ihre
entscheidende Bedeutung und die Bedrohung seiner Hauptstadt schnell erkennen. Mit stärkster Gegenwirkung ist daher zu rechnen. Deshalb müssen starke Kräfte für die Operation eingesetzt werden". Die Heeresgruppe hielt es für erwünscht, daß die 18. Armee gegebenenfalls durch das linke Flügelkorps der 2.Armee verstärkt würde, um die befohlene Ausdehnung ihres rechten Flügels an der Somme nach Norden bis Peronne ohne Inanspruchnahme eigener Kräfte leisten zu können. Von einer Empfehlung des Vorschlags der 13. Armee sah die Heeresgruppe ab, da nur die Oberste
Heeresleitung nach der Lage entscheiden könne, ob er ausgeführt werden solle. Sie fügte aber doch hinzu, daß die Ausführung durch den Befehl an die 18. Armee vorbereitet sei, „sich für weiteres Vorgehen in den Besitz der Hauptübergänge zwischen St. Christ und Tergnier zu setzen". General Ludendorff wurde damit vor eine Frage von schwer¬
wiegender Bedeutung gestellt. Sein bisheriges Ziel war der Entscheidungsschlag gegen die Engländer gewesen, zu dem er unter Verzicht aus Ablenkungsangriffe an anderer Stelle alle verfügbaren Kräfte zusammenfassen wollte. Auch in der letzten Besprechung, am 7. März in Möns, und in dem daraufhin erlassenen Heeresbefehl vom 10. März hatte er an diesem Ziel festgehalten und als Aufgabe der 18. Armee lediglich den Flankenschütz für die nördlich der mittleren Somme (abwärts von Psronne) zu
suchende Entscheidungsoperation bezeichnet. Dieser Flankenschutz sollte an dem starken Hindernis des Flusses und des Erozat-Kanals defensiv ausgeübt werden, die frühzeitige Erkämpfung zahlreicher Übergänge nur eine
offensive Drohung gegen die voraussichtlich den Engländern zu Hilfe
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
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eilenden Franzosen sein. Jetzt wurde dem Ersten Generalquartiermeister mit einleuchtenden Gründen dargelegt, daß eine bloße Drohung nicht genüge, um die Franzosen von unmittelbarer Unterstützung der Engländer
nördlich der Somme abzuhalten. Die vorgeschlagene offensive Lösung schien vom Standpunkt der Gesamtoperation unbedenklich, ja sogar emp¬ fehlenswert, solange sie sich in den Grenzen der Ausgabe des Flankenschutzes hielt. Ob das aber möglich sein würde, war fraglich. Es hing sehr wesentlich von der Stärke und dem Verhalten des Gegners ab. Die Mög-
lichkeit war jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, daß sich aus dem
offensiv geübten Flankenschutz im Räume zwischen Somme und Oise Kämpfe entwickelten, die mit dem bisherigen Ziele, die Engländer zu schlagen, in Widerstreit geraten konnten, indem sie die gleichzeitige Ent-
scheidung auch gegen beträchtliche Teile des französischen Heeres herbeizuführen suchten. Darauf hatte die Heeresgruppe bei ihrer Stellungnahme zum Vorschlage der 13. Armee unzweideutig hingewiesen und die Notwen-
digkeit betont, einen solchen Begegnungskampf mit starken Kräften zu führen, das hieß offenbar: mit stärkeren, als bisher vorgesehen war.
General Ludendorff hat die weitreichenden Möglichkeiten, die sich aus dem Vorschlage der 18. Armee ergeben konnten, ernsthaft erwogen. Die zu seiner Ausführung notwendige Zuführung von Verstärkungen aus dem
Bereich der Heeresgruppen Deutscher Kronprinz, Gallwitz und Herzog Albrecht hatte er schon Ansang des Monats ins Auge gefaßt^). Noch vor Beginn der Offensive unterrichtete er beide Heeresgruppen über seine Ge-
danken^): Unter der Voraussetzung, daß ein großer Erfolg erreicht werde, sollte die Offensive mit der 17. Armee aus St. Pol, mit der 2. auf Doullens—Amiens, mit der IL. auf Bray—Noyon fortgesetzt werden. In der
weiteren Annahme, daß letztere Armee spätestens dort starken französischen 1) S. 83 f. 2) Aufzeichnung des Gen. von Kühl vom 20. März abends in seinem laufend ge¬
führten Fernsprechbuch: „Ludendorff: Zusammenwirken der Armeen, wenn großer Erfolg erreicht wird, ist folgendermaßen gedacht: 13. Armee auf Bray—Noyon, 2. Armee auf Doullens—Amiens, 17. Armee Richtung St. Pol". — Ergänzend hierzu heiht es in
einem vermutlich später gemachten Aktenvermerk der Hgr. Kronprinz Rupprecht: „Luden¬ dorff Kühl: Absichten 2. Armee allgemeine Richtung Doullens—Amiens, dann bereit nach Süden, in den Kampf der 18. Armee, einzugreifen. Annahme, daß 13. Armee in Linie Bray—Noyon spätestens starken französischen Widerstand finden wird. 2. Armee soll dann von Norden her einschwenken. 17. Armee Schwerpunkt in Richtung St. Pol". Gen. Graf Schulenburg hat nach dem Kriege aufgezeichnet: „Fn Ferngesprächen mit den beiden Heeresgruppenchefs erklärt Ludendorff, sich die Möglichkeit offenhalten zu wollen, im Vorgehen den Schwerpunkt der 17.Armee auf St.Pol, den der 2.Armee in Richtung Doullens—Amiens zu verlegen, falls die 18. Armee spätestens in der Linie Bray—Noyon
starken französischen Widerstand finden würde".
92
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
«bis Widerstand finde, konnte dann die 2. Armee nach Süden einschwenken, um -».Ms.,, m den Kampf einzugreifen.
Damit plante der Erste Generalquartiermeister, abweichend von seinen bisherigen Absichten, den taktischen Durchbruch, falls er auf der ganzen Front voll gelang, zu einer entscheidungsuchenden Operation nicht nur gegen die Engländer, sondern unter Verlegung des Schwerpunktes in den Raum südlich der Somme auch gegen die zu ihrer Hilfe herbeieilenden Franzosen auszugestalten. Er war also bereit, unter Umständen sein strate-
gisches Fiel bis zum gleichzeitigen Entscheidungskampf mit beiden Gegnern zu steigern. Vorerst freilich war das nur ein Gedanke, ein Hochziel.
Von Verlauf und Ausgang der ersten Angriffstage hing es ab, ob dem kühnen Gedankenfluge die Tat folgen konnte.
Aber die Schwere der Aufgabe waren sich alle Beteiligten klar. Kronprinz Rupprecht von Bayern hatte schon am 25. Januar an seinen Vater, König Ludwig, geschrieben^): „Wohl hat sich unsere Lage gegen früher unvergleichlich verbessert; während wir früher im Westen dem Gegner an Truppenzahl stets weit unterlegen waren, stehen sich jetzt an der Westfront ungefähr gleichstarke Kräfte gegenüber. In der Güte der Truppen besteht hüben wie drüben kein nennenswerter Unterschied, wohl aber glauben wir, in der Führung dem Gegner überlegen zu sein. Es kann daher mit Sicherheit auf einen großen Erfolg gerechnet werden; nur ein wirklicher Durchbruch aber kann die Entscheidung des Krieges bringen. Jeder andere noch so große Erfolg würde, wie die Dinge liegen, wegen der unvermeidlichen gewaltigen Verluste für den Angreifer unsere Gesamtlage nicht verbessern, sondern verschlechtern. Ob uns ein Durchbruch gelingen wird, kann niemand voraussagen; bisher ist er unseren Gegnern nicht ein-
mal bei großer Überlegenheit gelungen". Auch der Generalstabschef des Kronprinzen Rupprecht, General von Kühl, hatte Zweifel, ob der geplante große Durchbruch den erhofften Erfolg bringen werde. „Immerhin, es kann gelingen" — so zeichnete er am 9. Februar 1918 auf —, „und da nun einmal die Entscheidung gefallen
ist, muß man frisch herangehen". Noch mehr drückten den Generalstabs-
chef der Heeresgruppe Deutschet Kronprinz, Oberst Gras Schulenburg, ernste Bedenkens. s) Kronprinz Rupprecht: „Mein Kriegstagebuch", III, S. 20f. 2) Am Vorabend des Angriffs, 20. März 1918, sagte er zu seinem Begleiter, dem damaligen Major Beck (Mitteilung des Gen. Oberst Beck vom April 1941, nach der Er¬ innerung): „Wir können in der morgen beginnenden Schlacht 100000 Gefangene machen und 1000 Geschütze erobern. Wir werden aber am Ende der Schlacht in einer schwierigeren
Lage sein als vorher. Denn wir werden nicht zum endgültigen freien Schlagen kommen.
Entstehung und Entwicklung des Angriffsplanes.
93
Solchen Zweifeln und Sorgen aber stand das starke Vertrauen des Generalfeldmarschalls und des Generals Ludendorfs gegen¬
über, das schließlich alle in seinen Bann zog1).
C. Die Gegner in Erwartung der deutschen Offensives. Beilagen 2 und 5.
Beim französischen Heere war die Ablösung der Z.Armee durch 3««»« die englische 5. Ende Januar beendet. Dadurch waren für General Potain
sechs Infanterie- und zwei Kavallerie-Divisionen verfügbar geworden. Dazu kamen vier Divisionen der nach Abschluß der Offensive in Flandern frei gewordenen l. Armee sowie zwei in Dünkirchen zur Sicherung des linken Flügels der verbündeten Gesamtfront bereit gehaltene Divisionen, so daß die französischen Heeresreserven in Frankreich im Laufe des Februar um zwölf Infanterie- und zwei Kavallerie-Divisionen wuchsen. An ArmeeOberkommandos standen das 3.und das vorläufig noch bei Verdun ein¬ gesetzte 1. zu anderer Verwendung bereit. Das britische Expeditionsheer stand mit vier Armeen in geschlossener Linie von Barisis (südlich von La Fere) bis Langemarck, nachdem es den Küstenabschnitt bei Meuport und den vorher von der fran-
zösischen 1. Armee gehaltenen Abschnitt bei Bixschote an die Belgier ab¬
gegeben hatte3). In Italien standen noch sechs französische und fünf englische Divisionen. Der Führer der französischen Truppen, General Fayolle, schlug im sondern bestenfalls nur eine sehr tiefe Ausbuchtung nach vorne erreichen, die uns, ungerechnet der Verluste, weit mehr Tmppen zur Besetzung kosten wird als die bisherige Front. Dann bleibt uns nichts übrig, wie in der noch schwieriger gewordenen Lage auszuharren oder in die Ausgangsstellung zurückzugehen. Eine Kriegsentscheidung wird der Angriff also nicht bringen, dazu reichen die Kräfte nicht aus. Das Ganze ist eben nur der Ausfall aus einer
belagerten Festung, diese hat aber nicht auf Entsatz zu rechnen, sondern inzwischen werden die Amerikaner kommen..."
x) Immerhin erklärte Gen. Ludendorff im Sommer 1923 auf Fragen, die seitens des Reichsarchivs an ihn gestellt wurden, mündlich: „Ich hoffte auf einen durchschlagenden Erfolg und tat alles, was in meiner Macht stand, um ihn sicherzustellen. Aber ich war mir
auf der anderen Seite über die ungeheuren Schwierigkeiten und die Möglichkeit des Mißlingens vollkommen klar. Die großen Offensiven der letzten Fahre, sowohl die eigenen wie die der Entente, redeten eine sehr eindringliche Sprache. Man muhte sich also von vornherein mit dem Gedanken vertraut machen, daß der große Erfolg ausbleiben könne. Dann blieb nur übrig, die entscheidungsuchende Schlacht an anderer Stelle fortzusetzen, solange bis der Feind mürbe wurde". 2) Anschluß an S. ISff. 8) Gliederung der gesamten feindlichen Front am 21.März Beil. 37.
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
94
Februar, als die Kampfkraft des italienischen Heeres einigermaßen wieder¬ hergestellt war, Wiederaufnahme des Angriffs für den Monat März vor. Damit waren aber die Generale Potain und Foch nur für den Fall ein¬
verstanden, daß in Frankreich kein starker deutscher Angriff erfolge. Andernfalls brauchten sie die in Italien stehenden Kräfte als Reserven für die eigene Front; das italienische Heer sollte dann in reiner Abwehr verharren.
J. Organisation und Ausbildung. Bu Beim französischen Heere war Mitte März die Umgestaltung der Mi«, ms»,. gn^(mtctie..§)jpifiPncn abgeschlossen; zwei Divisionen waren ausgelöst und bei der Aufstellung von „Kavallerie-Divisionen zu Fuß" verwendet worden. Die Ausrüstung der Infanterie mit Maschinengewehren war vermehrt
und verbessert^). Die Zahl der einsatzbereiten Kampfwagens war auf 383 schwere und mittlere gebracht; deren bisherige Mängel hatte man durch mehrfache Änderungen zu beheben versucht. Von den seitens der Heeresleitung dringend geforderten leichten Kampfwagen waren ISO vorhanden, aber noch nicht verwendungsbereit. Bei der Artillerie waren über 20»
leichte Batterien für den Transport auf Kraftwagen eingerichtet worden. Die schwere Artillerie war besonders um 10 orn-Kanonen (105 mm) und
schwere Feldhaubitzen (155 mm court) vermehrt worden; auch der Bestand an weittragendem Flachfeuer war gewachsen. Die nicht den Korps und Divisionen zugehörige Heeres-Artillerie war als „General-ArtillerieReserve" zusammengefaßt. Die bei der Kavallerie aus KürassierRegimentern unter Zuteilung von Infanterie gebildeten beiden Kaval-
lerie-Divisionen zu Fuß waren Infanterie-Divisionen gleich zu achten und wurden auch wie diese verwendet. Daneben bestanden sechs berittene Divisionen weiter. Die Flugwaffe war erheblich vermehrt worden. Statt
der bisherigen fünf Kampfgeschwader waren jetzt elf vorhanden, jede Armee verfügte über zwei Jagdgeschwader. Auch die Fliegerverbände der Korps und Divisionen waren vergrößert. Insgesamt verfügte die fran-
zösische Armee Anfang März über 2800 einsatzbereite Flugzeuge. Für die Ausbildung der Truppen, besonders im Abwehrkamps, war
viel getan worden. Sämtliche Verbände hatten auf Übungsplätzen den *) Bei jeder Division 120 statt 75 schw. M. G. und, wie bisher, 432l. M. G. *) Es gab: schwere Wagen: 23 t; 9Man ,17,5orn-Kan.,4M.©.;4 km 1 mittlere .. : 13,5 t; 6 Mann, 1 7,5 orn-Kan., 2 M©.; 4 km ^echts-Sto.-
leichte
„
: 6,7t; 2 Mann. 1 3,7°rn-Kan. oder 1 M. ©.; 8km j Geschw.nd.gke.t
Die Gegner in Erwartung der deutschen Offensive.
95
Stellungskampf und das Zusammenarbeiten mit Kampfwagen geübt. Die meisten waren mit dem Abschnitt, in dem sie zum Einsatz kommen
sollten, gut vertraut. Besonderer Wert war auf Maßnahmen zu schnel¬ lem Verschieben der Reserven parallel zur Front gelegt worden. Die dafür erforderlichen Bahnlinien waren reichlich vorhanden und voll be¬
triebsfähig. Beim britischen Expeditions-Heere war das Streben, Organi-
sation und Ausbildung zu fördern, dadurch erschwert worden, daß die Erschöpfung der am Großkampf in Flandern beteiligten Truppen zunächst Erholung und umfangreiche Beurlaubungen in die Heimat nötig gemacht hatte. Die immer schwieriger werdenden Ersatzverhältnisse hatten im Januar dazu gezwungen, die Stärke der meisten InfanterieDivisionen auf neun Infanterie-Bataillone herabzusetzen, was bis Ende Februar durchgeführt worden war. Nur zwölf Divisionen (Garde-, 5kanad., 5 austrat, und 1 neuseel.) behielten je zwölf Bataillone. 171 Ba¬ taillone waren aufgelöst und dazu verwendet worden, andere aufzufüllen,
sieben neue Pionier-Bataillone zu bilden und eine Mannschaftsreserve von etwa 54000 Mann zu schaffen. Bon schweren Maschinengewehren standen 4000 Stück in der Front, dazu kamen etwa 17000 leichte (Lewis-) Maschinengewehre. An Tank-Einheiten waren bei Beginn der deut-
schen Offensive zwölf Bataillone zu je 36 (zusammen 432) Tanks vor¬ handen. 18 Abteilungen („Brigaden") Feld- und schwerer Artillerie waren als Heeres-Artillerie bereitgestellt. Die Zahl der einsatzfähigen
Flugzeuge betrug 11441), dazu im Küstenabschnitt III der Marine. Bei der belgischen Armee, die seit langem nur unwesentliche Berluste gehabt hatte, waren die bisherigen sechs „Armee-Divisionen" auf die Stärke etwa je eines Korps gebracht und seit Ende Januar geteilt worden,
so daß insgesamt zwölf Infanterie-Divisionen und die Kavallerie-Division bestanden. Die Artillerie war um 19 Batterien vermehrt.
Das den Engländern unterstellte portugiesische Kontingent zählte zwei Infanterie-Divisionen, von denen aber infolge geringen Mannschaftsstandes sowie unzureichender Bewaffnung und Ausrüstung nur eine voll verwendungsfähig war.
Vom amerikanischen Expeditionskorps waren vier Infanterie-
Divisionen eingetroffen und hinter der französischen Front untergebracht, zwei befanden sich im Antransport. Nur zwei Divisionen konnten zunächst in ruhigen Abschnitten eingesetzt werden, bei den anderen fehlte es noch an Ausrüstung und Ausbildung. Davon 579 im künftigen deutschen Angriffsraum (5. u. 3. Armee).
96
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
2.Zustand der Stellungen und Abwehrverfahren. Mtk ms.,
An der französischen Front war die I. Stellung überall gut, die II. ausreichend gebaut. Eine III. Stellung bestand erst an wenigen Stellen, war aber auf der ganzen Front festgelegt und zum Teil in Arbeit. Das Eisenbahnnetz war vervollkommnet und verdichtet, die Straßen waren verbessert worden. Viele neue Magazine für Kriegsbedarf waren angelegt. Neben den anfangs mit dem Stellungsbau betrauten Territorial-Truppen,
deren Stärke wegen fehlenden Ersatzes stetig zurückging, waren zurückgezogene Verbände der Front sowie einheimische und italienische Zivilarbeiter eingesetzt worden. Mitte März urteilte General Pstain in einem Erlaß an die Armeen, daß „die Widerstandskraft der Stellungen von jetzt ab als ausreichend angesehen" werden könne.
Im britischen Frontabschnitt waren die Anlagen teilweise noch weiter zurück, da die Schlacht in Flandern mit ihren hohen Anforderungen an Menschen und Kriegsmitteln den Ausbau erschwert hatte. Wo noch im Herbst größere Kämpfe stattgefunden hatten, vor allem bei Eambrai und in Flandern, lagen die vorderen Stellungen taktisch nicht immer günstig und hatten nur notdürftig ausgebaut werden können; die weiter rückwärts ge¬ legenen Ausgangsstellungen aber waren zum Teil verfallen. Für das Wege-
und Eisenbahnnetz war auch hinter der britischen Front allgemein viel getan. Über den von den Franzosen übernommenen Abschnitt, der von
Barisis südlich der Oise bis zum Omignon-Bach reichte, hatte die hier eingesetzte britische 6. Armee alsbald gemeldet, daß sich die Stellungen in einem sehr mangelhaften Zustande befänden. Darin trat zunächst auch keine entscheidende Änderung ein, denn Feldmarschall Haig setzte die verfügbaren Arbeitskräfte in erster Linie zum Bau einer rückwärtigen Stellung an, die hinter Erozat-Kanal und Somme mit einem Brückenkopf bei
Psronne nach Norden verlaufen sollte. Über das einzuschlagende Abwehrverfahren waren General Pötain und Feldmarschall Haig einer Meinung: Der Hauptwiderstand war in der
II. Stellung zu leisten, die dementsprechend tief gegliedert war. Das ganze Stellungssystem einer Armee galt als Schlachtfeld, in dem der Feind zu schlagen oder aufzuhalten sei. Besondere Sorgfalt wurde der Nahtstelle zwischen der französischen und britischen Front südlich von La Fere gewidmet. Für den Fall, daß die Lage das Eingreifen französischer Reserven bei den Armeen des britischen rechten Flügels (5. und 3. Armee) nötig
machen sollte, waren Aufmarschräume für zwölf Divisionen mit starker Artillerie, je sechs in der Gegend von Noyon—Montdidier, um Amiens oder
zwischen Frevent und St. Pol, vorgesehen. Die Verstärkungen konnten
Die Gegner in Erwartung der deutschen Offensive.
97
dort in vier bis fünf Tagen eintreffen. Das nicht eingesetzte französische Armee-Oberkommando 3in Clermont hatte alle Einzelheiten vorbereitet.
Englischerseits war das Eingreifen auf dem französischen Nordflügel durch den in Noyon in Ruhe liegenden Stab des IX. Korps bearbeitet worden.
Im übrigen hatte Feldmarschall Haig für seine ursprüngliche Front den Grundsatz aufgestellt, daß die jetzigen Stellungen wegen der geringen Tiefe des rückwärtigen Gebietes — das Expeditionsheer stützte sich auf die Kanal-Häfen von Abbeville bis Dünkirchen — mit äußerster Kraft zu halten
seien. Dagegen sollte die 5.Armee in ihrem neu hinzugekommenen Abschnitt mehr freie Hand haben. Bei ihr ließe sich — wie es in einer Weisung des Feldmarschalls vom 9. Februar hieß — ein Durchkämpfen der Schlacht in der augenblicklichen Stellung nur dann rechtfertigen, wenn es die „all-
gemeine -Lage erfordere"; es sei sehr wohl möglich, daß der Rückzug hinter die Somme dieser besser entspreche. Der erste wirksame Aufenthalt sollte spätestens hinter dem Crozat-Kanal und in der beiderseits anschließenden HI. Stellung bereitet werden. Pöronne und der Somme-Abschnitt aber müßten unbedingt so lange gehalten werden, bis Gegenangriffe von Norden und Süden gegen die Flanke des Angreifers einsetzten. Gesicherte Verbindung mit der 3. Armee sei daher besonders wichtig. Darüber, wo und wann die deutsche Offensive zu erwarten sei, war man bis Mitte Februar völlig unsicher. Nur die Vogesen, der St. Mihiel-Bogen, die Argonnen und die Gegend der Kanal-Küste schienen nicht in Frage zu kommen. Dann aber mehrten sich die Anzeichen für eine
größere deutsche Offensive in der Champagne einerseits, zwischen Oise und Scarpe andererseits. Anfang März machte sich das Einschießen neuer deutscher Batterien von der Champagne bis Soissons, gegen den linken Flügel der französischen 4. sowie gegen die ganze Front der 5.und 6. Armee
bemerkbar; auch gab zu denken, daß der bisherige Abschnitt der deutschen 2. Armee zwischen La Före und Arras neuerdings in drei Armee-Abschnitte ausgeteilt worden war. Von der Schweizer Grenze bis zu den Argonnen und von Arras bis zur Küste lagen keinerlei Anzeichen für eine drohende Gefahr vor, wenn auch kleinere Unternehmungen bei Belfort, Verdun, La Bassse und Lens vorbereitet zu werden schienen. Bei einer Besprechung am 2. März waren General Pst am und Feldmarschall Haig einer Meinung darüber, daß in erster Linie die Champagne beiderseits von Reims und
der Raum zwischen Oise und Scarpe für die feindliche Offensive in Betracht kämen. Mitte März meinte der englische Nachrichtendienst, daß an der englischen Front der Hauptstoß in mehr als 50 Kilometer Breite zwischen
St. Ouentin und Arras erfolgen werde, Nebenangriffe seien vielleicht Weltkrieg. XIV. Band.
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98
Die Vorbereitung der deutschen Westoffensive.
zwischen La Bassee-Kanal und Lys zu erwarten. Hinsichtlich des Zeit-
Punktes hielt General Potain verhältnismäßig späten Beginn des Hauptstoßes für wahrscheinlich, Feldmarschall Haig glaubte an frühen Beginn. Die Zahl der deutschen Divisionen war nach den bis zum 10. März vor-
liegenden Nachrichten auf 185 gestiegen, davon 77 in Reserve; am 17. März waren 137 Divisionen festgestellt, davon 80in Reserve. Ihre Masse nahm man noch wie bisher in vier Gruppen, im südlichsten Belgien, in der Champagne, bei Hirson sowie zwischen Maubeuge und Tournai an. Am 13. und 19. März wurden bei der britischen 5. und 3.Armee
ein deutscher Flieger, ein Artilleriebeobachter sowie andere Gefangene und auch Aberläufer eingebracht. Aus ihren übereinstimmenden Aussagen wurde entnommen, daß die Offensive hier am 20. oder 21. März beginnen werde. Gleichzeitig ergab die allerdings durch schlechtes Wetter
behinderte Luftaufklärung, daß auf Straßen und Bahnen hinter der beut-
schen Front starke Truppenbewegungen stattfanden. Der Oberbefehlshaber der 5. Armee, General Gough, glaubte, daß der Hauptstoß seine, als die schwächere der beiden in Betracht kommenden Armeen, treffen werde. Er bezweifelte, daß ihm der Feind Zeit lassen werde, bis die Armee- und Heeresreserven herankämen, denn die Wege waren in schlechtem Zustand, und die Feldbahnen reichten zur Beförderung nicht aus. Er rechnete daher zunächst allein auf die in der Front eingesetzten Divisionen und befahl seinen Korpsführern, in tiefer Gliederung zu kämpfen, immer wieder Gegenstöße zu machen und sich nicht überraschen
zu lassen. Feldmarschall Haig hatte in letzter Stunde auch für erhebliche Verstärkung der Arbeitskräfte gesorgt; sie hatten am 16. März die Zahl von 48000 Mann erreicht, darunter auch deutsche Kriegsgefangene. Damit gelang es, die Stellungen der 5.Armee bis zum 20. März so weit herzurichten, daß die vordere und die II. Stellung trotz einiger Mängel als ver-
teidigungsfähig angesehen wurden. Anzureichend aber blieb bei der großen Ausdehnung die zahlenmäßige Stärke der 5. Armee. Deren Abschnitt hatte Feldmarschall Haig den Franzosen nur widerstrebend abgenommen, und er lag ihm, wie seine Anweisung über Ausweichen auf die Somme-Linie zeigt, weniger am Herzen als die Flandern-Front. Dort wurde auch nicht der Weg zu den Kanal-Häfen, sondern eher der nach Paris verteidigt. Daher hielt er, wenn der Gegner in jenen
Abschnitt einbrach, starke französische Hilfe für sicher. Als am 21. März der deutsche Angriff begann, waren an der von ihm
betroffenen Front planmäßige Vorbereitungen für eine Abwehrschlacht, wie sie deutscherseits seit dem Frühjahr 1917 in ähnlichen Lagen getroffen wurden, nur in sehr beschränktem Maße durchgeführt. Die Divisionsbreiten
Die Gegner in Erwartung der deutschen Offensive.
99
betrugen vor der deutschen 17. Armee durchschnittlich etwa vier Kilometer, vor der 2. und besonders vor der 13. Armee waren sie noch größer. EingreifDivisionen fehlten so gut wie ganz. Da der Hauptwiderstand in der
II. Stellung geleistet werden sollte und die Artillerie dementsprechend weit zurück stand, war die vordere Stellung gewissermaßen ein Vorfeld, das die feindliche Stoßkraft auffangen und den Gegner zu neuem Artillerie-
Aufmarsch zwingen sollte. In der dadurch gewonnenen Zeit hoffte man die nötigen Reserven heranzubekommen, die bisher — angesichts der Un¬ sicherheit über den Ort des deutschen Angriffs — ziemlich gleichmäßig hinter der Gesamtfront von der Oise bis zur Küste verteilt standen^). Man änderte daran aber auch nichts, nachdem am 18. März Raum und Zeit des deutschen Angriffs ziemlich klar erkannt waren. Vor der deutschen 17., 2. und 18. Armee2) standen am 21. März der Südflügel der britischen I. Armee bis zur Straße Douai—Arras, dann die britische 3.Armee bis Gouzeaucourt (ausschließlich), die britische 5. bis Barisis südlich von La Fore. Hier schloß vor der deutschen 7. Armee die französische 6. an. Gegenüber den drei deutschen Armeen verfügten die Engländer im ganzen über 3273 Infanterie-und drei Kavallerie-Divisionen mit rund 2700 Geschützen, davon fast 1000 schweren^). -) Beil. 37. 2) Einzelheiten Beil. 38 a. ') Näheres über Artillerie Beil.
a.
III. Die Große Schlacht in Frankreich
(Michael-Offensive). A.Lage vor dem Angriff. Aufmarsch und Kampfgebiet. Beilage 5 und 6.
J. Die Ereignisse an der Westfront bis zum 25. März. Bis,»m An der gesamten Westfront verliefen die Monate vor Beginn der 2». Ms.,, haschen Offensive ohne ernstere Kampfhandlungen. Der Gegner ver¬
suchte nirgends, die Vorbereitungen zu stören, wohl aber durch kleinere Unternehmungen festzustellen, wo er den Angriff zu erwarten habe. Diese Unternehmungen waren beim französischen Heere, hier vor allem an der
elsaß-lothringischen Front, zahlreicher als beim englischen. Sie führten zu
vorübergehenden Einbrüchen in die deutschen Stellungen sowie gelegentlich zu Gefangenenverlusten, die am 8. Januar bei der Armee-Abteilung C sowie am 13. Februar bei der 3. Armee die Zahl von ISO Mann überstiegen und am 20. Februar bei der 19. Armee mit etwa 400 Mann ihre
Höchstziffer erreichten.
Deutsche Unternehmungen setzten in größerem Umfange erst von
Ende Februar an ein. Sie hatten neben der Feststellung des gegenüber-
liegenden Feindes den Zweck, diesen über den Ort der bevorstehenden Offensive zu täuschen. Da bei jeder solchen Unternehmung auch mit eigenen Gefangenenverlusten gerechnet werden mußte, wurden die Be-
teiligten durch Ausstreuen entsprechender Nachrichten, vor allem aber durch weitgehende tatsächliche Vorbereitungen in den Glauben versetzt, daß gerade an ihrer Front ein größerer Angriff bevorstehe. An der MichaelFront unterblieben Unternehmungen so gut wie ganz, dagegen wurden sie auf dem gesamten linken Heeresflügel zur Irreführung der Franzosen besonders zahlreich betrieben. Hierbei brachten am 1.März Vorstöße der 1., 3. und 5. Armee mehr als 400 Gefangene, mehrtägige Unternehmungen der 5.Armee vom 16. bis 20. März deren rund 1000. Diese Unterneh¬
mungen, neben denen erhöhte Artillerietätigkeit, auch starke Vergasungen einhergingen, steigerten sich nach Zahl und Umfang, bis am 21. März gleichzeitig mit dem Beginn des Michael-Angriffs an allen übrigen Front-
Die Lage vor dem Angriff.
101
abschnitten Stoßtruppunternehmen und stärkste Artillerietätigkeit einsetzten, die zum Teil in den nächsten Tagen wiederholt wurden. An der Michael-Front zeigten sich die Engländer seit Monatsansang sehr rege. Ihre Artillerie schien vermehrt und nach der Tiefe gestaffelt.
Seit Mitte März lag, besonders nachts, lebhaftes Störungsfeuer auf den deutschen vorderen Stellungen und dem nahen Hintergelände. Seit dem 17. traten häufige Feuerüberfälle hinzu. Die feindlichen Flieger ent¬ wickelten rege Tätigkeit, teilweise mit Bombenabwürfen, bis weit in das rückwärtige Armeegebiet. Tiefe Wolkenlage und regnerisches Wetter erschwerten ihnen aber in den letzten Tagen vor dem Angriff das Erkennen
der Vorgänge auf deutscher Seite.
2.Der Aufmarsch zum Angriff. Der erste und nach allgemeiner Ansicht schwierigste Teil der Offensive war der Durchbruch durch das feindliche Stellungssystem. Für diesen waren daher besonders umfangreiche und gründliche Vorbereitungen, aber auch, um die Überraschung zu sichern, strengste Geheimhaltung nicht nur der Planung, sondern ebenso der tatsächlichen Vorbereitungen an Ort und Stelle sowie der Truppenbewegungen erforderlich. Wegen des Ilmfangs und Zeitbedarfs der Vorbereitungen war das besonders schwierig. In die Pläne wurde immer nur ein engster Kreis von höheren Führern,
Generalstabsoffizieren und sonstigen Mitarbeitern eingeweiht, die, um ihre
Anordnungen treffen zu können, unbedingt Bescheid wissen mußten. Mit dem Fortschreiten der Vorbereitungen wurde der Kreis allmählich erweitert.
Grundsatz blieb, daß alle auf den Angriff bezüglichen Befehle, Meldungen, Anfragen usw. nur von Offizieren bearbeitet und geschrieben werden durften.
In einem 60 bis 70 Kilometer hinter die Front reichenden Räume wurde jeder das bisherige Maß übersteigende Verkehr von Truppen und Fahrzeugen tagsüber bei Flugwetter verboten. Das Gebiet wurde durch eine Erdficht- und eine Ballonsichtgrenze unterteilt. Für jeden der so
geschaffenen Abschnitte wurden besondere Bestimmungen erlassen. Alle neuen Anlagen sowie Bereitlegungen von Baustoffen, Material und Munition waren entweder sorgfältigst zu tarnen oder, wo das nicht möglich war, nur vorzubereiten; dabei mußte die Fertigstellung in den letzten Tagen vor Angriffsbeginn gesichert sein. Fernsprech- und Funkverkehr wurden aufs äußerste eingeschränkt. Flieger prüften aus der Luft, ob Verkehr und
Arbeiten den erlassenen Tarnungsbestimmungen entsprachen, während gleichzeitig der Post-, Fernsprech- und Funkverkehr sowie die Gespräche in den Gaststätten streng überwacht wurden.
102
,.m 21. «na»}.
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
Z)ie Leitung der gesamten Vorbereitungen lag zunächst in der Hand Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht, die auch nach Abgabe der 13. Armee an die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz (Anfang Februar) — hinsichtlich der Organisation der Vorbereitungen im allgemeinen — noch
einige Zeit führend blieb. Man unterschied „allgemeine Vorbereitungszeit" bis Ende Februar und „engere Vorbereitungszeit" im März. Letztere sollte möglichst kurz bemessen werden, doch hielt die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht mindestens drei Wochen für erforderlich, so daß der früheste Angriffstag der 21.März sein konnte; auch Organisation und Ausbildung der Angriffstruppen konnten eher kaum abgeschlossen sein. Das Verlangen der Obersten Heeresleitung, die engere Vorbereitungszeit der Ge¬
heimhaltung wegen noch weiter, auf 14 Tage, zusammenzudrängen, ließ sich nicht verwirklichen. Die Kräftebemessung sollte bei allen Angriffsentwürfen auf das Notwendige beschränkt werden. Dem Bedarf an Divisionen war eine Breite der Gefechtsstreifen von „wenigstens zwei Kilometer je
Division" zugrunde zu legen; dazu zwinge auch das Straßennetz. „Mehr als zwei Treffen von Divisionen für den taktischen Durchbruch anzusetzen" sei kaum möglich, eine „bemessene operative Reserve im III. Treffen vielleicht erreichbar". Für jeden Divisionsabschnitt von 2 bis 2,3Kilometer Breite sollten etwa 27leichte (davon 10 Haubitz») und 23 schwere (vor allem Hau¬ bitz-, ferner 10 om-Kanonen- und Mörser-) Batterien in Ansatz gebracht werden, dazu neben der Minenwerfer-Kompanie der Division ein Minen-
werfer-Bataillon. An Artilleriemunition waren fünf Tagesraten bereit-
zuhalten, davon zwei bei den Feuerstellungen, eine auf Kolonnen verladen, zwei in Depots, ferner Verpflegung für vier Wochen (später auf lö Tage herabgesetzt) und Rationen für die Pferde für drei Wochen. Die ersten praktischen Vorbereitungen galten dem Ausbau des Ver-
kehrsnetzes (Eisenbahnen, Straßen, Fernsprechleitungen) sowie der Schaffung vermehrter Unterkunft für vorausbeförderte Stäbe, Bau- und Arbeits-
truppen. Es folgten Festlegung, Vermessung und Versteinung der AngriffsFeuerstellungen von Artillerie und Minenwerfern sowie die Herrichtung
vorgeschobener Flug- und Ballonaufstiegplätze. Für die Angrissstruppen waren Gefechtsstände und Beobachtungswarten einzurichten, die Gefechtsstreifen und die Anmarschwege festzulegen. Besonderer Vorsorge bedurfte der Schutz der niedergelegten Munition gegen Sicht wie gegen Witterungsunbilden. Zur Überwindung des eigenen und feindlichen Grabensystems waren für Begleitartillerie und Fahrzeuge umfangreiche Vorbereitungen zu treffen (Bereitlegen von Behelfs-Brückengerät, Reisigbündeln, geflochtenen Hürden, Schotter usw.). Ebenso war der Vorbau der zur Front führenden Straßen und Bahnen zum Anschluß an das
Der Aufmarsch zum Angriff.
103
feindliche Netz in jeder Hinsicht vorzubereiten. Bei allen höheren Kommandostellen wurden besondere Munitionsstäbe eingesetzt, für die Kolonnen neue, den bevorstehenden Aufgaben entsprechende Beladungspläne aufgestellt. Der eigentliche Aufmarsch umfaßte die Bereitlegung der Munition, den Artillerie- und Minenwerfer-Aufmarsch und den Aufmarsch der DiVisionen. Im ganzen waren der Angriffsfront rund 550Batterien (einschl. Divisions-Artillerie) und 35 Divisionen neu zuzuführen, davon der weitaus größere Teil mit der Eisenbahn. Bis Ende Februar hatten die Generalkommandos, die Artilleriekommandeure der Divisionen und die Regimentsstäbe der Heeresartillerie einzutreffen, vom I.. bis März die vorausbeförderten Teile der Angriffsdivisionen (dabei vor allem auch Artilleriestäbe und Munitionskolonnen), vom 3. bis 10. März Vor¬
kommandos der Luftstreitkräfte (dabei die Flak-Formationen) sowie Pioniere und Berpflegungskolonnen, vom 9. bis 12. März ein Teil der Divisionen sowie die Artillerie und Fliegerabteilungen, vom 13. bis 16. März der Rest der Divisionen und die Jagdstaffeln, vom 17. bis 20. März Brücken-
trains und Sanitätsformationen. Am 21. März solllte der Angriff beginnen. Da aber — wie General Ludendorff am 12. März wissen ließ — nicht
vorhergesehene Umstände eine Verschiebung nötig machen könnten, hatten die Heeresgruppen Vorsorge zu treffen, daß die Aufmarschbewegung jederzeit angehalten werden konnte. Etwaige Befehle dazu wollte die Oberste Heeresleitüng spätestens am 20. März mittags erlassen. Bei der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht wurde vom 10. bis 14. März die Munition bereitgelegt, vom 14. bis 18. gingen die Batterien
in Stellung. Gleichzeitig erreichten die Divisionen die Bereitschaftsräume; am 19. und 20. rückten sie in ihre Angriffstellungen. Die Bereitstellung zum Sturm selbst mußte am 21. März 1° früh beendet sein. Die Anordnungen bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz waren ähnlich. In den letzten Tagen vor dem Angriff ergab sich eine äußerst enge Unterbringung, da alles scharf nach vorne aufschließen mußte, um am Angriffstage übergroße Marschleistungen der Divisionen des II. und III. Treffens zu vermeiden. In den Tagen vom 16. bis 19. März übernahmen die neu eingesetzten Generalkommandos den Befehl in ihren Abschnitten. Am 18. siedelte die Erste Staffel der Obersten Heeresleitung nach der vorbereiteten Befehlsstelle in Avesnes über.
Trotz mancher Reibungen, die bei der Masse neu hinzukommender Truppen unausbleiblich waren, vollzog sich der Aufmarsch im wesentlichen planmäßig. Bei der Munition hatte man sich allerdings meist mit der Bereitlegung von nur vier statt fünf Tagesraten begnügen müssen, und erst recht hatten die Verpflegungsvorräte nicht in dem ursprünglich ge-
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
104
»!«zum forderten Umfange herangeschafft werden können, obgleich die Eisenbahnen s». sita*». ^ jUr Grenze des Möglichen angespannt worden waren. Bei der 17. Ar-
mee hatten die gleichzeitigen Vorbereitungen für Mars teilweise hemmend gewirkt. Insgesamt war aber am 20. März der Aufmarsch überall so weit beendet, daß der Angriff beginnen konnte. Auch die Witterung bildete kein Hindernis. Nach vorwiegend ungünstigem Wetter war es am 15.März völlig aufgeklart. Am 19. setzten zwar wieder Regen und schlechte Sicht ein, die am 20. anhielten, doch stellte die Wetterwarte gegen Mittag Besserung in Aussicht. So blieb es beim Angriffsbeginn am 21. März. Am Morgen dieses Tages standen an der Michael-Angriffsfront, einschließlich der Mars-Front^), im ganzen 39 Divisionen (einschl. aller Stellungs-Divisionen) im I. Treffen bereit, 22 im II. und 10 im IH. Treffen, dazu 5 Divisionen Reserven der Obersten Heeresleitung, insgesamt also 76 Divisionen; die Heranziehung weiterer Divisionen von anderen Fronten war vorbereitet. 6608 Geschütze und 3534 Minenwerfer standen feuer¬
bereit. 1070 Flugzeuge harrten des Befehls zum Aufsteigen.
Z. Das Kampfgebiet. Beilage 3 b, 5 und 6.
Der Angriff der deutschen 17., 2. und 18. Armee hatte ein Gebiet zu
durchschreiten, dem langgestreckte und weiten Aberblick gewährende flache Höhenrücken ein fast überall gleiches, etwas eintöniges Gepräge geben. Es wird durch die breiten Täler der Ancre und vor allem der Somme und den bei St. Simon von ihr nach Süden abzweigenden Crozat-Kanal durch-
schnitten. Die Flußtäler, zu denen die Höhen bis zu 50 Meter tief abfallen, bilden infolge ihres sumpfigen Bodens mit vielen Fischteichen und Wasser-
tümpeln sehr ansehnliche Hindernisse. Einen beachtenswerten Abschnitt stellte auch der aus der Gegend von Douai zur Somme bei Psronne und weiter zur Oise bei Noyon verlaufende, damals noch im Bau befindliche Canal du Nord dar. Wenn er auch nur teilweise mit Wasser gefüllt war,
so bildeten seine tiefen Ausschachtungen doch ein Verkehrshindernis, das nur bei Wres und südwestlich von Libermont, wo der Kanal durch Tunnel
führt, unterbrochen war. Frühere Kampfhandlungen und die Zerstörungen des SiegfriedRückzuges hatten das ganze Angriffsgelände bis gegen Albert und Montdidier zu einer Einöde gemacht, in der es außer in den Tälern kaum
einen Baum und — soweit nicht der Gegner inzwischen Baracken errichtet Näheres Beil. 38 a (Gliederung am 21. März) und Beil. 34 (Zusammensetzung der
Divisionen).
Aufmarsch zum Angriff und Kampfgebiet.
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hatte — auch kein Gebäude gab. Von den Ortschaften waren mit wenigen
Ausnahmen, wie Bapaume, Psronne, Ham, nur die Grundmauern noch erhalten, und auch diese vielfach von Gestrüpp derart überwuchert, daß nur Namenstafeln Kenntnis davon gaben, wo einst der Ort gestanden hatte. Die wenigen Waldstücke der Gegend bestanden aus fast undurch¬
dringlichem Gebüsch. Das Wege- und Bahnnetz hinter der feindlichen Front schien vom Gegner gut instand gesetzt zu sein, war teilweise auch erweitert; die Schwierigkeit lag darin, den Anschluß durch das eigene und feindliche Grabensystem herzustellen. Bei nasser Witterung behinderte der schwere Lehmboden jede Bewegung außerhalb der festen Wege aufs äußerste; dazu kam aber noch, daß in allen ehemaligen Stellungsgebieten das mit hohem Unkraut bewachsene Grabengewirr mit seinen Draht¬ hindernissen zu überwinden war. Auch erschwerte die Eintönigkeit der Boden-
formen wie ihrer Bedeckung das Sichzurechtfinden ganz außerordentlich. Die Lage der feindlichen Stellungen war der deutschen Führung aus
Fliegerbildern im allgemeinen gut bekannt, ebenso annähernd die Stärke und Gliederung des gegenüberstehenden Feindes. Überraschungen waren in erster Linie von den im Gelände versteckten Maschinengewehren zu
erwarten. Auch über die feindliche Artillerie sah man nicht recht klar, denn der Gegner hatte in der letzten Zeit nur aus einem Teil der bekannten, überaus zahlreichen Geschützstellungen gefeuert, und die Erkundung aus der Luft hatte des Wetters wegen nur unzureichende Ergebnisse gebracht. Immerhin war von der an der Michael-Front erreichten etwa doppelten Überlegenheit der Deutschen an Divisionszahl wie an Geschützen, in Ber-
bindung mit der gründlichen Schulung der Truppe für die bevorstehende Aufgabe und dem vorbildlichen Angriffsgeist, der sie beseelte, zu erwarten, daß der Durchbruch durch die feindlichen Stellungen gelingen werde. Was möglich war dafür zu tun, war geschehen.
B. Der Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. Beilage Ad, 5, 6, A4, Ada, A7 und A9a.
J. Der Angriff am 21. März. Der 20. März war bei allen drei Armeen im allgemeinen ruhig verlau-
fen. Abends setzten feindliches Störungsfeuer und Feuerüberfälle ein, die die Nacht über anhielten. Trotzdem vollzog sich das Einrücken der Sturmtruppen in die vordere Linie dank den sehr eingehenden Vorbereitungen
ohne bemerkenswerte Reibungen.
106
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
Der Regen hatte aufgehört, aber der schwere Lehmboden der SommeLandschaft war durch die zweitägigen Niederschläge aufgeweicht. Nach klarer Nacht herrschte am Morgen des 21. März bei wenig bewegter Luft dichter Bodennebel. Beobachtung der Schußlage war daher auch nach Eintritt der Tageshelle für die Artillerie unmöglich; sie muhte sich allein auf das Pulkowskische Verfahrens und den planmäßigen Ablauf der Feuerwalze verlassen. Geordnete Bereitstellung zum Sturm gelang nicht überall. Selbst als zwischen 9° und 10° vormittags (Sommerzeit) über dem Raum der beiden nördlichen Armeen die Sonne durchbrach (Sonnenaufgang etwa um 740), war die Sicht durch Dunst beschränkt. Um 440 — bei der 17. Armee erst um 505 — morgens hatte bei noch
völliger Dunkelheit schlagartig die Vergasung der feindlichen Artillerie begonnen. Schwere und schwerste Flachfeuer-Batterien nahmen Stabsquartiere, Truppenlager und wichtige Verkehrswege unter Feuer. Nach etwa einer Stunde wandte sich die Mehrzahl der deutschen Batterien im
Wirkungsschießen, das sich wiederholt zum Trommelfeuer steigerte, den Angriffszielen der Infanterie zu. Nach anderthalb Stunden griffen die Minenwerfer ein. Die feindliche Artillerie antwortete zunächst nur'recht schwach, anscheinend infolge wirksamer Vergasung. Andererseits trieb leichter Gegenwind auch den Angreifern Gasschwaden zu, die sich beim Sturm lästig bemerkbar machten. Um 945 ging die Masse der Artillerie zur Feuerwalze über, während der Rest die feindlichen Batterien niederhielt und Stützpunkte der feindlichen II. Stellung beschoß. Die Feuerwalze sollte in Sprüngen von 200 bis 400 Metern vorwärts schreiten. Die Geschwindigkeit innerhalb der Sprünge war von der Obersten Heeresleitung je nach Gelände und Stärke des erwarteten Widerstandes auf zwei bis drei Minuten für je 100 Meter
festgesetzt. Alles weitere, insbesondere etwaiges Festhalten der Feuerwalze, hatten die Generalkommandos zu regeln. Starke Jagdflieger-Verbände waren vom Morgengrauen an zur Be-
herrschung des Schlachtfeldes angesetzt. Eine erste Welle von Schlachtfliegern sollte nach dem Vorbrechen der Infanterie deren Kamps unterstützen, weitere Wellen hatten zu folgen. Der starke Nebel schloß aber zunächst jede Fliegertätigkeit aus, und sie blieb auch bis in den Nachmittag hinein stark behindert. Unterdessen brach gleichzeitig mit dem Beginn der Feuerwalze die Infanterie zum Sturm vor. Die größte Schlacht des Krieges war entbrannt. i) S. 48.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 17. Armee.
107
Die Truppen befanden sich in vortrefflicher Stimmung; sie waren gehoben von dem Gefühl, endlich aus dem nervenzerrüttenden Grabenkrieg wieder zum Bewegungskrieg zu kommen. Mit voller Zuversicht gingen sie und ihre Führer in den Kampf, von dem sie den Sieg und damit das Ende des Krieges erwarteten. a) Die Kämpfe der 17. Armee.
^Michael I-Angriff.) Vom Frontabschnitt der 17. Armee, der sich von der Gegend östlich von Vimy bis südwestlich von Cambrai hinzog, kam für den Angriff zu¬ nächst nur das den Stellungen von Fontaine bis östlich von Graincourt
vorgelagerte Gelände in Betracht. Es steigt von den deutschen Ausgangsstellungen bis etwa zur Linie Thiepval—Pozivres—Sailly-Saillisel all¬
mählich nach Süden an und weist zahlreiche tiefe Hohlwege aus, die sich vortrefflich zur Verteidigung eigneten. Im Westen wird es von den lang-
gestreckten, breiten Höhenrücken westlich des oberen Sensee-Baches be¬ herrscht, die sich gleichlaufend zueinander bis über Arras hinaus erstrecken und, nach Westen ansteigend, einander überhöhen. So wurde schon die deutsche Ausgangsstellung von den Höhen von Monchy östlich von Arras sowie von der Höhe 100 („Mühlenberg") nördlich von Croisilles weithin
eingesehen und lag unter dem Feuer der in jener Gegend stehenden englischen Artillerie. Die vorderste englische Stellung war durchschnittlich einen Kilometer von der deutschen entfernt. Sie war besonders stark im Abschnitt Fontaine— Bullecourt. Die vordere, und größtenteils auch die hintere Linie der
II. Stellung, hatte zwei Gräben hintereinander, meist doppelte Hindernisse und zahlreiche Annäherungswege. Ecoust, Roreuil, Lagnicourt, Doignies und Hermies waren zu starken Stützpunkten ausgebaut.
Im Räume des Michael I-Angriffs rechnete das Armee-Oberkommando ziemlich zutreffend mit sechs bis sieben Divisionen der englischen 2. Armee in der Front und vier Eingreif-Divisionen dahinter^); der Feind schien sie nahe heran zu halten, baldigen Angriff also zu erwarten. Für den Michael I-Angriff standen im ganzen 19 Divisionen zur Verfügung^): elf Divisionen (davon 4 Stellungs-Divisionen) als I. Treffen, sechs als IL, zwei als III. Treffen. Für die Mars-Angriffe kamen vier Stellungs-Divisionen im I., zwei Divisionen im II. Treffen hinzu sowie unter Umständen die Reserven der Obersten Heeresleitung x) Tatsächliche Stärke S. N4f. und Beil. Z3a. 2) Näheres Beil. 38 a.
108
Sie Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
(3 Divisionen) bei Denain. Wohl in der Hoffnung, auch diese bald zur
freien Verfügung zu erhalten, hatte das Armee-Oberkommando hinter der Michael-Front nur die zwei Divisionen des III. Treffens als Armeereserve ausgeschieden, alle Divisionen des II. Treffens aber, da sich das Angriffsfeld feindwärts verbreiterte und um den Angriff scharf vorwärts zu treiben, von Haus aus den Generalkommandos überlassen, die den richtigen Zeit¬ punkt zum Einsatz eher übersehen konnten als das weiter rückwärts befind-
liche Armee-Oberkommando selber. An Artillerie^) waren im ganzen vorhanden: 1403 leichte, 801
schwere, 25schwerste2) Geschütze. Zur flankierenden Unterstützung des rechten Flügels des Michael I-Angriffs wurden die schweren Batterien der drei Divisionen der Obersten Heeresleitung und die Feld- und schwere Artillerie der 26.Reserve-Division (Armeereserve) auf die beiden Korps der MarsSüdfront verteilt. Das schwerste Flachfeuer war zu einer Kampfgruppe der Armee vereinigt. Nachdem die Feuerwalze ausgeschossen war, hatten bei jeder Division im allgemeinen nur zwei Feldartillerie-Regimenter und zwei Bataillone schwerer Artillerie den Angriff weiter mitzumachen, die sonstige Artillerie wurde für andere Aufgaben, vor allem Vorbereitung der Mars-Angriffe, frei. Von den 1197 Minenwerfern sollten nach dem Vorbrechen der Infanterie zum Sturm nur die kriegsgliederungs-
mäßig zu den Divisionen gehörigen Kompanien mitgenommen werden, alle übrigen Minenwerfer-Einheiten sich zur Verfügung der Armee sammeln. An Fliegerverbänden waren vorhanden: 21 Flieger-Abteilungen, 12 Schlachtstaffeln, 12 Jagdstaffeln, 2 Bombengeschwader der Obersten
Heeresleitung mit insgesamt rund 380 Flugzeugen, dazu 5FeldluftschifferAbteilungen mit 15 Ballonzügen.
Nach dem Befehl der Obersten Heeresleitung vom 10. März und ihren im Zusammenhang damit ergangenen Einzelweisungen^) hatte sich
Kronprinz Rupprecht im wesentlichen darauf beschränken können, diese Anordnungen weiterzugeben. Im Heeresgruppenbefehl vom 16. März faßte er die Aufgaben seiner Armeen zusammen. Für das Abschnüren des Cambrai-Bogens befahl er „rücksichtsloses Vordringen in einem Zuge so weit als irgend möglich mit den inneren starken Flügeln
auf Mres (17. Armee) und Equancourt (2. Armee)". Erst nachdem diese erste Aufgabe gelöst sei, werde die 17. Armee den Angriff „in allgemein nord-
westlicher Richtung, unter Aufrollen der anschließenden englischen Front, 1) Näheres Beil. 39 a.
2) Davon 32 schwere und 3 schwerste öst.-ung. Geschütze mit nur sehr geringer Munition. 8) S. 34f. sowie 88f. u. 91 f.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 17. Armee.
109
fortzuführen haben, die 2. Armee in westlicher Richtung unter Sicherung der linken Flanke an der Somme". Als Richtungspunkt für die inneren
Flügel beider Armeen wurde vorläufig Miraumont bestimmt. Nach Norden sollte der Angriff möglichst bis zur Scarpe (Mars-Süd) ausgedehnt werden. Für alle Fälle hatte sich aber auch das nördlich der Scarpe anschließende
I. bayerische Reservekorps (Gruppe Vimy) bereitzuhalten, den Erfolg durch rasches Zufassen zu erweitern. An Reserven sollten, außer den von Denain in den Raum südlich von Douay vorzuziehenden drei Divisionen
der Obersten Heeresleitung, noch vier Divisionen als Reserve der Heeres¬ gruppe zwischen La Bassse-Kanal und Scarpe bereitgestellt werden. 6. und 4. Armee hatten das Wegziehen feindlicher Kräfte zu verhindern und dem Gegner zu folgen, falls er unter dem Druck der Michael-Operation zurückweiche, wobei die Heeresgruppe vor allem mit der Möglichkeit rechnete, daß er vielleicht frühzeitig den Vpern-Bogen räumen werde.
Die für das Heranführen englischer Reserven besonders wichtige Straße Böthune—Areas und an ihr der Straßenknoten von Noeux-les Mines
sowie Souchez sollten nach einem Befehl der Obersten Heeresleitung am Angriffstage mit Fernfeuer und Fliegerbomben belegt, der Verkehr
auf der Straße durch Tiefflieger unter Maschinengewehrfeuer genommen werden. Die der 2. Armee zur Verfügung gestellten beiden Bomben-
geschwader der Obersten Heeresleitung hatten die Bahnanlagen von Amiens und von Longueau (südöstlich davon) in der Nacht nach dem Angriff mit Bomben zu belegen.
Bei der 17. Armee lag der Schwerpunkt der gesamten Michael-
Offensive. Sie hatte nach dem Durchbruch durch die feindlichen Stellungen eine Schwenkung von fast 90°um ihren rechten Flügel, aus der bisher nach Südwesten gerichteten Front in eine solche nach Nordwesten, auszuführen. Dabei mußte sie damit rechnen, daß ihr der Gegner, sobald er die Gefahr für seinen gegen Cambrai vorspringenden Frontabschnitt erkannte, zähesten Widerstand leistete und ihr alle irgend verfügbaren Kräfte entgegenwarf. General Ludendorff war sich daher klar darüber, daß die 17. Armee von allen drei Armeen die schwierigste Ausgabe habe. Bereits am 27. Februar, vor Ausgabe der endgültigen Befehle der
Obersten Heeresleitung und Heeresgruppe, hatte General der Infanterie Otto von Below in seinem Armeebefehl für den Angriff gesagt: „17. und 2. Armee schnüren den Cambrai-Bogen ab. 17. Armee bricht hierzu aus Linie Riencourt—Inchy vor, mit linkem Flügel auf Ptres (Michael I-Angriff). 2. Armee wird gleichzeitig mit rechtem Flügel von
Villers-Guislain auf Equancourt durchstoßen (Michael II-Angriff). Im
110
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
21. März. Cambrai-Bogen werden von der 2. Armee nur Scheinangriffe geführt.
Die Vereinigung der beiden Armeeflügel in der Gegend Mres—Equancourt ist in einer Tag und Nacht fortzuführenden Angriffshandlung durchzuführen ... Mit dem ersten überwältigenden Schlage müssen möglichst
viele englische Divisionen, einschließlich Reserven, vernichtet werden, um
so die Ausgangslage für weitere Operationen zu schaffen. Zur Erzielung höchster Artilleriewirkung wird der Einbruch auf eine Strecke von neun
Kilometern zwischen Riencourt und Fnchy zusammengeschoben. Die Generalkommandos des VI. Reserve-, XIV. Reserve» und XI. Armeekorps
führen mit zwölf Divisionen den Hauptstoß in Richtung Sapignies— Bapaume—Mres unter selbständiger Sicherung der linken Flanke bis zur Vereinigung mit der 2. Armee. XVIU. Armeekorps mit fünf Divisionen hat die Flanke des Hauptangriffs durch Vorstoß über Mory zu decken und gleichzeitig das Aufrollen der feindlichen Front über die Linie Croisilles— St. Leger einzuleiten".
Für diese Aufgaben hatte das XVIII. Armeekorps so starke Kräfte anzusetzen, daß es den Angriff über den Sensee-Bach bis in den Rücken der feindlichen Artillerie auf dem Mühlenberg nördlich von Croisilles und
auf diesen beherrschenden Berg selbst durchführen konnte. Beim VI. Reservekorps, XIV. Reservekorps und XI. Armeekorps war auf schleunigste Gewinnung der immerhin 12 bis IS Kilometer entfernten Höhen von Bapaume und Rocquigny als Vorbedingung für die anzustrebende Ver¬
nichtung der englischen Truppen im Cambrai-Bogen hingewiesen. Hierzu mußten die englische HI. Stellung und die vor Bapaume liegenden ehe¬ maligen deutschen Stellungen durchbrochen werden. Rur wenn das im
frischen Zupacken, auch ohne Hilfe starker Artillerie geschehe, könne man
darauf rechnen, daß der Feind dort noch nicht planmäßig zum Widerstand eingerichtet sei. Als Sonderaufgaben sielen auf dem rechten Armeeflügel dem I. bayerischen Reservekorps, III. bayerischen Armeekorps und IX. Reservekorps die Täuschung des Feindes über die Ausdehnung des Angriffs
durch starke Feuertätigkeit und Vergasung seiner Artillerie zu. Die beiden letztgenannten Korps hatten zugleich die feindliche Beobachtung und Artilleriewirkung gegen den Angriff des XVIII. Armeekorps auszuschalten. Bei günstiger Entwicklung der Kämpfe dieses Korps mußte sich das IX. Reservekorps bereithalten, in die Kämpfe um den Mühlenberg ein¬
zugreifen.
Die Artilleriewirkung aus der ersten Feuerstellung sollte planmäßig bis zur Wegnahme auch der hinteren Linie der englischen II. Stellung reichen, die vom vordersten deutschen Graben allerdings bis zu sechs Kilo¬ metern entfernt war.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 17. Armee.
111
Unter geschickter Ausnutzung der Deckung gewährenden Bachtäler überrannte die stürmende Infanterie am 21. März, ohne Sperrfeuer zu er-
halten, bei im allgemeinen auffallend geringem Widerstand die englische vordere Stellung. Um 10° vormittags war zwischen Bullecourt und
Boursies das gesamte vordere Grabensystem des Feindes genommen. Beim weiteren Vordringen machten sich aber bald geschickt im Gelände eingebaute Maschinengewehre bemerkbar; der feindliche Widerstand ver¬ steifte sich erheblich. Für viele der noch in der ersten Feuerstellung stehenden Batterien erwies sich die Entfernung als zu weit. Nur die Begleit-Batterien
hatten der Infanterie meist unmittelbar folgen können, die übrige Artillerie aber, besonders die schweren Batterien, kamen durch das vom Regen aufgeweichte Graben- und Trichtergelände nur langsam nach. So fehlte der deutschen Infanterie bei den nun einsetzenden schweren Kämpfen um die
englische II. Stellung ausreichende Artillerieunterstützung, während der Feind Zeit gewann, die Feuertätigkeit seiner Artillerie neu zu ordnen.
Beim XVIII. Armeekorps, dessen Angriff sich gegen zwei Divisionen des englischen VI. Korps richtete, hatte Generalleutnant Albrecht seine Kräfte zum Stoß gegen den Abschnitt bej und südöstlich von Bullecourt zusammengefaßt. Kurz nach Mittag waren Ecoust von der 221., Noreuil von der 111. Infanterie-Division genommen und auch die vordere Linie
der englischen II. Stellung durchbrochen. Darauf schwenkte die 234. Infanterie-Division von Bullecourt gegen Fontaine—Croisilles ein. Ihr linker Flügel blieb vor dem nördlichen Teil von Croisilles liegen, während
der rechte am Nachmittag das jenseitige Ufer des Sensse-Baches erstieg und Fühlung mit dem linken Flügel des IX. Reservekorps gewann, der
sich dem Angriff inzwischen angeschlossen hatte. Auf dem langgestreckten Höhenzug nördlich von Croisilles leistete der Gegner jedoch erfolgreichen Widerstand. Da sich der Angriffsraum zunehmend verbreiterte, waren Divisionen des II. Treffens eingeschoben worden. Bon diesen stieß links neben der 224. die 6. bayerische Infanterie-Division vom Ostrand von
Croisilles bis zum Park von St. Leger gleichfalls auf entschlossene Abwehr.
Da Geschütze und Minenwerfer noch nicht heran waren, blieb auch hier der Angriff liegen. Der linke Flügel des Korps, 221. und III. Division, war inzwischen dem weichenden Gegner bis vor die hintere Linie seiner II. Stellung gefolgt, hinter der starke Artillerie stand. Die 2. GardeReserve-Division wurde zwischen beide Divisionen eingeschoben. Es gelang ihr und der III. Division, in die hintere Linie der II. Stellung einzudringen. Eine von Achiet-le Grand herangeführte englische Division warf sie aber wieder zurück und'brachte den Angriff der drei deutschen Divisionen
für diesen Tag zum Stehen.
112 zi. ms.,.
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
Dem VI. und XIV. Reservekorps hatte im ganzen zunächst nur eine
feindliche Division gegenübergestanden. Beim VI. Reservekorps unter Generalleutnant von dem Borne war die 17. Infanterie-Division bereits
vor dem zweiten feindlichen Graben auf Widerstand gestoßen, der Verluste und Aufenthalt verursachte. Die ISS. Infanterie-Division war dagegen glatt durch die vorderste Stellung hindurchgekommen und hatte dabei auch Geschütze erbeutet. Beim weiteren Vordringen schlug den Angreifern aber heftiges Maschinengewehr- und Infanteriefeuer aus der vorderen Linie der II. Stellung entgegen, die nur wenig unter dem deutschen Feuer
gelitten hatte und durch leichte und mittlere Artillerie wirksam unterstützt wurde. Die Feuerwalze enteilte, die Infanterie grub sich ein. Nachdem sie etwa zwei Stunden stillgelegen hatte, gelang es ihr kurz nach 1° mittags, nach hartem und verlustreichem Handgranatenkampf in die Stellung einzubrechen. Lagnicourt wurde von der 195. Division genommen. Beim weiteren Vordringen stürmte die 17. Division eine Zwischenstellung zwischen Noreuil und Lagnicourt und drang gegen 3° nachmittags in die letzte Linie der II. Stellung ein, mußte sie aber vor heftigen Gegenangriffen am späten Abend unter starken Verlusten wieder aufgeben. Auch die
195. Division hatte nachmittags harte Kämpfe gegen feindliche Reserven zu bestehen; erst als schwere Artillerie herangekommen war, gelang es ihr, im Verein mit der inzwischen rechts von ihr eingeschobenen 1. Garde-
Neserve-Division den Gegner in die hintere Linie seiner II. Stellung nördlich von Morchies zurückzudrängen. Allgemein hatte die Truppe nachmittags unter Bombenabwürfen und Maschinengewehrfeuer feindlicher Flieger, die auch die Batterien angriffen, stark zu leiden gehabt. Beim XIV. Reservekorps des Generalleutnants von Lindequist kam
die 20.Infanterie-D ivision infolge zu kurz liegenden Feuers der eigenen Artillerie nur mit Teilen durch die vordere Linie der feindlichen II. Stellung
hindurch. Dagegen konnte der linke Flügel des Korps, 3.Garde-InfanterieDivision, zusammen mit der benachbarten 119. Infanterie-Division des XI. Armeekorps die englische II. Stellung bei Louverval bereits um 10°
vormittags umfassend angreifen und nach erbittertem Nahkampf bald darauf nehmen. Dann aber kam der rechte Flügel der 3.Garde-Division allmählich zum Stehen, während der linke um 1" mittags bei Beaumetz die Straße Bapaume—Cambrai erreichte. Inzwischen war die In¬ fanterie-Division zwischen 20. Division und 3. Garde-Division einge¬
schoben worden. Nun setzten aber auf der ganzen Front des Korps Gegenangriffe ein, die. zu erbittertem Ringen führten, bis es gelang, den Gegner von Morchies bis nördlich von Beaumetz auf die letzte Linie feiner II. Stellung zurückzuwerfen. In sie drang nur der linke Flügel der 3. Garde-
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 17. Armee.
113
Division nördlich von Beaumetz noch ein; der Ort selbst blieb in Feindes¬
hand. Der Kommandierende General des XI. Armeekorps, Generalleutnant Kühne, hatte angeordnet: „Aufgabe des Korps ist es, in frischem Zupacken und unaufhaltsamem Vorwärtsgehen unter gleichzeitiger Bil¬ dung einer festen Abwehrflanke gegen den Cambrai-Bogen Wres zu erreichen und unter Festhalten dieses Flügels mit Teilen gegen die Linie Fins—Neuville einzuschwenken, um dem auf Equancourt vordringenden rechten Flügel von Michael II die Hand zu reichen und dadurch die gesamte Besatzung des Cambrai-Bogens gefangenzunehmen oder zu vernichten". Dazu sollte die 119. Infanterie-Division, mit dem Schwerpunkt zunächst auf dem rechten Flügel, bis auf die Höhen von Bus vordringen, während ihr linker Flügel die vordere Stellung des Feindes aufzuräumen und dann in gerader Richtung über den Westteil von Boursies auf Wres vorzugehen hatte. DeN Schutz ihrer rechten Flanke und des Rückens gegen Angriffe aus Südwesten und Süden sollte dann die im II. Treffen folgende 4. In-
fanterie-Division übernehmen, die dazu mindestens die Höhen südlich und südöstlich von Bus erreichen mußte. Die 24. Reserve-Division hatte die linke Flanke des Korps gegen den Cambrai-Bogen zu decken, dazu dem linken Flügel der IIS. Division, tief gegliedert, unmittelbar zu folgen, staffelweise gegen Osten einzuschwenken und die feindlichen Batterien südlich von Hermies zu nehmen. Die 53.Reserve-Division sollte den vor
ihr stehenden Feind durch Vorstoß beiderseits des Canal du Nord fesseln. Diesen Weisungen entsprechend waren die Divisionen angetreten. Dabei hatte aber die 119. Division, die den entscheidenden Stoß führen sollte, bereits durch den Kampf bei Louverval die Fühlung mit der Feuerwalze verloren; gegen 11^ vormittags sah sie sich bei Doignies der be¬ sonders zähe verteidigten vorderen Linie der englischen II. Stellung gegenüber; erst um 2°nachmittags gelang es, das Dorf zu nehmen. Dann aber
setzten heftige englische Gegenstöße ein, die, unterstützt durch Kampfwagen, weiteres Vordringen verhinderten. Es fehlte der Schutz der linken Flanke durch die 24. Reserve-Division, die morgens Boursies genommen hatte, dabei aber im dichten Nebel in Unordnung geraten und zurückgeblieben war, sowie die Unterstützung durch Artillerie, die über das Graben- und Trichtergelände nur langsam herankam. Um den Angriff am nächsten Morgen weiter vorzutragen, wurde die 4. Infanterie-Division zwischen 119. Infanterie- und 24. Reserve-Division eingeschoben. Sie besetzte in der Nacht das vom Feinde geräumte Demicourt, die 24. Reserve-Division nahm die nordöstlich anschließenden Gräben. Auf dem linken Flügel des Korps war die 53.Reserve-Division mangels ausreichender ArtillerieWeltkrieg. XIV. Band.
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
114
21. März. Unterstützung nur östlich des Kanals in die vordere Stellung der Engländer
eingedrungen. Starke Gegenwehr und das auf Flesquisres liegende Artilleriefeuer des XXXIX. Reservekorps machten weiteres Vorkommen
unmöglich. Daß die feindliche I. Stellung genommen war, hatte das ArmeeOberkommando bis 11° vormittags erfahren. Dann aber versagten die Verbindungen. Nach den bis zum Abend vorliegenden Meldungen hielt der Feind die Stellungen bei Vraucourt-Vaulx besetzt. Aus einem aufgefangenen Funkspruch wußte man ferner, daß er in der Linie Morchies— Beaumetz neuen Widerstand vorbereitete. General von Below wies dem
schweren Steilfeuer Beaumetz, dem schweren Flachfeuer Beugny und Lebucquiere als Ziele zu. Er hatte erkannt, daß der Hauptkampf der
Armee noch bevorstehe, denn insgesamt hatte die Infanterie auf reichlich IS Kilometer Breite in teilweise schwerem Kampf doch nur vier bis höchstens fünf Kilometer Gelände gewonnen. Der erhoffte durchschlagende Erfolg war nicht erreicht. Die Gesamtzahl der im Sammellager der Armee ein-
gelieferten Gefangenen betrug bisher rund 2300Mann; die Zahl der erbeuteten Geschütze war gering, denn die Masse der feindlichen Artillerie
stand hinter der II. Stellung, deren letzte Linie noch nicht genommen war. Von Bapaume und Vtres war die vorderste Infanterie der 17. Armee am Abend des 21.MärznochrundsiebenKilometerab.Dabeiwarendie Divisionen des II. Treffens bis auf eine bereits eingesetzt; denn die Korps
hatten angesichts des starken Widerstandes in der englischen II. Stellung die Kampfkraft ihres I. Treffens nicht für ausreichend gehalten, um den verlangten schnellen Erfolg zu erringen. 16 Divisionen des MichaelAngriffs befanden sich damit in der Front und nur noch drei als Reserve dahinter. Der Feind aber stand, wie es schien, zu wohlvorbereitetem neuem Widerstand bereit.
Am 21. März morgens hatten vor der Michael I-Front der 17. Armee fünf Divisionen des Gegners in vorderer Linie, vier Divisionen und vier
Tank-Bataillone so nahe dahinter gestanden, daß sie an diesem Tage bereits in den Kampf eingreifen konnten^). Seine Patrouillen hatten in der
vorhergehenden Nacht Lücken im deutschen Drahthindernis festgestellt und Gefangene gemacht, die aussagten, daß in einigen Stunden ein Angriff zu erwarten sei. Die englische Artillerie belegte daher von 330 morgens
an die voraussichtlichen deutschen Bereitstellungsräume mit Störungsfeuer. Das um 505 einsetzende Vorbereitungsfeuer der deutschen Artillerie ') Beil. 38 a.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 17. und 2. Armee.
IIS
ließ den kommenden Großangriff klar erkennen und veranlaßte den Be¬
fehl zum Besetzen der II. Stellung durch die dafür bestimmten Truppen, legte aber auch die meisten englischen Batterien lahm. Der größte Teil der englischen Truppen war genötigt, bis 11° vormittags die Gasmaske zu tragen. Der Nebel tat das übrige, die Gefechts- und Feuerleitung zu erschweren. Die 3. Armee setzte alles daran, den Bruchpunkt ihrer Front, die Stellungen des VI. Korps bei Croisilles, zu stützen. Dorthin wurden unter anderem ein Tank-Bataillon und drei Abteilungen schwerer
Artillerie zugeführt. Bis zum Abend waren jedoch vier Stellungs-Divi-
sionen des VI. und IV. Korps unter erheblichen Verlusten bis auf die Hintere Linie der II. Stellung zurückgedrängt. Eine Division des VI. Korps zählte bei zwei Brigaden zusammen nur noch 300Gewehre, sie mußte abgelöst werden. Von den Armee- und Heeresreserven waren zwei Divisionen fast ganz, eine dritte mit Teilen bereits eingesetzt; die bei Doullens liegende Division erhielt Befehl, sich nördlich von Bapaume
bereitzustellen. b) Die Kämpfe der 2. Armee.
(Michael II-Angriff.) Die 2. Armee stand östlich von Graincourt über Marcoing bis
Bellenglise.
Das Vorgelände weist hier breitere und regelmäßigere
Flächenformen auf als bei der 17. Armee. Der Wald von Havrincourt, einst Teil der deutschen Siegfried-Stellung, war aus den vorhergegangenen Kämpfen durch Geschosse völlig zersplittert und von einem Gewirr von
Gräben und Hindernissen umgeben. Gegen diesen starken Stützpunkt be¬ durfte das südlich davon angesetzte Korps der Armee besonderer Sicherun¬ gen. Die Grenze zur ls. Armee bildete das seenreiche und mit vielen
Waldungen bestandene, scharf abgesetzte Tal des Omignon-Baches. Die englische vordere Stellung lag der deutschen auf längeren Strecken unmittelbar gegenüber. Ihre zweite Linie war sorgfältig ausgebaut und am Walde von Havrincourt sehr stark. In der ersten Linie der mit guten Hindernissen versehenen II. Stellung waren vor allem Gouzeaucourt, das
beherrschend gelegene Epehy, Lempire-Ronssoy und Le Berguier stark ausgebaut.
Vom Feinde war bekannt^), daß nach wie vor der rechte Flügel der englischen 3. und der linke der 5.Arme gegenüberstanden.Manrechnete mit acht englischen Divisionen und einer Kavallerie-Division in der Front; über feindliche Reserven war nichts bekannt. Tatsächliche Stärke des Gegners S. 122.
116
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
Für den Angriff standen im ganzen 20 Divisionen bereit:
elf Divisionen (davon 5Stellungs-Divisionen) als I. Treffen, fünf (davon 1 Stellungs-Division) als IL, vier als III. Treffen; ferner eine Division als Reserve der Obersten Heeresleitung^). Die nicht angriffsfähige 9. bayeri-
sche Reserve-Division sollte als Armee-Reserve zum XIV. Armeekorps treten. Die Generalkommandos hatten die Divisionen des IL Treffens —
soweit sie nicht Armee-Reserven waren — so nachzuführen, daß sie noch am ersten Angriffstage voll eingesetzt werden konnten.
An Artillerie^) standen bereit: 1034 leichte, 704 schwere, 13 schwerste Geschütze. Die Generalkommandos verfügten zur Vorbereitung des Angriffs über die gesamte in ihrem Abschnitt stehende Artillerie, ausgenommen schwerstes Flachfeuer. 1080 Minenwerfer und zwei Gas-PionierBataillone hatten die Artilleriewirkung zu ergänzen. Die Masse der außer Divisionsverband stehenden Minenwerfer-Einheiten war dem XXIII. Reserve- und XIV. Armeekorps zugeteilt, weil in ihren Abschnitten die eng-
tischen vordersten Gräben der deutschen Ausgangsstellung besonders nahe lagen. Die beiden Gas-Pionier-Bataillone traten zum XXXIX. Reservekorps, das den Gegner im Cambrai-Bogen ablenken und festhalten sollte. Für das Nachfolgen von Artillerie und Minenwerfern galten dieselben Gesichtspunkte wie bei der 17. Armee. An Fliegern besaß die Armee: 13 Flieger-Abteilungen, 11 Schlacht-
staffeln, 12 Jagdstaffeln, 1 Bombengeschwader der Obersten Heeresleitung mit zusammen 340 Flugzeugen, ferner 5Feldluftschiffer-Abteilungen mit 15 Ballonzügen. General von der Marwitz hatte in Abereinstimmung mit seinem früheren Generalstabschef, Oberstleutnant Stapff3), den Schwerpunkt des Angriffs auf die Mitte, XXIII. Reservekorps und XIV. Armeekorps, in der Richtung auf Roisel—Psronne legen wollen und dementsprechend mit Rücksicht auf die verfügbaren Kräfte Begrenzung des Angriffs im Norden für nötig gehalten; er hatte beabsichtigt, den Hauptstoß vom CambraiBogen so weit abzusetzen, daß die dort besonders eng stehenden englischen Kräfte nicht unmittelbar mit Gegenstößen eingreifen konnten. An diesem Gedanken hielt er auch weiterhin fest. Unterdessen hatte aber die Forderung von Oberster Heeresleitung und Heeresgruppe*), daß in erster Linie die inneren Flügel von 17. und 2. Armee durch unaufhaltsames BorNäheres Beil. 38 a. 2) Näheres Beil. 39 a.
S) Obftlt. Stapff war am 28.Febr. nach dem Osten zum A.O.K. 10 versetzt worden; Nachfolger war Oberst von Tfchifchwitz, bisher Genst. Chef des XXIII. R. K. 4) 0.82.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 2. Armee.
117
gehen auf Vires und Equancourt einander die Hand reichen sollten und dementsprechend stark zu machen seien, am 6. März eine Änderung der
beabsichtigten Gruppierung nötig gemacht. An diesem Tage hatte General von der Marwitz für den Angriff befohlen^): „2. Armee greift aus der Linie Villers-Guislain—Bellenglise in west¬ licher Richtung an. Ihr und der 17. Armee fällt zunächst die Abschnürung der im Cambrai-Bogen stehenden englischen Kräfte zu. Operativ wird das bei der 2. Armee erreicht, wenn die Mitte — XXIII. Reservekorps und XIV. Armeekorps — möglichst weit nach Westen gegen die Linie Manan-
court—Psronne ohne Aufenthalt vorstößt, taktisch durch Zusammenwirken der inneren Armeeflügel der 17. und 2. Armee bei Ptres (XI. Armeekorps) und Equancourt (XIII. Armeekorps). Diese Ziele müssen in einer un¬
unterbrochenen Angriffsbewegung erreicht werden, Tagesziele gibt es dafür nicht. Je schneller dies erreicht wird, desto größer ist der Anfangserfolg: die Vernichtung erheblicher englischer Kräfte und die Aberwindung der
feindlichen Stellungssysteme". Im Cambrai-Bogen selbst sollte das XXXIX. Reservekorps, das über keine Angriffs-, sondern nur über zwei Stellungs-Divisionen verfügte, den Gegner in der Frühe des Angriffstages durch Vorstöße gegen den Höhenrücken westlich von Marcoing und die Höhe nördlich von Vacquerie über die Breite des eigentlichen Angriffs
täuschen. Falls der Gegner seine Stellungen räumte, hatte das Korps unter Ausscheiden starker Reserven nachzustoßen. Das XIII. Armeekorps hatte im Vorgehen auf Equancourt zunächst die Vaucelette-Ferme und in Verbindung mit dem XXIII. Reservekorps den starken Stützpunkt Epshy zu nehmen, die 107. Infanterie-Division dabei die rechte Flanke durch Aufrollen der feindlichen Stellungen in der Richtung auf Gouzeaucourt zu decken. Das XXHI. Reservekorps sollte den Angriff aus der Linie Bendhuille—Hargicourt schleunigst auf die Höhen westlich von Rurlu und nördlich von Aizecourt-le Haut, mit Vortruppen über den Tortille-Vach vortragen; der Schwerpunkt war dabei aus den linken Flügel zu legen, der
rechte hatte Epehy von Südosten zu nehmen. Das XIV. Armeekorps wurde angewiesen, seine Kräfte nach rechts zusammenzufassen und im Anschluß an den linken Flügel des XXIII. Reservekorps über Roisel nach
Psronne und nördlich davon durchzustoßen. Durch Abschwenken seines linken Flügels nach Süden war die starke feindliche II. Stellung bei Le Verguier—Pontru aufzurollen, um dem 61. Korps das Vorwärtskommen zu erleichtern. Dieses hatte den Angriff des XIV. Armeekorps durch Vorgehen in breiter Front gegen die Höhen nördlich von Pontru zu begleiten, die dahinterliegende Stellung Le Verguier—Pontru aber J) Befehle der Hgr. Kronprinz Rupprecht S. 103 f.
118
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
-i.Wsrz. erst nach Maßgabe des Vorwärtökommens der Nachbarn rechts und links
nach kräftiger Artillerievorbereitung anzugreifen. Frühzeitiges Vorführen der IS. Infanterie-Division auf dem linken Flügel, mit einem ihrer Regi¬ menter südlich des Omignon-Baches, dem rechten Flügel des III. Armeekorps der 18. Armee unmittelbar folgend, sollte den Anschluß an diese Armee gewährleisten. Andererseits hatte im weiteren Verlaus das III. Armeekorps das Vorgehen des 51. Korps durch Flankenangriff über den
Omignon-Abschnitt zu unterstützen. Für die artilleristische Vorbereitung des Einbruchs in die feindlichen Stellungen war den Generalkommandos
weitgehende Freiheit gelassen. Vorgeschobene Gefechtsstelle des Oberkommandos war Veaurevoir, östlich von le Catelet.
Das Einrücken der Truppen in die Angriffsräume vollzog sich reibungslos. Lebhaftes englisches Störungsfeuer, das zeitweise auf den Stellungen und dem Hintergelände lag, verursachte nur unerhebliche Verluste. Als am 21. März um 440 morgens schlagartig das deutsche Artilleriefeuer ein-
setzte, flaute das feindliche, das bis zu sechs Kilometern hinter die Sturmausgangsstellungen reichte, bald ab, lebte aber später, als leichter Westwind die Gasschwaden und den Nebel vertrieb, wieder auf. Schon gegen Mittag herrschte regste feindliche Artillerietätigkeit mit Gas- und Splittermunition, auch auf das rückwärtige Gelände. Vom XXXIX. Reservekorps des Generals der Infanterie von
Staads drangen nach gründlicher Vorbereitung durch Artillerie und Gaswerfer-Kompanien bereits gegen 6° morgens Teile der Ib. ReserveDivision in etwa 1000 Metern Breite in den vorderen englischen Graben
westlich von Marcoing ein und behaupteten ihn gegen feindliche Gegenstöße. Um 9*° stürmten auch Teile der 21. Reserve-Division in 1700 Metern Breite die Gräben auf dem Höhenrücken 123 südlich von Marcoing und arbeiteten sich aus ihm bis zum zweiten Graben vor. Von weiteren Vorstößen nahm das Korps auf Weisung des Armee-Oberkommandos Ab-
stand. Seinen zwei Divisionen standen zwei englische gegenüber. Am 940 vormittags traten auch die übrigen Korps der Armee zum
Angriff an. Dichter Nebel verschleierte die Bewegungen der Infanterie, erschwerte aber auch, da die feindlichen Stellungen hier weiter ab lagen,
einen geordneten Angriff; manche Truppenteile verirrten sich und gerieten
durcheinander. Beim XIII. Armeekorps hatte General der Infanterie Freiherr von Watter der 107. Infanterie-Division befohlen, das Wäldchen westlich von Villers-Guislain zu nehmen, mit einer starken Stoßgruppe nördlich
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 2. Armee.
119
der Vaucelette-Ferme bis zur englischen II. Stellung durchzustoßen und die Anlagen zwischen Rsvelon-Ferme und Gouzeaucourt aufzurollen. Zum Niederhalten der feindlichen Batterien im Cambrai-Bogen stand ihr die Artillerie der im III. Treffen folgenden 3.Marine- (Infanterie-) Division zur Verfügung. Die 27. Infanterie-Division sollte die Vaucelette-Ferme nehmen und mit den Hauptkräften über die Rsvelon-Ferme und Fins nach Equancourt und auf die nördlich davon liegenden Höhen vordringen; weder Feind im Walde von Havrincourt, noch der Kampf um Epshy durfte sie von diesem Ziel ablenken. Die 183. Infanterie-Division hatte den aus¬ gedehnten und beherrschend liegenden Ort Epshy und die westlich an¬ schließende Höhe unter Sicherung gegen Heudicourt von Norden anzu¬ greifen und dann weiter über Heudicourt bis zur englischen Stellung südlich von Equancourt vorzugehen. Die 54. Reserve-Division des II. Treffens sollte später links von der 107. Infanterie-Division eingesetzt werden.
Die vordere Stellung der gegenüberliegenden beiden englischen Di¬
visionen wurde fast überall überrannt, örtlicher Widerstand durch Umfassung gebrochen. Die 107. Infanterie- (Stellungs-) Division stieß dann aber schon im Wäldchen westlich von Villers-Guislain auf zähen Widerstand; ihr rechter Flügel blieb in starkem feindlichen Feuer am Westrande des Wäldchens liegen, der linke kam nicht über die Bahnlinie hinaus. Damit fehlte der 27. Infanterie-Division der Flankenschutz, denn erst am Abend gelang es Teilen der 107. Division, sich gegen die Straße Gouzeaucourt— Rsvelon-Ferme weiter vorzuarbeiten. Unterdessen hatte die 27. Divi¬ sion gegen 1040 vormittags die Vaucelette-Ferme erstürmt und die vordere Linie der englischen II. Stellung durchstoßen; bis II*15 vormittags kam sie mit Teilen nahe an die Rsvelon-Ferme und den Bahnhof Heudi¬ court heran. Als aber der Gegner mit zunehmender Sicht die Lage er¬ kannte, setzte er kurz vor 12° mittags unter Mitwirkung von Tanks zum Gegenstoß gegen die nicht angelehnten Flügel der Division an. Er wurde
abgewiesen. Von drei Seiten einschlagendes Artillerie- und Maschinen¬ gewehrfeuer zwang die 27. Division aber doch, ihre vorderen Truppen nach schweren Verlusten in eine Stellung etwa halbwegs zwischen Rsvelon-
und Vaucelette-Ferme zurückzunehmen. Immerhin hatte ihr Vordringen dem rechten Flügel der 183. Infanterie- (Stellungs-) Division ermöglicht, den Angriff gegen Epshy und die westlich anschließende Höhe anzusetzen. Er überschritt den Bahnkörper und drang in den nördlichen Teil des Dorfes ein, wurde dann aber durch einen Gegenstoß zur Bahn zurückgeworfen. Die Mitte der Division war nordöstlich von Epshy vor der vorderen Linie
der englischen II. Stellung liegengeblieben, der linke Flügel hing östlich
120
Die Grohe Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
2». ms», des Dorfes noch bis zur vorderen englischen Stellung ab. Trotz Unter-
stützung durch eine Schlachtstaffel und obwohl Epehy unter starkem beutschen Artilleriefeuer lag, scheiterten alle Versuche, den Ort zu nehmen. Gegen 5°nachmittags wußte das Armee-Oberkommando, daß sich der Angriff des XIII. Armeekorps festgelaufen hatte. Die drei Divisionen des XXIII. Reservekorps des Generals der Infanterie von Kathen, die nebeneinander frontal gegen etwa anderthalb englische anzugreifen hatten, waren wegen des Nebels und der durch den
Westwind zurückgetriebenen Gasschwaden nur langsam vorwärts gekommen. Die 79. Reserve-Division, die von Süden her in Epkhy eindringen
sollte, nahm gegen l30 mittags die dem Dorfe südöstlich vorgelagerte Malassise-Ferme. Unterdessen hatte ihre Artillerie starke Einbuße an Gerät erlitten, denn von Epehy und Lempire-Ronssoy schlug heftiges Artilleriefeuer herüber. So blieb die Division an der ersten Bahnlinie westlich der
Malassise-Ferme im Kampf gegen die stark befestigte zweite Bahnlinie liegen; ihr linker Flügel hing ab und kam erst mit dem Vordringen der
50.Reserve-Division vorwärts. Diese hatte nach langem Kampf und nachdem Ronssoy von Teilen der benachbarten 18. Infanterie-Division gesäubert worden war, um 3°nachmittags Lempire genommen, dann mit Teilen den Wald westlich von Ronssoy erstürmt und vier feindliche Batterien erbeutet. Auch die 13. Infanterie-Division war gut vorwärts gekommen; ihr linker Flügel hatte bereits um 1030 vormittags den Nordteil von Hargicourt durchschritten, war dann allerdings an einem Steinbruch
nordwestlich des Dorfes auf zähen Widerstand gestoßen, den er erst um 4° nachmittags zu brechen vermochte; an die 500 Mann und 23 Maschinen¬ gewehre waren die Beute. Unterdessen hatte der linke Flügel den Nordteil von Templeux-le Gusrard genommen. Nach Abschlagen eines Tankangriffs stand die Division gegen Abend in hartem Kamps gegen die Hintere Linie der englischen II. Stellung. Abends griff die 50.Reserve-Division noch Ste. Emilie, den Eckpfeiler der Hinteren Linie der englischen II. Stellung, von Osten und Norden an. Damit gelangte auch die rechts benachbarte 79. ReserveDivision bis zum zweiten Bahnkörper südlich von Epshy. Von Süden
her schwenkte der rechte Flügel der 18. Infanterie-Division gleichfalls gegen Ste. Emilie ein, doch blieben die dortigen starken Stellungen in
Feindeshand. Auf dem rechten Flügel des XIV. Armeekorps des Generalleutnants von Gontard, das zunächst nur etwa zwei Drittel der englischen Iß. Division vor sich hatte, war die 25.Infanterie-Division bereits bei der EologneFerme auf zähe Abwehr gestoßen. Der Gegner wurde zwar gegen 110 vor¬
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 2. Armee.
121
mittags geworfen, doch kam es nach Aberwindung geringen Widerstandes bei Hargicourt östlich von Templeux-le Guerard zu Kämpfen, die sich bis 2°nachmittags hinzogen. Der linke Flügel der Division, der die FervaqueFerme gestürmt hatte, drang zu dieser Zeit in die englische II. Stellung südlich von Hargicourt ein. Die links von ihm vorgehende 4. Garde-
Infanterie-Division hatte bis 10° vormittags nach hartem Kampf Villeret und die „Arbre-Höhe", 1 Vz Kilometer südlich davon, genommen. Durch feindliche Maschinengewehre zeitweise anfgehalten, stürmte sie um 130 mit¬ tags das Schloß nordwestlich der Grand Priel-Ferme und drang durch den anstoßenden Wald im Anschluß an die 25.Division nach heftigem Kampfe am späten Nachmittag in die vordere Linie der englischen
II. Stellung ein. Ihr linker Flügel lag nordöstlich des stark befestigten Ortes le Verguier fest und
konnte den dringenden Wunsch des be-
nachbarten 51. Korps nicht erfüllen, seinem schwer um diesen Ort ringenden Flügel zu helfen. Dagegen gelang es der 25. Infanterie-Division, um 9° abends noch in den Südteil von Templeux-le Guerard ein-
zudringen. Das 51. Korps unter Generalleutnant von Hofacker griff Teile der
englischen 24. Division an. Es rang nach Durchbrechen der vorderen feindlichen Stellung bis 340 nachmittags mit der 208. und 19. InfanterieDivision zähen Widerstand in der ersten Linie der II. Stellung südöstlich von le Verguier bis Pontru nieder. Um le Verguier aber tobten noch heftige Kämpfe weiter, ohne daß es trotz der Mitwirkung von 18 Batterien
gelang, dem Feinde diesen Stützpunkt zu entreißen. Auch weiter südlich wogte der Kampf um Vadencourt lange Zeit hin und her. Erst als der rechte Flügel des III. Armeekorps der 18. Armee Maissemy genommen
hatte*) und das hinter diesem Flügel südlich des Omignon-Baches bereitgestellte Regiment der IS. Division am späten Abend mit Teilen von Süden
in den Kamps eingriff, räumte der Feind Vadencourt. Das Armee-Oberkommando hatte im Laufe des Tages wiederholt versucht, den stockenden Angriff vorwärts zu treiben; seine Befehle waren
aber durch die Ereignisse meist schon überholt oder für diesen Tag nicht mehr ausführbar gewesen. Bis zum Abend hatte die vorderste Infanterie der 2. Armee bis zu viereinhalb Kilometern Gelände gewonnen, auf dem linken Flügel mehr als auf dem rechten. Hier war nur die 27. Infanterie-Division
einigermaßen vorwärts gekommen, hatte aber bis zu dem ihr gesteckten i) S. 128.
122
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
Ziele Equancourt immer noch sechs Kilometer Weg. Nur die vordere Linie der englischen II. Stellung war einstweilen durchbrochen, bei Epehy und le Verguier selbst diese noch nicht; die Hintere Linie der Stellung wurde vom Feinde überall gehalten. Am 7°° abends befahl General von der Marwitz dem XXIII. Reservekorps und XIV. Armeekorps, die Erfolge der 50.Reserve-, 18. und 25. In¬ fanterie-Division durch Einsatz der 13. und 1. Infanterie-Division in der
Richtung aus Ste. Emilie—Villers-Faucon—Roisel tatkräftig auszunutzen; das 51. Korps werde gemeinsam mit dem linken Flügel der 4. GardeInfanterie-Division le Verguier nehmen und auf Vendelles vorgehen.
Damit standen insgesamt 14 Divisionen in der Front, noch fünf einsatzbereit dahinter.
Die Beute des ersten Angriffstages betrug, soweit bis zum Abend bekannt/ 4000 Mann und 50 Geschütze. Die eigenen Verluste schienen im allgemeinen erträglich, an einzelnen Brennpunkten, so bei der 27. In¬
fanterie-Division vor der Revelon-Ferme, allerdings schwer. Vom Gegner hatten bei Beginn des Angriffs der 2. Armee etwa sieben Divisionen in der Front gestanden, zwei weitere Divisionen, eine Kavallerie-Division und drei Tank-Bataillone so nahe dahinter, daß sie am ersten Tage in den Kamps eingreifen konnten. Aber die Gefährdung des Cambrai-Bogens war sich die englische
Führung klar gewesen^). Die Beschießung der dortigen Stellungen mit Gelbkreuz hatte bald erkennen lassen, daß die deutschen Vorstöße gegen diesen Frontabschnitt nur fesseln sollten; sie brachte im übrigen 3000 Mann Verluste. Angesichts des deutschen Vordringens beiderseits des Bogens erhielten die in ihm stehenden Divisionen des V. Korps abends den Befehl, in eine Zwischenstellung zurückzugehen, die sich von Havrincourt bis gegen Gouzeaucourt im weiten Bogen um Trescault—Beaucamp zog. Weiter
südlich hatte das VII. Korps, besonders seine 16. Division, schwer gelitten. Bei Epehy, das von zwei Bataillonen und zwölf Tanks verteidigt wurde, und bei Ste. Emilie wurde die einzige verfügbare Division der Armeereserve eingesetzt. Abends hatte die 5. Armee vor der Front der deutschen 2. Armee an Reserven nur noch eine Kavallerie-Brigade zur Hand. Die bei Rosivres stehende Division der Heeresreserve war auf der Bahn im Anrollen zur III. Stellung östlich von Peronne, ihre Pferde und Fahrzeuge folgten mit
Fußmarsch. *) Für das Erkennen des bevorstehenden Angriffs und die ersten Gegenmaßnahmen gilt das Gleiche, wie bei der 17. Armee gesagt (S. 115).
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen, l 3. Armee.
123
c) Vi« Kämpfe der 18. Armee.
(Michael III-Angriff.) Die 18. Armee stand vom Omignon-Bach bis südlich von La Fere. Der Nordabschnitt ihrer Stellungen, um St. Quentin herum bastions¬
artig vorspringend, lag auf dem Höhengelände westlich der Oise, an die er bei Alaincourt anschloß. Das wellige Vorgelände dieses Abschnitts ging nach Westen zu mehr und mehr in breite Flächen über. Das bis zu 50 Me-
tern tief eingeschnittene Tal der oberen Somme trennte ihn in zwei Teile,
gm nördlichen stellte der ausgedehnte Holnon-Wald den angreifenden rechten Armeeflügel vor eine schwierige Aufgabe; südlich von St. Quentin mußte der Besitz der Hochfläche von Essigny-le Grand von entscheidender Bedeutung werden. Der Südabschnitt der Armeefront hatte die breite Niederung der von einem Kanal begleiteten Oise vor sich, die, durch An-
stauung völlig versumpft, ein ernstes Hindernis bildete. Die Abergänge waren bis auf den Zugang zur Vorstadt von La Före^) gesprengt; westlich des Hornwerks war aber noch der Kanal zu überschreiten. Das Vorbrechen des linken Flügels aus der engen und tiefgelegenen alten
Festung war durch wirksamstes Feuer der gegenüberstehenden feindlichen Artillerie bedroht, während der Angreifer zugleich auch dem Flankenfeuer von den vor der 7. Armee gelegenen Höhen von Amigny ausgesetzt war.
Die vordere Stellung der Engländer lag im Nordabschnitt etwa 300 bis 1000 Meter von der deutschen ab, nur südlich von St. Quer.Un trat sie
auf kurzer Strecke ganz nahe an sie heran. Im Südabschnitt zog sie sich längs der Westhänge des Oise-Tales, mit Sicherungen dicht vor dem Hornwerk von La Fere, bis Beautor hin. Die II. Stellung war dem Gelände entsprechend vor allem im Norden erheblich weiter von der vorderen ab-
gesetzt als im Angriffsraum der deutschen 17. und 2. Armee. Im Rahmen von Iwischenstellungen war Urvillers mit der Lambay-Ferme als be-
merkenswertester Stützpunkt ausgebaut, ebenso in der II. Stellung selbst Essigny-le Grand und Ly-Fontaine. Von diesem Orte zog sich eine Riegelstellung zur Oise nach Vendeuil. Dessen altes Fort und ein weiteres südwestlich davon bei Liez konnten wertvolle Stützpunkte der Verteidigung werden. Die III. Stellung hatte von Iussy bis Mennesis durch den CrozatKanal besondere Stärke. Der Angriff der 18. Armee richtete sich gegen den rechten Flügel der englischen 5. Armee. Aus allem, besonders auch aus der Feuerverteilung des Gegners, war zu schließen, daß er das Bevorstehen eines Angriffs eri) Beil. Ha.
124
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
21. Mörz, kannt hatte. Man schätzte ihn auf etwa sieben Divisionen in der Front und eine bis vier Kavallerie-Divisionen in Reserve^).
Für den Angriff der 18. Armee standen im ganzen 26 Divisionen
zur Verfügung: als I. Treffen 13 Divisionen (davon fünf StellungsDivisionen), als II. Treffen neun, als III. vier Divisionen und eine Division
Reserve der Obersten Heeresleitung^). An Artillerie^) verfügte die Armee über 1563 leichte, 1028 schwere, 27 schwerste Geschütze^). Dazu kamen 1257 Minenwerfer. Für das Nachziehen von Artillerie und Minenwerfern galten dieselben Richtlinien wie bei der 17. und 2. Armee.
An Fliegern standen zur Verfügung: 20 Flieger-Abteilungen, 13 Schlachtstaffeln, 12 Jagdstaffeln, 2 Bombengeschwader der Obersten Heeresleitung mit zusammen rund 350 Flugzeugen, ferner 5 Feldluftschiffer-Abteilungen mit 16 Ballonzügen. Kronprinz Wilhelm hatte im Anschluß an die Weisungen der Obersten Heeresleitung^) am 14. März besohlen: „Die 18. Armee durchbricht mit starkem rechten Flügel die feindlichen Stellungen zwischen Omignon-Bach und Oise, stößt bis zur Somme und Crozat-Kanal durch und setzt sich für weiteres Vorgehen in Besitz der
Hauptübergänge zwischen St. Christ und Tergnier (beide einschließlich). Starke Reserven sind hinter dem rechten Armeeflügel dicht aufgeschlossen nachzuführen. Ihre Aufgabe ist, den Angriff der 18. Armee vorzutragen und — bei fortschreitendem Angriff der 18. Armee — vor der 2. Armee
noch haltenden Feind in allgemeiner Richtung Tertry—Psronne in Flanke und Rücken anzugreifen. Zusammenwirken mit der 17. Armee«) wird für diesen Fall von der Heeresgruppe geregelt. Die Armee bereitet sich daraus
vor, nach gelungenem Angriff ihren rechten Flügel bis Psronne (ausschließlich) auszudehnen". Die den Angriff flankierenden rückwärtigen Stellungen des Feindes vor dem Südflügel der 2. Armee waren durch
Artillerie niederzuhalten. Hinter dem linken Flügel der 18. Armee sollte sich die 13. LandwehrDivision, die an der Oise von Brissy (ausschließlich) bis La Fere stand, bei 1) Tatsächliche Stärke S. l30f. 2) Näheres Beil. 38 a. 3) Näheres Beil. 39 a.
4) Davon 34 schwere u. 6 schwerste öst.-ung. Geschütze mit nur sehr geringer Munition. 5) S. 83 ff. °) Vgl. S. 89.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 18. Armee.
125
fortschreitendem Angriff derart versammeln, daß sie sowohl über La Fsre vorgehen wie auch zur 7. Armee abmarschieren konnte. Die 7. Armee hatte der 18. für den Einbruch alle verfügbare Artillerie und Minenwerfer zur Verfügung zu stellen und die 21 l. InfanterieDivision so bereit zu halten, daß sie am 2l.März morgens über La Fsre vorgezogen werden konnte. Im übrigen sollte sie den Angriff des linken Flügels der 18. Armee durch möglichst starke Artilleriewirkung über die Oise hinweg unterstützen. Ging der Feind unter dem Druck des Michael-Angriffs auch hier zurück, so hatte sie, mit dem rechten Flügel an der Oise unter starker Sicherung der linken Flanke, unverzüglich zu folgen. Ferner war der nach Beginn des Michael-Angriffs zur Ablenkung des
Gegners beabsichtigte Nebenangriff „Erzengel'") weiterhin vorzubereiten. Für diesen Angriff waren einschließlich zweier Stellungs-Divisionen elf Divisionen mit 169 Batterien in Aussicht genommen. Von letzteren konnten aber IIS erst nach geglücktem Einbruch von der 13. Armee überwiesen werden.
Gemeinsame Aufgabe der 7., I. und Z. Armee sollte neben Ablenkungs- und Täuschungsunternehmen sein, die Flanke des Michael-Angriffs
zu sichern und starke Reserven aller Waffen so bereitzustellen, daß sie in kürzester Frist zur 18. Armee oder nach etwa bedrohten Fronten verschoben werden tonnten. Vor feindlichen Angriffen an der eigenen Front hatten die Armeen in die vorbereitete rückwärtige Kampfzone auszuweichen. Da die Franzosen den angegriffenen Engländern bestimmt zu Hilfe eilen würden, sollte die Luftwaffe bei allen Armeen, vor allem aber bei der 7., die Aufklärung vom Angriffstage an steigern. Die Bombengeschwader der 18. Armee hatten vom frühen Morgen an die feindlichen Stabs-
quartiere und Flughäfen in zusammengefaßtem Angriff ausgiebig mit Bomben zu belegen, am Abend und in der darauffolgenden Nacht die Hauptauslade- und Knotenpunkte des Bahnnetzes bis zur Linie Amiens— Ereil (südwestlich von Eompisgne) anzugreifen. Auf Grund dieser Weisungen hatte General der Infanterie von Hutier ebenfalls noch am 14. März besohlen: „Die Armee greift beiderseits St. Quentin an, um den Feind über Somme und Erozat-Kanal zurückzu-
werfen. Der Angriff ist in unaufhaltsamem Vorgehen durchzuführen. Ein Tagesziel gibt es nicht. Starke Artilleriekräfte und Minenwerfer
bahnen der Infanterie den Weg durch die feindliche I. und II. Stellung. Schnelles Vorgehen liefert ihr die in der Mehrzahl vor der II. Stellung^) 1) S. 77f. u. 85.
2) Damit war die hintere Linie der englischen II. Stellung gemeint, deren vordere Linie sprach man deutscherseits als „Artillerie-Schutzstellung" an.
126
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
stehende feindliche Artillerie aus. Dreistes Zufassen wird sie auch in Besitz der III. feindlichen Stellung bringen. ... — III. Armeekorps legt den
Schwerpunkt des Angriffs auf seinen linken Flügel. Baldige Eroberung von Fayet sowie des Höhengeländes um Selency und Francilly ist not¬ wendig für das Vorwärtskommen des rechten Flügels des IX. Armeekorps. Mit dem linken Flügel der 2. Armee ist gemäß Vereinbarung') dauernd zusammenzuarbeiten. IX. Armeekorps greift mit starkem rechten Flügel in enger Verbindung mit dem III. Armeekorps an, zieht frühzeitig eine dritte Division in die erste Linie vor und setzt sich ohne Aufenthalt in Besitz
der durch schwerstes Flachbahnfeuer bekämpften feindlichen III. Stellung Vaux—Fluquiöres—Happencourt. Nach gelungenem Einbruch in diese Stellung ist der Angriff des III. Armeekorps durch Ausrollen nach Norden zu unterstützen". Das XVII. Armeekorps hatte Urvillers, den Schlüsselpunkt der feindlichen Stellung, durch Umfassung von beiden Seiten zu nehmen. Die dazu angesetzten Divisionen sollten aber noch genügend Kraft zur Durchführung des Angriffs bis zum Crozat-Kanal behalten, auch Unterstützung des Angriffs des IX. Armeekorps über den St. QuentinKanal (kanalisierte obere Somme) könne in Frage kommen; der Angriff des IV. Reservekorps, der über die Oise durch starke, flankierende Artillerie wirksam unterstützt werden konnte, werde schnell fortschreiten und damit auch die Aufgabe des XVII. Armeekorps erleichtern. Auf dem linken Armeeflügel wurde unter General der Infanterie Freiherrn von Gayl, Kommmandeur der 13. Landwehr-Division, aus dieser Division und der 47. Reserve-Division eine besondere Angriffsgruppe ge¬ bildet. Der Gruppe Gayl wurde besohlen: Sie „erzwingt den Abergang
bei La Fete und schafft sich dort einen gesicherten Brückenkopf"^). Dieser war je nach der Lage zu erweitern, und zwar in erster Linie durch Einnahme der feindlichen II. Stellung aus den Höhen östlich von Fargniers und durch Offenhalten eines Aberganges über den Crozat-Kanal bei Tergnier, ferner durch Einnahme von Travecy. Die Armeereserven (23.und 1. Garde-Infanterie-, 10. und 7. ReserveDivision) standen als III. Treffen nordöstlich und östlich von St. Quentin in der Linie Fresnoy-le Grand—Origny alarmbereit. Das Armeehauptquartier befand sich vom 20. März ab in Bernoville 30 Kilometer nordöstlich von St. Quentin.
Die Bereitstellung der Truppen in den Sturm-Ausgangsstellungen vollzog sich auch bei der 18. Armee ohne wesentliche Störungen durch den *) Die Vereinbarung betraf wechselseitige Unterstützung am Omignon-Bach. 2) S. 79 und 83.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 18. Armee.
127
Feind. Wie bei der 2. Armee, setzte am 2l. März um 440 morgens das
Artilleriefeuer ein und lief planmäßig ab. Um 9*° sollte der Infanterie-
angriff folgen. Schon lange vorher hatte die Gruppe Gayl anzugreifen. Sie stand vor der ungewöhnlich schwierigen Aufgabe, sich aus der engen Festung La Fere und aus Beautor heraus angesichts dicht gegenüberstehenden Feindes den Abergang über die Oise und ihren Kanal zu erkämpfen. Dazu waren ihrer 47. Reserve-Division als viertes Regiment drei Jäger-Batail¬ lone zugeteilt worden. Im übrigen war die Gruppe besonders stark mit Artillerie, zum Teil durch vorübergehende Abgaben der 7. Armee, und reichlich mit Pionier-Formationen und Brückentrains ausgestattet worden. Die Entwicklung aus der Vorstadt von La Fsre über den Kanal konnte
nur bei völliger Überraschung in der Morgendämmerung gelingen. Da die Artillerievorbereitung nicht früher als bei den anderen Korps der Armee einsetzen durste, um deren Angriff nicht vorzeitig zu verraten, mußte sie auf kaum mehr als anderthalb Stunden beschränkt werden. Die Bekämpfung der das Oise-Tal beherrschenden feindlichen Batterien - auf den Höhen von Amigny fiel der südlich angrenzenden 7. Armee zu. Bis 12*5 nachts hatten Pioniere trotz der Nähe des Gegners unmittel¬
bar westlich der Vorstadt zwölf Schnellbrücken und eine Pontonbrücke hergestellt. Um 245 früh waren weitere fünf Schnell- und zwei Ponton¬ brücken bei Beautor fertig. Um 616 brachen bei Dunkelheit und Nebel die drei Jäger-Bataillone in schneidigem Draufgehen aus der Vorstadt von La Fere über die Brücken vor. Das Wagnis gelang. Unterstützt durch ein Landwehr-Bataillon, das drungen war, überrannten sie dere Stellung der Engländer. liche Kanalufer erreichen. Die
durch Beautor bis an den Kanal vorge¬ die feindlichen Sicherungen und die vor¬ Die 47. Reserve-Division konnte das west¬
Jäger hatten sich gegen ein an der Straße etwa halbwegs nach Fargniers liegendes Walzwerk gewandt und um 7^ vormittags dessen südlichen Teil genommen; in den Gebäuden nörd¬ lich der Straße behauptete sich aber der Feind. Der Angriff kam zum
Stehen. An der übrigen Armeefront brachen die Angriffsgruppen um 9" vormittags zum Sturm vor und drangen in die vordere Stellung des Feindes ein. In dem länger als bei den anderen Armeen, bis in die Nachmittags¬
stunden, herrschenden dichten Nebel lösten sich die Kämpfe vielfach in Teil¬ handlungen auf. Die englische I. Stellung wurde fast überall bald über¬ wunden. Die II. Stellung aber hatte unter dem Artilleriefeuer nur wenig gelitten; feindliche Maschinengewehre verzögerten das Vorgehen und ver¬
ursachten teilweise empfindliche Verluste.
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
128 21. Mir,.
-Auf dem rechten Flügel nahm die 113. Infanterie-Division des
III. Armeekorps des Generalleutnants Freiherr!, von Lüttwitz die vordere Linie der englischen II. Stellung und Maissemy; am Westrand und südlich des Ortes kam es zu heftigen Kämpfen. Erst am späten
Abend gelang es, die dortige beherrschende Höhe zu gewinnen, vier feindliche Batterien wurden genommen. Die 88. Infanterie-Division stürmte Holnon, die 28. Francilly; beide lagen am Abend bis nördlich von Savy vor der englischen II. Stellung. Das Korps hatte mit drei Divisionen etwa eine englische Division angegriffen; es meldete 1300 Ge¬
fangene.
Beim IX. Armeekorps (dabei fünf Beute-Kampfwagen) unter
Generalleutnant Ritter und Edler von Oetinger, das ebenfalls etwa eine
feindliche Division vor sich hatte, durchstieß am Nachmittag ein Regiment der SO. Infanterie-Division die vordere Linie der englischen II. Stellung westlich von Savy und drang gegen das befestigte Etreillers vor; die in¬
zwischen vorgezogene 5.Garde-Infanterie-Division erstürmte Fontaine. Zwischen beiden lag die 45. Reserve-Division vor dem stark befestigten Roupy in erbittertem Kampfe. Ein Gegenangriff gegen ihren linken Flügel wurde abgewiesen. Das XVII. Armeekorps (dabei vier Kampfwagen) unter Generalleutnant von Webern hatte mit der 238. InfaNterie-Division gegen l80
nachmittags die Iwischenstellung bei und südöstlich von Giffecourt und im Nahkampf Castres und Contescourt genommen. Als sich der Nebel lichtete, begann auf der Hochfläche von Essigny ein langes Ringen um die vorderen
Linien der englischen II. Stellung, die das Gelände weithin beherrschten und das Kernstück der Befestigungen gegenüber dem XVII. Armeekorps und IV. Reservekorps bildeten. Am 5°nachmittags wich der Feind hier allmählich zurück, aber erst nach Abweisen eines Gegenstoßes war die
Stellung um 7°abends fest in deutscher Hand. Weiter südöstlich hatte sie die 36. Infanterie-Division bereits um 3°nachmittags im ersten Ansturm überrannt und im frischen Zugriff Essigny und dahinter eine feuernde
Batterie erstürmt. Die 1. bayerische Infanterie-Division war nach schweren Kämpfen um Urvillers gegen 4° nachmittags ebenfalls in die feindliche II. Stellung eingebrochen. Das Generalkommando hoffte, den schönen Erfolg ausnutzen zu können, um noch am Abend des 21. März den CrozatKanal bei Iussy zu erreichen. Es schob die 10. Infanterie-Division zwischen die 36. und 1. bayerische Division ein, die 9. wurde als Korpsreserve nach Urvillers vorgezogen. Dahinter folgte je eine Division als Armeereserve im II. und III. Treffen. Der Angriff kam aber gegen etwa anderthalb
feindliche Divisionen nach den Anstrengungen des kampfreichen Tages
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 18. Armee.
129
nicht weiter vor. Mehr als 2000 Gefangene und eine größere Zahl von
Geschützen waren in deutsche Hand gefallen. Das IV. Reservekorps unter Generalleutnant von Conta, das mit
drei Divisionen vier englische' Brigaden angriff, stand nach dem Durchstoßen der vorderen Stellung gegen Mittag mit der 34. und 37. InfanterieDivision im Kampf um eine von Urvillers nach Moy verlaufende englische Zwischenstellung. Bis 1°° nachmittags war diese bezwungen. Die 103. In¬
fanterie-Division, die links anschließend über Alaincourt auf dem Höhenrand westlich der Oise nach Süden vorgedrungen war, hatte mittags Moy nebst den westlich anstoßenden Höhen genommen. Die 33. InfanterieDivision wurde nachgezogen. Im weiteren Vorgehen drang fast gleichzeitig mit dem XVII. Armeekorps die 34. Division in die vordere Linie
der englischen II. Stellung ein und erstürmte in glänzendem Anlauf Benay. Auf den Höhen nördlich von Hinacourt aber hielt sich der Feind noch mit starken Kräften, bis es der benachbarten 37. Division nach schwierigem Angriff in tiefem Lehmboden um 630 abends gelang, das Dorf zu nehmen;
ihr linker Flügel lag noch vor Ly-Fontaine fest. Beide Divisionen hatten beträchtliche Verluste erlitten. Die Infanterie fühlte sich trotzdem imstande, dem Befehl des Generalkommandos entsprechend noch in der Nacht bis über den Crozat-Kanal vorzustoßen, doch versagten die Pferde; vor allem konnte die schwere Artillerie in dem aufgeweichten Boden nur langsam folgen. Aus dem linken Flügel des Korps hatte die 103. Division von Moy her die englische vordere Stellung ausgerollt, lag dann aber in schwerem Kampfe um die Riegelstellung zwischen Ly-Fontaine und Vendeuil. Vendeuil konnte sie bis auf das Fort im Laufe des Nachmittags nehmen. Schwere Artillerie belegte das vier Kilometer südwestlich davon liegende Fort bei Liez und die Riegelstellung mit starkem Feuer. Die 33. Division stand am Abend als Korpsreserve östlich von Csrizy. Das Korps hatte 800 Gefangene gemacht und eine Anzahl Geschütze erbeutet. Der 47. Reserve-Division der Gruppe Gayl war es an der Straße
nach Fargniers erst um II3" vormittags nach heftigem Kampf gelungen, auch in den nördlichen Teil des Walzwerkes^) einzudringen. Alle Verbindüngen zwischen Truppe und Führung versagten im feindlichen Feuer und undurchdringlichen Nebel. Um 10 mittags kam der Angriff gegen die vordere Linie der englischen II. Stellung in Gang. Er führte im Lause des Nachmittags zum Einbruch östlich von Fargniers. Ein Bataillon räumte die Maschinengewehrnester längs des Weges La Fsre—Liez aus und durchi) S. 127. Weltkrieg. XIV. Band.
130
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offenjive).
Zl. März, stieß auch auf dem Höhenrücken östlich von Quessy die vordere Linie der eng-'
tischen IL Stellung. Hier rückte am späten Nachmittag die über La Fere und Beautor herankommende 211. Infanterie-Division in die Kampffront ein. Quessy war noch in Feindeshand. Nördlich von La Fere, wo bei
Mayot und Achery Schnellbrücken geschlagen waren, wurde inzwischen das Dorf Travecy genommen. Die Gruppe Gayl hatte bisher im ganzen nur eine englische Brigade vor sich gehabt. Doch lagen alle ihre Bewegungen über die Oise-Niederung
unter dauerndem konzentrischen Feuer starker feindlicher Artillerie, das sich auch vom südlichen Oise-Afer her am Nachmittag aus die Einbruchsstelle bei Fargniers vereinigte und jeden Nachschub aufs äußerste erschwerte. Als dann am Spätnachmittag das Vorgehen feindlicher Reserven von
Chauny nach Tergnier und in nordöstlicher Richtung gemeldet wurde, erbat das IV. Reservekorps die baldige Wegnahme des Forts bei Liez sowie des Ortes Remigny. General von Gayl befahl der 211. InfanterieDivision, noch in der Nacht das Fort zu nehmen und mit starkem linken Flügel auf Remigny vorzudringen, um dem Gegner des IV. Reservekorps
in den Rücken zu stoßen. Dieser Angriff traf aber aus starken Widerstand des Forts und kam daher nicht mehr zur Durchführung.
Am Abend des ersten Angriffstages stand der rechte Flügel der 18. Armee im allgemeinen noch vor der vorderen Linie der englischen
II. Stellung, der linke Flügel hatte sie größtenteils bereits durchbrochen. Dabei hatte die Armee mehr Gelände nach vorwärts gewonnen als die beiden anderen; denn der Raum bis zur feindlichen Hauptkampfzone (II. Stellung) war vor ihrer Front tiefer, auch war der Gegner, vor allem im
Räume südlich von Alaincourt, besonders schwach gewesen. 7000Gefangene waren eingebracht, 88 Geschütze erbeutet, darunter eine Anzahl schwerer und vier schwerste Geschütze. Die Armee hatte bisher nur zwei Divisionen des II. Treffens (5. Garde- und 211. Infanterie-Division) in den Kamps geführt, mit 14 Divisionen in vorderer Linie und zwölf Divisionen da¬ hinter konnte dem Angriff am folgenden Tage neue Kraft gegeben werden. Vom Gegners hatten vor der 18. Armee bei Beginn des Angriffs im ganzen nur etwa 51/2 Divisionen in der Front und nur zwei Kavallerie-
Divisionen so dicht dahinter gestanden, daß sie noch am ersten Tage in den Kampf eingreifen konnten. Da die II. Stellung im Räume um St. Quentin besonders weit zurücklag, gelang es dem Gegner, den deutschen Angriff Beil. 38 a.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 18. Armee.
131
hier in der ersten Linie dieser Stellung aufzufangen^). Der Einbruch bei Fontaine aber zerriß die Verbindung zum Südflügel des XVIII. Korps südlich der Somme. Dem Korps wurde die bei Ercheux liegende Division der Heeresreserve zur Verfügung gestellt, die jedoch erst am folgenden
Tage heran sein konnte. Noch empfindlicher wurde der deutsche Durchbruch durch die II. Stellung bei Hinacourt empfunden; er riß eine Lücke, die zunächst nicht wieder geschlossen werden konnte. Dazu kam der völlig unerwartete Angriff aus La Fsre heraus. Für den ganzen Raum südlich der oberen Somme aber war eine Kavallerie-Division die einzige erreichbare
Reserve. So befahl General Gough im Einvernehmen mit Feldmarschall
Haig abends für diesen Frontteil schrittweises Zurückgehen hinter den Somme-Abschmtt Fontaine—St. Simon und den Crozat-Kanal.
d) Bisherige Kampfverhältnisse und Ergebnisse. Der Kampfverlaus des 2l. März war durch den am Morgen des Tages herrschenden und bis in die Nachmittagsstunden anhaltenden dichten Nebel entscheidend beeinflußt worden. Da er der Artillerie jede Beobachtungs¬ möglichkeit nahm und Fernsprechverkehr zur vorderen Linie während des vorwärtsschreitenden Angriffs ausfiel, war eine Lenkung der Feuerwalze ausgeschlossen gewesen; diese hatte nur völlig automatisch ablaufen können. Da andererseits manche Teile der angreifenden Infanterie sich im Nebel verirrten und damit in der Bereitstellung wie im Vorgehen vielfache Verzögerungen und Störungen eintraten, während der vom Regen der Vor¬
tage durchweichte schwere Lehmboden die Bewegungen ohnehin schon verlangsamte, konnte es nicht ausbleiben, daß der Anschluß an die Feuerwalze (100 Meter in zwei bis drei Minuten) vielerorts verlorenging. Auch die beabsichtigte Unterstützung der Infanterie durch Begleitbatterien fiel dadurch teilweise aus. Die stürmende Infanterie war so gut wie ganz auf sich
selbst gestellt. Das Durchstoßen der nur sehr schwach besetzten feindlichen vorderen Linien gelang trotzdem überall, aus dem weiteren Wege aber blieb der Angriff vor feindlichen Stützpunkten und im Feuer- nicht niedergekämpfter Maschinengewehrnester vielerorts liegen. Als dann die Sicht besser wurde, war die Feuerwalze längst enteilt und ausgeschossen. Das Nachfolgen der zum Eingreifen bestimmten Batterien aber verzögerte sich auf grundlosen Wegen, über ausgeweichten Ackerboden und durch die trotz aller Vorbereitungen beim Überwinden des Hindernis- und Grabengewirrs der feindlichen Stellungen auftretenden Schwierigkeiten. So war der ') über das Erkennen des bevorstehenden Angriffs und die ersten Gegenmaßnahmen gilt das gleiche wie bei der 17. Armee gesagt (€>. 115).
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
132
21.sna»j. Angriff bis zum Abend überall nur etwa viereinhalb Kilometer über die
bisherigen eigenen Linien hinausgekommen, hatte die Hintere Linie der englischen II. Stellung nur an zwei vereinzelten Punkten (17. Armee bei Beaumetz, 18. bei Hinacourt) eingestoßen und war an manchen Stellen sogar noch nicht einmal in deren vordere Linie eingedrungen. Die Masse
der feindlichen Artillerie hatte so weit zurückgestanden, daß die Geschützbeute (bisher 138 Geschütze gemeldet) verhältnismäßig gering war^). Wegen des Nebels hatten Flieger erst am Nachmittag da und dort in den Erd kämpf eingreifen, die Verbindung mit der vordersten Linie her-
stellen, das Artilleriefeuer lenken, die Bewegungen feindlicher Reserven erkunden und gegen sie sowie gegen Stabsquartiere und rückwärtige An¬ lagen wirken können. Aber auch die feindlichen Flieger waren an manchen Stellen bereits recht lästig geworden. Die Verbindung von der Front zu den höheren Kommandostellen war nur unzureichend geglückt. Einerseits hatte auch sie unter dem Nebel ge¬
litten, andererseits hatten sich manche Stäbe wohl nicht früh genug von ihren rückwärtigen Fernsprechverbindungen frei gemacht. Sie waren daher bis in den Nachmittag hinein nur unzureichend über den Stand des
Kampfes unterrichtet und hatten weder vermocht, die Artilleriewirkung auf wichtige Ziele zusammenzufassen, noch durch rechtzeitigen Einsatz von Reserven Erfolge auszunutzen, bevor die vorn kämpfende Truppe ermattete.
Die Versorgung mit Munition war bisher auf keinerlei Schwierig-
leiten gestoßen, ebensowenig die Verpflegung, die beim Feinde reichlich gefunden wurde. Die Wasserverhältnisse erwiesen sich besser als erwartet.
2. Die Fortsetzung des Angriffs am 22.März. Die Oberste Heeresleitung hatte sich von Beginn der Schlacht an die Heranführung frischer Kräfte hinter die 18. Armee angelegen sein lassen. Bereits um 815 vormittags am 21. März hatte sie den Antrag der
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz auf Vorziehen der 211. InfanterieDivision, die hinter dem rechten Flügel der 7. Armee bereitstand, zur Verstärkung der Gruppe Gayl bei La Fere genehmigt. Bald nach Mittag hatte sie angeordnet, daß am nächsten Tage eine Division der 3. Armee nach Bohain, eine der 1. Armee nach Guise gefahren werde; am Spätnachmittag i) Die Angabe des amtl. engl. Werkes, datz allein die brit. S.Armee bereits am
ersten Kampftage 382 Geschütze, davon 89 schwere, verloren habe, bezieht sich offenbar auch noch auf die Rückzugsbewegung in der Nacht zum 22. März, wenn nicht auf einen
noch längeren Zeitraum.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen.
133
folgten Befehle, eine weitere Division der 3. Armee bis Aisonville (nord¬ westlich von Guise), eine der 5.Armee bis Busigny—Becquigny (nördlich von Böham) vorzuführen. Aber letztere vier Divisionen behielt sie sich, ebenso wie über die drei noch bei Douai hinter der 17.Armee stehenden Divisionen, die Verfügung vor. Doch durften die letzteren auf Antrag der
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht so bereitgestellt werden, daß „ihre Verwendung sowohl zu Mars wie auch in der jetzigen Angriffsfront
der 17. Armee möglich" sei. Ihrerseits schob diese Heeresgruppe nochmals zwei Divisionen hinter den linken Flügel der ö. Armee und ließ zwei weitere bei der 4. Armee ohne Ersatz frei machen. Nach den bis zum Abend vorliegenden Meldungen^) konnte das Ergebnis des ersten Schlachttages keineswegs als voll* befriedigend an¬
gesehen werden. „Stimmung flau", lautete die Aufzeichnung eines hohen Offiziers aus der Umgebung des Kaisers. Immerhin war der erzielte
Geländegewinn durchweg größer, als ihn Franzosen und Engländer je erreicht hatten. Den Cambrai-Bogen „am ersten Tage aus der englischen Front herauszuschlagen", was General Ludendorff am 6. März als Vorbedingung für eine „großzügige Operation" gefordert hatte55), war nicht geglückt. Ob die Abschnürung überhaupt noch erreichbar war, mußte frag¬ lich erscheinen. Die 17. Armee war zwar größtenteils in die vordere Linie der, wie es schien, stark besetzten II. Stellung des Feindes eingedrungen, hatte aber auch fast alle Reserven bereits eingesetzt und dabei erst ein gutes Drittel des Weges bis zum erstrebten Ziele Bapaume—Wres zurückgelegt. Auch der rechte Flügel des Angriffs der 2. Armee war auf hartnäckigen Widerstand gestoßen und von seinem Ziele Equancourt noch weit ab. Mitte und linker Flügel hatten tiefer in das feindliche Stellungssystem ein¬
dringen können, aber dessen Hauptwiderstandslinie auch noch nicht be¬ wältigt; auf besonders starke Gegenwehr war der linke Flügel bei Le Verguier getroffen. Günstiger lauteten die Nachrichten vom Angriff der 13. Armee. Sie hatte mehr Raum gewonnen als die beiden anderen
Armeen. Aber auch ihre Divisionen befanden sich abends noch nirgends im Vollbesitz der englischen II. Stellung. Die Armee beabsichtigte „noch heute" die unmittelbare Fortsetzung des Angriffs, insbesondere Gewinnung der III. Stellung nördlich der oberen Somme und des Crozat-Kanals
südlich dieses Flusses. i) Die durch Fernschreiber an die O.H.L. gegebenen Morgen-, Mittags- und AbendMeldungen enthalten im wesentlichen nur Angaben über die von den einzelnen Divisionen
erreichten Ziele, aber keine Beurteilungen der Lage, Erwägungen oder Absichten. Das Wichtigste ist nebenher in Ferngesprächen behandelt worden, über die aber Aufzeichnungen der O.H.L. völlig fehlen. 2) S. 82.
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
134
21. nnb 22. MS»,,
General Ludendorff hielt es unter diesen Umständen für besonders dag schnelle Vorwärtskommen auf dem südlichen Teile des Schlacht¬
feldes in Fluh zu, halten und dazu weiterhin enges Zusammenwirken der inneren Flügel der 2. und 18. Armee am Omignon-Bach sicherzustellen. So regte er bei der 2. Armee um 10*° abends an, Teile des äußersten
linken Flügels südlich des Baches vorgehen und dann westlich von Vermand nach Norden einschwenken zu lassen. Die 18. Armee hatte er nach einem Ferngespräch mit General von Sauberzweig schon vorher ebenfalls un¬
mittelbar angewiesen, über Tertry das Vorgehen der 2. Armee zu unter» stützen. Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz wurde hiervon um 9°° abends unterrichtet und erhielt außerdem Befehl, „möglichst starke Kräfte der 7. Armee auf das westliche Oise-Ufer zu ziehen und 7. Armee zur Ver¬ sorgung des linken Flügels der 13. Armee heranzuziehen". Nachdem die Heeresgruppe daraufhin die hinter dem rechten Flügel der 7. Armee
stehende 223. Infanterie-Division der 18. Armee überwiesen hatte, befahl die Oberste Heeresleitung um Mitternacht, noch eine weitere Division der 7. Armee für die 18. herauszulösen und eine dritte Division durch die von der 18. an die 7. Armee abzugebende 13. Landwehr-Division frei zu machen. Für die Fortsetzung des Angriffs am 22. März waren keine neuen
Weisungen erforderlich; zunächst galt es, die bereits befohlenen Angriffsziele zu erreichen. Starker Nebel verhinderte auch am 22. März zunächst jede wirksame
Artillerie- und Fliegertätigkeit; erst gegen Mittag besserte sich die Sicht. Auch kam die Artillerie im ausgeweichten Lehmboden des durch Stellungen, Trichter und Drahthindernisse kaum gangbaren Geländes nur langsam heran; selbst Feldkanonen IS und leichte Feldhaubitzen IS mußten wegen
ihres großen Gewichtes stellenweise von zehn Pferden vorgeschafft werden. Die Infanterie blieb daher überwiegend auf ihre Begleit-Batterien ange-
wiesen. a) Die Kämpfe der 17. Armee.
Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht hatte ihren beiden Armeen gegenüber am 21. März abends betont: „Die Zeit von heute bis
morgen abend wird ausschlaggebend sein für den zu erreichenden ersten
taktischen Erfolg. Besonders wichtig ist, daß 17. Armee in Richtung Vires raschestens Boden gewinnt, da der rechte Flügel der 2. Armee anscheinend schwierigere Verhältnisse hat. 2. Armee setzt alles daran, um in Richtung Equancourt rasch Boden zu gewinnen. Das erste Ziel des Angriffs — Abschnüren der Engländer im Cambrai-Bogen — ist für beide Armeen
maßgebend für die nächste Verwendung ihrer Reserven".
135
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 17. Armee.
Vor der 17. Armee hatte starke Ansammlung von Lastkraftwagen bei Arras das Herankommen feindlicher Verstärkungen vermuten lassen. Die nach Abschluß des ersten Angriffstages beabsichtigte Umgruppierung der Artillerie für den Mars-Angriff war daher mit Einverständnis der Heeres¬ gruppe unterblieben, um zunächst noch alle Batterien zur Fortsetzung des Michael-Angriffs am 22. März zu verwenden. Die 23.Reserve- und
41. Infanterie-Division der 6. Armee jedoch sollten aus Befehl der Heeres¬ gruppe am 22. morgens als Heeresgruppen-Reserve hinter dem I. bayeri¬
schen Reservekorps (Mars-Nord) bereitgestellt werden, wo die 187. In¬ fanterie-Division schon stand; eine weitere Division hatte die 6.Armee hinter ihren linken Flügel zu verschieben. Die drei Mars-Divisionen der Obersten Heeresleitung rückten nach Noyelles, Rscourt und Rumeaucourt vor.
General Otto von Below hatte tatkräftige Fortsetzung des Angriffs am 22. März angeordnet: „Vereinigung des linken Armeeflügels mit dem rechten Flügel der 2. Armee bleibt die Hauptaufgabe. III. bayerisches Armee- und IX. Reservekorps schalten die flankierende Wirkung der Monchy- und der Mühlenberg-Artillerie aus und halten sich wie am 21. März zum Nachstoß bereit. I. bayerisches Reservekorps wirkt zum Niederhalten der Monchy-Artillerie mit und hält seine Stellungen". Von den Armeereserven wurden die 239. Infanterie-Division dem XVIIL, die 24. dem XI. Armeekorps zugeteilt. An den Mars-Fronten bekämpften am 22. März
bayerisches
Reservekorps und III. bayerisches Armeekorps die feindlichen Batterien bei Monchy und Hsninel. DasIX. Reserve kor ps wirkte gegen
die feindliche Artillerie am MühleNberg und stand bereit, sich dem Michael-
Angriff anzuschließen. An der Michael-Front nahmen XVIII. Armeekorps, VI. und
XIV. Reservekorps nach gegenseitiger Vereinbarung um 7" vormittags den Angriff gegen die feindliche Stellung Croisilles—St. Lsger—Vaulx— Beaumetz wieder auf. Croisilles hatte der Feind — wie sich herausstellte —
geräumt, doch hielt er sich noch nordwestlich und westlich des Ortes. Beim XVIII. Armeekorps gelang es der 234. Infanterie-Division im Verein mit dem linken Flügel°des IX. Reservekorps, nach erbitterten Kämpfen in die Stellungen nördlich von Croisilles einzubrechen und den
Gegner auf die Hintere Linie seiner II. Stellung zwischen Honin und Boiry sowie auf Heninel zurückzuwerfen. Gegen Mittag war die be¬ herrschende Artillerie-Höhe des Mühlenberges von Croisilles in deutscher Hand. Gegen Abend versuchte daher auch das IX. Reservekorps, unter
136
Die Grohe Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
22. MZrz. Einsatz der 26. Reserve-Division, den Angriff weiter vorzutragen, hatte aber keinen Erfolg. Bei der 6. bayerischen Infanterie-Division des XVIII. Armeekorps waren außer den Begleit-Batterien zunächst nur drei Feld-
batterien zur Stelle; die übrige leichte Artillerie hatte die ganze Nacht ge¬ braucht, um das Trichtergelände zu überwinden und erreichte erst im Laufe des Tages Ecoust. Die schweren Batterien feuerten meist noch aus ihren alten Stellungen bei Riencourt auf weite Entfernungen. Ähnlich war es bei der 221. Infanterie-Division. Es kam zu wechselvollen und sehr Verlustreichen Kämpfen. Am Abend lag der rechte Flügel des XVIII. Korps östlich von Henin, am Wege Henin—St. Leger und mit Teilen immer noch vor dem Ostrand von St. Leger. Die 22l. Division hatte mit ihren Hauptkräften zusammen mit der 2. Garde-Reserve- und l l l. InfanterieDivision um die hintere Linie der englischen II. Stellung zwischen St. Leger
und Braucourt gerungen, deren Drahthindernis noch fast unversehrt war. Erst um 6^ abends begann der Gegner hier auf seine III. Stellung nördlich und östlich von Mory zurückzuweichen; St. Leger hielt er besetzt. Er hatte eine frische Division in den Kamps geworfen. Aus dem rechten Flügel des VI. Reservekorps lag die 17. InfanterieDivision vor dem starken Stützpunkt Vraucourt/Vaulx fest, bis um 440 nachmittags ein Bataillon der vorderen Linie den Anstoß zum Sturm gab. Das Dorf wurde genommen und gegen alle Wiedereroberungsversuche der Engländer von der 17. und der links neben ihr neu eingesetzten 5. bayerischen
Infanterie-Division gehalten. Die zwischen Baulx und Morchies an¬ greifende 1. Garde-Reserve-Division und die ihrer großen Verluste wegen durch ein Regiment der 5. bayerischen Division verstärkte 195. InfanterieDivision kamen gegen zahlreiche Maschinengewehre nur langsam vorwärts.
Zu kurz schießende eigene Artillerie und Flankierung von Morchies her behinderten überdies den Angriff der letzteren. Der Garde-Division gelang der Einbruch in die feindliche Stellung zuerst; die 195. hatte einen englischen Gegenangriff abzuwehren, dann drang auch sie in die Stellung ein. Die
17. und die 5. bayerische Division folgten nach anderthalbstündigem Kampfe im Zwischengelände dem weichenden Feind und gelangten zusammen mit der Garde-Division vor die englische III. Stellung. Die 195. Division stieß südwestlich von Morchies, das vom linken Nachbarkorps erst abends genommen wurde, auf eine stark ausgebaute Zwischenstellung. Das Korps
hatte 39 Geschütze erbeutet, freilich auch beträchtliche Verluste, namentlich an Offizieren, erlitten. Die 20. Infanterie-Division des XIV. Reservekorps hatte an
Morchies östlich vorbeigehen sollen. Ihre Artilleriewirkung aber hatte im Nebel versagt, so daß der Angriff östlich des Dorfes erst um 2°nachmittags
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 17. Armee.
137
in Gang kam. Gegen 6°abends mußte ein starker, von 25Tanks unter¬ stützter Gegenangriff feindlicher Reserven aus der Gegend von Beugny abgewehrt werden; 16 Tanks wurden vernichtet. So gelang es erst um 7° abends, in Morchies und östlich davon in die Hintere Linie der englischen
II. Stellung einzudringen. Am Südrande des Dorfes stieß auch die 20. Division auf die schon genannte Zwischenstellung; ihre Verluste waren erheblich. Die links von ihr angreifende 39.und die 3. Garde-Infanterie-
Division vermochten gegen feindliche Maschinengewehre und nach Abwehr zweier englischer Gegenangriffe die feindliche Stellung nachmittags im Nachstoß zu durchbrechen. Dann ging es weiter gegen und über die Straße Beugny—Beaumetz, bis um 6° abends ein dritter großer Gegenangriff die Vorwärtsbewegung mit dem linken Flügel nördlich von Beaumetz zum Stehen brachte. Der Gegner hatte dazu Teile seiner 25. und 19. Division sowie Tanks aus Velu neu eingesetzt. Beim XI. Armeekorps hatte General Kühne der 119. und 4. In¬
fanterie-Division befohlen, die feindlichen Anlagen südlich von Doignies und vor Hermies um 10° vormittags zu stürmen. Als weiteres Ziel waren der 119. Division wiederum die Höhen südlich und südöstlich von Bus be¬
zeichnet, während die 4. Division bis auf die Höhen von Vires vordringen
sollte. Die 24. Reserve-Division hatte zwischen Bahnhof Hermies und dem Kanal gegen den Wald von Havrincourt zu sichern, die 53. Reserve-
Division den Feind östlich des Kanals zu fesseln. Aus wesentliche Ein¬ wirkung der 2. Armee war also zunächst nicht zu rechnen; denn diese hatte mitgeteilt, daß der stark ausgebaute Stützpunkt Epehy das Vordringen
ihres rechten Flügels auf Equancourt flankierend hemme, er müsse erst genommen werden.
Gegen schweres Artillerie- und Maschinengewehrfeuer gelang es der 119. Division trotz aller Anstrengungen nicht, Gelände zu gewinnen. Am Abend setzten englische Gegenangriffe mit Tanks ein, die Division erlitt große Verluste. Die 4. Division nahm im Laufe des Tages nach harten, hin und her wogenden und verlustreichen Kämpfen die Gräben nordwestlich von Hermies. Östlich des Ortes war der Gegner, wie erst im Laufe des
Vormittags erkannt wurde, in der Nacht auf Havrincourt ausgewichen. Die 24. und 53. Reserve-Division folgten. Die Armee hatte bisher gegen 5500Mann gefangengenommen und 48 Geschütze erbeutet.
In die feindliche Front hatte die Wegnahme der beherrschenden Höhen nördlich und westlich von Croisilles durch das deutsche XVIII. Ar¬ meekorps ein bedenkliches Loch an entscheidender Stelle gerissen. Die nörd-
138
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
22. MS.Z. lich anschließenden Stellungen waren der Gefahr ausgesetzt, von Süden her aufgerollt zu werden. Das englische XVII. Korps räumte daher in der
Nacht die wichtige Höhe von Monchy. Weiteres Vordringen der Deutschen über die Linie Henin—Mory nach Westen hätte die ganze Front auseinandergerissen. Diesem Räume führte der Oberbefehlshaber der briti¬ schen 3. Armee, General Byng, daher zu, was er an Reserven zur Hand hatte. Die von Doullens herankommende 41. Division mußte er bei
Morchies einsetzen, da die sechs Brigaden des IV. Korps sämtlich aus Bataillonsstärke zusammengeschmolzen waren; die bei Morchies selbst stehende zählte sogar nur noch 120 Mann. Die Lage vor dem linken Flügel
der deutschen 17.Armee wurde inzwischen durch die in der Richtung aus Fins von der 2.Armee errungenen Erfolge bestimmt. Dabei hatte der
rechte Flügel der britischen 3. Armee auf Befehl des Feldmarschalls Haig sich nach dem linken der 5. Armee zu richten. Die erstere ordnete daher für die Nacht zum 23. März die Zurücknahme ihres V. Korps in die III. Stellung an. Neue Reserven, die an diesem Tage in den Kampf
eingreifen konnten, standen ihr nicht zur Verfügung, doch gestattete die Verkürzung der Front, daß das IV. und VI. Korps ihre Kräfte schärfer nach links zusammenschoben und dadurch an Widerstandskraft gewannen.
b) Die Kämpfe der 2. Armee.
Fm Armeebefehl für den 22. März hatte General von der Marwitz mitgeteilt, daß die 17. Armee mit dem linken Flügel im weiteren Angriff auf Beaumetz—Hermies stehe und der rechte Flügel der 18. Armee Maissemy—Savy—Essigny-le Grand erreicht habe; diese Armee sei angewiesen, nach Wegnahme der englischen III. Stellung östlich von Beauvois—Vaux das Vorgehen der 2. Armee mit rückwärtigen Staffeln über Tertry zu erleichtern. Dem XXXIX. Reservekorps war nochmals ein¬
geschärft worden, zum Angriff überzugehen, sobald Anzeichen vorlägen, daß der Gegner den Cambrai-Bogen räumen wolle; im übrigen hatte das Korps den rechten Flügel des XIII. Armeekorps mit allen dorthin reichenden Batterien zu unterstützen. Da der Angriff dieses Korps in der Rich-
tung auf Fins—Equancourt, solange Epshy nicht genommen war, kaum wieder in Gang gebracht werden konnte, wurde ihm vorerst befohlen, von Norden auf Epshy vorzugehen, um das Dorf zusammen mit dem rechten
Flügel des XXIII. Reservekorps abzuschnüren. Letzterem Korps fiel dabei die artilleristische Vorbereitung zu; nach seinem Fortschreiten hatte sich auch das XIII. Armeekorps zu richten. Im übrigen sollten das XXIII. Re¬
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 17. und 2. Armee.
139
servekorps, dem die 9. Reserve-Division unterstellt wurde, und das XIV. Ar¬ meekorps den Angriff an ihrer Front mit aller Kraft vortragen; bei ihnen
lag damit der Schwerpunkt. Das 51. Korps hatte unter Verlegung seines Schwerpunktes auf den linken Flügel weiter anzugreifen, die GardeErsatz-Division wurde ihm zur Verfügung gestellt; den starken Stützpunkt Le Verguier riet das Oberkommando zu umgehen und abzuschnüren. Von den Armeereserven hatte um 9° vormittags die 3. Marine-
(Infanterie-) Division südlich von Cambrai bei Lesdain bereitzustehen, die 199. und 223. Infanterie-Division sollten Le Catelet und Bellicourt erreichen. Die für den Mars/Nord-Angriff an die Heeresgruppe abzu¬ gebende Artillerie verblieb zwar noch den Korps, durste aber ohne besondere Genehmigung nicht mehr weiter vorgezogen werden. Am Morgen des 22. März fand die IS. Reserve-Division des XXXIX. Reservekorps die vordere feindliche Linie geräumt, gegen Mittag war der Gegner auch vor der 21. Reserve-Division in eine Zwischenstellung ausgewichen. Am Abend verlief die Front des Korps im Anschluß an die 17. Armee nördlich von Havrincourt, am Südrand von Ribecourt, am Ostrand von Villers-Plouich zum XIII. Armeekorps nördlich von Gou-
zeaucourt.
Beim XIII. Armeekorps hatte General von Watter der 107. In¬
fanterie-Division befohlen, den Feind zwischen Villers-Guislain und der Höhe 127 nördlich der Rvvelon-Ferme zu vertreiben, um die 27. InfanterieDivision gegen den Wald von Havrincourt zu decken. Diese wiederum
sollte sich zur Deckung des Angriffs auf Epohy um 7° vormittags in den Besitz der Linie Rsvelon-Ferme—Bahnhof Heudicourt setzen. Die 54. Re¬ serve-Division blieb zur Verfügung des Generalkommandos. Um 9" vormittags erkannte der rechte Flügel der 107. Division, daß der Gegner auch bei Gouzeaucourt zurückwich; der große Ort wurde mit¬
tags nach kurzem heftigem Kampfe genommen, auf dem Höhenrücken westlich davon leistete der Feind aber von neuem zähen Widerstand.
Weiter südlich rollte die Division trotz starker Gegenwehr die feindlichen Stellungen nordwestlich der Vaucelette-Ferme auf, kam jedoch im feind¬ lichen Artilleriefeuer darüber hinaus nicht weiter. Links von ihr versuchte die 27. Division in heftigem feindlichem Artilleriefeuer sich an die Revelon-
Ferme heranzuarbeiten. Inzwischen hatte die 183. Infanterie-Division um 1015 vormittags Epshy, von Nordwesten umfassend, angegriffen, nach¬ dem von Süden her schon um 930 der rechte Flügel des XXIII. Reserve¬ korps in den Ort eingedrungen war. Am 1230 mittags brach von Norden
und Osten auch die 183. Division ein, aber erst nach erbittertem Häuser-
140
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
22. März, kämpf kam das heiß umstrittene Dorf nach 2" fest in deutsche Hand. Die 183. Division wandte sich nunmehr gegen Heudicourt und entlastete damit die 27. Division, der es nach Herankommen ihrer schweren Artillerie gegen 6° abends gelang, die zäh verteidigte Rsvelon-Ferme zu erstürmen. Unterdessen hatte General von der Marwitz angesichts der auch weiter südlich erzielten Fortschritte um 446 nachmittags besohlen: „Der Feind geht nach zäher Verteidigung nunmehr vor der ganzen Front der 2. Armee zurück. Sämtliche Divisionen bleiben ihm an der Klinge, um gleichzeitig mit ihm in die III. Stellung Mres—Nurlu—Tincourt—Cau-
laincourt einzudringen. Unabhängig hiervon ist unverzüglich der Artillerieund Minenwerfer-Aufmarsch gegen diese Stellung einzuleiten, für den Fall, daß der Feind dort den Angriff erneut annehmen sollte". Hauptaufgäbe des XIII. Armeekorps wurde wieder der Vorstoß aus Equancourt, an den die Heeresgruppe inzwischen wiederholt erinnert hatte; zur Deckung der rechten Flanke sollten Trescault und Metz-en Couture vom XXXIX. Re-
servekorps unter starkes Feuer genommen und der dazwischenliegende Teil des Waldes von Havrincourt vergast werden. General von Watter wies daraufhin die 107. Division an, tief rechts
gestaffelt nördlich an der Rsvelon-Ferme vorbei auf die Höhe 122 nördlich von Fins vorzustoßen.
Die 27. und 133. Division wurden gegen die
Stellung beiderseits von Equancourt angesetzt; die 54. Reserve-Division hatte bis zur Vaucelette-Ferme, die 3. Märine-Division bis Banteux zu folgen. Auf dem rechten Flügel gewann die 107. Division aber erst nach 9° abends die Höhe westlich von Gouzeaucourt und die feindlichen Gräben aus dem Höhenrücken 127. Unterdessen hatte die 27. Division in raschem Vorstoß Sorel genommen und um 9° abends Fins besetzt; sie stand dicht vor der enlischen III. Stellung. Links von ihr war es der 183. Division
erst um 730 gelungen, Heudicourt zu nehmen; sie hatte wiederum starke Verluste erlitten und kam nicht wesentlich über den Ort hinaus. So hingen beide Flügel des XIII. Armeekorps trotz aller Mahnungen der Heeres¬ gruppe: „Druckpunkt Fins" gegen die 27. Division noch weit ab. Das Korps meldete 4000 Mmn Verluste, davon 1000 Tote; am schwersten
hatte die 27. Division gelitten. Vom XXIII. Reservekorps hatte sich die 79. Reserve-Division am
Angriff auf Epehy beteiligt, während links anschließend die SO. Reserveund 18. Infanterie-Division in heißem Ringen um das bereits seit dem Abend des 21. März von drei Seiten umfaßte, aber zäh verteidigte Ste. Emilie lagen. Gegenangriffe einer mit Tanks berbeieilenden englischen
Division wurden nach wechselvollen Kämpfen abgewiesen, aber erst durch Eingreifen der frisch herangeführten 13. Infanterie-Division kam der
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 2. Armee.
141
deutsche Angriff beiderseits des Dorfes in Gang. Bald nach 2°nachmittags waren Billers-Faucon und die Höhen südlich davon trotz heftigen feindlichen Widerstandes und nach Abwehr von Tankangriffen durch Teile der 50.Re¬ serve-Division und die 18. Infanterie-Division genommen; mehrere Batterien mit Bespannung und zwei Eisenbahngeschütze wurden erbeutet.
Das feindliche Artilleriefeuer schwieg fast ganz, der Feind schien aus seine III. Stellung zurückzuweichen. Unterdessen war auch Ste. Emilie, das
sich, völlig vereinsamt, noch gehalten hatte, nach erbittertem Kampf gefallen. Vergeblich versuchten Nachhuten des Feindes zusammen mit Tanks immer wieder, das Vordringen durch Gegenangriffe aufzuhalten. Unterstützt durch Kampfflieger, nahmen die 79. und 50. Reserve-Division Saulcourt. Während erstere aus Guyencourt weiterging, drang letztere zwischen 6° und 7°abends in Livramont ein; die 18. Infanterie-Division besetzte
Longavesnes. In der Nacht schob sich die Front gegen die III. Stellung der Engländer zwischen Nurlu und Templeux-la Fosse vor; die SO. ReserveDivision drang in Aizecourt-le Bas ein. Damit hatte das XXIII. Reservekorps mehr als sieben Kilometer Raum gewonnen. Am Abend verlies seine vordere Linie von Heudicourt auf Marquaix, das vom rechten Flügel des XIV. Armeekorps genommen war. Der Erfolg war aber nicht leicht erkauft. Die 50. Reserve- und 18. Infanterie-Division hatten am meisten
gelitten, aber auch die nur vorübergehend eingesetzt gewesene 13.Infan¬ terie-Division meldete größere Verluste. Beim XIV. Armeekorps war in der Nacht die 1. Infanterie-
Division zwischen die 25. und 4. Garde-Infanterie-Division eingeschoben worden. Der Angriff sollte gleichzeitig mit dem linken Flügel des XXIII. Reservekorps aufgenommen werden; der eigene linke Flügel hatte den Angriff des 51. Korps auf Le Berguier zu unterstützen. Die 25. Division fand zähen Widerstand vor und in der hinteren Linie der englischen II. Stellung nördlich von Hesböcourt und wurde im Nebel auch durch eigenes
Mörserfeuer aufgehalten. Als sich gegen 2°nachmittags die Sicht besserte, war der Feind vor der ganzen Front des Korps bereits im Rückzüge, seine
Artillerie schwieg. Unterdessen hatten die 1. Division und der rechte Flügel der 4. Garde-Division um die Mittagszeit die hintere Linie der englischen II. Stellung südlich von Hesbecourt genommen, der linke Flügel der Garde war sogar bereits um 10° vormittags von Norden und Nordosten in
Le Berguier eingedrungen, um dessen Ost- und Südrand Teile des 51. Korps noch erbittert kämpften. Aber erst um 1245 mittags war das
vielumstrittene Dorf endgültig in deutscher Hand. Um diese Zeit überschritt der rechte Flügel des Korps die Eisenbahngabelung am Nordende von Roisel. Um 5°nachmittags stand die 25. Division auf den Höhen
142
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
nördlich von Marquaix, feindliche Gegenangriffe wurden abgewiesen, der Ort genommen. Die I. Division besetzte Noisel. Die 4. Garde-Division,
die 43° nachmittags Tankangriffe südöstlich von Hervilly abgeschlagen hatte, drang auf die Höhen südlich von Marquaix vor und brach mit Teilen in
die englische HL Stellung ein. Es zeigte sich, daß diese Stellung stärker besetzt war, als man angenommen hatte. Am Abend verlies die vordere Linie des XIV. Armeekorps von der Höhe 135 südlich von Longavesnes
zwischen Marquaix und Hamel hindurch zur Nobescourt-Ferme. Die Ver¬ luste besonders der 25. und der 4. Garde-Division waren erheblich, vor allem an Offizieren.
Für die Kampfführung des 51. Korps hatte General Ludendorff nochmals darauf hingewiesen, daß dieses Korps immer wieder versuchen müsse, den Feind durch Umfassung vom südlichen Omignon-Ufer schnell zum Weichen zu bringen. Während der rechte Flügel der 208.InfanterieDivision noch gegen Le Verguier kämpfte, war ihr linker Flügel gegen
Vendelles vorgedrungen. Links davon brach die 19. Infanterie-Division am frühen Nachmittag nördlich des Omignon-Abschnittes in die hintere Linie der englischen II. Stellung ein, erstürmte Bihecourt und half dadurch auch der 208. Division vorwärts. Vendelles fiel, um 4" nachmittags wurde die Höhe von Soyscourt genommen. Am Abend lag das Korps in der Linie Bernes—Poeuilly und damit dicht vor der englischen III. Stellung. Diese wurde am Südflügel noch in der Nacht von der 19. Division durchstoßen, die im Anschluß an weiteres Vorgehen des rechten Flügels der 18. Armee Caulaincourt nahm. Mit den Kämpfen des 22. März hatte die 2. Armee die feindliche II. Stellung von Gouzeaucourt nach Süden in ihrer ganzen Tiefe durchKrochen und lag vor der III. Stellung, die man nicht allzu stark besetzt glaubte. Die Stimmung der Truppe wurde von allen Generalkommandos als vorzüglich bezeichnet. Selbst schwer mitgenommene Divisionen — wie die 50. Reserve-Division — wollten nicht abgelöst werden. Bisher wurden 10000 Mann an Gefangenen und 200 Geschütze als Beute ge-
zählt. Der Gegner hatte die Zurücknahme der Front im Cambrai-Bogen (V. Korps der 3.Armee) in der Nacht zum 22. März und am Morgen
dieses Tages im wesentlichen ungestört durchführen können. Ausschlaggebend für ihn wurde der Erfolg des deutschen XIV. Armeekorps, insbesondere der frisch eingesetzten 1. Infanterie- und der 4. Garde-InfanterieDivision zwischen Templeux-le Guerard und Ieancourt, der mittags den Befehl zur Zurücknahme der Truppen des englischen XIX. Korps auf
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 2.und 18. Armee.
143
breiter Front veranlaßte. Diese Bewegung übertrug sich auch auf das nördlich anschließende VII. Korps. Hier gaben die Fortschritte des deut¬ schen XXIII. Reservekorps bei Saulcourt weiterhin den Ausschlag. Teile, die bei Heudicourt zur Deckung des Rückzuges und der Südflanke des Cambrai-Bogens standzuhalten versuchten, wurden von der deutschen 27. Infanterie-Division geworfen. Deren weiteres Vordringen bis Fins gefährdete bereits den Rückzug des englischen V. Korps auf die III. Stel¬ lung^). Trotzdem machte das Korps bereits westlich von Havrincourt, bei Metz-en Couture und aus der Höhe nördlich von Fins zunächst halt. Znsgesamt war der Gegner am Abend des 22. März vor dem Nord-
flügel der 2. Armee im vollen Rückzüge auf seine III. Stellung, vor dem Südflügel, wo sein XIX. Korps die schwere Artillerie bereits hinter die Somme zurückschickte, darüber hinaus auf seine Stellungen aus dem Winter 1916/17. Alle Reserven waren bis auf eine Kavallerie-Brigade eingesetzt, neue
für den folgenden Tag noch nicht zu erwarten. c) Die Kämpfe der 18. Armee.
Den Weisungen der Obersten Heeresleitung entsprechend, hatte Kronprinz Wilhelm für den 22. März besohlen:
. Die 18. Armee
bleibt auch während der Rächt im Angriff. Nördlich der Somme2)kommt es darauf an, die Straße Tertry—Beauvois—Hamel frühzeitig zu über¬
schreiten und starke Reserven, dicht aufgeschlossen, nachzuführen. Die Aufgabe, durch Angriff in Flanke und Rücken des vor der 2. Armee halten¬ den Feindes dieser Armee das Vorgehen zu erleichtern, bleibt in vollem
Umfange bestehen. Rücksichtsloses Vorgehen südlich der Somme bis zum befohlenen Ziel wird der Rordgruppe^) ihre Aufgabe erleichtern. Der linke Armeeflügel nimmt, wie befohlen, die Übergänge über den CrozatKanal in die Hand, unterstützt weiterhin den Angriff der Südgruppe und richtet sich im übrigen östlich des Kanals zur nachhaltigen Verteidigung ein..Starke Artillerie sollte hinter dem Südflügel über die Oise nach¬ geführt werden. Außer der südöstlich von La Före stehenden 223. Infanterie-Division, die der 18. Armee bereits unterstellt war, war ihr die 241. Infanterie-Division, ebenfalls von der 7. Armee, neu zuzuführen. 1) S. 138. 2) Gemeint war der Oberlauf des Flusses von St. Quentin bis zum Crozat-Kanal bei St. Simon. 3) Hier und im Nachfolgenden ist: Nordgruppe — nördl., Südgruppe — südl. der oberen Somme; linker Armee-Flügel — Gmppe Gayl.
144
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
Da der Befehl der Heeresgruppe bereits alles Wesentliche enthielt, gab General vonHutier nur noch ergänzende Weisungen: Er unterstellte die Gruppe Gayl dem IV. Reservekorps und befahl diesem, die 22Z. InfanterieDivision noch in der Nacht über La Fere nach Liez in Marsch zu setzen.
Die Armee-Reserven, 23.und 1. Garde-Infanterie- sowie 10. ReserveDivision, sollten bis zur Straße Bellenglise—St. Ouentin folgen, die 7. Reserve-Division um 9° vormittags südöstlich dieser Stadt hinter dem XVII. Armeekorps bereitstehen. Beim III. Armeekorps hatte Generalleutnant von Lüttwitz seine Divisionen von neuem auf schnelles Zufassen und Ausnutzung der am
21. März errungenen Erfolge hingewiesen. Aus dem rechten Flügel des Korps griff am Morgen des 22. die HZ. Infanterie-Division, verstärkt durch Teile der 6., im dichten Nebel längs des Omignon-Baches bis zum Holnon-Walde an. Zäher Widerstand des Feindes wurde unter teilweise schweren eigenen Verlusten gebrochen; die Artillerie büßte viele Pferde ein.
16 Geschütze wurden erbeutet. Aber den Omignon-Bach hinüber säuberte der rechte Flügel den Ort Vermand, aus dem er Flankenfeuer erhalten hatte, und erleichterte damit das Vorgehen der 2. Armee aus Bihecourt. Bis zum Abend durchstieß die Division auch die beiden vorderen Linien der hier sehr tiefen englischen III. Stellung. Die 88. Infanterie-Division kämpfte seit Tagesanbruch am Ostrand des Holnon-Waldes, aber erst als sich gegen Mittag der Nebel lichtete und die 5. und 28. Infanterie-Division südlich des Waldes vorgingen, glückte es, in diesen einzudringen; im Inneren
folgte ein verlustreicher Kampf gegen Mckschinengewehre, bis um 3° nach¬ mittags der westliche Waldsaum erreicht war. Während die 88. Division dann als Korpsreserve gesammelt wurde, blieben 5.und 28. Division in
flottem Nachdrängen; der Versuch, sich in der Dunkelheit auch der stark befestigten „Haig-Stellung" zu bemächtigen, mißglückte. Die 206. In¬ fanterie-Division wurde am späten Abend in die Gegend südlich des Holnon-Waldes vorgezogen. Die eigenen Verluste, namentlich an Offi¬ zieren, waren recht groß; ein Regiment der HZ. Division hatte allein 850 Mann verloren.
Beim IX. Armeekorps bemächtigte sich die durch ein Regiment ver¬ stärkte 50. Infanterie-Division am Vormittag der Befestigungen am Ost¬ rand von Etreillers, die 45. Reserve-Division und Teile der 2Z1. Infan¬ terie-Division nahmen Roupy und hielten es gegen feindlichen Gegen¬ angriff. Abends nahm die 50. Division Vaux, durchstieß die „Haig-Stellung" und erreichte Foreste. Auch vor der 45. Reserve-Division und dem
rechten Flügel der südlich anschließenden 5. Garde-Infanterie-Division gab
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 13. Armee.
145
der Feind erst abends nach. Letztere hatte nach Wegnahme der Hinteren Linie der englischen II. Stellung beim Vordringen gegen Happencourt so starken Widerstand gefunden, daß sie von dem südlich der Somme schneller vorwärts kommenden XVII. Armeekorps Hilfe erbat. Dieses war am
frühen Morgen im dichten Nebel nur auf schwachen Feind gestoßen und stand bereits um 10° vormittags mit der 233. Infanterie-Division dicht vor St. Simon am Crozat-Kanal. Dort erhielt sie vom Armee-Oberkommando Befehl, mit einem Regiment dem Gegner des IX. Armeekorps über die Somme bei Tugny in den Rücken zu stoßen; die im II. Treffen folgende 9. Infanterie-Division wurde angewiesen, auf Artemps anzu¬ treten, wo das vorderste Regiment gegen 3° nachmittags eintraf. Inzwischen drängte die Heeresgruppe zur Eile. Am l45 mittags
hatte sie befohlen: „Nach Gefangenenaussagen ist der englische Hauptwiderstand in Linie Fins—Vermand zurückverlegt. Im rastlosen Nachdrängen hinter dem geschlagenen Feind haben starke Kräfte der 18. Armee südlich der Somme den Crozat-Kanal erreicht. Die Armee bleibt im An-
griff. Das Vorgehen der Nordgruppeist durch Angriff starker Kräfte über die Somme in Flanke und Rücken des vor dem IX. Armeekorps
haltenden Feindes zu unterstützen. Schnelle Sperrung der Übergänge von Dury und Ham durch Vorgehen nördlich der Somme ist von ausschlaggebender Bedeutung. — Die Südgruppe setzt sich, wie befohlen, in Besitz der Übergänge über den Crozat-Kanal und hält sie für weiteres Vorgehen
offen. Über die Brückenköpfe wird vorläufig nicht hinausgegangen. Die Entscheidung über die Fortführung der Operationen in allgemeiner Richtung Noyon behält die Oberste Heeresleitung sich vor. Für Schaffung zahlreicher Übergänge zwischen Moy und La Fere ist Sorge zu tragen". Daraufhin ließ General von Hutier die ganze 233. InfanterieDivision zur Unterstützung der 5.Garde-Division des IX. Armeekorps nach Tugny rücken. Bon 4° nachmittags an feuerte ihre und die Artillerie der
9. Infanterie-Division in Rücken und Flanke des Feindes bei Happencourt. Der Abergang über die Somme verzögerte sich aber, da die Brücke zerstört und das Tal sumpfig war; auch war die 9. Division bei Artemps auf Wider-
stand gestoßen. Inzwischen hatte der von zwei Seiten bedrohte Feind um 6° abends nachgegeben. Die 5. Garde-Division drang in Happencourt ein, durchbrach auch die englische III. Stellung und folgte dem Feind über
Bray nach Pithon und Dury, die sie noch in der Nacht besetzte. Anterdessen hatten die Erfolge der 50. Infanterie-Division und der Garde auch der
zwischen beiden kämpfenden 45. Reserve-Division Luft geschaffen, sie nahm am Abend die III. Stellung östlich von Fluquiöres und ging nach Douchy r)S.143. Weltkrieg. XIV. Band.
