Die Konspirateure: Der zivile Widerstand hinter dem 20. Juli 1944 3806238936, 9783806238938

Stauffenberg und die Wolfsschanze, der Ort des Attentats. Der Bendlerblock in Berlin, die militärische Schaltzentrale de

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German Pages 336 [338] Year 2019

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Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
1 Bahnhöfe in Frankfurt am Main, Essen,Heidelberg – Fries, Kettel und Henk
2 Saarbrücken, Gutenbergstraße 11 – Christian Fries
3 Oberstdorf im Allgäu – Henk, Mierendorff und Haubach
4 Darmstadt, Künstlerkolonie Mathildenhöhe – Wilhelm Leuschner
5 Bad Ems bei Koblenz – Gustav Kettel und Hein Herbers
6 Frankfurt am Main – Fries, Steffan und die„verbissenen Nazigegner“ der Polizei
7 Essen, Rolandstraße 24 – Gustav Kettel alias„Camphausen“
8 Frankfurt am Main, Moselstraße 18 – Gustav Weigel
9 Neu-Isenburg, Waldstraße 128 – Ulrich Boelsen undHans Hayn
10 Saarbrücken, Hindenburgstraße 48 – Bartholomäus Koßmann
11 Essen, Elsass- Straße 82 – Gustav Kettel
12 Heidelberg, Kaiserstraße 33 – Emil Henk
13 Frankfurt am Main, Kurfürsten- straße 3–5 – Margot und Christian Fries
14 Frankfurt am Main, Schillerstraße – Emil Carlebach gegen Christian Fries
15 Biesheim/ Frankreich – Julius „Jules" Leber
16 Darmstadt, Dieburger Straße 156 – Ludwig Bergsträsser
17 Guntersblum, Julianenstraße 19 – Ernst Huhn
18 Seeheim-Jugenheim, Albert-Schweitzer- Straße – Christian Stock
19 Bensheim, Erdloch im Baßmannpark – Weber, Como und Steffan
20 Schweiz, Ferienhaus „Al Forno" – Anna Beyer
21 Darmstadt, Schlossgartenstraße 69 – die „Rote Kapelle"
22 Bilthoven/Niederlande, Reformschule – Hein Herbers
23 Oppenheim am Rhein, öffentlicher Platz – Jakob Steffan
24 Undenheim, Wohnhaus und Friedhof – Ludwig Schwamb
25 Mainz, Canisiusstraße 90 – Elisabeth Schwamb
26 Gönnersdorf, Frauenbergerhof – Mathilde Gantenberg
27 Mainz, Zanggasse 13 – Alfred Freitag
28 Dortmund, Rombergpark – Wilhelm und Elisabeth Gersdorff, Kayser
29 Darmstadt, Mierendorff- Straße 11 – Ruth und Artur E. Bratu, Höxter
30 Bochum, Zedernweg 15 – Ernst und Trude Volkmann, Änne und „Jupp“ Kappius
31 Berlin-Zehlendorf, Eisvogelweg 71 – Carlo Mierendorffund Fritz Küster
32 Titisee-Neustadt, Hirnforschungsinstitut Vogt – Benno Reifenberg und Adolf Reichwein
33 Trebur-Kornsand, ehemalige Flakstellung am Rhein-ufer – Licht, Spieß und Schuch
34 Frankfurt am Main, Europäische Zentralbank – Günter Katzenberger und Siegfried Bode
35 Wiesbaden und Altenahr – Fabian von Schlabrendorffund Philipp von Boeselager
Das konspirative Dreieck des Leuschner-Netzes
Anhang
Die Akteure des Leuschner-Netzes
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Bildnachweis
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Die Konspirateure: Der zivile Widerstand hinter dem 20. Juli 1944
 3806238936, 9783806238938

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Ludger Fittkau/Marie-Christine Werner Die Konspirateure

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Ludger Fittkau/Marie-Christine Werner

Die Konspirateure Der zivile Widerstand hinter dem 20. Juli 1944

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt ins­besondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg THEISS ist ein Imprint der wbg. © 2019 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Lektorat: Thomas Bertram, Gelsenkirchen Gestaltung und Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt a. M. Einbandmotive: links: Bahnhofsuhr, Hervé Champollion / akg-images; rechts: Passanten von oben beim Frankfurter Bahnhof. L304/59. Um 1930. Fotografie: Paul Wolff, akg-images / IMAGNO/Austrian Archives Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-3893-8 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3938-6 eBook (epub): 978-3-8062-3939-3

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Inhalt

Vorwort

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1 Bahnhöfe in Frankfurt am Main, Essen, Heidelberg – Fries, Kettel und Henk

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2 Saarbrücken, Gutenbergstraße 11 – Christian Fries

. . . . . . .

26

...............................................

33

3 Oberstdorf im Allgäu – Henk, Mierendorff und Haubach

4 Darmstadt, Künstlerkolonie Mathildenhöhe – Wilhelm Leuschner

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

5 Bad Ems bei Koblenz – Gustav Kettel und Hein Herbers

. . . 48

6 Frankfurt am Main – Fries, Steffan und die „verbissenen Nazigegner“ der Polizei

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

7 Essen, Rolandstraße 24 – Gustav Kettel alias „Camphausen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 8 Frankfurt am Main, Moselstraße 18 – Gustav Weigel

. . . . . . 67

9 Neu-Isenburg, Waldstraße 128 – Ulrich Boelsen und Hans Hayn

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

10 Saarbrücken, Hindenburgstraße 48 – Bartholomäus Koßmann

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 Essen, Elsass-Straße 82 – Gustav Kettel

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

12 Heidelberg, Kaiserstraße 33 – Emil Henk

78 85

. . . . . . . . . . . . . . . . . 90

5

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13 Frankfurt am Main, Kurfürstenstraße 3–5 – Margot und Christian Fries

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

14 Frankfurt am Main, Schillerstraße – Emil Carlebach gegen Christian Fries

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 Biesheim/Frankreich – Julius „Jules“ Leber

. . . . . . . . . . . . .

104 110

16 Darmstadt, Dieburger Straße 156 – Ludwig Bergsträsser 116 17 Guntersblum, Julianenstraße 19 – Ernst Huhn

. . . . . . . . . . . 130

18 Seeheim-Jugenheim, Albert-Schweitzer-Straße – Christian Stock

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

19 Bensheim, Erdloch im Baßmannpark – Weber, Como und Steffan

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

20 Schweiz, Ferienhaus „Al Forno“ – Anna Beyer

. . . . . . . . . . . 154

21 Darmstadt, Schlossgartenstraße 69 – die „Rote Kapelle“

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

22 Bilthoven/Niederlande, Reformschule – Hein Herbers

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

23 Oppenheim am Rhein, öffentlicher Platz – Jakob Steffan

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

180

24 Undenheim, Wohnhaus und Friedhof – Ludwig Schwamb

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

25 Mainz, Canisiusstraße 90 – Elisabeth Schwamb

. . . . . . . . . 192

26 Gönnersdorf, Frauenbergerhof – Mathilde Gantenberg 27 Mainz, Zanggasse 13 – Alfred Freitag

. . .

199

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

28 Dortmund, Rombergpark – Wilhelm und Elisabeth Gersdorff, Kayser

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

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29 Darmstadt, Mierendorff-Straße 11 – Ruth und Artur E. Bratu, Höxter

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218

30 Bochum, Zedernweg 15 – Ernst und Trude Volkmann, Änne und „Jupp“ Kappius

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

230

31 Berlin-Zehlendorf, Eisvogelweg 71 – Carlo Mierendorff und Fritz Küster

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

236

32 Titisee-Neustadt, Hirnforschungsinstitut Vogt – Benno Reifenberg und Adolf Reichwein

. . . . . . . . . . . . . . . . . 241

33 Trebur-Kornsand, ehemalige Flakstellung am Rheinufer – Licht, Spieß und Schuch

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

34 Frankfurt am Main, Europäische Zentralbank – Günter Katzenberger und Siegfried Bode

. . . . . . . . . . . . . . . . 251

35 Wiesbaden und Altenahr – Fabian von Schlabrendorff und Philipp von Boeselager

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

. . . . . . . . . . . . .

270

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

280

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

295

Das konspirative Dreieck des Leuschner-Netzes

Anhang Die Akteure des Leuschner-Netzes Anmerkungen

Literaturverzeichnis Bildnachweis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

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Offenbach

Frankfurt/Main

Wiesbaden

Rhein

Staatsgrenzen von 1937 Grenze des Großdeutschen Reiches 1944 Orte der Konspiration Konzentrationslager

Neu-Isenburg

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Mainz Ingelheim

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Darmstadt

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Auswahl von Orten, in denen es konspirative Treffpunkte oder Gruppen des „Leuschner-Netzes“ gab.

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Vorwort „Lill: Er heißt überall: der gute Nachbar. – Karl: Er fährt als guter Nachbar von Osten ab und diskutiert als guter Nachbar im Westen. – Willi: Er ist der gute Nachbar der ganzen Stadt. – Flöte: Ein guter Nachbar fällt nie auf. Er steht an jeder Straßenecke, geht durch alle Kneipen und durch die Bahnhöfe, sitzt auf den Bänken und er spricht mit Tausenden von der Freiheit.“

Günther Weisenborn, Die Illegalen1

I

m Gegensatz zu dem politischen Funktionär in Günther Weisenborns Schauspiel Die Illegalen erhielt Wilhelm Leuschner wäh-

rend der NS-Zeit nicht den Tarnnamen „guter Nachbar“. Weisen-

born, selbst Widerstandskämpfer, setzte mit diesem im letzten Kriegsjahr 1945 in Berlin entstandenen Drama seinen hingerichteten Mitstreitern von der „Roten Kapelle“ ein literarisches Denkmal. Allerdings ähneln die Tarnnamen Leuschners dem „guten Nachbarn“ Weisenborns, der im Theaterstück eine Widerstandsgruppe leitet. Wilhelm Leuschner wurde in der Illegalität „der Hauptsächliche“2 oder „der Onkel“3 genannt. Im deutschen Südwesten firmierte er unter dem Namen „von Preuschen“ fast schon ein wenig satirisch als „Briefmarkenfreund“ aus Berlin. 4 Leuschner dürfte im Untergrund ein sehr guter und beschlage-

ner „Briefmarkenfreund“ gewesen sein, eine Persönlichkeit, umgeben vom „Zauber des Schillernden, nicht so leicht Faßbaren und 9