146
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
zz. ms», vor. Die 238. und S. Division nächtigten südlich der Somme bei Tugny
und Artemps. gm Anschluß an erstere hatten die 36., die 10. und die 1. bayerische Infanterie-Division bereits vormittags den Crozat-Kanal erreicht, linker
Flügel bei Iussy. Heftiges Artillerie- und Maschinengewehrfeuer hatte weiteres Vorkommen verhindert. Nur der 10. Division gelang es, westlich von Camas den Kanal abends mit Teilen zu überschreiten, nachdem sich ihre Artillerie unter Aufbietung äußerster Tatkraft durch nachrückende Neserven und endlose, nach beiden Richtungen fahrende Kolonnen aller Art durchgewunden hatte. Die Verluste betrugen einstweilen nur 1900 Mann. Der rechte Flügel des IV. Reservekorps, 34. und 37. InfanterieDivision, konnte erst um 1130 vormittags Montescourt und Gibercourt nehmen. Etwa um dieselbe Zeit brach der rechte Flügel der 103. Infanterie-
Division nach hartem Kampfe in Ly-Fontaine ein, während Mitte und linker Flügel der Division die englische Riegelstellung südlich des Ortes
schon früher durchstoßen hatten. Inzwischen hatte die 211. InfanterieDivision der Gruppe Gayl um 9" vormittags das Fort Liez genommen und war mit Teilen von Süden her bereits in Remigny eingedrungen.
In der Verfolgung des Feindes erreichten die Divisionen des IV. Reservekorps am frühen Nachmittag den Kanal von Iussy bis Liez, alle Über¬
gangsversuche scheiterten aber am heftigen Feuer des Feindes. Bei der dem Korps inzwischen unterstellten Gruppe Gayl war die Lage dadurch schwierig, daß für Fahrzeuge bisher nur die Oise-Brücke von
La Fere zur Verfügung stand; als nächste wurde am 22. März mittags eine Brücke bei Moy fertig. Während die 211. Division bei Remigny an-
gehalten wurde, um in den Angriffsstreifen der Gruppe zurückzukehren, hatte die von der 7. Armee herankommende 223. Infanterie-Division um 830 vormittags La Fere durchschritten und war aus Quessy vorgegangen. Um 650 nachmittags ging sie nordwestlich des Ortes auf einer schnell wiederhergestellten Brücke mit Teilen über den Crozat-Kanal und erreichte
den Bahndamm westlich davon. Weiter südlich hatte die 47. ReserveDivision den Kanal bereits um 230 nachmittags überwunden und war
bis zum Westrand von Tergnier vorgedrungen. Beide Divisionen lagen
der englischen III. Stellung gegenüber. Feindliche Gegenstöße wurden abgewiesen. Die englische Besatzung des Forts von Bendeuil hatte sich
hinter der deutschen Front noch gehalten und lange Zeit durch Maschinengewehrfeuer gestört; sie ergab sich erst im Lause des Nachmittags, als die Munition verschossen war. Auf den Ortschaften am Crozat-Kanal lag
während der ganzen Nacht stärkstes feindliches Artilleriefeuer, wobei sich die flankierende Wirkung der Batterien aus der Gegend von Amigny
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 18. Armee.
147
besonders unangenehm fühlbar machte, wenngleich die 7. Armee alles tat, um sie niederzuhalten. Die Verluste des IV. Reservekorps, einschließlich der Gruppe Gayl, betrugen rund 3000 Mann. Von den Armeereserven hatte General von Hutier schon morgens die lO. Reserve-Division dem IX. Armeekorps angesichts des starken feind¬
lichen Widerstandes zur Verfügung gestellt; sie sollte um 9° vormittags St. Quentin erreichen. Am Nachmittag ließ er auch die drei übrigen Divisionen der Armeereserve hinter den rechten Armeeslügel, aus dem der Schwerpunkt lag, in den Raum zwischen Holnon-Wald und St. Quentin
vorziehen. Der Anmarsch gestaltete sich aber sehr schwierig, weil alle Straßen in und westlich von St. Quentin durch Munltionskolonnen ver¬
stopft waren. Dazu kamen Bombenabwürfe feindlicher Flieger, die na¬
mentlich bei der I. Garde-Infanterie-Division Opfer forderten. Beim Gegner war es zu dem beabsichtigten nur schrittweisen Auswei¬
chen mangels fast jeglicher Reserven nicht gekommen. Im wesentlichen war die ganze Front schon in der Nacht zum 22. März hinter die Somme und
den Crozat-Kanal zurückgerutscht. Dabei hatte das englische XVIII. Korps die Fühlung sowohl mit dem nördlich anschließenden XIX. wie mit dem südlich anschließenden III. Korps verloren; an Reserven kam hier in¬ zwischen die aus Flandern mit der Bahn anbeförderte 3. Division heran. Das III. Korps hatte auch den Crozat-Kanal nicht überall halten können, obgleich es bei Tergnier bereits durch Artillerie der französischen 125. Division unterstützt worden war. Falls der Kanal ausgegeben werden mußte, sollte wenigstens die Linie Beaumont (6 km südöstl. von Ham)—Villequier
—Noureuil—Viry gehalten werden.
Z. Die Vollendung des Durchbruchs durch die ausgebauten Stellungen am 2Z. März. Nach den bis zum Nachmittag des 22. März bei derOberstenHeeres -
leitung vorliegenden Meldungen hatte der Angriff der 17. Armee auch weiter zähen Widerstand gefunden. Offenbar wollte der Gegner dadurch seinen Truppen im Cambrai-Bogen, die man auf zwei Divisionen^)
schätzte, Zeit zum Ausweichen verschaffen. Die Aussicht, erhebliche Teile von ihnen abzufangen, schwand immer mehr. Bei der 2. Armee schien der
Angriff nach schweren Kämpfen nachmittags auf der ganzen Linie gut vorwärts zu kommen. Die 17. Armee schien ihr Schwergewicht zu stark nach *) Tatsächlich waren es einschl. des linken Flügels bei Hermies und Havrincourt
3 Divisionen«
148
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
22. Ms.,, rechts zu legen, statt — wie die Oberste Heeresleitung mittags mahnen ließ — schnell die Höhen von Hermies zu gewinnen, um von dort mit
schwerer Artillerie das Entweichen der Engländer aus dem Eambrai-
Bogen zu verhindern. Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht war bereit, dementsprechend die Freigabe der drei Mars-Divisionen bei der Obersten Heeresleitung zu beantragen, um sie dem linken Flügel der Armee zu überweisen. General von Below hielt aber die Zahl seiner in der vorderen Linie eingesetzten Divisionen schon für reichlich groß und erwog überraschendes Vorbrechen an der Mars-Front, was ihm wegen der dazu nötigen Umgruppierung von Artillerie und Munition einstweilen
allerdings nur südlich der Scarpe (Mars/Süd-Angriff) möglich schien. Dort wurde vor dem III. bayerischen Armeekorps und IX. Reservekorps nur
je eine englische Division angenommen, während man nördlich der Scarpe vor dem I. bayerischen Reservekorps mit drei Divisionen und einer dahinter
in Reserve rechnete. Andererseits hatte die Heeresgruppe, als der Angriff der 17. und 2. Armee keine entscheidenden Fortschritte erkennen ließ,
vorübergehend erwogen, Kräfte beider Armeen zur Georg-Offensives nach Flandern umzugruppieren, dann aber der Fortsetzung des MichaelAngriffs mit ganzer Kraft den Vorzug gegeben. Als nachmittags der Angriff der 2. und 18. Armee gute Fortschritte machte, gewann sie den Eindruck, daß dort ein entscheidender taktischer Sieg errungen sei; beide Armeen näherten sich der Somme und dem Erozat-Kanal und damit dem von der Obersten Heeresleitung gesteckten nächsten Operationsziel. Starke Teile jener beiden Armeen mußten also bald zur Fortführung des Hauptstoßes nördlich der Somme auf Doullens frei werden. Dem» gemäß konnte man nunmehr zum Mars-Angriff umgruppieren, und dabei sollte, da ein Teil der Mars/Süd-Front von der 17. Armee bereits
genommen war, der Mars/Rord-Angriff stark ausgestattet werden. In ähnlichem Sinne sprach nachmittags General Ludendorff mit General von Kühl. Um 645 abends gab die Oberste Heeresleitung die
Weisung: „17. Armee hat durch Angriff namentlich in Richtung Bapaume den Erfolg der 2. Armee zu vergrößern"; unabhängig davon sei aber der Mars-Angriff zu beiden Seiten der Scarpe, mit starken Kräften nördlich von ihr, vorzubereiten.
Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht befahl daraufhin um 7° abends für den 23.März: „Es kommt darauf an, daß die 17. Armee
möglichst rasch in Richtung Bapaume und östlich Gelände gewinnt, während die 2. Armee ihren Angriff in der bisherigen Hauptrichtung weiter fortsetzt. Frühzeitiges Einschwenken der inneren Flügel gegen den aus dem Eambrai*) S. 68, 72 f. und 79.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen.
149
Bogen weichenden Feind muß vermieden werden. Je nach der Raschheit des feindlichen Ausweichens ist allenfalls ein Vorhalten mit den inneren
Angriffsflügeln in Richtung westlich Vires (17. Armee) und südlich Equancourt (2. Armee) geboten. Besonders wichtig ist, den Angriff dauernd in Fluß zu halten und dem Feind möglichst Abbruch zu tun, bevor er starke Reserven heranbringt. Nahes Heranrücken der rückwärtigen Divisionen ist
geboten..
Ein bald daraus ausgegebener zweiter Befehl stellte für den Marc-/
Nord-Angriff noch die 204. Infanterie-Division der 6. Armeebereit. Artillerie und Minenwerfer sollten, soweit sie nicht von der 17. Armee gegeben werden konnten, von der 2. Armee beschleunigt herangeführt werden. Für den Mars/Süd-Angriff werde, nachdem nunmehr der Mühlenberg bei Croisilles genommen sei, der Einsatz der 26. ReserveDivision genügen. Die inzwischen von Douai weiter vorgezogenen Divi¬
sionen der Obersten Heeresleitung sollten daher in erster Linie der Unter¬ stützung des Michael-Angriffs dienen. Unterdessen hatte nach dem zusammenfassenden Bericht des Komman¬ dierenden Generals der Luftstreitkräfte die Fernaufklärung hinter dem Nordflügel der englischen Gesamtfront große Ansammlungen von Lastkraftwagen beobachtet, aber einstweilen noch keine Transportbewegung nach Süden. Lebhafter Kolonnenverkehr herrschte aus den Straßen von Arras nach Bapaume sowie von Albert und Doullens nach Süden, ebenso reger Bahnverkehr in beiden Richtungen auf den Strecken von Amiens nach Ham, Roye und Montdidier. Dagegen war der Bahn- und Straßen-
verkehr hinter der französischen Front auffallend gering. Bestimmte Schlüsse über die feindlichen Absichten ließen sich daraus nicht ziehen. In der Nacht zum 23. März begann die Umgruppierung von schwerer -Z. ms-z. Artillerie und Minenwerfern der 17. Armee für den Mars/Süd-Angriff. Von den hinter der 4. Armee bereitstehenden Divisionen wurden noch zwei hinter den linken Flügel der ö. Armee gezogen. Am Morgen des 23. März war das Wetter dunstig, wenn auch die
Sonne schien. a) Die Kämpfe der 17. Armee.
Für die Fortführung des Angriffs am 23. März hatte General Otto von Below befohlen, den Schwerpunkt zum VI. Reservekorps zu ver-
legen. Im Anschluß an dieses sollten das XVIII. Armeekorps den Nachdruck nach links, das XIV. Reservekorps und XI. Armeekorps scharf nach i) Vgl. S. 135.
150
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
zz. Mi»,, rechte legen. Die 26. Infanterie-Division der Obersten Heeresleitung wurde hinter den linken Flügel des XVIII. Armeekorps vorgezogen. Vor dem rechten Armeeflügel, von Roeux bis Cherisy, hatte der Gegner
seine Front nachts zurückgenommen. So konnte nördlich der Scarpe der linke Flügel des I. bayerischen Reservekorps (Mars-Nord) den ge¬ räumten vordersten Graben der Engländer besetzen. Südlich des Flusses folgten III. bayerisches Armeekorps und IX. Reservekorps (MarsSüd) den weichenden feindlichen Nachhuten; letzteres Korps nahm im Laufe des Vormittags Wancourt und Heninel, worauf die feindlichen Nachhuten auch Monchy räumten. Abends standen beide Korps vor einer
neuen feindlichen Stellung, die sich von Roeux nach fjentn hinzog. Vom XVIII. Armeekorps waren die 2. Garde-Reserve-Division
und IN. Infanterie-Division bereits in der Nacht in Mory eingedrungen, die 221. nahm St. Loger, die 234. und 6. bayerische folgten dem Feinde bis über die Höhe östlich von Boyelles. Aber St. Leger und südlich aber versuchten 221. Infanterie- und 2. Garde-Reserve-Division vergeblich vor¬ zudringen; hartnäckig hielt der Gegner die Iudas-Ferme westlich von St. Leger und eine Riegelstellung vor Ervillers. Wiederholte erbitterte
Gegenangriffe der Engländer gegen Mory, das aus der deutschen Linie weit vorsprang, scheiterten an der Abwehr der Hl. Division; andererseits gelang es dieser nicht, das Höhengelände südöstlich des Ortes in die Hand zu be¬ kommen, denn es wurde aus der feindlichen III. Stellung südwestlich von
Vraucourt wirksam flankiert. Auch griffen englische Flieger im Tiefflug die deckungslos an den Hängen liegende deutsche Truppe mit Bomben und Maschinengewehren an. Die Verluste der Division waren erheblich.
Der Angriff des VI. Reserve korps, 17. und 5.bayerische Infanterie-, 1. Garde-Reserve-, 195. Infanterie-Division, das den entscheidenden Stoß führen sollte, blieb am Vormittag im starken Feuer des Feindes alsbald liegen. Die englische III. Stellung (Bapaume-Riegel) lag hier weiter vor¬ wärts, als angenommen und dem Wirkungsschießen der Artillerie zugrunde
gelegt worden war. Überdies litt die Infanterie auch bei diesem Korps unter den Angriffen feindlicher Flieger. So gelang es erst nachmittags, sich bis an das vier Meter tiefe, noch unbeschädigte Drahthindernis der
englischen Stellung heranzuarbeiten. Dort kam die Truppe, nach schweren Verlusten seelisch und körperlich erschöpft, zum Halten. Nur der 1. GardeReserve-Division gelang es, als sich im Laufe des Nachmittags bei Beugny ein Erfolg der linken Nachbar-Divisionen bemerkbar machte, in die feind¬ liche Stellung einzudringen. Im Anschluß an den linken Flügel des VI. Reservekorps (195. Division) war die 20. Infanterie-Division des XIV. Reservekorps zunächst vor der
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 17. Armee.
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Iwischenstellung südlich von Morchies liegengeblieben. Unterdessen warfen die 39. und die 3. Garde-Infanterie-Division, die Beaumetz geräumt fand, die vor ihnen liegenden Engländer und nahmen gegen I" mittags Lebuc-
quisre und Velu. Der rechte Flügel der 39. Division stieß dem noch vor der 20. Division haltenden Gegner am Straßenkreuz östlich von Beugny in den Rücken. Damit brach der Widerstand vor der 20. Division und auch vor der 195. des VI. Reservekorps gegen 5°nachmittags zusammen; beide erstürmten im Verein mit dem rechten Flügel der 39. Division Beugny;
nur Reste der durch den Ort zurückgehenden beiden englischen Brigaden entkamen. An der Bahnlinie südlich von Beugny—Lebucquiere aber kam der deutsche Angriff im Feuer der feindlichen III. Stellung endgültig
zum Stehen. Generalleutnant Kühne hatte, um den Schwerpunkt seines XI. Armeekorps^) von Hermies auf den rechten Flügel zu verlegen, die 119. In¬ fanterie-Division durch zwei Regimenter der 24. verstärkt. Die Division sollte im Anschluß an die 3. Garde-Division des XIV. Reservekorps die
hintere Linie der feindlichen II. Stellung östlich von Beaumetz durchbrechen und auf den Park von Velu vorstoßen. Die 4. Infanterie- und 24. ReserveDivision hatten Hermies zu nehmen, die 53.Reserve-Division zwischen dem Kanal und Havrincourt durchzubrechen und dann den Angriff auf Hermies zu unterstützen. Aber schon um 6° früh meldete die 53. ReserveDivision das Zurückgehen des Feindes durch Havrincourt; sie folgte, wurde jedoch gegen 9° angehalten, um ein Vermischen mit Truppen der 2. Armee
zu vermeiden. Die 4. Division lag vor Hermies, dessen Besatzung verstärkt
zu sein schien. Unterdessen warf aus dem.rechten Flügel die 119. Division um II30 mittags den Feind aus der hinteren Linie seiner II. Stellung südlich von Doignis. Im Park von Velu und in Hermies leistete er aber
noch bis 2°nachmittags Widerstand. Am Abend standen die 119. und 4. Division südlich des Parkes von Velu und westlich von Ruyaulcourt im Kamps gegen die englische III. Stellung. Die 24. Infanterie-Division sammelte sich am Ostrande des Parkes von Vslu, die 24. Reserve-Division war bei Hermies angehalten worden. Der Gegner war am Abend des 23. März vor dem Nordflügel der
17.Armee bis in die Gegend von Henin noch im Vollbesitz seiner in der
Nacht bezogenen Stellung, von da nach Süden, bis auf den Abschnitt von Mory und einen kleinen Einbruch westlich von Beugny, hielt er die III. Stellung. Bedenklich war die Lage im Räume von Mory; hier war eine Riegelstellung bei Ervillers besetzt und dahinter eine frische Division -) Beil. 6 b.
152
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
23. jnatj. bereitgestellt. Die Trümmer der vom deutschen VI. und XIV. Reservekorps
geschlagenen Teile sammelten sich in einer früheren Stellung östlich von Bapaume beiBancpurt. Vor der Front der beiden deutschen Korps standen nunmehr noch acht englische Brigaden, von denen aber eine bereits schwer gelitten hatte. Zwei Tank-Bataillone wurden bei Bancourt bereitgestellt. An neuen Reserven trafen von der britischen I. Armee zwei Divisionen bei Arras ein.
b) Die Kämpfe der 2. Armee.
Im Armeebefehl für den 23.März hatte General von der Marwitz gesagt: Der Gegner wolle offenbar seine III. Stellung zwischen Equan»
court—Tincourt halten. Flieger hätten starke Besetzung dieser Stellung erkannt; im Cambrai-Bogen aber und südlich des Cologne-Baches scheine
der Feind zu weichen. Das XXXIX. Reservekorps sollte sich bereit halten, ihm unverzüglich zu folgen. Das XIII. Armeekorps, XXIII. Reserve» korps und XIV. Armeekorps hatten die englische III. Stellung zu durchbrechen und den Angriff über den Canal du Nord unaufhaltsam fortzu¬ setzen; sie erhielten dazu statt der bisher rein westlichen eine mehr nord-
westliche Richtung auf Rocquigny—Lesboeufs—Combles. Falls der Gegner starken Widerstand leiste, sollten das XIII. und XIV. Armeekorps den
Angriff des XXIII. Reservekorps durch beiderseitige Umfassung unterstützen, das XIII. Armeekorps aber trotzdem den Schwerpunkt auf Equan» court beibehalten. Das XIV. Armeekorps hatte seinen linken Flügel über Buire anzusetzen, um auf Bussu vorzustoßen. Ausgabe des 51. Korps war, den weichenden Feind zwischen Cologne- und Omignon-Bach über die Somme zu werfen und mit möglichst starken Kräften über Cartigny aus Peronne vorzugehen.
Alles in allem bereitete sich die 2. Armee darauf vor, den linken Flügel
der Armee entsprechend den grundlegenden Weisungen der Obersten Hereesleitung nach Psronne heranzuziehen, um von da ab nördlich der Somme zu bleiben. Dem XXIII. Reservekorps wurde zur Ablösung der abgekämpften 50. Reserve-Division die 199. Infanterie-Division bei Villers-
Faucon zur Verfügung gestellt. Von den übrigen Armeereserven hatten die Z.Marine-(Infanterie-) Division um 8° vormittags bei Banteux und
Lempire—Ronssoy, die 228. Infanterie-Division bei Templeux-le Guerard, die 9. bayerische Reserve-Division um 2" nachmittags bei Estrses bereitzu-
stehen; die 243.Infanterie-Division der Obersten Heeresleitung sollte bis 9° vormittags mit dem Anfang nach Beaurevoir vorrücken. Räch dem Rückzüge des Gegners am Abend vorher sprach aus den
Morgenmeldungen aller Generalkommandos große Zuversicht.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 17. und 2. Armee.
153
Um 545 morgens meldete das XXXIX. Reservekorps, daß der
Gegner- vor seinem rechten Flügel zu weichen beginne. Die 16. ReserveDivision folgte, die 21. Reserve-Division erhielt Befehl zum Antreten. Eine Weisung des Armee-Oberkommandos, es solle nicht besonders gedrängt werden, um die Engländer nicht zur beschleunigten Räumung des Cambrai-Bogens zu veranlassen, kam nicht zur Auswirkung, denn die Verfolgung blieb bereits vor der feindlichen Stellung bei Metz-en Couture
zunächst liegen.
Beim XIII. Armeekorps hatte General von Watter die 107. In¬
fanterie-Division zur Deckung der rechten Flanke mit Wegnahme der Höhen nördlich von Equancourt beauftragt. Die 27. Infanterie-Division sollte über diesen Ort selbst auf le Mesnil durchbrechen, die 183. die engtische Stellung südlich von Equancourt nehmen und nötigenfalls von Rurlu zur Unterstützung des XXIII. Reservekorps eingreifen, die 54. ReserveDivision zunächst bei Gouzeaucourt bleiben. Die 107. Division stieß mor¬ gens schon am Wäldchen nordöstlich von Fins auf Widerstand, den sie erst gegen 2°nachmittags zu brechen vermochte; die 27. drang gegen 10° vor¬ mittags in die englische Stellung östlich von Equancourt und in diesen Ort ein, konnte dem Feinde aber zunächst nur mit Teilen über den Kanal folgen,
da sie von Neuville—Mres her heftig angegriffen wurde. Erst nach Ein¬ greifen der 107. Division wurde der Feind hier endgültig abgewiesen und der Kanal von allen Teilen der 27. Division und links von ihr auch von der
183. Division überschritten. Unterdessen hatte General Ludendorff das Armee-Oberkommando bereits um 780 früh dahin unterrichtet, daß der rechte Flügel des XXXIX. Reservekorps die Richtung auf Barastre, der linke des XIII. Armeekorps die auf Albert nehmen solle. Der linke Flügel der Armee sollte die Somme zwischen Peronne und St. Christ überschreiten. Für ihr weiteres Vor¬ gehen dachte General Ludendorff dabei an die allgemeine „Richtung auf die Höhen südwestlich Amiens"^). Unmittelbar darauf war auch die Heeres¬ gruppe von diesen Absichten in Kenntnis gesetzt worden. Aus Grund der neuen Weisungen hatte General von der Marwitz um 9" vormittags angeordnet: „Aufgabe des XIII. Armeekorps ist es,
möglichst schnell in Richtung Barastre—Rocquigny Gelände zu gewinnen, um den vor der 17. Armee und im Cambrai-Bogen noch stehenden Gegner
in Flanke und Rücken zu fassen"; das XXXIX. Reservekorps solle sich dem rechten Flügel des XIII. Armeekorps, rechts gestaffelt, anhängen und den
Schwerpunkt scharf nach links in der Richtung auf den Bahnhof Lechelle *) Aufzeichnung im Fernsprechbuch des A.O.K. 2 vom 23. März 1918.
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
154
2z. mar,, legen; Eindrehen nach Norden sei zu vermeiden und erforderlichenfalls
erst westlich des Kanals einzuleiten. In Ausführung dieses Befehls kamen die beiden Divisionen des XXXIX. Neservekorps hinter dem weichenden Feind bis an den Westrand des Waldes von Havrincourt und nach Neuville. Das XIII. Armeekorps^) wies die 107. Division um 1245 mittags
an, den Kanal nördlich der 27. zu überschreiten und nach Barastre vorzu¬
gehen; die 54. Reserve-Division sollte folgen und jenseits des Kanals über Lechelle nach Bus abbiegen, um im Verein mit der 17. Armee den aus
dem Cambrai-Bogen weichenden Feind abzufangen. Die 107. Division traf aber schon bei Mres und am Wäldchen östlich von Lechelle auf neuen Widerstand, der zu erbitterten, bis in die Nacht währenden Kämpfen führte. Die 27. Division, deren Stoßkraft erschöpft war, blieb nördlich von Etricourt; die 183. erreichte links neben ihr die Höhen westlich von Etri-
court—Manancourt. Unterdessen hatte die bisher im II. Treffen folgende 54. Reserve-Division zwischen 107. und 27. Division den Kanal erreicht.
Nach kräftiger Feuervorbereitung warf sie bei schon völliger Dunkelheit um 830 abends den bei Quatre Vents-Ferme (südl. von Lechelle) noch haltenden Feind und stieß bis Bus durch. Die Beute des Korps bestand vor
allem in großen Munitions-, Berpflegungs- und Bekleidungslagern in Fins; auch waren Hunderte von Fahrzeugen aller Art bei Equancourt stehengeblieben, zerschossenes Fuhrwerk und Geschütze lagen an den Kanal-
Übergängen. In dem von Nord und Süd umklammerten Räume um Bertincourt—
Vtres hielt sich abends noch Feind. Beim XXIII. Reservekorps hatte die 79. Reserve-Division um 915 vormittags die feindliche Stellung von Nurlu durch umfassenden Angriff genommen. Am späten Nachmittage überschritt sie zusammen mit der 183. Infanterie-Division des XIII. Armeekorps nach Kampf den Kanal bei Manancour.t und stieß abends noch gegen Sailly-Saillisel vor. Die 50. Reserve- und 18. Fnfanterie-Division hatten zusammen mit Teilen der inzwischen links von ihnen eingesetzten 13. Fnfanterie-Division um 10" vor-
mittags die englische III. Stellung bei Aizecourt-le Bas—Longavesnes
nach teilweise heftigem Kampf gestürmt, mittags erreichten sie den Kanal bei Moislains und südlich, den sie im Laufe der nächsten Stunden überschritten. In der Nacht lag die vordere Linie des Korps von Saillisel bis
Allaines östlich der nach Psronne führenden großen Straße. Beim XIV. Armeekorps waren um 9®° vormittags die 25. und
1. Infanterie- sowie die 4. Garde-Infanterie-Division in die feindliche !) Beil. 6b.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 2. Armee.
156
III. Stellung eingedrungen, die der Gegner bereits räumte. In flottem Fortschreiten wurde mittags das von der feindlichen Artillerie schwer be-
schossene Driencourt erreicht, unter starken Verlusten für den Feind ein Tankangriff abgewiesen und zwischen 2°und 3° nachmittags in leichten Gefechten die Linie AizecourMe Haut—Bussu—Buire gewonnen. Im weiteren Verlauf des Nachmittags überschritten rechter Flügel und Mitte des Korps kämpfend den Kanal bei Allaines und Mont-St. Quentin, die 4. Garde-Division drang in die brennende Stadt Peronne ein.
Hinter dem weichenden Feinde hatte die 203. Infanterie-Division des 51. Korps bereits mittags Cartigny erreicht, während die 19. InfanterieDivision im Vorgehen nach Mons-en Chaussee und Athies begriffen war. Unterdessen hatte das Korps auf Grund der neuen Weisung der Obersten Heeresleitung Befehl erhalten, mit dem linken Flügel oberhalb von Psronne die Somme zu überschreiten. Schon um 11° vormittags hatte daher General von Hofacker der 203. Division befohlen, mit dem Schwerpunkt südlich des Cologne-Baches vorzugehen; bei Psronne vermutete er starkes
Zusammenballen zurückgehender feindlicher Kräfte. Am frühen Aachmittag nahm die Division mit dem rechten Flügel die südliche Vorstadt, mit
dem linken nach Niederringen zahlreicher Maschinengewehrnester Le Mesnil-Bruntel; dann stieß sie zusammen mit der 19. Division bis zur Somme vor, an der Pioniere bei Brie sieben Tanks erbeuteten. Inzwischen hatte das III. Korps der 18. Armee mitgeteilt, daß es bereits um II45
mittags Falvy an der Somme erreicht habe und über den Fluß auf Fresnes vorgehe; es erwarte, daß der linke Flügel des 61. Korps gleichfalls dorthin vorstoße. Der Gegner hatte aber die Brücken über die Somme und ihren Kanal gesprengt, Maschinengewehre auf dem westlichen Ufer und heftiges
Artilleriefeuer ließen jeden Übergangsversuch scheitern. Auch fehlten Brückentrains, die angesichts der bisherigen Aufgabe an andere Korps abgegeben waren. Vom Gegner hatten im Cambrai-Bogen am Morgen des 23. März noch die 63. und 47. Division des V. Korps gestanden. Um 11° vormittags
begannen beide den Rückzug. Nachhuten sollten die bisherige Stellung, namentlich zwischen Metz-en Couture und Equaneourt, bis 2°nachmittags halten; die Nordflanke deckte zunächst die 17. Division bei Hermies. Das Eindringen der deutschen 27. Infanterie-Division in die Stellungen der englischen 9. Division bei Equaneourt löste Gegenangriffe aus. Unter ihrem Schutze gelangten die 63. und 47. Division aus ihrer schwierigen
Lage nach und nach in die Stellung Bertineourt—Wres—Wald südlich davon. Das deutsche Vordringen über den Canal du Nord nach der Höhe 123
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
156
23. M-rz. nördlich von Etricourt aber riß die schon bestehende Lücke zwischen dem
rechten Flügel der englischen 3.Armee und dem nach Sailly-Saillisel zurückgehenden linken Flügel der 5.Armee um fast fünf Kilometer weiter aus. Als dann um 830 abends die deutsche 54.Reserve-Division bei völliger Dunkelheit den rechten Flügel der 47. Division bei der Quatre Veiits-
Ferme zersprengte und bis Bus vordrang, ergab sich eine äußerst kritische Lage. Die weit verzettelten Truppen des V. Korps — so heißt es in der
amtlichen englischen Darstellung^) — waren „erledigt"; in dem verwüsteten
Gelände, in dem jeder Anhalt zur Orientierung fehlte, irrten auf der Suche nach ihren Verbänden einzelne Trupps und Versprengte in der Dunkelheit umher; Munitionsdepots, besonders das große bei Wres, brannten und
explodierten; es herrschte unbeschreibliche Verwirrung; „die Atmosphäre war mit Unsicherheit geladen und voll von wilden Gerüchten". Dem VII. Korps der 5.Armee, das morgens von Equancourt bis
zum Cologne-Bach bei Tincourt/Hamel, hier drei Kilometer vor dem Nordflügel des XIX. Korps, gestanden hatte, war es zunächst gelungen, in der
ihm befohlenen Stellung Moislains—Aizecourt-le Haut und weiter Bussu—Doingt den deutschen Angriff aufzuhalten und den Abzug von Kolonnen und Trains durch Psronne sowie die Räumung dieser Stadt von Lazaretten und Vorräten gegen das nachdrängende deutsche XIV. Armeekorps zu decken. Abends stand das Korps in der Linie Sailly-Saillisel—
Clöry und weiter, nach Aufgabe von Pvronne, auf dem linken Somme-Ufer bis Biaches. Als Verstärkung war eine Division (35.) der britischen 2. Armee südwestlich von Albert eingetroffen, die I. Kavallerie-Division des XIX. Korps war im Anmarsch aus Bray an der Somme. Das XIX. Korps war in der Rächt zum März unter Preisgabe von 22schweren Geschützen in die Linie Cartigny—Monchy-Lagache—
Guizancourt zurückgegangen. Eine deutsche Fliegerbombe hatte im Stabe des Korps schwere Verluste verursacht. Da unterdessen das südlich anschließende XVIII. Korps hinter die Somme auswich, erhielt um 6° morgens auch das XIX. Befehl, alle noch östlich des Flusses stehenden Teile
alsbald hinter diesen zurückzunehmen. Begünstigt durch Nebel, glückte die Bewegung unter verhältnismäßig geringen Verlusten. Die SommeBrücken wurden zerstört, bei der von St. Christ gelang das aber nur teil-
weise. Am Westufer war inzwischen die 3. Division zur Ausnahme einge-
troffen. *) Engl. amtl. Werk ISIS Bd.I, S. 380f.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 2. und 18. Armee.
157
c) Die Kämpfe der 18. Armee und die Ereignisse bei der I.Armee. Beilage 6c.
Bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz herrschte Freude über die bisherigen Erfolge der 13. Armee, die „in kühnem, raschem Stoß die feindlichen Stellungen durchstoßen und in rastlosem Nachdrängen, jeden Widerstand brechend, den Engländer über Somme und Crozat-Kanal gejagt" habe. Allen anderen voraus habe sie „in den breiten Abschnitten ihr
erstes Angriffsziel erreicht und in frischem Zufassen mit starken Kräften
überschritten"^). Hinter der feindlichen Front hatten die Flieger der Armee am Nach¬ mittag des 22. März rückwärtige Bewegungen und an den Straßen zahl-
reiche Brände festgestellt. Der Gegner schien seinen Rückzug fortsetzen zu wollen.
Der Befehl der Heeresgruppe für den 22. März sagte: „Feind geht vor 2. und 18. Armee zurück. Stärkerer Widerstand westlich des CrozatKanals. 2. Armee folgt. 18. Armee bleibt im ununterbrochenen Angriff
und geht mit linkem Flügel zunächst bis zur Linie Ham—Biry vor". Von der 7. Armee sollten noch die 3.bayerische Infanterie- und b. bayerische Reserve-Division bei La Fere und hinter dem rechten Flügel der 7. Armee bereitgestellt werden; die 13. Landwehr-Division wurde dafür der 7. Armee
überwiesen. General vonHutier betonte im Armeebefehl: „Jetzt gilt es, den Feind nicht wieder zum Stehen kommen zu lassen und Somme und
Crozat-Kanal zu überschreiten, bevor feindliche Verstärkungen wirksam werden". III. und IX. Armeekorps, die von der Somme noch weiter ab
waren, behielten die Ausgabe, den Feind über den Fluß zurückzuwerfen. XVII. Armeekorps und IV. Reservekorps hatten die Linie Eaucourt (südöstl. von Ham)—Beaumont—Villequier—Viry (nordöstl. von Chauny) zu gewinnen. Alle Korps wurden angewiesen, baldmöglichst wieder geschlossene
Divisionen als Reserven herauszuziehen. Die Armeereserven (23. Infan¬ terie-, I.Garde- und 7.Reserve-Division) sollten um 7° vormittags in ihren Biwaks nordwestlich und westlich von St. Quentin bereitstehen.
Nach einheitlicher Artillerievorbereitung nahm das III. Armeekorps (113., 5>. und 28. Infanterie-Division) um 10° vormittags die „HaigStellung" beiderseits von Beauvois, die anscheinend von Nachhuten besetzt i) Fernschreiben der Hgr. an Gen. von Hutier vom 22. März abends.
158
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
23. März, gewesen war; auch weiterhin war der englische Widerstand nur gering.
Auf gleicher Höhe mit den Nachbarkorps rechts und links machte die Ver¬ folgung rasche Fortschritte, der Feind zog eiligst über die Somme ab und sprengte die Brücken. Gegen 10 mittags erreichte das Korps den Fluß,
fand aber hier so heftigen Widerstand, besonders durch Maschinengewehre in den Buschbeständen der versumpften Talniederung, daß alle Übergangs' versuche scheiterten. Einige Kompanien der 113. Division, die abends
bei St. Christ und Falvy das Westufer erreichten, erlitten dort so schwere
Verluste, daß sie wieder zurückgenommen wurden. Frische feindliche Kräfte schienen gegenüber zu stehen; ein Gefangener sagte aus, daß sein Regiment nach vierzehnstündiger Fahrt auf Lastkraftwagen soeben aus Flandern angekommen sei. Beim IX. Armeekorps hatte ein der 45. Reserve-Division zugeteiltes Regiment der 231. Infanterie-Division bereits um 4° morgens nach hartem
Kampf gegen feindliche Nachhuten Aubigny genommen; um 1° nachmittags nahm es Ham und bildete südlich der Somme einen Brückenkopf.
Zwischen 4" und 5°nachmittags drang aber von Südwesten der Gegner wieder in Ham ein, er wurde von der 45. Reserve-Division in heftigen Kämpfen abermals aus der Stadt vertrieben. Teile der 5. Garde-In-
fanterie-Division, die bereits seit 1216 mittags bei Pithon über die Somme ging, griffen in diese Kämpfe ein. Sie dauerten hart südlich von Ham bei der 45. Reserve-Division am'Abend noch an. Die Garde-Division fand
bei weiterem Vorgehen auf Brouchy starken Widerstand; heftiges Artilleriefeuer schlug von Golancourt herüber; erst nach Mitternacht konnte sie Brouchy.nehmen, Teile stießen bis Golancourt vor. Unterdessen hatten unterhalb von Ham auch die 50.und 231. Infanterie-Division die Somme
erreicht, ohne sie einstweilen überschreiten zu können; elftere erlitt durch feindliche Tiefflieger empfindliche Verluste, besonders an Pferden. Das Korps hatte jetzt alle Divisionen eingesetzt. In Ham waren große Vorräte erbeutet worden.
Beim XVII. Armeekorps wurde die 238. Infanterie-Division bei
St. Simon durch heftiges Maschinengewehrfeuer am Überschreiten des Kanals gehindert. Dagegen hatte die I. bayerische Infanterie-Division durch schnelles Zufassen im Morgengrauen die Brücke im Nordteil von Iussy in ihre Hand gebracht und den Ort vom Feinde gesäubert. Zwischen diesen beiden Divisionen erzwangen auch die 3b. und 10. InfanterieDivision den Abergang. Mittags überschritten sie und die 1. bayerische Division die Bahnlinie Ham-Tergnier und erreichten im Kampf mit
feindlichen Nachhuten, deren Widerstand sich allmählich verstärkte, die Linie Ollezy—Cugny—Wald südwestlich von Detroit. Besonders heftig hatte
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. 13. und 7. Armee.
159
die 10. Division um Cugny zu kämpfen, das durch französische Truppen, die aus Kraftwagen herangeführt waren, zähe verteidigt, erst um 7" abends unter Mitwirkung von Teilen der 36. Division erstürmt wurde. Auch die
238. Infanterie-Division war inzwischen übergegangen und bis Ollezy gelangt. Da der Kanal erst überbrückt werden mußte, wurden die 36., 10. und I. bayerische Division in der erreichten Linie angehalten. Bei St. Simon und Iussy machte der Brückenbau rasche Fortschritte, andererseits bedeutete ein bei Flavy-le Martel in Brand geschossenes englisches Munitionsdepot ein ernstes Verkehrshindernis. Beim IV. Reservekorps hatte die 34.Infanterie-Division gegen 8° vormittags in schwerem Angriff den Kanalübergang östlich von Iussy er-
zwungen. In gleich schwerem Ringen erstürmte die Infanterie-Division Menessis, die 103. Liez und überschritten den Kanal. Auch weiterhin lag heftiges Artilleriefeuer auf den Divisionen, die erst gegen I l30 mittags die Bahnlinie Ham—Tergnier überqueren konnten. Dann ging es in gleicher Höhe mit dem XVII. Armeekorps flotter vorwärts, wenn auch der Gegner immer von neuem Widerstand leistete. Am Abend war die 34. Division bis
nördlich von Billequier vorgedrungen und hatte 29 Geschütze, darunter
sechs schwere, und über 7800 Gefangene eingebracht. Die 37. Division hatte Friöres erstürmt und ebenfalls 20 Geschütze, dazu einen Fesselballon und ein großes Munitionsdepot genommen. Die 103. Division war in südwestlicher Richtung bis in den Wald nordöstlich von Billequier vorge-
drungen; auch sie hatte sechs Geschütze und 900 Gefangene eingebracht. General von Conta zog die als Stoßdivision noch beim Fort östlich von Liez
zurückgehaltene 33. Infanterie-Division nach Friöres heran, von wo sie, um den Feind nicht zur Ruhe kommen zu lassen, noch in der Nacht über Billequier bis auf die Höhen von Commenchon vorstoßen sollte. Am linken Flügel des Korps hatten 223. Infanterie- und 47. ReserveDivision der Gruppe Gayl vormittags die feindliche Stellung nördlich und westlich von Bouel erstürmt, doch warf gegen 10° vormittags der Gegenstoß der von Chauny herbeieilenden französischen 125. Division und
englischer Verbände die 47. Reserve-Division nach Tergnier zurück. Die 211. Infanterie-Division stellte zusammen mit der 223. durch flankierendes Eingreifen die Lage wieder her, drang bis über die Straße Friöres— Roureuil vor und brach in Roureuil ein. Damit war auch hier die englische III. Stellung überschritten. Von Roureuil ab sicherte die 47. ReserveDivision im Bogen über den Nordteil von Condren bis Beautor.
Die 7. Armee, die um 11°° mittags um Unterstützung gegen die
feindlichen Batterien bei Amigny gebeten worden war, hatte diese nach
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
160
23. März, Möglichkeit bekämpft, aber doch nicht niederhalten können. Einen Vorstoß
seines rechten Flügels hielt Generaloberst von Boehn^) aber für nicht mög¬ lich, da er alle dazu geeigneten Divisionen bereits an die 13. Armee hatte
abgeben müssen; auch hatte die Erkundung starke Besetzung der gegenüberliegenden Stellungen ergeben. Heftiges Ierstörungsfeuer lag in FeuerÜberfällen auf dem rechten Armeeflügel. Seit Mittag hatten die „Wilhelm"-Ferngeschütze, 21 om-Kanonen be¬ sonderer Konstruktion, aus einer Stellung nordwestlich von Crepy mit
27 Schuh das Feuer gegen die Festung Paris ausgenommen. Beim Gegner war die 8. Division inzwischen beim XIX. Korps
eingesetzt worden, da man weiter südlich aus französische Hilfe hoffte, die jedoch nur langsam herankam. Das englische XVIII. Korps aber war so stark mitgenommen, daß es schon am Morgen die Somme-Abergänge bei
Ham durch den überraschenden deutschen Angriff verlor und später von der 5.Garde-Infanterie-Division tief durchstoßen wurde. Auch beim IH. Korps hatte die um 10° vormittags bei Tergnier regimenterweise in den Kampf geworfene französische 125. Infanterie-Division nur vorübergehende Ent-
lastung bringen können. Bon zwei weiteren französischen Divisionen, die mit Kraftwagen und daher zunächst ohne Artillerie bei Noyon und östlich eintrafen, kamen an diesem Tage nur Teile zum Einsatz; sie wurden in den Rückzug der 125. Division verwickelt.
4. Die Führung beim Gegner vom
sl.Ws»,.
. bis 2Z. März^).
Feldmarschall Haig hatte am 21. März erst spät nachmittags einige Klarheit über die Ereignisse an der Kampffront gewonnen und neben
schwerer Artillerie alsbald der 5. Armee zwei Divisionen (20. und 29.), der 3. Armee eine Division (40.) der hinter ihnen stehenden Heeresreserven freigegeben, eine vierte Division (41.) in die Gegend nördlich von Bapaume vorgezogen. General Potain hatte die Berladebereitschaft seines V. Korps mit drei Divisionen nebst schwerer Artillerie angeordnet. Als ihn dann in der Nacht zum 22. März die Bitte erreichte, zunächst
die Hälfte der als Unterstützung zugesagten zwölf Divisionen^) beschleunigt nach St Simon—Noyon zu senden, ließ er ein schwaches weiteres Korps
bereitstellen. i) Tags zuvor zu diesem Dienstgrad befördert. Anschluß an S. 97f.; Hergänge an den einzelnen Tagen S. 114, 122, 130, 137,
142, 147, 151, 155. 8) ©.96.
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. Der Gegner.
161
Der britische und nunmehr ebenso auch der französische Oberbefehls-
Haber hielten den deutschen Angriff zwischen Oise und Scarpe für den Hauptstoß, erwarteten aber noch starke weitere deutsche Angriffe, FeldMarschall Haig bei Arras, General Pstain in der Champagne. Sie wollten diese Frontabschnitte daher nicht entblößen. Aus neue britische Hilferufe erhielt am 22. März General Humbert (französ. A. O. K. 3) die Weisung, vom 23.mittags ab den Befehl über alle französischen und englischen Truppen von Varisis bis in die Gegend von Ham zu übernehmen, das hieß in dem Abschnitt, den er erst im Januar
abgegeben hatte. Um Mitternacht zum 23.März befahl Feldmarschall Haig seiner S.Armee, den Brückenkopf von Peronne, an dem er seit
Ansang Februar mit Nachdruck hatte arbeiten lassen, zu halten, während die 3. Armee nach Norden anschließend den Abschnitt des Tortille-Baches (Eanal du Nord) verteidigen sollte. Durch den weiteren Rückzug der britischen Truppen waren diese Anordnungen aber bereits überholt, als sie er-
lassen wurden. Bis zum äußersten sollte nunmehr die Somme gehalten werden, und beide Armeen wurden angewiesen, die westlich von Peronne an den Fluß anschließenden Stellungen aus den Iahren 1914—16 von Suzanne über Albert nach Arras wieder verteidigungsfähig herzurichten.
Bei General Pstain wurde Ablösung aller britischen Truppen bis Poronne einschließlich erbeten, da die eigenen Kräfte wegen des bei Arras erwarteten
deutschen Angriffs nicht mehr ausreichten. Diese Bitte ging über die vereinbarte Hilfeleistung allerdings weit hinaus und bedeutete Übernahme der Hälfte des Kampfraumes durch die Franzosen. Trotzdem war General Potain sofort bereit, ihr zu entsprechen. Er bestimmte das Heeresgruppenkommando Fayolle zur Übernahme der neuen Front mit dem Auftrage, die Lage in der Linie Barisis—Chauny—Guiscard (an der Straße Noyon—Ham)—Rouy (östl. von Nesle)—Peronne oder wenigstens Chau¬
ny—Fretois-le Chateau—Ercheu—Nesle—Peronne wiederherzustellen. Eine neue 1. Armee und Kavallerie sollten ihm bis zum 30. März nach
Noyon zugeführt werden. Um diese Kräfte frei zu machen, wurde General Pershing gebeten, drei weitere amerikanische Divisionen für ruhige Abschnitte der französischen Front zur Verfügung zu stellen^). In einer persönlichen Zusammenkunft der beiden Oberbefehls- 2Z.Ms»,. Haber am 23. März nachmittags in Dury bei Amiens forderte General Pstain eindringlich, daß Crozat-Kanal und Somme gehalten würden, ein Verlangen, das für den Abschnitt von der Oise bis Ham durch die Ereignisse bereits überholt war. Er wies darauf hin, daß der Gegner sichtlich bemüht i) Vgl. S. 95. Weltkrieg. XIV. Band.
162
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
LZ. März, sei, das englische vom französischen Heer zu trennen und ersteres, wenn er
Erfolg habe, gegen das Meer zu drücken. Die Verbindung zwischen beiden Heeren müsse aber unter allen Amständen erhalten bleiben; nötigenfalls sollten also der englische linke Flügel zurückgenommen und die Kanal-Häfen preisgegeben werden. Damit aber war Feldmarschall Haig durchaus nicht einverstanden. Er bat um Verstärkung der Heeresgruppe Fayolle auf 20 Divisionen. So viel glaubte General Petain jedoch wegen des in der Champagne erwarteten Angriffs nicht geben zu können. FeldMarschall Haig erließ noch am Abend des Tages einen scharfen Befehl zum Halten der Somme-Linie und ordnete die Versammlung einer Gruppe von zunächst fünf Divisionen seiner I. und 2. Armee bei Frevent (nördl. von Doullens) an, die durch eine französische Division von Dünkirchen und eine belgische wenigstens teilweise ersetzt werden sollten. Im übrigen befahl er den Bau einer neuen Stellung („Purpur-Stellung") und einer
zweiten („Hauptquartier-Stellung") etwa 13 Kilometer hinter der ersteren, die den Weg zu den Kanal-Häfen decken und dazu aus der Gegend von
Arras (mit Abzweigungen zur Somme unterhalb von Amiens) zur Ancre südwestlich von Albert verlaufen sollten. Die Sorge für den Raum weiter südlich gedachte er damit den Franzosen zu überlassen.
5. Betrachtungen. Mit dem 22. März war die Durchbruchsschlacht durch das feindliche
Stellungssystem gewonnen und damit die Bahn frei gemacht für Operationen im offenen Felde. Dem wurde in einem Fernschreiben des Kaisers an die beteiligten Armeen tags darauf mit den Worten Ausdruck gegeben:
„Die große Schlacht bei Monchy—Cambrai—St. Quentin—La Före ist geschlagen, der Engländer aus seinen gewaltigen Stellungen geworfen. Vieles ist erreicht, Größeres muß noch erkämpft werden". Gegen 341/3 britische Divisionen mit annähernd 2700 Geschützen hatten am 21. März von der Scarpe bis zur Oise südlich von La Före einschließlich aller Reserven 76 deutsche Divisionen mit rund 6600 Geschützen zum Angriff bereitgestanden. Von diesen deutschen Divisionen waren 59 in den
drei ersten Angriffstagen in den Kampf getreten und hatten in das ausgebaute Stellungssystem der Engländer eine Bresche von rund 80 Kilo-
metern Breite geschlagen. Wohl rang der Rordflügel der Angriffsfront teilweise noch um die etwa sieben Kilometer von der Ausgangsstellung gelegene
feindliche HI. Stellung, dafür hatten aber Mitte und Südflügel, weit über diese Stellung hinaus vorstoßend, bis zu 20 Kilometern Raum nach vorwärts
Durchbruch durch die ausgebauten Stellungen. Betrachtungen.
163
gewonnen. Der besonders große Geländegewinn des Südflügels erklärt sich dabei vor allem aus dem Stärkeverhältnis^).
Der Gesamtersolg übertraf alles, was Franzosen und Engländer bei ihren Angriffen bisher je erreicht hatten. Führung und Truppe, vor allem der 2. und 18. Armee, sahen mit entsprechender Zuversicht der Fortsetzung des Angriffs entgegen. Und doch hatte dieser keineswegs solchen Erfolg gebracht, wie er der Obersten Heeresleitung vorgeschwebt hatte. Die Ab¬ schnürung des Cambrai-Bogens war nicht geglückt. Auch ein wesentliches, in der Angriffsvorschrift vom I. Januar für die Durchbruchsschlacht ge¬ stecktes Ziel: „Wegnahme wenigstens der feindlichen Artillerie am ersten Tage", war nirgends erreicht worden. Der Gegner hatte Zeit gefunden,
die Masse seiner Geschütze und wesentliche Teile seiner Infanterie in Sicher¬ heit zu bringen. Bisher waren gegen 40000 Gefangene, davon 1000 Fran-
zosen als eingebracht, und etwa 400 Geschütze als Beute gemeldet^); besten¬ falls war etwa ein Sechstel der feindlichen Artillerie ausgeschaltet. Der Angriff hatte besonders am Morgen des ersten Angriffstages, und damit in den für den Gang des Kampfes entscheidendsten Stunden, durch Nebel ernstlich gelitten. Die Mitwirkung von Luftstreitkräften und Schußbeobachtung der Artillerie waren dadurch ausgeschaltet, das Vorgehen der Sturmtruppen war erschwert und verzögert worden. Inwieweit der Nebel andererseits auch den Verteidiger behindert hat und damit dem Angriff wieder zugute gekommen ist, steht dahin. Bei dem nur kurzen Vorberei-
tungsfeuer der Artillerie hing alles davon ab, daß die Infanterie der Feuerwalze dichtauf folgte. Da das im Nebel und bei aufgeweichtem Boden besonders schwierig war, lebte der Widerstand des Gegners überall wieder
auf; seine reichliche Ausstattung mit Maschinengewehren kam ihm dabei zustatten. Auch war die feindliche Artillerie durch den Gasbeschuß keineswegs völlig ausgeschaltet worden, teils weil sie weiter zurückstand, als deutscherseits angenommen worden war, teils weil auskommender Wind die Gas-
schwaden verwehte. Stellenweise hatte er sie sogar der angreifenden beutschen Infanterie ins Gesicht getrieben. So ist das „Durchflössen" des feind1) Am 21. März griffen an bei der: 17. Armee: 15 Div.
Es standen gegenüber unmittelbar:
bis 15 km hinter vorderster Linie:
ö Div.
4 Div. u. 4 Tank-Btle.
7 Div.
2 Div., 1 K.D. u. 3Tank-Btle.
2234 Gesch. 2. Armee: 13Div.
1751 Gesch. 5»/z Div. 2 K.D. 2623 Gesch. 2) 17. Armee: 7000 Mann, 48 Gesch.; 2.Armee: mehr als 10000 Mann, 200 Gesch.; 13. Armee: mehr als 19000 Mann, 150 Gesch. 18. Armee: 16 Div.
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
164
zz. März, lichen Stellungssystems, soweit der Gegner nicht mit Rücksicht auf die Gesamtlage auswich, nur sehr allmählich und unter nicht unbedeutenden eigenen Verlusten^) gelungen.
In Ergänzung der schon bei den einzelnen Armeen und für die ein-
zelnen Kampftage gegebenen Schilderungen bleibt ferner zu sagen: Die Unterstützung des Angriffs durch die Luftwaffe war auch am 22. und 23.März in den Morgenstunden durch Nebel unmöglich gemacht und später am Tage durch Dunst stark behindert. Trotzdem war es den
Schlachtstaffeln gelungen, durch Tiefangriffe auf feuernde Batterien und marschierende Kolonnen den Gegner immer wieder zu beunruhigen, ge¬
legentlich auch die stürmende Infanterie an Brennpunkten des Kampfes wirksam zu unterstützen. Bombengeschwader hatten vor allem die wichtigsten Bahnhöfe des Gegners von Boulogne bis Berberie (12 km südwestl. von Compiegne) sowie den von Chs-lons kräftig angegriffen. Daß dadurch der feindliche Bahnverkehr lahmgelegt oder auch nur ernstlich behindert worden wäre, ist aber nicht bekannt geworden. Die gegnerischen Iagdstreitkräfte hatten sich an den ersten beiden Kampftagen stark zurückgehalten, am 23.März griffen erstmals auch französische Jagdflieger ein. Insgesamt wur¬ den in drei ersten Angriffstagen 61 feindliche Flugzeuge, aber nur 30 deut¬
sche abgeschossen. Die Nachrichtenübermittlung und damit auch die Befehlsführung im Kampfraum hatten erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, am ersten Tage, weil die Drahtleitungen nach vorne durch feindliches Abwehrfeuer zerstört wurden, später weil der Vorbau längs der wenigen,
die Stellungssysteme kreuzenden Verkehrswege durch Truppen und Kolonnenbewegungen ernstlich aufgehalten wurde. Daneben machte sich mit zunehmender Entfernung von den anfänglichen Armee- und KorpsHauptquartieren auch Mangel an Nachrichtentruppen und Gerät fühlbar. Der Verkehr in Personen-Kraftwagen erlitt auf den überlasteten und aus-
gefahrenen Wegen größte Verzögerungen und war auf manchen Strecken zeitweise so gut wie unmöglich. Die höheren Führer waren daher vielfach auf ihre Pferde angewiesen, deren Schnelligkeit aber, zumal bei Durchquerung des Kampfgeländes, Kraftwagen oder gar Fernsprecher nicht ersetzen konnte. So blieben sie oft stundenlang ohne jede Kenntnis von den Vorgängen an der Front. Gingen sie aber selber dorthin vor, so waren sie von ihren Reserven wie von der Verbindung zu den vorgesetzten und
benachbarten Dienststellen getrennt und verloren den Überblick über die ') Eigene Verluste haben sich nur für die Gesamtdauer der Schlacht feststellen lassen
r. Starke Reserven seien hinter oem linken Flügel nachzuziehen. Die 7. Armee hatte, sobald der feindliche Widerstand vor ihrer nach Westen gerichteten Front erlahmte, den rechten Flügel gegen und über die Ailette vorzuführen und ihn dazu jetzt unter
äußerster Schwächung der übrigen Front artilleristisch und infanteristisch zu verstärken. Der 18. Armee sollten drei Divisionen neu zugeleitet werden.
Um die befohlenen Tagesziele zu erreichen, befahl General von Hutier: Um 12° mittags sei die Linie Marchelepot—Nesle—VillequierAumont zu überschreiten, an der Somme werde der Feind nur noch ver-
suchen, Aufenthalt zu bereiten. IX. und XVII. Armeekorps sollten tatkräftig vorgehen, um dem rechten Armeeflügel vorwärts zu helfen. Bon den Franzosen seien bisher bestimmt nur einige Divisionen herangekommen.
Die befohlene Linie Rosivres—Roye—Royon müsse in schnellem Zufassen erreicht werden. Dort könne man der Truppe Ruhe gönnen, die Munition ergänzen und die rückwärtigen Verbindungen ordnen. Chaulnes sei noch am 24., Roye am 25. zu besetzen.
Während der rechte Armeeflügel auch weiterhin in einem im allgemeinen offenen und wenig gegliederten Gelände zu kämpfen hatte, trat der linke am 24. März in das bewaldete und schluchtenreiche Bergland ein,
das sich nördlich der Oise in zunehmender Breite nach Westen zieht; es weist Höhenunterschiede bis zu 130 Meter auf. Die kleinen Wasserläuse der Verse und Divette, bei Noyon und dicht unterhalb in die Oise mündend,
bilden tief eingeschnittene Abschnitte/die der Angriff zu überschreiten hatte. Im übrigen kam vorher schon der von Nesle nach Noyon führende Kanal als feindliche Widerstandslinie in Frage. Die Ansicht, daß an der Somme nur geringer Widerstand zu erwarten
sei, bestätigte sich nicht. Der Abergang kostete Zeit. Als erste deutsche Truppe hatte bereits in der Nacht zum 24. März eine Kompanie der 28. Infanterie-Division des III. Armeekorps Fluß und Kanal bei Bethancourt überschritten. Etwas weiter unterhalb folgten in den frühen Morgenstunden Teile der 5.und 6. Infanterie-Division bei Pargny und Falvy, dagegen scheiterten die Versuche der 113. Infanterie-Division bei St. Christ. Auch gelang es nur allmählich, den Feind auf dem Westufer zurückzudrücken, erst nach Wiederherstellung von Brücken konnte nachmittags Ar-
176
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
2t. Mär,, tillerie dort in Tätigkeit treten.
Bis zum Abend waren Epsnancourt,
Morchain und Mesnil in deutscher Hand. Am linken Flügel hatte die 206. Infanterie-Division mittags den Übergang bei Voyennes erzwungen, sie erreichte abends Rouy-le Grand. Beim IX. Armeekorps^), das durch tatkräftiges Vorgehen dem III. vorwärts helfen sollte, hatte zwar die 231. Infanterie-Division schon um 530früh bei Canizy das linke Somme-Ufer erreicht und in fortschreitendem
Angriff mittags Fühlung mit der bei Ham bereits auf diesem Flußufer stehenden 45. Reserve-Division gewonnen, ihr rechter Flügel hing aber noch ab, da der 50. Infanterie-Division der Abergang bei Offoy erst nachmittags gegen 430 gelang. Die drei Divisionen kamen kämpfend abends
bis Hombleux, Esmery und südlich. Noch weniger als das IX. konnte das XVII. Armeekorps, so wie es
der Auftrag verlangte, rasch gegen Westen Raum gewinnen. Sein Verhalten wurde durch feindliche Kräfte bestimmt, die unmittelbar vor seinem
linken Flügel noch hielten und denen frische französische Truppen zu Hilfe eilten. Ehe General von Webern den Vormarsch nach Westen antrat, mußte er mit diesem Gegner abrechnen, der auch südlich von Ollezy sich noch zu behaupten suchte, während andere feindliche Kräfte von Süden gegen den weit vorspringenden Raum der 5. Garde-Fnfanterie-Division des IX. Korps anrückten. So kam es in der linken Flanke dieser Division sowie vor der 26.und 10. Infanterie-Division südlich der Linie Golancourt —Brouchy—Ollezy zu harten Kämpfen. Erst am Nachmittag waren Franzosen und Engländer bis über Plessis, Villeselve und Beaumont zurückgeworfen. Die 5. Garde- und die 26. Division wurden auf Veranlassung der Obersten Heeresleitung angehalten, um weiterhin gegen Westen verwendet zu werden. Die 10. und die 1. bayerische Infanterie-Division führten den Kamps weiter und erreichten abends die Höhe 104 und Guivry. Zur 45. Reserve-Division des IX. Armeekorps aber war eine erhebliche Lücke ent-
standen, denn die dorthin angesetzte 10. Reserve Division lag bis 7°abends vor Ham fest, da die Somme-Brücke durch Teile weiter vorne kämpfender Truppen belegt war.
Beim IV. Reservekorps entriß die 22.Infanterie-Division fran¬ zösischer Kavallerie in der Morgenfrühe Villequier-Aumont. In fortschreitendem Kampfe drangen dann die 24., und von der Gruppe Gayl die 222. Infanterie-Division nach Westen vor. General von Conta trieb
scharf vorwärts, um die offenbar tropfenweise herankommenden französischen Verstärkungen einzeln zu zerschlagen. Die 24. Division beteiligte sich abends an der Einnahme von Guivry und stieß dann vor der Südfront des J) Einschob des Gen. Kdos. XXV. R.K. zwischen III. u. IX. A.K. S. 187.
Fortgang der Kämpfe. IS. und 7. Armee.
177
XVII. Armeekorps nach Westen bis Guiscard durch. Die 33. Division, die an diesem Tage 1200 Gefangene und 25Geschütze einbrachte, und die 223. Division erreichten Beaugies, Bsthancourt und Neuflieux. Die Stadt Chauny, im Norden von der 211. Infanterie-Division, die bis Ognes kam, umfaßt, fiel in die Hand der 47. Reserve-Division.
Insgesamt hatten die Korps das ihnen für den 24. März gesteckte Ziel bei weitem nicht erreicht, statt zwölf waren sie nur etwa vier Kilometer vorwärts gekommen. Am rechten Flügel hatte das Überwinden der Somme, am linken der Widerstand neu eingesetzter französischer Truppen
erheblichen Aufenthalt bereitet. Die Oberste Heeresleitung, die diese Verhältnisse im einzelnen nicht übersah, war mit dem Angriff der 5. GardeDivision sowie des XVII. Armeekorps und des rechten Flügels des IV. Re¬
servekorps in südlicher Richtung durchaus nicht einverstanden gewesen und hatte scharf auf Vormarsch nach Westen gedrängt, der jedoch in der gegebenen Lage kaum möglich war. Wohl aber hätte es ohne das Festhalten
der 5.Garde-Division bei Plessis im Zusammenwirken mit der 33. In-
fanterie-Division des IV. Reservekorps vielleicht zur Vernichtung stärkerer feindlicher Kräfte bei Guiscard—Guivry kommen können. Vor dem rechten Flügel der 7. Armee hatte sich der Gegner auffallend ruhig verhalten. Die über die Oise wirkende feindliche Artillerie schien aus der Gegend von Amigny westwärts verschoben zu sein und war damit außer Reichweite. Die Wilhelm-Geschütze1), die an diesem Tage 34 Schuß
auf Paris abgaben, wurden von französischen Ferngeschützen aus der Richtung von Soissons unter Feuer genommen.
d) Mahnahmen des Gegners2). Am 24. März morgens hatten in dem von 26 deutschen Divisionen angegriffenen Frontabschnitt von der Scarpe bis zur Somme bei Clvry 14 Divisionen der britischen 3. Armee (VI., IV.. V.) und das VII. Korps
der 5. Armee gestanden, die größtenteils schon stark gelitten hatten. Vesonders gefährdet waren nach wie vor die aus dem Cambrai-Bogen zurückkommenden Teile, die, von deutschen Kräften eingeschnürt, am Abend
des 23. März noch bei Bertincourt—Wres gestanden hatten. Aus dem Rordflügel gelang es zwei in ausgebauten Stellungen stehenden Divisionen, die unzusammenhängenden Vormittagsangriffe von vier deutschen Divi-
sionen des III. bayerischen Armeekorps und IX. Reservekorps schon bald aufzufangen. Da der Angriff des deutschen VI. Reservekorps erst um 1) s. 160. 2) Anschluß an S. lSOff. Weltkrieg. XIV. Band.
178
2*. mar}.
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
5°nachmittags begann, entkamen die Truppen des englischen IV. und
V. Korps, gedeckt durch Gegenstöße mit Tanks, trotz großer Stauungen bei Bapaume über diesen Ort und südlich davon, während sich die bei Wres und Bertincourt noch zurückbesindlichen Teile bereits in der Nacht bis auf geringe Reste gerettet hatten. Der Widerstand des von den bis¬
herigen Kämpfen völlig erschöpften VII. Korps war schon frühzeitig zu¬ sammengebrochen. Die an das Eingreifen von Tanks geknüpften ErWartungen waren hier wie auch sonst enttäuscht worden; sehr viele Tanks wurden wegen Mangels an Betriebsstoff von ihren Besatzungen verlassen,
die dann zu Fuß weiterkämpften.
Das schnelle Zurückweichen des
VII. Korps veranlaßte die Zurücknahme der ganzen Front von BraucourtBaulx bis zur Somme. Um die künftige Verteidigung im Räume nördlich
von Pvronne zu stützen, trafen zwei frische Infanterie-Divisionen, eine beim VI. Korps südlich von Ervillers, die andere und eine KavallerieDivision beim VII. Korps ein.
Bei und südlich von Peronne bis oberhalb von St. Christ hielt sich die Somme-Front des englischen XIX. Korps noch bis zum 24. März. Weiter südlich aber war das von den bisherigen Kämpfen erheblich geschwächte
XVIII. Korps nicht mehr imstande gewesen, die hier früher und stärker einsetzenden deutschen Angriffe abzuwehren. Das III. Korps war bereits
bis auf geringe Reste durch französische Truppen abgelöst. Zur Stützung des XVIII. Korps war die französische 9. Division zunächst gegen die am
weitesten vorn befindliche deutsche 5.Garde-Infanterie-Division vor¬ gegangen, hatte aber nachmittags, ebenso wie die nur dünn besetzte südlich anschließende Front (franz. l. Kav. Div. z. F. und 126. Div., vermischt mit englischen Truppen) dem Druck des deutschen XVII. Armeekorps
und IV. Reservekorps weichen müssen. Nach Herankommen weiterer französischer Truppen wurde abends die Linie Nesle—Guiscard—Chauny, in der General Fayolle die Lage wiederherstellen sollte^), bis Guiscard einschließlich im wesentlichen gehalten. Bedenklich aber waren die deutschen Fortschritte zwischen Guiscard und der Oise, wo Chauny verlorengegangen war.
Nach einer Besprechung zwischen den Generalen Gough, Oberbefehlshaber der britischen 5. Armee, und Fayolle wurden die noch rechts (nördlich) der mittleren Somme befindlichen Teile dieser Armee der britischen 3. Armee unterstellt, im übrigen trat die 5. Armee zur Heeresgruppe Fayolle. Damit bildete westlich von Psronne die Somme künftig die
Grenze zwischen englischem und französischem Befehlsbereich. i) S. 161.
Fortgang der Kämpfe. Der Gegner.
179
Die Engländer hatten fast alle verfügbaren Reserven bereits eingesetzt, weitere waren noch im Eintreffen. Der 3. Armee befahl Feldmarschall Haig gegen Abend, vor allem engen Anschluß an die nördlich angrenzende 1.Armee zu wahren und den rechten Flügel nötigenfalls zurückzunehmen in eine alte, von Arras nach Südwesten »er¬ laufende Stellung. Drang der Gegner weiter auf Amiens vor, so hoffte Feldmarschall Haig mit den eintreffenden Reserven einen Gegenangriff aus dem Räume westlich von Arras nach Südwesten führen zu können. General Fayolle war vor allem besorgt, die zwischen dem englischen XIX. Korps und der französischen 3. Armee nördlich von Resle entstandene
Lücke zu schließen. Dazu sollten die bei Chaulnes eingetroffene englische 24. Division und die bei Resle stehende französische 22. Division am Morgen des 25.März den Gegner nördlich von Resle angreifen und über die Somme zurückwerfen^). Das Eintreffen seiner l. Armee erwartete er erst in Tagen. In dieser Lage ermahnte General Potain am späten Nachmittag
seine Heeresgruppen dahin, daß der feste Zusammenhalt innerhalb des französischen Heeres die Hauptsache sei; besonders enge Ver¬
bindung sollten die Heeresgruppen Fayolle und Nord halten. Im übrigen sei, wenn möglich, die Verbindung mit den englischen Kräften zu wahren. General Fayolle sollte die französische I. Armee, wenn die Engländer bis dahin hielten, links neben seiner 3. Armee einsetzen, andernfalls letztere stützen. Die 3. Armee hatte den Feind aufzuhalten, indem sie ihren rechten Flügel an die Oise lehnte und nötigenfalls auf die Linie Roye-Royon
auswich.
;. Absichten und Maßnahmen der deutschen Führung am 24. März. Beilage 4a, 6 und So.
Die erfreulichen Fortschritte der Mitte der 2. Armee und die Hoffnung, daß nach Überschreiten der Somme auch die 18. Armee wieder flott vor¬ wärts kommen werde, auf der einen Seite, der geringere Raumgewinn der 17. Armee auf der anderen Seite, ließen es zweckmäßig erscheinen, die Offensive in der Richtung, in der sie gegen eine offenbar weiche Stelle am schnellsten Raum gewann, weiterhin scharf vorwärts zu treiben und auf diese Weise auch den Widerstand vor dem Nordflügel der 17. Armee zu brechen. Im Sinne solcher Gedankengänge hatte die Heeresgruppe Kron¬ prinz Rupprecht bereits am 24. März morgens die 2. Armee unterrichtet ^Gliederung der englisch-französischen Abwehrfront am 25. März morgens. Beilage 38c,
180
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
24. MS»,, und um l30 mittags, sicherlich nicht ohne vorherigen Meinungsaustausch mit
der Obersten Heeresleitung, befohlen: „Es ist zu erwarten, daß durch das Vorgehen der Z.Armee und durch den Angriff der 17.Armee der Gegner bei Bapaume heute noch geworfen wird. Es kommt dann darauf an, daß die 17. und 2. Armee ununterbrochen in schärfster Verfolgung nach Westen bleiben. 17. Armee hat dabei die frei werdenden Divisionen des linken
Flügels als zweite Staffel nachzuführen. Ihr fällt ferner die Aufgabe zu, mit linkem Flügel über Miraumont vorgehend, der 2. Armee den AncreAbergang zu ermöglichen. Ein Stocken des Vorgehens der 2. Armee muh unter allen Umständen vermieden werden". Weiteres Vorgehen der
17. Armee in nordwestlicher Richtung, auf St. Pol^), war damit fürs erste zurückgestellt. Das fand um 430 nachmittags nochmals klaren Ausdruck, als General Ludendorff dieser Armee für die nächsten Tage die Dich¬ tung auf Doullens gab. Wenn dann, wie er hoffte, der Mars-Angriff entbehrlich wurde, standen um so stärkere Kräfte zum Nachführen in der Richtung des tiefsten Einbruchs zur Verfügung. Die Vorbereitungen für den Mars-Angriff wurden von diesen Erwägungen aber nicht berührt, sondern gingen weiter. Insgesamt war der Schwerpunkt der Offensive abermals weiter nach links verlegt. Von neuem war betont, daß die 2. Armee Anschluß nach links an die 18. zu halten habe und unter Umständen dorthin einschwenken
müsse. Hinüberschieben weiterer Kräfte ans das linke Somme-Ufer kam zwar zunächst nicht in Frage, doch waren weitere Brückentrains für alle Fälle im Anmarsch. Am Abend des 24. März ließ sich übersehen, daß der Tag für die 17. Armee und den rechten Flügel der 2. Armee abermals schwere Kämpfe gebracht hatte. Der Versuch, an der Mars/Süd-Front ohne planmäßige Vorbereitung weiterzukommen, war gescheitert. Der Widerstand der Engländer bei Bapaume war infolge Eingreifens frischer Reserven besonders zähe gewesen. Als sie endlich das heiß umstrittene Kampfgelände aufgaben, kam nach Ansicht der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht alles darauf an, daß die Vorwärtsbewegung nicht an der Ancre zum Stehen komme. Auch forderte das Überwinden des Kampfgeländes der SommeSchlacht weitere große Anstrengungen von Mann und Pferd. Es mußte
sich zeigen, ob die Truppe nach mehrtägigen ununterbrochenen Kämpfen noch die Kraft zu rascher Lösung dieser Aufgaben besaß, denn bisher waren der 2. und 17. Armee frische Divisionen in nennenswerter Zahl nicht zugeführt worden. i) S. 167.
Die deutsche Führung.
181
Auf der anderen Seite bestärkten der letzten Endes doch zufriedenstellende Ausgang des schweren Kampfes der 17. Armeein der Richtung auf Bapaume sowie die Fortschritte vor allem der 2. Armee General
Ludendorff in der Ansicht, daß die Widerstandskraft der Engländer stark nachgelassen habe, wenn auch gewiß noch ernste Kämpfe bevorstanden. Da sie zahlreiche Reserven zur Stützung der wankenden Front heranführten, muhten sie — wie es schien — die Abschnitte weiter nördlich geschwächt
haben, und damit stiegen dort die Aussichten von Angriffen. Unter diesen Amständen konnten Mars und Walkürenritt vielleicht zu einer einheitlichen Gefechtshandlung der 17. und S. Armee zusammengefaßt und beiderseits von Arras, mit dem Hauptdruck auf dem rechten Flügel, über die Loretto-
Höhe in nordwestlicher Richtung auf Houdain fortgeführt werden. Auch der Angriff der S. Armee an der Lys-Front, wenn auch in wesentlich
verkleinerter Form (Deckname „Georgette"), kam wieder in Frage. Für ihn wurden etwa sieben Divisionen, davon drei bis vier frische der Obersten Heeresleitung, in Aussicht genommen. Er sollte in etwa acht Tagen stattfinden, wenn die Engländer alle Reserven in die Michael-Schlacht
geworfen hätten; dann werde er große Aussichten Habens. Als Operationsziel für die 6. Armee kam Boulogne in Frage, wobei voraussichtlich auf Mitwirkung eines Teiles der 17. Armee gerechnet werden konnte; im
übrigen hatte die Hauptrichtung für diese Armee Doullens—Abbeville zu bleiben, Ziel der 2. Armee Amiens über Albert.
Zur Besprechung der Gesamtheit dieser Pläne wurde am 25. März General von Kühl nach Avesnes berufen. Dabei wurde der Mars-Angriff
angesichts der Schwierigkeiten, die dem Rord-Angriff und besonders dem
Walkürenritt in dem stark ausgebauten Höhengelände östlich und nördlich von Arras entgegenstanden, auf den 28. März festgesetzt, um die Vor-
bereitungen gründlich zu treffen, insbesondere ausreichende Artillerie in Stellung zu bringen. Der Walkürenritt sollte am 29. folgen. Vor der 18. Armee schienen die Engländer aus die Stellungen aus
der Zeit vor der Somme-Schlacht zurückgegangen zu sein. Andererseits hatte die Luftaufklärung gegen die Franzosen ergeben, daß bei Compiegne und westlich ausgeladene Truppen im Anrücken gegen Royon waren. General Ludendorff forderte daher, daß vor allem diese Stadt genommen werde; doch schien es am 24. März nachmittags noch recht fraglich, ob das bald gelingen werde. Da die 7. Armee meldete, daß der Feind J) Am 25. März früh war Gen. Ludendorff mit ihrer Führung „sehr unzufrieden" gewesen (Tgb.-Aufzeichnung des Gen. von Kühl).
2) Letzteres nach einem Ferngespräch des Obstlt. Wetzell mit der Hgr. Kronprinz Rupprecht am 24. März abends, bevor die Einnahme von Bapaume bekannt war.
182
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
2t.Msrz. die Stellungen vor ihrem rechten Flügel räume, befahl er, die Front dort bis zur Ailette vorzuschieben und drei hinter der Armee bereitgehaltene
Divisionen zur Unterstützung des linken Flügels der 13. Armee verfügbar
zu halten. Dieser sollte sich „in Besitz der beherrschenden Höhen östlich und nördlich von Noyon" setzen und ausschließen, Angriff über die Oise nach Süden komme erst in Frage, wenn Noyon genommen sei.
Unterdessen hatte die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz vorgeschlagen: Die 13. Armee, die nach eigener Meldung „starke Angriffs-
kraft" besitze, solle den Schwerpunkt aus ihren rechten Flügel legen und in engem Anschluß an die 2. Armee zunächst die alten französischen Stel¬
lungen zwischen Caix (westl. von Nosivres) und dem Avre-Grunde westlich von Roye in Besitz nehmen. Damit war General Ludendorfs insoweit
einverstanden, daß zunächst die Linie Chaulnes—Roye—Noyon zu er¬ reichen sei, dann werde man weiter sehen.
4. Die Schlacht am 25.März. Beilagen 6 und 7.
a) Die Kämpfe der 17. Armee. Da der Mars-Angriff auf den 23. März verschoben worden war, war der rechte Flügel der 17. Armee zunächst stillgelegt. Unterdessen hatten nach dem Armeebefehl für den 25. März das XVIII. Armeekorps sowie VI. und XIV. Reservekorps dem weichenden Feind in westlicher Richtung über Monchy, Fonquevillers und Hsbuteme nachzustoßen, dabei das letztgenannte Korps dem rechten Flügel der 2. Armee das Überschreiten der Ancre zu erleichtern, die bei Albert einen starken, von Nord nach
Süd verlaufenden Abschnitt bildet. Das Vorgehen sollte beim VI. und XIV. Reservekorps beginnen, letzteres dazu um 7° vormittags den Weg Bapaume—105—Gueudecourt überschreiten. Das XVIII. Armeekorps hatte erst anzugreifen, wenn sich das Vorgehen des VI. Reservekorps fühlbar machte. Das XI. Armeekorps, dessen Generalkommando im Lause des Tages herauszuziehen war, sollte über Beaulencourt nur so weit hinausgehen, als ohne Vermischen mit Truppen der 2. Armee mög-
lich sei. Der Schwerpunkt des Angriffs lag im übrigen auf dem linken Armeeflügel, wo die Divisionsabschnitte durch das Zusammenschieben der Fronten der 17. und 2. Armee ohnehin bereits sehr schmal geworden und dabei so stark mit Artillerie ausgestattet waren, daß diese kaum noch vollzählig eingesetzt und mit genügender Munition versehen werden konnte. Die Verfügung über die Hinteren Treffen der Korps behielt sich General von Below daher vor. Auch sollte künftig nur noch die für Bewegungs-
Fortgang der Kämpfe. 17. Armee.
183
Operationen festgesetzte Zahl von Batterien mitgeführt werden, die übrige Artillerie war der Mars/Süd-Front zu überweisen. Am 25.März kam es am rechten Flügel des XVIII. Armeekorps
überhaupt nicht zum Angriff, die dort eingesetzte 221. Infanterie-Division war bereits stark zusammengeschmolzen.
Der Angriff der 2. Garde-
Reserve-Division und der frisch eingesetzten 229. Infanterie-Division führte bei Ervillers und südlich zu hin und her wogenden verlustreichen Kämpfen, brachte aber keine Fortschritte; die Garde-Division, die seit dem 21. März mehr als 3500 Mann verloren hatte, mußte herausgezogen werden. Die
III. Infanterie-Division griff zusammen mit der 17. des VI. Reservekorps an. Erst um 10" vormittags gelang es hier der frisch eingeschobenen 15. bayerischen Infanterie-Division, die feindliche Stellung an der großen Straße zu durchstoßen. Bshagnies und Sapignies wurden genommen, bei Kampf ging noch bis in die Nacht zum 26.März weiter. Während III. und 17. Division angehalten wurden, gelangten der linke Flügel der 16. bayerischen und die 5.bayerische Infanterie-Division in wechselnden und verlustreichen Kämpfen bis Bihucourt. Die Beute des Korps zählte an diesem Tage 39 Geschütze und 24 Tanks.
Das XIV. Reservekorps mit 39. und 24. Infanterie-Division (letz¬ tere bisher beim XI. Armeekorps) in der Front, war erst in der Linie
Grsvillers—Warlencourt auf stärkeren Widerstand gestoßen und erreichte nachmittags die Bahnlinie Achiet-le Grand—Miraumont. Ein britischer Tankangriff gegen den rechten Flügel und den linken des Nachbarkorps brach im Artilleriefeuer zusammen. Unterdessen hatte General v on B elow
gegen 5°nachmittags auf die Nachricht, daß die 2. Armee Pozivres genommen habe und gegen die Ancre vorgehe, das Korps nochmals darauf hingewiesen, unter allen Umständen an diesem Tage das alte deutsche und französische Stellungssystem bei Hebuterne zu durchstoßen. General von Lindequist gab den Befehl, dem Feinde an der Klinge zu bleiben und Puisieux zu erreichen, nachdrücklich weiter; doch gewann nur der linke Korpsflügel noch etwas Gelände bei Miraumont, das inzwischen von Truppen der 2. Armee genommen war.
b) Die Kämpfe der 2. Armee» Nach den großen Fortschritten der 2. Armee am 24. März herrschte bei der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht wie beim ArmeeOberkommando wegen ihres weiteren Vorwärtskommens sehr Zuversicht-
liche Stimmung. Die Lufterkundung bestätigte den vollen Rückzug der Engländer in langen Kolonnen über Bapaume und Albert, wobei sie von
184
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
zs.Ws»z. Schlachtfliegern mit beobachtetem Erfolg angegriffen worden waren. Es tonnten also nur Nachhuten sein, die die 2. Armee noch aufhielten. Der
Armeebefehl für den 25. März bezeichnete den Gegner als erschüttert, starke Kolonnen seien teilweise in Verwirrung nach Bapaume und aus die Ancre zurückgegangen, auch westlich der Ancre setzte der Feind seinen Rückzug fort: „östlich Albert und südlich der Somme zwischen Bray und Lihons lassen zahlreiche Brände daraus schließen, daß der Gegner beab¬ sichtigt, auch dieses Gelände preiszugeben... Es kommt darauf an, durch schärfstes Nachdrängen unter Einsatz frischer Reserven die Verwirrung beim Gegner zu vergrößern und das zerstörte Gelände schnellstens zu durchschreiten". Der Obersten Heeresleitung wurde gemeldet, es sei Ver¬
folgung des geschlagenen Feindes mit höchstem Nachdruck besohlen, Schwerpunkt in der Richtung auf Albert über die Ancre. Das gegenüber der Gesamtfront noch etwas zurückbefindliche XXXIX.
Reservekorps gewann zunächst ohne wesentlichen Kampf Gelände, stieß dann aber bei Le Sars—Martinpuich auf stärkeren Widerstand. Da der Gegner in den Gräben und Granattrichtern des alten Somme-Kampfgebietes immer wieder Gelegenheit fand, sich festzusetzen, kostete das Vor¬ gehen der Infanterie Zeit und Kraft; es traten Stockungen ein, die Artillerie kam nicht vorwärts, und feindliche Tiefflieger griffen immer wieder an. Doch nahmen in den ersten Nachmittagsstunden die 21. Reserve-Division die Trümmer von -Le Sars, die 107. Infanterie-Division die von Martin-
puich. Nach Abwehr eines Gegenangriffs mit Tanks erstürmte erstere Division um 415 nachmittags Pys, drang hinter dem weichenden Feinde in Miraumont ein, überschritt die Ancre und erreichte die Hänge des Westufers; ein großer Pionierpark, Bekleidungs- und Verpflegungslager wurden erbeutet. Die 107. Division hatte inzwischen Eourcelette genommen, kam dann aber wegen Munitionsmangels bald zum Stehen; abends
lag ihr rechter Flügel am Westrand von Grandcourt. Beim XIII. Armeekorps, das am 24. März am weitesten vorwärts
gekommen war, fanden 54. und 79. Reserve-Division schon am Wäldchen südöstlich von Martinpuich und bei Bazentin Widerstand, der aber bald überwunden wurde. Er versteifte sich jedoch wieder besonders vor der 79. Reserve-Division, deren Artillerie infolge von Verlusten und Er-
schöpfung der Pferde nur noch zur Hälfte bewegungsfähig war. Nachmittags wurde diese Division durch die 3.Marine- (Infanterie-) Division abgelöst, die nach stündigem Anmarsch ohne Ruhepause in den Kamps trat. Östlich von Pozieres und Eontglmaison kam der Angriff des Korps endgültig zum Stehen. Schwere Artillerie mußte abgewartet werden.
Fortgang der Kämpfe. 2. Armee.
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Beim XXIII. Reservekorps mißglückte der erste Anlauf der 9. Re¬
serve-Division gegen Montauban. Die 199. Infanterie-Division stieß west¬ lich von Hardecourt aus zähen Widerstand. Der Gegner hatte sich hier anscheinend verstärkt, zeigte mehr Artillerie, besonders schwere, und vergaste die Talmulden westlich von Longueval—Maricourt. Schwere Gegen¬ angriffe folgten. Die Division erbat dringend Schutz gegen feindliche Flieger, hatte starke Verluste und bedurfte der Ablösung. Die Lustaufklärung meldete das Herankommen weiterer feindlicher Verstärkungen von Amiens her. Montauban wurde nachmittags noch genommen, ging aber abends durch starken feindlichen Gegenangriff wieder verloren. Aus dem rechten Flügel des XIV. Armeekorps hatte schon in der Nacht schwerstes Artilleriefeuer gelegen, das den Angriff der 25. Infanterie-
Division verzögerte. Mühsam arbeitete sie sich im feindlichen Feuer durch das Trichterfeld bis Maricourt vor; dieser Ort wechselte im Laufe des
Nachmittags mehrfach den Besitzer, blieb aber schließlich in deutscher Hand. Die I. Infanterie-Division hatte inzwischen Curlu genommen; dann wurde
sie durch Flankenfeuer von den Höhen südlich der Somme gezwungen, sich aus dem Flußtal ebenfalls nach Maricourt heranzuziehen. Dem 51.Korps, das die Somme überschreiten mußte, hatten am Morgen des 25.März außer der Eisenbahnbrücke südlich von Peronne ein Steg bei Eterpigny und eine Feldbahnbrücke bei Brie zur Verfügung gestanden, die alle nur in Reihen zu einem benutzt werden konnten. Die
203. Infanterie-Division, die unter ziemlichen Verlusten zehn Kompanien auf das linke Ufer gebracht hatte, schritt zum Angriff gegen die MaisonnetteFerme, der aber trotz heftiger Artillerievorbereitung vom Nord- und Ostufer der Somme nur langsam Boden gewann; erst um 415 nachmittags
war die Ferme nach wechselvollem Kampf genommen. Unterdessen hatten bei Eterpigny und Brie auch drei Bataillone der 19. Infanterie-Division das Westuser erreicht und sich gegen Barleux und Villers-Carbonnel ge-
wandt; letzteres fiel nach hartem, wechselvollem Kampf aber erst nach 9° abends in deutsche Hand. Um 10° abends nahmen dann Teile der von
Pvronne her neu herangekommenen Garde-Ersatz-Division auch Biaches, andere überschritten die Somme bei Clsry. Erst zu dieser Zeit konnte die vorderste Artillerie des 51. Korps über die soeben bei Peronne fertig gewordene Brücke das linke Somme-Ufer erreichen.
c) Die Kämpfe der 18.Armee und die Ereignisse bei der I.Armee.
Am 24. März hatte die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz unter Hinweis auf die weitere Absicht, den linken Flügel der 13. Armee
186
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
25. ms»,. zwischen Noyon und Chauny über die Oise angreisen zu lassen, befohlen:
„Baldige Durchführung des Angriffs ist nötig, da anzunehmen ist, daß der feindliche Widerstand — wenigstens zwischen Noyon und Abbvcourt — sich
mit der Zeit erheblich verstärkt. Frühzeitiges Zufassen wird etwaige Angriffsabsichten des Feindes über die Oise am sichersten ausschalten". Mit dem linken Flügel der IS. Armee werde der rechte der 7. zum Angriff vorgehen. Um die Einheitlichkeit der Kampfführung an der Oise-Front zu sichern, sollten die beteiligten Verbände der 13. Armee unter dem neu
einzusetzenden Generalkommando des VIII. Armeekorps zusammengefaßt und dann der 7. Armee unterstellt werden. Die lS. Armee werde die
beabsichtigte Operation dadurch vorzubereiten haben, daß sie sich mit dem Fortschreiten des Angriffs auf Noyon in Besitz der Oise-Abergänge setze und durch starke Staffelung ihre linke Flanke sichere. Mit fortschreitendem Angriff betrat nun auch der rechte Flügel der 18. Armee das kampfdurchwühlte Gebiet der Somme-Schlacht und sah sich damit ähnlichen Schwierigkeiten gegenüber wie die 2. Armee, nur daß der verwüstete Raum sehr viel schmaler war als dort.
General vonHutier hatte für den 25. März wie schon für den 24. die Linie Rosisres—Roye—Noyon als Ziel gegeben, darüber hinaus sollten starke Sicherungen vorgetrieben werden. Während er dabei vor dem rechten
Armeeflügel zunächst nur mit Nachhuten rechnete, die den englischen Rückzug zu decken hatten, waren vor dem linken französische Verstärkungen aus
Noyon im Anmarsch gemeldet^). Der rechte Flügel des III. Armeekorps, Teile der 113. und die 6. Infanterie-Division, kam über St. Christ und gegen Licourt nur langsam
vorwärts. Als letzterer Ort um 2° nachmittags fiel, ging es auch bei St. Christ vorwärts. Bis zum Abend erreichten die 6. und die auf Veranlassung der
Obersten Heeresleitung ihr unmittelbar nachgeführte 24?. InfanterieDivision die Ostränder von Misery und Marchelepot. Die Brücke bei
St. Christ war unterdessen wiederhergestellt. Die 5. Infanterie-Division kam kämpfend bis Omiscourt und Puzeaux. Den bisherigen linken Flügel des Korps hatte bereits am Nachmittag des 24. März das Generalkommando des XXV. Reservekorps unter Generalleutnant von Winckler übernommen. Er kam dank einer zwischen
dem englischen XIX. Korps und den Franzosen entstandenen Lücke ver-
hältnismäßig leicht vorwärts. Schon mittags erreichte die 23. InfanterieDivision die Linie Hyencourt—Curchy, das allerdings erst nach hartnäckigem Kampfe genommen wurde; bis zum Abend hatte sie die große Straße Peronne—Roye stellenweise schon überschritten und auch Etalon in Besitz _____
Fortgang der Kämpfe. 18. und 7. Armee.
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genommen. Gegen Mitternacht erstürmte die 206. Infanterie-Division Liancourt, ihr linker Flügel hatte zusammen mit Teilen der 50. Infanterie-Division des IX. Armeekorps bereits mittags Engländer und Franzosen aus Nesle vertrieben. Im übrigen erlitt dieses Korps am
Kanal Nesle—Noyon durch feindliche Nachhuten großen Aufenthalt und teilweise auch erhebliche Verluste. Abends standen die 231. Infanterieund 10. Reserve-Division südwestlich von Nesle, vor Cressy und in Teilen von Ognolles. Beim XVII. Armeekorps, das bis zum Nachmittag des 24. März mit der Front nach Süden gekämpft hatte, konnte zunächst nur die 36. In¬
fanterie-Division den Angriff nach Westen fortsetzen. Sie kam über Fr6niches unter Kämpfen bis vor Beaulieu und erreichte bei Catigny die große Straße Roye—Noyon. Die 10. Infanterie-Division trat nach einem
Nachtmarsch erst mittags von Plessis wieder an, kämpfte nachmittags bei Ercheu, drang um Mitternacht zum 26. März in den Südteil von Ognolles ein und stieß dann noch südwärts bis zur großen Straße bei Avricourt vor. Das IV. Reservekorps wußte aus Fliegermeldungen, daß der Geg-
ner mit seinen Gros auf Noyon zurückgegangen war, daß aber auch starke Kräfte von Südwesten dorthin anrückten. General von Conta hatte die
34. und 33. Infanterie-Division rechts des von Böthancourt nach Noyon sich hinziehenden großen Waldgebietes angesetzt, die Gruppe Gayl links davon. Jene beiden Divisionen gelangten unter Kämpfen bis vor Bussy und Crisolles, wo die 33. Division um 5° nachmittags frisch herankommende
französische Verstärkungen warf. Sie setzte die Vorwärtsbewegung in die Nacht hinein fort und nahm nach kurzem, aber scharfem Kampfe um 9°abends Noyon. Am linken Flügel der Gruppe Gayl hatten in der Nacht zum 25. März heftige Kämpfe um Abbscourt an der Oise getobt, erst gegen 70 früh war der Gegner hier gewichen. Im Laufe des Vormittags warfen ihn die 223. und 211. Infanterie-Division auch auf dem Höhenrücken Caillouel—Marest. Nach weiteren Kämpfen wurden abends Grandru und Baboeuf genommen, von dort bog die Front an der Oise nach Osten zurück. 3400 Gefangene und 39 Geschütze waren die Beute des Korps an diesem Tage. Es war gelungen, Nachhuten und anrückende
Verstärkungen des Gegners nacheinander einzeln zu schlagen. Die Fortschritte nördlich der Oise wirkten scheinbar aus die Lage südlich des Flusses. Am Nachmittag des 25. März erfuhr das IV. Reservekorps, daß der Gegner seine Stellungen vor dem rechten Flügel der 7. Armee räume. Die 47. Reserve-Division erhielt Befehl, den Abergang über die Oise bei Chauny und Condren zu erzwingen, um den Gegner dort vollends
zum Weichen zu bringen. Der Versuch stieß aber auf so starken Widerstand,
188
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
daß er ausgegeben wurde. Der äußerste rechte Flügel der 7. Armee, Teile der 241. Infanterie-Division der Gruppe Crepy, konnte seine Front über Gervais hinaus nach Westen vorverlegen.
d) Maßnahmen des Gegners^). Die deutschen Erfolge nördlich der Somme gegen das IV., V. und VII. Korps der britischen Z.Armee veranlaßten Feldmarschall Haig am 25.März nachmittags zu dem Befehl, in die Stellungen von 1916
zurückzugehen, falls der feindliche Druck zu stark werde; im übrigen sollte die 1. Armee alle Reserven nach Süden ziehen, da er bei Arras einen neuen
deutschen Angriff erwartete und den Anschluß an das alte Stellungssystem dort unbedingt aufrechterhalten wollte. Für die 3.Armee waren im Laufe des Tages zwei frische Divisionen neu eingetroffen, eine dritte erreichte spät abends mit Anfängen die Gegend südlich von Albert, um die zwischen dem V. und VII. Korps entstandene, etwa sieben Kilometer breite Lücke zu schließen; zwei weitere Divisionen wurden am 26.bei Doullens erwartet. In der Nacht zu diesem Tage wurde der Rückzug auf verstopften Straßen durchgeführt. Alle, die ihn mitgemacht haben — sagt das amtliche englische Werk — „werden seine Schrecken nicht vergessen", er hätte „leicht in wilde Flucht ausarten können". Aber die Stoßkraft der deutschen Truppen hatte am Ende des fünften Angriffstages nicht mehr ausgereicht, diese Lage auszunutzen. Südlich der Somme hatten die englischen Divisionen bis auf die nordwestlich von Nesle dem deutschen XXV. Reservekorps Widerstand leistende
frisch herangeführte 24.Division den deutschen Angriff nicht mehr aufzuhalten vermocht. Ebensowenig konnten die einzelnen und, soweit sie auf Kraftwagen herangeführt worden waren, ohne eigene Artillerie in den
Kampf geworfenen französischen Divisionen die Lage retten; ihre vielfach zusammenhängende Front wurde überall zurückgedrängt. Auf dem Südflügel traten zwei Divisionen, die aus das südliche Oise-User ausgewichen waren, zur 6. Armee. Reben der auf Royon angesetzten franzöfischen 3.Armee begann inzwischen die I.Armee bei Montdidier mit Aus-
ladungen. Zwei ihrer auf Kraftwagen ankommenden Divisionen wurden aber bereits an diesem Tage zur 3.Armee abgedreht, um Royon zu halten,
kamen dazu jedoch zu spät. Angesichts der äußerst bedrohlichen Gesamtlage hatte General Fayolle inzwischen der englischen 5. Armee die Weisung gegeben, wenn der Rückzug unvermeidlich sei, Amiens zu decken und dazu unter Anlehnung der Flügel J) Anschluß an S. 177f.
Fortgang der Kämpfe. Der Gegner.
189
an Somme und Avre die 1915 zum Schutze der Stadt ausgebaute Linie
Marcelcave—Moreuil (Amiens-Stellung^)) unbedingt zu halten. Aus der französischen 3. Armee sollten in der Nacht zum 26. März alle britischen Truppen ausscheiden. General Potain stellte der Heeresgruppe noch weitere vier Divisionen zur Verfügung.
5. Die Schlacht am 26.tNärz^). Beilagen 7 und 7a.
a) Die Kämpfe der 17. Armee. Durch die Kämpfe des 24. und 25. März hatte sich die ursprünglich 2s. sna«,. nach Südwesten gerichtete Front der 17. Armee um mehr als 90° gedreht,
so daß sie jetzt nach Nordwesten zeigte. Die rückgängigen Bewegungen des Gegners und die Brände hinter seinen Stellungen südlich von Arras liehen mit der Möglichkeit rechnen, daß er seine Stellungen dort räumen werde. Im Armeebefehl für den 26. März schärfte General von Below den beiden Mars-Fronten daher ein, dem etwa weichenden Feinde so¬ fort mit Nachdruck zu folgen, um mit ihm zusammen in seine Stellungen vor Arras einzudringen. Die Korps der Michael-Front, XVIII. Armeekorps und südlich, hatten ihm an der Klinge zu bleiben, wobei es Aufgabe des XIV. Reservekorps war, über Puisieux durchzustoßen. Am Morgen des 26. März waren aber die Stellungen vor den Mars-
Fronten unvermindert besetzt, rückgängige Bewegungen wurden in der Gegend von Arras nicht mehr beobachtet. Dagegen hatte der Gegner vor dem XVIII. Armeekorps zwischen 3° und 4° früh seine Stellungenwestlich von St. Lsger und das Dorf Ervillers geräumt, so daß der rechte Flügel des Korps bis nachmittags ohne nennenswerten Kampf Boyelles und Hamelincourt besetzte. Weiter links konnte die 239. InfanterieDivision abends im Kampf Moyenneville nehmen. Auch vor dem VI. Re-
servekorps war der Gegner ausgewichen, aber Nachhuten hielten das Korps auf. Die 16. bayerische Infanterie-Division wurde aus dem Höhen¬ rücken westlich von Courcelles durch einen heftigen englischen Gegenangriff zum Halten gezwungen. Die 5.bayerische Infanterie-Division nahm um 11° Bucquoy, wurde aber nachmittags wieder an den Ostrand des Ortes
zurückgedrängt. Beim XIV. Reservekorps brach die 3. Garde-Infanterie-Division bei Achiet-le Petit und dann bei Puisieux stärkeren i) Außer dieser „inneren" gab es noch eine weiter östlich über Harbonnisres nach Süden verlaufende „äußere" Annens-Stellung. ") Gliederung der Angriffsfront am 25. März abds. Beil. 386.
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Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
ss. ms.,. Widerstand; Teile drangen nachmittags in Bucquoy ein, konnten sich dort aber auch nicht halten. Unterdessen war links neben ihnen die vorüber-
gehend zurückgenommene 4. Infanterie-Division bereits mittags auf die Höhen südlich von Hebuterne vorgestoßen; starke englische Gegenangriffe wurden im wesentlichen abgewehrt.
b) Vie Kämpfe der 2.Armee. Bei der 2. Armee war man mit den Ergebnissen des 25.März recht
zufrieden gewesen. Das XIII. Armeekorps hatte gemeldet, daß der Feind diesseits der Ancre nicht mehr standhalte und daß seine Artillerie von weit her aus dem Hintergelände westlich des Flusses feuere; man habe nur noch Nachhuten vor sich. Nur das 51. Korps war noch zurück. Um ihm vorwärts zu helfen, war am Abend die 4. Garde-Infanterie-Division des XIV. Ar-
meekorps über Hem auf das südliche Somme-Ufer angesetzt worden. Im Armeebefehl für den 26. März hieß es: „In teilweise sehr schwerem Ringen hat die Armee auch heute (am 25.) den Feind, der neue Divisionen
herangeführt hat1), auf der ganzen Front siegreich zurückgeworfen... Die Armee bleibt im unaufhaltsamen Nachdrängen..." Dazu hatten die drei nördlichen Korps den Angriff über die Ancre vorzutragen. Das XIV. Armeekorps sollte zwischen Ancre und Somme angreifen, dabei nach rechts das Vordringen des XXIII. Reservekorps durch Artilleriefeuer för¬ dern, nach links den Somme-Abergang der 4. Garde-Division unterstützen und nach Maßgabe des Fortschreitens des 51.Korps Übergänge über den Fluß herstellen. Dieses Korps hatte im Anschluß an die 18. Armee den Angriff südlich der Somme fortzusetzen. In einem Ferngespräch am Morgen des 26.März betonte General von Kühl nochmals, daß die inneren Flügel der 17. und 2. Armee durch rasches Vorstoßen den Durchbruch in der Richtung Doullens—Amiens vollenden müßten. Die Ancre, die der Angriff an diesem Tage überschreiten sollte, ist ein an sich bedeutungsloser Wasserlauf, der aber ähnlich wie die Somme in einem etwa 60 Meter tief eingeschnittenen, mit zahlreichen Teichen be-
setzten, vielfach sumpfigen und mit Buschwerk bestandenen Talgrunde fließt und angestaut war. Mit Aberschreiten der allgemeinen Linie Thiepval —Maricourt verließ man im übrigen das Gebiet der Somme-Schlacht.
Nach ausgiebiger Artillerievorbereitung trat das XXXIX. Reservekorps zum Angriff an. Auf den Höhen östlich und nördlich von BeaumontHamel leistete der Gegner, durch starke Artillerie unterstützt, der 21. Re-
serve-Division trotzdem noch hartnäckigen Widerstand; erst nach schwerem *) Tatsächlich nur eine Division.
Fortgang der Kämpfe. 17. und 2. Armee.
191
Kampfe konnte sie die Höhen und das Dorf nehmen. Der am späten Nach¬
mittag rechts umfassend angesetzte weitere Angriff gegen Auchonvillers drang aber nicht durch, vielmehr drückte derselbe starke englische Gegenangriff mit Kampfwagen, der den linken Flügel des XIV. Reservekorps der 17. Armee getroffen hatte, den Umfassungsflügel wieder zurück. Die
107. Infanterie-Division nahm nachmittags nach hartem Kampfe Thiepval; der Versuch, auch hier die Ancre zu überschreiten, scheiterte aber angesichts des scheinbar stark besetzten Westufers. Der Mahnung derHeeresgruppe, der Druck bei Miraumont sei jetzt entscheidend, und der Weisung des Armee-Oberkommandos, das Korps habe sich mit starkem rechten Flügel den Abergang über die Ancre von Norden her selbst zu vffnen, stand entgegen, daß Reserven nicht zur Hand waren. Die dem Korps zur Verfügung gestellte 183. Infanterie-Division war erst tags zuvor aus der Kampffront abgelöst worden und lag noch bei Flers, die aus der Reserve der Obersten Heeresleitung zugesagte 2. bayerische Infanterie-Division konnte erst am
27. März Le Transloy erreichen. Beim XIII. Armeekorps hatte General von Watter Fortsetzung des Angriffs über die Ancre befohlen. Die 54.Reserve-Division war schon um
8° vormittags angetreten, hatte in scharfem Nachdrängen das Zerstörungsgebiet der Somme-Schlacht hinter sich gebracht und gegen 4° nachmittags die Ancre zwischen Authuille und Aveluy erreicht. Patrouillen über-
schritten sie aus den unbeschädigten Abergängen; am jenseitigen Ufer richtete sich der Feind zum Widerstande ein. Da die Nachbarn rechts und links noch zurück zu sein schienen, wurde der Angriff auf den nächsten Tag verschoben. Eine günstige Gelegenheit ist damit vielleicht verpatzt worden. Ein schließlich um 11° nachts bei völliger Dunkelheit in den Wald von Aveluy unternommener Vorstoß endete mit einem Rückschläge. Auch der 3. Märine- (Infanterie-) Division leistete der Gegner bis zur Ancre kaum
Widerstand. Gegen II" vormittags beobachtete sie westlich von Albert
zurückgehende feindliche Infanterie-Kolonnen; als sie mittags die Höhe westlich von Becourt erreichte, schlug Artilleriefeuer von den Höhen jenseits der Ancre herüber. Um 5° nachmittags drang die Infanterie in Albert ein, stieß aber nach Häuserkämpfen an den Hängen westlich der Stadt aus Widerstand, der erhebliche Verluste brachte und nicht gebrochen werden konnte^). Der Versuch, auch weiter nördlich den versumpften Talgrund zu überschreiten, scheiterte; Aveluy blieb in Feindeshand. Das General>) Die Ansicht, dah der Angriff vor allem infolge übermäßigen Genusses der in Albert gefundenen Vorräte an Verpflegung und Getränken liegengeblieben sei, hat sich als un¬
zutreffend erwiesen, wenngleich mancher ausgehungerte und übermüdete Soldat der Ver¬ suchung erlegen sein mag.
192
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
26. M-rz. kommando, das — anscheinend der Fernsprechverbindungen wegen — noch
bei Heudicourt, 20 Kilometer östlich der Ancre, geblieben war, hatte nachmittags überaus günstige, aber unzutreffende Nachrichten von der Front. Es befahl beiden Divisionen, noch an diesem Tage dieLinie Lealvillers—Badencourt (11 bis 12 km westl. der Ancre) zu erreichen. Diese, etwa um 6° abends
bei den Divisionen-eingehende Weisung, die sofort weitergegeben wurde, scheint den schon erwähnten nächtlichen Vorstoß der 54. Reserve-Division ausgelöst zu haben, blieb aber auf die Hergänge an der Front sonst ohne Einfluß. In Albert waren von Süden her abends auch Teile der 9. Reserve» Division des XXIII. Reservekorps eingedrungen. Diese und die frisch eingesetzte 13. Infanterie-Division hatten morgens die feindlichen Stel¬ lungen vor ihrer Front geräumt gefunden und mit dem Befehl, den Angriff über die Ancre fortzusetzen, um 11 0vormittags Mametz und Carnoy
durchschritten. Nachmittags griffen sie bei Meaulte und südlich noch diesseits der Ancre stehenden Feind an, der nach Gegenangriffen mit Tanks wich. In Fortsetzung des Angriffs wurden Teile der 9. Reserve-Division durch die außerhalb ihres Gefechtsstreifens liegende Stadt Albert angesetzt, um von da aus den Abergang bei der Vivier-Mühle zu öffnen. Hier erreichten andere Teile der Division das Westufer der Ancre, während die 13. In¬
fanterie-Division aus dem Ostufer blieb. Der rechte Flügel des XIV. Armeekorps (1. Inf. Div.) war auf der breiten Hochfläche an der Straße Albert—Bray auf feindliche Nachhuten gestoßen, die aber kurz nach 4" nachmittags zurückwichen. Die Division erreichte erst gegen 11° abends Morlancourt; von da verlief ihre vordere Linie nach Etinehem an der Somme. Der 4. Garde-Infanterie-Division war es in der Nacht zum 26.März gelungen, den Übergang über die Somme
bei Feuilleres zu erzwingen und die Höhen südlich des Dorfes zu besetzen.
Pioniere stellten Abergänge bei Frise, Feuilleres und Buscourt her, so daß die Division um 3" nachmittags den Vormarsch südlich der Somme in
westlicher Richtung antreten konnte. Hier war das 51. Korps, Garde-Ersatz-Division, 203. und 19. Infanterie-Division (für die letztere, am Vormittag von der 13. Armee übertretend, die 243. Ins. Div.), um 7°morgens aus der Linie Biaches— Villers-Carbonnel in südwestlicher Richtung angetreten. Der Gegner ging
unter Nachhutgefechten zurück; seine Flieger verursachten aber durch Bombenabwürfe und Maschinengewehrfeuer empfindliche Verluste. Abends versteifte sich der Widerstand, der Feind hielt eine vom Somme-Knie öst¬ lich von Mericourt über Proyart nach Rosieres verlausende alte französische Stellung. Da die Tageszeit schon vorgeschritten war, kam es trotz Drängens des Armee-Oberkommandos an diesem Tage nicht mehr zum Angriff.
Fortgang der Kämpfe. 2. und IS. Armee.
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c) Die Kämpfe der 18. Armee und die Ereignisse bei der 7. Armee. Für die 18. Armee war es zunächst bei der Zielsetzung Chaulnes— Roye—Noyon geblieben. Erst um 820 morgens am 26. März erfuhr das
Armee-Oberkommando, daß Noyon bereits genommen sei. Um 10° befahl die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz auf Grund neuer Weisungen der Obersten Heeresleitung^), daß der rechte Flügel im Anschluß an die 2. Armee über Chaulnes auf Le Quesnel vorgehen und sich in Besitz der alten französischen Stellungen setzen solle; für Mitte und linken Flügel wurden die alten deutschen Stellungen hart südwestlich der Straße Roye— Noyon als Ziel gegeben. Die Ausgabe wurde aber bald darauf dahin er¬
weitert, daß beim III. Armeekorps und XXV. Reservekorps Durchstoßen des ganzen französischen Stellungssystems und Erreichen der Linie Caix (westl. von Rosieres)—Saulchoy (8 km nordöstl. von Montdidier) durch
vorderste Sicherungen erwünscht sei. Vor dem III. Armeekorps war der Gegner nachts zurückgegangen.
Die zur 2. Armee übertretende 243. Infanterie-Division bog nach Nord¬ westen in den Angrisfsraum des noch erheblich abhängenden 51. Korps ab. Die erneut eingesetzte b. Infanterie-Division sollte im Anschluß an sie zu¬
nächst in derselben Richtung Lust schaffen und dann erst aus Chaulnes .gehen. Gegen Mittag vertrieb sie Feind bei Ablaincourt, die 5.InfanterieDivision nahm Chaulnes. Die S., nunmehr wieder nach Südwesten ein¬
biegend, stieß nach Kämpfen bei Lihons nachmittags westlich von Meharicourt aus neuen Widerstand, den sie nicht mehr zu brechen vermochte. Die 5.Division nahm Chilly und zusammen mit der 28. Infanterie-Division
des XXV. Reservekorps Fouquescourt. Dieses Korps hatte, durch Gegner kaum aufgehalten, bereits um 10^ vormittags Fransart und Fresnoy erreicht und sich von dort, den inzwischen ergangenen neuen
Weisungen entsprechend, nach Südwesten gewandt Allmählich stellte sich heraus, daß man hier eine Lücke in der feindlichen Front getroffen hatte. Vorwärts drängend, kamen die 28. Infanterie-Division bis Erches, die 206. bis L'Echelle. Die Truppen waren — wie das Generalkommando abends
meldete — in vorzüglicher Stimmung.
Das IX. Armeekorps hatte, ohne einheitlichen Widerstand zu finden, bereits bis zum Mittag die nur schwach verteidigte Stadt Roye genommen und dort große Vorräte erbeutet. Der um l20 eingehende Befehl, mit Vorhuten noch an diesem Tage über die alten französischen Stellungen
hinaus bis Lignisres—Bus vorzugehen, kam aber nicht mehr ganz zur Ausführung. Abends standen die 9. Infanterie- und 10. Reserve-Division, i) S. 199 f. Weltirieg. XIV. Band.
194
Die Große Schlacht in Frankreich (Michael-Offensive).
2«.Msrz. erstere an Stelle der bei Roye zurückgehaltenen 231.Infanterie-Division, in der Linie St. Aurin—Beuvraignes unmittelbar vor der vom Gegner
besetzten alten französischen Stellung. Das XVII. Armeekorps stieß nach Vertreibung feindlicher Nach¬ huten mit der 10. Infanterie-Division über Verpillivres—Amy, wo starker Widerstand zu überwinden war, westlich von Crapeaumesnil und Fresnieres in das alte französische Stellungssystem hinein und hatte damit das gesteckte Ziel erreicht. Die 36. Infanterie-Division war bereits an der
Straße Roye—Noyon auf zähen Widerstand bei Candor gestoßen, den sie erst gegen 3°nachmittags zu brechen vermochte; abends lag sie vor einer neuen feindlichen Front an der Straße Fresnieres—Lassigny. Beim IV. Reservekorps überschritt die 37. Infanterie-Division in der Frühe die Verse sowie den Kanal nördlich von Noyon und gelangte
kämpfend durch bergiges Waldgelände bis über Suzoy hinaus. Rechts von ihr erreichte die zur Unterstützung der 36. Division des XVII. Armeekorps eingesetzte 103. Infanterie-Division abends Cacheleux und Dives. Die 33. Infanterie-Division hatte schon südwestlich von Noyon am Mt. Nenaud
so starken Widerstand gesunden, daß sie sich mit dem Besitz des NordHanges des Bergkegels begnügte; auf Noyon lag den Tag über schweres feindliches Artilleriefeuer. Im übrigen gelangte die 33. Infanterie-Division an das Nordufer der Oise, deren Brücken vom Feinde gesprengt waren,-
sie hatte 2000 Gefangene gemacht und 17 Geschütze erbeutet. Weiter östlich erreichte die 223. Infanterie-Division der Gruppe Gayl im Lause des Tages die Oise bei Morlincourt. Am äußersten linken Flügel der 18. und vor der 7. Armee blieb die Lage unverändert.
d) Maßnahmen des Gegners1). Angesichts des starken deutschen Druckes gegen Mitte und Südflügel der britischen 3. Armee, vor allem der Gefahr eines Durchbruchs südlich von Hsbuterne zwischen dem IV. und VI. Korps, hatte General Byng
schon in der Nacht zum 23. März besohlen, falls weiterer Rückzug unbedingt nötig werde, die „Purpur-Stellung" zu halten. Diese Anordnung aber
wurde nachmittags dadurch aufgehoben, daß Feldmarschall Haig aus Weisung des inzwischen mit weitreichenden Vollmachten ausgestatteten Generals Foch^) jedes weitere Ausweichen untersagte. Das VII. Korps hatte jedoch die Rückwärtsbewegung schon angetreten, es stand abends in der Linie Westrand von Albert—Möricourt an der Ancre—Sailly-le See 1) Anschluß an S. 183f. 2) S. 205.
Fortgang der Kämpfe. 18. und 7. Armee. Der Gegner.
195
an der Somme und damit fast zehn Kilometer hinter dem linken Flügel des südlich von Bray noch standhaltenden XIX. Korps der britischen 5. Armee. Der Oberbefehlshaber dieser Armee, General Gough, hatte keinerlei Reserven mehr und rechnete daher mit der Notwendigkeit, auf die Amiens-
Stellung auszuweichen. Es gelang gerade noch, bis zur großen Straße Amiens—Roye eine einigermaßen zusammenhängende Front herzustellen, doch bestand der linke Flügel aus zum Teil stark gelichteten Divisionen, von denen eine durch das Vordringen der Deutschen bis Erches in gefährlicher Weise auseinandergerissen war. Den zuerst ankommenden Teilen der nach Montdidier und westlich
anrollenden französischen I.Armee des Generals Döbeney hatte General Fayolle die Aufgabe gestellt, die Avre-Linie Roye—Moreuil, also eine im wesentlichen nach Norden gerichtete Front, zu verteidigen. Bevor es zur Ausführung kam, war aber Roye bereits verloren. Nun-
mehr sollte östlich von Montdidier solange als möglich gehalten werden, um die weiteren Ausladungen zu decken. Eine Infanterie- und eine Kavallerie-Division der Armee waren inzwischen an der Front bei L'Echelle
eingetroffen; im übrigen standen einstweilen nur Teile einer Division zur Verfügung, die bei Moreuil und Boves mit der Ausladung begonnen hatte; eine weitere Division sollte am 27. März auf Kraftwagen eintreffen, die Masse der Armee noch später. Bei der französischen 3. Armee hatten sich die unzusammenhängend und meist ohne eigene Artillerie in den Kampf
geworfenen Divisionen sehr rasch verbraucht. Zwei frisch eingetroffene Divisionen hatten nur gerade hingereicht, das deutsche Vordringen auf den Höhen südlich des Divette-Abschnitts abzufangen und die Oise-Front notdürftig zu verstärken. In dieser Lage erreichte die Heeresgruppe Fayolle der bereits erwähnte Befehl des Generals Foch, keinen Schritt weiter
zurückzugehen^). e~ sonderer Wichtigkeit, daneben auch die ausgedehnten Wälder südlich von
Hazebrouck (Nieppe-Wald) und östlich von St. Omer (Clairmarais-Wald). In der Südflanke lag das ausgedehnte Bergwerks- und Industrie-Gebiet von Bethune, das sich nach Westen längs des la Bassse-Kanals bis gegen Aire fortsetzt. Die Wasserläufe, vor allem der bedeutendste von ihnen, die in ihrem Oberlaus kanalisierte Lys mit Anschluß an den La Bassee-Kanal, waren wegen ihrer Tiefe und sumpfigen Afer Hindernisse, die fast nur auf den vorhandenen Brücken überschritten werden konnten. Auch mußten nach den Erfahrungen von drei Kriegsjahren bis Mitte Mai alle
wegungen außerhalb des allerdings weitverzweigten Straßennetzes auf große Schwierigkeiten stoßen; bis zu diesem Zeitpunkt galten daher größere Angriffsunternehmungen als nicht durchführbar. Wenn die Oberste Heeresleitung sich trotzdem zum Angriff schon Ansang April entschlossen hatte, so waren dafür neben der außergewöhnlichen Trockenheit des Frühjahrs die eigene Lage, in der man nicht Zeit hatte zu warten, und die Verhältnisse beim Gegner maßgebend gewesen. Wie man annahm, standen von Frslinghien (nordöstl. von Armentieres) bis zum La Bassee-Kanal etwa 61/2 Divisionen der britischen l. Armee, davon zwei portugiesische, in der vorderen Linie einer rund 26Kilometer messenden Front1). Wie schon gesagt, traute man den portugiesischen Divi¬ sionen keine große Widerstandskraft zu, und die englischen waren oder wurden durch abgekämpfte von der Michael-Front ersetzt, so vor allem Teile
des kanadischen und des australischen Korps. Damit schien eine sobald nicht wiederkehrende besonders günstige Gelegenheit für den Angriff gegeben. Die Ziele wurden entsprechend weit gesteckt. Im Anschluß an die Besprechung in St. Amand erging am 3. April abends an die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht eine in Vorschlagsform gekleidete Weisung, in der als „erste Ziele" des Angriffs der 6. Armee
bezeichnet waren: für den rechten Flügel, hinter dem eine Staffel nachgeführt werden sollte, die Höhen südöstlich von Godewaersvelde und bei Cassel, für die Mitte der Clairmarais-Wald und die Kanalübergänge von St. Omer bis Aire, für den linken Flügel die anschließenden Kanalübergänge bis St. Benant sowie die Übergänge über die Clarence (bei Merville in die Lys einmündend) bis Choques und die Höhen hart westlich und südlich von Bethune. Damit lagen die „ersten Ziele" bis zu 40 Kilometer (Luftlinie) vor der jetzigen Stellung; es handelte sich um einen sehr tiefen
Durchstoß auf verhältnismäßig schmaler Front. Der Schwerpunkt sollte in die Richtung Cassel—St. Omer, also auf den rechten Flügel und die x) Tatsächliche Gliederung Beil. 38g.
268
Schlacht bei Armentwres und Eroberung des Kemme!.
z. Ap.il. Mitte des Angriffs, gelegt werden, während der linke Flügel nur die lang¬
gedehnte Südflanke zu schützen hatte. Aber die weiteren Absichten sprach sich General Ludendorff nicht aus. Es kam, wie bei der Michael-Offensive,
zunächst auf tiefen Durchbruch durch die feindlichen Stellungen an. Gelang dieser in vollem Umfange, so bestand Aussicht, die in Flandern stehenden Teile der Engländer in nordwestlicher Richtung gegen die Kanal-Küste zu drängen. Ob und wieweit sich daraus unmittelbar oder mittelbar weitere Möglichkeiten, vor allem für die Michael-Front, ergeben würden, an der am 4.April auf Amiens weiter angegriffen werden sollte, ließ sich noch
nicht übersehen^).
Die Heeresgruppe gab noch am Z.April entsprechende Befehle und fügte hinzu, daß der äußerste rechte Flügel der 6. Armee unter Sicherung gegen Armentieres, das ausgespart werden sollte, über Steenwerck auf die Höhen nördlich von Bailleul (Mt. Roir) vorzugehen, der linke Flügel sich auch der Kanalübergänge zwischen Bethune und La Bassse zu bemächtigen habe. Die 4.Armee sollte bereit sein, sich dem Angriff in
der Richtung auf Messines—Wulverghem anzuschließen, sobald die feind¬ liche Front nördlich von Armentieres ins Wanken gerate, und zwar habe sie zunächst die Höhen von Messines zu nehmen, dann weitere Kräfte südlich des Douve-Grundes — unter Deckung gegen den Kemmel — in der Rich¬
tung auf Reuve Eglise vorzuführen, um Anschluß an die S. Armee zu
gewinnen und weiterhin in nordwestlicher Richtung vorzustoßen. Das Fiel waren die Höhen in der Linie St. Eloi—Kemmel—Mt. Roir, um gegen die
feindliche Rückzugsstraße Vpern—Poperinghe wirken zu können. Auch die übrige Front der 4. Armee sollte sich bereit halten nachzudrängen, falls der Feind unter dem Druck des Georgette-Angriffs den Vpern-Bogen oder gar die ganze Flandern-Front räume. Der Befehl schloß mit den Worten:
„Erzielt Georgette einen großen Erfolg, so wird er durch Heranziehen aller
aus der Heeresgruppenfront verfügbaren Kräfte sofort und in weitgehend¬ stem Maße ausgenützt". B>» s. Apru.
In den nächsten Tagen wurden 6.Armee und Heeresgruppe bei der
Obersten Heeresleitung dahin vorstellig, daß mit Rücksicht auf die Schwie¬ rigkeiten, die sich beim Heranführen der Munition und Instellungbringen der Artillerie in dem vom Regen ausgeweichten Boden ergaben, eine Ver¬
schiebung des Angriffs mindestens um einen Tag dringend geboten sei. General Ludendorff mußte zwar angesichts der Gesamtlage und um die Überraschung an dem bisher völlig ruhigen Abschnitt zu wahren — man
befürchtete, daß der Gegner seine vorderste Stellung vor Angriffsbeginn räumen könnte —, größten Wert auf baldigste Ausführung des Unter-
r)S.245f.
Erwägungen und Vorbereitungen.
269
nehmens legen, willigte aber schließlich doch ein und setzte den Angriffsbeginn auf den S.April fest. Die am 4.April an der Michael-Front bei zu knapper Vorbereitungszeit gemachten Erfahrungen mögen dabei
mitgesprochen Habens. In einer Besprechung mit den Generalstabschess der 6. und 4. Armee ?.«?»». in Tournai legte General von Kühl am 7. April die Einzelheiten des Zu¬
sammenwirkens beider Armeen fest. General Ludendorff hatte gewünscht, daß die 4. Armee gleichzeitig mit der ö. am 9. April angreife; denn ihre Aufgabe sei es, dem rechten Flügel dieser Armee, falls er an der Lys westlich von Armentieres hängenbleibe, durch Angriff nördlich von Armentisres vorwärts zu helfen. Der Generalstabschef der 4. Armee, General von Löhberg, erklärte aber deren Angriff am S.April mangels
ausreichender Artillerie für ausgeschlossen, es sei denn, daß der Feind vor
der Front sich weitgehend schwäche. Die Heeresgruppe entschied daher, daß die 4. Armee am Morgen des !0. April mit ihren beiden südlichen Korps
zum Angriff bereitstehen solle; an diesem hätten dann, soweit irgend möglich, acht bei der b. Armee nach Angriffsbeginn frei werdende Bataillone schwerer Artillerie wenigstens mit Teilen schon mitzuwirken. Den Beginn des Angriffs am 10. April wollte die Heeresgruppe auf Grund der Lage befehlen, die sich am Nachmittag des 9. bei der 6. Armee ergeben würde; nur wenn sich der Gegner am 9. April vor der 4. Armee schwächte, hatte
sie sofort anzugreifen, um ihn zu fesseln. Inzwischen war am 6. April der 4. Armee, außer den Vorbereitungen
für den Angriff Flandern gegen die Belgier, für den Fall, daß der Gegner im Vpern-Bogen ausweiche, gegen diesen noch die Vorbereitung eines Ver-
folgungsangriffs „Blücher" aufgetragen worden. Auch gab die Oberste
Heeresleitung, nachdem die Michael-Offensive inzwischen stillgelegt war^), ihre weiteren operativen Absichten bekannt. Es galt: zunächst einen „Vernichtungsschlag gegen die englisch-belgischen Heeresteile nördlich des Kanals Bethune—St. Omer" zu führen, dann erst nach Südwesten einzuschwenken. Von 17. und 2. Armee hatte General Ludendorff schon vor-
her gefordert, daß sie sich zu begrenzten Angriffen bereithielten, „etwa 10. und II., wenn sich Erfolg Georgette bemerkbar macht, um Feind hier fest anzupacken und festzuhalten"^). Am 8. April abends nannte er dafür „drei Druckstellen: Arras, Albert, südlich der Somme", die in Aussicht zu nehmen seien; die weitere Entscheidung sollte sich nach dem Ergebnis von Georgette
richten. ') S. 250f. S. 253. 3) Vortragsnotiz des Gen. von Kühl vom ö. April.
Schlacht bei Armentisres und Eroberung des Kemmel.
270
8. April.
Nach den Erfahrungen beim Michael-Angriff hatte die Oberste Heeres¬
leitung stärkeren Artillerie-Einsatz für die Sturmvorbereitung in Aussicht genommen; die Feuerwalze sollte etwas langsamer fortschreiten und aus wichtigen Anlagen länger liegenblieben als am 21. März. Da in den bis-
herigen Kämpfen tiefgegliederte Maschinengewehre den Hauptwiderstand geleistet hatten, die feindliche Artillerie aber eine verhältnismäßig geringe Nolle gespielt hattet, sollte der Bekämpfung der ersteren durch einzelne Geschütze und Minenwerfer besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden; auch sollten beim Vorgehen weit vorne mittlere Minenwerfer eingegliedert werden, deren „außerordentliche moralische und Sprengwirkung" am 2l. März erneut bewiesen sei. Ferner wurde Zuteilung von drei Panzerwagen-Abteilungen (je 5Wagen, teilweise erbeutetes Gerät) in Aussicht genommen, die hinter der Infanterie feindliche Widerstandsnester auszuräumen hatten. Vermehrte Sorgfalt sollte der Vorbereitung von Durchgängen durch das beiderseitige Stellungssystem und der Überbrückung der zahlreichen flandrischen Wassergräben gewidmet werden, um schnelles Nachfolgen von Artillerie und Munition sicherzustellen.
Der Aufmarsch vollzog sich nach denselben Grundsätzen und in ähnlicher Weise wie zur Michael-Offensive, nur fehlte die Möglichkeit zu gleich gründlicher Vorbereitung, denn der größte Teil der Truppen wurde erst in letzter Stunde an anderer Stelle frei. Die Munitionsausstattung erreichte nicht die volle Höhe. Immerhin war der Aufmarsch am 8. April so weit gefördert, daß der Angriff am 9. beginnen konnte. Von den für den Angriff bestimmten 29 Divisionen^) der 4. und 6. Armee waren nur 19 als Angriffs-Divisionen ausgestattet. Die am An-
griff beteiligte Artillerie zählte bei der 4. Armee 149 Batterien, davon 70 schwere und schwerste; sie sollte vom 9. April nachmittags an durch im ganzen 20 schwere Batterien der 6. Armee verstärkt werden, die dort nach Ausschießen der Feuerwalze frei wurden. Die 6. Armee verfügte über 4SI Batterien, davon 228 schwere und schwerste^), mit rund 1700 Geschützen für eine Einbruchsfront von 17 Kilometern. Die Luftwaffe zählte im Angriffsraum beider Armeen an Flugstreitkräften zwei Bombengeschwader, 28 Flieger-Abteilungen, 17 Schlacht- und 25 Jagdstaffeln mit insgesamt 492 Flugzeugen. Alle Truppen waren, soweit man das nach 1) Nach einer Anweisung der O. H. £. vom 30. April. 2) Gliederung der 4. u. 6. Armee bei Beginn des Angriffs vom 9. April morgens
Veil. 38g. 3) Näheres Beil. 39b.
Der Aufmarsch. Der Gegner.
271
vier Iahren ununterbrochener Kämpfe und bei knapper Verpflegung sagen
kann, vollkampfkräftig und frisch; angriffsfreudig waren sie durchweg. Auf englischer Seite waren die deutschen Angriffsvorbereitungen nördlich des La Bassse-Kanals schon seit langem erkannt worden; man nahm an, daß sie mit solchen südlich des Kanals im Zusammenhang stünden. Jeder Geländeverlust aber zwischen Arras und dem Meere gefährdete die für Frankreich lebenswichtigen Kohlengruben um Bvthune und die eng¬ lischen Versorgungshäfen am Kanal. Als sich in den ersten Apriltagen die Anzeichen eines bevorstehenden Angriffs mehrten, wies Feldmarschall
Haig seine 3. und 1. Armee aus entsprechende Abwehrmaßnahmen hin. Einstweilen muhte er aber noch zur Nährung der im Somme-Gebiet
tobenden Schlacht die kampfkräftigen Divisionen der Flandern-Front gegen abgekämpfte und nur notdürftig wiederaufgefüllte austauschen. Vom 6. April ab verdichteten sich die Nachrichten über deutsche Truppenanhäufungen nördlich von La Bassee, vor allem gegen den vom
portugiesischen Korps besetzten Abschnitt. Dieser Verband, zwei schwache Divisionen, davon jeweils eine in der Front, hatte einen bisher besonders ruhigen, dafür aber auch sehr breiten Abschnitt zu verteidigen. Das Korps wurde seit Anfang April derart gegliedert, daß die vorn eingesetzte
2. Division schließlich 17000 Mann Gefechtsstärke hatte, die 1. dafür so gut wie ausgelöst war. Die britische Führung hegte aber doch noch Zweifel, ob die portugiesischen Truppen einem Großangriff gewachsen sein würden, und wollte sie in der Nacht zum 10. April durch englische Truppen ablösen. Inzwischen wurde aber bereits in der Nacht zum 8. April die Artillerie südlich von La Bassse wie auch die Gegend von Armentieres deutscherseits
vergast. Am 8. April stellten Flieger weitere Angriffsvorbereitungen fest. Aussagen Gefangener bestätigten die Ankunft deutscher Verstärkungen. Der Oberbefehlshaber der vom La Bassee-Kanal bis nördlich von Armen-
tisres stehenden britischen 1. Armee, General Hörne, rechnete mit Angriff am 9. April. Ihn abzuwehren, standen am Morgen dieses Tages vier Divi¬
sionen in der Front, davon nur am rechten Flügel eine wirklich kampf¬ kräftige, dann folgten in neun Kilometern Breite die Portugiesen und
weiterhin wieder zwei englische Divisionen; hinter der Front waren zwei Divisionen eingreifbereit. An die 1. Armee schloß nach links die 2. Armee unter General Plumer an, von der im Angriffsraum bis östlich von Hollebeke aus etwa zwölf Kilometer Breite 22/3 Divisionen des IX. Korps in
der Front standen, im ganzen etwa eine Division eingreifbereit dahinter^). *) Gliederung der brit. 1. und 2. Armee am 9. April morgens Beil. 38 g.
272
Schlacht bei Armentiöres und Eroberung des Kemmel.
2.Der Angriff der 6.Armee am y. April. BI»S. April.
Zunächst galt es, das feindliche Stellungssystem zu durchbrechen. Nach den Ergebnissen der Lusterkundung bestand es aus drei Stellungen, von denen die vorderste der eigenen Front auf durchschnittlich wenige hundert Meter gegenüberlag und aus drei Linien bestand. Zwei bis vier Kilometer dahinter verlief in nur einer Linie die II. Stellung, der am
Nordflügel die Stadt Armentieres besondere Stärke verlieh. Die III. Stel¬ lung zog sich vom Kemmel hinter Lys und Lawe nach Süden und lag damit bis zu neun Kilometern hinter der I. Stellung; in ihr bildete Estaires
einen besonders starken Stützpunkt. Alle Stellungen litten darunter, daß
die Verteidigungsanlagen wegen hohen Grundwasserstandes fast durchweg auf den gewachsenen Boden ausgesetzt waren. Sie waren damit gut erkenn¬
bar und trotz zahlreicher Beton-Einbauten leicht zu zerstören. Aber die Be¬ setzung lagen bis zum Beginn des Angriffs keine neuen Nachrichten vor.
Für den Durchbruch durch das Stellungssystem hatte der Oberbefehlshaber der ö. Armee, General der Infanterie von Quast, nach ein¬
gehendem Meinungsaustausch mit Heeresgruppe und Oberster Heeres¬
leitung befohlen: Artillerie und Minenwerfer sollten nach besonderem Plan viereinhalb Stunden mit Gas- und Splittermunition gegen den Feind wirken, dann hatte die Infanterie hinter der Feuerwalze zum Sturm anzutreten, die mit einer Geschwindigkeit von ICK) Metern in drei Minuten vorwärts-
lief. Da Armentieres beim Angriff zunächst ausgespart werden sollte, war es auf Befehl der Obersten Heeresleitung schon in der Nacht zum 8. April mit etwa 15000 Gelbkreuz-Granaten zu vergasen.
Damit war der Entwicklungsraum für den rechten Flügel des Angriffs
stark eingeengt. Dementsprechend hatte sich die vor Armentieres liegende 32.Infanterie-Division des II. bayerischen Armeekorps vor dem Angriff scharf nach links zusammenzuziehen, im Anschluß an das XIX. Armeekorps die feindlichen vorderen Stellungen zu durchbrechen und dann gegen Armentieres einzuschwenken. Links von ihr sollte sich im Vorgehen die 10. Ersatz-Division einschieben, um geradeaus, linker Flügel auf Sailly an
der Lys, vorzugehen; die IL Reserve-Division hatte zunächst dem rechten Flügel des XIX. Armeekorps zu folgen und sich erst im weiteren Verlaus rechts neben ihn zu setzen. XIX. Armeekorps, 55.Korps und IV. Armee¬ korps hatten mit je zwei Divisionen im I. Treffen in Divisionsbreiten von
durchschnittlich zweieinhalb Kilometern, geradeaus angreifend, die feindlichen Stellungen zu durchstoßen und dabei den Hauptdruck auf den von
Portugiesen besetzten Abschnitt bei Neuve Chapelle zu richten. Links sollte die 4. Ersatz-Division sich dem Angriff anschließen, um am La Bassee-Kanal
Die Befehle für den Angriff.
273
gegen Süden abzusperren. Nach einer ergänzenden Weisung vom 3. April
hatte das IV. Armeekorps ferner jede Gelegenheit auszunutzen, um auch südlich des Kanals seine Stellungen vorzuverlegen. Für den Fall, daß der Angriff ,>einen außerordentlichen Erfolg haben und auch die Front südlich des La Bassse-Kanals ins Wanken bringen sollte", mußte sich auch das XXXX. Reservekorps zum Nachstoß bereithalten. Als Vorbedingung für das Gelingen der Gesamtoffensive hatte die Heeresgruppe gefordert, daß „am ersten Angriffstage die Lys überschritten und bereits am zweiten die Höhenstufe erklommen werde", womit die Hügelkette vom Kemmel bis Godewaersvelde gemeint war.
Dementsprechend hatte General von Qua st den Korps, folgende, ab-
sichtlich sehr weit ausgreifende Aufgaben und Ziele gegeben: Das II. bayerische Armeekorps sollte unter Deckung der rechten Armeeflanke, wobei es am 10. April auf Einsetzen des Angriffs der 4. Armee
über Messines—Wulverghem rechnen konnte, das Höhengelände Mont Noir—Godewaersvelde in Besitz nehmen. Das XIX. Armeekorps hatte den Lys-Abergang bei Sailly—Estaires— La Gorgue (Hauptdurchbruchsstelle der Armee) zu erzwingen und weiter
auf Steenvoorde anzugreifen.
Das 55. Korps sollte den Lys-Übergang von Merville sowie die ClarenceÜbergänge im Räume Calonne—Robecq erzwingen, dann mit starkem rechtem Flügel Hazebrouck nehmen und mit dem linken die Kanalübergänge zwischen Aire und Robecq besetzen. Anderthalb Radfahr-Bataillone wurden dem Korps zugeteilt, um auch noch die Adergänge von St. Omer bis Aire zu gewinnen. Das IV. Armeekorps sollte den La Bassee-Kanal zwischen Robecq und Bethune überschreiten und diese Stadt sowie die Höhen etwa drei Kilometer westlich und südlich von ihr in Besitz nehmen. Um jeder Stockung im Angriff vorzubeugen, war angeordnet, daß -„Tagesziele für die einzelnen Angriffstage nicht befohlen" werden dürften;
wohl müßten den Divisionen für die Gefechtsführung gewisse erste Ziele gegeben werden, dann aber habe der Angriff „rücksichtslos und sofort" weiterzugehen: „Der Erfolg wird restlos ausgenutzt ... Vorgeprellte
Divisionen Helsen hierbei den hängengebliebenen dadurch, daß sie den Gegner in Flanke und Rücken fassen". Im Verhalten des Gegners hatte sich in den letzten Tagen vor dem Angriff keinerlei erkennbare Veränderung gezeigt. Man durfte annehmen,
daß die Überraschung gesichert sei. Am S.April um 416 morgens, etwa zwei Stunden vor Hellwerden,
begann die Angriffsvorbereitung durch die Artillerie; Windstille begünstigte Weltkrieg. XIV. Band.
274
Schlacht bei Armentiöres und Eroberung des Kemme!.
s. AP.«, die Gaswirkung. Der Gegner antwortete nur schwach und verstummte bald
fast ganz. Die Bereitstellung der Angriffstruppen vollzog sich ungestört und ohne nennenswerte Verluste. Bei Hellwerden herrschte dichter Nebel, der in Regen überzugehen drohte und erst am Nachmittag Lustausklärung
gestattete.
Um 8 46trat die Infanterie zum Sturm an und brach auf der ganzen Front in die vordersten englischen Stellungen ein. Besonders wirksam war der zusammengefaßte Stoß der vier Divisionen des XIX. Armeekorps
und 55. Korps gegen die 2. portugiesische Division, deren Widerstand
rasch zusammenbrach. Ohne daß die zugeteilten Panzerwagen zur Wirkung gekommen waren*), wurde der Weg frei für tiefen Einbruch. Bis 10° war im allgemeinen die dritte Linie der I. Stellung überschritten, mittags waren die Begleitbatterien etwa bis zur feindlichen ersten Linie gefolgt. Der
Feind hatte schwere blutige und Gas-Verluste. Unterdessen hatte auf dem rechten Flügel die 32.Infanterie-Division des II. bayerischen Armeekorps planmäßig gegen Armentieres abgesperrt, das weiterhin unter Artilleriebeschuß blieb. Die 10. Ersatz-Division hatte sich in die Front ein¬
geschoben, bemächtigte sich in schnellem Zugriff um 4°nachmittags des Lys-Überganges östlich von Sailly und schuf dort einen drei Kilometer breiten Brückenkopf. Bereits gegen Mittag erreichten die vier Divisionen des XIX. Armeekorps und 55. Korps in unaufhaltsamem Vorwärtsstürmen fast überall Lys und Lawe. Diese tiefen und bis zu 20 Metern breiten Wasserläuse konnten aber, trotz verhältnismäßig niedrigen Wasser¬ standes, nicht ohne weiteres überschritten werden. Von der Artillerie hatten in dem weichen und vielfach zerschossenen Boden nur wenige leichte Batterien nachkommen können. Daher gelang es bis zum Abend nicht, den Gegner, der mit seinen Reserven das Westuser und bei Estaires, Pont
Riqueul und Vieille Chapelle auch Brückenköpfe auf dem Ostuser hielt, zu vertreiben. Beim IV. Armeekorps war die 18. Reserve-Division mit
dem linken Flügel des 55. Korps zusammen ziemlich glatt vorwärts ge¬ kommen, die 43.Reserve-Division aber vor Festubert und Givenchy aus den Widerstand der in starker Stellung abwehrbereiten englischen 55. Division
gestoßen; sie hatte nach kühnem Einbruch in Givenchy schwere Verluste erlitten, unter anderem etwa 700 Gefangene verloren und war mit der
Front nach Südwesten liegengeblieben. i) Es waren schließlich nur zwei Abteilungen zugewiesen worden. Von ihnen wurde aber nur die mit Beute-Tanks ausgestattete eingesetzt, blieb jedoch bereits auf dem Wege in die Ausgangsstellung liegen. Der Einsatz der anderen, mit deutschen Panzerwagen aus¬ gestatteten Abteilung war wegen der Ungunst der Bodenverhältnisse bereits vorher als
zwecklos erkannt worden.
Erster und zweiter Angriffstag.
275
Abgesehen vom äußersten linken Flügel hatte der erste Angrifsstag mit Einbrüchen bis zu acht Kilometern Tiefe einen taktischen Erfolg gebracht, wie er gegen einen Feind in ausgebauten Stellungen an der West-
front bisher nirgends beschieden gewesen war; etwa 6000 Gefangene und 100 Geschütze waren als Beute gemeldet. Die Ziele allerdings, deren Er¬ reichung als Vorbedingung des erstrebten operativen Erfolges für den ersten Tag gefordert worden war, lagen noch in weiter Ferne. Doch hoffte man, daß am nächsten Tag der Angriff der 4. Armee dem rechten Flügel, aus den es in erster Linie ankam, weiterhelfen werde.
Z. Der Angriff der 4.1) und ö. Armee am Jo. und II. April. Am Spätnachmittag des S.April hatte die Heeresgruppe der 4. Armee Handlungsfreiheit für den 10. gegeben. Den Beginn des An¬
griffs setzte General der Infanterie Sixt von Armin aus 515 früh fest. Am 10. April von 245 an bereiteten 522 Geschütze, davon 215 schwere io. zip»»,
und schwerste, den Angriff der 4. Armee vor; von den seitens der 6. Armee zuzuführenden Batterien war allerdings noch keine heran. Nach einem letzten kurzen Feuerschlag von Artillerie und Minenwerfern auf die vorderen feindlichen Linien trat die Infanterie von drei Divisionen aus zwölf Kilometer Breite beim ersten Dämmerlicht zum Sturm an. Das Wetter war nebelig und regnerisch. Die artilleristische Gegenwirkung war schwach. Bis zum Mittag nahm die 17. Reserve-Division des XVIII. Re¬
servekorps das hochgelegene Messines durch beiderseitige Umfassung, blieb dann aber angesichts sich versteifenden Widerstandes und starker Gegenangriffe liegen. Ebenso erging es nach Anfangserfolgen der 21. In¬ fanterie-Division des X. Reservekorps nördlich vom Ploegsteert-Wald und an dessen Ostrand; südlich des Waldes nahm die 214. Infanterie-
Division Ploegsteert. Nach den ersten Erfolgen erhielt dann auch der rechte Flügel des XVIII. Reservekorps, die 7. Infanterie-Division, Befehl zum Antreten; sie erreichte mit dem linken Flügel Oosttaverne. Beim X. Reservekorps hatte inzwischen das Streben, der zunächst noch fest¬ liegenden 6. Armee vorwärtszuhelfen, dazu geführt, daß der linke Flügel auf Nieppe angesetzt wurde; erst als die Nachbar-Armee nachmittags Fort¬ schritte machte, erhielt das Korps wieder die operativ wirksamere Richtung
auf Bailleul, das nach Fliegermeldungen unbesetzt sein sollte. Wesentliche i) Die Operationsakten des A. O. K. 4 vom April 1918 sind später in Feindeshand gefallen und französischerseits in dem Buche von Tournes und Berthemet: „La Bataille des Flanders" in Übersetzung veröffentlicht worden. Da die Akten nicht wieder beigebracht werden konnten, wurde diese Übersetzung als Quelle mitverwendet.
276
Schlacht bei Armentiöres und Eroberung des Kemmel.
lv. April. Fortschritte machte das X. Reservekorps aber nicht mehr, obgleich die
britische 2. Armee die Reserven ihres rechten Flügels inzwischen größtenteils zur Stützung der Front der I. Armee bei Rieppe abgegeben hatte. Bis zum Abend waren bei der deutschen 4. Armee 1300 Gefangene gezählt. Bei der ö. Armee waren die Kämpfe an Lys und Lawe auch in der
Nacht weitergegangen. Für den 10. April hatte General von Quast Fort¬ setzung des Angriffs um6° früh befohlen. Dazu aber kam es nicht überall, denn bisher hatten nur wenige Batterien das Graben- und Trichterfeld überwunden. Die heftigen Gegenstöße, die der Gegner vor allem gegen den Brückenkopf östlich von Sailly führte, mußten ohne Artillerie-Unter¬
stützung abgewehrt werden; die Infanterie hatte einen schweren Stand. Erst als im Laufe des Tages stärkere Artillerie herankam, gelang es wenig¬ stens dem rechten Flügel der Armee, Gelände zu gewinnen. Während die Z2. Infanterie-Division des II. bayerischen Armee¬ korps, zunächst noch durch die Säuberung von Armentieres festgehalten, die Lys bei Erquinghem überschritt, konnte die 10. Ersatz-Division in vor¬ bildlichem Angriffsdrang gegen einstweilen nur schwachen Feind bis
Steenwerck durchstoßen. Auch der linke Flügel des II. bayerischen und das XIX. Armeekorps überschritten die Lys und erreichten die Linie Steenwerck—Estaires; in letzterem Ort wurde abends noch gekämpft. Der Südflügel des Angriffs lag aber im wesentlichen immer noch an der Lawe fest. Der tiefe Einbruch in die feindlichen Stellungen am 9. April, die angesichts des vom Regen aufgeweichten Bodens immerhin rasche Aber¬ windung des Trichterfeldes durch die Artillerie und das weitere Vor¬ dringen am 10. April waren hervorragende Leistungen der Truppe. Mehr als 11000 Gefangene und 14b Geschütze waren bisher eingebracht, die
Widerstandskraft des Gegners offenbar weitgehend geschwächt. Und doch waren die operativen „ersten Ziele" der Offensive auch am zweiten
Schlachttage bei weitem noch nicht erreicht. Die schwerste Ausgabe stand noch bevor: der Aufstieg auf die fünf bis zehn Kilometer vor der Front des X. Reservekorps, II. bayerischen und XIX. Armeekorps liegende flan¬
drische Hügelkette. Unterdessen hatte die 4. Armee dem Gardekorps mittags Befehl gegeben, mit allen vom rechten Flügel zusammenzuraffenden Kräften einen Angriff „Tannenberg" aus der Gegend des Houthulster-Waldes auf Bixschote vorzubereiten, um den Ppecn-Bogen auch von Norden einzuengen; der Gedanke des Angriffs „Flandern" gegen die Belgier trat
seitdem zurück. Um 4°nachmittags hielt die Armee es für „wahrscheinlich,
Zweiter und dritter Angriffstag.
277
daß der Feind in der folgenden Nacht" den Bogen räume. Das Marine' korps und die schwere Flachfeuer-Gruppe der Armee sollten daher die Kanalübergänge und Rückzugsstraßen des Gegners nördlich und westlich von Bpern bis zum Kemme! hin durch Feuer sperren. Da der Gegner
hinter der bisher angegriffenen Front kaum Reserven zu haben schien, befahl General von Armin für den II.April, ihm dauernd an der Klinge
zu bleiben, damit er sich nicht wieder setze. Das XVIII. Reservekorps sollte den Hauptdruck in die Richtung aus Wulverghem legen, das X. Reservekorps Reuve Eglise angreifen. Die 6. Armee befahl den Angriff bei Tagesbruch fortzusetzen; schon vorher hatte die 32.Infanterie-Division Rieppe zu erreichen, dort Anschluß an die 214. Infanterie-Division der 4. Armee zu nehmen und damit
Armentiöres endgültig abzuschließen. Im übrigen sollten II. bayerisches und XIX. Armeekorps „bestrebt sein, noch am II. April mindestens das
Höhengelände bei Bailleul—Meteren—Strazeele zu gewinnen". Die Zielsetzung war also angesichts der bisherigen Erfahrungen ganz erheblich eingeschränkt worden. Das 55.Korps sollte die 3. Infanterie-Division über La Gorgue nachführen und aus Merville ansetzen. Das IV. Armeekorps wurde durch weitere schwere Artillerie verstärkt, damit es gegen Bethune und den La Bassse-Kanal vorwärts komme. Don den Reserven waren in die sich immer mehr dehnende Front bisher sechs Divisionen des II. Treffens (bei 4. Armee 49. u. 36. Res. Div.; bei 6. Armee II. Res. Div. beim II. bayer. A. K., 8. u. 16. Inf. Div. am
rechten Flügel des 55. Korps, 44. Res. Div. beim IV. A. K.) eingeschoben worden. Hinter der Front aber führten Heeresgruppe und Oberste Heeresleitung inzwischen fünf Divisionen neu heran, um den Angriff mit Rächdruck fortzusetzen. Abends wies die Heeresgruppe daraus hin, falls es
nicht rasch genug gelinge, die Lawe-Abergänge zu öffnen, seien die rückwältigen Kräfte nördlich der Lys nachzufühlen, um vor allem in der
Richtung auf Bailleul und Merville Raum zu gewinnen. Bei der 4. Armee war der Kampf des XVIII. Reservekorps vor
Wytschaete, an dem sich die 49. Reserve-Division bereits beteiligte, in der Nacht zum II.April weitergegangen; er wurde am Tage mit wechselndem n.Apru.
Erfolg fortgesetzt. Das X. Reservekorps kam nördlich desPloegsteert-Waldes erst nachmittags vorwärts und erreichte abends die Linie Haubourdin— Nieppe, dieses ausschließlich. Der Gegner leistete in dem vom Kemmel
her eingesehenen Gelände überall zähen Widerstand. Beim II. bayerischen Armeekorps der 6. Armee schloß die 32.In¬ fanterie-Division Armentiöres auch im Westen ab und gewann vor Nieppe
278
Schlacht bei Armentisres und Eroberung des Kemmel.
il. Apru. Anschluß an das X. Reservekorps. In Armentisres, von wo die Masse
der englischen 34. Division am Nachmittag des 10. April befehlsmäßig
abgezogen war, sielen 3000 Gefangene und 46 Geschütze in deutsche Hand. Die 10. Ersatz-Division kam gegen starke englische Gegenangriffe über SteenwerÄ nur wenig hinaus, dagegen konnte die 81. Reserve-Division bis Doulieu vordringen. Links schlössen die 42., dann die 35. InfanterieDivision des XIX. Armeekorps an, die Estaires in blutigem Häuserkampf genommen hatten. Die beim 55.Korps neu eingeschobene 8. Infanterie-
Division entriß dem Gegner Merville, die ebenfalls frisch eingesetzte 16. Infanterie-Division erzwang bei Pont Riqueul den Lawe-Abergang und gewann ebenso wie die südlich von Vieille Chapelle übergehende 18. Reserve-Division des IV. Armeekorps bis zu fünf Kilometern Raum
nach Westen; 8. bayerische und I. bayerische Reserve-Division wurden über die gewonnenen Brücken nachgezogen. Der linke Flügel des IV. Armee¬ korps aber, auf dem die 44. Reserve-Division eingeschoben worden war, vermochte nach Süden nicht weiter vorwärts zu kommen. Der Angriff
sollte hier erst nach ausreichender Artillerie-Vorbereitung wieder aus¬ genommen werden.
4. Die Fortsetzung des Angriffs vom
bis JH. April.
Auch der dritte Kampftag hatte die Front dem erstrebten Höhen¬
gelände Kemmel—Godewaersvelde nicht entscheidend nähergebracht. Es war damit zu rechnen, daß der Gegner sich dort inzwischen verstärkte und auf nachhaltigen Widerstand vorbereitete; gegen die Linie Aire—Lillers
schienen feindliche Reserven im Anrücken. Trotzdem glaubte die Heeres¬ gruppe, daß aus Georgette noch etwas Größeres werden könne, wenn
die 6. Armee weiter durchbreche und die 4. weiter nach Westen arbeite. In diesem Sinne hatte General von Quast für die 6. Armee nachmittags
angeordnet, daß 55.Korps und IV. Armeekorps die Flankendeckung südlich der Lys möglichst ohne Anforderung von Reserven leisten müßten, damit
diese für den weiteren Durchbruch zwischen Bailleul und Aire verfügbar blieben; doch werde für alle Fälle in der Gegend von Vieille Chapelle ständig eine Division bereit sein. Für den 12. April befahl er in teilweiser Wiederholung des Befehls vom 10. April: „Das Höhengelände bei Bailleul —Meteren—Strazeele, den Nord- und Westrand des Nieppe-Waldes und den La Bassse-Kanal zwischen Guarbecque und Mt. Bernenchon^) zu er¬
reichen, ehe die feindlichen Verstärkungen wirksam werden". Allen Trup¬ pen müsse die „Bedeutung ihres schnellen Vorrückens am 12. für den weiteren Erfolg voll bekannt" sein. i) Ersteres westl., letzteres südöstl. von St. Venant.
Seringe Angriffsfortschritte.
279
Am 12.April wurde der Angriff überall fortgesetzt. Bei der 4.Armee^) lz.Ap»u. wurden nur geringe Fortschritte erzielt. Das XVIII. Reservekorps konnte
gegen Wulverghem, wo der Gegner seine Front nachts zurückgenommen hatte, etwas Gelände gewinnen, ebenso das X. Reservekorps nördlich der
Straße nach Bailleul. Angesichts des im übrigen zähen feindlichen Wider¬ standes und der starken Stellungen am Kemmel wurde gegen diesen der
planmäßige Angriff vorbereitet. Er sollte nach Meinung des Generals Ludendorfs möglichst auch von Süden und Westen her geführt werden. Die Truppen der ö. Armee suchten der an sie gerichteten Forderung mit größter Hingebung zu entsprechen. Obgleich bei den bis in die Dunkelheit währenden Kämpfen starke Vermischung der Verbände eingetreten war und trotz der Verlockungen, die die reichen Vorräte in den gewonnenen Ortschaften für die bisher nur dürstig verpflegten Truppen darstellten, gelang abermals ein bis zu sechs Kilometer weiter Sprung nach vorwärts.
Auf dem rechten Flügel wurden drei abgekämpfte englische Divisionen durch das II. bayerische Armeekorps bis nach Bailleul, durch das XIX. Ar¬ meekorps bis Merris und über Vieux Berquin zurückgeworfen. In der Mitte drängte das 55.Korps die tags zuvor neu eingetroffene englische öl. Division westlich von Merville zurück. Wenige Kilometer südlich davon
durchbrach im Morgengrauen die lö. Infanterie-Division die feindliche Front, nahm einen Brigadestab gefangen, eroberte zwei Batterien und gelangte bis über Calonne hinaus. Der rechte Flügel des IV. Armeekorps erreichte den La Bassöe-Kanal südöstlich von Mt. Bernenchon und nahm Locon; die übrige Front dieses Korps lag unter zunehmendem feindlichem
Artilleriefeuer.
So hatte auch der l2. April noch keine entscheidenden Fortschritte
gebracht. Unterdessen hatte die Heeresgruppe mittags beiden Armeen „bei weiterem günstigem Verlauf" Verstärkungen in Aussicht gestellt. Die Auf¬ gaben blieben unverändert. Der 4. Armee wurden zwei Divisionen und vier Bataillone schwerer Artillerie für den Tannenberg-Angriff des Garde¬
korps auf Bixschote—Poperinghe zugesagt, um im Zusammenwirken mit der ö. Armee die Engländer im Ppern-Bogen abzuschnüren. Bei dieser Armee sollte der linke Flügel des IV. Armeekorps um weitere Artillerie
verstärkt und durch „planmäßigen Angriff" vorwärts gebracht werden. Auf die zur Fesselung des Gegners bei der 17. Armee geplanten Angriffe wurde verzichtet, da diese Armee nach den zu leistenden Abgaben dazu i) XVIII. R. K. mit 7. F. D., 17. u. 49. R. 214. 3. ©.; dahinter 22. R. D. u. II. bayer. g. D.
X. R. K. mit 31. g. D.. 36. R. D.,
Schlacht bei Sinnentieres und Eroberung des Kemmel.
280
nicht mehr in der Lage war; dagegen blieb es bei den Angriffen der
2. Armee^). Mit diesen Weisungen, die im vollen Einvernehmen, wenn nicht aus Anregung der Obersten Heeresleitung^) erteilt waren, bekam der Angriff drei Stoßrichtungen. Sie waren im wesentlichen unabhängig voneinander zu verfolgen, wenn auch der Angriff von Nordosten auf Bixschote mit dem von Südosten gegen das Höhengelände Kemmel—Godewaersvelde
ein gemeinsames Ziel im Rücken des Ppern-Bogens hatte. Um dieses zu erreichen, war aber erst einmal an zwei fast 30Kilometer voneinander
entfernten Stellen der taktische Erfolg gegen wahrscheinlich ernsten feind¬ lichen Widerstand zu erzwingen. Bei der 4. Armee befahl General Sizct von Armin dem XVIII. Re-
servekorps, die Höhen von Wulverghem unter starkes Feuer zu nehmen, um die Flankierung des X. Reservekorps auszuschalten. Dieses hatte sich in den Besitz des von Neuve Eglise nach Westen verlaufenden Höhenrückens, der Vorstufe des Kemmel, zu setzen und dazu Teile der 11. bayerischen Infanterie-Division links von der 214. einzuschieben. Die 31. InfanterieDivision wurde zurückgenommen. Bei der 6. Armee^) blieben die Ausgaben unverändert. Im übrigen kam es ihrem Armee-Oberkommando auf die Inbesitznahme der Abergänge über den La Bassee-Kanal zwischen Guarbecque und Mt. Bernenchon an. lZ.Ap.u. Die Kämpfe des 13. April standen unter keinem günstigen Stern. Die deutsche Überlegenheit an Zahl wurde durch die sich immer ungünstiger
gestaltenden Geländeverhältnisse ausgeglichen. Der Feind stand auf den flachen Wellen, die zu den flandrischen Bergen nach Norden ansteigen; seine Artillerie fand im Gegensatz zur deutschen gute Deckung und günstige
Beobachtungsverhältnisse, so daß die Angriffstruppen in den verhältnis¬ mäßig schmalen Gefechtsstreifen schwerere Verluste erlitten als die dünnen Linien des Verteidigers.
Zwischen Neuve Eglise und Bailleul bildete die deutsche Front noch einen zurückspringenden Bogen, der durch die inneren Flügel beider Armeen beseitigt werden sollte. Der rechte Flügel des II. bayerischen *) S. 269 u. ©.301 ff. 2) Hm 5° nachm. war Gen. von Kühl zu einer Besprechung bei der O. H. L. in Avesnes,
Näheres S. 304f. 3) Gliederung des Angriffsflügels am 13. April: II. bayer. A. K. mit 117. I. D., II. R. D., Alp. K.; dahinter 32. u. 33. g. 10. E. D. XIX. A. K. mit 81. R. ©., 42. g. D., 12. R. D., 35. I. D. 55. Korps mit 8. I. D., 8. bayer. R. D., 16. F. D., 1. bayer. R. §>.; dahinter 43. R. D., 240. g. S>. IV. A. K. mit 13., 44. u. 43. R. D., 4. E. D.
Geringe Angriffsfortschritte.
281
Armeekorps (117. Inf. Div.) griff um 600 vormittags, eine halbe Stunde vor dem X. Reservekorps, an und geriet, da seine Angriffsrichtung zu der
des Nachbarkorps fast senkrecht stand, in das Strichfeuer der 214. InfanterieDivision. Der Angriff blieb liegen. Eine halbe Stunde später begann der Angriff des X. Refervekorps; er gelangte bis nach Neuve Eglise hinein, erhielt nun aber seinerseits aus der ungeschützten linken Flanke so starkes Feuer, daß er durch feindliche Gegenstöße wieder fast bis in die Ausgangs¬ stellung zurückgeworfen wurde. Am linken Flügel des II. bayerischen Armeekorps verzögerte sich der Einsatz des Alpenkprps erheblich. Der um
S 0vormittags beabsichtigte Angriff aus Bailleul wurde daher in Anbetracht
starker feindlicher Gegenwirkung auf 330 nachmittags verschoben. Die Hergänge, von denen die Oberste Heeresleitung durch ihre Verbindungsoffiziere alsbald unmittelbar Kenntnis erhielt, veranlaßten ihr Eingreifen. Die 117. Infanterie-Division wurde für den weiteren Angriff dem X. Reservekorps unterstellt. Die Heeresgruppe ordnete das Gleiche auch für die 32.Infanterie- und 10. Ersatz-Division an. Bis zum Abend nahmen die 214. und 11. bayerische Infanterie-Division des
X. Reservekorps Neuve Eglise. Das II. bayerische Armeekorps gelangte bis an den Südrand von Bailleul und bis vor Meteren. Das XIX. Armee-
korps nahm Merris und Bieux Berquin. Der rechte Flügel des SS. Korps erreichte den Ostrand des Waldes von Nieppe, wo eine sich verzweifelt wehrende britische Garde-Brigade vom XIX. Armeekorps in der linken
Flanke gefaßt und aufgerieben wurde. Südlich der Lys hatte sich der feindliche Widerstand derart versteift, daß keine Fortschritte mehr erzielt wurden.
General Ludendorff war von den Ergebnissen der Offensive in zu-
nehmendem Maße enttäuscht. Durch seine, auch zu Korps und Divisionen entsandten Verbindungsoffiziere wurde er über Einzelhergänge unmittelbar und dabei oft früher oder auch anders unterrichtet als Armee-Oberkommandos und Heeresgruppe. So gewann er am 13. April durch die an diesem
Tage an der Front besonders zahlreich austretenden Reibungen den Eindruck, daß dort nicht überall glücklich geführt werde; er suchte daher mehrfach
durch unmittelbare Eingriffe auch in Einzelheiten der Kampsleitung nachzuhelfen. Der ö. Armee hatte er angesichts der teilweise übergroß gewordenen Korpsabschnitte bereits die Generalkommandos des GardeReservekorps und IX. Reservekorps zur Verfügung gestellt, von denen das erstere den Abschnitt zwischen X. Reservekorps und II. bayerischem
Armeekorps übernehmen sollte. Das Generalkommando des IX. Reservekorps, befahl er, zwischen 55.Korps und IV. Armeekorps einzuschieben mit
282
Schlacht bei Armentisres und Eroberung des Kemmel.
iz. Apru. der Aufgabe, den „Angriff über St. Venant zunächst so weit fortzusetzen, daß Eisenbahnanlagen nordwestlich Guarbecque und Stahlwerk von Isbergues^) unter wirksamstes Artilleriefeuer genommen werden können. Der Zerstörung von Fabriken und Bergbauanlagen vor der Front des
IX. Reservekorps und IV. Armeekorps durch weittragendes Flachfeuer"
sei besondere Bedeutung zuzumessen. Die Heeresgruppe befahl für den 14. April, den Angriff auf die Höhen östlich und westlich von Bailleul so frühzeitig wie möglich fortzu¬ setzen. Beide Armeen sollten den Hauptdruck aus ihre inneren Flügel legen, die 4. auf den Höhen nordöstlich von Bailleul Fuß fassen und den Angriff gegen die Linie Wytschaete—Kemmel planmäßig vorbereiten, die 6. über Meteren—Strazeele in der Richtung aus Godewaersvelde—Hazebrouck Raum gewinnen.
Nach den daraufhin erlassenen Weisungen der 4. Armee hatte das XVIII. Reservekorps das Vorgehen des X. Reservekorps wie bisher durch Artilleriefeuer zu unterstützen. Das X. Reservekorps, an dessen Befehle auch die 117. Infanterie-, 10. Ersatz- und 32.Infanterie-Division gebunden
blieben, sollte unter Flankendeckung gegen Wulverghem möglichst rasch auf Mt. Roir—St. Jans Cappel vorstoßen und Bailleul von Norden und
Osten abschließen. Nachdem dies geschehen, hatte die II. bayerische Infanterie-Division die 214. abzulösen. Bon der S.Armee hatte der rechte Flügel Bailleul von Süden und Westen abzuschließen und auf Berthen vorzugehen. Mittags sollte das
Generalkommando des IX. Reservekorps (Generalleutnant Dieffenbach) zwischen 55.Korps und IV. Armeekorps den Befehl über die 16. Infan-
terie-Division, 1. bayerische Reserve-Division und die frisch einzusetzende 240. Infanterie-Division übernehmen. Es erhielt den Auftrag, sich der Orte St. Venant und Robecq und am 15. April der Geländewelle westlich von
Mt. Bernenchon und Hinges zu bemächtigen. i«. Apru.
Die Ergebnisse des 14. April blieben hinter den Forderungen der
Führung abermals weit zurück: Die 4. Armee machte keine Fortschritte; aus beiden Flügeln wurden die Kämpfe zunächst abgebrochen. Zur Entlastung des X. Reservekorps, dem acht Divisionen unterstanden, wurde dessen linker Flügel (117. Ins., 10. Ers. und 32.Inf. Div.) vom 15. April früh an dem Generalkommando des
Garde-Reservekorps (General der Kavallerie Freiherr Marschall) unterstellt. Auch die 6. Armee hatte keine besonderen Erfolge zu verzeichnen. Aus Befehl der Obersten Heeresleitung, nach deren Ansicht das Generali) 5 km südöstl. von Aire.
Zunehmende Schwierigkeiten.
283
kommando des II. bayerischen Armeekorps unzweckmäßig geführt habe, wurde dieses durch das des III. bayerischen Armeekorps.(Generalleutnant Freiherr von Stein) ersetzt. Das Alpenkorps wurde aus der Front gezogen, um westlich von Bailleul verwendet zu werden.
Am 15.April sollte der Angriff utnll0 wieder ausgenommen werden. Aber das XIX. Armeekorps machte geltend: Das sei zu früh; ein neuer
Angriff habe nur nach sorgfältiger Erkundung und längerer starker ArtillerieVorbereitung Aussicht auf Erfolg. Bis zum 15. April mittags sei das
Heranschaffen ausreichender Munition ausgeschlossen (die vorhandenen Lastkraftwagen genügten dazu nicht, und die Eisenbahn war noch nicht nachgebaut). Die Truppe sei übermüdet. Andere Korps äußerten sich in demselben Sinne. Der Generalstabschef der 6. Armee Oberst von Lenz
meldete der Heeresgruppe: „Die Truppen greifen nicht an, trotz Be¬
fehlen. Die Offensive hat sich festgelaufen". Zur Defensive sei die Auf¬ stellung ungeeignet. Man müsse anders verfahren, planmäßig an geeigne¬ ten Stellen angreifen, zunächst gegen Meteren—Strazeele, und zwar frühestens am 17. oder 18. April, denn es erfordere mindestens drei Tage
Vorbereitung. Gleichzeitig müsse das IV. Armeekorps gegen Festubert— Givenchy angreifen. Dazu reiche die Artillerie leidlich aus. Man könne „nur mit Feuerwalze arbeiten, da keine erkennbaren Stellungen". Einige
Tage später seien die Höhen bei Bernenchon—Hinges zu nehmen. Weitere
Divisionen müßten zur Verstärkung herangeführt werden*). Ähnlich äußerte sich General von Loßberg für die 4.Armee: „Zäher Feind, viel Maschinengewehre!... In der bisherigen Schnelligkeit wird es nicht weitergehen. Aber andererseits hat der Feind keine aus¬ gebauten Stellungen mehr. Wir kommen jetzt in welliges Gelände". Das sei besser als die unübersichtliche Ebene, die Artillerie könne besser ausgenutzt
werden. Der Feind sei stark geschwächt. Zum planmäßigen Angriff brauche man eine Woche Zeit. Vielleicht gehe es doch irgendwo vor¬
wärts. „Also Offensive fortsetzen, aber nicht drängen. 4. Armee: Erst Höhe zwischen Neuve Eglise und Bailleul gewinnen, das Tempo wird langsamer werden. 6. Armee Hauptdruck Meteren—Strazeele".
Heeresgruppe wie Oberste Heeresleitung vermochten sich diesen Darlegungen und damit der Notwendigkeit eines Aufschubs nicht zu ver¬ schließen; denn der erste Angriffsschwung war unter den steten Kämpfen
und Anstrengungen zweifellos verebbt. Die Abgänge durch blutige Ver¬
luste und Krankheiten hatten beträchtliche Lücken gerissen. Insbesondere machte sich der hohe Verlust an Offizieren, bei manchen Divisionen weit i) Vortragsnotiz des Gen. von Kühl vom 14. April, ebenso das folgende.
I
284
Schlacht bei Armentiöres und Eroberung des Kemmel.
über 1001)-, fühlbar. Dazu kam, daß viele Kämpfer den in allen Orten reichlich vorgefundenen Weinvorräten nur zu leicht zum Opfer fielen. Beim Gegner aber war die Wirkung der Anfangsüberraschung in sechs
Angriffstagen allmählich geschwunden; er hatte Reserven heranbringen und den Widerstand neu aufbauen können.
l-.Ap.».
Mer das bisher Erreichte lieh General Ludendorfs allen Heeres¬ gruppen und Armee-Oberkommandos mitteilen: „Der Einbruch beiderseits Armentisres hat zu einem neuen großen taktischen Erfolg geführt. Der Widerstand, der am 14. und 15. April namentlich in englischen Maschinen-
gewehrnestern angetroffen wurde, ist so stark geworden, daß wesentliche Erfolge erst nach besserer Munitionierung der Artillerie erreicht werden können. Sie wird in zwei bis drei Tagen bewirkt sein. Die Angriffe der 4. und S.Armee werden dann fortgesetzt".
Die 4. Armee beließ es für den linken Flügel bei dem bisherigen Auftrags; für den rechten hatte sie zu melden, wann der Angriff „Tannenberg" aus dem Houthulster Wald auf Bixschote—Poperinghe^) einsetzen könne. Die ö.Armee nahm für den 17.April einen Teilangriff des III. bayerischen und XIX. Armeekorps gegen die Höhen nördlich von Bailleul— Strazeele in Aussicht, für den 18. Angriffe des IX. Reservekorps gegen und über den Kanal sowie des IV. Armeekorps gegen Festubert—Givenchy. Unterdessen hatte am 15. April morgens die 49. Reserve-Division (XVIII.Reservekorps) der 4. Armee Wulverghem genommen, das X. Reservekorps sich dem Vorgehen angeschlossen. Bis zum Abend war die ganze Front zwischen Wytschaete und Bailleul bis zu zwei Kilometern vorgekom-
men, denn der Gegner hatte seine Hauptwiderstandslinie zurückverlegt; seine Artillerie wirkte vom Kemmel und von Dranoutre her. Auch bei der 5. Armee waren einzelne Stellungsverbesserungen erreicht. Das ArmeeOberkommando wurde von Tournai nach Lille vorverlegt. Räch den Erfolgen des Tages befahl die 4. Armee dem XVIII. Reservekorps, am 16. Wytschaete zu nehmen. X. und Garde-Reservekorps sollten ihre Artillerie näher an die Höhen heranschieben und mit der Infanterie „je nach der Entwicklung der Lage" weiter vordrücken. Der allgemeine Angriff wurde im Verein mit der ö. Armee frühestens für den 17. April in Aussicht genommen, da man auch weiter mit sehr zähem
englischem Widerstand rechnete. J) Der Ausfall an Offizieren betrug bis zum 22. April bei 8. I. D. ISS, 43. R.D. 133, 44.91.©. 117, 18. R. D. 95, 8. bayer. R. D. 85 (Meldungen des Obst, von Lenz in Vortragsnotizen des Gen. von Kühl). 2) S. 282. 3) S. 276 und 279.
Vorübergehende Einstellung des Angriffes.
235
Rückgängige Bewegungen des Feindes führten aber schon am 16. April is.Apru. zum Nachdrängen und in örtlichen Teilkämpfen zu erheblichem Gelände¬ gewinn. Im Bereich der 4. Armee sielen endlich Wytschaete, die Höhen westlich von Wulverghem und der Ort Bailleul; der rechte Flügel der S.Armee nahm Meteren. Abends verlief die vorderste Linie von Wyt¬
schaete südlich an Dranoutre, St. Jans Cappel und Meteren vorbei nach Merris. Heftige, zum Teil mit Tanks unterstützte Gegenangriffe aus Meteren wie auch gegen die Front des XIX. Armeekorps und verstärktes Artillerieseuer auf der ganzen Front der ö. Armee zeugten vom Eintreffen frischer Kräfte beim Feinde. Am Vormittag hatte General von Kühl in Besprechungen bei Korps der 4. Armee die Frage aufgeworfen, ob es nach den Erfolgen des Vor-
tages nicht doch möglich sei, jetzt gleich den allgemeinen Angriff aufzunehmen. General von Lohberg hielt das angesichts der verminderten Kampfkraft der Divisionen, deren Infanteriestärken arg zusammengeschmolzen waren für ausgeschlossen. Der Gegner werde den Kemmel und das Höhengelände mit größter Hartnäckigkeit verteidigen und nur Schritt um Schritt nachgeben. Auch war die 6. Armee wegen unvorhergesehener Verzöge-
rungen im Artillerieaufmarsch ohnehin nicht imstande, die für ihre An-
griffe in Aussicht genommenen Zeiten innezuhalten. Abweichend von den Darlegungen des Generals von Lohberg berichtete aber General von Kühl angesichts des neuerlichen Geländegewinns der 4. Armee nachmittags an General Ludendorfs: „Der Feind hat seine
besten Kräfte in Richtung Bethune—Aire vorgeführt, hält stark bei Strazeele gegen, ist dagegen vor der 4. Armee weniger stark. Ich habe Zweifel, ob er den Kemmel verteidigen will. Unsere Truppen kommen hier gut vor-
wärts, hier sind nur stark durcheinander gekommene Verbände des Feindes. Er will hier nur aufhalten. Sonst hätte er Wytschaete festhalten müssen. Nach dessen Verlust ist der Kemmel schwer zu halten, ist überhaupt keine so starke Stellung"^. General von Kühl befürchtete, daß der Gegner den
Vpern-Vogen räume, worauf jetzt schon Anzeichen hindeuteten, bevor ihn der noch in Vorbereitung befindliche Angriff „Tannenberg" treffe. Er schlug daher, wie schon am 12. April in Avesnes^), vor, alle verfügbaren Kräfte der Heeresgruppe, auch wenn die 2. Armee dadurch so geschwächt 1) Beim XVIII. R.K.: Regimenter der 7. g. D. 680—700, der 17.9?.©. 650, der 49. N. D. 900—1000 Mann; beim G. K.: 6. bayer. I. D. Komp. Stärken nur noch 50 Mann (diese Division kam, ohne ihre Verluste aufgefüllt zu haben, aus der Michael-Schlacht). 2) Dies und Nächstfolgendes nach Vortragsnotizen des Gen. von Kühl vom ld. April.
3) 6. 304 f.
286
Schlacht bei Armentiöres und Eroberung des Kemmel.
i6. April, werde, daß sie nicht mehr angreisen könne, bei der 4. und 6. Armee zur Nährung des Angriffs einzusetzen, später auch bei der 17. Armee, die dann aus Doullens vorgehen solle. General Ludendorfs, der eine Beteiligung der 17. Armee am Angriff bisher abgelehnt hatte, stimmte diesem Gedanken nunmehr zu, glaubte aber noch nicht an völlige Räumung des Ppern-Bogens und wollte auch den bei der 2. Armee beabsichtigten Teil'
angriff nicht ausgeben.
5. Die Rümpfe vom bis 24. April und der Abschluß der Schlacht bei der 6.Armee. Unterdessen hatten sich die Vorbereitungen für den planmäßigen Angriff Tannenberg zur Abschnürung des Vpern-Bogens vom Houthulster Walde her, mit denen das Gardekorps der 4. Armee zunächst
am 16. und 17. April hatte fertig sein wollen, so schnell nicht erledigen lassen; der Angriff war daher erst für den 20. April in Aussicht genommen. Am IS. April waren für ihn vier Divisionen in vorderer Linie, zwei dahinter, dazu 180 Batterien, davon 100 schwere, bereit oder im Ausmarsch; zwei weitere Divisionen wurden erwartet. Mitten in diese Vorbereitungen hinein trafen nun abends Meldungen, nach denen der Gegner von Poelkapelle (östl. von Langemarck) bis zum Kanal von Hollebeke im Zurück¬
gehen sei1). Ihm folgend hatten Truppen des Gardekorps Passchendaele besetzt und gingen gegen Zonnebeeke vor, Teile des XVIII. Reservekorps drangen bei Zandvoorde in die feindliche Stellung ein; dagegen schien der Gegner vor dem Houthoulster Walde noch zu halten. Unter diesen Umständen befahl General von Armin für den l7. April den Angriff „Blücher"^); dabei wollte er durch Vorstoß aus dem Houthoulster Wald gegen die Abergänge über den Uer-Kanal bei Boesinghe Belgier und Engländer trennen. Gleichzeitig befahl bei der S.Armee General von Quast den Angriff des III. bayerischen und XIX. Armeekorps. ».April.
Bis zum Morgen des 17. April waren die Truppen der 4. Armee
dem Gegner bereits bis Langemarck und Zonnebeke gefolgt. Der Angriff „Blücher" des Gardekorps^) begann um 9° vormittags aus der Linie Blankaart-See—Langemarck, gewann aber gegen die Stellungen der bel¬ gischen 10. und 3. Division nur langsam Boden; auch die Divisionen des II. Treffens konnten die Lage wenig bessern. Nachmittags warf ein Tatsächlich war die Bewegung schon seit der Nacht zum 13. April im Gange ge-^
wesen (S. 292). 2) S. 269. 3) Gliederung des G. K. am 17. April: 6. bayer. F. §>., 1. L. D., 58. u. 236. g. §>.; dahinter 233. F. D., 19. R. T>.. 83. I. D., 13. R. D.
Fortschritte gegen den Vpern-Bogen.
287
Flankenstoß der Belgier den rechten Flügel sogar in die Ausgangsstellung zurück und nahm ihm etwa 700 Gefangene ab. Links davon war der An-
griff über den Ostrand von Merckem und die Gegend westlich von Lange-
marck nicht hinausgelangt. Die 36. Reserve- und 11. bayerische InfanterieDivision des X. Reservekorps erzielten geringe Fortschritte in der Richtung aus den Kemmel. Im übrigen aber kam der Angriff ebenso wie bei der
6. Armee nicht in Gang. Fast an der gesamten Front wurden zahlreiche
neue Batterien des Gegners festgestellt. Funkverkehr sowie Kampfweise der Infanterie und Artillerie deuteten an verschiedenen Stellen auf An-
Wesenheit französischer Truppen hin; bei Meteren hatten Franzosen angegriffen. Es blieb kein Zweifel mehr möglich, daß der Feind im VpernBogen nur eine kurze Strecke zurückgegangen war und sich an der gesamten
Angriffsfront zu hartnäckiger Verteidigung in günstigerer Stellung wieder
gesetzt hatte.
Am 6 0 abends meldete die 4. Armee, daß die Fortführung des Angriffs
frische Infanterie erfordere; fünf Divisionen müßten abgelöst werden. Ähnlich meldete die S.Armee. Die Heeresgruppe konnte aber erst vom 21. April ab einige Divisionen in Aussicht stellen. Die Oberste Heeresleitung wollte ihre Stellungnahme vom Verlauf des weiteren Angriffs beim Gardekorps am 18. April abhängig machen; dieses sollte dann je nach dem Ergebnis entweder verstärkt werden oder aber seine Reserven abgeben.'
Zur Fortführung des Angriffs an der Gesamtfront fehlten die Kräfte. Demzufolge hatte bei der 4.Armee am 18.April lediglich das Gardekorps den Angriff fortzusetzen, die übrigen Korps waren — unbeschadet der Ausnutzung örtlicher Vorteile — anzuhalten. Dem X. Reservekorps
wurde ein von ihm beabsichtigter Handstreich auf den Kemmel freigestellt. Die 6. Armee wollte den Angriff ihres rechten Flügels verschieben, bis die Vorbereitungen weiter gediehen wären; nur IX. Reservekorps und
IV. Armeekorps hatten den ohnehin für den 18. April geplanten Angriff gegen Mt. Bernenchon—Festubert durchzuführen. Den Angriffen des 18. April blieb aber jeder Erfolg versagt. Bei der is. April.
4. Armee stellte sich heraus, daß die 6. bayerische Infanterie-Division keine Angriffskrast mehr hatte*). Die zur Verstärkung anrückende 83. Infanterie-
Division traf infolge ungewöhnlich schlechter Bodenverhältnisse nicht rechtzeitig ein. Der Angriff des Gardekorps mußte aufgeschoben werden. Der Handstreich des X. Reservekorps auf den Kemmel blieb unausgeführt, da
schon der Anmarsch in die Bereitstellung durch heftiges feindliches Artilleriefeuer gefaßt wurde. Bei der ö. Armee wurde der Angriff nach schweren, ') S. 236, Anm. 1.
288
Schlacht bei Armentisres und Eroberung des Kemmel.
is. Aprn. wenn auch anfangs glücklichen Kämpfen des IX. Reservekorps am La BasseKanal und des IV. Armeekorps bei Festubert und Givenchy aufgegeben.
Unterdessen hatte die Heeresgruppe nach Aussprache mit der Obersten Heeresleitung vormittags Folgendes befohlen! 4. und 6. Armee sollten den einheitlichen Angriff ihrer inneren Flügel beiderseits Bailleul erst nach planmäßiger Vorbereitung wieder aufnehmen, im übrigen die erstere den Feind im Vpern-Bogen durch „konzentrischen Angriff sowie durch Zusammenfassung des schweren Flachfeuers" gegen seine Verbindungen ins Weichen bringen. Dazu war der Angriff des Gardekorps, verstärkt
durch drei Divisionen, in der Richtung aus Poperinghe unter baldigster Heranziehung der kampfkräftigsten Reserven mit aller Kraft vorwärtszutragen, XVIII. und X. Reservekorps sollten die Fortnahme der Höhen¬
stellung Groote Vierstraet—Kemmel—Dranoutre und westlich vorbereiten. Zwei Divisionen wurden der 4. Armee neu zur Verfügung, zwei weitere bis zum 2l. und 22. April in Aussicht gestellt. Da man mit feindlichen
Gegenangriffen von Bethune her rechnete, hatte die ö. Armee dauernd Reserven hinter ihrem linken Flügel bereitzuhalten. Der Gedanke einer umfassenden Operation gegen die Engländer unter Beteiligung der 17. Ar¬ mee wurde ausgegeben.
Die 4. Armee gab entsprechende Befehle. Das Gardekorps wollte daraufhin zunächst die am Rordufer des Steen-Beek liegenden betonierten
feindlichen Maschinengewehrstände niederkämpfen. Bis zum Abend des 18. April stellte sich aber heraus, daß die eigene vordere Linie vom SteenBeek noch weit ab war; Generalleutnant von Boeckmann meldete, daß
die Vorbereitungen zur Aberwindung der starken feindlichen Stellung noch mindestens acht Tage dauern würden. General Ludendorfs stellte daraus zur Erwägung, den Stoß weiter südlich in der Richtung des Zillebeker Sees zu führen; die 4. Armee hielt aber die bisherige Richtung im Hinblick auf den gegen den Kemmel geplanten Angriff für günstiger. Um Mitternacht wurde entschieden, daß der Angriff des Gardekorps einzustellen sei. An der Absicht, den Kemmel nach planmäßiger Vorbereitung wegzunehmen, hielt man fest. is.Apru.
Am 19. April legte die 6. Armee in einer Beurteilung der Lage dar, daß wegen der zunehmenden Stärke des Gegners „nur mehr begrenzte,
durch stärkste Artilleriewirkung vorbereitete Angriffe möglich" erschienen. Die beim letzten Angriff angewandte Artillerievorbereitung habe sich als nicht ausreichend erwiesen. Vor neuem Angriff sei „mehrtägige stärkste Vekämpfung der feindlichen Artillerie und Infanterie nötig", auch bedürften die zur Zeit eingesetzten Divisionen der „Auffrischung und einiger Ruhe,
bevor sie wieder angrisfskräftig werden". Die Heeresgruppe, die diese
Einstellung des Angriffs.
239
Meldung der Obersten Heeresleitung vorlegte, sprach sich gegen Wiederaufnähme des Angriffs aus: Bei der Stärke des feindlichen Widerstandes werde „selbst bei stärkstem Artillerieeinsatz nur ein bemessener Geländegewinn", ähnlich wie ihn die Engländer zuletzt in der Flandern-Schlacht
errangen, erreichbar sein. „Die Kämpfe werden zur Materialschlacht werden. Diese bietet aber keine Aussicht und muß vermieden werden".
Die 6.Armee sei daher auf Abwehr umzustellen; ihre jetzige Front sei dafür im allgemeinen brauchbar. Die 4. Armee sollte den Angriff gegen den Kemmel weiter vorbereiten. Die Oberste Heeresleitung trat der von der Heeresgruppe dar¬ gelegten Auffassung bei. Am 20. April ordnete sie an, daß die ß. Armee 20. April,
noch die abschnittsweise Wegnahme von Festubert und Givenchy durchzuführen habe, auch sollten die Bergwerke und Industrieanlagen vor dem linken Armeeflügel weiterhin durch Artillerie und Bombengeschwader bekämpft werden. Bei der 4. Armee liefen die Vorbereitungen für den
Kemmel-Angriff weiter.
Die 6. Armee hatte in den nächsten Tagen sich einiger heftiger feind-
«•
liehet Gegenangriffe zu erwehren, so am 21.und 23. April das IX. Re- 24' !"ptU*
servekorps bei Mt. Bernenchvn. Bei der 4. Armee vereitelten in der Nacht zum 23.April Teile des Marinekorps den Versuch englischer Seestreitkräfte, die Hafeneinfahrten von Zeebrugge und Ostende durch Versenkung von
Schiffen mit Iementladung zu sperren. Am 24. April richteten sich Angriffe gegen das III. bayerische Armeekorps, IX. Reservekorps und IV. Armeekorps der 6. Armee, wobei letzteres einen am 22. April gewonnenen
Stützpunkt bei Festubert wieder aufgeben mußte. Auf die Absicht, Festubert und Givenchy zu nehmen, wurde nunmehr verzichtet. Das Heeresgruppen-Kommando wurde am 24. April von Möns
nach Tournai vorverlegt^).
6.DieMaßnahmen des Gegners seit dem 9.Aprip). Als die deutsche 6. Armee am 9. April bei Armentieres in die Front S-Apr«. der britischen 1. Armee einbrach, waren von insgesamt 53 in Frankreich 1) Auher Zusammenhang mit den Kämpfen an der Front wurde vom 20. April ab eine Gruppe Gent (Gen. Kdo. XIX. A. K. mit 3 soeben aus der Front gezogenen Divi¬
sionen sowie starker schwerer Artillerie, Luftstreitkräften usw.) in der Linie Antwerpen— Brügge zusammengezogen, um einen Druck auf Holland auszuüben, mit dem man über
Durchfuhr- und Ausfuhrfragen verhandelte. An militärisches Eingreifen war dabei ernstlich nicht gedacht. Die Gruppe wurde, nachdem der Zweck erreicht war, bereits Ende April wieder aufgelöst. 2) Anschluß an S. 24b und 271. Weltkrieg. XIV. Band.
290
.; dahinter 49. u. 19. R. D., 56. F. D.
X. R.K. mit Alpenk., 4. bayer. I.D., 22. R.D.; dahinter 214. I.D., 10. E.D., 121. g. D. Reserven: 52. u. 79. R. D.
2) Tatsächlich standen Teile von 4 englischen Divisionen und 2 französischen Divisionen gegenüber, 3 französische Divisionen dahinter.
Abschluß des Kampfes am Kemmel.
299
8. Betrachtungen. Der Georgette-Angriff war ein geschickter und wirksamer operativer Schachzug gewesen. Er hatte eine besonders weiche und von Reserven entblößte Stelle des Gegners getroffen und ihn gezwungen, insgesamt 19 Infanterie- und sechs Kavallerie-Divisionen von anderen Fronten heranzuziehen, davon mehr als die Hälfte von der bisherigen Hauptkampffront. In dieser Hinsicht konnte der Zweck im wesentlichen als erreicht angesehen werden. Da sich der Gegner zu jener Maßnahme nur sehr zögernd entschloß, blieben die Erfolgsaussichten des Angriffs über Erwarten lang besonders günstig. Trotzdem war es wiederum nicht geglückt, die für die
operative Ausnutzung des Schlages erforderlichen Vorbedingungen zu schaffen. Es war weder gelungen, bis gegen St. Omer vorzudringen, noch
den Nordflügel des britischen Heeres durch Inbesitznahme der beherrschenden Höhenwelle Kemmel—Cassel entscheidend zu bedrohen, geschweige denn zum Einsturz zu bringen oder gar gegen das Meer zu drücken. Auch die Front im Vpern-Vogen hat der Feind, wie es scheint, weniger deswegen
zurückgenommen, weil sie unhaltbar geworden war, als mit dem Ziele,
Kräfte zur Abwehr freizubekommen.
Die Infanterie der deutschen 6. Armee war am Vormittag des 9. April
besonders tief in die feindliche Front eingedrungen. Die britische Artillerie war größtenteils genommen. Aber wiederum war es trotz besonders gründlicher Vorbereitung nicht gelungen, die eigenen Batterien durch das vom
Regen ausgeweichte Graben- und Trichtergelände der feindlichen Stellungen so rasch nachzuziehen, daß der Angriff am Nachmittag oder auch nur am zweiten Tage unter Ausnutzung der beim Feinde herrschenden Schwäche und Verwirrung fließend weitergehen konnte. Die englische Front an der Lawe, vor der die deutsche Infanterie bereits am ersten Tage mittags eintraf, ist erst am dritten Tage morgens bezwungen worden. Damit war eine Verzögerung eingetreten, die sich nicht wieder einholen ließ. Das
Einzige, was über diese Schwierigkeiten vielleicht hätte hinweghelfen können,
gut genährte und dadurch leistungsfähige Pferde in ausreichender Zahl für Artillerie und Fahrzeuge, hatte nicht gegeben werden können. Der Angriff des linken Flügels der deutschen 4.Armee am 10. April hatte mit bescheidenem Artillerie-Einsatz gegen eine von Natur wie durch die Art der Stellungen und deren- Besetzung stärkere feindliche Front geführt werden müssen als tags zuvor der Angriff der ö. Armee. Dementsprechend waren auch die Ergebnisse geringer. Für beide Angriffe, besonders aber für die nach dem Einbruch in das feindliche Stellungssystem alsbald sich ergebenden Ausgaben des Be-
Schlacht bei Slrrncntierca und Eroberung des Kemme!.
300
wegungskrieges, hatte die Truppe in keiner Hinsicht so gut und gründlich vorbereitet und ausgestattet Werden können wie für die Michael-Offensive. And doch hat sie im ersten Anlauf am 9. April Vorbildliches geleistet und außerordentliche Erfolge erzielt, bis die Stoßkraft allmählich erlahmte und nur noch da nennenswerte Fortschritte gemacht wurden, wo frische Kräfte eingesetzt werden konnten. Oberste Heeresleitung und Heeresgruppe haben der Einbruchsfront vor und nach Beginn des Angriffs zugeführt, was in
ihren Kräften stand. Die Verpflegung machte keine Schwierigkeiten, denn sie konnte weitgehend aus dem eroberten Gebiet gedeckt werden. Der
Nachschub an Munition aber reichte nicht aus, den Angriff in Fluß zu halten,
sobald der feindliche Widerstand sich versteifte und der Bedarf angesichts der nachlassenden Stoßkraft der Infanterie stieg. Der Angriff gegen den Kemmel am 25. April hat die durch den Georgette-Angriff bisher gewonnene, weit ausladende und damit von 35
auf 50 Kilometer gedehnte Stellung wenigstens etwas abkürzen, vor allem aber rein taktisch verbessern sollen. Erst wenn dieser erste Erfolg gesichert war, wollte man über Fortsetzung des Angriffs entscheiden. Damit wurde
eine günstige Gelegenheit verpaßt, zum mindesten den später vergeblich erstrebten Besitz des Scherpenberges zu erreichen. Hier hat die vor allem von General von Löhberg befürwortete und auch von General Ludendorff
gebilligte engbegrenzte erste Zielsetzung sowie die Mahnung, das Nach¬ kommen der Artillerie abzuwarten, hemmend gewirkt. Man ist daher über
eine allerdings sehr wesentliche örtliche Stellungsverbesserung und eine geringe Frontverkürzung nicht hinausgekommen. Insgesamt waren bis zum 29. April an der Front von Merckem bis
zum La Bassse-Kanal einschließlich der ursprünglichen Stellungs-Divisionen nach und nach 55Divisionen (davon elf, die schon in der Großen Schlacht in Frankreich geblutet hatten) in den Kampf getreten, während aus feind¬ licher Seite 22 Infanterie- und drei Kavallerie-Divisionen an ihm teilnahmen. Die deutschen Verluste betrugen 8b000 Mann, die des Gegners über 100000 Mann^), davon 30000 Gefangene, und mehr als 250 Ge-
schütze.
Das Ergebnis war vor allem eine erhebliche, aber doch keineswegs
entscheidende neue Schwächung der gegnerischen Kampfkraft, die allerdmgs nicht billig erkauft war. Die Franzosen waren gezwungen worden,
schließlich neun Infanterie- und drei Kavallerie-Divisionen nach Flandern zu senden, denn das englische Heer allein war nicht mehr imstande, sich größerer Angriffe zu erwehren. Es hatte weit mehr Gelände verloren, als es i) Engländer 82000 Franzosen etwa 30000.
301
Betrachtungen.
1917 in fast vier Monate währendem, blutigstem Ringen gewonnen hatte. Dem entsprach der Niedergang der Stimmung in England. Gleichzeitig
sah Frankreich wesentliche Grundlagen seiner Rüstungsindustrie, die Kohlengruben von Bethune und die Stahlwerke von Isbergues, un-
mittelbar gefährdet. Die neue deutsche Front schuf für die UnterseebootsBasis an der flandrischen Küste wieder größere Sicherheit und bedeutete eine dauernde ernste Bedrohung der Basis des englischen Heeres an der
Küste. Sie konnte wertvoll sein als Ausgangsstellung für weitere An¬
griffe. Sie erforderte aber auch erheblich mehr deutsche Kräfte, als bisher in Flandern eingesetzt gewesen waren. Einstweilen ständen an ihr sogar 43 deutsche Divisionen nur 35 feindlichen in der vorderen Linie gegen¬
über^).
Insgesamt war es gelungen, den Gegnern an einer zweiten empfind¬
lichen Stelle der Westfront einen kräftigen Schlag zu versetzen und sich damit für weitere Wochen die Initiative zu sichern. Das war viel; um dem Endsieg entscheidend näher zu kommen, bedurfte es aber neuer großer
Anstrengungen.
0. Weiterentwicklung der Lage an der Michael-Front 2).
Die Schlacht bei Villers-Bretonneux. Beilagen 4c und 10,
Die Michael-Offensive war so wei^ vorgedrungen, daß der Verkehr s.h» durch Amiens stark behindert und damit die wechselseitige Unterstützung der englischen und französischen Front erschwert war. Bei Abschluß dieser Offensive hatte General Ludendorff am A.April abends Meldung er¬ beten, wann die 17., 2. und 18. Armee zur Weiterführung des Angriffs befähigt seien. Als tags daraus 17. und 2. Armee meldeten, daß sie einen größeren Angriff nicht vor drei Wochen machen könnten^), forderte er an¬
gesichts des auf den 9. April festgesetzten Georgette-Angriffs Beschießung des Eisenbahnknotenpunktes Amiens sowie zur Fesselung des Gegners 1) Am 29. April standen in Flandern in der Front: Deutsche: 4. Armee 17 Divn. b. Armee 26 Divn.
Feind: vor 4. Armee 25 Divn. vor ß. Armee 10 Divn.
43 Divn.
35 Divn.
2) Anschluß an S. 252 ff. 3) Tagebuchaufzeichnung des damaligen Majors Ritter von Prager (Erster Genst. Offz. der Hgr. Kronprinz Nupprecht) vom d. April 1919.
302
Weiterentwicklung der Lage an der Michael-Front.
Teilangriffe beider Armeen. Wenn auch ein großer einheitlicher Angriff südlich der Somme aus Mangel an Kräften nicht gemacht werden könne,
so müsse doch der linke Flügel der 2. Armee, der südlich des Flusses stand, unbedingt am 12. April, wenn sich der Erfolg von Georgette be¬
merkbar mache, angriffsbereit sein, um den Feind festzuhalten. Am 7. April war General Ludendorff ungehalten, daß der „Bogen bei Hangard noch
nicht ausgebügelt" sei, und wiederholte: „Am 12. muß die Armee sprung¬ bereit sein". In diesem Sinne hatte die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht der 17. und 2. Armee inzwischen befohlen, „größere, begrenzte Angriffe"
vorzubereiten. Zunächst aber sollten sie den Feind durch erhöhte Artillerietätigkeit und offensichtliche Vorbereitung weiterer Angriffe fesseln; örtliche Angriffe zur Stellungsverbesserung und zur Schädigung des Gegners seien erwünscht. Schließlich war die Wiederaufnahme des Angriffs im großen vorzubereiten, im übrigen aber durch entsprechende Gliederung die Abwehr, wozu jedoch „Stellungsbau in größerem Umfange zunächst weder nötig
noch zweckmäßig" sein werde. Unterdessen hatten die Franzosen bereits am b. April die vorspringende deutsche Stellung westlich von Castel angegriffen. Die dort stehenden 54. und 2. bayerische Infanterie-Division hatten den Gegner, wenn auch unter erheblichen eigenen Verlusten, abgewiesen. Am 7. April folgten örtliche schwere Angriffe der Engländer bei Hangard, der Franzosen gegen die 18. Armee am Trois Domes-Bach, die ebenfalls abgeschlagen wurden. Vor
allem aber hatten die westlich der Avre stehenden deutschen Truppen dauernd schwere Verluste durch Artilleriefeuer. Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz sah sich daher veranlaßt, am 7. April aus die gefährdete Lage westlich der Avre und des Trois Domes-Baches hinzuweisen: Die Franzosen könnten „zur Hebung der Stimmung in Heer und Volk", wie schon vor Verdun westlich der Maas und an
der Laffaux-Ecke^) mit Erfolg geübt, örtlich begrenzte Teilangriffe unter Einsatz stärkster Artillerie unternehmen. Die Front von Castel bis Mont-
vidier lade zu solchen Angriffen ein, denn sie könne artilleristisch umfaßt und im Rücken durch Vergasung des Talgrundes abgeriegelt werden.
Dieser Gefahr zu begegnen, sah die Heeresgruppe zwei Möglichkeiten: entweder Fortsetzung des Angriffs der inneren Flügel der 2. und 18. Armee, zunächst zur Fortnahme der beherrschenden Höhen westlich von VillersBretonneux und Castel, oder auch Angriff der 18. Armee in südwestlicher Richtung, — oder aber tiefere Gliederung der Verteidigung durch Zurückverlegen des Hauptwiderstandes hinter Avre und Trois Domes-Bach. !) Bd. XIII, S. 101 ff. und 109 ff.
Lage westlich von Avre und Trois Domes-Bach. Angriffsvorschläge.
303
Während die Heeresgruppe damit zwei Vorschläge zur Wahl stellte, hatte sich der Generalstabschef der 18. Armee, General von Sauberzweig, — wie die Oberste Heeresleitung durch ihren Verbindungsoffizier erfuhr —
eindeutig für Ausnutzung der bisherigen Erfolge durch Wegnahme von Amiens ausgesprochen. Damit würden Engländer und Franzosen getrennt, spätere Fortsetzung der Operationen nach Südwesten werde ermöglicht und ein großer politischer Erfolg errungen. Die Vorbereitungen würden min¬
destens zehn Tage erfordern. Zu dem seitens der Heeresgruppe vorge¬ schlagenen Angriff der 18. Armee nach Südwesten bemerkte General Ludendorff: „sehr richtig". Eine Entscheidung traf er aber einstweilen
nicht. Der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht schlug General Ludendorff am 8. April Angriffe an den „drei Druckstellen" Arras, Albert und südlich der Somme vor. Darauf meldete diese Heeresgruppe am 9. April, die von der 17. und 2. Armee hiernach beabsichtigten Angriffe
könnten frühestens am 16. stattfinden. Hinsichtlich der Gesamtoperationen
fügte sie hinzu:
„Nach den bisherigen Weisungen der Obersten Heeresleitung wird angenommen, daß der Angriff gegen die Engländers weitergeführt, und daß nicht gegen die Franzosen umgruppiert werden soll. Der Eng¬ länder, der bereits durch den Michael-Angriff stark geschädigt ist und voraussichtlich durch den Georgette-Angriff weiter geschwächt wird, soll völlig geschlagen werden. Ob dies durch den Georgette-Angriff und seine weitere Ausnutzung erreicht werden kann, ist nicht zu übersehen.
Sollte der
Georgette-Angriff nach einem taktischen Erfolg steckenbleiben, so muß ein neuer Angriff gegen die Engländer unternommen werden. Es wird vor-
geschlagen, nicht durch einzelne mehr oder weniger groß angelegte Teilangriffe nach und nach den Feind mürbe zu machen, sondern einen einheitlichen, möglichst breiten und möglichst von mehreren Seiten angesetzten
Durchbruchsangriff zu führen. Teilangriffe verbrauchen die Truppen und bringen schließlich doch keine Entscheidung. Ein einheitlicher großer Angriff b.edarf sorgfältigster Vorbereitung, ähnlich wie bei Michael. Die Divisionen müssen sich gründlich erholen. Die Munitionierung ist zeitraubend. Es ist daher mindestens eine Vorbereitung von etwa drei Wochen erforderlich.
Die Angriffsrichtung wird beeinflußt werden von dem Ausgang der Georgette-Operation. Wenn möglich, wäre ein kombinierter Angriff etwa in südwestlicher Richtung über St. Omer—Lillers und von den inneren Flügeln 2. und 17. Armee in Richtung Doullens zu erstreben. Es müßte dann auf einen Angriff südlich der Somme, der hauptsächlich die *) Sperrungen der Forschungsanstalt.
304
Weiterentwicklung der Lage an der Michael-Front.
Franzosen treffen würde, verzichtet werden. Bis zum Beginn des großen
Angriffs müßte man sich darauf beschränken, durch örtliche Angriffe die Stellungen zu verbessern". lo.Apru.
Unter dieser Meldung wurde bei der Obersten Heeresleitung an¬
scheinend als Antwort vermerkt : „Auch die Oberste Heeresleitung beab¬ sichtigt, die Michael-Offensive in etwa zwei bis drei Wochen gegen die Engländer durch einen neuen, großangelegten Durch-
bruchsangriff auf breiter Front wiederaufzunehmen^). Hierfür muß jedoch das Ergebnis der nächsten Tage des Georgette-Angriffs und seine Entwicklung abgewartet werden. Den Offensivgeist der Truppen zu erhalten und sie durch Zuführung des Ersatzes, Ablösung in den vordersten Linien usw. wieder kampffrisch zu machen, ist die nächstliegende Aufgabe der Armeen. Daneben ist genaueste Erkundung des Geländes und aller
Angriffsmöglichkeiten und entsprechende Vorbereitung die wichtigste Ausgäbe aller Führer". ».Apru.
Am II. April, als die Georgette-Offensive günstig zu verlausen schien, kam die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht den Forderungen der Obersten Heeresleitung auf Betätigung dadurch entgegen, daß sie eine von der 2. Armee für nötig befundene örtliche Stellungsverbesserung, Bereinigung der Lage im Winkel zwischen Ancre und Somme, vor allem aber
zwischen Somme und Luce, vorschlug, während die übrige Front aus Abwehr umgestellt werden sollte. Sie meldete, die 2.Armee sei etwa zum 20. April bereit, südlich der Somme mit dem XIV. und XI. Armeekorps bei Billers-Bretonneux anzugreifen, um — wie es auch General Luden-
dorff wünschte — durch Gewinnung der Linie Fouilloy—Eachy—Thennes die schwierige Lage des 51. Korps auf den Höhen westlich von Eastel er¬ träglich zu gestalten. Einige Tage später werde das XXIII. Reservekorps
zwischen Ancre und Somme anzugreifen haben. Die Angriffe sollten zu-
gleich feindliche Kräfte fesseln und für wettere artilleristische Entwicklung gegen Amiens Raum schaffen. Mit diesen Angriffsvorschlägen war General Ludendorff einverstanden; im übrigen sollten das 61. Korps der 2.Armee sowie die 18. Armee sich nur vorläufig aus Abwehr einrichten, aber bereit-
bleiben zum Abergang zum Angriff. i2. Ap.u.
Inzwischen hatte die Georgette-Offensive mit vielversprechenden Anfangserfolgen begonnen. Für den 12. April wurden die Generalstabschefs
beider Heeresgruppen zur Besprechung nach Avesnes befohlen. In Avesnes vertrat General von Kühl — wie er tags daraus auszeichnete —
*) Sehr eilig von Obftlt. Wetzell, wohl nach Worten des Gen. Ludendorff nieder-
geschrieben und mehrfach abgeändert, vermutlich Unterlage für ein Ferngespräch. 2) Sperrung der Forschungsanstalt.
Lage westlich von Avre und Trois Domes-Bach. Angriffsvorschläge.
305
nochmals eingehend seine „Ansicht, daß wir keine Teilangrisse und Hammerschläge mehr machen sollen; daß wir uns nur gegen die Engländer wenden sollen, bis sie mürbe sind. Daher Fortsetzung von Georgette mit allen Kräften, alles daran setzen. Bleiben wir stecken, dann einen neuen
großen einheitlichen Angriff vorbereiten. Also nicht südlich der Somme gegen die Franzosen". Daher wollte er besser auch jetzt noch von den soeben vorgeschlagenen Teilangriffen bei der 2. Armee absehen und nur
den Angriff auf Doullens vorbereiten. Das habe General Ludendorff jedoch abgelehnt, „weil wir voraussichtlich einen so großen Angriff nicht machen können"1); auch habe er aus den Teilangriff der 2. Armee nicht verzichten wollen, sei aber einverstanden gewesen, „wenn die GeorgetteOperation im Fluß bliebe, daß wir, wenn nötig, auch Kräfte von der 2. Armee wegziehen dürften". Dann — so folgerte General von Kühl —
müßte „eventuell der Angriff der 2. Armee unterbleiben". Oberstleutnant Wetzell sei seiner (des Generals von Kühl) Ansicht („Angriff gegen die Engländer, nur nördlich der Somme, nicht bei der 2. Armee") beigetreten, aber General Ludendorff sei abweichender Meinung geblieben. Am IZ.April morgens meldete General von Kühl, daß der Angriff iz.April, bei Billers-Bretonneux mit den verfügbaren Kräften nur in zwei Ab-
schnitten: 1. bis Hamel—Cachy und südlich, 2. bis Fouilloy—Cachy durch¬ geführt werden könne. General Ludendorff hatte dagegen keine Bedenken, bestand auch nicht auf der Ausführung am 20. April, sondern erklärte: „Angriff kann am 20. oder 30. sein, nur gute Vorbereitung"^). Nochmals trat General von Kühl am lö. April für eine große Offen- ls.Ap»u.
sive ein, die mit dem Angriff in Flandern zusammenwirken sollte. Dort war zwar bei der 6. Armee ein Stillstand eingetreten, um so zuversichtlicher beurteilte er aber die Aussichten der 4. Armee^). Er schlug abermals vor, auf den Teilangriff der 2. Armee südlich der Somme nötigenfalls zu ver-
ziehten. General Ludendorfs wollte aber diesen Angriff auch jetzt nicht aufgeben.
Inzwischen war die Front bei Hangard, vor allem aber westlich der
Avre, nicht zur Ruhe gekommen. Nach Einzelunternehmungen schien sich x) Am 9.April hatte Gen. von Kühl über die Ersatzlage gemeldet (Vortragsnotizen von diesem Tage): Der 17.Armee fehlten 60000 Mann, es seien für sie aber nur 21000 Mann
Ersatz vorhanden, so daß jeder Division noch durchschnittlich 1750 Mann fehlen würden. Bei der 2. Armee würden die Fehlstellen schätzungsweise 1400 Mann je Division betragen.
Dazu kämen hohe Offizierverluste. Zum Ausgleich ständen aber nur noch wiedergenesene Leichtverwundete und der Jahrgang 1899 zur Verfügung. 2) Aufzeichnung im Fernsprechbuch des A.O.K. 2. 3) S. 285. Weltkrieg. XIV. Band.
306
Weiterentwicklung der Lage an der Michael-Front.
gegen die inneren Flügel der 2. und 18. Armee beiderseits von Moreuil
und auch gegen die Front Montdidier—Noyon ein Angriff der Franzosen is.Apr». vorzubereiten^). Am 18. April griffen diese denn auch nach mehrtägiger Steigerung des Artilleriefeuers an der Avre die Stellungen des 51. Korps der 2. Armee zwischen Castel und Mailly an, wurden aber von der 15. und
200. Infanterie-Division, wenn auch unter erheblichen eigenen Verlusten (2000 Mann, davon über 500 Vermißte), im wesentlichen abgewiesen. Doch blieb der Wald westlich von Castel in der Hand des Gegners, der damit vermehrten Einblick in das Luce- und Avre-Tal gewonnen hatte.
An diesem Tage meldete die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz aber auch über den ungewöhnlich hohen Kräfteverbrauch bei der I8.Armee^), der sich durch Eingreifen erheblicher französischer Kräfte, namentlich einer starken, in Führung und Munitionseinsatz der englischen weit überlegenen Artillerie, von Tag zu Tag steigere und die Einbußen des Gegners erheblich zu übertreffen scheine. Sie kam damit auf die schon am 7. April dargelegten ungünstigen Verhältnisse der Brückenkopfstellung westlich der Avre und des
Trois Domes-Vaches zurück: Bei feindlichem Angriffwürde die Verteidigung vorwärts des Abschnittes sehr schwierig und verlustreich sein. Einbrüche, mit denen bei jeder Abwehrschlacht gerechnet werden müsse, könnten dort zu schwerem Rückschlag und Verlust der unter dem Zwang der Verhältnisse
westlich des Abschnittes stehenden Artillerie führen. Da die Heeresgruppe aus eigenen Kräften in nächster Zeit keinen Angriff zu führen vermöge,
müsse die 18. Armee sich günstigere Verhältnisse für die Verteidigung schaffen, indem sie den Raum westlich der Avre als Vorfeldzone einrichte, den Hauptwiderstand aber östlich des Abschnittes leiste. 2o.Ap.iu
Auch der Oberbefehlshaber der 18. Armee, General von Hutier, verkannte in einer Beurteilung der Lage vom 20. April keineswegs die
Schwierigkeiten und Nachteile, denen insbesondere der Nachschub und Abschub über den breiten, tief eingeschnittenen Avre- und Trois Domes-BachGrund durch feindliches ,mit Vergasung verbundenes Artillerieseuer unter¬ liege. Er bezeichnete aber die jetzige Hauptwiderstandslinie westlich des
Abschnitts ungeachtet einzelner schwacher Punkte als „nach übereinstim¬ mendem Arteil der zur Zeit eingesetzten Divisionen, nach Ansicht von
Truppenkommandeuren und nach Feststellung des Armee-Oberkommandos an Ort und Stelle wohl verteidigungsfähig", während ihm das weithin
offene und deckungslose Gelände östlich des Abschnitts für die Abwehr keineswegs günstig erschien. Auch werde der Gegner bei Rückverlegung ') Vgl. S. 249.
2) Die Gefechtsverluste des Westheeres im März/April betrugen und Flandern-Offensive — rund 100000 Mann.
— ohne Michael-
Lage westlich von Avre und Trois Domes-Bach. Angriffsvorschläge.
307
des Hauptwiderstandes hinter den Abschnitt „bald erkennen, daß wir aus die Offensive an dieser Front vorläufig verzichtet haben. Er erhält Bewegungsfreiheit und eine in seiner Lage besonders bedeutungsvolle mora¬
lische Stärkung. Wir geben den mit nicht unbeträchtlichen Opfern er¬ kämpften Boden auf und schaffen uns freiwillig ungünstige Verhältnisse für die weitere Fortführung des Angriffs". Aus allen Schwierigkeiten käme man am besten heraus durch baldigste Wiederaufnahme des Angriffs in westlicher Richtung gegen die Noye. Der Verbindungsoffizier der Obersten Heeresleitung, der diese Beurteilung einsandte^), stimmte den Ausführungen zu und betonte, daß die 18. Armee der Abwehr eines feind¬
lichen Angriffs westlich der Avre durch tiesgegliederte Ausstellung Rechnung getragen habe. Inzwischen war aber auch bekannt geworden, daß die Franzosen seit Beginn der Georgette-Offensive stärkere Kräfte nach Norden verschoben, um die englische Front zu stützen. Eine einheitliche, auf breiter Basis angesetzte Offensive südlich der Somme war daher von ihnen kaum noch zu
erwarten; nur ein örtlich begrenzter Angriff zwischen Luce-Bach und Montdidier schien einstweilen in Frage zu kommen. So entschied General
Ludendorfs noch am 20.April: „Bei der für die nächste Zeit vorliegenden Gesamtlage im Westen liegt zu einer weiteren Änderung der Aufstellung am Avre-Abschnitt zunächst kein Grund vor". Zu dem Vorschlag möglichst baldiger Wiederaufnahme des Angriffs der 18. Armee äußerte er sich nicht.
Die Schlacht bei Villers-Vretonneux. Inzwischen war der Angriff der 2. Armee bei Villers-Bretonneux auf den 23.und schließlich aus den 24. April verlegt worden, da — wie die
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht meldete — wiederholte Eisenbahn¬ unfälle die Munitionierung verzögerten^). In dem bereits am 14. erlassenen Armeebefehl war als Zweck des Angriffs angegeben: Entlastung des
vorspringenden Bogens westlich der Avre, Sicherung wirksamen Fernfeuers aus Amiens und Fesselung feindlicher Kräfte. Nächstes Angriffsziel sollte die Linie Hamel—Nordrand von Villers-Bretonneux—Wald westlich davon bis zum Wege nach Eachy—Ort Eachy—Höhen nördlich von Thennes—Mündung des Luce-Baches sein. Nach dem sranzösischen Angriff vom 13. April wurde dieses Ziel nach Süden dahin erx) Die Beurteilung war vermutlich von der O.H.L. als Stellungnahme zu den
Ausführungen der Heeresgruppe einverlangt. 2) Die Bahn war seit dem 13. April zweigleisig bis Chaulnes, seit dem 17. eingleisig von da bis Guillaucourt in Betrieb. Dort brachten am 20. April feindliche Flieger 50000
Schuß Munition zur Explosion.
Weiterentwicklung der Lage an der Michael-Front.
308
weitert, daß auch das westlich von Castel verlorengegangene Gelände wiederzugewinnen sei. 2Z. Apru. Mit den Angriffsvorbereitungen Hand in Hand ging gesteigerte Luftaufklärung, bei deren Schutz am 21. April der erfolgreichste deutsche Jagd-
flieger, Rittmeister Freiherr von Richthofen, nach seinem achtzigsten Luftsiege den Heldentod fand. Für den Angriff, der nunmehr in rund 15 Kilomeiern Breite angesetzt war, wurden insgesamt 17 Divisionen^) bereit¬ gestellt, die aber nach den vorhergegangenen Kämpfen ihre volle Schlag-
kraft durchweg noch nicht wiedererlangt hatten, dabei insgesamt 1208 Geschütze (davon 465 schwere und schwerste), zahlreiche Minenwerfer sowie IZ Panzerwagen und 710 Flugzeuge. Von den zehn Divisionen des I. Treffens waren nach den Meldungen der Korps vom 19. April fünf
Divisionen „für Angriffsaufgaben mit beschränktem Ziel" geeignet, die x) Gliederung an der Angriffsfront am 24. April:
(Unterstrichene Divisionen voll kampfkräftig oder geeignet zu
„Angriff mit beschränktem Ziel") Engländer und Franzosen
Reserven
Deutsche I. Treffen
in der Front
II. Treffen
Somme m vom
austr.. K. j
austr. 5. Div.
austr. 4. Div. 8. Div.
IS. Div.
engl. III.! 58. Div.
1. g. D. 243. I. D.
228. I. D. 4. G. g. D.
XIV. A. 5 24. R. D.
77. R. D.*)
19. g. D.
208. Z.U.
9. bayer. R. D.
XI. A. K.
D.Iäg. D.
Luce-Bach frz. XXXI. K.
G. E. D.
131. Dw.
2.bayer. I.D. Avre 64. Div.
marokk. Div.
18. Div.
frz. V.
13. I. D. 200. I. D.
15. I. D. 54. I. D.
51. Krps. 109. I. D.*
65. Div.
*) 109. I. D. und 77. N. D. waren erst ^or kurzem aus dem Osten gekommen und
für Aufgaben des Westkrieges noch wenig vorgebildet.
Die Schlacht bei Villers-Bretonneux.
309
anderen „noch nicht vollangriffsfähig" oder ruhe- und ausbildungsbedürftig. Auch befanden sich vor allem unter den letzteren Divisionen, die in der
Michael-Offensive bis zum Schluß eingesetzt gewesen waren und ihre hohen Gefechtsverluste (bis zu 4000 Mann) bisher nur sehr unvollkommen oder gar nicht ersetzen konnten; bei vier Divisionen des I. Treffens fehlten in der Front je 2000 bis 2400 Mann. Von einer Division des II. Treffens, die westlich der Avre arg gelitten hatte, hieß es in einer Meldung ihres eigenen Kommandeurs: „Sehr viele Kranke, schlechte Stimmung". Die Angriffstruppen waren also nichts weniger als vollwertig. Der Gegner schien von dem bevorstehenden Angriff Kenntnis zu haben, denn er belegte in den letzten Tagen vor dem 24. April die deutschen
Stellungen und Batterien sowie das Hintergelände, besonders beim XI. Armeekorps, mit starkem Feuer, das sich am Nachmittag des 22. April zu großer Heftigkeit steigerte und bis zum Morgen des 23.,also des ur¬ sprünglich für den Angriff bestimmten Tages, anhielt, dann aber wieder nachließ. In der Nacht zum 24. April lag nur noch mäßiges Störungsfeuer
nebst einigen Feuerüberfällen aus der deutschen Angriffsfront. Am 24. April um 445 morgens begann planmäßig die auf zweiund- 24. Ap-u.
einehalbe Stunde festgesetzte Angriffsvorbereitung durch die Artillerie. Die Windverhältnisse begünstigten die Vergasung. So blieb die feindliche Gegenwirkung gering. Um 715trat die Infanterie zum Sturm an. Es
herrschte dichter Nebel, der sich erst gegen 10° hob. Der 243., 228. und 4. Garde-Infanterie-Division des XIV. Armee¬ korps gelang es im Laufe des Tages, in teilweise schweren Kämpfen bei dem auf der Hochfläche beherrschend gelegenen großen Dorfe VillersBretonneux und westlich davon die bis zu vier Kilometer vor der Front
liegenden Angriffsziele im wesentlichen zu erreichen. Links davon aber blieb der Angriff des XI. Armeekorps und 51. Korps in Anfangserfolgen
stecken, obgleich sich die eingesetzten Panzerwagen aus dem günstigen Gelände von Villers-Bretonneux durchaus bewährten und den gegen sie
austretenden feindlichen Tanks mindestens gleichwertig zeigten. Bei ihrer geringen Zahl konnten sie aber das Kampsergebnis nicht entscheidend beeinslussen. Im Walde westlich von Villers-Bretonneux verlies die Front abends am Wege Fouilloy—€acht), dann zog sie sich etwa 1000 Meter östlich an Cachy vorbei über den Westrand von Hangard zum Walde westlich
von Castel, dessen Ostteil die 13. Insanterie-Division zurückgewonnen hatte. Angesichts heftiger, größtenteils schon um 230 in der Nacht begonnener 2s.Apru.
englischer Gegenangriffe traten bei Villers-Bretonneux ernste Rückschläge ein, die sich am Morgen des 25. April fortsetzten; der Gegner konnte den
310
25. bis
Weiterentwicklung der Lage an der Michael-Front.
wichtigen Ort wieder besetzen. Im übrigen verging der Tag mit Abwehr-
27.Apr,l. jämpfen. Am Abend befahl die Oberste Heeresleitung, den Angriff einzustellen. Doch erst bis zum 27. April flaute die Kampftätigkeit allmäh¬ lich ab. 2400 Gefangene und 4 Geschütze waren eingebracht; die eigenen Verluste betrugen gegen 8000 Mann, die der Gegner dürften höher gewesen sein^).
Der Angriff von zehn bereits geschwächten deutschen Divisionen war
gegen reichlich sieben größtenteils frische und ausgeruhte englische und französische geführt worden. Er hatte den Feind nicht überrascht, denn bereits seit dem lö. April waren Gerüchte über sein Bevorstehen im Umlauf gewesen, und am 22. und 23.hatten Gefangene ausgesagt, daß er unmittelbar bevorstehe. Der Nebel war dem Vorgehen der deutschen Panzer bei Villers-Bretonneux zustatten gekommen. Der Ort selbst war wegen des Gasbeschusses vorübergehend geräumt gewesen. So hatte man ihn verhältnismäßig leicht nehmen können; dann aber hatte die Widerstands-
kraft der deutschen Truppen nicht mehr ausgereicht, ihn zu halten. Der Angriff hatte wohl einige Stellungsverbesserungen gebracht, im ganzen gesehen war er aber mißlungen. Er hat daher die Stimmung der
Truppe auf deutscher Seite ebenso geschädigt, wie er dem Gegner das
Gefühl der Überlegenheit an diesem Frontabschnitt brachte. Die schwierige Lage auf den inneren Flügeln der 2. und 13. Armee war nicht behoben. Sie machte die Zuführung frischer Kräfte von den
Heeresgruppen Gallwitz und Herzog Albrecht erforderlich. Am 27. April brachte die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz aufs neue ihre Be-
sorgnisse für den Fall eines französischen Angriffs gegen die Front westlich vonAvre und Trois Domes-Bach vor. Indessen sah General Ludendorfs in Übereinstimmung mit der 18. Armee die Verteidigungsverhältnisse
jenes Raumes bei gehöriger Ausgestaltung der Tiefenzone auch jetzt nicht als so ungünstig an, daß er eine Zurückverlegung des Hauptwiderstandes
hinter den Abschnitt für erforderlich hielt. Eine solche Maßnahme wünschte er der Gesamtlage wegen, wenn irgend angängig, zu vermeiden. Der
Gegner sollte nicht erkennen, daß man an der Michael-Front deutscherseits zur Abwehr übergegangen war, sondern in Erwartung neuer Angriffe bleiben. Damit aber war die Notwendigkeit gegeben, jede Fußbreite
Bodens festzuhalten. x) 5 feindliche Divisionen (von reichlich 7 beteiligten) haben vom 5. bis 27. April über 15000 Mann verloren, davon wohl den größten Teil am 24./25. April.
V. Die Angriffe gegen dje Franzosen. A.Die jörrvägungen der (Obersten Heeresleitung. Beilage 16, 16a, und 17.
Nachdem die Michael-Offensive die erstrebte operative Entscheidung
nicht gebracht hatte, hatte sich die Hoffnung zunächst der Georgette-Offensive zugewandt. In Verbindung mit ihr hatte General Ludendorff am 10. April gehofft, die Michael-Offensive gegen die Engländer in der Rich¬ tung aus Doullens in zwei bis drei Wochen wieder aufnehmen zu können^), denn sein Endziel war nach wie vor der Sieg über das britische Heer. In derselben Richtung drängte General von Kühl als Generalstabschef der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Aber bereits am 12. April war sich General Ludendorff darüber klar, daß die Kräfte für einen großen Angriff auf Doullens angesichts der Stärke des Gegners voraussichtlich nicht ausreichen würden^). Auf der anderen Seite spielte der, wie schon früher^), vor allem von Oberstleutnant Wetzell vertretene Gedanke, einen
großen Schlag gegen die Franzosen zu führen, eine Rolle, und auch General Ludendorff lehnte ihn keineswegs ganz ab, wie er denn schon am 7. April, zwei Tage vor Beginn der Georgette-Offensive, als die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz Angriff der 18. Armee nach Südwesten vor-
schlug, „sehr richtig" an den Rand geschrieben hatte*). Er sah im Angriff gegen die Franzosen aber nur eine Nebenausgabe, zunächst um den Avre-
Brückenkopf zu entlasten und sich wohl auch Rückensreiheit gegen die Engländer zu verschaffen, später um abzulenken und die französischen Reserven von der englischen Front abzuziehen. Der letztere Gedanke trat zunehmend in den Vordergrund, als gleich nach Mitte April die Ver- Mu«Apr».
schiebung stärkerer französischer Kräfte nach Flandern erkannt wurde und sich der Georgette-Angriff dort festlief. Nun hatte die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz auf Befehl der Obersten Heeresleitung bereits seit längerer Zeit den Angriff „Roland" 1) 2) 3) 4)
S. 304. S. 305. S. 52 f. und 63 ff. S. 303.
Erwägungen der Obersten Heeresleitung.
312
an der Champagne-Front der 3. Armee vorbereiten (äffen1). Günstiger schienen aber die Verhältnisse vor den inneren Flügeln der 7.und 1. Armee zu liegen, wo der Gegner an dem im Jahre 1917 heiß erkämpften Höhen¬ zuge des Chemin des Dames nur noch mit recht schwachen Kräften stand.
Darin stimmte General Ludendorfs mit Oberstleutnant Wetzell, der sich für diese Angriffsrichtung besonders einsetzte, wie mit der Heeresgruppe überein. Die Schwierigkeiten, die das sumpfige Ailette-Tal und die steilen, zerklüfteten und durch Flankierung bestrichenen Nordhänge des Höhenrückens für den Angreifer boten, wurden dabei nicht verkannt, doch hoffte man, sie durch überraschendes Vorbrechen nach gründlicher Wirkung einer starken Artillerie zu überwinden. l?. Aprii.
Am 17. April bekam die Heeresgruppe den Auftrag, auch diesen An¬
griff vorzubereiten^). Endgültige Entschließungen behielt sich General Ludendorff aber durchaus vor; zunächst ging der Georgette-Angriff weiter, und die Hoffnung, damit nicht nur die Stellung bei Vpern und am Kemmel
zu verbessern, sondern vor allem weitere englische Kräfte zu zerschlagen, ,20. Apr».
stand im Vordergrunde.
Am 19. April legte Oberstleutnant Wetzell seine Auffassung in fol¬ gender Denkschrift nieder:
„Lage am 20. IV. Wie ist die Westoffensive fortzuführen?
Die Kämpfe der letzten acht Tage haben bewahrheitet, was offizielle feindliche Presseverpffentlichungen bereits andeuteten, daß die englische Front Einheitsfront der Entente geworden, d. h. französische Divisionen — viel¬ leicht auch amerikanische — zwischen englischen in den Kamps traten oder
dahinter in Reserve stehen. Foch scheint damit einen doppelten Zweck zu verfolgen, einmal unbedingtes
Festhalten der jetzigen englischen Front, insonderheit des Kohlenbeckens bei Bsthune, zum anderen Entlastung der Engländer, um ihnen Gelegen-
heit zu geben, ihre schwer mitgenommenen Armeen durch frische Kräfte wieder einigermaßen kampffähig zu machen. Dies könnte der gegnerische Generalissimus nur unter Aufgeben seiner
sicher beabsichtigten weitreichenden Gegenoffensive. Für Teiloffensiven stehen ihm selbstverständlich in den vorhandenen französischen Reserven noch hinreichend Kräfte zur Verfügung. Es scheint aber fraglich, ob er sie dazu in absehbarer Zeit, so lange der Schwächezustand des englischen Heeres nicht überwunden ist, stärker als bisher einsetzen wird. Jedenfalls muß ein deutscher Angriff auf der englischen Front vom LueeBach nach Norden mit englischen und mit dahinter stehenden französischen Kräften, vor allem mit stärkster französischer Artillerie rechnen. -) S. 78.
2) 6.323.
Denkschrift des Oberstleutnants Wetzell.
313
Wir müssen, wollen wir unsere erkämpfte günstige Lage richtig ausnutzen, an dem Angriffsgedanken festhalten, um die Vorhand unbedingt zu be¬ halten. Es fragt sich, wo und wie dies zu geschehen hat.
Meines Erachtens sind wir nicht in der Lage, einen ebenso großzügigen Angriff wie den Michael neu aufzubauen, da wir bei unserer Frontver¬ breiterung und der Besetzung der erkämpften neuen Fronten nicht so er¬
probte Angriffsdivisionen zur Ausbildung auf vier bis fünf Wochen heraus¬ ziehen können. Wohl aber wird es möglich sein, bis Mitte Mai ... etwa
25 bis 30 Divisionen für Angriffszwecke zusammenzubringen. Mit diesen, an richtiger Stelle angesetzt, läßt sich in der jetzigen Westlage ein weit¬
reichender Erfolg schaffen.
Sie erneut gegen die englische Front einzusetzen, halte ich nach der obigen gekennzeichneten Lage nicht mehr für zweckmäßig. Die Wahrscheinlichkeit eines großen Erfolges liegt dort meines Erachtens jetzt nicht mehr vor.
Günstigere Aussichten, die auch tiefwirkende politische Folgen zeitigen können, hat ein starker überraschender Angriff gegen die französische Front, im besonderen dort, wo sie ganz ungewöhnlich gestreckt worden ist. Hierfür kommt m. E. die Südfront der 7. Armee östlich des Oise/AisneKanals und der umbiegende rechte Flügel der l. Armee in erster Linie in Betracht. Dort wäre die Masse der für den Angriff verfügbaren Kräfte zu einem Durchbruchsangriff zu verwenden. Vorher hätte die 18. Armee, entsprechend verstärkt, einen starken Angriff im allgemeinen über Montdidier und südlich in südwestlicher Richtung durchzuführen, um starke französische Kräfte zu binden, die Lage der 18. Armee zu verbessern und vor allem die Flankenwirkung gegen den Avre-Brückenkopf zu be¬
seitigen. Ferner wäre der Angriff der 4. Armee weiter in Gang zu halten, um auch
dort Kräfte zu fesseln, während in Lothringen und im Elsaß durch Ver¬ legung von abgekämpften Divisionen und Täuschungsunternehmungen (Funker) der Gegner zur Verschiebung seiner Reserven zu veranlassen wäre".
Mit dieser Denkschrift, die den Vermerk trägt: „Seine Exzellenz hat
Kenntnis", kam Oberstleutnant Wetzell aus seinen früheren Vorschlag zurück, den entscheidenden Schlag gegen die Franzosen zu führen. Das Endziel des Generals Ludendorfs, Niederwerfung der Engländer, er¬ wähnte er nicht. General Ludendorff, der am 21. April dem Kaiser vortrugt), be¬
hielt sich gegenüber diesen Ausführungen ebenso wie auch gegenüber Vor2) Näheres ist darüber nicht bekannt.
Erwägungen der Obersten Heeresleitung.
314
schlagen des Generals von Kühl die Entscheidung vor. Jedenfalls aber sah er im Angriff am Chemin des Dames nach wie vor nur eine Ab-
lenkungs-Operation, auch wenn sie als „Durchbruchsangriff") geführt werden sollte, denn sein Endziel blieb die Offensive gegen die Engländer. Je stärker die Franzosen dann in den nächsten Tagen in Flandern austraten, nachdem ihre Front seit Ende März bereits von der Oise nach Norden bis gegen Amiens verlängert worden war, um so mehr stieg die Aussicht eines deutschen Angriffs links der Oise, der sie zwang, ihre Re¬
serven von der englischen Front wieder abzurufen. Entscheidende BeEnd« April/ deutung gewann der Plan des Angriffs am Chemin des Dames (DeckAnfang Ma,. namc ^Blücher")2) aber erst, als sich Ende April in Flandern nach
Einstellung des Angriffs der 6. Armee auch der Angriff der 4. Armee
festlief. Die entstandene Gesamtlage hat General Lüdendorff am 4. Mai
gelegentlich einer Besprechung bei der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht in Tournai wie folgt geschildert^):
„Wir haben die Engländer so zugerichtet, daß der Franzose einen Teil der englischen Front übernehmen mußte, daß er ihn nördlich der Somme stützen und am Kemmel eingreifen mußte. Sonst wäre eben der Engländer
völlig geschlagen worden. Der Engländer hat seine Divisionen im Winter von zwölf auf neun Bataillone gebracht. Grund Ersatzmangel. Denn sonst hätte er wohl neue Divisionen gebildet. Der Engländer hat nun durch diese Schlachten einen
ganz gewaltigen Abgang an Menschen gehabt. Schätze 400000 Mann, 1) Nach Mitteilung des Gen. Wetzell vom Nov. 1941 wollte er durch die Kennzeich¬ nung als „Durchbruchsangriff" zum Ausdruck bringen, daß es sich keineswegs nur um
eine „Entlastungsoffensive" handele. Dem stehen „Bemerkungen" entgegen, die Gen. von Mertz später zu seinen Tgb.-Aufzeichnungen vom 2. und 3. Juni 1918 gemacht und im Nov. 1933 der Forsch. Anst. zur Verfügung gestellt hat. Danach habe ihm Obstlt. Wetzell Ende April 1918 dargelegt: Wir müßten einen Teil der französischen Front zum Einsturz bringen. Gelinge das, so würden die Franzosen ihre Truppen aus der englischen Front wegziehen, und wir könnten dann den Entscheidungsschlag gegen die Engländer in Flandern erneuern. Gelänge es nicht, die Franzosen durch einen Schlag
bei Soissons zum Wegziehen ihrer Truppen aus Flandern zu veranlassen, so wollte Wetzell einen zweiten Schlag gegen die Franzosen, am besten bei Verdun, vorschlagen. Grundbedingung sei aber, daß man die zum Angriff auf die Engländer bestimmten Trup¬
pen nicht schwäche (vgl. auch S. 321, Anm.). 2) Vgl. Bd. XI, S. 179 und 506; Vd. XII, S. 110f. 3) Tagebuchaufzeichnung des Maj. Ritter von Prager vom 4. Mai 1918.
General Ludendorff über die Gesamtlage.
315
das wird sogar noch zu wenig sein^). Der Engländer hat zur Zeit nicht die Menschen, um seine Divisionen in kurzer Zeit wieder aufzufüllen. Wenn Ersatz vorhanden gewesen wäre, so wäre er schon in Frankreich gewesen, denn der Engländer hat mit Sicherheit unseren Angriff erwartet. Einbringung des Gesetzes, das Altersklassen hinausschiebt, und Einführung der Wehrpflicht in Irland zeigen, daß Ersatz nicht genügend vorhanden. Wiedererstehen eines kampffähigen englischen Heeres wird einige Zeit dauern. Frankreich hat in den letzten beiden Iahren etwa 203 Bataillone aufgelöst, seine Bataillone zu drei Kompanien formiert und im Vorjahr nur einmal im großen angegriffen (Aisne). Die Herbstangriffe bei Verdun waren nur örtliche Angriffe. Jedenfalls hat es mit' Rücksicht auf die Menschenfrage nur eine große Schlacht gewagt... Sonst wäre es nicht
zu verstehen, daß während wir in Rußland und Italien kämpften, während an der Flandern-Front die Lage äußerst kritisch war, es nicht einen großen Schlag gewagt hat. Frankreich steht um einen Jahrgang besser als wir.
Aberschuß an Menschen hat es jedenfalls nicht. Amerika ist die Hoffnung der Entente. Auch der Franzose, der zu örtlichen Angriffen am Kemmel und bei 2. und 18. Armee völlig befähigt ist, wird eine großangelegte
Offensive nicht machen können. Amerika schickt vielleicht weitere Kräfte. Bisher haben sich Amerikaner nicht schlecht geschlagen^). Aber es ist noch nicht viel da. Es sollen auch noch zwei italienische Divisionen kommen. Wir haben zweifellos durch die Georg- und Michael-Kämpfe unsere Kampf¬
kraft erheblich geschwächt. Wir haben sehr erhebliche Verluste gehabt. Die Verluste sind es auch, warum wir über unsere Taktik nachdenken müssen. Immerhin wird es möglich sein, daß wir Ende Mai eine größere Anzahl von Divisionen wieder derart kampfkräftig haben, daß wir in der Lage sind, einen neuen Schlag zu führen!"^) In der am 13. Mai ausgegebenen „Auffassung der Lage VIII" (S. 507) nahm Gen. Ludendorff den Ausfall der Engländer sogar mit „gut Mann" an; ihr Heer sei durch unsere Angriffe in seinen Grundfesten erschüttert. Sie tatsächlichen Verluste im März und April betrugen: Engländer. _ M
.
.
315000 1
.
> zusammen.
.
407000 Mann
Franzosen. . 92000 J Deutsche (vgl. Beil. 42). . mindestens 424000 Mann.
0'
2) Es handelte sich um kleinere Unternehmungen an verschiedenen Stellen der fran¬
zösischen Front. 3) Gen. Wetzell urteilte in einer Zuschrift vom Rov. 1941 ähnlich und schloß: „Die Kampferfolge waren so, daß wir hoffen konnten, bei zweckmäßigem und geschicktem Kräfte¬ einsatz gegen schwache Feindstellen schließlich doch einen militärisch und politisch durch¬ schlagenden Erfolg zu erzwingen. Diesbezüglich herrschte völlige Abereinstimmung in der
Dritten Obersten Heeresleitung".
316
Ende April / Anfang Ma>.
Erwägungen der Obersten Heeresleitung.
^ic Oberste Heeresleitung diesen Schlag dachte, zeigt eine einige Tage vorher, am 23. April, von Oberstleutnant Wetzell
verfaßte Denkschrift: „Offensive gegen die Franzosen", die den Endangriff gegen die Engländer vorbereiten sollte. Er schrieb: „Um erneut einen großen Schlag gegen die Engländer führen zu können, mutz zuvor die Hauptmasse der französischen Reserven an der
englischen Front verschwinden. Dies soll durch den Angriff der 7. Armee geschehen". Es werde in um so höherem Grade geschehen, je breiter das Loch sei, das geschlagen würde. Der Angriff sollte daher eine, wenn
auch geringe Verbreiterung nach Westen (später „Vorck" genannt) erfahren^). An Stelle des Vorschlages vom 19. April, dem Angriff der 7. Armee einen solchen der 13. Armee vorausgehen zu lassen, nahm
Oberstleutnant Wetzell nunmehr die umgekehrte Reihenfolge in Aussicht. Aber die Ausnutzung des bei der 7. Armee erwarteten Erfolges hieß es
daher: „Gelingt uns die Überraschung bei der 7. Armee in größerem Maßstabe gegen die Franzosen, so sollten wir ihn (den Erfolg) auch zu einem
wirklich entscheidenden Schlage ausnutzen, um so starke französische Kräfte wie nur möglich zu zerschlagen und entsprechende Reserven zu binden. Hierzu gehört aber nicht nur ein Schlag bei der 7., sondern auch, nachdem die Hauptmasse der französischen Reserven von 18. zur 7. Armee abgezogen, d. h. also etwa fünf bis sechs Tage nach dem Angriff bei dieser Armee, auch ein starker Offensivschlag bei 18. Armee, um zunächst die ungefähre Linie Domfront—Msry—Mareuil—Thiescourt zu erzwingen. Ist dies erreicht, so ist von der 18. Armee der Druck i^ allgemeiner Richtung Eompiegne^), von der 7. Armee beiderseits der Aisne über Soissons— Braisne in westlicher Richtung vorzutreiben. Ob es gelingt, diese große Zange bei oder südlich Eompiegne zu schließen, muß offen bleiben. Sicher aber ist, daß für die französische Armee durch diese Operation eine ebenso große Gefahr geschaffen werden kann, wie seinerseits^) beim Michael-Angriff für die Engländer im Eambrai-Bogen, und daß dann ihre Kräfte zur
Stützung der englischen Front ausfallen. Ist das erreicht, so könnte einige Wochen später ein neuer großer Schlag gegen die Engländer bei der 17. oder 4. Armee geführt werden, der bei beiden Armeen vorzubereiten wäre".
Unmittelbar nach dieser Denkschrift entwickelte General Ludendorff am 29. und nach endgültiger Einstellung des Angriffs in Flandern am 30. April in mehreren Besprechungen mit den Generalstabschess der
Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Deutscher Kronprinz seine Ge1) Näheres S. 325f.
2) Späterer „Gneisenau"-Angriff.
3) So in der Urschrift, vielleicht verschrieben, statt: „seiner Zeit".
Entscheidung über die Weiterführung der Operationen.
317
danken über die Weiterführung der Operationen im Großen. Etwa am 20. Mai sollte der Angriff an der Aisne-Front einsetzen. Er habe den Zweck, „die jetzige Einheitsfront der Entente vor der Heeresgruppe Kron¬ prinz Rupprecht zu lockern und damit die Möglichkeit für eine Weiter¬
führung der Offensive gegen die Engländer zu schaffen". Für die „möglicherweise entscheidenden" Kampfhandlungen bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz behielt sich General Ludendorff vor, außer auf starke artilleristische Kräfte der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht auch auf hinter deren Front stehende kampfkräftige Divisionen, mit Ausnahme der Eingreif-Divisionen, zurückzugreifen; alle Ablösungen und Truppenverschiebungen der Heeresgruppe sollten daher künftig, selbst bei feindlichem Angriff, der Genehmigung der Obersten Heeresleitung bedürfen. Als Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Offensive gegen die Engländer wurde Mitte Juni ins Auge gefaßt. An welcher Stelle sie stattfinden
sollte, ließ General Ludendorff noch offen. Diese Frage unterzog die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht in einer Denkschrift vom I.Mai eingehender Untersuchung.
Von
dem bereits seit Mitte April in Vorbereitung befindlichen Angriff auf der verhältnismäßig schmalen Basis der inneren Flügel der 17. und 2. Armee in der Richtung auf Doullens (Deckname „Reu-Michael") allein versprach sie sich nur einen taktischen Erfolg mit neuer Ausbuchtung der Front. Sie befürwortete daher, daß gleichzeitig die ö. Armee aus der Gegend von Bethune nach Südwesten auf St. Pol angreifen solle (Deck¬ name „Hubertus"), um die englische Front in großer Breite zu durch¬ brechen, das Stellungssystem von Arras durch Umfassung ins Wanken zu bringen und den Feind so gegen das Meer zu drücken, daß seine Lage unhaltbar würde. Zu diesem Doppelangriff aus einer Breite von etwa
55 Kilometern seien aber sehr starke Kräfte erforderlich. Auch würde der
Angriff Reu-Michael besonders schwierig sein, da die Geheimhaltung der Vorbereitungen in dem völlig deckungslosen Gelände um Bapaume— Albert kaum möglich wäre, die Überraschung also schwerlich gelingen würde. Die Heeresgruppe schlug daher vor, falls die Kräfte zu beiden Angriffen nicht ausreichten, auf den inneren Flügeln der 4. und 6. Armee den soeben
eingestellten Georgette-Angriff in der Richtung auf Poperinghe—Cassel (Deckname „Reu-Georg") wieder aufzunehmen^). Denn: „Reu-Georg Bereits am 2S. April hatte im Gespräch mit Maj. von Prager auch Obstlt. Wehe» auf diese Angriffsrichtung hingewiesen: „Eventuell wird besser bei 4. Armee große zweite Sache gemacht statt bei Doullens. Franzosen zuerst durch Angriff bei Reims wegziehen" (Tgb. Aufzeichnung des Maj. von Prager vom 25. Apr. 1918).
Erwägungen der Obersten Heeresleitung.
318
Anfang Mal. kann zwar, auch wenn der Franzose durch andere Operationen inzwischen
weggezogen und auch die Reserven des Engländers durch Ablenkungen und Täuschungen anderweitig gebunden sind, auch nur zu einem neuen Schlage für den Engländer und zu einer mehr oder minder großen Aus-
buchtung der Front in Richtung Poperinghe—Cassel führen, aber die politisch-militärische Bedeutung eines solchen Erfolges in Flandern ist weit höher zu bewerten als ein begrenzter Erfolg in der Gegend Albert. Der Engländer und der Belgier werden empfindlich getroffen, wenn wir selbst bei einem nur begrenzten Erfolge von Neu-Georg das Küstengelände bis Dünkirchen und die dortigen reichen Materiallager des Engländers unter unser wirksamstes Feuer bekommen und Calais bedrohen. Neu-Georg wäre in Verbindung mit einem begrenzten Ablenkungsangriff bei Bvthune
zu führen. Gleichzeitig wäre der Angriff Neu-Michael vorzutäuschen. Die Kräfte für diese Operation dürsten voraussichtlich aufzubringen sein". General Ludendorff antwortete bereits am 2. Mai: Da die Gegner
den Schwerpunkt ihrer Abwehr zur Zeit auf die Flandern-Front gelegt hätten, würde Neu-Georg voraussichtlich auf stärkere Abwehr stoßen als Neu-Michael; infolgedessen solle letzterer in erster Linie vorbereitet werden, doch seien auch für Neu-Georg so viel Arbeitskräfte anzusetzen, daß die Möglichkeit der Ausführung offenbleibe. Demgegenüber trat General von Kühl bei der Aussprache am 4. Mai in Tournap) nochmals für den Angriff Neu-Georg ein, da der neue Schlag gegen die Franzosen eine
Verminderung der feindlichen Kräfte in Flandern zur Folge haben werde, und auch General Ludendorff gab im Hinblick auf den geringeren Kräfteaufwand dem Angriff Neu-Georg nunmehr den Vorzug vor Neu-Michael. Die Heeresgruppe erhielt Befehl, in erster Linie Neu-Georg und erst in
zweiter Neu-Michael vorzubereiten.
Eine endgültige Entscheidung war damit freilich noch nicht getroffen.
Nur in der Verteilung der Arbeitskräfte konnte die Heeresgruppe schon
jetzt den Schwerpunkt aus die Vorbereitungen für Neu-Georg legen. Im übrigen ließ sie aus Befehl der Obersten Heeresleitung ihre 32besten Divi¬ sionen zu Ruhe, Auffüllung und Ausbildung als neue „Mob." Divisionen im rückwärtigen Gebiet unterbringen, desgleichen alle in der Front entbehrlichen Artillerie- und Fliegerformationen. Die damit verbundene
überaus starke Inanspruchnahme der in Stellung verbleibenden Divisionen mußte, wie die Oberste Heeresleitung ausdrücklich betonte, in Kauf genommen werden.
Ansang Mai befahl die Oberste Heeresleitung aber auch, zur Ablenkung des Gegners vom Angriff am Chemin des Dames, — abgeJ) Vgl. 6. 314f.
Gedankenaustausch mit der Hgr. Kronprinz Rupprecht.
319
sehen vom Angriff des österreichisch-ungarischen Heeres in Oberitalien, den sie anscheinend für den 20. Mai erwartetes — Täuschungsmaßnahmen bei der 5.Armee, der Armee-Abteilung Cund der 19. Armee, vor allem aber auf den inneren Flügeln der 2. und 13. Armee sowie bei der 4. Armee.
Sie sollten ihren Höhepunkt am 27. Mai, dem inzwischen für den BlücherAngriff festgesetzten Tage, erreichen und bis zum 2. Juni fortgesetzt werden. Am die beim Feinde bestehende Besorgnis vor einem Angriff an der Front
der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht wachzuhalten, war ferner den Stellungs-Divisionen bekanntzugeben, daß in der Richtung auf Doullens— Amiens angegriffen werde. Vielleicht hoffte die Oberste Heeresleitung, daß dann die Franzosen ihre Kräfte eher aus Flandern fortziehen würden.
Immerhin ergab sich auch die Gefahr, daß der Abfluß feindlicher Reserven von der Front der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht infolge der ihr aufgetragenen Ablenkungsangriffe doch nicht in dem erwünschten Matze, zum mindesten aber nicht sofort, stattfinden würde^).
Weiterer Gedankenaustausch über Reu-Georg führte zu grundsätzlichen Erörterungen über das Angriffsverfahren: Zum vorläufigen Angriffsentwurs der 4.Armee für Reu-Georg bemerkte die Oberste Heeresleitung, daß die als „erstes großes Ziel" festgesetzte, etwa zehn Kilometer vor der Ausgangsstellung liegende Linie Boesinghe—Poperinghe —Godewaersvelde—Borre (östlich von Hazebrouck) nur durch abschnittsweises Vorgehen zu gewinnen sein würde. Sie gab daher als „zunächst zu erreichende Linie" das nur wenige Kilometer vor der Front gelegene und
ziemlich schmale Ziel Nordrand Vpern—Strazeele. Demgegenüber waren 4. Armee und Heeresgruppe der Ansicht, daß der Angriff in möglichst großer Breite angelegt werden müsse, nach rechts ausgedehnt bis an das Überschwemmungsgebiet, nach links bis zum Walde von Rieppe; auch
dürften die Ziele nicht durch Festsetzung bestimmter Abschnitte beschränkt werden. Die Heeresgruppe führte dazu am 13. Mai unter Vorlage des
endgültigen Angriffsentwurfs der 4. Armee aus: „Rur wenn in großer Breite an zahlreichen Stellen eingebrochen wird, besteht die Aussicht, die ganze feindliche Front ins Wanken zu bringen. Auf einen starken Angriff nördlich Vpern kann nicht verzichtet werden. Die 1) Ludendorff: „Kriegführung u. Politik", ) S. 52f., 63 ff. und 321, Anm. 2) Gen. Wetzell selbst führte in seiner Zuschrift vom Nov. 1941 schon hinsichtlich des Blücher-Angriffs aus: Man „muhte sich doch, wie ich das wenigstens tat, sagen, daß ... sein
Neuer Vorschlag des Oberstleutnants Wetzell.
323
Eine Stellungnahme des Generals Ludendorff zu der Denkschrift liegt nicht vor. Der Gedanke des Angriffs bei Verdun ist — soweit bekannt — überhaupt nicht weiter erörtert worden. Im übrigen blieb für General
Ludendorfs der Entscheidungsschlag gegen die Engländer nach wie vor das
Endziel, für das auch Kräfte aufgespart wurden. Der Blücher-Angriff gegen die Franzosen war ihm nur Ablenkungs-Angriff. Diesem wandte
sich aber zunächst die ganze Aufmerksamkeit zu.
B. Die Offensive am (Lhemin des Dames und gegen Reims
(Blücher-, Goerz- und J?orck-Angriff). Beilagen 16a, 17 und IS.
5. Die Entwicklung des Angriffsplanes. Am 17. April hatte die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz nach Anfang smu. vorausgegangener Besprechung mit Oberstleutnant Wetzell in Marke auf Grund einer Weisung der Obersten Heeresleitung^) der 7. und I.Armee die Vorbereitung von Angriffen befohlen, die überraschend gegen zur Zeit
schwach besetzte Teile der feindlichen Front geführt werden sollten. Der 7. Armee wurde ein Vorstoß über den Chemin des Dames im Abschnitt zwischen der Malval- und der Hurtebise-Ferme bis an den Oise/AisneKanal und die Aisne aufgetragen, die 1. Armee hatte die Waldhöhen von
La Ville-aux Bois wegzunehmen und darüber hinaus das Vorgehen der Ausgang wie sein etwaiger Kräfteverbrauch vorher gar nicht abzusehen war!". — gm übrigen habe er — nach einem „mit allen verfügbaren Kräften" gegen die
Franzosen geführten „Durchbruchsangriff" — „die Entscheidung, wenn dann noch
nötig", durch zusammengefaßte Teilschläge an der französischen Front herbeiführen wollen, um diese irgendwie zum Zusammenbruch zu bringen. Einen, „wenn überhaupt dann noch nötigen Angriff in Flandern" hielt er „nur für wirklich erfolgversprechend, wenn dies vorerwähnte Ziel an der französischen Front tatsächlich erreicht war". — Der Gedanke, den Angriff in Flandern ganz wegfallen zu lassen, findet allerdings in den Denkschriften wie auch sonst in den Akten und Aufzeichnungen aus damaliger Zeit keinerlei Stütze. Außer in der Denkschrift vom 19. April kam Obstlt. Wetzell immer, besonders eindeutig in der vom
6. Juni (S. 415ff.), auf den Hagen-Angriff als die Schlußoperation zurück. Er erklärt das damit, daß er nach der Entscheidung des Gen. Ludendorff vom 20. Mai (S. 321) sich darauf habe beschränken müssen, daß er „nochmals auf die dem Hagen-Angriff entgegenstehenden
schwierigen Gelände- und KampfVerhältnisse hinwies und hervorhob, daß die Aussichten eines durchschlagenden Erfolges nicht sonderlich günstig seien, und daß der Hagen-Angriff verlange, daß die Grundlagen für die Wahrscheinlichkeit eines großen Sieges auch unbedingt herbeigeführt werden müßten". *) S. 312.
324
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
WM« April. 7. Armee zu unterstützen. In einer Besprechung des Generals Ludendorff mit den Genera»,tabschefs der Heeresgruppe und beider Armeen wurden die Aufgaben am 19. April in Avesnes genauer umrissen und dahin er¬
weitert, daß der Angriffsabschnitt der 7.Armee nach Westen bis zu den Höhen bei Fort Malmaison, nach Osten bis zum vollen Anschluß an die I.Armee ausgedehnt wurde. In nochmaliger Erweiterung der ihr am
folgenden Tage vorgelegten Angriffsentwürfe schlug die Heeresgruppe dann vor, daß die 7. Armee unter Teilnahme der rechten Flügel-Division der I.Armee sich in den Besitz der allgemeinen Linie Fort Malmaison—
Hochfläche nordöstlich von Bailly—Aisne-Lauf bis Berry-au Bac setzen
solle (Deckname „Blücher") und gleichzeitig die l. Armee den Feind zwischen Berry-au Bac und Brimont über den Aisne/Marne-Kanal zu werfen habe
(Deckname „Goerz"). Darüber hinaus faßte sie die Wetterführung beider Angriffe zur Gewinnung der Höhen zwischen Aisne und Besle ins Auge. Die Oberste Heeresleitung stimmte zu und befahl, die Angriffe mit allem Nachdruck vorzubereiten. Sie wies dabei ganz besonders auf strengste Geheimhaltung und schärfste Überwachung aller eigenen Erkundungen und Bewegungen — auch aus der Luft — hin, „da allein in der Überraschung
die Vorbedingung des Erfolges" liege. Die Entscheidung über die Aus¬ April/Mai.
führung behielt sie sich vor.
Der am 28. April vorgelegte neue Angriffsentwurf der 7. Armee
stellte für vier Angriffs-Korps die Aufgabe, nach Gewinnung des AisneAbschnittes unverzüglich den Angriff über den Fluß nach Süden fortzu¬ setzen, um die Höhen bis zur Besle wegzunehmen. Scheinangriffe aus der
westlich anschließenden Front, im besonderen ein kräftiger Teilangriff in der Gegend von Pinon, sollten den rechten Angriffsflügel unterstützen und in der Flanke decken.
Den letzteren Gedanken führte in seiner Denkschrift vom gleichen Tage*) Oberstleutnant Wetzell aus, faßte dabei aber auch die Mitwirkung der 18. Armee ins Auge, „um möglichst starke französische Kräfte zu zerschlagen und entsprechende Reserven zu binden". Diese Armee^) sollte aus der Front Montdidier—Lassigny in der allgemeinen Richtung auf Compisgne angreifen, allerdings wegen der nur begrenzt verfügbaren artilleristischen Kräfte erst einige Tage später als die 7. Armee, nachdem bei dieser starke Artillerie freigeworden war. Dann könne, im Zusammenwirken mit dem Vorgehen des rechten Flügels der 7. Armee über Soissons —Braisne in westlicher Richtung, der zwischen Oise, Ailette und Aisne stehende Feind doppelt umfaßt werden. In einer neuen Denkschrift vom ~i) S. 316. 2) Vgl. e. 246 Anm. I.
Angriffsentwürfe der 7. Armee.
325
2. Map) hob Oberstleutnant Wetzell die großen Aussichten nochmals hervor, die diese in allerengster Wechselwirkung stehenden Angriffe der 7. und 18. Armee böten; ihr Ziel sollte die Linie Compiegne-Soissons—Reims sein. General Ludendorss billigte auch diese Vorschläge. Gewiß wäre es wünschenswert gewesen, die Offensive aus der ganzen Front von Montdidier bis Reims gleichzeitig und einheitlich zu führen, dazu aber reichten die Kräfte nicht aus, da starke Teile der Heeresartillerie bei der Heeres¬
gruppe Kronprinz Rupprecht belassen und die für den späteren Angriff dieser Heeresgruppe bestimmten neuen „Mob." Divisionen so wenig wie möglich in Anspruch genommen werden sollten. Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz sah aber in der Durchführung der Offensive in zwei zeitlich getrennten Akten eine Zersplitterung. Oberst Gras Schulenbürg schlug „wiederholt mündlich und telefonisch"^) vor, unter Verzicht aus den späteren Angriff der 13. Armee von vornherein auf der ganzen Breite der 7. Armee anzugreifen, dabei die Flügel besonders stark zu machen und mit dem rechten längs der Oise möglichst bis zum Südende des Waldes von
Compiegne durchzustoßen. Auch stärkere Beteiligung der I. Armee durch Verbreiterung ihres Angriffs nach Osten regte er an, um Reims und gleich-
zeitig auch den Reimser Bergwald durch Umfassung in Besitz zu nehmen. Im weiteren dachte er an eine „Operation im freien Felde in Richtung Paris", für die man überwältigend stark sein müsse. General Ludendorff lehnte diese Vorschläge aber ab, da es nicht möglich sei, die erforderlichen Kräfte, besonders an Artillerie, zur Verfügung zu stellen. gm neuen Angriffsplan der 7. Armee vom S. Mai blieb der nach Anfang M«,.
Süden gerichtete und möglichst noch am Abend des ersten Angriffstages über die Aisne bis an die Vesle vorzutragende Stoß als wichtigste Aufgabe
bestehen. Seine westliche Flanke sollte durch die Einnahme der Linie Vauxaillon—Laffaux—Vailly gedeckt werden, sein Ostflügel an der 1, Armee Anlehnung finden, die den Höhen nordwestlich von Reims zu¬ strebte. War die Angriffsbewegung an der Vesle zum Abschluß gekommen,
so würde man die Freiheit haben, die Offensive nach Westen, Südwesten oder Süden fortzusetzen. In der erstgenannten Richtung winke das voraus¬
sichtlich mit geringstem Kräfteaufwand erreichbare Ziel, den Feind im Oise/Aisne-Winkel zu schlagen und der aus dem westlichen Oise-Ufer vor¬ gehenden 18. Armee bei Compiegne die Hand zu reichen. Dieser mit dem *) Vgl. S. 321 Anw.
2) Nach einer späteren Niederschrift des Gen. Grafen Schulenburg (vgl. auch Kron¬ prinz Wilhelm: „Meine Erinnerungen aus Deutschlands Heldenkampf", S. 315). Akten enthalten nichts darüber.
Die
326
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
Anfang Mai. Schwerpunkt auf dem breiten Höhenrücken zwischen Ailette und Aisne zu
führende Stoß (Deckname „Vorck") sollte sich dem Blücher-Angriff mög¬ lichst unmittelbar anschließen.
Die 1. Armee wollte die ihr gestellte Ausgabe in drei Abschnitten
lösen: Zurückwersen des Feindes über den Aisne/Marne-Kanal zwischen Berry-au Bac und Brimont, dann Gewinnen der nächstgelegenen Höhen
westlich des Kanals als Ausgangsstellung für den schließlich zu führenden Hauptangrifs gegen das hinter der Linie Cormicy—Villers-Franqueux steil ansteigende Höhengelände mit dem Ziel, im Anschluß an die 7. Armee den Feind zwischen Prouilly und Reims über die Vesle zu werfen. Voraus¬
setzung für das Gelingen dieses recht schwierigen Frontalangriffs sei erheb¬ liche Verstärkung an Artillerie und nur geringer feindlicher Widerstand, so
daß die angreifende Truppe schnell die beherrschenden Höhen erreichen könne. Daher wollte die I. Armee bewußt die durch die Schwäche des
gegenüberstehenden Feindes und gelungene Überraschung besonders be¬ günstigte Lage in kühnem Zufassen ausnutzen. Die Oberste Heeres¬ leitung glaubte aber, diesen Frontalangriff gegen die von Natur und durch mehrere ausgebaute Stellungssysteme außerordentlich starken Höhen nord¬ westlich von Reims wegen des Kräftebedarfs und der Unsicherheit des Gelingens ablehnen zu müssen. Sie hielt es, wenn der linke Flügel des Blücher-Angriffs der 7. Armee Erfolg hatte und schnell die Aisne erreichte,
für richtiger, diesen durch Zuführung aller verfügbaren Reserven vorwärts¬ zubringen, statt die Kräfte in wenig aussichtsreichen Kämpfen bei der
I.Armee einzusetzen. Diese sollte sich daraus beschränken, das feindliche Vorfeld bis zum Aisne/Marne-Kanal zu nehmen und sich dann vom rechten Flügel aus dem Vorgehen der 7. Armee anschließen.
Inzwischen war sich die Oberste Heeresleitung auch darüber schlüssig geworden, welche Kräfte sie insgesamt zur Verfügung stellen konnte. So¬ weit sie an der Michael-Offensive teilgenommen hatten, bedurften sie vorher mehrwöchiger Erholungs- und Ausbildungszeit, um wieder volle Kampf¬ kraft und Angriffsfrische zu gewinnen, Ebenso lange Zeit mußte auch für die Vorbereitungsarbeiten in Ansatz gebracht werden, von deren Sorgfalt der Erfolg abhing. Am 8. Mai wurde der Beginn des Blücher- und Goerz-
Angriffs auf den 27. Mai festgesetzt. Mitte Mai.
Nach einer Besprechung des Generals Ludendorff mit den General¬ stabschefs der Heeresgruppe und der beteiligten Armeen in Avesnes am
16. Mai gab die Heeresgruppe noch am gleichen Tage ihre Weisungen an die Armeen:
Die 7. Armee nebst rechter Flügel-Division der I.Armee sollte am
ersten Angriffstage in der frühesten Morgendämmerung gleichzeitig über
Grundlegende Weisungen der Heeresgruppe.
327
den Ailette-Abschnitt vom Walde westlich von Anizy bis Bouconville gegen die Chemin des Dames-Höhen von Laffaux bis zum „Winterberg" (Höhe südöstl. von Bouconville, unmittelbar über Craonne) und aus den Stellungen zwischen Corbeny und der Aisne gegen die Höhen von La Villeaux Bois vorbrechen und in einem Zuge das Gelände bis zur Aisne nehmen.
Der rechte Flügel hatte nach Erreichen der Höhen bei Vauxaillon in der Richtung auf Soissons möglichst weit Gelände zu gewinnen. Der ge¬ schlossene Stoß der Armeemitte war über den Aisne-Abschnitt Vailly— Beaurieux gegen und über die Höhen des Südusers bis zur Vesle durchzu¬ führen; deren Übergänge waren in die Hand zu nehmen. Auch der linke
Flügel hatte den Angriff ohne Verzug über den Fluß hinweg auf die Höhen bei Roucy und Bouffignereux vorzutragen; dann war das Vorgehen in Verbindung mit der I.Armee bis an die Vesle fortzusetzen. Der rechte
Flügel dieser Armee hatte zunächst den Angriff über den Kanal zu führen und die Höhe 83nordöstlich von Cormicy wegzunehmen, um dem linken Flügel der 7. Armee den Aisne-Übergang westlich von Verry-au Vac zu
erleichtern. Sein weiteres Vorgehen sollte sich nach dem Angriffserfolg der 7. Armee richten. Das Abschlußziel des Blücher-Angriffs lag damit an der Vesle. Sein Westflügel aber hatte den Erfolg in einer gesonderten Kampshandlung bis zum Zusammenbruch der feindlichen Front an der unteren Ailette und der
Oise nach Westen zu erweitern. Dazu sollten die inneren Flügel der 18. und 7. Armee drei Tage nach dem Hauptangriff, am 30. Mai, den Borck-Angriff über Oise und untere Ailette führen. Der noch einige Tage später beabsichtigte Angriff der 18. Armee aus der Front Mont-
didier—Lassigny (Deckname „Gneisenau") wurde aus einen kräftigen Schlag unmittelbar westlich der Oise in der Richtung auf Compiogne eingeschränkt, der über die allgemeine Linie Mvry—Ressons—Matz-Bach zunächst nicht hinausgehen, aber auch den im Oise/Aisne-Winkel kämpfenden Truppen
auf Compisgne vorwärtshelfen sollte. Am 21. Mai hatte General Ludendorff nochmals eine Besprechung ül.Mai. mit den beteiligten Generalstabschess in Marle. Es wurde festgestellt, daß die Lage vor der Blücher-Front noch unverändert sei: Schwache Stellungs¬
besatzung und wenige, zum Teil abgekämpfte Reserven (darunter auch englische Divisionen vor den inneren Flügeln der 7. und I. Armee), die
an einen deutschen Angriff offenbar gar nicht dachten. Ihnen gegenüber konnte die 7. Armee in allen herangeführten oder noch anrollenden Angriffskräften mit dreifacher Überlegenheit an Infanterie und vielfacher an
Artillerie und Minenwerfern für die ersten Angriffstage rechnen. Dieses Stärkeverhältnis bewog General Ludendorff, das Angriffsziel der 7. und
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
328
I. Armee nochmals weiterzustecken. Sie sollten bis auf die beherrschenden Höhen südlich der Vesle in die allgemeine Linie Soissons—Reims durch¬ stoßen; das mußte den Feind zwingen, starke Reserven zur Abwehr einzu¬
setzen. Der rechte Angrisfsflügel behielt seinen bisherigen Austrag. Ebenso blieben die Ziele für Porck und Gneisenau bestehen, doch mußte die Durchsührung des letzteren zurückgestellt bleiben, bis die Wirkung des Hauptstoßes der 7. Armee erkennbar und die nötigen Angriffsmittel verfügbar waren.
Bis ZK. Mai.
Nach diesen nun endgültig festliegenden Plänen wurden die Vorbe-
reitungen für die Offensive bis zum 24. Mai abgeschlossen und die Angriffsbefehle gegeben. Maßnahmen zur Ablenkung des Gegners hatte die Oberste Heeresleitung bereits am 10. Mai angeordnet^). Am 22. Mai hatte sie ferner, um die mit Beginn des Angriffs am Chemin des Dames zu
erwartenden feindlichen Truppenverschiebungen nach Möglichkeit zu stören, aus vermehrte Angriffstätigkeit der Bombengeschwader und Schlachtstaffeln sowie derjenigen Fliegerverbände hingewiesen, die ohne Schädigung ihrer sonstigen Aufgaben Bombenangriffe durchführen konnten. Als wichtigste Ziele wurden ihnen eine größere Zahl von Bahnknotenpunkten und Berschiebebahnhöfen im rückwärtigen Gebiete des Feindes von der Nordsee bis in die Champagne bezeichnet. Vom 27. Mai ab sollten schweres
und schwerstes Flachfeuer die erreichbaren Bahnhöfe und Bahnknotenpunkte unter Feuer nehmen.
2. Die Angriffsvorbereirungen. Das Gelände und die feindlichen Stellungen.
Der Blücher-Angriff mußte, mit Ausnahme seines linken Flügels, zunächst die Ailette und in ihrem westlichen Teil bis über das „Reservoir" hinaus den sie begleitenden Oise/Aisne-Kanal überwinden, die zusammen
mit dem durch Granateinschläge völlig zerwühlten, breiten Wiesengrunde ein besonders schwieriges Hindernis von Morast und Sumpf bildeten. Anmittelbar danach war der Rücken des Chemin des Dames zu ersteigen, der das Tal bis zu 120 Metern überhöht und nach Norden wie auch nach Süden,
zur Aisne, steil abfallende Hänge hat, die durch zahlreiche, scharf eingeschnittene Seitentäler unterbrochen werden. Er ist für Fahrzeuge nur aus Wegen überschreitbar. Dieser Höhenrücken, der im Osten bei Craonne im Winterberg scharf abbricht, gewährte dem Gegner weithin Einblick in das Aufmarschgelände des deutschen Angriffs, andererseits dem Angreifer, sobald er die Höhe erreicht hatte, weite Übersicht nach Süden. J) S. 318f.
Gelände und Angriffsverfahren.
329
Er war von früheren Kämpfen her^) Trichtergelände, das von zahlreichen
französischen wie auch ehemaligen deutschen Stellungen und Hindernissen durchzogen war und in Höhlen und alten Stollen feindlichen Reserven Schutz bot. Die Gesamtheit dieser Verhältnisse stellte den Angreiser vor
besonders schwierige Aufgaben. Die Hoffnung, sie befriedigend zu lösen, gründete sich allein auf die zur Zeit äußerst schwache Besetzung der feind¬ lichen Stellungen. Es kam also alles daraus an, daß der Gegner die An-
griffsvorbereitungen nicht merkte, da er sonst sicherlich Verstärkungen heranzog. Etwa zehn Kilometer vor der deutschen Front bildete südlich vom Chemin des Dames die Aisne ein neues starkes Hindernis. An ihr wurde
vor dem rechten Angriffsflügel die Stadt Soissons als starker Stützpunkt der feindlichen Verteidigung gewertet. Südlich des breiten Aisne-Tales aber war abermals ein Höhengelände zu ersteigen, das ähnliche Formen auswies wie der Chemin des Dames-Rücken. Es mußten also bis zur
Vesle bei Fismes auf einem Wege von 18 Kilometern Luftlinie zwei Wasserläuse und zweimal mehr als 100 Meter Steigung überwunden werden.
Auch der Goerz-Angriff hatte alsbald ein starkes Hindernis, den Aisne/Marne-Kanal, zu überschreiten und mußte aus der Ebene nördlich von Reims das ebenfalls steil ansteigende und dabei bewaldete Höhen-
gelände südlich der Aisne gewinnen, das dem Gegner hier noch weit mehr als der Chemin des Dames-Rücken an der Blücher-Front weiteste Einsicht in das Aufmarschgelände bot und, da man seit 1914 in denselben Stellungen
stand, besonders stark ausgebaut war.
Weiterentwicklung des Angriffsverfahrens^). Die Erfahrungen des Georgette-Angtiffs hatten der Obersten Heeresleitung Veranlassung gegeben, am 17. April auszusprechen, daß sich die Grundsätze des deutschen Angriffsversahrens bewährt hätten. Die Ausschaltung der feindlichen Artillerie war bei genügender Vergasung für die entscheidende Zeit so gut wie völlig gelungen. Die Feuerwalze hatte dagegen wiederum nicht ganz befriedigt; sie sollte künftig noch langsamer („je 100 Meter in 4 bis 5Minuten, einschließlich Festhalten aus den Hauptwiderstandslinien") vorwärtsschreiten, vor allem aber im weiteren Verlaus
durch Befehl oder Zeichen vorwärtsgetrieben, angehalten oder auch wieder zurückgeholt werden; das sei wichtiger als die Wahrung des seitlichen Zusammenhanges innerhalb der Walze. Es blieb aber eine ungelöste Frage, wie die geforderte Lenkung der Walze mit den damaligen Nachrichten-
Mitteln (Funkverbindung gab es erst in sehr beschränktem Umfange) möglich Bd. XII, S. 279 ff. i Bd. XIII, S. 109 ff. -) Vgl. S. 43 ff. und 270.
330
Die Offensive am Chemin des Daines und gegen Reims.
Bi»2s.Mai. gemacht werden könne. Allgemein sollte die Artillerie enger an die In¬
fanterie angeschlossen werden, indem jedem Infanterie-Regiment vorderer Linie künftig eine Artillerie-Abteilung (bisher eine Batterie), nach Bedarf auch noch mehr und dabei vor allem schwere Artillerie, zugeteilt wurde. Andererseits sei von der Infanterie zu verlangen, daß sie das Niederringen des Gegners nicht allein der Artillerie überlasse, sondern die eigenen Waffen, besonders die Maschinengewehre als ihre Hauptwaffe, voll zur Wirkung bringe. Die Kampfausbildung, über die Klagen laut geworden
waren, sollte entsprechend gefördert und dabei aus lichtere Angriffswellen unter entsprechender Eingliederung der Maschinengewehre gehalten wer¬ den; denn die schweren Verluste der bisherigen Kämpfe führte man daraus
zurück, daß die Infanterie die verhängnisvolle Gewohnheit habe, sich im Laufe des Angriffs, hauptsächlich wenn sie aus Widerstand stieß, zusammen¬ zuschließen und die Tiefengliederung zu mindern^). Über die Bekämpfung der bisher vom Gegner verwendeten Tanks hieß es: Sie werden „durch
Angriff von hinten", durch Begleitgeschütze, Minenwerfer, Maschinen¬ gewehre, günstigenfalls auch durch einzelne unter die gespannte Triebkette
geworfene Handgranaten „leicht erledigt". Der Aufmarsch der Angriffstruppen. Im Angriffsabschnitt Blücher und Goerz hatten bis Ende April von Anizy bis Brimont nur sieben deutsche Divisionen in der Front gestanden, eine dahinter; bis zum Beginn des Angriffs mußte die Zahl auf 3S Divi¬ sionen gebracht werden, davon (einschließlich einer Stellungs-Division) nur acht, die nicht schon an der Großen Schlacht in Frankreich teilgenommen
hatten. Alle 35 Angriffs-Divisionen wurden nach Möglichkeit in derselben Weise wie damals ausgestattet und ausgebildet. Die Bataillone konnten aber nur teilweise zur vollen Feldstärke aufgefüllt werden, denn an der
Soll-„Feldstärke" der Bataillone von 350 Köpfen fehlten beim Westheere durchschnittlich 150 bis 200 Mann. Ende April trafen die ersten Stäbe und Truppen für die Angriffsvorbereitungen ein. Von da ab vollzog sich der Aufmarsch in ähnlicher Weise wie für den Michael- und Georgette-Angriff. Am 20. Mai begannen die Truppen, aus ihren ersten Versammlungsräumen in das Aufmarsch¬ gebiet einzurücken, von wo die Sturmtruppen in der Nacht zum 27. Mai die Ausgangsstellungen in und teilweise sogar noch vor der vordersten
Sicherungslinie zu erreichen hatten. Der Schwerpunkt des gesamten An') In einem erbeuteten englischen Schriftstück war gesagt, die Deutschen griffen „sehr langsam und in dichten Linien und Gruppen" an und böten dabei ein besonders gutes Ziel;
„der gewöhnliche deutsche Soldat" mache keinen Gebrauch von seinem Gewehr.
Der Aufmarsch der Angriffstruppen.
331
griffe lag ausgesprochen am Ailette-Abschnitt von der Straße Laon—Vailly nach Osten bis Neuville, wo auf rund zwölf Kilometern Front sechs Divi¬ sionen im I. Treffen eingesetzt wurden, während die französischen Divi¬ sionen hier in Frontbreiten von neun bis zwölf Kilometern gegenüber¬ standen. Es war ein Frontabschnitt, in dem der Gegner hinter dem breiten, angesumpften Bachgrunde einen Angriff wohl am wenigsten erwartetes. Besondere Vorbereitungen waren aber zur Überwindung dieser Sumpf¬ strecke sowie der Ailette und weiter westlich auch des sie begleitenden Kanals erforderlich, ähnliche auch bei der 1. Armee für den Abergang über den
allerdings größtenteils erst hinter der feindlichen I. Stellung verlaufenden Aisne/Marne-Kanal. Da des weiteren auch der Abergang über die durch¬ schnittlich 35Meter breite Aisne vorbereitet werden mutzte, ergab sich ein besonders großer Bedarf an Pionier-Formationen und Bautruppen aller Art nebst entsprechendem Gerät. Die Artillerie-Ausstattung war wesentlich stärker als bei den früheren Angriffen, denn es galt, der Infanterie den Weg über ein recht
schwieriges Angriffsgelände und durch ungewöhnlich starke, weit verzweigte und tief gegliederte Verteidigungsanlagen zu bahnen. Bei der Eigenart des Geländes mußte dazu ein besonders großer Teil der Batterien sehr weit vorne, vielfach kaum mehr als 1000 Meter von der feindlichen vorderen
Linie und damit meist in unmittelbarer Sicht des Gegners, eingesetzt werden; hier konnten die Geschütze daher erst in der Nacht vor dem Angriff selbst in Stellung gebracht werden. Insgesamt wurden für Blücher und
Goerz 5263Geschütze (davon 1631 schwere und schwerste) eingesetzt^), das waren auf den Kilometer der rund 55Kilometer messenden Angriffsfront des ersten Tages 96 Geschütze, gegen etwa 83 bei den früheren Angriffen.
Auch hierbei lag der Schwerpunkt ausgesprochen in dem schon gekenn¬ zeichneten Räume an der Ailette, wo mehr als 110 Geschütze auf den Kilometer kamen. Insgesamt war der Blücher-Angriff mit verhältnismäßig
sehr viel stärkerer Artillerie ausgestattet als der Goerz-Angriff. Doch sollte von der Blücher-Front nach erfolgtem Angriff alsbald ein Teil der HeeresArtillerie an die Goerz-Front abgegeben werden. Ein anderer Teil war
für den erst drei Tage später folgenden Porck-Angriff bereitzustellen. Die mächtige Artillerie wurde durch einen ebenso gewaltigen Einsatz von Minenwerfern, insgesamt 1233 (davon 826 mittlere und schwere), ergänzt. Dazu kamen drei Gas-Pionier-Bataillone mit 3080 in die Erde
einzugrabenden Werferrohren, die elektrisch gleichzeitig abgefeuert, aller¬ dings nur je einen Schuß abgeben konnten; es handelte sich um Rohre, 1) Gliederung der Angriffsfront am 27. Mai früh. Beil. 38h. 2) Näheres Beil. 39c.
332
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
Di» 2s. Mai. die sonst zum Vergasen benutzt worden waren und hier erstmalig mit
Sprengmunition verwendet wurden. Etwa zwei Drittel aller Minen¬ werfer waren als Ersatz für fehlende Artillerie in dem schmalen Angriffs» abschnitt der I. Armee eingesetzt, wo sich die beiderseitigen Stellungen im allgemeinen sehr viel näher gegenüberlagen als bei der 7. Armee. Da alles auf Überraschung ankam, wurde für die Feuervorbe¬
reitung auf jegliches Einschietzen verzichtet; sämtliche Schietzgrundlagen wurden lediglich errechnet. Ein gewaltiger Feuerüberfall sämtlicher Geschütze und Minenwerfer gegen alle erreichbaren Ziele sollte schlagartig den Kamps eröffnen; dann hatte 2Vzstündiges Wirkungsschietzen zu folgen, dem sich die Feuerwalze anschloß. Von ihr erwartete man, datz sie bis zur Aisne jeden feindlichen Widerstand ertöten werde. Besonders verstärkt wurden die Luftstreitkräfte, nachdem der Gegner bei den bisherigen deutschen Offensiven in kürzester Zeit mit sehr starken Flieger-Verbänden zur Stelle gewesen war, dadurch die Überlegenheit in der Luft in Frage gestellt und das Vorwärtskommen des Angriffs wie
auch den Nachschub fühlbar behindert hatte. Im ganzen standen rund 600 Flugzeuge zur Verfügung.
Schwierig mutzten sich die Nachschubverhältnisse gestalten, solange nicht die Abergänge über den versumpften Ailette-Grund und die teilweise patzartig eingeengten Zugänge zum Chemin des Dames ausreichend instandgesetzt waren. Bei weiterem Fortschreiten des Angriffs war ferner
zu berücksichtigen, datz die einzige in das Angriffsgebiet führende Bahn Laon—Anizy—Soissons wegen der zu erwartenden Sprengung des Tun-
nels bei Laffaux^) nicht sobald wieder verwendbar sein würde. Planmäßig und vom Gegner ungestört verlief der Aufmarsch zur
Schlacht. Der Feind schien keinerlei Verstärkungen herangezogen zu haben und keineswegs mit Angriff zu rechnen.
Z. Der Gegner, a) Entwicklung der Gefamtlage^). Durch die Einbrüche der deutschen März- und Aprilangriffe war die französisch-englisch-belgische Gesamtfront um 55 Kilometer verlängert wor¬
den. Das fiel um so mehr ins Gewicht, als die Franzosen gleichzeitig fast 100 000, die Engländer über 300 000 Mann verloren hatten, die nur zum Teil ersetzt werden konnten. Dieser Tunnel war beim Siegfried-Rückzug deutscherseits gesprengt, nach dem Ver¬ lust der Laffaux-Ecke aber 1917/18 von den Franzosen wiederhergestellt worden.
2) Anschluß an S. 2S9ff.
Der Gegner. Entwicklung der Gesamtlage.
555
Für das französische Heer errechnete man, daß bei weiteren Ver¬ lusten gleicher Höhe bis zur Einstellung des Rekrutenjahrgangs 1919 (rund 250000 Mann) am 1. Oktober 268000 Mann fehlen würden, von denen
inzwischen bestenfalls 114000 Mann ersetzt werden könnten. Trotzdem wollte General Pstain an der bisherigen Divisionszahl (104 Inf. Div. und Kav. Div. z. F., dazu 6 Kav. Div.) unbedingt festhalten und sich mit der Auslösung einzelner überzähliger Einheiten von Fußtruppen begnügen. Ihr Ausfall wurde durch drei aus Polen neu ausgestellte Regimenter, einige aus Tschechen gebildete Einheiten sowie vier amerikanische Neger-
Regimenter soweit möglich ausgeglichen. Die Materialverluste konnten voll gedeckt werden. Nicht nur die im März und April verlorenen 543 Ge-
schütze wurden ersetzt, sondern gleichzeitige auch eine große Zahl Geschütze älterer Art gegen neuere umgetauscht und die ankommenden amerikanischen Truppen mit Geschützen ausgestattet. Auch die Munitionsvorräte waren
im wesentlichen wieder ausgefüllt. Schlechter stand es beim britischen Heere. Von seinen 53 in Frank¬ reich befindlichen Divisionen^) hatten 55 im Großkampf gestanden, davon 29 zweimal, sechs sogar dreimal. Die beiden portugiesischen Divisionen waren einstweilen überhaupt nicht verwendungsfähig. Da bis Ende August monatlich nur 20000 (insgesamt also 80000) Mann Ersatz in Aussicht standen, hatte man sich auf Vorschlag des Feldmarschalls Haig entschlossen, neun Divisionen in „Kader-Divisionen" mit einer Bataillonsstärke von nur
je 55 Köpfen umzuwandeln, was dann allerdings nur bei acht Divisionen durchgeführt wurde. Zwei Divisionen waren oder wurden aus Ägypten neu herangeholt. Von den abgekämpften Divisionen wurden dem fran¬
zösischen Heere aus dringenden Vorschlag des Generals Foch nach und nach fünf Divisionen zur Verwendung an ruhiger Front zur Verfügung gestellt, so daß Feldmarschall Haig selbst nur noch über 47 eigene Divisionen verfügte. Gegen die Umwandlung von Divisionen in Kader-Divisionen hatte General Foch inzwischen ernste Bedenken erhoben. Elemenceau hatte
sich daher an Lloyd George persönlich gewandt und daraus hingewiesen, daß nach einer Veröffentlichung des englischen Kriegsamtes im April noch etwa 800000 Mann, die für die Heimatverteidigung bestimmt waren, als Militärarbeiter verwendet würden, weitere 300000 in Sanitätsanstalten
zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit weilten. Wenn diese Leute auch meist nicht voll kriegsverwendungssähig seien, so könne doch ein großer Teil von ihnen zur Auffüllung des Heeres in Frankreich verwendet werden, wie es für das französische Heer in ähnlicher Weise bereits geschehen sei. Das englische Kriegskabinett bewilligte daraufhin zusätzliche 70000 Mann J) Beil. 37.
334
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
Bis 26. Mai. Ersatz. Damit und durch Herabsetzung auch der im nahen Osten und am
Balkan stehenden englischen Divisionen aus neun (bisher zwölf) Bataillone bestand Aussicht, die Kader-Divisionen nach und nach wieder zu VollDivisionen auszufüllen. Insgesamt fehlten dem Heere in Frankreich gegen Ende Mai aber immer noch 110000 Mann. Dagegen waren die recht er-
heblichen Geschützverluste bereits End^ März wieder voll ersetzt. Inzwischen wuchs die Zahl der amerikanischen Truppen in Frankreich. Beim Eintritt in den Krieg hatten die Staaten über nur
rund 200000 Mann ausgebildete Soldaten (ohne Marine) verfügt. Nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für alle Männer vom 18. bis 45. Lebensjahre waren noch 1917 zehn Millionen 21- bis 31jährige gemustert und davon nach sorgfältiger Auslese etwa ein Viertel eingestellt worden. Anfang Mai standen rund 400000 Amerikaner in Frankreich, davon einstweilen nur sieben Divisionen Kampftruppen mit allerdings sehr starken Beständen. Die am besten ausgebildete 1. Division befand sich bei Montdidier in der Front, drei weitere waren an ruhigen Abschnitten
in Lothringen eingesetzt, zwei noch in der Ausbildung hinter den franzöfischen Linien. Frankreich wie England drängten auf Beschleunigung der Truppensendungen, und zwar vor allem an Infanterie- und Maschinengewehr-Mannschaften, um die in ihren Heeren entstandenen Lücken damit schließen zu können. Dazu bot England Ende April eine beträchtliche
Steigerung des Schiffsraumes für die Überfahrt an und erhielt dafür die Zusicherung, daß im Mai die Infanterie von sechs Divisionen vorzugsweise befördert und dem britischen Heere zur Verfügung gestellt werden solle. Diese Abmachung bedeutete für die Franzosen, die von ihr erst nachträglich erfuhren, eine Enttäuschung. Bei der Zusammenkunft des Obersten Kriegsrates am 1. Mai
in Abbeville forderte General Foch, daß im Mai, Juni und Juli min-
bestens je 120000 amerikanische Infanterie- und Maschinengewehr-Mannschaften einträfen, da die Verluste der kommenden Wochen wahrscheinlich noch höher als die bisherigen sein würden; der berechtigte Wunsch des Generals Pershing, möglichst bald eine geschlossene amerikanische Armee einsetzen zu können, müsse jetzt, wo der Ausgang des Krieges in Frage stehe,
zunächst zurücktreten. Dem konnte sich General Pershing nicht entziehen. Das Ergebnis der Besprechungen war, daß im Juni die gleiche Zahl amerikanischer Truppen wie im Mai gesandt werden und nach dem Ermessen des Generals Pershing dem französischen oder britischen Heere zugeteilt werden solle.
In weiteren Erörterungen wurde erreicht, daß auch das italienische
Feldheer, das bisher zwei Divisionen nach Frankreich entsandt hatte,
Der Gegner. Entwicklung der Gesamtlage.
335
unter ähnlichen Vorbehalten, wie sie für das britische Heer getroffen waren^) unter den Befehl des Generals Foch trat. Damit unterstand ihm künftig der gesamte Kriegsschauplatz vom Adriatischen Meer bis zum Kanal als
einheitliche „krollt occidental". Schließlich wünschten England und Frankreich angesichts der Möglichkeit, daß die russische Flotte im Schwarzen Meer in deutsche Hände fiel2), auch die Seekriegführung im Mittel¬ meer zu vereinheitlichen. Damit sie ihre Streitkräfte vor den Dardanellen
verstärken könnten, sollte Italien französische Schlachtschiffe bei Kvrsu ab¬ lösen. Dagegen hatte dieses aber wegen seiner eigenen Sonderbelange Bedenken, so daß es zu keiner Einigung kam.
An der Front in Frankreich und Belgien rechnete General Foch Ansang Mai mit 206 deutschen Infanterie- und vier Kavallerie-Divisionen, davon 64 Infanterie- und eine Kavallerie-Division als verwendungsbereite Reserven, die aber bis Ende des Monats auf 75bis 80 Divisionen an¬ wachsen könnten und damit etwa dieselbe Zahl wie am 21. März erreichen würden. Dafür, wo der nächste Angriff zu erwarten sei, ergab sich aus der Verteilung dieser Reserven einstweilen kein Anhalt. Am 14. Mai hielt
die Nachrichten-Abteilung der französischen Heeresleitung eine neue Offensive etwa vom 20. ab in der Champagne oder in Lothringen für möglich.
Auch die von General Potain angesetzte vermehrte Luftaufklärung brachte keine weitere Klarheit. Am wahrscheinlichsten erschien immer noch die Wiederaufnahme der Angriffe an den bisherigen Frontabschnitten, daneben dachte man an den Chemin des Dames und Reims, schließlich auch an
Verdun—Nancy. Feldmarschall Ha ig rechnete an seiner Front mit Angriff im Räume beiderseits von Arras, vielleicht auch in Flandern. Diesen Beurteilungen entsprach die Verteilung der verbündeten Streitkräfte: An der weniger bedroht erscheinenden 560 Kilometer langen Front von der
Schweizer Grenze bis zur Oise standen 66 Infanterie- und drei KavallerieDivisionen, davon 18 Infanterie- und drei Kavallerie-Divisionen als Re¬ serven, an der nur 230 Kilometer, also halb so langen Front von der Oise bis zum Meer 107 Infanterie- und sieben Kavallerie-Divisionen, davon 42 Infanterie- und die Kavallerie-Divisionen als Reserven. Für die künftige Abwehr wurden hinter der Einbruchsfront südlich der Somme rückwärtige Stellungen angelegt, die im Süden an die vor-
geschobenen Stellungen von Paris („Pariser Schutzstellung"), im Norden an englische rückwärtige Stellungen anschlössen. Auch wurden angesichts der Gefährdung des Bahnverkehrs über Amiens durch deutsches Fernfeuer @.248.
-) Bd. XIII, S. 383ff.
336
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
Bis 26. Mai. die von Paris unterhalb von Amiens über die Somme führenden Strecken
zwei- und dreigleisig weiter ausgebaut; hierzu allein waren 35 EisenbahnBaukompanien und 20000 Hilfsarbeiter angesetzt. Im übrigen hatte Gene¬ ral Foch bereits am 5. Mai Weisungen gegeben, die einen Unterschied
zwischen den Fronten rechts und links der Oise machten. Rechts des Flusses sei Raum genug, um den Hauptwiderstand erst in der zweiten Stellung zu
leisten. Dagegen müsse links der Oise jeder Fußbreit Boden dem Gegner streitig gemacht und daher, abweichend von den sonst gültigen Abwehr¬ grundsätzen, der vorderste Graben gehalten werden. Die beste Abwehr
sei der Gegenangriff.
In einer Directive generale vom 20. Mai legte der Oberste Befehls¬
haber dann dar: Rur durch Angriff könne die Initiative wieder gewonnen und der Krieg zu siegreichem Abschluß gebracht werden. Augenblicklich besitze man den Deutschen gegenüber eine Aberlegenheit an Artillerie (18500 gegen 17500 Geschütze), an Kampfwagen (Zahl nicht genannt) und an Fliegern (4500 gegen 2800 Maschinen)^). Es sei also der Angriff vorzubereiten, und zwar von der Heeresgruppe Fayolle, um Amiens und die über Amiens führenden Bahnen der deutschen Be¬ drohung zu entziehen, von den Engländern, um die Bergwerke von Bethune
so zu sichern, daß die Kohlenförderung wieder aus volle Höhe gebracht werden könne; im übrigen seien zunächst vorspringende deutsche Stellungsteile zu beseitigen. Komme der Gegner diesen Plänen mit seinem Angriff zuvor, so solle aus der Abwehr möglichst bald zum Gegenangriff übergegangen werden. Im Zusammenhang damit wurde General Foch auch bei Italien vorstellig, von dem er unter Hinweis auf die augenblickliche
Unterlegenheit und Untätigkeit des österreichisch-ungarischen Heeres in Berbindung mit der Offensive in Frankreich ebenfalls Angriff verlangtes. Als Zeitpunkt wurde Ende Mai/Anfang Juni in Aussicht genommen.
Nachrichten über den bevorstehenden österreichisch-ungarischen Angriff gaben aber Veranlassung, die Ausführung weiter hinauszuschieben. Als dann am 26.Mai bekannt wurde, daß ein deutscher Angriff am Chemin des Dames unmittelbar bevorstehe^), waren die Reserven der
Front in Frankreich und Belgien wie folgt verteilt: Hinter der französischen Front von der Schweizer Grenze bis zur Oise 22 Infanterie-Divisionen (davon 2 britische, 1 italienische), drei Kavallerie-Divisionen; von der Oise *)DieÜberlegenheitanGeschützzahlwartatsächlichwesentlichgrößer,dieanFlugzeugen geringer (vgl. Kap.VIII, E), die an Tanks war erdrückend: rund 900 Kampfwagen (etwa 500französische und 400 englische) gegen etwa 30 deutsche. 2) Vgl. S. 93 und Kap. X, C. 3) €>. 338.
Der Gegner. Entwicklung der Gesamtlage.
337
bis Amiens (einschl. franz. 5.Armee) zwölf Infanterie- und drei Ka¬
vallerie-Divisionen; hinter der englischen Front (einschl. franz. 10. Armee) 22 Infanterie-Divisionen (davon 7 französische), drei Kavallerie-Divisionen; hinter der belgischen Front drei Infanterie-, eine Kavallerie-Division. Da-
bei befanden sich im Räume des französischen Heeres fünf britische, zwei italienische, sechs amerikanische Divisionen, andererseits in dem des briti-
schen Heeres 13 französische Divisionen (in der Front 6 Divisionen, hinter ihr die 10. Armee mit 4 Divisionen und 3 Divisionen der Armee-Abtei¬
lung Nord). b) Die Lage an der Angriffsfront.
An der rund 90 Kilometer messenden, als ruhig geltenden Front von Varesnes (südöstl. von Noyon) bis zur Straße Brimont—Reims stand die
französische S.Armee (Heeresgruppe Nord) unter General Duchene mit nur elf Divisionen in der Front und fünf dahinter^), davon im Räume Craonne—Cormicy drei englische Divisionen mit einer dahinter. Von diesen insgesamt 15 Divisionen waren nur sechs französische voll kämpfkräftig, die anderen, vor allem die englischen, hatten in vorhergehenden Kämpfen bereits ernstlich gelitten. Im Westen schloß die französische 3.A r m e e der Heeresgruppe Fayolle, im Osten die französische 4. Armee an. Eine beginnende Grippe-Epidemie^) verminderte die Gefechtsstärken der 6. Armee, was sich an den außerordentlich breiten Divisionsabschnitten
der Ailette-Front besonders fühlbar machte. Andererseits verfügten die von französischen Truppen besetzten Abschnitte neben der Infanterie ihrer Divisionen über mehr als 30 Territorial-Bataillone und 27 SteUungs-
Maschinengewehr-Kompanien. Die Artillerie der Armee zählte rund 1200 Geschützes. An Luftstreitkräften waren 14 Geschwader (Zahl der Flugzeuge nicht bekannt) vorhanden, dazu kam weiter rückwärts eine Reserve der Heeresleitung an schwerer Artillerie und Fliegern.
Als Hauptwiderstandslinie bei deutschem Großangriff war bisher die südlich der Aisne und dann über Cormicy am Ostrande der Höhen nach St. Thierry verlausende II. Stellung in Aussicht genommen. General Duchene trat aber dafür ein, den Kamps an der ganzen Ailette-Front bis Craonne einschließlich schon in der I. Stellung anzunehmen, denn er wollte verhindern, daß der Gegner sich an den Nordhängen des Chemin des Dames einniste. Weiter östlich sollte über La Ville-aux Bois Anschluß an 1) 2) 3) Grande
Gliederung Beil. 38 h. Vgl. S. 382. Näheres Beil. 39c, Die Veröffentlichung des Lieut. Ferlus: „La Deuxieme Offensive allemande du Printemps 1918" rechnet mit rund 1400 Geschützen.
Weltkrieg. XIV. Band.
338
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
Bis 26. Mai. die hier näher hinter der I. verlausende II. Stellung genommen werden.
Damit stand General Ducheme hinsichtlich der Ailette-Verteidigung im Gegensatz zu den Abwehrgrundsätzen der Heeresleitung, die weniger starres Festhalten am Geländebesitz forderte. Er fand aber angesichts der be¬ sonderen örtlichen Verhältnisse die Zustimmung der Heeresgruppe und am 19. Mai auch die des Generals Potain zum Halten des Ailette-Abschnittes selbst bei Großkampf. Um diese Zeit rechnete er auf Grund örtlicher Anzeichen und Erkundungsergebnisse bereits mit der Wahrscheinlichkeit eines größeren deutschen Angriffs. Eine von General Petain befohlene gewalt¬ same Lufterkundung gegen den Raum zwischen oberer Oise und Ailette ergab aber am 21. Mai keinerlei zuverlässige Anzeichen für deutsche An-
griffsvorbereitungen. Als in erster Linie bedroht sah die Heeresleitung daher, wie bisher, die Front von der Oise bis zum Meere an. Da schafften am 26. Mai Aussagen deutscher, an der Ailette-Front und
bei Reims eingebrachter Gefangener größere Klarheit: Am nächsten oder übernächsten Tage sollte ein großer Angriff gegen den Chemin des Dames zu erwarten sein, der nach kurzer, aber heftiger Artillerie-Vorbereitung um 2°morgens beginnen werde. General Duchene setzte daher noch am
Nachmittag die vier hinter der Front stehenden Divisionen zur Besetzung der II. Stellung in Marsch. Die Heeresgruppe ließ hinter dem linken Flügel der 4. Armee zwei Infanterie-Divisionen und das I. KavallerieKorps (2 Divisionen) bereithalten und wies die 4. Armee an, alle Maßnahmen zur Abwehr eines Angriffs auf Reims zu treffen. General
Petain bewilligte lediglich die Mitwirkung der bisher als Heeresreserve
zurückgehaltenen Artillerie- und Fliegerkräfte
4. Die Schlacht^). a) 9er Blücher- und Goerz-Angriff am 27. und 28. Mai.
Durch den Befehl der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz 16. Mai^) waren die Angriffeaufgaben der 7. und I. Armee schon so festgelegt, daß diese nur noch ergänzende Weisungen zu geben hatten. allem wurden den Gruppen Gefechtsstreifen und Angriffsrichtungen, bis tief in den Feind hinein, zugewiesen. 1) Gliederung der französischen Abwehrfront am 27. Mai morgens Beil« 38h.
2) Einzelheiten in „Schlachten des Weltkrieges", Band 32 und 33. J) S. 32b f.
vom weit Vor diese
Die Angriffsbefehle der 7. und I.Armee.
339
Im übrigen hatte bei der 7. Armee Generaloberst von Boehn für den Blücher-Angriff am 19. Mai angeordnet, daß die Infanterie in
der frühesten Morgenstunde des Angriffstages in die feindlichen Stellungen einzubrechen habe; ausgenommen war nur der Abschnitt des völlig ver¬
sumpften Waldgebietes östlich von Pinon, das durch beiderseitige Um¬ fassung fallen sollte. An der übrigen Ailette-Front, wo die Verhältnisse wegen des breiten, zwischen den beiderseitigen vordersten Gräben liegenden,
vom Artillerieseuer zerwühlten und infolgedessen versumpften Wiesengrundes ebenfalls besonders schwierig waren, sollten schon während des Vorbereitungsfeuers der Artillerie Abergänge geschaffen werden, damit sich die Sturmtruppen genügend weit vorn, vielfach vorwärts der eigenen Vorfeld-Postierungen, bereitstellen konnten. Der rechte Flügel des Angriffs hatte aus dem Walde südlich von Brancourt vorzugehen, der linke längs
der Aisne. Westlich des genannten Waldes sollte die Gruppe Francis den Gegner durch ein „Ablenkungsunternehmen" gegen die Bergnase dicht östlich von Leuilly fesseln und mit ihrer Artillerie die Flankierung der Ailette-Niederung nach Osten ausschalten. Da General von Francis aus weitere Beteiligung am Angriff drängte, ihm aber die dazu nötigen Kräfte fehlten, sollte er seine Truppen zwar zum Vorgehen auch über die untere Ailette bereithalten, durfte sie jedoch erst antreten lassen, wenn er Befehl dazu erhielt; anderenfalls blieb es für ihn bei der Beteiligung an dem planmäßig erst am vierten Tage des Blücher-Angriffs, also am 30. Mai,
auszuführenden Vorck-Angriff. Als erste Ziele des Blücher-Angriffs waren die Höhen bei Vauxaillon und Pinon, der Chemin des Dames von Fort Malmaison bis zum Winter¬ berg ^), das Waldgelände von La Ville-aux Bois und die feindlichen Stellungen von da bis zur Aisne gegeben. Dann hatte der rechte Flügel (Gruppen
Larisch und Wichura) in der Richtung auf Terny—Conds und weiterhin gegen Westen und gegen Soissons möglichst weit fortzuschreiten. Es sollte angestrebt werden, die Vesle in einem Zuge zu erreichen. Diese Ursprunglichen Angriffsziele wurden dann nach der Weisung der Obersten Heeresleitung vom 21. Mai^) noch dahin erweitert, daß der Angriff „über den Aisne-Abschnitt beiderseits Soissons und über die Vesle hinüber¬
zutragen" sei. Für den Goerz-Angriff des rechten Flügels der 1. Armee (Gruppe Brimont nebst äußerstem linken Flügel der Gruppe Schmettow der 7. Armee) war es dabei geblieben, daß das Vorgehen vom Erfolge des linken Flügels der 7. Armee abhängig sein sollte. Daher und weil die *) Höhe unmittelbar über Craonne (vgl. S. 227). —2) S. 227f.
340
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
Vis 26. Mai. Stellungen südlich der Aisne gegenüber denen nördlich des Flusses um
fast zwei Kilometer vorsprangen, hatte der Oberbefehlshaber der 1. Armee, General Fritz von Below, den Sturmbeginn eine Stunde später als die 7. Armee gelegt. Erstes Ziel des Angriffs war nach den Weisungen der
Heeresgruppe der Aisne/Marne-Kanal. Den Befehl zu weiterem Vor¬ gehen hatte sich der Armeeführer vorbehalten; es konnte voraussichtlich erst nach Eintreffen der bei der 7. Armee freiwerdenden VerstärkungsBatterien in Fluß kommen. Angriffstag blieb, wie festgesetzt, der 27. Mai. Als Sturmzeit für die Infanterie der 7. Armee wurde 4 40 morgens bestimmt. Im Verhalten des Gegners waren einstweilen keine Änderungen wahrnehmbar; seine Stel¬
lungen schienen noch ebenso schwach besetzt wie bisher. Nachdem aber in der Nacht zum 26. Mai bei Patrouillenzusammenstößen an der Ailette einige Leute vermißt und wahrscheinlich in Feindeshand gefallen waren, war der Gegner offenbar aufmerksam geworden. Am 10° abends begann er die Bereitstellungsräume, Anmarschwege und Bahnhöfe der Angriffsfront mit ungewöhnlich lebhaftem Störungsfeuer zu belegen, das die ganze Nacht über anhielt. Es verursachte zwar Verluste, konnte den Aufbau
zum Angriff aber nicht ernstlich behindern.
Der Durchbruch durch die feindlichen Stellungen am 27. Mai.
27. Mai.
Am 2° morgens am 27. Mai eröffneten die Angriffsartillerie und
Minenwerfer der 7. und I.Armee die Schlacht mit einem gewaltigen
Feuerschlag gegen sämtliche erreichbaren Ziele. Dadurch und durch anschließendes Wirkungsschießen von zehn Minuten Dauer bei schnellster
Schußfolge, hauptsächlich mit Gasmunition, sollte zunächst einmal Verwirrung und moralische Wirkung beim Gegner erzielt werden. Die weitere
Angriffsvorbereitung folgte in ruhigerem Feuer und unter Ausnutzung aller bei früheren Angriffen gesammelten Erfahrungen, bis nach einer letzten höchsten Feuersteigerung zur festgesetzten Minute die Infanterie der 7. Armee beim ersten Tageslicht auf der gesamten Angriffsfront zum Sturm antrat. Das Wetter war günstig; über der Ailette-Niederung ver¬
schleierte der Morgendunst die Sicht.
Am linken Flügel der Gruppe Franyois nahmen Teile der 241. In¬ fanterie-Division, allerdings unter erheblichen eigenen Verlusten, die vorbersten französischen Gräben nordöstlich von Leuilly. Der Versuch, die
flankierende Wirkung der feindlichen Artillerie gegen den Angriffsraum der Gruppe Larisch auszuschalten, glückte aber nicht. Der Feind konnte daher die Herstellung von Übergängen über die Ailette und die Bereit¬
Erster Angriffstag. Burchbruch durch die feindlichen Stellungen.
341
stellung der Sturmtruppen der 6. Infanterie-Division südlich des Wasserlauses derart behindern, daß hier die Feuerwalze davonlief. Die infanteristische Abwehr des Gegners lebte wieder auf, der Sturm drohte zu
scheitern. Dem linken Flügel der Division gelang es jedoch, zusammen mit der 5,Infanterie-Division die Ailette-Niederung im Räume von Anizy
ziemlich planmäßig zu überwinden. Dieser Angriff durchstieß im Vorgehen auf Soissons bereits gegen 9° vormittags die starke französische Stellung nordöstlich von Laffaux, erreichte bis 11° den Südrand des Dorfes und etwas früher schon die Mennejean-Ferme. Damit aber kam das Vorgehen hier zum Stehen, da es trotz aller Vorbereitungen (Fertigstellung von
Ailette-Brücken bis 6° früh) bisher nicht gelungen war, über das Trichtergelände und die Nordhänge des Chemin des Dames Artillerie nach vorn zu bringen. General von Larisch setzte die im II. Treffen stehende 6. bayeri¬ sche Reserve-Division ein, um den rechten Flügel vorzureißen. Sie er¬ reichte, untermischt mit der b. Division, bis zum Abend kämpfend die Linie Neuville—Margival, während die 5. Division, die nach Eintreffen von
Artillerie den Angriff fortgesetzt hatte, beim Vorgehen auf das Straßen¬ kreuz Pontrouge in schweren Kämpfen gegen die heraneilende französische 74. Division liegenblieb.
Östlich des Waldes von Pinon hatte die Gruppe Wichura die Höhen¬ linie vom Fort Malmaison bis Ostel als erstes Ziel gehabt und weiterhin die Hochfläche nördlich von Conds. Von den vier in vorderer Linie stehen-
den Divisionen sollte die 13. Landwehr-Division nur aus ihrem linken Flügel einen kurzen Vorstoß über Chavignon bis auf die Hochfläche süd¬ westlich des Ortes machen, um die rechte Flanke des Hauptangriffs zu decken; später war sie aus der Front zu ziehen. Sie führte ihre Aufgabe
mit Erfolg durch und brachte zahlreiche Gefangene ein. Erst recht überwanden 14. Reserve-Division, 113. und 37. Infanterie-Division in raschem Ansturm die feindliche I. Stellung und überschritten schon zwischen ö 30 und 9°, die 37. Division sogar schon um 530, den Chemin des Dames. Der Angriff der 14. Reserve-Division kam dann nördlich von Celles in und vor der französischen II. Stellung zum Stehen. Die 113. Division brach bereits
mittags überraschend in Vailly ein und bemächtigte sich der unzerstörten Brücken über die Aisne sowie den sie begleitenden Kanal. Dann blieb aber
auch ihr Angriff vor der feindlichen II. Stellung unter dem Feuer neu auftretender französischer Artillerie liegen. Weiter stieß die 37. Division durch, die über ebenfalls unzerstörte Brücken sogar in die von der französischen 39. Divi¬ sion an den Hängen südlich des Aisne-Tales besetzte II. Stellung einbrach. Die auf schmälster Front zusammengefaßte Stoßkraft der drei vor¬ deren Divisionen der Gruppe Winckler (I.Garde- und 33. Inf. Div.,
342
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
27. M°i. 10. Res. Div.) sollte die Nachbarkorps mit vorreißen. Die starke Artillerie
hatte derart gewirkt, daß der Angriff gegen nur noch geringen Widerstand bis zum Auslaufen der Feuerwalze an der Aisne völlig planmäßig ab¬ rollte. Hier erlitt die Garde-Division dadurch Aufenthalt, daß in ihrem Gefechtsstreifen jeglicher Abergang über den etwa 30 Meter breiten, stark strömenden Fluß fehlte. Während Teile schwimmend das Süduser er¬ reichten, mußte die Masse seitwärts über vorhandene Brücken ausholen. Unterdessen überschritten die 33. Division bei Pont Arcy und die 10. ReserveDivision bei Bourg bereits die Aisne. Auch Artillerie kam schnell heran. So wurde in den Nachmittagsstunden in teilweise schweren Kämpfen gegen die hier gegenüberstehende französische 157. Division auch der Kanal überwunden und die feindliche II. Stellung durchbrochen. Während die Garde infolge der Verzögerungen beim Aisne-Abergang abends nur noch bis auf die Höhen südlich von St. Mard kam, konnte die 33. Division bei Cour¬ celles bis über die Vesle durchstoßen; die 10. Reserve-Division erreichte
östlich davon den Fluß. Aber Wasserläuse und Höhenzüge hinweg hatten die Divisionen der Gruppe Winckler in einem Zuge bis zu 20 Kilometern
(Luftlinie) nach vorwärts Raum gewonnen. General von Conta hatte den drei Divisionen seines I. Treffens (10., 28. und 5. Garde-Inf. Div.) von Haus aus weiteste Ziele gesteckt; es müsse „ein Wettlauf der Divisionen um die Aisne- und Vesle-Abergänge" sein. Dabei boten für die 10. und 28. Division gleich zu Beginn die Nord-
hänge des Chemin des Dames-Rückens und die starken feindlichen Anlagen am Winterberg ganz ungewöhnliche Schwierigkeiten; manche steile Böschung konnte nur kletternd oder kriechend erklommen werden.
Ganz
anders, aber durch das unentwirrbare Netz neuer und alter Stellungen nicht minder schwierig, war das leicht wellige und im allgemeinen offene Angriffsgelände vor der 5. Garde-Division. Da auch bei dieser Gruppe
jede feindliche Gegenwirkung durch das Artilleriefeuer ausgeschaltet war, ging der Angriff überall sehr flott vorwärts, so flott, daß die der GardeDivision zugeteilten Panzer-Kampfwagen schon bald nicht mehr folgen konnten. Die Aisne- und Kanalbrücken fielen, bis auf eine der letzteren,
unbeschädigt in die Hand der Angreifer. In den ersten Nachmittagsstunden wurde nach Kamps bereits die II. Stellung südlich der Aisne genommen. Um 5°stand die 10. Division vor Bazoches, die 28. vor Fismes an der
Vesle. Bazoches konnte um 10° abends erstürmt werden, dagegen scheiterte
der Versuch, in Fismes einzudringen. Unterdessen hatten die vordersten Teile der 5. Garde-Division nach Kämpfen bei Baslieux zusammen mit dem weichenden Feind um 8° abends das Südufer der Vesle erreicht, wo sie südwestlich von Magneux einen großen, vom Gegner überstürzt ver-
Erster Angriffstag. Erreichen der Vesle.
343
lassenen Flugplatz nahmen. Einige Flugzeuge, zahlreiche Kraftfahrzeuge, Betriebsstoff und Material wurden erbeutet. Diese Divisionen hatten mehr als 20 Kilometer Raum nach Süden gewonnen.
Im Angriffsraum der Gruppe Schmettow war der Weg zur Aisne sehr viel kürzer und bot auch weniger Geländeschwierigkeiten als bei den über den Chemin des Dames angesetzten Gruppen. Den drei Divisionen des I. Treffens (50. und 52.Ins. Div., a/s 7. Res. Div., jede mit einer Afcteilung Panzer-Kampfwagen) war als erstes Ziel das Waldgelände von La Ville-aux Bois und, nach Überwindung der Aisne, die Hochfläche süd¬ lich von Roucy und Bouffignereux gegeben. Die von Engländern besetzte I. Stellung wurde auch hier glatt überwunden, dann aber kam es bei La Ville-aux Bois zu zeitraubenden Kämpfen der 50. und 52. Division, bei denen die Panzer-Kampfwagen gute Dienste leisteten. Die 7. Reserve-
Division, die noch unter den Nachwirkungen ihrer schweren Verluste bei Lassigny am 30. März^) litt, kam erst vorwärts, als ihr südlich der Aisne angreifender Teil in raschem Zustoß Moscou genommen hatte. Zwischen 9° und 10° war überall die Aisne erreicht. Da aber zahlreiche Brücken vom
Gegner bereits gesprengt waren, kostete de'r Übergang teilweise Zeit. Der Wald von Gernicourt bereitete weiteren Aufenthalt, denn der Feind hatte Gelegenheit gesunden, den Widerstand hier neu zu ordnen. Vom Angriff der I. Armee war noch wenig zu spüren. Erst abends gelang es, die feindlichen Stellungen in der Linie Roucy—Cormicy zu nehmen und anschließend daran die Höhen südlich davon zu erreichen; Teile der 52. Divi-
sion stießen bis Bouvencourt durch. Der rechte Flügel der Gruppe Brimont der 1. Armee (1/3 7. Res. Div., 33. Res. Div. und 213. Inf. Div.) trat südlich der Aisne eine Stunde später als die Gruppe Schmettow an und erreichte bis 7°. vormittags ohne
ernstere Schwierigkeiten seine ersten Ziele, Moscou—Höhe 83 nordöstlich von Cormicy und weiter den Aisne/Marne-Kanal bis Loivre. Dann würde
befehlsgemäß gewartet, bis das Armee-Oberkommando die Fortsetzung des Angriffs befahl, die vom Erfolge der I.Armee abhängen,,sollte. Über diesen aber konnte zunächst keine Klarheit geschaffen werden. Erst nachdem die Oberste Heeresleitung genehmigt hatte, daß die I.Armee weiter angriff, „falls sie sich allein dazu in der Lage fühle", befahl um 930 die Heeresgruppe, den Angriff des rechten Flügels in der Richtung auf die Höhe 186 südwestlich von Cormicy fortzusetzen. Am II3" mittags kam die
Bewegung wieder in Gang, traf jetzt aber, nach viereinhalbstündigem Stillstand, auf erheblichen Widerstand. Es wurde 745 abends, bis nach schwerem Ringen Cormicy genommen war. Die zur Gruppe Schmettow i) S. 240.
344
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
27. Mai. noch bestehende Lücke wurde durch Einschub der 8S. Infanterie-Division
geschlossen und kämpfend die Linie Höhe 186—Loivre erreicht. Die Fortsetzung des Angriffs über die Vesle am 28. Mai.
Am Abend des 27. Mai hatte Generaloberst von Boehn den Ein¬
druck, daß sich der Gegner von seiner Überraschung noch in keiner Weise erholt habe. Gesangenenaussagen bestätigten im wesentlichen das vor An¬ griffsbeginn gewonnene Bild. Flieger meldeten das Anrücken von Verstär¬ kungen aus der Richtung Paris gegen den rechten Flügel seiner Armee; vor dem linken der 18. schienen die feindlichen Reserven aber einstweilen
noch in bisheriger Stärke zu stehen. Generaloberst von Boehn befahl, daß die Angriffskorps alles daran setzen sollten, die Verfolgung auch in der Nacht nicht erlahmen zu lassen und die ihnen gesteckten Zieles zu erreichen. Als dann von der Gruppe Conta die Nachricht einging, daß sie mit allen
drei Divisionen die Vesle erreicht habe, befahl die Oberste Heeres¬ leitung um 1045 abends: „Korps Conta geht noch in der Nacht weiter vor gegen die Höhen südlich der Vesle. Die Nachbarkorps erreichen noch heute unbedingt die Vesle. Der Nachdruck liegt beim Korps Conta und
bei den anstoßenden Flügeln der Korps Winckler und Schmettow. Dorthin werden die Reserven zu vereinigen sein. Weit vorgestoßene Korps werden den abhängenden Nachbarn durch Eindrehen rückwärtiger Teile in die Flanken des haltenden Gegners das Vorkommen zu ermöglichen haben". 2s.Ma,.
Bei der Gruppe Franyois, die am 28. Mai um l°nachts den Befehl erhielt, den Brückenkopf bei Leuilly morgens zu erweitern, dabei aber keine
stärkere Infanterie einzusetzen, wurde zunächst das Eintreffen ausreichender Artillerie abgewartet. Die Gruppe Larisch, deren linker Flügel laut Armeebefehl auf Soissons angesetzt war und deren Front sich beim Vor¬ gehen wesentlich ausdehnen mußte, wünschte die 51. Reserve-Division zwischen der 6. und 5. Infanterie-Division einzuschieben. Das aber lehnte das Armee-Oberkommando ab, da die Oberste Heeresleitung Spar¬ samkeit im Einsatz der Reserven gefordert hatte und bei der Gruppe Larisch nur dann frische Kräfte einsetzen wollte, wenn dort ein Erfolg auszunutzen
war; nötigenfalls sollte ihr die Gruppe Wichura Vorwärtshelsen. General von Larisch befahl seinen drei in der Front stehenden Divisionen, bis zum Mittag mindestens die Linie Ersey-au Mont (westlich von Leuilly)—
Iuvigny—Höhenränder östlich von Erouy zu erreichen; dabei schon mußte sich die bisher acht Kilometer messende Front auf etwa zwölf verbreitern. Am rechten Flügel der Gruppe (erst nachträglich eingeschobene b. bayer. i) 6.339.
Zweiter Angriffstag. Einnahme und Räumung von Soissons.
345
Res.-Div., bisher Stellungsdivision) kam die schwere Artillerie wegen des
noch auf dem Ailette-Grund liegenden feindlichen Flankenfeuers erst spät nach vorn; die Feuervorbereitung für den Angriff konnte erst um 2°nach¬ mittags beginnen. Dem Vorgehen schloß sich dann der linke Flügel der Gruppe Franyois an, vermochte aber nur sehr wenig Raum zu gewinnen.
Die S. bayerische Reserve-Division dagegen stieß in flottem Angriff bis Iuvigny durch, das sie abends erstürmte, während ihre beiden Flügel scharf zurückhingen. Denn auch die 6. Infanterie-Division, die nach Heranziehen ihrer zunächst noch im Abschnitt der Bayern stehenden Infanterie um 9" früh angetreten war, war gegen stärkeren feindlichen Widerstand mit dem rechten Flügel über Terny kaum hinausgelangt) der linke, den ein heftiger französischer Gegenstoß getroffen hatte, war am Südausgang von Vuillery liegengeblieben. Bei der 5.Infanterie-Division, die sich um 6°
früh überraschend in den Besitz der französischen Stellungen bei Pontrouge gesetzt hatte, war der um 10° begonnene allgemeine Angriff erst in Fluß gekommen, als gegen 3° nachmittags links neben ihr das Vorgehen der
Gruppe Wichura wirksam wurde. In zweistündigem schwerem Nahkampf wurde der französische Widerstand gebrochen, in entschlossenem Nach¬ drängen gegen 9° abends Soissons erreicht und, bepor der Gegner alle Brücken sprengen konnte, die Aisne von vier Bataillonen überschritten^). Die innere Stadt, ihr Südostteil bis zum Bahnhof und das Dorf Billeneuve wurden vom Gegner gesäubert. Dann aber wirkten sich Befehle aus, die höhere Dienststellen gegeben hatten, bevor der Angriff der Gruppe Larisch in Gang gekommen war. Um ihr vorwärtszuhelfen, hatte General Ludendorff die 7. Armee mehr¬
fach auf starken Druck südlich der Aisne nach Westen hingewiesen, und Generaloberst von Boehn hatte daher nachmittags für den linken Flügel der Gruppe Larisch Vordringen „am Südrand der Höhen" nördlich der Aisne befohlen^), während das Vorgehen südlich der Aisne und die Ein¬ nahme von Soissons der inzwischen durch Einschub der 9. InfanterieDivision verstärkten Gruppe Wichura zufallen sollte. Dementsprechend erhielt die 5. Division vom Generalkommando Larisch, als ihr Angriff auf
Soissons gerade in Fluß gekommen war, die Weisung, nach Erreichen der Höhen von Croucy südwärts gegen die Aisne zu sichern, alle übrigen Kräfte aber zu weiterem Angriff nördlich des Flusses nach Westen bereit¬
zustellen. Die Division wandte sofort ein, sie habe bereits befohlen, die Aisne-Vrücken bei Soissons und Villeneuve zu besetzen. Daraufhin bemerkte J) Die Division hatte in derselben Gegend bereits im Januar 1915 angegriffen, damals aber die Aisne nicht überschreiten dürfen (Bd. VII, S. 24). 2) Vgl. auch S. 352,
346
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
28. Mai. das Generalkommando zwar, was genommen sei, sei selbstverständlich in der
Hand zu behalten, bestand im übrigen aber aus Ausführung des Armeebefehls, die auch das Armee-Oberkommando unbedingt verlangte. Gleichzeitig wurde der Division eine Fliegermeldung mitgeteilt, nach der an-
marschierende feindliche Kräfte südlich von Soissons Halt gemacht hätten. Im übrigen ließ General von Larisch darauf hinweisen, „die Truppen unter keinen Umständen in die Stadt zu lassen", damit sie nicht aus der Hand kämen und — so ist es bei der 5. Division aufgefaßt worden —,
wenn sie schon drinnen wären, so seien sie über die Aisne zurückzunehmen. Unter diesen Umständen entschloß sich der Divisionskommandeur, wenn auch schweren Herzens, seine Truppen aus der Stadt zurückzurufen. So wurde Soissons nachts wieder geräumt, nur schwache Postierungen blieben aus eigenem Entschluß der örtlichen Führer an den Brücken. Der linke Flügel der 5. Division behielt Villeneuve und die
Höhe 94 in der Hand, die Masse nächtigte bei Crouy. Die Änderung der Gefechtsstreisen durch die obere Führung bei währendem Kampfe hatte sich dahin ausgewirkt, daß eine bereits genommene wichtige Stadt ohne Not ausgegeben worden war.
Auch bei der Gruppe Wichura kam der Angriff des rechten Flügels und der Mitte angesichts des feindlichen Widerstandes in dem von alten
Gräben und Hindernissen ausgefüllten Kampfgelände von 1917 erst spät in Gang. Die 9. Infanterie-Division litt zunächst stark unter Flankenfeuer vom Fort Conds, konnte erst, nachdem dieses von der 14. ReserveDivision genommen war, nachmittags den Höhenrand über dem Aisne-Tal erreichen und nahm gegen Abend die Dörfer Buzy und St. Marguerite. Bei der l4. Reserve-Division war der Angriff um 8° früh mißlungen; er
machte erst Fortschritte, als auch die Rachbar-Divisionen Gelände gewannen und erreichte gegen 5°nachmittags die Aisne-Brücken von Missy und Conds, die aber derart zerstört waren, daß erst von 745 an Infanterie bei Missy übergehen konnte; diese erreichte abends den Bachabschnitt östlich von Venizel. Die 113. Infanterie-Division, die bei Bailly bereits auf dem
südlichen Aisne-Ufer stand, kam hier nur dadurch vorwärts, daß sie ihre Reserven ostwärts über Chavonne ausholen ließ. Zusammen mit der
37. Infanterie-Division gelangte sie kämpfend bis zum Mittag nach Chassemy und stieß über die Besle, deren Brücken ebenfalls zerstört waren, bis auf die Höhen südwestlich von Ciry, ein Teil sogar bis Acy vor, während
die 37. Division, durch neu herankommenden Feind mehrfach aufgehalten, mit vordersten Teilen bis zur Ferme Mt. de Soissons (südl.von Serches) kam. Ebensowenig wie die Gruppe Wichura hatte die Gruppe Winckler geschlossenen Widerstand gesunden. Es handelte sich überall um Kämpfe
Zweiter Angriffstag. Überschreiten der Vesle.
347
gegen kleinere feindliche Abteilungen. Die I. Garde-Infanterie-Division war alsbald auf gleiche Höhe mit der 33.Infanterie- und 10. ReserveDivision vorgekommen und hatte Braisne genommen. Abends lagen alle
drei Divisionen auf den Höhen des linken Vesle-Ufers bei Cuiry Housse und Lhuys. Die Gruppe Conta hatte noch in der Nacht die 36. InfanterieDivision zwischen der 10. und 28. Infanterie-Division eingeschoben, damit sie beim Abergang über die Vesle mitwirke. Dieser wurde bereits in den Vormittagsstunden bei Bazoches und Fismes erzwungen. Gegen Mittag erreichten die drei Divisionen mit der Einnahme von Mont-St. Martin
und Courville das Angriffsziel. Dagegen hatte sich der Angriff der 5. Garde-
Infanterie-Division durch das Abhängen der Gruppe Schmettow zunächst verzögert; Franzosen und Engländer lagen ihr gegenüber. Nachmittags erreichte sie die Höhen südlich von Unchair und damit ebenfalls ihr Ziel, man richtete sich zur Abwehr ein. Unterdessen hatte General von Conta um 240 nachmittags die Fortsetzung des Angriffs befohlen, die aber nach Abwehr eines feindlichen Gegenstoßes südlich von Mont-St. Martin erst gegen 7°abends in Gang kam und bei Dunkelwerden vor feindlichem
Widerstand in der Linie Bruys—Arcis-le Ponsart ihr Ende fand. Die 5.Garde-Division, die in dem Abschnitt der linken Nachbargruppe hinein¬ geraten war, wurde hinter die Front genommen. Vor dem rechten Flügel der Gruppe Schmettow war der Gegner in der Nacht zum 23. Mai zurückgegangen. Die 50. und 52. Infanterie-
Division erreichten unter Kämpfen nachmittags die ihnen gesteckten Ziele. Der erst abends eintreffende Befehl zur Fortsetzung des Angriffs führte nur noch am äußersten rechten Flügel (50. Inf. Div.) zu geringen Fort¬ schritten; gegen die Gruppe Conta war dieser Flügel damit wiederum etwa
vier Kilometer zurückgeblieben. Aus dem linken Flügel kam die 7.ReserveDivision gegen feindlichen Widerstand nur langsam vorwärts, sie lag abends fast rechtwinklig zur übrigen Front beiderseits des Vesle bei Ionchery. Die I.Armee hatte bereits am 27. Mai um 545 nachmittags Fort-
setzung des Angriffs der Gruppe Brimont unter Anspannung aller Kräfte bis in die Dunkelheit und Wiederaufnahme bei Tagesanbruch be¬ sohlen. Die von der 7. Armee zuzuführenden Verstärkungs-Batterien waren noch am Abend eingetroffen und nachts in Stellung gegangen. Zwischen 6" und 7°vormittags begann der Angriff. Unter dauernden Kämpfen, bei denen die Wegnahme des Forts de St. Thierry eine Rolle spielte, erreichte die Gruppe (neu eingesetzte 86. Inf. Div., 35. Res. Div., 213. und 242. Ins. Div.) bis zum Abend die Linie Prouilly—Thil und östlich.
348
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
Auch der zweite Angrifsstag hatte an der gesamten Einbruchsfront gute Ergebnisse gebracht, wenngleich der Raumgewinn nach den gewal¬ tigen Anstrengungen des ersten Tages geringer war als an diesem. Nach¬
haltigeren Widerstand hatte der Gegner nur den Flügeln des Einbruchs, vor allem dem rechten, entgegengesetzt. Der Nachschub hatte keine be¬ sonderen Schwierigkeiten gemacht, denn der Munitionsverbrauch war ver-
hältnismäßig gering geblieben, und die Verpflegung konnte weitgehend dem Lande, vor allem erbeuteten Magazinen, entnommen werden. Dabei war es allerdings besonders in Braisne und Fismes bei vorübergehendem
Stillstand des Angriffs sowie bei Pevy zu übermäßigem Alkoholgenuß und im Anschluß daran zu Disziplinwidrigkeiten gekommen. Da sie sich im wesentlichen auf rückwärtige Teile beschränkten, blieben sie auf das Ergebnis der Kämpfe ohne nennenswerte Rückwirkung. Der Gegner am 27. und 28. Mai*).
28
mal ®er deutsche Angriff hatte den Gegner überrascht. Die Gefangenenaussagen des 26. Mai waren für nennenswerte Abwehrvorbereitungen zu spät gekommen, und vor allem waren die Größe der Gefahr, Ausdehnung und Stärke des deutschen Angriffs unterschätzt worden. Zuführung von
Verstärkungen hatte General Potain daher zunächst abgelehnt. Bei General Duchßne lagen am 27. Mai um 8° morgens, als die deutschen
Sturmtruppen den Chemin des Dames bereits überschritten hatten, zwar ernste Meldungen über die Lage an der Ailette-Front vor, doch glaubte er,
die Stellungen aus dem Höhenrücken halten zu können. Er schickte starke Teile der zur Verteidigung der II. Stellung eingesetzten Divisionen über die Aisne vor, vermochte damit jedoch den Zusammenbruch der Abwehr
nördlich des Flusses nicht mehr aufzuhalten. Die Besatzung der II. Stellung aber hatte er, außer in der Richtung auf Soissons, jetzt derart geschwächt, daß auch in ihr keine zusammenhängende Front mehr aufgebaut werden konnte. Rechtzeitige Anordnungen für Zerstörung der Aisne-Brücken wurden bei der Unklarheit der Lage versäumt. Diese Entwicklung hatte ihren Grund teils in der Wucht des deutschen Angriffs, teils aber auch in den
widerspruchsvollen grundlegenden Anordnungen der französischen 6. Armee, die einerseits den Chemin des Dames halten wollte, andererseits ihre Reserven mit Verteidigung der weit zurückliegenden II. Stellung be¬ auftragte, statt sie als Eingreif-Divisionen zu verwenden, dann aber doch Teile von ihnen zum Kampf um den Chemin des Dames nach vorne warf. Diese Unklarheit in der feindlichen Kampfführung hat zur Größe des deutschen Erfolges am 27. Mai wesentlich beigetragen, i) Anschluß an S. 227 f.
~~
Der Gegner am ersten und zweiten Angriffstag.
349
Am Nachmittag hatte General Foch sich mit General Petain in dessen Hauptquartier Chantilly über die Lage ausgesprochen, die zu dieser
Zeit noch nicht allzu bedenklich aussah. Er beurteilte die deutsche Offensive als ein Ablenkungsunternehmen, um Reserven von der Front nördlich
von Amiens abzuziehen, und fand einstweilen keinen Anlaß einzugreifen. Als dann abends der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord, General Franchet d'Esperey, meldete: „Lage sehr ernst, Feind kann 20 bis 25 Divisionen eingesetzt haben, wahrscheinliche Richtung Tal des Ourcq", sah sich General Pstain genötigt, auch auf Reserven aus dem Räume nördlich der Oise zurückzugreifen und das Armee-Oberkommando 5 zum Einsatz zwischen 6. und 4. Armee zur Verfügung zu stellen.