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Undurchsichtigen“, wie die Mitverschwörerin Annedore Leber es nach 1945 formulierte: „Mit seiner großen Verhandlungskunst warb er auch heute hier, morgen da, unermüdlich für die Verbreiterung der politischen Aktionsbasis in der Provinz.“5 Wilhelm Leuschner bewegt sich jahrelang durch das national­ sozialistische Deutschland, so wie der „gute Nachbar“ in Weisenborns Stück von Ort zu Ort reist. Getarnt als unauffälliger Geschäftsmann, spricht Leuschner in Kneipen und in der Nähe von Bahnhöfen mit NS-Gegnern über mögliche Wege zur Befreiung Deutschlands. Ob es, wie in Weisenborns Drama, „Tausende“ waren, mit denen er auf diese Weise Kontakt aufnahm, mag man bezweifeln. Hunderte könnten es aber durchaus gewesen sein. Wie viele zivile Oppositionelle bereitgestanden hätten, um polizeiliche oder politische Funktionen zu übernehmen, wenn das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 erfolgreich gewesen wäre, ist aus heutiger Sicht schwer zu sagen. Die Geschichtswissenschaft ist sich uneins, die Frage ist nicht tiefgreifend erforscht. Jakob Steffan, der selbst für das Leuschner-Widerstandsnetz am Rhein eine wichtige Rolle spielte, nennt in einem Rundfunk-Interview nach dem Krieg eine sehr hohe Zahl. Seiner Schätzung zufolge waren rund 10 000 Menschen allein in der Region zwischen Wiesbaden, Mainz und Heidelberg an den Planungen für den Umsturzversuch beteiligt.6 Dem seit Langem mit dem Thema vertrauten Wiesbadener Historiker Axel Ulrich scheint diese Zahl deutlich zu hoch gegriffen.7 Doch sei es, so die Historikerin Helga Grebing, gerade Ulrichs Verdienst, gezeigt zu haben, dass Leuschner „ein strukturiertes und keinesfalls zufälliges Netzwerk der Widerstandsbereitschaft“ anstrebte, wobei sie darauf hinweist, dass der Widerstand aus der Arbeiterbewegung sich keineswegs auf kleine Kreise beschränkte, sondern eine breite Basis in der Gesellschaft hatte.8 Hans-Ulrich Wehler hingegen ­erwähnt lediglich „widerstandswillige Kleingruppen“ und „einige 10

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Wilhelm Leuschner vor dem Volksgerichtshof

profilierte jüngere Politiker“, die zum aktiven Widerstandskreis um Stauffenberg hinzugestoßen seien.9 Der Zeitzeuge Emil Henk aus Heidelberg sprach demgegenüber unmittelbar nach Kriegsende von „größeren Geheimgruppen“ in „allen deutschen Städten“.10 Wie auch immer, jedenfalls hatte Leuschner derart viele konspirative Kontakte, dass die Tarnbezeichnung „Onkel“ ihn am Ende nicht mehr schützte. Eine gesonderte Namensliste des Volksgerichtshofs verzeichnet als führende zivile Unterstützer der gescheiterten Verschwörer des 20. Juli den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler (als Kopf des zivilen Flügels der Verschwörung ist er ganz oben aufgeführt), den sozialdemo­ kratischen Gewerkschafter Wilhelm Leuschner aus Bayreuth, den Zentrumspolitiker Josef Wirmer aus Paderborn, den Diplomaten 11

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Ulrich von Hassell aus Anklam und den früheren konservativen Reichstagsabgeordneten der DNVP Paul Lejeune-Jung aus Köln. Der Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler bezeichnete die fünf Angeklagten in seiner knappen Urteilsbegründung als „Kern der zivilen Gruppe“ des gescheiterten Attentats vom 20. Juli 1944. Freisler und seine Beisitzer beschimpften die Widerständler als „ehrgeizzerfressene, ehrlose, feige Verräter“, die sich „mit einer Gruppe eidbrüchiger Offiziere“ verbündet hätten, die den Führer ermorden wollten.11 Das Motiv des gebrochenen Eides der Offiziere spielt auch in der Nachkriegsrezeption des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 eine große Rolle.12 Zeitzeuge Fabian von Schlabrendorff greift es mehr als ein Jahrzehnt später bei einer Gedenkveranstaltung auf und setzt die klassische Gedankenfigur des Tyrannenmordes dagegen: „Es gibt auch noch den Vorwurf vom Bruch des Fahneneides. Wer sich diesen Vorwurf zu eigen macht, der kennt Friedrich den Großen nicht, der einst gesagt hat: ‚Das Volk ist von seiner durch den Eid geleisteten Treuepflicht enthoben, wenn der Herrscher seine oberste Pflicht, für das Wohl des Volkes zu sorgen, verletzt hat.‘ Ein andermal hat es Friedrich der Große noch deutlicher ausgeführt, indem er zu einem seiner Untergebenen sagte: ‚Ich habe ihn zum General gemacht, damit er weiß, wann er nicht zu gehorchen hat.‘“13

Zwar konnte Freisler den zivilen Widerständlern streng genommen keinen Eidbruch zur Last legen, stellte sie aber analog als „Verräter“ hin, denen er übersteigerten Ehrgeiz unterstellte. Hinter dem Namen Wilhelm Leuschner notierte der Volksgerichtshof Beruf und Wohnort: „Fabrikant aus Berlin-Charlottenburg“. Und tatsächlich leitete Leuschner bis zu seiner Verhaftung nach dem ­gescheiterten Attentat in Berlin eine kleine Fabrik. Gemeinsam mit ­seinem Schwiegersohn hatte er den Betrieb für medizinische Instru12

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mente im Jahr 1936 erworben und ihn anschließend um die Produktion von Ventilen für „moderne und gepflegte“ Bierzapfanlagen erweitert.14 Im Geschäftsbereich „Apparatebau und Patentverwertung“ arbeitete er zudem während der Kriegsjahre für die Marine. Als Fabrikant hatte Leuschner also gewisse Handlungsspielräume. Ebenso wie einige seiner Mitarbeiter konnte er ständig reisen. Sie alle hatten einen Grund, überall im Lande „Rendezvoushäuser der Verschworenen“ (Walter Benjamin) aufzusuchen, darunter auch Gaststätten, deren Bierzapfanlagen umgerüstet werden sollten. „Der Betrieb fabrizierte einige kleine technische Neuerungen – der Erfinder war Schneppenhorst – für Wirte“, schreibt Leuschners Mitverschwörer Emil Henk, und eben darüber „wurden die Vorbereitungen zum 20. Juli mitfinanziert“.15 Vor allem garantierte das Unternehmen die für die Arbeit des Netzwerks erforderliche Mobilität: Schon vor dem Krieg seien von diesem kleinen Betrieb aus politische Beauftragte von Leuschner regelmäßig mit der Bahn und meist in der „Maske eines Geschäftsreisenden“ ins Ausland gereist, so Henk. Auf diesem Weg sei trotz strenger Kontrollen durch die Gestapo die Verbindung mit den internationalen Gewerkschaften hergestellt und aufrechterhalten worden. Als primäre Zielgruppe wurden dabei die Wirte der allerorten bestehenden Tradi­ tionslokale der Arbeiterschaft ins Auge gefasst.16 Innerhalb Deutschlands, so der Zeitzeuge Emil Henk, verband somit ein „vorzüglicher Kurierdienst“ die „Stützpunkte und Keimzellen“ des Leuschner-Netzwerks. Die Gestapo, der Leuschners rege Reisetätigkeit nicht geheuer war, lud ihn bereits 1938 vor, um sich über die Ziele seiner Geschäftsreisen klar zu werden. Die Städteliste ist beeindruckend: Köln, Dortmund, Hamburg, Düsseldorf, Leipzig, Erfurt, Eisenach, Kassel, Frankfurt am Main, Kaiserslautern, Stuttgart, Freiburg, Hannover, Hildesheim, Osnabrück, Duisburg, Aachen, Koblenz, Breslau, Dresden und Chemnitz.17 Heute 13

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wissen wir, dass Wilhelm Leuschner in vielen dieser und weiterer Städte (beispielsweise Nürnberg18) direkt oder über Kuriere jahrelang Kontakte zu Widerstandszellen des gewerkschaftlich-sozialdemokratischen Spektrums pflegte. Diese Zellen hielten sich für die Übernahme kommunaler und polizeilicher Aufgaben nach einem erfolgreichen Hitler-Attentat bereit. Seine wirtschaftlichen Aktivitäten boten Leuschner „die Möglichkeit, nun erst recht politisch zu arbeiten unter den Augen des Gegners, aber doch so, dass er sich den Augen des Gegners entziehen konnte“.19 Die politische Maskierung, auch die Verwendung von Sprach- und Namensmasken, gehörte zum konspirativen Handwerkszeug des Leuschner-Netzwerks. Kneipenwirte oder Betreiber von Wettbüros – etwa im Frankfurter Bahnhofsviertel – fungierten als „Herbergsväter der Konspiration“ (Walter Benjamin).20 Ein wichtiger privater Gastgeber für die zivilen Mitverschwörer des 20. Juli war der Heidelberger Pharma-Großhändler und Sozialdemokrat Emil Henk, der das Netzwerk unmittelbar nach dem Krieg ­folgendermaßen einschätzte: „Für die entscheidenden Männer war es klar, dass sie ohne den Rückhalt der Masse des Volkes nicht handeln können. Also ein Umsturz konnte nie auf Berlin beschränkt sein, sondern es musste sehr bald der Tag kommen, wo draußen – sagen wir mal, in der Provinz – der Anschluss an die Vorgänge in Berlin vollzogen werden musste. Man hat das so gemacht, dass zunächst ganz wenige Menschen in Frankfurt, in Mainz und so weiter als Vertrauensleute festgelegt wurden. Und diese Vertrauensleute haben kurz vor Beginn des Attentats ein Alarmzeichen bekommen, dass sie in den einzelnen Orten und Städten ihre Vertrauensleute alarmieren. Und hier in diesem Gebiet, das wird mein Freund Steffan bestätigen, hatte jeder Vertrauensmann in den Orten draußen die Aufgabe, zehn Menschen an sich ran zu bringen, damit eben auch draußen im weiten Land die Resonanz des Attentats möglich sei.“21

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Anders als bei der militärischen Gruppe wurden von den zivilen „Vertrauensleuten“ der Verschwörung des 20. Juli 1944 nur vergleichsweise wenige enttarnt. Es blieb bei einer Handvoll Todesurteile und Hinrichtungen, weil einige der Verhafteten auch unter der Folter keine Namen preisgaben. Leuschners enger Mitarbeiter Ludwig Schwamb, der am 23. Januar 1945 in Plötzensee hingerichtet wurde, gehörte zu denjenigen, die bis zum Ende schwiegen, Ludwig Bergsträsser zu jenen, die nicht verraten wurden. Im Juni 1946 erinnerte Bergsträsser bei einer Gedenkfeier für Leuschner und Schwamb in der Darmstädter Orangerie daran, dass er und andere im Saal ihr Leben wohl vor allem Schwamb verdankten: „Er ist bei den Untersuchungen immer wieder nach diesem oder jenem befragt worden. Es kam kein Wort, kein Name über seine Lippen. Er hat seinen Freunden die Treue bewahrt bis in den Tod.“22 Henk und Bergsträsser waren demzufolge aktiv in die politischen Planungen für die unmittelbare Phase nach einem erfolgreichen Hitler-Attentat eingebunden, was der Historiker Hans Mommsen bestreitet: „Es ist charakteristisch, dass politische Pragmatiker wie Emil Henk, der als Berater Mierendorffs fungierte, und Parlamentarier wie Ludwig Bergsträsser, der mit Leuschner in Verbindung stand, an der Verschwörung nicht direkt beteiligt waren.“23 Ein Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1947 stützt allerdings Bergsträssers Einschätzung.24 Sowohl Bergsträsser – alias „Dr. Pampel“ – als auch Henk waren unmittelbar an den Untergrund-Aktivitäten des sozialdemo­ kratisch-gewerkschaftlichen Widerstands beteiligt und im Fall eines geglückten Attentats für wichtige politische Funktionen vorgesehen. *** Einige Namen von Angehörigen des mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 verbundenen zivilen Widerstands sind heute zwar mehr oder weniger geläufig, doch im Gegensatz zum Gedenken an Claus 15

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Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitverschwörer aus den Kreisen der Militärs ist die kollektive Erinnerung an die weitverzweigten zivilen Widerstandsstrukturen rund um Leuschner inzwischen teilweise verblasst. Auch über den Netzwerkcharakter des zivilen Widerstands und seine die Akteure verbindende Topografie herrscht teilweise Unklarheit. Das vorliegende Buch versucht diese Defizite der Erinnerung am Beispiel einiger Beteiligter und Orte vor allem links und rechts der Rheinschiene zu ändern. Nicht zuletzt dank einer frühen Schrift Emil Henks sind jedoch weit mehr Namen des Leuschner-Widerstandsnetzes bekannt als diejenigen, deren Geschichte hier erzählt wird. Lokalhistoriker und Geschichts­ initiativen sind zahlreichen Spuren nachgegangen. Dennoch ist nach wie vor erst rudimentär aufgearbeitet, wie umfassend das Leuschner-Netz tatsächlich war. Dass die von Leuschner, dem „Fabrikanten aus Charlottenburg“, koordinierten zivilen Widerstandsstrukturen im deutschen Südwesten vor allem entlang des Rheins besonders stark ausgeprägt waren, war dabei sicher kein Zufall, blickt doch Südwestdeutschland auf eine bis in die Zeit der Französischen Revolution reichende republikanische Tradition zurück. Für die Nazis war der in Franken geborene und in Südhessen politisch sozialisierte Leuschner, so das Todesurteil, der designierte „Minister einer feindhörigen Verräterregierung“, die die Deutschen auf „Gnade oder Ungnade“ dem Feind habe ausliefern wollen. Und in der Tat hatten maßgebliche Vertrauensleute des Leuschner-Netzes gute Kontakte zu den Alliierten. Als US-Truppen 1945 den Rhein erreichten, wussten sie, welchen Personen aus dem sozialdemokratischen oder gewerkschaft­ lichen Milieu sie vertrauen konnten. Als es um den Aufbau demokratischer Institutionen ging, griffen die Offiziere der Alliierten auf die Akteure des Leuschner-Netzes zurück. Vielen der heute in Vergessenheit geratenen zivilen Widerständler des 20. Juli 1944 16

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wurden führende politische Rollen im Nachkriegsdeutschland übertragen. Der „Fabrikant aus Charlottenburg“ war da bereits tot. Wilhelm Leuschner wurde am 29. September 1944 gemeinsam mit fünf Wehrmachts­offizieren in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Wie groß die politischen Differenzen unter den zivilen Verschwörern im Umfeld des 20. Juli 1944 waren, ist vielfach beschrieben worden. So wollte etwa der Kreisauer Kreis noch im Herbst 1942 Wilhelm Leuschner davon abbringen, mit der militärischen Gruppe um Stauffenberg ein Attentat auf Hitler vorzubereiten. Helmuth James Graf von Moltke hielt eine solche Aktion mit Blick auf die Nachkriegsordnung für falsch.25 Dass zudem linkssozialistische Pazifisten der „Deutschen Friedensgesellschaft“, einer weiteren zivilen Gruppierung, mit Politikern wie Carlo Mierendorff zusammenarbeiteten, die zur sogenannten „Neuen Rechten“26 in der SPDReichstagsfraktion gezählt wurden, ging auf Zeiten gemeinsamer Lagerhaft zurück. Zu den an dem Umsturzversuch nicht beteiligten Kommunisten hatte das sozialdemokratische Spektrum des 20. Juli, dem das Leuschner-Netz angehörte, ein vielfach gebrochenes Verhältnis, das auch über das Kriegsende hinaus spannungsreich blieb. Diese Widersprüche gefährdeten das Netzwerk, zerstörten es aber nicht. Überlebende Zeitzeugen entstammten sehr verschiedenen sozialen und politischen Milieus. Die später eng befreundeten Widerständler Emil Henk und Fabian von Schlabrendorff unterstrichen in den Nachkriegsjahrzehnten das Gemeinsame der Umsturzbewegung: „Das Wesentliche der Männer und Frauen des 20. Juli war, dass sie aus einem Geist heraus empfanden, dachten und handelten. Die anders­ artige Meinung des einen oder des anderen wurde nicht angesehen als die Meinung des Todfeindes, sondern als die Überzeugung eines Freundes, der ein Recht darauf hatte, dass seiner Meinung mit Achtung begegnet wurde.“27

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Das Leuschner-Netz bestand aus handelnden und kommunizierenden Personen  – die ein gemeinsames Anliegen hatten und deren Routen sich daher kreuzten. Gliederungsprinzip des vorliegenden Buches sind daher nicht die Akteure des konspirativen Netzwerkes, sondern die Orte ihres Wirkens. Zur Topografie des LeuschnerNetzes gehörten weder Wolfsschanze noch Bendlerblock, zwei Ortsnamen, die den Diskurs über den 20. Juli 1944 heute dominieren. Das Leuschner-Netz umfasste im Wesentlichen den deutschen Südwesten, die Rheinschiene und Teile des Ruhrgebiets. Hier war es zivilen Widerständlern wie Christian Fries, Emil Henk und Gustav Kettel möglich, jahrelang konspirativ tätig zu sein. Trotz politischer Widrigkeiten wirkten viele der Akteure nach der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus später am Aufbau der Bundesrepublik Deutschland mit. *** Den Anstoß zu dem vorliegenden Buch gab ein Artikel von Hans Riebsamen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Sommer 2016.28 Sein Bericht über den 20. Juli 1944 führte uns zu dem Wiesbadener Historiker Axel Ulrich und dessen grundlegenden Forschungen zum „Leuschner-Netzwerk“.29 Ihm verdanken wir wichtige Ansatzpunkte für die Recherche, etwa den Hinweis auf Emil Carlebach. Die Arbeiten von Reinhold-Lütgemeier-Davin zu den beiden Leuschner-Netz-Konspirateuren Gustav Kettel und Hein Herbers bescherten uns ebenfalls außerordentlich aufschlussreiche Erkenntnisse.30 Für ihre freundliche Unterstützung bei den Recherchen bedanken wir uns überdies bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hessischen Staatsarchive in Wiesbaden und Darmstadt, bei den Stadtarchiven Frankfurt am Main, Mainz und Heidelberg, bei der 18

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Gedenkstätte KZ Osthofen, beim Archiv der Deutschen Kapuzinerprovinz in Altötting, bei dem Bensheimer Geschichtsforscher Franz Josef Schäfer sowie beim Team der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt. Auch dem Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (Abteilung Rheinland in Duisburg) sowie dem Landesarchiv des Saarlandes sind wir zu Dank verpflichtet, ebenso den Rundfunk­ archiven des Südwestrundfunks und des Deutschlandfunks. Ein langes Interview mit Professor Lutz Niethammer half uns darüber hinaus, die Lage der deutschen und europäischen Linken am Ende des Krieges besser zu verstehen. Wichtige Erkenntnisse zogen wir aus den Gesprächen mit Lothar Schwamb und Christoph Kossmann. Regine Gamm von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (wbg) verdanken wir maßgeblich, dass dieses Buch zustande kam. Von ihr fühlten wir uns in jeder Phase des Projektes bestens betreut. Schließlich gilt unser Dank Friedrich Küppersbusch, Ursel Gehring, Petra Gehring und Axel Höfel, die uns mit Lektüren, Lektoraten und Ermutigungen großartig unterstützt haben. Unserem gründlichen Lektor ­Thomas Bertram sind wir ebenfalls zu großem Dank verpflichtet.