Für den 28. Mai befahl General Duchsne: „Halten und, soweit möglich, jede Truppe angreifen, die die II. Stellung überschritten hat". Die Front hatte aber bis zum Morgen dieses Tages durch herankommende Verstärkungen nur wenig gestützt werden können^), und die am Chemin des Dames geworfenen Divisionen besaßen so gut wie keine Kampfkraft mehr. Insgesamt rechnete die französische Führung mit einer tatsächlichen Stärke der 6. Armee von nur noch etwa sieben bis acht Divisionen, davon
fünf kampfkräftige, im übrigen „Trümmer" der am 27. geworfenen, während aus deutscher Seite im ganzen 20 Divisionen im Angriff festgestellt waren. Um 10° vormittags befahl General Pstain, die VesleLinie zu halten, und General Franchet d'Espörey stellte daraufhin der 6. Armee sieben Divisionen, davon eine englische, zur Wiedergewinnung und zum Halten dieser Linie zur Verfügung. Von diesen Divisionen konnten allerdings höchstens drei noch am 23. Mai an der Front eintreffen. So reichten die Kräfte in keiner Weise, um den deutschen Ansturm zum Stehen zu bringen. Am besten behauptete sich die Front des XXX. und XI. Korps zwi¬ schen Ailette und Aisne, der ausreichende Reserven, vor allem auch von den nicht angegriffenen Abschnitten an der unteren Ailette und der Oise,
zuflössen. So brach der Widerstand erst nachmittags und im wesentlichen x) Gliederung am 28. Mai morgens vom linken Flügel (abgekämpfte Divisionen
unterpunktet): XI. Korps: dl. u. 74. Div., dahinter 1. Div.
XXI. Korps: 21., 39., 157., 22. u. 13. Div.; im Eintreffen 154. Div. engl. IX. Korps: 50., 8., 21. u. 25. Div. 45. Div.
An Reserven sollten im Laufe des 23. Mai eintreffen: 43. Div. bei Braisne, I. Kav.-Korps südl. von Fismes, ferner später am Tage: 170. Div. bei Attichy, 4. Div. nördl. von Neuilly—St. Front, 20. Div. bei Ville en Tardenois.
350
Die Offensive am Chemin des Dames und gegen Reims.
zs. Wai. nur in der Richtung auf Soissons selbst zusammen. Weiter südöstlich aber
mußten XXI. und englisches IX. Korps schon früher die ganze BesleLinie bis Ionchery und die Höhen südlich davon preisgeben; sie bildeten keine zusammenhängende Front mehr. Am linken Flügel der 4. Armee ging das Fort de St. Thierry verloren, und im Anschluß daran wurde aus Befehl der Heeresgruppe das I. Kolonial-Korps nachts hinter die Vesle und auf die Vororte von Reims zurückgenommen. Besonders empfindlich war, daß die zur Verstärkung eintreffenden Flieger ihre soeben erst ein¬
gerichteten Flugplätze wegen des raschen deutschen Vordringens zurück¬ verlegen mußten, bevor sie überhaupt in Gebrauch genommen waren. Das trug wesentlich dazu bei, der deutschen Seite auch weiterhin das Übergewicht in der Luft zu sichern. Am 28. Mai abends befahl General Duchsne, die von der Aisne
über Rampteuil nach Arcis-le Ponsart verlaufende bisherige Front zu hal¬ ten; das XI. Korps sollte Soissons wiedernehmen oder wenigstens ver¬ hindern, daß der Gegner aus der Stadt heraustrete. In der Front des XXI. Korps waren südwestlich von Fismes Teile des I. Kavallerie-Korps und eine neu eingetroffene Infanterie-Division eingeschoben worden. Der
rechte Flügel der Armee, künftig I. Kavallerie-Korps und 45. Division, sowie das I. Kolonial-Korps der 4. Armee, sollten demnächst von dem neu
herankommenden Oberkommando der 5. Armee, General Micheler, übernommen werden.
General Petain hatte im Laufe des 23. Mai alle Kommandostellen
der angegriffenen Front aufgesucht. Angesichts der entstandenen Lage hatte er nach einer Besprechung mit General Foch abends auf Behauptung der Vesle-Linie verzichtet und befohlen, auf den Flügeln bis zum äußersten Widerstand zu leisten, um den in der Mitte vorwärtsstrebenden deutschen
Angriff durch Bedrohung seiner beiden Flanken zum Erliegen zu bringen. Hauptaufgaben der Heeresgruppe Nord sollten sein: Am Westflügel des Einbruchs Halten der Stellungen beiderseits der Aisne, am Ostflügel Behauptung des Berglandes südwestlich und westlich von Reims. Rachhaltiger Widerstand war in der Linie Royon—Chaudun und weiterhin in der
Pariser Schutzstellung bis Arcy-Ste. Restitue vorzubereiten, denn es lagen
inzwischen „bestimmte" Nachrichten für bevorstehenden deutschen Angriff auch nördlich der Oise, aus der Gegend von Noyon, vor. Bis zum Abend des 28. Mai waren im ganzen 17 Infanterie-Divi¬
sionen (davon 13französische, 4 englische) und zwei Kavallerie-Divisionen am Kamps beteiligt gewesen oder noch beteiligt, elf Infanterie-Divisionen (davon eine englische) und drei und eine halbe Kavallerie-Division wurden
Der Gegner am ersten und zweiten Angriffstag.
351
An Reserven standen zwischen Schweizer Grenze und Reims nur noch
acht Divisionen (davon I italienische und 3 noch nicht fertig ausgebildete amerikanische) zur Verfügung, von der €>ise bis zum Kanal außer briti¬
schen, belgischen und amerikanischen Truppen nur noch zehn französische Divisionen. Demgegenüber rechnete man mit einer deutschen Reserve von
65 Divisionen, davon 47 frisch; der größere Teil von ihnen, 41 Divisionen
(davon 28 frisch), wurde hinter der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht angenommen.
b) Fortsetzung des Angriffs und Erweiterung zur Schlacht bei Soissons—Reims. Die Führung am 23. Mai und die Befehle für den 29. Mai.
Bis zum Morgen des 23. Mai war sich die deutsche Führung darüber
klar, daß die Mitte der Angriffsfront die Vesle erreicht, teilweise sogar bereits überschritten hatte und im Vorgehen auf die Höhen südlich des Flusses war. Am 8° früh traf General Ludendorff zu einer Besprechung beim Armee-Oberkommando 7 ein, an der auch der Oberbefehlshaber und der Generalstabschef der Heeresgruppe teilnahmen: Der Angriff sollte an
der ganzen Front fortgesetzt werden, der rechte Flügel sich dabei durch
scharfes Zufassen aus dem Höhengelände zwischen dem Oise/Aisne-Kanal und der Aisne in westlicher Richtung vorschieben. Im übrigen waren möglichst bald die Höhen westlich von Braisne, südlich von Bazoches und Fismes sowie nordwestlich von Reims in Besitz zu nehmen. Hierbei sollte der Erfolg der Gruppen Winckler und Conta, die am weitesten nach Süden vorgedrungen waren, „fächerartig" weiter ausgebaut werden. Um schon jetzt neue Endziele zu befehlen, schien die Gesamtlage zwar noch nicht ge¬ nügend geklärt, doch gab General Ludendorfs um 1° mittags sein Einver¬
ständnis dazu, daß der Gruppe Winckler die Straße Hartennes (13 km südl. von Soissons)—Fere-en Tardenois als nächstes Ziel zugewiesen würde;
der Schwerpunkt der Gruppe Wichura sei aus Inbesitznahme der Höhen südlich von Soissons zu legen, um den Gegner zu zwingen, das Gelände zwischen Aisne und Oise zu räumen, damit dann auch die 18. Armee die
Oise überschreiten und aus Compiegne vorgehen könne; die Gruppe Conta sollte östlich von Fere-en Tardenois die Höhe 230 (nordöstl. von Eierges) gewinnen. An frischen Kräften wurden der 7. Armee zwei Divisionen
(47. und 23. Res. Div.) zur Verfügung gestellt. Aber schon bald, um 2^ nachmittags, folgte eine grundlegende Weisung für die wei¬ teren Operationen:
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
352
2«. Mai.
„Die Heeresgruppe hat die ungefähre Linie Höhen südwestlich
Soissons—Fsre-en Tardenois—Höhen südlich Coulonges—Südfront (Fort¬ linie ^)) Reims zu gewinnen.
Es ist besonders bedeutungsvoll, südlich Soissons stark zu sein, um den Gegner hierdurch zu zwingen, das Gelände zwischen Oise und Aisne zu räumen. Sollte dies eintreten, so hat 18. Armee etwa über Royon Kräfte
aus das südliche Oise-Ufer zu ziehen und hier in Richtung Eompiegne Ge¬ lände zu gewinnen. Gneisenau^) würde dann in anderer Form zu führen
sein.
Ob ein weiteres Vordringen gegen die Linie Compisgne—Normans—
Epernay möglich sein wird, ist zur Stunde noch nicht zu übersehen; es kann aber im günstigsten Falle ins Auge gefaßt werden. Die Oberste Heeresleitung wird der Heeresgruppe voraussichtlich noch drei Divisionen zuführen.. ." Diese Weisung bedeutete eine großzügige Erweiterung des Operationszieles nicht nur in der Richtung auf Compiegne, sondern auch dadurch, daß die von General Ludendorff aus Mangel an Kräften bisher abgelehnte,
mit dem weiteren Vordringen nach Süden aber zur Sicherung der Nachschublage unentbehrliche Wegnahme von Reims in Aussicht genommen wurde, allerdings, ohne daß dazu weitere Kräfte zugewiesen wurden. Für die 7. Armee ergab sich, daß der Gruppe Larisch durch Druck südlich von Soissons nach Westen vorwärtsgeholfen werden sollte, in der Hoffnung, daß damit der Vorck-Angriff vielleicht ganz entbehrlich, zum mindesten aber
wesentlich erleichtert und im Kräftebedarf eingeschränkt werden könne.
Etwa zu derselben Zeit, da die Weisung der Obersten Heeresleitung abging, hatte Generaloberst vonBoehn die Fortsetzung des Angriffs der 7. Armee befohlen. Er ergänzte diesen Befehl nunmehr durch die Zielsetzung: „Vordringen bis auf die Höhen rund um Soissons" sowie „GeWinnen der Heerstraße Soissons—Fsre-en Tardenois und des waldigen Höhengeländes von Cierges—Romigny—Tramery, dessen Besitz uns Artilleriewirkung bis ins Marne-Tal verschaffen wird". Beim Vorgehen
sollte sich die Gruppe Franyois dem rechten Flügel der Gruppe Larisch anschließen; diese hatte „zwischen Ailette und Aisne, linker Flügel am Südrande der Höhen, weiter nach Westen" vorzugehen; General Wichura hatte seine Hauptkräfte südlich der Aisne im Vordringen auf die Höhen westlich der Straße Soissons—Villemontoire zu vereinigen und, falls Soissons genommen werde, einen Ortskommandanten für die Stadt zu 1) Ft. de Montbre etwa dkm füM., Ft. de la Pompelle 6 km südöstl. der Stadt.
2) 6.327.
Befehle für Erweiterung des Angriffs.
353
ernennen. Die Gruppe Winckler sollte die entscheidenden Höhen von Launoy und Arey-Ste. Restitue erreichen. Für die Gruppe Conta blieb der
Höhenklotz nördlich von Eierges das Hauptziel, die Gruppe Schmettow hatte die Höhen südlich von Lagery und Lhery zu gewinnen. Das lange Stocken im Angriff des rechten Flügels veranlagte General Ludendorfs dann, um 430 nachmittags nochmals einzugreifen: Die Gruppe Winckler müsse der Gruppe Wichura durch vorübergehendes Eindrehen rückwärtiger Staffeln Vorwärtshelsen; dadurch trete dann „selbst¬ tätig" auch eine Hilfe für die Gruppe Larisch ein. Insgesamt hatte er abends den Eindruck, daß „der Befehl zur Weiterführung des Angriffs nicht völlig durchgedrungen" sei. Er mahnte um 1015 abends: „7. Armee hat morgen mit dem frühesten anzugreifen". Die I.Armee hatte für die Fortsetzung des Angriffs am 29.Mai
keinen weiteren Befehl gegeben, wohl aber nachmittags ihre Auffassung über Durchführung und Kräftebedarf für den Angriff bis an die
Südfront von Reims dargelegt: Einseitiger frontaler Angriff habe kaum Aussicht auf Erfolg, umfassender gleichzeitiger Angriff würde ganz unverhältnismäßige Kräfte an Artillerie und Infanterie bei völlig neuem Artillerieaufmarsch kosten. Das neue Ziel werde am besten erreicht, wenn
zunächst der jetzige Stoß westlich an Reims vorbei durchgeführt würde. Dessen linker Flügel sollte dabei allmählich gegen die Stadt eindrehen, zunächst an den Aisne/Marne-Kanal bis Courcelles, dann — während der
Wetterführung des Hauptstoßes nach Süden bis BUle-en Tardenois und Ehamp-Fleury — in einer von da nordwärts nach Faubourg d'Epernay
verlausenden Front. Sollte der Feind trotz dieser Bedrohung Reims nicht räumen, so könne es nunmehr „durch Vorstoß'von beiden Seiten ab¬ geschnürt und in gleicher Weise wie Armentiöres^) zu Fall gebracht werden". Als erforderliche Verstärkungen errechnete die Armee ein Generalkom¬
mando, fünf Divisionen, ein Heeres-Feldartillerie-Regiment und zwölf schwere Batterien. Bis zum Abend des 23. Mai waren 20000 Gefangene gezählt; die Beute an Waffen und Gerät war groß, ließ sich aber noch nicht genau übersehen. Der Gesamteindruck vom Gegner war, daß seine Abwehr, zum mindesten in der Gegend nördlich von Soissons, bereits eine gewisse Planmäßigkeit angenommen habe. Dagegen hatte er dem Vordringen der mittleren Korps anscheinend noch keine stärkeren Kräfte entgegenzu-
stellen. Durch Gefangene waren bisher acht französische und fünf englische Divisionen festgestellt. Verstärkungen schienen vor allem aus südwestlicher _____
Weltkrieg. XIV. Band.
354
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
Richtung anzurücken, doch waren auch aus Flandern Truppen nach Süden im Rollen; der Zweck des Blücher-Angriffs schien sich also zu erfüllen. Insgesamt vermutete die Oberste Heeresleitung, daß etwa 16 feindliche Divisionen gegenüberstünden. Da diese einen recht großen Teil ihres Be¬ standes, besonders an Artillerie, verloren hatten, schien die deutsche Über¬ legenheit mit mehr als der doppelten Zahl von Divisionen und sehr starker Artillerie immer noch erdrückend. Zuführung weiterer Kräfte wurde daher
nicht in Aussicht genommen. Die Kämpfe am 29. Mai.
2g.Mai.
Bei der 7. Armee machten der linke Flügel der Gruppe Francis
und der rechte der Gruppe Larisch gegen nachhaltigen feindlichen Wider¬ stand keine entscheidenden Fortschritte; durchschnittlich wurden etwa zwei Kilometer Raum gewonnen. Die 6. bayerische Reserve- sowie die 6. und 5.Infanterie-Division kamen unter dauernden Kämpfen bis an die Straße
Chavigny—Soissons. Die Aufgabe der 5. Division war inzwischen mittags abermals geändert worden, da der rechte Flügel der Gruppe Wichura (9. Inf.- und 14. Res. Div.) wegen zerstörter Brücken zunächst nicht über die Aisne kam. Die Gruppe Larisch sollte daher nach einem Befehl des Armee-Oberkommandos von 1230 mittags nun doch über den Fluß gehen
und den „Hauptdruck" auf die Höhen südwestlich von Soissons legen; die Grenze zur Gruppe Wichura wurde derart geregelt, daß die Gruppe Larisch wieder ihre ursprüngliche rein südwestliche Richtung erhielt, linker Flügel längs der Straße Belleu—Chaudun. Zur Lösung der neuen Aufgabe stand aber nur noch das bisher gegen Soissons sichernde Regiment der 5. Division zur Verfügung, das in verlustreichem Ortsgefecht bis zum Abend über den
südwestlichen Stadtrand nicht hinauskam.
Unterdessen hatte die 9. Infanterie-Division der Gruppe Wichura erst nach 4« nachmittags ihre Truppen auf dem südlichen Aisne-Ufer soweit zur Hand, daß sie den Angriff einheitlich fortsetzen konnte. Räch zähen Kämpfen um das Höhengelände 166 südöstlich von Belleu und Abwehr eines feindlichen Gegenstoßes kam der rechte Flügel bereits an der von
Soissons nach Süden führenden Straße zum Stehen, der linke überschritt sie und erreichte Lechelle. Sein Vorgehen war durch das der 113. Infan¬ terie-Division begünstigt worden. Deren rechter Flügel, seit 5° früh kämp¬ fend, überschritt zwar erst mittags in schwerem Ringen die Hochfläche südwestlich von Acy, der linke erreichte aber bereits 330 nachmittags die Gegend östlich von Charantigny und nahm abends diesen Ort und Villemontoire. Weiter links hatte die 37. Infanterie-Division unter dauernden
Kämpfen die Höhen südlich des Crise-Baches gewonnen. Die 14. Reserve-
Weitere Fortschritte des Angriffs.
355
Division war hinter die Front genommen worden. Von Lechelle bis Muret lag man der durch Gefangenenaussagen und Lusterkundung bereits
bekannten, gut ausgebauten „Pariser Schutz-Stellung" gegenüber, in die einzubrechen bisher nicht gelungen war; man wußte, daß der Gegner
frische Kräfte zu ihrer Verteidigung herangeführt hatte. Den Ostslügel dieser Stellung hatte die Gruppe WinÄler vor sich. In einer Reihe von Einzelkämpfen arbeiteten sich die I. Garde- und
In¬
fanterie-Division sowie die 10. Reserve-Division seit dem frühen Morgen gegen sie vor, brachen nach kräftiger Artillerievorbereitung in den NachMittagsstunden aus der ganzen Gruppenfront in sie ein und gewannen vor allem in der Mitte und auf dem linken Flügel bis zum Abend auch
noch weiteres Gelände. General von Conta hatte seinen drei Divisionen (10., 36. und 28. Inf. Div.) weit jenseits der ihm befohlenen Linie Fere-en Tardenois—Höhen nördlich von Cierges Ziele in der Linie Coincy (7 km südwestl. von Fete)— Chartöves (an der Marne, 7 km nordöstl. von Chs,teau-Thierry) gegeben.
Schon in den frühesten Morgenstunden antretend, warfen die Truppen den dicht vor der Front stehenden Feind und drangen unter weiteren Kämpfen über Fere, das vom Gegner nicht verteidigt wurde, bis in die Linie Villeneuve—Courmont vor. Dabei hatte die 28. Division den Wider-
stand einer frisch in den Kamps geworfenen, durch Panzer verstärkten fran¬ zösischen Kavallerie-Division zu brechen; ihr Kommandeur Generalmajor Freiherr Prinz von Buchau fiel. Zum erstenmal seit Beginn der Offensive ergaben sich hier, wo man am weitesten von der Ausgangsstellung entfernt
war, auch Schwierigkeiten im Munitionsersatz. Bei der Gruppe Schmettow war der rechte Flügel der 50. Infan¬ terie-Division, um aus gleiche Höhe mit dem linken Flügel der Gruppe Conta zu kommen, die ganze Nacht hindurch in Bewegung geblieben, bedurfte dann aber einer längeren Rast. Im übrigen litt das Vorgehen aller
drei Divisionen der Gruppe darunter, daß es nach Südwesten gerichtet war, während der Gesamtverlaus ihrer Front nach Südosten zeigte und aus dieser Richtung der Gegner teilweise mit frischen Kräften Gegenstöße in die Flanke der Vorwärtsbewegung machte. So kam die Division, verstärkt durch Teile der 103. Infanterie-Division, auch an diesem Tage bei weitem nicht aus gleiche Höhe mit der 28. der Gruppe Conta. Weiter links, zwischen der 52.Infanterie-und7.Reserve-Division,drohtedie
Front auseinanderzureißen. Diese Verhältnisse waren vor allem daraus zurückzuführen, daß die
Gruppe Brimont der I. Armee angesichts sich versteifenden feindlichen Widerstandes nur wenig Gelände nach vorwärts gewinnen konnte. Sie
356
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
2S. Mai. hatte ihren vier Divisionen (86. Inf Div., 33. Res. Div., 213. und 242. Inf.
Div.) die Höhen nördlich von Faverolles—Bouleuse (südöstl. von Faverolles)—Thillois—St. Brice an der Vesle als vorläufiges Angriffsziel ge¬ geben. Aber nur der rechte Flügel der 86. Division konnte es im Zusammen¬ hang mit der 7. Reserve-Division der Gruppe Schmettow erreichen, der
linke hing so scharf ab, daß die Division in ihrer Gesamtheit die Front nach Osten hatte, denn der 33. Reserve-Division gelang es erst abends, die teil¬
weise versumpfte Vesle-Niederung zu überschreiten. Auch die 213. Division konnte nur mit Teilen über eine Brücke bei MKco das Süduser des Flusses
gewinnen. Die 242. Division näherte sich in zähen Kämpfen gegen franzö¬ sische Kolonialtruppen den nördlichen Vororten von Reims. Die links an die Gruppe Brimont anschließende Gruppe Reims unter Generalleutnant Wellmann hatte mittags den Eindruck, daß der Gegner seine Stellungen bei Reims räume; sie bat um die Erlaubnis, ihm nachzustoßen. General Fritz von Below befahl daraufhin um 1215, daß der rechte Flügel der Gruppe, die seit Mitte Mai aus Abgaben ver¬
schiedener Divisionen als Stellungsbesatzung gebildete „Division A", ebenfalls auf Reims vordringen solle. Doch ergab sich bald, daß der Gegner seine Front nur unwesentlich zurückgenommen hatte. So konnte lediglich der rechte Flügel der Division A das Dorf Bstheny nehmen. Die Führung am 29. Mai und abermalige Erweiterung
der Angriffsziele. Nachdem am 28. Mai mit Erreichen der zunächst gegebenen Ziele ein vorübergehender Stillstand im Angriff eingetreten war, hatte General¬ oberst von Boehn am 29. Mai 10 30 morgens für die 7. Armee allgemein
befohlen, daß die Korps, ohne neuen Befehl abzuwarten, über die be¬ fohlenen Ziele hinaus weiter angreifen und ihre Absicht melden sollten. Mittags hatte er den Eindruck, daß stärkere französische Kräfte südlich von
Fismes im Begriff seien, eine geschlossene Front auszubauen, während östlich davon bis Reims, wo Franzosen und Engländer gemischt kämpften, große Unordnung herrsche. Er glaubte daher, daß die Gruppe Schmettow bei schärfstem Nachdrängen „größte Aussichten" hätte, und befahl ihr um 1230 mittags, „laut Weisung der Obersten Heeresleitung" mit Teilen durch Vorgehen „südlich der Vesle nach Osten (Richtung Ferme de Rosnay^)) das Vorgehen der l. Armee zu erleichtern". Zur Ausführung dieser Weisung kam es aber zunächst nicht, da die dazu bestimmte 232. InfanterieDivision, bisher Armeereserve, die Vesle-Vrücke bei Ionchery durch andere
nachrückende Truppen bereits völlig verstopft fand. i) 1 km westl. des Ortes Nosnay.
Befehle für Fortsetzung der Offensive.
357
Bei der 1. Armee befahl General von Below wegen des Wider¬
standes, den der Gegner bei Reims leistete, die Stadt durch Abschnürung zu Fall zu bringen, frontalen Angriff aber zu vermeiden. Die Gruppe Brimont sollte daher mit starkem rechten Flügel den Angriff in ihrem bisherigen Gefechtsstreifen fortsetzen, die Gruppe Reims nur mit schwächeren Teilen gegen die Stadt vorfühlen, mit den Hauptkräften aber auf dem linken Flügel die Vesle erreichen.
Unterdessen hatte sich die Oberste Heeresleitung angesichts der bis¬ herigen Erfolge schon im Laufe des Vormittags entschlossen, dem Angriff im Zusammenhang mit dem für den folgenden Tag angesetzten VorckAngriffs, an dem auch die 18. Armee beteiligt war, abermals weitere
Ziele zu stecken. Um den ursprünglichen Zweck der Blücher-Offensive, das Fortziehen der feindlichen Reserven aus Flandern, endgültig und gründlich zu erreichen, mußte der Angriff nach Westen und Südwesten mit
weitem Ziel fortgeführt, die westlich anschließende Front aufgerollt und damit der Eindruck der Bedrohung von Paris aufrechterhalten werden. In der Mitte wollte man daher bis zur Marne vorstoßen und dann deren
Norduser halten. Im Osten mußte Reims genommen werden, um für die
durch den bisherigen Angriff entstandene starke Ausbuchtung der Front eine leistungsfähige Bahnverbindung zu gewinnen. Darüber hinaus er¬
schien es nötig, den scharf abfallenden Südostrand des Reimser Berglandes als Abwehrstellung, vielleicht aber auch als Ausgangsstellung für weitere Angriffe zu gewinnen. Ein mittags erlassener Befehl besagte, daß der Angriff des linken Flügels der 18. sowie der 7. und I.Armee nach Er¬ reichen der für den 29. Mai gegebenen Ziele „in Richtung Eompisgne— Dornums—Epernay fortzuführen und der Höhenblock zwischen Vesle und Marne südlich Reims zur Sicherung gegen EhKlons zu gewinnen" sei. Dazu befahl die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz um 315 nachmittags: „Die 7. Armee bleibt im Angriff. Der Schwerpunkt liegt bei den Korps Wichura und Winckler, um durch starken Druck südlich der Aisne in westlicher Richtung die feindlichen Stellungen zwischen Oise und Aisne zu Fall zu bringen und dem linken Flügel 13. Armee das Vorgehen zunächst aus dem linken Oise-Ufer zu ermöglichen. ... Die I.Armee
schließt sich mit starkem rechtem Flügel dem Vorgehen der 7. Armee an und legt den Hauptdruck aus Fortnahme der Linie Epernay—Verzenay". Ferner sagte der Befehl, der Borck-Angriff sei so vorzubereiten, daß die Infanterie am 30. Mai 445 vormittags angreifen könne. Das „nächste Ziel" dieser Operation sollte die Aisne von der Mündung bis Berneuil— T)S.327.
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
358
°s. Wal. Vandy-Bach (von Südosten kommend, südl. von Berneuil in die Aisne
mündend)—Höhen von Villers-Cottersts—Höhen südlich von ReuillySt. Front—Höhenklotz nördlich von Chateau-Thierry—Marne bis Ehätillon sein. Um 110 abends erweiterte und ergänzte die Heeresgruppe diesen Befehl im Einvernehmen mit der Obersten Heeresleitung dahin, daß die 7. Armee den Hauptdruck zwischen Soissons und Fere-en Tardenois in der Richtung auf Verberie—Crspy-en Valois—ChKteau-Thierry zu
legen habe. Im übrigen sei der Angriff über die Marne nicht fortzu¬ setzen, wohl aber seien die Brücken in die Hand zu nehmen.
Dann aber stellte sich heraus, daß die Vorbereitungen für den VorckAngriff, besonders die Bereitstellung der nötigen Artillerie, noch nicht be¬ endet waren. General Ludendorff mußte ihn aus denZl.Mai verschieben. Der allgemeine Eindruck vom Gegner war am 29. Mai abends, daß
er vor dem rechten Flügel der bisherigen Angriffsfront der 7. Armee über Soissons hinaus nach Süden und vor dem rechten Flügel der 1. Armee in
Anlehnung an zahlreiche alte Stellungen zusammenhängend und plan¬ mäßig Widerstand leiste. Auch südöstlich von Soissons war seine Gegen¬
wehr, gestützt auf die Pariser Schutzstellung, erheblich stärker geworden. Auf dem Ostflügel hatte er durch Flankierung das Vorwärtskommen der Gruppe Schmettow erschwert. Dagegen schien er vor der Mitte der Front
kämpfend auf die Marne auszuweichen. Die Luftaufklärung hatte lebhaften Verkehr auf allen Bahnen und Straßen und Antransport feindlicher Ver¬ stärkungen vor allem auf Soissons und Villers-CotterZts gemeldet. Zur Lösung der zunächst bevorstehenden Aufgaben der 7. Armee und des rechten Flügels der l. (Gruppen Brimont und Reims) waren 24 Divi¬ sionen in der Front verfügbar, die fast ausnahmslos seit dem 27. Mai im Angriff lagen, 14 Divisionen standen dahinter als Reserve, fünf weitere Divisionen wurden erwartet^). i) Gliederung bet Angriffsfront am 29. Mai:
Reserven
Front 7. Armee:
Gr. Francis (VII. A. K.): 211., 241. I. D. Gr. Larisch (Genkdo. 54): 6. bayer. N. D., 6. u. 5. g. T>. Gr. Wichura (VIII. R. K.): 9. I. D., 14. N. $>., 113. u. 37. I. D. Gr. Winckler (XXV. N. K.): 1. G. u. 33. I. D., Gr.Conta (IV.R.K.): 10., 36. u. 28. I. D. Gr. Schmettow (Genkdo. 65): 50. u. 52. I. D.,
14., 34. I. D.
51. N. D., 115. u. 195. g. D. 47. u. 45. R. T>., 2. G. I. D., 13. L. T>. im Abtransport. 10. R. T>. 197. I. §>., 28. u. 78. R. D. 5. G., 231. u. 237. F. D. 103., 232. u. 12. bayer. g. D. 7. R. D.
1. Armee:
Gr. Ilse (XV. A. K.): 86. I. D., 33. N. D., 213. u. 242. I. D.
Gr. Wellmann (VII. N. K.): Dw. A. u. 238. I. D.
22. u. 87. I. D.
Befehle für die Fortsetzung der Offensive.
359
Generaloberst von Voehn befahl der 7. Armee für den 30. Mai,
daß der Nachdruck des Angriffs zu liegen habe bei: Gruppe Larisch zwischen der Aisne und der Straße Soissons—VillersCotterbts, rittlings dieser Straße sei die 51. Reserve-Division einzusetzen, Schlüsselpunkt sei das Straßenkreuz 169 westlich von Chaudun; Gruppe Wichura gegen die Höhen um Villers-Helon; Gruppe Winckler gegen die Höhen von Veugneux; Gruppe Conta rittlings der Straße Fere-en Tardenois—Chartöves an der
Marne; Gruppe Schmettow gegen die Höhen um Aougny. Die Gruppen Fran?ois und Larisch erhielten außerdem eingehende Wei¬ sungen für den Fall, daß der Gegner vor ihnen schon am 30. Mai aus¬
weiche. Im übrigen sollte sich letztere daraus vorbereiten, am 31. Mai im Zusammenhang mit dem Porck-Angriff ihren rechten Flügel in flottem Schwung in mehr südwestlicher Richtung vorwärtszubringen. General vonBelow ging im Armeebefehl für die I.Armee auf Grund der von der Front vorliegenden Meldungen von der Auffassung aus, daß es sich um „Verfolgung des geschlagenen Feindes gegen die Marne
unter Sicherung gegen Chs>lons" handle; Anmarsch starker feindlicher Verstärkungen sei nicht erkannt, es seien „anscheinend nur zäh sich wehrende Nachhuten", die das Vordringen verzögerten^). Er befahl: Gruppe Ilse (bisher Brimont), mit starkem rechten Flügel in enger Fühlung mit der Gruppe Schmettow vorgehend, sollte den Widerstand in Reims
durch westliche Amgehung brechen. Gruppe Wellmann (bisher Reims) sollte die Masse ihrer Truppen nach links vereinigen, um je nach Vorschreiten des rechten Armeeflügels die Vesle-Linie zu gewinnen und Reims durch Abschließung zu Fall zu bringen.
Gruppe Langer (bisher Prosnes) sollte einen Überraschungsangriff gegen die Höhen vor ihrer Front vorbereiten. Die Kämpfe am 30. Mai.
Vor dem linken Flügel der 18. Armee hatte bereits am 29. Mai nachmittags ein abgehörter Funkspruch vermuten lassen, daß die östlich von
Noyon an der Oise stehende französische 55. Division zurückgenommen werden solle. Beobachtungen am frühen Morgen des 30. Mai schienen die
Vermutung zu bestätigen. Auf Drängen der Obersten Heeresleitung wie des Armee-Oberkommandos befahl das XXXVIII. Reservekorps (General der Infanterie Hofmann) der 223.Infanterie-Division, zur Verfolgung *) Tatsächliche Lage beim Gegner S. 362.
Mai.
360
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
?o. Mai. anzutreten. Die für den Oise-Übergang bestimmten Truppen und das
Brückengerät waren aber, infolge der Verschiebung des Porck-Angrisfs auf den 31. Mai, vom Fluh gerade wieder zurückgezogen worden und mutzten jetzt erst wieder dorthin vorrücken; auch tauchten Zweifel an der Richtigkeit der gemachten Beobachtungen über den Feind auf. So verzögerte sich der Flutzübergang bis zum Nachmittag. Im weiteren Vorgehen stieß dann die 223. Division schon südlich der Linie Pontoise—Quierzy auf Widerstand, den sie nicht zu brechen vermochte. Vor dem rechten Flügel der I.Armee war der Gegner nachts
wesentlich weiter zurückgegangen. General vonFranyois Uetz zur Derfolgung antreten und schob die 14. Infanterie-Division zwischen die 211. und 241. ein. Die Divisionen kamen kämpfend bis vor Blsrancourt und
südöstlich davon. Von der Gruppe Larisch kämpften sich nördlich der Aisne die 6. bayerische Reserve-Division, die bereits schwere Verluste gehabt hatte, und die 6. Infanterie-Division gegen teilweise zähen feindlichen Widerstand bis Vszaponin und Villers-la Fosse vorwärts. Der Gegner lag hier in seiner II. Stellung, in die aber mit der Wegnahme des letztgenannten Ortes bereits Bresche geschlagen war. Der rechte Flügel der 5. Infanterie-Division hatte nachts Cuffies genommen, war dann aber nicht mehr viel weiter gekommen, da alle Kräfte, bis auf ein Bataillon, auf das Südufer der Aisne gezogen wurden. Dort lagen ein Drittel der Di-
Vision und die 51. Reserve-Division bereits seit dem Morgen in schwerem Kamps. Erst abends wurden die Höhen dicht westlich und südwestlich von
Soissons genommen. Bei der Gruppe Wichura kam der Gegner dem Angriff der 9. und des rechten Flügels der 113. Infanterie-Division frühmorgens zuvor und drückte sie teilweise zurück. Sie gewannen bis zum Abend nur unter
schweren Kämpfen und unter Einschub der 14. Reserve-Division zwischen beiden einigen Raum über die ursprüngliche Front hinaus. Der Angriff des linken Flügels der 113. Infanterie-Division war durch diese Vorgänge verzögert worden und kam ebenfalls nur wenig vorwärts. Die 37. Infanterie-Division, vor deren Front der Gegner in eine Riegelstellung zurück-
geschwenkt war, rückte im wesentlichen kampflos bis vor diese nach. Ins-
gesamt hatte die Gruppe Wichura ihr Tagesziel, Höhen um Villers-Helon, bei weitem nicht erreicht. Die Gruppe Winckler hatte die Vorwärtsbewegung in der Rächt zum 30. Mai fortgesetzt. Der Gegner war zunächst auf die II. Pariser Stellung zurückgewichen. Zwischen 12°und 1 0 mittags brach die 33. Infanterie-Division bei Grand Rozoy und südlich in diese ein, gegen 4°nach¬
Fortsetzung des Angriffs bis zur Marne.
361
mittags weiter nördlich auch die I. Garde-Infanterie-Division. Anter Verfolgungskämpfen erreichten beide Divisionen und die 10. Reserve-Division abends die Linie St.Remy—Oulchy—Eoincy. Die Gruppe war damit stark gegen Westen abgeschwenkt. Zwischen ihr und der nach Süden gegen die Marne vordringenden Gruppe Conta muhte eine Lücke entstehen. Sie
wurde von dieser durch Abdrehen der 10. Infanterie-Division nach Westen
geschlossen, während reichlich drei Divisionen (neu eingesetzte
sowie
36., 28. und 1/3 5. Garde-Inf. Div.) im Vorgehen nach Süden blieben. In Kämpfen gegen feindliche Nachhuten wurden überall die Tagesziele erreicht. Abends standen von Brocy bis zur Marne östlich von Ehs,teau-
Thierry fast zwei Divisionen der Gruppe mit der Front nach Westen, die übrigen bis gegen Dormans auf dem nördlichen Flußuser. Hier hatten erst stärkere Nachhuten vertrieben werden müssen, unter deren Schutz der Gegner die Brücken gesprengt hatte. Die Gruppe Schmettow hatte vor Erreichen der Straße Dormans— Reims stärkeren Widerstand zu brechen. Sie gelangte abends mit der 50. Infanterie-Division an die Marne, mit den übrigen (52. und 103. Inf., 7. Res. Div.) teilweise über die genannte Straße hinaus, linker Flügel bis vor Ville en Tardenois.
Hier schloß die Gruppe Ilse der 1. Armee an. In der Auffassung, daß der Gegner keinen ernsten Widerstand leisten werde, hatte sie im
Befehl von 2° morgens gesagt, der Feind setze seinen Rückzug fort1). Für Reims regelte das Armee-Oberkommando bereits in allen Einzelheiten die Übernahme der Ortskommandantur. Demgegenüber brachte der Ver¬ lauf des Tages starke Enttäuschung. Die von der 7. Armee zugeführte
232. Infanterie-Division^), mit Kolonnen besonders schlecht ausgestattet und daher bald unter Munitionsmangel leidend, die 8b. Infanterie-, 33. Reserve- und 213. Infanterie-Division gewannen unter dauernden Kämpfen zwar etwas Gelände, der Versuch der 242. Infanterie-Division,
nach Artillerievorbereitung in Reims einzudringen, wurde aber nach¬ mittags als aussichtslos aufgegeben. Auch der rechte Flügel der Gruppe Wellmann besetzte nur einige französische Gräben, der linke nahm seine vorderste Linie sogar wieder etwas zurück. Insgesamt hatte der 30. Mai zwar gute Fortschritte in der Rich¬ tung nach Süden, bis zur Marne, gebracht, es war aber nicht gelungen, die Basis des Einbruchs in die feindliche Front nennenswert zu ver¬ breitern, da der Gegner beiden Flügeln nachhaltigen Widerstand ent¬ gegensetzte. 6.359. 2) 0.356.
362
Die Sci,lacht bei Soissons—Reims.
Der Gegner am 29. und 30. Mai^).
3o9 OToi"
Auf französischer Seite war der Gesamteindruck des 29. Mai gewesen, daß der deutsche Angriff beunruhigende Fortschritte mache. Man rechnete damit, daß er in demselben Umfange fortgeführt würde und daß die
Deutschen dazu jetzt über insgesamt 45 Divisionen verfügten. Der Versuch, das für den Nachschub der 6. Armee wichtige Före-en Tardenois zu halten,
scheiterte. Ausdehnung des Angriffs auf die Oise-Front und auf Reims schien sich anzubahnen. Bei der S. Armee war daher für die Nacht zum 30. Mai die Zurücknahme der Truppen von einem kurzen Stück der OiseFront und von der unteren Ailette angeordnet worden, so daß sich dort am Morgen jenes Tages nur noch schwache Postierungen befanden. Für den inzwischen eingetroffenen Oberbefehlshaber der 5.Armee, General Micheler, stand zur Frage, ob Reims aus Prestige-Gründen zu halten sei. Er teilte dem I. Kolonial-Korps mit, er lege auf die Stadt keinen großen Wert, aber das Reimser Bergland und die „Ebene", womit offenbar der Raum zwischen dem Bergland und der Vesle gemeint war, müßten ge¬
halten werden. General Potain erkannte, daß der von ihm angeordnete Widerstand auf beiden Flügeln nicht genüge, um den deutschen Stoß abzufangen. Er entschloß sich zum Gegenangriff, den er am 31. Mai zangenartig mit dem Ziele führen wollte, die Deutschen über die Vesle und dann auch über die Aisne zurückzuwerfen. Dazu sollte in der Mitte die Linie Villers-
Hslon—Ville-en Tardenois gehalten, dahinter für alle Fälle auch die Marne von Chateau-Thierry bis Epernay durch rückwärtige Truppen, darunter die noch nicht fertig ausgebildete amerikanische 3. Division, ge¬ sichert werden. Im übrigen wurde beabsichtigt, eine Zange des Angriffs, dabei vier frisch einzusetzende Divisionen, aus der Gegend von Soissons gegen die Linie Laffaux^—Braisne, die andere, dabei drei frische Divisio¬ nen, aus dem Reimser Bergland gegen die Linie Fismes—Montigny
anzusetzen. Im Hinblick auf diesen Angriff sollten sich die 6. und 5. Armee am 30. Mai darauf beschränken, den Zusammenhang der Front zu wah¬ ren und nur, wenn unbedingt nötig, weitere Reserven in den Kamps
werfen. Die Fortsetzung der deutschen Offensive veranlaßte aber doch weitere Abnutzung und vorzeitige Verausgabung von Kräften, die für den Gegen¬ angriff bestimmt waren. So mußten am 30. Mai zwischen dem XXX. und XI. Korps der 6. Armee bereits Teile von einer der neu herange¬
führten Divisionen eingeschoben werden, vor allem aber bei der 5. Armee Anschluß an S. 243ff.
Entschluß des Generals Potain zum Gegenangriff.
363
drei frische Divisionen. Auch drängte das englische IX. Korps auf unver-
zügliche Ablösung, da seine Truppen völlig erschöpft seien; die vier seit dem 27.Mai kämpfenden Divisionen seien auf je ein Bataillon, die nachträglich eingetroffene 19. Division auf ein Drittel ihrer Stärke zusammen¬
geschmolzen.
Die Lage bei Reims sah man am 30. Mai als recht bedenklich an.
Das I. Kolonial-Korps hatte bereits den Befehl zur Räumung des Nordteils der Stadt gegeben. General Franchetd'Esperey hatte mittags
an General Petain sogar gemeldet, man müsse darauf gefaßt sein, daß der ganze Westteil des Reimser Berglandes nicht gehalten werden könne;
er hatte Zurückverlegung der dortigen Etappeneinrichtungen vorgeschlagen. General Petain selber gab den Heeresgruppen Ost und Nord Weisungen für den Fall, daß weiteres deutsches Vordringen dazu zwingen sollte, die ganze Heeresgruppe Ost westwärts zurückzunehmen, und General Foch sah sich veranlaßt, seine letzte Reserve, die 10. Armee, deren Heraus¬ gabe er bisher abgelehnt hatte, nun doch General Pstain zur Verfügung zu stellen. Sie sollte vom 31. Mai an verladen werden.
Schließlich festigte sich aber bis zum Abend des 30. Mai die Lage auf
beiden Einbruchsflügeln so weit, daß zu unmittelbarer Besorgnis kein Anlaß mehr war. Die Räumung der Stadt Reims war unterblieben, da kein
ernster deutscher Angriff erfolgte. Bedenklich sah es jedoch in der Mitte aus, wo an der Marne nicht einmal die Brückenköpfe nördlich des Flusses
gehalten worden waren; die Deutschen sollten bei Iaulgonne sogar ihrerfeite bereits auf dem Südufer Fuß gefaßt Habens. Im Laufe des 29. und 30. Mai waren neun Infanterie- und eine Kavallerie-Division bei 6. und 5. Armee neu eingesetzt worden. Die Ab-
ficht, am 31. Mai zum Gegenangriff zu schreiten, blieb bestehen.
Die deutsche Führung am 30. und die Befehle für den 31. Mai.
Daß bereits am vierten Angriffstage die Marne in fast 20 Kilometer
Breite erreicht war, bedeutete einen gewaltigen Erfolg. Geländegewinn und Beute (bisher von der 7. Armee gegen 42000 Gefangene, 400 Ge¬
schütze und weit über 1000 Maschinengewehre gemeldet) übertrafen alle Erwartungen. Den 30 bisher am Kampf beteiligten deutschen Divisionen waren an der Front 33 feindliche entgegengetreten, von denen fünf als
völlig abgekämpft bereits zurückgezogen waren; acht konnten nur noch sehr Tatsächlich war bisher nur eine Offizier-Patrouille der 36. Inf. Div. auf das Süd
ufer gelangt.
364
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
30. Mai beschränkten Kampfwert haben. Feindliche Verstärkungen waren zahlreich herangekommen, besonders gegen die Flügel des Einbruchs, wo sich der Widerstand immer mehr versteifte. Inwieweit aber der Zweck des deutschen Angriffs, wesentliche feindliche Reserven von der Flandern-Front wegzu¬ ziehen, erreicht war oder ob seine Erreichung sich wenigstens anbahnte,
ließ sich noch nicht erkennen. Bei Fortsetzung des Angriffs war zu berücksichtigen, daß sich auf feind¬ licher Seite an Artillerie, vor allem jedoch an Fliegern bereits eine Über¬
legenheit abzuzeichnen begann. Die Kämpfe mußten also zunehmend schwerer werden und entsprechend auch mehr eigene Kräfte verbrauchen. Die Anforderungen an den Nachschub, der bisher trotz sehr großer Ent¬ fernungen zur Front mit ganz geringen Ausnahmen (Munitionsmangel am 29. Mai bei der 28., am 30. Mai bei der 52. und 232 Inf. Div.) gedeckt
werden konnte, mußten mit zunehmender Hartnäckigkeit der Kqmpfe und
Erschöpfung der vorgefundenen Verpflegungsvorräte wachsen. Um so wichtiger war es, den Eisenbahnweg über Reims bald zu öffnen. Im
Übrigen galt es, nachdem der Angriff in südlicher Richtung mit Erreichen der Marne zunächst seinen Abschluß gefunden hatte, die in die feindliche Front geschlagene Bresche nach beiden Seiten zu verbreitern. Das Gesamtbild der Lage vor der 7. Armee ließ — wie es in deren
Kriegstagebuch heißt — vermuten, daß der Gegner hier in die allgemeine
Linie Noyon—Villers-Eotteröts—Ehateau-Thierry ausweichen werde. Generaloberst von Boehn befahl für den 31. Mai: „Der Angriff wird aus der ganzen Front fortgesetzt bis zur allgemeinen Linie Erspy-en Valois—Ehkteau-Thierry—Epernay. Der Schwerpunkt der Armee liegt im Räume
zwischen Soissons und Fsre-en Tardenois in Hauptrichtung La FertsMilon". Dabei sollte die Gruppe Wichum mit den Hauptkräften am Walde von Villers-Eottersts östlich vorbeigehen, die Gruppe Eonta hinter ihrem rechten, die Gruppe Schmettow hinter ihrem linken Flügel geschlossene Divisionen als Reserven bereithalten. Die vordringlichste Sorge der Führung aber galt dem Vorwärts¬ kommen des linken Armeeflügels bei Reims, um die Versorgung der südlich der Aisne kämpfenden Truppen zu erleichtern. General Ludendorfs hatte am 30. Mai bereits um 9° früh an die Heeresgruppe gedrahtet:
„Die 1. Armee hat ihren rechten Flügel südlich der Vesle noch mehr aus der Mitte zu verstärken, um zu einem schärferen Ausgreisen in ihrem Ge¬
fechtsstreisen nach Süden und Südosten zu kommen, dadurch die Umfassung auf Reims zu erleichtern und das Fortschreiten des linken Flügels der 7. Armee nicht aufzuhalten. Auch bitte ich zu erwägen, ob Reims von Osten her weiter eingeschnürt werden kann".
Befehle für Fortsetzung des deutschen Angriffs.
365
In diesem Sinne beabsichtigte die l. Armee schon bisher, Reims von Westen und Osten in die Zange zu nehmen. Sie leitete jetzt unter Zu-
sammenziehung ihrer starken Minenwerserkräfte die Bildung einer neuen Stoßgruppe acht Kilometer südöstlich der Stadt beim Ft. de la Pompelle ein. Doch — so meldete sie — werde Reims nicht ohne erheblichen Kampf
fallen. Für den 31. Mai befahl General von Below: Gruppe Ilse „führt den Angriff mit starkem rechtem Flügel mit Nachdruck weiter". Die Gruppe Wellmann, die am 31. noch nicht angriffsbereit sein konnte, sollte erst am 1. Juni antreten und „bis zur Vesle" bei Taissy und Sillery vorstoßen. Um II46 abends griff dann noch die Heeresgruppe durch die Weisung ein, daß die 7. und 1. Armee die ungünstige Lage des Feindes vor ihren
inneren Flügeln durch ununterbrochenes Vorgehen auszunutzen hätten. Sie empfahl dazu die Bildung einer starken Stoßgruppe unter dem in¬
zwischen der 1. Armee überwiesenen General-Kommando des VI. Reservekorps (General d. Inf. von dem Borne) auf deren rechtem Flügel; die
Hauptangriffsrichtung für diese Gruppe sollte nach Südosten sein, der Angriff ihres rechten Flügels bis zur Marne vorgetragen werden. Die Kämpfe am 31. Mai. Zwischen Oise und Aisne drückten am 31. Mai die Truppen der Gruppe m. Mai.
Hofmann der 13. Armee sowie der Gruppe Fran?ois und des Rordflügels der Gruppe Larisch der 7. Armee feindliche Nachhuten bis über die Linie
Noyon—Nampcel—Pommiers (3 km westl. von Soissons) zurück. Der
Gegner hatte stellenweise recht starke Artillerie gezeigt und sich hartnäckig zur Wehr gesetzt. Südlich der Aisne bei Soissons und südwärts bis westlich von Dillemontoire leistete der Gegner nicht nur zähesten Widerstand, wobei er auch hier von sehr starker Artillerie und besonders von überlegenen Fliegerverbänden wirksam unterstützt wurde, sondern trat südlich von Soissons
nachmittags in rund sechs Kilometer Breite zu einheitlich geführtem, starkem Gegenangriff an. Dazu hatte er vorher alle gegenüberstehenden
deutschen Fesselballone abgeschossen und seine Artillerie sehr wirksam vorarbeiten lassen. Unter anderem entstanden dabei durch Beschuß und
In-die-Luft-gehen zurückgelassener großer feindlicher Munitonsstapel, vor allem Fliegerbomben westlich von Soissons, erhebliche Verluste. Der
französische Gegenangriff traf zwischen 2°und 3° nachmittags südlich von Soissons die 51. Reserve-Division, 9. Infanterie-Division und 14. Reserve-Division der Gruppen Larisch und Wichura. Er wurde von drei französischen Divisionen in vorderer Linie geführt und von zahl-
reichen neuartigen Kampfwagen unterstützt, die besonders schnell und
366
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
si.Mai. wendig waren und nur sehr kleine Ziele boten ^). Doch konnte der Stoß
nach vorübergehenden Rückschlägen überall aufgefangen und der Gegner auch über die bisherigen eigenen Linien hinaus noch etwas zurückgeworfen werden. Im ganzen aber waren damit an diesem Frontabschnitt so gut wie keine Fortschritte erzielt. Die Schlacht stand auf der Stelle, die Verluste waren recht erheblich. Weiter südlich kamen die 113. und vor allem die
37. Infanterie-Division, wenn auch in dauernden zähen Kämpfen, besser vorwärts, vor allem gefördert durch die links anschließende Gruppe Winckler. Bei ihr gewann die I. Garde-Infanterie-Division in ununter¬
brochenem Vorwärtsstreben gegen den hier allerdings besonders schwachen Gegner schnell Raum nach Südwesten. In die dadurch zur Gruppe Wichura entstehende Lücke wurde die 28. Reserve-Division eingeschoben. Auch die 33. Infanterie- und 10. Reserve-Division, denen die frisch ein-
gesetzte französische 164. Division entgegentrat, kamen in harten Kämpfen gut vorwärts, so daß die Gruppe Winckler, dem rechten Nachbarn weit voraus und damit den Gegner vor dessen Front bereits ernstlich gefährdend,
ihr Tagesziel jenseits der Straße Neuilly—Grisolles vollauf erreichte. Auch der rechte Flügel der Gruppe Conta kam kämpfend flott vor¬ wärts. Abends standen der Anfang der neu eingesetzten 237. InfanterieDivision, die 10. und 231. Infanterie-Division in der Linie Epaux—Höhen über der Marne westlich von Chkteau-Thierry. In diesen stark besetzten und zäh verteidigten Ort einzudringen war aber nicht gelungen. An der Marne
hatte sich die 36. Infanterie-Division nach Südwesten geschoben und zu¬ sammen mit der 28. im Flußbogen von Iaulgonne etwa Bataillone aus das Süduser gebracht, die sich dort aber vor der stark verteidigten Ort-
schaft Courtemont nur unter großen Verlusten zu behaupten vermochten; denn ausreichende Artillerie-Unterstützung konnte ihnen zum Teil aus Mangel an Kräften, daneben aber auch wegen Munitionsmangels, nicht
gewährt werden. General Graf von Schmettow hatte seinen Divisionen die Marne als Ziel gegeben, das unbedingt und ohne Rücksicht auf Gefähr¬ dung der linken Flanke erreicht werden müsse: „Immer rechts umfassen... Wer an der Marne ist, Hilst sofort dem Nachbarn durch Flankenstoß nach Osten an die Marne heran unter Heranziehung des letzten Mannes aller verfügbaren Reserven". Aber bereits bei der 50.Infanterie-Division ver¬
hinderte äußerst heftiges feindliches Artilleriefeuer, das vom frühen Morgen an über den Fluß herüberschlug, Verneuil von Westen zu nehmen. Dagegen gelang es der 52. Infanterie-Division, von Norden her in den Ort einzu-
dringen, und ebenso der 103. Infanterie-Division, Gelände nach Südosten zu gewinnen. Die nachgerade abgekämpfte 7. Reserve- und die am linken *) S. 94, Anm. 2.
367
Aufenthalt durch feindliche Gegenangriffe.
Flügel neu eingesetzte 12. bayerische Infanterie-Division kamen nur wenig vorwärts. Bei der Gruppe Ilse der I. Armee litt die Kampstätigkeit der 232. Infanterie-Division immer mehr unter Munitionsmangel; zugeführte
Verstärkungsartillerie (zwei schwere Bataillone und eine leichte Abteilung) kamen ohne oder mit nur ganz geringer Munition an. Dazu traf in den
ersten Nachmittagsstunden, etwa zur gleichen Zeit wie bei den Gruppen
Larisch und Wichura der 7. Armee, ein stärkerer französischer Gegenangriff die 232. und 86. Infanterie-Division. Er wurde abgewiesen. Insgesamt blieb der Geländegewinn der Gruppe Ilse aber hier, wie auch bei den links
anschließenden Divisionen (33. Res.-, 213. und 242. Inf. Div.), nur gering, während sich die 242. Division gegen die nordwestlichen Vorstädte von Reims ein gutes Stück vorwärtsgearbeitet hatte. In der für die Ab¬ schnürung von Reims entscheidenden Richtung war also so gut wie nichts gewonnen. Die Gruppe Wellmann bereitete den für den I. Juni angesetzten Angriff gegen die Vesle südöstlich der Stadt vor.
c) Die letzten Angriffe. Unterbrechung des Angriffs gegen Reims*). Der Raumgewinn der Gruppen Winckler und Conta nach Südwesten
schien fernerhin zu weitgehenden Hoffnungen zu berechtigen. Am 31.Mai gegen Mittag hatte die 7. Armee die Freigabe von drei Divisionen aus den Reserven der Obersten Heeresleitung erwirkt, um auch im Raum *) Gliederung der Angriffsfront am ZI. Mai:
Front
Reserven
18. Armee (linker Flügel): Gr. Hofmann (XXXVIII. R. K.): 223. u. 105. g. D. 7. Armee:
Gr. Francis (VII.A.K.): 211., 14., 241. F. D. Gr. Larisch (Genkdo. 54): 6. bayer. R. D., 6. u. 5. I. D., 34. I. D. 51. R. D.
Gr. Wichura (VIII. R. K.): 9. I. D., 14. R. D.,
47. u. 45. R. D., 115. I. D.
HZ. u. 37. I. D.
Gr. Winckler (XXV. R.K.): 1. G. u. ZZ. I.D., 10. N.D.
Gr. Conta (IV. N. K.): 2Z7., 10., 2Z1., 36., 28. I. D. Gr. Schmettow (Genkdo. 65): 50., 52., 103. g. D. u.
197. I.D. u. 28 R.D., 195., 2. G. u. 10. bayer. I. D. 5. G. I. D. u. 78. R. D. 12. bayer. u. 22. g. D.
7. N. D. 1. Armee:
Gr. Ilse (XV. A. K.): 232. u. 86. I. D., 33. N. D.,
87. g. D.
213. u. 242. I. D. Gr. Wellmann (VII. R. K.): Div. A. u. 238. I. D.
23. u. 123. g. D.
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
368
zi.Mai. östlich und südlich von Soissons vorwärtszuhelfen. Dann hatte General Ludendorff angeregt, drei weitere Divisionen, eine vierte der Obersten Heeresleitung und je eine der Gruppen Conta und Schmettow, ebenfalls nach Westen hinter die Gruppe Winckler zu verschieben. Um 315 nach¬ mittags folgte ein Befehl der Obersten Heeresleitung an die Heeres¬ gruppe, nach dem die 7. Armee den „Schwerpunkt auf die in Richtung
Villers-Cottersts—La Fertä-Milon streichenden Höhen zu legen" habe, während südlich davon zwischen Ourcq und Marne zunächst nur die Höhen von Courchamps und hart westlich von Chateau-Thierry fest in die Hand zu nehmen seien; weiteres Vorgehen habe hier „erst zu erfolgen, wenn rechter Flügel und Mitte der Armee südlich der Aisne weiter vorgedrungen" seien. Die Gruppe Conta hatte noch eine zweite Division zur Verwendung gegen Westen herauszuziehen, so daß zur Verstärkung des Druckes in dieser Richtung im ganzen sieben Divisionen neu angesetzt werden sollten. Darüber hinaus ordnete die Oberste Heeresleitung abends an, daß zur „Fortführung der günstigen Operationen bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz" zwei weiteres Angriffs-Divisionen von der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht und je eine Division von den Heeresgruppen Gallwitz und Herzog Albrecht abzugeben oder bereitzustellen seien. Die Offensive der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz wuchs sich damit immer weiter aus, teilweise sogar aus Kosten der künstigen Hauptoperation in Flandern, von der sie ablenken sollte, der sie aber auch bereits Kräfte entzog. Inwieweit dabei der Gedanke eine Rolle spielte, die jetzige Offensive angesichts ihrer über alles Erwarten großen Erfolge unter Umständen zur Haupt-
operation in der Richtung auf Paris werden zu lassen, steht dahin. General Ludendorfs selber dürfte solcher Gedanke ferngelegen haben; er wollte aller Wahrscheinlichkeit nach auch weiterhin den Gegner nur um seine Hauptstadt in Sorge versetzen und damit von Flandern ablenken. Daß dagegen Oberstleutnant Wetzell, Heeresgruppe und 7. Armee an eine
Hauptoperation auf Paris gedacht haben, ist möglich. In einer von dieser Armee nachmittags an die Gruppe Schmettow gegebenen Weisung hieß es: „Es ist von höchster Bedeutung für den Weitervormarsch in Richtung Paris^, daß die Bahn über Reims bald ausgeht". Aber die Lage bei Reims scheinen Nachrichten vorgelegen zu haben, die mit Räumung der Stadt durch den Gegner rechnen ließen^). Jedenfalls 1) Vgl. S. 351.
a) Diese Zielsetzung taucht hier zum ersten Male auf. 8) Näheres hat sich nicht feststellen lassen. Vgl. den weitgehenden Optimismus der 1. Armee am 29. Mai (S. 356 u. 361) und die Räumungsabsichten des Gegners am 29.
u. 30. (S. 362f. und 379).
Erwägungen und Befehle für Fortsetzung der Angriffe.
369
glaubte die Oberste Heeresleitung, die Stadt mit den bisherigen Kräften nehmen zu können. Die von der 1. Armee am 23. Mai zur Wegnahme
der Stadt als erforderlich bezeichneten Truppen, unter anderem fünf
Divisionen^), hatten nicht gegeben werden können, doch sollte die Gruppe Schmettow am 1. Juni zur l. Armee übertreten.
Abends faßte die Heeresgruppe die Lage dahin zusammen, daß im Räume Amiens—Blargies (Eisenbahn-Knotenpunkt 45 km südwestl. von Amiens)—Compivgne reger Bahn- und Straßenverkehr mit der
Hauptrichtung nach Südosten herrsche. Zwischen Aisne und Marne führe der Gegner dauernd weitere Kräfte heran, um das deutsche Vordringen westlich von Soissons zu verhindern. Hier habe er nach einem erbeuteten
Befehl mehrere Divisionen planmäßig und einheitlich zum Gegenangriff angesetzt, scheine aber doch „noch keine feste Linie organisiert zu haben". Bei Villers-Cotterets liege das Zentrum seines Widerstandes. Weiter
südlich seien seine in den letzten Tagen entgegengeworfenen Divisionen geschlagen. An der Marne habe die Kampftätigkeit nachgelassen. Vor dem linken Flügel der 7.und vor der l. Armee weiche der Gegner hartnäckig kämpfend aus. Die Kämpfe am l. Juni.
Für den Angriff gegen Westen waren den Gruppen seitens ihrer Armee-Oberkommandos am Nachmittag des ZI. Mai folgende Rich¬ tungen und Ziele angegeben worden: 18. Armee:
Gruppe Hofmann (XXXVIII. Reservekorps) Fortsetzung des Angriffs in der Richtung auf Compiögne. 7. Armee:
Gruppe Frantzois mit rechtem Flügel über Berneuil (an der Aisne, 11 km östl. von Compiögne) auf die Höhen bei Pierrefonds; Gruppe Larisch mit rechtem Flügel über Ressons (an der Aisne östl. von
Vic) auf Pouy (nordöstl. von Mortefontaine); Gruppe Wichura mit linkem Flügel über Corcy auf Pisseleux (am Südwestausgang von Villers-Cotterßts);
Gruppe Winckler Höhen bei La Ferts-Milon; Gruppe Conta mit rechtem Flügel auf die Höhen nördlich von Courchamps,
Reserven hinter diesem Flügel.
Es handelte sich also, außer bei der Gruppe Conta, um recht weit
gesteckte Ziele. i) S. 353. Weltkrieg. XlV. Band.
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
370
1. Sani.
Bei Ausführung dieser Befehle am 1. Juni stieß der Nordflügel des
Angriffs auf hartnäckigen Widerstand. Zwischen Oise und Aisne schien die feindliche Artillerie wesentlich verstärkt. Die um 6° früh antretende 223. und 105. Infanterie-Division
der Gruppe Hofmann aber hatten für ihren insgesamt acht Kilometer breiten Angriffsraum nur 33 Batterien zur Verfügung. Sie kamen daher
angesichts der neu eingeschobenen französischen 15. Division nicht vorwärts.
General Hofmann befahl vorläufige Einstellung des Angriffs und Vorbereitung eines Teilangriffs gegen die beherrschende Höhe 129 („Mt. de Choisy") nordöstlich von Caisnes. Die Gruppe Francis (211., 14., 241. Inf. Div.) gewann in hartem Ringen etwa drei Kilometer Gelände und lag abends in der Linie Rampcel—Puiseux—Autrßches—Nouvron.
Der rechte Flügel der Gruppe Larisch (6. bayer. Res. Div., 6. Ins. Div.), der durch kraftvollen Angriff über die Aisne hinweg dem linken Gruppenflügel vorwärtshelfen sollte, mußte zunächst den Fluß überwinden. Da alle Brücken zerstört waren und die breite Talniederung von Westen her flankiert wurde, gelang nur der 6. Division bei Pommiers und östlich der Übergang; am Südufer aber lag auch sie bald vor starker feindlicher Ab¬
wehr fest. Zwischen Aisne und Marne kamen der linke Flügel der Gruppe
Larisch (5. Inf.-und 51. Res. Div.) sowie der rechte der Gruppe Wichura (9. Inf.- und 14. Res. Div.) gegen die noch kampfkräftigen französischen Divisionen, die am Vortage zum Gegenangriff angesetzt gewesen waren, nur wenig vorwärts. Der linke Flügel der Gruppe Wichura wurde durch die Fortschritte gefördert, die gegen geringeren Widerstand links neben ihm die 113. Infanterie-Division machen konnte. Diese, die 37. In-
fanterie-Division und die nachträglich in die sich dehnende Front zwischen beiden eingeschobene 47. Reserve-Division, kamen bis Vierzy und nahe an die von da nach Corcy verlaufende Eisenbahn, wobei die 37. Division
stärkere, durch Kampfwagen unterstützte feindliche Gegenangriffe abwies. Auch die auf La Ferts-Milon angesetzte Gruppe Winckler (28. Res.-, 1. Garde- und 33. Inf. Div., davon nur die erstgenannte noch einigermaßen
frisch) machte trotz feindlicher Gegenangriffe gute Fortschritte, am Südflügel bis zu zehn Kilometern. Der rechte Flügel erreichte und überschritt teilweise den Savieres-Bach, die Mitte hatte sich La Ferts-Milon bis auf etwa zwei Kilometer genähert, der linke Flügel lag vor Chszy-en Orxois. Der Angriffsflügel der Gruppe Conta (frisch eingesetzte 197. sowie 237., 10. und 231. Ins. Div.) erreichte unter teilweise heftigen Kämpfen das befohlene Tagesziel, die Höhen westlich von Courchamps und von ChateauThierry. Die Westhälfte dieses Ortes wurde von der 231. Division ge¬
Zunehmende Schwierigkeiten.
371
nommen, während der Ostteil immer noch in der Hand des Feindes blieb,
der durch Brückensprengung auch jedes Festsetzen aus dem südlichen MarneUfer verhinderte. An der Marne-Front verlief der Tag im übrigen verhältnismäßig ruhig. Der Brückenkopf bei Iaulgonne konnte aber nur mit Mühe be¬ hauptet werden. Für den Angriff gegen Reims hatte die 7. Armee am 31. Mai
nachmittags besohlen:
Gruppe Schmettow (am 1. Juni nachmittags zur I.Armee übertretend) Vorgehen mit rechtem Flügel längs der Marne nach Osten, um den Höhen¬ klotz 263 nordwestlich von Dammery zu gewinnen, linker Flügel aus Cumieres (nordwestl. von Epernay). Die I.Armee hatte angeordnet: Gruppe Borne (am 1. Juni abends aus den drei rechten Flügel-Divisionen der Gruppe Ilse neu zu bilden) Durchstoßen der feindlichen Front mit
Nachdruck auf dem rechten Flügel, um „durch schnelles Vordringen gegen die Marne den feindlichen Widerstand im Waldgebirge von Reims zu
brechen;
Gruppe Ilse (künftig nur noch zwei Divisionen) Fortsetzung des Angriffs nach Südosten mit rechtem Flügel auf dem Höhenrand in der Richtung
auf Ecueil;
Gruppe Wellmann, wie schon am 30. Mai besohlen, Durchstoß beiderseits des Ft. de la Pompelle bis zur Vesle, Vortreiben stärkerer Patrouillen auf das Südufer und Einleitung des Angriffs gegen den „Pommery-Hügel" (Höhe 141 am Südostausgang von Reims); dieser Angriff sollte aber erst am 3. Juni ausgeführt werden; ein Sturm auf die Stadt hatte zu unter-
bleiben; falls der Gegner sie räume, sei sie zu besetzen. Gegenüber den Zielsetzungen dieser Befehle bedeuteten die Kampfergebnisse des 1. Juni eine schwere Enttäuschung. Die unter Munitionsknappheit leidende 52. und 103. Infanterie-Division der Gruppe Schmettow, davon die erstere außerdem abgekämpft, wurden von einem
Gegenangriff der frisch herangekommenen französischen 120. Division getroffen, der durch starkes Flankenfeuer vom südlichen Marne-Ufer wirksam unterstützt wurde; die deutschen Divisionen hatten teilweise Mühe, auch nur die bisherige Front zu halten. Die 7. Reserve-Division und 12. bayerische Infanterie-Division konnten bei Ionquery und nordöstlich davon einige Fortschritte erzielen. Bei der links anschließenden 232. InfanterieDivision der künftigen Gruppe Borne war das Munitionsdepot durch Fliegerangriff in die Luft gegangen, andere Munition nicht schnell genug
Die Schlacht bei Soissons—Reims,
372
l.guni. heranzuschaffen. So konnte die Division zunächst überhaupt nicht angreisen. Statt dessen griffen eine englische und eine französische Division nach hef¬ tigster Artillerie-Vorbereitung bei Sarcy an. Sie wurden zwar abgewiesen, doch blieb die Lage der 232.Division den Tag über kritisch. Aber auch bei den übrigen vier Divisionen der Gruppen Borne und Ilse kam es nur zu
Angriffsversuchen, die bis auf geringe Fortschritte der 242. InfanterieDivision vor Reims so gut wie ergebnislos blieben. Die Angriffskraft der deutschen Truppen genügte gegen die erstarkende feindliche Abwehr nicht mehr. Die noch hinter der Front stehende 22. und 87. InfanterieDivision, ehemalige Ost-Divisionen, die im Westen bisher nur im Abwehr-
Stellungskampf verwendet worden waren, hielt die Oberste Heeres-
leitung zurück. Ostlich von Reims bei der Gruppe Wellmann hatte die Zeit nicht ausgereicht, die am 30. Mai zur Verfügung gestellten starken MinenwerferKräfte nebst Munition auch nur annähernd vollzählig schuhbereit zu machen. Da auch der Einsatz der zugeteilten drei Panzerwagen-Abteilungen nicht genügend hatte vorbereitet werden können, fielen diese im wesentlichen aus*). So zeitigte der Angriff der zusammengestellten und nur sechs Bataillone zählenden Division.^ sowie der 238. Infanterie-Division nur vorübergehende Erfolge gegen den Schietzplatz östlich von Reims sowie beim Ft.de la Pompelle, das teilweise genommen, aber nicht gehalten werden konnte. Insgesamt war man dem Ziele, Reims abzuschnüren, in keiner Weise
nähergekommen. General von Below faßte den Entschluß, den Angriff so lange einzustellen, bis die Munition ersetzt und die Infanterie neu gruppiert sei; jede Division sollte möglichst ein Regiment aus der vorderen Linie zurückziehen. Das Oberkommando der 7. Armee sah die Lage weiterhin hoffnungsvoll an. Am l. Juni mittags erbat es von der Heeresgruppe drei bis vier
neue Divisionen, um den bisherigen Erfolg „zum Erreichen weiter gesteckter Ziele" ausnutzen zu können; außerdem aber werde ein Teil der jetzt einge-
setzten Divisionen in den nächsten Tagen zeitweilig durch frische Divisionen ersetzt werden müssen. Die Oberste Heeresleitung stellte ein Generalkommando und die beiden von der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht
tagszuvor heranbefohlenen Divisionen, sowie zwei Divisionen der Heeresgruppe Gallwitz zur Verfügung, von denen die letzteren aber zur Zeit so wenig kampfkräftig waren, daß sie nur zum Einsatz an der Marne-Front *) Bei einer Abteilung war das Material durch den Anmarsch von 25 km bereits
instandsetzungsbedürftig, bei einer anderen blieben 4 Wagen (von 5) in den breiten vordersten eigenen oder feindlichen Gräben liegen.
Vorläufige Einstellung des Angriffs auf Reims.
373
in Frage kamen. Um 3° nachmittags sandte General Ludendorff ferner folgende Weisung an die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht: „Die Ope¬ rationen der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz nehmen auch weiterhin einen günstigen Verlauf. Ich bitte daher, zur Bindung der feindlichen Kräfte an der dortigen Heeresgruppenfront die Täuschungsunternehmungen bis auf weiteres fortzusetzen^). Teilunternehmungen an für den Feind empfindlichen Stellen, unter peinlichstem Haushalten mit den infanteristischen Kräften, können ebenfalls am Platze sein". Der Gedanke, vor dem rechten Flügel des deutschen Heeres stehende feindliche Reserven weg¬ zuziehen, stand daher augenblicklich wohl im Hintergrund gegenüber dem Bestreben, den Angriff der 7. Armee zu fördern, vielleicht sogar ihn zu einer entscheidenden Operation auszugestalten. Um so mehr wäre baldiger Angriffserfolg der 1. Armee von Wichtig¬
keit gewesen, denn ohne Öffnung der Eisenbahnverbindung über Reims war der Nachschub für Mitte und linken Flügel der 7. Armee auf die Dauer nicht zu leisten. Die von der l. Armee nach und nach eingehenden un¬ günstigen Nachrichten veranlaßten General Ludendorff daher, um 533 nachmittags an die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz zu drahten: „Der Angriff der I.Armee scheint sich festzulaufen. Um ihn wieder in Gang zu bringen, ist ein Aberschreiten der Marne etwa bei Iaulgonne und
Dormans und ein Vorstoß in Richtung Epernay in Aussicht zu nehmen.
Zunächst sind hierzu Kräfte bereitzustellen. Der Angriff in der bisherigen Front zwischen Marne und Reims ist durch Zusammenfassen starker Ar¬ tillerie planmäßig weiterzuführen und Reims immer mehr abzuschnüren". Ein Generalkommando und etwa vier Divisionen wurden für die neue Auf¬
gabe in Ansatz gebracht. Die Heeresgruppe hatte aber gegen diesen Plan Bedenken. Sie schlug vor: Die I. Armee solle ihren rechten Flügel unter Heranziehung von nur zwei bisher zurückgehaltenen Divisionen neu gliedern
und den „Angriff in allgemeiner Richtung Damery nach planmäßiger Vor¬ bereitung" fortsetzen. Auf Wegnahme des Ft. de la Pompelle sei zunächst zu verzichten, um unnötigen Kräfteverbrauch zu vermeiden. Dann fuhr sie fort: „Der Schwerpunkt des Kampfes liegt an der Westfront der 7. Armee, wo der Angriff möglichst weit vorwärtszutragen ist, um starke Kräfte der
französischen Armee anzuziehen und Gneisenau zu erleichtern... Auf der Westfront der 7. Armee werden starke Kräfte gebraucht. Ein Vorstoß südlich der Marne in Richtung Epernay würde gleichfalls starke Kräfte erfordern, da die feindlichen Truppenansammlungen und Ausladungen bei Esternay^) >) Ursprünglich bis etwa 2. Juni angeordnet (€>. 319, vgl. auch S. 412). 2) Eisenbahnknotenpunkt 36km südl. der Marne, wo nach einer Meldung der 3. Armee
Ausladungen stattfanden.
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
374
l.guni. sehr bald starken Widerstand auch südlich der Marne erwarten lassen. Diese Kräfte würden an der entscheidenden Front fehlen. — Die Heeresgruppe
schlägt daher vor, von einem Vorstoß südlich der Marne abzusehen, auch
aus die Gefahr hin, daß zunächst wesentliche Fortschritte bei I. Armee nicht erzielt werden". Die Oberste Heeresleitung ließ ihren Plan fallen. Die Kämpfe vom 2. bis 4. Juni.
Für die Fortsetzung des Angriffs am 2. Juni hatte die 7. Armee
befohlen: „Die Operationsrichtung bleibt Südwest". Bis der Widerstand des Gegners zwischen Soissons und Villers-Cotteröts gebrochen sei, müsse aber „die Armeemitte dorthin zusammenwirken, der linke Armeeflügel diese Bewegung durch die Art seines Vorgehens decken". Im einzelnen
sollten:
Gruppe Francis, mit Schwerpunkt auf dem linken Flügel, die „Höhen¬ stellung", womit offensichtlich die alten französischen Stellungen nördlich der Aispe gemeint waren, von Osten nach Westen ausrollen; dieser Gruppe wurde der linke Flügel der Gruppe Hosmann der 18. Armee taktisch unter¬
stellt;
Gruppe Larisch ebenfalls mit dem Schwerpunkt links, die Höhen von Dommiers gewinnen;
Gruppe Wichura über die Linie Vierzy—Longpont nach Nordwesten vor¬
drücken, linker Flügel über Fleury auf Vivisres; Gruppe Winckler mit starkem rechten Flügel Villers-Cotteröts gewinnen, mit dem linken längs des Clignon-Baches (südl. von Courchamps nach
Westen fließend) vorgehen und den Qurcq bei La Ferts-Milon und süd¬
lich erreichen;
Gruppe Conta mit starkem rechten Flügel die Linie Gandelu—Marigny— Chateau-Thierry gewinnen. 2.3um.
Unter verlustreichen Kämpfen gelang der Gruppe Hosmann am 2. Juni die Wegnahme der Höhe 129 bei Caisnes und auch der Gruppe Fran?ois
nur ein Vortreiben ihrer Front bei Autrsches. Erst recht konnte die Gruppe Larisch gegen sich dauernd verstärkende feindliche Artilleriewirkung nur ganz unwesentliche Fortschritte erzielen. Dagegen kam die Mitte der Gruppe Wichura, vor allem dank der frisch eingesetzten 47. ReserveDivision, in breiter Front bis dicht an die Straße Soissons—VillersCotteröts heran. Andererseits brachte der Angriff der Gruppe Winckler, bei der allein die 28. Reserve-Division noch kampfkräftig war, nur sehr
geringen Gewinn; sie stieß auf heftige feindliche Gegenangriffe, die von Kampfwagen unterstützt wurden. Durch Einschieben der 2. Garde-Infanterie-Division wurden auftretende Krisen gebannt. Ein empfindlicher Rück-
Erlahmen der Angriffskraft.
375
schlag südöstlich von La Fertv-Milon bei der 33.Infanterie-Division konnte
aber auch durch Einsatz der 78. Reserve-Division nicht wieder ausgeglichen werden. Die Gruppe Conta kam an ihrer ganzen Front bis zur Marne etwa zwei Kilometer vorwärts und säuberte den Ostteil von Chkteau-
Thierry vom Feinde. Bis zu den für den 2. Juni gesteckten Zielen war aber erst etwa der halbe Weg zurückgelegt. Die frische französische 157. und auch Teile der amerikanischen 2. Division waren vor der Gruppe neu aufgetreten. Die Munition begann knapp zu werden.
Die Kämpfe des 2. Juni hatten klar erkennen lassen, daß die Kraft der vorn eingesetzten Divisionen zur Überwindung ernsthaften Widerstandes nicht mehr ausreichte. Der Gegner schien sich von der ersten Erschütterung allmählich erholt und erhebliche Reserven herangezogen zu haben. So war es in den letzten Tagen im wesentlichen nur noch da vorwärts gegangen,
wo schwacher Feind verhältnismäßig leicht nachgab. Die Beutezahlen waren seit dem 30.Mainichtmehrgewachsen,diederGefangenennur um knapp 2000 auf fast 44000 Mann, die am 2. Juni bei der 7. Armee gezählt wurden. Allzu lange schon waren die meisten deutschen Divisionen,
15 ununterbrochen seit dem 27. Mai, also sieben Tage, im Kampf, darunter einige, wie vor allem die 6. bayerische Reserve-Division, die nach früherem verlustreichem Einsatz nicht einmal voll ausgefüllt worden waren und kaum Ruhe gehabt hatten. Bon den übrigen waren mehrere beim
jetzigen Angriff' nur vorübergehend zurückgezogen gewesen. Von den 14 deutschen Divisionen, die bei Angriffsbeginn als Reserven bereitgestanden hatten, aber nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Obersten Heeresleitung eingesetzt werden durften, waren zwölf nach und nach in die Front eingerückt. Da inzwischen neue Divisionen herangezogen worden waren,
hatten am 2. Juni früh noch acht völlig frische Divisionen hinter der 7. Armee gestanden, vier weitere waren im Anrollen. Schon der Kamps
am 2. Juni hatte zum Einsatz von zwei jener Divisionen genötigt, zwei weitere sollten in der kommenden Rächt bei den Gruppen Wichura und Winckler ablösen. Im Lause des Tages hatte General Ludendorss Besprechungen mit den Oberkommandos der 7. Armee in Laon, der I. in Rethel und
der
3.inMatte gehabt. In Rethel war baldige Wiederaufnahme des
Angriffs auf Reims besprochen worden^); über die Besprechung in Laon ist Näheres nicht bekannt, in Marle wurde vermutlich der Angriffsplan „Roland"^) erörtert. 1) Weiteres hierüber S. 386 ff. 2) S. Sil f., 387 u. 414ff.
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
376
2. g«ni.
Für die Fortsetzung des Angriffs der 7. Armee am 3. Juni befahl
die Oberste Heeresleitung, daß' die Gruppe Winckler „höchstens bis in den Qurcq/Clignon-Zipfel" vorgehen solle und den Schwerpunkt nach wie vor gegen Villers-Cotterets zu richten habe. Damit war die Verfolgung
weiterer Ziele gegen Westen zum mindesten zurückgestellt. Auch Generaloberst von Boehn wollte zunächst „die bisher unerschütterliche" feind¬ liche Front südwestlich von Soissons, und zwar vor allem durch Druck von
Norden, zu Fall bringen, dabei aber im Hinblick auf den inzwischen für den 7. Juni in Aussicht genommenen Gneisenau-Angriff der 18. Armee^) mit möglichst geringen Kräften auskommen^). Er befahl für den 3. Juni
die Fortsetzung der Offensive mit „Schwerpunkt Fran?ois" und für diese Gruppe Gewinnung der Aisne bei Vic, dann Angriff auf dem Nordufer nach Westen gegen die Höhen südlich und westlich von Moulin. Gleich¬ zeitig sollte die Gruppe Wichura „wie heute den Angriff bis zur Umfassung der Nordostecke des Waldes von Villers-Cotterßts" (bei St. Pierre Aigle) fortsetzen, dann aber wieder die „Hauptrichtung Südwest" gewinnen. Zwischen diesen beiden Gruppen hatte sich die Gruppe Larisch dem Angriff der Gruppe Wichura anzuschließen, um südlich der Aisne die Höhen von Ambleny und Pernant, dann die südwestlich von St. Bandry zu geWinnen. Für die Gruppen Winckler und Conta blieb es bei den schon für den 2. Juni gegebenen Zielen in der Linie Villers-Cotter6ts—La Ferte-
Milon—Ourcq- und Clignon-Lauf—Chs,teau-Thierry. 3.g«ni.
Der Kampf am 3. Juni nahm einen wesentlich anderen Verlaus, als
nach diesem Befehl beabsichtigt: Nördlich der Aisne kamen die Gruppe Frantzvis und der rechte Flügel der Gruppe Larisch überhaupt nicht vorwärts. Dagegen begann der Feind seine Front zwischen Aisne und Ourcq stellenweise etwas zurückzunehmen; die vordere Linie der 51. ReserveDivision (linker Flügel der Gruppe Larisch), die das zuerst erkannte, trat aus eigenem Entschluß an und gewann in raschem Anlauf Boden. Rechts
schloß sich die 5. Infanterie-Division an, links der rechte Flügel der Gruppe Wichura (S. Inf. und 45. Res. Div.). So wurde bis zum Abend eine östlich an Ambleny und Dommiers vorbei nach Süden verlausende
Linie erreicht; 3500 Gefangene, 15 Geschütze und zwei Flugzeuge waren in deutsche Hand gefallen. Weiter südlich konnten der linke Flügel der Gruppe Wichura und die Gruppe Winckler bei Munitionsknappheit und feindlichen Gegenangriffen nur am Savisres-Bach bei Longpont sowie nordöstlich von La Ferte-Milon noch einiges Gelände gewinnen. Etwas S. 393ff. 2) Meldung des damaligen Maj. Beck, Verbindungs-Offizier der Heeresgruppe bei A. O. K. 7, an diese.
Gegen Westen Beschränkung auf Teilangriffe.
377
größeren Erfolg hatten am rechten Flügel der Gruppe Eonta die 197. und 237.Infanterie-Division am Clignon-Bach. An der Marne-Front ging der Brückenkopf bei Iaulgonne unter erheblichen Verlusten ver¬ loren.
Schon der Kampsverlauf des 2. Juni hatte beim Armee-Oberkommando 7 die Erkenntnis reisen lassen, daß sich die feindliche Front, abgesehen von der Einbruchstelle vor dem linken Flügel der Gruppe Larisch und der ganzen Gruppe Wichura, weiter gefestigt habe. Man hatte errechnet, daß seit dem 27. Mai 30feindliche Divisionen, dazu drei KavallerieDivisionen^), vor der Armee aufgetreten seien gegenüber 29 (einschl. der
Gruppe Schmettow 34) eigenen Divisionen. Geregeltes feindliches Sperrfeuer gegen alle deutschen Angriffe zeigte die Verstärkung der feindlichen Artillerie. Bombengeschwader hatten Batteriestellungen und Anmarschstraßen angegriffen und die bei Oulchy und Fsre-en Tardenois erbeuteten Vorratslager zu zerstören versucht. So war man bis zum Morgen des
3. Juni zu der Überzeugung gekommen^), daß „nur noch mit planmäßig vorbereitetem Angriff weiteres Vorkommen erreicht werden" könne. Man
beabsichtigte, den Angriff in der Form des Bewegungskrieges einzustellen.
Doch sollte „durch Zusammenfassen starker Artillerie (Feuerwalze) und nach ausreichender Munitionierung" die Front beiderseits der Aisne noch etwa bis Vic—Ambleny—St. Bandry—St. Pierre Aigle vorgeschoben werden. General Ludendorff, dem diese Anschauungen und Absichten gemeldet wurden, war mit ihnen einverstanden und wies besonders daraus
hin, daß „alles geschehen müsse, um uns Verluste zu ersparen; Angriffe
mit begrenztem Ziel seien fortzusetzen, aber gründliche Vorbereitung!" Die Heeresgruppe hielt — wie sie der Obersten Heeresleitung meldete — schon wegen der Sicherheit von Soissons, das nach Wiederherstellung
des Tunnels bei Laffaux als Eisenbahnknotenpunkt von größter Bedeutung werden mußte, und auch wegen des bevorstehenden GneisenauAngriffs weiteren Geländegewinn beiderseits der Aisne für erforderlich. Am 4. Funi kam es nötdlich der Aisne nur zu Angriffsversuchen der 4. g>wi.
Gruppe Fran9vis, die erfolglos blieben. Südlich des Flusses gewannen die Gruppen Larisch und Wichura in verlustreichen Kämpfen nur wenig Raum nach vorwärts. Es verdichtete sich der Eindruck, daß starke feindliche Kräfte im Walde von Compiegne wie auch in dem von Villers1) Tatsächlich war der Kräfteeinsatz des Gegners noch größer (S. 381). 2) Nach einer Meldung des Verbindungs-Offiziers der Heeresgruppe, Maj. Beck, an diese von 9° vorm., also wohl noch bevor der Erfolg der 51. R. D. und der anschließenden Front bekannt war.
378
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
4. sunt- Cottersts versammelt wurden. An der Marne nahm das feindliche Artil-
leriefeuer zu. Generaloberst von Boehn, der sein Hauptquartier an diesem Tage
nach Iouaignes (5 km südl. von Braisne) vorverlegte, befahl, die weiteren Angriffe gegen die Höhenstellungen westlich von Ambleny und bei St.
Pierre Aigle gründlich vorzubereiten und erst nach zusammengefaßter
starker Artilleriewirkung durchzuführen. Damit hatte die Schlacht von Soissons—Reims als Operation ihren
Abschluß erreicht. Örtliche Kämpfe gingen aber mit geringen Unterbrechungen weiter. Der Gegner seit dem 3l. Mai^). zi. Mai.
Der von General Pstain für den ZI. Mai befohlene, einheitlich zu
führende Gegenangriff war nicht zustande gekommen, da die für ihn angesetzten Kräfte mit geringen Ausnahmen bereits vorher in Kämpfe verwickelt worden waren.
Die deutschen Fortschritte am 30. Mai abends hatten die 6. Armee 2) zu erheblicher Einschränkung des ursprünglichen Planes gezwungen. Der
Stoß mußte auf die Front südlich der Aisne beschränkt, sein Beginn wegen Verzögerung der Bereitstellung mehrfach hinausgeschoben werden. Gegen Mittag befahl General Duchene, um die zunehmende Gefahr für die Mitte seiner Armee auszugleichen, den Gegenangriff mit allen verfügbaren Kräften (7 Infanterie- und 3 Kavallerie-Divisionen) in erweiterter Breite zwischen Soissons und Oulchy-le Chs-teau. Was tatsächlich geschah und erreicht wurde, war jedoch recht gering. Nur drei Divisionen griffen an, davon eine erst um 7" abends. Immerhin wurde die deutsche Vorwärts-
bewegung im Räume dicht südlich von Soissons erheblich gehemmt. Die S.Armee des Generals Micheler hatte den Angriff beiderseits der Ardre auf Fismes für den Nachmittag angesetzt, aber angesichts der Entwicklung der Lage schließlich ganz aus ihn verzichtet und sogar Zurückgehen über die Marne ins Auge gefaßt. General Franchet d'Esporey Anschluß an S. 362 f. 2) Gliederung der franz. H.Armee am ZI. Mai morgens (abgekämpfte Divisionen
unterpunktet): XXX. Korps mit 55. u. 4. Div., 2. K. D. z. F., 162. Div.
I.Korps mit 170., 35. u. marokk. Div., dahinter 51., 61., 151. Div.; im Eintreffen 2. Div. XI. Korps mit 74., 131. u. Resten von 1., 21., 39. Div. VII. Korps in der Bildung aus 4. Div. des XXI. Korps und eintreffender 73. Div.
XXI. Korps mit 4., 164., 43., 10. Kol. Div.) dahinter 157. Div.; im Eintreffen amer. 3. Div. Gruppe La Tour mit Resten der 1. u. 5. K. D., 22. u. 20. Div.
Mahnahmen und Absichten des Gegners.
379
stellte eine Division der schon stark geschwächten 4. Armee bei Epernay bereit und forderte die 5. Armee auf, die Räumung von Reims zu be¬
fehlen, dessen westliche Vorstädte irrtümlicherweise schon aufgegeben wor¬ den waren. General Micheler schob jedoch die Ausführung noch hinaus. Inzwischen schwand die unmittelbare Gefahr; die Lusterkundung ergab, daß alle größeren Bewegungen hinter der deutschen Front nach Südwesten, gegen die 6. Armee, gerichtet waren. General Potain sah die Lage sehr ernst an. Er stand unter dem
Eindruck, daß der deutsche Angriff immer mehr die Richtung aus Paris nehme, sich gleichzeitig aber auch nach Osten auf die 5. Armee auszudehnen drohe. Nach seinen Berechnungen hatten die Deutschen noch mehr als 40 frische Divisionen in Reserve, er selbst dagegen, nachdem am 31. Mai weitere sieben Divisionen eingesetzt worden waren, nur noch acht: je vier Divisionen der 10. Armee sowie der Heeresgruppe Ost. Deren Ober-
befehlshaber General de Castelnau aber meldete, nach Abgabe der letzteren könne er einem größeren deutschen Angriff den Weg nicht mehr verlegen. General Petain erbat daher weitere Verstärkungen von' General Foch. Bis zu dessen Entscheidung wollte er die Abwehr unter größter
Kräfteersparnis weiterführen. Sechs Infanterie- und drei KavallerieDivisionen sollten zwischen Oise und Marne eine rückwärtige Sperre auf dem Wege nach Paris bilden, weiter nordwärts sollten die vier Divisionen der 10. Armee als zweite Staffel der Reserven versammelt werden. Im übrigen wurde am I. Juni das II. Kavallerie-Korps mit zwei In- i-3nm. fanterie- und drei Kavallerie-Divisionen zwischen XI. und VII. Korps der
b. Armee eingeschoben, zwei amerikanische Divisionen nach Chateau-Thierry herangeführt. Doch nur mit großer Mühe gelang es, dem deutschen Vor-
dringen Halt zu gebieten. Gleichzeitig mehrten sich die Anzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden deutschen Angriff nördlich der Oise gegen die 3. Armee.
Bei Reims wurde die deutsche Absicht, die Stadt abzuschnüren, richtig
erkannt, General F r a n ch e t d' E s p e r e y war im Begriff, den Befehl zur Räu-
mung zu wiederholen, als General Potain mit einem Verbot eingriff. Er gestattete nur, die Besatzung zu vermindern, um bei etwaiger Einschließung
nicht zuviel Truppen zu verlieren. Als dann der deutsche Angriff gegen die Stadt im Laufe des Tages keine nennenswerten Fortschritte machte, wurde eine von zwei neu eintreffenden Divisionen an die 6. Armee abgegeben.
Unterdessen hatte General Potain für eine Sitzung des Obersten Kriegsrates^) zur Stützung seiner Forderungen dargelegt: Die Schlacht i) Vgl. hierzu S. 455f.
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
380
an der Aisne habe schon 37 Divisionen, davon fünf britische, beansprucht. Von ihnen seien 17 vollständig erschöpft, und von diesen wiederum könnten
zwei bis drei wahrscheinlich überhaupt nicht wieder aufgestellt werden. Bis zum 2. Juni erwarte er fünf frische Divisionen, bis zum 10. weitere fünf, darunter die der 10. Armee, ferner eine italienische Division und drei soeben erst aus monatelangem Stellungskrieg abgelöste Divisionen. Die
Heeresgruppe Fayolle, bei der ebenfalls ein Angriff bevorstehe, habe lö Divisionen in der Front und bei Divisionsbreiten von durchschnittlich fünf Kilometern nur noch fünf Divisionen, davon nur eine frische, in
Reserve. In der britischen Front ständen als Armee-Abteilung Nord noch neun französische Divisionen, davon drei abgekämpfte. Der Rest der fran¬ zösischen Front werde von 3b Divisionen, darunter eine italienische und
vier amerikanische, gehalten, ohne jede Reserve dahinter; 21 Divisionen könnten noch zur Schlacht herangezogen werden, wenn man die Möglichkeit hätte, sie abzulösen. Die aus dem Kampf kommenden Divisionen aber
seien vor dem 20. Juni nicht wieder einsatzfähig. Insgesamt fehle also zur Zeit jede operative Reserve. Er schlug vor, die in der Ausbildung hinter
der englischen Front stehenden amerikanischen Divisionen zur Ablösung französischer Truppen in den Vogesen zu verwenden und im Notfalle sogar englische Reserven bis an die Oise oder Marne nach Süden zu ver-
schieben. Schließlich bat er um schriftliche Anweisung für die Weiter-
führung der Operationen, g-ni.
Die erbetene Weisung überbrachte General Foch persönlich am Morgen des 2. Juni. Hauptaufgabe war danach das Anhalten des deutschen
Vormarsches auf Paris um jeden Preis, besonders im Gebiet nördlich der Marne; die Ausführung sei scharf zu überwachen; schwächliche Befehlshaber seien abzulösen. Die Zuführung weiterer Verstärkungen wurde
geregelt. Im Laufe des Tages schien nun aber der deutsche Druck nachzulassen; vor allem wurde gegen Reims nicht mehr angegriffen. An der Front gegen
Soissons übernahm das Oberkommando der 10.Armee (General Maistre) unter Übertriü zur Heeresgruppe Fayolle den Abschnitt von Attichy an der Aisne bis südöstlich von Villers-Cotteröts mit dem XXX., I., neu ein-
geschobenem XX. und XI. Korps sowie zwei bisher hinter der 3. Armee in Reserve stehenden Divisionen. Die 6. Armee konnte sich künftig ganz der Abwehr zwischen Ourcq und Marne zuwenden; dazu standen ihr jetzt z. guni.
vier Divisionen als Reserve zur Verfügung, Die Fortsetzung der deutschen Angriffe am 3. Juni zwang dazu, bei der 10. und 6. Armee frische Divisionen in den Kampf zu werfen, der
damit zum Stehen gebracht wurde. Die Gefahr schien nunmehr örtlich
Meldung des Generals Pstain über die Gesamtlage.
381
begrenzt, Abwehr und Angriff schienen sich die Waage zu halten. Die Schlacht verzehrte aber nach wie vor Kräfte, die man zur Abwehr des zwischen Somme und Oise erwarteten deutschen Angriffs auszusparen
wünschte. General Petain erbat nochmals dringend Verstärkungen und ordnete für alle Fälle den Bau einer Riegelstellung zwischen der Oise und den vorgeschobenen Verteidigungsanlagen von Paris im unteren Oureq-Tale an.
Am 4. Juni ergab sich der Eindruck, daß die deutsche Offensive am Ende sei und die augenblicklich eingesetzten Kräfte ausreichten, den Gegner in Schach zu halten. Sie betrugen nach einer Meldung des Generals Petain an General Foch seit dem 27. Mai 43 Divisionen (davon 5 britische
und 2 amerikanische) sowie zwei Kavallerie-Korps. d) Fortsetzung der Kämpfe vom 6. bis 13. Juni. Die Ereignisse bei der I.Armee.
Zusammenwirken mit dem Gneisenau-Angriff. Bei der 7. Armee waren zwischen Oise und Marne für den 5.Juni s.gnni.
Teilangriffe zur Verbesserung der Stellungen angesetzt. Der Gruppe Franyois gelang es dabei nicht, auch nur in dem gegen Rouvron zurück¬
springenden Winkel ihrer Front Erfolge zu erzielen, dagegen drückte der Gegner diese am ausspringenden Winkel südwestlich von Autröches etwas
zurück. Unter diesen Umständen sagte die Gruppe des Generals von Lausch, an dessen Stelle im Lause des Tages General von Staads mit dem General¬
kommando des XXXIX. Reservekorps den Befehl übernahm, den vom Erfolg der Gruppe Franyois abhängig gemachten Angriff an der eigenen Front ab. Bei der Gruppe Wichura wurde mit schweren Verlusten ein unbedeutender Geländegewinn erkauft.
Inzwischen hatte die Oberste Heeresleitung der Armee bereits am Vormittag zur Erwägung gestellt, „in Wertung des mehr und mehr
erstarkenden feindlichen Widerstandes und einer gewissen Erschöpfung der eigenen Angriffskrast" zur Wahrung genügender Stoßkraft, den Angriff nur noch mit den Gruppen Fran?ois, Larisch (Staads) und Wichura fort¬ zusetzen, im übrigen aber sich auf Abwehr einzurichten. Mittags folgte ein Befehl an die Heeresgruppe, der die Weiterführung der Operation vom Erfolg des unterdessen endgültig aus den 9. Juni festgesetzten Gneisenau-Angriffs der 18. Armee abhängig machte. Bis dahin sollte die 7. Armee „beiderseits der Aisne vordrücken", ihr linker Flügel sei immer
schärfer auf Abwehr zu stellen, örtliche Stellungsverbesserungen seien statt¬
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
382
haft^). Die Meldungen über die erfolglosen Kämpfe des Tages veranlaßten General -Ludendorff dann aber zu der Weisung, „zur Ersparnis von Kräften" auch von Stellungsverbesserungen abzusehen. 6.Me8.3»ni. Am 6. Juni kam es westlich von Chateau-Thierry zu schweren Ab¬ wehrkämpfen der Gruppe Conta gegen die amerikanische 2. Division; der Ort Bouresches ging verloren. Auch weiterhin blieb der Gegner Angreifer. Dabei hatte er am 7. Juni am rechten Flügel der Gruppe Staads und bei der Gruppe Conta örtliche Erfolge; bei letzterer drückte er den
rechten Flügel über den Elignon-Bach zurück. Am 8. Juni folgten weitere örtliche Kämpfe, darunter ein gelungenes, räumlich allerdings eng be¬ grenztes Anternehmen der Gruppe Wichura. Unterdessen hatte das Oberkommando der 7. Armee die Mitwirkung beim Gneisenau-Angriff und das „Vordrücken" beiderseits der Aisne vorzubereiten, das nur bei planmäßigem Angriff Erfolg haben konnte. Des weiteren hatte General Ludendorff, veranlaßt durch das Auftreten der Amerikaner, am 7. Juni daraus hingewiesen, daß es gelte, die amerika¬
nischen Truppen, die „allgemein den Stamm für Neuformationen bilden, nach Möglichkeit zu treffen", um die Bildung des amerikanischen Heeres in Frankreich zu erschweren. Generaloberst von Boehn befahl der Gruppe Conta einen entsprechenden Angriff vorzubereiten. Die Durchführung aller dieser Aufgaben war allerdings nicht leicht, denn es fehlte an aus-
geruhten Angriffstruppen, die Munitionslage war bei dauerndem, starkem Verbrauch sehr gespannt, der Nachschub hatte weite Entfernungen zu den Eisenbahnendpunkten, die Wege dorthin waren von Last-Kraftwagen-
Kolonnen allmählich völlig zerfahren, und der Treibstoffverbrauch wuchs in bedenklichem Maße. Zu alledem begannen jetzt die bisher nur beim Gegner ausgetretenen Massenerkrankungen an Grippes auch aus die deutschen Truppen überzugreifen. Nur bei strengstem Haushalten mit den eng
begrenzten Mitteln konnte man also hoffen, die gestellten Ausgäben nach und. nach zu lösen.
Für die Mitwirkung beim Gneisenau-Angriff hatte Generaloberst von Boehn, einer Weisung der Obersten Heeresleitung entsprechend, schon am b. Juni angeordnet, daß die Gruppen bereit sein müßten, falls
die ihnen gegenüberstehende Front ins Wanken komme, „auf kurzfristigen s.bi-ti.guni. Befehl am 9.Juni nachmittags in der Art eines Verfolgungskampfes an-
zugreifen". An diesem Tage hatte die Gruppe Francis, die auf der zwölf Kilometer breiten Front von der Oise bis Audignicourt nur noch über 1) Es folgten Anordnungen für die 1. und 3. Armee (vgl. S. 386f>). 2) S. 337 u. 517.
7. Armee: Örtliche Kämpfe. Mitwirkung beim Gneisenau-Angriff.
383
zwei Divisionen verfügte, den beginnenden Angriff der 13. Armee durch Fernfeuer zu unterstützen, zugleich aber dem Gegner einen eigenen großen Angriff vorzutäuschen, und zwar — da es an Kräften jeder Art mangelte —
mit äußerst bescheidenen Mitteln: Einschietzen, Verstärkung des Wagen¬ verkehrs, Unterhaltung von Biwaksfeuern. Die Maßnahmen reichten denn auch in keiner Weise aus, den Gegner zu beeinflussen. Vielmehr führte dieser gerade am 9. Juni seinerseits Angriffe gegen die Gruppe Franyois bei Autröches, sowie gegen die rechte Hälfte der Gruppe Conta, ohne allerdings Wesentliches zu erreichen. Am 10. und 11. Juni mußten bei letzterer Gruppe weitere Angriffe, vor allem von Amerikanern gegen den Wald südlich von Belleau, abgewehrt werden.
Die Gruppe Fran?ois hatte unterdessen den Gneisenau-Angriff auch noch am 10. durch Feuer unterstützt. Am Morgen des 11. Juni erkannten ihre Truppen, daß der Gegner seine Stellungen räumte. Von 6° vor¬ mittags an drängten die 223.und211.Infanterie-Divisionnach,bissie
auf die von Bailly nach Osten verlausenden ehemaligen französischen Stellungen stießen; diese anzugreifen reichten die Kräfte in keiner Weise. Die Vorwärtsbegwegung kam zum Stillstand. Für den Angriff beiderseits der Aisne, der die dortige Einbuch¬
tung beseitigen sollte, hatten sich inzwischen so umfangreiche Vorbereitungen als nötig erwiesen, daß er erst auf den 11. Juni angesetzt werden konnte. Auch wollte Generaloberst von Voehn, da die Artillerie knapp war, zu¬
nächst nur südlich des Flusses (Unternehmen „Hammerschlag") angreifen. Der Angriff nördlich des Flusses, für den lediglich ein Teil der Hammer-
schlag-Artillerie herumzuschwenken hatte, sollte sich unmittelbar anschließen Als dann am
7.JunidiefürdenAngriffbeiderseitsdesFlussesbeabsich¬
tigte Zielsetzung der Obersten Heeresleitung gemeldet wurde, lehnte diese den Angriff nördlich des Flusses wegen des alten Grabensystems im Nouvron-Winkel als „sehr schwierig und als nicht erforderlich" ab und empfahl, den Gegner dort durch umfassende starke Artillerie- und Minen-
werferwirkung niederzuhalten; der Schwerpunkt sei auf das südliche AisneUfer zu legen. Die Angriffsbefehle sollten, entsprechend geändert, wieder vorgelegt werden. Zugleich hatte die Heeresgruppe über die taktische Zielsetzung hinaus angeregt, sich je nach der Entwicklung des GneisenauAngriffs auf weites Vorgehen einzurichten, dessen Ziele etwa in der Linie Verberie—Crepy-en Valois—Mareuil (an der Mündung des ClignonVaches in den Ourcq) zu suchen seien. Die 7. Armee brachte daher am
9. Juni in ihrem endgültigen Befehl für „Hammerschlag" zum Ausdruck, daß der Angriff nach Gewinnung der ersten, in der allgemeinen Linie
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
384
Vic—Coeuvres—Longpont liegenden Ziele „ohne Begrenzung" weiter vorgetragen werden solle. Am 10. Juni mußte die Durchführung des Angriffe auf den 12. verschoben werden, da die Vorbereitungen, vor allem die Munitionsanfuhr, noch zurück waren. Unterdessen aber war die
Gneisenau-Offensive angesichts starker feindlicher Gegenangriffe bereits im wesentlichen zum Stillstand gekommen. „Hammerschlag" blieb damit ein rein örtliches Anternehmen. Der hier gegenüberstehende Gegner mochte etwa vier Divisionen stark sein. 12. Sani.
Zum Angriff gegen ihn standen am Morgen des 12. Juni südlich der
Aisne bei der Gruppe Staads sowie am rechten Flügel der Gruppe Wichura aus rund zwölf Kilometer Front von Amblsny bis Chavigny annähernd fünf Divisionen in vorderer Linie bereits, davon zwei frisch, die übrigen durch vorherige Kämpfe mehr oder minder geschwächt. Etwa 720Geschütze und eine größere Zahl von Mmenwersern hatten den Angriff vorzubereiten. Starke Artillerie der Gruppe Fran?ois sollte über die Aisne herüber mitwirken und auch den Gegner nördlich des Flusses niederhalten, indem sie ihm durch Ablauf einer Feuerwalze eigenen Angriff vortäuschte. Nach rund einundeinhalbstündiger Feuervorbereitung, die mit kurzer Vergasung der feindlichen Artillerie begann, trat die Infanterie um 5°früh hinter der Feuerwalze zum Sturm an. Der Gegner war aber — wie sich später
herausstellte, durch Gefangenenaussagen, erbeutete Papiere und abgehörte Ferngespräche — über das Angriffsvorhaben, zum mindesten des
rechten Flügels, unterrichtet und hatte seine Artillerie in Ausweichstellungen gebracht, in denen sie vom deutschen Vorbereitungsfeuer nicht gefaßt worden war. So blieb der Angriff der über Amblsny vorbrechenden
34.Infanterie-Division alsbald unter schwersten Verlusten (rund 1100 Mann) liegen, da weder die feindliche Infanterie und Artillerie im eigenen
Angriffsabschnitt ausreichend getroffen, noch auch die feindliche Feueri) Gliederung für „Hammerschlag" am 12. Juni (voll kampfkräftige Divisionen unter-
strichen, abgekämpfte unterpunktet): Franzosen vordere Linie
dahinter
Deutsche vordere Linie
V- 162. Div. Teile 162. Div. 1/i marokk. Div. 34. g. D. + I. K. 1 1/2 marokk. Div. 1/2
dahinter 5. F. D.
V. S. F. D. 51. Div. 151. Div.
Vz 125. Div.
2. K. D. z. F.
87. Div.
11. bayer. F. D.
V- S. 3. ®. 14. 3. D.
45. R. D.
14. R. D.
51. R. D.
rechter Flügel 47. R. D.
Gr.
Staads -
Gr.
Wichura
7. Armee: Unternehmen „Hammerschlag" und Einstellung des Angriffs.
385
Wirkung vom Nordufer der Aisne ausgeschaltet war. Weiter südlich ge¬ wannen die 51. Reserve-Division, vor allem aber die 11. bayerische In-
fanterie-Division und die 45. Reserve-Division teilweise über zwei Kilo¬ meter Raum nach vorwärts und erreichten damit bei Coeuvres und südlich
die befohlenen Angriffsziele. Auch gleichzeitige Ablenkungsunternehmun¬ gen nördlich und südlich der Hammerschlag-Front wurden erfolgreich
durchgeführt.
Bei Fortsetzung des Angriffs am 12. Juni wurden nur noch einige lz.gani.
kleine Stellungsverbesserungen erreicht. Unterdessen hatte die Heeres¬ gruppe bereits vormittags der Obersten Heeresleitung vorgeschlagen, den
Angriff Hammerschlag einzustellen, denn: „Der feindliche Widerstand ist dort so stark und organisiert, daß die errungenen Vorteile in keinem Ver¬ hältnis zu den eigenen Verlusten stehen". Insgesamt waren über 2000 (ge¬ fangene eingebracht. Unter den eigenen Verlusten, deren Gesamtzahl nicht
sicher festzustellen ist, befanden sich 500 Gaskranke durch ein feindlicherseits hier zum ersten Male angewandtes, dem deutschen Gelbkreuz ähnliches Gas. Das Unternehmen als Ganzes war trotz einigen Geländegewinns ein Fehl¬
schlag gewesen; Die tiefe Stellungseinbuchtung an der Aisne, östlich von Vic, war nicht beseitigt worden. Auch die Hoffnung, daß der Gegner an¬
gesichts des deutschen Vordringens bis Coeuvres seine Front von selbst
zurücknehmen werde, erfüllte sich nicht. Währenddessen waren die Kämpfe am rechten Flügel der Gruppe Conta gegen die Amerikaner im Belleau-Wald in der Rächt zum 11.
und auch an diesem Tage selbst mit wechselndem Erfolge weitergegangen.
Sie hatten ebenfalls schwere Verluste, aber kein befriedigendes Ergebnis gebracht. Der Plan, den ganzen Wald wiederzunehmen, mußte aufgegeben werden. Die frischen amerikanischen Truppen hatten sich als durchaus
ebenbürtiger Gegner gezeigt^). Mit dem 13. Juni fanden die Angriffe bei der 7. Armee ihren Ab¬ schluß, am 14. gab die Oberste Heeresleitung den Befehl zur Ein¬
stellung der Offensive im großen^). Das Armee-Oberkommando faßte die Kampsergebnisse der letzten 18 Tage und die künftigen Aufgaben in folgendem Armeebefehl zu¬
sammen:
. „1.) Der am 27. Mai begonnene Großangriff der 7. Armee ist zum Abschluß gekommen ... Die schwere Niederlage des Gegners ... zeigt *)Am25. Juni vertrieben sie die dort neu eingesetzte frische 87. Infanterie-Division endgültig aus dem Walde.
2) S. 405. Weltkrieg. XIV. Band.
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
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lz.gani. sich in dem Verlust aller seiner Stellungen, seiner Kriegs- und LandesVorräte zwischen Aisne und Marne, sowie in der Einbuße von rund
60000Gefangenen und 830 Geschützen^). Der schönste Gewinn für die Armee ist aber die hohe Befriedigung für jeden Führer und Mitkämpfer, unseren militärisch tüchtigsten Feind, den Franzosen, ganz gründlich ge¬ schlagen zu haben. Dabei waren bis zum 13. Juni mehr französische Divisionen am Kampf beteiligt als deutsche und außerdem noch drei engli¬
sche und zwei amerikanische. 2.) Alle Korps haben sich zur Behauptung des eroberten Geländes ein-
zurichten und zu gliedern. Neue Angriffe werden vorbereitet. Dies ist aber zunächst Sache der höheren Führung und darf den nötigen Leistungen im Verteidigungseinbau nicht im Wege stehen. Der letztere muß schon zur Vermeidung der Verluste mit dem allerernstesten Nachdruck gefördert werden. Ich muß hierbei die gleiche Tatkraft aller Führer erwarten, wie sie bei den glänzenden Angriffsleistungen bewiesen wurde ..
Die Ereignisse bei der l. Armee. i- 5.gani.
In der Besprechung des Generals Ludendorff am 2. Juni in
Rethel^) war als Aufgabe der I.Armee festgelegt worden, nach einer Pause zur Ergänzung der Munition und Neugruppierung der Infanterie „den Feind aus dem Waldgebirge zwischen Marne und Vesle zu drängen
und Reims zu nehmen". Ersteres sollte durch planmäßig vorzubereitende Teilangriffe mit begrenztem Ziel erreicht werden, Reims war „durch starke Artillerie- und Minenwerferwirkung sowie Vorstoß der 242. InfanterieDivision aus die Vorstädte d'Epernay und de Vesle" (letztere unmittelbar nördlich an erstere anschließend) zu nehmen. Bedenken der l. Armee, daß die 242. Division dazu nicht mehr kampfkräftig genug sei, hatten zurück-
treten müssen. Später sollte auch nochmals versucht werden, das Fort de la Pompelle zu nehmen. Ein inzwischen in Vorbereitung befindlicher
Angriff der Gruppe Langer hatte dagegen zurückzustehen. Dementsprechend hatte General von Below noch am gleichen Tage
folgende nacheinander zu erreichende Ziele gegeben: 1. Gewinnen der Höhen südlich und östlich von Chambrecy und des Dorfes
Bligny,
2. Erreichen der allgemeinen Linie Ehktillon—La Neuville—Waldstück westlich von Bouilly, 3. Wegnahme des Höhengeländes von Eoulommes und Vrigny, 1) Spätere Zusammenstellungen ergaben noch um einiges höhere Zahlen (vgl. S. 392). 2) S. 375.
l. Armee: Befehle für den Angriff auf Reims.
387
4. Wegnahme von Reims durch Vorstoß gegen die bereits genannten
Vorstädte.
Noch sei der Gegner — wie es in einem ergänzenden Befehl vom 3. Juni
hieß — trotz Verstärkung seiner Front erheblich unterlegen, sein Widerstand könne aber schnell wachsen. Die Angriffe müßten daher so bald als irgend möglich erfolgen. Der erste Teilangriff, den die Gruppe Borne führen sollte, war aus den 4. Juni angesetzt, mutzte dann aber, da die Vorbe» reitungszeit nicht ausreichte, auf den 6. verschoben werden. Am 8. sollte der Angriff der Gruppen Schmettow und Borne zum Erreichen der Linie
ChiMllon—Coulommes folgen. Unterdessen meldete General von Below der Heeresgruppe, daß die
Angriffskraft der 242. Division, sowohl nach Ansicht ihres Kommandeurs wie des Kommandierenden Generals, für die ihr zugedachte Wegnahme von Reims keinesfalls ausreiche. Ebensowenig sei die bei sieben Kilomeiern Frontbreite nur noch fünf Bataillone zählende Division A dazu in der Lage, denn bei der großen Häusermasse und den zahlreichen tiefen Kellern der Stadt werde das Artillerie- und Minenwerferfeuer nicht genügen, um der Infanterie einen erbitterten Häuserkampf zu ersparen. Ganze Arbeit könne nur geleistet werden, wenn gleichzeitig von Osten her
der beherrschende Pommery-Hügel (Höhe 141) genommen werde und sich die Angrissstruppen damit im Süden der Stadt die Hand reichten. Dazu aber fehlten die Kräfte, denn noch heute kämpfe die Armee, abgesehen von dem von der 7. Armee übernommenen Abschnitt, mit nur derselben Zahl
von Divisionen, die sie schon bei ruhigem Stellungskrieg gehabt habe. General von Below erbat daher die inzwischen zur Verfügung der Obersten
Heeresleitung herausgezogene 203. Infanterie-Division für den Ostangriff gegen die Stadt.
In den Erwägungen der Obersten Heeresleitung war inzwischen
für den Fall, daß der Gneisenau-Angriff nicht ausreichte, die feindlichen Reserven aus Flandern wegzuziehen, der bei der 3. Armee seit langem
vorbereitete Roland-Angriff in den Vordergrund getreten, der Reims durch Vorstoß über die Vesle oberhalb der Stadt zu Fall bringen mußte. So hieß es im Befehl an die Heeresgruppe vom
Juni1): „Die Vorbe- s-s-mi.
reitungen für Roland gewinnen an Bedeutung, mit Munitionierung kann begonnen werden". Zugleich wurde die bisherige Zielsetzung der I. Armee
von der Obersten Heeresleitung etwas eingeschränkt: Ihr rechter Flügel sei so weit vorzuführen, daß eine gute Verteidigungsstellung gewonnen werde; ob dazu Chktillon genommen werden müsse, sei zu prüfen; im übrigen sei etwa die Linie Champlat oder Neuville—„Südfront Reims !) Vgl. S. 381 f.
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
388
(Fortlinie)" zu erreichen. Zum Ostangriff gegen die Stadt sollte die I.Armee auf die 228. Infanterie-Division zurückgreifen, da die 203. für andere Ausgaben bereitgehalten werde. Damit war aber nicht viel ge¬
holfen, denn jene Division stand bereits in fast acht Kilometern Breite in s.ganl. der Front. General Ludendorff stellte daher am 6. Juni die 203. Division
wenigstens zum Herauslösen der 238. zur Verfügung. Im übrigen wünschte er möglichste Beschleunigung der Angriffe, wollte aber auch nicht drängen; doch sei es im Interesse der großen Lage, womit offenbar der am 9. Juni beginnende Gneisenau-Angriff gemeint war, äußerst erwünscht, daß am 8., spätestens 9., wenigstens die beherrschende Höhe 240 über Vrigny genommen werde. Der Zeitpunkt der übrigen Angriffe hing vor allem von der Herbeischaffung der nötigen Munition ab. Inzwischen waren am 6. Juni die 232. und 86. Infanterie-Division der Gruppe Borne zum Angriff angetreten und bis Chambrecy und Bligny vorgestoßen, konnten dann aber den größten Teil des gewonnenen Ge¬
ländes angesichts starker feindlicher Gegenwirkung nicht halten. Sie brach¬ ten zwar über 200 Gefangene ein, hatten aber auch selbst etwa 1600 Mann verloren.
Aus weiteres Drängen der Obersten Heeresleitung, „wann nun¬ mehr der Angriff der 1. Armee auf Reims stattfinden" werde, und Anfrage der Heeresgruppe nach dem Zeitpunkt der anderen Angriffe, setzte General von Below den Angriff bei Vrigny trotz mancher Bedenken, vor allem
wegen der nach I4tägigen Kämpfen nicht mehr voll angriffsfähigen In¬ fanterie, auf den 9., den gegen die Linie CHQtillon—Chaumuzy (östl. von Chambrecy) sowie gegen Reims auf den 13. Juni fest, s.gani.
Der daraufhin von der 33. Reserve- und Teilen der 213. Infanterie-
Division, unterstützt von rund 400 Geschützen und zahlreichen Minen¬ werfern, am 9. Juni begonnene Angriff, der die Höhen westlich von Coulommes und Vrigny sowie letzteren Ort selbst zum Ziel hatte, wurde
nach Anfangserfolgen durch feindliche Gegenstöße und Artilleriefeuer in die Ausgangsstellungen zurückgeschlagen. Man sah den Grund für das Scheitern des Unternehmens — abgesehen von der nicht mehr voll an¬ griffsfähigen Infanterie — vor allem darin, daß^es bei der Kürze der Vor¬
bereitungszeit nicht möglich gewesen war, die Grundlagen für wirksame Bekämpfung der feindlichen Artillerie zu schaffen. Nach den Erfahrungen von^6. und 9. Juni hielt die I. Armee nunmehr zur Durchführung weiterer Angriffe der Gruppen Schmettow und Borne
die Zuführung frischer Divisionen für erforderlich. Die Heeresgruppe trat dieser Auffassung bei, und General Ludendorff entschied noch am
l. Armee: Einstellung des Angriffs. — Gegner.
389
9. Juni, daß jene Angriffe vorläufig einzustellen seien; die Vorbereitung des Angriffs gegen Reims aber sei mit allen Mitteln zu fördern. Am 10. Juni äußerte die l. Armee jedoch auch gegen diesen Angriff Bedenken. lo.g»ni.
Unterdessen war auf Veranlassung der Obersten Heeresleitung General der Infanterie von Mudra, bisher Oberbefehlshaber der Armee-Abteilung A, unterwegs, um in Vertretung des erkrankten Generals von Be-
low^) den Befehl über die 1. Armee zu übernehmen. Nach Unterrichtung über die Lage und Vortrag bei der Obersten Heeresleitung befahl er am 11. Juni, auch den Angriff gegen Reims zu verschieben; die Vordere!- n.g»«,. tungen aber sollten weitergehen, da die Durchführung jeden Augenblick erforderlich werden könne. Weiterhin drängte auch die Oberste Heeres¬
leitung nicht mehr, denn der Gneisenau-Angriff hatte sich inzwischen festgelaufen. Aus Flandern aber schienen noch nicht genügend feindlich Reserven abgezogen zu sein. So war der Angriff dort doch noch nicht möglich, und damit trat der bereits seit dem 6. Juni erörterte neue Plan in den Vordergrund, der Reims durch Angriff der 7. Armee über die Marne und gleichzeitigen Angriff des linken Flügels der I. Armee über die Vesle zu
Fall bringen sollte. Einstweilen aber richtete die I.Armee sich zur Abwehr ein.
Die Maßnahmen des Gegners^). Am S. Juni hatten die französische 10. und ö. Armee, besonders die «>ga»,.
der letzteren zugeteilte amerikanische 2. Division westlich von ChKteauThierry, mit planmäßigen Gegenangriffen begonnen. Bei der 5.Armee wurde die Gefahr des zunächst erfolgreichen deutschen Angriffs auf Chambrecy und Bligny schon durch Einsatz eines einzelnen Regiments gebannt. Die Heeresgruppe Nord schlug nach den günstigen Erfahrungen der letzten Tage Angriffe mit beschränktem Ziel bei ChKteau-Thierry und Ville-en Tardenois vor. Im übrigen rechnete die französische Führung aber mit Wiederaufleben der deutschen Offensive. Am 8. Juni bezeichnete General Petain die Aufgaben der Heeres- s.g»,,«. gruppen Fayolle und Nord als hauptsächlich defensiver Art, doch sollten die 10., 6. und 5. Armee ihre Stellungen durch Gewinnen von Beob-
achtungsstellen und Wegnahme vorspringender Teile der deutschen Linien verbessern.
Den deutschen Angriff Hammerschlag am 12. Iuni^) hatte die fran- 12.3«««. zösische Führung schon im Zusammenhang mit dem Gneisenau-Angriff i) Gen. Fritz von Below erlag am 22. Nov. 1913 der Krankheit.
-) Anschluß an S. 378 ff. 3) S. 384.
390
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
l2.g»ni. nördlich der Oise erwartet. Er machte trotz des örtlichen Erfolges keinen großen Eindruck, da er nur mit bescheidenen Mitteln geführt wurde und
für ein Zusammenwirken mit dem Angriff westlich der Oise zu spät kam.
v) Betrachtungen. Der Angriff gegen den Ehemin des Dames am 27. Mai hatte dank
gelungener Überraschung und einer artilleristischen Überlegenheit, wie sie deutscherseits bisher noch in keinem Falle auch nur annähernd erreicht worden war, über jedes Erwarten große Erfolge gebracht. Die vorwärts-
stürmende Infanterie hatte sich voll auf der Höhe der ihr gestellten Ausgabe gesunden. Zum größten Teil hatte sie im ersten Angriffsschwung über Höhenzüge und Flüsse hinweg an einem einzigen Tage kämpfend Ent¬ fernungen zurückgelegt, die der Tagesleistung einer marschierenden Truppe entsprachen. Trotz aller Geländeschwierigkeiten hatte die Artillerie fast überall ohne Aufenthalt zu folgen vermocht. So waren Höchstziele erreicht worden, die zwar von einer weitschauenden Führung für alle Fälle bereits gegeben waren, deren Erreichung am ersten Angriffstage aber doch kaum jemand zu erwarten gewagt hatte. Die feindliche Front war in einer Breite aufgerissen und in einer Tiefe durchstoßen, die alle bisherigen eigenen Angriffserfolge und vollends solche der Gegner weit übertrafen. Die Er-
gebnisse der nächsten Tage standen hinter denen des ersten nicht wesentlich zurück. Sie hätten an manchen Stellen noch größer sein können, wenn die höhere Führung dem Vorwärtsdrang der Truppe noch mehr freie Hand gelassen hätte. Das gilt vor allem für die Front gegen Westen, an der Unklarheiten in der Befehlsgebung das Wiederherausziehen der Truppen aus Soissons und damit Zeitverlust in dieser Richtung brachten, der dem Gegner zugute kam und damit in diesem Räume harte weitere Kämpfe und Stocken des Angriffs zur Folge hatte. Die Gesamtergebnisse der Offensive waren bald derart, daß zur Siche¬ rung des Nachschubs die Ausdehnung des Angriffs auf Reims zwingende Notwendigkeit wurde. Sie war des Kräftebedarfs wegen bis dahin von
der Obersten Heeresleitung abgelehnt worden; jetzt glaubte diese, auch ohne entsprechenden Kräftezuschuß Reims gewinnen zu können. Von den seitens der l. Armee zunächst als nötig bezeichneten Verstärkungen wurde so gut wie nichts gegeben. So ist der Abschnürungsangriff gegen die Stadt mit unzureichenden Mitteln versucht worden und daher gescheitert. Die Haltung des Gegners, der zweimal drauf und dran war, Reims preiszugeben, läßt erkennen, daß bei Zuweisung von — sagen wir zwei bis drei —
kampfkräftigen Divisionen nebst entsprechender Artillerie das Ziel wahr¬
Betrachtungen.
391
scheinlich ohne große Schwierigkeit hätte erreicht werden können. Die in keiner Weise auf den Angriff vorbereiteten bisherigen Stellungs-Divisionen aber, davon eine notdürftig aus Abgaben anderer zusammengestellt und nur sechs Bataillone zählend, waren dazu um so weniger imstande, als
die für den Angriff zugestandene Vorbereitungszeit nur kurz bemessen war. Aber auch der Angriff gegen Westen ist früher zum Erliegen gekommen, als es nach dem Zustande des Gegners nötig gewesen wäre. Hier wirkten sich einerseits die schon erwähnten Hergänge bei Soissons aus, andererseits der Umstand, daß der Front nicht früh genug frische Kraft zugeführt wurde. Die Divisionen, die am 27. Mai zum Angriff angetreten waren, sind erst
abgelöst worden, als sie tatsächlich fast jede Angriffskraft verloren hatten, zu einem erheblichen Teile erst nach sechs- bis siebentägigem ununter¬ brochenem Einsatz, während der Gegner ihnen in zunehmendem Matze frische Divisionen entgegenwarf. So ging nicht nur die ursprünglich be¬ deutende Überlegenheit an Zahl, sondern auch die an Kampfkraft ver¬ loren. Das Stärkeverhältnis kam ins Gleichgewicht und damit der Angriff
zum Erliegen. Der Grund aber für die späte Freigabe der Reserven lag einerseits in der Begrenztheit der deutschen Kräfte überhaupt, andererseits darin, daß die Offensive am Chemin des Dames nur den Zweck hatte, feindliche Kräfte von der Flandern-Front abzuziehen. Als sie sich dann zur großen
Schlacht von Soissons—Reims auswuchs, stand die Oberste Heeresleitung vor der schwerwiegenden Frage, ob sie über das ursprüngliche Ziel hinaus versuchen sollte, dem Gegner durch Fortsetzung des Angriffs zwischen Oise und Marne einen entscheidenden Schlag zu versetzen, bei dem das letzte
Ziel vielleicht Paris sein konnte. Diese Frage begegnete sich mit der anderen für Kräfteeinsatz und Ausdehnung des Angriffs ebenso bestimmen¬ den, inwieweit der Zweck der Offensive, Abziehen feindlicher Reserven aus Flandern, erreicht war. Darüber aber hat die Oberste Heeresleitung bis zum Schluß der Schlacht keine rechte Klarheit gewinnen können. Was an feindlichen Kräften neu auftrat, kam zunächst nicht aus Flandern. So war der Fortsetzung des Angriffs von diesem Gesichtspunkte aus so lange keine
Grenze gesetzt, als nicht auch eigene, für den späteren Hägen-Angriff be¬ stimmte Kräfte von dort weggezogen werden mußten, um die Schlacht bei Soissons—Reims zu nähren. Von dem Zeitpunkt an, da das eintrat, hatte deren Fortsetzung als Ablenkungsschlacht keine Berechtigung mehr,
es sei denn, daß man sich entschloß, unter völliger Zurückstellung des späteren Angriffs in Flandern, die Entscheidung gegen die Franzosen zu suchen.
Frühzeitig gefaßt, hätte dieser Entschluß bei Soissons—Reims gewiß zu einem noch größeren Erfolge führen können, als er ohnehin erzielt
Die Schlacht bei Soissons—Reims.
392
12.30m. wurde. Daß er ausgereicht hätte, den Endangriff gegen die Engländer
überflüssig zu machen, ist aber durchaus unwahrscheinlich. Schon die Vezwingung der großen Waldungen von Eompiögne und Villers-Eotterßts, die General Pstain zu verteidigen entschlossen war, dürste nach allen
sonstigen Erfahrungen eine ganz ungewöhnlich schwere Aufgabe gewesen sein. Im übrigen wären, je mehr deutsche Kräfte von der Front der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht weggezogen wurden, um so mehr
auch feindliche dort freigeworden. Das Stärkeverhältnis hätte sich weder hier noch dort so wesentlich geändert, daß an einer der beiden Stellen eine
für die Entscheidung des Krieges ausreichende Überlegenheit gewonnen werden konnte.
Diese Überlegenheit konnte nur erreicht werden, wenn es gelang, dem
Gegner erheblich mehr Verluste zuzufügen, als man selber erlitt, wobei immer noch zu berücksichtigen blieb, daß die des Feindes durch ununterbrochenes und neuerdings vermehrtes Eintreffen amerikanischer Truppen wieder ausgeglichen wurden, während die eigenen überhaupt nicht mehr zu ersetzen waren. Hinsichtlich der beiderseitigen Verluste bietet der Kampf der 7. und I.Armee nun folgendes Bild:
Deutsche Verluste rund 98000 Mann; Beute: öS000 Gefangene, fast 900 Geschütze, mehr als 2000 Maschinen-
gewehrt). Verluste der Gegner: Franzosen
über 103500 Mann
Engländer
über
29000
„
Amerikaner
etwa
2400
„
zusammen rund
135 000 Mann
Insgesamt war die Schlacht bei Soissons—Reims zwar ein glänzender
deutscher Angriffserfolg, den Endsieg im Westen hatte sie aber doch nicht nähergebracht. An der Front der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz war eine weit vorspringende Ausbuchtung entstanden, die als Ausgangsstellung für weitere Offensiven von großem Wert werden konnte, deren Behaup¬ tung aber bis dahin vermehrten Kräfteeinsatz nötig machte und den Feind zu Gegenangriffen geradezu herausforderte. Dazu kam, daß die einzige
in diese Ausbuchtung hineinführende Zubringerbahn nicht sofort benutzbar war. Die Versorgungslage der dort stehenden großen Truppenzahl, am 14. Juni im Räume südlich der Linie Aisne—Soissons—Reims 39 Divi¬ sionen der 7. und 1. Armee, blieb daher recht schwierig und verbrauchte
dauernd zahlreiche Kolonnen sowie viel Treibstoff und Pferdekräfte, während dies alles ohnehin schon knapp war. *) Gesamtbeute seit 21. März einschl. des Gneisenau-Angriffs S. 410,
Betrachtungen.
393
Hatten somit der Angriff über den Chemin des Dames und seine Fortsetzung bis zur Marne ein operativ keineswegs befriedigendes Ergeb¬ nis, so stellten sie doch nach Vorbereitung und Durchführung wiederum eine im Stellungskriege der Westfront weder vorher noch nachher erreichte Glanzleistung von Führung und Truppe dar. Demgegenüber tritt alles, was etwa gegen diese oder jene Einzelmaßnahme eingewendet werden
könnte, in den Hintergrund.
C. Die Schlacht bei Noyon (Gneisenau-Angriff!)). Beilagen 10, 11, 16 a und 19.
J. Die Entwicklung des Angriffsplanes. An der Michael-Front war nach dem mißglückten Angriff deswtt«snoi. 30. März2) in der Mitte und am linken Flügel der 13. Armee (IX. und XVII. A. K., IV. R. K.) allmählich Ruhe eingetreten, während die
Kämpfe am rechten Flügel (III. A. K. und XXV. R. K.) noch ihren Fortgang nahmen. Bei Rollot (9 km südöstl. von Montdidier) war die im
Angriff gewonnene Linie aus taktischen Gründen wieder etwas zurückgenommen worden. Anterdessen hatte General Ludendorff der Armee
bereits am 3l. März aufgetragen, „rein theoretische Betrachtungen" für weiteren Angriff auch ihres IX. und XVII. Armeekorps anzustellen, der nach Durchführung des damals bevorstehenden Angriffs des III. Armeekorps an der Avre, vielleicht sogar erst nach dem Erzengel-Angriff der 7. Armee, in Frage käme. Es handelte sich dabei um einen Durchbruch nach Süden mit anschließendem Einschwenken gegen Osten, um das Hügelland südlich von Lassigny bis gegen Eompisgne hin in die Hand zu bekommen. Als erstes Ziel war die Linie Domfront—Eoivrel—Gournay
(an der Aronde) gedacht, linker Flügel vom Matz-Bach abgesetzt; ihm sollten starke Kräfte folgen, um nach Osten, rechter Flügel etwa aus Compiögne, gegen Flanke und Rücken des Feindes vor dem IV. Reserve-
korps einzuschwenken. Dieses Korps hatte gleichzeitig auf Thiescourt— Evricourt anzugreifen. Die Waldungen um Gury, Belval und östlich waren ausgiebig mit Gelbkreuz zu vergasen. Der Gedanke des Angriffs aus der Front Montdidier—Royon hatte dann aber bis zur Entschlußfassung über den Blücher-Angriff der 7. Armee
geruht. Im Zusammenhang mit letzterem plante die Oberste HeeresVgl. S. 316, 324f. und 327.
a) S. 236ff.
394
Die Schlacht bei Noyon (Gneisenau-Angriff).
Di» Mitt« Mai. leitung am 30. April, die 18. Ar^nee aus der Linie Montdidier—Lassigny
zum Angriff anzusetzen. Sie hoffte, mindestens die Linie Montdidier— Compiögne zu erreichen. Der Angriff sollte mehrere Tage nach Beginn des Blücher-Angriffs beginnen, da erst dann die nötige Artillerie ver¬ fügbar wurde. Auch war damit zu rechnen, daß bis dahin vor der 18. Armee stehende französische Reserven an die Blücher-Front weg¬ gezogen sein würden. Am Z.Mai legte die 18. Armee den ersten Angriffsentwurf vor. Nach diesem war beabsichtigt, den Gegner über die große Straße Mont¬
didier—Compiögne zurückzuwerfen. Der Schwerpunkt lag auf der Weg¬ nahme des Höhengeländes um Gury und Mareuil. Der Angriff sollte in der Mitte und am linken Flügel in großer Tiefe geführt werden und im Laufe eines Tages bis über den unteren Matz-Bach durchdringen. Dazu wurden zwölf Divisionen, darunter drei Angriffsdivisionen, und Berstärkung um 179 Batterien für erforderlich gehalten. Die Oberste Heeresleitung bewilligte vorerst nur zwei Divisionen zur Ablösung von vier erholungsbedürftigen Stellungsdivisionen, ferner
drei Angriffsdivisionen und stellte für später noch drei weitere Divisionen in Aussicht. Sie erachtete aber eine Verstärkung der bisher insgesamt vorgesehenen 430Batterien um 40 bis 50 weitere für nötig. Gleichzeitig ver-
langte sie einen Vorschlag, „wie in zeitlicher Übereinstimmung mit dem Angriff der 18. Armee und der Fortsetzung des Angriffs des rechten Flügels der 7. Armee das vor den inneren Flügeln der beiden Armeen in
Feindeshand befindliche Gelände zwischen Oise und Oise/Aisne-Kanal genommen werden solle". Der Angriffsbeginn wurde für den I. Juni vor-
gesehen, doch blieb die endgültige Festsetzung noch offen. Nunmehr schlug die 18. Armee, bei der inzwischen das Generalkom¬ mando des VIII. Armeekorps den Abschnitt des an die 7. Armee abge-
gebenen Generalkommandos des IV. Reservekorps übernommen hatte, einen Angriff des XVII. Armeekorps mit fünf, des VIII. Armeekorps mit acht Divisionen vor. Für letzteres, das in zehn Kilometern Tiefe bewaldetes Hügelland durchstoßen mußte, wurden besonders geeignete Divisionen er¬ beten, zwei bis drei weitere Divisionen zur Reserve als erwünscht bezeichnet. Fn Ergänzung des bisherigen Endzieles wollte die Armee den
Angriff über die Oise und den Oise/Aisne-Kanal nach Südosten fortsetzen, um gemeinsam mit der 7. Armee den Feind über die Aisne zu werfen;
zur vollen Ausnutzung des Unternehmens hielt sie aber noch weitere sieben
bis acht Divisionen für nötig. Diese Forderung überstieg jedoch die verfügbaren Kräfte. Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz schlug daher vor, die Tiefe des
Vorbereitende Erwägungen.
395
Angriffs einzuschränken. Die Oberste Heeresleitung stimmte zu und verlangte eine Kräfteberechnung für den Angriff bis zur Linie Cuvilly—
Messons—Matz-Abschnitt.
Ein neuer Angriffsentwurf der 13. Armee vom 19. Mai setzte die
Straße Montdidier—Ressons und weiter die Linie Elincourt—Cambronne —Pimprez an der Oise als nächstes Ziel. Sobald sich dann der $ordAngriff der 7. Armee der Oise näherte, sollte der eigene Angriff bis zum
ursprünglichen Ziele, Straße Montdidier—Compiögne, fortgesetzt werden. An Artillerieverstärkung wurden 120 Batterien, davon 39 schwere und schwerste, gefordert. Die Feuervorbereitung der Artillerie war aus nur eine Stunde angesetzt. Heeresgruppe wie Oberste Heeresleitung waren jetzt in der Hauptsache einverstanden, verlangten aber unter anderem wesentlich längere Artillerievorbereitung, um die Aufgabe der Infanterie zu erleichtern. Wie weit der Angriff, der den Decknamen „Gneisenau"
erhielt, zu führen sei, sollte noch offenbleiben. Nachdem dann am 27. Mai der Blücher-Angriff mit glänzenden Erfolgen begonnen und die Oberste Heeresleitung am 28. der 7. Armee
Vordringen mit starken Kräften südlich von Soissons nach Westen besonders ans Herz gelegt hatte, wurde für Gneisenau am 30. Mai als erster An-
griffstag der 7. Juni in Aussicht genommen. Am 30. Mai überschritt aber auch im Zusammenhang mit dem VorckAngriff der östlich von Noyon stehende linke Flügel der 18. Armee (223. und 105. Ins. Div. des inzwischen hier eingesetzten Gen. Kdos. XXXVIII. R. K.) die Oise. Er stand vom 31. Mai ab in der allgemeinen Linie
Pontoise—Caisnes—Nampcel und wurde am 2. Juni der dort kämpfenden Gruppe Franyois der 7. Armee*) unterstellt. Die Oise bildete künftig die Armeegrenze.
Für Gneisenau hoffte die Oberste Heeresleitung, bei weireren guten Fortschritten der 7. Armee, mit nur zehn statt zwölf Divisionen auszukommen. Als sich dann aber in den nächsten Tagen der Blücher-Angriff festlies, wurde am 4. Juni im Armee-Hauptquartier in einer.Besprechung
mit General Ludendorff festgelegt, daß der Gneisenau-Angriff nunmehr der 7. Armee Helsen müsse, mit ihrem rechten Flügel weiter vor zu kommen und auch an der Aisne bei Vic eine Stellungsverbesserung zu erreichen.
Insgesamt sollte dadurch nach dem Plan der Heeresgruppe starker Druck aus die Straße Soissons—Cröpy-en Balois—Paris ausgeübt werden. Im übrigen ergab sich, daß die artilleristischen Vorbereitungen bis zum
7. Juni noch nicht abgeschlossen sein konnten. Der Angriff mußte aus den l) S. 359, 365, 370 und 374.
9
Die Schlacht bei Noyon (Gneisenau-Angriff).
396
9. verschoben werden, wenngleich dadurch der Gegner, der sein Bevorstehen offenbar bereits erkannt hatte, Zeit gewann, Reserven zu verschieben, und auch der Zusammenhang mit der Blücher-Offensive damit so gut wie ganz verlorenging.
s.guni.
Am 6. Juni stellte die 7. Armee die Fortsetzung des Angriffs zwischen Oise und Aisne zugunsten des auf den II. Juni angesetzten Unternehmens
südlich der Aisne („Hammerschlag") vorläufig zurück und gab ihren -Korps auf, sie müßten, „wenn der Verlaus von Gneisenau die vor uns stehende
Front ins Wanken bringt", imstande sein, „auf kurzfristigen Befehl am 9. Juni nachmittags in der Art eines Verfolgungskampfes anzugreifen".
Dementsprechend befahl die Oberste Heeresleitung, der jetzt bei Noyon stehende äußerste linke Flügel der IS. Armee solle „in seiner bisherigen Stoßrichtung über die Oise" gehen, mit Hauptdruck in der Richtung Le Plessis-Brion—Bailly. Die Gruppe Franyois hatte dabei artilleristisch mitzuwirken. Auch aus dem rechten Flügel sollte die Angriffsfront durch Beteiligung des IX. Armeekorps verbreitert werden.
Das Angriffsgelände vor der Front Montdidier—Noyon1) ist westlich des von Nord nach Süd fließenden oberen Matz-Baches und der Straße Ressons—Antheuil (Front des IX. und XVII. A. K.) im wesent¬
lichen durch kahle und langgestreckte Höhenzüge gekennzeichnet, deren größte und weithin beherrschende Erhebung die flach gewölbte Höhe 134 bei Mery bildet. Zwischen Matz-Bach und Oise (Front des VIII. A. K. und XXXVIII. Res. Korps) dehnt sich in fast zehn Kilometer Tiefe dicht¬ bewaldetes unübersichtliches Hügelland, das bei der Attvche-Ferme (7 km südöstl. von Lassigny) zu 188 Meter Höhe ansteigt und damit bis zu
ISO Metern Höhenunterschied gegenüber dem Oise-Tal ausweist. Dieses zerklüftete Waldgebiet wird im Süden durch das von Ressons gegen Osten
streichende untere Matz-Tal begrenzt. Südlich davon bis zur Aronde weist das auch hier noch bergige, aber weniger bewaldete Gelände einzelne sich
steil heraushebende Kuppen auf. Der feindliche Stellungsbau konnte seit Ende März noch nicht allzu weit fortgeschritten sein. Doch war im Zuge der beiderseitigen Stel¬ lungen aus der Zeit vor dem Siegfried-Rückzug (März 1917), die aller¬
dings schräg zur jetzigen Front von Lassigny über Ribecourt—Bailly uach Osten verliefen, mit noch vorhandenen früheren Anlagen zu rechnen. Der Gegner hielt seit dem I. Juni die rückwärtigen Ortschaften un°> ^en Verkehr der Gneisenau-Front unter schwerem Flachfeuer und zog seine vordersten Postierungen auf eine Linie zurück, die rund 600 Meter vor dem i) Vgl. S. 239.
Lage bei Beginn des Angriffs.
397
deutschen Vorfeld lag. Neue Batterien, Minenwerfer und Eisenbahngeschütze wurden gemeldet; die Fliegertätigkeit war gesteigert, ebenso der
Verkehr hinter der Front. Am S. Juni bezogen die feindlichen Flieger Ausweichflughäfen und begannen starke Lustsperre zu unterhalten, ins¬ gesamt waren vor der Front sieben Divisionen der französischen 3. Armee mit etwa 140 bis 150 Batterien^) festgestellt. Darüber hinaus mutzte aber mit starken feindlichen Reserven gerechnet werden, und das um so mehr, als der Angriff erst am fünften Tage nach Einstellung der Blücher/VorckOffensive beginnen konnte, die gegen diese bereitgestellten und noch an¬
rollenden Reserven also freigeworden sein würden. Aus deutscher Seite standen am Morgen des 9. Iuni^) an der s.guni.
33 Kilometer (Lustlinie) messenden Angriffssront von Montdidier bis Noyon vier Generalkommandos mit insgesamt elf Divisionen in vorderer
Linie, ein Generalkommando und sieben Divisionen dahinter bereit, dazu drei Divisionen Reserven der Obersten Heeresleitung; eine weitere Division war noch zu erwarten. Die Bataillone hatten eine durchschnittliche Feld¬ stärke von 700 Mann. Die Stellungs-Divisionen waren zum Teil ermüdet, *) Tatsächliche Stärke S. 406. 2) Gliederung der Angriffsfront am 9. Juni morgens (Angriffs-Divisionen
unterstrichen, Divisionen mit besonders stark herabgesetzter Angriffskraft unterpunktet): In der Kampffront
Korps- u. Armee-Reserven
IX. A. K. Genlt. Ritter und Edler von Oetinger.
2. I. D. 222. F. D.
OHL.-Reserven
Gen. Kdo. I. R. K. Genlt. von Morgen 5. R. D.
7. F. D.
30.'
XVII. A. K. Genlt. von Webern.
3. R. D. + Va 84. g. D.
75. R. D.
19i 3.' s>~."
2/a 84. I. D.
227. g. D.
206. I. D.
.17. R. D.
VIII. A. K. Genlt. von Schoeler.
4. G. I. D.
46. R. D.
D. Jag. D. 3. bayer. F. D.
XXXVIII. R. K. Gen. d. Inf. Hofmann. 11.3. D.
202. 3. D. 9. bayer. R. D.
204. 3. D.
2. bayer. 3. D.
Die Schlacht bei Noyon (Gneisenau-Angriff).
398
9. Juni, ihr Stand an Kranken war bei beginnender Grippe-Epidemie^) hoch. An
Artillerie waren 625 Batterien, davon 250 schwere und schwerste, eingesetzt (gegen 30 Geschütze je km der Angriffs front). Von rund 1000 bereitge¬ stellten Minenwersern konnten der großen Entfernungen wegen nur etwas
mehr als 400 zur Angrisfsvorbereitung herangezogen werden, dazu 2000 Gaswerfer2). Von Luftstreitkräften hatten insgesamt rund 500 Flug¬ zeuge, dabei 21 Jagd- und sieben Schlachtstafseln sowie zwei Bomben-
geschwader, mitzuwirken.
Nach dem aus Veranlassung der Obersten Heeresleitung mehrfach
abgeänderten Angriffsbefehl des Generals von Hutier sollten XVII. und VIII. Armeekorps sowie XXXVIII. Reservekorps den gegen¬
überstehenden Feind angreifen, das IX. Armeekorps sich dem Angriff anschließen. Weiter hieß es: „Ein Tagesziel gibt es nicht. Die Divisionen bleiben in unaufhaltsamem Vorgehen über die Linie Cuvilly—Matz-Bach. Die Korps und Divisionen dürfen nicht starr an ihrem Angriffsstreisen
kleben, sondern müssen sich infanteristisch und artilleristisch gegenseitig unterstützen. Maschinengewehrnester und Stützpunkte fallen nur durch Umfassung". Die Feuervorbereitung war aus dreiundeinehalbe Stunde festgesetzt. Zur Ablenkung des Gegners sollten am rechten Armeeflügel vom 6. Zum an Unternehmungen stattfinden, die sich aber, offenbar um Kräfte und Munition zu sparen, aus Vortäuschen von Angriffsvorberei¬ tungen, Eintreffen von Verstärkungen, Einschießen der Artillerie usw. zu
beschränken hatten.
2.Die Schlacht, a) Der erste Angriffstag. 9. Juni. Das am S. Juni 1250 vormittags mit einem Feuerüberfall von Ar¬ tillerie und Minenwersern einsetzende Vorbereitungsseuer — zur Täuschung
des Feindes bis zum rechten Armeeflügel und im Bereich der 7. Armee bis zur Aisne ausgedehnt — sowie bei 17° Celsius und Nordwestwind auch
die Vergasung wirkten anscheinend gut. Um 420 trat die Infanterie aus der ganzen Angriffsfront hinter der Feuerwalze zum Sturm an. Ihre Ge¬ schwindigkeit (je Z bis 6 Minuten für 100 Meter) der Verschiedenartigkeit des Geländes entsprechend zu regeln, war den Divisionen überlassen worden. Bei Sturmbeginn setzte an einzelnen Stellen gutliegendes feind¬ liches Sperrfeuer ein, einige Divisionen erlitten stärkere Verluste. Diesige
Luft, dichter Nebel, liegengebliebene Schwaden des eigenen Gasschießens und später böige Winde erschwerten das Vorwärtskommen. Im HügelS. 517.
-) S. 331 f.
Der erste Angriffstag.
399
und Waldgelände hörte vielfach jede Sicht auf, Anschluß und Orientierung der Angriffswellen gingen verloren, zum Ordnen mußte Halt gemacht werden. Infolgedessen lies an gar manchen Stellen die Feuerwalze fort, sie war auch nicht durchweg dicht genug. Die Begleitartillerie aber konnte nur schwer herankommen und fand im Nebel kein Ziel. Die Munition war beschränkt, im Lause des Tages trat wiederholt Mangel ein. Auch das
Fehlen ausreichender Kabel machte sich fühlbar. Die feindliche ArtillerieWirkung war bis zum Mittag im großen und ganzen gering; gegen l 0 setzte
aber das Feuer weiter zurückstehender, neu auftretender, auch schwerer französischer Batterien ein; Entfernung und Nebel verhinderten ihr genaues Auffinden. Die feindliche Fliegertätigkeit war bis 3anachmittags auf¬
fallend schwach, lebte jedoch abends stark auf. Das IX. Armeekorps (2. u. 222. Inf. Div.), unter Generalleutnant von Oetinger, das, mit dem linken Flügel Anschluß an das XVII. Armee¬
korps haltend, auf Tricot vorstoßen sollte, hatte um 530 früh die I. feindliche Stellung genommen. Nach wechselvollen weiteren Kämpfen wurde abends eine vom bisherigen rechten Flügel zum Nordostrand von Ployron ver¬
laufende Linie gehalten. Beim XVII. Armeekorps des Generalleutnants von Webern wurde
das Vorgehen der verstärkten 3.Reserve-Division durch Nebel gehemmt; sie kam trotzdem bis vor Courcelles und vor Msry. Die 19. InfanterieDivision, die um 6 20 vormittags Orvillers genommen hatte, drang über
Cuvilly bis Lataule vor; sie erbeutete 40 Geschütze. Die 227. InfanterieDivision erreichte bereits um 9 20 vormittags den Wald von Sechelles und
bald darauf mit dem linken Flügel Nessons. Nach harten Kämpfen nahm sie diesen Ort und bis zum Abend auch den Wald südwestlich davon. Der Schwerpunkt des Angriffs lag beim VIII. Armeekorps des Generalleutnants von Scho.eler. Seine Ausgabe war in dem zu durchschreitenden Wald- und Höhengelände mit teilweise alten Verteidigungsanlagen besonders schwierig. 4. Garde-Infanterie- und Deutsche Jäger-
Division stießen aber trotz feindlichen Abwehrfeuers bis zum Mittag über die Höhen von Gury und nach Aberwindung zähen Widerstandes bei Plessis bis in den Wald östlich von Ricquebourg und gegen die St. Claude-
Ferme vor. Die Garde-Division erreichte nachmittags den Matz-Bach und nahm abends südlich davon Marqueglise. Die Jäger konnten nach zusammengefaßtem Artilleriefeuer erst um 6° abends Mareuil gewinnen,
abends Margny am Matz-Bach und Elincourt; erst um 9" siel aus ihrem linken Flügel die St. Claude-Ferme. Die 3.bayerische Infanterie-Division hatte morgens Plömont genommen, dann aber zäh um den Aufstieg aus dem Tal von Belval ringen müssen. Sie durchstieß den Wald von Thies-
400
Die Schlacht bei Noyon (Gneisenau-Angriff).
s.goni. court und erreichte bis zum Abend den Waldrand an der Straße Clin-
court—Ecouvillon. Hier war Anschluß an die 11. Infanterie-Division des XXXVIII. Re¬
servekorps (General Hosmann), die ebenfalls schwieriges Wald- und Berggelände zu überwinden gehabt hatte. Am Divette-Grund, in dem die Schwaden des deutschen Gasschießens liegengeblieben waren, war die Verbindung zur Feuerwalze abgerissen, und erst nach neuer Artillerie¬ vorbereitung wurden die französische I. Stellung und Thiescourt genominen. Es folgten hartnäckige Kämpfe um die Höhen 153 (Kapellenberg) und, unterstützt durch ein Regiment der inzwischen vom Armee-Oberkom¬ mando hier eingesetzten 204. Infanterie-Division, um den Loermont.
Beide Höhen wurden abends erstürmt. Auch die 202. Infanterie-Division hatte in zähen Kämpfen nur langsam Raum gewonnen und lag nach Ein¬ nahme von Cannectancourt abends im Kampf nördlich der Attsche-Ferme
(Höhe 183). Die 9. bayerische Reserve-Division, bei der die Bataillonsstärken besonders niedrig waren, hatte, unterstützt durch Fernfeuer der 7. Armee *), die ihr zugewiesenen nahen Ziele Dive und den Mt. Renaud genommen. Das Armee-Oberkommando war über den Gang des Kampfes im
großen dauernd gut unterrichtet. Auf die Nachricht vom Anmarsch feind¬ licher Verstärkungen aus südlicher Richtung hatte General von Hutier bereits um II15 mittags die 4S. Reserve-Division zur Verfügung des
VIII. Armeekorps auf Ricquebourg in Marsch gesetzt; sie sollte, mit linkem Flügel etwa über Antheuil vorgehend, Flanke und Rücken des vor dem
Korps stehenden Feindes angreifen und damit die Entscheidung aus dem linken Armeeflügel bringen; dadurch würde auch der das XXXVIII. Re¬ servekorps angreifende Feinds abgeschnitten. Um 5 20 nachmittags schob der Oberbefehlshaber dann die 30. Infanterie-Division zwischen IX. und XVII. Armeekorps ein und unterstellte sie letzterem mit der Weisung: Es sei von allergrößter Bedeutung, daß noch heute die Höhenstellung Mery—Belloy—Loges-Ferme genommen werde. Beide Maßnahmen wirkten sich aber erst am folgenden Tage aus.
b) Fortsetzung und Abschluß des Angriffs, 10. bis 14. Juni. Mit dem Ergebnis des ersten Kampftages konnte man einigermaßen
zufrieden sein. Das VIII. und die anschließenden Flügel des XVII. Armee*) Vgl. S. 382f. 2) So der Wortlaut des Befehls. Aber einen Angriff des Feindes gegen das XXXVIII. R. K. hat sich aber nichts ermitteln lassen. Von wem der Gedanke des praktisch
wohl unausführbaren Befehls ausgegangen ist, hat sich nicht feststellen lassen.
Erster und zweiter Angriffstag.
401
korps sowie des XXXVIII. Reservekorps hatten die französische II. (Stel¬ lung in breiter Front durchstoßen, die beiden erstgenannten dabei bis zu neun Kilometern Raum gewonnen. Bisher waren 5000 Gefangene ein¬
gebracht, auch eine größere Zahl von Geschützen erbeutet. Ohne daß vom Armee-Oberkommando weitere Befehle gegeben wur¬ den, war der Durchstoß nach Süden am 10. Juni fortzusetzen; der linke
Flügel sollte sich den Übergang über die Oise erkämpfen. Es hätte nahegelegen, gleichzeitig etwa aus dem Räume der 211. Infanterie-Division
der Gruppe Franyois (7. Armee) nach Westen anzugreifen und den Feind im Walde von Carlepont damit in die Zange zu nehmen. Dazu aber
fehlten der Gruppe Fran?ois die Kräfte, nachdem sie einen Großteil ihrer Artillerie für den Gneisenau-Angriff und weitere Kräfte nach Süden für das von der 7.Armee inzwischen auf den 11. Juni angesetzte Unternehmen
„Hammerschlag"
*)abge benhatte.
Am 10. Juni um 4° morgens nahmen die Korps der Gneisenau-Front io.g»«i.
den Angriff wieder aus. Das Wetter war kühl und diesig.
Das einheitliche Vorgehen der nach und nach durch starke Teile der 5.Reserve-Division verstärkten 222. Infanterie-Division des IX. Armeekorps sowie der 30. Infanterie- und 3. Reserve-Division des XVII. Armeekorps, die Tricot nehmen sollten, führte zu erbitterten und Wechselvollen Kämpfen und Gegenstößen. Courcelles wurde erobert und ging wieder verloren. Insgesamt wurden aber in der Richtung auf Tricot gegen die hier neu auftretende französische 11. Division bis zum Abend nur unwesentliche Fortschritte erzielt. Dagegen konnte Mery zur Hälfte genommen werden. Weiter östlich drang die 19. Infanterie-Division bis über Belloy, die 227. mit vordersten Teilen bis an den Nordhang des
Aronde-Tales bei Gournay vor. Roch weiter nach Osten, bis nördlich der Loges-Ferme, schloß die 4ö. Reserve-Division an. Zur Durchführung des
ihr ursprünglich erteilten Auftrages hatte sich keine Möglichkeit ergeben. Am rechten Flügel des VIII. Armeekorps kam die 4. Garde-Division
kämpfend nachmittags bis vor Antheuil, das sie aber angesichts feindlicher Gegenangriffe nicht mehr zu nehmen vermochte. Die Iäger-Division und
3. bayerische Infanterie-Division überschritten nach lebhaften Kämpfen erst nachmittags den Matz-Bach und kamen bis Märest und vor Chevincourt. Beim XXXVIII. Reservekorps, das wie tagszuvor durch Fernkampfartillerie der 7. Armee unterstützt wurde, machte der Angriff im Gei) S. 384. Weltkrieg. XIV. Band.
402
Die Schlacht bei Noyon (Gneisenau-Angriff).
lo.Iuni. biet des einstigen-französisch-deutschen Stellungssystems 1) erst spät Fortschritte. Am 420 nachmittags nahm die 11. Infanterie-Division, wesentlich unterstützt durch Teile der 204., die festungsartig ausgebaute AttecheFerme, kam bis vor Machemont und zusammen mit der 202. InfanterieDivision bei Ribecourt über den Oise/Aisne-Kanal. Die Brücken über die Oise aber sprengte der Gegner rechtzeitig; nur ein Regiment der 202.'Divi¬ sion gewann bei Pimprez auf Flößen das Ostufer des 35 Meter breiten
und über zwei Meter tiefen Flusses. Die 9. bayerische Reserve-Division fand Passel geräumt und nahm Chiry.
Auch der zweite Angriffstag hatte gute Fortschritte gebracht. Wieder¬ um waren 8000 Gefangene eingebracht, auch die Geschützbeute war ge¬
wachsen. Andererseits waren nunmehr bereits vier feindliche Divisionen
neu ausgetreten, so daß insgesamt reichlich 13 deutsche gegen 11 französische in der Front standen. Am 11. Juni sollte der Angriff der 18. Armee an der ganzen Gnei-
senau-Front fortgesetzt werden. Das XVII. Armeekorps hatte dabei nach Westen zu drücken, um Tricot in Besitz zu bekommen. Der rechte Flügel des VIII. Korps, bei dem nach wie vor der Schwerpunkt lag, sollte west¬ lich am Mt. Ganclon vorbei die Richtung auf Compiegne nehmen. An der Oise war stärkerer Druck erst südlich von Ribscourt beabsichtigt; bei diesem Orte und nordöstlich davon bei Ourscamp waren Brückenköpfe zu
bilden. Insgesamt hoffte das Armee-Oberkommando, den Zug der Bahnlinie Montdidier—Estrses-St. Denis—Compiegne zu erreichen. Unterdessen war das Unternehmen Hammerschlag der 7. Armee aus
den 12. Juni verschoben worden. Im übrigen hielt sie sich bereit, „bei besonders gutem Fortschreiten" des Angriffs der 18. Armee sechs Stunden nach Eingang eines entsprechenden Befehls, zum „verfolgungsmäßigen Angriff" anzutreten. Das Zusammenwirken war also aus weite Sicht gedacht, ll.gnni.
Bei unsichtigem Wetter und tieshängenden Wolken begann um 5°
morgens der Angriff des IX. und XVII.Armeekorps in der Richtung auf Tricot. Er gewann aber keinen Boden. Das VIII. Armeekorps wollte
erst um 12"° mittags angreifen. Doch schon vorher trat der Gegner nach
heftiger Artillerievorbereitung mit starken Kräften, dabei zahlreiche Kampswagen und Schlachtflieger, gegen rechten Flügel und Mitte der deutschen Einbruchsfront zum Gegenangriff an. Er traf die Front von Le Ployron (linker Flügel des IX. A. K.) bis zur Porte-Ferme östlich von Gournay (linker Flügel des XVII. A.K.). Die 222. Infanterie-Division des IX. Armeekorps schlug um 12"° mittags den ersten Ansturm unter schweren BerJ) S. 296.
Französischer Gegenangriff.
403
lüften für den Feind ab, ebenso zwei weitere um 3° und 650 nachmittags. Gegen die gesamte Front des XVII. Armeekorps, gegen die der Haupt-
stoß gerichtet war, hatte der französische Angriff bereits um I I 30mittags begonnen. Es kam besonders im Räume Möry—Gournay durch den
Masseneinsatz von Kampfwagen zu ernsten Rückschlägen. Nach wechsel¬ vollen Kämpfen, bei denen unter anderem 63 feindliche Kampfwagen ab-
geschossen wurden, aber auch eine Anzahl deutscher Geschütze verlorengingen, brachten die 30. Infanterie- und 3. Reserve-Division, die mittags neu eingeschobene 206. sowie die 19., 227. Infanterie- und 46. ReserveDivision den französischen Anprall abends in der allgemeinen Linie Osteingang von Courcelles—Belloy—Porte-Ferme zum Stehen. Auch die 4. Garde-Division des VIII. Armeekorps hatte in diese Kämpfe eingreifen,
die Iäger-Division sich entsprechend nach Westen ausdehnen und ebenfalls französische Angriffe abwehren müssen. Der vom VIII. Armeekorps be-
absichtigte eigene Angriff unterblieb daher. Rur seine 3. bayerische Infanterie-Division, die ebenso wie das XXXVIII. Reservekorps vom fran-
zösischen Gegenangriff nicht in Mitleidenschaft gezogen worden war, griff nachmittags zusammen mit der II. Infanterie-Division dieses Korps über den Matz-Bach an. Trotz heftiger feindlicher Gegenwehr konnte die Front dabei bis Mslicocq und bis auf die Höhe 138 vorgetrieben werden, deren nördliche Hälfte von Teilen beider Divisionen in vorbildlichem Zusammenwirken genommen wurde. Vor dem linken Flügel des XXXVIII. Reservekorps hatte der Gegner inzwischen — wie die Gruppe Franyois der 7. Armee mitteilte —
den Rückzug aus dem Walde von Carlepont angetreten; von Nordosten drängten ihm die 223. und 21 1. Infanterie-Division bereits nach. Am 8"
vormittags hatte daher General von Hutier dem XXXVIII. Reservekorps besohlen, dem Feinde den Rückweg abzuschneiden, und General Hofmann daraufhin die 202. Infanterie-Division zum Angriff über den
Oise-Abschnitt Bothancourt—Bailly angesetzt. Inzwischen erreichten die Truppen des Generals von Franyois in der Verfolgung bereits gegen
9° früh Carlepont, stießen dann aber aus Widerstand, den sie nicht zu brechen vermochten. Ebensowenig gelang es der 202. Division, unterhalb von Bailly das östliche Oise-Ufer zu gewinnen. Abends verlies die deutsche Front durch den Nordteil von Bailly nach Osten zum Wegekreuz südwestlich von Nampcel.
Die Ereignisse des II. Juni führten bei der Obersten Heeresleitung zur Erörterung der Frage, ob der Gegner etwa dem ersten deut-
schen Stoß durch Zurücknahme seiner Front ausgewichen sei; doch konnte
404
Die Schlacht bei Noyon (Gneisenau-Angriff).
Klarheit darüber nicht gewonnen werden^). Um 10^° abends wurde für das IX. Armeekorps und den rechten Flügel des XVII. die Einstellung des Angriffs befohlen; nur Mory war wieder zu nehmen. Dazu wurde das Generalkommando des I. Reservekorps am rechten Flügel des XVII. Armeekorps eingeschoben. Dem linken Flügel des Angriffs, von
der 46. Reserve-Division beginnend, blieb überlassen, weiter anzugreifen, „soweit die Gefechtskraft nach Urteil der Divisionen noch ausreicht". Auf „sparsamste Haushaltung mit den Kräften" wurde aber hingewiesen. General von Hutier ordnete daraufhin, einem Vorschlage des VIII. Ar-
meekorps entsprechend, für dieses noch die Wegnahme der Höhe 155 östlich i2.3»»i. von Antheuil an. Die bis zum Morgen des 12. Juni über die Lage an
der Front vorliegenden näheren Nachrichten gaben dann Veranlassung zu einer neuen Weisung der Obersten Heeresleitung: der Befehl zur
Wiedernahme von Msry, dazu jetzt auch Belloy, blieb bestehen. Der An¬ griff gegen Höhe 155 sollte aber erst ausgeführt werden, wenn „genügend Munition zum Angriff und zur Abwehr der dort zu erwartenden feindlichen
Gegenangriffe" vorhanden sei. Im übrigen habe sich die 18. Armee an
ihrer ganzen Front aus Abwehr starker feindlicher Gegenangriffe einzustellen; denn nachgerade waren zehn französische Divisionen ihr gegenüber neu festgestellt. Unterdessen hatten in der Nacht die vorderen Linien wie das rückwärtige Gebiet aller Korps der Gneisenau-Front unter schwerem franzö¬
sischem Artilleriefeuer gelegen. Nach stärkster weiterer Artillerie-Vorbereitung setzten gegen Mittag des 12. Juni neue feindliche Angriffe gegen das XVII. und VIII. Armeekorps ein, die in teilweise wechselvollen Kämpfen zwar im wesentlichen abgewiesen wurden, die Ausführung der deutscherseits beabsichtigten Unternehmungen aber verhinderten. Wo diese, wie beim VIII. Armeekorps gegen Antheuil und Höhe 155, bereits eingeleitet waren, kamen sie alsbald zum Stillstand, iz. gani. Am 13. Juni wiederholten sich die französischen Angriffe vor allem nördlich von Courcelles gegen die 30. Infanterie-Division, bei Mery und
östlich gegen den Höhenrücken 134—Lataule, aus dem inzwischen die 20b. Infanterie-Division eingesetzt worden war, bei der Porte-Ferme gegen die 46. Reserve-Divsion, bei Chevincourt und Machemont gegen die 3. bayerische und 11. Infanterie-Division. Es handelte sich aber nur noch um unzusammenhängende Teilstöße, die überall — wenn auch vielfach erst i) Aufzeichnung des Obstlts. von Mertz vom 11.Juni: „Abends entscheidende Frage: ist Gegner am 9. Juni ausgewichen?? Auf dem Schlachtfeld keine bestimmte Meldung, aber starke Vermutung".