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Bahnhöfe in Frankfurt am Main, Essen, Heidelberg – Fries, Kettel und Henk „Der gute Nachbar: Werde der Unauffälligste. Wenn du jemand liebst, verlass ihn. Wenn du jemand traust, so hast du einen Fehler gemacht, vertraue nur uns in der Welt. Werde der Unauffälligste, der Jedermann, werde der Herr Niemand von überall. Werde kalt, still, bescheiden, du bist ein Pfennig in der Bewegung, bis sie dein Silber entdecken.“

Günther Weisenborn, Die Illegalen 31

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ahnhofsviertel großer Städte verändern sich ständig. In Frankfurt am Main treffen sich heute die schick gekleideten Banker aus den nahe gelegenen Hochhaustürmen zur Mit-

tagspause in den unzähligen Restaurants verschiedener Migrantengruppen. Gleich nebenan behaupten sich das Rotlicht-Milieu und die Drogenszene. In Essen ist der Bahnhof auf der einen Seite vom tosenden Verkehr auf dem Ruhrschnellweg begrenzt, während auf der anderen die alten Einkaufsstraßen in Zeiten des Online-Handels ums Überleben kämpfen müssen. In Heidelberg entwickelt sich zur Zeit der Entstehung dieses Buches direkt hinter dem Bahnhof ein ganz neues Viertel, die Bahnstadt. Am Vordereingang stapeln sich die Fahrräder der Studierenden, bevor man nach wenigen Metern in ruhigere Straßen mit alten Bürgerhäusern gelangt. Doch eines ist überall gleich: Bahnhöfe und ihr Umfeld sind Sammel20

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punkte für heterogene Gruppen, bieten billige Restaurants und Bars als Treffpunkte, dazu eine gewisse Anonymität in der Masse – heute, aber auch damals, als die Konspirateure unterwegs waren. Der Medikamentenhersteller und Arzneimittelhändler Emil Henk bewegte sich so unauffällig im Raum, als folgte er den Empfehlungen des guten Nachbarn aus Weisenborns Stück. Henks Tarnung – ein „Pfennig in der Bewegung“ – blieb bis Kriegsende bestehen. Er war der perfekte „Herr Niemand von überall“. „Dass er die Folgen des gescheiterten Attentats vom 20. Juli überlebte, ist fast ein Wunder, war Henk doch als Landesverwalter für Baden vorgesehen. Mag sein, dass man ihn nicht aufspürte, weil er meistens unterwegs war“,32 so Fabian von Schlabrendorff, der als enger Vertrauter Stauffenbergs nach dem 20. Juli 1944 verhaftet und gefoltert wurde. Dass Henk unentdeckt blieb, lag auch an der weit verzweigten Topografie des Leuschner-Widerstandsnetzes. Belebte Verkehrsknotenpunkte, vor allem die Bahnhöfe großer Städte, in deren Nähe Kneipen, Privatwohnungen oder Geschäftsräume lagen, dienten den Verschwörern als Treffpunkte. Gustav Kettel, einer der wichtigsten Kuriere der Untergrundorganisation, wählt bei seinen Reisen mit der Bahn den Decknamen „Camphausen“, zweifellos eine Hommage an Ludolf Camphausen, den rheinischen Liberalen aus dem Vormärz und Unternehmer, der das Projekt des sogenannten „Eisernen Rheins“  – den Bau einer Eisenbahnlinie von Köln nach Antwerpen – maßgeblich vorantrieb. Auch grenzübergreifend war Kettel für das Leuschner-Netz unterwegs. Der Bahnknotenpunkt Mainz sollte nach dem geglückten Attentat auf Hitler Ausgangspunkt für einen Eisenbahnerstreik werden, „einige Reichsbahn-Inspektoren hatten alle Vorbereitungen getroffen“.33 Auch die Bahnwaggons selbst waren Schauplätze konspirativer Treffen. So erinnert sich Ernst Müller, ein Dortmunder Mitglied des Netz21

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Max Beckmanns Gemälde „Frankfurter Hauptbahnhof“ entstand 1942 im Exil in Amsterdam, zehn Jahre nachdem Beckmann die Stadt verlassen hatte.

werks, an ein Gespräch mit Wilhelm Leuschner im Nachtzug zwischen Hagen und Kreiensen.34 Doch so sehr Menschenmassen in Zügen und auf Bahnhöfen Schutz boten: Die Stationen wurden überwacht. Und wer viel reiste, musste gute Gründe angeben können, insbesondere, wenn man den NS-Behörden bereits als Oppositioneller bekannt war. In mehreren Großstädten entlang der Rheinschiene befanden sich über lange Jahre Treffpunkte und Anlaufstellen des Netzwerkes nur wenige hundert Meter vom jeweiligen Bahnhof entfernt. Emil Henks Wohnung lag in der ruhigen Kaiserstraße (Hausnum22

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mer 33, das Haus existiert heute noch) unweit des Heidelberger Hauptbahnhofs. Auch das Essener Kontor des Großküchenverkäufers Gustav Kettel, in dem sich Angehörige des Widerstandsnetzes trafen, befand sich in der Nähe des Hauptbahnhofs in der Rolandstraße 24. Ein Großküchen-Geschäft „Kettel“ existiert heute noch in Essen, allerdings liegt es nicht mehr in unmittelbarer Nachbarschaft des Hauptbahnhofs. Im Falle Leuschners war der Weg von der Fabrik für Zapfanlagen in Berlin-Kreuzberg zu gleich mehreren Bahnhöfen ebenfalls nicht weit. In Frankfurt am Main war das Bahnhofsviertel ein Hauptaktionsraum der örtlichen Gruppe des Netzes um den Kripo-Beamten Christian Fries. Dort gab es mindestens zwei konspirative Treffpunkte: das Hotel mit Restauration Zimmermann und ein Wettbüro. Das Hotel wurde Anfang 1944 zerstört. Die Kaufleute nutzten ihren Bewegungsspielraum für enge Kontakte. Dabei kam der dringende gesellschaftliche Bedarf an Lebensmitteln und dazugehöriger Technik den Untergrundaktivitäten entgegen. Auch wenn die Nationalsozialisten den Händlern ­aufgrund ihrer politischen Vorgeschichte misstrauten  – ihre Betriebe waren zu wichtig für die Kriegswirtschaft, als dass man auf ihre Dienste hätte verzichten können. Es galt, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung und Dingen des alltäglichen Bedarfs sicherzustellen. Zu Letzteren gehörten auch Reinigungsgeräte, die ein weiterer Widerständler, Ernst Volkmann, erfolgreich von Bochum aus vertrieb. Der Dortmunder Mitverschwörer Müller handelte mit Unterrichtsmitteln für Schulen, später verkaufte er Särge.35 Die Handlungsreisenden organisierten den illegalen Widerstand parallel zu ihren legalen Geschäften – und passten ihr Netzwerk der Mobilität der Akteure an. Dass die zivile Verschwörung des 20. Juli 1944 im Vergleich zu ihrem militärischen Pendant besser funktionierte und viele ihrer Beteiligten nach dem Scheitern des Attentats 23

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unentdeckt blieben, lag auch daran, dass sie oft schlecht auffindbar waren: immer unterwegs, nicht dort anzutreffen, wo man sie suchte, abgetaucht, wenn nötig – um dann neu aufzutauchen. Man arbeitete nicht ad hoc zusammen, sondern langfristig und mit dem Ziel eines staatlichen Neuaufbaus. An dem nötigen Selbstbewusstsein mangelte es den zivilen Akteuren des Leuschner-Netzwerks nicht, wie eine Äußerung von Emil Henk belegt: „Militärs sind schlechte Konspiratoren. Es gehört zu ihrem Beruf. Es wird sich immer wieder zeigen: sie verstehen etwas vom Krieg. Vom Staat, von einer Revolution verstehen sie nichts.“36 Zur urbanen Topologie des Leuschner-Netzes am Rhein gehörte auch ein Umland. Kleine Verstecke des Netzwerks lagen oft außerhalb der Städte und waren teils ausgesprochen schwer zugänglich. So nutzten die zivilen Verschwörer einen Bauernhof in der Eifel, einen Privat-Unterschlupf in einem kleinen Weindorf bei Mainz, ein unauffälliges Wohnhaus am Stadtrand von Bochum oder ein Erdloch auf einem Klosterareal an der Hessischen Bergstraße als Rückzugsorte. Die Peripherie oder auch Grünzonen  – Angehörige des Netzwerks wichen beispielsweise in die Wälder südlich von Frankfurt am Main aus, um dort bei langen Spaziergängen das Notwendige zu besprechen – wurden in dem Moment wichtig, wo der Verfolgungsdruck in der Stadt sich erhöhte. Sowohl Gustav Kettel als auch Christian Fries tauchten nach dem Scheitern des Attentats vom 20. Juli 1944 zeitweilig im Frankfurter Umland unter. Darüber hinaus bewegten sich die Mitglieder des Netzes auch im benachbarten Ausland. Ohne sich damit aus den Widerstandsstrukturen zurückzuziehen, hielten sie sich etwa in der Schweiz oder in den Niederlanden auf. Der Bochumer Widerständler Josef „Jupp“ Kappius reiste 1940 nach Großbritannien aus und kehrte später auf ungewöhnlichem Wege nach Deutschland zurück: Er 24

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sprang über dem Emsland aus einem britischen Flugzeug mit dem Fallschirm ab und begab sich ins Ruhrgebiet. Seine Frau Änne Kappius agierte von der Schweiz aus und riskierte ihr Leben als Kurierin. Sie war mit der Eisenbahn zwischen dem Genfer See und dem Ruhrgebiet unterwegs. Ein pressefotografischer Zufall zeigt uns übrigens einen Bahnhof auch als Ort, an dem einer der nach dem Krieg noch zeitweilig inhaftierten Verschwörer, Christian Fries, nachdem die Gefahr vorüber war, seine Rehabilitierung genoss. Es ist ein Sonntagmorgen im Sommer 1949: Prominenter Besuch aus den USA, Thomas und Katja Mann, steigt um 8.50  Uhr am Frankfurter Hauptbahnhof aus dem Schlafwagen des Basel-Hamburg-Express. Eine Gruppe Kriminalbeamter ist vor Ort, um die Sicherheit des Paars zu gewährleisten, unter ihnen Frankfurts neuer Kripo-Chef Christian Fries. Ob das Foto auch ihn zeigt, ist allerdings nicht eindeutig belegbar. Später bewachen die Beamten das Paar auch in einem Gästehaus der Stadt Frankfurt am Main im Taunus und in der Frankfurter Paulskirche. Dort erhält Thomas Mann zur Feier des Geburtstags von Johann Wolfgang von Goethe am 28. August den Goethepreis der Stadt. Fries gibt sich an diesen Tagen keineswegs reserviert. Vielmehr lässt er sich von einem Reporter des Spiegel einen Tag lang begleiten und bei seiner Tätigkeit als Landesbeamter in der neuen Bundesrepublik über die Schulter schauen. Glaubt man dem Zeitungsreporter, so fand Fries durchaus Gefallen an seiner Rolle als Leibwächter: „Niemand konnte feststellen, ob Fries seine Augen überall oder nirgends hatte, er hatte sie nämlich durch eine blaue Sonnenbrille raffiniert getarnt. Aus der Gästehausküche erreichte ihn ab und an ein kühles Helles.“37

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Saarbrücken, Gutenbergstraße 11 – Christian Fries „Es ist Herbst. Der Ahorn wird kahl und die Flugblätter fallen.“ Weisenborn, Die Illegalen38

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ie kleinen Arbeiterhäuser in den ländlichen Bergwerksgemeinden ducken sich an die sanften Hügel. Irgendwo am Horizont strecken sich die stählernen Hochofen-Kolosse der