Einstellung des deutschen Angriffs.
405
nach Rückschlägen — abgewiesen wurden. Bei Chevincourt—Machemont
wurde die Hauptwiderstandslinie auf das nördliche Matz-Ufer zurückge¬ nommen.
Damit fanden die Kämpfe an der Gneisenau-Front ihren Abschluß. Seit dem 9. Juni waren mehr als 15000 Gefangene und etwa ZOO Ge¬
schütze eingebracht, ein stattliches Ergebnis, das allerdings durch etwa 25000 Mann eigene Verluste (davon 1600 Vermißte) erkauft war. General Ludendorff war enttäuscht. Starke deutsche Kräfte waren verbraucht, ohne daß der Zweck des Angriffs, die feindlichen Reserven aus Flandern abzuziehen., erreicht war. Er mahnte, nunmehr alle einigermaßen frischen Kräfte, vor allem die kampferprobten Angriffsdivisionen, für andere Zwecke frei zu machen. Am 14. Juni befahl die Oberste Heeresleitung: „18. und 7. Armee stellen den Angriff im Großen ein", doch sollte Mery noch wiedergenommen werden, ein Auftrag, der aber bereits am 15. Juni mittags wieder rückgängig gemacht wurde. Für alle
sonstigen Unternehmungen behielt sich die Oberste Heeresleitung die Enischeidung vor. Im übrigen hatten beide Armeen von Moreuil bis an die
Marne Angriffsvorbereitungen zu treffen und an der bisherigen Angriffsfront von Montdidier bis zur Marne sowie an der gegen Reims (l. Armee) Artillerie- und Minenwerferkampf zu unterhalten; denn — so schloß die
Weisung: „Es ist von Wert, daß die Entente an Fortsetzung des Angriffs
auf Paris glaubt". c) Die Vorgänge beim Gegner. Vor dem linken Flügel der deutschen 13. Armee von Montdidier bis s.g-ni.
nördlich von Attichy an der Aisne hatte seit der Michael-Schlacht als Teil der Heeresgruppe Fayolle die französische Z.Armee unter General
Humbert gestanden. Ihre Stellungen hatten sich im Kampfe ergeben und waren nach zweimonatigem Ausbau noch vielfach lückenhaft. Den Weisungen des Generals Foch vom 19. April und 5. Mai entsprechend^), war die Arbeit vor allem auf die I. Stellung verwendet worden. Vor dieser lag eine Vorfeldzone, hinter ihr eine Iwischenstellung und die erst begonnene II. Stellung. Teile des alten eigenen und deutschen Stellungssystems, das bis zum März 1917 von Lassigny über Ribocourt—Vailly
nach Osten verlies, hatten da und dort zu besonders widerstandsfähigen Stützpunkten ausgestaltet werden können. Seit Ende Mai erwartete man aus Grund von Aussagen deutscher
Gefangener und Überläufer einen großen Angriff, dessen Ziel im Zui) S. 293 und 336.
Die Schlacht bei Noyon (Gneisenau-Angriff).
406
g. Juni, sammenhang mit dem Angriff am Chemin des Dames die Linie Eompivgne
—Montdidier zu sein schien. Die Aussagen wurden bestätigt durch Luft-
erkundung und Erdbeobachtung, die umfangreiche Angriffsvorbereitungen und Eintreffen von Verstärkungen beim Gegner feststellten. Aach den Erfahrungen am Chemin des Dames ordnete General Fayolle Ansang Juni
vermehrte Tiefengliederung und Zurückverlegung des Hauptwiderstandes in die II. Stellung an; die Masse der Artillerie sollte hinter dieser eingesetzt werden; Flieger hatten den Gegner bis weit über seine Front hinaus zu beunruhigen. Die Verlegung des Hauptwiderstandes wurde aber von der Truppe nur teilweise durchgeführt, da die II. Stellung noch
allzuwenig Schutz bot. General Humbert bezeichnete als besonders wichtig das Halten der die Straßen nach Compiögne sperrenden Anlagen aus der Hochfläche der St. Claude-Ferme und auf der von Ecouvillon, beide im Bereich des Stellungssystems von 1914/17 liegend. Den deutschen An griff erwartete er jedoch in erster Linie in dem offenen Gelände westlich des oberen Matz-Baches. Am 9. Juni war die Armeefront von vier Generalkommandos mit
insgesamt neun Divisionen besetzt, von letzteren sieben in dem
Kilometer
breiten Abschnitt westlich der Oise, wo also jede Division fast fünf Kilometer Front zu verteidigen hatte. Hinter der Front standen fünf Divisionen zum Eingreifen bereit, eine als Reserve der Heeresgruppe noch weiter rücktvarts1); weitere Divisionen wurden erwartet. Vier Gruppen schwerer
Kampfwagen (rund 160 Wagen) standen hinter der linken Armeehälste verteilt. An Artillerie waren mehr als 300 Batterien eingesetzt, davon die
Hälfte schwere; die Zahl der verfügbaren Flieger war nicht festzustellen. Gleich nach Beginn des deutschen Angriffs wurden die EingreifDivisionen, vor allem beim XXXV. Korps, in die II. Stellung vorgezogen
und brachten ihn hier im wesentlichen zum Stehen. Weiter östlich aber wurde die II. Stellung bereits bis zum Abend des 9. Juni bei Ressons,
Mareuil und Ecouvillon eingestoßen. Die als Heeresgruppen-Reserve zurückgehaltene Division mußte eingesetzt werden, um eine zwischen XXXV. und XXXIV. Korps entstandene Lücke wieder zu schließen. Die Verluste i) Gliederung der franz. Z.Armee am 9. Juni (vom linken Flügel):
westlich der Oise:
XXXV. Korps mit 169., 36., 58. g. ©.; dahinter 152., 11. u. 18. g. D. und 3 Gruppen
Kampfwagen.
XXXIV. Korps mit 125. g. D. u. 1. K. D. z. F.; dahinter 1 Gruppe Kampfwagen. II. Korps mit 53. u. 72. F. D.; dahinter 126. F. D.
östlich der Oise:
XVIII. Korps mit 33. u. 15. g. ©.; dahinter 67. F. D. Reserve der Heeresgruppe: 69. I. D.
Die Vorgänge beim Gegner.
407
an Geschützen waren groß. Besonders schwer hatten die Divisionen an der Front nördlich von Ressons gelitten. Vier Divisionen wurden mit Bahn und Kraftwagen neu zugeführt. Am 10. Juni schob General Humbert das Generalkommando des lo.gimi. XV. Korps zwischen dem XXXIV. und II. Korps in die Front ein und
unterstellte ihm zwei Divisionen. Der Zusammenbruch der Abwehr des letztgenannten Korps, das an der Oise von der 67. Division aufgenommen
wurde, veranlaßte General Fayolle, das östlich des Flusses bisher nicht angegriffene XVIII. Korps in eine kürzere Abwehrstellung zurückzunehmen. Die Bewegung wurde in der Nacht zum II. Juni ungestört durchgeführt. Das Korps trat damit zu der rechts anschließenden 10. Armee über.
Im übrigen entschloß sich General Fayolle, den deutschen Angriff durch eigenen Gegenangriff zum Stehen zu bringen. Den ursprüng¬
lichen Plan, diesen Gegenangriff gegen beide deutsche Flügel zu führen, gab er jedoch auf, da angesichts der Entwicklung der Lage beim II. Korps die dazu nötigen Kräfte fehlten. Er ordnete die beschleunigte Versamm¬ lung von fünf Divisionen, davon drei neu zur Verfügung gestellte, hinter dem XXXV. Korps an und zog zwei weitere Divisionen nach Compivgne, während eine dritte im Abschnitt des XXXIV. Korps eine Ausnahme¬
stellung südlich der Aronde zu beziehen hatte. Unter dem Eindruck, daß die Deutschen dieses Mal nicht so ungestüm angriffen wie am Chemin des Dames, wurde der Gegenangriff bereits
auf den II. Juni angesetzt. Das XXXV. Korps und die fünf zum Gegen¬ angriff bestimmten Divisionen wurden General Mang in unterstellt, der den Stoß gegen die Westflanke des deutschen Einbruchs in der Richtung Mery—Cuvilly führen sollte. Dazu stellte er vier Divisionen mit je einer Gruppe Kampfwagen auf der etwa acht Kilometer breiten Front Tricot— Wacquemoulin bereit, die fünfte Division hinter dem linken Flügel bei Eoivrel. Ziel des Angriffs waren Schloß Sechelles und der Wald von Ressons. 93 Batterien (gegen 400 Geschütze, davon etwa 80 schwere), unterstützt durch Artillerie der Nachbarabschnitte, sollten den Angriff von 1030 bis 11° vormittags vorbereiten. Dann hatte die Infanterie hinter
der Feuerwalze anzutreten; die Kampfwagen sollten später folgen und an der Infanterie vorbei durchstoßen. Schlacht- und Bombenflieger hatten den Angriff zu unterstützen. Unter dem Schleier des Morgennebels wurden die Truppen am u. Juni.
II. Juni für den Angriff bereitgestellt. Bei der Kürze der Zeit scheint dies allerdings nicht vollständig gelungen zu sein. So waren schließlich statt Früherer O. B, der 6. Armee (Bd. XII, S. 104ff.).
Die Schlacht bei Noyon (Gneisenau-Angriff).
408
». g-nl. 98 nur 70 Batterien feuerbereit. Der Angriff brachte gegen die Linie
Mery—Gournay auch Anfangserfolge; mehr als 1000 Gefangene und einige Geschütze sielen in die Hand der Franzosen. Dann aber lies sich ihr
Vorstoß bei aufklärender Sicht im deutschen Abwehrfeuer fest. Inzwischen hatte General Humbert den rechts anschließend in der Front stehenden Divisionen des XXXIV. und XV. Korps befohlen, von 5° nachmittags an ebenfalls anzugreifen. Erfolge blieben hier aber aus; es ging sogar
noch Gelände verloren. Die letzten Reserven, zwei Divisionen, einzusetzen, verbot General Potain. Vielmehr sollte die Armee demnächst drei Divi¬ sionen herausziehen, da inzwischen südlich von Soissons ein deutscher An¬ griff gegen die 10. Armee (Unternehmen Hammerschlag) erwartet wurde. General Fayolle aber hoffte noch auf weiteren Erfolg des Gegenangriffs bei der Z.Armee. Er ließ General Mangin für den nächsten Tag An12.3»»«.
griffsfreiheit.
Der daraufhin am 12. Juni vormittags nach 25Minuten Feuer¬
vorbereitung unternommene neue Angriff scheiterte bis auf unwesentliche örtliche Erfolge. Nunmehr befahl General Petain, die Gegenangriffe einzustellen, um weiterer Abnutzung der Truppen vorzubeugen, denn die Heeresgruppen Nord und Fayolle hatten, wie er an General Foch meldete, zusammen nur noch vier, er selbst nur noch eine einzige einsatzfähige
Division zur Verfügung.
Z. Betrachtungen. Der Vorteil der Überraschung, der dem Angriff der 7. Armee am Ehemin des Dames über Erwarten großen Erfolg gebracht hatte, war dem Angriff der 18. Armee nicht beschieden gewesen. Das weithin offene Hintergelände, die kürzer werdenden Nächte und die Notwendigkeit, die
Angriffsvorbereitungen trotzdem in eng begrenzter Zeit zum Abschluß zu
bringen, hatten ihre Tarnung wesentlich erschwert. Zudem hatten Aberläufer^) und Gefangene dem Gegner frühzeitig wesentliche Ausschlüsse gebracht. Dieser war also aus das Kommende vorbereitet und hatte Zeit
gehabt, sich danach einzurichten. Daß er seine vorderen Linien zurücknahm und den Hauptwiderstand im allgemeinen in die II. Stellung verlegte, hatte die Ausgabe der deutschen Artillerie erschwert, die Mitwirkung der Minenwerfer sogar zu einem großen Teil ausgeschaltet; das Vorbereitungsfeuer
hatte nicht so tief in die feindlichen Front hineinlagen können wie bei den *) Das franz. amtl. Werk (VI, 2,Ann. 1063, 1218, 1243, 1272) erwähnt neben Ge¬ fangenen bis zum 2. Funi „einige Deserteure"; am 7. Juni heißt es: „Die Zahl der Deserteure wächst beträchtlich seit 2 oder 3 Tagen", aufgeführt sind aber nur 2 Deserteure am 6. und 4 am 8. Juni.
Der Gegner. — Betrachtungen.
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früheren Großangriffen. Elf in vorderer Linie angreifende deutsche Divi¬
sionen hatten, bei allerdings doppelter artilleristischer Überlegenheit, sieben französische als Stellungsbesatzung sich gegenüber gehabt. Gewiß ist ihr Angriff dadurch begünstigt worden, daß die feindlichen Stellungen im Ausbau noch zurück waren. Andererseits hatte der Hauptstoß, den das VIII. Armeekorps zu führen hatte, überaus schwieriges Wald- und Berggelände zu überwinden, das dem Gegner in Anlagen aus früheren Kämpfen manchen starken Rückhalt bot. Angesichts der Gesamtheit dieser Verhältnisse ist es als recht gutes
Ergebnis zu werten, daß die deutsche Infanterie, nach Ablauf der Feuer¬ walze nur von wenigen Panzerwagen und von Begleitartillerie unter-
stützt, in einem Zuge tief in die feindliche Front eindrang und in der Mitte bereits am ersten Tage auch in die französische II. Stellung eine
über 15 Kilometer breite Lücke riß. Führung und Truppe konnten aus
diese Leistung stolz sein.
Znsgesamt hatte der erste Angriffstag einen vollen Erfolg und reichliche Beute gebracht. Ohne die in Erwartung des deutschen Angriffs rechtzeitig bereitgestellten und bei dessen Beginn alsbald vorgeführten franzöfischen Eingreif-Divisionen dürfte auch der zweite Tag noch ein großes Ergebnis gehabt haben. So aber blieb der Angriff an diesem Tage auf dem deutschen rechten Flügel, wo ihn der Gegner in erster Linie erwartet hatte und seine Reserven daher am dichtesten bereit hielt, liegen, ohne auch
nur das gesteckte erste Ziel erreicht zu haben. Lediglich der linke Flügel konnte, nachdem er in zähem Ringen die hier besonders starke feindliche II. Stellung überwunden hatte, nochmals gute Fortschritte machen. Damit wurde die Lage des französischen XVIII. Korps östlich der Oise unhaltbar. Es konnte sich der doppelten Umfassung nur deswegen ohne Verluste ent¬ ziehen, weil es nicht gleichzeitig von Osten her aus dem Raum der 211. In¬
fanterie-Division der 7. Armee scharf angepackt wurde. Bemerkenswert ist die Schnelligkeit, mit der es der französischen Führung gelang, bereits am dritten Tage starke frische Kräfte für den Gegenangriff zusammenzubringen. Wohl trug dieser alle Zeichen' eines übereilten Unternehmens, der Zweck aber, den deutschen Angriff zum Stehen zu bringen, wurde — wenn auch mit erheblichen Opfern — erreicht.
Schließlich stellten beide Seiten am Ende des vierten Tages den Kampf ein, denn beide mußten mit ihren Kräften haushalten und wollten eine
Zermürbungsschlacht vermeiden. An den Kämpfen hatten im ganzen etwa 18 deutsche Divisionen gegen ebenso viele französische teilgenommen. Dem deutschen Gesamtverlust von
Die Schlacht bei Noyon (Gneisenau-Angriff).
410
fast 25000 Mann und 16 Geschützen stand ein französischer von 40000 Mann
und etwa 200 Geschützen gegenüber. Auf deutscher Seite hatten besonders die 3.Reserve-Division mit über 3500 und die 227. Infanterie-Division mit über 2600 Mann Verlust schwer gelitten. Insgesamt war der Kräfteausgleich auch beim Gneisenau-Angriff nicht in dem Maße zugunsten der deutschen Seite ausgefallen, wie es das
bestehende und durch Eintreffen amerikanischer Truppen sich dauernd noch verschlechternde Stärkeverhältnis erfordert hätte. Der operative Gewinn des Abziehens feindlicher Reserven von anderen Fronten aber konnte nicht in die Waagschale fallen, da man nicht in der Lage war, die dort erzielte
Schwächung durch sofortigen Angriff auszunutzen. So war man dem Ziele, dem Endangriff gegen die Engländer, auch jetzt keineswegs nähergekommen.
Die Oberste Heeresleitung sah die Ergebnisse der bisherigen Angriffe offenbar günstiger an, wenn sie auch durchaus erkannte, daß die Leistungskraft der eigenen Truppen schon der Ersatzschwierigkeiten wegen im Abnehmen war. Nach einem der Presse übergebenen Kriegsbericht
vom Juni ISIS: „Drei Monate deutscher Offensive" urteilte sie damals über die dem Gegner zugefügten Verluste wie folgt.: Maschinen¬
Gefangene
Geschütze
Michael-Offensive Georgette-Offensive
über 94400 30575
über
Blücher-, Goerz-, Vorck- und GneisenauOffensive
über 85000
1200
über 3000
212000
2800
über 8000
Summe (einschl. sonstiger Kämpfe)
....
1300 300
gewehre
J
5000
Dazu kamen die blutigen Verluste des Gegners. Dieser hatte also an
Material zweifellos, aber auch an Kämpfern, Einbußen erlitten^), die nach Ansicht der Obersten Heeresleitung das Stärkeverhältnis trotz des Eintreffens der Amerikaner zugunsten der deutschen Seite verschoben hatten, denn der Masse der amerikanischen Truppen maß sie vorerst keine große Kampfkraft zu. Die Franzosen sahen die eigene Lage recht ernst an. In ihrem amtlichen Werk^) wird sie bei Abschluß der Blücher- und GneisenauOffensive wie folgt gekennzeichnet: „So endet Mitte Juni der machtvolle Angriff, den die Deutschen am 27. Mai am Ehemin des Dames begonnen x) Die tatsächlichen feindlichen Gesamt-Gefechtsverluste betrugen fast 500000 Mann (200000 Franzosen, 290000 Engländer, 2400 Amerikaner). 2) VI, 2, S. 347.
Betrachtungen.
411
und ohne Pause drei Wochen fortgeführt hatten. Ungefähr 60 feindliche Divisionen scheinen in den beiden Schlachten an der Aisne und an der
Matz eingesetzt gewesen zu sein. Ihre Angriffe konnten nur unter großen Opfern und bedeutendem Geländeverlust aufgehalten werden. Dem fran¬ zösischen Heere ist es aber gelungen, Paris zu decken und sogar Compiegne zu halten; schließlich ist es des Feindes Herr geworden. Aber es ist bei Abschluß dieses langen Kampfes fast am Ende mit seinen Reserven, während
die deutsche Oberste Heeresleitung trotz starker Verausgabung noch über bedeutende Reserven verfügt. Die nächste Zukunft bleibt voller Sorgen. Alles deutet darauf hin, daß wir neue und furchtbare Angriffe zu er¬ warten haben".
VI. Der Wendepunkt der Ariegslage. Übergang der Initiative an den Feind. A. Die Oberste Heeresleitung von Anfang Juni bis Mitte Juli. Beilage 20 und 21.
J. Der Entschluß zum Marneschuy/Reims-Angriff. Für die Fortführung der Gesamtoperationen an der Westfront war es der Obersten Heeresleitung darauf angekommen, eine Auflockerung der
englisch-französischen Einheitsfront vor der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht, insbesondere an der für den Entscheidungsschlag gegen die Engländer ausersehenen Flandern-Front zu erreichen und möglichst bald Klar¬ heit darüber zu gewinnen, ob und in welchem Umfange die seit Ende Mai
an der französischen Front geführte Offensive jenem Ziele nähergebracht i.Jon!, habe. Andererseits hatte sie am I. Juni an die Heeresgruppe Kron¬
prinz Rupprecht auf deren Vorschlags) unter Hinweis auf den günstigen Verlaus der Operationen bei der 7. und 1. Armee die Aufforderung ge¬
richtet, ihre Täuschungsunternehmungen zur Bindung feindlicher Kräfte^) bis auf weiteres fortzusetzen. Auch Teilunternehmungen an für den Feind empfindlichen Stellen, allerdings unter peinlichstem Haushalten mit den infanteristischen Kräften, könnten am Platze sein. Am gleichen Tage meldete die Heeresgruppe auf Grund der vor ihrer Front beobachteten Transport¬ bewegungen, daß aus Flandern bisher höchstens drei bis vier Divisionen abbefördert sein könnten, sicher aber seien aus der Gegend von Amiens
und südlich starke, in ihrer Zahl nicht zu schätzende Kräfte weggezogen worden. Die Besetzung der feindlichen Front weise bisher keine Schwächung oder wesentliche Veränderung aus. Es bestehe aber der Eindruck, daß die Engländer noch immer mit einem großen deutschen Angriff rechneten, s.giini.
Zn einer am 2. Juni an die Heeresgruppen und Armeen gesandten
Beurteilung der „Lage an der Westfront" faßte die Oberste Heeresx) Vortragsnotizen des Gen. von Kühl vom 1. Juni.
2) S. 373.
Beurteilung der Lage bei der Obersten Heeresleitung.
413
leitung das Ergebnis der Nachrichten über den Feind dahin zusammen, daß an der vom Angriff der 7.und 1. Armee betroffenen Front außer
zwölf französischen und drei englischen Stellungs-Divisionen weitere 25 französische und zwei englische Infanterie-Divisionen sowie drei KavallerieDivisionen (insgesamt also 37französische und 5 englische Infanterie-, sowie 3Kavallerie-Divisionen) festgestellt seien. Ein großer Teil davon habe bereits an den März- und April-Kämpfen teilgenommen. Die meisten
bisher beranbeförderten Divisionen hätten gegenüber der Front der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz in Ruhe gelegen. Zur Fortsetzung des Kampfes verfügten die Franzosen zur Zeit höchstens über zwölf kämpfkräftige Divisionen, von denen ein Teil bereits im Antransport an die
Kampffront vermutet werde. Die Zahl der hinter der englischen Front von der Küste bis in die Gegend von Amiens in Reserve stehenden kämpf-
kräftigen englischen Divisionen wurde mit 17angegeben. Eine Verschie¬ bung englischer Kräfte an die französische Kampffront oder auch ein eng-
lischer Entlastungsangriff schien zwar nicht ausgeschlossen,. als wahrscheinlicher wurde jedoch angesehen, daß englische Divisionen einige der in
Flandern in der Front stehenden französischen Divisionen freimachen würden. Mit Herauslösung weiterer französischer Kräfte durch vermehrten Einsatz von Italienern und Amerikanern an ruhigen Fronten sei zu rechnen. Hiernach hatte sich die Erwartung, daß der Angriff an der Aisne eine
Schwächung der feindlichen Flandern-Front zur Folge haben und damit günstige Bedingungen für den dort geplanten Hagen-Angriff schassen würde, trotz der glänzenden Waffenerfolge und des großen Raumgewinnes vorläufig noch nicht in ausreichendem Maße erfüllt. Die Oberste Heeresleitung hoffte aber, durch Fortführung und Erweiterung der Operationen gegen die Franzosen noch mehr ihrer Streitkräfte von der Flandern-Front
abzuziehen, wenn auch der hierzu aufgewandte eigene Kräfteeinsatz bereits einen weiteren Rückgriff auf die für Hagen bestimmten neuen „Mob." Divisionen^) und Kolonnen notwendig gemacht hatte. Am 3. Juni teilte s.goni.
die Oberste Heeresleitung der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht mit, daß sich dadurch eine Verschiebung der in Flandern geplanten Offensive „um einige Wochen" ergeben werde. Den unter diesen Umständen von
der Heeresgruppe zur Besserung der Ablösungsverhältnisse vorgeschlagenen vorübergehenden und kurzfristigen Einsatz einiger ihrer „Mob." Divisionen an ruhigen Frontteilen lehnte sie jedoch „mit Rücksicht auf die Gesamtlage" ab, empfahl vielmehr, in Anbetracht der Verschiebung eines größeren Teils der feindlichen Reserven an die Hauptkampsfront die Frontbesetzung bei i) Von den neuen 32 „Mob." Divisionen waren 9 bereits weggezogen, 5 weitere
sollten folgen.
414
Der Wendepunkt der Kriegslage.
der 4., 6. und 17. Armee nach Abschluß der Täuschungsunternehmungen zu lockern. Die Heeresgruppe erklärte sich daraufhin bereit, fünf Divi¬ sionen ohne Ersatz aus der Front zu ziehen, wies aber nochmals auf die damit verbundene erhöhte Anspannung der verbleibenden, in ihren Ge¬
fechtsstärken geschwächten Stellungs-Divisionen hin*). s.gu»i.
In einem neuen, bei Abschluß der Blücher-Operation am 5.Juni
von der Obersten Heeresleitung herausgegebenen Lagenbericht wurde die Stärke der bisher an der Hauptkampffront eingesetzten feind¬ lichen Kräfte nur um eine Division höher als am 2. Juni angegeben, mit
dem Zusatz: „Am wenigsten scheint der Franzose bisher seine KemmelFront geschwächt zu haben". Weiter hieß es: „Zu einer größeren Offen¬ sive dürfte zur Zeit weder das französische noch das englische Heer befähigt sein. Wir werden unsere Angriffe fortsetzen und auch weiterhin den Geg¬ nern das Gesetz des Handelns vorschreiben". In diesem Zusammenhang bat der Erste Generalquartiermeister aber auch, die etwa hervortretende
Auffassung zu bekämpfen, daß auch die Offensive an der Aisne schließlich
doch nicht den „großen" Durchbruchserfolg gebracht, sondern sich „fest¬ gelaufen" habe; sie sei im Gegenteil weit über das erhoffte Ziel hinaus¬ gegangen: „Die Entente hat eine ihrer schwersten Niederlagen erlitten, für uns ist eine neue Grundlage für weitere Erfolge geschaffen".
Der inzwischen auf den 9. Juni festgesetzte Gneisenau-Angriff der 18. Armee, der im Zusammenwirken mit dem rechten Flügel der 7. bis etwa Mitte des Monats die ungefähre Linie Montdidier-—Eompiegne— Eh^teau-Thierry erreichen sollte und damit auf Paris zielte, würde — wie die Oberste Heeresleitung hoffte — die Franzosen zur Heranziehung
aller irgend verfügbaren Kräfte, also auch der noch in Flandern stehenden, zwingen. Trat das ein, so war eine der wesentlichsten Voraussetzungen
für den dort gegen die Engländer geplanten Entscheidungsschlag erfüllt. Daneben trug sich die Oberste Heeresleitung mit dem Gedanken, dem Gneisenau-Angriff nötigenfalls noch den Roland-Angriff der 3. Armee in der Champagne 2) folgen zu lassen. «.gm,,.
Am 6. Juni erörterte General Ludendorff diese Fragen bei einer Besprechung mit General von Kühl in Avesnes, zu der auch der Generalstabschef der 3. Armee, Oberstleutnant von Klewitz, zugezogen war.
Das Ergebnis war^): Zur Ausnutzung von Gneisenau sollten Kräfte der i) S. 318. -) 6.78, 311 f. und 387. 8) Das Folgende nach Aufzeichnungen des Gen. von Kühl für den Vortrag bei Kron¬ prinz Rupprecht; andere Aufzeichnungen fehlen. — gm wesentlichen das Gleiche schrieb Gen. von Kühl tags darauf (7. Funi) in sein Tagebuch, dabei noch folgende Ergänzung
Erwägungen der Obersten Heeresleitung.
415
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht nach dem linken Flügel der 2. Armee zusammengezogen werden. Gleich nach Beginn des Gneisenau-Angriffs waren die Täuschungsmaßnahmen einzustellen, so daß Entspannung eintrete. Im übrigen sollte dann entschieden werden, ob Roland oder Hagen auszuführen sei; Hagen sei wichtiger; Verdun komme nicht in Frage. Noch hätten Franzosen und Engländer allerdings aus Flandern nicht genug Kräfte weggezogen, aber vielleicht täten sie es jetzt. Für die abgegebenen
„Mob." Divisionen hatte die Heeresgruppe sich selbst Ersatz zu schaffen, auch durch Herausziehen bei der 4. Armee; daß die Stellungs-Divisionen unter solcher Schwächung der Front leiden würden, mußte in Kauf ge¬ nommen werden. Hagen sollte voraussichtlich Ende Juli stattfinden, er müsse — wie General Ludendorfs sagte — „die Entscheidung bringen'").
Ob das nach Abgabe und Abnutzung so vieler dazu ursprünglich bereitgestellter Kräfte noch möglich sein werde, konnte aber doch fraglich er-
scheinen. Wichtig blieb bei der schwierigen Nachschublage der 7. Armee an der Marne die Öffnung der Eisenbahnverbindung über Reims. Man kam
daher statt des Roland-Angriffs der 3. Armee auf den in ähnlicher Form bereits am 1. Juni bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz angeregten, von dieser aber damals abgelehnten Angriff auf den inneren Flügeln der 7. und 1. Armee2) zurück, der weniger Kräfte als Roland erfordern
sollte. Hierüber liegt eine am 6. Juni wohl anläßlich der Besprechung mit General von Kühl verfaßte Denkschrift des Oberstleutnants Wetzell vor, in der es heißt:
„Der englischen Armee ist für die nächsten Wochen die Stütze durch frische französische Kräfte entzogen. Sie ist auf sich selbst gestellt. Sie hat Mitte Juli etwa drei Monate zur Auffrischung Zeit gehabt, dürste sich aber immer noch nicht von ihrer schweren Frühjahrsniederlage erholt haben. Treffen somit obige Voraussetzungen zu, was bezüglich der französischen Flandern-Kräfte nach Gneisenau zu übersehen sein wird, so wäre m. E. die Grundlage geschaffen, die Engländer erneut mit überwältigender über Abgabe von Divisionen an die Hgr. Deutscher Kronprinz: „Allerdings müssen wir
dabei in Kauf nehmen, daß die Stellungs-Divisionen ausbrennen. Sie sind infolge mangelnden Ersatzes zu schwach, werden dabei bei Verbreiterung ihrer Abschnitte noch mehr verbraucht. Darüber sind wir uns klar. Aber es ist nicht anders zu machen. Sonst mühten wir überhaupt auf den Angriff verzichten, gäben die Initiative aus der Hand, die wir jetzt
haben, benutzten die schwere Niederlage des Feindes nicht. Schließlich greift der Feind selbst wieder an". i) Ergänzende Tgb.-Aufzeichnung des Gen. von Kühl vom I l.guni 1918.
')
0.373.
416
Der Wendepunkt der Kriegslage.
s.I»ni. Wucht, wie es der Hägen-Angriffs (insbesondere durch Artillerie) plant, vernichtend zu schlagen. Nach der jetzigen schweren Niederlage der Fran¬ zosen ist Foch gar nicht in der Lage, ihnen nennenswerte Hilfe wie bei der Michael-Schlacht zu bringen. Der Engländer wird jetzt, fast ausschließlich auf sich gestellt, unseren Angriff annehmen müssen. Die Aussichten, ihn noch viel vernichtender wie im März zu schlagen, sind daher vorhanden". Weiter wurde die Frage untersucht, was inzwischen gegen die Franzosen getan werden müsse, „um sie in Schach zu halten und davon abzuhalten, Kräfte nach Norden zu schieben" zur Hilfeleistung für die Engländer. Es gebe zwei Möglichkeiten: entweder Angriff Roland bei der 3. Armee in der Champagne oder Angriff auf den inneren Flügeln der 7. und 1. Armee über die Marne, „um Epernay zu nehmen und Reims abzuschnüren".
Gegen den an sich als aussichtsreich angesehenen und schon längere Zeit
vorbereiteten Roland-Angriff spreche, daß dabei wiederum auf Hagen. Divisionen und Artillerie zurückgegriffen werden müsse, da dieser Angriff 14 bis 16 Divisionen verlange. Die Vorbereitung werde etwa vier Wochen
kosten, den Franzosen entsprechende Ausruh- und Gruppierungszeit geben. Hagen würde um mindestens vier Wochen, d. h. bis Ende August, zurück-
gestellt werden müssen. Damit gewinne der Engländer Zeit, seine Armee noch mehr zu stärken, vielleicht sogar die Möglichkeit zu einer Entlastungsoffensive gegen die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Die Denkschrift gab daher dem Angriff über die Marne den Vorzug. Er biete eine
große Überraschungsmöglichkeit, da die französischen Reserven durch den Gneisenau-Angriff an der Oise gebunden seien und die Marne sehr schwach besetzt sein werde. Das bewaldete und durchschnittene Gelände nördlich des Flusses ermögliche eine der Sicht des Feindes sehr leicht zu entziehende
Bereitstellung und gute artilleristische Unterstützung. Auch sei dieser Angriff ohne Inanspruchnahme der für die spätere Hägen-Offensive bestimmten Kräfte mit sechs bis acht Divisionen, verstärkt durch Artillerie der 13. und
7. Armee, mit größter Aussicht auf weitgehendste Auswirkungsmöglichkeiten zu führen: „Erreichen wir Epernay, so verliert die französische Front vor Reims ihre Zubringerbahn und -Straßen. Gibt der Franzose nicht freiwillig den Höhenblock nördlich der Marne aus, so kann er durch Umfassung von Süden oder durch Angriff beiderseits der Marne über Epernay hinaus
völlig abgeschnitten werden". Noch schwieriger könne sich die Lage des Gegners zwischen Marne und Vesle und dem Aisne/Marne-Kanal gestalten, wenn gleichzeitig östlich von Reims die I. Armee aus der Ecke von
Sillery—Prosnes angreife. Diese Operation der 7. und I. Armee sei
„kühn, aber nicht schwierig", und, „ohne unsere sonstigen Absichten zu i) Sperrung seitens der Forsch.Anst.
Denkschrift des Oberstleutnants Wetzell.
417
stören", ausführbar. Die Tage zwischen dem 20. und 25. Juni wurden für sie in Aussicht genommen. Im Sinne dieser Denkschrift bereitete sich die Oberste Heeresleitung darauf vor, gegebenenfalls an die Stelle des Roland-Angriffs den „Marneschutz- und Reims-Angriff" treten zu lassen, und veranlagte die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz am Abend des 8. Juni, von der s. g»ni.
7. Armee schleunigst einen Entwurf für den Angriff über die Marne zwischen Iaulgonne und Verneuil zu verlangen.
An demselben Tage stellte die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht fest, daß durch den Angriff an der Aisne eine Entlastung ihrer Front eingetreten sei und daß die Fortsetzung dieses Angriffs voraussicht¬ lich die Entspannung noch vermehren werde. In einer Beurteilung der
Lage sagte sie: „Die französischen Reserven sind vermutlich sortgezogen. Nach der Luftaufklärung der letzten Woche haben täglich Abtransports von der Heeresgruppenfront stattgefunden, und zwar aus Flandern auf der Küstenbahn, aus Gegend südlich Amiens auf der Bahn Amiens— Contyi). Die bisher vor der Heeresgruppenfront angenommenen französischen Reserven können nach dem Umfang der Transportbewegungen sämtlich fortgezogen sein. Als Ersatz sollen u. a. 40000 Amerikaner angekommen und in einem Lager bei Ardres südöstlich Calais untergebracht sein. Erneutes Auftreten von französischen Funkstationen bei Doullens
und beobachteter Straßenverkehr lassen es möglich erscheinen, daß abgekämpfte französische Divisionen um Doullens versammelt werden". Die Oberste Heeresleitung ordnete am 8. Juni an, daß an der
Front der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht die Täuschungsunter¬ nehmungen für Gneisenau^) mit dem 10. Juni einzustellen seien. Als dann das Ergebnis dieses am 9. Juni begonnenen Angriffs der 18. Armee
und der Teilunternehmungen des rechten Flügels der 7. Armee hinter den Erwartungen stark zurückblieb, die Versuche der I. Armee, die Stadt Reims in die Hand zu bekommen, sich als aussichtslos erwiesen und daher am Abend des II. Juni die Einstellung der Angriffe im großen angeordnet lug»««, werden mußte, blieb die Nachschublage an der Marne-Front äußerst schwierig. Auch war unsicher, inwieweit die feindliche Front in Flandern französische Divisionen abgegeben hatte. Immerhin war die Kampfkraft der Franzosen weiter geschwächt worden, nach den Berechnungen der
Obersten Heeresleitung hatten sie außer acht Stellungs-Divisionen 13zum Teil in Reserve gehaltene Divisionen in den Gneisenau-Kampf geworfen^). x) Bahn nach Beauvais. 2) S. 412. 3) Vgl. auch die Veutezahlen S. 410. Weltkrieg. XIV. Band.
418
Der Wendepunkt der Kriegslage.
Aber die Erwägungen in diesen Tagen schrieb General Ludendorfs in seinen Kriegserinnerungen^): „Wieder und wieder kehrten die Ge¬ danken zu einem Angriff in Flandern zurück. Hier standen noch immer, auch wenn die französischen Divisionen unter dem Zwang der Schlach¬ ten bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz weggezogen wurden, starke englische Reserven. Der Angriff an dieser Stelle war jedoch noch zu schwer". 12.3um. Diese Auffassung findet sich in einer Denkschrift des Oberstleut¬ nants Wetzell vom 12. Iuni^) näher begründet, in der er sich offensichtlich gegen von anderer Seite (vermutlich Hgr. Kronprinz Rupprecht^)) vertretene Anschauungen wandte und eine mit der seinigen gleichgerichtete
Eingabe der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz von demselben Tage^)
unterstützte. Er schrieb: „Ich bin ... der Meinung, daß wir, sofern wir ähnliche weitreichende Erfolge wie bisher erringen wollen, und das haben wir unbedingt nötig, auch an den ... bewährten Grundlagen für unsere Angriffe, wenn irgend
möglich, festhalten müssen, d. h. die schwächsten Stellen des Gegners überraschend anzufallen. Nur dann werden wir auf der Westfront die Vorhand, das Wichtigste unserer ganzen jetzigen Kriegführung, behalten". Er warnte davor, aus dem Gelingen des Blücher-Angriffs den Schluß zu
ziehen, daß es möglich sei, „durch Einsatz größter Massen an Artillerie auch andere Fronten, die stärker besetzt, wo mehr Reserven, wo für den Gegner
günstige Verteidigungsverhältnisse vorliegen und die Überraschung nicht gewährleistet ist, mit ähnlich durchschlagendem Erfolg anzugreifen". Die Grundlagen für den Hagen-Angriff seien im Augenblick noch nicht die gleichen wie seinerzeit für den Blücher-Angriff, sondern erheblich ungünstiger; er verspreche nur dann durchgreifenden Erfolg, wenn es gelänge, die
Masse der auf der Westfront stehenden Entente-Kräfte, vor allem die Franzosen, von jener Angriffsfront wegzuziehen oder fernzuhalten. Hierzu sei ein weiterer baldiger und großzügiger Angriff bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz nötig: „Lassen wir dem Franzosen jetzt noch vier bis sechs Wochen Luft, so werden wir ihn bestimmt mit stärkeren Kräften wieder in Flandern auf dem Plan finden oder an anderen Stellen von ihm angegriffen werden". Wie schon in der Denkschrift vom 6. Juni wurde der „kombinierte Mame/Prosnes-Angriff" bei der 7. und l. Armee empfohlen. Dazu dürsten aber nur Kräfte der Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz, Gallwitz und Herzog Albrecht eingesetzt, solche der Heeresgruppe 1) a.a.O. 6.514J. 3) Vgl. 0.321 f. 3) S. 423. 4) S. 433f.
Befehl zur Vorbereitung des Marneschutz/Reims-Angriffs.
419
Kronprinz Rupprecht jedoch nicht herangezogen werden, um die spätere planmäßige Durchführung des Hägen-Angriffs Anfang oder Mitte August unbedingt zu gewährleisten. Energisch vorbereitet und durchgeführt könnte aus diese Weise die Schlacht um Reims „ein neuer entscheidender und
weitreichender Schlag für die französische Armee und für das französische Volk und die beste Grundlage für die Hagen-Schlacht" werden.
In demselben Sinne berichtet General Ludendorff weiter in seinen
Kriegserinnerungen^): „Die Oberste Heeresleitung beabsichtigte auch jetzt wieder, den Feind da anzugreifen, wo er schwach war. Sie nahm daher
für Mitte Juli einen Angriff beiderseits Reims in Aussicht, durch den zugleich die rückwärtigen Verbindungen der 7. Armee zwischen Aisne und Marne verbessert werden sollten. Aus diesem Vorgehen heraus wollten wir die Artillerie-, Minenwerfer- und Fliegerformationen an die Flandern-
front werfen, um dann hier womöglich vierzehn Tage später zu schlagen. Es bestand die Hoffnung aus entsprechende Schwächung des Feindes in Flandern, wenn der Schlag bei Reims gelang". Ein am 14. Juni erlassener grundlegender Befehl der Obersten muusuni. Heeresleitung ordnete dementsprechend an, daß bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz die 7. Armee die unter dem Decknamen „Marneschütz" angeordneten Angriffsmaßnahmen, die 1. Armee den Angriff öst¬ lich von Reims (im Abschnitt Prosnes) unter dem Decknamen „Reims" vorbereiten solle, Beginn des Angriffs etwa am 10. Juli. Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht habe den Hagen-Angriff etwa am 20. Juli zu führen.
Im übrigen sollten alle Heeresgruppen ihre Gefechtshandlungen möglichst einschränken; doch sei es von Wert, daß der Gegner im Glauben an die
Fortsetzung des Angriffs auf Paris bleibe. Die Heeresgruppen Gallwitz und Herzog Albrecht hatten Unternehmungen gegen Frontabschnitte auszuführen, die von Amerikanern besetzt waren 2).
2. weitere Entwicklung der Gesamtlage an der Westfront
und Meinungsaustausch mit der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Nach Einstellung der Offensive bei der 18., 7. und I. Armee urteilte die Oberste Heeresleitung am 15. Juni über die Gesamtlage an
der Westfront, daß die Franzosen zur Zeit höchstens noch über acht bis zehn kampfkräftige Divisionen in Reserve verfügten, die allerdings durch Herauslösen weiterer Kräfte aus ruhigen Fronten wieder vermehrt 1) A. a. O. S. SlS.
2) Vgl. S. 382.
Der Wendepunkt der Kriegslage.
420
Mitte g«ni. werden könnten. Aus Flandern wären nachweislich vier französische Divi¬
sionen fortgezogen worden. Der Abtransport der dort noch in Reserve vermuteten drei französischen Divisionen wurde als wahrscheinlich angesehen, für Ablösung der in der Front eingesetzten Verbände lagen indessen noch keine Anzeichen vor. Von 27 zur Zeit in Ruhe befindlichen Divisionen der Engländer wurden 18 als wieder kampfkräftig beurteilt. Schwer¬
wiegend waren die Feststellungen über die Amerikaner, die mit zwei neuen Divisionen an der Front, davon eine an der Kampffront nordwestlich
von Chkteau-Thierry, ausgetreten waren: „Insgesamt sind damit bisher sechs amerikanische Divisionen an der Front festgestellt. Anzeichen für bald bevorstehenden oder schon erfolgten Einsatz weiterer amerikanischer Kräfte liegen in Flandern und im Elsaß vor. Die Gesamtzahl der in Frankreich bereits eingetroffenen amerikanischen Divisionen wird daher aus mindestens zwölf zu veranschlagen sein". Auch von den Italienern wurde ange¬
nommen, daß sie außer zwei bereits in der Front eingesetzten Divisionen einige weitere nach Frankreich gebracht hätten. Die Oberste Heeresleitung kam zu dem Ergebnis: „Feindliche Großangriffe sind nirgends zu er¬ warten. Der Feind hat die Initiative in der Führung der Operationen nicht wieder erlangen können und rechnet anscheinend mit weiteren
deutschen Überraschungen".
Angesichts des bedrohlichen Anwachsens der amerikanischen Streit-
kräfte hing aber alles davon ab, ob es gelang, die Gegner so rechtzeitig mit
wuchtigen Schlägen zu treffen, daß die amerikanische Hilfe die Lage nicht mehr wiederherstellen konnte. Die Zeit drängte. Auch ließ sich nicht verhehlen, daß der Kräfteverbrauch auf deutscher Seite in den beiden letzten Schlachten wiederum sehr groß gewesen war. Dazu kam eine steigende Zahl von Grippe-Erkrankungen an der gesamten Westfront^). Die ernstesten Bedenken aber verursachte die immer ungünstiger werdende Ersatzlage, die schon jetzt zu erheblicher Verringerung der Gefechtsstärken, vor allem
bei der Infanterie, geführt hatte. Auch bestand der nur spärlich fließende Ersatz in der Hauptsache aus Leichtverwundeten und sonstigen Wiedergenesenen, dazu Abgaben der Kolonnen und Trains, der Etappe und
sonstiger nicht fechtender Formationen. Es sank damit nicht nur die zahlenmäßige Gefechtsstärke, sondern — was vielleicht noch schwerer wog —
auch der innere Wert der Truppen. Zu alledem erfuhr die Oberste Heeresleitung jetzt, daß die am lS. Juni
begonnene österreichisch-ungarische Offensive in Italien3) ge¬ x) S. 385.
2) 6.517. 3) S. 82 und Kap. X.
Gesamtlage an der Westfront.
421
scheitert sei. Sie hatte zu ihr ohnehin nicht viel Vertrauen gehabt^), hatte aber doch geglaubt, auf eine gewisse Entlastung der deutschen Front in Frankreich hoffen zu dürfen. Am Ib. Juni sprach sich General Ludendorff in einem Telegramm an General von Cramon gegen Wiederholung
der Offensive aus. Nachdem nunmehr alle amerikanischen Truppen ein-
heitlich in Frankreich zu erwarten seien und auch mit Entsendung weiterer italienischer Kräfte dorthin zu rechnen sei, kam er auf die Forderung zurück, österreichisch-ungarische Truppen an die deutsche Westfront^) zu entsenden und regte an, alsbald fünf bis sechs zuverlässige Divisionen, Artillerie, Arbeitskräfte, Pferde und Benzin dorthin abzugeben. Die Verhandlungen hierüber zogen sich aber noch einige Zeit hin.
Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten der Gesamtlage legte sich General Ludendorff, wie er in seinen „Kriegserinnerungen" berichtet^), während der jetzt eingetretenen Ruhepause aber auch darüber Rechenschaft ab, ob es mit Rücksicht auf den Halt des Heeres und die Ersatz-
Verhältnisse nicht vorteilhafter sei, zur Abwehr überzugehen. Er lehnte diesen Gedanken jedoch, ganz abgesehen von der ungünstigen Rück¬ wirkung aus die Verbündeten und der Unmöglichkeit, in den durch die
Offensive entstandenen Stellungen mit ihren weiten Ausbuchtungen stehen¬ zubleiben, aus der Besorgnis ab, daß das Heer „Abwehrkämpfe, die dem Feinde das Zusammenlegen seiner gewaltigen Kriegsmittel auf einzelnen Schlachtfeldern eher gestatteten, schwerer vertragen würde als Angriffs¬ schlachten ... In dem Angriff lag das ungeheure moralische Abergewicht, daß wir auf seine Fortsetzung nicht freiwillig verzichten konnten. Alle Schwächen des Heeres mußten in der Verteidigung viel schärfer zum Ausdruck kommen". In einer späteren Schrift aus der Nachkriegszeit*) bekennt der Feldherr die seelischen Triebkräfte seines Entschlusses: „Was war zu tun? Sollten wir die Angriffswaffe senken, uns dem »blitzenden
Vergeltungsschwert« des Gegners preisgeben? Das bedeutete den Ver¬ zicht auf den militärischen Sieg. Was nennt man Feldherrngröße? Die Kraft zur Einseitigkeit, das Niederringen aller Zweifel, jeglichen Kleinmuts in der eigenen Brust, das unerschütterliche Festhalten an einem großen
Entschluß, zu dem die Seele einmal erstarkt ist ... Ich hatte so oft in diesem
schweren Kriege schon verzweifelte Lagen durch Standhaftigkeit und festes Vertrauen zum Guten gewendet. Verzweifelt war unsere Lage diesmal 1) Vortragsnotiz des Gen. von Kühl vom S. Juni. 2) S. 398. 3) S. 516.
4) „Die überstaatlichen Mächte im letzten Fahre des Weltkrieges", S. 17.
Der Wendepunkt der Kriegslage.
422
Mitte Juni, noch keineswegs. Für mich gab es daher auch jetzt keinen Zweifel. Es galt, mit Aufbietung äußerster Kraft dem Gegner auch fernerhin das Gesetz
vorzuschreiben".
Gegenüber manchen Bedenken von anderer Seite blieb General
Ludendorff der willensstarke Träger der Überzeugung von der kriegs-
entscheidenden Bedeutung fortgesetzter Angriffes und war bemüht, diese Auffassung zum Allgemeingut des Heeres zu machen. Als obersten Grund¬ satz stellte er dabei hin^), „daß der Krieg nicht durch starre Verteidigung, sondern nur durch weitere wuchtige Angriffsschläge zu gewinnen" sei. Diese würden aber in Zukunft nur dann zum Erfolg führen, wenn wir die
in den letzten Offensiven angewandte Kampfesweise beibehielten und weiter ausgestalteten. Vor dem „alten Fehler, in zu dichten Kampfformen anzu¬ greifen", warnte er unter Hinweis auf die Notwendigkeit, die Verluste mit
allen Mitteln einzuschränken: „Das Wesentliche bleibt überall für unsere fernere Kriegführung die Erhaltung der Kampfkraft und des Angriffs» gedankens, die uns allein den Enderfolg sichern"^. Dabei war sich die Oberste Heeresleitung der ganzen Schwere der Aufgabe bewußt, die eine offensive Fortführung der Operationen vornehmlich wegen der ständig wachsenden Streitkräfte und Kampfmittel der Gegner bei gleichzeitigem Hinschmelzen der eigenen Kräfte in sich schloß. Auch waren, wie sich bald ergab, von Österreich-Ungarn nicht fünf oder
sechs, sondern vorerst nur zwei Divisionen zu erwarten, die zudem erst gegen Mitte Juli eintreffen konnten und dann zunächst einer Vorbereitungszeit an ruhiger Front bedürfen würden.
Unterdessen hatten sich für die Heeresgruppe Kronprinz Rupp recht aus der Verschiebung der Flanden-Offensive erhebliche Schwierigkeiten ergeben. Sie mußte daraus gefaßt sein, daß nach den bereits geleisteten oder befohlenen beträchtlichen Abgaben (bis 10. Juni 13 „Mob." Divisionen und zahlreiche Kolonnen) neue Anforderungen folgen würden. Ob die abzugebenden Kräfte rechtzeitig und voll angriffsfähig wieder zur Verfügung stehen würden, war ungewiß. Die verbleibenden und die inzwischen als Ersatz für abgegebene neu bestimmten „Mob." Divisionen aber dursten nach dem Willen der Obersten Heeresleitung nicht einmal vorüberObst, von Mertz zeichnete am 2.Fuli 1918 über ei» Gespräch mit Gen. Ludendorff und Gen. Ob. von Plessen auf: „Ersterer beschreibt, wie manchmal Tiefstand der (Stim¬ mungen auch bei den Kommandobehörden. Darum ganze Last aus ihm. Man rate ihm ab, die Offensive fortzusetzen, er überspanne den Bogen, aber er müsse es riskieren". 2) Erlaß vom 25. guni.
3) Es folgten Weisungen für die Abwehr (vgl. S. 526ff.).
Meinungsaustausch mit der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht.
42?
gehend zu Ablösungszwecken in der Front verwendet werden. Die Forde¬ rung, sie durch weitere Auslockerung der Frontbesetzung noch zu ver¬
mehren, steigerte die ohnehin schon übermäßige Beanspruchung der seit langem fast ohne Ablösungsmöglichkeiten eingesetzten Stellungsdivisionen; sie drohten völlig auszubrennen. Die Engländer aber hatten inzwischen Zeit, sich weiter zu erholen und ihre Reserven zu vermehren. Die Heeres¬ gruppe Kronprinz Rupprecht teilte daher die Erwartungen, die General
Ludendorss auf den künftigen Flandern-Angriff setzte, nicht mehr in vollem Umfange. Sie versprach sich von ihm keine Entscheidung mehr, sondern
nur noch „einen großen Erfolg'"). Auch glaubte sie nicht, daß Überraschung des Feindes an dieser Stelle möglich sein würde. Infolgedessen faßte sie einen, der Hagen-Offensive unmittelbar vorausgehenden, räumlich be¬ grenzten Ablenkungsangriff ins Auge, den die 17. Armee mit geringen Kräften auf ihrem linken Flügel führen sollte. Auch wünschten 4. und S. Armee eine Verbreiterung des Hägen-Angriffs nach Süden. In einer Besprechung, die General Ludendorff am 14. Juni in Roubaix mit den Generalstabschess der Heeresgruppe sowie der 4. und S.Armee hatte, wurden diese Fragen eingehend erörtert^). General Ludendorss erwähnte dabei zunächst, daß der neue Angriff an der Front der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz den Zweck habe, „die Ecke bei Reims auszubügeln und die Franzosen dorthin zu ziehen". Über einen Ablenkungsangriff bei der 17. Armee behielt er sich die Entscheidung vor.
Auch Schwierigkeiten in der Bereitstellung ausreichender Artillerie kamen zur Sprache. General Ludendorff hoffte, sie hinsichtlich der Feldartillerie dadurch zu überwinden, daß den Batterien vorübergehend fünfte und sechste Geschütze aus der Gerätereserve der Obersten Heeresleitung über¬ wiesen würden. Die angeforderte schwere Artillerie konnte voraussichtlich überhaupt nicht in vollem Umfange gegeben werden. Am 17. Juni teilte die Oberste Heeresleitung dann mit, daß von einer Verbreiterung des
Hägen-Angriffs nach Süden wie auch von dem vorgeschlagenen Ablenkungs¬ angriff der 17. Armee mit Rücksicht aus die verfügbaren Infanterie- und Artilleriekräfte Abstand genommen werden müsse. General Ludendorff bemerkte dazu, daß er die Gründe der Heeresgruppe für das Abziehen der englischen Reserven von der Hägen-Front durchaus anerkenne; er sei aber
der Ansicht, daß „bei günstigem Verlauf der bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz geplanten Operationen nicht nur französische Kräfte von der
Flandern-Front weggezogen werden, sondern daß Foch sicherlich auch auf *) Aufzeichnung des Gen. von Kühl vom I l. Juni. 2)Das Folgende nach einer Tagebuch-Aufzeichnung des Gen. von Kühl vom 14. Juni
1918; andere Unterlagen fehlen.
Der Wendepunkt der Kriegslage.
424
die englischen Reserven rücksichtslos zurückgreifen und damit die erwünschte
Grundlage für den Hägen-Angriff geben wird". Die Heeresgruppe solle damit rechnen, daß der Hägen-Angriff frühestens in der letzten Juli-Woche is. bis geführt werden könne. Am 19. Juni folgte die Mitteilung, daß die Angriffe -9. g«n>. Heeresgruppe Deutscher Kronprinz nicht am 10.*), sondern erst etwa am 15. Juli beginnen würden 2), auch müsse bei ihnen ein Teil der Heeres-
Artillerie eingesetzt werden, die eigentlich jetzt schon Hagen zugeführt werden sollte. Da die Transportbewegungen nach Flandern etwa acht bis zehn Tage erforderten, werde also Hagen kaum vor dem I.August stattfinden können. Insgesamt 27 Divisionen wurden für ihn bestimmt, davon 2» bereits bei der Heeresgruppe befindliche, die übrigen sollten erst zugeführt werden. Nochmals wies die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht am 21. Juni auf die Folgen hin, die das Hinausschieben der Hägen-Offensive für die Abwehrbereitschaft und die Kräfteverteilung an ihrer Front mit sich bringe. Die Engländer erhielten etwa eineinhalb Monate lang Freiheit des Handelns und seien in der Lage, mit größtenteils aufgefrischten Kräften
in absehbarer Zeit zum Angriff zu schreiten. Die Heeresgruppe schlug daher erneut vor, Stellungs-Divisionen vorübergehend durch einige ihrer „Mob." Divisionen abzulösen, und sprach sich sowohl im Hinblick auf die Möglichkeit eines überraschenden feindlichen Angriffs gegen den Kemmel, wie auch zur Wahrung der Stetigkeit in den eigenen Angriffsvorbereitungen gegen Lockerung der Kräfte bei der 4. Armee aus.
Das gab der Obersten Heeresleitung Veranlassung, am 22. Juni ihren grundsätzlichen Standpunkt zum Verhalten der Heeresgruppe wäh¬ rend der nächsten Wochen auseinanderzusetzen. Sie stimmte der Auffassung zu, daß bei der Aufmerksamkeit des Feindes die geplante Offensive in Flandern kaum auf Überraschung rechnen könne; daran werde aber auch ein Ablenkungsangriff bei der 17. Armee nichts ändern. Zur Täuschung des Gegners komme es vielmehr daraus an, die Vorbereitungsmaßnahmen
auf die absolut notwendigen Arbeiten zu beschränken, unsere Frontbesetzung zu lichten und mit dem Einsatz von „Mob." Divisionen haushälterisch um¬ zugehen; auch die Ersatzlage zwinge dazu, die Verluste mit allen Mitteln
auf das geringste Maß einzuschränken^). Wir müßten für die in nächster Zeit beabsichtigten Kampfhandlungen über gut ausgebildete Kampf¬ divisionen verfügen, eine Ausbildungszeit von fünf bis sechs Wochen sei dafür das Mindestmaß. Es bleibe nichts übrig, als eine entsprechende An!) 6.419. 2> Vgl. S. 435. 8) Die Heeresgruppe rechnete mit „täglich 1000 Mann Verlust in der Heeresgruppe, kein Ersatz" (Aufzeichnung des Gen. von Kühl vom 19. Juni).
Meinungsaustausch mit der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht.
425
spannung der Stellungs-Divisionen während der nächsten Wochen in Kauf zu nehmen. Ein großer Angriff der Engländer sei nach wie vor wenig wahrscheinlich: „Erfolgt wirklich ein Angriff oder ein Einbruch, dann würden
wir dank unserer starken Reserven in der Lage sein, durch schnelles Handeln und bei geschickter Führung dem Engländer eine noch stärkere Niederlage wie bei Eambrai^) beizubringen. Die weitere Ausnutzung eines solchen Erfolges hängt dann von der Lage ab, selbst wenn hierdurch der plan-
mäßige Verlaus von Hagen eine Änderung erführe. Letzten Endes handelt es sich für uns darum, feindliche Kräfte zu zerschlagen, wie und wo es
auch sei". Die Oberste Heeresleitung sprach damit aufs neue^) aus, daß es ihr bei der Fortführung der Angriffshandlungen nicht so sehr aus Erreichung bestimmter örtlicher Operationsziele als auf Zertrümmerung der feindlichen Streitkräfte ankam.
Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht regelte dementsprechend unter Lockerung der Frontbesetzung der 4. Armee die KräfteVerteilung dahin, daß die 6. Armee mit fünf, die 4. Armee mit 21 „Mob."
Divisionen sowie mit acht eigenen Divisionen für Hagen rechnen konnte. Am 28. Juni faßte sie ihre Mutmaßungen über das Verhalten der Eng-
länder dahin zusammen: „Anzeichen für einen großen Angriff liegen nicht vor. Die Reserven des Engländers können zwar soweit aufgefrischt sein, daß er angreifen könnte. Es ist aber zu vermuten, daß er die Masse
seiner frischen Reserven zur Abwehr des erwarteten deutschen Angriffs bereithält und dementsprechend gruppiert. Je länger der deutsche Angriff ausbleibt, um so mehr besteht die Möglichkeit, daß der Engländer zu größeren Angriffen schreitet, um unsere Pläne und Vorbereitungen zu stören. Daß er einen solchen Angriff überraschend führen würde, ist wahrscheinlich. Besondere Beachtung verdient zur Zeit die Front am Kemmel, nördlich Bethune und bei Albert".
Auch eine tags darauf von der Obersten Heeresleitung herausgegebene Abersicht über die Lage an der Westfront rechnete mit der
Möglichkeit, daß die Engländer künftig zur Entlastung der Franzosen angreifen würden. Der Rest der noch in Flandern angenommenen französischen Reserven sei aber jetzt vermutlich abtransportiert. Auch in der Front schien dort eine weitere französische Division von den Engländern abgelöst zu werden. Die in letzter Zeit mehrfach gegen die Westfront der
7. Armeesüdlich der Aisne geführten kräftigen Teilvorstöße der FranHerbst 1917 (Bd. XIII, S. IZZff.). 2) S. 445 (Verfügung vom 9. Juni).
3) Weiteres hierüber S. 46Sff.
Der Wendepunkt der Kriegslage.
426
2s.J1.ni. zosen wurden als Versuche zur Verbesserung ihrer Stellungen gedeutet. Die Wiederholung solcher Versuche an den bisherigen Kampffronten sei
stets möglich, größere französische Angriffe ständen aber vorerst nicht zu erwarten. Die Italiener hätten ihre beiden bisher an der Front festge¬
stellten Divisionen südwestlich von Reims vereinigt. Aber die Streitkräfte der Amerikaner wurde gesagt, daß sie sich in letzter Zeit schnell ver¬ mehrt hätten: Zur Zeit ständen sieben bis acht ihrer Divisionen in der Front, dahinter befänden sich neun bis zehn noch in der Ausbildung. Angeblich sei beabsichtigt, noch mehr als die gleiche Zahl von Divisionen im Lause des Jahres nach Europa zu befördern. Es bleibe aber abzuwarten,
ob der hierzu nötige Schiffsraum zur Verfügung stehe*). Ende des Monats einsetzende englische Teilangriffe, vor allem bei Bethune, Albert und Moreuil, vermehrten die Spannung. Die Heeres-
gruppe Kronprinz Rupprecht rechnete mit Fortsetzung der Vorstöße, besonders nach Beginn der neuen Offensive gegen die Franzosen. Die 4.g»«i. Oberste Heeresleitung sagte dazu am 4. Juli: „Die Entente will uns den von ihr erwarteten Angriff erschweren, wir müssen weiter mit Überfallartigen Teilvorstößen und vom 15. Juli ab auch mit starken Gegenangriffen
rechnen". Sie ließ gleichzeitig wissen, daß die „Transportbewegung von Reims zu Hagen nicht unter 14 Tagen" (bisher waren 3 bis 10 Tage veranschlagt) dauern würde. Den Antrag der Heeresgruppe, von Mitte Juli
ab „Mob." Divisionen im Abschnitt des Hagen-Angriffs einzusetzen, lehnte sie jedoch „im Interesse der Erhaltung der Kampfkraft der Divisionen und Wahrung der Geheimhaltung" nach wie vor ab. s.g«u.
In einer Beurteilung der Lage vom S. Juli blieb die Oberste
Heeresleitung im wesentlichen bei der am 29. Juni niedergelegten Auffassung über die Gegner: In Flandern schienen die Engländer weiterhin mit deutschem Angriff zu rechnen, im übrigen ständen sie im Begriff, die dortige französische Front zu übernehmen. Im Anschluß daran wurde mit weiterer Ausdehnung der englischen Front über die Somme hinaus nach
Süden gerechnet. Aber die Franzosen hieß es, sie seien „sparsam mit Einsatz frischer Kräfte, Divisionen bleiben lange in Stellung und werden nach kurzer Ruhe wieder eingesetzt". In der Champagne hätten die Franzosen bei Aubsrive eine Division neu eingesetzt und seien „sehr aufmerksam, ... erwarten einen deutschen Angriff... Die an der Aisne und Oise stark
mitgenommenen Divisionen können nunmehr wieder aufgefrischt sein, so daß mit etwa 30 Divisionen als Reserve gerechnet werden muß"; dazu wären aus Flandern noch vier französische Divisionen zu erwarten. Abschließend hieß es dann: „Anzeichen für einen größeren Angriff liegen an !) Vgl. S. 513.
Weiterentwicklung der Lage an der Westfront.
427
keiner Stelle vor, dagegen ist überall erhöhte Tätigkeit durch gewaltsame Erkundungen zu erwarten". Am 11. Juli wurde der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht n.gnu.
mitgeteilt: „Die Gesamtlage verlangt, daß Hagen planmäßig am I. August zur Ausführung kommt". Diese meldete, die Transportbewegung ein¬ schließlich der von der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz erwarteten Divi¬ sionen werde am 29. Juli beendet sein, an dem festgesetzten Zeitpunkt werde unbedingt festgehalten werden. Ihre Armeen wies sie, sicherlich in
voller Abereinstimmung mit der Obersten Heeresleitung, wenn nicht sogar
auf deren Anregung, darauf hin, daß englische Entlastungsangriffe mög¬ lichst ohne Inanspruchnahme von Kräften, die für den Hägen-Angriff be¬ stimmt seien, abgewehrt werden mühten; denn es komme alles darauf an, diesen Angriff ungestört durchzuführen. Nur falls ein großer feindlicher Angriff oder Einbruch erfolgen sollte, komme die Verwendung von HagenKräften, ähnlich wie 1917 bei Cambrai, in Frage. Unterdessen beanspruchten die Hergänge an der Front von der Oise bis zur Marne, wo am 5. Juli die 9. Armee aus Teilen der 18.
und 7. neu gebildet worden war, vorübergehend die Aufmerksamkeit der
Obersten Heeresleitung^). Ein französischer Angriff an diesem Front¬ abschnitt vor Beginn des deutschen Marneschutz/Reims-Angriffs konnte
recht unbequem werden, doch schätzte General Ludendorfs die Gefahr nicht sehr hoch ein. Mit Beginn des deutschen Angriffs — davon war er
überzeugt — sei die Gefahr gebannt, denn alle Kräfte der Franzosen würden von da ab durch diesen gebunden und angezogen werden. Vom durchschlagenden Erfolg dieser großen Offensive gleich vom ersten Tage an
hing alles Weitere ab. Die Oberste Heeresleitung hatte zu ihrem Gelingen volles Vertrauen, und General Ludendorff wußte alle Zweifel und Sorgen anderer, die gewiß vielfach, wenn auch sicherlich in zurückhaltender Form an ihn herangetreten sind^), zum Schweigen zu bringen. Als letzter Schlag aber blieb nach wie vor die Offensive in Flandern zu führen, für die dort zur Zeit schon wieder ZI „Mob." Divisionen bereit¬
standen.
Am IZ. Juli legte die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht iz.g»u. nochmals ihre Auffassung vom Feinde dar: Nach allen Nachrichten und Frontbeobachtungen erwarte dieser den deutschen Angriff als unmittelbar bevorstehend. Besondere Aufmerksamkeit zeige er vor dem linken Flügel der 4. Armee und dem rechten der 6., also an der Hägen-Front. Vielleicht x) Näheres S. 718. 2) S. 444, Anm. 5 und S. 445, Anm. 1.
Der Wendepunkt der Kriegslage.
428
IZ.JU». plane er dort einen größeren Teilangriff. Auch sonst könnten „die Ereig¬ nisse an anderen Fronten den Engländer demnächst zu einem größeren Angriff an der Heeresgruppenfront veranlassen". Die Franzosen seien jetzt vollständig aus der Flandern-Front ausgeschieden und durch britische Kräfte ersetzt. Nur vor dem linken Flügel der 2. Armee könnten noch einige französische Divisionen in Reserve angenommen werden. Die Ge-
samtzahl der englischen Reserven wurde, da vielleicht fünf Divisionen aufgelöst seien, auf 22, sonst auf 27 Divisionen veranschlagt; auch drei amerika-
nische Divisionen ständen in Reserve. Der während der Vorbereitungszeit für die deutsche Juli-Offensive
geführte Meinungsaustausch zwischen Oberster Heeresleitung und Heeresgruppe Kronprinz Nupprecht fand damit sein Ende. Vom Verlauf und i5. Juli. Ausgang dieser am 15. Juli beiderseits von Reims einsetzenden Offensive
hing es ab, ob und in welchem Aüsmaß der für den 1. August in Aussicht genommene Hägen-Angriff zur Verwirklichung kommen würde. Am Morgen des Angriffsbeginns hatte die Oberste Heeresleitung auf Grund der Feststellungen und Berechnungen der Abteilung „Fremde Heere" folgendes Gesamtbild von der Verteilung der feindlichen
Reserven: Pei der belgischen Armee vier Divisionen. Im Abschnitt der Engländer von hart nördlich Vpern bis Villers-Vretonneux 21 Divisionen (davon 3 amerikanische), vielleicht auch eine italieni¬ sche. Ob sich in diesem Abschnitt auch noch französische Divisionen in Reserve befanden, war ungewiß. Im Abschnitt der Franzosen wurden von 32bis 34 in Reserve stehenden französischen Divisionen 22 von der Somme bis Reims angenommen, während in der Champagne und bei Verdun nur vier und im Abschnitt
Lothringen—Sundgau drei stehen sollten. Der Verbleib von fünf Infanterie- und drei Kavallerie-Divisionen konnte nicht nachgewiesen werden. Die Zahl der in Frankreich festgestellten oder vermuteten, an Kopfzahl besonders starken amerikanischen Divisionen wurde jetzt bereits mit 24 angegeben, davon 14 an der Front oder als Front-Reserven verteilt,
zehn noch zur Ausbildung zurückgehalten. Dazu kamen drei bis vier italienische Divisionen in der Front oder
dicht dahinter. Wenn somit die Gesamtzahl der auf feindlicher Seite verfügbaren Divisionen dank der in raschem Steigen begriffenen Zuführung amerikani-
scher Truppen sich erhöht hatte, so erschien doch an der Angriffsfront von Dormans bis zur „Wetterecke" (Höhe 196 südöstl. von Tahure) das
Weiterentwicklung der Lage an der Westfront.
429
beiderseitige Kräfteverhältnis für die Franzosen nicht günstig. Hier standen nach der von der Abteilung „Fremde Heere" geführten Karte, einschließlich des vom Angriff zunächst nicht berührten Bogens um Reims, nur 14 Divi¬
sionen (davon 2 italienische) in der Front, neun weitere (davon 1 amerika¬
nische) in Reserve^).
Z. Vorbereitungen für die Zeit nach dem Marneschuy/Reimsund Hägen-Angriff. Wenngleich General Ludendorffbeider Besprechung mit General von s. gu„,.
Kühl am S. Juni in Avesnes erklärt hatte, der Hägen-Angriff müsse die Entscheidung bringen 2), so beschäftigte ihn doch die Sorge, daß es auch anders kommen könne. Bei der Obersten Heeresleitung wurde die Frage geprüft, was weiter geschehen solle, falls die Angriffe beiderseits von Reims und in
Flandern zwar taktische Erfolge, aber nicht die Entscheidung bringen würden^). Am 22. Juni wurden alle vier Heeresgruppen darauf hingewiesen, 22. gm,,,
daß nach Abschluß der beiden genannten Angriffe weitere Angriffe an anderen Stellen der Westfront in Frage kämen. „Es läßt sich noch nicht übersehen", — so hieß es in einem Schreiben an die Heeresgruppen Gallwitz und Herzog Albrecht — „in welchem Grade die Verteidigungs-
kraft unserer Gegner nach günstigem Verlauf der beabsichtigten AngriffsHandlungen bei den Heeresgruppen Deutscher Kronprinz und Kronprinz Rupprecht gelitten haben wird. Wir müssen uns daraus einrichten, auch an anderen Teilen der Front zum Angriff überzugehen". Bei der Heeresgruppe Gallwitz käme in erster Linie die Westfront der Armee-Abteilung C,
bei der Heeresgruppe Herzog Albrecht die Strecke zwischen Rhein/MarneKanal und Senones in Betracht; den Heeresgruppen Deutscher Kronprinz und Kronprinz Rupprecht wurde mitgeteilt, daßein Angriff zwischen Somme und Marne in breiter Front mit allen verfügbaren Kräften in der Richtung aus Amiens und Paris zu führen sein würde. Die Vorbereitungen — in erster Linie Erkundung, Vermessen und Versteinert von Artilleriestellungen —
sollten bei allen vier Heeresgruppen unbeschadet der weiteren Ausgestaltung der Abwehr, sogleich mit den vorhandenen Kräften und Mitteln, jedoch unter möglichster Schonung der Truppen selbst, in Angriff genommen Tatsächliche Stärke des Gegners an diesem Frontabschnitt Beil. Zöi. 2)S. 415. — Gen. v. Kühl bezweifelte, daß Hagen die Entscheidung bringen könne,
und schrieb tags darauf in sein Tagebuch: „Wie sich die Oberste Heeresleitung das Ende des Krieges und die Entscheidung denkt, konnte ich nicht ermitteln. Denn Hagen wird wohl der letzte Angriff in diesem Fahre sein. Dann wird Schluß sein. Eine endgültige Entschei¬ dung kann er aber auch nicht bringen".
3) Vgl. auch ©.513, Anm. 4.
430
Der Wendepunkt der Kriegslage.
22. gunl. und so gefördert werden, daß mit dem Anrollen der Artillerie, Minenwerfer und Divisionen etwa in der zweiten Hälfte des Juli begonnen werden könne.
Die Absichten, die die Oberste Heeresleitung mit diesen Weisungen verfolgte, ohne sie jedoch den Heeresgruppen vorerst bekanntzugeben, sind in handschriftlichen Aktennotizen näher erläutert. Danach handelte es sich
in erster Linie darum, „die Fundamente für spätere Angriffe festzulegen, um den Abergang zum Angriff an jeder Stelle der Front zwischen Somme und Marne zu ermöglichen". Ob und in welchem Umfange das möglich
sein werde, ließe sich noch nicht übersehen. Es sei damit zu rechnen, daß unter Umständen auch ganz schnell Divisionen, zum Beispiel der Heeresgruppe Kronprinz Nupprecht, an eine der bezeichneten Fronten geworfen werden könnten, um günstige Lagen auszunutzen. Als ungefährer zeitlicher
Anhalt sollte dienen, daß etwa acht bis zehn Tage nach den Angriffen „beiderseits von Reims und in Flandern" der Entschluß zur Durchführung einer solchen Offensive gefaßt und dann etwa noch 14 Tage bis zu deren Beginn vergehen würden. „Die Zeit, bis eine solche neue Operation beginnt,
muß jedenfalls aufs äußerste abgekürzt werden, was bisher nicht gelungen ist, da die Vorbereitungen stets ad ovo anfingen". Im übrigen bezweckte die Oberste Heeresleitung — nach diesen handschriftlichen Notizen — „Führung
und Truppe immer wieder klarzumachen, daß weiter angegriffen wird und auf den zur Zeit ruhigen Fronten nicht alles im Gedanken der Abwehr lebt". Man geht daher wohl nicht fehl in der Annahme, daß die den Heeres-
gruppen Gallwitz und Herzog Albrecht aufgetragenen Angriffsvorbereitungen vorwiegend letzterem Zwecke dienen sollten. Jedenfalls sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die Oberste Heeresleitung an den Fronten dieser beiden Heeresgruppen Angriffe größeren Stils ernsthaft in
Erwägung gezogen hat*). An demselben Tage, 22. Funi, da jene Weisungen an die Heeresgruppen gingen, und im Gegensatz zu ihnen, kam Oberstleutnant Wetzell in einer Denkschrift zu dem Ergebnis, daß „im Spätherbst selbst mit Unterstützung von k. u. k. Truppen^) noch ein weiterer großer Schlag auf
"der Westfront wahrscheinlich nicht möglich sein würde, so erwünscht er auch wäre". Er empfahl daher einen Angriff mit geringerem Kräfte-
einsatz in Italien^): „Mit deutscher Oberführung und einer Anzahl 1) Fn den Akten befindet sich allerdings auch eine Studie des Oberstlts. Wetzell vom 6. Juli über einen „Angriff in Lothringen und Elsaß". Es erübrigt sich aber, auf diese und die von den Heeresgruppen Gallwitz und Herzog Albrecht eingereichten Angriffsentwürfe näher einzugehen. 2) — österr. ung. Truppen (vgl. S. 421).
3) Sperrung seitens der Forsch.-Anst.
Vorbereitung späterer Offensiven.
431
deutscher Generalkommandos, Artillerie-Stäbe und 12bis 15 aufgefrischten, kampserprobten Westdivisionen, bin ich überzeugt, würden wir dort einen noch größeren Erfolg erzielen als im vorigen Jahre. Erreicht würde damit einmal eine erhebliche Kürzung der österreichischen Front und damit eine Krästeersparnis, die anderweit ausgenutzt werden könnte. Zum anderen würde vielleicht die völlige Zertrümmerung der italienischen Armee ermöglicht. Vor allem aber wäre die Entente wieder gezwungen, mit er-
heblichen Kräften auszuhelfen. Sie kann dies nur durch Truppen von der
Westfront, wahrscheinlich durch amerikanische, von denen ein starker Teil damit an der Hauptfront verschwände. Die feindlichen Kräfte würden dadurch zersplittert werden, und ihre Überlegenheit für 1919 wäre auf der
Westfront voraussichtlich ausgeschaltet. Bei einem entscheidend großen Erfolg muß sogar mit der Möglichkeit gerechnet werden, in der Po-Ebene bis an die italienisch-französische Grenze vorzukommen und die Westfront bis dorthin zu verlängern. Daneben würde die Landverbindung der
Entente nach dem Orient (Genua—Brindisi) durchschnitten. Es ist dann nicht ausgeschlossen, daß nach einer solchen neuen schweren Prüfung Italien aus dem Kriege völlig ausscheidet. Wie man sich auch das Schlußergebnis vorstellen mag, eins bleibt nach unseren und auch den österreichischen Er-
fahrungen fest bestehen, daß in Italien mit verhältnismäßig wenig Mitteln große Erfolge und damit große Entscheidungen möglich sind". General Ludendorfs lehnte diesen Vorschlag einstweilen ab^), wie das auch den am 22.Juni an die Heeresgruppen gegebenen Weisungen
und seiner kurz zuvor der österreichisch-ungarischen Heeresleitung ausge¬
sprochenen Auffassung der Gesamtlage^) entsprach. In einer neuen Denkschrift erörterte Oberstleutnant Wetzell am 27. Juni von den in den Weisungen des 22. angedeuteten Operations¬
möglichkeiten „nur die Fortsetzung des Gneisenau/Blücher-Angriffs, das heißt also den Angriff in Richtung Paris" als allein in Betracht kommend. Als Vorbedingung stellte er dabei hin, daß nach glücklichem Verlaus von „Reims und Hagen unsere Ersatzlage und die' uns von Österreich-Ungarn
zugeführte Unterstützung ... noch einen großen Schlag auf dem Westkriegsschauplatz — vielleicht Mitte September —" erlaube, und daß dann
die Hauptmasse der noch vorhandenen französischen Kräfte an jenen Kampf¬
fronten gebunden, die Richtung aus Paris also stark entblößt sein würde. Unter diesen Voraussetzungen billigte Oberstleutnant Wetzell einem „großzügigen gleichzeitigen Angriff" der 18., 9.3) und der 7. Armee „gute Aus¬ Zuschrift des Gen. Wetzell vom März 1942; vgl. S. 432 (Zusage vom 8. Fuli). 2) S. 421.
3) Ihre Bildung (S. 467) stand bevor.
432
Der Wendepunkt der Kriegslage.
sichten" zu.- Den Krästebedarf veranschlagte er aus etwa 40 bis 50 Angriffs-Divisionen. „Fehlt uns die Kraft zu diesem Schlage" — schloß Oberst¬
leutnant Wetzell und kam dabei zum letzten Male auf seinen alten Plan zurück —, „so wäre die Entente in Italien anzugreisen". An demselben Tage, 27. Juni, erbat aber auch Generaloberst von Arz deutsche Waffenhilfe für eine Offensive im September. Sie wurde am 8. Juli für den Fall, daß eine Entscheidung im Westen nicht zu erreichen 2.3«».
sei, in Aussicht gestellt^).
Unterdessen hatte die Oberste Heeresleitung am 2. Juli die
Heeresgruppen Deutscher Kronprinz und Kronprinz Rupprecht in Verfolg der Weisungen vom 22. Juni mit Angriffsvorbereitungen (Deckname
„Kurfürst") beauftragt, denen folgender Gedanke zugrunde gelegt werden sollte: „Den Hauptangriff führt 18. und 9. Armee — diese aus ihrer Nord?front bis zur Aisne — in Richtung Breteuil—Villers-Eotteröts. Feind vor
Westfront der S. und 7. Armee muß ausgerollt werden. Dem Angriff der S. Armee schließt sich im weiteren Verlaus die 7. Armee an und stößt hierzu südlich des Waldgeländes von Villers-Cottersts vor. Nach Westen ist der
Angriff der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz durch einen Angriff der 2. Armee in allgemeiner Richtung Amiens zu erweitern". Aber das Zu¬ sammenwirken der inneren Flügel der 2. und 18. Armee sollten beide Heeresgruppen das Nötige vereinbaren. Zum Schluß wurde betont, daß
es sich lediglich um Vorbereitungen handele; welche Kräfte zur Verfügung
stehen würden, sei noch nicht annähernd zu übersehen. Beide Heeresgruppen hegten in dieser Hinsicht von vornherein
starke Zweifel. Aus ihren Angriffsentwürfen^) ersah die Oberste Heeresleitung, daß die errechneten Kräfte bestimmt nicht auszubringen seien. ls.g»u. Am 12. Juli teilte sie den Heeresgruppen daher mit, daß auf gleichzeitigen Angriff in den Richtungen auf Amiens und auf Paris verzichtet werden müsse. Die Entscheidung, welcher von beiden Angriffen und in welchem Umfang er auszuführen wäre, ließe sich, insofern die Kräfte überhaupt reichen würden, erst nach „Reims" und „Hagen" und den aus diesen Kämpfen sich ergebenden Abschlußlagen bestimmen. Vor „frühestens Mitte September" werde er auf keinen Fall durchgeführt werden können. Die Weiterverfolgung dieser Absichten wurde durch die Ereignisse
der nächsten Wochen zunichte gemacht. 1) Kap. x. 2) Von einer Wiedergabe der mehrfach geänderten Angriffsentwürfe der Heeres¬ gruppen wird abgesehen. Gen. von Kuh! glaubte anfangs, daß die O. H. L. sich mit der
Absicht trüge, statt des Hägen-Angriffs auf Amiens anzugreifen.
Marneschutz/Reims-Angriff. Erweiterung des Planes.
433
B. Der Juli-Angriff beiderseits von Reims
(Marneschuy/Reims-Angriff). Beilagen 20 und 22.
J. Erweiterung des Angriffsplanes und Hergänge an der Front bis zum 14. Juli. a) Erweiterung des Angriffsplanes. In der Denkschrift des Oberstleutnants Wetzell vom 6. Iunp) war '
als Grundgedanke des Angriffs beiderseits von Reims hingestellt, daß ein Vorstoß der 7. Armee auf beiden Ufern der Marne gegen Epernay, er¬ forderlichenfalls noch darüber hinaus, im Verein mit gleichzeitigem An¬ griff der I. Armee östlich von Reims aus der Ecke von Sillery—Prosnes,
also eine doppelte Umklammerung, das gesamte französische Stellungssystem auf dem Höhenblock zwischen Reims und Marne zu Fall bringen solle. Gelang das, so konnte eine schwere Erschütterung der von den bis-.
herigen Angriffen noch unberührt gebliebenen französischen Stellungsfront in der Champagne die Folge sein. Am Abend des 8. Juni war zunächst nur die 7. Armee von der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz an¬
gewiesen worden, „nach Erkundung kurzen Vorschlag mit vorläufiger Kräfteberechnung für einen Angriff über die Marne zwischen Iaulgonne und
Verneuil vorzulegen"^), der das Ziel hatte, überraschend und schnell süd¬ lich der Marne auf Epernay vorzustoßen, um dem Feind in den Reimser Bergen seine wichtigsten Iufuhrstraßen zu nehmen und ihn zur Aufgabe der Berge zu zwingen. Rechte Flanke und Rücken dieses Angriffs sollten durch Vorstoß bis etwa an den Surmelin-Vach gesichert werden. Die 7. Armee hielt den Angriff unter Erweiterung der Grundlinie um reichlich sechs Kilometer nach Westen bis Gland und bei Mitwirkung
des rechten Flügels der I. Armee (Gruppe Schmettow) im Osten für aus¬ sichtsreich. Als Ziel bezeichnete sie die Linie Gland—St. Eugsne—Surmelin-Bach bis Orbais, dann nach Nordosten und später nach Norden umbiegend Ablois—Damery—Fleury—Ehamplat; Epernay blieb also vor der Front liegen. Die Heeresgruppe stimmte diesem Angriffsentwurf, den sie am 12. Juni der Obersten Heeresleitung vorlegte, zu: „Wir müssen die Vorhand behalten und neue Schläge führen, sonst greift der Franzose, vielleicht auch getrieben durch die öffentliche Meinung, uns an. Der Entx) S. 41S f. 2) 6.417. Weltkrieg. XIV. Band.
434
Der Wendepunkt der Kriegslage.
schluß der Obersten Heeresleitung, den Feind überraschend an schwacher Stelle anzugreifen, hat jedesmal zu großen Erfolgen geführt. Auch hier ist ein Erfolg zu erwarten, wenn Überraschung und schnelle Durchführung des Stoßes gelingt. Der rechte Flügel der I. Armee (Korps Schmettow) muß mit angreifen, um die Flankierung vom nördlichen Marne-Ufer aus¬
zuschalten, die Reserven dort festzuhalten und den Höhenklotz nordwestlich Damery zu gewinnen. Die Führung des gesamten Angriffs muß in einer Hand liegen". Ebenso wie der Obersten Heeresleitung schwebte aber der Heeresgruppe von vornherein auch die Beteiligung des linken Flügels der I.Armee vor, um den auf den Reimser Bergen stehenden Feind in die Zange zu nehmen. Sie fuhr daher fort: „Der Angriff wird operativ noch wirksamer sein, wenn gleichzeitig aus der Front der Korps Wellmann und Langer^) an und über die Vesle vorgestoßen wird, falls Kräfte dazu verfügbar bleiben", it.gunt. Im Befehl der Obersten Heeresleitung vom 14. Juni2) wurde die 7. Armee beauftragt, den Angriff beiderseits der Marne, die I. Armee, den östlich von Reims im Abschnitt Prosnes so vorzubereiten, daß er etwa am 10. Juli beginnen könne. Die einheitliche Leitung der Vorbereitungen lag in der Hand der Heeresgruppe, doch bat General Ludendorff um Vorlage aller ihrer Anordnungen, einschließlich der wichtigeren Befehle beider Armeen. Um den Angriff westlich von Reims in eine Hand zu legen, wurde »•- die Gruppe Schmettow der I. Armee am 17. Juni an die 7. Armee zurückgegeben^). Andererseits bezog die I.Armee in ihren am 16. Funi auf-
gestellten Angriffsentwurf den rechten Flügelabschnitt der 3. Armee (Aubsrive—Ravarin-Ferme) ein, um den mit den Hauptkräften über die Vesle nach Süden gegen die Marne zu richtenden Angriff in der Ostflanke zu decken. Die Heeresgruppe trat dieser Erweiterung bei; das rechte Flügelkorps der 3. Armee (XII. A. K.) sollte der 1. Armee für den An¬ griff unterstellt werden. Bei einer Besprechung des Generals Ludendorff in Rethel mit den Generalstabschefs der Heeresgruppe, der 7., I. und 3. Armee am
18. Juni wurden die operativen Absichten erheblich erweitert. Oberstleutnant von Klewitz, der Generalstabschef der 3. Armee, lenkte — wie
deren Oberbefehlshaber, Generaloberst von Einem, damals aufzeichnete^) — „durch kluge Zurückhaltung und rechtzeitiges Eingreifen unter Vorlage *) Beide standen östl. von Reims. *) S. 419. 3) S. 369.
4) „Ein Armeeführer erlebt den Weltkrieg", S. 403.
Marneschutz/Reims-Angriff. Erweiterung des Planes.
4ZS
einer sehr plastischen Karte" die Aufmerksamkeit auf eine stärkere Mit¬ beteiligung der Z.Armee. Sie war als offensiv geführter Flankenschütz gegen einen feindlichen Angriff aus östlicher und südöstlicher Richtung
gedacht. Der Generalstabschef der Heeresgruppe, Generalmajors Graf Schulenburg, setzte sich für diesen Vorschlag ein, um die Marne in möglichst breiter Front zu erreichen und an ihr eine einigermaßen gerad¬ linige und von Natur starke Stellungsfront zu gewinnen^). General Ludendorff stimmte zu — entgegen der Ansicht des Oberstleutnants
Wetzell, der auf die dadurch bedingte Verzögerung im Angriff und den
schwer aufzubringenden Kräftebedarf hinwies^). Diesen glaubte General Ludendorff aber aufbringen zu können, und hinsichtlich des Zeitpunktes hatte die 7. Armee ohnehin schon am 17. Juni gemeldet, daß ihre Vorbereitungen vom I. Juli an noch mindestens zwölf Tage erfordern würden. Noch am 18. Juni erhielt die Heeresgruppe Befehl, den Angriff „Reims" auf dem Ostflügel bis zur „Wetterecke", das hieß bis zur Höhe 19b südöstlich von Tahure, zu erweitern. Tags daraus wurde der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht — wie schon erwähnt — mitgeteilt, daß der Marne-
schutz/Reims-Angriff statt am 10., voraussichtlich erst etwa am 15. Juli
beginnen werde^). Am 20. Juni legte die Heeresgruppe ihren Angriffsentwurf 2o.g»ni. vor. Erstes Ziel war die „Abschnürung der feindlichen Kräfte im Reimser
Bergland". Dazu sollte die 7. Armee in überraschendem Stoß die feindlichen Stellungen zwischen Gland und Chambrecy durchbrechen und in Erweiterung der von ihr vorgeschlagenen Ziele die Marne-Abergänge von Epernay und die Höhen südöstlich der Stadt nehmen. Die rechte Flanke war durch Vorstoß bis in die allgemeine Linie Gland—Orbais—Höhen
südlich Brugny, die linke Flanke durch Vordrücken nördlich der Marne wenigstens bis zur Straße Epernay—Chaumuzy zu sichern. Aufgabe der I. Armee war der Durchbruch zwischen Prunay und Auberive und Vor*) gm Zuni zu diesem Dienstgrad befördert. 2) Mitteilung des Gen. Obst. Beck vom Febr. 1941. 3) Gen. Wetzell berichtet darüber in einer Zuschrift vom Okt. 1941: „Während ich bei solchen Ludendorff-Besprechungen grundsätzlich nie das Wort ergriff — ich hielt dies sachlich
für unstatthaft, auch befand ich mich stets in voller Übereinstimmung mit General Ludendorff — geschah dies in Rethel durch den Einwurf, daß dann der Angriff um mindestens acht Tage hinausgeschoben würde und wir auch gar nicht die nötigen Angriffs-Divisionen usw. schnell genug heranbringen könnten, da an der Flandern-Offensive festgehalten würde ... Meinen
Einwurf suchte General Ludendorff damit zu beschwichtigen: «Wir können noch entsprechende
Kampfkräfte freimachen». Die Angriffsverzögerung erschien ihm zunächst bedeutungslos, da die 3. Armee glaubte, in den ersten Juli-Tagen fertig zu werden". 4) Weiteres hierüber S. 440.
Der Wendepunkt der Kriegslage.
436
2o.g«ni. gehen bis über die Marne zwischen Conds und Chalons. Unter Sicherung gegen die Reimser Berge sollte dann ein Vorstoß über die Linie Bouzy— Conds in der Richtung auf Epernay den Anschluß an die 7. Armee bringen.
Die Z.Armee hatte den linken Flügel der Operation zu decken und sich zunächst in Besitz der allgemeinen Linie: Höhen östlich von St. Etienne (12 km nordöstl. von Chs-lons)—Somme-Suippes (4 km südöstl. von
Suippes)—Höhen südöstlich von Perthes zu setzen. Als abschließendes Ziel der ganzen Operation schwebte der Heeresgruppe das Weitertragen des Angriffs südlich der Marne bis in den Raum beiderseits von Vertus vor. Die 7. Armee sollte dabei bis nahe an die Straße Montmirail—Bergsres
(3km südl. von Vertus), die I.Armee noch über die Straße Bergöres— Chklons hinaus nach Süden Raum gewinnen. Der 3. Armee war auch dabei wieder die Flankendeckung nach Osten zugedacht. Sie sollte im Raum nordöstlich von CHZ-lons etwa bis an den Straßenzug Courtisols—
Tilloy—Somme-Tourbe und den Tourbe-Bach vorgehen.
Die dem Angriffsentwurf beigefügte Kräfteberechnung forderte ein¬ schließlich der Stellungs-Divisionen für die 7. Armee 18, für die l.Armee II,, für die 3. Armee 10, insgesamt 39 Divisionen. Hiervon waren 24 Divisionen für das I. Treffen, IS für rückwärtige Treffen bestimmt. Die Heeresgruppe ließ aber erkennen, daß sie damit nicht würde auskommen können. Bei ruhiger Lage an der Westfront der 7. Armee müsse
aus die hinter dieser stehenden fünf Eingreif-Divisionen zurückgegriffen werden; aber auch das werde den eintretenden Bedarf voraussichtlich nicht
voll decken. Es sei daher erwünscht, „starke Kräfte frühzeitig hinter den Angriffsarmeen bereitzustellen, um den Erfolg auszunutzen und ihn wenn
möglich zu entscheidendem Schlage auszubauen". Roch am gleichen Tage antwortete General Ludendorff im ganzen
zustimmend. Er hob hervor, daß „zur raschen Erreichung der Abschnürung des Feindes im Reimser Bergland der 7. und I. Armee von vornherein
das Schließen des Ringes nördlich und südlich der Marne klar besohlen werden" müsse. Beide Armeen hätten in ihrer Stoßrichtung auf Epernay
und südlich so weit vorzugehen, bis die Truppen sich berührten. In bezug aus die weiteren Operationsziele wich der Erste Generalquartiermeister von den Vorschlägen der Heeresgruppe etwas ab: „Wie die Operationen weiterzuführen sind, wird von den eigenen Kräften und sehr wesentlich von dem feindlichen Widerstand abhängen. Es kommt daraus an, den
Feind an Menschen und Material zu schwächen^). Der stärkste feindliche Widerstand wird von Fvre-Champenoise her südlich der Marne zu erwarten sein, weniger vielleicht vor der Angriffsfront der 3. Armee östlich der x) Vgl. S. 425.
Marneschutz/Reims-Angriff. Die Angriffsbefehle.
437
Marne. Die Heeresgruppe wird sich daher in südlicher Richtung mit kleineren Fielen begnügen können und müssen, während nach Südost große.
Fortschritte möglich sind'"). Da die Forderung frühzeitiger Bereitstellung „starker Kräfte" hinter der Angriffsfront sich nur auf Kosten des HägenAngriffs hätte ermöglichen lassen, teilte General Ludendorff mit, daß er, wenn irgend möglich, an der Naht zwischen 1. und 3. Armee rechtzeitig
noch einzelne Divisionen, soweit diese frei gemacht werden könnten, bereit¬ stellen wolle; auch ein von der Z.Armee beantragtes Generalkommando werde demnächst überwiesen werden. Der am 21. Juni ausgegebene Angriffsbefehl der Heeresgruppe trug diesen Hinweisen Rechnung. Von einer Bekanntgabe weiter reichender Operationsziele für die 7. und l. Armee wurde abgesehen, während der 3. Armee das Erreichen der im Angriffsentwurf genannten -Linie besohlen wurde, „um den Marne-Abergang der I.Armee gegen Osten zu sichern".
Die Heeresgruppe betonte weiter: „Schnelle Durchführung des Angriffs ist Grundbedingung für den Erfolg. Die beiden ersten Angriffstage und die erste Nacht sind entscheidend. Die feindlichen Stellungs-Divisionen mit ihrer Artillerie und den örtlichen Reserven müssen am ersten Tage überrannt und geschlagen werden". Dementsprechend schuf die Heeresgruppe bei Prüfung der von den Armeen erlassenen Befehle und Anordnungen volle Klarheit über alle
bevorstehenden Kampsaufgaben, insbesondere über das einheitliche Zusammenwirken sowohl der Armeen wie auch der ihnen unterstellten Verbände. So wurde — mit Zustimmung der Obersten Heeresleitung — die
I. Armee darauf hingewiesen, daß ihre schnelle Vereinigung mit der 7.Armee nur durch unaufhaltsames Vorgehen starker Kräfte zwischen den Reimser Bergen und der Marne nach Westen in der Richtung aus Epernay erzielt werden könne. Gegenüber der 3. Armee betonte die Heeresgruppe — auch hier im Einverständnis mit der Obersten Heeresleitung —, daß 2) Fn dem mit Schreibmaschine geschriebenen Entwurf hatte ursprünglich gestanden: „Bei günstig fortschreitendem Angriff wird die 7. und 1. Armee die ungefähre Linie Surmelin-Abschnitt bis Montmort—Höhen am Südrand des Foret de la Charmoye—
Vertus—Chalons zu erreichen haben. Ob nach Erreichen dieser Linie die Operationen anzuhalten oder in Richtung auf die Aube, vor allem zur Gewinnung der wichtigen
Eisenbahnknotenpunkte Före-Ehampenoise und Sommesous fortgesetzt werden können, oder ob der Schwerpunkt des Angriffs auf die Front der 3. Armee zu legen ist, um
aufrollend südlich der Suippes in Richtung Villers-en Argonne—Ste. M6nehould vorzu¬ stoßen und damit die ganze Champagne- und später Verdun-Front ins Wanken zu bringen, wird erst durch den Gang der Ereignisse, den feindlichen Widerstand und den eigenen Kräfte¬
verbrauch zu bemessen sein". General Ludendorff hat statt dessen eigenhändig die im Text
wiedergegebene Fassung geschrieben.
Der Wendepunkt der Kriegslage.
438
der Schwerpunkt ihres Angriffs auf dem rechten Flügel liege und daß der Zusammenhang mit dem Angriff der l. Armee unter allen Umständen
gewahrt bleiben müsse. Jede Erweiterung des Angriffszieles nach Osten hänge davon ab, wie die Lage sich vor dem rechten Flügel und der Mitte der Armee gestalte; werde darauf keine Rücksicht genommen, so falle der
Gesamtangriff auseinander. Unter dieser Voraussetzung hatte die Heeres¬ gruppe aber auch keine Einwendung gegen die Absicht der Armee, aus ihrem linken Flügel unter Ausnutzung des ersten Schwunges und unter
Mitverwendung der dortigen Stellungs-Divisionen über den Tourbe-Bach bis zur Bionne vorzustoßen; keinesfalls aber dürsten hierzu dem Angriff des rechten Flügels und der Mitte irgendwelche Kräfte entzogen werden. 22. »nv Am 22. Juni befahl die Oberste Heeresleitung/ daß auch die 2?. Ianl.
her 7. Armee Vorbereitungen für schnelle Wiederaufnahme des Angriffs in der zweiten Iulihälfte — das hieß, nachdem die feindlichen
Reserven dort durch den Marneschutz/Reims-Angriff, wie erwartet, weggezogen waren — zu treffen habe, doch dürfe die Abwehr darunter nicht
leiden. Denn bereits seit Einstellung der Blücher-Offensive, Mitte des
Monats, hatten dort französische Gegenangriffe eingesetzt, die noch andauerten und die meist schon geschwächten Divisionen voll in Anspruch
nahmen^).
Besondere Täuschungsmaßnahmen wollte die Heeresgruppe nicht anordnen. Darüber meldete sie der Obersten Heeresleitung am 22. Juni: Den Feind durch Angriffsvorbereitungen auch an anderen
Fronten zu täuschen, erscheine nicht zweckmäßig, da er sonst, durch die Er¬
fahrungen früherer derartiger Versuche mißtrauisch geworden, gerade auf die wirklichen Angriffsfronten hingewiesen werde. Sie beabsichtige lediglich, den gesamten Funkverkehr aller nicht in erster Linie eingesetzten Truppen bis zum Beginn der Operationen gesperrt zu lassen. Um die Verschleierung wirksam zu gestalten, sei es erwünscht, das Gleiche für die ganze Westfront anzuordnen. 2«. g-ni.
Am 26.Juni trat nun aber die Z.Armee mit einem neuen Vorschlag
an die Heeresgruppe heran: In der Annahme, daß die feindlichen Reserven durch die Kämpfe an der Marne abwärts von Chitons gefesselt seien, könne
sich für die 3. Armee als nächstes Operationsziel die Fortsetzung der Offensive in südöstlicher Richtung zur Abschnürung des Bogens von Verdun ergeben. In ihrer Antwort machte die Heeresgruppe daraus aufmerksam, daß es Aufgabe der Armee sei, die linke Flanke der gegen Reims gerichteten Umfassungsoperation und den Marne-Ubergang der I.Armee i) S. 472ff.
Marneschutz/Reims-Angriff. Vorschläge der 3. Armee.
439
zu decken: „Der Schwerpunkt der Z.Armee liegt also aus ihrem Westflügel. Sie wird sich daher zu hüten haben, aus ihrem Ostflügel von vornherein zu weite Ziele zu stecken, um ein Auseinanderreißen unter allen Um¬ ständen zu vermeiden. Ob später eine neue Operation in südöstlicher
Richtung möglich ist und im Anschluß an „Reims" in Frage kommt, muß von der Obersten Heeresleitung besohlen werden". Die Heeresgruppe gab daher den Vorschlag der 3. Armee mit dem erteilten Bescheid am 28.'Iuni an die Oberste Heeresleitung weiter und
fügte hinzu: „Wird der Angriff zur Abschnürung des Verdun-Bogens von der 3. Armee allein unternommen, so hat er sehr geringe Erfolgsaussichten. Auf dem Ostflügel der 3. Armee ist frühzeitig mit sich rasch verstärkendem
feindlichen Widerstand zu rechnen. Der Franzose hat bisher stets seine Verstärkungen gegen die äußeren Flügel der Einbruchsfront herangeführt. In diesem Falle ist das um so wahrscheinlicher, als jeder Fortschritt in südöstlicher Richtung Verdun bedroht. Es wird also bei weiterem Vor¬
dringen der 3. Armee nach Südosten zu schweren, kräfteverzehrenden Kämpfen kommen. Die an sich sehr günstige operative Richtung nach Südosten wird nur dann zu einem großen Erfolge führen, wenn gleich-
zeitig ein starker Angriff aus der Front der Armee-Abteilung C geführt werden kann. Ob hierzu Kräfte zur Verfügung stehen, entzieht sich der
Beurteilung der Heeresgruppe. Fraglos ist, daß ein glücklicher Verlaus des Angriffs «Reims» eine günstige Ausgangslage für eine spätere Umfassungsoperation gegen Verdun schaffen kann". Damit zielte die Heeres-
gruppe offenbar auf Freigabe der für Hagen zurückgehaltenen Reserven für ihre Zwecke ab. General Ludendorfs sprach ihr zwar sein volles Einverständnis auch mit diesen Darlegungen aus, bemerkte aber, daß Kräfte zu gleichzeitigem starken Angriff aus der Front der Armee-Ab-
teilung Cnicht verfügbar seien. Gleiche Ablehnung fand der von der 3.Armee am 2s.Iuni gemachte weitere Vorschlag, zur Ablenkung vom Angriff „Reims" Teilunternehmungen mit je einer frischen Division und starken Artillerie- und Minenwerfer-Krästen beiderseits der Argonnen bei La Harazse (12 Km nördl. von Ste. Msnehould) und bei Vauquois (10 km östl. davon) auszuführen. Immerhin kam die Oberste Heeresleitung diesem Drängen auf Er-
Weiterung der Angriffe über die „Wetterecke" hinaus nach Osten insofern entgegen, als sie amll.Juli die Heeresgruppe um Anweisung an die Armee n.g»«.
ersuchte, „beim Angriff Reims darauf Bedacht zu nehmen, mit den auf dem Ostflügel eingesetzten Stellungs-Divisionen so bald als möglich nach Osten hin Raum zu gewinnen, da wir dort nach den Erfahrungen mit feindlichen Gegenangriffen zu rechnen haben werden". Bei Weitergabe dieser Wei¬
Der Wendepunkt der Kriegslage.
440
sung an die Z.Armee erinnerte die Heeresgruppe nochmals an ihren
früheren Hinweis, „wonach vermieden werden mutz, daß der Angriff aus¬ einandergerissen wird". Die Armee meldete, daß durch die Weisung der Obersten Heeresleitung an ihren Absichten nichts geändert werde. b) Die Entwicklung der Lage an der Angriffsfront
feit Mitte Juni. gw«u«
An der Front der l. Armee, bei-der Mitte Juni General von Mudra
den Befehl übernommen hatte und gleich darauf Oberstleutnant Faupel Generalstabschef geworden war^), herrschte während der ganzen Vorbereitungszeit im allgemeinen Ruhe, ebenso auch bei der Z.Armee. Dagegen wurde die Aufmerksamkeit der 7. Armee durch die Kämpfe an
ihrer Westfront wesentlich in Anspruch genommen^). Diese Front mutzte aber, den Forderungen der vorgesetzten Dienststellen entsprechend, trotz aller Vorstellungen des Generalobersten von Boehn rücksichtslos geschwächt werden, um die Angriffsoperation möglichst stark ausstatten zu können. Andererseits wurde der linke Flügel der Armee, um den Westarm der
grotzen Zangen-Operation in eine Hand zu legen, noch erheblich ver¬ längert. Damit wuchs sie am 17. Juni durch den Rücktritt der Gruppe Schmettow^) zu ihr aus insgesamt acht Generalkommandos mit einer Front von über 120 Kilometern an, und am 29. Juni wurde ihr auch
noch die Gruppe Borne der I. Armee für den Angriff taktisch unterstellt. Dafür gab sie am 5. Juli ihren rechten Flügel von der Oise bis fast an den Ourcq mit drei Generalkommandos an das durch den Friedensschluß mit
Rumänien im Osten frei gewordene Armee-Oberkommando 94) ab und war damit der Sorge wenigstens um einen Teil ihrer nach Westen ge¬
richteten Front enthoben. Sie konnte sich mit vermehrter Kraft ihrer doch
recht schwierigen Hauptausgabe zuwenden.
Anterdessen war nochmals geprüft worden, ob der Angriff nicht bereits zu dem ursprünglich beabsichtigten Zeitpunkts möglich
sei. Dazu hatte die Heeresgruppe am 20. Juni Meldung der drei Angriffs-Armeen darüber verlangt, ob Munitionierung und Artillerieaufmarsch so rechtzeitig beendet sein würden, datz am 10. Juli als Angriffstag i) Visher Genst. Chef des VIII. N.K.; Obstlt. von Klüber wurde Genst. Chef der Armee-Abt. A, deren Genst. Chef zur 9. Armee trat (S. 467). 8) Näheres S. 466 ff. 3) S. 434. 4) Bd. XIII, S. 362.
*) 6.435.
Marneschutz/Reims-Angriff. Weitere Vorbereitungen.
441
festgehalten werden könne, oder ob etwa mit Rücksicht auf die Grippes eine Verschiebung für möglich und nötig gehalten werde. Die l. und 3. Armee glaubten den Zeitpunkt voraussichtlich innehalten zu können, Aufschub wegen Grippe wurde keinesfalls gewünscht. Die 7. Armee dagegen, die infolge vermehrter Transporte zur Z.Armee und geringer
Leistungsfähigkeit einzelner Neubaustrecken mit dem Eisenbahnaufmarsch etwas in Rückstand geraten war, hielt nicht deswegen, wohl aber wegen der Grippe eine Verzögerung bis zu drei Tagen nicht für ausgeschlossen,
hoffte jedoch, sie noch vermeiden zu können; Munitionierung und Artillerieaufmarsch könnten wahrscheinlich rechtzeitig beendet sein. Am 2. Juli aber meldete sie, daß sich die Eisenbahnlage aus bahntechnischen Gründen wie auch infolge von Fliegerangriffen bei gleichzeitiger Mehrbelastung durch Verstärkung ihrer Westfront und Ausfall von Kolonnen wegen Benzin-
mangels scharf angespannt habe; sie halte es für unvermeidlich, den Beginn der Offensive um einige Tage hinauszuschieben. Die Oberste Herresl^itung-setzte daraufhin am 3. Juli den Beginn des Angriffs auf den 13. fest, verschob ihn aber am nächsten Tage endgültig aus den IS. Juli; das war der bereits am 19. Juni der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht
als wahrscheinlich bezeichnete Tag^). Am 6. Juli setzte die Heeresgruppe die Angriffszeiten fest: Beginn des Artilleriefeuers 1", Sturm 450 vormittags.
Je näher der Angriffstag heranrückte, um so mehr wuchs die Spannung. General Ludendorff sah der Offensive „sehr vertrauensvoll", aber — wie es scheint mit Rücksicht auf die Ersatzlage — „auch sehr ernst" entgegen^).
Unerläßliche Voraussetzung für das Gelingen der Offensive war Überraschung und damit strengste Geheimhaltung der Angriffsvorbereitungen. Von Ansang an hatten alle beteiligten Kommandostellen
mit äußerstem Nachdruck daraus hingewirkt und alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen angeordnet, aber keineswegs mit vollem Erfolgs. Auch sielen gerade in den letzten Wochen dem Feinde bei seinen Erkundungsvorstößen *) S. 517. — Bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz litten fast alle Divisionen mehr oder minder an der Seuche, so daß zahlreiche Änderungen in ihrer Verwendung nötig wurden, da ihre Kampfkraft wesentlich herabgesetzt war. Am 13. Juli war die Grippe bei der 18. Armee noch in geringer Funahme, bei der 9., 7. und 1. Armee im Abnehmen, bei
der 3. Armee bewegte sie sich noch zwischen 250 und 700 Fällen je Division. 2) S. 435. 8) Aufzeichnung des Chefs des Feldeisenbahnwesens Oberst Erich Freiherr von Oldershausen vom 7. Fuli 1918 nach einem „langen Gespräch" mit Gen. Ludendorff. 4) Oberst von Oldershausen zeichnete am 13. Juni auf: „Beim Abendessen wird bekannt, daß die gesamte Stabswache bereits weih, daß Seine Majestät morgen Abend zur neuen Offensive fährt. Auch Gegend und Angriffsbeginn ist der Stabswache bekannt".
442
Der Wendepunkt der Kriegslage.
mehrmals Gefangene in die Hand, und an verschiedenen Stellen liefen
einzelne deutsche Soldaten über. Aussagen gefangener Franzosen ließen erkennen, daß dex Gegner wie an anderen Stellen so auch östlich von
Chateau-Thierry und in der Champagne mit deutschen Angriffen rechne: 7« bis lt.Juli.
Im übrigen waren bei der I.Armee am 7. und 8. Juli vor ihrer
nach Westen gerichteten Front lebhafter Zugverkehr, stark belegte Bahnhöfe und in deren Nähe haltende Lastkraftwagen-Kolonnen sowie Ausladungen in Crspy-en Valois, Nanteuil und auf benachbarten Bahnhöfen,, ferner Lastkraftwagenverkehr auf den anschließenden Straßen beobachtet worden. Seitens der Armee lagen aber keine Äußerungen vor, aus denen auf Zweifel am Gelingen der Überraschung an der Angriffsfront geschlossen werden konnte. Auch ergab die weitere Luftaufklärung, die allerdings gerade in diesen Tagen durch das Wetter beeinträchtigt war, keine neuen Anhaltspunkte für eine Vermehrung des Bahn- und Straßenverkehrs im
Hintergelände der anzugreifenden französischen Front. Bei der I. Armee ergab die Lusterkundung am 10. Juli stärkere Be¬ legung der Ortschaften längs der von Troyes über Bitry-le Francis nach
Chs-lons führenden Bahn, insbesondere des Abstellbahnhofs Brienne-le Chkteau und der Abstellgleise südwestlich von Chklons. In einem Armeebefehl vom II. Juli wurde aber festgestellt: „Der Feind hat unsere Angriffsabsichten noch nicht erkannt. Tut er dies noch in den letzten Tagen,
so kommt er mit seinem Aufmarsch zur Abwehr schon zu spät". Gewisse Zweifel, ob das Geheimnis gewahrt sei, konnte vor allem eine Meldung der 3. Armee vom 8. Juli1) über auffallenden Funkverkehr erwecken, der seit mehreren Tagen im feindlichen Hintergelände von Mourmelon-le Grand in der Champagne bis in die Argonnen („anscheinend dort die Funksysteme von vier bis fünf Divisionen") festgestellt worden war. i) Der O. B. der 3. Armee, Gen. Obst, von Einem, verzeichnete in seinem Tagebuch bereits am 7. Juli (a. a. O. S. 414): „Klewitz wehrt sich gegen den Gedanken, der Feind könnte unsere Vorbereitungen bemerkt haben. Ich bin jedoch davon fest überzeugt. Wir haben
gute Fliegernächte, die der Feind fleißig benutzt. Da ferner kein Regen gefallen ist, so sind die Straßen und Felder hart wie Chausseen und die Bewegungen der Kolonnen weithin
hörbar. Sie können dem Franzosen nicht entgehen, der scharf zu horchen pflegt. Außerdem hat er Gefangene gemacht, die diese Bewegungen gehört und gesehen und ihre Schlüsse daraus gezogen haben. Dazu kommt der Umstand, daß aus dem französischen Hintergelände Erdfunkentelegramme vermuten lassen, daß sich dort in vierter Stellung Kräfte sammeln". In einem Brief vom 9. Fuli (ebenda S. 415) heißt es: „Der Feind hat sich uns gegenüber auf Verteidigung eingestellt. Auch vor den anderen Armeen hat er weit zurückliegende Stellungen besetzt. Das mußte so kommen, er mußte ein Mittel erfinden, um uns mit dem
Durchbruch des ersten Stellungssystems aufzuhalten". In so bestimmter Form sind aber dienst¬ liche Meldungen des A.O.K.3 an die vorgesetzten Dienststellen nicht erfolgt, wahrscheinlich
infolge der nicht einheitlichen Auffassung des Oberbefehlshabers und seines Generalstabschefs.
Marneschutz/Reims-Angriff. Die Frage der Geheimhaltung.
44?
Die Armee bemerkte dazu: „Es sei noch nicht zu erkennen, ob der Gegner westlich der Aisne, also in der Champagne, eine operative Täuschung be¬ absichtigt oder rückwärtige Divisionen zur Vertiefung seiner- Abwehr vorgezogen hat. Östlich der Aisne scheint er seine Front vielleicht zu verstärken". Gleichzeitig wurde die „sichere Feststellung" gemeldet, daß der Feind vor dem XII. und XVI. Armeekorps, also vor dem rechten und linken Flügel »«»ls.g»».
der Angriffssront der Armee, seine artilleristische Abwehr vertiefe; zwölf neue Feuerstellungen seien erkannt. Das Armee-Oberkommando gab dazu aber die beruhigende Erklärung: „Diesseitigen Erachtens handelt es sich wahrscheinlich nicht um Verstärkungsartillerie, sondern um zurückgezogene Artillerie der Front-Divisionen". Die neuen Feuerstellungen seien durch unsere Fernkampsartillerie zu erreichen; im übrigen sei nach der Lage des
verhältnismäßig schwachen Störungsfeuers „noch nicht" anzunehmen, daß der Gegner „mit Sicherheit größeren Angriff" in der Champagne erwarte; er treffe Abwehrmaßnahmen, wie das bei der 18. und 7. Armee ebenfalls der Fall sein solle, und handele damit nur im Sinne der von der franzö¬
sischen Heeresleitung herausgegebenen Weisungen für vertiefte Verteidi¬ gung. Die Heeresgruppe trat bei Weitergabe der Meldung dieser Be¬ urteilung bei. Der Gedanke, daß der Gegner etwa — wie es beim Gnei-
senau-Angriff bereits vermutet worden war^) — mit seiner Abwehr plan¬
mäßig ausweichen könne, scheint von keiner Seite berührt worden zu sein. General Ludendorfs selbst schrieb nach dem Kriege: „Ich war mit den Oberkommandos der Angriffsarmeen in dauernder Verbindung. Mir lag vor altem daran, zu wissen, ob nach ihrer und der Truppen Ansicht der Feind Kenntnis von unseren Vorbereitungen hatte. Sie verneinten dies. Nur das Artilleriefeuer an der Marne wurde lebhafter"^.
Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz hatte, wie beim Angriff am Chemin des Dames, auch diesmal die von den Armeen mit Hingabe und
Umsicht geleitete riesenhafte Vorbereitungsarbeit peinlich überwacht. Die Oberste Heeresleitung hatte zwar ununterbrochen genauen Einblick in diese genommen, aber nur selten Veranlassung gehabt, ändernd einzugreifen. General Ludendorff war, wie er selbst schreibt^), von der festen
Überzeugung durchdrungen, daß der Angriff auf der gesunden Grundlage, x) S. 404, Anm. 2) „Meine Kriegserinnerungen", S. 534. — Andererseits zeichnete Oberst von
Oldershausen (vgl.. S. 442) am 14. Fuli auf: „Alles in Erwartung der Offensive. ...
Offensive soll verraten sein". Tatsächlich ist in deutschen Kreisen über die beabsichtigte Offensive vielfach gesprochen und dabei auch der 15. Juli als Angriffstag genannt worden ~ sähe für die Ausbildung der Truppe und das Angriffsverfahren „in allen Einzelheiten voll bewährt" hätten. Von dem in Flandern geübten, den Angriffsschwung lähmenden Anschlußhalten im Votgehen war keine Rede
mehr, denn die Erfahrungen des Blücher-Angriffs gingen dahin: „Stieß man an irgendeiner Stelle der Front weit durch, so kam der Nachbar bald
nach". Erst als der Widerstand sich verstärkte, mußte vorsichtiger verfahren werden.
„Im allgemeinen" — das wurde hier zum ersten Male aus-
*) Gen. Graf Schulenburg schrieb am 19. Juli 1919 in einem der Forsch. Anst. zur Verfügung stehenden Briefe: „Ob unsere letzte Offensive noch unternommen werden konnte, war nur von der Zentralstelle — der Obersten Heeresleitung — zu übersehen, die
allein das Zahlenverhältnis kannte. Vis dahin waren der O. H. L. auf allen Kriegsschau-
platzen alle Angriffe geglückt. Sie war berechtigt, auch auf das Gelingen dieses Angriffs zu hoffen. Er hätte keine Entscheidung, wohl aber den großen taktischen Erfolg gebracht, daß wir in besseren Stellungen an der Marne standen. Hierzu reichten die Kräfte; unser
Mißerfolg lag in dem Verrat (S. 457ff.). Natürlich hätte auch ich gewünscht, daß die O.H.L. damals nicht gleichzeitig den Hagen bei Rupprecht vorbereitete. Sie hätte starke Kräfte hinter die 7. Armee stellen müssen, die gleichzeitig eine Abwehr-Reserve bildeten für einen etwa einsetzenden französischen Gegenangriff. Unsere diesbezüglichen und immer wiederholten Vorstellungen blieben wirkungslos. Aber darin müssen wir ehrlich sein, daß wir uns
für die Ausführung dieses Angriffs eingesetzt haben". Die vorher erwähnten Aufzeichnungen des Gen. Grafen Schulenburg sind erst reichlich zehn Jahre später entstanden. Während sie sonst von der Auffassung des Briefes in manchem abweichen, wird letztere ergänzt durch folgende irtt Juli 1930 in Anlehnung an die Aufzeichnungen dem Neichsarchiv erteilte Auskunft: „In den verschiedensten Telefongesprächen habe ich Ludendorff auf den außerordentlichen Ernst der Lage hingewiesen ... Gründe: Die Heeresgruppe ist nicht stark genug, um mit drei Armeen anzugreifen und gleichzeitig an ungünstigster Stelle eine Abwehrschlacht
schlagen zu müssen. Erschwerend treten die Ausfälle qn Grippe hinzu und die geringen
Gefechtsstärken, weil der Ersatz nicht rechtzeitig und sehr spärlich herankommt. Die Heeresgruppe sei aus allen diesen Gründen nicht in der Lage, die Angriffs- und Abwehrfront so zu bestücken, wie es notwendig ist. Ludendorff verkannte nicht die Gefahr des Angriffs, wenn er vor dem unsrigen erfolge.
Diese Gefahr müsse ausgesessen werden... Ihm sei bisher jeder Angriff geglückt, und auch dieser werde ihm glücken. Die Entlastung an der bedrohten Front von Villers-Eotterets werde sofort eintreten, denn der Feind werde gezwungen, seine Reserven vor die Front der angreifenden Armeen zu werfen ... Meinen Hinweis auf die Grippe und die schwachen
Gefechtsstärken fertigte Ludendorff unwillig mit den Worten ab: Mit schwachen Gefechtsstärken muß sich die Truppe abfinden und Grippe kenne ich nicht". 2) S. 329 f.
Der Wendepunkt der Kriegslage.
446
»i» is.zun. gesprochen — „ist aber zu große Kühnheit weniger schädlich als zu
große Zagheit
1).NurrücksichtslosesZufassenbringtgroßeErfolge.
Man soll deshalb die Ziele nicht zu eng begrenzen und nicht zu ängstlich
nach dem Nachbar sehen". Die Gefechtsstreifen der Divisionen sollten breiter als bisher (2x/2—3 km und mehr) gemacht werden, „um führen zu können"; auch bringe Verdichtung erhöhte Verluste. Weiter hieß es: „Der Angriff erfüllt seinen Zweck, solange er dem Gegner erheblich größere Verluste bringt als uns selbst. Dies ist stets der Fall in den ersten Stadien eines gelungenen Überraschungsangriffs". Je mehr aber der Einsatz feindlicher Reserven fühlbar wird, um so planmäßiger müssen unsere Angriffe sein, „bis der Übergang zur Abwehr für uns zweckmäßiger wird. Geländegewinn um jeden Preis kommt für uns fast nie in Frage. Wir müssen den Feind zerschlagen, uns erhalten". Als wenige Tage später auch die Erfahrungen des Gneisenau-Angriffs vorlagen, hatte die Oberste Heeresleitung diese Weisungen am 13. Juni hinsichtlich der Aberwindung des nach den Anfangserfolgen zu erwartenden stärkeren feindlichen Widerstandes ergänzt: Dieser könne vielleicht nur wie beim ersten Einbruch durch sorgsam geregelten Masseneinsatz von Munition gebrochen werden. Bisher werde die Wirkung immer noch zu sehr von der Zahl der Geschütze statt der Munition erwartet. Die Divisionen vorderer Linie sollten daher zunächst nur ihre eigene Artillerie (Begleit-Bttrn.,
Feldartl.-Negt. und schweres Vatl.) mitnehmen, darüber hinaus als Ver¬ stärkung höchstens ein bis zwei Abteilungen Feldartillerie, eine 10 cm und eine Mörser-Batterie. Weitere Artillerie sei erst dann vorzuführen, wenn der Nachschub gesichert sei. Schließlich wurde — unter anderem mit Rückficht auf den Ernst der Ersatzlage^) — am 25. Juni daraus hingewiesen,
daß es gelte, das bisherige Angriffsverfahren immer weiter zu vervollkommnen. „Unbedingt müssen wir den alten Fehler, in zu dichten Kampsformen anzugreifen, vermeiden und unsere Verluste mit allen Mitteln
einschränken". 2. Die Schlacht^), a) Der Angriff am IS. Juli. »5. g-li.
Am IS. Juli, reichlich eine halbe Stunde nach Mitternacht, setzte gegen
die gesamte, rund 100 Kilometer breite deutsche Angriffsfront französisches Vernichtungsfeuer von großer Heftigkeit ein; es flaute aber bald wieder ab. Um I" begann das Vorbereitungsfeuer der Angriffs-Armeen, an dem 1) Sperrungen seitens der Forsch. Anst. 2) S. 516 ff 3) Gliederung der Angriffsfront am 15. Fuli 1918 morgens (Beil. 38i).
Marneschutz/Reims-Angriff. Der erste Angriffstag.
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rund 6400 deutsche Geschütze und 2200 Minenwerser teilnahmen^). Rund 900 Flugzeuge standen zur Unterstützung des Angriffs bereit. Um 4°° mor¬ gens bei trübem und dunstigem Wetter trat westlich von Reims die Infanterie von zwölf Divisionen, östlich der Stadt die von 15 Divisionen hinter der Feuerwalze zum Sturm an. Vor Reims selber warteten zwei Divisionen daraus, sich dem Vorgehen anzuschließen, 21 weitere standen als II. und III. Treffen zu späterem Einsatz bereit.
Die 7. Armee hatte besonders schwierige Angriffsverhältnisse. Aus der ls Kilometer breiten Front von Gland bis Verneuil war zunächst die Marne zu überwinden, die, bis zu 70 Metern breit und drei bis vier Meter
tief, sich in ruhigem Laus durch ein meist zwei Kilometer breites Tal windet. Aus ihm steigen aus beiden Seiten die vielfach bewaldeten Höhenränder 170 bis 200 Meter auf. Zahlreiche Seitentäler unterbrechen sie. Das be¬ deutendste von ihnen, das des Surmelin-Baches, war dem rechten Flügel
des Angriffs als Ziel gesetzt; nur eine Division hatte zum Schutz der Flanke noch westlich seiner Mündung anzugreisen. Der Waldreichtum des nörd¬ lichen Marne-Ufers hatte die Vorbereitung des Angriffs und die Bereit¬ stellung der Truppen wesentlich begünstigt, andererseits mußten die großen Waldungen des Südufers der feindlichen Abwehr zustatten kommen, deren Gliederung und Anlagen kaum festzustellen gewesen waren. Nicht viel ein¬ facher lagen die Verhältnisse in dem zunächst offeneren, wenn auch eben¬ falls von tiefen Senken (bis zu ISO Metern Höhenunterschiede) durch¬ schnittenen, weiterhin aber mit dem großen Reimser Bergwald bedeckten Angriffsgelände von der Marne nach Norden bis Vrigny. In diesem
Räume schien die Inbesitznahme der weiten Aberblick gewährenden Hoch¬ fläche 263nordwestlich von Damery von besonderer Wichtigkeit. An der Marne-Front hatten die Gruppen Kathen, Wichum und Conta schon seit Beginn des deutschen Artilleriefeuers mit dem bis ins kleinste vorbereiteten Brückenbau und gleichzeitigem Abersetzen von In¬
fanterie begonnen. Der Flußübergang gelang trotz feindlichen Artillerieund Maschinengewehrseuers ohne größere Verluste. Auf dem Südufer stieß dann aber westlich der Surmelin-Mündung der rechte Flügel der
Gruppe Kathen (10. Inf. Div.) an der Straße Fossoy—Crezancy auf Widerstand, den er nicht zu brechen vermochte, östlich der Surmelin-
Mündung drangen Truppen der Gruppen Kathen (36.Ins. Div.) und Wichura (23., 200. und I. Garde-Inf. Div.) unter nunmehr zunehmenden Verlusten durch die Waldungen des Südusers vor. Bis zum Abend er¬
reichten sie die durchschnittlich vier Kilometer südlich des Flusses liegende i) Näheres Beil. 39 e.
448
Der Wendepunkt der Kriegslage.
15.g-ii. allgemeine Linie Paroy—St. Agnan—Comblizy, sahen sich hier aber der französischen II. Stellung gegenüber. Die von der Gruppe Wichura bereits mittags zum Nachfolgen bestimmte bayerische Reserve-Division war
durch Wege- und Brückenschwierigkeiten sowie sonstige Reibungen aus¬ gehalten worden. Die Gruppe hatte 4000 Gefangene gemacht und 42 Ge¬ schütze erbeutet. Weiter östlich war es der 37. Infanterie-Division der Gruppe Conta sogar gelungen, in geringer Breite in die feindliche II. Stellung einzudringen. Hinter ihr hatte die HZ. Infanterie-Division die Marne überschritten und sich dann in schweren Kämpfen ostwärts neben die 37.
gesetzt, während die lO.Reserve-Division zunächst nördlich des Flusses nach Osten vorgedrungen war, ihn dann aber mit zwei Regimentern auf einer un-
zerstörten französischen Kriegsbrücke östlich von Mareuil ebenfalls überschritt. Nördlich der Marne stieß links neben der 10. Reserve-Division die
2. Garde-Infanterie-Division durch die französische Hauptwiderstandslinie hindurch neun Kilometer weit bis gegen die Hochfläche 263 nordwestlich von Damery vor und brachte 1000 Gefangene ein. Auch die links an-
schließende Gruppe Schmettow (195., ins I. Treffen vorgezogene 12. bayer. sowie 22. und 123. Inf. Div., bei den beiden letzteren je eine Abteilung
Panzerwagen) hatte gute Erfolge, durchstieß die hier teilweise von Italienern besetzte Hauptwiderstandslinie ebenfalls und kam bis in die Linie
Belval—Marfaux und nördlich. Im Anschluß daran gewannen Stoßtrupps der öS. Infanterie-Division von der Gruppe Borne gegen „zag-
hasten Widerstand der Italiener'") Gelände bis Clairizet. Am Abend hatte man beim Armee-Oberkommando
den Eindruck,
daß der Gegner seine vordere Stellung planmäßig geräumt habe und trotz einzelner Einbrüche abwehrbereit in seiner stark verteidigten II. Stellung stehe. Bon raschem weiteren Durchstoßen konnte unter diesen Umständen keine Rede mehr sein. Nur in hartem Kampf schien es möglich,
den zähen Feind schrittweise zurückzudrängen. Doch hoffte man, daß der Angriff nach endgültiger Aberwindung der II. Stellung mehr in Fluß kommen werde, „da mit keiner tiefgegliederten strategischen Verteidigung gerechnet werden mußte"^). Die Westfront der Armee war einigermaßen ruhig geblieben. Nur die an diesem Tage einsetzende starke feindliche Luftsperre konnte zu denken geben. Generaloberst von Boehn befahl die un-
verzügliche Fortführung des Angriffs mit voller Wucht. Den Angriff östlich von Reims führten die I. und Z.Armee in
dem vielfach umkämpften Gelände der Champagne mit ihren flachen und meist nur noch spärlich bewaldeten Höhenzügen, einer wasserarmen, un!) Kr. Tgb. des A. O. K. 7.
2) Ebenda.
Marneschutz/Reims-Angriff. Der erste Angtiffstag.
449
fruchtbaren und eintönigen Landschaft mit weißem Kalkboden als Untergrund. Hier bildete der streckenweise vom Aisne/Marne-Kanal begleitete Lauf der Vesle mit vielfach sumpfigem Untergrund vor der 1. Armee ein
nur auf Brücken überschreitbares Hindernis. Weit schlimmer aber mutzte die aus den vergangenen Kriegsjahren stammende, mehrere Kilometer
tiefe, von Grabengewirr und Hindernisanlagen durchzogene Trichterwüste jede Bewegung, besonders von Geschützen und Fahrzeugen, aufhalten, sobald der Angriff Boden gewann. Im ganzen war dieser in einem allmählich gegen Süden sich senkenden Gelände durchzuführen, in dem fast jede Bewegung von weit her einzusehen war. Trotzdem hatte der Angriff der Gruppen Lindequist (-203. und 15. bayer. Inf. Div.), Gontard (3. Garde- und 26. Ins. Div.) und Langer (GardeErs., 199. und 239. Ins. Div.) der I.Armee zunächst Erfolg. Hinter der Feuerwalze überrannte die stürmende Infanterie die vordersten feindlichen
Gräben, obgleich einzelne Maschinengewehre hartnäckigen Widerstand leisteten. Mittags hatte das Armee-Oberkommando den Eindruck, „daß der Angriff planmäßig ablause, wenn auch an einzelnen Stellen die Insanierte infolge stärkeren feindlichen Widerstandes nicht an der Feuerwalze herangeblieben war'"). Die Divisionen zogen ihre Artillerie nach, die aber das Trichterfeld nur langsam überwinden konnte und dabei in deckungslosem Gelände ernste Verluste erlitt. General von Mudra gab Befehl zum Vorrücken der Divisionen des II. Treffens. Bis 2°nachmittags aber zeigte sich, daß der Angriff allgemein liegengeblieben war; nur die 203.
und die 15.bayerische Infanterie-Division am rechten Angriffsflügel hatten die Vesle erreicht. Um 330 befahl General von Mudra Wiederaufnahme des Angriffs. Dieser kam aber nicht wieder in Gang. Es ergab sich auch
hier der Eindruck, daß der Gegner in Erwartung des deutschen Angriffs sich ein breites Vorfeld geschaffen und seinen Hauptwiderstand zurückverlegt hatte. Fortsetzung des Angriffs schien nur nach mehrtägiger planmäßiger Vorbereitung, nicht aber in schnellem Zufassen möglich. Aber 3000 Gefangene waren eingebracht. Bei der 3. Armee griffen das XII. Armeekorps (I. Inf. und Garde-
Kav. Schütz. Div.), I. bayerisches Armeekorps (2. bayer. und 1. bayer. Inf. Div.) und das XVI. Armeekorps (83. und 7. Inf., 33. Res. Div.) an. Da während der Feuervorbereitung ziemlich starker Südwind herrschte, wurden Gasschwaden über die eigenen Stellungen zurück sogar bis zu einzelnen Divisiönsgefechtsständen getrieben. Das Feuer der feindlichen Artillerie blieb zunächst überall schwach. Der Insanterieangriff mußte aber teilweise mit aufgesetzten Gasmasken ausgeführt werden. Trotzdem J) Kr. Tgb. des A. O. K. l. Weltkrieg. XIV. Band.
450
Der Wendepunkt der Kriegslage.
is.g»«. wurde dos Trichtergelände auch hier bei mäßiger feindlicher Gegenwirkung glatt überwunden; vier zugeteilte Panzerwagen-Abteilungen halsen wirksam mit. Im weiteren Verlaus des Vormittags kam die Front aber ebenso wie bei der I. Armee vor der feindlichen Hauptwiderstandslinie zum Stehen. Souain, in das Teile des bayerischen Armeekorps vorüber¬
gehend eingedrungen waren, ging bald wieder verloren. Es zeigte sich, daß die feindliche Artillerie mit zahlreichen bisher unbekannten Batterien weit nach rückwärts gegliedert war. gm Armeebefehl von 10 mittags gab Generaloberst von Einem diese Lage bekannt und befahl den Angriff am Nachmittag planmäßig fortzusetzen. Der Schwerpunkt sollte beim XII. und beim I. bayerischen Armeekorps nach links, beim XVI. Armeekorps nach rechts, also gegen die Linie Souain—Perthes gelegt werden. Die Sturmzeit wurde auf 6° abends
festgesetzt. Als dann kurz nach 20 die Meldung kam, daß die 88. Division des XVI. Armeekorps bei Perthes in die feindliche II. Stellung^) eingeKrochen sei, wurde die 228. Insanterie-Division dem Korps zur Verfügung gestellt, um den Angriff dort weiter vorwärts zu tragen. Neuer Raumgewinn wurde jedoch nicht erzielt. Es blieb bei dem auf 6° abends an¬
gesetzten allgemeinen Angriff. Doch auch dieser brachte, soweit er überHaupt zur Ausführung kam, keinerlei nennenswerten Erfolg mehr. Insgesamt hatte nur der äußerste linke Armeeslügel (33.Res. Div.) sein ver-
hältnismäßig nahegelegenes Tagesziel erreicht. Auf der ganzen Angriffsfront war die Fliegertätigkeit auf beiden
Seiten rege gewesen. Eine Luftüberlegenheit hatten die Deutschen nicht. Besonders bei der 7. Armee und hier wieder in erster Linie an den Marne-
Brücken waren wirksame feindliche Luftangriffe häufig und sehr hinderlich. Ein für die Nacht befohlener Angriff des deutschen Bombengeschwaders 1 gegen Chalons mußte des Wetters wegen ausgegeben werden.
b) Ver zweite Angriffstag, 16. Juli. Bei der Obersten Heeresleitung lagen bis zum Abend des 15. Juli folgende Meldungen vor:
Bei der 7. Armee war der Marne-Übergang geglückt, doch wollte sie ihren
rechten Flügel westlich der Surmelin-Mündung (10. Ins. Div.) nachts wieder über den Fluß zurücknehmen, da seine Lage zu gefährdet war. Ostlich der Surmelin-Mündung bis östlich von Dormans war ein mehrere
Kilometer breiter Streifen südlich des Flusses dem Gegner entrissen. In *) Gemeint war die französische Hauptwiderstandslinie.
Marneschutz/Reims-Angriff. Der zweite Angriffstag.
4SI
der Meldung hieß es weiter: „Die Entscheidung im Kamps um die vom
Feinde zäh und planmäßig verteidigte II. Stellung ist noch nicht gefallen, neigt sich aber an mehreren Stellen, namentlich in der Mitte und auf dem linken Angriffsflügel, zu unseren Gunsten". Bei der 1. Armee war der Angriff nach befriedigenden Anfangserfolgen
zum Stehen gekommen: „Der Gesamteindruck ist, daß der Feind unseren
Angriff erwartet, sich infanteristisch und artilleristisch tief gegliedert, sich ein tiefes Vorfeld geschaffen und seinen Hauptwiderstand in die RömerstraßenStellung gelegt hatte. Gefangenenaussagen bestätigten diesen Eindruck". Die 3.Armee war gleichfalls in der feindlichen Hauptwiderstandslinie auf
heftige Gegenwehr gestoßen, die sie nicht hatte brechen können. Daß außerdem noch vieles mündlich am Fernsprecher berichtet und
besprochen wurde, ist sicher; Aufzeichnungen darüber fehlen aber^). Jedenfalls hatte die Oberste Heeresleitung abends ausreichende Klarheit über die Ergebnisse des ersten Angriffstages. Es stand fest, daß der Gegner auf der ganzen Front mehr oder minder planmäßig ausgewichen war. Die
Erfolge waren daher hinter den Erwartungen erheblich zurückgeblieben. Das schien aber kein Grund, die ganze, mit so großen Mitteln sorgfältig vorbereitete Angrisfsoperation abzubrechen, zumal da von ihrem Gelingen alle weiteren Pläne abhingen. Auch bei der Michael-Offensive hatte der erste Tag keinen vollen Erfolg gebracht; allerdings hatte man jetzt nicht mehr so viel Kräfte einzusetzen wie damals^).
Die Oberste Heeresleitung entschloß sich, die Ziele kürzer zu stecken; sie wollte sich — zum mindesten vorläufig — mit der Abschnürung des
Reimser Bogens begnügen. Sie befahl um Mitternacht zum IS. Juli: „7. und 1.Armee setzen morgen den Angriff fort, 3. Armee nur aus linkem Flügel"; dabei handelte es sich für letztere um eine rein örtliche Ausgabe. Der Hauptdruck sollte aus das Vorgehen der 7. Armee beiderseits der Marne gelegt werden, „um den Gegner zum Ausgeben des Reimser Bogens zu zwingen", während die I. Armee mit ihrem linken Flügel in der Richtung auf Mourmelon-le Petit und le Grand Raum zu gewinnen hatte, „um den ursprünglichen operativen Gedanken, wenn auch in ein-
geschränkter Form, durchzusetzen". Die vorgesehenen Abtransports zur Gen. Ob. von Einem (a. a. O. S. 417) berichtet, er habe abends die Einstellung
des Angriffs befohlen, und Gen. Ludendorff sei damit völlig einverstanden gewesen. 2) Aufzeichnung des Gen. von Kühl vom 16. Juli 1918: „Noch gestern abend riefmich Ludendorff an und war sehr traurig über das geringe Ergebnis (Marneschutz und Reims)... Ich riet Ludendorff trotzdem, den Angriff bei 1. und Z.Armee heute fortzusetzen, und verwies auf den 21. März bei der 2. Armee, wo wir auch nicht vorwärts kamen, am 22. mittags aber kamen wir durch. Aber er meinte, wir könnten die damit verbundenen Verluste nicht
452
Der Wendepunkt der Kriegslage.
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht („Hagen"), darunter zwei InfanterieDivisionen, waren durchzuführen. 16.Juli.
In der Nacht zum 16. Juli nahm die 7. Armee die 10. Infanterie-
Division aus das nördliche Marne-Ufer zurück. Die rechte Flanke des An¬ griffs hatten die Gruppe Kathen und der rechte Flügel der Gruppe Wichura in den bisher erreichten Linien zu schützen. Im übrigen gab der Armeebesehl die Linie der Höhen von Igny (9 km südöstl. von Dormans), Bourfault (8 km westl. von Epernay) und Pourcy (11km nördl. von Epernay)
als nächstes Ziel. Unterdessen setzten aber südlich der Marne, zum Teil schon am Abend des IS. Juli beginnend, nach wuchtiger Artillerievorbereitung ört¬ liche, vielfach von Kampfwagen begleitete feindliche Gegenangriffe ein. Sie wurden zwar blutig abgewiesen, ließen es aber zu weiterem eigenen Angriff nicht kommen; nur bei Chene-la Reine an der Straße Chatillon—Ablois, bei Montvoisin und östlich von Oeuilly gewannen die HZ. Infanterie- und 10. Reserve-Division der Gruppe Conta noch etwas Gelände. Inzwischen
gestaltete sich die Lage dadurch immer schwieriger, daß feindliche Artillerie und Bombengeschwader den Nachschub über die Marne durch Brücken-
Zerstörungen aus das empfindlichste behinderten. Die Instandsetzungsversuche stellten höchste Anforderungen an die Pioniere, die schwere blutige Verluste erlitten. Der General der Pioniere der Armee, General Unver-
zagt, fand hier im Brückendienst den Heldentod. Unmittelbar nördlich der Marne hatte die 2. Garde-Infanterie-
Division ebenfalls starke französische Gegenangriffe abzuwehren, drang aber abends und in der Nacht zum 17. Juli noch bis Tincourt und an den
Waldrand nördlich davon vor. Bei der Gruppe Schmettow löste sich der An¬ griff in unübersichtlichem Gelände in blutige Einzelkämpse aus. Die 195. Infanterie-Division erreichte den Waldrand vor der Höhe 263,die 12. baye¬ rische kam über Belval etwas hinaus. Die 22. Infanterie-Division durchschritt kämpfend den Wald von Courton, die 123., auf deren Flügeln die 103. Infanterie-Division frisch eingesetzt wurde, kam bis vor Pourcy, die 8b. der Gruppe Borne nahm Courmas, verlor aber weiter nördlich den Ort
Clairizet wieder. Insgesamt hatte der Angriff auch hier in besonders schwierigem Gelände nur wenig Raum gewonnen. Bei den Angriffstruppen der 1. Armee verliefen die Nacht und der
Vormittag unter zum Teil heftigen örtlichen Kämpfen und starkem feindlichen Artilleriefeuer. Der auf 11°vormittags angesetzte Angriff gewann daher bei starker feindlicher Gegenwirkung nur unwesentlich Raum. Von einem Schließen der Zange südlich von Reims war man noch weit entfernt.
Marneschutz/Reims-Angriff. Der zweite Angriffstag.
453
An der Front der 3. Armee war die Nacht verhältnismäßig ruhig gewesen. Generaloberst von Einem hatte um 2° morgens auf Grund einer
Weisung der Heeresgruppe befohlen, daß der äußerste rechte Flügel sich dem Angriff der 1. Armee anzuschließen habe; die übrige Front sollte, bis auf eine geringe Stellungsverbesserung im Räume des XVI. Armeekorps,
zur Abwehr übergehen. Die befohlenen Angriffe kamen aber nicht in Gang. Die Kraft der Truppen reichte in keiner Weise mehr aus, den vorbereiteten Widerstand des Gegners zu überwinden. Gefangenen-Aussagen klärten die Lage endgültig dahin, daß der Feind „das Gelände vor seiner II. Stellung
als Hauptwiderstandslinie eingerichtet hat. Artillerie sehr tief gegliedert. Hauptmasse hinter III. Stellung. Nur vereinzelte Batterien (Sturm- und Tankabwehr-Batterien) vorwärts II. Stellung. Nach Gefangenenaussage
hat man mit deutschem Angriff gerechnet und sich darauf eingerichtet. Die Einnahme der großen Tiefengliederung ist erst in den letzten Tagen
erfolgt". o) Die Einstellung des Angriffs. Wie sich der Obersten Heeresleitung die eigene und feindliche is./l?. g»n. Kräfteverteilung an der Angriffsfront darstellte, zeigt eine Lagen¬ karte vom 17. Juli 6° früh. Nach dieser standen südlich der Marne etwa
sechs französische Divisionen acht deutschen gegenüber, an der Ostfront der 7. Armee nördlich des Flusses höchstens vier feindliche, davon zwei italie¬ nische, gegen sieben deutsche. In dem beim Angriff ausgesparten Teil des Bogens um Reims, von Vrigny ausschließlich bis westlich von Prunay, war das Stärkeverhältnis nach Zahl der Divisionen mit etwa vier gegen
vier gleich, während weiter östlich bis Tahure sieben französische elf deutschen gegenüber standen. Insgesamt schien sich also für die eigene Seite immer noch eine Überlegenheit von 30 gegen 21 Divisionen in der Front zu ergeben. Dazu kamen an frischen Reserven deutscherseits lS Divisionen; beim Gegner wurden nur etwa sechs angenommen. Gewiß konnte man bei einem Kräfteverhältnis von im ganzen 45
gegen 27 Divisionen (bei Angriffsbeginn rechnete man mit 47 gegen 231)) den Angriff durchaus fortsetzen, aber er hätte angesichts der starken feind¬ lichen Stellungen erst nach neuer gründlicher Vorbereitung und, da der Gegner leicht noch weitere Reserven heranbringen konnte, nur in der Form einer kräfteverzehrenden Dauer- und Materialschlacht weitergeführt werden können. Die aber wollte man gerade vermeiden. Auch brauchte der Gegner dabei noch gar nicht einmal aus Reserven von der Flandern-
Front zurückzugreifen; denn es standen ihm noch genügend frische Kräfte i) Vgl. S. 444; tatsächliche Stärke des Gegners S. 460.
454
Der Wendepunkt der Kriegslage.
16./17. Juli, an der französischen Front zur Verfügung. Der Zweck des Angriffs wäre also nicht erreicht worden.
So entschloß sich die Oberste Heeresleitung, die Offensive im wesentlichen einzustellen, doch sollte die Stadt Reims selber noch abge¬ schnürt werden. General Ludendorff faßte diese Absichten in folgender von ihm selbst niedergeschriebenen Weisung an die Heeresgruppe zusammen, die am 17. Juli wahrscheinlich in den frühesten Morgenstunden,
hinausging: „1.) Da Feind im Reimser Bogen standhält, hat die Heeresgruppe den Angriff gegen den Bogen noch vor Fortsetzung des Angriffs der I. Armee auf Mourmelon-le Petit und le Grand auszuführen, mit dem Hauptdruck rittlings der Naht der 7. und 1. Armee, schwächerem Druck beiderseits Pompelte^). Möglichst weittragende Artillerie ist dabei zu ver¬ wenden.
2.) Da der Angriff Richtung Mourmelon dadurch hinausgeschoben wird und verstärkter Einsatz von Kräften bei Reims in Frage kommt, ist das Herausziehen der Divisionen aus der Front der 1. und 3.Armee mit allen
Kräften zu fördern. Die feindliche Hauptwiderstandslinie auf der bisherigen Angriffsfront beider Armeen ist unter planmäßigem Zerstörungsfeuer zu halten, und sämtliche artilleristischen Maßnahmen sind so weiterzuführen, daß der Feind weiterhin mit unserem Angriff rechnet".
Unterdessen hatte Kronprinz Wilhelm, offenbar aus Grund mündlicher Weisungen der Obersten Heeresleitung, bereits um 7 45abends am 16. Juli befohlen, den Angriff nur an der Ostfront der 7. Armee nördlich der Marne fortzusetzen, mit dem Ziele, durch schrittweises Vordrücken den Höhenrand Sermiers—Vrigny über dem Reimser Becken zu gewinnen,
um den Gegner dadurch vielleicht doch noch zur Aufgabe dieses Beckens zu veranlassen. Die I.Armee hatte die Artillerie ihres rechten Flügels zu verstärken, um der 7. Armee vorwärts zu helfen. Die ihres linken Flügels
und des rechten der 3. Armee sollte spätere Wiederaufnahme des Angriffs durch ruhiges Ierstörungsfeuer vorbereiten; der Feind müsse in dem Glauben erhalten werden, daß der Angriff auch östlich von Reims weiter-
gehe. »7.gun.
Der 17. Juli verlies an der Westfront der 7. Armee ruhig. Dagegen
richteten sich starke feindliche Angriffe gegen ihre Südfront südlich der Marne. In wechselvollen und erbitterten Kämpfen wurden hier die
deutscherseits erreichten Linien gehalten, stellenweise sogar noch etwas ver¬ *) Ft. de la Pompelle füdöstl. von Reims an der Strahengabel nördlich von Sillery.
Marneschutz/Reims-Angriff. Einstellung des Angriffs.
455
bessert. Über die Lage der an diesem Frontteil eingesetzten acht Divisionen meldete der Generalstabsches der Armee, Oberst Reinhardt, um 530 nach¬ mittags: „Die Feuerwirkung der feindlichen Artillerie war und ist sehr stark, besonders auch gegen die rückwärtigen Verbindungen (Marne-Tal). Das feindliche Artilleriefeuer gegen die Marne-Brücken ist so stark, daß zur Zeit die Zerstörung den Neubau überwiegt. Die Brückentrains bis zu 70% zer¬ schossen. Eine Besserung — falls das Süduser gehalten werden soll — ist
nur möglich durch Fortsetzung des Angriffs. Dazu ist erhebliche Munitio-
nierung notwendig, die auf Schwierigkeiten stößt. Pferdeverluste sind sehr erheblich, desgleichen Materialverluste der Artillerie. Infanteristisch ver¬ spricht der Angriff gegenüber frischen, gleichstarken Kräften mit der zur Zeit eingesetzten Infanterie keinen Erfolg. Die Zustandsmeldungen der In¬ fanterie geben Anlaß zur Beachtung, da nicht nur vordere Teile, sondern auch die Reserven durch Artilleriefeuer und Fliegerangriffe gelitten haben". Diesen Ausführungen, die eindeutig zeigten, daß das südliche Marne-Ufer aus die Dauer kaum zu halten war, schloß sich die Heeresgruppe an, und die Oberste Heeresleitung entschied alsbald: „Die I.Armee hat die planmäßige Zurücknahme der südlich der Marne eingesetzten Kampftruppen vorzubereiten und mir Vorschlag hierüber, bei dem
besonders die zeitliche Regelung klar zu ersehen ist, einzureichen. End¬ gültigen Befehl behält sich die Oberste Heeresleitung vor". Nördlich der Marne gewann der linke Flügel der 7. Armee noch etwas Gelände. Bei der 1. und 3. Armee verlies der Tag ohne wesent¬ liche Ereignisse. Drei Angrisfs-Divisionen vom linken Flügel der l. und von der 3. Armee waren in die Gegend westlich von Reims in Marsch gesetzt, um dort zum Angriff verwendet zu werden.
Unterdessen hatte General Ludendorff am Nachmittag noch eine Be¬ sprechung beim Armee-Oberkommando 1 in Rethel gehabt, an der wahr¬
scheinlich auch General Gras Schulenburg teilnahm. Es hat sich dabei ver¬ mutlich um Unterstützung des weiteren Angriffs der 7. Armee in den Rücken von Reims durch einen solchen der I. Armee etwa aus der Gegend
von Prunay nach Südwesten gegen den Reimser Bergwald gehandelt. Auf diesen Angriff wurde dann aber wegen der dazu erforderlichen 93orbe-
reitungszeit verzichtet^). *) Die Akten enthalten nichts über die Besprechung, aber Gen. Ludendorff erwähnt sie in seinen „Kriegseriltnerungen". Dort heiht es auf S. 536:„Am 17. nachmittags hatte ich Besprechung bei der 1. Armee in Rethel über die Fortsetzung des Angriffs auf Reims. Ich betonte die Notwendigkeit, schnell zu handeln, damit wir auch auf diesem Schlachtfelde in der Vorhand blieben. Aus dem Vortrage des Chefs hörte ich, daß die Vorbereitungen für die Fortsetzung auch dieses rein örtlichen Angriffs recht viel Tage in Anspruch nehmen würden. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich zu bescheiden".
456
Der Wendepunkt der Kriegslage.
d) Die Mahnahmen des Gegners und Betrachtungen. Mitte Juni.
Mitte Juni waren von 30 hinter der französischen Front stehenden Divisionen nur etwa sechs voll angriffsfähig gewesen. General Foch war am 13.Juni der Ansicht, daß — nach der Ver¬
teilung der deutschen Reserven zu schließen — der nächste Angriff sich gegen die britische Front richten werde. Er hielt aber auch einen Überraschungs¬
angriff in Lothringen für möglich. Am ib. Juni rechnete der französische Nachrichtendienst damit, daß die Deutschen noch 56 Divisionen in Reserve hätten, während die verwendungsfähigen eigenen Reserven zu dieser Zeit noch nicht die Hälfte dieser Zahl ausmachten. Das konnte sich erst in einigen Wochen bessern, und es war daher die Frage, ob die Deutschen so lange Zeit lassen würden. Unterdessen war man bestrebt, das Abwehr-
verfahren dem deutschen Angriffsverfahren weiter anzupassen. Im übrigen sollte durch Angriffsunternehmungen die Lage an der Front geklärt und dabei — vor allem im Räume von Soissons — die eigene Stellung weiter
vorgeschoben werden, um diesen, wie man erkannt hatte, für den deutschen
Nachschub zur Marne-Front geradezu entscheidenden Bahnknotenpunkt unter Feuer halten zu können. Die Unternehmungen brachten örtliche Erfolges. Am 30. Juni schienen die deutschen Reserven aus 75Divisionen ge¬ stiegen zu sein, davon 55 frisch oder aufgefüllt. Aber auch die Zahl der hinter der französischen Front verfügbaren Divisionen war aus etwa 40 an-
gewachsen, und hinter der britischen Front standen weitere etwa 30 DiviAnfangg»,i. sionen. In einer Weisung vom i. Juli bezeichnete General Foch als das für die alliierte Front Gefährlichste und darum Wahrscheinlichste entweder deutsches Vordringen auf Abbeville, um das britische vom französischen Heer zu trennen, oder aber aus Paris, was zur Beschießung der Stadt und dadurch zu deren Räumung mit allen ihren Folgen für die weitere Leitung des Krieges führen würde. Man müsse also bereit sein, an der Front von Chateau-Thierry bis Lens jeden Fußbreit Boden zu verteidigen.
Um dieselbe Zeit mehrten sich aber auch die Anzeichen für einen deutschen Angriff an der Marne wie in der Champagne zwischen der Suippes und den Argonnen. Durch übereinstimmende Aussagen von
deutschen Gefangenen und Aberläufern sowie von entwichenen französischen Kriegsgefangenen erfuhr man, daß an der Marne umfassende Vor-
bereitungen zum Abersetzen und Brückenschlag aus 15Kilometern Breite getroffen, daß neue Batterie-Stellungen erkundet und viele Munitionsdepots neu angelegt wurden. In der Champagne werde der Angriff
durch zahlreiche Kampfwagen unterstützt werden; das Einschießen sollte dort schon beendet sein. Als Zeitpunkt für den Angriff wurde der 9. oder '
r)S.467ff.,473.
~~
Marneschutz/Reims-Angriff. Der Gegner.
457
10. Juli genannt. Einige, allerdings sehr unbestimmt gehaltene AgentenMeldungen^) und die Lufterkundung bestätigten die Angaben. Flieger berichteten vor allem über sehr lebhaften Verkehr hinter der deutschen Front an der Marne wie in der Champagne. In den ersten Iulitagen erschien es
daher sicher, daß ein großer deutscher Doppelangriff beiderseits von Reims bevorstehe, während die Stadt selbst ausgespart zu sein schien und durch Abschnürung fallen sollte. Es war aber noch die Frage, ob diese Angriffe die neue deutsche Hauptoffensive sein würden oder nur dazu dienen sollten, von der eigentlichen Angriffsfront abzulenken. Immerhin wurden bei dem
inzwischen beschlossenen Austausch der im englischen Heeresbereich eingesetzten französischen Truppen gegen britische aus den in Flandern frei werdenden Divisionen eine neue französische '9. Armee als Heeresreserve
hinter der Heeresgruppe Mitte (bisherige Hgr. Nord) gebildet und weitere Reserven in den Argonnen bereit gehalten. An der als bedroht angesehenen Front standen von der Heeresgruppe
Mitte, die seit dem 15. Juni General Maistre^) befehligte, der rechte Flügel der ö., die 5. und der größere Teil der 4. Armee. Da die Front der 6.
und des linken Flügels der 5. Armee erst Anfang Juni durch die deutsche
Soissons/Reims-Offensive entstanden war, befand sich der Stellungsbau hier noch in den Ansängen, doch gewährte bei der 6. Armee die Marne starken Schutz. Die übrige Front der 5. und die der 4. Armee lag seit 1914 im großen und ganzen fest, wenn sie auch durch schwere Dauerschlachten bis zum Früh¬
jahr 1917 mehrfache Veränderungen erlitten hatte. Seitdem hatte hier Ruhe geherrscht. Die Stellungen waren dementsprechend stark ausgebaut und tief
gegliedert. Die Hauptwiderstandslinie sollte, den französischen AbwehrGrundsätzen entsprechend, bei allen drei Armeen in einer Zwischenstellung oder in der II. Stellung liegen, davor ein mehr oder minder tiefes Vorfeld. Vom 4. Juli ab waren die über einen bevorstehenden deutschen An-
6,6
griff einlaufenden Nachrichten so zahlreich und übereinstimmend, daß die 10-3s. ga«.
Gruppe Staads seien „nennenswerte kampffähige Teile, soweit bekannt, nicht mehr vorhanden". An der Westfront der 7. Armee sah es bei den Gruppen Watter und Winckler nicht viel besser aus. An der Südfront dieser Armee hatte der Gegner am späten Nachmittag südlich der Marne
die Gruppe Conta, auch hier unter Einsatz von Kampfwagen, vergeblich
angegriffen. Am 19. IUli um 5° morgens setzte das französische Artilleriefeuer auf der ganzen tags zuvor angegriffenen Front mit voller Wucht wieder ein. Weltkrieg. XIV. Band.
libergang der Initiative an den Feind.
482
is.g-li. Beiderseits der Aisne folgten nur schwächere Angriffe. Nördlich des Flusses entstandene Einbrüche wurden bis zum Abend wieder beseitigt. Auch südlich des Flusses auf den Höhen um Vauxbuin konnte sich der
Nordflügel der Gruppe Staads, unterstützt durch flankierende Artillerie vom rechten Aisne-Afer, im wesentlichen behaupten. Weiter südlich aber wurden die wiederum von zahlreichen Kampfwagen und Schlachtfliegern
unterstützten und bis in die Dunkelheit fortgesetzten Angriffe des Gegners nur nach neuen erheblichen Geländeverlusten zum Stehen gebracht. Die zum Gegenangriff unter Generalleutnant von Etzel (Gen. Kdo. des XVII. Armeekorps) in Aussicht genommenen Divisionen mußten einzeln in den Kamps geworfen werden; das Generalkommando übernahm mit» tags eine neue „Gruppe Etzel" zwischen den Gruppen Watter und Winck¬
ler'). In großen Zügen verlies der Kamps folgendermaßen: Der Schwerpunkt der feindlichen Angriffe hatte sich wiederum gegen die Gruppe Watter gerichtet. Hier war der Feind schon im Lause des Vormittags bis an die von Soissons nach Süden führende große Straße durchgestoßen und schien mit vordersten Teilen die Höhen um Buzancy und
östlich von Villemontoire erreicht zu haben. Zum Gegenangriff setzte General von Watter die anmarschierende 20.Infanterie-Division ein, der es gelang, in den späten Nachmittagsstunden wieder bis über Villemontoire
nach Westen vorzudringen. Weiter südlich hatte der Gegner zunächst nicht so weit vorkommen können; erst abends gingen bei der Gruppe Etzel St. Remy und Billy verloren. Die Gruppe Winckler konnte nach ani) Gliederung der Abwehrfront am 19. Fuli mittags (kampfkräftige Divisionen
unterstrichen): von 9. Armee.
Er. Hosmann: 53.R. D. und 14. I. D. Gr. Staads: 6. I. ©., Teile 34. g. D. u. Reste der bisher. Stellungsbesatzung (S.47S); dahinter 7a 46. R. D,, Teile 34. und 211. I. ©. Anrückende Reserven: 76. R. D. von La Mre, 50. R. D. von Chauny, 7a 222. F. D. von 18. Armee. von 7. Armee:
Gr. Watter: 23. g. ©., 3. R. D. und Reste der bisher. Stellungsbesatzung (S. 47s); dahinter 7- 46- R. D., 20. F. D.; im Anmarsch 9. F. D. Gr. Etzel: 10. F. D., 7» 51. + 7, 45. R. D. u. bisher. Stellungsbesatzung (40. F. §>.); im Anmarsch 19. E. D.
Er. Winckler: bisher. Stellungsbesatzung (S. 47s), 7» 45. + 1/:: 51. R. D.; im An¬ marsch 33. g. D. Gr. Schoeler: bisher. Stellungsbesatzung (S. 47s), 5. G. g. D. Anrückende Reserven: 5. Z. D. von Laon.
Zum Antransport bestimmt: 24.R. D., 1. u. 2. bayer. I.D., bayer. E. D.
Zweiter Tag der Abwehrschlacht bei Svissons/Neims.
483
fänglich erheblichem Geländeverlust das linke Ufer des Pudeval-Baches und die Höhen unmittelbar östlich von Neuilly halten. Die vorgesetzten Dienststellen waren über den Stand der Kämpfe im wesentlichen dauernd auf dem laufenden. Die 9. Armee rechnete in vermehrtem Maße mit Übergreifen des französischen Großangriffs auf das nördliche Aisne-Afer, da neu eingebrachte Gefangene ausgesagt hatten, daß dort sieben bis acht Divisionen angreifen sollten. General von Eben ließ daher die Front der Gruppen Woyna und Hofmann durch tiefere Gliederung auf Abwehr eines Großangriffs umstellen und bestimmte zu diesen Gruppen je eine der als Verstärkung anrückenden Divisionen, deren Ansänge aber von den Ausladebahnhöfen Chauny und La Fvre erst am
20. Juli früh die Front erreichen konnten. Doch auch die Lage südlich der Aisne wurde mit Recht als sehr unsicher angesehen; abends meldete die Armee, es müsse damit gerechnet werden, daß die Höhenstellungen bei Mercin und Vaux (unmittelbar westl. von Soissons), die bisher noch ge¬
halten wurden, „wenn nicht schon heute abend, so doch morgen" verlorengehen würden, da frische Kräfte zum Einsatz fehlten. Bei der 7. Armee wies Generaloberst von Boehn in der Mittags¬
meldung daraus Hin, daß die Lage durch die Fortschritte der Franzosen gegen Soissons „schwierig" geworden sei; „Abdämmung dieses Einbruchs stehe allen anderen Aufgaben voran". Aber auch an der eigenen Front schien um diese Zeit durch das Vordringen der Franzosen über Villemontoire Gefahr im Verzuge. Am äußersten linken Flügel bei der Gruppe Schmettow sowie bei der Gruppe Borne der l. Armee mußte ebenfalls mit feindlichem Angriff gerechnet werden. Die Lage drängte, wie es im
Kriegstagebuch des Armee-Oberkommandos heißt, zur Zurücknahme des gesamten zwischen Aisne und Marne liegenden Vorsprungs der deutschen Front, da der feindliche Druck gerade in dessen Rücken und gegen die einzige daraus nach rückwärts verlaufende Vollbahn gerichtet war, die über die Kurve von Sermoise—Missy führte und dort bereits im Wirkungsbereich
feindlichen Fernfeuers lag. Der Abfluß der in jenem Vorsprung eingesetzten zahlreichen Truppen und großen Mengen von Kriegsgerät war äußerst
schwierig. Wenn auch der erste feindliche Gewaltstoß zum Stehen gebracht wurde, so bestand die Krisis doch in unverminderter Schwere weiter, bis die Masse der abzuschiebenden Truppen, Kolonnen und Vorräte aller Art die Vesle hinter sich hatte. Dabei hatte allein die Artillerie der etwa 40 DiVisionen eine Gesamtmarschlänge von ungefähr 600 Kilometern. Hielt die
weitgespannte, schon stark mitgenommene und noch nicht genügend verstärkte Abwehrfront während dieser rückläufigen Bewegungen den erwarteten neuen Angriffen des Gegners nicht stand, so konnte immer noch
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Übergang der Initiative an den Feind.
ts.go«. eine Katastrophe eintreten. Generaloberst von Boehn wollte die Wider¬
standskraft der Front daher durch allmähliche Verengung des Bogens er¬ höhen und den Gegner dabei durch stasselweises Ausweichen immer wieder zu neuem Aufmarsch und Zeitverlust nötigen. Bei der Gruppe Watter, gegen die unmittelbar südlich von Soissons der Hauptdruck des Feindes gerichtet war, war dies allerdings nicht durchführbar, da dort jeder Boden¬
gewinn den Gegner den nach rückwärts führenden Bahnen (Soissons—Laon und Aisne-Tal-Bahn) näher brachte. Da das südliche Marne-Ufer plan¬ mäßig in der kommenden Nacht geräumt werden sollte, konnte aber der
Südflügel der Abwehrfront unbedenklich etwas zurückgenommen werden. Angesichts der bedrohlichen Lage bei der Gruppe Winckler befahl daher Generaloberst von Boehn mittags das Ausweichen der Gruppen Schoeler und Kathen in die Linie Wald 211 (nordöstl. von Bonnes)—Brasles (östl.
von Chateau-Thierry) für die Nacht zum 20. Juli. General Ludendorff war mit dieser Maßnahme einverstanden, sofern sich die Lage bei der Gruppe Winckler nicht wieder festige. Da das der Fall war, unterblieb das Ausweichen, doch wurde wegen des tiefen Einbruchs bei der Gruppe Watter die vorspringende Front der Gruppen Winckler und Schoeler in die allge-
meine Linie Billy—Höhen östlich von Courchamps' zurückgenommen, in welche die Truppen ohnehin schon an mehreren Stellen ausgewichen waren.