Hüttenwerke in den Himmel, die heute manchmal Weltkulturerbe sind. Im Stadtzentrum Saarbrückens herrscht hingegen oft beinahe südliches Flair, Frankreich grüßt kulturell von Westen her mit Restaurants und Weinstuben. Das Saarland war immer schon eine le-

bendige Zwischenwelt  – zwischen dem „Reich“ und Frankreich, zwischen dichtem Wald und den unwirtlichen Abraumhalden der Bergwerke, zwischen dem Katholizismus der Bergleute oder Stahlarbeiter und dem Protestantismus der Bergwerkseigner. Kein Wunder, dass hier oft politische Unruhe herrschte. Das westliche Grenzgebiet Deutschlands gehörte wesentlich zur Topografie des Leuschner-Netzes und seiner Vorgeschichte. Einige seiner zentralen Akteure stammten sogar von der elsässischen Seite der Grenze. Die umkämpfte Linie im Westen sollte später für die Illegalen eine Fluchtlinie sein – eine räumliche Barriere, die nicht immer erfolgreich überschritten werden konnte. 26

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Christian Fries in den 1940er-Jahren

Zunächst jedoch führte die politische Sozialisation einige der maßgeblichen Akteure des Widerstandsnetzes von der westlichen Peripherie Deutschlands in Richtung Osten, ins Zentrum des Deutschen Reiches. Schließlich reichten – spätestens in der Illegalität – die persönlichen und politischen Wege oftmals wieder zurück nach Westen. Alte Freundschaften und persönliche Bindungen aus Jugendjahren erwiesen sich hier häufig als prägend. Auch das kennzeichnet das Netzwerk, wie die Geschichte von Christian Fries zeigt, während der Vorbereitung des Attentats vom 20. Juli 1944 der Kopf des Leuschner-Netzes in Frankfurt am Main. Zimperlich ging Fries mit den Medien nicht um. Ein Vierteljahrhundert bevor er nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler in Frankfurt am Main den örtlichen Rundfunksender besetzen sollte, um die Berliner Botschaften Stauffenbergs, Goerdelers und Leu27

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schners zu verbreiten, suchte er die Kontrolle über die Redaktion der Saarbrücker Zeitung in der Gutenbergstraße 11 in Saarbrücken zu erlangen. Es war die Zeit der Novemberrevolution 1918, als sich Arbeiter- und Soldatenräte bildeten, um nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg anstelle der feudalen eine neue, demokratische Ordnung zu errichten. Der am 18. August 1895 ganz in der Nähe der saarländischen Hauptstadt, in der Bergbaugemeinde LandsweilerReden, geborene Fries beteiligte sich als Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates der Stadt Saarbrücken an den revolutionären Aktionen.39 Diese zielten 1918 auch auf die Kontrolle der örtlichen Presse, insbesondere der Saarbrücker Zeitung, die für Verlautbarungen des revolutionären Gremiums genutzt werden sollte. 40 Richard Hofer, der Besitzer des Blatts, erwies sich als geschickter Verhandlungspartner der aufständischen Arbeiter und Soldaten. Er erreichte, dass der revolutionäre Rat um Valentin Schäfer und Christian Fries auf die Forderung nach Unternehmensbeteiligung und Einsetzung eigener Redakteure verzichtete. Immerhin erschien die Zeitung fortan zensiert und mit dem Untertitel „Amt­ liches Veröffentlichungsblatt des Arbeiter- und Soldatenrates Saarbrücken“. Allerdings konnten Fries und seine Mitstreiter diese neue Medienmacht im Rat nicht lange genießen. Am 22. November 1918 ­besetzten französische Truppen das Saarland. Die Arbeiter- und ­Soldatenräte wurden aufgelöst. Die Medienkontrolle ging nun auf die französische Militärverwaltung über. Christian Fries jedoch hatte Feuer gefangen. Er verließ Saarbrücken, um andernorts am Aufbau einer neuen Republik mitzuwirken. Fünf Monate lang engagierte er sich in weiteren Räten, in Thale im Harz, in Berlin-Weißensee, Z ­ erbst und Dessau: „Die erwähnte Tätigkeit war für mich eine politische Schulung, die in mir die positive Einstellung zur Demokratie erzeugte“, schrieb er knapp zwei Jahrzehnte später. 41 Auch wenn 28

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er kein „eingeschriebenes Mitglied der SPD“ war, sei sein politisches Denken und Handeln „auf diese Partei abgestimmt“ gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Kontrast zwischen Fries und Claus Schenk Graf von Stauffenberg größer nicht sein können. Auch der spätere Hitler-Attentäter erlebte die Novemberrevolution sehr bewusst, allerdings aus ganz anderer Perspektive. Stauffenberg empfand seinen zwölften Geburtstag am 15. November 1919 als besonders traurig. 42 Mit der Abdankung des vierten und letzten württembergischen Königs Wilhelm II. am 30. November 1918 hatte seine Familie im Vorjahr ihre angestammte Rolle im gehobenen Verwaltungsdienst der kleinen, vergleichsweise aufgeklärten Monarchie im Südwesten verloren. Eine Stuttgarter Dienstwohnung musste geräumt werden, die rebellischen Arbeiter und Soldaten waren in der Adelsfamilie entsprechend unbeliebt. Ein Vierteljahrhundert später würde Stauffenberg Leute wie Christian Fries für seine eigene Umsturzplanung brauchen. Dass der Saarländer Fries nach seinen vorläufig letzten revolutionären Aktivitäten im Osten Deutschlands schließlich in der Zeit der Weimarer Republik nach Frankfurt am Main kam, hatte wohl mit der politischen und persönlichen Freundschaft zu Adolf Weidmann zu tun. Fries beschreibt den in Wiesbaden lebenden Weidmann als SPD-Funktionär und Gewerkschafter, der 1930 in einer Besprechung in Berlin durchsetzte, dass der Saarländer wegen ­seiner „betont demokratischen Einstellung“ zur Kriminalpolizei nach Frankfurt am Main berufen wurde. Weidmann selbst war in der Endphase der Weimarer Republik Kriminalbeamter in Hessen. Nach dem Ende der Ausbildung bei der Frankfurter Kriminalpolizei wurde Christian Fries der politischen Polizei der Stadt zugeteilt. Zur gleichen Zeit trat er der „Eisernen Front“ bei, einer insbesondere von den Gewerkschaften und der SPD getragenen Organisation zur Verteidigung der Demokratie. Die drei Pfeile im Emblem 29

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der „Eisernen Front“ standen für die „drei Feinde“ der Weimarer Republik: Kommunisten, Monarchisten und Nationalsozialisten. Knapp zwei Jahre vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Fries abermals persönlich in den Kampf um ein Massenmedium verwickelt. Diesmal ging es nicht um eine Zeitung wie 1918 in Saarbrücken, sondern um das Kino, konkret um den Antikriegsfilm Im Westen nichts Neues nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque. Die Nationalsozialisten hatten sich 1931 vorgenommen zu verhindern, dass der US-Spielfilm in deutschen Kinos gezeigt wurde. In Frankfurt am Main griffen sie zu diesem Zweck sogar zu einer Handgranate, die sie während einer Vorführung des Films in das mehr als tausend Zuschauer fassende „Roxy“-Kino in der Großen Friedbergerstraße 26–28 warfen. Fries wusste, wo er den Anführer der Kino-„Bombenwerfer“, den SAFührer und arbeitslosen Architekten Walter Hoffmann, verhaften konnte. Und an Mut mangelte es Fries sein Leben lang nicht. Er ging „ohne besonderen Auftrag“ und „trotz Bedrohung durch die anwesenden SA-Leute“ in die „SA-Standarte in der Niedenau“, nahm Hoffmann fest und brachte ihn aufs Präsidium. Dass Fries wegen dieser Aktion nach 1933 politische Probleme bekommen würde, war klar. Er blieb zwar Kripobeamter, doch die Nationalsozialisten hatten ihn im Visier. Im Sommer 1933 wurde er vor einen „Nazi-Ausschuss“ zitiert, weil er unter anderem dem ehemaligen sozialdemokratischen Polizeipräsidenten Ludwig Steinberg „noch am 21.12.1932 die Goldene Ehrennadel des Polizeisportvereins überreicht und seine Verdienste in einer Ansprache gewürdigt“ habe. 43 Fries berichtet später von mehreren Vernehmungen. Beruflich überwintert er zunächst im Frankfurter Polizeipräsidium, bis er kurz vor Weihnachten 1937 zur Gestapo abkommandiert werden soll: „Um nicht bei einer Stapostelle Dienst tun zu müssen, meldete ich mich krank und wehrte mich mit allen Mitteln 30

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gegen diese Abkommandierung. Unterstützt wurde ich damals von dem Leiter der Kriminalpolizei, Regierungs- und Kriminalrat Evert. Es gelang uns, die Abkommandierung zu sabotieren.“44 Seit 1937 trifft Fries sich regelmäßig im Frankfurter Bahnhofsviertel konspirativ mit Polizeibeamten, Gewerkschaftern und Sozialdemokraten, die Widerstandsaktionen gegen die Nationalsozialisten planen. Daraus entsteht die Frankfurter Zelle des LeuschnerNetzes. Ab 1940 konnte Christian Fries für rund anderthalb Jahre nicht mehr an den Treffen der Regimegegner in Frankfurt am Main teilnehmen, denn er war zu diesem Zeitpunkt in die Nähe seiner saarländischen Heimat versetzt worden. Er sollte im lothringischen Thionville (Diedenhofen) im besetzten Frankreich Polizeiaufgaben übernehmen. Fries erhielt einen sogenannten „Angleichungsdienst­ grad“ der SS: „Meinem damaligen Beamtendienstgrad entsprechend erhielt ich für die Zeit meiner Abordnung den charakterisierten Dienstgrad eines Untersturmführers. Die Uniform wurde von mir nach zwei Monaten Anwesenheit in Thionville nur noch vereinzelt getragen, weil es nach dieser Zeit gestattet war, den Dienst in zivil zu versehen. Aufgrund eines Erlasses wurde ich im April oder Mai 1941 zum Hauptscharführer degradiert, weil ich der SS nicht angehörte.“45

Nach einem Jahr Dienst in Thionville meldete Fries sich krank und versuchte, wieder nach Frankfurt am Main zurückzukommen. Ende September 1941 hatte er Erfolg und durfte an seinen Wohnort zurückkehren: „Alle Uniformstücke musste ich bei der Dienststelle in Thionville zurücklassen, auch der mir seinerzeit bei der Einkleidung aufoktroyierte Dienstgrad ‚Untersturmführer‘ war mit der Uniform gleichfalls abgelegt.“46 Zum zweiten Mal nach der Novem31

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berrevolution 1918 verließ Fries aus politischen Gründen die deutschfranzösische Grenzregion, in der er aufgewachsen war. „Nach Wiederaufnahme meines Dienstes in Frankfurt am Main verkehrte ich wieder regelmäßig im Hotel-Restaurant Zimmermann in der Kronprinzenstraße, wo ich an politischen Besprechungen von Antifaschisten teilnahm“, erinnert er sich später. 47 Das Saarland, verschiedene ostdeutsche Orte, Frankfurt am Main, dann Lothringen und schließlich wieder Frankfurt am Main – das sind die zentralen Schauplätze, die Fries’ politische Biografie prägten. In der Topografie des Leuschner-Widerstandsnetzes war aber letzten Endes nicht seine Mobilität entscheidend. Er war kein Kurier der Illegalen, der ständig unterwegs sein musste. Fries war ein sogenannter „Stützpunktleiter“ oder „politischer Vertrauensmann“ des „Geheimapparates einer politischen Verschwörung“. 48 Er sorgte im Netz der Illegalen seit 1937 für Kontinuität. Sein Posten war Frankfurt am Main, seine Aufgabe die Machtübernahme in der örtlichen Polizei und in den Medien nach einem gelungenen Attentat. Der Hauptbahnhof, der für die Verschwörer so wichtige große Verkehrsknotenpunkt, war immer in Reichweite.