Für die etwa notwendig werdende Zurücknahme der gesamten Front der 7. Armee hatte die Heeresgruppe um 4° nachmittags die Erkun-
dung rückwärtiger Stellungen angeordnet, zugleich aber befohlen, daß jedes freiwillige Räumen von Stellungsteilen nach wie vor ihrer Ge-
nehmigung bedürfe; die augenblicklichen vordersten Stellungen seien zu
halten.
Das entsprach durchaus der Auffassung der Obersten Heeres-
leitung. Angesichts der ernsten Lage bei der 9. Armee^) wollte Generalfeldmarschall von Hindenburg keine Truppen mehr in den sich bildenden
Sack hineinschieben, sondern unter Einsatz aller verfügbaren Kräfte, einschließlich der in Flandern frei zu machenden, „den feindlichen Einbruch von Norden her über die Aisne bei Soissons flankierend fassen, um den Gegner dadurch zu zermalmen"^. General Ludendorff lehnte diesen Gedanken aber als zur Zeit unausführbar entschieden ab, vor allem wohl, da der 1) Obst, von Mertz zeichnete schon am 13. Juli 1913 auf: Die 9. Armee schien „ziem-
Uch zu verzweifeln". 2) Gen. Feldm. von Hindenburg: „Aus meinem Leben", gi,st. am 30. und 3l. Juli abgewehrt wurden — am l. August nochmals mit
größter Gewalt an. Anterstützt von zahlreichen Kampfwagen und Flugzeugen brach er im Morgennebel hinter einer starken Feuerwalze gegen die gesamte Südfront der Großen Brückenkopf-Stellung vor. Es kam zu
erbitterten Kämpfen, bei denen sein Ansturm im wesentlichen abgeschlagen wurde.
2./?. Augost.
In der Nacht zum 2. August traten die deutschen Truppen dann, un-
belästigt vom Gegner, den Rückzug hinter die Aisne (9. Armee) und in
die Zwischenstellung (7. Armee) an; Soissons blieb zunächst noch besetzt. Am 3. August stand die Front, ohne daß es zu ernstlichen weiteren Kämpfen gekommen wäre, in der Blücher-Stellung. Dank peinlichster Vorberei¬ tungen — allein über den Unterlauf der Vesle von Conds bis sechs Kilo-
meter oberhalb waren 24 Abergänge, davon zehn Kolonnenbrücken, neu erbaut worden — war es gelungen, Truppen, Fahrzeuge und Gerät so
gut wie ohne Verluste zurückzuführen.
Abwehrschlacht bei Soissons/Reims. Rückzug hinter Aisne und Vesle.
501
Ein südlich der Vesle bei Fismes und östlich noch gehaltener Brücken¬ kopf ging in den nächsten Tagen verloren. Auch gelang es dem Gegner bald, sich an einigen, allerdings unwesentlichen Stellen auf dem nördlichen Vesle-Ufer einzunisten. Insgesamt aber standen 9., 7. und 1, Armee von Fontenoy (westl. von Soissons) bis nördlich von Reims mit 20 Divisionen in der Front — statt 33 nach Räumung des südlichen Marne-Ufers am
20. Juli — in so starker Stellung, daß der Gegner den Angriff über das
Kampfwagen-Hindernis der Aisne und Vesle hinweg nicht fortsetzte.
Die Maßnahmen des Gegners. Mit dem deutschen Rückzug von der Marne war die große Bahn
Paris—Eh»lons—Nancy wieder frei geworden und damit eine der ersten Forderungen des inzwischen von General Foch aufgestellten Gesamt¬ planes^) erfüllt. General Fayolle trieb die 10., 6. und 5. Armee zur Ver¬ folgung an; die Zeit haltzumachen sei trotz aller Ermüdung noch nicht gekommen. Der wiederum vor allem gegen die deutschen Flanken ge¬
richtete Druck brachte jedoch nicht den erwarteten Erfolg. Die Angriffskraft der französischen Truppen war erschöpft^). Inzwischen aber hatte General Pershing erwirkt, daß die französische 6. Armee mit amerikanischen Ver¬ bänden aufgefüllt würde, wobei er hoffte, daß an ihre Stelle unter seinem
Befehl allmählich eine amerikanische I.Armee trete. So befahl General Pstain, jetzt den Hauptstoß mit der 6. Armee zu führen, und zwar gegen die Mitte der deutschen Front auf Fismes—Bazoches. Das Ziel müsse sein, die Deutschen durch ununterbrochene Angriffe nach und nach aus die Vesle zurückzuwerfen. Den amerikanischen Kräften sei dabei die Hauptrolle zu¬ zuweisen, so daß sie gegen den 15. August die ganze Front der S. Armee übernehmen könnten. Der 30. Juli diente der Vorbereitung des weiteren Angriffs, den die S.Armee am 3l.Iuli, die 5. und 10. am I.August wieder aufnehmen sollten. Der 31. Juli brachte nur unbedeutende Erfolge. Am l. August
meldeten die Flieger zahlreiche Brände in Soissons, Fismes und Orten südlich der Vesle; von Mittag an hatten sie den Eindruck, daß die Deutschen Vorräte aus dem Vesle-Tal zurückschafften. Doch blieb der Gelände¬
gewinn des letzten großen Angriffs an diesem Frontabschnitt angesichts des deutschen Widerstandes gering. Bis zum Morgen des 2. August war der
deutsche Rückzug festgestellt. Die Armeen folgten, erreichten am 3. August das Südufer von Aisne und Vesle und begannen den Übergang vorzu¬ bereiten. Am Morgen des 4. stellte ihnen General Petain die Aufgabe, ') S. 546 f. 2) Meldung des Gen. Petain vom 31, Juli (S. 547f.).
Übergang der Initiative an den Feind.
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den Feind auf dem Nordufer zurückzuwerfen, aber „ohne sich unnötigen Verlusten oder einem Mißerfolg mit einem Fluß im Rücken auszusetzen". Da er gleichzeitig weitere Kräfte aus der Front ziehen ließ, war der Angriff
tatsächlich stillgelegt.
General Foch wurde in Anerkennung seiner entscheidenden Verdienste um die erfolgreiche Abwehr des deutschen Angriffs und den wirkungsvollen Gegenangriff — von den Franzosen zusammenfassend „Zweite Schlacht an der Marne" genannt — am 7. August zum „Marschall von Frankreich"
ernannt. Getragen vom Vertrauen des französischen Volkes und Heeres wie von dem der Bundesgenossen, konnte er an die Leitung der weiteren
Operationen gehen.
4 Betrachtungen. l«.g-«bi» B9° '
Z)ie Abwehrschlacht des 18. Juli und der folgenden Tage bis zur Einnahme der neuen Front hinter Aisne und Vesle stellt eine ernste
Niederlage des deutschen Westheeres dar. Insgesamt 59 feindliche Divisionen (dabei 4 britische, I italienische und 8 um je stärkere amerika¬ nische), die nach und nach zum Angriff eingesetzt wurden, hatten einen Sieg errungen gegen im ganzen 65 deutsche Divisionen, von denen allerdings ein erheblicher Teil der bei Beginn der Schlacht in der Front stehenden bereits stark gelitten hatte. Verluste und Beute der deutschen Seite lassen sich nur für die Zeit einschließlich des vorhergehenden deutschen An¬ griffs angeben. Die Verluste betrugen vom 15. Juli bis 2. August etwa
110000 Mann. Die der Gegner zählten 160000 Mamt1). Die Deutschen brachten beim Angriff der 7., 1. und 3.Armee, wie schon erwähnt, mehr als 20000 Gefangene ein, weitere 4000 im Laufe der Abwehrkämpfe. Die Gegner machten etwa 25000 Gefangene und erbeuteten reichlich 600 deutsche Geschütze. Was außerdem noch, vor allem beim Rückzug, an Gerät und Fahrzeugen aller Art sowie an Munition eingebüßt oder ver-
nichtet wurde, ist nicht bekannt. Bei der Obersten Heeresleitung entstand der Eindruck, daß die Truppen am 18. Juli versagt hätten, vor allem, indem sie sich überraschen ließen^), dann aber auch, indem sie nicht bis zum äußersten Wider-
stand leisteten. Durch zahlreiche Berichte und Rückfragen versuchte General Ludendorff die „Schuldfrage" zu klären. Insbesondere fielen die im Ver*) Deutscherseits liegen nur Zahlen für die Zeit vom l l. bis 31. Juli vor, die sich aber mit denen vom 16. Juli bis 2.August ziemlich decken werden. Für den Gegner ist die Zahl dem amtl. franz. Werk entnommen, davon 95000 Franzosen, über 20000 Briten, mehr als
10000 Italiener, reichlich -) Vgl. S. 527.
35000Amerikaner.
Abwehrschlacht bei Soissons/Reims. Vetrachwngen.
503
hältnis zu den Gesamtverlusten ungewöhnlich hohen Gesangenenzahlen (die Franzosen meldeten am 20. Juli bereits 17000) auf. Es ließ sich nachrechnen, daß an den Haupteinbruchsstellen die gesamte Kampstruppe fast restlos sich ergeben haben mußte. Das schien, da nicht wie bei früheren ähnlichen
Gelegenheiten tagelanges Trommelfeuer dem Angriff vorausgegangen war, zunächst nur durch Versagen der Truppe erklärbar. Gewiß mag bei manchen Verbänden ein Nachlassen des Willens zum Kampf bis zum letzten mitgesprochen haben, denn sie waren durch die vorhergegangenen
Dauerkämpfe derart erschöpft, dabei durch Verluste Und Grippe zahlen-
mäßig zusammengeschrumpft, daß sie vielleicht schon deswegen nicht leisten konnten, was von ihnen verlangt wurde. Aber auch über Absinken des
Geistes der Truppen wurde geklagt^). Entscheidend war jedoch das ohne
jede Feuervorbereitung völlig überraschende Auftreten von Kampfwagen in bisher beim französischen Heere noch nicht dagewesenen Mengen und mit einer gegen früher erheblich gesteigerten Schnelligkeit (leichte Wagen bis zu 3 km in der Stunde) und Geländegängigkeit. Sie stießen im Dunst der Morgendämmerung und Qualm der Einschläge einer kräftigen Feuer-
walze sofort tief durch und faßten die deutschen Widerstandsnester im Rücken. Die deutsche Infanterie aber lag am 18. Juli ohne ausgebaute
Stellungen, so gut wie ohne Hindernisse und, statt in einem Deckung ge¬
währenden Trichterfelde, aus noch verhältnismäßig unberührtem Boden. Hohe Getreidefelder, über die aber die feindlichen Kampswagenbesatzungen
hinwegsehen und schießen konnten, behinderten vielfach die Sicht. Daß trotz alledem einzelne Divisionen und Regimenter tapfer und opfermutig bis zum äußersten Widerstand geleistet und dadurch zur Abdämmung des
feindlichen Einbruchs wesentlich beigetragen haben, verdient besondere Anerkennung.
Im übrigen ist der feindliche Einbruch am ersten Tage nicht einmal
so tief in die Front eingedrungen wie bei früheren Abwehrschlachten. Selbst im Frühjahr 1917 an der Aisne und in der Champagne, wo alles
bis zum letzten auf feindlichen Großangriff vorbereitet war, sind die ersten Einbrüche teilweise tiefer gewesen. Im weiteren Verlauf aber ist es den schwachen deutschen Divisionen gelungen, den feindlichen Angriff trotz aller Ungunst der Kampsverhältnisse alsbald abzufangen. Ihre Leistungen unterscheiden sich — vielleicht abgesehen vom 18. Juli selbst —
nicht wesentlich von denen früherer Abwehrschlachten. Der Bogen an i) Gen. von Staads urteilte (nach einer Aufzeichnung bei der Heeresgruppe), daß der Geist der Truppe infolge von Verhetzung, Flaumacherei und zersetzender Kritik (Reichstag, Zeitungen, Flugschriften) gelitten habe, aber auch durch ungenügende Ernährung, und daß die Tiefengliederung bei geringer Kopfzahl der Bataillone zu groß gewesen sei.
504
Übergang der Initiative an den Feind.
1». g-l! big der Marne ist nicht etwa geräumt worden, weil die Front nicht mehr hielt, "8" ' sondern weil die Nachschublage ausreichende Versorgung für längeren
Großkampf ausschloß und die Oberste Heeresleitung durch die Frontver¬ kürzung Kräfte freizubekommen hoffte für Angriffsunternehmungen an anderer Stelle.
Armeeführung und Heeresgruppe haben auf die Gefahren an der Front Soissons—Ehateau-Thierry rechtzeitig und eindeutig hinge¬ wiesen, angesichts der nun einmal feststehenden Operationspläne der Obersten Heeresleitung aber ohne Erfolg. Ein deutliches Nachlassen 'der bisherigen Spannung ist allerdings auch bei ihnen eingetreten, als der deutsche Angriff am 15. Juli begonnen hatte. Daß die 9. Armee an diesem Tage ihren Antrag aus wesentliche Verstärkung geradezu widerrief und die Heeresgruppe dem zustimmte, zeigt völliges Eingehen auf die Gedanken der Obersten Heeresleitung und, vor allem seitens des Generals von Eben,
selbstlose Rücksichtnahme auf die Erfordernisse der Gesamtlage. Daß beides im vorliegenden Falle den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprach, ist von keiner Stelle erkannt worden. Die Führung aller Grade wurde von
dem am 18. Juli früh losbrechenden Ungewitter ebenso überrascht wie die
Truppe. Eine solche Überraschung war aber, ähnlich wie beim britischen Tankangriff im Herbst 1917 bei Eambrai, nur dadurch möglich, daß die neue Angriffswaffe, der Kampfwagen, dem Gegner ein durchaus über¬
legenes, deutscherseits nicht rechtzeitig erkanntes Angriffsverfahren ermöglichte. Der Gegner aber stand seit Wochen angriffsbereit, nachdem er sich in kleineren Unternehmungen allmählich vorwärts gekämpft hatte. So war es ihm möglich, erst am Tage vor dem Angriff die Befehle für diesen
auszugeben und dann ohne jede vorausgehende Artilleriewirkung seine 400 Kampfwagen losbrechen zu lassen, die er bis dahin in den großen
Waldungen jeder Sicht hatte entziehen können. Das war eine Forrtt der Überraschung, gegen die nur ein starkes Kampswagenhindernis Schutz bieten konnte. Ein solches aber fehlte; von den ohnehin wenig wirksamen Tankgewehren war nur eine geringe Zahl, und diese erst seit kurzer Zeit, bei der Truppe. Die Überlegenheit in der Lust war trotz allen Heldenmutes deutscher Flieger auf der an Zahl weit stärkeren Feindseite. Die höhere Führung hatte kampfkräftige Reserven der 1. und 3. Armee am 17. Juli für den Angriff gegen Reims in Marsch gesetzt. Sie mußten statt dessen zum Auffangen des feindlichen Stoßes verwendet werden und kamen dazu am 19. gerade noch zurecht. Daß bei früherer Zuführung frischer Kräfte dem feindlichen Angriff eher und wirksamer Halt geboten worden wäre, kann angenommen werden, wenngleich ernste Einbrüche bei dem überraschenden Masseneinsatz von Kampfwagen wohl kaum ganz zu verhindern
Abwehrschlacht bei SoHsons/Reims. Betrachtungen.
505
waren. Wohl aber wäre vermieden worden, daß die herangeführten Divi¬
sionen durch Transport auf Lastkraftwagen derart zerrissen wurden, daß sie ohne eigene oder überhaupt ohne Artillerie, ohne Gefechtssahrzeuge, ja sogar ohne Offizierpferde und dadurch mit entscheidend verringerter Leistungs¬ fähigkeit in den Kampf geworfen wurden. Frische Kräfte früher bereitzustellen, wäre jedoch nur aus Kosten des Hagen-Angriffs und damit der Gesamtplanung der Obersten Heeresleitung möglich gewesen, und — wenn diese sich entschloß, sie frei zu machen — dann fragte es sich immer noch, ob sie nicht besser zum Gegenangriff von Norden über die Aisne bei Soissons — wie es Generalfeldmarschall von Hindenburg später anregte — bereit¬
gestellt wurden als hinter der bedrohten Front, wo sie lediglich zu frontalem Eingreifen, aber nicht zu entscheidender Wirkung gebracht werden konnten.
Die weiteren Abwehrkämpfe und die Rückzugsbewegungen sind von
der Führung sachgemäß geleitet und von den Truppen geschickt durchgeführt worden. Die hohen Verluste des Angreifers legen dafür wie für die
Hartnäckigkeit des schließlich geleisteten Widerstandes beredtes Zeugnis ab. Ohne ihn wäre ordnungsmäßige Rückführung der im Bogen an der Marne
für den Angriff angehäuft gewesenen Truppen, ihrer rückwärtigen Einrichtungen nebst Gerät und Vorräten aller Art nicht möglich gewesen. Andererseits hätte bei früherem Entschluß zum Ausweichen an frischen Divisionen zweifellos gespart werden können. General Ludendorfs hat sich nur ganz allmählich zu jenem Entschluß durchzuringen vermocht; denn dieser bedeutete die sichtbare Preisgabe aller bisherigen Hoffnungen und Zusicherungen und konnte lediglich aus der schwierigen örtlichen Lage herausführen, ohne damit — wie etwa im Weichsel-Bogen 1914 oder beim Siegfried-Rückzug 1917 — einen Weg
zu aussichtsreicher Lösung der Gesamtaufgabe zu öffnen. So wird man
das Streben nicht verurteilen dürfen, den Rückzug angesichts seiner weitreichenden, auch politischen Wirkungen zu vermeiden, solange das nur irgendwie möglich war.
VII. Die Entwicklung der Gesamtlage
bis Anfang August A. Die Lage der Mittelmächte. J. Allgemeine Lage. Mitte Mal.
Die .; 10. L. T>.
3) S. 516, Anm. 2.
524
Die Entwicklung der Gesamtlage. — Deutschlands militärische Lage.
3*ni/3nit. dem dringenden Ersatzbedarf genötigt gesehen, selbst moralisch minderwertige und bereits vorbestrafte verbrecherische Elemente als Soldaten einzustellen oder zu behalten. Zu dieser Entwicklung paßte es nun in keiner Weise, daß die Ver¬
folgung militärischer Vergehen und Verbrechen im Lause des Krieges zunehmend milder geworden war1), die Todesstrafe überhaupt kaum je angewandt wurde, und Freiheitsstrafen von den Missetätern viel¬ fach gar nicht mehr als Strafe gewertet wurden. Am 8. Juli schrieb daher die Oberste Heeresleitung dem Kriegsministerium, es sei ein „unab¬ weisbares Bedürfnis", der durch die sich häufenden Unbotmäßigkeiten
hervorgerufenen „schweren Gefahr für die Disziplin und die Schlagfertigkeit des Heeres nach Möglichkeit entgegenzuwirken". Sie empfahl, allen Offizieren nachdrücklich zum Bewußtsein zu bringen, daß sie zur Aufrechterhaltung der Manneszucht und zur Erzwingung unbedingten Gehorsams auch vor den schärfsten Mitteln nicht zurückscheuen dürsten, und ersuchte, die Kriegsgerichte dahin anzuweisen, die gesetzlich zulässigen strengen Strafen auch „tatsächlich zur Anwendung zu bringen, um durch exemplari¬
sche Strafen, soweit notwendig auch Todesstrafe, abschreckend zu wirken". General von Stein hatte zwar seinerseits schon Schritte getan, um Anbotmäßigkeiten zu unterdrücken, erließ nunmehr aber am 22. Juli eine,
den Forderungen und Anregungen der Obersten Heeresleitung entsprechende umfangreiche Verfügung, die vor allem auch darauf hinwies, daß der Vorgesetzte nicht nur das Recht, sondern die Pflicht habe, gegen Untergebene nötigenfalls die Waffe zu gebrauchen, und daß alle Strafen
für Freiheits- und Unbotsmäßigkeitsvergehen, soweit sie über sechs Wochen dauerten, in Militär-Gefangenen-Kompanien^) zu verbüßen seien. Die Wirkung dieser Verfügung mußte abgewartet werden.
Auf dem Gebiete der Rüstung hatte sich nichts Wesentliches geändert. Die Erzeugung von Kriegsgerät jeder Art entsprach allmählich durchaus den Forderungen des „Hindenburg-Programms". Allerdings war das nur möglich einerseits — wie schon geschildert — auf Kosten der Ersatzlage von
Heer und Marine, andererseits durch Drosselung der Herstellung von Gebrauchsgütern in einem Maße, das der Lebens- und Arbeitsfähigkeit der Bevölkerung bereits abträglich zu werden begann. Die Versorgung des Heeres mit Kriegsgerät deckte zwar zahlenmäßig weiterhin die gestellten Forderungen, da diese den engbegrenzten Möglichkeiten bereits angepaßt waren, die Beschaffenheit des Geräts aber stand nicht mehr auf 1) 6.30. 2) Ebenda.
Stand der Bewaffnung.
525
der Höhe früherer Jahre. Auf den Gedanken, den Rüstungsstand der Gegner zu erreichen, hatte man bewußt verzichten müssen. Rohstofflage und Zahl der Arbeitskräfte zwangen zur Einschränkung, die für alle mit Motoren arbeitenden Kriegsmaschinen in erster Linie durch Mangel an Treibstoff, aber auch an Gummi und Stahl bedingt war. So stieß weitere
Motorisierung von Artillerie und Nachschub auf unüberwindliche Schwie¬
rigkeiten.
Im einzelnen waren folgende Neuerungen zu verzeichnen: Bei der Infanterie wurde die Zahl der leichten Maschinengewehre aus fünf bei jeder Kompanie erhöht. Die Ausstattung der Artillerie mit ihnen war allmählich beendet, bei den Kolonnen und Trains wurde zur
Fliegerabwehr damit begonnen.
Bei der Panzerwaffe hatte sich der Kampfwagen Modell A 7 V so wenig bewährt, daß man seine Fertigung einstellte und 80 noch vorhandene
Fahrgestelle für geländegängige Lastkraftwagen verwendete. Man beHals sich weiterhin mit erbeuteten englischen Wagen, die technisch am besten ent¬ wickelt waren. Von ihnen waren etwa 170, meist gut erhalten, in deutsche Hand gefallen, während im ganzen nur 20 A 7V-Wagen vorhanden waren.
Zur Panzer-Abwehr war für die Infanterie ein „Tank-Gewehr" (13 mill-Einzellader mit Stahlkern-Geschoß) eingeführt worden, das aber einstweilen nur in ganz geringer Zahl an die Truppe ausgegeben wurde und
durch seine UnHandlichkeit (Verwendung eines besonderen Schietzgestells) und geringe Leistung enttäuschte. Die bisher zur Panzerabwehr ausgegebenen 2cm-Kanonen1) waren, da die Truppe im Angriff mit der ihr wesensfremden Waffe nichts Rechtes anzufangen wußte, im Mai wieder zurückgezogen worden. Selbst der von der Obersten Heeresleitung an erster Stelle als wichtig
anerkannte weitere Ausbau der Luftwaffe hatte in bescheidenen Grenzen bleiben müssen, wenn sich auch der Bau von Flugzeugen dem „Amerika-
Programm"^ näherte. Da aber auch die Gegner die Herstellung inzwischen gewaltig gesteigert hatten, hieß es in einer Denkschrift des Kommandierenden Generals der Luftstreitkräfte vom ö. Juni: „Wir werden uns damit ab-
finden müssen, daß die zahlenmäßige Überlegenheit der feindlichen Luststreitkräfte, wie sie schon seit vier Kriegsjahren bestanden hat, in der Zukunft dauernd zu unseren Ungunsten sich verschieben wird ... Um so notwendiger und dringender ist es für uns, die Stärkung unseres Flugwesens vor allem
in der technischen Entwicklung zu fachen". Einstweilen glaubte man, in dieser dem Gegner voraus zu sein. *) S. 34. 2) 6.36.
526
Die Entwicklung der Gesamtlage. — Deutschlands militärische Lage.
Änderungen der Taktik. »>«««»» g»«,.
Die Kampfvorschristen waren bis Mitte Juli fast ausschließlich für
den Angriff ergänzt worden, denn für die Abwehr^) lagen keine wesentlich neuen Erfahrungen vor. Maßgebend blieben die „Grundsätze für die Führung der Abwehrschlacht im Stellungskrieg" vom Winter 1916/17
nebst gleichzeitigen und späteren Ergänzungen. Die letzteren betrafen in erster Linie die Schaffung der „Eingreif-Divisionen" und des „Vorfeldes", die sich in den Abwehrschlachten des Jahres 1917 ergeben hatte. Ein aus¬
reichendes Mittel gegen planmäßig vorbereitete feindliche Angriffe, soweit diese ein beschränktes Ziel hatten, vor allem wenn sie, wie bei Cambrai 1917,
völlig überraschend mit Tanks geführt wurden, war einstweilen nicht ge¬
funden; solche Angriffe brachten daher fast immer schwere Einbußen an Kämpfern, Material und Gelände.
Die ersten ergänzenden Bestimmungen für die Abwehr seit Beginn der deutschen Westoffensive ergaben sich aus dem Bedürfnis, mit Menschen und Munition zu sparen, damit beides für weitere Angriffe ausreichte. So befahl die Oberste Heeresleitung bereits am 13. April, bald nach Be¬ ginn der Georgette-Offensive, den Gebrauch des Sperrfeuers, das „Massen¬ schießen" gegen Artillerie-Nester und das Störungsschießen einzuschränken. Am 25.Juni nötigten die zunehmenden Ersatzschwierigkeiten sowie dauernde Gefangenen-Berluste an der Westfront der 7. Armee dazu, nochmals auf „elastisches Ausweichen" im Kleinen wie im Großen hinzuweisen. Bei den geringen Frontstärken der Stellungs-Divisionen werde man sich vorne oft
mit „Widerstandsnestern" statt durchlaufenden Gräben begnügen müssen. Bei feindlichem Einbruch sollte „sowohl die höhere wie die untere Führung
sorgfältig prüfen, ob ein Gegenstoß oder Gegenangriff wirklich nötig" sei; oft komme die Truppe schließlich ohne den Besitz eines Gelände- oder
Stellungsteiles aus, zu dessen „Wiedernahme eine nicht ganz überlegte
Führung zahlreiche Menschenleben einsetzen zu müssen glaubte". Das bedeutete entscheidendes Nachlassen gegenüber der bisherigen Forderung, daß bei Abschluß des Kampfes die Stellungen wieder restlos in der Hand des Verteidigers sein müßten.
Die weiteren, auch fernerhin stets mit erheblichen Gefangenenverlusten verbundenen feindlichen Einbrüche an der Westfront der 7. Armee führten s.g»ii. auf Betreiben der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz am 6. Juli zu der Verfügung, die Tiefe des Vorfeldes zu vergrößern: Gegenüber einem Feinde, der unser überraschend einsetzendes Artilleriefeuer nachahme und damit auch ähnliche Erfolge erziele, seien Vorfelder von 100 bis 200 Meter i) Vgl. Bd. XII, 6.38ff.; Bd. XIII, S. 30ff. u. 80.
Neuerungen im Abwehrverfahren.
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ungenügend, sie müßten 600 bis 1000 und mehr Meter tief sein. Je schwächer der Ausbau der Stellungen und je geringer die zugeteilte Artillerie, um so tiefer sei das Vorfeld zu bemessen, in dem sich nur Posten, Feldwachen und Streifen aushalten sollten. Damit ergab sich eine regelrechte „Vorpoften"-Aufstellung, die nur bei kleineren Kämpfen aus der
Hauptwiderstandslinie unterstützt, bei einem „durch Artilleriefeuer planmäßig vorbereiteten Angriff" aber unter „ebenso planmäßigem" Verzicht auf Kampf aufgegeben werden sollte; dabei sei in Iweifelsfällen für Ausweichen zu entscheiden, denn: „Dies kann immer eher in Kauf genommen werden als Verluste bei einer unnötigen Vorfeldverteidi-
gung". Die Hauptwiderstandslinie müsse dann entsprechend zurückverlegt werden.
Der schwere Rückschlag des 18. Juli stellte die Oberste Heeresleitung i«-3»h. vor eine ganz neue Lage. Die Frage der Abwehr trat von Tag zu Tag mehr in den Vordergrund und war unter wesentlich anderen Verhältnissen
zu lösen, als sie der Vorschrift vom Winter 1916/17 zugrunde gelegen hatten. Auf dem größeren Teil des eigentlichen Kampsfeldes zwischen Meer und Argonnen fehlten ausgebaute Stellungen, und der Gegner verfügte in der bedeutend vergrößerten Zahl neuartiger Tanks über ein vorzügliches Mittel zu überraschendem Angriff. Gegen die Überraschung aber, wie man sie jetzt wieder am 18. Zuli erlebt hatte, gab es kein zuverlässiges Mittel; man konnte nur die Wirkung abschwächen. Dazu sollte zwar wie bisher eine vordere Linie nahe am Feinde so lange als möglich festgehalten, der
eigentliche Widerstand aber erheblich weiter rückwärts geleistet werden. Die Schwierigkeit lag dabei einerseits darin, ihn nach Zahl der Kräfte und Tiefe richtig zu staffeln, denn in welcher' Stärke und in welcher Richtung der feindliche Stoß treffen werde, ließ sich nicht voraussehen —,anderer¬
seits darin, daß den Truppen vorderster Linie Ausgaben gestellt werden mußten, die nur von einer gründlich dafür vorgebildeten und sehr festgefügten Truppe einigermaßen befriedigend zu lösen waren. An beidem aber fehlte es. Auch wurden die Aufgaben dadurch noch besonders er-
schwert, daß Stellungen, die zur Verteidigung aufforderten und auch Schutz boten, kaum vorhanden waren? Man befand sich großenteils gar nicht mehr im „Stellungskamps", wenn man darunter den Kamps in Gräben oder Trichtern der früheren Jahre verstand. So wurde es nachgerade nötig, daß die Oberste Heeresleitung, den
veränderten Verhältnissen entsprechend, neue Grundsätze für die Abwehr aufstellte. Sie begann, den täglichen Erfahrungen und Bedürfnissen ent-
sprechend, mit Einzelanweisungen.
528
lg. galt.
Die Entwicklung der Gesamtlage. — Deutschlands militärische Lage.
Am 19. Juli wurde, offenbar beeinflußt durch das am 15. Juli vom
Gegner angewandte Verfahren, daraus hingewiesen, daß das Ausweichen auch in größerem Rahmen vorzubereiten sei; das gelte für den Fall über¬ raschenden feindlichen Großangriffs, wie er vor allem da zu erwarten sei,
wo eine ausgebaute Front noch fehle. Den im Entwurf der Verfügung enthaltenen Satz, daß es in solchem Falle nötig werden könne, in sechs bis zehn Kilometer Tiefe auszuweichen, um den Gegner zu völlig neuem Ausmarsch zu zwingen, hatte General Ludendorfs gestrichen. Den Armeen
sollte überlassen bleiben, wie weit gegebenenfalls auszuweichen sei. Bei den Vorbereitungen könne es sich nur um Erkundungen handeln, „wie
nach den Grundsätzen der Tiefengliederung der Widerstand geleistet werden soll", sowie um Ausführung einzelner dafür wichtiger Arbeiten, vor allem
Vorbereitung schnellen Artillerie-Aufmarsches durch Vermessen und Versteinen zahlreicher Batterie-Stellungen. Mit diesen Anordnungen war der oberen Führung größere Freiheit als bisher gegeben, auf bereits vom Feinde gewonnenes Gelände zu verzichten und den Widerstand, wo es die Gesamtlage erlaubte, weiter nach rückwärts zu verlegen. Während die Oberste Heeresleitung in den Tagen vor dem 18. Juli
schließlich scharf daraus gedrückt hatte, daß die Tiefe des Vorfeldes bei der 7. Armee mindestens 1000 Meter betrage, so daß bei den immer wieder¬
holten Einbrüchen des Gegners, die durch Gegenangriffe nicht ausgeglichen werden konnten, jedesmal Zurückverlegen der Hauptwiderstandslinie nötig tt.rn.i2.3tau wurde, sah sie sich am 22.Juli durch Gegenvorstellungen aus der Front
genötigt^), angesichts der geringen Kopfstärken der Truppen auch Vorfelder von wesentlich geringerer Tiefe wieder zu gestatten. In einer Weisung
vom gleichen Tage wurde dann statt der bisherigen elastischen Abwehr das Auffangen des feindlichen Stoßes in der Tiefe der Stellungen betont: „Wo ein Angriff erwartet wird, ist die Infanterie mehrere Kilometer tief zu gliedern, die Artillerie unter Umständen teilweise so weit zurückzuziehen, daß sie knapp die vordere Linie erreicht", bei tiefem Vorfeld noch weiter. Einbrüche in die vordere Linie, soweit nicht um Geländebesitz gekämpft werde, seien belanglos, wenn sie weiter rückwärts elastisch aufgefangen würden. Gegenüber Großangriffen werde man unter Umständen „ohne Eng¬ herzigkeit in größtem Maßstabe" ausweichen wie die Franzosen am IS. Juli. Den Entschluß, ob gekämpft oder ausgewichen werden solle, fasse aber allein die Führung, nicht die Truppe. Dem entsprach die in der Mitteilung über die Lage an der Kampffront vom 27.Juli2) enthaltene Weisung, die Ein-
greif-Divisionen möglichst außerhalb des feindlichen Feuers zu halten. *) as Nordufer der Vesle endgültig vom Feinde säuberte, blieben über 300 Gefangene, meist Amerikaner, in deutscher Hand. Vor der 1. Armee
wurden Zeichen für feindliche Angriffsabsichten beobachtet, besonders fiel die starke Belegung der französischen Flughäfen aus. ss.A-gust.
Am 28.August setzten die Engländer ihre Offensive gegen die 17. Ar¬ mee bei Arras mit ungebrochener Wucht fort. Das II. bayerische Armee¬ korps wurde beiderseits von Boiry stark bedrängt und in die den Angreifer
flankierende Linie Biache-St. Vaast—Sailly-en Ostrevent zurückgenom¬ men. Der Nordflügel der 2. Armee schlug sich aus dem blutdurchtränkten
Boden der Somme-Schlacht mit wechselndem Erfolg, besonders südwestlich
Ausweichen in die „Winterstellung". Weitere schwere Kämpfe.
583
von Combles um den Besitz von Hardecourt. Der bisher mit vier Divisionen
gehaltene Brückenkops westlich von Poronne war aus Befehl der Obersten Heeresleitung bereits in der Nacht größtenteils geräumt worden. Der linke Armeeflügel sowie die 18. Armee bezogen unter Zurücklassung von Nach-
hüten die „Winterstellung" Psronne—Noyon; der schwer zu verteidigende Stellungsvorsprung von Noyon wurde dem Gegner überlassen'.
Das
XXXVIII. und XXXIX. Reservekorps der 9. Armee wiesen französisch¬ amerikanische Angriffe zwischen Ailette und Aisne ab, nur Chavigny ging
verloren. In der Nacht setzte sich indessen der Feind auch westlich von Coucy aus dem nördlichen Ailette-Ufer und bei Soissons nördlich der Aisne fest. Die Kämpfe hatten besonders der 17. Armee so hohe Verluste ge¬ bracht, daß die Oberste Heeresleitung für die Nacht das Ausweichen ihres linken Flügels sowie des rechten der 2. Armee in eine östlich von Bapaume über Le Transloy nach Psronne verlaufende Linie anordnete. Am 29. August führten die englischen Angriffe gegen die 17. Armee 2g.A°g»st.
zu Einbrüchen westlich von Bullecourt, die im Gegenstoß abgeriegelt wurden. Die südwärts davon stehenden Divisionen schlugen mehrere An-
griffe verlustreich ab. Gegen den zurückgenommenen äußersten linken Flügel der Armee sowie gegen die 2. Armee und die 18. Armee drückte
der Gegner scharf nach; der noch in deutscher Hand befindliche Rest des Brückenkopfes von Päronne ging dabei verloren. Weitere Angriffe gegen die Südhälfte der 2. Armee machte das Fronthindernis der Somme nun-
mehr unwahrscheinlich. Gegen die 9. Armee richtete sich ein französisch-amerikanischer Großangriff. Auf dem rechten Flügel gelang es dem Gegner, den Oise/AisneKanal in breiter Front zu überschreiten und ostwärts Boden zu gewinnen; ein Gegenangriff dreier Divisionen brachte ihn zum Stehen. Weiter süd-
lich brachen Massen, unterstützt von Kampfwagen und Fliegergeschwadern, vor. Die Kämpfe waren außerordentlich schwer, besonders zwischen Ailette und Aisne, wo mehr als 70 zerschossene Tanks von der Wucht des An-
sturms zeugten. Gefangene einer größeren Anzahl französischer und amerikonischer Divisionen bestätigten die außergewöhnlichen Anstrengungen und großen Verluste der Gegner. In der Nacht zum 20. August wurde die
deutsche Front aus dem hart umkämpften Stellungsvorsprung nördlich von Soissons nach Iuvigny—Crouy zurückverlegt. Die schwer erschütterte Armee wurde durch sieben, meist aber auch schon mitgenommene Divisionen gestützt; weitere drei wurden ihr für die nächsten Tage in Aussicht gestellt. Ob die Franzosen ihre Hauptstoßrichtung nach wie vor zwischen Ailette und Aisne gegen die Flanke der 7. Armee richten oder ob sie — was nach
dem Angriff dieses Tages und dem Bau zahlreicher Brückenstege über die
584
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
Ailette auch möglich schien — das Höhengelände von Coucy zu gewinnen trachteten, um damit gleichzeitig die Front der 18. Armee zu bedrohen,
ließ sich noch nicht übersehen. d) Neue Großangriffe. Entschluß zum Rückzug auf die Siegfried-Stellung. ZV. »nd An der gesamten Kampsfront schienen die Gegner ihre Artillerie jetzt zi. August. ^ jpgjf nachgezogen zu haben, daß neue große Angriffe erwartet wurden.
Das feindliche Fernfeuer schlug weit ins deutsche Hintergelände. Nach Erkundungsvorstößen am ZO. August begann am ZI. mittags der Gro߬
kamps. Von diesem Tage ab bis zum 2. September griff der Feind auf der ganzen nahezu 150 Kilometer breiten Front zwischen Arras und Soissons fast ununterbrochen an, wobei er immer neue Divisionen und
Kampfwagen-Massen in die Schlacht warf, deren Schwerpunkte aus den Angriffsflügeln gegenüber der deutschen 17. und 9. Armee lagen. Es griffen an: Das britische Heer in 65 Kilometer Breite mit zweieinhalb Armeen (ZO Inf. und Z Kav. Divn.), die französische Heeresgruppe F a y o l l e in 100 Kilometer Breite mit vier Armeen (56Inf. u. Z Kav. Divn.).
Der Südflügel der britischen 1.Armee hatte Douai als Ziel, die Z. Eambrai, die 4. St. Quentin. Die französische I. Armee war aus Ham an¬ gesetzt, die ?. gegen die Linie Guiscard—Royon, die 10. auf Laffaux; die 6. stand an der Beste bereit, sich dem Angriff anzuschließen. Zwischen Scarpe und Somme waren die Erfolge des Gegners gegen die 17. und 2. Armee am ZI. August gering; um Ecoust (südöstl. von Arras) und Bouchavesnes (nördl. von Psronne) wurde besonders erbittert gerungen, letzteres ging verloren. Bei Bapaume scheiterte ein von Kampf¬
wagen unterstützter Gegenangriff des deutschen XIV. Reservekorps nach anfänglichen Erfolgen. Im übrigen erwehrten sich die 2. und 18. Armee aller Vorstöße; Äbergangsversuche des Gegners über die Oise wurden vereitelt. Doch gewann er im Bereiche der besonders stark angegriffenen 9. Armee Boden gegen den rechten Flügel und in der Richtung aus Eoucy-le Chkteau—Terny-Sorny. Die Verteidigung wurde nachts in die Linie Coucy—Erouy zurückverlegt.
Unterdessen hatte General Ludendorsf „mit Rücksicht aus die ge¬ spannte Lage bei der 9. Armee" bereits vormittags die Zurücknahme des rechten Flügels und der Mitte der 7. Armee hinter die Aisne und in den Romain-Riegel angeordnet, den Befehl aber wegen der Rückwirkung auf den linken Flügel der 9. Armee wie auf die 1. Armee und damit die Lage bei Reims alsbald wieder zurückgenommen. Ausweichen der 9. Armee in
Großkampftage von Arras bis Soissons.
585
die Siegfried-Stellung, das diese vorgeschlagen hattet, lehnte er „mit Rückficht auf die Gesamtlage" entschieden ab. Um örtlichen Einbrüchen zu begegnen, seien Riegel- und Aufnahmestellungen hinter der Armee festzulegen. Am l. und 2. September erreichte die Schlacht ihren Höhepunkt. Am 2^s,p°«mb«r 1. konnte der Gegner nach wiederholten tiesgegliederten Angriffen bei der 2.Armee über den Rord-Kanal hinweg in der Linie Allaines—PvronneFuß fassen. Bei der lL.Arme e lag der Schwerpunkt beim I. bayerischen Armeekorps östlich von Resle, wo es dem Gegner aber trotz höchster Kraftentfaltung nicht gelang, die deutsche Kanalstellung zu durchbrechen. Gegen die neue Front der 9. Armee errangen die Franzosen Erfolge. Bei der 7. Armee versuchten sie wiederum, aber vergeblich, den Abergang über die Vesle zu erzwingen; besonders heftig waren die Angriffe bei Ionchery östlich von Fismes.
Am 2. September führten die Engländer frische Kräfte gegen die 17. Armee vor. Zehn Divisionen, die mit zahlreichen Tanks zwischen dem Sensoe-Bach und Ecoust angriffen, erreichten einen tiefen Einbruch bis Dury—Eagnicourt. Auf dem immer wieder bedrängten Nordflügel der 2. Armee waren neue starke Angriffe im Abschnitt Sailly—P4ronne im Gange, Sailly ging verloren. Südlich davon gewannen die Engländer Boden in der Richtung aus Moislains—Aizecourt-le Haut. Bei der lö. Armee wurden starke, bis in den Abend sich wiederholende Angriffe beiderseits der Bahn Resle—Ham abgewiesen. Der linke Armeeflügel hinter der Oise wurde auch an diesem Tage nicht ernstlich angefaßt und konnte durch flaukierendes Feuer die 9. Armee unterstützen. Gegen diese richtete sich unter Einsatz von mindestens vier frischen Divisionen ein nöuer Großangriff. Der linke Flügel des XIV. Armeekorps mußte in die Linie Praast—Auffrique zurückgebogen werden, um Anschluß an die beiderseits von Leuilly ein-
gebeulte Front des XXXVIII. und XXXIX. Reservekorps zu gewinnen. Die Verhältnisse spitzten sich im Norden wie im Süden der ange-
griffenen Gesamtsront immer mehr zu. Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht hielt es für bedenklich, vorwärts des starken Sumpf- und Kanalhindernisses Sailly-en Ostrevent—Arleux—Havrincourt weiteren i) Vermutlich im Zusammenhang hiermit hatte Gen.Obst. vonBoehn bei Vorlage eines Erkundungsberichtes über die Ham/Ailette-Stellung am 20. August dargelegt: Er habe
„ernste Bedenken, daß das fortwährende Zurückweichen schon ein Gefühl von Unsicherheit und Unterlegenheit bei unseren Truppen hervorgerufen hat, das ernste Folgen zeitigen kann. Wie mir verschiedene Führer berichtet haben, ist die Moral vieler unserer Tmppen nicht mehr auf der Höhe/ die ein schrittweises Zurückgehen, dicht vom Feinde gefolgt, längere Zeit zuläßt. Erfordert die allgemeine Lage eine Verkürzung der Front, so ist es besser,
zunächst längere Zeit zu halten und erst nach Festigung der Front in großem Sprung sich vom Feinde abzulösen".
586
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
2. September. Widerstand zu leisten, und bat, den linken Flügel der 17.Armee nunmehr
in diese von ihr schon vorher als Ausweichlinie vorgeschlagene, gut ge¬
schützte Front zurückführen zu dürfen. Auch die Oberste Heeresleitung konnte sich dem jetzt nicht mehr verschließen. Weiteres Halten der nördlich von P6ronne bereits durch¬ brochenen „Winterstellung" schien ihr damit nicht mehr möglich. Das soeben noch der 9. Armee abgeschlagene Ausweichen auf die SiegfriedStellung war unvermeidlich geworden. Die für eine so einschneidende Maßnähme erforderliche Genehmigung des Obersten Kriegsherrn konnte nicht mehr vorher eingeholt werden. An den ihm zugeteilten Generalstabsoffizier ging ein Fernschreiben des Generalfeldmarschalls, das die Ge-
dankengänge der Obersten Heeresleitung wie folgt darlegte: Der tiefe Einbruch bei der 17. Armee an der Straße Arras—Cambrai mache die Lage dieses Frontabschnittes vor dem breiten Sumpf- und Kanalhindernis un-
haltbar, denn Stützung durch hinreichend frische Kräfte sei nicht möglich. Die Truppen müßten zurückgenommen werden und mit ihnen die angrenzenden Teile der 17. und 2. Armee. Auch sei es wegen des bisherigen
außergewöhnlich starken Kräfteverbrauchs^) nicht möglich, die Heeres¬ gruppen Kronprinz Rupprecht und Boehn „so abwehrstark zu halten, daß sie mit wahrscheinlichem Erfolg in der Lage sind, die weiteren Anstürme des an Zahl und Artillerie überlegenen Gegners in der zur Zeit eingenommenen Linie durchzuhalten". Es wurde daher gebeten, die Heeresgruppe Boehn im Verlauf der nächsten Tage in die alte Siegfried-Stellung — linker Flügel der 9. Armee etwa nach Conds — zurücknehmen zu dürfen;
auch rechter Flügel und Mitte der 7. Armee könnten mit Rücksicht aus die Lage bei der S. Armee nicht mehr an der Vesle verbleiben.
Im Sinne dieser Darlegungen befahl die Oberste Heeresleitung am Abend des 2. September: „Die Heeresgruppe Boehn geht in der Nacht vom 3./4. in die Linie Nurlu—Tincourt—Ham—Chauny zurück, um nach 24 oder 48 Stunden die Rückverlegung in die Siegfried-Stellung durch-
zuführen". Der gleichzeitige Befehl für die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht besagte: „17. Armee beginnt in der Nacht vom
die Zurück-
Verlegung in die Linie Sailly-en Ostrevent—Arleux—Marquion—Kanal¬
stellung. 2. Armee biegt im Anschluß hieran rechten Flügel in Kanalstellung nördlich Psronne zurück. Aus Zurückführung der Artillerie und Das Westheer hatte im August 223000 Mann Eefechtsverluste (S. 608 u. Beil. 42) gehabt (davon 21000 Tote und 110000 Vermißte), an Ersatz hatten nur knapp 120000 Mann zugeführt werden können. — Die Engländer geben an, daß sie allein in der zweiten AugustHälfte bei der „Verfolgung durch die Somme-Wüste" 24000 Gefangene und 270 Geschütze
eingebracht hätten.
Befehl zum Ausweichen in die Siegfried-Stellung. i
587 —
ihrer Munition, auch zerschossener Geschütze und Leermaterials, wird ent¬ scheidender Wert gelegt. Die Heeresgruppe Rupprecht hat die Linie Aubigny^)—Bourlon-Wald—Marcoing^) auszubauen, außerdem eine Stel¬ lung von Havrincourt nach Gouzeaucourt zum Anschluß an die Sieg¬ fried-Stellung im Bereich der Heeresgruppe Boehn ... Ich weise auf
gründlichste Zerstörung sämtlicher Brücken und Straßen hin". Dem Feld¬ eisenbahnchef wurde die Zerstörung der Bahnen aufgetragen. Die Heeres¬ gruppe Deutscher Kronprinz erhielt den endgültigen Befehl, die 7. Armee bis zum Vormittag des 4. September mit rechtem Flügel und Mitte in die Aisne-Stellung und den Romain-Riegel zurückzunehmen.
Während der hier geschilderten Kämpfe zwischen Ärras und Soissons war die Lage bei den übrigen Armeen der Westfront bis auf Pa¬
trouillen-Tätigkeit im wesentlichen ruhig geblieben. Im Bereiche der 4. und 6. Armee war in den Tagen vom 23. bis
30.August in zwei Sprüngen der sorgfältig vorbereitete Abmarsch in die alte Stellung Wytschaete—La Bassel) unbehelligt vom Gegner durch¬ geführt worden. Am 20. August hatte dieser Bailleul, am 3.September auch den Kemmel besetzt. Aufmerksamkeit erforderte die Südfront der Armee-Abteilung C und der rechte Flügel der 19. Armee, wo der Gegner eine dichte Luft¬
sperre aufrechterhielt und in den letzten Augusttagen lebhaftere Tätigkeit zeigte. Der Verkehr zwischen Epinal und Toul und von dort nach Norden nahm zu. Da Nachrichten aus der Schweiz vorlagen, daß der amerikanische Angriff beiderseits der Mosel am 1. September stattfinden würde, hatte
General von Gallwitz für diesen Tag „erhöhte Alarmbereitschaft" besohlen. Ein Angriff erfolgte aber nicht.
2. Die Geptember-Rämpfe vor und in der Giegfried-Gcellung.
Verlust des Sc. Mihiel-Vsgens. Beilagen 27, 29 und 31.
a) Matznahmen und Ereignisse bis Mitte des Monats.
Entwicklung des Abwehrverfahrens. Am L.August hatte die Oberste Heeresleitung neue Weisungen für die Abwehr ausgegeben^). Es ergaben sich aber bald weitere Fragen, x) Östl. von Arleux. 2) Südl. von Cambrai. 3) S. 579 und 581.
4) S. 529 f.
588
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Schlacht um Zeitgewinn.
Bis Anfang die zu Sonderfestsetzungen der Heeresgruppen oder Armeen führten.
Demgegenüber war General Ludendorss bemüht, die Gleichmäßigkeit der
Anschauungen sicherzustellen: „Wir brauchen eine einheitliche Taktik im Heere", sagte eine Verfügung vom 16. August, „Festlegung der Begriffe und allgemein maßgebende Auslegung können nur von einer Stelle er-
folgen. Dies muß die Oberste Heeresleitung sein". Mit möglichst wenig Einzelbestimmungen müsse man auskommen. „Klärung der Grundbegriffe genügt. Im übrigen ist jedem Führer in seinem Rahmen Spielraum zu lassen. Das Gefühl der selbständigen Verantwortung darf dem Führer nicht durch zuviel Eingriffe oberer Stellen genommen werden". Entscheidend für die Weiterentwicklung des Abwehrverfahrens wurde im übrigen der Umstand, daß alle größeren feindlichen Angriffe durch völlig überraschenden Einbruch von Kampfwagen eingeleitet wurden, die, meist unter dem Schutze künstlichen Nebels, tief durchstießen, die Infanterie in Flanke und Rücken faßten und auch in die Artillerie einbrachen. Diese, der Sicht beraubt, kam kaum noch zur Wirkung. Immer wieder waren große Gefangenen- und Geschützverluste die Folge. Auf der Suche
nach geeigneten Abwehrmitteln gegen die Kampfwagens empfahl die Oberste Heeresleitung einerseits Verwendung einzelner Feldgeschütze und Anlage von Minenfeldern, worüber besondere technische Weisungen er-
gingen, andererseits beabsichtigte sie, die Minenwerfer-Formationen in den Dienst der Tankabwehr zu stellen. Die Minenwerfer-Kompanien der
Divisionen sollten allmählich ausgelöst und dafür eine MinenwerferKompanie bei jedem Infanterie-Regiment gebildet werden, die mit drei
mittleren und neun leichten Werfern (diese für Flachbahnschuß umgebaut) sowie neun Tankabwehrgewehren auszustatten war. Ferner wurde der
Infanterie, wie bisher schon, empfohlen, angreifende Kampfwagen durch¬ zulassen und sich gegen die ihnen folgende Infanterie zu wenden. Die Bekämpfung der feindlichen Artillerie vor dem Angriff war, da sich neu eingesetzte Batterien meist nicht mehr durch Einschießen bemerkbar machten, weniger aussichtsvoll als früher. Es schien daher nicht mehr zweckmäßig, die Masse der Artillerie weit vorne einzusetzen. Sie sollte sich grundsätzlich zurückhalten, um nicht vor der Zeit erkannt zu werden:
„Das Streben, die feindliche Artillerie zu bekämpfen, mutz, solange wir
mit Überraschungsangriffen zu rechnen haben, zurückgestellt werden. Zu dieser Artillerie-Bekämpfung und dem Störungsfeuer in das feindliche Hintergelände sind nur Teile, die aus Wechselstellungen schießen, vorüber-
gehend vorzuziehen (Arbeits- und Wandergeschütze)". Doch konnte solch grundsätzlicher Verzicht auf wirksame Bekämpfung der feindlichen Artillerie i) Über Auswahl geeigneter Stellungen vgl. S. 570.
Weiterentwicklung des Abwehrverfahrens.
589
nicht aufrechterhalten werden: „Ein in den Feind hineinreichendes Feuer, das sich gegen lohnende Ziele richtet, wie sie doch auch die Artillerie dar¬ stellt, können wir keinesfalls entbehren" — sagte eine am l. September
hinausgehende neue Weisung —; „wir werden sonst dem Feinde den Auf¬
marsch zum Angriff und den Angriff selbst außerordentlich erleichtern". Hier blieb ein schwer zu lösender Widerspruch. Ein tiefes Vorfeld hatte sich zur Sicherung gegen feindliche Über¬ raschungsangriffe bewährt. Sonderweisungen einzelner Armeen, die von den Vorfeldbesatzungen grundsätzlich längeren Widerstand verlangten, wies
die Oberste Heeresleitung zurück: Die Führer im Vorfeld sollten die klare Weisung haben, „so viel Zeit zu gewinnen, daß, auch bei Überraschungs¬ angriffen, die hinteren Truppen sich gefechtsbereit machen können"; es sei ihre Sache, wie sie das ausführten. Aber auch ohne Vorfeld müsse die Abwehr gesichert sein: „Bei lange andauerndem Kampf... kann nicht jeden Tag ein neues Vorfeld bestimmt werden. Die Truppe hat in solcher Lage ibre vorderste Linie zu halten. Dies muß sie wissen, sonst weicht sie gegen den Willen der Führung aus und erklärt preisgegebenes Gelände als geräumtes Vorfeld. Dies kann aus taktischen und darf aus moralischen
Gründen nicht zugelassen werden". Endlich verlangten die neuen Kampfverhältnisse — wie die Oberste
Heeresleitung am 25.August mahnte — „neben unmittelbarer straffster
Gefechtsführung schnelle durchgreifende Entschlüsse" und damit häufig persönliches Eingreifen der höheren Führer. Das sei aber „nur möglich, wenn die Führer das Gefecht übersehen; Divisionskommandeure und Kommandierende Generale gehören auf das Schlachtfeld wie im Be¬
wegungskriege". Fortgang der Kämpfe. Am rechten Flügel der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht, deren 4. und 6. Armee seit dem 30. August mit Teilen in die Sehnen¬
stellung Wytschaete—La Bassee ausgewichen waren, fanden vorerst keine wesentlichen Kämpfe statt; die Nachhuten hielten sich bis zum 6. September im Vorgelände, von da ab fochten sie im Vorfelds der neuen Stellung.
Der feindliche Hauptdruck lag zunächst beiderseits von Rossignol, später bei Vpern. Auch die 17. Armee hatte Ruhe, nachdem ihr linker Flügel in der Nacht zum 3.September vom Gegner unbehelligt in die Linie
Sailly-en Ostrevent—Arleux und weiter hinter den Nord-Kanal zurück¬ geführt worden war.
Im Anschluß daran war bei der Heeresgruppe Boehn der rechte Flügel der 2.Armee ebenfalls hinter diesen Kanal ausgewichen. Als un-
590
2519
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
gefahren Verlauf der künftigen Siegfried-Stellung hatte Generaloberst von Boehn, möglichst unter Ausnutzung der alten deutschen Vorpostenund früherer englischer Gräben, die Linie Trescault—Cpehy—Hargicourt
—Dallon—Moy—La Fere—Barisis—Laffaux—Conds bestimmt, hier Anschluß an die Aisne-Stellung der 7.Armee. Das Ausweichen in diese Linie sollte nach einem Befehl vom 2. September in drei Sprüngen erfolgen. In der Nacht zum 4. September hatte die 2. Armee in die Linie Cquancourt—Nurlu—Tincourt—Monchy-Lagache, die 18. anschließend in die
Ham—Chauny-Stellung, die 7. in die Aisne-Stellung zurückzugehen; die 9. Armee sollte stehenbleiben. In der Nacht zum 5.September sollte die 2. Armee — diese nur notfalls — in die Siegfried-Stellung, die 18. in
die Linie Caulaincourt—St. Simon—Crozat-Kanal, die 9. in die Sieg¬
fried-Stellung zurückgeführt werden, in der Nacht zum 6. September dann auch die 2. und 18. Armee in diese einrücken. Nachhuten unter aus-
gesuchten älteren Führern hatten in der Linie Equancourt—Caulaincourt —St. Simon—Tergnier—Coucy—Vregny Widerstand zu leisten, um den
Gegner möglichst lange von der noch recht ausbaubedürftigen SiegfriedStellung fernzuhalten; nur gedrängt und kämpfend durften diese Nachhüten bis in das vorher von anderen Truppen zu besetzende Vorfeld dieser
Stellung zurückgehen. Die Nordhälfte der 2. Armee, der rechte und linke Flügel der 18. und ebenso der 9. Armee waren als vor allem gefährdete
Frontabschnitte mit besonders kampfkräftigen Divisionen zu besetzen. Von den einzusparenden Divisionen hatte die 18. Armee mindestens drei noch kampfkräftige hinter die 2. Armee zu verschieben. Dieser Befehl mußte aber auf Veranlassung der Obersten Heeresleitung bereits am folgenden Tage, 3.September, geändert werden, da der Feldeifenbahnchef meldete^), daß die Rückführung der unbedingt zu bergenden Vorräte nicht so schnell vor sich gehe, wie die beteiligten Armeen angenommen hatten. Diese Rückführung aber war — wie General
Ludendorff zwei Tage darauf betonte — wichtig genug, um dafür zu
kämpfen. Die Nachtruppen sollten nunmehr möglichst lange in der SommeLinie Peronne—Ham und westlich von Ham—Chauny verbleiben, dann die Linie Nurlu—Monchy-Lagache—Ham—Chauny—Coucy—Vregny bis etwa zum 6. September halten und nur bei stärkeren Angriffen schritt-
weise auf die Siegfried-Stellung ausweichen. Der am 3.September beginnende Rückzug wurde vom Gegner zu-
nächst nicht bemerkt und vollzog sich im großen ganzen in der vorgeschriebenen Weise. J) Mitteilung des Genlts. von Oldershausen vom Jan. 1943.
Das Ausweichen in die Siegfried-Stellung.
591
Bei der nur wenig zurückgenommenen 17. Armee folgte nach dreizehntägiger Abwehrschlacht eine Großkampfpause, in der der Feind nur örtliche Angriffe führte. Die Nachhuten der 2. und 13. Armee gingen erst in der Nacht zum S. September in das Vorfeld der Stellung Havrincourt— Nurlu—Ham—Chauny, die 9. Armee in die Linie Amigny—Barisis— Conde zurück. Der 5.September brachte allen Armeen Nachhutkämpfe. In der Nacht zum 6. führten der linke Flügel der 17. und die 2. Armee den Abmarsch in die Siegfried-Stellung durch. Bei der 13. Armee, die
den weitesten Weg zurückzulegen hatte und ihre Front dementsprechend jeweils am stärksten absetzen konnte, faßte der Feind aber schon am 7. Sep¬ tember bei St. Simon aus dem Ostuser des Crozat-Kanals Fuß. Die 9. Armee hatte in der vorhergehenden Nacht rechten Flügel und Mitte in die Siegfried-Stellung zurückgebogen, südlich davon hielt sie eine auf
Conds verlaufende Riegelstellung, westlich von Bailly hatte sie Anschluß an die 7. Armee. Ihre neue Stellung war bis zur Ailette genügend stark, die Riegelstellung dagegen nur wenig ausgebaut und von geringer natür-
licher Widerstandskraft. Am 7. September hatten alle Armeen mit ihrer Masse das Gebiet der Siegfried-Stellung erreicht. Nachhuten standen in der ungefähren Linie Metz-en Couture (öftl. von Bapaume)—Roisel— St. Simon—Crozat-Kanal—Barisis. Damit befanden sich die Armeen der Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Boehn annähernd wieder in den Stellungen, aus denen sie im Frühjahr zum Angriff vorgebrochen waren. Anschließend an die 9. Armee war die 7. Armee der Heeresgruppe
Deutscher Kronprinz planmäßig und ohne Störung durch den Gegner in der Nacht zum 4. September hinter die Aisne und in den Romain-
Riegel zurückgegangen. Nachhuten standen abends noch einige Kilometer südlich der Aisne. Bon Breuil bis Reims blieb die Besle-Stellung besetzt. Der Feind rückte nur zögernd nach. An der Besle und ostwärts bis zu den Argonnen herrschte Ruhe. Die Heeresgruppe meldete an diesem Tage: Der rechte Flügel der 7. Armee bilde jetzt einen Teil des vermutlichen Zieles weiterer feindlicher Großangriffe zwischen Ailette und Aisne, die bisher vor¬ gebogene Mitte der Armee sei entlastet, dagegen sei der Romain-Riegel und besonders die Stellungsecke an der Besle der gegebene Angriffspunkt für den nachdrängenden Feind. Bei der 1. und Z.Armee sei die Lage unver¬ ändert, wenn auch Bewegungen beim Gegner, andauernde Vergrößerung der Flughäfen sowie neu austretende Batterien Beachtung verlangten.
Insgesamt schien nunmehr Aussicht vorhanden, auf dem rechten Flügel und in der Mitte des Westheeres wenigstens eine zeitweilige Ruheläge zu erreichen. Dagegen nahmen die Dinge an der Mosel einen immer
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Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
7.s«pt»mb« ernsteren Charakter an. Am 1. Septembers hatte General Ludendvrff
der Heeresgruppe Gallwitz gedrahtet: „Die Nachrichten, daß die Ameri¬ kaner zu beiden Seiten der Mosel auf Metz vorzustoßen beabsichtigen, mehren sich". Die Heeresgruppe sollte eine Division an die Naht zwischen Armee-Abteilung Cund l 9. Armee heranschieben und sich zur Unterstützung der 19. Armee bereit halten, der die Abwehr im Mosel-Tal oblag. Ihre Bitte um Ausdehnung der Heeresgruppenfront bis an die Mosel wurde
abgelehnt. Die Heeresgruppe Herzog Albrecht wurde ermächtigt, über die hinter ihr abgestellten Reserven unter Meldung an die Oberste Heeres-
leitung zu verfügen. Am 3.September legte die Heeresgruppe Gallwitz Erwägungen der Armee-Abteilung Cüber etwaige Zurücknahme der Front aus dem
St. Mihiel-Bogen in die Michel-Stellung vor, wie dies auch schon früher mehrfach erwogen worden war. Aber weder die Heeresgruppe noch die
Oberste Heeresleitung sah die Lage einstweilen als so bedrohlich an, daß ein Ausweichen in Frage käme 2).
Auch die Heeresgruppe Herzog Albrecht bezeichnete am 7. September die Lage als noch undurchsichtig. Aus verstärktem Verkehr beiderseits der Mosel könne nicht mit Sicherheit auf einen bevorstehenden Angriff geschlossen werden. In den Vogesen war die Lage vor der Armee-Abteilung Aunverändert, ein Angriff war hier unwahrscheinlich. Nicht ausgeschlossen schien er im Ober-Elsaß bei der Armee-Abteilung B. Die Lage des linken Heeresflügels zwischen den Cötes Lorraines und der Schweizer Grenze erforderte aber in Anbetracht der hohen Gefahr, die mit einem Durchbruch überlegener Kräfte in der Lothringer Senke
verbunden war, gespannteste Aufmerksamkeit und Vorbereitungen für alle Fälle. Die Oberste Heeresleitung hatte daher bereits seit einiger Zeit begonnen, Reserven hinter dem linken Flügel der Heeresgruppe Gallwitz und hinter der Heeresgruppe Herzog Albrecht zu versammeln. Vom 19. August bis 7. September wurde, neben Zuweisung einer InfanterieBrigade aus dem Osten, die Zuführung von elf Divisionen des Westheeres dorthin befohlen, während nur zwei von dort abbefördert wurden.
Inzwischen hatte General Ludendorff am ö. September an die drei
Heeresgruppen des rechten Flügels nach einer Besprechung mit deren Generalstabschess auch eine Anweisung für den Bau einer neuen rückwärtigen Stellung^) ergehen lassen, für die folgende „teilweise ausge!) Vgl. S. 575 und 587.
-) Näheres S. 597 ff. 3) Beil. 27a, vgl. auch S. 569f.
Befehl zum Ausbau einer rückwärtigen Stellung.
593
bauten, vielfach aber nur im Gelände erkundeten" Linien in Betracht kämen:
für Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht „Flandern II"- und „Wotan III"Stellung bis Bouchain, von dort „Siegfried IV"-Stellung, für Heeresgruppe Boehn „Siegfried IV"- und „Hunding"-Stellung, für Heeres¬
gruppe Deutscher Kronprinz „Hunding/Brunhild/Argonnen"-Stellung, auch „Gudrun"-Stellung genannt. Von diesen Stellungen, die durchschnittlich nur 15 bis 20 Kilometer hinter den zur Zeit gehaltenen lagen, war nur die letztgenannte, im Sommer 1917 erbaute, und auch diese nur teilweise, vorhanden. Auch war an ihr seit Beginn der Angriffsvorbereitungen im Winter 1917/18 nichts mehr geschehen, sie war daher vielfach bereits verfallen. Die übrige Linien-
führung wurde auf Vorschlag der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht, da sie von den jetzigen Stellungen nicht genügend abgesetzt schien und ohne natürliches Tankhindernis war, dahin geändert, daß die neue Stellung nunmehr, bei Roulers von der Flandern II-Stellung abzweigend, als „Hermann-Stellung" östlich an Courtrai vorbei auf Valenciennes und weiter über Le Cateau—Guise zur Hunding-Stellung bei Crecy (nördl. von
Laon) verlaufen sollte. Sie hatte damit fast auf ihrer ganzen Länge Kanäle oder andere Wasserläuse vor sich, die an allen nur irgend möglichen Stellen
durch Stauanlagen zu wirksamen Tankhindernissen ausgestaltet werden sollten. Damit erkannte auch die Oberste Heeresleitung, die dem Vorhandensein eines Tankhindernisses bisher keine ausschlaggebende Bedeutung für die Stellungsauswahl hatte beimessen wollen^), ein solches als unbedingt erforderlich an. In der Anweisung vom S. September war weiter auf Vorbereitung
der Ausweichbewegung in die genannten rückwärtigen Stellungen hingewiesen. Sie waren bei den beiden nördlichen Heeresgruppen neu zu treffen,
bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz lagen sie für die „Gudrun"Bewegung^) bereits vor, waren aber zum Teil veraltet.
In den Tagen, da diese Fragen geregelt wurden, hatte GeneralfeldMarschall von Hindenburg den Heeresgruppen des Westens am 3. Sep¬
tember geschrieben: Er habe den Befehl, die Kampslinien in die SiegfriedStellung und hinter die Aisne zurückzunehmen, „zur Verbesserung der Lebens- und Kampfbedingungen der Truppen gegeben. Diese Linie muß unbedingt gehalten werden"^. Es sei „in geeigneter Weise darauf hinzuwirken, daß Führer und Truppe sich über den Ernst der Lage klarwerden und jeder einzelne seine Pflicht bis zum äußersten r) S. 570. -) Bd. XII, S. 553.
3) Sperrungen durch die Forschungsanstalt. Weltkrieg. XIV. Band.
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Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
erfüllt. Geschieht dies, so sind wir unbedingt stark genug, um allen Anstürmen des Gegners zu trotzen und ihnen mit Vertrauen auf unsere erprobte Kraft entgegenzusehen. Von mir aus wird alles geschehen, um die
Kampfkraft des Heeres zu heben und zu erhalten". Es konnte also kein
Zweifel sein, daß in der jetzigen Stellung ein entscheidender Kamps, wenn auch wohl nicht der letzte, ausgefochten werden sollte. Der Erlaß sollte nicht im Wortlaut, sondern möglichst nur mündlich weitergegeben werden. »i-Witt«
2(tn 5. September war die Oberste Heeresleitung von Avesnes
s«pt«mb»r. nac^ Spa zurückgekehrt. Am 7. September trat ein entscheidender Wechsel in ihrer Stellenbesetzung ein. Hatte General Ludendorff bisher mit den einzelnen Stellen der Operations-Abteilung I (Ia Obstlt. Wetzell, Ib Maj. Freiherr von dem Bussche, Ic Maj. von Bockelberg) un¬ mittelbar verkehrt, so wurden sie zur Entlastung des aufs äußerste in An-
spruch genommenen Ersten Generalquartiermeisters nunmehr unter Oberst Heye, bisher Generalstabschef der Heeresgruppe Herzog Albrecht, zusammengefaßt, der am 11. September die Geschäfte übernahm und weniger
wichtige Angelegenheiten von sich aus entscheiden sollte. Das Wesentlichste aber war, daß gleichzeitig Oberstleutnant Wetzell, der volle zwei Jahre hindurch des Generals Ludendorff vertrauter Berater in allen operativen Fragen gewesen war, durch Major von Stülpnagel (Joachim), bisher Erster Generalstabsoffizier der I. Armee, ersetzt wurde.
Rückblickende
Betrachtung wird zu dem Schluß kommen müssen, daß das Ausscheiden des Oberstleutnants Wetzell aus der Obersten Heeresleitung für den weiteren Verlauf der Dinge nicht förderlich gewesen ist. General Luden-
dorff selbst hat das offenbar sehr bald empfunden^). In einer Beurteilung der „Lage an der Westfront" vom 8. Sep¬ tember rechnete die Oberste Heeresleitung mit Fortdauer, wenn nicht i) Obstlt. Wetzell wurde am
25.ßepGeneralstabschefderS.Armee.—Da
den genannten sehr berechtigten organisatorischen Gründen noch andere bei dem Wechsel
mitgesprochen hätten, läßt sich nicht nachweisen: Gen. Ludendorff äußerte sich im Sommer 1922 zu Anfragen des Reichsarchivs mündlich dahin: „Meinungsverschiedenheiten mit Wetzell sind nie äußerlich zum Ausdruck gekommen. Gewiß waren wir vielfach verschiedener Ansicht. Wetzell... liebte es, ebenso wie andere Herren im Stabe, mir seine Gedanken in Form schriftlicher Entwürfe vorzulegen. Ich habe darauf nie großen Wert gelegt. Ich habe ihn aber auch nicht daran gehindert, um seine Arbeitsfreudigkeit nicht zu hemmen.... Auch da, wo Wetzell anderer Ansicht war, hat er sich unbedingt und loyal gefügt. Eine bewußte oder unbewußte Abbiegung meiner
Entschlüsse halte ich für ausgeschlossen. Sie wäre auch kaum möglich gewesen. Denn so sehr ich auf die technische Beratung meiner Gehilfen angewiesen war, da ich das ganze Detail nicht im Kopfe haben konnte, so habe ich doch immer den großen Zug der geplanten Maß-
Wechsel in der Besetzung der Operations-Abteilung der O. H. L.
595
Ausweitung der starken Kampftätigkeit auf dem rechten Heeresflügel. Einen Großangriff in Flandern hielt sie allerdings für wenig wahrscheinlich, dagegen zog sie Ausdehnung der englischen Angriffe auf die Front nördlich der Scarpe bis La Bassee in Rechnung und nahm an, daß nach Vorziehen der Artillerie und Ergänzung der Tanks der Großangriff auf Cambrai und nördlich der Somme fortgesetzt werde; weiter südlich bis zur Oise würden Engländer und Franzosen durch starke Teilangriffe unsere Kräfte zu binden,
suchen. Über beabsichtigte amerikanische Angriffe beiderseits der Mosel, also aus Metz, und im Sundgau hätten sich die Nachrichten gemehrt. Ver¬ mutlich würden an beiden Stellen Vorbereitungen getroffen; welcher Plan zur Ausführung komme, werde von den Umständen abhängen. Durchaus
wahrscheinlich sei, daß „die Entente nach den erreichten Erfolgen bestrebt sein wird, den Krieg in deutsches Gebiet zu tragen. Deshalb ist auch dauernde Beobachtung der lothringischen Front" (also des Raumes bis zu den Vogesen) „erforderlich, wenngleich dort bisher nichts auf Angriffs-
absichten hindeutet". Hinter den Vermutungen dieser Denkschrift blieb die Gefechts¬ tätigkeit bei den Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Boehn bis über die Monatsmitte hinaus erheblich zurück. Im Bereiche der 4., S. und 17. Armee fanden keine größeren Kampfhandlungen statt. nahmen selbst bestimmt und genau überwacht". — In seinen „Kriegserinnerungen" (S. 12) schrieb der General: Als ich mich von Wetzell trennte, „geschah es in gegenseitiger Verehrung lediglich aus dem Grunde, weil ich im Stabe eine andere Einteilung vornehmen mußte, um mir größere Ruhe zu gönnen". Auch Gen. Wetzell selber betonte in einer Zuschrift vom Sept. 1933, daß das „persönliche Vertrauensverhältnis" bis zum Schluß das gleiche gewesen sei. Es ist aber durchaus denkbar, daß Gen. Ludendorff angesichts der völlig veränderten Kriegslage auch das Bedürfnis empfunden hat, einen neuen Berater neben sich zu haben. Gen. Obst. Heye bekennt in einer Zuschrift vom Dez. 1938: „Ich habe von vornherein in Spa das Fortgehen von Wetzell für ein Unglück gehalten. Ludendorff, so energisch er an und für sich war, hielt seelisch stark an seinen alten Mitarbeitern, Hoffmann (beim O.B. Ost) und Wetzell, fest. Diese beiden klaren und durch und durch politisch und militärisch auf die große Lage und aus Ludendorff tadellos eingearbeiteten Offiziere, die auch nie aus der Ruhe kamen, hätten gerade im Herbst 1918 neben Ludendorff stehen müssen, wo fast täglich seit dem 8. Aug. 1918, die schwersten Entschlüsse zu fassen waren". Gen. Ludendorff habe dann auch — ohne daß er es ihm (Oberst Heye) gesagt habe —, „so oft er konnte", den Rat
des Obstlts. Wetzell telefonisch eingeholt. „Den eigentlichen Ersatz für Wetzell bildete Stülpnagel. Ihn habe ich als solchen Ersatz auch völlig frei arbeiten lassen. Mich hatte man so als fünftes Rad am Wagen eingeschoben, nach den Äußerungen des Kaisers und Hindenburgs mir gegenüber bei meinem Empfang wohl zur «Nervenschonung» Ludendorffs... Dieser ließ sich aber leider wenig schonen. Ich konnte ihm einige Telefongespräche und Besuche abnehmen und da und dort die Entscheidung erleichtern. Ich war fast immer um ihn, begleitete ihn zum Büro, zum Essen und wieder zurück und war mehr eine Ablage¬
stelle seiner Sorgen als eine tatsächliche Hilfe".
596
Bis Mitt« s-pt-mb-r.
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
dem rechten Flügel der 2. Armee bei Gouzeaueourt und Epshy wurde jcj)pn um j,en der Hauptwiderstandslinie gerungen, während
weiter südlich der nur langsam folgende Gegner zunächst noch im Kampf mit den allmählich zurückweichenden Nachtruppen stand. Bei der 18. Ar¬ mee setzten sich diese in der Linie Attilly—Savy—Vendeuil zeitweise zu stärkerem Widerstand. Seit dem l l. September kämpfte der rechte Armeeflügel im Vorfelde der Siegfried-Stellung, der Druck des Gegners zielte hier besonders auf St. Quentin. Auf dem linken Flügel konnten sich die Nachhuten halten. Bei der 9. Armee war die wenig ausgebaute
Riegelstellung zwischen Ailette und Aisne das Ziel französischer An¬ griffsstöße, Teile der Hauptwiderstandslinie blieben in Feindeshand. Am 9. September trat das XIV. Armeekorps zur 18. Armee über, die 9. Armee
im übrigen zur Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Insgesamt blieb die Lage vor beiden Heeresgruppen des rechten Flügels einstweilen ungeklärt. In der Wochenmeldung der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht vom ll. September hieß es: Die Kampfpause bei der 17. Armee lasse es
zweifelhaft erscheinen, ob mit Fortsetzung des britischen Großangriffs in der Richtung auf Cambrai noch weiter zu rechnen sei. Da der Kanal zwischen Arleux und Havrincourt ein starkes Tankhindernis bilde, würden die Engländer vielleicht in dem für Kampfwagen günstigeren Gelände nördlich der Searpe vorstoßen. Andererseits hätten sie ihre Kräfte in den letzten Wochen aufs äußerste angespannt, starke Verluste erlitten und auf¬ gefüllte Divisionen wiederholt in den Kampf geworfen. Sie verfügten nur noch über sechs frische Divisionen und würden möglicherweise zunächst
überhaupt auf große Operationen verzichten. Halte die ungeklärte Lage an, so sei Auflockerung der 17. Armee, Auffrischung zurückgezogener Di¬ visionen und gleichmäßige Verteilung der Reserven gegen überraschende Angriffe geplant. Besondere Berücksichtigung verdienten dabei die Gegend von Vpern, die zwischen Lens und Scarpe sowie der Südflügel der 17. Ar¬ mee. „Es ist ungeheuer schwer" — so zeichnete General von Kühl am
14. September in seinem persönlichen Tagebuch auf —, „richtig zu dis¬ ponieren. Alle drei Armeen (4., 6. und 17.) behaupten, von einem Gro߬ angriff bedroht zu sein. Dafür reichen unsere Kräfte bei weitem nicht. Meist abgekämpfte Divisionen ohne Ersatz ...".
Auch die Heeresgruppe Boehn glaubte nicht, daß weitere Gro߬ angriffe unmittelbar bevorstünden. Die Vorstöße der letzten Woche gegen die inneren Flügel der 17. und 2. Armee sah sie als Teilangriffe an. Ihr in vorderer
Linie und an Reserven je rund 25 Divisionen starker britisch-französischer
Gegner sei aber jederzeit zu überraschenden Angriffen fähig. Nach Agenten¬ nachrichten kamen solche vor allem bei Cambrai und St. Quentin in Betracht.
Kampfpause an der bisherigen Haupt-Abwehrfront.
597
Bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, deren rechter Flügel seit Übernahme des Großteils der 9. Armee bis in die Gegend südwestlich von Crepy reichte, war die zeitweilige Kampspause noch aus¬ geprägter als bei den beiden nördlichen Heeresgruppen. Am 14. Sep¬
tember meldete sie aber, daß zwischen Ailette und Aisne noch sehr starke feindliche Kräfte stünden und die feindliche Artillerie verstärkt sei. Am gleichen Tage griffen die Franzosen nach heftiger Artillerievor¬ bereitung die 9. Armee an, wobei sie Kampfwagen mit Flammenwerfern
einsetzten. Bei Laffaux ging das Dorf Allemant verloren; sehr harte Kämpfe entwickelten sich aus den Höhen westlich von Vailly, wo die deutsche Front bis in die Stadt zurückgedrückt wurde. Gleichzeitig griffen starke französische Kräfte auch die 7.Armee im Romain-Riegel an; besonders Glennes war hart umkämpft, doch war die deutsche Linie abends im
wesentlichen unverändert. Die Kämpfe gegen beide Armeen hielten auch am 15. September an, ohne daß der Gegner nennenswerte Erfolge er¬ ringen konnte. Am 16. September ließen die Angriffe gegen die 7. Armee
nach, während der Feind alles daransetzte, zwischen Ailette und Aisne vorwärts zu kommen. Zwischen Allemant und Vailly drückte er die deutsche
Front ein. Am 17. September ging nach stärkstem Trommelfeuer und Vergasung des Hintergeländes nordöstlich Allemant weiteres Gelände ver¬ loren; erbitterte Abwehrkämpfe dauerten bis in die Nacht hinein an, ohne daß der Gegner entscheidende Erfolge hatte. Am 13. traten die beiden der 9. Armee bisher noch verbliebenen Korps zur 7. Armee, die 9. Armee war
damit aufgelöst ^). Unterdessen hatte der Gegner am linken Flügel der Heeresgruppe Gallwitz bei der Armee-Abteilung Cfrüher als erwartet angegriffen. Es war zu überaus ernstem Kampf gekommen, der am 13. September zum
Verlust des St. Mihiel-Bogens führte. Im Zusammenhang damit spitzte sich auch bei der Heeresgruppe Herzog Albrecht, bei der es bisher im wesentlichen ruhig geblieben war, um die Mitte des Monats die Lage zu. Am 17. September wurde „mit größter Wahrscheinlichkeit"^) mit neuem
feindlichem Großangriff gegen Armee-Abteilung Csowie rechten Flügel und Mitte der 19. Armee gerechnet, während im Sundgau nur ein feind¬
liches Ablenkungsunternehmen im Gang zu. sein schien. Die ArmeeAbteilung C und rechter Flügel der Heeresgruppe Herzog Albrecht wurden weiter verstärkt^). i) Gen. von Carlowitz übernahm am 22. Sept. die 2. Armee (S. 604). -) Auffassung der Lage bei der O. H. L. vom 17. September.
3) Vgl. S. 605f.
598
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
b) Der Verlust des St. Mihiel-Bogens. Beilage 30.
st« Anfang Der St. Mihiel-Bogen, der aus der deutschen Stellungsfront westlich Sept«mb«r. ^ Mosel scharf und weit bis über die Maas vorsprang, war im September 1914 entstanden, als man versuchte, Verdun zu Fall zu bringen^). Seitdem
bildete er eine dauernde Bedrohung für die Festung, sperrte dem Gegner die von Süden dorthin führende Hauptbahn und nahm ihm die Möglichkeit, das Erzgebiet von Briey mit FerNfeuer zu erreichen. Um die CombresHöhe an der Nordecke des Bogens und im „Priesterwald" (Forst de Prötre)
westlich der Mosel hatten mehrfach heftige Kämpfe getobt, während die übrige Front im allgemeinen ruhig geblieben war.
Solange die Oberste Heeresleitung sich noch mit Angriffsgedanken trug, kam Ausgeben des St. Mihiel-Bogens trotz der Nachteile dieses Stellungsvorsprungs nicht in Frage. Von einer knapp 22Kilometer breiten Basis ragte er rund 18 Kilometer tief in den Feind hinein, hatte aber durch seine Lage aus dem schluchtenreichen Waldgebirge der Cötes Lorrainesgroße natürliche Stärke und war im Laufe der Jahre auch besonders widerstandsfähig aus-
gebaut worden. Die tiefe Gliederung und erhebliche örtliche Stärke der Verteidigungsanlagen konnten aber den schweren Nachteil nicht ausgleichen, daß diese weitgehend durch feindliches Rückenfeuer bedroht waren und daß zur Ausstellung einer der Frontlänge entsprechenden Artillerie der Raum fehlte. Der St. Mihiel-Bogen forderte zu beiderseits umfassendem Angriff geradezu heraus. Es war daher bereits seit dem Herbst 1916 für alle Fälle eine Sehnen-Stellung in der Ebene „Michel-Stellung", ausgebaut worden^). Die Frage des Ausweichens in diese war, so oft das deutsche Westheer zur Abwehr genötigt war, immer wieder erörtert, aber stets dahin beantwortet worden, daß man den St.Mihiel-Bogen zunächst noch halten wollte^). Die Räumung war aber für alle Fälle vorbereitet. Nach den im Frühjahr 1913 erteilten letzten Weisungen sollte sie vor einem „gegen die West- und Süd-
front sich wendenden Großangriff" durchgeführt werden, aber doch erst dann, wenn eine solche umfassende Angriffsrichtung tatsächlich erkannt war. Die Bergungs- und Zerstörungsarbeiten waren ursprünglich auf fünf
Wochen veranschlagt, neuerdings aber auf acht Tage zusammengedrängt worden; das anschließende Ausweichen in die Michel-Stellung („Loki"Bewegung) sollte nur noch zwei Nächte in Anspruch nehmen. Der St. Mihiel-Bogen war seit langem der Stellungsabschnitt der
Armee-Abteilung Cunter Generalleutnant Fuchs mit Oberst FreiJ) 33b. V, 6.95 ff. 8)Bd. XU, S.
2) Das Maas-Tal östl. begleitender Höhenrücken. 62,u.Xni,S.40.4)Bd.XH,S.402,u.XIII,S.40.
Der Verlust des St. Mihiel-Bogens.
599
Herrn von Ledebur als Generalstabschef. Ansang September standen sieben Divisionen (davon eine österr.-ungar.) in der Front, vier Divisionen als Reserven der Obersten Heeresleitung weiter rückwärts. Als diese am I.September aus die sich mehrenden Nachrichten über einen bevorstehenden Angriff der Amerikaner beiderseits der Mosel gegen Metz hinwies und eine Division an der Naht zwischen Armee-Abteilung C und 19. Armee bereit¬
stellen ließi), g>ar der Fall eines umfassenden feindlichen Angriffs noch nicht gegeben, denn der linke Flügel des amerikanischen Ausmarsches schien nur etwa zehn Kilometer westlich der Mosel bei Flirey zu liegen. Anders wäre es — so hieß es in den bereits erwähnten Erwägungen der Heeresgruppe
Gallwitz vom 3. Septembers —, „wenn der feindliche Angriff sich auf den größten Teil der Südfront... ausdehnen würde". Auch dann könne die Abwehr glücken, aber nur, wenn erhebliche Verstärkungen an kampfkräfti¬ gen Truppen zur Verfügung gestellt würden. Ob das möglich sei, möge die Oberste Heeresleitung entscheiden. Diese antwortete am folgenden Tage: Die Kräfte für die Abwehr eines „breiten Angriffs gegen den größten Teil
der Südfront" ständen zur Zeit nicht zur Verfügung, daher sei „in diesem Fall", wie für einen umfassenden Angriff vorgesehen, in die Michel-Stellung auszuweichen. „Dieser Fall" schien aber einstweilen nicht vorzuliegen. Am 7. September meldete General von Gallwitz, daß zwar mit einem Angriff gegen die Armee-Abteilung C gerechnet werden müsse, vielleicht im Zusammenhang mit einem Angriff östlich der Mosel, daß aber
Anzeichen für eine Ausdehnung des Angriffs auch auf die Westfront der Armee-Abteilung bisher nicht vorlägen. Er schlug eigenen Angriff aus der
Südfront zusammen mit beiderseits der Mosel stehenden Teilen der 19. Armee vor, um in die vermuteten amerikanischen Angriffsvorbereitun-
gen hineinzustoßen. General Ludendorff war einverstanden. Doch änderte sich die Lage bereits am 9. September. Neue Beobachtungen der
trotz schlechter Wetterlage erkundenden Flieger ergaben jetzt mit großer
Wahrscheinlichkeit, daß sich der feindliche Angriff auch gegen die Westfront des St. Mihiel-Bogens richten werde. Damit war planmäßiges Ausweichen in die Michel-Stellung geboten; der eigene Vorstoß, dessen Vorbereitung geraume Zeit in Anspruch nehmen mußte, wurde hinfällig. General Ludendorfs verlangte aber am 10. September gegen Mittag, die Loki-
Bewegung „so lange hinauszuschieben, wie es die taktische Lage irgend gestattet, damit in der Gesamtlage Zeit gewonnen wird". Die Heeresgruppe bestimmte den 11. September als ersten Räumungstag und erbat die Freigabe von drei Divisionen und vier Heeres-
Feldartillerie-Negimentern aus den hinter ihrer Front stehenden Reserven !) ©.592.
2) Ebenda.
10+ QtpUmbtt*
600
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
der Obersten Heeresleitung sowie erneut Verlegung ihrer Ostgrenze bis an die Mosel; letzteres wurde jetzt zugestanden, die Entscheidung über Verstärkungen behielt sich die Oberste Heeresleitung aber vor. Generalleutnant Fuchs befahl, den Hauptwiderstand an der Südsront in die Artillerie-Schutzstellung zu verlegen und damit eine größere Tiefen¬
gliederung auch der Artillerie durchzuführen. Diese Bewegung sollte bis l2.s«pt«mb»r.
zum 12. September 4° vormittags beendet sein. Bevor aber die Neugliederung abgeschlossen war, setzte am 12. September um 2° morgens starkes feindliches Artilleriefeuer auf die Westund Südsront des Bogens ein, das offenbar einen großen Angriff vorbereitete. Zu dieser Zeit war der St. Mihiel-Bogen vom einspringenden Winkel bei Combres bis zur Mosel bei Norroy wie bisher mit sieben Divisionen besetzt^). Die rückwärts in Ruhe liegenden Divisionen der Obersten Heeresleitung waren noch nicht freigegeben. Keine von allen Divisionen konnte,
an den Anforderungen des Westkrieges gemessen, als wirklich kampfkräftig angesehen werden. Von den Divisionen der Südfront hatte die zum Teil aus Elsaß-Lothringern (800 Mann) bestehende 77. Reserve-Division bereits im August 23 Mann durch Ab erlaufen verloren, so daß Generalleutnant Fuchs — allerdings vergeblich — ihre Ablösung beantragt hatte.
Die
Artillerie zählte insgesamt rund 560 Geschütze, davon etwa 180 schwere;
die Luftstreitkräfte umfaßten, einschließlich der für Mitwirkung in Frage kommenden Nachbarabschnitte, etwa 200 Flugzeuge. Aus feindlicher Seite hatte General Pershing bereits am 24. Juli von Marschall Foch den Austrag erhalten, mit der amerikanischen Armee die Bahn Paris—Nancy durch Wegnahme des St. Mihiel-Bogens frei zu machen^). Die Masse der dazu nötigen Truppen wurde von Ende August an in Marsch gesetzt. Am 2. September wurde als Angriffstag der 10.
bestimmt. Das Ziel war, die in dem Bogen stehenden deutschen Kräfte abzuschneiden. Nach Weisung des Generals Pstain sollte dazu ein Nebenangriff von Nordwesten auf den Cütes geführt werden, während der Hauptangriff von Süden in der Richtung auf Thiaucourt angesetzt wurde. 1) Gliederung im St. Mihiel-Bogen am 12. Sept. früh: von Gruppe Combres (Gen. Kdo. V. K. K., Gen. d. Inf. Eduard von Velow): 13. L. D.,
ö.-u. 35. I §>.; dahinter 88. I. D. (O. H. L.-Nes.). Gruppe Mihiel (Gen. Kdo. XII. N. K., Genlt. Leuthold): 192. F. D., 5. L. D.; dahinter 31. I.D. (O. H. L.-Nes.). Gruppe Gorze (Gen. Kdo. z. b. V. 57, Genlt. von Hartz): 10. I. D., 77. N. D., 255. I. D.; dahinter 123. I. D. (O. H. L.-Res.). 2) S. 547.
Der Verlust des St. Mihiel-Bogens.
SOI
Da man bereits seit dem IS. August glaubte, daß die Deutschen über die
Angriffsabsichten Bescheid wüßten, hatten ebenfalls unter Einsatz ameri¬ kanischer Truppen, vom 5. bis 10. September Ablenkungsunternehmungen der 7. Armee im Oberelsaß dem Angriff bei St. Mihiel vorauszugehen.
Dieser selbst mutzte, da sich der Aufmarsch verzögerte, auf den 12. Sep¬ tember verschoben werden.
Bis dahin stand die amerikanische 1. Armee^), 18 Divisionen (davon 4 französische) mit insgesamt 3100 Geschützen, fast 300 meist leichten Kampfwagen und gegen 1400 Flugzeugen, zum Angriff bereit. Sie hatte damit — abgesehen von Kampfwagen — angesichts der hohen Kopfstärke
der amerikanischen Divisionen eine etwa dreifache Überlegenheit an In¬ fanterie, die fünf- bis sechsfache an Artillerie, die siebenfache an Flugzeugen. Von den amerikanischen Divisionen machten neun ihren ersten
Angriff. Geschütze und Kampfwagen waren sämtlich französischer Fertigung, etwa die Hälfte davon hatte auch französische Bedienung.
Der Hauptangriff sollte nach vierstündiger Artillerie-Vorbereitung um 6°, der Nebenangriff erst um 9° morgens beginnen.
Gleich nach Eröffnung des feindlichen Artilleriefeuers setzte Generalleutnant Fuchs seine Reserven und, ohne die immer noch ausstehende Entscheidung der Obersten Heeresleitung abzuwarten, auch die von dieser erbetenen drei Divisionen in Marsch. Die Truppen kamen jedoch bei strömendem Regen, aus grundlosen und von Räumungstransporten verstopften Straßen nur mühsam vorwärts. Unterdessen überrannten Amerikaner und Franzosen den Nordteil der I. Stellung der Westfront, kamen dann aber zum Stehen; die wichtige Combres-Höhe wurde von den Deutschen ge-
halten. An der Südsront hatten die Amerikaner schon vorher ohne größeren Aufenthalt die starken Hindernisse der nur schwach besetzten bisherigen vorderen Stellung überwunden und sich gegen die neue Hauptwiderstandslinie gewendet, die sie, vor allem im Abschnitt der 77. Reserve-Division,
von Richecourt bis Regneville mit starken Infanterie- und Panzerkräften durchstießen. Sie erreichten bereits am Vormittag Essey, Thiaueourt und Visville. Die deutschen Kräfte in der Bogenspitze bei St. Mihiel waren damit im Rücken bedroht. Um 12° befahl Generalleutnant Fuchs den
Beginn der Loki-Bewegung für die nördlich und östlich von St. Mihiel x) Gliederung der amerikan. I. Armee am 12. September (vom linken Flügel): Nebenangrifs: V. Korps mit 3 Divn. (davon 1 französ.), zwischen Neben- und Hauptangriff: französ. II. Kol. Korps mit 3 Divn., Hauptangriff: IV. und I. Korps mit zusammen 9 Divn. und 5Kampfwagen-Btln. Reserven: 3 Divn.
602
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
stehenden Divisionen. Da es gelang, dem Gegner weiteres Vordringen
im wesentlichen zu verwehren, konnte der Rückzug bis zum Abend, zum Teil dicht an der feindlichen Angriffssront vorbei, durchgeführt werden. ,z.s»pt«mb«r. Im Laufe der Nacht und der Morgenstunden des 13. September wurde planmäßig die Michel-Stellung besetzt. Der Gegner drängte nach, ging aber über den Höhenrand Combres—Hattonchatel und die Linie Thiaucourt—Norroy an der Mosel zunächst nicht wesentlich hinaus; denn er hatte sein Ziel erreicht. General von Gallwitz erwartete weitere Angriffe gegen den linken Flügel der 5.Armee und den rechten der ArmeeAbteilung C. Die Absicht des Generals Pershing, wenn möglich auch noch die Michel-Stellung zu nehmen, kam aber angesichts der inzwischen ver¬ stärkten deutschen Abwehr und der Notwendigkeit, die Masse der ameri-
kanischen Truppen sofort wieder für andere Aufgaben frei zu machen, über Versuche nicht hinaus. So folgten nur noch Vorfeld kämpfe, vor allem is.s«pt»mb«r. nördlich von Thiaucourt, und schon vom 15. September ab hörte die An-
griffstätigkeit des Gegners so gut wie ganz aus. Der Kampf hatte über 17000 Mann gekostet, davon mindestens 13000 Gefangene, die fast durchweg beim feindlichen Einbruch am Morgen des 12. September in Feindeshand gefallen waren, ferner etwa 150 Ge-
schütze*) und zahlreiches sonstiges Kriegsmaterial aller Art. General Persh¬ ing^) gibt die Verluste des Angreifers mit nur etwa 7000 Mann an.
Die Oberste Heeresleitung sah den Grund für die neue Niederlage vor allem darin, daß die hinter der Michel-Stellung bereit gehaltenen Reserven von der als bedroht erkannten Südfront zu weit ab gestanden
hätten, wofür sie irrtümlicherweise die Armee-Abteilung verantwortlich machte^). Auch nahm sie in einem vom Generalfeldmarschall persönlich unterzeichneten Erlaß, der am 15. September an alle Armee-Oberbefehls-
Haber ging, scharf dagegen Stellung, daß die „bewegliche Verteidigung" bei „neueren Vorkommnissen" an manchen Stellen dazu geführt habe, die Hauptwiderstandslinie vorzeitig aufzugeben. Der „feste Wille, die Stellung auch gegen feindliche Abermacht um jeden Preis zu halten", scheine verloren gegangen zu sein. Als entscheidend für den unglücklichen Verlaus der Schlacht muß aber doch wohl angesehen werden, daß dem 1) Der amerikan. Heeresbericht gab 160 Geschütze an; die wesentlich höheren Angaben im amtl. franz. Wert und in der amerikanischen Literatur sind irrig. 2) „My Experiences in the World-War", II, S. 270. Andere Unterlagen fehlen. 3) Vgl. 0.599 f. und 601. — Die große Verzögerung in der Freigabe der Divisionen
hat sich nicht aufklären lassen. Vielleicht hat der Wechsel in der Operations-Abtlg. (0. 594) dabei eine Nolle gespielt. Gen. Ludendorff schreibt in seinen „Kriegserinnerungen" (0.573): „Ich war unzufrieden mit mir, aber auch mit den örtlichen Kommandostellen".
Der Verlust des St. Mihiel-Bogens.
603
Gegner, wie am 13. Juli und 3. August, so auch jetzt wieder, die Über¬ raschung fast vollkommen gelungen war. Ausgedehnte Waldungen, die
seine Angrifssvorbereitungen verbargen, und ungünstiges Flugwetter waren ihm dabei zu Hilfe gekommen. Im übrigen hatte er eine erdrückende
Abermacht gegen einen für die Abwehr besonders ungünstig gestalteten Stellungsteil zur Wirkung bringen können. Gewiß hat das bis zum äußer¬ sten getriebene Festhalten des St. Mihiel-Bogens bis Mitte September starte feindliche Kräfte gebunden, es hat aber auch, ganz abgesehen von den ernsten eigenen Verlusten, dem Gegner einen vermeidbaren und billigen
Erfolg verschafft, der das Ansehen wie das Selbstvertrauen der jungen
amerikanischen Truppen erheblich in die Höhe schnellen ließ. c) Maßnahmen und Ereignisse in der zweiten Septemberhälfte. Sie Abwehr in der Siegfried-Stellung. Die zeitweilige Kampfpause bei der Heeresgruppe Kronprinz i8.e»p»«ro&«*. Rupprecht hatte außer an ihrem linken Flügel über den 17. September hinaus angehalten. Die 4. Armee rechnete mit einer immerhin möglichen Landung englischer Kräfte; das Verhalten des Gegners vor der S. Armee schien auf ausgesprochen defensive Absichten zu deuten. Die 17. Armee war
an den weiter südlich sich abspielenden Kämpfen beteiligt. Gegen die Heeresgruppe Boehn griffen am 18. September der
englische Südflügel (4. Armee) mit 13,die Franzosen (I. Armee) anschließend mit zwei Divisionen zwischen Cambrai und St. Quentin an. Dieser von Tanks und Fliegerverbänden unterstützte Angriff, zu dem
die Engländer fünf bis sechs frische Divisionen eingeschoben hatten, traf ziemlich überraschend die 2.Armee sowie die anschließenden Flügel der 17. und 13. Armee, die hier eine noch etwa fünf Kilometer vor der ur-
sprünglichen Siegfried-Stellung liegende Linie hielten. Die auf der ganzen Front angegriffene 2. Armee warf sofort drei Eingreif-Divisionen über Honnecourt—Le Catelet—Bellicourt vor. Der linke Flügel der 17. und
der äußerste rechte der 2. Armee hielten. Weiter südwärts würde der englische Angriff in der Linie Villers-Guislain—Lempire—Pontruet abge¬ fangen, die etwa der Ausgangsstellung vom 21. März entsprach. Die drei stark angepackten nördlichen Divisionen der 18. Armee konnten mehrere durch Tanks und. Tiefflieger unterstützte Angriffe bei St. Quentin abschlagen. Der rechte Flügel mußte aber doch zum linken der 2. Armee bei Pontruet zurückgebogen werden. Der Versuch der 2. Armee, noch am 18. September unter Einsatz von
zwei weiteren Divisionen die bisherige Hauptwiderstandslinie zurückzu-
604
is. vi»
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
gewinnen, stieß auf neue feindliche Angriffe, gegen die sich das 54. Korps
und IV. Reservekorps nach schweren Kämpfen behaupteten. Der stärkste Druck richtete sich gegen das 51. Korps, in dessen Abschnitt der als Tank¬
hindernis wichtige Kanal unterirdisch verläuft. Noch gegen Mitternacht traf diese Stelle ein starker Stoß, der zu örtlichen Einbrüchen führte und die Front bei Bellenglise hinter die Kanallinie zurückdrückte; die Lage war
kritisch. Mit Hilfe rasch zugeführter weiterer Verstärkungen konnten dann aber die in den nächsten Tagen folgenden schwächeren feindlichen Angriffe abgeschlagen werden. Aber die Kämpfe dieser Tage zeichnete Generaloberst vonBoehnam2I. September aus: „Die letzten Tage waren wieder sehr schwer, der 18. September ein Schreckenstag, der aber schließlich noch leidlich abgelaufen ist, wenn auch einiges Gelände verlorenging. Die Truppe hat eben nicht mehr den alten festen Halt, es fehlen vor allem tüchtige Offiziere, und die Kräfte der Leute werden bis aufs äußerste angestrengt". Die Oberste Heeresleitung war mit der Führung der 2. Armee nicht einverstanden. Am 22. September wurde General von der Marwitz durch
den mit Auflösung der 9. Armee*) freigewordenen General von Carlowitz ersetzt, Oberstleutnant von Klewitz tauschte mit Major von Miaskowski
(A.O.K. 3) und kehrte dadurch in seine frühere Chefstellung zurück. Zwischen dem 24. und 26. September drückten dann französische Angriffe auch das I. bayerische Armeekorps der 18. Armee in eine dicht west¬ lich von St. Quentin verlausende Stellung zurück. Die Heeresgruppe war der Ansicht, daß der Großangriff gegen die
2. Armee „in nächster Zeit" fortgeführt werden würde. Stärkere Front-
besetzung zwischen Havrincourt und Gouzeaueourt, auffallende Artillerieund Infanterie-Bewegungen bei Epehy und Hargicourt, Gefangenenaussagen und die Nachricht, daß bei Bapaume mehrere' amerikanische Divisionen bereitgestellt seien, ließen den Schluß zu, daß der Hauptdruck dabei gegen Cambrai und damit gegen die Naht zwischen 17. und 2. Armee gerichtet sein werde. Aber auch auf dem linken Flügel der 2. und dem rechten
der 18. Armee mußte mit Fortsetzung der britisch-französischen Angriffe gerechnet werden.
Bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz hatte die französische 10. Armee ihre Angriffe am 18. September fortgesetzt. Ihr Stoß traf den bisherigen Abschnitt der 9. Armee zwischen Ailette und Aisne, den am Vormittag gerade die 7. Armee übernommen hatte^). Hier wurde die Front am 20. September bis Vaudesson und Iouy zurückgedrückt. Dann trat eine Kampfpause ein. Die 7. Armee rechnete aber mit Sicherx) S. 597; Gen. von der Marwitz erhielt die 5. Armee.
2) Ebenda.
SOS
Neue schwere Kämpfe bei der Heeresgruppe Boehn.
heit auf Fortsetzung der Angriffe; zwischen Ailette und Aisne sollten auf zwölf Kilometer Breite sieben feindliche Divisionen stehen, auch die fran¬ zösische Artillerie war bedeutend verstärkt und weiter nach vorn gezogen worden. Weiter östlich, am linken Flügel der 7. und bei der I.Armee bis
Reims, schien die Lage nicht aus feindlichen Angriff zu deuten, wohl aber vor der Mitte und dem linken Flügel der I. und vor der Z.Armee. Am
25. September meldete die Heeresgruppe, daß sich die Anzeichen für feind¬ liche Angriffe in der Champagne dauernd mehrten; die 3. Armee rechne bestimmt mit Angriff, und zwar in kürzester Frist. Nach Abgaben an andere Fronten habe die Heeresgruppe aber nicht- mehr die Mittel, um zugleich die Front am Chemin des Dames und in der Champagne zu stützen. Falls keine neuen Kräfte zugewiesen werden könnten, bliebe bei einem
Großangriff in der Champagne nichts weiter übrig, als die 7. Armee hinter
den Oise/Aisne-Kanal, bei anhaltendem Feinddruck sogar aus den Chemin des Dames und hinter den Aisne /Marne-Kanal zurückzunehmen. Noch am
gleichen Abend gab General Ludendorff sein Einverständnis zum Zurück¬ gehen hinter Ailette und Oise/Aisne-Kanal; weiteres Ausweichen liege aber vorläufig nicht in seiner Absicht. Besonders unklar war die Lage bei der Heeresgruppe Gallwitz.
Mit französisch-amerikanischem Großangriff zwischen Maas und Mosel in der Richtung auf das Erzbecken von Briey mußte gerechnet werden. Am 20. September meldete die Heeresgruppe, daß die Front der 5. Armee westlich der Maas angesichts der geringen Stärke der dort eingesetzten Divisionen und Artillerie dauernder Überwachung bedürfe. Im Lause des
24. September deuteten Anzeichen auf kommenden Angriff. An der Front der Armee-Abteilung C wie der Heeresgruppe
Herzog Albrecht, auf die auch die Oberste Heeresleitung schon seit längerer Zeit ihr Augenmerk gerichtet hatte, war die Zahl der dort ein¬
gesetzten und abgestellten Divisionen, einschließlich der im Antransport befindlichen, seit Ende August von 29 auf 53vermehrt worden^), denn ein i) Vgl. S. 592; es befanden sich an Divisionen oder waren im Antransport: 21.9.
25. 8.
Front
Res.
zus.
Front
7
11
Armee-Abt. C
7
19. Armee Armee-Abt. A Armee-Abt. B
6 6 6
2
8
25
4
29
—
Res.
zus.
6
17
7
3 4 4
16 9 11
31
22
53
Hgr. Herzog Albrecht 8 7717» 5 677-
606
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kamps um Zeitgewinn.
Durchbruch in Lothringen mußte besonders gefährliche Folgen haben. Sichere Anzeichen für einen Angriff beiderseits der Mosel lagen aber nicht vor. Im übrigen herrschte an der Front der Heeresgruppe Herzog Älbrecht Ruhe. Angesichts des Bedarfs an anderen Frontabschnitten wurde 2Z.s»pt«mb«r. am 23.September mit der Wiederabbeförderung der bereitgehaltenen
Reserven begonnen. Für die Eisenbahn bedeuteten ihre An- und Abtransporte eine schwere und den Betrieb in bedenklicher Weise beeinflussende
Mehrbelastung^). Bei der Obersten Heeresleitung schrieb Major von Stülpnagel als Chef der Operationsabteilung Is. am 2Z. September über die Gesamtläge an der Westfront: „Die Beurteilungen der Lage der Heeresgruppen und Armeen er-
geben, daß fast auf der ganzen Westfront starke Angriffe erwartet werden. Agenten und Erkundungsergebnisse klären das Bild nicht. Wir befinden uns in Abhängigkeit vom Gegner, dessen Ziel es sein muß, uns auf der ganzen Front über die zu erwartende Hauptstoßrichtung zu täuschen. Die
größte Wahrscheinlichkeit haben folgende Angriffsrichtungen: a) Linke Hälfte 17. Armee und 2. Armee als englischer Hauptstoß, b) die Lasfaux-Ecke als uns stark schädigender Teilangriff, c)die Champagne als französischer Hauptstoß im Sinne der französischen Absicht von 1914/15 und ein operatives Zusammenwirken mit dem eng-
tischen Hauptstoß, 6) die Armee-Abteilung C als amerikanische Front gegen das Briey-
Gebiet, e) die 19. Armee als entscheidender französischer Hauptstoß gegen Lothringen,
f) der Sundgau als Teilangriff gegen deutsches Gebiet. Die Angriffsrichtungen 6) bis f) sind an sich im Bilde der Gesamtlage die
ernstesten. Die Anzeichen für unmittelbar bevorstehende Angriffe e) und f) haben sich indessen verringert. Dagegen mehren sich die Beobachtungen, daß sich der französische Hauptangriff gegen die Champagne vorbereitet". Als Grundsatz wurde dann ausgesprochen, „daß wir bei der Ungeklärtheit
der Lage einen gewissen Krästeausgleich auf der ganzen Front erstreben müssen, der es jeder Heeresgruppe ermöglicht, den ersten Stoß aufzu¬ fangen. Sobald Klarheit über die Angriffsrichtungen gewonnen ist, werden die Verstärkungen von den Nachbarsronten herangezogen werden
müssen". i) Vgl. S. 617.
Beurteilung der Lage bei der Obersten Heeresleitung.
607
Am folgenden Tage, 24. September, legte Oberst Heye^) seine Er- 2».s«pt-mb«r wägungen über die kommenden Großkämpfe General Ludendorff vor.
Auch Oberst Heye erwartete „in einigen Tagen" das Einsetzen der Hauptkämpfe an der Westfront. Dabei schien die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht im Bereich der 4. und 6. Armee verhältnismäßig wenig gefährdet, obgleich ein Vorstoß in Flandern in Verbindung mit Flottenunternehmungen immerhin möglich sei. Gegen die 17. und 2. Armee sah er „Iermürbungskämpfe" voraus. Für diese werde es notwendig sein, die Heeres-
gruppe Boehn noch durch Divisionen der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht zu stützen; denn von den übrigen Heeresgruppen dürfe nichts mehr nach Norden verschoben werden, da das „im Sinne des Feindes gehandelt" wäre. Mit Angriffen in der Champagne sei zu rechnen. Der „Hauptstoß Fochs" sei aber doch nicht gegen die Champagne, sondern „mehr in Richtung deutschen Landes" zu erwarten: „Bei der Wichtigkeit dieser Entscheidungs-
schlacht glaube ich sogar, daß Franzosen und Amerikaner nicht getrennt handeln — dazu sind letztere noch zu operativ ungewandt —, sondern
gemeinsam unter Fochs eigener Leitung. Ich erwarte den Hauptstoß Fochs in Lothringen". Im Sundgau schien der Feind nur eine Ablenkung zu beabsichtigen. Die Maßregeln, die Oberst Heye vorschlug, betrafen fast ausschließlich Einzelheiten der Abwehr eines Angriffs in Lothringen. Beide Beurteilungen blickten also mit Sorge auf Lothringen, daneben
auf die Champagne. Es blieb offen, auf welche Richtung der Feind den Nachdruck legen würde. General Ludendorff teilte offenbar die hier niedergelegte Gesamtauffassung und machte nur wenige Randbemerkungen zu den Ausführungen des Obersten Heye: An ein englisches Landungs¬ unternehmen, das nur auf holländischem Boden möglich war, glaubte er nicht. Der Meinung, daß keine Divisionen mehr von links her zur Heeresgruppe Boehn verschoben werden dürsten, trat er bei. Daß der feindliche
Hauptstoß in Lothringen stattfinden werde, hielt er für sehr möglich, den hiergegen vorgeschlagenen Maßregeln stimmte er zu. Der bereits im Gang befindliche Abtransport von Reserven aus dem Bereich der Heeresgruppe Herzog Albrecht wurde dadurch aber nicht berührt; zu ihr rollten dafür einige Divisionen aus dem Osten an^).
Zahlenmäßige Stärke und Leistungsfähigkeit des deutschen Heeres waren seit Juli weiter gesunken. Die bereits Mitte August von 850auf 700 Köpfe herabgesetzte Feldstärke der Bataillone war nicht zu
halten gewesen. Die Truppen mutzten angewiesen werden, Bataillone x) Mitteilung des jetzigen Gen. Obst. Heye vom Mai 1939. 2) S. 609.
608
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
unter SSO Mann Feldstärke in je drei statt vier Schützen- und eine Maschinen¬ gewehr-Kompanie zu gliedern. Ende September waren die Bataillons-
stärken bereits auf durchschnittlich 540 Mann gesunken, und auch diese Zahl hatte sich nur durch das Auflösen von Divisionen halten lassen. Dabei war die Zahl der ausgelösten Divisionen seit Juli auf 22 gestiegen^). Regimenter mit Bataillonsstärken unter 400 Mann sollten künftig nur in zwei Bataillone eingeteilt werden.
Noch bedenklicher mußte das unzweifelhafte Herabsinken der kriege¬ rischen Leistung stimmen. Es fand in der hohen Zahl von Gefangenen Ausdruck, die das Heer seit Mitte Juli verloren hatte. Allein im August hatten sich nach Zusammenstellungen der Obersten Heeresleitung unter einer Gesamtverlustzahl von 228000 Mann 110000 Vermißte befunden, von denen der weitaus größte Teil als gefangen angenommen wurde. Vorgänge bei den ins Feld gehenden Ersatztransporten wie bei den vor
dem Feinde stehenden Truppen bewiesen deutlich, daß der Kampfwille bei einer zunehmenden Zahl der Heeresangehörigen weiter im Schwinden war, zum Teil sogar sich in Gleichgültigkeit, wenn nicht Widerwillen Z5.s«pt«mb«r. verwandelt hatte. Am 25.September sah sich die Oberste Heeresleitung daher veranlaßt, an die Heeresgruppen und Armee-Oberkommandos eine
geheime Verfügung hinauszugeben, in der ein eindringlicher Appell an das Offizierkorps gerichtet wurde, „alles zu tun, um die moralische und mate¬ rielle Widerstandskraft unseres Heeres zu wahren. Kleinmut ist verderb¬ licher wie zu weit gehende Hoffnungen". Mit ernsten Worten wurde aber
auch darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, das Vertrauen zwischen Füh¬ rung und Truppe, zwischen Offizier und Mann zu erhalten: „Die Truppe muß das Mitfühlen ihrer höheren Vorgesetzten in allen Lagen, der Soldat
insbesondere die rastlose Fürsorge seiner Offiziere für sein leibliches Wohl, namentlich für die Verpflegung, jederzeit erkennen ... Die Achtung vor
dem Offizierkorps bildet die Grundlage der Manneszucht, auf die sich die
Leistungen des Heeres aufbauen".
Die Versorgung mit Waffen und mit Munition war im großen und
ganzen ausreichend; die seit Mitte Juli entstandenen erheblichen Geräte¬ verluste waren unverzüglich ersetzt worden. Aber das fast völlige Fehlen
eigener Panzerwagen wurde angesichts des feindlichen Masseneinsatzes dieses wirksamen Kriegsmittels immer schwerer empfunden, zumal da auch das für seine Abwehr verfügbare Gerät nach Zahl und Leistung unzureichend b!Ub. Nachdem seit Mitte September von den im Juni zugesagten, erneut am 19. Juli und nochmals dringend am 29.August erbetenen österreichisch3.
Außer den bereits auf S. 523genannten: 108., 183., 222., 223., 225., 233., 14. bayer. 43., 53., 54., 77., 78. R. D.
Stärke und Zustand des Heeres.
609
ungarischen Divisionen zwei weitere eingetroffen waren, zählte das West¬ heer am 25.September 190 Divisionen, darunter vier österreichisch-unga¬
rische. Von der Gesamtzahl befanden sich 125 Divisionen in der Front, 65 als Reserve dahinter. Von diesen letzteren standen 21 Divisionen hinter dem linken Flügel der 17. sowie hinter der 2. und 18. Armee. Der am
23. September begonnene Abtransport von 12^ Divisionen der Heeres¬ gruppe Herzog Albrecht, die in der Mitte der Gesamtsront dringend be¬ nötigt wurden, konnte aber nur allmählich durchgeführt werden und nicht, ohne andere Transportbewegungen stark zu behindern. Einstweilen war die Front von Reims bis zur Maas nur äußerst dürftig mit Reserven
ausgestattet. Der Gesamtkräftebedarf war inzwischen durch den Zusammen¬ bruch Bulgariens in völlig unerwarteter Weise gestiegen. Am 19. September erbetene vier weitere österreichisch-ungarische Divisionen hatten nicht gegeben werden können, da sie am Balkan dringend gebraucht wurden.
Am 22. September hatte sich die Oberste Heeresleitung sogar entschließen müssen, eine deutsche Kampsdivision von der Westfront (Alpenkorps) dorthin zu senden. Neue Kräfte konnten nur noch der Ostfront entnommen
werden. Nachdem bereits in der ersten September-Hälfte eine InfanterieBrigade von dort herangezogen worden war, hatte in der zweiten die Abbeförderung von sechs Divisionen begonnen, von denen drei zur Heeresgruppe Herzog Albrecht, zwei zur 4. Armee rollten, während eine am 25. September nach Mazedonien abgedreht werden mußte. Die Divi¬ sionen konnten aber wegen der Bahnverhältnisse der Ostfront erst ganz
allmählich (22. September bis 24. Oktober) im Westen eintreffen. Sie waren an sich frischer als die Kampfdivisionen des Westheeres, ihnen jedoch
nach Ausbildung und Zusammensetzung nicht gleichwertig, so daß sie nach ihrem Eintreffen erst einer Zeit der Schulung bedurften; vor allem aber waren sie zum Teil bereits von bolschewistischen Ideen angesteckt. Der Gegner verfügte — soweit bekannt — über 211 Divisionen
Infanterie (12 belgische, 61 englische, 101 französische, 34 amerikanische [davon 8 noch nicht an der FronH, 2 italienische, 1 polnische), außerdem zehn Kavallerie-Divisionen. Die amerikanischen Divisionen hatten mit je zwölf Bataillonen die größte, annähernd aus das Doppelte der deutschen sich belaufende Stärke. Die englischen Divisionen bekamen, soweit bekannt, ausreichenden Ersatz, um die bestimmungsmäßige Bataillonsstärke von reichlich 900 Mann aufrechtzuerhalten, während die Franzosen nach allen vorliegenden Nachrichten mit großen Ersatzschwierigkeiten kämpften und in mindestens gleichem Maße wie die deutsche Seite zur Auslösung von Divisionen und Herabsetzung der Stärken hatten schreiten Weltkrieg. XIV. Band.
610
25.
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kamps um Zeitgewinn.
e,pumbtt.müssen1). Insgesamt war die zahlenmäßige Überlegenheit der Gegner, vor allem auch die sehr große in der Luft, unbestreitbar. Ihre bessere (Er¬ nährung von Mann und Pferd stand außer Frage, ebenso die reichlichere
Versorgung mit Waffen, Gerät und Treibstoff sowie die größere Leistungs¬ fähigkeit ihrer mit amerikanischer Hilfe ausgebauten Eisenbahnen. Die beim Feinde als Reserven hinter der Front stehenden Kräfte berechnete die Abteilung Fremde Heere der Obersten Heeresleitung am 23.September auf etwa 82 Divisionen^), von denen die überwiegende
Mehrzahl als „kampfkräftig" eingeschätzt wurde. Die Zahl der Kampf¬ wagen sollte rund 2000 betragen. Die Stellungen, die das deutsche Westheer gegen Ende September hielt, standen, wenn sie auch der Nachbesserung und des Ausbaus bedurften, im großen und ganzen an Stärke denjenigen nicht nach, in denen es 1916
und 1917 schwere Angriffe abgewehrt hatte. Seitdem hatten sich die Ver¬ hältnisse aber insofern wesentlich ungünstiger gestaltet, als die innere Kraft der Truppe nicht mehr die alte war und der Feind über Massen von Kampf¬ wagen verfügte, gegen die auch tiefe Drahthindernisse keinen Schutz mehr
boten. Um so größere Bedeutung kam weiter zurückliegenden Stellungen zu. Der von der Obersten Heeresleitung im Bereich der beiden nördlichen Heeresgruppen am 6. September angeordnete Bau^) war aber über Erkun¬
dungen und sonstige Vorbereitungen noch nicht hinausgekommen. Erst in den letzten Septembertagen wurden die Arbeiten an Teilen weiter vorn
gelegener Stellungen abgebrochen und damit Arbeitskräfte^) für den Bau der Hermann-Stellung frei. Erheblich besser stand es um die Hunding/ Brunhild-Stellung der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Die Zeit zur
Vorbereitung des planmäßigen Zurückgehens dorthin (Gudrun-Bewegung) hatte die Heeresgruppe Anfang September auf zwei Monate veranschlagt, ihre Durchführung auf weitere etwa drei Wochen. Am 20. September hatte sie ihre Armeen aber angewiesen, sich auf einen Beginn der Durch¬ führung schon am 21. Oktober einzurichten. Im Bereich der Heeresgruppe Gallwitz war in Fortsetzung der Brunhild-Stellung eine bis in die Gegend von Etain reichende „Kriemhild-"Stellung der S.Armee so weit gediehen, daß sie in kurzem bezogen werden konnte. Bei der Armee-Abteilung Csollte entlang der Orne bis Eonflans, dann über Rezonville bis zu den Befesti¬ gungen von Metz eine neue rückwärtige Stellung erst geschaffen werden. Bei der Heeresgruppe Herzog Albrecht waren für die 19. Armee und die 1) Die Franzosen hatten tatsächlich bereits 21 Infanterie- und 4 Kavallerie-Divisionen aufgelöst, davon aber nur eine einzige Infanterie-Division im Jahre 1918. 2) Tatsächlich 65 Ins., S Kav. Divn. 3) 6. SS2f. und Beil. 27». Beil. 41.
Stand des Stellungsbaus.
611
Armee-Abteilung A je zwei, für die Armee-Abteilung B drei hintereinander liegende Kampfzonen vorbereitet, deren Ausbau weit vorgeschritten war; ihre Hauptwiderstandslinien waren jederzeit beziehbar.
Z. Der Beginn der feindlichen Gegenoffensive. Beilagen 27, 28, 29, ZI und 22.
a) Sie weiteren Angriffspläne des Marschalls Foch. Mit dem Fall des deutschen St. Mihiel-Bogens war auch die letzte der von Marschall Foch am 24. Juli gestellten Aufgaben^) gelöst: Die Bahn Paris—Nancy war von jeder Bedrohung frei und damit die Erweiterung
der bisherigen Angriffsfront nach Osten wesentlich erleichtert. Eine solche Erweiterung hatte Marschall Foch bereits am 30. August bei Beginn der großen Offensive aus der Linie Arras—Soissons ins Auge gefaßt. An General Pershing, der dabei an entscheidender Stelle mit-
wirken sollte, schrieb er, der Feind weiche „unter offenkundigen Anzeichen von Auslösung" zurück; diese Lage müsse ausgenutzt werden durch Er¬ weiterung der Offensive bis zur Maas und konzentrische Operation aller alliierten Streitkräfte. Damit ging er über die am 24. Juli verkündete
Absicht, im Jahre 1918 nur Teilangriffe zu unternehmen, hinaus und nahm
den Beginn der allgemeinen Offensive schon für dieses Jahr in Aussicht. Nach Wegnahme des St. Mihiel-Bogens sollte ein Hauptstoß auf dem west¬ lichen Maas-Ufer nordwärts geführt werden, um die wichtige deutsche Ver¬ schiebebahn Montmedy—Mozieres zu treffen; denn wenn es gelang, diese zu unterbrechen, würden die zwischen Ardennen und holländischer Grenze
noch verbleibenden Bahnen nicht mehr ausreichen, die deutschen Armeen zu versorgen oder rechtzeitig zurückzuführen ^). Zunächst mußte allerdings ein nachdrücklicher Einspruch des Generals Pershing gegen die bei dieser Operation beabsichtigte abermalige Zer¬ reißung des amerikanischen Truppenverbandes berücksichtigt werden. Es ge¬ schah dadurch, daß ihm auch eine französische Armee unterstellt werden sollte.
Nach weiteren Besprechungen und Verhandlungen faßte Marschall Foch die bevorstehenden Operationsaufgaben am 3. September in folgende z. September.
Weisung zusammen: Zur Ausgestaltung der begonnenen Offensive gelte es, ohne Verzug alle Kräfte der Verbündeten mit konvergieren¬ den Zielen in die Schlacht einzusetzen. Der Stoß von Westen nach Osten gegen Eambrai und St.Ouentin werde auch weiterhin den britischen Armeen und dem linken Flügel der Franzosen zufallen. Der Stoß von
Süden nach Norden auf Mezieres solle in einem möglichst starken amerika¬ J) S. 546 f.
2) Pershing: „Experiences", II, S. 281.
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
612
nischen Angriff bestehen, links unterstützt durch Angriff der französischen 4. Armee. Diese Operation sei mit größter Beschleunigung vorzubereiten, damit sie spätestens zwischen dem 20. und 25.September beginnen könne. Sie solle zunächst den Feind beiderseits der Argonnen auf die Linie Stenay —Le Chesne—Attigny zurückwerfen, um von Osten her den deutschen Widerstand an der Aisne zu brechen. Damit bildete die Maas die Ost-
grenze der Offensive. Die Heeresgruppe Ost blieb unbeteiligt^). Gleichzeitig mit der Offensive in Frankreich sollte nach dem Plane des
Marschalls Foch auch das italienische Heer in Oberitalien angreifen; doch erklärte dessen Oberbefehlshaber, General Diaz, daß seine Truppen dazu einstweilen noch nicht in der Lage seien, im übrigen erwarte er einen öster¬
reichisch-ungarischen Angriff. Die verbündeten Armeen in Mazedonien hatten Mitte September zum Angriff zu schreiten^), und in Palästina sollte die britische Offensive gegen die Türken nach einer durch das Klima
bedingten Sommer-Pause ebenfalls wieder aufgenommen werden^).
In Frankreich begann, nachdem die Verfolgung der ausweichenden deutschen Armeen vor der Siegfried-Front zum Stehen gekommen war, die Umgruppierung für die neue Offensive. Im alten Somme-Kampfgebiet und an der Aisne, wo sich die Front ohnehin verkürzt hatte und die
Angriffsbedingungen besonders schwierig waren, sowie bei St. Mihiel wurden Kräfte herausgezogen, um die Flügel zu verstärken. Unterdessen is. bis
im Oberelsah die französische I.Armee vom 16. bis 18.September die
is.S«pt-.»b-r. -gp^mümg einer großen Offensive vorzutäuschen^). Am 18. versuchten Engländer und Franzosen nördlich von St. Ouentin die vor die ursprüngliche
Siegfried-Stellung um etliche Kilometer vorgeschobenen deutschen Linien zurückzudrücken, während die Franzosen zwischenAilette und Aisne angriffen. Die Gegner konnten aber ihre Ziele weder dort noch hier voll erreichen. LS.September.
Am 25.September waren die Aufmarschbewegungen abgeschlossen^).
Die Offensive sollte am 26. September am rechten Flügel mit dem Angriff der französischen Heeresgruppe Mitte beginnen, die aus ihrer Bereit¬ i) Vielleicht ohne Wissen des Marschalls Foch forderte Gen. Potain am 7. Sept. von der Heeresgruppe Ost den Entwurf für einen im Verlaus der nächsten sechs Monate von der 3. Armee mit 20 Divisionen auf 60 km Breite in Lothringen zu führenden Angriff. Gen. de Castelnau schlug hierfür die Richtung auf Dieuze und Mörchingen vor und rech¬ nete mit vier Monaten Vorbereitungszeit, also bis Ende Januar 1919. Zum mindesten
General Pstain glaubte also nicht, daß die jetzt bevorstehende Offensive schon das Kriegs¬ ende bringen werde.
-) 3) 4) 6)
Bd. XIII, S. 407. Bd. XIII, S. 439. Vgl. S. 605ff. Gliederung S. 613.
Angriffsvorbereitungen der Gegner.
613
stellung zwischen der Maas und Vailly westlich des Flusses nach Norden vorzugehen hatte, mit dem Hauptdruck (franz. 4. und amerikan. l. Armee) auf dem rechten Flügel beiderseits der Argonnen. In der Mitte hatte die von Vailly bis St.Quentin stehende französische Heeresgruppe Fayolle mit der 10. Armee, ebenfalls am 26. September antretend, auf Laon an-
zugreifen, während die I. Armee einen Tag später, am 27. September, die Richtung auf Guife nehmen sollte, um gegen das Südende der Sieg¬
fried-Stellung mit dem linken Flügel des britischen Heeres zusammen zu wirken. Dieses hatte an demselben Tage aus der Linie St. Quentin—-
Armentieres mit der Hauptstotzrichtung auf Cambrai—Douai, also gegen das Nordende der Siegfried-Stellung, anzugreifen. Als letzte sollte am 23.September die Heeresgruppe Flandern aus ihrer Aufstellung zwischen Armentisres und der Küste mit dem Ziele Courtrai—Roulers antreten. Während danach insgesamt 169 Divisionen, dabei etwa 1500 Tanks und rund 5000 Flugzeuge zur großen Offensive bestimmt waren*), ver¬ i) Gliederung der Angriffsfront am 26. September: Heeresgruppe Flandern unter dem König der Belgier mit französ. A. O. K. 6
(Gen. Degoutte): Belgische Armee (12 belg., 1 franz. Div., 1 belg. Kav. Div.), britische 2. Armee (10 Divn.),
französische Heeresreserve (6 Divn., 3 Kav. Divn.); zusammen: 29 Divn., 4 Kav. Divn.
Britisches Heer unter Feldmarschall Haig: 5. Armee (reichlich 6 Divn.),
I.Armee (15 Divn., 1/2 Kav. Div.), 3. Armee (15 Divn., 1/2 Kav. Div.), 4. Armee (15 Divn., 2 Kav. Divn.); zusammen: 51 Divn., 3 Kav. Divn.
Vom französischen Heer unter General Petain: Heeresgruppe Fayolle unter General Fayolle: I.Armee (14 Divn.), 10. Armee (13 Divn.), Heeresreserven: 7 Divn.; zusammen: 34 Divn. von der Heeresgruppe Mitte unter Gen. Maistre:
5. Armee (13 franz., 2 ital. Divn., 24 Tanks);
ferner unter Gen. Pershing zusammengefaßt: 4. Armee (27 Divn., 2 Kav. Divn., 356 Tanks). linker Flügel der amerik. I.Armee (15 Divn., 1 franz. Kav. Div., 190 Tanks); zusammen: 55 Divn., 3 Kav. Divn., 570 Tanks.
Gesamtstärke der Angriffsfront: 169 Divn., 10 Kav. Divn., mindestens 1500 Tanks. Die Zahl der Tanks bei Hgr. Flandern, brit. Heer und Hgr. Fayolle war nicht zu ermitteln, ebenso nicht die Zahl der Geschütze und Flugzeuge jeder Armee oder Hgr.
614
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
blieben noch 31 Divisionen^) abwartend in ihren Stellungen zwischen Maas und Schweizer Grenze. Den Gegner berechnete man auf insgesamt 195 Divisionen, davon zwei österreichisch-ungarische.
b) Die ersten Tage der großen Abwehrschlacht.
Am 11° in der Nacht 25./2S. September setzte bei der Heeresgruppe
Deutscher Kronprinz völlig überraschend sehr starkes Artilleriefeuer in der Champagne von der Vesle oberhalb von Reims bis zum Westrand der
Argonnen ein, bald darauf auch östlich der Argonnen und bei der Heeresgruppe Gallwitz bis zur Maas. Gas und künstlicher Nebel legten die
Verteidigung weitgehend lahm. Am Morgen brachen auf der rund 90 Kilometer breiten Gesamtfront westlich der Argonnen Franzosen, östlich Amerikaner zum Angriff vor.
Marschall Foch hatte ihnen folgende Ausgaben gestellt^): französische 4. Armee Angriff zwischen Suippes und oberer Aisne auf
Rvthel—Attigny (Vrunhild-Stellung); linker Flügel der 5.Armee vier Tage später Angriff zwischen Ailette und Reims, um zusammen mit der 4. Armee die schon so oft schwer um¬
kämpften deutschen Höhenstellungen östlich von Reims durch Umfassung zu Fall zu bringen; amerikanische I.Armee Angriff zwischen Argonnen und Maas, dann weiter über Buzancy auf Msziöres, um die deutsche Stellung Rethel— Attigny von Osten zu umfassen. In den Argonnen selbst sollten nur
Teilvorstöße stattfinden. Am 26. September gelang es der deutschen I.Armee, ihre Front im wesentlichen zu halten. Am Abend des Tages blieben feindliche Ein¬ brüche vor allem am linken Flügel bestehen, der wegen rückläufiger Be-
wegungen der Z.Armee zurückgebogen werden mußte. Diese Armee traf ein weit schwererer Stoß. Aber Tahure erreichte der Gegner zeitweise die Bahnlinie Somme Py—Maure. Er wurde hier zwar durch Gegenstötze wieder zurückgeworfen, doch blieb nördlich von Tahure, Ripont und Cernay ein vier bis fünf Kilometer tiefer Einbruch. *) Am Angriff waren nicht beteiligt: von der Hgr. Mitte:
rechter Flügel der amerik. I.Armee (12 Divn., davon 7 franz.), französische Hgr. Ost unter Gen. de Castelnau:
S.Armee (10 Divn.). 7. Armee (9 Divn.). -) Vgl. S. Hilf.
Die Abwehrschlacht der 1., Z. und 5. sowie 17. und 2. Armee.
615
Zwischen Argonnen und Maas war es dem Gegner gelungen, seine
Angrifssvorbereitungen völlig zu verbergen. Hier standen daher aus 20Kilo¬ meter Breite nur drei deutsche Divisionen zur Abwehr bereit. Erst in der
Nacht zum 2b. September lösten Amerikaner die Franzosen ab und brachen morgens mit zahlreichen Kampfwagen und nachfolgenden dichten Wellen von Infanterie gegen die inneren Flügel der 3. und 5. Armee vor. Sie
überrannten die deutschen Stellungen und drangen durchschnittlich sieben Kilometer tief ein. Varennes ging verloren, das hochgelegene Montfaucon konnte gehalten werden sowie an der Maas die Höhen nördlich von Danne-
voux. Östlich des Flusses wurden schwächere Teilangriffe abgewiesen. Bei der Armee-Abteilung Cund der Heeresgruppe Herzog Albrecht
herrschte Ruhe. Am 27. September setzte der feindliche Angriff auch bei der Heeres- N.s«pt«mb-r. gruppe Kronprinz Rupprecht ein. Hier hatten der rechte Flügel der britischen 1. und die britische 3.Armee am 27. gegen die Siegfried-Front vom Sensse-Abschnitt bis Pontruet, die
südlich anschließende britische 4. Armee und französische 1. Armee erst am 29. gegen den Abschnitt bis zur Oise bei Moy anzugreifen. Deutscherseits war der Angriff bei der 4. Armee, wo der Gegner zwischen Vpern und Armentieres die Front stärker besetzt hatte, vor allem aber gegen den linken Flügel der 17. Armee und den anschließenden rechten der 2. erwartet worden. Nur hier brach er am 27. morgens los. Bei der
17. Armee gelang es dem Feinde, den Nordkanal stellenweise zu über-
winden, die Front zwischen Marquion und Graincourt einzudrücken und, soweit der Kanal kein Wasser führte, Kampfwagen vorzutreiben. Bei Haynecourt warf er immer neue Truppen in den Kamps und konnte erst
durch eine aus nördlicher Richtung heraneilende Division westlich der Straße Douay—Cambrai zum Stehen gebracht werden. Auch bei Bourlon gebot ihm ein Gegenstoß zunächst Halt. Südlich der Straße Bapaume—Cambrai ging Flesquisres verloren. In den Nachmittagsstunden verschlechterte sich die Lage weiter. Bon Marquion aus hatte der Gegner die Kanal-Stellung
nach Norden aufgerollt. Auch bei Bourlon und südwestlich von Cambrai waren die deutschen Divisionen geworfen und in wechselvolle Kämpfe um die Linie Anneux—Ribecourt verwickelt. Die von der Obersten Heeres-
leitung und der Heeresgruppe angekündigten Verstärkungen konnten erst am nächsten Tage eintreffen. In der augenblicklich noch gehaltenen ungefähren Linie Epinoy—Ribocourt lagen die Truppen ohne Stellungen im freien Felde; nach Verlust großer Teile der Artillerie waren sie neuem Ansturm voraussichtlich nicht mehr gewachsen. General von Below
616
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Kampf um Zeitgewinn.
entschloß sich daher, in der kommenden Nacht mit dem linken Flügel des II. bayerischen Armeekorps hinter den Sensse-Abschnitt Arleux— Aubigny, mit dem XVIII. Armee- und XIV. Reservekorps in die Linie
Aubigny—Marcoing—Billers-Plouich („Hägen-Stellung") auszuweichen. Damit wurde westlich von Cambrai die eigentliche Siegfried-Stellung aufgegeben. Die Heeresgruppe billigte den Entschluß und vertrat ihn
gegenüber der Obersten Heeresleitung, als diese Rechenschaft ver¬
langte. Bei der 2. Armee der Heeresgruppe Boehn erwehrten sich am Vor- und Nachmittag das 54. Korps und IV. Reservekorps heftiger, haupt¬ sächlich von Amerikanern und Australiern mit zahlreichen Tanks vor¬
getragener Angriffe. Der Schwerpunkt lag bei Lempire, das behauptet wurde. Der rechte Armeeflügel mußte mit Rücksicht aus das Ausweichen der 17. Armee in der Nacht zurückgebogen werden, auf dem linken setzte
sich der Gegner bei Pontru fest. An der übrigen Front der Heeresgruppe blieb es im wesentlichen ruhig. Bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, die einen Gro߬
angriff auch gegen die 7. Armee erwartet hatte, griff die französische lO.Armee nach heftigem Artilleriefeuer mit Kampfwagen zwischen Ailette und Aisne an; ihr Ziel war Laon. Sie beulte die deutsche Stellung nörd¬
lich von Bailly ein. Kronprinz Wilhelm ordnete das für diesen Fall vor¬ bereitete Ausweichen hinter Ailette und Oise/Aisne-Kanal^) für die Nacht zum 23. September an. Bei der l. Armee mußte der äußerste linke
Flügel in Verfolg der Kämpfe bei der Z.Armee weiter zurückgebogen werden. Bei dieser Armee war das feindliche Artilleriefeuer um 530 mor¬
gens von neuem zu gewaltiger Stärke angeschwollen. Eine halbe Stunde
später brachen französische Tanks vor, gefolgt von Infanterie, die durch immer neue Wellen aufgefüllt wurde. Diesem Massenansturm waren die
bereits geschwächten deutschen Divisionen beim Fehlen ausreichender Re¬ serven nicht gewachsen. Am rechten Flügel trieb der Feind einen tiefen Keil bis zur Bahn bei Ste. Marie-a, Py vor. Südöstlich von Somme Py
wurde die Front durchbrochen, erst auf den Höhen östlich des Ortes kam der Ansturm zu vorläufigem Halt. Schwere Kämpfe entwickelten sich bei Manre. Weiter östlich gingen nur geringere Geländeteile verloren. Ost¬ lich der'Argonnen schritten die Amerikaner im Aire-Tal zu neuen heftigen Angriffen; sie kamen bis vor Apremont. Auch östlich der Aire machten sie Fortschritte. Bei der 5. Armee der Heeresgruppe Gallwitz mußte Montfaucon vor beiderseitiger Umfassung aufgegeben werden. An der Maas wurde die Front bis gegen Brieulles zurückgedrückt. S. 605.
Übergreifen der Abwehrschlacht auf die 7. und 4. Armee.
617
An der gesamten Front östlich der Maas blieb es bis auf Artillerie-
feuer ruhig. Das Heeresgruppenkommando Gallwitz, bisher gleichzeitig Oberkommando der S.Armee, wurde durch den Einsatz eines neu gebil¬ deten Arm ee-Ob erkomm an dos 5 (General von der Marwitz^) mit
Oberstleutnant Metzels) als Generalstabschef) entlastet. Vom östlichen Maas-Ufer hatte die letzte dort noch in Reserve stehende Division bereits auf dem Westufer eingesetzt werden müssen, auch von der Armee-Ab¬ teilung Cwaren zwei Divisionen dorthin im Marsch. Von den seinerzeit hinter dieser Armee-Abteilung und in Lothringen bereitgestellten Reserven der Obersten Heeresleitung^) waren fünf Divisionen schon abbefördert. Aber noch standen dort und im Elsaß etwa 14 Divisionen hinter der Front, die an anderen Abschnitten fehlten; denn es war außerordentlich schwierig, die versammelten Kräfte rasch wieder abzufahren. Schon die bisher von
dort lausenden Transporte führten zu schwerer Belastung der Eisenbahn und brachten die Verkehrslage in arge Verwirrung. Im übrigen war es
keineswegs sicher, ob nicht auch an der Lothringer Front der Angriff
bevorstand. Am 28.September früh griff der Feind die Heeresgruppe Krön- W.s-pt-mb«. prinz Rupprecht auch in Flandern an, und zwar in wesentlich größerer Ausdehnung, als die 4. Armee noch tags zuvor angenommen hatte. Unter stärkstem Kampfwagen- und Flieger-Einsatz ging hier die aus britischen,
belgischen und französischen Truppen bestehende Heeresgruppe Flandern vor. Während englische Flottenteile die Seefront des Marinekorps be¬
schossen, traf der Angriff nach dreistündiger Artillerie-Vorbereitung den rund 30Kilometer breiten Abschnitt zwischen Dixmude und der Lys, mit Schwerpunkten beiderseits des Houthulster-Waldes und an der von Vpern nach Menin führenden Straße. Es gelang dem Gegner, den Südflügel des Marinekorps, das Gardekorps und X. Reservekorps in die Linie Dix-
mude—Houthulst—Vecelaere—Iandvoorde—Hollebeke
zurückzudrücken;
die Höhen von Wytschaete mußten geräumt, vier Divisionen beschleunigt der 4. Armee zugeführt werden. Bei der 17. Armee drückte der Feind gegen die in der Nacht eingenommene Hägen-Stellung mit starken Kräften nach, entriß dem II. bayerischen Armeekorps vorübergehend Arleux, errang gegenüber dem XVIII. Armeekorps Vorteile dicht westlich von Eambrai und erreichte im Abschnitt des XIV. Reservekorps die Scheide, die er bei
Marcoing sogar überschritt. 1) ) Die O. H. L. hatte schon am 20. Sept. und nochmals am 9. Okt. befohlen, bei weiterem Rückzüge die Zerstörung von Häusern — soweit das militärisch möglich sei — zu
vermeiden; „planmäßige Zerstörung" hatte sie ausdrücklich verboten. Das an sich selbstverständliche Verbot der „Verwüstung" wurde offenbar mit Rücksicht aus die in der zweiten
Wilson-Note (S. 664)enthaltenen Vorwürfe hier nochmals ausdrücklich ausgesprochen. 2) 6.649. 3) Amerika», I. Armee unter Genm. Liggett (17 Inf., 1 Kav. Div.) beiderseits der Maas bis Fresnes (19km südöstl. von Verdun), amerikan. 2.Armee unter Genm. Bullard (7 Inf. Divn.) anschließend bis zur Seilte.
Kämpfe in der Hermann- und Gudrun-Stellung.
657
Französische 1. Armee über La Capelle, Chimay aus Givet, um nach links den Engländern zu helfen, nach rechts die deutsche Front Serre— Sissonne im Rücken zu fassen. Französische 5.und 4. sowie amerikanische 1. Armee aus Mszieres— Sedan und die Maas oberhalb von Sedan, wobei die deutsche Aisne-Front
durch Druck auf beide Flügel, links auf Chaumont-Porcien (13 km Nord¬ west!. von Rethel), rechts auf Buzancy—Le Chesne, zu Fall gebracht werden sollte.
Die bisherigen geringen Fortschritte gerade in dieser Richtung be¬ reiteten allerdings Sorge; die Amerikaner schienen der zu lösenden schwie¬ rigen Aufgabe nicht recht gewachsen zu sein. Es lag daher nahe und entsprach auch der Gesamtlage, nMMehr auf den von General Pstain bereits Anfang September erörterten Plan des Angriffs in Loth¬ ringens zurückzukommen. General Pstain selbst ersuchte am 19. Oktober die Heeresgruppe Ost, den bisher erst für 1919 in Aussicht genommenen Angriff ihrer 3. Armee nunmehr so vorzubereiten, daß er möglichst bald, nämlich drei Wochen nach Eingang des Befehls, mit etwa 20 Divisionen ausgeführt werden könne. Tags darauf folgte eine Weisung des Marschalls Foch, den Angriff beiderseits der Mosel vorzubereiten, um den Gegner an der Festsetzung hinter der Maas zu hindern. Das Ziel sollte die Gegend von Longwy—Luxemburg einerseits, die Saar andererseits sein. An Kräften würden bei der Verkürzung der Front eingesparte französische
Divisionen und amerikanische Truppen zur Verfügung stehen. gm übrigen kam die Unzufriedenheit mit dem bisherigen Er¬ gebnis der amerikanischen Angriffe in einem Briese zum Ausdruck, den Ministerpräsident Elemenceau als Kriegsminister und damit Oberster Befehlshaber des französischen Heeres am 21. Oktober an Marschall Foch
schrieb. Er wies auf das Mißverhältnis zwischen den Leistungen der fran¬ zösischen und britischen Armeen einerseits, der amerikanischen andererseits hin. Wenn General Pershing mit seiner I. Armee nicht schärfer angreife, solle Marschall Foch ihm das befehlen, und wenn er nicht gehorche, sich an Präsident Wilson wenden und nötigenfalls einen Personenwechsel durch¬ setzen. Marschall Foch hielt — wie übrigens auch Präsident Poincare, der von der Absendung des Briefes dringend abgeraten hatte — eine so
scharfe Sprache für unzweckmäßig. Auch fühlte er sich in seiner Eigenschaft als Oberster Befehlshaber der alliierten Heere in Frankreich keineswegs dem französischen Kriegsminister unterstellt. Er beschränkte sich daher aus einen Befehl, den er gleichzeitig an die französische Heeresgruppe Mitte richtete. Danach sollte die französische 4. Armee möglichst bald Le Chesne, die ameril) S. 612, Anm. 1. Weltkrieg. XIV. Band.
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Fortgang der Kämpfe.
658
konische l. Armee Buzancy erreichen, um die Aisne-Linie Rethel—Attigny zu öffnen. Die amerikanische 1. Armee sollte unverzüglich angreifen. Ver¬ lustreiche Kämpfe in dem schwierigen Waldgebiet der Argonnen seien aber zu vermeiden; dieses Gebiet sei daher von den Franzosen im Westen, von den Amerikanern im Osten zu umgehen. 20. vi» Auf deutscher Seite wurde bei der Heeresgruppe Kronprinz 2e.okt»b«.. Rupprecht das Loslösen der 4., ö. und 17. Armee vom Gegner und die weitere Durchführung der Hermann-Bewegung bis zum 22.Oktober unter
Geplänkel mit stellenweise rasch und scharf nachdrängendem Gegner planmäßig beendet. Die schwierige Rückzugsbewegung hatte von den stark ab-
gekämpften Truppen anstrengenden Nachhut- und Streifdienst sowie erhebliche nächtliche Marschleistungen bei ungünstigem Herbstwetter verlangt. Die nunmehr besetzte Lys/Hermann-Stellung war größtenteils durch Kanäle und die angestaute Scheide geschützt. In der Frontbesetzung wurden keine Divisionen eingespart, doch war die Heeresgruppe in der Lage, die 4. und 2. Armee aus der weniger gefährdeten 6. und 17. Armee zu ver¬
stärken. In der Lys/Hermann-Stellung wollte sie „den entscheidenden Kamps" annehmen.
Gegen die 2. Armee folgten am
und 24. Oktober wieder
heftige Angriffe bei Solesmes und Le Cateau, die weitere Teile der
Hermann-Stellung kosteten und die Front bis Le Quesnoy—Landrecies und hinter den Sambre/Oise-Kanal zurückdrückten. Das Kriegstagebuch der Armee nennt den 23.Oktober„denschwerstenundkritischstenKam seit dem 8. August". Die Heeresgruppe sah sich veranlaßt, ihre Reserven
auf dem Südflügel zusammenzufassen. Auch General Ludendorff griff mit persönlich von ihm entworfenen Befehlen ein und wies die Heeres¬
gruppen Kronprinz Rupprecht und Deutscher Kronprinz an, „alle irgendwie verfügbaren Kräfte" an den Bereich der 2. Armee heranzuführen, um dort zu helfen. Bei der Tiefe des Einbruchs mußte der linke Flügel der
17. Armee scharf zurückgebogen werden. Die sehr geschwächte 4. Armee, der keine Kräfte zugeführt werden konnten, wurde — vermutlich im Einver¬ nehmen mit der Obersten Heeresleitung — ermächtigt, vor feindlichem
Angriff nötigenfalls hinter den Kanal Neuzen—Gent und die Scheide zurückzugehen, die eben bezogene Lys/Hermann-Stellung also schon wieder auszugeben. Mit dem 25.OktoberflautendieKämpfebeiderHee gruppe ab. Aber der Einsatz zahlreicher ausgeruhter Divisionen beim Gegner und die Hartnäckigkeit seiner Angriffe hatten erkennen lassen, daß er den Durchbruch bei Valenciennes—Le Cateau mit allen Mitteln er-
strebe.
Kämpfe in der Hermann- und Gudrun-Stellung.
659
Die abnehmende Widerstandskraft der fechtenden Truppen machte es
auch den Heeresgruppen Deutscher Kronprinz und Gallwitz immer schwerer, ihre im Vergleich zur Zahl der Kämpfer übermäßig lange Front zu halten. Am 20. Oktober war an der Südfront der l8. Armee die
vorspringende Ecke von Catillon verlorengegangen. Schrittweise wichen die deutschen Linien zwischen Oise und Serre bis zum 2b» auf die Sehnen¬ stellung Macquigny (westl. von Guise)—Crecy aus; der Brückenkopf der 7. Armee südöstlich von Crecy wurde geräumt. Besonders schwer waren die Kämpfe der 7. und l. Armee zwischen Sissonne und Rethel, wo
jedes natürliche Tankhindernis fehlte. Doch kam der Gegner hier trotz wiederholter heftiger Anstürme nur sehr langsam voran. Bei der Z. Armee waren am 21. Oktober Gegenangriffe an der Aisne bei Vouziers erfolg¬ reich gewesen, trotzdem wurde die Lage dort am 23.kritisch. Die Heeres¬ gruppe Deutscher Kronprinz bat dringend um Zuweisung einer kämpfkräftigen Division, denn — so hatte die Z.Armee gemeldet: „Binnen kurzem wird Widerstandskraft der Mehrzahl der Frontdivisionen so weit erlahmen, daß ohne gleichzeitige Auffrischung einer ganzen Reihe von
Divisionen die Front nicht mehr gehalten werden kann". Die Heeresgruppe
fügte hinzu, daß sie selbst nicht mehr Helsen könne. Aber auch die Oberste Heeresleitung war nicht in der Lage, eine kampfkräftige Division zu überweisen. Am 25. Oktober begannen neue Angriffe nordwestlich von Grandpre, sie brachten den Franzosen nur geringen Gewinn. An diesem Tage meldete die Heeresgruppe nochmals, daß beim Absetzen der 7. Armee und des rechten Flügels der I. Armee und damit Aufgeben der Hunding-Stellung von den schwachen Truppen im offenen Gelände kein längerer Widerstand als in den bisherigen ausge-
bauten Stellungen zu erwarten sei. Müsse ausgewichen werden, so wäre das gleichbedeutend mit dem Beginn des Rückzuges auf die Antwerpen/ Maas-Stellung, der von der Heeresgruppe unter dem Decknamen „Kriegsmarsch" vorbereitet war. Dieser könne dann wohl noch um Tage, nicht aber
länger hingezögert werden. Da aber der Gegner an der seit Wochen angegriffenen Druckstelle an der unteren Aire einstweilen nur geringe Fortschritte
gemacht hatte, antwortete General Ludendorff abends: Nach dem erfolgreichen Ausgang der Kämpfe dieses Tages hoffe er bestimmt, daß die Heeresgruppe auch weiterhin ihre Stellungen halten werde. Er wies ihr zwei Divisionen zu. Bei der Heeresgruppe Gallwitz wurden in diesen Tagen der rechte Flügel und die Mitte der 5. Armee weiter angegriffen, zeitweise mit gewaltigem Aufwand an Menschen und Munition seitens der Amerikaner.
Westlich der Maas wurde die Front hinter den Andon-Abschnitt zurück-
660
2«. bi»
°
Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
genommen, östlich des Flusses war die Kampstätigkeit abgeflaut. Aber
dauernd lastete auf der Führung die Befürchtung, daß der Feind sich demnächst aus den linken Flügel der 5. Armee und aus die Armee-Abteilung C werfen werde. Doch blieb es dort und auch bei der Heeresgruppe
Herzog Albrecht vorläufig ruhig. Unterdessen hatte die am 24. Oktober eingehende dritte Wilson-Note die Oberste Heeresleitung veranlaßt, in einem flammenden Aufruf an das Heer Kampf bis zum äußersten zu verlangen. Der Generalfeldmarschall
und General Ludendorff begaben sich nach Berlin, vermochten aber ihre
Auffassung der Reichsregierung gegenüber nicht durchzusetzen. Anter diesen Umständen bat General Ludendorff am Mittag des 26. Oktober um seine Entlassung, die ihm sofort gewährt wurde
2. Gberste Heeresleitung und Reichsregierung. Vom 6. bis 26.Oktober. e. Oktober.
In einer von der Politischen Abteilung derOberstenHeeresleitung bearbeiteten „Auffassung der Lage" vom 6. Oktobers war über die
große feindliche Offensive von Ende September gesagt, daß der Gegner sein Ziel nicht erreicht und hohe Verluste erlitten habe. Man rechne aber doch mit „weiteren starken Angriffen ..., solange der Feind noch Reserven hat". Äber die Lage im Osten, wo der bulgarische Waffenstillstand in Kraft getreten war und den Feinden das Durchmarschrecht gab3), hieß es: Den
bei Risch und Sofia sich sammelnden deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen „fällt nur noch die Ausgabe zu, Österreich-Ungarn zu schützen. Ob dies noch auf serbischem Boden möglich sein wird, ist zweifelhaft". Der Entente steht der Weg auf Konstantinopel frei, zu dessen Schutze zu¬ nächst nur schwache türkische und deutsche Truppen verfügbar sind. Nach der gleichzeitigen Niederlage in Syrien wird die Widerstandskraft der Türkei nicht mehr lange dauern. „Der Boden für den Wiedereintritt Rumäniens in den Krieg ist durch die Machenschaften der Entente vor¬
bereitet. Österreich-Ungarn, zermürbt durch die Selbständigkeitsbestrebun¬ gen der einzelnen Volksstämme, besitzt nicht mehr die innere Stärke, um
die neue Bedrohung seiner südlichen Grenze noch lange abzuwehren. Aus
Großrußland droht uns die bolschewistische Gefahr. Sie fordert freie Hand zu tatkräftigster Abwehr. Deutschland wird in kurzem allein gegen die Welt
in Waffen stehen. Seine Majestät der Kaiser hat sich daher entschlossen, *) Näheres S. 672 ff 2) Diese Ausarbeitungen waren vor allem auch zur Anterrichtung politischer Stellen
bestimmt. 3) Bd. XIII, S. 412.
Bis zur ersten Wilson-Note.
6S1
den Weg zum Frieden zu betreten. Das deutsche Volk hat das Anrecht auf ehrenvolle Bedingungen. Es wird sie erreichen, je geschlossener es ist. Deshalb galt es, den Streit der Parteien zu begraben und alle Kräfte zu einheitlicher Heimatfront zusammenzufassen". Geht die Entente aus das
Friedensangebot nicht ein, sondern „will sie uns auf die Knie zwingen, so wird sie Volk und Heer bereit finden, die deutsche Ehre und den deutschen Boden bis zum letzten zu verteidigen. Die Kraft des Heeres ist ungebrochen. Schrittweise nur wird es gegen die Reichsgrenzen zurückweichen. Die be¬
setzten Gebiete werden durch die Schuld der Entente der Verwüstung preisgegeben sein".
Auch einErlaßdesKaisersvomö. OktoberanHeerundFlotte betonte: „Doch nur zu einem ehrenvollen Frieden werden wir die Hand reichen. Das schulden wir den Helden, die ihr Leben für das Vaterland gelassen haben, das schulden wir unseren Kindern. Ob die Waffen ruhen werden, steht noch dahin ... Die Stunde ist ernst, aber wir fühlen uns, im Vertrauen auf unsere Kraft und Gottes gnädige Hilfe, stark genug, unsere
geliebte Heimat zu verteidigen". Unterdessen hatte Staatssekretär von Hintze eine Stellungnahme der
Obersten Heeresleitung zu der beabsichtigten „Behandlung der Fragen im Osten" erbeten. Dazu betonte General Ludendorff, daß auch dort so lange als nur möglich gehalten werden müsse, denn: „Im Osten bringt jedes Zurückweichen die bolschewistische Gefahr unseren Grenzen näher ... Die Ukraine und die baltischen Länder werden rettungslos vom Bolsche¬ wismus überflutet, sobald wir sie räumen".
An der Westfront gingen die schweren Abwehrkämpfe weiter, wobei ^ der Zusammenhalt der Front oft nur durch rechtzeitiges Ausweichen ge¬ sichert werden konnte. Am 8. Oktober stellte der Reichskanzler in Er¬ wartung der amerikanischen Antwortnote eine Reihe von Fragen über
die militärische Lage. Tags darauf lag die erwartete Antwort des Präsidenten Wilson vor. Sein Freund und politischer Berater, Oberst
House, hatte ihn gemahnt: „Mit Foch, der auf die Westfront loshämmert, und Ihnen, der den diplomatischen Keil weitertreibt, tritt die Beendigung des Krieges noch vor Jahresschluß in den Bereich der Möglichkeit"^). Zu¬ sammen mit Staatssekretär Lansing hatte er erreicht, daß die Antwortnote
eine entsprechend scharfe Fassung erhielt. Hatte Deutschland die 14 Punkte nur als „Grundlage für die Friedensverhandlungen" angenommen, so
wurden sie jetzt zu „Friedensbedingungen" gemacht. Auch wurde gefragt, ob der Kanzler „nur für diejenigen Gewalten des Reiches spricht, die bisher i) The Intimate Papers of Colonel House, IV, S. 76.
662
Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
den Krieg geführt haben". Das zielte deutlich auf beabsichtigte Vertiefung der innerpolitischen Gegensätze im deutschen Volke und Spaltung seiner Einheit. Im übrigen wurde Räumung der besetzten Gebiete verlangt. Zur Besprechung über diese Note traf General Ludendorsf auf Ersuchen des Reichskanzlers am 9. Oktober in Berlin ein. In einer Sitzung des Kriegskabinetts legte er die Entwicklung der Gesamtkriegslage seit dem Herbst 1916 dar. Dann wurden unter anderem die vom Kanzler tags zuvor
gestellten Fragen besprochen^). Prinz Max berichtet^) über diese Aus¬ sprache: Bei den Vertretern der Obersten Heeresleitung (außer General
Ludendorff auch Oberst Heye) habe „unleugbar mehr Ruhe geherrscht als am 3.Oktober3). „Damals war die Parole: Macht schnell, wir fürchten die Katastrophe. Heute hieß es: Die Katastrophe ist möglich, aber wir
hoffen, sie kommt nicht", u.ott»»«.
Endgültig wurden die Fragen des Kanzlers erst am 11. Oktober schrift¬
lich in folgendem Sinne beantwortet: Mit weiterer Rückzugsbewegung werde gerechnet, dabei könne die
Rheinprovinz noch längere Zeit gehalten werden, da sie von unseren jetzigen Stellungen weit entfernt liege. Aus Elsaß-Lothringen sei ein Angriff „augenblicklich nicht wahrscheinlich".- Ein militärischer Zusammenbruch werde zwar nicht befürchtet, er sei aber möglich. Mit feindlichen Gro߬ angriffen könne noch mehrere Wochen gerechnet werden. Der Ausfall des Heeres, der durch Ersatz nicht gedeckt werden könne, betrage im Monat 70000 Mann; der Ersatz an Material sei dagegen ausreichend. Auf die Frage, ob nach Ausfall auch der Türkei und Österreich-Ungarns der Krieg von Deutschland allein noch bis zum Frühjahr fortgeführt werden könne, lautete die Antwort: „Wenn eine Kampfpause im Westen eintritt, ja!" Von einer „levee en masse", wie sie in der Presse empfohlen worden war,
versprach sich die Oberste Heeresleitung keinen ausreichenden Kräftezuwachs. Sie forderte statt dessen „energische Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und Erfassung des tatsächlich noch vorhandenen Materials" (gemeint war das an Menschen).
Betreffs der von Präsident Wilson für den Abschluß eines Waffenstill¬ standes bereits gestellten oder noch zu gewärtigenden Forderungen, wie Räumung von Rordfrankreich und Belgien, Besetzung deutscher West¬
festungen, stellte sich die Oberste Heeresleitung auf den Standpunkt, daß i) Gen. Ludendorsf hat das über die Kabinettssitzung aufgestellte Protokoll in mehreren, bei dem hier gegebenen Zusammenhang aber unwesentlichen Punkten be¬ anstandet (Ludendorff: „Das Verschieben der Verantwortlichkeit", S. 35ff.). *)„Erinerungeund Dokumente", S. 390/91. 3)S.638.
Stellungnahme zur ersten Wilson-Note.
663
feindliche Forderungen grundsätzlich mit Gegenforderungen zu beantworten seien. Zur Räumung von Nordbelgien und Frankreich, die abschnittsweise in zwei bis drei Monaten durchzuführen sei, war sie bereit, doch müsse als Gegenleistung die Räumung des vom Gegner besetzten deutschen Gebietes^) gefordert werden. Räumung der Ostgebiete könne zugestanden werden, um die dortigen Truppen im Westen zu verwenden, doch müsse der Entente
klargemacht werden, daß jene Gebiete dann dem Bolschewismus verfallen würden. Besetzung deutscher Festungen sei abzulehnen. Die deutsch-franzöfische Grenze könne gehalten werden, wenn ihr sofortiger Ausbau erfolge. Das war allerdings eine Voraussetzung, die praktisch nicht zu erfüllen war.
Auf das Verlangen des Generals Ludendorfs, die Bewilligung feind¬ licher Forderungen von Gegenforderungen abhängig zu machen, ging die Reichsleitung nicht ein. General Ludendorff mutzte nachgeben, um die Herbeiführung eines Waffenstillstandes nicht in Frage zu stellen. Wohl aber erwirkte er — was von Bedeutung sein konnte —, daß in die am
12. Oktober abgehende deutsche Antwortnote eingefügt wurde, Deutschland nehme an, daß auch die Verbündeten Amerikas sich aus den Boden der
Kundgebungen des Präsidenten stellten. Im übrigen wandte sich seine Sorge jetzt derStimmunginderHeimatzu, durch deren Entwicklung — wie Generalfeldmarschall von Hindenburg am 14. Oktober an den lio«*»«.
Reichskanzler drahtete — „unsere Aussichten bei Verhandlungen immer ungünstiger gestaltet werden". Es müßten dem Volke auf jede Weise die
furchtbaren Folgen eines Friedens um jeden Preis vor Augen geführt werden; in öffentlichen Kundgebungen müsse der Wille zum Ausdruck kommen, daß man nur zwischen einem „ehrenvollen Frieden und Kamps bis zum äußersten" zu wählen bereit sei. Andererseits wurde das Nachgeben der Obersten Heeresleitung der
Reichsregierung gegenüber im Heere vielfach nicht verstanden. Der General¬ feldmarschall wies daher meinem Erlaß vom IS. Oktobers ausdrücklich darauf lz.o»«b«r. hin, es sei seine „Pflicht, die von Seiner Majestät Allerhöchst befohlene Regierung zu unterstützen". Dem Friedensschritt stimme er zu. Vor allen anderen Armeen habe die deutsche das voraus, daß sie und ihr Offizierkorps nie Politik trieben. „Daran wollen wir festhalten". Er erwarte, daß das Ver-
trauen, das ihm in guten Tagen geschenkt wurde, auch jetzt sich betätige. Bei den Gegnern hatte das deutsche Verlangen nach Frieden und „sofortigem Waffenstillstand" die vom Reichskanzler befürchtete Wirkung *) Es handelte sich um unbedeutende Räume in den südlichen Vogesen. 2) Eine am gleichen Tage seitens der Politischen Abteilung ausgegebene „Auffassung der Lage" enthielt nichts in diesem Zusammenhange Erwähnenswertes.