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Oberstdorf im Allgäu – Henk, Mierendorff, ­Haubach „Eine schlechte Zeit für ein ehrgeizwarmes, plänevolles Herz, das bald an der Kälte schrumpfen muss wie Quecksilber.“

Carlo Mierendorff, Der Gnom49

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mmer schauen, ob jemand gezielt hinter einem hergeht oder nicht. Die Bahnhöfe, die Züge bieten den Schutz der Menschenmasse, aber in der hektischen Menge lauert auch jederzeit Ge-

fahr. Die Polizeistationen sind nicht weit von den Gleisen entfernt. Die Knotenpunkte werden von den Behörden überwacht, damals wie heute. Durchatmen kann, wer weit draußen ist. Am Strand eines Seebades. Oder in den Bergen, wenn man beim Wandern genau sehen kann, dass einem niemand folgt. Die Berge zogen Wilhelm Leuschner magisch an. Vielleicht auch deswegen, weil ihn die Blicke von oben an das Ballonfahren erinnerten, das er so liebte. Wenn er von dem Glück, über der Landschaft zu schweben, erzählte, lenkte Leuschner auch Wolfgang Langhoff, den späteren Intendanten des Deutschen Theaters in Berlin und Leidensgenossen in der gemeinsamen NS-Haft, ein wenig ab. Leuschners „geheime, große Liebe“ sei der „Flugballonsport“ gewesen, berichtet Langhoff einige Jahre nach Kriegsende. Für die Häftlinge weiteten sich in solchen Momenten die Wände der engen Gemeinschaftszelle, und sie träumten sich in den Himmel: 33

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„Nie werde ich das ‚Wipfeltauchen‘ vergessen, wie er es uns geschildert hat: Über dem grünen Laubmeer eines Waldes sinkt langsam der Ballon in die Zweige, der Korb taucht rauschend ins Grüne, da wird ein wenig Ballast abgeworfen und der Ballon steigt schnell wieder empor, sinkt sich nach einiger Zeit wieder hinab und so wiederholt sich das Spiel. Das war das ‚Wipfeltauchen‘, und wenn ich mir später in der Enge der Zelle und unter dem Druck der Nazihenkersknechte Visionen der Freiheit vorzauberte, um standhalten und ausharren zu können, dann war es das ‚Wipfeltauchen‘ […], das vor meinen Augen erstand.“50

Doch nicht nur Leuschner, auch seine Mitstreiter im konspirativen Netz liebten die weiten Blicke, die vor allem alpine Szenerien boten – ob im Ballon oder auf Skiern. Die Alpen waren ein Raum, an dem man sich tendenziell der Überwachung entziehen wollte, eine Landschaft, in der man ab und zu ausruhte, ein paar Tage ­Abstand von den räumlichen Brennpunkten der Untergrundarbeit in Berlin oder den Ballungsräumen entlang des Rheins gewinnen konnte, ein Platz, der Möglichkeit zur Reflektion bot, der eine Atempause verschaffte. Oberstdorf war der wohl wichtigste Rückzugsort der Mitglieder des Kreisauer Kreises im Leuschner-Netz: des aus Sachsen stammenden und in Hessen politisch sozialisierten Carlo Mierendorff, des in Frankfurt am Main geborenen und in Berlin-Plötzensee hingerichteten Theodor Haubach sowie des Heidelbergers Emil Henk. Hier konnten sie sich nicht nur erholen, sondern auch in Ruhe nachdenken. Auf einem Schwarz-Weiß-Foto sieht man einen Mann mit Hut, eingehüllt in einen langen, dunklen Wintermantel. Er geht durch eine tief verschneite Landschaft, im Hintergrund ist ein mehr­ stöckiges Haus zu sehen. In der linken Hand trägt er einen Aktenkoffer. Die Bildunterschrift lautet: „Mierendorff zu Besuch bei Henk in Oberstdorf (1942/43)“.51 Auf dem Foto sieht Carlo Mieren34

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Carlo Mierendorff zu Besuch bei Emil Henk in Oberstdorf (1942/43)

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dorff nicht so aus, als ob er als Erholungssuchender ins winterliche Oberstdorf gereist wäre. Dass der NS-Gegner sich zur Jahreswende 1942/43 überhaupt im Allgäu frei bewegen konnte, war angesichts der zurückliegenden Jahre alles andere als selbstverständlich. Denn die Zeit von 1933 bis 1938 hatte der frühere SPD-Reichstagsabgeordnete nahezu durchgehend in Gefängnissen und Konzentrationslagern verbracht. Bei Kriegsausbruch am 1. September 1939, als seine alten Weggefährten Theodor Haubach und Wilhelm Leuschner ­erneut für einige Wochen inhaftiert wurden, blieb Mierendorff verschont, weil er in Berlin in einem „kriegswichtigen“ Betrieb, der Braunkohle-Benzin AG (BRABAG), einer IG-Farben-Tochter, arbeitete. Die Tätigkeit ermöglichte Mierendorff Reisen, durch die er sich der Überwachung durch die Gestapo zumindest teilweise entziehen konnte. Weihnachten 1942 traf Mierendorff im Ferienhaus seines Heidelberger Freundes Emil Henk die „sozialistischen Mitglieder“ des Kreisauer Kreises, Theodor Haubach und Henk selbst. Dessen Haus in Oberstdorf „war nicht nur eine ‚Fluchtburg‘, […] sondern auch der Ort, an dem die drei ‚Kreisauer‘ ihre politischen und strategischen Überlegungen zum Endkampf gegen die Hitlertyrannei anstellten“, berichtet Ende der 1960er-Jahre Artur E. Bratu, ein Nachkriegsfreund Henks. Die kleine sozialdemokratische Fraktion des Kreisauer Kreises diskutierte bereits Ende 1942 in Oberstdorf über ein geplantes Attentat auf Hitler. Wie schon früher der Kopf der Gruppe, Helmuth James Graf von Moltke,52 erhob auch Henk „schwerste Bedenken“ gegen ein Attentat im Frühjahr 1943. Noch aus der Todeszelle im Berliner Gefängnis Tegel schrieb Moltke am 21. Dezember 1944 an seine Frau Freya, dass er Mierendorff im Herbst 1942 sogar gebeten habe, die Umsturzpläne der Gruppe „Beck-Goerdeler“ bei der Gestapo anzuzeigen, um damit auch Wilhelm Leuschner von einer ­Zusammenarbeit mit diesem umsturzbereiten Personenkreis ab­ 36

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zubringen – letztlich vergeblich.53 In Oberstdorf lautete Weihnachten 1942 Henks Argumentation, der sich Mierendorff und Haubach anschlossen, dass der historische Augenblick für ein Attentat noch nicht gekommen sei, da Hitlers Sturz die „sofortige Kapitulation Deutschlands“ bedeuten würde.54 Doch wann sollte dieser Augenblick kommen? Für die Mitglieder des Kreisauer Kreises war nicht die knapp ein Jahr zurückliegende Wannsee-Konferenz mit der ­Entscheidung zum Völkermord an den europäischen Juden oder die zeitgleich zu dem Oberstdorfer Treffen tobende Schlacht um Stalingrad ausschlaggebend für den Gang der Geschichte, sondern das Kriegsgeschehen im Westen. Die Amerikaner und Engländer, so Henk, „hatten bis zum Winter 1942 noch keinen kriegsentscheidenden Erfolg gehabt. Noch keine Erfolge, die weltpolitisch auswertbar waren. Es gab unter den Alliierten damals noch keine definitiven Abmachungen über die Zukunft Europas. Solange die Anglikaner noch keine Kontinentalmacht waren, konnten auch keine Entscheidungen getroffen werden.“ Also beschlossen die Mitglieder des Kreisauer Kreises in Oberstdorf, auf den „D-Day“ zu warten. Der kam allerdings erst am 6. Juni 1944. In Oberstdorf wurde vereinbart, dass Mierendorff mit Leuschner über die Ablehnung des Putsches sprechen sollte. Wilhelm Leuschner, der frühere hessische Innenminister und stellvertretende Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), war der führende Vertreter des sozialdemokratischen Spektrums der Verschwörung gegen Hitler. Leuschner habe sich den Oberstdorfer Beschlüssen schweren Herzens angeschlossen, schreibt Henk: „Der Schatten der Gestapo liegt auf der Opposition“, habe Leuschner Mierendorff geantwortet, als ­dieser seinem ehemaligen Chef im hessischen Innenministerium die Oberstdorfer Beschlüsse mitteilte: „Bis zum Tage der Invasion 37