664
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Ö. H. L. und Reichsregierung.
gehabt. Auch hatten die vertraulichen Eröffnungen über die militärische Lage, die Major von dem Bussche am l. Oktober den Parteiführern des
Reichstages gemacht hatte*), durch einige von diesen alsbald den Weg in die Öffentlichkeit sowie ins Ausland gesunden und hier besonders auch die hoffnungslosen Ersatzverhältnisse bekannt werden lassen. Die feindliche Führung sah alle bisherigen Nachrichten und Vermutungen über die Schwäche der deutschen Widerstandskraft bestätigt, wenn nicht über-
troffen. Marschall Foch verlangte wesentlich schärfere Waffenstillstandsbedingungen, als sie in der ersten Wilson-Note zum Ausdruck gekommen
waren und England sowie Frankreich forderten daraufhin in Washington, daß auch die militärischen Führer gehört würden. Dazu kam, daß durch ein deutsches Unterseeboot am 12. Oktober in der Irischen See ein Passagierdampfer versenkt worden war, wobei Hunderte von Menschen, darunter
zahlreiche Amerikaner, umgekommen sein sollten. i6.otfa>b wenn
man die Ukraine und Weißrußland räumte, zehn Divisionen abgeben^). Man brauche aber der Eisenbahnverhältnisse wegen drei Monate Zeit, um sie aus der Ukraine herauszuziehen. Da die Ost-Divisionen jedoch nur aus
35-bis 45jährigen beständen und, auf weite Räume zerstreut (in Litauen ein Soldat auf ungefähr 18 qkm), durch Bestechung seitens der ostjüdischen
Händler und durch bolschewistische Propaganda recht gelitten hätten, würden sie im Westen nur zur Abwehr brauchbar sein. Zöge man sie im Osten weg, so werde der Bolschewismus einen großen Auftrieb erhalten und
alsbald nachdrängen. Im übrigen hänge das Wegziehen von der Ernährungslage der Heimat ab. An Ersatz konnten, wie General Scheüch mitteilte, „ohne fühlbare Eingriffe in die Heimatwirtschast" monatlich 190000 Mann ins Feld geschickt werden. Es sei aber auch ein einmaliger Nachschub von 600000 (genau 637 000) Mann möglich, wobei dann allerdings der monatliche Ersatz aus 100000 Mann gekürzt werden müsse; auch würde der Eingriff in die Wirtschaft „schon fühlbarer" werden. General Ludendorfs sah in diesem Angebot die Erfüllung einer bisher leider vergebens gestellten Forderung. Er trat dringend für den einmaligen Nachschub ein, der die
Front tatsächlich und moralisch wesentlich stärken könne. Demgegenüber warnte Staatssekretär Scheidemann: man täusche sich, wenn man glaube,
daß „diese Hunderttausende die Stimmung im Heer verbessern würden. Das Gegenteil" sei „seine feste Überzeugung... Die Arbeiter kommen mehr und mehr dazu, zu sagen, lieber ein Ende mit Schrecken, als ein
Schrecken ohne Ende". Besserung der Stimmung sei nur durch bessere Verpflegung möglich; die Not sei zu groß. Verhältnismäßig geringe Sorgen bereiteten nach Ausführungen des Generals Ludendorfs die feindlichen Tanks und Flieger. Er hoffte, daß, „wenn unsere Infanterie wieder zu Kräften kommt, auch der Tankschrecken, der schon einmal überwunden war und wiedergekommen ist, nochmals überwunden wird". Bis zum Frühjahr würden wir auch im Bau von
Tanks weiter sein. In der Lust sei das Verhältnis eins zu drei, aber trotzdem sei die „Überlegenheit bei uns... Alles das schreckt mich nicht". Die wichtige Frage, wie weit die Olvorräte reichten, wenn die Lieserungen aus Rumänien ausfielen, wurde dahin geklärt, daß das Heer nur
noch für anderthalb, die Marine aber für acht Monate, die heimische Wirt¬
schast so gut wie keine Vorräte mehr habe. Hier sollte für Ausgleich gesorgt werden.
i) Wie diese Zahl errechnet war, ist unklar; vielleicht sind einige in Rumänien
stehende Divisionen mitgezählt.
Kabinettssitzung über die zweite Wilson-Note.
667
Aus die Frage, ob die Westfront noch die drei Monate halten werde, bis die Ost-Divisionen heran sein könnten, erklärte General Ludendorff, er halte einen Durchbruch „für möglich, aber nicht für wahrscheinlich". Bis zum Frühjahr werde sich das Iahlenverhältnis bei Einstellung von 600000 bis 700000 Mann Ersatz unsererseits nicht entscheidend verschlechtern, wohl aber werde die Lage bei etwaiger Räumung des besetzten Gebietes in jeder Hinsicht bedeutend schwieriger. Seit dem 5.Oktober habe sich das Bild^) „vor allem dadurch wesentlich geändert, daß die feindlichen Angriffe seitdem an Kraft und Wucht abgenommen hätten. Die Offensive des Feindes habe
offenbar ihren Höhepunkt überschritten. Sie sei merklich im Abslauen. Unbedingte Sicherheiten, fuhr der General fort, könne auch er natürlich
nicht geben, Prophezeihungen im Kriege seien unangebracht; aber in dem Maße, wie er Vertrauen vom deutschen Volke zu beanspruchen ein Recht zu haben glaube, verantworte er jetzt, zu erklären: er sähe der weiteren
Entwicklung der militärischen Lage zuversichtlich entgegen, in etwa vier Wochen hoffe er sagen zu können, über den Berg zu sein. Die Front im Westen werde, wenn auch unter allmählicher und planmäßiger Zurück-
Verlegung der Stellungen, jedenfalls noch mehrere Monate durchhalten können, und er glaube nicht zuviel zu sagen, wenn er behaupte, schlimmsten¬
falls noch den Winter über. Unerläßliche Voraussetzung aber hierfür sei, daß nun aber auch von feiten des Kriegskabinetts alles Erdenkliche geschähe, um der Zersetzung des Geistes unseres Volkes und unserer Wehrmacht
entgegenzuarbeiten und die Stimmung in der Heimat emporzurichten, um
der aus das schwerste jetzt ringenden Front den Rücken zu stärken". Dieser ernste Appell galt vor allem Staatssekretär Scheidemann und der von
ihm vertretenen sozialdemokratischen Partei: „Wenn er— Herr Scheide¬ mann — es nicht fertigbringe, dann gäbe es doch noch ganze Männer in
seiner Partei, die es tun könnten!"
General Ludendorsf schloß: „Anzustreben bleibe, den Faden der Ver¬ handlung mit dem Feinde nicht abreißen zu lassen, und wünschenswert sei eine Waffenruhe. Keinesfalls aber könne und dürfe die Rede sein von einer
Unterwerfung unter die Rote Wilsons vom 14. Oktober; sie bedeute letzten Endes nichts mehr und nichts weniger als Waffenstreckung und bedingungs¬ lose Übergabe aus Gnade und Ungnade, um dadurch um so ungehinderter Deutschlands Vernichtung betreiben zu können". In einer weiteren Sitzung wurde nachmittags die Frage gestellt, ob
man angesichts des anscheinend bevorstehenden Aussalls Osterreich-Ungarns auf die Wilson-Rote „eine etwas heftigere Antwort wählen dürfte, die unserer Würde entspräche, auch auf die Gefahr hin, daß Wilson abschnappe. i) Das Folgende nach der Darstellung des Admirals von Levetzow.
668
Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
17.0H0&«. Können wir das verantworten?" General Ludendorfs antwortete: „Ja,
wir können es verantworten". Präsident Wilson müsse aufgefordert werden,
sich über die Bedingungen zu äußern. „Die Note müsse jetzt der Prüfstein sein, ob er es ehrlich meint und ob er auch die Macht hat, seinen Willen
durchzusetzen". Zum Schluß äußerte sich Oberst Heye ähnlich wie^schon General Ludendorff in zuversichtlichem Sinne über die militärische Lage: „Den Entscheidungskamps müßten wir annehmen, wenn die Bedingun¬ gen, die uns gestellt würden, entehrende seien".
Die Frage des Anterseekrieges wurde noch nicht entschieden. Einmütig war das Kabinett aber der Ansicht, daß der Vorwurf unmensch¬
licher Kriegführung zurückzuweisen sei, und keinesfalls sei „Deutschland gewillt, sich entehrenden Bedingungen zu fügen". Insgesamt hatten die Ausführungen des Generals Ludendorff eine starke Wirkung gehabt und die Versammelten mit Zuversicht erfüllt. Die Lage schien im großen und ganzen weit günstiger, als man erwartet hatte. „Der Gesamteindruck der Sitzung war ein erhebender und ließ für die Zukunft das Beste erhoffen'"). Von allen Seiten wurde General Luden-
dorff nach Schluß der Sitzung „freudig umdrängt und beglückwünscht"^. Er selbst berichtet^), daß ihm Staatssekretär Gröber versichert habe, er hätte die Herren wieder ausgerichtet. Als General Ludendorff am Abend des 17. Oktober in das Große Hauptquartier zurückfuhr, befand er sich in gehobener Stimmung. Er glaubte einen Sieg errungen zu haben, eine Einheitsfront gegen feindliche
Vergewaltigung schien ihm gesichert. ls.oiwb«..
Tags daraus übersandte der Reichskanzler dem Generalfeldmarschall vertraulich die Äußerung eines „aktiven Diplomaten der Alliierten" im Haag, nach der ein großer Gegensatz zwischen Präsident Wilson und Marschall Foch bestehe: „Wilson will einen Rechtssrieden der Versöhnung und Verständigung. Foch will völlige Demütigung Deutschlands und Befriedigung der französischen Eitelkeit. Jede Festigung der deutschen Front und der deutschen diplomatischen Haltung stärkt die Stellung Wil-
sons; jedes Zeichen militärischer und politischer Schwäche stärkt Foch. Wilson erstrebt nur Nachgeben in zwei Punkten: 1. II-Boot-Krieg: keine Passagierdampfer mehr versenken. 2. Demokratisierung Deutschlands (keine Absetzung des Kaisers, nur konstitutionelle Monarchie; Stellung der Krone wie in England)..." 1) Aufzeichnung im Kr. Tgb. der Seekriegsleitung. 2) Darstellung des Adm. von Levetzorv. 3) Niederschrift von Ende Oktober (vgl. S. 634, Anm. 1).
Die Frage der Preisgabe des Unterseekrieges.
ööS
Generalfeldmarschall von Hindenburg lieh diese Mitteilung allen Heeresgruppen und Armeen bekanntgeben, aber — wie sein Begleit¬ schreiben zeigt — nur, um zu äußerster Kraftanstrengung anzuspornen^),
während der Kanzler vermutlich gehofft hatte, durch sie die Oberste Heeresleitung für Preisgabe des Unterseekrieges zu gewinnen; denn zu der war das gesamte Kabinett, um einen Abbruch der Verhandlungen zu vermeiden,
entschlossen. Admiral S che er wandte sich wie schon bisher gegen diese Absicht und drahtete in der Nacht zum 20. Oktober an General Ludendorsf, 20. ottot>«. er werde der Einstellung des Unterseekrieges nur zustimmen, wenn die
Oberste Heeresleitung es verlange. Diese trat in bestimmtester Form dem Standpunkt der Marine bei und nahm damit den Kampf gegen die
Reichsregierung auf. An Oberst von Haeften wurde folgende Stellung¬ nahme des Generalfeldmarschalls zur Weiterleitung an den Reichs¬ kanzler gesandt, dem sie am Morgen des 20. Oktober vorgelegt wurde:
„Die Lage hat sich nicht geändert. Die Türkei hat Sonderverhandlungen begonnen^). Osterreich-Ungarn wird bald folgen. Wir werden sehr bald in Europa allein dastehen. Die Westfront ist in größter Anspannung. Ein Durchbruch bleibt möglich, wenn ich ihn auch nicht befürchte. Durch Absetzen vom Feinde in Belgien und Zuführen des zugesagten Ersatzes könnte ein nachhaltiger Widerstand organisiert werden, der den Kamps an der Westfront in die Länge zieht und uns zwar nicht den ausgesprochenen Sieg beschert, wohl aber uns vor dem äußersten bewahrt. Aber selbst wenn
wir geschlagen würden, stünden wir nicht wesentlich schlechter da, als wenn wir jetzt schon alles annähmen. Es ist die Frage zu stellen: Will das deutsche Volk um seine Ehre nicht nur
in Worten, sondern tatsächlich bis zum letzten Mann kämpfen und sich damit die Möglichkeit des Wiedererstehens sichern, oder will es sich zur Kapitulation und damit zum Untergang vor der äußersten Kraftanstrengung drängen lassen? Mit der durch das Zugeständnis der Rote bewirkten Preisgabe des II-B 00 t-
Krieges ohne jede Gegenleistung beschreiten wir den letzteren Weg. Wir würden zudem aus die Stimmung der durch die harten Kampfe schwer geprüften Armee äußerst ungünstig einwirken. Ich kann daher der Rote
in diesem Punkte nicht zustimmen. Muß die Regierung, falls sie sich dieser Ansicht anschließt, damit rechnen, daß die Verhandlungen mit Wilson scheitern, so muß sie entschlossen sein, den Kamps bis zum letzten Mann unserer Ehre halber auszukämpfen. x) S. 655. 2) Bd. XIII, S. 442. — Die Verhandlungen hatten in der Nacht zum 13. Okt. be¬ gonnen. Die Nachricht davon war soeben bei der O. H. L. eingegangen.
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Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
Ich kann mir trotz der ungemein schweren Lage der Armee keinen anderen
Weg denken und hoffe fest, daß die Regierung für diesen schweren Entschluß das ganze Vaterland hinter sich haben wird". Der Kaiser hatte sich in der Frage des Unterseekrieges zunächst der Auffassung von Heer und Marine angeschlossen, wurde dann aber
vom Reichskanzler bewogen, der Einstellung doch zuzustimmen. Obwohl hierdurch die Entscheidung gefallen war, verlangte das Kabinett, daß auch die Oberste Heeresleitung ihre Zustimmung gebe. General Ludendorff lehnte dies in einem Ferngespräch mit Oberst von Haeften mit den Worten
ab: „Militärisch ist die Sache für mich entschieden durch den Befehl Seiner Majestät, aber über meine Überzeugung hat Seine Majestät keine Macht'"). Auf erneutes Drängen der Neichsregierung antwortete die Oberste Heeresleitung, daß sie kein „politischer Machtsaktor" sei und daher auch keine
„politische Verantwortung trage. Deshalb sei ihre politische Zustimmung zu der Rote auch nicht erforderlich". -i.vkwb«».
In der Nacht zum 21. Oktober ging die Antwort aus die zweite
Wilson-Note ab. Die deutsche Regierung legte „Verwahrung ein gegen den Vorwurf ungesetzlicher und unmenschlicher Handlungen, der gegen die deutschen Land- und Seestreitkräfte und damit gegen das deutsche Volk erhoben wird". Zerstörungen würden zur Deckung eines Rückzuges immer
nötig sein und seien insoweit völkerrechtlich gestattet. Um alles zu verhüten, was das Friedenswerk erschweren könne, seien an sämtliche Unterseeboote Befehle ergangen, die eine Torpedierung von Passagierschifsen aus-
schlössen 2). Weiter hieß es: Die neue Regierung sei „in völliger Überein¬ stimmung mit den Wünschen der aus dem gleichen, allgemeinen, geheimen und direkten Wahlrecht hervorgegangenen Volksvertretung gebildet". Das Friedens- und Waffenstillstandsangebot gehe also von einer Regierung aus, die „frei von jedem willkürlichen und unverantwortlichen Einfluß, getragen wird von der Zustimmung der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes". Diese Antwort der deutschen Regierung veranlaßte die Oberste Bis
Heeresleitung am 22. Oktober zu einem in erster Linie an die Militär-
'bevollmächtigten und Militärattaches gerichteten, aber auch an die Generalstabschefs der Heeresgruppen verteilten Rundschreiben, das zum Ziele hatte, die öffentliche Meinung im neutralen Auslande zu beeinflussen. x) Prinz Max von Baden, a. a. O., S. 470.
2) Um dies zu erreichen, wurde es nötig, alle Unterseeboote zunächst zurückzurufen. Sie wurden nunmehr für eine Unternehmung der Hochseeflotte verfügbar, die Befehl erhielt, sich für einen Vorstoß in den Kanal bereitzumachen (vgl. Bd. XIII, S. 45Of.).
Zwischen zweiter und dritter Wilson-Note.
671
Es hieß darin: Die amerikanische Note vom 14. Oktober zeige, daß die
Entente-Chauvinisten, an ihrer Spitze Clemenceau und Foch, Oberwasser
gewonnen hätten und völlige Niederwerfung Deutschlands anstrebten. Es werde „unsere Ziele fördern, wenn die Öffentlichkeit des neutralen
Auslandes vernehmlich" auf die Folgen hinweise, die das Scheitern des Friedensschrittes bringen müsse: Fortsetzung des Krieges in verschärfter Form; Unmöglichkeit für Deutschland, an der bisher geübten Schonung der geräumten Gebietsteile festzuhalten, da es sich selbst dadurch militärisch
schädigen würde; Wiederaufleben des unbeschränkten II-Boot-Krieges. Nur wenn der Friedenswille der breiten Volksmassen der Entente-Länder
sich durchsetze, sei nach einem Scheitern des deutschen Friedensschrittes noch eine Friedensaussicht vorhanden. Andernfalls sei dann zu erwarten, daß Deutschland in größter Kraftanstrengung den Kamps weiterführe. —
Schließlich gab das Rundschreiben einen Überblick über die Entwicklung der Gesamtlage seit Mitte Oktober. Unterdessen hatte sich diese nicht nur militärisch, sondern vor allem auch politisch immer ungünstiger gestaltet: Ein Manifest des Kaisers Karl vom IS. Oktober über den Neuaufbau Österreich-Ungarns als Bundes-
staat hatte Präsident Wilson am 18. mit der Forderung beantwortet, daß die Völker der Habsburger Monarchie selbst über ihre Zukunft entscheiden sollten, und bereits tags daraus hatte die von den Gegnern schon im August als kriegführende Macht anerkännte „tschechisch-slowakische Nation" ihre Unabhängigkeit erklärt. Österreich-Ungarn ging mit zunehmender Eile
seiner Auflösung entgegen^). Immer bedenklicher gestalteten sich aber auch die innerpolitischen Verhältnisse Deutschlands. Meldungen des Kriegsministeriums, des Oberkommandos in den Marken und des stellvertretenden Generalstabes, von diesem unter Beifügung erschöpfenden Be-
weismaterials, wiesen dringend, aber erfolglos auf die unmittelbare Bedrohung der Sicherheit der Neichshauptstadt durch die längst als Umsturzzentrale erkannte russische Botschaft hin. Am 20. Oktober hatte der „Vorwärts", das Organ der im Kabinett durch Staatssekretär Scheidemann
vertretenen sozialdemokratischen Partei, geschrieben: „Deutschland soll, das ist unser fester Wille, seine Kriegsslagge für immer streichen, ohne sie das letzte Mal siegreich heimgebracht zu haben". Am 21. hatte das Kabinett im Rahmen einer politischen Amnestie unter anderem auch die Freilassung des 1916 wegen seiner Umtriebe gegen den Krieg zu Zuchthaus verurteilten
Führers der Unabhängigen, Karl Liebknecht, sowie des polnischen Obersten Pilsudski verfügt^). Am 22. erklärte der Abgeordnete Ebert, der Führer der stärksten Partei, im Reichstage: „Geht es nach unserem Willen, dann ') Näheres Kap. X.
-) Bd. XIII, S. 20.
672
Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
soll es nicht zum Verzweiflungskampf kommen... Die erste deutsche Re¬ gierung, in der Sozialdemokraten sitzen, soll eine Friedensregierung sein". Alle diese Vorgänge konnten die Feinde in ihren Forderungen nur
bestärken. 24.Oktober.
Am 24. Oktober lag die dritte Wilson-Note als Antwort auf die deutsche Note vom 21. vor. Der Präsident war nunmehr bereit, die Alliier-
ten aufzufordern, ihre Waffenstillstandsbedingungen bekanntzugeben, falls sie damit einverstanden sein sollten, „den Frieden zu den angebotenen
Bedingungen und Grundsätzen herbeizuführen". Der Waffenstillstand könne aber nur unter Bedingungen abgeschlossen werden, die es Deutsch-
land unmöglich machten, die Waffen wieder auszunehmen. Im übrigen sei die „Macht des Königs von Preußen, die Politik des Reiches unter seiner Kontrolle zu halten" noch unvermindert. Die Völker der Welt könnten „kein Vertrauen zu den Worten derjenigen hegen..., die bis
jetzt die deutsche Politik beherrschten... Wenn mit den militärischen Be-
Herrschern und monarchistischen Autokraten Deutschlands jetzt verhandelt werden muß ..., kann Deutschland über keine Friedensbedingungen ver-
handeln, sondern muß sich ergeben".
Als Oberst von Haeften den Inhalt dieser Note am Fernsprecher übermittelte, erklärte General Ludendorfs, es gäbe „nur eine Lösung: Ab-
bruch der Verhandlungen mit Wilson und Kampf bis zum äußersten'"). Generalfeldmarschall von Hindenburg und er entschlossen sich, nach Berlin zu fahren, um dem Kaiser in diesem Sinne Vortrag zu halten. Sie
ließen sich davon auch durch die Bitte des Reichskanzlers nicht abbringen, die Reise zu verschieben. Die inzwischen von einem Vertreter des Kriegs-
Presseamtes nach Spa gegebene Nachricht, daß die Reichsregierung die Auffassung der Obersten Heeresleitung teile, bestärkte diese in dem Entschluß, ihre Ansicht auch dem Heere mitzuteilen. So erging noch am 24. Oktober „zur Bekanntgabe an alle Truppen" ein Erlaß, in dem es hieß:
„Die Antwort Wilsons fordert die militärische Kapitulation. Sie ist deshalb für uns Soldaten unannehmbar. Sie ist der Beweis, daß der Vernichtungswille unserer Feinde, der 1914 den Krieg entfesselte, unvermindert fortbesteht. Sie ist ferner der Beweis, daß unsere Feinde das Wort „Rechtsfrieden" nur im Munde führen, um uns zu täuschen und unsere Widerstandskraft zu brechen. Wilsons Antwort kann daher für uns
Soldaten nur die Aufforderung sein, den Widerstand mit äußersten Kräften fortzusetzen. Wenn die Feinde erkennen werden, daß die deutsche Front mit allen Opfern nicht zu durchbrechen ist, werden sie zu einem Frieden i) Bericht des Obst, von Haeften (Prinz Max von Baden, a. a. O. S. 497).
Ablehnung der dritten Wilson-Note durch die O. H. L.
673
bereit sein, der Deutschlands Zukunft gerade für die breiten Schichten des Volkes sichert". Gleichzeitig schrieb Generalfeldmarschall von Hindenburg dem Reichskanzlers: Er habe „in den letzten Reichstagsreden einen warmen Aufruf zugunsten und für die Armee schmerzlich vermißt". Er habe „von der neuen Regierung erhofft, daß sie alle Kräfte des gesamten Volkes in den Dienst der vaterländischen Verteidigung sammeln würde". Das sei nicht geschehen; im Gegenteil, es sei, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur von Versöhnung, nicht aber von -Bekämpfung des Feindes gespro¬
chen. „Dies hat auf die Armee erst niederdrückend, dann erschütternd ge¬ wirkt. Ernste Anzeichen beweisen dies. Zur Führung der nationalen Verteidigung braucht die Armee nicht nur Menschen, sondern den Geist der
Überzeugung für die Notwendigkeit, zu kämpfen, und den seelischen Schwung für diese hohe Ausgabe". Das Schreiben schloß: „An Euere Großherzogliche Hoheit als das Haupt der neuen Regierung richte ich den ernsten Ruf,-dieser heiligen Ausgabe zu entsprechen". Bis der Generalfeldmarschall und General Ludendorsf am
25. Oktober mittags in Berlin eintrafen, hatte sich herausgestellt, daß ihre --.on»»«». Auffassung von der durch die dritte Wilson-Rote geschaffenen Lage seitens der Reichsregierung nicht geteilt wurde; der Erlaß an das Heer war angehalten worden, er war aber der Reichsregierung bereits bekannt und
hatte den Gegensatz zur Obersten Heeresleitung weiter vertieft. Nachmittags hielten die beiden Generale in Schloß Bellevue dem Kaiser Vortrag. Dieser wies sie wegen Beantwortung der Wilson-Note an den Reichskanzler. Da Prinz Max an Grippe erkrankt war, fand abends
eine Aussprache mit Vizekanzler von Payer statt, der in Übereinstimmung mit den übrigen Mitgliedern des Kabinetts die Auffassung der Obersten
Heeresleitung ablehnte und weitere militärische Sachverständige über die Lage zu hören verlangte. Die Generale legten hiergegen Verwahrung ein. Die Besprechung verlief ergebnislos. Unter diesen Umständen entschloß sich General Ludendorsf, den Abschied zu erbitten, weil er den Eindruck hatte, daß die Reichsregierung sich zu keiner Tat mehr aufraffen werde und in seiner Person ein Friedenshindernis erblicke. Auf Bitten des Generalfeldmarschalls war er aber bereit, diesen Schritt erst dann
zu unternehmen, wenn jede Verständigungsmöglichkeit scheitern sollte. Inzwischen hatte der Reichskanzler, der seit dem Drängen der Obersten Heeresleitung auf schleunigsten Waffenstillstand das Vertrauen zu General Ludendorsf verloren hatte und in dessen Person ein Hindernis Generalfeldmarschall von Hindenburg, a. a. O., S. 396. Weltlrieg. XIV. Band.
674
Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
für die Entschlußsreiheit des Kabinetts sah, sich schriftlich an den Kaiser gewandt und dargelegt, er müsse in dem gegen seinen Willen erfolgten Erscheinen der Obersten Heeresleitung in Berlin und in ihrer Absicht, den
Abbruch der Verhandlungen durchzusetzen, eine unzulässige Einmischung in seine Politik erblicken, zumal da in diesem Augenblick alles daraus an¬ komme, die Unabhängigkeit der Reichsregierung von militärischen Ein¬ flüssen zum Ausdruck zu bringen. Er forderte den Rücktritt des Generals
Ludendorff, widrigenfalls er selbst gezwungen sei, das Reichskanzleramt
niederzulegen. Der Kaiser, der bereits vorher zugestanden hatte, daß seine Kommandogewalt eingeschränkt werde und bei Personalveränderungen von Offizieren und Beamten des Heeres künftig die Gegenzeichnung des Kriegsministers, bei solchen der Marine die des Reichskanzlers erforderlich 26.ottof>«. fein solle, befahl am 26. Oktober früh Generalfeldmarschall von Hindenbürg und General Ludendorff zum Vortrag ins Schloß Bellevue. Räch den Tagebuch-Aufzeichnungen des dabei anwesenden Generalobersten von Plessen wandte sich der Kaiser zunächst gegen den Erlaß der Obersten Heeresleitung vom 24. Oktober, „welcher direkt gegen die nun einmal ein¬ geschlagene, von ihm gutgeheißene Politik ginge ... eine Politik, welche dem 29. September-Vorträge ihren Ursprung verdanke, indem Ludendorff damals den Zusammenbruch der Armee gemeldet und den Abschluß' eines
Waffenstillstandes so schnell als möglich für unumgänglich erklärt hätte. Wenn auch dieser Zusammenbruch nicht erfolgt und die Beurteilung der militärischen Lage danach sich sehr viel günstiger gestaltet hätte, so sei doch das Vertrauen des Volkes... damit erschüttert. Er, der Kaiser, habe des¬ halb auf den Wunsch des Reichskanzlers noch einige Generale aus der Front bestellt, um ihr Urteil über den Zustand der Armee zu hören. Daraus erklärten beide, sie bäten um ihren Abschied. Der Kaiser nahm sehr bewegt
das Abschiedsgesuch Ludendorfss an, sagte aber dem Feldmarschall Hindenburg, er müsse bleiben, das fordere er hiermit im Namen des Vaterlandes.
Hindenburg ging darauf ein". Generaloberst von Plessen fügte seinen eigenen Eindruck hinzu: „Es war ein erschütternder Moment! Ohne Frage verdankt das Vaterland und der Kaiser der militärischen Tüchtigkeit Luden¬ dorfss unaussprechlich viel... Er ist im wesentlichen das Opfer des neuen
politischen Kurses, welcher Deutschland unzweifelhaft ebenso ins Ver¬ derben führen wird, wie er den Hohenzollern die Krone kosten wird".
Die Uberzeugung des Generalfeldmarschalls, daß es seine Pflicht sei, trotz der durch die Verabschiedung des Generals Ludendorff auch ihm
zum Ausdruck gebrachten Unzufriedenheit, sein schweres Führeramt weiter auszuüben, hatte zur Folge, daß zwischen ihm und dem Manne, der seit
Ausscheiden des Generals Ludendorff.
675
den Tagen von Tannenberg mit ihm eng verbunden war, ein tiefer Riß
entstand. Mit dem Ausscheiden des Generals Ludendorff war der Obersten Heeresleitung der führende Mann genommen, der mit Herz und Kopf, mit unermüdlicher Arbeitskraft und unbeugsamer Willensstärke die Operationen des Heeres zwei Jahre hindurch geleitet und auf allen mit der Kriegführung zusammenhängenden sonstigen Gebieten — soweit es in
seiner Macht stand — entscheidenden Einfluß geübt hatte. Er war nicht überlegenen Operationen der Gegner zum Opfer gefallen, denn die hatte er trotz des Hinschwindens der Kraft des Heeres bis zum Ende seiner Amtsführung immer wieder abzufangen vermocht, sondern er hatte einer Staatsleitung weichen müssen, die nicht bereit war, das Letzte vom deut¬ schen Volke zu fordern, und es damit widerstandslos dem Vernichtungswillen der Gegner auslieferte.
E. Rückblick auf die Leitung der Operationen
durch General Gudendorfs. General Ludendorfs stand als Erster Generalquartiermeister unter dem Generalfeldmarschall als Chef des Generalstabes des Feldheeres, war aber nach der vom Kaiser am 29. August 1916 getroffenen Entscheidung voll mitverantwortlich, und tatsächlich sind die Operationen ebenso wie schon in den Fahren 1914 bis 1916 im Osten so auch weiterhin von ihm geleitet worden.
Aber die Zusammenarbeit schrieb Generalfeldmarschall von Hindenbürg1): „Man trifft sich im Denken wie im Handeln, und die Worte des einen sind oft nur der Ausdruck der Gedanken und Empfindungen des
anderen. Eine meiner vornehmsten Aufgaben sah ich darin, den geistvollen Gedankengängen, der nahezu übermenschlichen Arbeitskraft und dem nie ermattenden Arbeitswillen meines Chefs so viel wie möglich freie Bahn zu lassen und sie ihm, wenn nötig, zu schaffen". General Ludendorff sagte2): „Vier Jahre haben wir in tiefster Harmonie zusammen gearbeitet, der Generalfeldmarschall und ich. ... Der Feldherr hat die Verantwortung. Er trägt sie vor aller Welt und, was noch schwerer ist, vor sich, vor der eigenen Armee und dem eigenen Vaterlande. Als Chef und Erster Generalquartiermeister war ich voll mitverantwortlich. ... Anser beider strategi¬ ') „Aus meinem Leben", S. 78.
2) „Meine Kriegserinnerungen", S. Sf.
676
Die Leitung der Operationen durch General Ludendorff.
sche und taktische Anschauungen deckten sich vollständig; ein harmonisches und vertrauensvolles Miteinanderarbeiten ergab sich daraus von selbst. Ich trug dem Generalseldmarschall nach Rücksprache mit meinen Mitarbeitern kurz und knapp meine Gedanken vor und machte ihm einen ganz bestimmten
Vorschlag. Ich hatte die Genugtuung, daß der Generalfeldmarschall stets — von Tannenberg bis zu meinem Abgang im Oktober 1918 — mit meinem
Denken übereinstimmte und meine Befehlsentwürfe billigte".
Gegenüber diesen unmittelbar nach Kriegsschluß niedergeschriebenen Zeugnissen beider Beteiligten müssen alle späteren Auslegungen zurück¬ treten. Die beiden deutschen Feldherren des Weltkrieges sind für die ge¬
schichtliche Darstellung der Hergänge ein Ganzes. Eine zusammenfassende Betrachtung der Operationen wird daher gleichzeitig zu einer Würdigung der Leistungen des Generals Ludendorff. Für die Zeit vom Herbst 1916
bis Herbst 1917 ist sie bereits früher gegeben worden^). Hier handelt es sich nur noch um die Operationen des Jahres 1918.
Zielsetzung und Stärkeverhältnis. Im Frühjahr 1918 mußte der Versuch, durch Angriff und Sieg zum Frieden zu kommen, unbedingt gemacht werden. Da die Gegner, solange die deutsche Offensive drohend bevorstand, keinerlei Verständigungsbereit¬ schaft gezeigt hatten, blieb nur dieser Weg. Die Entscheidung gegen die Franzosen zu suchen, haben Oberstleutnant Wetzell und die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz mehrfach vorgeschlagen; sie sind aber bei General Ludendorff stets auf Ablehnung gestoßen. Der von beiden insbesondere befürwortete Iangenangriff gegen Verdun war wegen
der Geländeverhältnisse besonders schwierig und hätte, da die amerikanische Hilfe vor der Tür stand, auch bei vollem Gelingen keinesfalls ausgereicht,
die Gegner friedenswillig zu machen. Die später zur Ablenkung angesetzte Blücher-Offensive am Chemin des Dames konnte bei weiterer Ausgestal-
tung gewiß Reims und damit wichtige Bahnverbindungen in deutsche Hand bringen, ebenso die anschließende Gneisenau-Offensive die Aisne-Linie bis zur Mündung in die Oise; vielleicht wäre es auch geglückt, noch darüber
hinaus vordringend Paris zu bedrohen, mehr aber nicht. Der Gedanke, Paris zu nehmen, ist daher niemals aufgetaucht. Während bei Verdun noch eine Verbesserung des Frontverlaufes erwartet werden konnte, mußte man beim Vorgehen in der Richtung Paris mit neuer bedenklicher Aus-
buchtung der Front rechnen. Eine Entscheidung, die die Gegner friedensgeneigt gemacht hätte, war dabei nicht zu erhoffen, denn in jedem Falle J) Bd. XIII, S. 332 ff.
Zielsetzung und Starke Verhältnis.
677
blieben die Engländer gar nicht oder, wie sich am 8. August, trotz ihrer ernsten Niederlagen in der Michael- und in der Georgette-Schlacht, gezeigt hatte, nur ungenügend geschlagen. Am Erscheinen der Amerikaner änderte
sich ohnehin nichts. Erst recht aber war der Plan abzulehnen, starke deutsche Kräfte zu einer Ablenkungsoffensive in Italien einzusetzen. Bestensalls zog man da-
mit vorübergehend eine entsprechende Zahl französischer und englischer Divisionen dorthin. Man machte aber zum Siege einen weiten Amweg, für den weder Zeit noch Kräfte ausreichten, zumal da er der Witterungs¬ verhältnisse wegen vor Mai überhaupt kaum gangbar war.
General Ludendorff hatte daher das Ziel gesetzt, zunächst die Engländer zu schlagen, in der Hoffnung, damit vielleicht auch die Franzosen zum Nachgeben zu zwingen, bevor die amerikanische Hilfe wirksam wurde. Diese Zielsetzung entsprach der politischen Lage und war auch wohl die einzige, die bei dem gegebenen militärischen Kräfteverhältnis Hoffnung
auf ausreichende Wirkung rechtfertigte, denn: In England schien zu Beginn des Jahres eine starke Strömung gegen Fortsetzung des Krieges zu sein. Entsprechende Propaganda, die von der Obersten Heeresleitung angeregt wurde, und deutsche Erfolge gegen das englische Heer in Frankreich konnten diese Richtung vielleicht so weit stärken, daß eine Verständigung möglich wurde. Militärisch aber bestand die Aussicht — wenn alles gut ging —,
die britischen Armeen, die operativ weniger wendig als die Franzosen waren, entscheidend zu schlagen, sie gegen die Kanal-Küste zu werfen und vielleicht ganz vom Festlande zu vertreiben. Auch wenn England daraufhin noch nicht zum Einlenken bereit war, hätte das die Gesamtlage an der
Westfront doch wesentlich verbessert. An der Absicht, die Engländer zu schlagen, hat die Oberste Heeresleitung unentwegt festgehalten, bis ihr der französische Gegenangriff des 13. Juli die Initiative entriß. Das Ziel sollte durch die Michael-Offensive gegen den englischen Südflügel erreicht werden, ein Angriff in Flandern
sollte nötigenfalls folgen. Die Michael-Offensive stieß zwar aus zunächst verhältnismäßig schwachen Feind, hatte aber das schwierige Kampsgelände der Somme-Schlacht zu durchschreiten. Auch kam man nicht darum herum, den Kamps von Anbeginn an zugleich gegen die Franzosen zu führen.
Deren Eingreifen mußte, wenn nicht sehr rasch ein vernichtender Sieg über die Engländer errungen wurde, in vollem Amfange wirksam werden.
Der Kamps war dann also gegen die Gesamtheit der Westgegner und
vielleicht auch schon gegen stärkere amerikanische Kräfte zu führen. Eine der Größe dieser Ausgabe entsprechende deutsche Überlegenheit an Zahl
678
Die Leitung der Operationen durch General Ludendorff.
war jedoch — auch vor Eintreffen wesentlicher amerikanischer Verstärkun¬ gen — nicht vorhanden.
Bei Angriffsbeginn am 21.März zählte das deutsche Westheer einschließlich der zu ihm anrollenden oder zu ihm bestimmten Truppen rund 4000000 Mann, 200 Divisionen, gegen 14000 Geschütze, 10 Kampf¬
wagen, rund 3670 Flugzeuges, dazu für Nachschub und Truppentransport 23000 Lastkraftwagen. Ihm gegenüber standen aber als Gegner: fast 5000000 Mann, 176 Divisionen, 13500 Geschützes, 800 Kampswagen, 4500 Flugzeuges, dazu etwa 100000 Lastkraftwagen.
Das deutsche Heer war also lediglich in der Zahl der Divisionen überlegen. Auch war in der deutschen Gesamtkopsstärke eine verhältnismäßig größere Zahl eigentlicher Kampftruppen enthalten als in der feindlichen. Bei den Erfordernissen neuzeitlicher Kriegführung waren aber auch alle Arbeitstruppen zur Entlastung der Front von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Das Mehr an Divisionen, vielleicht auch an Gesamtkopfstärke der Infanterie (1800 Btle. gegen 1622 an Kopfzahl teilweise erheblich
stärkere), mochte bei geschickter Führung und einigem Glück zu siegreicher Entscheidung allenfalls ausreichen. Ihm stand aber ein so großes feindliches Mehr an Geschützen, Kampfwagen und Fliegern gegenüber, daß die deutsche Gesamtüberlegenheit durchaus in Frage gestellt war. Dazu kam, daß die
Ausstattung mit leistungsfähigen Kraftfahrzeugen und Zugpferden für eine unter Aberwindung der Somme-Wüste fast 100 Kilometer weit vor¬
zutragende Offensive recht bescheiden war. Inwieweit die Oberste Heeresleitung über die Gesamtheit dieser Ver¬ hältnisse vor Beginn des Angriffs Klarheit hatte, steht dahin. Die Gefahr,
die in der gewaltigen Zahl feindlicher Kampfwagen lag, hat sie zweifellos unterschätzt. Darüber, daß die eigene Überlegenheit an kämpfenden Truppen nicht eben groß war, wie auch über Umfang und Schnelligkeit des Eintreffens amerikanischer Truppen, hat sie aber keinen Zweifel gehabt. Die Hoffnung, mit den Gegnern fertig zu werden, konnte sich also in der Hauptsache nur daraus gründen, daß man als Angreifer bestimmte, wann und wo gekämpft werden sollte, sowie daraus, daß man nach allen bisherigen Erfahrungen mit Recht auf Überlegenheit der deutschen Führung wie der
für ihre Ausgabe besonders vorbereiteten Angrisfstruppen rechnete. *) Amtl. Werk der Luftwaffe, Sonderbd. S, S. 2. 2) Stärke am 20, Mai (©. 336), nachdem mehr als 1500 Geschütze in Verlust geraten und wieder ersetzt waren. Es darf angenommen werden, daß die Zahl am 2l. März etwa
ebenso hoch war. 3) Amtl.' Werk der Luftwaffe, Sonderbd. ö, S. 27 u. 40.
Zielsetzung und Stärkeverhältnis.
679
Von entscheidender Bedeutung war, das Zahlenverhältnis möglichst bald wesentlich zu verbessern, und das um so mehr, als an Verstärkung
nur noch auf einige Osttruppen zu rechnen war, da der Ersatz bestenfalls ausreichte, den Bestand zu erhalten. Es mußte also schon im ersten Anlauf ein für größere Teile der feindlichen Macht vernichtender Schlag er» reicht werden. Gegen eine beiderseits fest angelehnte Stellungsfront war das besonders schwer, denn jeder Angriff konnte nur mit frontalem Durch-
bruch beginnen und dann erst zu Umfassung und Einkesselung feindlicher Teile führen. Über diese Vorbedingungen für den Enderfolg ist sich General Ludendorff offenbar durchaus klar gewesen. Das fand Ausdruck in dem zu Un¬ recht angefochtenen Satze: „Die Taktik war über die reine Strategie zu stellen"^). Es galt zunächst einmal, nicht nur eine ausreichend große Bresche in die Front des Gegners zu schlagen, sondern ihm zugleich ent-
scheidende Verluste beizubringen. Die erforderliche Bresche zu öffnen, ist mit dem Michael-Angriff gelungen, nicht aber die dabei durch Abschnürung des Eambrai-Bogens erstrebte Vernichtung wesentlicher feindlicher Kräfte. „Nur wenn es gelingt, den Eambrai-Bogen am ersten Tage aus der englischen Front herauszuschlagen, ist eine großzügige Operation möglich" — hatte General Luden¬ dorff am 6. März geschrieben^). Statt dessen wurde der Gegner rein
frontal zurückgedrückt. Er hatte zwar schwer gelitten, doch stiegen die deutschen Verluste über die seinigen bald noch hinaus und rasch zu so be!) Zu dieser Frage äußerte Gen. Ludendorfs im Sommer 1923 mündlich: „Man hat in der letzten Zeit den Satz in meinen Denkwürdigkeiten, daß die Taktik über die reine Strategie zu stellen gewesen sei, vielfach angegriffen. Aber er entspricht nun einmal ganz und gar meiner Überzeugung. Ich bleibe dabei, mögen andere Leute andere Ansichten haben, möge man mich noch so viel kritisieren. Schon vor dem Kriege haben wir zu viel Strategie und zu wenig Taktik getrieben. Der Schlieffensche Plan vereinigte Strategie und Taktik übrigens in einer meiner Ansicht nach sehr glücklichen Form. Das SchwenkungsManöver war ja nicht nur ein rein operativer Gedanke, sondern ging auch von der taktischen Erwägung aus, daß man im Norden die taktische Schwächendes Gegners traf.... Ich bin ein scharfer Gegner davon, im voraus weite Pläne zu machen. Ich habe nur. immer das eine große Ziel des Sieges vor Augen. Die Mittel dazu habe ich immer so genommen, wie die gegenwärtige Lage sie mir jeweils bot. ... Der Feldherr muß intuitiv handeln, oft nach den Eingebungen des Augenblicks. ... Für die Frühjahrsoffensive habe ich mir zunächst die Frage vorgelegt, wo komme ich am besten durch, wo ist die schwächste Stelle
des Gegners. Ich hatte von den Heeresgruppenchefs Vorschläge gefordert für ihre Bereiche. Kühl war für Flandern, Schulenburg für Verdun. Fn Flandern stand der Engländer dick massiert, und der Schlag konnte erst so spät geführt werden, daß die Amerikaner mir über den Hals gekommen wären. Operativ schien auch mir Flandern günstig. Aber was sollte mir eine Operation, für die die taktischen Grundlagen fehlten?" -) S. 82.
680
Die Leitung der Operationen durch General Ludendorff.
denklicher Höhe, datz General Ludendorff schon gegen Anfang April aus Schonung der Kräfte hinweisen und damit den weiteren Angrissen einen Hemmschuh anlegen mutzte. Das zahlenmäßige Stärkeverhältnis war eher verschlechtert als verbessert. Ebenso blieb es bei allen weiteren Offensiven, ohne daß es der deutschen Führung zunächst wohl bewußt geworden ist. Sie hat zum mindesten die Verluste der Engländer bis Ende April mit 400000,
ja sogar S00 000 Mann erheblich überschätzt: Tatsächlich verwandelte sich die anfänglich vielleicht vorhandene deutsche Überlegenheit an Kopfstärke der fechtenden Truppen und die an Divisionszahl, da die Gegner weniger Ver-
luste hatten, vor allem aber durch das Eintreffen der Amerikaner, im Laufe von vier Monaten in ihr Gegenteils. Das hätte sich nur vermeiden
lassen, wenn die deutschen Angriffe einen entscheidenden Kräfteausgleich
gebracht hätten.
Taktische Erwägungen. Fragt man, warum es nicht gelang, dem Gegner wesentlich größere Verluste beizubringen, als man selbst erlitt, so kann man vielleicht darauf
hinweisen, daß in der Michael-Offensive die Kräfte zur Abschnürung des Eambrai-Bogens seitlich nicht genügend abgesetzt und an Zahl zu gering waren, und daß dieser Offensive wie auch den meisten folgenden eine ausge¬ sprochene Schwerpunktbildung fehlte. Ob allerdings eine stärkere KräfteZusammenfassung angesichts der noch zu schildernden Nachschubschwierigkeiten im Vorwärtsschreiten überhaupt zur Wirkung gebracht werden konnte, bleibt eine offene Frage. Im übrigen ist in der taktischen Vorbereitung wie in der Durchführung aller Offensiven geleistet worden, was mit den gegebenen Mitteln zu leisten war. Bessere Ergebnisse wären aber
sicher zu erreichen gewesen, wenn man eine ähnliche Zahl von Kampf-
wagen hätte einsetzen können, wie sie den Gegnern zur Verfügung stand. Sie hätten die Überraschung ganz außerordentlich erleichtert, indem sie das Vorbereitungsfeuer von Artillerie und Minenwerfern und damit das zeit-
raubende und schwer zu tarnende Bereitlegen gewaltiger Munitionsmassen
weitgehend entbehrlich machten. Auch hätten sie erheblich rascheres und tieferes Eindringen in die Stellungen des Gegners gestattet, als es vor allem *) Insgesamt wurde das Westheer bis Mitte Juli über die auf S. 678 angegebene Stärke hinaus noch um 6 Divisionen (davon 2 öst. ung.) verstärkt. Trotzdem war es, da der Ersatz nicht ausreichte, die Verluste zu decken, aus weniger als 3600000 Mann gesunken. Bei den Gegnern waren inzwischen rund 1000000 Amerikaner eingetroffen, so daß ihre Kopfstärke auf 5300000 gestiegen war. Die den Gegnern zugefügten erheblichen MaterialVerluste, dabei mehr als 2500 Geschütze, waren von ihnen aus vorhandenen Reserven ohne
Schwierigkeiten ersetzt worden. Die Zahl ihrer Flugzeuge war um 900 auf 5400 gewachsen, die der deutschen ein wenig gesunken.
Taktische Erwägungen.
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bei dem entscheidenden Angriff des 21. März gelungen ist. Selbst die am
15. Juli durch das Ausweichen des Gegners entstandene Schwierigkeit hätte sich bei Mitwirkung zahlreicher Kampswagen möglicherweise überwinden lassen. So ist in dem Fehlen einer starken Tankwaffe ein wesent¬ licher Grund dafür zu sehen, daß bei aller Tapferkeit der Truppe und allem
Geschick der Führung nicht mehr erreicht wurde. Eine weitere Schwierigkeit ergab sich aus dem Mangel an Mitteln, um die mit Fortschreiten des Angriffs wachsenden Entfernungen von der
Eisenbahn zur Front zu überbrücken. Daß der Gegner bei jedem deutschen Geländegewinn auf das leistungsfähige Bahn- und Straßennetz des eigenen Landes zurückgedrückt wurde, zudem eine überreiche Zahl teilweise sogar
geländegängiger Lastkraftwagen besaß, während der deutsche Nachschub mit schlecht genährten Pferden und meist nur noch eisenbereisten Lastkraftwagen sich durch die Somme-Wüste oder sonstiges Trichterfeld hindurchquälen
mußte, bedeutete einen schweren Nachteil. Auch glänzendste Anfangserfolge konnten nicht gebührend ausgenutzt werden, weil die Artilleriemunition zur Fortsetzung des Angriffs nicht rasch genug herankam. Der Gegner fand Zeit, frische Kräfte heranzuführen und neuen Widerstand vorzubereiten. Versuche, den Angriff ohne ausreichende Artillerievorbereitung fortzusetzen, brachten große Verluste, aber keinen Gewinn. Dazu kam, daß die zahlenmäßige Überlegenheit des Gegners in der Luft immer nur für den überraschenden Beginn einer neuen Offensive
vorübergehend örtlich ausgeschaltet werden konnte, sich aber drückend bemerkbar machte, sobald der Feind die Lage erkannt hatte. Diese Überlegenheit in der Lust lastete nicht nur schwer auf der kämpfenden Truppe,
sondern störte auch bald empfindlich sogar den nächtlichen Verkehr hinter der Front. Insgesamt blieben alle deutschen Angriffe des Jahres 1918 nur
„ordinäre Siege". In keinem Falle ist ein „Aufrollen" größerer Frontabschnitte, geschweige denn wirksame Umfassung oder gar vernichtende Einkesselung nennenswerter feindlicher Teile gelungen. Selbst nach dem schnellen und tiefen Durchstoß über den Ehemin des Dames bis zur Marne konnte die Lage nicht ausgenutzt werden, um, etwa von Ehateau-Thierry
nach Nordwesten, der anschließenden französischen Stellungsfront in Flanke und Rücken zu stoßen, weil es nicht möglich war, stärkere Truppen in jener
erfolgversprechenden Ecke ausreichend zu versorgen. Aus wirkungsvolle Vernichtungsschläge aber kam es angesichts des geringen eigenen Kraftüberschusses zunächst mehr an als auf das Erreichen weitgesteckter operativer Ziele. Letzteres konnte nur dann Vorteil bringen, wenn es mit ausreichender Schwächung der feindlichen Kampfkraft ver¬
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Die Leitung der Operationen durch General Ludendorff.
bunden war. Sonst schuf es Ausbuchtungen der Front, die starke Kräfte erforderten und eine Belastung bedeuteten, wenn sie nicht alsbald zu weiterem Angriff ausgenutzt werden konnten. Nun haben zwar in den ersten Tagen jedes Angriffs die Verluste des Gegners die eigenen bei weitem übertroffen. Das schlug aber meist in das Gegenteil um, sobald der feindliche Widerstand sich versteifte und die deutsche Artillerie nicht mehr ausreichend vorarbeiten konnte. Rückschauend könnte man daher fragen, ob es nicht vorteilhafter gewesen wäre,
die Angriffe, sobald solcher Umschwung eintrat, sofort abzubrechen. Diesen Augenblick rechtzeitig zu erkennen, war aber besonders schwierig, und stets bestand bei solchem Vorhaben die Gefahr, eine günstige Aussicht aus der Hand zu geben, ohne wirklich die letzte Kraft eingesetzt zu haben. Im übrigen reichten die Truppen, besonders die schwere Artillerie, und auch die Arbeitskräfte nicht aus, um Angriffe an verschiedenen Stellen der Front rasch einander folgen zu lassen. Die Vorbereitung jeder neuen Offensive erforderte viel Zeit, die dem Gegner zugute kam. Operative Erwägungen. Operativ drängt sich die Frage auf, ob es bei dem gegebenen Stärke-
Verhältnis nicht zweckmäßig gewesen wäre, die Erreichung des Zieles noch mehr als geschehen durch einen einzigen großen Gewaltschlag zu versuchen, also alles auf eine Karte zu setzen. Faßte man alle Kräfte, soweit sie nicht zunächst noch an anderen Fronten
zu etwaiger Abwehr verbleiben mußten, für Michael zusammen, verzichtete also ganz auf Bereithaltung für nachfolgende Angrisse (Mars, Walküren¬ ritt, Georg oder Georgette), so konnte die Offensive des 21. März vor allem bei der 17. Armee, die den stärksten Feind vor sich hatte, besser ausgestattet
und in größerer Breite geführt werden. Sie hätte dann wohl auch größere Anfangserfolge gezeitigt. Inwieweit es allerdings außer bei jener Armee möglich gewesen wäre, mehr Divisionen, als tatsächlich eingesetzt wurden, rechtzeitig heranzubringen, durch das Trichtergelände nachzuführen und zu versorgen, ist schwer zu sagen. Die ohnehin eintretenden Nachschubschwierig¬ keiten wären damit wahrscheinlich noch gesteigert worden, denn aus wesent¬ lich schnelleren Eisenbahn-Nachbau als geschehen, war nun einmal nicht zu
rechnen. Es kann sogar fraglich erscheinen, ob die dringend erwünschte häu¬ sigere Ablösung von Divisionen vorderer Linie durch frische bei der Über¬
lastung aller Verkehrswege in größerem Umfange möglich gewesen wäre. Immerhin hätte der Einsatz der in Flandern zurückgehaltenen Kräfte, vor allem an Artillerie, den Erfolg des Michael-Angriffs der 17. Armee
wesentlich steigern können. Ob das allerdings genügt hätte, so durch¬
Operative Erwägungen.
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schlagenden Erfolg zu erzielen, wie ihn die deutsche Heeresleitung brauchte, wird umstritten bleiben. Es ergibt sich weiter die Frage, ob die Michael-Offensive nicht, wie es von der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht immer wieder dringend
vorgeschlagen wurde, ohne Unterbrechung und mit stärkster Kraft gegen die Engländer fortzusetzen war, statt daß Ende März der größere Teil der Angriffsfront gegen die Franzosen abgedreht wurde. Gegen die Engländer hätte dann vermutlich mehr erreicht werden können. Auf raschen Ablauf einer Vernichtungsoperation gegen sie — und nur eine solche genügte den Bedürfnissen der Lage — wäre aber nach allen früheren wie späteren Er-
'fahrungen höchstens dann zu rechnen gewesen, wenn es eben bereits im
März gelungen wäre, nicht nur ein tieferes Loch in ihre Front zu reißen, sondern auch einen bedeutenden Teil ihrer Streitkräfte zu vernichten. Da beides nicht erreicht war, zog sich das Ringen wahrscheinlich doch in die Länge. Die Zerschlagung der feindlichen Kraft aber war mit den Mitteln
Deutschlands durch Zermürbung in einer Reihe einzelner Angriffe nicht zu
erreichen. Wenn die Entscheidung nicht rasch fiel, ließ sich nicht ver¬ meiden, daß die feindliche Gesamtüberlegenheit an Menschen wie an Material immer mehr zur Wirkung kam.
Ablenkungsangriffe hatte General Ludendorff zunächst durchaus abgelehnt, weil dazu die Kräfte nicht reichten. Erst das Steckenbleiben der Michael- wie der Georgette-Offensive hat ihn veranlaßt, im Widerspruch
zu jener Erkenntnis schließlich doch aus dieses Mittel zurückzugreifen, ob¬ gleich die Verhältnisse dafür inzwischen nicht günstiger, sondern erheblich schwieriger geworden waren. Inwieweit dabei Überschätzung der bisher erreichten Erfolge mitgesprochen hat, steht dahin. Entscheidend war das Streben, unter allen Umständen die Initiative in der Hand zu behalten. Das Ziel blieb der Endsieg über die Engländer. Der aber war, nach¬ dem die Michael-Offensive steckengeblieben war und der Georgette-Angriff
starke feindliche Reserven nach Flandern gezogen hatte, tatsächlich nur noch möglich, wenn diese Reserven von dort wieder weggelockt wurden. Doch auch das konnte die Gesamtlage nur dann verbessern, wenn die Ablenkung mit geringen Kräften zu erreichen war und der Entscheidungsschlag ihr un¬
mittelbar folgte. Da beides nicht möglich war, hat selbst der Angriff am Ehemin des Dames trotz seines über alles Erwarten glänzenden Anfangs¬ erfolges dem Endsieg nicht etwa nähergebracht, sondern die Aussichten auf ihn geradezu gemindert, denn er kostete schließlich mehr Blut und Zeit, als die Mittelmächte verlieren durften. Auch ergab er zu den bisher schon
entstandenen eine neue, besonders ungünstige Ausbuchtung der Front. Alle diese Ausbuchtungen, in denen der Feind jeden geordneten Stellungs¬
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Die Leitung der Operationen durch General Ludendorff.
ausbau verhinderte, waren aber nur so lange gesichert, als die Kräfte des Feindes durch deutschen Angriff an anderer Stelle gebunden blieben. Damit wieder wurde es immer notwendiger, die Initiative in der Hand
zu behalten. Die Oberste Heeresleitung befand sich also, wenn sie nicht alles Gewonnene wieder preisgeben wollte, in einer zunehmend sich ver¬
schärfenden Zwangslage. Bedenken gegen die Wirksamkeit des eingeschlagenen Verfahrens der Ablenkungsangriffe und gegen Überspannung der Kräfte sind nicht aus-
geblieben. Vor allem sind sie seitens der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht geäußert worden, wobei diese aber nicht an Aufgeben der Offensive überhaupt, sondern lediglich an Zusammenfassen aller Kraft gegen das
englische Heer dachte, während die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz dasselbe gegen die Franzosen für nötig hielt. General Ludendorff selber hat trotz der großen Erfolge des Angriffs am Chemin des Dames und an-
gesichts des unmittelbar bevorstehenden drohend in die Richtung Paris
zielenden Gneisenau-Angriffs den Haeften'schen Vorschlag einer politischen „Friedensoffensive" gebilligt und damit anerkannt, daß militärische Mittel allein nicht mehr zum Ziele führen würden. Aber auch diese Friedens¬ offensive versprach nur Erfolg, wenn der Glaube an die deutsche Angriffs-
kraft aufrechterhalten blieb. Auch das sprach für Fortsetzung der Offensive. Der Angriff des lS. Juli wurde — ganz abgesehen vom Ablenkungs-
gedanken — durch die zu feindlichen Teilangriffen immer mehr heraus-
fordernde Gestaltung der deutschen Front geradezu zur Notwendigkeit. Aber auch davon abgesehen, durfte man die Gegner nicht zu Atem kommen lassen. Hieraus in erster Linie erklärt sich das Festhalten an der Absicht
des Hagen-Angriffs selbst nach der Niederlage des 18. Juli und, obgleich man sich darüber klar war, daß er eine Kriegsentscheidung nicht mehr
bringen werde. Das Gleiche gilt für die Vorbereitung zahlreicher weiterer größerer wie kleinerer Angriffe. Dieses fortgesetzte Angreifen war gewiß ein. gewagtes Spiel, aber doch nicht gewagter wie der Abergang zur Abwehr, bei der nicht allein jede Hoffnung auf Sieg von vornherein entfiel, sondern gleichzeitig auch die Schwäche Deutschlands vor aller Welt aufgedeckt wurde. Daß der Feind den gesamten deutschen Offensivplan für den 15. Juli vorzeitig erkannte und dementsprechend Abwehr und Gegenschlag vorbereiten konnte, ist letzten Endes daraus zurückzuführen, daß die immer beschränkter werdenden deutschen Mittel für jeden neuen Angriffsaufbau immer längere Vorbereitungszeiten nötig und damit die Geheimhaltung schwieriger machten. Die zweite Schlacht an der Marne hat dann mit Rückzug geendet, weil das Zünglein an der Waage des beiderseitigen
Operative Erwägungen.
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Kräfteverhältnisses sich seit dem Frühjahr trotz aller Schlachterfolge lang¬ sam, aber unabänderlich zum Nachteil der deutschen Seite bewegt hatte. Inwieweit sich allerdings General Ludendorsf und mit ihm Oberstleutnant Wetzell bewußt waren, daß damit auch das Streben, durch Angriff in der Vorhand zu bleiben, schließlich ein Ende haben müsse, ist nicht sicher zu beurteilen. Jedenfalls hat er gehofft, durch den Angriff des 15. Juli die Waage entscheidend zu deutschen Gunsten zu senken. Im übrigen mußte er als der Leiter der Gesamtoperationen, zum mindesten nach außen hin, eine
betont zuversichtliche Haltung zeigen.
Verzicht auf die Offensive? Es erhebt sich aber doch die Frage, ob man die Offensive nicht, bevor der Gegner dazu zwang, hätte abbrechen sollen. Nachdem der erste Schlag bis Anfang April keinen ausreichenden Erfolg gebracht, und vollends, als sich Mitte April auch der Angriff in Flan¬ dern festgelaufen hatte, sind auch bei General Ludendorff Zweifel aufgekommen, ob die feindliche Macht überhaupt noch niederzuringen sei. Die Engländer entscheidend zu schlagen, war jetzt noch schwieriger als bei Beginn der Offensive im März. Damit, so könnte rückschauende Betrachtung' urteilen, wäre der Augenblick gekommen gewesen, das Ziel kürzer zu
stecken und trotz aller entgegenstehenden politischen Bedenken operativ zur Abwehr überzugehen, in der Hoffnung, daß die Gegner sich an ihr die Zähne ausbeißen und schließlich zur Verständigung bereitfinden würden. Hätte man schon Ende April etwa so gehandelt, wie es General von Loßberg nach der Niederlage des 13. Juli vorgeschlagen haben will*), dann wären — so könnte man sagen — genug Kräfte geblieben, nicht nur die Bundes-
genossen durch Verstärkung der Front am Balkan wie in der Türkei und
durch Beteiligung an einer österreichisch-ungarischen Offensive in Italien zu stützen, sondern mit beschränktem Ziel auch an der Westfront noch anzugreifen und diese gleichzeitig in großer Tiefe für die Abwehr auszubauen. Auch hätten dann für Fortsetzung des Krieges über das Jahr 1918 hinaus manche Lücken in der Rüstung, vor allem in der Herstellung von Kampfwagen, geschlossen und aus der Ukraine die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen, aus dem Kaukasus die mit Ol in Gang
gebracht werden können.
Demgegenüber muß bedacht werden, daß die Gegner solches Verfahren sicherlich zu stören versucht hätten und auch in der Lage waren, das wirksam zu tun. Darüber kann — auch wenn sie, wie man heute weiß,
die entscheidende Offensive erst 1919 führen wollten — kaum ein Zweifel x) 6. 531 f.
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Die Leitung der Operationen durch General Ludendorff.
sein. Das beweisen ihre heftigen Gegenangriffsversuche unmittelbar nach der schweren Niederlage am Chemin des Dames, der schon erfolgreichere Gegenangriff, der zum Einstellen des Gneisenau-Angriffs veranlaßte,
sowie schließlich die groß angelegten und erfolgreichen Offensiven des 18. Juli, 8. August und die späteren. Auch bleibt zu bedenken, daß der Kampfeswille der Heimat, vor allem aber der Bundesgenossen, nach den
hochgeschwellten Sieges- und Friedenshoffnungen des Frühjahrs 1918 bei abermaligem Abergang zur Abwehr und damit Verschiebung des
Kriegsendes auf völlig unbestimmte Zeit wohl kaum noch aufrechtzuerhalten war und daß das Absinken dieses Kampfeswillens auf die Leistungen der
Front zurückgewirkt hätte. Hier lagen Gefahren, die nur durch entschiedenen Wandel in der innerpolitischen Führung des deutschen Volkes gebannt werden konnten. Der aber war unter den nun einmal gegebenen Verhält¬
nissen nicht zu erreichen. Es ist nicht anzunehmen, daß der Obersten Heeresleitung eine Einflußnahme, die ihr, solange sie auf der Höhe der Erfolge stand, nicht beschieden war, noch hätte gelingen können, wenn sie die entscheidungsuchende große Offensive abbrach und damit zugab, daß sie einen Fehlschlag getan habe. So wird man es trotz allem nicht verurteilen können, daß General Ludendorff den Übergang zur Abwehr abgelehnt hat, solange es nur irgend möglich war. Dabei war für ihn entscheidend, daß mit Überlassung der Vorhand an den Gegner auch ein wesentlicher Teil der bisherigen eigenen
Überlegenheit und damit der Hoffnung auf guten Ausgang preisgegeben wurde. Es läßt sich aber nicht verkennen, daß die Wirkung der bisherigen Kampferfolge auf die Gegner ebenso wie die dem eigenen Heere noch innewohnende Kraft von ihm, wie vor allem auch von Oberstleutnant
Wetzell als seinem ersten Berater, wesentlich überschätzt worden sind. Im übrigen durfte er nicht zugeben, daß er unterlegen sei. Von dem Augenblick an, da er das tat, war man auch tatsächlich unterlegen, der Krieg end¬ gültig verloren. Er befand sich in einer Lage, aus der es kein Zurück
mehr gab. General Ludendorff schrieb nach dem Krieges: „Wir haben damals immer so einfach und so natürlich wie möglich und immer aus Grund unserer damaligen Kenntnis der Dinge gehandelt. Heute würde ich natür-
lich auch vieles anders machen". Das bezog sich aus Einzelheiten der Operationen. Ob aber, selbst bei solchem Andersmachen, ein Gesamtergebnis, wie es Deutschland brauchte, im Frühjahr 1918 überhaupt zu erreichen war, kann heute füglich bezweifelt werden. Die Ausgabe wäre mit den vorhandenen Mitteln wohl nur zu lösen gewesen, wenn man am !) Mitteilung an das Reichsarchiv vom Sommer 1922.
Verzicht auf die Offensive?
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21. März wesentlich mehr Glück gehabt hätte. Die Kriegführung des Generals Ludendorff im Jahre 19l8 ist daher als Hazardspiel bezeichnet worden. Das war sie bestimmt nicht. Wohl aber hatte Deutschland bei der Haltung der Gegner nur die Wahl zwischen Wagen und Verlieren. Ein Drittes gab es nicht. Also mußte man wagen.
Rückschauend urteilte General Ludendorff nach dem Krieges: „Der Versuch, die Völker der Entente durch deutsche Siege vor Ankunft der
amerikanischen Verstärkungen friedenswillig zu machen, war gescheitert. Die Schwungkraft des Heeres hatte nicht ausgereicht, den Feind ent¬ scheidend zu treffen, bevor der Amerikaner mit bedeutenden Kräften zur Stelle war. Ich war mir klar bewußt, daß dadurch unsere Gesamtlage sehr ernst geworden war".
Gedanken zur Abwehr. Ohne ausreichenden Ersatz, dabei sehr bald von der Stimmung der
Heimat ungünstig beeinflußt, hatte das Heer in vier großen Offensiven gegen einen an Zahl mindestens gleich starken und allmählich stärker werdenden, an Material von Haus aus überlegenen Feind seine beste Kraft verbraucht. Es war zum Angriff nicht mehr, zu nachhaltiger Verteidigung
kaum noch imstande. Von dieser Entwicklung hat sich General Ludendorff erst durch die Niederlage des 8. August überzeugen lassen. Erst nach diesem Tage hat er auf alle Angriffspläne verzichtet. Für die künftige Abwehr mußten zwei Grundgedanken maßgebend sein, die aber schwer miteinander vereinbar waren: Kampf um Gelände¬
besitz, also hartnäckigste Verteidigung, aus der einen, Erhaltung der Kampskraft des Heeres, also rechtzeitiges Ausweichen, auf der anderen Seite. Für zähes Festhalten des eroberten Bodens sprach vor allem, daß jedes Ausweichen Gebiet preisgab, das als Faustpfand wie zur Stützung der
deutschen Kriegswirtschaft wertvoll war, daß umfangreiche kriegswichtige und unersetzbare Vorräte und Einrichtungen des Heeres, die hinter der Front untergebracht waren, verlorengingen und daß der Gegner der Reichsgrenze und dem Schwerpunkt der deutschen Rüstungsindustrie bald bedrohlich nahe rückte; dazu kam die ungünstige moralische und politische Wirkung. Das Heer aber, das dringend einer Ruhepause bedurfte, um
neue Widerstandskraft zu sammeln, mußte sich bei solchem Kamps rasch weiter abnutzen. Für Ausweichen sprach das Bedürfnis, wenn es zu Verhandlungen kam, immer noch über ein schlagkräftiges Heer zu gebieten, um den Forde¬ rungen der Gegner Widerstand leisten zu können. Daneben stand die Hofs„Meine Kriegserinyerungen", S. S4S.
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Die Leitung der Operationen durch General Ludendorff.
nung, daß ihr Folgen durch zunehmende Nachschubschwierigkeiten auf¬ gehalten sein werde. Aber wenn das eigene Heer seine Kräfte schonte,
schonte auch der Feind die seinen. Die Entscheidung wurde hinausgezögert, ohne daß sich das Kräfteverhältnis zu ändern versprach, und selbst dieser doch recht zweifelhafte Gewinn entfiel, wenn es dem Gegner gelang, die
Nachschubschwierigkeiten zu überwinden und kräftig nachzustoßen. In diesem Falle mußte man doch wieder zur Abwehr sich stellen, oder aber das Ausweichen artete in Flucht aus. Heeresgruppen und Armeen, die den Leiden und Klagen der er¬ schöpften Truppen näher waren als die Oberste Heeresleitung, haben vor allem bei feindlichen Einbrüchen immer wieder auf baldiges weites Ab-
setzen vom Gegner gedrängt. Zu hartnäckiger Verteidigung geeignete ausgebaute rückwärtige Stellungen, die weit genug ab von der Front lagen,
um der Truppe die erforderliche Ruhe zu gewähren, fehlten allerdings. Die einzige einigermaßen ausgebaute Stellung, die sich anbot, war die Ausgangsstellung des Frühjahrs, die an den Hauptkampffronten auf weite Strecken mit der ehemaligen Siegfried-Stellung zusammenfiel. Beim Ausweichen dorthin handelte es sich zwar nur um Preisgabe neugewonne-
ner, für die Abwehr ohnehin recht ungünstiger Stellungsvorsprünge, doch war damit bei dem geringen Umfang des auszugebenden Raumes, da
weite Strecken der Ausgangsstellung des Frühjahrs ohnehin noch vorderste Linie waren, nicht viel Zeit zu gewinnen.
General Ludendorff hat sich grundsätzlich für Kampf um jede Fu߬ breite Bodens entschieden und daran gegenüber allem Drängen nachgeordneter Stellen unentwegt festgehalten. Nur eines sollte vermieden werden: Der Gegner durste die deutsche Front nicht durchbrechen und damit das ganze Gebäude der Abwehr zum Einsturz bringen. Welches Verfahren das richtigere war, wird immer strittig bleiben,
zumal da frühzeitiges weites Absetzen nicht versucht worden ist. Das zähe Festhalten aber hat zweifellos bedeutenden Zeitgewinn gebracht, der plan¬ mäßiger Räumung des rückwärtigen Gebietes zugute kam. Ein Durchbruch oder gar die Vernichtung von Teilen des Heeres ist dem Gegner nirgends
gelungen. Es blieb bei rein frontalem Iurückdrücken der deutschen Front von Stellung zu Stellung, gewiß unter erheblichen Verlusten und bis zu fast völliger Erschöpfung der Truppen, aber doch auch mit der Wirkung,
daß der Gegner nicht erkannte, wie gering die deutsche Kraft tatsächlich nur noch war.
General Ludendorff hegte die Hoffnung, und sie hat sein Verhalten entscheidend beeinflußt, daß der Gegner sich an der deutschen Abwehr erschöpfen und seine Angriffe schließlich einstellen werde. Dann — nach
Die Waffenstillstandsforderung.
639
einem klaren Abwehrerfolge, der dem Gegner zeigte, daß er in absehbarer
Zeit keine Aussicht habe, weiter vorzudringen — sollte die Reichsleitung
mit einem Friedensangebot hervortreten.
Die Rechnung ist nicht aufgegangen. Die Angriffskraft der Gegner hat sich nicht erschöpft; ein klarer Abwehrerfolg blieb dem deutschen Heere versagt. So haben die erheblichen Anfangserfolge der am 26. September
einsetzenden großen feindlichen Westoffensive, die sofort auch in die Sieg¬ fried-Stellung einbrach, zusammen mit der durch den unmittelbar dro¬
henden Ausfall Bulgariens in gefährlichster Weise verschärften Gesamtlage den Entschluß zur Forderung sofortigen Waffenstillstandes gezeitigt. Sie ist als schwerer Fehler angesehen worden. Daß General Ludendorfs die Forderung infolge eines „Nervenzu¬ sammenbruchs" gestellt habe, ist eine nicht haltbare Behauptung, die ihre Entstehung offenbar der Plötzlichkeit verdankt, mit der die Forderung vorgebracht, und der Heftigkeit, mit der sie vertreten wurde. Es steht fest, daß General Ludendorff in jenen Tagen nicht anders als vorher oder nachher
klar und folgerichtig seine Entschlüsse gefaßt, gesprochen und gehandelt hat. Andererseits hat die Tatsache des Ersuchens um sofortigen Waffen¬ stillstand im In- und Auslände politisch sehr nachteilig gewirkt. Das aber war nicht zu vermeiden, denn dieser Schritt bedeutete nun einmal das Eingeständnis der Schwäche, gleichgültig wann und wie er unternommen wurde. Auch bei einem Ersuchen um Friedensverhandlungen ohne gleich-
zeitiges Waffenstillstandsverlangen hätte die Wirkung angesichts der mili¬ tärischen Gesamtlage kaum weniger bedenklich sein können. Die Gegner gewannen im einen wie im anderen Falle volle Klarheit über die Lage, und sie waren ohnehin entschlossen, ihre Offensive mit aller Kraft bis zum
vollen Siege fortzusetzen. Nichts konnte sie daran hindern. Auch daß der Widerstandswille des eigenen Volkes weiter Schaden litt, ließ sich nicht vermeiden. So war das Waffenstillstandsersuchen tatsächlich nur das öffentliche
Eingeständnis eines Zustandes, der sich nicht mehr verbergen ließ. Da sich die Hoffnung aus Waffenruhe nicht so bald erfüllte, ist die
Oberste Heeresleitung auch weiterhin bemüht gewesen, in zähester Abwehr das Vordringen der Gegner aufzuhalten. Das ging gewiß weiter auf Kosten der Truppen, entsprach aber den Erfordernissen der Lage. Gerade jetzt, wo Präsident Wilson vor der Frage stand, wie er die deutsche Note beantworten sollte, durste keinerlei Schwäche an der Front gezeigt werden,
erst recht aber durfte kein Zusammenbruch an irgendeiner Stelle stattfinden. Beides ist vermieden worden, eine letzte große Leistung von
Führung und Truppe. Der harte Wille des Generals Ludendorfs hat für Weltkrieg. XIV. Band.
690
Die Leitung der Operationen durch General Ludendorff.
die Verhandlungen der Reichsregierung wie für die Räumungsarbeiten
hinter der kämpfenden Front unschätzbaren Zeitgewinn gebracht. Die flandrische Küste, an der wertvolle Bestände der Marine festlagen, ist, vom Räumungsvorschlag der Heeresgruppe an gerechnet, noch volle 17 Tage gehalten worden. Für die Notwendigkeit solchen Verfahrens mag vorgreifend mit angeführt werden,-daß auch der Nachfolger des Generals Ludendorff in voller Abereinstimmung mit dem Generalfeldmarschall und durchaus im Sinne der Reichsregierung solange als möglich an ihm festgehalten hat, denn es entsprach den Zwecken des Staatsmannes, denen zu dienen nun einmal Aufgabe des Feldherrn sein muß. Es war
das Beste, was mit dem Heere noch zu leisten war, nachdem Aussicht aus Sieg nicht mehr bestand. General Ludendorff war entschlossen gewesen, den Kamps fortzu¬ setzen, als der Vernichtungswille der Gegner eindeutig klar wurde. Daß damit ein erträglicheres Endergebnis erreicht worden wäre als mit der Kapitulation des 9. November, bleibt unbeweisbar, aber möglich. Die
Reichsregierung hat solchen heroischen Entschluß verhindert. General Ludendorff mußte weichen. Seit dem 29. August 1916, mehr als zwei Jahre, war General Ludendorff als Erster Generalquartiermeister die Seele der Kriegführung gewesen. In einer der schwersten Krisen des großen Ringens hatte'er sein Amt übernommen, getragen vom Vertrauen des Generalfeldmarschalls wie des ganzen Heeres und Volkes. Nicht ohne inneres Widerstreben hatte der Kaiser diesen harten und schroffen Mann an die entscheidende Stelle gerufen. Vor dessen großen Leistungen mußten alle anderen Er» wägungen zurücktreten. An der Seite der eindrucksvollen und abgeklärten Führerpersönlichkeit des Generalfeldmarschalls und mit ihr untrennbar ver¬
bunden, hat General Ludendorff mit starker Hand die Operationen geleitet. Die Verhältnisse des Stellungskrieges und die Knappheit der eigenen Kräfte und Kampfmittel jeder Art haben es mit sich gebracht, daß er dabei auch Einzelheiten der Kampfführung wie des Kräfteeinsatzes überwachen mußte. Er hat dazu täglich nicht nur die Generalstabschefs der Heeresgruppen und Armeen, sondern oft auch die der Korps an den Fernsprecher
gerufen. Das hat im Zusammenwirken mit der Entsendung zahlreicher Verbindungsoffiziere, die unmittelbar Bericht erstatteten, gelegentlich Eingriffe gezeitigt, die entbehrlich und der Sache nicht förderlich waren. Die nachgeordneten Führungsstellen fühlten sich über Gebühr bevormundet und in ihren Maßnahmen gestört, zumal wenn Oberste Heeresleitung, Heeresgruppenkommando und Armee-Oberkommando, wie es mehrfach
4
Gesamtwürdigung.
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vorkam, ein und dieselbe Schlacht einer einzigen Armee zu leiten hatten. Auch daß dieser Verkehr der Dienststellung des Generals Ludendorff entspre¬ chend unter Beiseitelassung der Oberbefehlshaber und Kommandeure auf dem Generalstabs-Wege stattfand und daß bei Rückschlägen die Generalftabschefs gewechselt wurden, während ihre Kommandeure meist blieben, hat zu berechtigten Bedenken veranlaßt, denn es verschob die Verantwortlichkeit.
Ein schädlicher Einfluß solchen Verfahrens der Führung auf den Gesamtablauf der Operationen und ihr Ergebnis läßt sich aber nicht nach¬ weisen. Insgesamt hat die straffe Zügelführung durch den Ersten Generalquartiermeister Gutes gewirkt. Mit ihr hat er dem deutschen Volke und Heere militärische Siege errungen, denen weder unsere Bundesgenossen noch — trotz des Endausganges — unsere Gegner Ebenbürtiges oder auch
nur Ähnliches an die Seite stellen konnten. Die Gegner hatten den End-
erfolg so gut wie ausschließlich der Abermacht an Zahl und Material zu verdanken, der Feldherr Ludendorff errang seine Siege auch ohne solche Vorteile, allerdings gestützt aus ein unvergleichliches Heer, vor allem durch die Kunst der Führung.
Mit der ihm innewohnenden Tatkraft hat General Ludendorff seines Amtes gewaltet, unermüdlich in der Arbeit, unbeugsam im Willen, nur an den Sieg denkend. Daß er dabei auch, über das rein militärische Gebiet
hinausgreifend, mit Fragen der Politik und der Wirtschaft sich befassen mußte, war ihm keineswegs willkommen gewesen, doch die Bedürfnisse
des Krieges, häufig auch das Versagen der dazu berufenen Stellen, zwangen dazu. Es ergab sich daraus insgesamt eine Überlastung mit Arbeit, die selbst seine Kräfte zu übersteigen drohte. General Ludendorff ist auch dieser Beanspruchung bis zum Schluß seiner Amtszeit gewachsen geblieben. Seine Spannkraft, seine Entschluß- und Handlungsfähigkeit haben selbst in Zeiten schwerer seelischer Erschütterung nicht versagt. Es ist eine einheitliche, klare Linie, die diese gewaltige Feldherrn-Persönlichkeit vom Tage des Amtsantritts bis zum Ausscheiden verfolgt hat: Kamps für Deutschland unter Einsatz auch der letzten Kraft.
F.Die Ereignisse vom Ausscheiden des Generals Ludendorff bis zum Abschluß des Waffenstillstandes. 27.Oktober bis 5 l. November. Vollen Ersatz für die überragende Persönlichkeit des bisherigen Ersten Generalquartiermeisters zu finden, war nicht möglich. General von Geeckt, der in erster Linie geeignet schien, fiel als Anwärter aus, da er sich in Kon-
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Die deutsche Westfront in der Abwehr. Fortgang der Kämpfe.
27. Oktober, stantinopel befand und die unmittelbare Verbindung dorthin durch das
Ausscheiden Bulgariens unterbrochen war. Ferner kamen die Heeresgruppenchefs, Generale von Kühl, dieser von General Ludendorfs vorge-
schlagen, Groener, von Löhberg und Graf Schulenburg, in Frage. Letzterer wurde als Berater des Kronprinzen gerade in dieser Zeit für unabkömmlich gehalten. Die Generale von Kühl und von Löhberg hatten nur in der
Truppenführung, dabei fast ausschließlich an der Westfront, Verwendung gefunden und verfügten über keine nähere Kenntnis der sonstigen mit der
Kriegführung untrennbar zusammenhängenden Verhältnisse.
General
Groener dagegen, der bei den leitenden Stellen des Heeres hohes An¬ sehen genoh, war nicht nur im Truppendienst in West und Ost tätig gewesen,
sondern als ehemaliger Chef des Feldeisenbahnwesens, Leiter des Kriegsamtes und jetziger Chef der Heeresgruppe Kiew über die Verhältnisse im großen wie nur wenige unterrichtet. Er war als klar urteilender Berater
nicht nur auf rein militärischem Gebiete, sondern auch aus dem des Verkehrs wie der Wirtschaft und als vortrefflicher Organisator bekannt. Er schien daher zur Lösung der jetzt bevorstehenden Aufgaben besonders geeignet. Dazu kam, daß er noch aus den Tagen von Pleh im Herbst 1916 dem
Generalfeldmarschall nahestand, der seinen klugen Rat immer gern gehört hatte. So fiel die Wahl aus ihn. Es muhten aber einige Tage vergehen, bis er im Großen Hauptquartier eintreffen konnte.
Unterdessen war die Bearbeitung der Operationen zunächst aus Oberst Heye übergegangen. Das Fehlendes überragenden Geistes, vor allem aber der Autorität und straffen Führung des Generals Ludendorff machte sich bemerkbar^), wenn auch große Entscheidungen vorerst nicht zu treffen waren.
5. Der Rückzug auf die Antwerpen/ Maas - Stellung. Beilagen 27,27a, 28, 29 und 31.
Nachdem in der Nacht zum 27.Oktober der linke Flügel der 18. Armee ungestört in die Hermann Ii-Stellung zurückgegangen war, herrschte an der gesamten Westfront im wesentlichen Ruhe. Man stand zu dieser Zeit in der allgemeinen Linie: holländische Grenze östlich von Brügge—Erecy (nördl. von Laon)—Dun an der Maas—Vogesen bis zur Schweizer Grenze.
Der Zustand der Truppen gab zu ernstesten Bedenken Anlaß. Beide Heeresgruppen des rechten Flügels drängten auf weiteres Zurückgehen. Unmittelbar nach dem Ausscheiden des Generals Ludendorff meldete am 27.Oktober die Heeresgruppe Deutscher Krön-
prinz: „Die Truppe tut bis zum äußersten ihre Pflicht. In vorbildlicher i) Brief des Staatssekr. von Hintze an Staatssekr. Solf vom 29. Okt. 1918 und Loßberg a. a. O., S. Z69ff.
General Groener Erster Generalquartiermeister.
69Z
Weise setzen die Offiziere bis zu den höchsten Führern sich ein, um wankende Verbände zu stützen. Es ist aber nicht zu leugnen, daß hier und da der Geist und innere Halt einzelner Truppenteile infolge der anhaltend großen Überspannung zu versagen beginnt.... Ich bin zu der Meldung verpflichtet,
daß bei Fortsetzung starker Angriffe nach meiner Ansicht Und nach Meldung meiner Armeen mit der Möglichkeit eines Durchbruchs gerechnet werden
muß1). Die Gefahr liegt vor, daß durch schwere Niederlagen Deutschland seiner Wehrkraft völlig beraubt und zu bedingungsloser Übergabe gezwungen wird. Ich sehe daher das kleinere Abel in einem Absetzen der Front. Der Verlust großer Werte, der mangelhafte Ausbau der Ant¬ werpen/Maas-Stellung und die Schwierigkeiten ihrer Versorgung werden ... eher zu überwinden sein als entscheidende Niederlagen an der Front....
Gelingt es, den Truppen einige Zeit Ruhe zu geben und ihnen Ersatz
zuzuführen, so ist zu hoffen, daß die Antwerpen/Maas-Stellung gehalten werden kann".
Die Oberste Heeresleitung beurteilte die Lage anders. General- s«.ottob-r. feldmarschall von Hindenburg antwortete am 23. Oktober: „Gelingt es
dem Heere, die feindlichen Angriffe noch einige Tage abzuwehren und wenig Boden zu verlieren, so werden die von der Entente uns gestellten
Bedingungen weniger schwer sein, als wenn unsere ganze Front zwischen Meer und Verdun jetzt zurückgeht. Die Wirkung auf In- und Ausland würde in diesem Augenblick die schwerwiegendsten Folgen haben. Nach Meldung des Feldeisenbahnchefs würden Milliardenwerte und unersetz¬ bares Kriegsmaterial verlorengehen". Er konnte dem Vorschlage daher zur
Zeit nicht zustimmen. Am 30.Oftober morgens traf General Groener in Spa ein und zo.o«»b-r.
übernahm die Geschäfte als Erster Generalquartiermeister. Er konnte sich ebensowenig wie General Ludendorff restlos den militärischen Aufgaben zuwenden, sondern mußte bei ihrer engen Verflechtung mit politischen
Fragen gleichzeitig schwierigste Verhandlungen mit der Reichsregierung führen, stand ihr aber infolge Einschränkung der kaiserlichen Kommando-
gewalt^) nicht mit derselben souveränen Selbständigkeit gegenüber wie sein großer Vorgänger; auch fehlte ihm dazu dessen in vier erfolgreichen Kriegsa) Ein Bild der Verhältnisse an der Front gibt eine von der Heeresgruppe am 26. Okt. am Fernsprecher gegebene Schilderung über den Zustand zweier Divisionen, die an diesem
Tage „nicht standgehalten" hatten: „Stäbe und Burschen halten heute noch notdürftig weiter vorwärts den Druck auf. Sie können nicht standhalten, wenn Feind morgen an-
greift, was sicher zu erwarten ist. Reserven stehen nicht zur Verfügung. 34. Inf. Div.,
abgekämpft, wird auf Lastwagen herangeführt". 2) S. 674.
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Die deutsche Westfront in der Abwehr. Fortgang der Kämpfe.
ZS,ottober, jähren besonders begründetes hohes Ansehen bei Heer und Volk. Er war vielen ein kaum bekannter General. Unter allerschwierigsten Verhältnissen übernahm er ein im höchsten Grade undankbares Amt. Die militärische Lage und die Entschlossenheit der Reichsregierung, die Waffenstillstands¬ bedingungen wenn irgend möglich anzunehmen, brachten es mit sich, daß er seine Ausgabe eigentlich nur noch in der Liquidation des Krieges sehen konnte. Dabei kannte er die volle Größe der drohenden innerpolitischen
Gefahr zunächst noch nicht. „An Operationen" — so heißt es in den von ihm hinterlassenen Auszeichnungen — „war nichts mehr zu machen. Das
Heer konnte nichts mehr ändern, der Rückzug mußte, so gut oder schlecht er ging, durchgeführt werden". Nach den ersten Besprechungen mit seinen Mitarbeitern hatte General Groener — wie er am 6. Januar 1919 für die Akten der Obersten Heeres¬
leitung auszeichnete — folgendes Bild der Lage: „Der erste Eindruck war,
daß der Rückmarsch in die Antwerpen/Maas-Stellung, den ich mir während
der Eisenbahnfahrt als nächste und dringendste Ausgabe überlegt hatte, nicht sofort ausgeführt zu werden brauchte, da einerseits die Widerstands¬ fähigkeit der Armeen nach den vorliegenden Meldungen noch ausreichend vorhanden schien*), andererseits die feindlichen Angriffe nicht einheitlich erfolgten, sondern meist örtlichen Charakter trugen. Meine Mitarbeiter im Großen Hauptquartier teilten im allgemeinen diese Anschauung, insbe¬ sondere wies der Chef des Feldeisenbahnwesens daraus hin, daß vorwärts der Antwerpen/Maas-Stellung noch ungeheures Kriegs- und rollendes
Eisenbahnmaterial vorhanden sei, dessen Wegsührung es dringend forderte. Auch waren in diesen Tagen noch 80000 Verwundete vorwärts der Antwerpen/Maas-Stellung gemeldet. ... Ferner wies der Chef des Feld-
eisenbahnwesens darauf hin, daß nach seiner Ansicht die Antwerpen/ Maas-Stellung für eine längere Verteidigung höchst ungünstig sei wegen des schlecht entwickelten Bahnnetzes hinter der Maas-Front und wegen des unzureichenden Ausbaus der Bahnhöfe. Er war der Auffassung, mög-
lichst lange noch die Verteidigung vorwärts der Antwerpen/Maas-Stellung zu suchen"^). General Groener wollte daher bis zum Eintreffen der neuen Antwortnote des Präsidenten Wilson, das der Reichskanzler innerhalb von wenigen Tagen in Aussicht stellte, in den bisherigen Stellungen aushalten, *) Diese Angabe stand im Widerspruch zur Meldung der Hgr. Deutscher Kronprinz vom 27. Okt. (S. 692).
2) Oberst von Oldershausen hatte in einer Denkschrift über die Gesamtheit dieser
Verhältnisse ferner darauf hingewiesen, daß sich die Eisenbahnlage noch ungünstiger ge¬ stalten würde, wenn etwa der rechte Flügel über Antwerpen hinaus auf die Maas-Linie Lüttich—Namur zurückgenommen würde, wie es die Heeresgruppe Kronprinz Nupprecht für alle Fälle bereits vorbereitete (vgl. S. 654).
Amtsübernahme durch General Groener.
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weiteres Absetzen daher — ebenso wie der Generalfeldmarschall und bisher General Ludendorff — „nur im äußersten Notfall" anordnen.
Am Tage der Amtsübernahme durch General Groener setzten aber die feindlichen Angriffe wieder mit größerer Heftigkeit ein. Vor allem rannten die Franzosen morgens, wie bereits erwartet, beiderseits von Guise gegen die IS. Armee an. Ihr Versuch endete zwar mit einem
vollen deutschen Abwehrerfolg, hatte aber doch wieder sehr erhebliche Opfer gekostet. Zum Ausgleich mußte die Heeresgruppe Gallwitz eine Division abgeben, obgleich sie mit baldiger Wiederaufnahme der seit Mitte September eingestellten Angriffe gegen die Armee-Abteilung C einschlie߬ lich der Festung Metz rechnete. Am 31. Oktober begann bei der Heeresgruppe Kronprinz Rup- ,1.0«»»».
precht nach sechstägiger Pause ein überraschender Massenangriff, der den linken Flügel der 4. Armee überrannte und erst in der Linie Deynze—
Cruyshautem—Kerkhove aufgefangen wurde. Diese Stellung, hinter der die Scheide-Übergänge bereits unter Feuer lagen, war zu längerer Ver¬ teidigung ungeeignet. General Sixt von Armin entschloß sich daher, von
der Ermächtigung^) zu weiterem Ausweichen hinter den Kanal Neuzen— Gent und die Scheide Gebrauch zu machen; es wurde in den beiden folgen¬ den Nächten durchgeführt. Während die Heeresgruppe mit dieser Maßnähme durchaus einverstanden war, wurde sie von der Obersten Heeres¬ leitung beanstandet. General Groener^) erklärte: „Aus politischen und militärischen Gründen müssen wir stehenbleiben; auch der Heimat wegen, damit sie nicht nervös wird"; auch die Eisenbahn könne es nicht leisten, denn zwischen Hermann- und Antwerpen/Maas-Stellung liege noch ungeheuer viel Material. Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz dränge in diese Stellung, zum Zurückgehen liege aber kein Grund vor. Aus Be¬ fragen über die Stimmung der Truppe meldete General von Kühl, sie sei „an der Front ganz gut, hinter der Front schlecht". Diese Front lag bei der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht nunmehr von der.holländischen Grenze bis Valenciennes hinter einem guten Tankhindernis. Nur der vorsprin¬ gende linke Flügel der 17. und der rechte der!?. Armee blieben offensichtlich bedroht. Zurücknahme in die Sehnenlinie Valenciennes—Le Quesnoy wurde aber vom Oberkommando der Heeresgruppe abgelehnt.
Schon am I. November griff der Gegner südlich von Valenciennes i.N»v«ml>«r. den linken Flügel der 17. Armee mit größter Wucht an. Bis zum Abend
wurde die deutsche Linie bis Valenciennes—Villers-Pol zurückgeworfen. J) S. 658. 2) Tgb. Aufzeichnung des Gen. von Kühl vom ZI. Okt. 1918.
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l. und 04
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Fortgang der Kämpfe.
Ein Vorstoß deutscher Kampswagen südlich von Valenciennes blieb ohne Erfolg. Abends hatte der Gegner unter dem Schutz von künstlichem Nebel bereits die Scheide bei Valenciennes überschritten und war von Westen
und Süden her in die brennende Stadt eingebrochen. Sie wurde geräumt und abgeriegelt. Am 2. November drang der Feind bis St. Saulve— Orsinval vor. Die deutsche Front wurde noch weiter bis Conds—Orsinval abgesetzt, um die abgekämpften Truppen wieder zu ordnen.
Bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz griff der Gegner am Mittag des l. November nach starker Feuervorbereitung unter Einsatz von Kampswagen die inneren Flügel der 7. und I. Armee an, erzielte aber
keine Erfolge. Angriffe, die gleichzeitig Mitte und linken Flügel der 3. Armee trafen, führten zu geringen Geländeverlusten. Weit ungünstiger gingen die Kämpfe am anschließenden rechten Flügel der Heeresgruppe Gallwitz aus. Bereits um 7°vormittags begannen
Massenangriffe der Amerikaner gegen die 5.Armee zwischen Grandpro und Aincreville. Obgleich alle Reserven eingriffen, wurden die schwachen Kräfte des 58. Korps und XXI. Armeekorps, mit Ausnahme der äußersten Flügel, sechs bis sieben Kilometer weit nach Norden zurückgedrängt. Abends wurde südlich von Buzancy und Barricourt gekämpft. Bis in die Nacht
hinein setzte der Feind seine Angriffe fort. Bei der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz ging der linke Flügel, 3. Armee, dem Einbruch bei der Nachbar-Armee entsprechend, in der Nacht zum 2. November in die Linie Neuville—Briquenay zurück. Vor der 5. Armee erreichten die Amerikaner Buzancy, Barricourt und die Gegend westlich von Dun. Östlich der Maas schied eine österreichisch¬ ungarische Division wegen der politischen Umwälzungen in ihrer Heimat^) aus der Front.
Am 2.November hatte General Groener in Brüssel, Eharleroi und Charlevllle Besprechungen mit den Generalstabschefs der Heeresgruppen
Kronprinz Rupprecht, Deutscher Kronprinz und Gallwitz sowie ihrer Armeen. Aber die Besprechungen in Brüssel und Eharleroi liegen Auszeich¬ nungen des Generals von Kühl vor^). Dieser selbst führte danach aus, daß man sich an der Scheide und in der Hermann-Stellung wohl noch acht Tage, die 4. Armee in der „Gent"-Stellung noch länger halten könne. Dann aber müsse entschieden werden, ob man nicht „zu sehr verbraucht" in der Ant¬ werpen/Maas-Stellung ankomme. Die Generalstabschefs der 17., 2. und 13. Armee berichteten über viele Fälle von Zuchtlosigkeit; die 2. Armee ') S. 739. *) Tgb. vom Z. Nov. 1918.
Besprechungen mit Heeresgruppen und Armeen.
697
glaubte, den nächsten Großkampf noch bestehen zu können, die 18. aber nicht, bei ihr liege die Gefahr des Durchbruchs vor. General Groener wies daraus hin, daß in etwa drei Tagen die nächste Wilson-Note erwartet werde, es sei daher wichtig, daß „wir uns in unseren Stellungen behaupten und der Feind nicht den Eindruck hat, als ob wir völlig gebrochen wären".
Eine große Menge Kranker und Verwundeter sei noch abzubefördern, auch ständen vorwärts der Antwerpen/Maas-Stellung noch 35000 Eisenbahn¬ wagen. Im übrigen sei jene Stellung keineswegs so gut wie man dachte; das Eisenbahnnetz hinter ihr sei unzureichend, und wir verlören die Be¬ weglichkeit. Die „levee en masse" und die vom Kriegsminister in Aussicht
gestellten 600 000 Mann Ersatz seien eine „ganz imaginäre Zahl"^); in letzte¬ ren seien ZOO000 Mann Jahrgang 1900 enthalten, die übrigen ZOO 000 müßten
erst herausgezogen werden und bedeuteten auch „keine günstige Zugabe". In Eharleville sind vermutlich dieselben Fragen erörtert worden. Oberstleutnant Keller trug eine Denkschrift des Generals von Gall¬
witz vor, in der dieser ausführte: „Der überspannte Bogen konnte nicht ungemessen halten und wird nach der gestrigen Schlappe es noch weniger
können". Er habe schon seit längerer Zeit darauf aufmerksam gemacht, daß nur rechtzeitiges Einnehmen der rückwärtigen kürzeren, besser ge¬ sicherten Linie, als welche nur noch die Stellung hinter der Maas in Frage
komme, Kräftigung der Front und Aussparung der erforderlichen Reserven gewährleisten könne. „Die gestrigen Vorgänge dürften zeigen, daß es hierfür nicht nur höchste Zeit ist, sondern schon früher an der Zeit gewesen wäre". General Groener — so berichtete Oberstleutnant vonKlewitz seinem Oberbefehlshabers — „erkennt den ganzen Ernst der Lage an und
ist besorgt um die Haltung der Heimat.' Dort werden jetzt Truppen gezeigt. Hält die Heimat, so können wir noch sechs Monate, sonst nur noch zwei
Monate Krieg führen. Alle Rückzüge, besonders der jetzige hinter die Maas, machen auf die Heimat einen sehr peinlichen Eindruck. Bis zur Antwort Wilsons sollen wir daher, wenn irgend möglich, noch vorn ausharren, ohne uns zerschlagen zu lassen, während wir unter anderen Bedingungen sofort das rechte Ufer der Maas besetzen würden". Oberstleutnant von Klewitz
fügte hinzu, General Groener habe ruhig und klar gesprochen. General Groener selber hatte aus den Besprechungen — „entgegen
den Anschauungen im Großen Hauptquartier"^) — doch die Überzeugung 1) So nach dem Wortlaut der Aufzeichnungen. 2) Gen. Obst, von Einem, a. a. €>., S. 460f. (Auszeichnung vom 2. u. Brief vom
2. Nov. ISIS). 3) Aufzeichnung des Gen. Groener; gemeint waren offenbar die Anschauungen seiner Mitarbeiter.
698
Die deutsche Westfront in der Abwehr. Fortgang der Kämpfe.
gewonnen, daß der Rückmarsch in die Antwerpen/Maas-Stellung nicht mehr lange hinausgezögert werden dürfe. Zunächst aber antwortete die
Oberste Heeresleitung der Heeresgruppe Gallwitz: „Auch jetzt noch ist es aus militärischen und politischen Gründen nötig, das Zurückgehen in die Antwerpen/Maas-Stellung zu verzögern. Die S.Armee hat daher die
jetzt befohlene -Linie südlich der Maas zu halten".
Unterdessen hatten die Heeresgruppen Deutscher Kronprinz und Gallwitz den linken Flügel der 3.und den rechten der S. Armee in z.N»»«mb«r. der Nacht zum 3. November in eine von der Aisne bei Attigny hinter dem Ardennen-Kanal über Le Chesne ostwärts nach Oches, südlich an
Während der 9. Novembex im wesentlichen planmäßig und kampflos verlief, kam es am 10. auch bei der Z.Armee bereits zu Kämpfen um
Maas-Übergänge; feindliche Teile, die den Fluß überschritten hatten, konnten nicht überall zurückgeworfen werden. Bei der 5.Armee gab die Front vor dem Druck des Gegners auch bei Stenay weiter nach, .an der Ostfront von Berdun griffen die Amerikaner längs der Straße nach Etain an.
Das Ende der Feindseligkeiten schien nahe bevorzustehen und lähmte die Haltung der ohnehin erschöpften Truppen. Die Nachrichten über Ausbreitung der Revolution in Deutschland und Abdankung des Kaisers bedeuteten eine weitere schwere Erschütterung für die kämpfende Front.
Da die Eisenbahnverbindungen zur Heimat inzwischen durch Aufständische und Meuterer teilweise gestört wurden, drohten sich auch Nachschubschwierigkeiten zu ergeben. Fast überall im besetzten Gebiet, vor allem bei
den Etappentruppen, ließen Zucht und Ordnung in zunehmendem Maße nach; auch war die Grippe noch keineswegs erloschen. So war das zurückmarschierende Heer in seiner Gesamtheit erschüttert, und doch war bei
Einstellung der Feindseligkeiten.
703
allen Verbänden noch eine ausreichende Zahl tapferer Männer vorhanden, die bis zur letzten Stunde unerschütterlich aushielten und vor allem mit dem Maschinengewehr den Feind abwehrten, wo er nachdrängte. Am II. November um 12° mittags trat der frühmorgens u.9u>»cm»«*.
unterzeichnete Waffenstillstands»ertrag in Kraft. Zu dieser Zeit stand die deutsche Westfront von der holländischen Grenze über Lokeren—Grammont—Soignies—Thum bis Fumay noch westlich der Antwerpen/Maas-Stellung, von da bis in die Gegend von Stenay in dieser, weiter südlich bis vor Verdun aber war sie aus ihr bereits
zurückgedrückt. Auf feindlicher Seite hatte Marschall Foch, als er am 5. November
das Ausweichen der Deutschen auf breiter Front erkannte, General Pershing aufgefordert, die Verfolgung nicht nur westlich der Maas fortzu¬ setzen, sondern nunmehr auch östlich des Flusses mit Nachdruck anzugreifen. General Potain hatte die Weisung erhalten, den Maas-Abschnitt Sedan— Mouzon, sobald die amerikanische 1. Armee dort den Fluß erreiche, der Heeresgruppe Mitte zu überweisen, und dieser daraufhin weitere Ver¬ folgung über Mezieres und Sedan in die Ardennen hinein befohlen, während die amerikanische 1. Armee von Mouzon auf Carignan angreifen sollte. Zugleich waren die Vorbereitungen für den Angriff in Lothringen in vollem Gange. Den Hauptstoß sollte hier eine unter General Mangin, einem besonders bewährten Angriffsführer, neugebildete 10. Armee führen, links durch die amerikanische 2., rechts durch die französische 8. Armee begleitet. Insgesamt wurden für diesen Angriff, der spätestens am 14. No¬ vember zwischen Pont-sur Seille (10 km östl. von Pont-a Mousson) und dem Rhein/Marne-Kanal einsetzet und die Saar zum Ziele haben sollte, 22 Infanterie-, 3Kavallerie-Divisionen, 614 Batterien, 600 Kampfwagen und erhebliche Fliegerverbände bestimmt. Das Inkrafttreten des Waffenstillstandes ließ es zur Durchführung aller dieser Pläne nicht mehr kommen.
2.GeneralGroener und die Reichsregierung. Mit der Einschränkung der kaiserlichen Kommandogewalt und dem 2726' Ausscheiden des Generals Ludendorff war die Oberste Heeresleitung
nur noch beratende Stelle für das allein ausschlaggebende Kabinett, das in allen das politische Gebiet berührenden Fragen völlig abhängig war *) Die bisherige 10* Armee der Hgr. Fayolle war am 27. Okt. als 3. Armee von dem
hinter der Front bereit gehaltenen A. O. K. 3, Gen. Humbert, übernommen worden.
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Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
pym Willen der Mehrheitsparteien des Reichstages und damit wiederum von der Stimmung der breiten Masse des Volkes, die ohne entsprechende
Ausklärung und Einwirkung zum Frieden um jeden Preis bereit war. Gleichzeitig hatte sich die politische und die militärische Lage im Südosten weiter in bedrohlichster Weise verschlechtert: Am 24. Oktober war
der italienische Angriff gegen die österreichisch-ungarische Front in Ober¬ italien zwar anfangs auf erfolgreiche Abwehr gestoßen, aber die ungarischen Truppen weigerten sich, weiter für Osterreich zu kämpfen^); das ver¬ bündete Heer begann sich aufzulösen. Am 26. Oktober teilte Kaiser Karl
dem Deutschen Kaiser seinen „unabänderlichen Entschluß" mit, innerhalb von 24 Stunden Separatfrieden und sofortigen Waffenstillstand zu erbitten. Vergebens bemühte sich Kaiser Wilhelm, das zu verhindern. Diese Entwicklung bedeutete eine so gefährliche Schwächung Deutschlands, daß die Reichsregierung in der an demselben Tage hinausgehenden Antwort auf die dritte Wilson-Note alles vermied, was zum Abbruch der Verhandlungen führen konnte. So wurde der Satz des Entwurfs:
Die deutsche Regierung erwarte „Vorschläge für einen Waffenstillstand, nicht das Ansinnen einer Waffenstreckung", durch die jedem Verzicht gleichkommenden Worte ersetzt: „Die deutsche Regierung sieht nunmehr den Vorschlägen für einen Waffenstillstand entgegen". Neu aufgenommen wurde der Hinweis, daß der Reichsregierung auch „die militärischen Gewalten" unterstellt seien. Im übrigen enthielt die Note die erneute Versicherung, daß die Friedensverhandlungen von einer Volksvertretung
geführt würden, „in deren Händen die entscheidenden Machtbefugnisse
tatsächlich und verfassungsmäßig ruhen". Zur Auskunfterteilung über die Lage an der Westfront waren die Generale von Gallwitz und von Mudra nach Berlin gerufen worden. Sie wurden am 27. Oktober nachmittags vom Kaiser empfangen, dem sie
berichteten: Der Kern der Truppen sei noch gut, sozialdemokratische Einslüsse wirkten aber, vor allem auf den Ersatz, ungünstig ein. Die Regimenter verrichteten noch immer Wunder der Tapferkeit und Ausdauer, wir müßten aber dennoch in die Antwerpen/Maas-Stellung zurückgehen, um unsere Linien zu verkürzen und den Truppen die dringend erforderliche Ruhe zu W. Oktober, verschaffen. Am folgenden Tage beantworteten die Generale dem Kabinett eine Reihe an sie gerichteter Fragen in ähnlichem Sinne, wobei General von Mudra den Ausführungen des vor ihm zu Worte kommenden Generals von Gallwitz zustimmte. Dieser wies unter anderem auf die Hetzereien
der Presse hin, die die Disziplin geschädigt und Kriegsmüdigkeit sowie „Drückebergerei" gefördert habe; dazu sei die ungünstige Einwirkung der x) Näheres S. 739,
Zuspitzung der Lage im Fnnern.
705
Waffenstillstandsbitte und die Zustimmung zur Räumung der besetzten Gebiete gekommen; man solle für vermehrten Ersatz sorgen. „Ein gewalti¬ ger Appell" von Kaiser und Regierung an Heimat und Heer sei erforderlich; er werde auch Eindruck auf die Gegner machen, die infolge der sortgesetzten Waffenstillstandsbitten sich in einem wilden „Kriegstaumel" befänden. Auf die Frage, welche Aussichten denn bei Fortsetzung des Kampfes beständen und wie lange wir ihn fortsetzen könnten, erklärte General von Galtwitz, darauf keine bestimmte Antwort geben zu können; der Winter werde ein Nachlassen der Kämpfe bringen; überstehe man ihn, dann würden die
Gegner zu ruhigerer Auffassung kommen; jetzt forderten sie die Kapitula¬ tion: „Schlimmer als diese können die späteren Forderungen auch nicht sein". Als dann während der Besprechungen die Nachricht kam, daß
Österreich-Ungarn inzwischen Sonderverhandlungen begonnen habe, trat General von Mudra dafür ein, sofort „Vorbereitungen für letzte Aktion" zu treffen, wobei er an einen flammenden Aufruf an das Volk zum Kampf
gegen entehrende Bedingungen dachte, während General von Gallwitz vorher noch die Waffenstillstandsbedingungen abwarten wollte.
Das Kabinett beschloß, zunächst abzuwarten und betonte seine Bereit¬ schaft zum Kampfe gegen entehrende Bedingungen. Im übrigen beschäftigte es sich, um Präsident Wilson entgegenzukommen, mit dem Plane, den Kaiser und möglichst auch den Kronprinzen zu freiwilligem Verzicht aus die Krone zu bewegen. Der Kaiser begab sich am Abend des 29. Oktober nach Spa, wo ihm 2s. t>u am 31. der vom Kabinett entsandte Preußische Minister des Innern, Drews, !l'("WlK in Gegenwart des Generalfeldmarschalls und des Generals Groener die
Anregung des Reichskanzlers zu freiwilligem Thronverzicht übermittelte. In der Auffassung, daß seine Abdankung für Volk und Heer die schwer-
wiegendsten Folgen nach sich ziehen würde, ging Kaiser Wilhelm auf diese Zumutung nicht ein. Er wurde in seiner Ablehnung nachdrücklich unterstützt durch GeneralfeldmarschallvonHindenburg und General Groener. Dieser äußerte sich „in leidenschaftlicher Weise mit bitteren Vorwürfen gegen die Regierung, welche nicht das Geringste tue, um die Vergiftung der Armee durch die ungezügelte Straße zu verhindern. Der innere Feind sei weit gefährlicher für uns als der äußere"^. Diese Ausfassung wurde durch die Ereignisse in der Heimat bestätigt. Am 29. Oktober war aus der Hochseeflotte, die aus der Reede vor
Wilhelmshaven Befehl zum Auslaufen erhalten hattet, eine Meuterei ausgebrochen, die zur Ausgabe der geplanten Unternehmung führte. Das >) Tgb. Aufzeichnung des Gen. Obst, von Plessen vom I. Rov. 1913. 2) S. 670, Anm. 1. Weltkrieg. XIV. Band.
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Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
nach Kiel entlassene 3. Geschwader übertrug die in offenen Ausruhr aus, '
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artende Bewegung dorthin. Da zuverlässige Truppen nicht zur Hand waren, fiel Kiel am 4. November in die Hände der Aufständischen. Am
gleichen Tage erbrachte das Hinsallenlassen einer für die Sowjet-Botschaft in Berlin angekommenen Kurierkiste, die lediglich bolschewistisches Propagandamaterial enthielt, den Beweis für die gemeingefährlichen Amtriebe dieser Botschaft und führte jetzt endlich zur Ausweisung ihres Personals. Unterdessen hatte die Reichsregierung schon am 1. November bei der Obersten Heeresleitung zuverlässige Truppen zur Ausrechterhaltung der Ordnung in Berlin erbeten. Die Entsendung der als
besonders tüchtig geltenden 2. Garde-Infanterie-Division war besohlen worden.
General Groener versuchte, aus die Haltung des Reichskabinetts einzuwirken, indem er am I.November in einem Briefe an Vizekanzler
von Payer als seinen Landsmanns auf die „Gefährdung der Kampfkraft unserer Truppen durch die Ereignisse in der Heimat" hinwies. Gewiß hätten die kämpfenden Truppen „meist in heldenmütiger Weise ihre Pflicht und Schuldigkeit getan", aber: „Gestern habe ich zum ersten Male erlebt, daß eine ganze Landwehr-Division nicht in die Stellung gebracht werden konnte. Es war eine Division, die aus dem Osten kam und zahlreiche
Elsässer und Polen enthielt. Gegen die Meuterer wird selbstverständlich mit den schärfsten gesetzlichen Mitteln vorgegangen, ich bin mir aber bewußt, daß auch die strengsten Strafen nicht ausreichen, den wankenden Geist in unseren Truppen wieder ganz zu festigen". Am dies zu erreichen, sei Mit-
Wirkung der Heimat nötig. Eine zweite schwere Gefahr sei, daß jetzt in den Zeitungen des breiten von der Abdankung des Kaisers gesprochen werde. „Mit dieser Polemik wird die Axt an den Geist des Heeres gelegt, denn unser gesamtes Offizierkorps mit wenigen Ausnahmen und wohl
auch der größte Teil der Truppe sind und bleiben monarchisch gesinnt. Sie haben dem jetzigen Kaiser den Treueid geleistet und werden ihrem Eid treu bleiben. Wird der Kaiser zur Abdankung veranlaßt und das Treuband
gelöst, so geht die letzte Kampfkraft der Truppe zum Teufel". Anterdessen war am 30. Oktober die Türkei unter schwersten Be-
dingungen zum Waffenstillstand gezwungen worden. In OsterreichAngarn^) war dem Zusammenbruch des Heeres die Auflösung im Innern des Landes gefolgt; ein deutsch-österreichischer, ein tschechoslowakischer und ein südslawischer Staat bildeten sich neu. Am 3. November kam es i) Nach hinterlassenen Aufzeichnungen des Gen. Groener. -) Vgl. S. 739 f.
Meuterei auf der Flotte. Waffenstillstand für Österreich-Ungarn.
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zum Waffenstillstand, der den Gegnern Bewegungsfreiheit „auf allen notwendigen Straßen, Eisenbahnen und Flußläufen" gestattete und innerhalb von 15 Tagen Räumung des Gebietes von deutschen Truppen
forderte, widrigenfalls sie interniert werden sollten. Schon bevor diese Ereignisse eintraten, hatte das Auswärtige Amt am 23. Oktober die Oberste Heeresleitung gebeten, zum Schutze Bayerns und Sachsens die Frage des Einmarsches in Tirol und Böhmen zu prüfen. Die Oberste
Heeresleitung hatte mangels eigener Kräfte die deutsch-österreichischen Truppen zum Schutze ihres Sprachgebietes zunächst für ausreichend ge¬ halten, aber doch auch schon Vorbereitungen getroffen, die Tiroler Alpenpässe zu besetzen. Am Abend des 2. November lag die Genehmigung
Deutsch-Österreichs zum Einmarsch nach Tirol und Salzburg vor, doch zögerte die Reichsregierung noch, ihre Einwilligung zu geben. Am Z.November drahtete das Kriegskabinett der Obersten Heeres-
leitung, es sei „sehr bedrückt durch harte Bedingungen an Österreich-Ungarn" und möchte wissen, wie sich die Oberste Heeresleitung bei ähnlich schweren Bedingungen für Deutschland stellen würde und wie die Zurückführung der deutschen Truppen aus Österreich-Ungarn innerhalb 15 Tagen durchführbar sei; ein Besuch des Generals Groener in Berlin sei sehr erwünscht. Der Generalfeldmarschall antwortete: Die Bedingungen für Osterreich-Ungarn seien offenbar von dem Gedanken diktiert, Deutschland bei Fortsetzung des Krieges von Süden anzugreifen. Gelinge es, durch
baldigen Einmarsch die Alpenpässe zu halten, so könne man trotzdem hoffen, der Entente einen Angriff gegen Süddeutschland während des Winters zu
verwehren; bis zum Frühjahr werde der Krieg voraussichtlich zu Ende sein. Stelle die Entente Deutschland ähnlich schwere Bedingungen wie Oster-
reich-Ungarn, so seien sie abzulehnen und durch einen Gegenvorschlag zu beantworten. Die Zurückführung der deutschen Truppen aus OsterreichUngarn und vom Balkan innerhalb der gesetzten Frist sei undurchführbar. Wenn sich keine Verlängerung der Frist erwirken lasse, wozu bereits Schritte durch General von Eramon getan würden, so müßten sich die Truppen durchschlagen oder über die Ukraine abbefördert werden. Bis zum 5. November gab das Kabinett nach vielem Schwanken end- 5- N-»>-mb-r.
lieh die Genehmigung zum Einrücken in Tirol; die bereitgestellten bayeri-
schen Truppen überschritten die Grenze. Am 5. November nahmen General Groener sowie der Generalstabs-
chef des Oberbefehlshabers Ost, General Hoffmann, der unter Ubergehung der Obersten Heeresleitung schon vorher vom Kabinett zur Auskunsterteilung nach Berlin gerufen war, und der Chef des Feldeisenbahnwesens,
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Die deutsche Westfront in der Abwehr. €>. H. L. und Reichsregierung.
s.N«v«mber. Oberst von Oldershausen, an einer Kabinettssitzung teil. Hier führte
General Groener, wie es im Protokoll der Sitzung heißt, aus:
Unsere Gegner streben offenbar „die Umzingelung und Kapitulation des deutschen Volkes" an. Sie haben hierbei „eine kräftige Unterstützung in dem Bolschewismus, der von Osten und Südosten in unser Heer ein¬ dringt". Es bestehe die Möglichkeit, daß nicht nur die Rumänen den Krieg wieder aufnähmen, sondern daß auch die Tschechoslowaken und andere die
feindlichen Operationen unterstützten. Besonderer Erwägung bedürfe es, ob die Truppen im Osten, einschließlich der Ukraine, zu belassen seien. Dabei sei zu bedenken, daß der Bolschewis¬ mus unserem Vaterlande „auf den Leib rücken" werde. Zur Verstärkung des
Westheeres kämen die Osttruppen wegen der schwierigen Transportlage zu¬
nächst nicht in Frage; auch seien sie für den Großkampf wenig geeignet; die östlichen Einflüsse hätten aus ihren moralischen Halt ungünstig eingewirkt. Militärische Gründe sprächen deshalb nicht für sofortige Aufgabe des gesam¬ ten Ostens. Das Kabinett müsse entscheiden, ob aus politischen und wirt¬
schaftlichen Gründen das Verbleiben der Truppen im Osten erwünscht sei. An der Reichsgrenze gegen das bisherige Osterreich seien militärische Maßnahmen getroffen. Für Tirol seien außer bayerischen Ersatztruppen zunächst zwei Divisionen verfügbar. An der sächsischen und schleichen Grenze seien Grenzschutz-Detachements in der Bildung begriffen. Vorgehen des Feindes über Odessa durch die Ukraine und Polen gegen die deutsche Ostgrenze sei für geraume Zeit weniger wahrscheinlich. An der Westfront sei es notwendig geworden, unsere Fronten „in kürzere, zur Abwehr geeignetere Linien zurückzunehmen". Da mit Fortsetzung der starken feindlichen Angriffe zu rechnen sei, könne die Oberste Heeresleitung den Entschluß, in die Antwerpen/Maas-Stellung auszuweichen, trotz der großen Bedenken, die wegen des damit verbundenen ungeheuren Verlustes an Kriegsmaterial und an Vorräten bestünden, nicht länger hinausschieben. Alles komme darauf an, eine entscheidende Niederlage des Heeres unter allen Umständen zu vermeiden.
Die Schwierigkeit, die augenblicklichen Stellungen dauernd zu halten, liege in erster Linie im Mangel an Reserven und Ersatz. Ende Oktober habe die Entente an der Westfront 96 Divisionen in Reserve gehabt gegenüber
58 deutschen. Dieses Iahlenverhältnis habe sich inzwischen für uns noch weiter verschlechtert. Die Stärken der Bataillone betrügen bei den Fran¬ zosen etwa 600, bei den Engländern 700, bei den Amerikanern 1200 Mann,
während sie bei uns auf durchschnittlich 500 Maring gesunken wären. i) .Damit war die „Feldstärke" (S. 27, 517 u. 519) gemeint; die „Gefechtsstärken" waren wesentlich niedriger (vgl. z. V. S. 699).
General Groener vor dem Kriegskabinett.
709
Bei allmählichem Zurückgehen der nördlichen Heereshälfte in die Antwerpen/Maas-Stellung könne man hoffen, „daß für etwa 14Tage schwere Kämpfe vermieden" würden. Die militärische Gesamtlage verbessere sich dadurch aber nicht, da die Stellung nicht fertig ausgebaut sei und die Eisenbahn- und Wirtschastsfragen durch das Zurückgehen ungünstig be¬ einflußt würden.
Die Stimmung im Heere sei nicht einheitlich. Einzelne Divisionen schlü¬ gen sich bewundernswert, andere versagten ohne klar erkennbare Gründe.
Waffenstillstandsangebot, Verhetzung durch die Presse und bolschewistische Einflüsse hätten ungünstig gewirkt. Wo es gelungen sei, die Stimmung hochzuhalten, sei das vor allem das Verdienst tatkräftiger Vorgesetzter. Von ausschlaggebender Bedeutung wäre es daher, daß auch in der Heimat alles getan werde, um Stellung und Ansehen des Offiziers wieder zu heben. Wenn das Heer noch ungeschlagen sei, so wäre dies dem in seiner Masse
noch vorherrschenden pflichttreuen und tapferen Geiste zuzuschreiben. „Was wir von der Heimat fordern, ist nicht Kritik und Polemik, sondern Stärkung und Stählung von Herz und Seele. Wenn nicht schleuniger Wandel geschieht, richtet die Heimat das Heer zugrunde. Das habe ich pflichtgemäß hier zu erklären. Ebenso hat mich der Generalfeldmarschall beauftragt, in der Frage der Abdankung des Kaisers wörtlich zu erklären, daß er sich für einen Schuft hielte, wenn er den Kaiser verlassen würde, und so, meine Herren, denken ich und alle ehrliebenden Soldaten. Wie sollen die Tausende und aber Tausende von tapferen Offizieren und Sol¬ daten den Entschluß zum Opfertode finden, wenn in ihre Herzen und Gewissen der Zwiespalt hineingetrieben wird. Wovon man in der Heimat
keine Ahnung zu haben scheint, das ist die Psychologie des Heeres, das sind die Imponderabilien, auf denen der Gehorsam ruht. Hört die Hetze gegen den Kaiser nicht auf, so ist das Schicksal des Heeres besiegelt, es läuft aus¬ einander. In der nach der Heimat zurückströmenden Soldateska bricht die
menschliche Bestie hervor. Des Generalfeldmarschalls und meine Gesamtauffassung ist: Der schlimmste Feind, dessen das Heer sich zu erwehren hat, ist die Entnervung durch die Einflüsse der Heimat, ist der drohende Bolschewismus. Nur noch von kurzer Dauer kann der Widerstand sein, den das Heer dem
Ansturm der äußeren Feinde bei deren gewaltigen Überzahl und angesichts der Bedrohung von Osterreich-Angarn her zu leisten vermag. Eine genaue zeitliche Befristung des Widerstandes läßt sich nicht geben, da diese einer¬ seits von dem Verhalten der Heimat, andererseits von den Maßnahmen und dem moralischen und materiellen Zustand des Heeres abhängt. Die Be¬
urteilung dieses Faktors ist zu leicht Selbsttäuschungen ausgesetzt, weshalb
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Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
ich mich einer Äußerung enthalten muh. Die Rettung des Deutschen Reiches vor innerer Zersetzung und Zerfall ist es, wenn das Gesüge des
Heeres fest, der Wille zum gemeinsamen Vaterlande ungebrochen und der Geist im Gehorsam erhalten bleibt". Auf die im Anschluß an diese Ausführungen gestellte Frage, wie denn das Offizierkorps zur Politik der neuen Regierung stehe, erwiderte General Groener: „Die Neuordnung in der Heimat habe natürlich im Offizierkorps verschiedene Regungen hervorgerufen, aber wenn Regierung und Reichskanzler zusammenstehen und sagen, wir wollen den Bolschewismus
bekämpfen, so stehe das Offizierkorps geschlossen hinter ihnen". Zum Schluß betonte der General, daß durch die militärische Lage „die nötige Zeit für Verhandlungen" gesichert sei. „Wenn wir Glück hätten, könnte die Zeit länger sein, bei Unglück kürzer; danach müßten die Verhandlungen in taktischer Hinsicht eingerichtet werden, deshalb erstrebe er engste Ver¬ bindung mit der Reichsleitung". Eine anschließende Erörterung über die vom Kriegsminister für das Feldheer in Aussicht gestellten 600000 Mann Ersatz ergab, daß die noch nicht eingezogene Hälfte überwiegend der Industrie entnommen werden sollte. Davor aber wurde von Regierungsseite dringend gewarnt; der
Plan, Reklamierte an die Front zu schicken, habe ungeheure Erregung in
der Arbeiterschaft hervorgerufen. Angesichts der innenpolitischen Gesamt¬ entwicklung verzichtete General Groener tags daraus auf diesen Ersatz, der nichts mehr nützen, sondern nur dem Geist der Truppe schaden konnte^). Die weiteren Besprechungen wandten sich den Meutereien bei der Marine zu, die inzwischen auf Hamburg und -Lübeck übergreifend, zur Bildung von „Arbeiter- und Soldaten-Räten" geführt hatten und nunmehr endlich als der wohlvorbereitete, durch den russischen Bolschewismus ge¬ stützte Beginn einer Revolution erkannt wurden. Dazu kamen alarmierende Nachrichten aus Bayern, wo die Entwicklung ebenfalls zum Umsturz zu treiben schien. Die Nachricht von diesen, ihm bisher nur teilweise bekannten
Hergängen machte auf General Groener starken Eindruck. Trotzdem hielt e.N»»«mb«.. er auch am ö. November mittags in einer Besprechung mit den sozial¬
demokratischen Partei- und Gewerkschaftsführern an seinem Standpunkt fest und erklärte, als die Kaiser-Frage zur Erörterung kam, in scharfem Ton, „jetzt, wo die Armee in schwerem Ringen mit dem Feinde stehe, sei es unmöglich, ihr den Obersten Kriegsherrn zu nehmen"^. Währenddessen J) S. 666 u. 697.
2) Vgl. S. 697. 3) Prinz Max von Baden, a. a. O. S. 591.
General Groener vor dem Kriegskabinett. Vierte Wilson-Note.
711
kam die Nachricht, daß die meuternden Matrosen jetzt auch in Hamburg und Hannover die Macht an sich gerissen hätten. Sie bestärkte die sozial¬ demokratischen Führer in dem Bestreben, den General in der Abdankungssrage zu einer Sinnesänderung zu veranlassen: sie seien keine Gegner einer parlamentarischen Monarchie. Wenn man diese retten wolle, sei die beschleunigte Betrauung eines kaiserlichen Prinzen mit der Regent¬ schast erforderlich. General Groener bezeichnete diesen Vorschlag als gänz¬
lich undiskutabel: „Er sei autorisiert, zu sagen, daß sämtliche Prinzen solida¬ risch die Erklärung abgegeben hätten, falls ihr Vater gezwungen würde, gegen seinen Willen abzudanken, würde keiner die Regentschaft übernehmen"^).
So endete auch diese Besprechung, ohne daß die Reichsregierung ihr Ziel, den General für freiwillige Abdankung des Kaisers zu gewinnen, erreicht hatte. Sie befürchtete, daß nunmehr der Kaiser durch den Druck der Massen zur Abdankung gezwungen würde. Oberst von Haeften, der an der Besprechung teilgenommen hatte, gab diesem Gedanken General Groener gegenüber mit den Worten Ausdruck: „Das bedeutet die Revo-
lution. Diese Führer haben die Massen nicht mehr in der Hand"^). Der General war durch seine Unterredung mit den Gewerkschaftsführern „tief
erschüttert"^. Roch bevor General Groener in das Große Hauptquartier zurückkehrte, wurde der Inhalt der vierten WUson-Note durch Funkspruch bekannt. Danach erklärten sich nunmehr auch die alliierten Mächte aus Grund der 14 Punkte des Präsidenten zum Friedensschluß bereit, erhoben aber Einschränkungen bezüglich des Begriffs „Freiheit der Meere" und stellten die völlig neue Forderung, daß Deutschland für alle „der Zivilbevölkerung der Alliierten und ihrem Eigentum zugefügten Schäden Ersatz leisten" müsse. Die Rote schloß mit dem Hinweis, „daß Marschall Foch von der Regierung der Vereinigten Staaten und den alliierten Regierungen
ermächtigt worden ist, gehörig beglaubigte Vertreter der deutschen Regierung zu empfangen und kie von den Wassenstillstandsbedingungen in Kenntnis zu setzen".
Zum Vertreter der Reichsregierung in der Waffenstillstandskommission bestimmte der Reichskmzler den Staatssekretär Erzberger, der abends mit General Groener in dessen Sonderzuge nach Spa reiste. Während der Fahrt wurden an Marschall Foch die Namen der Kom*) Prinz Mar von Baden, a. a. €>., S. 592.
2) Ebenda, S. 593. 3) Ebenda, S. 594.
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Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
missionsmitglieder mitgeteilt und Angabe des Treffpunktes erbeten mit dem Schlußsatz: „Die deutsche Regierung würde es im Interesse der Menschheit begrüßen, wenn mit Eintreffen der deutschen Delegation an der Front der Alliierten vorläufige Waffenruhe eintreten könnte".
Z. Die leyren Tage vor dem Waffenstillstand
im Großen Hauptquartier. Bis Die Besprechungen in Berlin und die Schnelligkeit, mit der die 7.November, cepo(utionäce Bewegung in Deutschland um sich griff, hatten tiefen Ein¬
druck aus den Ersten Generalquartiermeister gemacht. Er konnte sich ihm um so weniger entziehen, als auch auf die Truppen der Heimat kein Verlaß mehr schien; in den vom Aufruhr bisher betroffenen Korpsbezirken hatten sie versagt. Gegen gewaltsames Eingreifen kamen ihm daher Be¬ denken: „Feldgrau wird nicht auf Feldgrau schießen", hatte er bereits am 6. November im Gespräch mit dem Reichskanzler geäußert^). Immerhin gab er noch nicht alle Hoffnung auf. Zunächst jedenfalls war er entschlossen,
dem Westheere trotz seines schweren Ringens stärkere Kräfte zu entnehmen, um die Ordnung in der Heimat wiederherzustellen. Nur besonders gute Divisionen, die aber nur noch in geringer Zahl vorhanden waren und auch an der Front gerade am dringendsten gebraucht wurden, kamen dafür in Frage. Ein Armee-Oberkommando wurde zum Einsatz gegen die
Aufständischen in Aussicht genommen; ihm sollten außer zwei inzwischen schon zum Abtransport bestimmten Divisionen (2. Garde-Inf.- und 52. Res. Div.) noch weitere zugeführt werden. Demgegenüber wies aber der Chef des Feldeisenbahnwesens bereits während der Rückfahrt nach Spa darauf
hin, daß bei Fortsetzung der augenblicklichen starken Räumungsbewegung rascher gleichzeitiger Aufmarsch gegen die Revolution durch die Bahnen nicht zu leisten sei. Die Spitze der zuerst abbeförderten 2. Garde-Division lag an der Reichsgrenze fest. Bei General Groener stiegen aber auch Zweifel auf, ob es unter den gegebenen Verhältnissen noch möglich sein werde, den Kaiser gegenüber den Forderungen der Linksparteien und des von ihnen beherrschten Kabinetts zu halten, ohne die Heimat in den Bürger¬ krieg zu stürzen und damit dem Bolschewismus auszuliefern. Als er am 7.November. 7. November dem Kaiser Vortrag hielt, bezeichnete er die Haltung der sozialdemokratischen Regierungsmitglieder als „korrekt... abgesehen von Scheidemann, dem nicht zu trauen!"^. Um ein zuverlässiges Bild vom Zustande der fechtenden Truppen zu erlangen und danach über die Bildung ') Prinz Max von Baden, a. a. €)., S. 593. 2) Aufzeichnung des Gen. Obst, von Plessen vom 7. Nov. 1913.
Ausbreitung der revolutionären Bewegung.
713
einer Armee zur Niederwerfung der Aufständischen zu entscheiden, berief er im Einvernehmen mit dem Generalseldmarschall zum 9. November
morgens fünf höhere Offiziere von jeder Armee der Heeresgruppen Krön»
prinz Rupprecht, Deutscher Kronprinz und Gallwitz nach Spa. Abends schrieb Generalfeldmarschall von Hindenburg dem Reichs¬ kanzler: „Die Gefahr der Vergewaltigung ganz Deutschlands durch den Bolschewismus droht. Mithilfe und Sammlung aller für Ordnung eintretenden Teile der Bevölkerung ist notwendig. Mit äußerem Feinde ist Verständigung im Gange. Alle nationalen Kräfte müssen jetzt zusammen¬ gefaßt werden zur Sicherung des Bestandes der bürgerlichen Rechtsordnung". Er schlug Ausstellung eines „Heimatschutzes" vor, der die auf¬
ständischen Gebiete abzusperren, die Verkehrseinrichtungen zu schützen und die öffentliche Sicherheit aufrechtzuerhalten hätte. Es sollten dazu drei Oberkommandos: Heimatschutz Westen, Süden, Osten, unter den Generalen von Below, Gras Bothmer und Litzmann gebildet werden, die mit zuverlässigen Truppen unter Leitung des Kriegsministeriums die Operationen gegen die Aufständischen zu führen hätten. Angesichts des Ernstes der Lage sei „höchste Beschleunigung der Maßnahmen das Gebot der Stunde". Unterdessen hatte die Waffen stillstände kommission um 12° mittags Spa in der Richtung auf die französischen Linien verlassen^). Die Oberste Heeresleitung hoffte auf Abschluß vielleicht schon im Laufe des 3. November. Schlimm lauteten die Meldungen aus Berlin. Der Oberbefehls-
haber in den Marken, Generaloberst von Linsingen, hatte für den 7. November angesetzte Massenversammlungen der Unabhängigen Sozialdemokratie sowie die Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten verboten. Die
dadurch bei den Massen hervorgerufene Erregung hatte die Regierung des Prinzen Max ins Wanken gebracht. Die Revolution griff rasch weiter um sich, und die Truppen in der Heimat zeigten sich weiterhin unzuverlässig. Dazu kamen Meldungen über ausgedehnte Disziplinwidrigkeiten auch im
Etappengebiet. Diese Nachrichten lasteten schwer aus der Obersten Heeresleitung 2). s Am 8. November bildete die Revolution in Deutschland den Hauptgegenstand des Vortrages beim Kaiser. Dieser war entschlossen, nicht nachzu-
geben, weil seine Abdankung die Zersetzung von Volk und Heer nach sich ziehen würde. Er äußerte die Absicht, „an der Spitze des Heeres die 1) Vgl. S. 702; Weiteres hierüber S. 746 ff. 2) Gen. Obst von Plessen zeichnete am 3. Nov. auf: „Marschall (Chef des Mil.Kabinetts, vgl. S. 630,Anm. 1) kommt zu mir und schildert Hindenburg und Groener ganz traurig und mutlos wegen der Unsicherheit der Truppen".
.714
Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. £. und Neichsregierung.
8.N»o-mb«r. Ordnung in der Heimat wiederherzustellen. General Groener erhielt
Befehl, diese Operation vorzubereiten". Dazu hielt dieser nachmittags eine Besprechung mit den Abteilungschess ab. Bei ihr spielte die
außerordentlich düstere Schilderung, die der Feldeisenbahnchef, Oberst von Oldershausen, aus Grund der von den Linienkommandanturen vorliegenden Meldungen gab, eine ausschlaggebende Rolle. Oberst von
Oldershausens nannte insgesamt 33 größere Städte, darunter Berlin sowie alle wichtigeren Plätze der Küste ostwärts bis Memel und ebenso im Innern alle großen Städte bis Stuttgart — München — Leipzig —
Stettin einschließlich, in denen die Arbeiter- und Soldatenräte die Bahn¬
höfe besetzt und die öffentliche Gewalt an sich gerissen hätten. Die Heimatlichen Verpflegungsdepots des Westheeres^) würden von den Aufständischen beherrscht. Aber die Durchführbarkeit des Einsatzes genügend starker Fronttruppen gegen die Revolution urteilte der Feldeisenbahnchef: Der Aufmarsch zwischen der Grenze und dem Rhein sei wegen der sehr schwierigen Transportverhältnisse nur langsam möglich und würde den Nachschub zur Front wie auch den Abschub von dort gefährden; im übrigen würde
das Vorgehen königstreuer Truppen gegen die Aufständischen die Sperrung des ganzen Verpflegungsnachschubs für das Heer zur Folge haben. Dann aber müsse es zu einer Katastrophe kommen, da die Vorräte der Front gering seien. Schon jetzt sei es wegen der Ausbreitung der Revolution am Rhein
ausgeschlossen, neben der Verpflegung das für den Kampf Nötige nach vorn zu schaffen.
General Groener stimmte diesen Darlegungen zu, nach denen der Aufmarsch stärkerer Kräfte gegen die Revolution nicht mehr möglich und damit der Versuch eines Vormarsches gegen die Heimat aussichtslos sei. Darüber hatte er abends eine Aussprache mit dem Generalfeldmarschall und Generaloberst von Plessen, bei der er die Unmöglichkeit des militäri-
schen Vorgehens gegen die Aufständischen mit der Eisenbahn- und Verpflegungslage begründetes. Die Armeen hätten durchschnittlich nur noch
für acht Tage Verpflegung. Es müßte also „unvermeidlich zum Hungern führen, wenn die Armee im ganzen kehrtmachen und auf Berlin marschieren
wolle, indem die Proviantvorräte inzwischen dem Volk ausgeliefert sein würden". In der jetzt entstandenen Lage hielt General Groener weiteres Verbleiben des Kaisers beim Heere für untunlich; er müsse „so schnell als
möglich fort". Generaloberst von Plessen machte demgegenüber geltend, 1) Nach dessen Bericht vom 9. Nov. 1918.
2) Hauptverpfl. Depots: Düsseldorf, Köln, Koblenz, Frankfurt, Nürnberg und Ergänzungsdepots: Hamburg, Magdeburg, Halle, Leipzig. 3) Das Folgende nach der Aufzeichnung des Gen.Obst. von Plessen vom 8.Nov. 1918.
Vorbereitung von Maßnahmen gegen die Revolution.
715
daß die um Spa vereinigten Truppen (Sturm-Btl. Rohr, Teile der
L.Garde-, 52.Res.- und anrollenden l.Garde-Inf. Div.) „stark und sicher genug sein würden, um einen energischen Angriff auf Aachen und Köln zu machen und das dortige Depot wieder in unsere Hand zu bringen. Seine Majestät müßte dabei bleiben, in Köln ein Beispiel gegen die Aufrührer statuieren, was schon helfen würde, und dann könnte man weiter sehen".
Nach der Auszeichnung des Generalobersten von Plessen sei Generalfeld¬ marschall von Hindenburg bereit gewesen, diesem Vorschlag beizu¬ pflichten, aber General Groener sei mit seiner sehr nachdrücklichen Warnung fest geblieben, obgleich Generaloberst von Plessen noch daraus aufmerksam machte, daß ein „Verlassen der Armee in dieser Zeit den aller»
schlechtesten Eindruck machen müßte, ihre Lockerung sehr befördern würde". Am Morgen des 9. November empfing der Generalfeldmarschall g
die zur Auskunstserteilung ins Hauptquartier berufenen Generale und
Regimentskommandeure^). Nach einem Bericht des damaligen Haupt¬ manns Beck, Generalstabsoffizier der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, der der Besprechung beiwohnte^), führte der Generalfeldmarschall aus: „In Deutschland sei Revolution ausgebrochen, an einzelnen Stellen sei bereits Blut geflossen. Man verlange den Rücktritt des Kaisers; die
Oberste Heeresleitung hoffe, dieser Forderung entgegentreten zu können, wenn ihr dazu die nötigen Sicherheiten aus dem Frontheer gegeben wür-
den. Aber diese Fragen, die im einzelnen nachher Oberst Heye vortragen werde, sollten sich die Herren äußern. Der Feldmarschall charakterisierte dann die Lage etwa dahin, daß es sich für Seine Majestät darum handele, ob er an der Spitze des gesamten Heeres nach Berlin marschieren könne, um sich dort die Kaiser- und Königskrone wieder zu erobern. Hierzu müßte aber die gesamte Armee angesichts des Feindes, mit dem bis zur
Stunde noch kein Waffenstillstand geschlossen sei und der naturgemäß rasch nachfolgen werde, kehrtmachen und in Fußmärschen, die zwei bis drei Wochen dauern könnten — denn auf Bahnen sei nicht zu rechnen —,
kämpfend Berlin zu erreichen suchen. Die Schwierigkeiten für Versorgung jeder Art, da alle Vorräte in der Hand der Aufständischen seien, die zu erwartenden Anstrengungen und Entbehrungen, denen die Truppe ohne Pause von neuem entgegengehe, wurden vom Feldmarschall besonders
hervorgehoben". Während der Generalfeldmarschall sich darauf zu General Groener begab und mit ihm zum Vortrag beim Kaiser, legte Oberst Heye den 1) S.712f. 2) Bericht vom 14. Nov. 1919, teilweise nach Aufzeichnungen vom 2. Dez. 1913.
*
716
Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
s.z,»v«mb«r. versammelten 39Kommandeuren (elf weitere hatten Spa nicht rechtzeitig
erreichen können) folgende, vorher festgesetzte Fragen vor: 1.) Wie steht die Truppe zum Kaiser? Wird es möglich sein, daß der Kaiser an der Spitze der Truppen die Heimat im Kampfe wiedererobert? 2.) Wie steht die Truppe zum Bolschewismus? Wird die Truppe den Kampf mit der Waffe gegen die Bolschewisten in der eigenen Heimat ausnehmen?
Die Kommandeure sollten jeder für sich und unbeeinflußt überlegen und dann einzeln nacheinander in einem Nebenraum die gestellten Fragen beantworten.
Die Kommandeure, nach langer Fahrt übermüdet, sahen sich über¬ raschend vor Fragen von höchster politischer Tragweite gestellt. Das Ergebnis übertraf die düstersten Erwartungen: Nur einer der Befragten beantwortete die Frage I mit unbedingtem „Ja", 15 bezeichneten die Stellungnahme der Truppe zum Kaiser als zweifelhaft, 23verneinten die
gestellte Frage. Zur Frage 2, Kamps gegen den Bolschewismus, hielten zwölf Offiziere vorherige Ruhe und Aufklärung ihrer Truppe für nötig, 19 waren im Zweifel, ob eine Verwendung gegen die Aufständischen
möglich sein werde, acht antworteten mit glattem „Nein". Als Begründung für diese enttäuschenden Absagen wurde dabei immer wieder hervorgehoben: „Die Truppe ist zur Zeit völlig erschöpft, nur noch Trümmer sind vorhanden; gebt ihr Ruhe, Essen und Kleidung, dann — aber auch nur dann — wird sie wieder fest in die Hand ihrer Führer kommen und Ge-
horsam leisten, auch gegen die Aufrührer in der Heimat"^). Im übrigen war deutlich zu erkennen, daß die Person des Kaisers für die Masse der Truppen keine Rolle spielte. Im wesentlichen dasselbe Ergebnis zeigten Beurteilungen der Lage, die General Groener von den Stabsoffizieren der Obersten Heeresleitung zum 9. November eingefordert hatte. Nur einer von ihnen hielt einen
Kampf unter dem Ruf „für König und Vaterland" für möglich, aber auch dieser nur, wenn genügend zuverlässige Truppen zur Verfügung stünden^). Gleichzeitig mit der Befragung der Kommandeure hielten der Generalfeldmarschall und General Groener dem Kaiser Vortrag, wobei auch Generaloberst von Plessen und General Gras Schulenburg anwesend waren. Der Gedanke des militärischen Vorgehens gegen die
Aufständischen, für den die beiden Letztgenannten nochmals stark eintraten, wurde angesichts der Eisenbahn- und Verpflegungslage wie des Iustandes x) Nach «mtl. Material im Juli 1919 von der O. H. L. aufgestellte Denkschrift. 2) Aufzeichnungen des Gen. Groener.
Der S. November im Grpßen Hauptquartier.
717
der Truppe als unausführbar aufgegeben. Zu der Absicht des Kaisers,
dann wenigstens nach Abschluß des Waffenstillstandes in friedlicher Weise an der Spitze des Heeres in die Heimat zurückzukehren, erklärte General
Groener: „Das Heer wird unter seinen Führern und Kommandierenden Generalen in Ruhe und Ordnung in die Heimat zurückmarschieren, aber nicht unter dem Befehl Euerer Majestät, denn es steht nicht mehr hinter
Euerer Majestät"! Wesentlich anders schätzte General Gras Schulenburg die Stimmung der Truppen ein. Der Kaiser verlangte „schwarz aus weiß" die Bestätigung, daß das Heer nicht mehr hinter ihm stehe*). Inzwischen kamen Anrufe der Reichskanzlei aus Berlin, die mit zu¬ nehmender Dringlichkeit die Abdankung des Kaisers forderten. Der mili¬ tärische Vortrag wurde abgebrochen. Um 1° mittags meldete Oberst Heye dem.Kaiser das Ergebnis der Kommandeur-Befragung. Der Kaiser fragte nun, ob die Armeen auch ohne ihn geordnet nach Hause marschieren würden. General Gras Schulenburg verneinte, General Groener bejahte
die Frage. Oberst Heye antwortete: „Das Heer marschiert unter seinen Generalen allein geordnet nach Hause; es ist in dieser Beziehung noch fest in der Hand seiner Führer. Und wenn Euere Majestät mit ihm marschieren, so ist das der Truppe recht und ihr eine Freude. Nur kämpfen will das Heer nicht mehr, weder nach innen noch nach außen".
Währenddessen hatte Staatssekretär von Hintze dem Reichskanzler schon um 915 morgens berichtet2), öie Oberste Heeresleitung habe sich ent¬ schlossen, dem Kaiser zu melden, daß die bewaffneten Streitkräfte im Falle eines Bürgerkrieges nicht hinter ihm stehen würden. Damit war die Stellung des Monarchen gegenüber dem Kabinett endgültig unhaltbar gemacht. Als nun der Reichskanzler um die Mittagsstunden unter
Hinweis' auf blutige Straßenkämpfe in Berlin und Versagen der Truppen scharf aus sofortige Abdankung zu drängen begann, denn andernfalls sei der Bürgerkrieg unvermeidbar, war der Kaiser schließlich zum Verzicht
aus die Kaiserkrone bereit, nicht jedoch aus die preußische Königskrone. Aber bevor noch diese Entscheidung nach Berlin mitgeteilt werden konnte, kam von dort um2° nachmittags die Meldung, der Reichskanzler habe den
Thronverzicht des Kaisers und Königs sowie auch des Kron¬ prinzen bereits bekanntgegeben. Mittel, diesen Gewaltakt rückgängig zu machen, fehlten: Dem Kaiser wurde der Übertritt in das neutrale Ausland vorgeschlagen. Den Ober1) Denkschrift des Gen. Grafen Schulenburg vom I.Dez. 1918. 2) Prinz Max von Baden: „Erinnerungen und Dokumente", S. 630. Staatssekr.
von Hintze hat diese Meldung vermutlich ohne Wissen der O. H. L. erstattet; sachlich rv,ar
sie zutreffend.
718
Die deutsche Westfront in der Abwehr. O. H. L. und Reichsregierung.
s.November, befehl über das Heer übertrug er mündlich Generalfeld' Marschall von Hindenburg. Am folgenden Morgen begab sich der
Kaiser nach Holland. Unterdessen hatte Generalseldmarschall von Hindenburg noch am 9. November zur Bekanntgabe an die Truppen folgenden Befehl
erlassen: „Der Waffenstillstand wird mit aller Beschleunigung abgeschlossen. Das blutige Ringen soll damit sein Ende finden. — Der ersehnte Augen¬ blick naht, wo jeder von uns zu Eltern, Frau und Kind und Geschwistern
zurückkehren kann. Gleichzeitig vollzieht sich in der Heimat eine Umwälzung der politischen Zustände; die an ihrer Spitze stehenden Männer erklären, daß Ruhe und Ordnung unter allen Umständen aufrechterhalten werden sollen. Dies gilt in erhöhtem Maße für das Heer. Keiner darf seine Truppe ohne Befehl verlassen, jeder hat wie bisher seinen Vorgesetzen zu gehorchen. Nur dann kann eine geordnete Rückführung in die Heimat statt¬ finden. Die jetzt unterbrochenen Eisenbahnen müssen wieder in geregelten Betrieb genommen werden.
Die Oberste Heeresleitung will nicht neues Blutvergießen oder den Bürgerkrieg entfesseln. Sie will im Einvernehmen mit den neuen Re-
gierungsgewalten für Ruhe und Sicherheit sorgen und der Heimat das
Schlimmste ersparen. Von der Waffe gegen Angehörige des eigenen Volkes ist nur in der Notwehr oder bei gemeinen Verbrechen oder zur Verhinderung von
Plünderungen Gebrauch zu machen". „Für die Führer" war hinzugefügt: „Mit sich bildenden Arbeiterund Soldatenräten ist auf gütlichem Wege Einvernehmen zu erzielen". Damit waren „Soldatenräte" ausdrücklich anerkannt, und gleichzeitig war den Vorgesetzten das Recht genommen, ihren Befehlen nötigen¬ falls mit der Waffe in der Hand Geltung zu verschaffen. Die Ausrechterhaltung der Ordnung hing nur noch vom guten Willen und der Einsicht
der zurückzuführenden Massen ab. An den Führer der Sozialdemokratischen Partei, Reichstagsabgeordneten Ebert, der nachmittags das Reichskanzleramt übernommen hatte, sandte General Groener um Mitternacht folgende von ihm persönlich entworfene Mitteilung: „Feldmarschall von Hindenburg hat sich bereit erklärt, an der Spitze der Obersten Heeresleitung zu verbleiben, bis das Heer in Ordnung und Festigkeit in die Heimat zurückgeführt ist. Er hat Kommandobehörden und Offiziere angehalten, unvermindert ihre Pflicht zu tun". Es folgte die
Abreise des Kaisers. Die O. H. L. und die neuen Gewalten.
719
Mitteilung des soeben zur Bekanntgabe an die Truppen erlassenen Befehls. Dann hieß es weiter: „Der Feldmarschall erwartet von der neuen Re¬
gierung, daß sie die Verpflegung des Heeres mit allen Mitteln sicherstellt und jegliche Störung des Eisenbahnverkehrs zu diesem Zweck verhindert.
Es wird daraus hingewiesen, daß die Eisenbahnlage aufs höchste gefährdet wird, wenn von unkundigen Persönlichkeiten in den Betrieb und bei den
Verladungen eingegriffen wird. Dies gilt insbesondere auch von der Herabsetzung von Arbeitszeiten, Eingreifen in die Diensteinteilung des
Personals und dgl. Ferner müssen die Mannschaften im Gehorsam zu ihren Offizieren erhalten werden; der Feldmarschall, erwartet von der
Regierung Unterstützung in dieser Beziehung. Er legte Wert daraus, Vertreter der neuen Regierung baldigst im Großen Hauptquartier zu empfangen, damit mit diesen das Weitere besprochen werden kann".
Um das Maß des Unheils an diesem Tage voll zu machen, ging abends die Meldung der Waffenstillstandskommission über die vom Gegner gestellten Bedingungen ein. Sie bedeuteten einen
vernichtenden Keulenschlag, dem auszuweichen keine Möglichkeit mehr
bestand. Der 9. November 1918 wurde zum schwärzesten Tage in
der Geschichte des Deutschen Reiches und seines Heeres^). *) Betrachtungen zu den Rückzugskämpfen S. (387 ff. u. S. 769ff.
IX. Der Arieg zur Luft'). Kr»hjahr lslö.
Das Iahlenverhältnis in der Lust hatte sich gegenüber dem des
Jahres 1917 nicht entscheidend geändert. Trotz äußerster Steigerung der deutschen Lustrüstung bestand die zahlenmäßige Überlegenheit der Gegner weiter. Die Absicht, sie durch das „Amerika-Programm" einigermaßen auszugleichen, hatte sich angesichts der Knappheit an Rohstoffen wie an
Facharbeitern auch nicht annähernd verwirklichen lassen. Statt der gefor¬ derten Lieferung von monatlich 2000 Flugzeugen wurde erst im Juli eine Höchstleistung von 1500 Flugzeugen erreicht. Ein nennenswertes
Anwachsen der verfügbaren Gesamtzahl war dadurch aber nicht gegeben; denn es war damit zu rechnen, daß monatlich etwa ein Drittel der an der
Front eingesetzten Flugzeuge, dazu ein Siebentel der Besatzungen ausfiel und ersetzt werden mußte. In technischer Hinsicht waren dank der Arbeiten deutscher Kon¬ strukteure besondere Erfolge erzielt worden. In Bewaffnung der Flug¬ zeuge, Gewicht und Wirkung der Bomben sowie im Lichtbild-, besonders Reihenbild-Gerät war eine Überlegenheit über die Gegner festzustellen. Im übrigen wiesen die neuen Flugzeuge zum Teil wesentlich größere
Leistungen als die bisherigen auf. Jagdflugzeuge erreichten eine Höchst¬ geschwindigkeit von 175 Stundenkilometern bei 4000 Meter Höhe, ihre
Steigzeit betrug 22 Minuten für S000 Meter Höhe. Für die Fernauf¬ klärung standen Maschinen zur Verfügung, die eine Geschwindigkeit von 165 Stundenkilometern bei 4000 Meter Höhe hatten und in 45 Minuten
aus 6000 Meter steigen konnten. Die R. (Riesen-) Flugzeuge vermochten bis zu 5000 Kilogramm Bombenlast mitzunehmen. Der für Gefechts¬
ausklärung und Infanteriefliegerdienst bestimmte neuartige JunkersGanzmetall-Eindecker stellte gegenüber den bisherigen leicht brennbaren Flugzeugen einen erheblichen technischen Fortschritt dar. Bei Beginn der Frühjahrsossensive standen der Obersten Heeresleitung 2975 Flugzeuges zur Verfügung. Davon standen im Westen 3668 (etwa 2000 einsatzbereit bei den Flieger-Einheiten, der Rest als Reserve in Flug¬ parks) gegen rund 4500 frontverwendungsfähige Flugzeuge der Gegner. i) Anschluß an Bd. XIII, S. 3CM ff.; vgl. ferner S. und 521 f. des vorliegenden Bandes, sowie das Amtl. Werk der Luftwaffe, Sonderband Ende 1946: 1000, Januar 1917: 1400 Flugzeuge.
Gesamtentwicklung.
721
Die seit dem 21. März mit geringen Unterbrechungen andauernden
schweren Kämpfe nahmen die deutschen Luftstreitkräfte bis zum äußersten in Anspruchs). Sie haben die auf der Erde ringenden Truppen immer und überall, im Angriff wie in der Abwehr, nach bestem Können und in rück-
sichtslosem Einsatz unterstützt. Wenn dabei nicht alle berechtigten Wünsche und Forderungen erfüllt werden konnten, so lag das an der Ungunst des Zahlenverhältnisses. Gelang es schon bei den eigenen Angriffen immer nur für die ersten Tage und nur über den Brennpunkten des Erdkampfes, eine Überlegenheit in der Luft zu erreichen, so war bei den großen Angriffen der Gegner am 18. Juli und vor allem am 8. August die feindliche Über¬
macht eine geradezu erdrückende (am 8. August morgens etwa 1900 feind¬ liche gegen 106, abends gegen 178 deutsche); denn die Zahl der feindlichen
Flieger war inzwischen, vornehmlich infolge der Luftrüstung Amerikas, auf etwa 54002) gewachsen, die der deutschen sich bestenfalls gleichgeblieben. Die Luftkämpfe spielten sich bei solchem Stärkeverhältnis wie schon immer fast ausschließlich hinter den deutschen Linien und über diesen ab, indem die
deutschen Jäger sich auf die einbrechenden feindlichen Geschwader stürzten. Obgleich dabei weit mehr feindliche als deutsche Flugzeuge abgeschossen wurden — insgesamt standen vom 1. März bis 20.September 3370 ab¬
geschossenen feindlichen nur 1050 deutsches gegenüber — verbesserte sich
das Zahlenverhältnis keineswegs zu deutschen Gunsten. Ausschlaggebend blieb, daß die Gegner über eine Rüstungsindustrie von weit größerer Leistungsfähigkeit wie auch über die größere Zahl von Menschen für die Luftwaffe verfügten. Der operative Luftkrieg.
Die großen deutschen Offensiven, die die Kriegsentscheidung bringen sollten, machten es nötig, auch die Bombengeschwader in erster Linie im Zusammenhang mit den Erdkämpfen einzusetzen. Die mittelbare Unter-
stützung des Heeres durch Einsatz gegen operative Fernziele hatte demgegenüber zurückzutreten. Die von der Obersten Heeresleitung ursprünglich gehegten großzügigen Pläne, durch den Luftkrieg eine Herstellungsminderung der feindlichen Rüstungsindustrie zu erreichen und die militärischen und wirtschaftlichen Kraftquellen der Gegner zu zerschlagen, ließen sich nur zu einem
kleinen Teil verwirklichen. Allzuoft mußten auch die Bombengeschwader rein taktisch zur unmittelbaren Unterstützung der kämpfenden Truppen i) Näheres in der Darstellung der einzelnen Schlachten. -) 6.544. 3) Beil. 40. W-ltkieg. XIV. Band.
722
Der Krieg zur Luft.
eingesetzt werden. Sie griffen feindliche Truppenversammlungen, Trans¬ porte, Bahnanlagen, Unterkünfte und Depots an. Dabei wurden in den Nächten vom 19./20. und 20./21. Mai in den Munitionslagern von Blargie
(bei Beauvais) und Saigneville (an der Somme unterhalb von Abbeville) 11000 Tonnen Artillerie-Munition und 69000000 Gewehrpatronen ver-
nichtet. Am II.August wurde das britische Zentral-Kraftwagen-Depot in Calais zerstört; dem Angriff fielen die Ersatzteile für etwa die Hälfte aller Kraftwagen und für mehr als 90 v. H. aller Zugmaschinen des Expe-
ditions-Heeres zum Opfer. Liegen diese Vorstöße schon auf der Grenze zum operativen Luftkrieg, so trugen die Angriffe aus Paris rein operativen Charakter. Sie zeigten gegenüber den Vorjahren eine gewaltige Steigerung. Während die französische Hauptstadt von 1914 bis 1917 im ganzen nur 13 mal angeflogen worden war, machten die Bombengeschwader 1, 2, 5und 7 im Jahre 1918
31 Angriffe dorthin, die gleichzeitig Vergeltungsmaßnahmen für französi¬ sche Luftangriffe auf offene deutsche Städte darstellten. Die Angriffe verteilten sich aus die Zeit vom Januar bis Oktober, wobei nur die Monate Februar und September ausfielen. So wurden vor Beginn der Großen Schlacht am 8., 9. und 10. März im ganzen 52Tonnen Sprengstoff über Paris abgeworfen, im Verlaufe des ganzen Jahres mehr als 120 Tonnen. 271 Menschen fanden dabei den Tod, 602 wurden verwundet. Der Sach-
schaden war bedeutend, die moralische Wirkung, ergänzt durch das Fern-
feuer der „Wilhelm"-Geschütze^), erheblich. Die Angriffe auf England wurden vom Bombengeschwader 3(Gent) und der Riesen-Flugzeug-Abteilung 501 ausgeführt. Hauptziel war London, Aushilfsziele waren Küstenplätze südöstlich der Stadt. Dabei wurden
in den Nächten vom 28./29. sowie 29./30. Januar, 16./17. Februar, 7./8. März und 19./20. Mai insgesamt 35 Tonnen Bomben, darunter solche von 1000 Kilogramm Gewicht, abgeworfen. Abgesehen von größerem Sachschaden wurden 180 Menschen getötet, 418 verletzt, während insgesamt nur acht deutsche Flugzeuge durch feindliche Gegenwirkung verloren gingen. An englischen Abwehrkräften wurden in dem angegriffenen Gebiet rund 13000Mann mit 376Flugzeugen und 470 Geschützen gebunden. Luftstreitkräfte des Heeres und der Marine zum gemeinsamen und damit wirkungsvollen Einsatz gegen England zu bringen, ist trotz wieder-
Holter Bemühungen des Kommandierenden Generals der Luftstreitkräfte und seines Generalstabschefs nicht gelungen. Die Marine verwendete
zu ihren Angriffen wie bisher Luftschiffe, da sie zum Angriff aus England geeignete Flugzeuge nicht besaß. Nachdem fünf völlig neue Luftschiffe in !) S. 160 u. 177.
Operativer Luftkrieg.
723
ihrem Liegehafen Ahlhorn (Oldenburg) einem Explosionsunglück zum Opfer gefallen waren, standen noch acht zur Verfügung, von denen eine wechselnde Zahl am 12.und 13. März, sowie in den Nächten vom 12.zum
13. April und 4./5. August Häfen und Industrieorte Mittelenglands angriff. Insgesamt wurden bei diesen vier Angriffen 33 Tonnen Sprengund Brandbomben abgeworfen, die IS Tote und 59 Verwundete sowie
Sachschaden verursachten. Wenn dieses Ergebnis damals auf deutscher Seite auch im einzelnen nicht bekannt war, so empfand man doch, daß die Wirkung der Luftschiffangriffe mit der Höhe des Einsatzes nicht mehr im Einklang stand. Als dann beim letzten dieser Angriffe der Organisator und die Seele der Marme-Luftschiff-Waffe, Fregattenkapitän Strasser, den Tod fand, indem sein Luftschiff durch das Brandgeschoh eines engli¬ schen Fliegers zum Absturz gebracht wurde, gewann auch bei der Marine
die Richtung die Oberhand, die im Luftschiff wegen seiner großen Verletzbarkeit keine geeignete Angriffswaffe mehr sah. Insgesamt hat die deutsche Luftwaffe im Jahre 1918 5800 Tonnen Bombenlast über Frankreich, 68 Tonnen über England (davon 33 durch Luftschiffe), 220 Tonnen über Italien, im ganzen über 6000 Tonnen abgeworfen und dabei durch feindliche Einwirkung insgesamt 131 Flugzeuge sowie 1 Luftschiff verloren. Im Heimatgebiet^) war unter dem Kommandeur des Heimatluftschutzes die Abwehr in jeder Hinsicht weiter ausgebaut und technisch vervollkommnet worden. Das Meldenetz war erweitert, Flak-Artillerie und Scheinwerfer waren vermehrt worden. Besonders wichtige Anlagen in Luxemburg, an der Mosel und Saar, bei Köln und Mannheim wurden
durch Ballonsperren gesichert. Zehn Jagdstaffeln übten den offenen Luftschütz aus. Insgesamt zählte der Heimatluftschutz im September 1918 28000 Mann mit 170 Flugzeugen und 896 Geschützen. Bei den Gegnern wurde am I.April 1918 in England die „Royal
Air Force" als selbständige, neben Heer und Marine stehende, operative
Luftwaffe geschaffen. Während die feindlichen Angriffe aus offene deutsche Städte bis dahin als Vergeltungsmaßnahmen bezeichnet worden waren,
erklärte die englische Zeitschrift „Aeronautics" am 5. Juni 1918: Der Luftkrieg sei „das einzige Mittel, um dem deutschen Volke, das bisher ... verschont geblieben sei, einen Teil des Kriegselends aufzuhalsen". Die An-
griffe auf deutsches Gebiet steigerten sich. Sie hatten im Februar 1918 Vgl. Amtl. Werk der Luftwaffe, 7. Sonderband: „Der militärische Heimat¬ luftschutz im Weltkriege 1914—1918" und Gen. der Flak-Artl. Grimme: „Der Luftschutz im Weltkrieg".
Der Krieg zur Luft.
724
mit rund 1200 abgeworfenen Bomben ihren Höhepunkt erreicht. Im April scheint dann der Bedarf an Luftstreitkräften für die Abwehr der deut¬ schen Offensiven dem operativen Einsatz Schranken gezogen zu haben, im Mai aber stieg dieser rasch wieder an. In erster Linie wurden die Industrie¬ gebiete in Lothringen und an der Saar heimgesucht, an Städten vor allem
Köln, Frankfurt a. M, Mannheim, Freiburg i. B. und Stuttgart; das rheinisch-westfälische Industriegebiet aber war für wirksame feindliche An¬ griffe einstweilen noch nicht erreichbar. Die Gesamtzahl von 7500 Abwürfen in den reichlich elf Monaten des Jahres 1913 war um die Hälfte größer als in den zwölf Monaten des Vorjahres. Die Verluste der Be-
völkerung schwollen aus 1160 Personen an. Die Gesamtverluste während der ganzen Dauer des Krieges betrugen 1545 Personen, davon 768 Tote^).
Nennenswerte Bedeutung für die Kriegsentscheidung hatte der operative Luftkrieg damit noch nicht gewonnen, aber es war ein Ansang gemacht aus einem völlig neuen Gebiet. Die Abwehr auf der Erde konnte
das Heimatland gegen die Einwirkung der feindlichen Waffen nicht mehr
ausreichend schützen. i) Auf Angaben über Kopfstärke und Personalverluste der deutschen Luftstreitkräfte für die ganze Kriegsdauer oder auch nur für das Jahr 1913 mußte verzichtet werden, da geeignete Unterlagen zur Zeit nicht erreichbar waren.