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sind alle Männer von der Gestapo ermordet.“ Obwohl auch Generaloberst Ludwig Beck lieber sofort zuschlagen wollte, wurde der Putsch abgeblasen. Man suchte Zwischenlösungen, fand sie aber letztlich nicht. Die Zersetzung des Staates habe dann, so Henk nach Kriegsende, spätestens Anfang 1944 die Regierung selbst erfasst. Sogar Himmler habe versucht, mit Leuschner Verbindung aufzunehmen, dem langjährige politische Weggefährten wie Mierendorff von einem solchen Treffen abrieten. Sollte es stattgefunden haben, dann zweifellos, so mutmaßt Henk, um die Verschwörung zu sichern. „Es ist ganz ausgeschlossen, dass Himmler nichts von der Organisation gewusst hat.“55 Für Leuschner hätte eine „Fühlungnahme“ mit Himmler „wohl eine Garantie bis zum ­Attentat bedeutet, mehr nicht“. Man sah sich gezwungen, notfalls mit allen Mächten zu paktieren, selbst mit den dunkelsten  – „der nächtigsten Charakterseite des Deutschen, die in Himmler ihren Ausdruck fand“.56 Symptomatisch für den Ernst der Lage ist eine Äußerung Mierendorffs vom Herbst 1943: „Von jetzt an geht es nur noch aufwärts; entweder an die Macht oder an den Galgen!“57 Mierendorff erlebte beides nicht mehr, denn in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 1943 wurde er bei einem schweren Luftangriff auf Leipzig im Haus seiner Tante verschüttet und Tage später tot geborgen. Sein Leichnam wurde nach Darmstadt überführt, wo man ihn am 22. Februar 1944 auf dem Waldfriedhof neben seinen Eltern beisetzte. Am 12. März 1944 hielt in New York einer von Mierendorffs Jugendfreunden, der seit 1939 im US-Exil lebende Schriftsteller Carl Zuckmayer, eine „Gedächtnisrede“58 für den Widerstandskämpfer. Zuckmayer, der Mierendorff bereits am Ende des Ersten Weltkriegs in Frankfurt am Main kennengelernt hatte, hielt diese Rede wenige Monate vor dem geplanten Attentat auf Hitler:

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„Ich weiß nicht, wie es im heutigen Deutschland ausschaut, [aber] wir dürfen überzeugt sein, daß der Widerstand gegen die Nazis nie aufgehört hat […]. Eines aber dürfen wir heute aussprechen: Wenn ein Carlo Mierendorff in Deutschland gelebt hat, sein Leben lang für das deutsche Volk gearbeitet hat und ihm in Not und Leiden treu geblieben ist – dann ist dieses Volk nicht verloren, dann ist es wert zu leben  – dann wird es leben!“59

Auch Emil Henk widmete seinem engen Freund Carlo Mierendorff später einen begeisterten Nachruf: „Der begabteste Mann der politischen Opposition war zweifellos Carlo Mierendorff. Er war eine echte politische Urkraft, ein genialer politischer Kopf mit außerordentlichen Tiefblicken. Die Politik war sein Dämon. […] Ein Zauber ging von ihm aus, wie ihn nur die Fülle des Lebens hervorbringt. […] Den Politiker Mierendorff hat vielleicht niemand so abgründig entbehrt wie Leuschner selbst.“60

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Darmstadt, Künstlerkolonie Mathildenhöhe – Wilhelm Leuschner „Sie werden dich warnen. Du wirst erschrecken und eine Minute stillstehen.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen61

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s ist ein kleines Wunder der Moderne. Eine politisch recht unbedeutende Residenzstadt ein paar Kilometer südlich von Frankfurt am Main wird Ende des 19. Jahrhunderts zu einer

europäischen Hauptstadt der Form-Veränderung. Weil ein aufgeklärter Fürst es will und die modernsten Köpfe seiner Zeit nach Darmstadt lockt. Die Arbeiter, die für die Umsetzung dieser Design-Utopie gebraucht werden, sind keine Industriearbeiter. Es sind Kunsthandwerker, Meister eines neuen Stils. Später werden sie diese Kreativität in den Dienst der Konspiration stellen. In der Topografie des zivilen Widerstandsnetzes im Umfeld des 20. Juli 1944 spielt die ehemalige hessische Landeshauptstadt Darmstadt eine besondere Rolle. Hier hatte der Sozialdemokrat Wilhelm Leuschner als früherer hessischer Innenminister seine wichtigsten politbiografischen Wurzeln. In Darmstadt und Umgebung kannte er seit Jahrzehnten Leute, auf die im Moment des ­Umsturzes Verlass war und die zentrale Aufgaben in seiner Geheimorganisation übernehmen konnten. Darmstadt war geistig wie praktisch-organisatorisch einer der Knotenpunkte des Leuschner40

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Gruppenaufnahme mit Darmstädter Bildhauerkollegen in der Werkstatt, Wilhelm Leuschner stehend 1. v.r. Datierung 1908

Widerstandsnetzes. „Hat die Liberalität in jedem Sinn, die geistige, politische und wirtschaftliche, die seit zwei Jahrzehnten damals in Darmstadt und von Darmstadt aus herrschte, den aufstrebenden Arbeitersohn angezogen?“, fragte Eugen Kogon in seinem politischen Porträt, das er in 1970er-Jahren Wilhelm Leuschner widmete.62 Leuschner, der am 15. Juni 1890 in Bayreuth geborene Sohn eines Ofensetzers, wurde in Franken zum Holzbildhauer ausgebildet. Anschließend studierte er mit Bestnoten die Fächer Freihandzeichnen, Ornament- und Pflanzenmodellieren, Stillehre oder auch „Geschichte der technischen Künste“ an der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste. Absolventen wie Wilhelm Leuschner konnte der Darmstädter Möbelfabrikant Julius Glückert gut gebrauchen. Denn in der libe41

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ral gesinnten südhessischen Residenzstadt nahm um 1900 ein aufregendes ästhetisches Experiment Gestalt an, das Glückert ­unterstützte: die Künstlerkolonie Mathildenhöhe. Hier sollte eine neue Architektur- und Designbewegung beginnen, die auf ganz Europa ausstrahlte. Der Jugendstil verlor seine idyllische und folkloristische Seite, die Darmstädter Architektur und das IndustrieDesign wurden zum Vorläufer des Bauhauses. In Glückerts Fabrik wurden die Möbel hergestellt, die auf der Mathildenhöhe entworfen wurden. Julius Glückert arbeitete eng mit den ersten Kreativen der Darmstädter Mathildenhöhe zusammen und erwarb gleich zwei Häuser in der Künstlerkolonie. Joseph Maria Olbrich, der von Wien nach Darmstadt kam, verkaufte dem Industriellen zwei von ihm konzipierte Gebäude. In einem der beiden Olbrich-Häuser wurden die Design-Produkte ausgestellt, an denen wenig später auch Wilhelm Leuschner arbeitete. Nicht zuletzt durch das Engagement Glückerts und seiner Arbeiter entwickelte sich die Mathildenhöhe zu einem Ausgangspunkt des modernen Industriedesigns. Bis heute ist die Künstlersiedlung augenfälliger Ausdruck dessen, was Eugen Kogon meinte, als er von Darmstadt um 1900 sprach: „Das Großherzogtum Hessen, konstitutionelle Monarchie, [war] unter der Führung des Großherzogs Ernst Ludwig (…) der fortschrittlichste Bundesstaat des Deutschen Reiches.“63 Auch Carlo Mierendorff, später einer der wichtigsten Vertrauten Leuschners, wurde durch den offenen Geist der kleinen Residenzstadt gut 30 Kilometer südlich von Frankfurt am Main stark geprägt. Darmstadt stand im Ruf eines intellektuellen Zentrums und galt als Hort kritischer Geister. Beispielhaft dafür ist die anarchistische Vormärz-Satire Datterich von Ernst Elias Niebergall, bis heute ein identitätsstiftendes Bühnenstück für Darmstadt und Umgebung. 42

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Leuschner und Mierendorff kannten sich wohl noch nicht, als sich vor dem Ersten Weltkrieg in Darmstadt ein Kreis bildete, der im Kern  – nämlich in Gestalt der Freundschaft Mierendoffs mit Theodor Haubach, die in der Dachstube der Hoffmannstraße 19 entstand – bis zum Kreisauer Kreis und zu den Vorbereitungen des 20. Juli 1944 Bestand haben sollte. Mierendorff, der einem „aktivistischen Idealismus“ anhing, sah seine Aufgabe darin, Menschen zu revolutionieren und für eine Einheit von Politik und Literatur zu kämpfen. Die von ihm herausgegebene Zeitschrift Das Tribunal stand programmatisch in der Tradition von Georg Büchners Hessischem Landboten.64 Zur gleichen Zeit, als seine späteren Mitverschwörer in der Darmstädter Dachstube ihre ersten literarischen Fingerübungen machten, trat Wilhelm Leuschner am 5. April 1913 als 23-Jähriger in die SPD ein.65 Etwas mehr als ein Jahr später begann der Erste Weltkrieg. Ein Foto zeigt Leuschner in Uniform. Er trägt einen Schnurrbart, und sein Haar verschwindet komplett unter einer Soldatenmütze. Er wurde 1916 zu einem Schallmesstrupp der Artillerie eingezogen und musste bis Kriegsende dienen.66 Die Schikanen und Willkür der Vorgesetzten sowie das Leid, das er in Russland und Frankreich erlebte, dämpften von Anfang an seine Kriegsbegeisterung. Am 25. Mai 1917 notierte er in seinem Kriegstagebuch: „Jeder ist froh, wenn der Schwindel ein Ende hat, ganz gleich, auf welche Art.“ Unmittelbar nach dem Waffenstillstand am 12. November 1918 wurde Leuschner von seinen Kameraden zum Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates der Einheit gewählt. In dieser Funktion führte er die Truppe in die Heimat zurück.67 Der Sozialdemokrat Leuschner engagierte sich unmittelbar nach Kriegsende nicht nur in Gewerkschaft und Partei, sondern nahm sich auch immer wieder Zeit für die Künstler, die in Darmstadt lebten oder auf der Durchreise dort Station machten. So schaffte er es, 43

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den indischen Literaturnobelpreisträger Rabindranath Tagore bei dessen Darmstadt-Besuch 1921 dazu zu bewegen, im Garten des Gewerkschaftshauses zu den dort versammelten Arbeitern zu sprechen. Schriftsteller wie Kasimir Edschmid und Carl Zuckmayer zählten ebenso zu Leuschners Freunden wie der Generalintendant des Darmstädter Landestheaters Gustav Hartung und vor allem Theodor Haubach. Leuschner gehört zu den Mitbegründern der Darmstädter Volkshochschule, als Abgeordneter und Vizepräsident des hessischen Landtags bis 1928 war er einer der Initiatoren des Theaterausschusses des Parlaments. Im Februar 1928 wurde Leuschner Innenminister des „Volksstaates Hessen“ in einer Koalition aus SPD, Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei (DDP). Seine Amtszeit lässt sich in zwei Abschnitte gliedern, einen ersten bis zum Herbst 1931, in dem er einige bemerkenswerte gesetzgeberische Initiativen auf den Weg brachte, und einen zweiten bis April 1933, der im Zeichen eines immer zeitraubender und auswegloser werden Kampfes gegen die extremistischen Gegner der Weimarer Demokratie stand.68 Als Mitarbeiter holte Leuschner sich zwei demokratische Sozialisten aus bürgerlichem Hause, den rheinhessischen Regierungsrat Ludwig Schwamb, den er zu seinem persönlichen Referenten machte, und den 32 Jahre alten politischen Publizisten Carlo Mierendorff als Leiter der Presseabteilung. Schwamb schlug eine umfassende Reform der hessischen Städte- und Gemeindeordnung vor, um das Rhein-Main-Gebiet den neuzeitlichen technischen und wirtschaftlichen Erfordernissen anzupassen. Zu seinen Plänen gehörten eine Autobahn durch Hessen von Hamburg bis Basel und der Bau eines Luftschiffhafens im nebelfreien Darmstadt-Griesheim für den Südamerika-Zeppe­ linverkehr. Die Autobahn gibt es bekanntlich noch heute, die „Luftschifffahrt“ findet ein paar Kilometer weiter nördlich auf dem Frankfurter Rhein-Main-Airport statt. 44