X. Österreich-Ungarns Kriegführung im Jahre
19181
A. Die Beziehungen zu Deutschland bis Mitte Mai. Beilage 32.
Auf Österreich-Ungarn lastete in erster Linie ernsteste Sorge um die H"bst !Sl? Ernährung seiner Bevölkerung. Dementsprechend groß war sein Friedens- ° °'
bedürfnis, das sowohl im Verhalten gegenüber Sowjet-Rußland bei den Verhandlungen in Brest-Litowsk im Winter 1917/182) als auch in dem Bestreben zum Ausdruck kam, mit den Westmächten, gegenüber denen ein Interessengegensatz kaum bestand, ins Gespräch zu kommen, zum mindesten aber, es mit ihnen nicht zu verderben. Nur zögernd hatte man sich dem
deutschen Vorgehen in die Ukraine angeschlossen^); die Sicherung eigener Belange am Schwarzen Meer und die Hoffnung aus Getreide¬ lieferungen waren ausschlaggebend gewesen. Hierbei sich ergebende Rei¬ bungen wegen Ausnutzung des Landes sind erst nach längeren Ver¬ handlungen überwunden worden. Der Bitte der Obersten Kriegsleitung um aktive Beteiligung an der Offensive im Westen war zwar der
Generalstabschef, GeneraloberstvonArz,nachzukommen bereit, da auch er von ihr den Endsieg erhoffte. Kaiser Karl aber wünschte — wie sich all-
mählich herausstellte —, daß seine Infanterie den Soldaten Frankreichs
nicht auf französischem Boden gegenübertrete^); auf italienischem im Herbst 1917 war es etwas anderes gewesen.
So war es schließlich, da auch
deutscherseits nicht mehr gedrängt wurde, nur zur Entsendung von 46 Bat¬
terien schwerer und schwerster Artillerie gekommen. Im übrigen wollte das österreichisch-ungarische Heer, wie unter diesen Umständen auch die Oberste Kriegsleitung wünschte, zur Unterstützung der deutschen Westoffensive so bald wie möglich in Italien angreifen. Als dann Graf Czernin in einer Rede am 2. April Deutschland
noch besonders seiner Bündnistreue versicherte, sprach er auch von franx) Näheres, vor allem über die Kampfhandlungen, enthält Bd. VII des österr. amtl. Werkes.
2) Bd. XIII, S. 346ff. 3) Bd. XIII, S. 375 ff. 4) S. 39 f.
726
Österreich-Ungarns Kriegführung im Jahre 1918.
Zöschen Friedensfühlern) diesen gegenüber habe er in Übereinstimmung Mai »is. mit Berlin zu erkennen gegeben, daß Frankreichs Anspruch auf Elsaß-
Lochringen das einzige Friedenshindernis fei1); da man französischerseits daraufhin weitere Erörterungen abgelehnt habe, wäre nur noch die deutsche Offensive an der Westfront übriggeblieben. Diese Ausführungen veranlatzten den französischen Ministerpräsidenten Clemenceau, das von Kaiser Karl am 24. März 1917 dem Prinzen Sixtus mitgegebene Handschreiben zu veröffentlichen, in dem der Kaiser im Gegensatz zu den jetzigen Aus¬
führungen feines Ministers die „gerechten Rückforderungsansprüche" Frankreichs auf Elsaß-Lothringen ausdrücklich anerkannt hatte2). Mit dieser Veröffentlichung war die Brücke zwischen Kaiser Karl und der Entente
endgültig abgebrochen. Da Gras Czernin von dem Kaiserlichen Schreiben nichts wußte, ergaben sich Weiterungen, in deren Verfolg am 14. April sein Vorgänger, Baron Burian^), das Außenministerium wieder übernahm. Am gleichen Tage suchte Kaiser Karl die durch das Bekanntwerden seines Brieses im deutschen Großen Hauptquartier entstandene ernste Mißstimmung durch ein Telegramm an Kaiser Wilhelm zu beseitigen, das mit den Worten schloß: „Ansere weitere Antwort" — an Herrn Clemenceau —
„sind meine Kanonen im Westen". Ein im Anschluß daran zur Klärung der Beziehungen für die erste Maihälfte verabredeter Besuch des Kaisers in Spa wurde durch einen Zwischenfall aus anderem Gebiet vorübergehend in Frage gestellt: Während man in Berlin über deutsche Aushilfe mit Brotgetreide verhandelte, wurde am 30. April in Wien angesichts des fast völligen Fehlens von Mehl ein aus Rumänien nach Deutschland gehender
Maistransport kurzerhand beschlagnahmt. Die Oberste Kriegsleitung sah den Vorfall, der sich wiederholen konnte, als überaus ernst an. Aber Baron Burian verurteilte das Vorgehen einer nachgeordneten Stelle aufs schärfste
und stellte so schnell wie möglich Ersatz in Aussicht. So konnte, während über diese Angelegenheit noch verhandelt wurdet, Kaiser Karl, von Außenminister Gras Burian^) und Generaloberst von Arz begleitet, am 12. Mai in Spa eintreffen. Nach dem, was vor-
gefallen war und angesichts des dabei entstandenen scharfen Gegensatzes *) S. 5 ff. -) Bd. XII, S. 567, Anm. 1. 3) Bd. XH, S. 488. 4) Als Ausgleich für die Beschlagnahme des Deutschland gehörigen Getreides stimmte österreich-Ungarn zu, daß in Zukunft die wirtschaftliche Ausnutzung der Ukraine einheitlich unter deutscher Leitung erfolgen solle. Außerdem wurden Abmachungen getroffen über die bis Mitte Juli an Österreich-Angarn zu liefernden Getreidemengen (vgl. Bd. XIII, S. 399). Anläßlich des inzwischen zustande gekommenen Friedens mit Rumänien in den
Grafenstand erhoben.
Bekanntwerden des Sixtus-Briefes. Kaiser Karl in Spa.
727
zu Frankreich, zeigte er sich jetzt weit mehr als bisher bereit, auf deutsche Wünsche einzugehen. Das Ergebnis der Aussprachen war folgender Entwurf eines Abkommens: „I. Herbeiführung eines langfristigen engen, der Verteidigung und Siche¬ rung der beiden Kaiserreiche dienenden politischen Bündnisses, II. Bildung eines Waffenbundes, III. Abschluß eines Zoll- und Wirtschaftsbündnisses ... mit Endziel ..-.
vollständig zollfreien Verkehrs". Für den „Waffenbund" wurden von den beiderseitigen Generalstabschess „Grundlagen" unterzeichnet, die restlose Ausnutzung der Volkskraft für die Wehrmacht, Einheitlichkeit in Organisation, Vorschriften und Bewaffnung, wechselseitige Kommandierung von Offizieren, Gemeinsamkeit der KriegsVorbereitungen sowie einheitlichen Ausbau des Eisenbahnnetzes umfaßten. Die Bedeutung dieser Abreden wurde jedoch dadurch wesentlich ab¬ geschwächt, daß ihr Inkrafttreten auf Wunsch Kaiser Karls von der Ver¬ ständigung über die polnische Fraget abhängig gemacht war. Gerade in dieser bestanden aber die alten Gegensätze in verschärfter Form fort, denn Gras Burian war unbedingter Anhänger der austropolnischen Lösung. Trotzdem war es wichtig, daß Kaiser Karl den Grundsatz einer deutsch¬
österreichischen Annäherung für die Zeit nach dem Kriege zugestanden hatte2). Er verließ am 13. Mai Spa — wie General von Eramon meldete —
in „bester Stimmung, aber ernst; ... es sei ihm — dem Kaiser — voll¬
kommen klargeworden, daß Deutschland und Österreich-Ungarn zusammen¬ gehörten, und er hoffe, daß aus der ganzen unliebsamen Sache nur Gutes
für beide Reiche erwüchse".
B. Die Offensive in Oberitalien. Generaloberst von Arz bereitete inzwischen die verabredete Offensive in Oberitalien vor.
Das österreichisch-ungarische Heer^) hatte durch die Erfolge in der 12. Isonzo^Schlacht einen bedeutenden Austrieb an Selbstvertrauen *) Bd. XIII, S. 19 ff* 2) Was sonst noch verhandelt wurde, ist nicht bekannt. Doch scheinen auch die Nichtbeteiligung österr. ungar. Divisionen an der deutschen Westoffensive sowie die Verzögerung der für Ende Mai vorgesehenen österr. ungar. Offensive in Italien (S. 731 f.) zur Sprache gekommen zu sein; denn am 14. Mai, dem Tage nach der Rückreise des Kaisers, wurde bei der österr. ung. Heeresleitung eine vermutlich zur Unterrichtung des Obersten Kriegsherrn bestimmte (ein anderer Gmnd ist nicht ersichtlich), umfangreiche „Auf¬ zeichnung" über diese Fragen verfaßt. 8) Gliederung Mitte guni S. 732.
728
Hsterreich-Angarns Kriegführung im Jahre ISIS.
ls>7 erhalten, der aber über sein nur noch sehr beschränktes Leistungsvermögen Mai lsis. nicht hinwegtäuschen konnte. Dieses war nie so groß gewesen wie das des
deutschen Heeres und hatte erheblich rascher abgenommen. Allein an
Kriegsgefangenen hatte das österreichisch-ungarische Heer gegen zwei Millionen Mann verloren. Zn zunehmendem Maße machten sich die aus¬ einanderstrebenden Belange der verschiedenen Völker der Monarchie geltend. Dazu kam sozialistische und kommunistische Wühl- und Hetzarbeit, die vor allem aus der Revolution in Rußland neue Kraft schöpfte und bei
der ernsten Ernährungslage leichte und zunehmende Erfolge hatte; denn es war tatsächlich so, daß selbst in den Magazinen des Feldheeres Verpflegung — ganz abgesehen von ihrer Eintönigkeit und Knappheit — oft
nur für einen einzigen Tag vorrätig war, man also völlig von der Hand in den Mund lebte^). Die Ersatzlage war derart, daß an den Kampffronten 600000 Mann fehlten und daß man selbst die verringerte augenblickliche
Kopfstärke nur bis etwa August 1918 aufrechterhalten konnte, und auch das nur, wenn es nicht zu größeren Kämpfen kam. In einer Auskunft, die Graf Ezernin bereits am 3. November 1917, also aus dem Höhepunkt des Sieges in Oberitalien, von General von Arz
erhalten und bei den anschließenden Besprechungen in Berlins General
Ludendorff übergeben hatte, hieß es über Angriffsfähigkeit undWiderstandskraft des Heeres im Frühjahr 1918: „Selbst unter dem gewaltigen Eindrucke der herrlichen Erfolge der verbündeten Waffen darf man reelle Ein¬ schätzung der Kraft und Leistungsfähigkeit der Armee hinsichtlich Weitersührung des Krieges nicht aus dem Auge verlieren". Es herrsche Mangel
an gut geschulten Ossizieren und Unteroffizieren, und auch die Mannschaft sei „vielfach minderer" geworden. Dabei könnten die normalen Abgänge trotz aller Anstrengungen kaum gedeckt werden, größere durch SchlachtVerluste überhaupt nicht. Die Frage: Können wir allein im Frühjahr 1918 eine Offensive mit Erfolg führen? — müsse er mit: „Rein, allein nicht"
beantworten, denn die vorhandenen Kräfte genügten knapp, die Front zu besetzen; es bleibe absolut nirgends etwas für die Bildung einer Offensiv-
Gruppe, die doch mindestens fünf bis sechs Divisionen stark sein müsse. Mangels ausreichender Reserven würde man auch „großen oder größeren feindlichen Offensiven ... kaum standhalten" können. Die österreichisch*) Am 17. Febr. meldete z. B. Feldmarschall von Boroeviü über die Verpflegungs' läge seiner Heeresgruppe an der oberitalienischen Front, sie sei „äußerst kritisch, verträgt keinen Aufschub, da Anzeichen bedrohlicher Lockerung der Disziplin und Erschöpfung infolge der nun vier Wochen andauernden Hungerperiode vorliegen. Rationelle Einwirkung aller Offiziere und aller Kommandanten beginnt zu versagen. Rasche durchgreifende und aus¬
giebige Sanierung äußerst dringend" (Österr. amtl. Werk, VII, S. 185). 2) gm Anschluß an den Kronrat vom
Nov. (Bd. XIII, S. 21).
Zustand des Heeres und Angriffspläne
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ungarische Front gegen Rußland müsse also „um so viel gekürzt werden, daß wir fünf bis sechs Divisionen als Reserven frei bekommen. Ob und wie dies möglich, läßt sich jetzt nicht überblicken"» Danach mußte es recht fraglich erscheinen, ob österreichisch-ungarische Divisionen für den Westkriegsschauplatz verfügbar und seinen besonders
schweren Kampfbedingungen gewachsen sein würden. Die weiteren Erfolge in Italien und der völlige Zusammenbruch Ru߬ lands hatten die militärische Lage dann allerdings erheblich gebessert, so daß die Entsendung von Divisionen an die deutsche Westfront doch zur Frage
stand^). Die österreichisch-ungarische Heeresleitung verhielt sich daher gegenüber dem Gedanken einer eigenen Offensive zurückhaltend; als Feldmarschall von Conrad am l. Dezember für das Frühjahr einen Angriff mit beschränk¬ tem Ziel an der Tiroler Front vorschlug, wurde er hinhaltend beschieden. Erst in einer Denkschrift vom S.März 1918 beschäftigte sich die
„Gruppe 5" (Italien) der Heeresleitung mit der Frage einer Offensive. Sie ging dabei von der Möglichkeit aus, „daß die Entente im Westen nicht derart entscheidend geschlagen wird, daß sie um Frieden bitten muß"; es
handelte sich also um Pläne für die Zeit nach der deutschen Offensive. Ge-
stützt aus den Umstand, daß Österreich-Ungarns Heer durch Italien festgehalten wird, könne die Entente dann, „auf die Hilfe Amerikas und unsere
Kriegsmüdigkeit rechnend, den Krieg fortsetzen. Tritt dieser Fall ein, so müßte Italien vorerst ganz aus der Reihe unserer Feinde gestrichen werden; gelingt dies, so dürften England, Frankreich und Amerika allein es kaum
mehr für aussichtsvoll halten, gegen die Ientralmächte zu kämpfen. Wollten sie es trotzdem tun, dann müßten eben auch die gesamten österreichischungarischen Streitkräfte im Westen angesetzt und hiermit das Kriegsende erzwungen werden". Die Stärkeverhältnisse wurden mit zur Zeit 44 Divisionen (dabei 4090 Geschütze) gegen 72 feindliche (dabei 7000 Ge¬ schütze) angenommen. Man hoffte aber, die gegnerische Überlegenheit durch Truppen von der Ostfront allmählich auszugleichen, und rechnete mit demnächstigem Abzug wesentlicher feindlicher Kräfte durch den deutschen Angriff im Westen. Bedeutend schlechter als der Gegner bleibe man aber
in materieller Hinsicht gestellt. Diesen Nachteil einigermaßen zu beheben, brauche viel Zeit; denn die aus dem Osten erhofften Verpflegungsmengen könnten sich — selbst bei optimistischer Beurteilung — nicht vor Monaten
fühlbar machen. Aber die Wahl der Angriffsrichtüng war gesagt: Bei der Heeresgruppe Conrad kämen die Tiroler West- und Südsront nicht in Betracht; der Raum von Asiago sei von den Italienern „seit Iahren vorzüglich
ausgebaut, sehr starke Stellungen, schwierig anzugreifen". Am günstigsten T)S.39f.
730
Österreich-Ungarns Kriegführung im Fahre 1918.
lägen die Verhältnisse beiderseits derBrenta, Hauptkräfte östlich des Flusses. Bei der Heeresgruppe Boroevi.
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österreich-Ungarns Kriegführung im Jahre 1918.
Aug»st. erfolgreicher Schlag gegen Italien geführt werden muß, soll nicht die Armee für Jahre hinaus im Staate eine unmögliche Rolle spielen. Außer diesen moralischen Gründen" zwängen aber auch äußerst reale Faktoren dazu, zwischen der Brenta und dem Montello anzugreifen und die Stellun¬ gen aus dem Gebirge mindestens bis in die Linie Bassano—Südrand des
Montello, also in die Ebene, vorzuschieben: „Dieses Minimalziel muß erreicht werden, wollen wir an der italienischen Front ohne allzu große Einbuße an Menschenleben überwintern". Unterdessen verschob sich die Lage an der deutschen Westfront voll¬ ständig durch die neue schwere Niederlage des 8. August. Bereits einen Tag vorher hatte sich Kaiser Karl zu einer Aussprache in Spa angesagt, da Österreich-Ungarn den Krieg längstens bis in das Frühjahr 1919 hinein fortsetzen könne ^). Ein vermutlich von Oberstleutnant Wetzell entworfenes Antwortschreiben an Generaloberst von Arz vom 10. August, in dem die
Oberste Kriegsleitung sich bereit erklärte, den geplanten österreichischungarischen Herbstangrisf durch deutsche Divisionen zu unterstützen, wurde daher nicht abgesandt. In Spa legte Generaloberst von Arz am 14.August dar: Brennend sei die Ersatzfrage. Von den 500000 aus Rußland heim¬ gekehrten Kriegsgefangenen seien allein Z00000 erforderlich gewesen, um
die ältesten Jahrgänge (49- bis SI jährige) zu ersetzen. Die 18jährigen wolle man noch nicht einstellen. So blieben als Ersatz nur noch die Wiedergenese-
nen. In Rußland seien wohl noch eine halbe Million Kriegsgefangene, auf deren Rückkehr sei aber einstweilen nicht zu rechnen^). Der Arbeitermangel sei so groß, daß die Munitionserzeugung für eine mehrwöchige Schlacht nicht ausreiche. Die Oberste Kriegsleitung stimmte dem Gedanken zu, den
"schwächeren Gegner, also Italien, gemeinsam anzugreifen, doch sei der Zeitpunkt dazu wegen der Lage an der Westfront noch nicht gekommen. Dieser Plan trat denn auch bald wieder völlig zurück gegenüber dem dringenden deutschen Ersuchen um alsbaldige Zusendung der noch ausstehenden vier Divisionen. Am 29. August drängte'die Oberste Kriegs' leitung abermals und schlug nunmehr vor, an der italienischen Front „nur
so viel Kräfte zurückzuhalten, wie es den Verteidigungsausgaben entspricht".
Anfang
Obgleich die Lage auch dort sich in bedenklicher Weise zugespitzt hatte, wurden Ansang September nochmals zwei österreichisch-ungarische Divi-
s«pt«mb-r. j..pngn
Westfront entsandt.
J) Weiteres über die Aussprache S. 624 f. 2) Der Austausch der Kriegsgefangenen mit Rußland sollte Kopf gegen Kopf erfolgen. Da der größte Teil von ihnen in Sibirien untergebracht war, wurde der Rücktransport
aber sehr bald durch die dort gebildeten, im Dienst der Entente stehenden tschechoslowakischen Formationen (Bd. XIII, S. 238) verhindert.
Wachsendes Friedensbedürfnis. Die Front in Italien.
737
D. Das lEnbe des Krieges an den österreichisch-ungarischen Fronten. Unterdessen war das Friedensbedürfnis Österreich-Ungarns immer s«pt-mt>--.
dringender geworden. Obgleich deutscherseits bei der Aussprache am 14. August und auch weiterhin von gesondertem Vorgehen in der Frie¬ densfrage nachdrücklich abgemahnt worden war, richtete Kaiser Karl an» 14. September, ohne das Einverständnis seiner Bundesgenossen eingeholt zu haben, eine Friedensnote an alle kriegführenden Mächte; sie fand feindlicherseits schroffe Ablehnung. Als dann bald darauf der Angriff der Entente-Truppen in Mazedonien zum Zusammenbruch der Balkan-Front und weiterhin Bulgariens führte, mußte damit gerechnet werden, daß Rumänien, dessen Heer nicht aufgelöst war, von neuem zu den Waffen griff und die Donaumonarchie vom Südosten her wieder bedroht wurde. Zugleich aber machten im Innern die Autonomie¬
bestrebungen der verschiedenen Völker bedenkliche Fortschritte. Zusammen mit mangelhafter Ernährung und sozialistisch-kommunistischer Wühlarbeit wirkten sie immer mehr aus das Heer. An der Front in Italien war die Gefechtsstärke von 406000 Mann
am I. Juli bis Ende September auf 239 000 Mann gesunken; Erkrankungen an Grippe und vor allem Malaria hatten dabei erheblich mitgewirkt, aber
auch die Zahl der Aberläufer zum Feinde wie der Drückeberger im Hinter¬ lande hatte wesentlich zugenommen. Seit Mitte September war die
italienische Eefechtstätigkeit, die niemals ganz geruht hatte, in zunehmen¬ dem Maße wieder aufgelebt. Aus vielen Anzeichen war erkennbar, daß der Gegner zu einem großen Schlage rüste. Als am 19. September Generalfeldmarschall von Hindenburg angesichts der dringenden Notlage an der Westfront nochmals um Zusendung weiterer Kräfte bat, und zwar: „unverzüglich und mit möglichst schneller Eisenbahnfolge" — etwaige schwache Stände würden gern in Kauf genommen —, war Generaloberst
von Arz trotz eigener Schwierigkeiten bereit, noch zwei Divisionen zu geben. Da aber gleichzeitig Bulgarien dringend Hilfe bedurfte, gingen diese beiden Divisionen einer Entscheidung der Obersten Kriegsleitung entsprechend an die Front in Serbien, wo sie österreichisch-ungarischen Belangen unmittelbar zugute kamen. Weitere Kräfte mußten zur Siche¬ rung Siebenbürgens entsandt werden, wieder andere waren bereits zur
Ausrechterhaltung der Ordnung im Innern abgezweigt^). Am 29. Sep¬ tember rückte der von Bulgarien mit der Entente abgeschlossene Waffeni) S. 624ff. Weltkrieg. XIV. Band.
-) Vgl. auch S. 732, Anm. 2.
738
Österreich-Angarns Kriegführung im Jahre 1918.
stillstand die Gefahr an der Südostfront der Monarchie in unmittelbare
Nähe. Dem jetzt deutscherseits geplanten Wassenstillstandsersuchen stimmte on-b-r. Österreich-Ungarn daher gerne zu. Als dann am 4. und nochmals am 16. Oktober die Oberste Kriegsleitung wegen der immer schwieriger
werdenden Lage der Westfront dringend weitere vier Divisionen erbat, wobei sie eine Entspannung an der italienischen Front annahm, mutzte sich Generaloberst von Arz dieser Bitte versagen. Er war mit der Abgabe von Kräften bereits bis an die Grenze des Möglichen gegangen.
Der kommenden italienischen Offensive sah man angesichts des Iustandes der eigenen Truppen mit ernster Sorge entgegen. Als am
9. Oktober Präsident Wilson in der Antwort aus das deutsche Waffenstillstandsersuchen vorherige Räumung der besetzten Gebiete forderte, wollte daher die Heeresleitung — „offenbar auf Befehl des Kaisers"^) —
sofort Verhandlungen mit dem Gegner ausnehmen, was aber durch Ein» spruch des Außenministers Grasen Burian wie des Generalfeldmarschalls von Hindenburg verhindert wurde. Nunmehr erwog man, dem italienischen Angriff auszuweichen und an der Reichsgrenze den Waffen¬ stillstand abzuwarten, ließ diesen Gedanken aber wieder fallen in der Be¬ sorgnis, daß die Italiener sofort nachstoßen und die einmal im Rückmarsch
befindlichen eigenen Truppen nicht wieder zum Halten zu bringen sein würden. Ein kaiserliches Manifest vom lö. Oktober, das die Umwandlung der österreichischen Reichshälfte (Ungarn blieb unberührt) in einen Bundesstaat verhieß, in dem jeder Volksstamm ein eigenes staatliches Gemeinwesen bllden sollte, löste die letzten Bindungen, die den Vielvölkerstaat und seine Wehrmacht zusammenhielten. Die neuen Gebilde suchten teilweise Anschluß an den Feind. Ungarn wollte mit seinen Truppen nur noch die eigene Heimat verteidigen. Am 21.Oktober kam es zu Unruhen in Wien und an-
deren Orten des Reiches und zu Gehorsamsverweigerungen an der Front.
Die Auflösungserscheinungen blieben dem Gegner nicht verborgen.
Mehrfach hatte Marschall Foch dem Wunsch nach einer italienischen Offensive Ausdruck gegeben, um die Entsendung österreichisch-ungarischer Truppen an die Westfront zu unterbinden. In Rom war man dem Angriffs-
gedanken aber nur zögernd nähergetreten, da die allgemeine Offensive
der Westmächte bislang erst für das Frühjahr 1919 beabsichtigt war; unter dem Eindruck des bulgarischen Waffenstillstandes entschloß man sich aber, dem Drängen zu entsprechen. Am 3. Oktober gab die italienische Regierung die Zusage, daß das Heer mit ganzer Kraft angreifen werde. Den Hauptschlag wollte General Diaz an der Piave-Front auf Vittorio, einen anderen über das Grappa-Gebiet in das obere Piave-Tal führen. !) Öfter, amtl. Werk, VII, S. 577.
Der Zusammenbruch der Front in Italien.
739
Zu dieser Zeit zählte das italienische Feldheer, abgesehen von je zwei Divisionen in Frankreich und an der Balkan-Front, 57 Divisionen, davon zwei französische, drei englische und eine aus Kriegsgefangenen gebildete tschechoslowakische, insgesamt 704 Bataillone und mehr als 7700 Geschütze
mit reichlicher Munition. Ihnen gegenüber standen rund 53 österreichisch¬ ungarische Divisionen mit 639 Bataillonen und S800 Geschützen. Die Über¬ legenheit des Angreifers an Zahl der Einheiten und Geschütze war also nicht bedeutend, doch waren die geringen Gefechtsstärken und die innere Iermür-
bung des österreichisch-ungarischen Heeres in Rechnung zu ziehen. Am 24. Oktober begannen die italienischen Angriffe im Gebirge, am 27. folgte der Hauptangriff über den Piave. Während die österreichischungarische Gebirgsfront zunächst hielt, wurde die Front am Piave am 28. Oktober in der Richtung auf Conegliano durchstoßen. Unterdessen hatte Kaiser Karl, ungeachtet deutschen Einspruchs, schon am 27. Oktober bei Präsident Wilson um Waffenstillstand und Sonderfrieden für seine Front nachgesucht, und am Abend des 28. Oktober hatten beide Heeresgruppen
den Befehl erhalten, „nach Bedarf rechtzeitig einer zur Auflösung führen¬ den Niederlage auszuweichen". In der Ebene wurde die Front unter zu¬ nehmenden Zersetzungserscheinungen und erheblichem Verlust an Menschen wie Gerät schon vom nächsten Tage an rasch weiter zurückgedrückt, im Ge¬
birge begann das Nachgeben etwas später. An allen Frontabschnitten machte der Zerfall des Heeres Fortschritte. Ungarische Truppenteile
weigerten sich, für Osterreich weiterzukämpfen. Vom 3l. Oktober ab war das Heimatgebiet in vollem Aufruhr. Ein
tschechoslowakischer, ein südslawischer und ein deutsch-österreichischer Staat bildeten sich neu, von denen der erstgenannte sofort offen Anschluß beim
Feinde suchte und auch fand. In der Nacht zum 2. November gab Italien seine Waffenstillstandsbedingungen bekannt, die vor allem völlige Abrüstung, Räumung von ganz Südtirol sowie weiterer Grenzgebiete mit Görz, Trieft und Nord-
Dalmatien, freie Bewegung der italienischen Truppen in der ganzen Monarchie sowie Auslieferung des Großteils der Flotte umfaßten. Die Frist, sich zu entscheiden, lief in der Nacht zum 4. November ab. Ungarn
verfügte daraufhin für seine Truppen sofort die Waffenniederlegung; die Heeresleitung wagte nicht mehr, diesen Eingriff zurückzuweisen, sondern befahl, trotz Einspruchs beider Heeresgruppen-Führer, der Weisung nach¬ zukommen. Angesichts des von Stunde zü Stunde weiter fortschreitenden Zerfalls des Heeres und in dem Glauben, daß nach Annahme dieser,
völlige Waffenstreckung bedeutenden Bedingungen die Feindseligkeiten sofort eingestellt würden, nahm ein Kronrat schon am Abend des 2. Nc>-
y
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österreich-Ungarns Kriegführung im Jahre 1918.
vember das Diktat an. Kaiser Karl selbst sah sich dabei in besonders schwieriger Lage; denn er hatte noch am 29. Oktober an Kaiser Wilhelm gedrahtet: Wenn der Gegner den Durchmarsch durch österreichisches Gebiet gegen Deutschland fordern sollte, so werde er an der Spitze seiner Deutsch-
Österreicher den Durchzug mit Waffengewalt verhindern. Nun aber stellte
sich heraus, daß angesichts des Zustandes auch der deutsch-österreichischen Truppen an irgendwelchen Widerstand nicht mehr zu denken war. Der
Kaiser legte den Oberbefehl nieder, z.N»v«mb«r.
Am Z.November um l30 morgens erging an die Waffenstillstands-
kommission der Befehl zur Unterzeichnung des Abkommens, das gleichzeitig auch für die Balkan-Front galt. Unmittelbar darauf erhielten beide Heeresgruppen die Weisung zu sofortiger Einstellung aller Feindseligkeiten. Um 3° nachmittags wurde unterzeichnet. Inzwischen aber erfuhr man,
infolge mangelhafter Verbindungen arg verspätet, daß Italien erst 24Stunden nach der Unterzeichnung Waffenruhe zugestehe. Da die eigenen Truppen den Kampf bereits eingestellt hatten, konnte das italienische Heer, für das die Waffenruhe erst am 4. November um 30 nachmittags eintrat, die
Verfolgung der keinen Widerstand mehr leistenden zurückflutenden öfterreichisch-ungarischen Heeresteile mit allen Mitteln und größtem Nachdruck fortsetzen. Der Gesamtverlust der letzten Schlacht und des Rückzuges stieg dadurch auf 437 000Mann, davon 300000, die am 3. und 4. November auf dem Marsch überholt und gefangengenommen wurden. Osterreich-Ungarns
Heer hatte aufgehört zu bestehen.
E.Rückblick: John I. Pershing: „My experiences in the world-war", II, S. 360) bei dieser Gelegenheit femer ausgeführt: „Das deutsche Heer sei bei weitem noch nicht zerschlagen (disintegrated), die alliierten Engländer und Franzosen aber seien recht erschöpft (pretty well exhausted); ihnen fehlten etwa je 250000 Mann. Bis die Amerikaner stark genug seien, sie zu entlasten, werde noch einige Zeit vergehen. Man müsse die Bedingungen so stellen, daß die Deutschen nicht zögern würden, sie anzunehmen. Marschall Foch wies demgegenüber darauf hin, daß das deutsche Heer seit dem 15.Juli 250000 Ge¬ fangene und 4000 Geschütze verloren habe, es sei physisch und moralisch völlig geschlagen; sicher seien auch die alliierten Heere nicht frisch, aber Heere, die gesiegt hätten, seien niemals frisch". Andererseits hat Marschall Foch (nach Commandant l'Hopital „l'Armistice et la Paix", S. 113ff.), als Oberst House am 31. Okt. in der Sitzung der Staatsmänner
nochmals die Frage anschnitt, ob man den Kampf nicht lieber fortsetzen solle, dem Proto¬ koll zufolge geantwortet: Man könne nichts Besseres wünschen, als daß die gestellten Bedingungen angenommen würden. Auf die Frage, wie lange denn die Deutschen an Maas und Rhein noch Widerstand leisten könnten, hat er erwidert: „1, 2, 3 oder 4 Monate?
ich kann es nicht sagen". Im übrigen war der Marschall der Ansicht: „Die Ablehnung des Waffenstillstandes könnte von der Regierung der Vereinigten Staaten mit Genugtuung
begrüßt werden, da ihre Armee im Wachsen sei und daher für die Fortsetzung des Krieges wie für dessen Auswirkungen an Bedeutung immer mehr gewinne". -) S. 747 f.
746
30 m!"6"
Der Waffenstillstand.
nochmals erheblich auseinander. England sah die Forderungen als zu hart
7.N»»«mb«r. an, vor allem die Besetzung des linken Rhein-Ufers. Die aber forderte Frank¬
reich unbedingt und wurde dabei von Amerika unterstützt. Als unterdessen das Waffenstillstandsersuchen des österreichisch-ungarischen Heeres an den
italienischen Oberbefehlshaber bekannt wurde, schlug Lloyd George schnell¬ stes Handeln vor, um einer Antwort des Präsidenten Wilson auf das Friedensangebot Kaiser Karls zuvorzukommen. Man solle die Waffenstillstands-
bedingungen sogleich endgültig festlegen und Österreich-Ungarn übermitteln; wenn dieses ausgeschieden sei, werde Deutschland kapitulieren. An diesem Tage, 30. Oktober, wurde der Waffenstillstand mit der Türkei bereits unterzeichnet. An den beiden folgenden Tagen wurden die Bedingungen für Osterreich-Ungarn festgesetzt. Dann wurde über die an Deutschland zu stellenden
Forderungen verhandelt, wobei Marschall Foch hinsichtlich des Landkrieges seine Auffassung gegen die gemäßigtere Haltung Englands durchsetzte. Andererseits gingen die englischen Forderungen auf dem Gebiete des Seekrieges sehr viel weiter als die Frankreichs, das davon ein Scheitern der Verhandlungen befürchtete. Man einigte sich auf Abgabe von 100 Unter¬ seebooten und Internierung der deutschen Flotte in einem neutralen Hasen. Als dann am 3.November Österreich-Ungarn die ihm auferlegten Bedingungen angenommen hatte, schien es doch noch keineswegs sicher, ob Deutschland den Widerstand nicht bis zum letzten fortsetzen werde. Umfassender Angriff unter italienischem Oberbefehl von drei Seiten auf München wurde für diesen Fall in Aussicht genommen; der Aufmarsch dazu sollte 30 bis 35 Tage dauern. Am 4. November wurden die Bedingungen für Deutschland endgültig
festgesetzt. Nachdem dann Präsident Wilson in seiner Note vom 5. Deutschland aufgefordert hatte, beglaubigte Vertreter zu Marschall Foch zu entsenden, erhielt dieser in der Nacht zum 7. November den deutschen Funkspruch, der die Namen dieser Vertreter mitteilte und der Hoffnung Ausdruck gab, daß mit ihrem Eintreffen an der Front Waffenruhe eintreten möge. Marschall Foch antwortete: Wenn die Bevollmächtigten ihn zu sprechen wünschten, um Waffenstillstand zu erbitten, möchten sie sich bei den fran¬ zösischen Vorposten an der Straße Chimay—Fourmies—La Capelle— Guise einfinden. Zum Führer der deutschen Abordnung^), die am 7.November i) Da die Akten fast nichts enthalten, stützt sich die Sarstellung auf Aufsätze des dama¬ ligen Maj. Geyer, der als Dolmetscher der Abordnung angehörte, in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung": „gm Walde von Coinpiögne" (Nr. 265, 2Sö, 270 u. 272 vom Juni 1922),
Erzberger: „Erlebnisse im Weltkrieg", sowie auf die Memoiren des Marschalls Foch.
Festlegung und Mitteilung der Bedingungen.
747
mittags Spa verließ, hatte der Reichskanzler inzwischen Staatssekretär Erzberger bestimmt. General von Gündell war daraufhin zurückgetreten. Das Heer war durch Generalmajors von Winterfeldt, bis 1914 MilitärAttache in Paris, die Marine durch Kapitän zur See Vanselow, das
Auswärtige Amt durch Gesandten Graf Oberndorff vertreten. Die Abordnung erreichte um 9" abends die französischen Linien und traf am 8. November um 7 0 morgens im Walde von Compiegne ein. Dort wurde 8.
sie um 10° von Marschall Foch empfangen, der die Besprechung in ge¬ wollt demütigender Form einleitete. Im übrigen betonte er, als die Abgesandten um Bekanntgabe der „Vorschläge" der Alliierten baten, daß es sich keineswegs um solche, sondern um „Bedingungen" handele. Diese wurden dann — ihres Umfanges wegen im Auszuge — durch General
Weygand, den Generalstabschef des Marschalls, verlesen. Aus die Bitte um sofortige vorläufige Waffenruhe bemerkte Marschall Foch, wie General von Winterfeldt hörte, halblaut zu General Weygand: „Keinesfalls, wenn ich der Armee auch nur drei Tage Ruhe lasse, kriegt sie kein Mensch mehr aus ihrer Stellung heraus"^). Obgleich die deutsche
Abordnung daraufhin den hoffnungslosen Zustand des deutschen Heeres und die Gefahr des Bolschewismus in Deutschland darlegte, erklärte Marschall Foch, die Operationen könnten erst aufhören, wenn der Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet sei, und dies müsse binnen dreimal 24 Stun¬ den, also bis zum II. November 12° mittags (II 0Pariser Zeit), geschehen sein; es könne sich nur um „Annahme" oder „Ablehnung" handeln, ein
Drittes gebe es nicht. Alle Versuche, eine Änderung dieses Standpunktes oder eine Verlängerung der für die Unterzeichnung gesetzten Frist zu erreichen, blieben erfolglos. Um 12 30mittags wurde durch Funkspruch an Reichsregierung und
Oberste Heeresleitung gemeldet, daß die vorläufige Waffenruhe abgelehnt fei, daß in 72 Stunden unterzeichnet sein müsse und daß ein Kurier den Wortlaut der Bedingungen nach Spa überbringe; denn aus ihre Ubermitt-
lung durch Funkspruch hatte verzichtet werden müssen, da Marschall Foch diese nur verziffert gestatten wollte, Verzisferung aber bei der Länge des 35 Punkte umfassenden Textes nicht schnell genug möglich war. Erst abends konnte folgender verzifferter Auszug aus den Bedingungen an die Oberste Heeresleitung gefunkt werden:
„1. Inkrafttreten sechs Stunden nach Unterzeichnung. 2. Sofortige Räumung von Belgien, Frankreich, Elsaß-Lothringen binnen x) Am 18. Ott. zu diesem Dienstgrad befördert. 2) Mitteilung des Kapt. z. See Vanselow vom März 1943.
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Der Waffenstillstand.
s.!n»o«mb«.. 14 Tagen. Was an Truppen nach dieser Zeit übrig bleibt, interniert oder
kriegsgefangen. 3. Abzugeben 5000 Kanonen, zunächst schwere, 20000 Maschinengewehres, 3000 Minenwerser, 2000 Flugzeuge. 4. Räumung des linken Rhein-Ufers, Mainz, Koblenz, Köln besetzt vom Feind auf Radius von 30 Kilometern Tiefe.
5.Auf rechtem Rhein-Ufer 30 bis 40 Kilometer tiefe neutrale Jone. Räumung in elf Tagen. 6. Aus linkem Rhein-Usergebiet nichts wegführen, alle Fabriken, Eisen¬ bahnen usw. intakt belassen. 7. 5000 Lokomotiven, 150000 Waggons, 10000 Kraftwagen abzugeben. 8. Unterhalt der feindlichen Besatzungstruppen durch Deutschland. 9. Im Osten alle Truppen hinter Grenze vom I. August ISI4 zurück¬ nehmen; Termin dafür nicht angegeben. 10. Verzicht der Verträge von Brest-Litowsk und Bukarest. 11. Bedingungslose Kapitulation von Ost-Afrika. 12. Rückgabe des Standes der belgischen Bank, des russischen und rumäni¬
schen Goldes. 13. Rückgabe der Kriegsgefangenen ohne Gegenseitigkeit^). 14. Abgabe von 100 U-Booten^), acht leichten Kreuzern, sechs Dreadnoughts*); die übrigen Schiffe desarmiert und überwacht von Alliierten in neutralen oder alliierten Häfen. 15. Alle Forts und Batterien im Kattegatt°) zu besetzen von Alliierten.
16. Blockade bleibt bestehen. Deutsche Schisse dürfen weiter gekapert werden.
17. Alle von Deutschland für Neutrale verhängten Beschränkungen der Schiffahrt werden aufgehoben. 18. Waffenstillstand dauert 30 Tage. Kommission bittet um Ermächtigung zur Unterzeichnung dieser Bedingun¬ gen, hofft, Verlängerung der Fristen herausschlagen zu können. Kom¬
mission hat nicht verhehlt, daß Innehaltung der Bedingungen teilweise *) Zunächst waren 60000 gefordert worden. Das war mehr, als das deutsche West¬
heer überhaupt besah. a) In Deutschland befanden sich insgesamt noch über 800000 Kriegsgefangene der Westmächte (ZOO000 Franzosen, 150000 Briten, 150000 Italiener, Amerikaner und sonstige). Andererseits befanden sich etwa ebenso viele Deutsche in der Hand der Westmächte (400000 in französ., 328000 in brit., 79000 in sonstiger Kriegsgefangenschaft). 3) Im endgültigen Text: alle vorhandenen Boote. 4) Später erhöht auf: 10 Linienschiffe, V Panzerkreuzer, 8 kl. Kreuzer, 50 Zerstörer. s) Im vollständigen Text hieß es: „in sämtlichen vom Kategatt in die Ostsee führenden Meerengen".
Die Bedingungen und ihre Annahme.
749
unmöglich, weil Hungersnot in Deutschland damit unvermeidlich verknüpft sein werde und Beobachtung der Bedingungen teilweise unmöglich machen werde".
In Einzelbesprechungen am Nachmittag hatten die deutschen Abgesandten inzwischen daraus hingewiesen, daß es im Interesse beider Seiten liege, daß das deutsche Heer geordnet in die Heimat zurückgeführt werde und nicht dem Bolschewismus verfalle. Sie hatten vor allem verlangt: Verlängerung der Räumungsfristen, Verzicht auf Brückenköpfe und neutrale Jone rechts des Rheins, Nachlaß in der Zahl der abzugebenden Ver¬ kehrsmittel, Waffen und Flugzeuge, um nötigenfalls die Ordnung im Inneren wiederherstellen zu können, Aufhebung der Blockade und ehren¬ vollen Abzug der Truppen aus Ostafrika. Eine Antwort wurde nicht erteilt, vielmehr mußten die Wünsche am 9. November morgens nochmals s. -noo-mb«».
schriftlich eingereicht werden. Im Laufe dieses Tages wurde der Thronverzicht von Kaiser und Kronprinz, in der Nacht zum 10. November auch die Bildung einer neuen „Volksregierung" in Spa bekannt. Damit war die Lage der deutschen
Unterhändler noch schwieriger geworden. Dies zeigte sich schon am Morgen des Tages: Englischerseits wurden Zweifel zur Sprache gebracht, ob die lo.N»».mb«r.
neue Regierung überhaupt in der Lage sein werhe, die Waffenstillstands¬ bedingungen zu erfüllen. Die Alliierten müßten sich daher das Recht vorbehalten, ihre Durchführung mit Gewalt zu erzwingen; dazu würde dann auch die Besetzung von Helgoland gehören. Die deutschen Abgesandten versicherten demgegenüber, daß die neue Regierung, wenn sie die Bedingungen annehme, auch die Macht haben werde, sie im Bereich des irgend möglichen zu erfüllen. Eindringlich wiesen sie aber darauf hin, daß durch den Umsturz in Berlin die Gefahr des Bolschewismus für ganz Europa außerordentlich zugenommen habe, ein Gedanke, dem
sich die feindlichen Vertreter jedoch völlig unzugänglich zeigten. Die abends mitgeteilten Erleichterungen beschränkten sich im wesentlichen auf die neutrale Jone rechts des Rheins, die statt 30 bis 40 nur zehn Kilometer tief sein sollte, auf die Abgabe von Waffen und Gerät (statt 30000 nur 25000 Maschinengewehre, statt 2000 nur 1700 Flugzeuge, statt 10000 nur 5000 Kraftwagen) und Verlängerung der Räumungsfrist für das linke Rhein-Ufer von II auf 17, der Waffenstillstandsdauer von
30 auf 3b Tage. Auch stellten die Gegner in Aussicht, daß ihre Armeen fünf Tage lang nicht vorrücken würden. Angesichts der im Innern des Reiches herrschenden Anarchie und des Zustandes des Heeres sahen Oberste Heeresleitung und Regierung keine andere Möglichkeit, als die gestellten Bedingungen anzu¬
750
Der Waffenstillstand.
nehmen, soweit nicht etwa durch Verhandlungen noch Milderung zu er¬ reichen war.
Eine abends bei der Wafsenstillstands-Komtnission eintreffende Wei¬ sung des Generalseldmarschalls von Hindenburg verlangte über die schon von der Abordnung erstrebten Erleichterungen hinaus vor allem Verlängerung der Räumungsfrist auf zwei Monate und Durchmarsch des
rechten Heeresflügels durch den holländischen. Maastricht-Zipfel; doch sei abzuschließen, auch wenn die Erleichterungen nicht durchzusetzen seien. Nochmals versuchte die Kommission in der Nacht zum II. November, eine Besserung der Bedingungen zu erhalten. Vor allem ging es dabei um Einstellung der Blockade. Erreicht wurde aber nur, daß die Gegner zu-
sagten, Deutschland während des Waffenstillstandes nötigenfalls mit Lebensmitteln auszuhelfen. ll.N»»»mb«r.
Am II. November um 6° morgens wurde der Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet, um 12° mittags sollte er in Kraft treten. Die
deutschen Bevollmächtigten gaben bei der Unterzeichnung folgende Erklärung ab: „Die deutsche Regierung wird selbstverständlich bestrebt sein, mit allen Kräften für die Durchführung der auserlegten Verpflichtungen Sorge zu tragen. Die unterzeichneten Bevollmächtigten . . dürfen aber keinen Zweifel
darüber lassen, daß insbesondere die Kürze der Räumungsfristen sowie die
Abgabe unentbehrlicher Transportmittel einen Zustand herbeizuführen drohen, der ohne Verschulden der deutschen Regierung und des deutschen Volkes die weitere Erfüllung der Bedingungen unmöglich machen kann. Die unterzeichneten Bevollmächtigten erachten es ferner für ihre Pflicht, ... noch einmal mit allem Nachdruck darauf hinzuweisen, daß die Durchführung dieses Abkommens das deutsche Volk in Anarchie und Hungersnot stürzen muß. Nach den Kundgebungen, die den Waffenstillstand eingeleitet haben, mußten Bedingungen erwartet werden, die bei voller militärischer Sicherung unserer Gegner die Qualen der am Kampfe Anbeteiligten, der Frauen und Kinder, beendet hätten. Das deutsche Volk, das SO Monate lang standgehalten hat gegen eine Welt von Feinden, wird, ungeachtet jeder Gewalt, seine Freiheit und Einheit wahren. Ein Volk von 70 Millionen leidet, aber es stirbt nicht."
Inkrafttreten des Waffenstillstandes.
751
B. Der Rückmarsch des ^Veftheeres in die Heimat"). Beilage 27.
Auf die Nachricht von der Unterzeichnung des Waffenstillstandes gab die Oberste Heeresleitung am II. November um 930 vormittags einen ga«»«»si».
Funkspruch „an Alle": „I.) Die Feindseligkeiten sind am II. November II" vormittags auf der
ganzen Front einzustellen. 2.) Die vordere Linie darf von diesem Zeitpunkt ab feindwärts nicht mehr überschritten werden. Weitere Befehle folgen". Wenige Stunden später erging ein vorläufiger Befehl für den
Rückmarsch: „Die Heeresgruppen erhalten von rechts nach links die Bezeichnung A, B, C und D2).
Der Abmarsch der Heeresgruppen nach der Heimat ist sofort anzutreten. Er erfolgt nach Anweisung der Heeresgruppen. Ruhetage sind möglichst einzuschieben. Das Gebiet Belgiens, Luxemburgs und Elsaß-Lothringens soll innerhalb 14 Tagen, das Gebiet westlich des Rheins in einem Zeitraum von weiteren 17 Tagen geräumt sein. Im ganzen ZI Tage. Der erste Tag hat am II. November 12° mittags begonnen".
Es folgte die Angabe der Marschgrenzen, innerhalb deren die Heeresgruppen die Bewegung durchzuführen hatten. Holländisches Gebiet durste
ohne Befehl der Obersten Heeresleitung nicht betreten werden. Sämtliche fechtenden Truppen und die übrigen beweglichen Formationen wurden auf Fußmarsch angewiesen. Für den rechten Heeresflügel erwirkte das Auswärtige Amt auf Beranlassung der Obersten Heeresleitung von der holländischen Regierung die Genehmigung, daß vom 13.November ab die schmälste Stelle des Maas-
tricht-Zipfels von deutschen Truppen durchschritten werden dürfe. Dabei hatten diese beim Eintritt in holländisches Gebiet ihre Waffen abzugeben, die nach Friedensschluß an Deutschland zurückgegeben werden sollten. Am Abend des schicksalsschweren II. November 1918 wandte der Gene¬
ralfeldmarschall sich mit einem Aufruf an das Westheer: ') Näheres enthält die Schrift: „Die Rückführung des Westheeres". Berlin ISIS. — Die Hergänge beim Ostheer sind geschildert in: „Darstellungen aus den Nachkriegskämpfen", Bd. 1: „Die Rückführung des Ostheeres". -) Führer der Hgr. A Gen. d. Inf. Sirt von Armin, B Gen. Ob. von Einem, C Gen. d. Art. von Gallwitz, D Gen. Feldm. Herzog Albrecht von Württemberg.
752 "--""b" ISIS bi»
Der Waffenstillstand.
„An die Armee!
"
Januar 1919. ©er Waffenstillstand ist unterzeichnet worden.
Bis zum heutigen Tage haben wir unsere Waffen in Ehren geführt. In treuer Hingabe und Pflichterfüllung hat die Armee Gewaltiges vollbracht. In siegreichen Angriffsschlachten, in zäher Abwehr, in hartem Kampfe zu Lande und in der Luft habt Ihr den Feind von unseren Grenzen fern¬ gehalten und die Heimat vor den Schrecknissen und Verwüstungen des Krieges bewahrt. Bei der wachsenden Zahl unserer Gegner, bei dem Zusammenbruch der uns bis an das Ende ihrer Kraft zur Seite stehenden Verbündeten und bei den immer drückender werdenden Ernährungs- und
Wirtschaftssorgen hat sich unsere Regierung zur Annahme harter Waffenstillstandsbedingungen entschließen müssen. Aber aufrecht und stolz gehen wir aus dem Kampfe, den wir über vier Jahre gegen eine Welt von
Feinden bestanden. Aus dem Bewußtsein, daß wir unser Land und unsere Ehre bis zum äußersten verteidigt haben, schöpfen wir neue Kraft.
Der Waffenstillstandsvertrag verpflichtet zum schnellen Rückmarsch in die Heimat, unter den obwaltenden Verhältnissen eine schwere Aufgabe, die Selbstbeherrschung und treueste Pflichterfüllung von jedem Einzelnen von Euch verlangt, ein harter Prüfstein für den Geist und den inneren Halt der Armee. Im Kampfe habt Ihr Euren Generalfeldmarschall niemals im Stich gelassen: Ich vertraue auch jetzt auf Euch!" Es war an sich schon eine überaus schwierige Aufgabe, ein immer
noch fast vier Millionen zählendes Heer aus engster Versammlung in kurzbefristeter Zeit auf nur wenigen Straßen durch schwieriges Gelände bis an und über den Rhein zurückzuführen. Die Aufgabe wurde aber noch
wesentlich weiter erschwert durch die vor allem hinter der Front herrschen¬ den Zustände^). Das von der Heimat ausgehende revolutionäre Gift hatte immer weiter um sich gefressen und war, wie schon die Befragung von
Kommandeuren am 9. Novembers ergeben hatte, über Etappe und sonstige rückwärtige Einrichtungen bis zu den Kampftruppen vorgedrungen. Zwischen dem Feinde vor der Front und der Revolution im Rücken sah die Oberste Heeresleitung keine Möglichkeit, des Anwesens mit Gewalt Herr zu werden. Um eine Katastrophe zu vermeiden, versuchte sie, sich den
gegebenen Verhältnissen anzupassen. x) Hierüber sowie über die zur Wiederherstellung der Ordnung geführten Kämpfe vgl. „Darstellungen aus den Nachkriegskämpfen", insbesondere Bd. 5: „Die Kämpfe in Südwestdeutschland 1919—1923" und 6: „Die Wirren in der Reichshauptstadt und im
nördlichen Deutschland 1919-^1920". 2) S. 716.
Mahnahmen der O. H. L. — Soldatenräte.
753
Bereits am 9. November hatte sie gütliche Einigung mit sich bildenden Soldatenräten angeordnet und war diesen sogar so weit entgegengekom¬
men, daß sie den Vorgesetzten das Recht des Waffengebrauchs zur Erzwingung von Gehorsam genommen hatte1). Am 10. hatte sie aber ver¬
sucht, die Macht dieser „Arbeiter- und Soldatenräte" doch zu beschneiden, indem sie befahl, sofort bei allen Kompanien usw. „Vertrauensräte" von je einem Offizier, einem Unteroffizier und zwei Gefreiten oder Mann-
schaften zu bilden; ihre Ausgaben sollten „Aufrechterhaltung der Ordnung, Aufsicht über die Verpflegung, Mitwirkung bei der Erteilung von Urlaub und bei der Verleihung von Auszeichnungen" sein. Von der Reichsregierung erbat sie eine Erklärung, die der bereits weitverbreiteten Auffassung
entgegenwirken sollte, daß mit dem Umsturz auch die Bindungen der
Manneszucht und Unterordnung aufgehört hätten. Die daraufhin noch am N.November von der Reichsregierung zur Bekanntgabe an das Feldheer übersandten Richtlinien deckten sich in den Hauptpunkten mit den seitens der Obersten Heeresleitung bereits am 9. November an das Heer gegebenen Weisungen. Durch Verteilung von Flugblättern wurde versucht, allen Truppen klarzumachen,
daß ordnungsmäßige Durchführung der Märsche Voraussetzung und Vorbedingung für schnelle Rückkehr und baldige Entlassung in die Heimat sei. Wie kaum anders zu erwarten, ergaben sich aber vor allem durch die
Tätigkeit der Soldatenräte und durch das Zeigen der inzwischen fast überall austretenden roten Fahnen schwere Störungen. Die Soldatenräte suchten mit allen Mitteln, auch auf die Fronttruppen Einfluß zu geWinnen. Sie störten das Nachrichtenwesen, griffen in Transportanordnungen ein, beschlagnahmten vor allem Kraftwagen und Lebensmittel, schalteten wichtige eingearbeitete Persönlichkeiten, die ihnen unbequem waren, aus, veranlaßten kleinere Einheiten zu eigenmächtigem Abmarsch oder Abtransport, hielten Verpflegungs- und Kohlenzüge an, ließen Kriegs-
gefangene frei, kurz sie verursachten Störungen und Unordnung auf allen nur erdenklichen Gebieten. Im Zusammenhang damit hatte sich das Führen von roten Fahnen — wie die Oberste Heeresleitung am lö. Dezember der Reichsregierung mitteilte — „zu einem gemeingefährlichen Unwesen heraus¬
gebildet. Unter der roten Fahne werden Ausschreitungen jeder Art begangen. Kraftwagen mit roter Flagge bringen Deserteure in Massen über die Grenze. Verpflegungszüge werden von Marodeuren mit roter Flagge geplündert. Sie ist im Gebiet hinter dem Feldheer das Wahrzeichen der
Auflösung, Unordnung und Widersetzlichkeit geworden. Wird nicht in Kürze diesem Unwesen gesteuert, so ist Ordnung und Disziplin nicht mehr '
!) 6.718.
Weltkrieg. XIV. Band.
754
Der Waffenstillstand.
aufrechtzuerhalten. Es ist daher folgender Befehl gegeben worden: „An Januar ISIS, alle Heeresgruppen (A.B. C. D.) und Oberbefehlshaber Ost. Mit der roten Fahne und roten Bändern wird im Heeresgebiet gefährlicher Mi߬
brauch getrieben. Unter der roten Fahne wird desertiert, gestohlen, ge¬ plündert und von verbrecherischen Elementen Anarchie verbreitet, die die geordnete Demobilisierung unmöglich macht. Die rote Fahne und andere rote Abzeichen müssen daher aus dem Feldheer verschwinden". Die Oberste Heeresleitung, die am 14. November von Spa nach
Wilhelmshöhe bei Kassel übersiedelte, hatte zunächst die Absicht gehabt, das Heer geschlossen hinter den Rhein zu führen, am Ostuser einen starken Grenzschutz aufzubauen, in jede Provinz zur Wiederherstellung der Ord¬ nung möglichst eine zuverlässige Division zu entsenden und den Rest, also die Masse des Heeres, hinter dem Grenzschutz stehenzulassen, bis über die Demobilmachung entschieden und weitere Verhandlungen mit der Entente zum Abschluß gebracht wären. Zur Vorbereitung der Demobil¬ machung hatte sie bereits am 3. November den bisherigen Generalstabschef der 7. Armee, Oberst Reinhardt, zum Kriegsministerium entsandt. Dieses bestimmte am 14. November, daß nach Rückführung hinter die Reichsgrenze und neutrale Zone alle Heeresteile, die nicht für den Grenzschütz gebraucht würden, unmittelbar in ihre Friedensstandorte und Demobilmachungsorte zu überführen seien. Dabei sollten möglichst die Bahnen ausgenutzt werden, vor allem zum Erreichen weit entfernter Zielpunkte sowie für Querbewegungen. Im übrigen seien, um Stockungen zu vermeiden, die Märsche weit nach Osten fortzusetzen. Aber auch die Gegner hatten sich inzwischen eingemischt. Am 13. No¬ vember hatten sie das zu räumende Gebiet in sechs von Nord nach Süd verlaufende Streifen unterteilt, die zu festgesetzten Zeiten geräumt sein müßten, und, abweichend von der seitens des Marschalls Foch in Aussicht
gestellten Regelung, bestimmt, daß ihre Truppen den deutschen Bewegungen mit nur zehn Kilometern Abstand folgen sollten. Das warf die am l l.No-
vember gegebenen Marschbefehle weitgehend über den Hausen, nötigte vor allem dazu, die für den inneren Dienst dringend erforderlichen Ruhetage ausfallen zu lassen. Auch ergab sich besonders bei den Heeresgruppen A und B, die weite Rückmärsche durch Feindesland zu leisten hatten, die
Gefahr der Gefangennahme abhängender Teile. Eine auf Veranlassung der Obersten Heeresleitung am 18. November von der Reichsregierung
an Präsident Wilson gerichtete Bitte um Verlängerung der Räumungsfristen blieb ohne Erfolg. Die Regierung ersuchte daher am 21. Novem¬ ber, bewaffneten Widerstand gegen den nachdrängenden Feind zu unter¬
Durchführung des Rückmarsches.
755
sagen, damit dieser keinen Vorwand zur Wiederausnahme der Feindseligleiten habe.
Der Rückmarsch vollzog sich wie folgt: Als nördlichste Marschstraßen waren zugewiesen worden: der Heeresgruppe A der Weg über Maastricht, B über Namur—-Bonn, C über Sedan —Koblenz, D über Speyer. Da die Masse der Truppen in einem Raum von 30 bis 50 Kilometern
Tiefe aufgeschlossen stand, mußten die Marschkolonnen zunächst nach Osten Abstand gewinnen. Vorausgesandte Teile hatten Magazine und Bahnhöfe zu sichern. Zuverlässige Divisionen wurden an den Anfang der Marschkolonnen gesetzt, sie sollten vor allem die Innehaltung der befohlenen Wege
gewährleisten. Dann folgten, in Marschgruppen zusammengefaßt und Divisionen unterstellt, die zahlreichen Einzelformationen. Den Abschluß
bildeten, nach taktischen Gesichtspunkten gegliedert, die bisherigen Kampftruppen. Um die Straßen bei Tage für die Fußtruppen frei zu halten, hatten Kraftwagen und sonstige Fahrzeuge, teilweise auch berittene Truppen, nachts zu marschieren; ebenso hatte der Quartierwechsel höherer Stäbe nachts zu erfolgen. Eine besondere Erschwernis bedeutete es, daß die Führung bald so gut wie ausschließlich auf die Fernsprech- und sonstigen Drahtleitungen von Post und Eisenbahn angewiesen war und daß die
sonst zur Vefehlsübermittlung verfügbaren Kraftfahrer in besonders großer Zahl eigenmächtig nach Hause gefahren oder von Soldatenräten in Anspruch genommen waren.
Der Drang nach Hause führte zu überraschend großen Marschleistungen. Obgleich nicht einmarschiert, legten die Truppenteile durchschnittlich ZOKilometer am Tage zurück. Im allgemeinen mußte die Hälfte von ihnen nachts biwakieren. Die Witterung war günstig. Ernste Sorge bereitete aber die
Verpflegungsfrage. Die Oberste Heeresleitung hatte zwar bereits am 8. November besohlen, daß der Verpflegungsnachschub zur Front allen anderen Transporten vorgehen solle. Die anrollenden Züge wurden aber vielfach schon am Rhein und im Etappengebiet von Meuterern und Sol-
datenräten angehalten und ausgeplündert. Durch vorsorgende Einrichtung eines Netzes von Verpflegungsmagazinen im gesamten Rückmarschgebiet bis östlich des Rheins und entsprechende Tiefenstaffelung von Bäckereien und
Viehbeständen bei gleichzeitiger schärfster Bewachung aller Verpflegungszüge, Ausladebahnhöfe, Lager-und Abgabestellen gelang es aber, rechtzeitige und ausreichende Versorgung der Truppen im wesentlichen sicherzustellen. Die Eisenbahn konnte für die Rückführung von Truppenteilen mit geringen Ausnahmen erst von der Reichsgrenze ab in Frage kommen, i) Näheres wird Bd. II von „Das deutsche Feldeisenbahnwesen" enthalten.
756
Der Waffenstillstand.
üuwemb«* Ihre Leistungsfähigkeit war durch vier Kriegsjahre, durch Revolution und ganaar^lsis. ^urcf) Abgabe von Lokomotiven und Wagen an die Gegner weitgehend herabgemindert. Zudem war sie zunächst durch Abtransport von Ver¬ wundeten und Kranken voll in Anspruch genommen, da die Gegner
deren spätere Rückführung nur für Nichttransportfähige zugestanden hatten. Auch stürmten die in völliger Auflösung befindlichen Etappen¬ truppen, untermischt mit Versprengten und Drückebergern, jeden leeren Eisenbahnzug. Da die Mittel fehlten, dieses Treiben zu unterbinden,
entschlossen sich die Eisenbahnbehörden, aus solche Weise wenigstens soviel Menschen wie nur irgend möglich über den Rhein und weiter abzuschieben, wo sie sich dann, von Soldatenräten mit Ausweisen lebhaft
unterstützt, in ihre Heimatgebiete zerstreuten. Am 25.November konnte die Masse dieser „wilden Transporte" als erledigt angesehen werden. Inzwischen standen seit dem 19. November nach und nach auch Züge zur Abbeförderung von Truppenteilen zur Verfügung, was bei der für die
zurückmarschierenden Massen kaum ausreichenden Zahl benutzbarer RheinBrücken wichtig war. So konnten die zum Sicherungsdienst im Inneren
des Reiches und die zum Grenzschutz im Osten bestimmten Divisionen bereits links des Rheins verladen werden. Insgesamt rollten vom 19. No-
vember bis I. Dezember elf Divisionen in 242 Zügen über den Rhein.
Für weitere, insgesamt noch 115 Divisionen, davon drei österreichischungarische, sowie Einzelformationen begannen die Bahntransporte erst östlich des Rheins; sie waren am 25. Januar 1919 beendet.
Gleichzeitig mit der Rückführung des Heeres mußten die 300000 den Westmächten im Laufe von vier Iahren abgenommenen Kriegsgefangenen^) zurückbefördert werden, was wegen Mangels an Eisenbahnmaterial
in der Hauptsache auf dem Seewege geschah. Im übrigen ergaben sich dadurch schwere Störungen, daß die Gefangenen sich in großer Zahl selbständig aus den Weg machten und dann, vielfach zu Fuß und nach tagelangen Märschen völlig erschöpft, in ihrer Heimat eintrafen. Die Folge waren Beschwerden und Drohung mit Repressalien von feindlicher Seite. Immerhin gelang es in der festgesetzten Zeit, bis zum 14. Januar 1919, alle Kriegsgefangenen zurückzugeben, abgesehen von Kranken und einigen Transporten aus Teilen der Provinz Posen, in denen inzwischen der neu
erstandene polnische Staat die Gewalt an sich gerissen hatte. Die Ablieferung von Waffen und Gerät in dem geforderten gewaltigen Umfang und in der gesetzten kurzen Frist (bis 30. November) mußte, wie schon bei den Waffenstillstandsverhandlungen, allerdings verx) Vgl. S. 748, Anm. 2.
Durchführung der Waffenstillstandsbedingungen.
757
geblich, angemeldet, auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Diese wurden noch vermehrt durch die aufs äußerste gesteigerten Ansprüche der feindlichen Abnahmestellen an die Güte des Abzuliefernden. So nötigte
die Zurückweisung abgelieferter Lokomotiven dazu, deren 7000statt 5000 aus dem Verkehr zu ziehen. Weitere Schwierigkeiten entstanden dadurch, daß entgegen den getroffenen Abmachungen das Saargebiet in die über Elsaß-Lothringen verhängte Grenzsperre einbezogen wurde und damit ein Ausfall für die deutschen Lieferungen eintrat. Schließlich ergaben sich
auch noch Unstimmigkeiten in der Zählung. Während nach deutschen Be¬ rechnungen Abgaben über die geforderten Zahlen hinaus geleistet worden waren, fehlten nach der Berechnung der Gegner Mitte Dezember noch 835Geschütze (von 5000), 7000 Maschinengewehre (von 25000), 1000 Minenwerfer (von 2000), 600 Flugzeuge (von 1700). Von ihrer Nachlieferung machten die Feinde die Verlängerung des Waffenstillstandes über den
17.Dezember hinaus abhängig. Der Kern der deutschen Flotte war unterdessen am 17.November
in den englischen Kriegshafen Scapa Flow übergeführt worden, wo die Schiffe bis zum Friedensschluß interniert bleiben sollten. Am 13.Dezember wurde in Trier das Abkommen über Verlänge¬ rung des Waffenstillstandes um einen Monat, bis zum 17. Januar
1919, abgeschlossen, das vorbehaltlich der Zustimmung der alliierten Re¬ gierungen bis zum Abschluß eines Präliminarfriedens weiterlaufen sollte. Die Rückführung des Heeres war unterdessen im großen und ganzen planmäßig durchgeführt worden. Bis zum 25. November, also innerhalb der zugestandenen Frist von 14 Tagen, waren das besetzte
belgische und französische Gebiet sowie Elsaß-Lothringen, bis zum 12. Dezember ebenso das linke Rhein-Ufer und die neutrale Zone östlich des Flusses geräumt. Mitte Dezember waren noch 160 Divisionen, aber nur 2000000 Mann von 4000000, die das Westheer am 11. November gezählt
hatte, unter den Waffen. Nur verschwindend geringe Teile des Heeres waren in die Hand der nachrückenden Feinde gefallen, dagegen waren Vor¬
räte jeder Art, Barackenlager, Wirtschaftseinrichtungen und Betriebe des rückwärtigen Gebietes, Feld- und Förderbahngerät in ungeheuren Mengen und Werten liegengeblieben.
Besondere Schwierigkeiten hatte trotz weitestgehender Vorbereitungen der Äbeögang über den Rhein gemacht, über den neben den vorhandenen Brücken durch vorauseilende Pionier-Formationen und Brückentrains Schiffsbrücken in großer Zahl eingebaut worden waren.
758
N»»-mb«»
Der Waffenstillstand.
Bei den heimwärts marschierenden Truppen hatte der gesunde Sinn
Janua. »Ig. der großen Mehrzahl der Mannschaft allmählich wieder die Oberhand ge¬ wonnen über Meuterer und Hetzer. Es war Ernüchterung eingetreten.
Die roten Fahnen hatten bei den Fronttruppen wieder schwarzweißroten und solchen in den Landesfarben weichen müssen. So hatten die Truppenteile in leidlicher militärischer Ordnung die Reichsgrenzen erreicht. Beim Weitermarsch mußte wegen der Gefahr kommunistischer Verseuchung Unterkunst in größeren Städten vermieden werden. Auch der Durchmarsch durste, wenn unvermeidbar, nur unter größten Sicherheitsvorkehrungen und nur
bei Tage erfolgen. Im übrigen machte sich jetzt der Drang nach Hause in zu¬ nehmendem Maße geltend; man wollte das Weihnachtsfest bei den Seinen
verbringen, sie gegen die überall aufflackernden Spartakistenunruhen selbst schützen können. Die Truppe hielt zusammen, solange sie heimwärts marschierte; sobald sie warten mußte, zeigten sich Auflösungserscheinungen: Vielfach ließen die Mannschaften Pferde und Gerät im Stich und traten unter Mitnahme alles ihnen brauchbar Erscheinenden eigenmächtig, aber von den Soldatenräten unterstützt, in wilden Transporten die Heimfahrt an. Am schlimmsten war es bei den Divisionen, die nach dem Rhein-Abergang nur die älteren Jahrgänge mit der Bahn befördern konnten, während alle übrigen noch etwa bis zur Weser im Fußmarsch bleiben mußten.
Immerhin erreichten die meisten Truppenteile einigermaßen geordnet, wenn auch in ihrem Bestände großenteils längst nicht mehr vollzählig, ihre heimatlichen Standorte oder Demobilmachungsorte. Hier allerdings gerieten auch die besten alsbald unter den zersetzenden Einfluß der örtlichen Soldatenräte und verseuchter Ersatztruppenteile. Selbst die auserwählten,
zur Wiederherstellung der Ordnung vorausgesandten Truppen konnten sich diesem Einfluß bei der schwankenden Haltung und völligen Ohnmacht der Reichsregierung nur zum geringsten Teil entziehen.
XII. Rückblick auf die Abwehr seit Mitte August) und die Lage bei Abschluß
des Waffenstillstandes. Trotz allen Heldentums der immer wieder zum Angriff angesetzten besten Divisionen des Heeres war den deutschen Offensiven im Frühjahr
1918 der erhoffte kriegsentscheidende Erfolg versagt geblieben.
Der
18. Juli und vollends der 3. August hatten klar erkennen lassen, daß man in die Abwehr gedrängt war. Das Vertrauen zu einem guten Ausgang war erschüttert. Man erkannte das Zunehmen der feindlichen Stärke nach Zahl und Material auf der einen, das Abnehmen der eigenen Kräfte auf der anderen Seite. Mit dem Sinken der Hoffnung auf Sieg begann aber auch der Kampfeswille nachzulassen, nachdem er in den Frühjahrs-
schlachten noch einmal einen Höchststand erreicht hatte. Insgesamt boten die Kämpfe, die sich im Anschluß an die Abwehrschlacht des 8. August länger als einen Monat auf den linken Flügel der
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht und die neugebildete Heeresgruppe Boehn beschränkten, nur anfangs noch das Bild früherer Abwehrschlachten,
bei denen dem Gegner jede Fußbreite Bodens auch durch Gegenstöße streitig gemacht wurde. Sie fanden nicht mehr um klar erkennbare Stellun¬ gen statt, sondern um Linien, die zwar aus den Karten der höheren Stäbe in großer Zahl eingetragen, im Gelände meist erkundet, vielfach auch be¬ zeichnet waren, aber da Gräben meist ganz fehlten, der kämpfenden Truppe keinen festen Halt boten. Im wesentlichen handelte es sich um Kämpfe im freien Felde, denen nur eine gut vorgebildete und fest in der Hand der
Führer befindliche Truppe gewachsen sein konnte. Die aber fehlte mehr und mehr. Kampfkraft und Kopfstärke der Divisionen schwanden zusehends dahin. Die Verluste mehrten sich^). Sie konnten zahlenmäßig nur selten, wertmäßig überhaupt nicht wieder ausgeglichen werden, denn der Ersatz aus der Heimat ließ in seinem Können wie in seinem Kampfeswillen
zunehmend zu wünschen übrig, wirkte oft geradezu schädlich aus den Geist i) Vgl. Beil. 45 (Zeittafel der Abwehrkämpfe an der Westfront vom 12.August bis 11. November 1918). Beil. 42.
760
Rückblick auf die Abwehr seit Mitte August.
der Fronttruppe. Zu den tatsächlichen Gefechts- und Krankheitsverlusten trat die wachsende Zahl von Drückebergern, die von ihrer Truppe abge¬ kommen oder beurlaubt, keinen Wert darauf legten, diese wieder zu er-
reichen, vielfach sie überhaupt schon eigenmächtig verlassen hatten. Bei den durch die Verhältnisse gebotenen häufigen Verschiebungen von Ver¬ bänden und Truppenteilen vermochten die hinter der Front eingerichteten
Aussang' und Weiterleitungsstellen ihre schwierige Aufgabe nicht mehr zu lösen. Massen von Versprengten und Drückebergern aller Art hielten sich
hinter der Front aus. Ihre Zahl ist naturgemäß auch nicht annähernd festzustellen. Die Schätzungen schwanken für das Kriegsende zwischen 200000 und 1500000 Mann; in Maubeuge allein befanden sich damals 40000 „Versprengte".
Die dahinschmelzenden Gefechtsstärken machten lückenlose Frontbe¬ setzung immer schwieriger. Alle kampfkräftigen Reserven waren längst ver-
braucht. Der sinkende Kampfeswille ließ die Wiederstandskraft der Truppen seit Ende August schnell weiter abnehmen. Die Front fing stellenweise an zu zerbröckeln. Ihre Verkürzung, Aufgabe des Geländes der GeorgetteOffensive sowie Ausweichen der 17., 2. und 18. Armee in die Winterstellung, brachte kaum Entlastung. Sie schuf zwar vorübergehend ver-
mehrte Reserven, kam aber in dieser Hinsicht dem Gegner ebenso zugute. Kämpfende Nachhuten hielten ihn zunächst ab, wurden aber doch rasch zurückgedrängt. Die Abwehr gestaltete sich immer beweglicher, indem sie dem überlegenen feindlichen Druck bald hier, bald dort nachgab. Da der Gegner durch Großangriffe, wenn auch mit jeweils nur begrenztem Ziel, die von stärkstem Artillerie-Feuerschlag eingeleitet und meist von zahlreichen Tanks begleitet wurden, bereits Ansang September in die neue deutsche
Stellungsfront Breschen zu schlagen vermochte und die völlig überanstrengte deutsche Truppe allmählich weiter zermürbte, konnte auch die Winterstellung der beiden nördlichen Heeresgruppen nur knapp eine Woche gehalten werden. Das weitere Ausweichen auf die Stellungen des Frühjahrs (SiegfriedStellung) brachte nur ganz vorübergehende Erholung, denn der Gegner drückte die Nachhuten, die ihn aushalten sollten, wiederum rasch zurück und setzte den Zermürbungskamps gegen die neue deutsche Front fort, während um dieselbe Zeit mit dem Verlust des St. Mihiel-Bogens auch an einem
bis dahin ruhigen Frontabschnitt eine schwere Niederlage eintrat. Als der Gegner dann vom 26.September an zwischen Reims und
der Maas sowie bei Cambrai—St. Quentin und in Flandern zur allgemeinen Offensive antrat, kam es zu neuen, Kräfte verzehrenden Abwehr-
schlachten, die ihm bei seiner zahlenmäßigen und materiellen Überlegenheit
Nachlassen der Widerstandskraft.
761
auch gegen ausgebaute Stellungen Erfolg brachten. Immer seltener und meist nur, soweit ein wirksames Hindernis gegen Tankangriffe Schutz bot, gelang es, die unter einem gewaltigen Feuersturm und an den entscheiden¬
den Stellen mit zahlreichen Kampfwagen und Fliegern geführten Angriffsstoße ohne Geländeverlust abzuwehren.
Das deutsche Waffenstillstandsersuchen vom 4. Oktober gab dem feind¬ lichen Angriffswillen neuen Auftrieb, während es den Widerstandswillen der deutschen Truppe weiter absinken ließ. Ihre Front wurde allmählich,
aber unaufhaltsam zurückgedrängt. Die Oberste Heeresleitung mutzte angesichts immer neuer Einbrüche ganz gegen ihre Absicht schon bald weiteres Ausweichen in die Hermann/Gudrun-Stellung zugestehen, um zu verhindern, daß ein feindlicher Durchbruch ganze Teile der Front abschnitt. Widerstand bis zur äußersten Grenze dessen, was die Truppe noch zu leisten in der Lage war, und Ausweichen in die nächste Abwehrlinie wechselten miteinander ab. Damit blieb dem Gegner jeder größere operative Erfolg versagt. Er
mußte sich mit sehr langsamem und rein frontalem Zrückdrücken der deut¬ schen Linien zwischen Meer und Maas begnügen. Auch seine Kampfkraft schien nachzulassen, seine Infanterie müde zu sein. Sie griff selbst schwache deutsche Teile nur noch an, wenn überwältigendes Artilleriefeuer und
stärkster Fliegereinsatz jeden Widerstand erstickt hatten oder Tanks den Weg bahnten. Zudem begannen die beim Rückzüge an Eisenbahnen und
Straßen planmäßig vorgenommenen Zerstörungen das Nachfolgen seiner Fahrzeuge und damit seine Angriffe zu erschweren. Nach einiger Zeit gelang es ihm aber immer wieder, die deutsche Front an schwachen Stellen
einzudrücken und damit auch dazwischenliegende stärkere Abschnitte zu Fall zu bringen. Insgesamt war die feindliche Vorwärtsbewegung allerdings äußerst langsam. Am 29. August hatte der Gegner bei Peronne das westliche Somme-Afer erreicht, erst 3? Tage später konnte er in das nur 20Kilometer weiter östlich gelegene St. Quentin einrücken, und abermals 26 Tage, bis zum 27. Oktober, brauchte er, um die weiteren 20 Kilometer bis vor Guise zurückzulegen.
Aber auch das deutsche Heer verbrauchte sich in diesen ununterbrochenen Kämpfen weiter und wurde durch die dauernden Mißerfolge immer mehr zermürbt. Die Gefechtsstärken waren allmählich derart gesunken, daß die Mehrzahl der Divisionen nur noch einen Artillerie-Verband mit schwacher
Infanterie-Bedeckung (800 bis 1200 Gewehre) darstellten. Für die Haltung der Truppe sprach jetzt mehr denn je entscheidend mit, daß die politischen Vorgänge und die Stimmung in der Heimat aus das Heer zurückwirkten. Die verschiedenen Kundgebungen des Präsidenten Wilson hatten in
762
Rückblick auf die Abwehr seit Mitte August.
weiten Kreisen die Hoffnung geweckt und immer wieder neu belebt, daß
Deutschland einen seinen Belangen gerecht werdenden Frieden haben könne, wenn es sich ihm nur anvertraue und seinen Anregungen folge. Die Reichsregierung aber tat nichts, um den damit drohenden Gefahren
Vorzubeugen. Durch ihr Nachgeben gegenüber den sich steigernden Forde¬ rungen in den Waffenstillstandsnoten des Präsidenten, durch ihre Untätig¬ keit gegenüber den zersetzenden Einflüssen der Linkspresse, durch den Sturz des Generals Ludendorff, die öffentliche Erörterung der Kaiserfrage, die ungehemmte Wühlarbeit der mit der feindlichen Propaganda Hand in Hand arbeitenden Unabhängigen Sozialdemokratie wurde der Geist des Heeres ins Wanken gebracht. Alle Erlasse des Generalfeldmarschalls ver¬ mochten den Schaden nicht mehr gutzumachen, der durch diese Verhältnisse in zunehmendem Maße entstand. Schließlich ließen die Mitteilung von der Abreise der Waffenstillstandskommission und vollends die zur Front
dringenden Nachrichten über die revolutionäre Bewegung in der Heimat bei einem Großteil der Mannschaften den letzten Kampfeswillen schwinden. Nach mehr als vier Iahren Krieg dachten sie nur noch an Schluß des Kamp¬ fes und Rückkehr nach Hause. So nur sind die Meldungen der am 9. No¬ vember in Spa versammelten Kommandeure über ihre Truppen zu er¬
klären. Sie entsprachen weitgehend den tatsächlichen Verhältnissen. Die Offiziere allerdings, diese mit nur geringen Ausnahmen, und mit ihnen ein nicht unbeträchtlicher Teil der Unteroffiziere und Mannschaften, waren nach wie vor gewillt, ihr Leben zu opfern im weiteren Kampf gegen den Feind. Aus ihren Reihen stammten die Braven, die unter
heldenhaftem Einsatz ihrer Person in einsamen Maschinengewehrnestern der immer lichter werdenden Front bis zuletzt den nachdrängenden Feind abwehrten. Mit dem am 5. November abends begonnenen Rückmarsch und seiner
Fortsetzung bis in die Antwerpen/Maas-Stellung vergrößerte sich dann bei den Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Deutscher Kronprinz rasch der Abstand vom Feinde, der auf beschädigten Straßen und über zerstörte Brücken nur langsam zu folgen vermochte; die Fühlung mit ihm ging an weiten Abschnitten so gut wie ganz verloren. An der Maas aber,
oberhalb von Eharleville, oberhalb von Mouzon sogar aus ihrem Ostuser, gingen die Kämpfe unter dauernden Geländeverlusten bis zum II. No¬ vember weiter.
Der Waffenstillstand fand das deutsche Westheer in einem Zustande, der ohne eine Atempause nachhaltigen Widerstand kaum noch gestattete. Das war zum Teil auf die Abermacht der Gegner zurückzuführen, ebensosehr aber auch auf das zunehmende Versagen der heimatlichen Gewalten. Sie
Die Lage bei Abschluß des Waffenstillstandes.
763
hatten sich angesichts der Macht der Reichstagsparteien zu keinem Zeit¬ punkt des Krieges dazu aufraffen können, in starkem, den Kampfeswillen förderndem Sinne auf den Geist des Volkes und damit des Heeres einzuwirken und die politische Wühlarbeit von Parteien zu unter¬
binden, die aus ihrer staats- und vaterlandsfeindlichen Gesinnung kein
Hehl machten.
Es wäre Ehrensache für das deutsche Heer nicht nur, sondern auch
für das deutsche Volk gewesen, den Widerstand bis zur Erschöpfung der
letzten Kraft fortzusetzen. Ihn aufzugeben, bestand nach der operativen und taktischen Lage, nach Zahl der Kämpfer wie ihrer Ausstattung mit Waffen, Gerät, Munition und Verpflegung kein Zwang. Die hierüber von General Ludendorff in der Kabinettssitzung vom 17. Oktober wie auch von General Groener noch am 5.November abgegebenen Erklärungen
gaben ein in jeder Hinsicht zutreffendes Bild der Verhältnisse. Fortsetzung des Kampfes für einige Monate, zunächst in der Antwerpen/Maas-Stellung, dann etwa an der Reichsgrenze, schließlich am Rhein, wäre taktisch wie materiell möglich gewesen, wenn der Wille der Heimat dahinter gestanden hätte. Die Gegner hätten viel Zeit gebraucht zu immer wieder neuem Aufmarsch. Vorbedingung aber wäre eine feste Haltung der Reichsregierung gewesen, wie sie — leider vergeblich — General Ludendorff
bereits seit dem Frühjahr 1917 immer wieder gefordert hatte und nach ihm ebenso General Groener. Statt dessen hat die Reichsregierung durch ihr Verhalten den Geist des Heeres gelähmt und damit seine Widerstandskraft in gefährlicher Weise geschwächt, zugleich aber der Revolution die Wege geebnet. Diese hat dann rasch eine Lage geschaffen, die am II.No¬ vember zur bedingungslosen Niederlegung der Waffen zwang. Die Revolution war tatsächlich der „Dolchstoß" in den Rücken des gewiß bereits er-
matteten, aber doch noch keineswegs widerstandsunfähigen Heeres. Auf der Gegenseite waren Ministerpräsident Elemenceau und Marschall Foch und erst recht die Amerikaner fest entschlossen, die Offensive ohne Unterbrechung fortzusetzen. Der Aufmarsch für den Angriff in Lothringen, der spätestens am 14. November losbrechen und in den Rücken der MaasStellung führen sollte, war in vollem Ganges. Aus Oberitalien war das
italienische Heer zum Vorgehen durch Tirol aus München bestimmt. Die Valkan-Streitkräfte der Entente, der sich Rumänien am 9.November wieder
angeschlossen hatte, standen im Begriff, in Ungarn einzurücken. Aber das Endergebnis konnte kein Zweifel sein, wenn eine solche, Deutschland um-
klammernde Gesamtoperation in vollem Umfange zur Durchführung kam. '
!) Vgl. S. 703.
764
Die Lage bei Abschluß des Waffenstillstandes.
Ob das aber in absehbarer Zeit der Fall gewesen wäre, wenn das deutsche
Heer seinen Widerstand fortsetzte, bleibt fraglich. Marschall Foch selber hat mit der Möglichkeit gerechnet, daß die Deutschen hinter Maas und Rhein noch vier Monate Widerstand leisten könnten. Auch liegen mancherlei
Anzeichen dafür vor, daß Angriffswille und Angriffskraft der feindlichen Heere zur Neige gingen. Die Völker der Entente befanden sich zur Zeit des WasfenstUlstands-Abschlusses gewiß im Siegestaumel, waren aber in ihrer Masse kaum gewillt, die letzte Kraft an einen totalen Endsieg zu setzen. Bis die feindlichen Balkan-Truppen gegen Deutschland wirksam werden konnten, mußte geraume Zeit vergehen. Auch wäre das italienische Heer sicherlich nicht imstande gewesen, im Winter die Alpenpässe zu überwinden.
Für die Angriffskraft der Westmächte aber ist die Äußerung des Marschalls Foch kennzeichnend, der bei den Waffenstillstandsbesprechungen am 8. No¬ vember jede sofortige Waffenruhe mit der Begründung ablehnte: wenn das deutsche Heer auch nur drei Tage Ruhe erhalte, kriege es kein Mensch mehr aus seinen Stellungen heraus^). Andererseits sind vollgültige Be¬ weise für das gesunkene Angriffsvermögen der Gegner kaum zu erbringen.
Ihr Schrifttum sucht begreiflicherweise durchweg zu betonen, daß es die Kraft ihrer Waffen gewesen sei, die das deutsche Heer zur Kapitulation gezwungen habe. Immerhin ist beachtenswert, daß der englische General Sir F. Maurice feststellt ^): „Bei Abschluß des Waffenstillstandes war die Gesamtlage derart, daß die verbündeten Armeen zwischen der holländischen Grenze und der Maas zur Fortsetzung der Offensive unfähig waren: Nur zwei
britische Kavallerie-Divisionen standen zu örtlicher Verfolgung bereit und konnten diese im Bereiche eines Teiles der britischen Front ausführen. Die Deutschen waren schwer geschlagen und im wesentlichen hilflos, aber wir waren für einige Zeit nicht in der Lage und konnten auch nicht in der Lage fein, ihre militärische Vernichtung zu vollenden. Die verbündeten Armeen
hätten bei Ablehnung des Waffenstillstandes wahrscheinlich schwer zu kämpfen und ernste Verluste zu ertragen gehabt, während sie gleichzeitig damit rechnen mußten, daß der größere Teil von Belgien, einschließlich der Städte Brüssel und Antwerpen und des großen Industriegebietes von
Charleroi, der Zerstörung durch die Deutschen verfiel, in deren Händen sie sich noch befanden. Für einen neuen Angriff an der Lothringer Front war zwar alles fertig, aber auch er würde zweifellos große Opfer an S. 747. 2) „The Last Four Months. The End of the War in the West", S. 227ff« Der 93er-
faffer war bis April 1918 Leiter der Operations-Abteilung im englischen Kriegsminifterium,
dann Militär-Schrjftsteller.
Die Lage bei Abschluß des Waffenstillstandes.
765
Menschenleben gekostet und wertvolle Gebiete, die jetzt unbeschädigt in französischen Händen sich befinden, der Verwüstung ausgeliefert haben". General Maurice hat diese Verhältnisse im einzelnen weiter ausge¬ führt, indem er darlegte, daß die verbündeten Armeen am N.November
die äußerste Grenze erreicht oder doch fast erreicht hatten, bis zu der regel¬ mäßiger Nachschub noch möglich war: Auf den in vier Kriegsjahren her¬ untergewirtschafteten Eisenbahnen Frankreichs war der Nachschub ohne¬ hin schon äußerst schwierig, und an den Bahnen im deutschen Rückzugsgebiet waren durch Zerstörung aller Brücken und Stationseinrichtungen so schwere Schäden angerichtet, daß sie zunächst unbenutzbar waren. Die Eisenbahnendpunkte lagen daher 56bis 80 Kilometer Luftlinie hinter der Front und nach der Wegeentfernung oft doppelt so weit. Diese Lücke mußte mit Kraftwagen auf Straßen überwunden werden, die durch die deutschen Rückzugsbewegungen bereits aufs schwerste mitgenommen und durch Zerstörung aller Brücken und zahlreiche sonstige Sprengungen voll¬ ends unbenutzbar gemacht waren. Schon bisher war z. B. bei der engli¬ schen 4. Armee mehr als die Hälfte der Kraftwagen infolge der schlechten
Straßen zusammengebrochen. Der Vormarsch des britischen Heeres be¬ gann daher erst am 17. November, sechs Tage nach Inkrafttreten des
Waffenstillstandes, und auch zu dieser Zeit traten insgesamt nur 16 britische Infanterie-Divisionen von 59,die sich in Frankreich und Belgien befanden, den Vormarsch an. Trotz dieser langen Pause und ohne daß Munition verbraucht wurde, mußte aber auch für diesen kleinen Teil des britischen Heeres bereits Ansang Dezember ein Halt eingelegt werden, da die Nach¬ schubzüge der Eisenbahn mehr als 48 Stunden hinter der berechneten Zeit zurückblieben. Ähnliches — so schreibt General Maurice — könne über die
Lage bei den belgischen, französischen und amerikanischen Truppen gesagt werden.
Für die Richtigkeit dieser Behauptung ist unmittelbares Beweis¬ material nicht bekannt geworden. Immerhin war Marschall Foch selber — wie schon erwähnti) — der Ansicht, daß die Deutschen hinter Maas und
Rhein noch ein oder auch mehrere Monate Widerstand leisten könnten.
In demselben Sinne hat er sich noch zehn Jahre später im Gespräch mit einem Vertreter der Wiener „Neuen Freien Presse" dahin geäußert, daß „Deutschland im November 1918 hinter dem Rhein hätte standhalten können. Wenn das deutsche Volk einen Gambetta gehabt hätte, wäre der Krieg verlängert worden, und wer weiß?""). Daß der Kampfeswille der 1) S. 745, Anm. 1. 2) Gen. von Kühl in „Deutscher Offizierbund", 1923 Nr. 25: „Hätte Deutschland den Krieg gewinnen können?"
766
Die Lage bei Abschluß des Waffenstillstandes.
Franzosen, die von allen am Kriege beteiligten Nationen die verhältnis¬
mäßig größten Blutopfer gebracht hatten^), tatsächlich nicht mehr groß war, zeigte sich im übrigen auch in den Meutereien der im Schwarzen Meer eingesetzten Teile von Heer und Flotte, die deswegen im März 1919 Odessa und Sewastopol wieder räumen mußten.
Aber auch die amerikanische Kriegführung stand nach einem im Hauptquartier des Generals Pershing verfaßten Bericht im November 1918 sehr dicht vor einem toten Punkt: „Sie hatte die Zahl des verfügbaren ausgebildeten Ersatzes weit schneller aufgebraucht, als durch Nachschub aus der Heimat herangeschafft werden konnte"^). So erscheint es doch recht zweifelhaft, ob die Entente-Heere im No¬ vember 1918 in der Lage gewesen wären, die Offensive mit dem erforder-
lichen Nachdruck fortzusetzen. Insgesamt ergibt sich das Bild, daß das deutsche Heer — wenngleich aus unzähligen Wunden blutend — bei Fort¬
setzung des Kampfes mit allen Mitteln und tatkräftiger Unterstützung seitens der Reichsregierung sehr wohl noch einige Monate hätte durchhalten können. Daß es damit erträglichere Waffenstillstands-' und Friedens-
bedingüngen erreicht hätte, läßt sich nicht beweisen, liegt aber durchaus im Bereiche der Möglichkeit.
Rückschau auf den Gesamtkriegsverlauf. Nach einer langen Reihe großer Erfolge gegen feindliche Abermacht und Eroberung weiter Teile gegnerischen Gebiets hat das deutsche kaiserliche Heer die Waffen niedergelegt. Als es am 1. August 1914 zum Kampfe um Deutschlands Lebens-
recht antrat, war sich seine Führung des Ernstes der Lage und der Schwere der Ausgabe voll bewußt. Die ersten Erfolge lösten Siegesstimmung aus. Aber der flott vorwärts schreitenden Offensive im Westen und dem strahlenden Siege von Tannenberg im Osten folgten Enttäuschungen. Als an der
Marne der in greifbare Nähe gerückte taktische Sieg durch das Absetzen vom Gegner operativ in das Gegenteil verwandelt wurde, fast gleichzeitig
in Galizien das österreichisch-ungarische Heer schwer erschüttert russischer Übermacht weichen mußte und zu alledem noch die Munitionsvorräte zur Neige gingen, ergab sich eine Krise, deren Ernst damals nur wenigen bekannt wurde. !) Beil. 42.
2) Mitgeteilt von Gen. Ludendorff in „Entgegnung auf das amtliche Weißbuch: «Vorgeschichte des Waffenstillstandes»", Heft 2: „Das Verschieben der Verantwortlichkeit", S. 131, nach der „Illinois-Staatszeitung" vom 29. Juli 1919.
Rückschau auf den Gesamtkriegsverlauf.
767
An Stelle des erkrankten Generalobersten vonMoltke übernahm der jugendsrische General von Falkenhayn die Leitung der Operationen.
Da auch ihm der im Westen nochmals erstrebte Erfolg versagt blieb, wäh¬ rend im Osten die Kräfte für einen großen Sieg nicht ausreichten, führte Erschöpfung von Freund und Feind im Westen wie im Osten zum Stel¬ lungskampf. Ein Ende des Krieges war nicht mehr abzusehen, die Lage wurde damit immer schwieriger. Wohl brachte das Jahr 191 5neue stolze Siege gegen Rußland wie gegen Serbien, aber sie reichten bei weitem nicht aus, die zu einer kriegs-
entscheidenden Offensive im Westen erforderlichen Kräfte frei zu be¬ kommen. Der mit beschränkten Mitteln gegen Verdun unternommene
Angriff blieb nach Hoffnung erweckenden Anfangserfolgen stecken, und die dann einsetzenden neuen Anstürme der Russen im Osten, vor allem aber
der Westgegner im Somme-Gebiet, offenbarten die erschreckende feind¬ liche Überlegenheit an Zahl und Material. Als im August auch noch Ru¬ mänien in die Reihe der Gegner trat, wurden Generalfeldmarschall von
Hindenburg und General Ludendorfs zur Obersten Heeresleitung
berufen. Anbegrenztes Vertrauen zu den bisher stets erfolgreichen Führern im Osten erfüllten Heer und Volk. Es weckte starke neue Hoffnung. Die
rasche Niederwerfung Rumäniens steigerte sie noch. Man fühlte sich stark genug, um die Weihnachtszeit die Hand zum Frieden auszustrecken. Als
sie schnöde zurückgewiesen wurde, blieb für 1917 zu Lande nur Abwehr übrig; denn allzuviel an Kraft hatte das deutsche Heer in mehr als zwei Kriegsjahren bereits eingebüßt. Die Hoffnung wandte sich dem von der
Reichsleitung aus politischen Gründen bisher verhinderten uneinge¬ schränkten Unterseekrieg zu, der England in einem halben Jahr friedens¬
bereit machen sollte. Doch auch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Statt dessen traten die Amerikaner als neue Gegner auf den Plan, und die
sinkende Stimmung der Heimat fand in der Friedensresolution des Reichs¬ tages einen für die Gesamtlage schädlichen Ausdruck. Der Vernichtungs¬ wille der Gegner wuchs. Obgleich die Amerikaner einstweilen noch nicht in der Lage waren, in den Landkrieg einzugreifen, wurde der Sommer 1917
wiederum zu einer Zeit schwersten Ringens gegen feindliche Übermacht, bis der Zusammenbruch Rußlands im Herbst Erleichterung brachte. Noch¬ mals belebte sich die Zuversicht auf ein gutes Ende. Sie steigerte sich zu freudiger Siegeshoffnung, als am 21. März 1918 die deutschen Truppen aus ihren Gräben stiegen. Doch wiederum reichte die Kraft nicht, einen
raschen Entscheidungssieg zu erringen. In zunehmendem Maße verstärkten die Amerikaner die Reihen der Gegner. Die bis zum äußersten angespannte
Rückschau auf den Gesamtkriegsverlauf.
768
Kraft des deutschen Heeres aber schmolz vor der wachsenden Übermacht zusehends dahin, und weit schneller noch sank der Kampfeswille des Volkes in der Heimat. Mehr als vier Jahre hatten Deutschlands Volk und Heer in unver¬
gleichlichem Heldenkampf fast der gesamten Welt widerstanden. Trotz aller Blutopfer und Entbehrungen hatte der deutsche Soldat den Feind von den Grenzen der Heimat ferngehalten. Mit 1,9 Millionen Toten (2,8 v. H. der Bevölkerung, 14. v. H. der zum Wehrdienst Aufgebotenen)
hat das deutsche Volk in unerhörten Kämpfen das Blut seiner Besten dahingegeben. Solche Kraftentziehung ist an der Leistungsfähigkeit des Heeres
gewiß nicht spurlos vorübergegangen. And doch hat nicht die gesunkene Kampfkraft der Front, sondern die Revolution in der Heimat, der „Dolch¬ stoß" in den Rücken des kämpfenden Heeres, dazu gezwungen, am II. No¬ vember 1918 das feindliche Waffenstillstandsdiktat anzunehmen, ohne die letzten Mittel des Widerstandes erschöpft zu haben. Angesichts der nunmehr in vollem Gange befindlichen Revolution stellt die Rückführung des Westheeres bei gleichzeitiger Erfüllung der vom
Vernichtungswillen der Gegner auferlegten schweren Waffenstillstandsbedingungen eine letzte große Leistung der Führung dar. Dann aber mußte das Heer, das eine Welt von Feinden mit Schrecken,
aber auch mit Bewunderung erfüllt hatte, aufgelöst werden. FreiwilligenVerbände aus Offizieren und gesinnungstreuen Unteroffizieren und Mann¬
schaften übernahmen sein Erbe, stellten allmählich die Ordnung im Reiche wieder her und wurden die Keimzellen künftigen militärischen Wieder¬
aufbaus.
Nachweis des wesentlichsten Schrifttums. Die Verzeichnisse der früheren Bände gelten auch für den vorliegenden Band. Nur
einige grundlegende Werke sind nochmals aufgeführt. 1. Deutsches Schrifttum. „Amtliche Urkunden zur Vorgeschichte des Waffenstillstandes." Auf Grund der Akten der Reichskanzlei. Herausg. Auswärtiges Amt. Berlin 1924. (Sogenanntes „Weißbuch".) „9er Waffenstillstand 1918—1919. Dokumenten-Material der Waffenstillstandsverhandlungen von Compiögne, Spa, Trier und Brüssel." Band I. Herausgegeben von Edmund Marhefka. Berlin 1923. „9ie deutschen Luftstreitkräfte von ihrer Entstehung bis zum Ende des Weltkrieges 1918." Herausgegeben vom Reichsluftfahrtministerium. (Amtl. Werk der Luftwaffe): Sonderband 6: „Die Luftstreitkräfte in der Abwehrschlacht zwischen Somme und Oise vom 8. bis 12. August 1918. Rückblicke auf ihre vorangegangene Entwick¬ lung." Berlin 1942.
Sonderband?: „Der militärische Heimatluftschutz im Weltkriege 1914—1918" Berlin 1943.
„Osterreich-Ungarns letzter Krieg 1914—1918." Herausgegeben vom österreichischen Bundesministerium für Landesverteidigung und vom Kriegsarchiv. (Österr. Amtl. Werk.) Band VII. „Das Kriegsjahr 1918." Wien 1938. „Schlachten des Weltkrieges 1914—1918." Herausgegeben unter Mitwirkung des Reichs-
archivs: Band 32: „Deutsche Siege." Oldenburg-Berlin 1929. Band 33: „Wachsende Schwierigkeiten." Oldenburg-Berlin 1930. Band 34: „Der letzte deutsche Angriff Reims 1918." Oldenburg-Berlin 1930. Band 35: „Schicksalswende." Oldenburg-Berlin 1930. Band 36: „Die Katastrophe des 8. August 1918." Oldenburg-Berlin 1930. „Vie Rückführung des Westheeres." Berlin 1919. „Nachkriegskämpfe." Herausgegeben von der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt des
Heeres. Band 1: „Die Rückführung des Ostheeres." Berlin 1936. Band 5: „Die Kämpfe in Südwestdeutschland 1919—1923." Berlin 1939. Band 6: „Die Wirren in der Reichshauptstadt und im nördlichen Deutschland 1918—1920." Berlin 1940.
Friedrich Areboe: „Der Einfluß des Krieges auf die landwirtschaftliche Produktion in
Deutschland." Stuttgart, Berlin, Leipzig 1927. Prinz Max von Baden: „Erinnerungen und Dokumente." Berlin, Leipzig 1927. Johann Adolf von Batocki: „Rationierung der Lebensmittel." Handbuch der Politik. Band II. Berlin, Leipzig 1920. „Fritz von Below, General der Infanterie. Ein Lebensbild, gezeichnet von Hanns Möller." Berlin 1939.
Georg Bruchmüller: „Die deutsche Artillerie in den Durchbruchsschlachten des Weltkrieges." Berlin 1922. Weltkrieg. XIV. Band.
770
Nachweis des wesentlichsten Schrifttums.
Stefan Graf Bnrian: „Drei Fahre. Aus der Zeit meiner Amtsführung im Kriege." Verlin 1923. August von Eramon: „Unser Österreichisch-Ungarischer Bundesgenosse im Weltkriege." Berlin 1920.
Wilhelm Dieckmann: „Die Behördenorganisation in der deutschen Kriegswirtschaft 1914 bis 1918." Hamburg 1937. Magnus von Eberhardt, Königl. Preuß. General der Infanterie: „Lebenserinnerungen." Neudamm 1933.
Major Hermann Ritter von Giehrl: „Das amerikanische Expeditionskorps in Europa 1917/18" in „Wissen und Wehr". 1921. S. 217ff. u. 340ff. Otto Goebel: „Deutsche Rohstoffwirtschaft im Weltkrieg." Veröffentlichung der Carnegie-
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Joseph Koeth: „Rohstoffbewirtschaftung." Handbuch der Politik. Band II. Berlin, Leipzig 1920.
Krafft von Dellmensingen: „Der Durchbruch." Hamburg 1937. General von Kühl: „Die Kriegslage im Herbst 1918. Warum konnten wir weiterkämpfen?" Berlin 1922. von Loewenstern, Baron Elard: „Eine falsche englische Rechnung. Die Fliegerschlacht von Amiens am 8. August 1918." Berlin 1938.
Ludendorff: „Entgegnung auf das amtliche Weißbuch.
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standes»." Heft 1—3. Berlin 1919. Otto von Moser: „Ernsthafte Plaudereien über den Weltkrieg." Stuttgart 1925. Alfred Niemann: „Kaiser und Revolution." Berlin 1922. „Revolution von oben — Umsturz von unten." Berlin 1927.
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Graf Armand, franz. Großindustrieller 6.
O. B. Ost-Armee 732.
Frhr.Arz von Straußenburg, ö.-u.Gen.
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730ff. 734ff. 741. Baden, Großherzog von 637. 673.
Max Prinz von Baden, Reichskanzler 634ff. 655. 661 ff. 665. 668ff.' 672ff. 694. 705. 710ff. 717. 747. von Bartenwerffer, Genmaj., Chef d. Polit. Abt. d. O. H. L. 626. 629.
Baucheron de Boissoudu, franz. Gen., O. V. 7. Armee 476.
Bauer, Oberst, Chef d. Op. Abt. II der 0.H.L. 520 f.
Beck, Hauptm., seit 18. 4. 1918 Major,
Genst. Off. d. Hgr. Deutscher Kronprinz 92. 167. 376f. 435. 444. 470. 715. von Below (Eduard), Gen. d. Inf., Komm. Gen. V. A. K. 600. von Below (Fritz), Gen. d. Inf., O.B. 1.Armee 340. 356f. 359. 365. 372.
386 ff. von Below (Otto), Gen. d. Ins., O.B. 6. Armee, ab 9.9.1917 14. Armee, ab 1.10.1918 17. Armee, ab 8.11.1918 1. Armee 69. 76. 109. 114. 135. 148f. 169. 171. 182f. 189. 206. 217. 225. 229. 576. 615. 651. 713. von Berg. Chef d. Zivilkabinetts 637.
Berthelot, franz. Gen., seit 5.7.1918 O.B. 5. Armee 460. 476.
von Bethmann-Hollweg, Reichskanzler
22. 3. 1918 vom 12. 8. Boehn, ab 262ff. 339. 376. 378.
382f. 440. 444. 448. 466f. 473. 478. 480. 483 f. 488. 490. 537. 571. 576. 585. 590. 604. 647. von dem Borne, Genlt., Komm. Gen. VI. R.K. 112. 171.
Boroevic von Bojna, ö.-u.Feldm./O. B. einer Heeresgruppe 728. 731 f. Graf von Bothmer, Gen. Oberst, O.B. 19. Armee 77. 713.
Bruchmüller, Oberst 44.. Buat, franz. Gen., seit Sommer 1918 Ch. d. Genst. d. Heeres 72. Bürckner, Obstlt., Ch. d. Genst. 18. Armee 554.
Bullard, amerik. Genmaj., O. B. 2. Armee 656.
Graf Burian, ö.-u. Außenminister 625. 628. 726 f. 734. 738. Frhr. von dem Bussche-Ippenburg,
Maj., Genst. Off. b. d. Op. Abt. der O. H. L. 496. 594. 635ff. 664. Sir I. Byng, brit. Gen., O.B. 3.Armee 138. 194.
Graf Cadorna, ital. Gen., Ch. d. Genst. d. Armee 22. 732. von Carlowitz, Gen. d. 2. Armee 597. 604.
Ins., O. B.
Personenverzeichnis. de Castelnau de Curiöres, franz. Gen., O. B. Hgr. Ost 379.' 612. 614. Clemenceau, franz. Ministerpräsident u. Kriegsminister 4. 6. 17. 23 f. 202. 204 f. 333. 509. 540. 657. 671. 726. 763. Frhr. Conrad von Hohendorf, ö.-u. Feldm., O. B. Hgr. Conrad 729. 732.
741 f. von Conta, Genlt., Komm. Gen. IV. R. K. 129. 159. 176. 187. 240. 342. 347. 355. 564.
von Cramon, Genmaj., Bevollmächtigter deutscher General bei d. ö.-u. Heeres¬
leitung 39f. 421. 622. 625ff. 707. 727. 734f.
Graf Czernin, ö.-u. Außenminister 3. 7f. 16. 624. 725f. 728.
von Dandl, bayer. Ministerpräsident 631. Debeney, franz. Gen., O.B. I.Armee 195. 476. 554. 557.
Degoutte, franz. Gen., O.B. 6.Armee 460 f. 476f. 497. 613. Diaz, ital. Gen., Ch. d. Genst. 612.732.738. Diefenbach, Genlt., Komm. Gen. IX. R.K. 219. 232.
Drews, preuß. Minister d. Innern 705. Duchene, franz. Gen., O. V. 10. Armee, später 6. Armee (Hgr. Nord) 338. 348 ff. 378.
Dulsberg, Geh. Rat Dr., Großindustrieller 521.
von Eben, Gen. d. Inf., O.B. 9. Armee 467. 469f. 475. 478. 430. 483. 486. 504. von Eberhardt, Gen. d. Inf., Komm. Gen. X. R. K. 294.
Ebert, Friedrich, sozialdem. Reichstags¬ abgeordneter 671. 718. von Einem gen. von Rothmaler, Gen.
Ob., O.B. 3.Armee, später Hgr. B 434. 442. 450f. 453. 620. 697. 751. Ritter von Endres, Genlt., Komm. Gen. I. b. A. K. 494. 560.
Erzberger, Staatssekretär 711. 747. Frhr. von Esebeck, Major, Chef d. Genst. 9. Armee 467.
773
von Etzel, Genlt., Komm. Gen. XVII. A.K 482. von Eulitz, Genmaj., tgl. sächs. Mil. Be¬
vollmächtigter 633. von Falkenhayn (Erich), Gen. d. Inf., Chef d. Genst. d. Feldheeres 766.
vonFaßbender, Gen.d.Inf.,Komm.Gen. I. b. R. K. 219.
Faupel, Oberstlt., Ch. d. Genst. I.Armee 434. 440.
Fayolle, franz. Gen., O.B. Hgr. Mitte, später Hgr. Fayolle. 93. 178f. 183. 195. 205. 224. 246. 248. 406ff. 459. 475ff. 501. 561. 613. Ferdinand, Zar von Bulgarien 8.
Foch, franz. Gen., ab 7.8.1913 Marschall von Frankreich, Ch. d. Genst., Mitglied d. Obersten Kriegsrates d. Entente, ab 14.4.1918 O. B. der Verbündeten
Heere in Frankreich 17. 21 ff. 94. 194f. 202ff. 246ff. 257. 290ff. 296f. 312. 321. 333ff. 349f. 363. 379ff. 405. 408. 416. 423. 456. 459. 461. 476. 485f. 497. 501 f. 540. 543ff. 557. 563f. 567. 572. 577. 600. 607. 611 f. 614. 621. 644. 649. 656 f. 661. 664. 668. 671. 703. 711. 732.
733. 744ff. 754. 763ff. Franchet d^Espörey, franz. Gen., O. V. Hgr. Nord, seit 18. 6.1918 d. Verbün¬ deten Armeen im Orient 349. 363. 373f. 457. von Franyois, Gen. d. Inf., Komm. Gen.
VII. A. K. 339, 360, 403. Discount French, brit. Feldm., O.B. d. Heimatarmee 19. Fuchs, Genlt., O.B. A.Abt. C 598. 600f. von Gallwitz, Gen. d. Art., O. V. Hgr.
Gallwitz (zugleich 5. Armee), später Hgr. C 76. 587. 599. 602. 645. 648. 697. 704f. 751.
Gantschew, bulg. Gen., Militärbevoll¬ mächtigter 494. Frhr. von Gayl, Gen. [ib. Inf., Kdr. 13. Ldw. Div. 126. 130. Georg V., König v. Großbritannien u.
Irland 18.
774
Personenverzeichnis.
Gerard, franz. Gen., O.B. 8.Armee 476. Geyer, Major i. Genst. (O. H. £.) 746.
von
von Gontard, Genlt., Komm. Gen. XIV. A.K. 120.
Hoffmann, (Max), Genmaj., Chef d.
SirH. Gough, brit.Gen., O.B.S.Armee 99. 131. 178. 195. 247.
Gouraud, franz. Gen., O.B. 4. Armee 338. 460. 476.
Gröber, Staatssekretär 663.
Groener, Genlt., Erster Generalquartiermeister 692ff. 699f. 703ff. 712. 714ff. 763. von Grünau, Leg. Rat 635. von Gündell, Gen.d.gnf., O.B. A.Abt.V
636, 747. von Haeften, Oberstlt., ab 18. 4. 1918 Oberst, Leiter d. milit. Stelle beim
Ausw. Amt 226f. 509ff. 533. 636f. 669. 672. 684. 711.
Sir Douglas Haig, brit. Feldm., O.B. d. Heeres in Frankreich 18ff. 22ff. 97f. 131. 138. 160 ff. 178. 188. 194. 202ff. 247ff. 271. 290ff. 333. 335. 461. 486. 544ff. 557. 560. 563. 613. 744f. von Hartz, Genlt., Komm. Gen. 57. Korps 600.
Graf Hertling, Reichskanzler 2. 4f. 29. 508ff. 513f. 518. 520. 622ff. 629ff. 633. Heye, Oberst, Ch. d. Genst. d. Hgr. Herzog Albrecht, ab 11. 9.1918 Chef d.Op. Abt. d. O. H. L. 70. 592. 594. 607. 628 ff. 635. 645. 662. 665. 668. 692. 715. 717. von Hindenburg, von Beneckendorff und
, Generalfeldmarschall, Chef
des Generalstabes des Feldheeres 1.15. 29. 77. 85f. 93. 166. 471. 484. 490. 493. 495. 499. 509. 511. 513. 516. 518. 533. 558. 586. 593. 595. 602. 618. 622ff.
626 ff. 631 f. 634f. 638. 640. 649. 654 f. 660. 663. 668f. 672ff. 690. 692f. 695. 705. 707. 709. 712ff. 730f.734f. 737f. 750ff. 762. 767. von Hintze, Staatssekretär d.Ausw. Amtes
511. 514. 622f. 625ff. 629f. 632f. 635 f. 661. 692. 717. H i r s ch au e r, franz.Gen., O. B. 2. Armee 476.
Hosacker, Genlt., Komm. Gen. 51. Korps 121. 155. 222. 554. 561.
Genst., O. B. Ost 6. 50. 594. 665 f. 707. Hosmann, Gen. d. Fnf., Komm. Gen. XXXVIII. R. K. 359. 370. 397. 400. 403.
von Hohendorfs, Admiral, Chef d. Admiralstabs 513. Sir H. S. Hörne, brit. Gen., O.B. I.Armee 271.
House, amerik. Oberst, pol. Berater d. Prä¬ sidenten Wilson 661. 745.
Humbert, franz. Gen., O.B. 3.Armee 161. 338. 405ff. 476. 561. 703. von Hutier, Gen. d. Fnf., O. B. 18. Armee 21. 69. 89. 125. 144f. 147. 157. 175. 186.211.230f. 237.306.398. 400. 403 f. 554.
Faeobi, Major, Genst. Off. 18. Armee 554. Sir gohn Fellicoe, brit. Adm., Erster Seelord, O. V. d. Flotte 18.
Foffre, franz. Gen., O.B. d. Heeres in Frankreich 45. Franz Josef, Kaiser v. Österreich, Kö¬ nig von Ungarn 742f.
Erzherzog Josef, ö.-u. Gen. Ob., O. B. 6. Armee 732.
von Kathen, Gen. d. Inf., Komm. Gen. XXIII. R.K. 120. 209.
Karl I., Kaiser von Österreich, König von Ungarn 6ff. 39f. 507. 622. 624ff. 671. 704. 725ff. 732. 734ff. 746. Keller, Obstlt., Chef d. Genst. Hgr. Gall¬ witz 697. von Klewitz, Obstlt., ab 1.2.1918 Ch. d. Genst. 3.Armee, ab 10.8.1918 ^Ar¬ mee, ab 21. 9.1918 3. Armee 70. 414. 434. 442. 463. 561 f. 604. 697.
von Klüber, Maj., ab 27.1.1918 Obstlt., Ch. d. Genst. I.Armee, ab 22.6.1918 A. Abt. A, ab 12.10.1918 17. Armee 324. 326f. 651. Krafft von Dellmensingen, Genlt., ab 8. 8.1918 Gen. d. Art., Ch. d. Genst. 14. Armee, ab 1. 2.1918 17. Armee, ab
Personenverzeichnis. 19. 4.1918 Komm. Gen. IL b. A. K. 63. 70. 74. 76. 81. 84.
Krauh, ö.-u. Gen. d. Inf., O. B. Ostarmee 752.
Frhr. Kretz von Kressenstein, Chef d. Deutschen Delegation im Kaukasus 514. Frhr. von Krobatin, ö.-u. Feldm., O. B. 10. Armee 732.
775
Lloyd George, brit. Premier- u. Kriegsminister 5. 17f. 23f. 202. 333. 541. 545f. 746. von Löhberg, Genmaj., Chef d. Genst. 4. Armee, ab 12. 8.1918 Hgr. Boehn, ab 31.10.1918 Hgr. Herzog Albrecht 67. 74. 266. 269. 283. 285. 300. 487ff. 495. 531 ff. 537. 571. 576. 647. 685. 692.
von Kühl, Genlt., Chef d. Genst. Hgr. Kronprinz Rupprecht 53. 56. 59. 68 f. 73. 75.77. 79ff. 91 f. 148.166.173.181.
Ludendorff, General der gnf., Erster
190. 200. 208. 221. 224. 235. 245. 253.
53ff. 63. 65ff. 70ff. 77. 79ff. 87ff. 103.
266. 269. 280. 283ff. 304f. 311. 314. 316. 318. 321. 326f. 412. 414f. 421. 423 f. 429. 432. 444. 451. 463. 470. 472. 489. 493. 509. 522. 533f. 539. 550. 560. 562f. 592. 596. 651 f. 679. 692. 695f.
133 f. 142. 148. 153. 166f. 171. 173.
765. von Kühlmann, Staatssekretär d. Ausw.
Amtes 3f. 511. Kühne, Genlt., Komm.Gen. XI.A.K. 113. 137. 151. 554.
von Larisch, Gen. d. Inf., Komm. Gen. 54. Korps 341. 344. 346. 381. 554.
Lord Lansdowne, brit. Minister, Führer d. konserv. Partei 5. Lansing, amerik. Staatssekretär 661. Frhr. von -Ledebur, Oberst, Ch. d. Genst. A. Abt. C 598.
von Lenz, Obstlt., Chef d. Genst. 6. Armee
Generalquartiermeister 1. 14 f. 39. 50f.
180ff. 199. 201. 210f. 213ff. 221 ff. 230f. 233ff. 238. 242. 244f. 251. 253f. 259. 266. 268f. 279. 281. 284ff. 288. 296. 300f. 303ff. 307. 310ff. 316ff. 320f. 323ff. 345. 351 ff. 358. 364. 368. 373. 375. 377. 382. 386. 388. 393. 395.
405. 414f. 418f. 421 ff. 427. 429. 431. 434ff. 439. 441. 443ff. 451. 453. 455.
463. 467ff. 484. 487ff. 493ff. 498f. 502. 505. 507. 509ff. 513f. 516. 522. 528. 531 ff. 539. 550. 558. 561. 563. 5ö5f. 568. 572. 574ff. 581 f. 584. 588. 590. 592. 594f. 599. 602. 605. 607. 622ff. 626. 628 ff. 635 ff. 647. 651 ff. 655. 658ff. 665ff. 672ff. 728. 734. 762f. 766f. Ludwig III., König von Bayern 92. 257. 508.
266. 269. 283f. Frhr. von Lersner, Leg. Rat 629f. 635f. Leuthold, Genlt., Komm. Gen. XII. R. K. 600.
Frhr. von Lüttwitz, Genlt., Komm. Gen.
Liebknecht, Karl, Führer d. Unabh. Sozialdenu Partei 671. Liggett, amerik. Genmaj., O.B. I.Armee
Maistre, franz. Gen., O.B. 10. Armee, später Hgr. Mitte 380. 457. 459f. 476.
656.
Lindenborn, Obstlt., Art. Off. Hgr. Kron¬ prinz Rupprecht 470. von
Lindequist, Genlt., Komm. Gen. XIV. R.K. 112. 183. von Linsingen, Gen.Ob., O.B. i. d. Marken 713.
Litzmann, Gen. d. gnf., Komm. Gen. XXXX.R.K. 713.
III. A. K. 128. 144. 223. 230. 239. 554.
Frhr. von Lyncker, Gen. Ob., Chef d. Militärkabinetts 630.
613.
Malinow, bulg. Ministerpräsident 512. Mang in, franz. Gen., O. B. 6. Armee, spä¬ ter 10. Armee 407f. 457. 476f. 485.703. Frhr. Marschall, Gen. d. Kav., Komm. Gen. G. R. K. 282. 294.
Frh. Marschall, gen. Greifs, Genmaj., Chef d. Militärkabinetts 630. Marschall von Bieberstein, Genmaj., Gen. d. Pi. im Gr. H. Ö. 647.
776
Pers onenverzeichnis.
von der Marwitz, Gen. d. Kav., O. B. 2. Armee, ab 27.9.1918 S.Armee
116f. 122. 138. 140. 152f. 172f. 208. 221. 229f. 237. 554. 560. 597. 604. 617. Sir F. Maurice, brit. Gen., -Leiter d. Op. Abt. im brit. Kriegsministerium 764 f.
Gras Mensdorff, ö.-u. Botschafter in London 5. Ritter Mertz von Quirnheim, Obstlt.,
Chef d. Op. Abt. B der O. H. L. 77.314. 404. 422. 484f. 488. 490. 496. 533. 626. 629. 633. von Miaskowski, Major, Ch. d. Genst. VII. R. K., ab 10. 8.1918 3. Armee, ab 21.9.1918 2. Armee, ab 4.12.1918 17. Armee 561. 604.
Micheler, franz. Gen., O.B. 5. Armee 349f. 362. 378f. LordMilner, brit. Minister 202. 205. 292. de Mitry, franz. Gen., O.B. 9. Armee
460f. 476.
A. Abt. A, ab 3.11.1918 Ch. d. Genst. 7. Armee 651 von Payer, Vizekanzler 625. 635. 637. 673. 706.
Pershing, amerik. Gen., O. V. d. Expeditionsarmee 22. 161. 247. 334. 501. 543. 546f. 572. 600. 602. 611. 613.
656f. 703. 745f. Petain, franz. Gen., O. V. d. Heeres in Frankreich 17. 19ff. 94. 96. 98. 160ff. 179. 189. 202ff. 246f. 249. 333. 335. 338. 348ff. 362f. 378f 381. 389. 392. 408. 459ff. 476. 501. 541. 546f. 572. 600. 612f. 644. 657. 703. 745.
Pilsudski, poln. Oberst 671. von Plessen, Gen. Ob., Generaladjutant d. Kaisers und 1. Kommandant d. Gr. H. Q. 422. 471. 490. 568. 586. 624.
674. 705. 712ff. SirH. Plumer, brit. Gen. O. B. 2.Armee 271. 295. 297.
Poinears, Präsident der franz. Republik
Graf von Moltke, Gen. Feldm. 740. 742.
17. 21. 540. 657.
Ritter von Prager, Major, 1. Genst. Off.
von Moltke, Gen. Ob., Chef d. Genst. d. Feldheeres 766. von Morgen, Genlt., Komm. Gen. I.R.K. 397. 554. von Mudra, Gen. d. Fnf., O. B. A. Abt.A, ab 9. 6.1918 1. Armee, ab 12.10.1918 17. Armee 389. 440. 449. 651. 704f.
Hgr. Kronprinz Rupprecht 301. 314. 31Z
Frhr. Prinz von Buchau, Genmaj., Kdr. 28. F. T>. 355. Pulkowski, Hptm. 48. 106. von Quast, Gen. d. Inf., O.B. 6.Armee
272f. 276. 278. 286.
Niemann, Obstlt. i. Genst. 586. Lord Northeliffe, brit. Propaganda¬ minister 18.
Radoslawow, bulg. Ministerpräsident 9. 512.
Graf Oberndorfs, Gesandter 747.
Sir H. Rawlinson, brit. Gen., O. B. 4. Armee, später 5. Armee 24.247. 544.
Ritterund Edler von Oetinger, Genlt., Komm. Gen. IX. A. K. 128. 397. 399. 554.
Reinhardt, Obstlt., ab 18. 4. 1918 Oberst, Ch. d. Genst. 7. Armee 324. 326s. 434.
Frhr. von Oldershausen (Erich), Chef des Feldeisenbahnwesens 71. 441. 443. 495. 533. 563. 587. 590. 626. 633. 693f. 708. 712. 714.
von Pawelsz, Obstlt., Ch. d. Genst. Hgr. Gallwitz, zugleich 5. Armee, ab 18. 4. 1918
17. Armee,
ab
12. 10. 1918
564.
455. 754.
Graf Revertera, öst.ung. Diplomat 6. Frhr. von Richthofen, Rittm. 308.
Sir W. Robertson, brit. Gen., Chef d. Reichs-Genst. 18. 22. 24. 545. Graf Roedern, Staatssekretär 636. Rupprecht Kronprinz von Bayern, Gen. Feldm., O. B. Hgr. Kronprinz
Personenverzeichnis. Rupprecht 92. 108. 257. 414. 509f. 579.
777
Frhr. von Stein, Gen. d. Art., Komm. Gen. III. d. A. K. 219. 283.
651. 700.
von Sauberzweig, Genmaj., ab 15. 7.
1918 Genlt., Chef d. Genst. 18. Armee 69. 83f. 134. 174. 211. 215. 227f. 237.
Strasser, Freg. Kpt. 723. von Stülpnagel (Joachim), Maj., 1. Genst. Off. I.Armee, ad 2.9.1918 Chef d. Op. Abt. Ia der O. H. L. 594s. 606. 631. 635.
303.
Scheer, Admiral, Chef d. Admiralstabs 665. 669.
Scheidemann, Staatssekretär 666f. 671.
Thomsen, Chef d. Genst. d. Komm. Gen. d. Luftstreitkräfte 722.
Tieschowitz vonTieschowa, Oderst, Chef
712.
Scheuch, Genmaj., Chef d. Kriegsamtes, ab 9.10.1918 Genlt. u. Kriegsminister
520: 665 f. 710.
Graf Scheuchenstuel, ö.-u. Gen. Ob., O.V. 11. Armee 732. von Schjerning, Generalstabsarzt d. Armee 629.
Graf von Schmettow (Egon), Genlt., Komm. Gen. 65. Korps 366. von Schoeler, Genlt., Komm. Gen. VIII.
A. K. 263 f. 397. 399. Graf von der Schulenburg, Oberst, ab
12.6.1918 Genmaj., Chef d. Genst. Hgr. Deutscher Kronprinz 52f. 55. 75. 91 f. 316. 325. 351. 387. 423. 435. 444f. 455. 468. 592. 679. 692. 716 f.
Graf von Schwerin, Oberst, Ch. d. Genst. Hgr. Schölt} 494. von Geeckt, Genmaj., Chef d. Genst. d. türk. Heeres 87. 512. 691. Sieger, Genlt., Komm. Gen. XVIII. N. K. 294. 554.
d. Pers. Abt. der O. H. L. 533. von Tschischwitz, Oberst, Ch. d. Genst. XXIII. R. K'., ad 28. 2.1918 2. Armee 116. 550. 554.
Vanselow, Kpt. z. See, Vertreter d. Ma¬ rine d. d. Waffenstillstandsverhandlun¬ gen 747.
Anverzagt, Gen. d. Pi. 452.
Frhr. von Waldstätten, ö.-u. Oberst, seit Aug. 1917 Genmaj., Chef d. Operationsabt. d. Heeresleitung 39. 730. Frhr. von Watter (Theodor), Gen. d. Inf., Komm. Gen. XIII.A.K. 118. 139 f. 153. 191. 209. Frhr. von Watter (Oskar), Genlt., Komm. Gen. XXVI. N. K. 554.
Ä)eber, Genlt., Kdr. 9. I. D. 212. von Webern, Genlt., Komm. Gen. XVII. A. K. 128. 176. 240. 397. 399.
4. Armee, später Hgr. A 275. 277. 280.
Wellmann, Genlt., Komm. Gen. VII.N.K. 356.
286. 294. 296f. 695. 751.
Wetzell, Major, ab 18.12.1917 Obftlt.,
Sixt von Armin, Gen. d. Inf., O. B.
Sixtus Prinz von Bourbon-Parma 726.
Smuts, Kriegsminister d. Südafr. Union. 5. 511. von Staads, Gen. d. Inf., Komm. Gen. XXXIX. R. K. 118. 208. 381. 467, 479. 503.
Chef d. Op. Abt. Ia der O. H. L., ab 25. 9.1918 Ch. d. Genst. 5. Armee 51 ff. 55. 63ff. 83. 87. 181. 214. 304f. 311 ff. 321 ff. 415. 418. 430 ff. 435. 488. 493. 495. 531. 533. 535. 594f. 617. 676.
685 f. 736. Weygand, franz. Gen., Mitglied d. Ober¬
62.
sten Kriegsrates 21. 747. Wichura, Gen. d. Inf., Komm. Gen.
116. von Stein, Gen. d. Art., preuh. Kriegs¬
Wilhelm II., Deutscher Kaiser, König
Stapff, Major, Chef d. Genst. 2. Armee, ad
4. 3. 1918
10. Armee
58.
minister 2. 509. 517. 520 f. 524. 665.
VIII. R. K. 263. 352.
von Preußen 77. 85.162. 166. 313. 471.
778
Personenverzeichnis. 490. 499f. 558. 568. 586. 595. 622f.
628ff. 632f. 635. 637. 646. 660f. 663. 665. 668. 670. 672ff. 690. 702. 704ff. 709f. 712ff. 726. 740f. 743. 749. Wilhelm Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen, Gen. d.
Inf., O. B. Hgr. Deutscher Kronprinz 77. 124. 143. 351. 387. 444. 454. 500. 509. 581. 616. 645. 692. 705. 717. 749.
Wilson, Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika 5. 509. 541. 543. 628.
630. 632f. 636. 638f. 649. 651 f. 657.
660ff. 667ff. 689. 694. 697. 702. 704f. 711. 738f. 744ff. 754. 761 f. Sir Henry Wilson, brit. Gen., Chef d. Reichsgeneralstabs 19. 21. 202. 204. 291 f. 545f. von Winkler, Gen. d. Inf., Komm. Gen. XXV. R. K. 186. von Winterfeldt, Oberst im Genst., ab 17. 8.1917 Genmaj. 626. 747. von Woyna, Genlt., Komm. Gen. VII. A. K. 467. Frhr. von Wurm, ö.-u. Gen. Ob., O.B.
Fsonzo-Armee 732.
Truppenverzeichnis. Oberste Kriegsleitung s. Oberste Heeres¬ leitung. Oberste Heeresleitung Iff. 28 f. 32 ff. 38 f. 41. 43. 46. 48. S0f. 53. 55. 53. 61. 68.
70. 72f. 75. 78f. 106. 108 f. 116. 147 ff. 152. 155. 180f. 184. 191.
618ff. 643. 645. Auflösung 7.10.1918: 646f. 759. Heeresgruppe Deutscher Kronprinz 52. 62s. 66. 69f. 76ff. 83. 86. 90ff. 102f. 124.
81. 84ff. 88. 90. 102f. 124. 132ff. 143. 145. 163. 165ff. 171 f. 177. 193. 197. 199f. 206.
132. 145. 157. 182. 193. 200f. 210. 216. 234. 236. 257f. 262. 264. 302f. 306. 310ff. 316f. 321. 323. 325. 338.
208ff. 214f. 218. 222. 224ff. 233ff.
381.383.385. 387f. 392. 394f. 413. 415.
240ff. 244f. 247. 250. 253. 255. 257f.
417ff. 423f. 427. 429. 432f. 435ff. 443ff. 452. 454f. 458. 466ff. 474. 480.
260f. 265. 267ff. 272. 277. 280ff. 287ff. 294. 298. 300. 303f. 307. 310ff. 323f. 326. 329. 339. 343ff. 352. 354. 356ff.
367ff. 372. 374ff. 381 ff. 385. 387ff.
393ff. 403ff. 410ff. 433f, 437ff. 441. 443. 446. 450f. 453. 455. 463 ff. 474. 481. 484f. 489. 493f. 497. 499f. 502.
504f. 507f. 510ff. 516ff. 520f. 523ff. 530 ff. 541. 549. 551. 558 ff. 562. 564. 566. 568. 570. 575ff. 583. 586ff. 592f.
594. 598ff. 604ff. 608ff. 615ff. 621. 623. *625ff. 631. 633ff. 640ff. 645ff. 650ff. 658ff 677. 684. 686. 688 ff. 693. 695. 697. 699ff. 707. 71 lff. 715. 717f. 721. 726. 734. 737f. 741. 747. 749. 751 ff. 761. Kriegsministerium 513. 520. 524. 655. 671. 713. Kriegsamt 506. 520. 692.
Heer 15. 26ff. 41. Westheer 37f. 50. 244. 516ff. 530f. 539.
343. 352. 357f. 364f. 368f. 372ff. 376f.
484. 486. 488. 492f. 495. 497f. 500. 503f. 517. 526. 529. 531. 534. 536ff. 552. 558ff. 562. 564. 571 f. 574ff. 578ff. 587. 590f. 593. 596f. 604f. 610. 612.
616. 618ff. 643. 646ff. 652ff. 658f. 676. 684. 692. 694ff. 698 ff. 713. 715. 762. Heeresgruppe Gallwitz 84. 86. 91. 310. 368. 372. 418f. 429f. 459. 529. 534. 537ff. 572. 575. 578. 592f. 597. 599. 605. 610. 612. 616f. 620. 648. 652. 655. .659.
695f. 698. 700 f. Heeresgruppe Herzog Albrecht 41. 62f. 66. 69ff. 76ff. 84. 86. 91. 310. 368. 418f. 429f. 529. 534. 537ff. 572. 575. 578. 592ff. 597. 605ff. 609f. 615. 645. 647. 660.
Heeresgruppe Kiew 692.
Heeresgruppe Kronprinz Nupprecht 51 f. 54ff. 59ff. 67. 69. 72ff. 74. 76f. 79ff.
Heeresgruppe Voehn 537. 570f. 574ff.
85f. 88 ff. 102 f. 117. 133 ff. 139. 148. 153. 166ff. 171 f. 179ff. 183. 191. 200f. 206. 215f. 225f. 229. 234. 245. 257. 266 ff. 272f. 275. 277. 279. 281 ff. 287 ff. 294. 300ff. 307. 311. 316ff. 320f. 325. 351. 368. 372f. 392. 412ff. 422ff. 432. 435. 441. 443. 452. 454. 458f. 470f.
, 586f. 589ff. 593. 595f. 603. 607. 616.
497. 517. 529. 531. 534ff. 546. 549.
586. 609. 621, 665. 678. 708. 712. 714. 751.
Ostheer 38. 519. 530. 665f. 708.
Oberbefehlshaber Ost 754. Heeresgruppe A, B, C, D 751. 754f.
780
Truppenverzeichnis. 551. 559. 570ff. 575ff, 585ff. 589ff. 593. 595 f. 603. 607. 615. 617. 619. 620.
641 f. 646f. 650. 653 f. 658. 683 f. 694 ff. 699. 701. 713. 759. 762.
563. 571 f. 579. 581. 587. 589. 595f. 603. 607. 620. 641 f. 647. 651. 653. 658. I.Armee 73ff. 77. 83. 85f. 99. 123. 125. 127. 132. 134. 143. 146f. 157 ff. 165.
167f. 174ff. 181. 185f. 193ff. 210ff. 1.Armee 63. 69. 71. 85f. 100. 125. 132.
312f. 321. 323ff. 331 f. 338ff. 343. 347. 353. 355ff. 361. 364f. 367ff. 371. 373ff. 382. 386ff. 390. 392. 405. 417ff. 433ff. 440ff. 444. 448f. 451. 453 ff. 463. 478. 481. 483. 487. 489 ff. 498ff. 504. 536. 582. 584. 591. 594. 605. 614. 616. 618ff. 643. 646. 648. 651 f. 659. 696. 701. 2. Armee 53. 55. 57f. 61 f. 65. 69. 72. 75 ff. 82. 84. 89ff. 97. 99. 104. 108f. 115ff. 120 f. 123 f. 126 f. 133 ff. 138 ff. 143 f. 147 f. 149. 153. 157. 163. 165ff. 172ff.
234. 245f. 252. 259. 261 ff. 301. 312f. 316. 321. 323 ff. 332. 33 8 ff. 343 ff. 347.
351 ff. 356ff. 363ff. 367ff. 371 ff. 381 ff. 385. 387. 389. 392ff. 398. 400f.' 403. 405. 408f. 412ff. 448. 480. 488f. 540. 590f. 597. 604f. 609. 616. 618ff. 643. 646. 648. 652. 659. 696.
S.Armee 427. 431 f. 440f. 444. 467ff. 474f. 480 ff. 488 f. 491 ff. 495 ff. 500 f. 504. 532. 535f. 539f. 545. 548. 560.
570f. 574ff. 583ff. 590f. 596f. 604. 14. Armee 69. 74.
179ff. 190ff. 193. 197ff. 206ff. 211 ff. 221 ff. 223. 225ff. 233f. 236ff. 241 ff.
17. Armee 74. 76ff. 81 f. 84f. 88f. 91. 99. 104. 106. 107 ff. 114ff. 122ff. 131 ff. 139.147ff. 153 f. 163. 166 f. 169 ff. 173.
250. 252. 254. 255. 257ff. 269. 280. 285f. 301 ff. 310. 315. 317. 319. 428. 432. 451. 535. 537. 539. 548 ff. 558.
179ff. 189ff. 191. 196f. 200. 206ff. 208f. 213 ff. 221. 225f. 228 ff. 234. 236. 241. 244ff. 252. 254f. 258. 269. 279.
560ff. 567. 571. 575ff. 589ff. 595f. 603f. 606f. 609. 615f. 618ff. 643. 646f.
286. 288. 302f. 305. 317. 391. 414. 423f. 463. 531. 549. 556. 558. 562f. 571 f. 576. 578ff. 582ff. 589. 591. 595f.
650 f. 654. 658. 695 f. 699 ff. 760. Z.Armee 62f. 69ff. 85f. 100. 125. 132f. 312. 373. 375. 382. 387. 414ff. 434ff. 448f. 451. 453 ff. 463. 468. 478. 502. 504. 561. 579. 582. 591. 604f. 614ff. 618. 620 f. 643 ff. 648. 652. 654. 659. 696. 698 f. 701 f. 4. Armee 51. 65ff. 72. 75. 80. 85. 109. 133. 149. 168. 170. 201. 206. 234. 242. 265f.
268ff. 273. 275ff. 294f. 299. 301. 305. 313f. 316. 319ff. 414f. 423ff. 427. 531 f. 540. 563. 571 f. 579. 581. 587. 589. 595f. 603. 607. 609. 615. 617. 619f.
641 f. 647. 651 ff. 658. 695f. 5.Armee 65. 76. 100. 133. 319. 471. 481.
594. 602ff. 610. 615f. 618. 620f. 642f. 646. 648. 652f. 655. 659f. 696. 698. 701 f. ß. Armee 51 ff. 55. 62. 65. 72. 74 ff. 80. 85. 109. 133. 135. 149. 168f. 181. 201. 214. 216f. 226. 234. 242. 245f. 265ff. 275ff. 289. 299. 301. 305. 316. 319. 414. 423f. 427. 532. 537.
206. 261. 314. 558.
603f. 606f. 609. 615ff. 641 f. 646f. 650f. 653. 658. 682. 695f. 699f. 760. 18. Armee 21. 61. 69. 72. 75ff. 83f. 85. 89ff. 99. 104. 115. 118. 121. 123ff.
132 ff. 138. 142ff. 145. 148. 155. 157ff.
163. 165ff. 172ff. 179ff. 185f. 190. 192ff. 197. 21 Off. 214ff. 221 ff. 226ff. 233ff. 240ff. 250. 252. 254f. 257ff. 261 f. 301 ff. 306f. 310f. 313. 315f. 319. 321. 324f. 327.. 344. 351 f. 357. 359. 367. 369. 374. 376. 381. 383. 393 ff. 400.402.404f. 408.414. 416f. 419. 425. 427. 431 f. 441. 443. 467. 470. 482. 493. 496 f. 535. 537ff. 545. 548 ff. 554. 556.
558ff. 567. 571 f. 574ff. 590f. 595f. 603f. 609. 619f. 643. 646ff. 652ff. 659. 692. 695 ff. 699. 701. 760. 15. Armee 77. 100. 319. 587. 592. 597.
599. 605f. 610. Armee-Abteilung A 70. 389. 440. 592. 605. 611. 651.
781
Deutschland. Armee-Abteilung B 70f. 592. 605. 611.636. Armee-Abteilung C 52.64.70.76.100. 319. 429. 439. 534. 537. 539. 587. 592. 597ff. 602. 605 f. 610. 615. 617. 645. 648. 653. 660. 695.
XIX. Armeekorps (Gr. Gent) 272ff. 276ff. 283ff. 239. XXI. Armeekorps 696. 693. 701.
I. bayer. Armeekorps (Gr. Endres) 449f. 493. 560 f. 564. 574. 580. 535. 604. 643.
II. bayer. Armeekorps 272. 276f. 279ff. Gardetorps 276. 279. 286ff. 294f. 298. 617. 619. m. Armeekorps 113. 121. 126. 123. 135. 144. 155. 157. 176. 136. 193. 193. 211 f.
214f. 213. 223. 227f. 230ff. 237f. 242f. 250ff. 393. 554. 556. 558s. 561. IV. Armeekorps 272ff. 277ff. 287ff. VH. Armeekorps (Gr. Franyois, später Woyna) 339f. 344f. 352. 354. 358f.
283. 578. 532. 616 f. III. bayer. Armeekorps HO. 135. 143. 150.
170. 177. 206f. 217. 219f. 225f. 283f. 236. 289. 574.
Garde-Neservekorps 281 f. 284. 294. 297. I. Neservekorps 397/404. 554. 574. IV. Neservekorps (Gr. Conta) 112. 126. 128 ff. 144. 146 f. 157. 159. 176ff. 187.
365. 367. 369f. 374. 376f. 381 ff. 395f.
194. 211. 213 f. 216. 224. 228. 233. 237.
401. 403. 476. 483. 491. 506. 514.
239 ff. 344. 347 f. 351. 353. 355 f. 358 f.
vm. Armeekorps (Gr. Scheeler) 186. 211. 213f. 216. 223. 234. 262ff. 394. 396ff.
361. 364. 366ff. 374ff. 382f. 385. 393f.
404. 440. 467. 473. 480. 482. 484. 487f.
491 f. 495. IX. Armeekorps 126. 128. 144f. 147. 157f. 175 f. 187. 211 ff. 224. 233. 237. 239. 393. 396 ff. 404. 409. 554. 559. 574. XI. Armeekorps llOff. 117. 135. 137. 149. 151. 169ff. 182f. 250f. 304. 308f. 552. 554. 556. 559. 561. 564. 580. XII. Armeekorps 434. 443. 450.
447f. 452. 481. 491. 494f. 564. 580. 604. 616. 618f. 643.
V. Neservekorps (Gr. Combres) 600. 643. VI. Neservekorps (Gr. Borne) 110. 135f. 149ff. 169ff. 177. 182f. 189. 206f. 211. 217. 220. 241. 365. 371 f. 387 f. 440. 448. 452.481. 483. 437. 439. 490 ff. 494. VII. Neservekorps (Gr. Reims oder Welmann) 356ff. 361. 365. 367. 371 f. 491.
225. 228. 236. 468. 478ff. 435. 487f.
VIII. Neservekorps (Gr. Cr6py oder Wichura) 188. 234. 262f. 339. 341. 344ff. 351. 353ff. 357ff. 364ff. 367. 369f. 374ff. 381 f. 384. 443. 452. 491. 495.
490 ff. 494. XIV. Armeekorps (Gr. Gontard) 116. 120. 122. 139. 141 f. 152. 156. 173f. 185.
IX. Neservekorps 110. 135. 138. 150. 170. 177. 193. 207. 217ff. 225. 229. 237.
XIII. Armeekorps (Gr. Watter) 117. 120. 138ff. 152ff. 173. 184. 190f. 209. 221 f.
190. 192. 210. 214ff. 221 f. 228. 230f. 237f. 242f. 250f. 304. 308f. 449. 491. 585.
XV. Armeekorps (Gr. Brimont oder Ilse) 339. 343f. 347f. 355f. 353f. 361. 367f. 371 f. XVI. Armeekorps 443. 449f. 453.
XVII. Armeekorps (Gr. Etzel) 126. 128f. 144 f. 157 ff. 175 ff* 187. 194. 211 ff. 224. 233. 237. 239ff.' 251. 393f. 396ff. 482. 487f. 490ff. 535. XVIII. Armeekorps llOf. 135ff. 149f. 160. 171. 182f. 189. 206f. 214. 220. 229.
576. 616f. 619.
498.
231 f. 284. 287 ff. X. Neservekorps 275ff. 284. 237f. 294. 296ff. 617. XII. Neservekorps (Gr. Mihiel) 600. XIV. Neservekorps (Gr. Lindequist) 110. 112. 135s. 149ff. 169 ff. 182f. 189. 191. 206 f. 217. 220. 229. 241. 449. 491. 561. 576. 534. 596. 616f. 619. XVIII. Neservekorps 131. 171. 275. 277. 279 f. 282. 284 ff. 233. 294. 296. 298. 554.
XXIII. Neservekorps (Armeegruppe Etreux, Gr. Kathen) 60. 116f. 120f. 138ff. 143. 152ff. 174. 185. 190. 192. 209'. 215.
782
Truppenverzeichnis.
221 f. 228 f. 237f. 304. 447. 452. 491 f. XXIV. Nefervetorps (Gr. Prosnes Langer) 359. 386. 434. 449. XXV. Nefervetorps (Gr. Winkler) 186. 193. 211 f. 214 ff. 223. 227. 230. 234. 237. 239. 243. 250f. 341 f.
484.
oder
2. Garde-Inf. Viv. 85.214. 358. 367. 374. 448. 452. 491. 712. 715. Z.Garde-Inf.Viv. 112. 137. 151. 172. 189. 207. 294. 298. 449. 491.
188. 232. 344.
4.Garde-gnf.Viv. 113. 121 f. 141 f. 151. 154 f. 174. 190. 192. 210. 222. 238. 251. 308 f. 397. 399. 401. 403. 491.
346f. 351. 353. 355f. 357ff. 366ff.
6.Garde-Inf.Viv. 128. 130. 144f. 158.
374ff. 378. 393. 478. 480ff. 484. 487f. 490 ff. 498 f. XXVI. Nefervetorps 554. 557. 643. XXXVHI. Nefervetorps (Gr. Hofmann) 359. 365. 367. 369f. 374. 394. 396ff. 400 f. 403. 481 ff. 491. 574. 580. 583. 585.
160. 176ff. 239. 342. 347. 358. 361. 367. 478. 482. 491. 1. Inf. Viv. 122.126. 141 f. 154.174.185. 192. 210. 222. 308. 449. 491. 2. Inf. Viv. 397. 399. 554. 559. 4. Inf. Viv. 113. 137. 172. 190. 5. Inf. Viv. 144. 157. 175. 186. 193. 212.
XXXIX. Nefervetorps (Gr. Staads) 114.
223. 227f. 239. 251. 341. 344ff. 354.
116 ff 138 ff. 152 ff. 173. 184. 190. 208. 221 f. 225. 228f. 236. 381 f. 384. 467.
358. 360. 367. 370. 376. 384. 468. 471.
475. 478f. 481 f. 485f. 490ff. 583. 585. xxxx. Neservetorps 273. I. bayer. Nefervetorps (Gr. Vimy) 109f. 135. 148. 150. 170. 217ff. 229. III. bayer. Neservetorps 148. 170. 51. Korps 117. 121 f. 139. 141 f. 152. 155. 172ff. 185. 192f. 210. 221. 223. 227f.
230ff. 237f. 242f. 250ff. 304. 306. 308 f. 552. 554ff. 559. 561. 564. 604. 619. 643.
64. Korps (Gr. Larifch) 339f. 344f. 352f. 358ff. 365. 367. 369f. 374. 376f._381. 556. 559. 561. 563. 580. 582. 604. 616. 619. 643.
65. Korps 272ff. 277ff. 67. Korps (Gr. Gorze) 600. 58. Korps 696. 698. 701.
478. 481 f. 488. 491. S. Inf. Viv. 144. 171. 175. 186. 193. 212.
223 f. 227f. 230f. 233. 239. 251. 341. 344f. 354. 358. 360. 367. 370. 384. 467. 478f. 481 f. 491. 7. Inf. Viv. 275. 279. 285. 294. 298. 397. 449. 8. Inf. Viv. 277f. 280. 284. 9. Inf. Viv. 128. 145f. 193. 212. 224. 239. 345f. 354. 358. 360. 365. 367. 370. 376. 478. 480. 482. 487. 10. Inf. Viv. 126. 128. 146. 158 f. 176. 187. 193 f. 213. 224. 342. 347. 355. 358. 361. 366. 370. 447. 450. 452. 478. 480. 482. 491. 600. 11. Inf. Viv. 397. 399. 402ff. 554. 559. 12. Inf. Viv. 85. 218. 219. 1Z. Inf. Viv. 122. 140f. 154. 192. 209.
S6. Korps (Gr. Schmettow) 339.343f. 347s. 353. 355f. 358f. 361. 364. 367ff. 371. 377. 387f. 433f. 440. 448. 452. 483. 489. 491 f. 494f.
16. Inf. Viv. 306. 308. 491. 493.
Marinetorps 168. 277. 289. 294. 617. 647.
16. Inf. Viv. 277ff. 282.
Gruppe Gayl (Stab 13. Ldw. Div.) 124.
17. Inf. Viv. 112. 136. 150. 171. 183. 18. Inf. Viv. 120. 122. 140f. 154. 229. 491. 19.Inf.Viv. 118. 121. 142. 155. 174. 185. 192. 231 f. 238. 243. 251. 308. 397. 399. 401. 403. 20. Inf. Viv. 112. 136f. 150f. 172. 478. 480. 482. 488. 491.
126 f. 132. 134. 143 f. 146f. 157. 159. 187. 194. 341. 358. 600.
l.Garde-gnf.Viv. 144. 147. 157. 212. 214s. 223. 227f. 230ff. 239. 243. 251.
341 f. 347.355.358.361. 366f. 370.447. 491. 580. .715.
222. 308f. 554. 14. Inf. Viv. 214. 251. 358. 360. 367. 370.
384. 478f. 481 f. 491. 493.
Deutschland. 22. Inf. VW. 295. 358. 367. 372. 448. 452. 491. 23. Inf. Viv. 126. 144. 157. 214. 230ff. 238. 243. 367. 447. 491. 24.Inf.Vw. 135. 151. 172. 183. 554. 556. 25. Inf. VW. 120. 122. 141 f. 154.174. 185. 209. 251. 26. Inf. VW. 85. 150. 170. 207. 449. 491. 27. Inf. VW. 119. 121. 139 f. 143. 153f. 551. 554. 28. Inf. VW. 128. 144. 157. 175. 186. 193. 212. 223. 232. 239. 342. 347. 355. 358. 361. 364. 366 f. 478 f. 482. 29. Inf. VW. 294.
Z0.Inf.VW. ZI. Inf. VW. Z2. Inf. Viv. ZZ.Inf.9w.
397. 275. 272. 129.
400f. 403f. 279f. 294. 600. 274. 276f. 280ff. 294. 159. 176f. 187. 194.
213. 240. 341 f. 347. 355. 358. 360. 366. 370. 375. 480. 482. 491. Z4. Inf. VW. 129. 146. 159. 176. 187. 240. 358. 367. 384. 478 f. 482. 491. Z5.Inf.VW. 278. 280. ZS.Inf.VW. 128. 146. 158 f. 176. 187. 194. 213. 240. 347. 355. 358. 361. 363. 366 f. 447. 491. Z7. Inf. Viv. 129. 146. 159. 194. 240. 341. 346. 354. 360. 366 f. 370. 448. Z8.Inf.VW. 280. 358. 559. ZS.Inf.VW. 112. 137. 151. 172. 183. 207. 40. Inf. VW. 478. 480. 482. 491. 41. Inf. VW. 135. 218f. 554. 42. Inf. VW. 278. 280. 475. 478 f. 50. Inf. VW. 128. 144f. 158. 176. 187. 223. 228. 230 ff. 239. 343. 347. 355. 358. 361. 366 f. 491. 52. Inf. VW. 214. 232. 239. 243. 343. 347. 355. 358. 361. 364. 366s. 371. 620. 54. Inf. VW. 214. 217. 251. 302. 308. 554. 56. Inf. VW. 294. 296 ff. 58. Inf. VW. 286. 294.
783
1OZ.Inf.VW. 129. 146. 159. 194. 240. 355. 358. 361. 366 f. 371. 452. 491. 105. Inf. Viv. 263. 367. 370. 395. 554.
107. Inf. VW. 117f. 139 f. 153f. 173. 189. 191. 209. 552. 554. 556. 558. 108. Inf. Viv. 554. 608. 109. Inf. Viv. 308. 523. 552. 554. 556. 111.Inf.VW. III. 136. 150. 171. 183. 11Z.Inf.VW. 128. 144. 157f. 175. 186. 239. 341. 346. 354. 358. 360. 366s. 370. 448. 452. 491. 115. Inf. Viv. 358. 367. 478. 480. 117. Inf. Viv. 280ff.'294. 554. 566.
119.Inf.VW. 558 f. 121. Inf. Viv. 12Z.Inf.VW. 18Z.Inf.VW.
112f, 137. 151. 554. 556. 294. 298. 367. 448. 452. 600.
119. 139 f. 153f. 173. 191.
608.
185. Inf. Viv. 187. Inf. Viv. 192. Inf. Viv. 195. Inf. Viv.
218f. 262. 135. 218 f. 554. 112. 136. 150f. 171. 358.
367. 448. 452. 491. 197. Inf. Viv. 358. 367. 370. 377. 199. Inf. Viv. 139. 152. 174. 185. 238. 243. 251. 449. 491. 2O0.Inf.VW. 214. 306. 308. 447. 491. 201. Inf. Viv. 491. 202. Inf. Viv. 397. 400. 402s. 491. 493. 20Z. Inf. Viv. 387f. 449. 491. 204^ Inf. Viv. 149. 214. 397. 400. 402. 554. 206. Inf. Viv. 144. 176. 187. 193. 212. 223. 232. 239. 397. 403f. 554. 208. Inf. Viv. 121. 142. 155. 174. 185. 192. 210. '222. 231 f. 238. 243. 308. 211. Inf. Viv. 125. 130. 132. 146. 159. 177. 187. 258. 262 f. 360. 367. 370. 383. 401. 403. 409. 478. 480. 482. 491. 523.
8Z.Inf.VW. 286 f. 294.
21Z.Inf.VW. 343. 347. 356. 358. 361. 367.
84. Inf. VW. 397. 554. 86. Inf. VW. 344. 347. 356. 358. 361. 367. 388. 448. 452. 491. 87. Inf. VW. 358. 367. 372. 385. 491.
214. Inf< Viv. 275. 277. 279ff. 294. 298. 221.Inf.Viv. Ulf. 136. 150. 171. 183.
88. Inf. VW. 128. 144. 223. 227f. 230ff. 238. 243. 449 f. 600.
388. 491.
554. 559.
222. Inf. Viv. 263f. 397. 399. 401 f. 482. 491. 608.
Truppenverzeichnis.
784
223. Inf. VW. 134. 143f. 146. 159. 176 f.
187. lj94. 263. 359f. 367. 370. 383. 395. 403. 491. 608.
226. Inf. VW. 554. 608. 227. Inf. VW. 397. 399. 401. 403. 410. 228. Inf. VW. 139. 152. 214. 238. 251. 308 f. 450. 231. Inf. VW. 144. 158. 176. 187. 194. 224. 239. 358. 361. 366f. 370. 232. Inf .Vit). 356. 358. 361. 364. 367. 371 f. 388. 233. Inf. VW. 286. 294. 298. 554. 608. 234.Inf.VW. III. 135. 150. 207.
2Z5.Inf.VW. 523. 236. Inf. VW. 170. 218 f. 286. 294. 237. Inf. VW. 358. 366f. 370. 377. 238. Inf. VW. 128. 145s. 158f. 239. 358. 367. 372. 388. 491. 239. Inf. VW. 135. 183. 189. 207. 449. 240. Inf. VW. 218. 280. 282. 491. 241. Inf. VW. 143. 188. 263f. 340. 358. 360. 367. 370. 478 f. 491. 242. Inf. VW. 214. 239f. 347. 356. 358. 361. 367. 372. 386f. 491. 243. Inf. VW. 152. 186. 192s. 210. 222. 231 f. 238. 243. 308s. 554. 556. 255. Inf. VW. 600. 1. bayer. Inf. VW. 128. 146. 158 s. 176. 224. 239. 449. 482. 491. 2. bayer.Inf.VW. 191. 214. 249. 251 f. 302. 308. 397. 449. 482. 491. 3. bayer.Inf.VW. 157. 214. 240. 397. 399. 401. 403 f. 554. 4. bayer.Inf.VW. 294. 298. 5. bayer.Inf.VW. 136. 150. 171. 183. 189. 559.
6. bayer.Inf.VW. III. 136. 150. 207. 285 ff. 294. 341. 344. 354. 360. 448. 8. bayer.Inf.VW. 278. 284. 491. 10. bayer. Inf. VW. 367. 478. 480. 491. 523. 11. bayer. Inf. VW. 279. 282. 287. 294. 384 f. 478f. 491. 12. bayer. Inf. VW. 358. 366f. 371. 448. 452. 491. 14. bayer. Inf. VW. 554. 608. 15. bayer. Inf. VW. 449. 491.
IS. bayer.Inf.VW. 133. 189. 207f.
1.Garde-Ref.VW. 112. 136. 150. 171. 2.Garde-Nes.VW. III. 136. 150. 171. 183. 1. Res. VW. 554. 556. 558. 3. Res. VW. 397. 399. 401. 403. 410. 469. 478. 482. 491. 5. Res. VW. 263. 397. 401. 491. 6. Ref. VW. 214. 523. 7. Res. VW. 126. 144. 157. 214. 240. 343. 347. 355f. 358. 361. 366f. 371. 9. Res. VW. 139. 174. 176. 185. 192. 209. 10. Res. VW. 144. 147. 187. 213. 224. 239. 280. 342. 347. 355. 358. 361. 366f. 448. 452. 491. 11. Res. VW. 272. 277. 280. 12. Res. VW. 280. 13. Res. VW. 286. 294. 296. 298. 14. Nes. VW. 263 f. 341. 346. 354. 358. 360. 365. 367. 370. 384. 475. 478f. 16. Res. VW. 118. 139. 153. 17. Ref. VW. 279. 285. 294. 397. 554. 18. Res. VW. 274. 278. 280.-284. 19. Res. VW. 286. 294. 296 ff. 21. Res. VW. 118. 139. 153. 173. 184. 190. 209. 22. Res. VW. 279. 294. 296. 298.
23.Nes.VW. 135. 218f. 24. Res. VW. 113. 137. 151. 207. 217. 225.
308. 481 f. 25. Res. VW. 554. 559. 26. Res. VW. 136. 149. 218. 220. 556. 28. Res. VW. 351. 358. 366 f. 370. 374. 478. 491. 33. Res. VW. 343. 347. 356. 358. 361. 367. 388. 449 f. 523. 36.Nef.VW. 277. 279. 287. 294. 37. Ref. VW. 491. 43. Res. VW. 274. 280. 284. 552. 554. 556. 608. 44. Res. VW. 277f. 280. 284. 45. Res. VW. 128. 144f. 158. 176. 239. 358. 367. 376. 384 f. 478. 480. 482. 491. 46. Res. VW. 397. 400f. 403f. 478. 480. 482. 523.
47. Res. VW. 126 f. 129. 146. 159.177.187. 240. 351. 358. 367. 370. 374. 384. 478f. 523. 48. Ref. VW. 280.
Deutschland. 49.Nes.9iv. 277. 279. 284f. 294. 298. 50.Nes.9iv. 120. 122. 140ff. 152ff. 222. 481 f. 51.Nes.9iv. 214. 239. 344. 358 ff. 365. 367. 370. 376f. 384f. 478. 480. 482. 491.
52.Nef.9iv. 298. 712. 715. SZ.Nef.9iv. 113. 137. 151. 207. 217. 225. 251. 478f. 481 f. 491. 493. 608.
S4.Nef.9iv. 119. 139f. 153f. 156. 184. 191 f. 209. 554. 608.
7S.Nef.9iv. 262f. 397. 554. 7ß.Nef.9iv. 471. 481 f. 491. 77.Nef.9iv. 308. 600f. 608. 78.Nef.9iv. 358. 367. 375. 478. 480. 491. 608.
79.Nef.9iv. 120.140f. 154.173.184. 294. 298.
80.Nef.9iv. 214. 251. 81.Nef.9iv. 278. 280. 82.Nef.9iv. 554. 556,
785
Garde-Crf.9iv. 139. 185. 192. 210. 222. 231 f. 238. 251. 308. 449. 491. 499. 4. Erf. 9iv. 272. 280. 478. 480. 9. Erf. 9iv. 491. 10. Erf. 9iv. 272. 274. 276. 278. 281 f. 294. 298. 19.Crf.9iv. 468. 478. 480. 487. 491. bayer. Crf. 9iv. 482. 491. 1. Ldw.9iv. 5. Ldw.9iv. 10. Ldw. 9iv. 1Z.Ldw.9iv. 600.
286. 294. 600. 491. 523. 124. 126. 134. 157. 341. 358.
Alpentvrps 280f. 283. 294ff. 9eutfche Jager 9iv. 308. 397. 399. 401. 403. 491. 580. Garde-Kav.-Schutz.9iv. 37. 41. 449. 459. 521. 9iv. A 356. 358. 367. 372. 387.
1. bayer.Nef.9iv. 278. 280. 282. 4. bayer.Nef.9iv. 296. 5. bayer. Nes. 9iv. 218. ß. bayer. Nes. 9iv. 157. 214. 345. 358. 367. 370. 375. 447. 491. 8. bayer. Nef. 9iv. 280. S. bayer. Nef. 9iv. 116. 152. 208. 251. 308. 397. 400. 402. 523. 11. bayer. Nef. 9iv. 280f.
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v. 349. ö
v. v. v. v.
ö 308. 349. 349. 308.
o 406. 378. 378. 349. 378.
349. 350. 378. 384. 406. 359. 378. 212.
58. gnf.9w. 406. 61.gnf.9w. 349. 378.
IX. Korps 554. X.Korps 554.
I.Kav. Korps 338. 349 f. 460. II. Kav. Korps 291. 295. 379.
789
67. Inf. 9w. 406f. 69.gnf.9iv. 406.
72.gnf.9iv. 406. 73. Inf. 9iv. 378. 74.gnf.9w. 349. 378.
87.gnf.9iv. 384. 12O.Inf.9w. 371. 125.gnf.9w. 147. 159f. 178. 406. 126. Inf. 9w. 406. 1Z1.Inf.9w. 308. 378.
1Z5.Inf.9w. 384. 151. Inf. 9w. 378. 384. 152. Inf. 9w. 406.
15Z.Inf.9w. 384. 154.Inf.9iv. 349. 477 f.
157. Inf. 9iv. 342. 349. 375. 162.Inf. 9iv. 378. 384.
169.Inf.9iv. 406. 170.Inf.9iv. 349. 378. 4. Kol. 9iv. 378. 10.Kol.9w. 378. 4Z.Kol.9u>. 378. 164.Kol.9it). 378. Marokk.9iv. 308. 378. 1. Kav. 9iv. z. F. 342. 406. 2. Kav. 9iv. z. F. 178. 378. 384. 1.Kav.9w. 378. 5. Kav. 9iv. 212. 378.
v. 378.
Gen.Artl.Nef. 94.
v. 406.
Amiens-Stellung 189. 195. 207. Pariser Schutzstellung 247. 335. 350. 355.
v. 406.
v. 341. 349. 378.
Italien. Heer 334. 420. 426. 428. 739.
| Heeresleitung 732.
790
Truppenverzeichnis.
Portugal. Heer 73. 95. 261. 267. 272. 333. I.Viv. 271.
2.9iv. 271. 274.
Vereinigte Staaten von Nordamerika. Allgemeines und Expeditionsheer 15ff. 21. 51. 54. 59. 66f. 76. 95. 247. 255f. 261. 312. 315. 334f. 332. 385. 392. 410. 413. 417. 420 f. 426. 428. 431. 502. 509. 513. 535f. 540. 542f. 547. 623. 625. 677. 721. 767. I.Armee 501. 546. 578. 601. 613f. 656ff. 703.
2. Armee 546. 656. 703. I.Korps 601. IV. Korps 601. V.Korps 601. I.Viv. 334. 477. 501. 2.9iv. 375. 382. 389. Z.Viv. 362. 378.
Sachverzeichnis. Bulgarien 7. 9. 507f. 512. 609. 621. 627. 629. 633 f. 692. 737.
Rumänien 508. 511 f. 629. 634. 660. 666. 741. 767.
Elsatz-Lothringen 5f. 745. 747. 757. Estland 4. Holland 508.
Rußland 3f. 6f. 12. 33f. 59. 335. 507. 511 ff. 542. 671. 706. 725. 748.
Kurland 4. Litauen 4. Livland 4.
Luxemburg 745. Osterreich-Ungarn 6 ff. 511. 622. 626 ff. 639. 671. 706. 725ff. 737f. 746.
Schweden 13. Schweiz 509. 625. 636. 639. Südslawien 706. 739. Transkaukasische Republik 508. 512. Tschechoslowakei 671. 706. 739. Türkei 6. 8f. 507f. 623. 627. 629.634: 639. 660. 662. 669. 706. 746.
Ungarn 738 f.
Polen 4. 6. 8.
Ukraine 507. 512. 515. 725.
Arbeiter- und Soldatenrat 710. 713f. 718. 753. 755f. 758. Ausw. Amt 3. 509. 511. 623. 630 ff. 707.
Kriegskabinett 638. 662. 668. 670. 673 f.
751.
Ernährung 1. 7f. 10ff. 30f. 38. 42. 198. 224. 258. 300. 511. 515. 517. 609. 714.
728. 730f. 733ff. 755. Ersatz 7. 22. 26. 29 ff. 95. 198. 204. 248. 266. 305. 314. 322. 333. 410. 420f. 424. 431. 441. 444. 446. 465. 499. 508 f. 513. 516ff. 518. 521. 524. 526. 536. 542ff. 546f. 551. 609. 623. 655. 662. 666 f. 679. 693. 708. 710. 728. 736. 759. 766. Gaskampf 44. 47. 100. 106. 110. 115f. 118. 120. 122. 163. 185. 216. 219f. 226. 263. 271 f. 295f. 302. 306. 309f. 329.
331 f. 340. 384f. 393. 398ff. 449. 463. 597.
Kampfwagen