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Der zweite Abschnitt der Regierungsarbeit Leuschners bis April 1933 sowie sein Schicksal in der NS-Zeit sind mehrfach beschrieben worden.69 Leuschner machte sich zu Kriegsbeginn keine Illusionen, wie schwer es werden würde, Hitler zu Fall zu bringen. Am 20. August 1939 schrieb er an einen Freund im Ausland: „Frankreich und England haben erst begonnen, sich auf den Krieg vorzubereiten. Sage unseren dortigen Freunden, besonders Walter Citrine [damals Generalsekretär des britischen Gewerkschaftsbundes], dass wir sind, was wir waren. Aber wir sind gänzlich unfähig, die Katastrophe zu verhindern. Wir sind Gefangene in einem großen Zuchthaus. Zu rebellieren, wäre genauso Selbstmord, als wenn Gefangene sich gegen ihre schwerbewaffneten Aufseher erheben würden.“70

Leuschner wusste, dass er für einen erfolgreichen Aufstand die Militärs brauchte. Bereits in den ersten Kriegsjahren knüpfte er daher Kontakte zu konservativen Oppositionskräften um den ehemaligen Generaloberst Ludwig Beck und den früheren Oberbürgermeister von Leipzig, Carl Friedrich Goerdeler. Allerdings schätzte er die Erfolgsaussichten nüchtern ein: „Keine dieser Gruppen freilich hatte zu dieser Zeit Zugang zur Macht. […] Die Art der Planung, das heißt eines militärisch vorbereiteten Vorgehens, das viele Nichtwisser zu Mitverschwörern gemacht hätte, brachte es mit sich, dass in breiter Front kaum etwas vorbereitet werden konnte. Es ist die Tragödie des deutschen Widerstands, dass er in der Zeit, in der ein Erfolg möglich gewesen wäre, nicht den Zugang zum innersten Machtzentrum fand.“71

Wilhelm Leuschner gab nicht auf. Er dachte bereits über das Kriegsende hinaus. Sammelte Leute, die nach dem Sieg der Alliierten in entscheidenden Positionen das Land wieder aufbauen könnten. Arbeitete an der Erweiterung der noch vorhandenen Widerstands45

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strukturen. All das blieb den Westalliierten nicht verborgen. Anfang Februar 1943 wurden in den USA bereits die Namen wichtiger „Breakers“, zum Umsturz bereiter Regimegegner, bekannt. Zu ihnen gehörten Generalmajor Hans Oster, der schon an der Septemberverschwörung des Jahres 1938 beteiligt gewesen war, 1943 aber wegen eines angeblichen Devisenvergehens eines seiner Mitarbeiter zunächst vom Dienst suspendiert und am 31. März 1944 aus der Wehrmacht entlassen worden war, sodann Goerdeler, der als „fähiger Organisator“ galt, sowie der „Sozialistenführer Leuschner“. 72 Wenn allerdings schon Washington um die herausragende Rolle Leuschners im Widerstand wusste, dann waren aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Nationalsozialisten längst im Bilde. Dennoch war der „Sozialistenführer“ nicht in jedes Detail eingeweiht, das Stauffenberg und seine engsten Vertrauten planten. Von dem Coup der Militärs, mit dem er erst zehn bis 14 Tage später rechnete, wurde er offenbar überrascht. Anders ist nicht zu erklären, dass er am Morgen des Attentats noch einen Eingriff beim Augenarzt vornehmen ließ. Nach dem gescheiterten Attentat tauchte Leuschner Anfang August 1944 unter, wurde aber am 16. August gefasst. Seine Frau Elisabeth war bereits am 4. August verhaftet und verhört worden, erst Anfang Oktober wurde sie wieder auf freien Fuß gesetzt. Wenige Tage vor ihrer Entlassung, am 29. September, wurde Wilhelm ­Leuschner hingerichtet. Noch kurz vor dem 20. Juli sei Leuschner wieder in seine langjährige Heimatstadt Darmstadt zurückgekommen, berichtete nach dem Krieg der südhessische Sozialdemokrat Ludwig Metzger. Leuschner habe ihn und „Dr. Bergsträsser, den späteren Regierungspräsidenten von Darmstadt gefragt, ob wir ­bereit seien, uns im Falle eines Umsturzes zur Verfügung zu stellen. Er hat auch mit anderen gesprochen. Trotz Folter hat er nach seiner Verhaftung keinen seiner Vertrauten den Nazis preisgegeben.“73 46

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Darmstadt blieb für Wilhelm Leuschner also bis zuletzt ein Knotenpunkt seines konspirativen Netzes. Die südhessische Residenzstadt war kein Zentralort wie seine Fabrik in Berlin, wo sicher die meisten Fäden zusammenliefen. Und in Darmstadt existierte nach allem, was wir heute wissen, auch keine Widerstandsgruppe, die es an Kampfkraft mit der in Frankfurt am Main aufnehmen konnte. Dennoch war die ehemalige Hauptstadt des Volksstaates Hessen ein geistiger und organisatorischer Nukleus für die Struktur der Leuschner-Konspirateure.

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Bad Ems bei Koblenz – Gustav Kettel und Hein Herbers „Lill: Wir Illegalen sind eine leise Gemeinde im Land. Wir sind gekleidet wie alle, wir haben die Gebräuche aller, aber wir leben doppelt zwischen Verrat und Grab. Wir werfen keine Schatten, wir gehören der Zukunft, von der wir Wurzeln sind, vereinsamte Wurzeln der Zukunft.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen74

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er in der Provinz lebt und rebellisch ist, findet seines­ gleichen schnell. Denn um in der Provinz zu überleben, braucht man gute Freunde, Gleichgesinnte. Wer aus der

Reihe tanzt, hat dort womöglich nicht allzu viel Auswahl. Erst recht nicht, wenn Diktatur und Krieg drohen. Doch die politischen Köpfe, die sich hier finden, bleiben oft ein Leben lang zusammen. Der beschauliche Kurort Bad Ems liegt an der Lahn, ein wenig abseits der Haupt-Eisenbahnstränge, auf denen sich die Kuriere der Konspiration bewegen. Das Städtchen wird auch nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler nicht zum Rückzugsort für Illegale, die abtauchen müssen. Bad Ems ist in der Topografie des Leuschner-Netzes vor allem während der Vorgeschichte der verdeckten Organisation wichtig. Denn hier kreuzen sich mehr oder weniger zufällig die politbiografischen Linien wichtiger Akteure des zivilen Flügels der Umsturz-Strukturen. In Bad Ems und Umgebung entstanden während der Weimarer Republik – wie zuvor auch 48

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in Darmstadt – persönliche und politische Bindungen, die während der NS-Zeit unverbrüchlich blieben. Diese Bindungen setzten einen enormen Widerstandsgeist frei, von dem das LeuschnerNetz profitieren sollte. Schlanke Gestalt, ovale Gesichtsform, blau-graue Augen, mittelblonde Haarfarbe. Keine unveränderlichen Kennzeichen. So wird Gustav Friedrich Kettel in einem amtlichen Dokument beschrieben, das kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ausgestellt wurde. Es befindet sich heute im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt.75 Daraus geht hervor, dass Gustav Kettel am 12. März 1903 in Essen-Werden geboren wurde. Sein Familienstand ist ledig, zum Beruf wird vermerkt: „Jetziger Beruf: Kaufmann. Eventuell früherer Beruf: Maschinenbauer.“ Wenig später trägt Gustav Kettel selbst seinen wahren Beruf in einen Entnazifizierungsfragebogen der Alliierten ein: „Dreher. Betriebsratsvorsitzender des Blei- und Silberbergwerks Bad Ems.“ Dann schildert er stichwortartig sein berufliches Drama nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten: „Inhaftierung. Bis ca. 1936 arbeitslos, auf Reisen oder in Haft (politischer Haft). Seit 1936 bis heute selbstständiger Kaufmann in eigener Firma. Kein Militärdienst.“76 Den beruflichen Start als Dreher erlebte Gustav Kettel nicht in seiner Geburtsstadt Essen, in die er erst in der Zeit des ­Nationalsozialismus zurückkehrte, sondern in Bad Ems, unweit von Koblenz. Seit Mitte der 1990er-Jahre beherbergt das ehemalige Steigerhaus einer stillgelegten Bleihütte in Bad Ems ein Bergbaumu­seum.77 Die Website des Museums informiert über die Geschichte des Erzbergbaus in der Region. Man erfährt, dass dessen Blütezeit im 19.  Jahrhundert lag und „wegen der Autarkiebestrebungen des Deutschen Reiches“ noch einmal im Zweiten Weltkrieg große Ausmaße annahm. In den Blei- und Silberbergwerken von Bad Ems 49

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Antrag von Kettel für die Ausstellung einer Kennkarte durch die Darmstädter Polizei

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wurden Kriegsgefangene eingesetzt. Auf der Homepage der „Arbeitsgemeinschaft Bahnen und Bergbau e.V. Bad Ems“ liest man allerdings nichts über den Mann, der in den 1920er-Jahren im Emser Blei- und Silber-Bergwerk Betriebsratsvorsitzender war: Gustav Kettel, später im Kontext des 20. Juli 1944 einer der wichtigsten rheinischen Kuriere des Leuschner-Netzwerkes. Doch ganz vergessen ist der mutige Gustav Kettel in Bad Ems nicht. Vor knapp 30 Jahren gab der Verein für Geschichte/Denkmal- und Landschaftspflege e.V. Bad Ems78 eine von Reinhold Lütgemeier-Davin verfasste, 48 Seiten starke Biografie mit dem Titel „Gustav Kettel. Pazifist-Sozialist-Widerstandskämpfer“ heraus. Ihr verdanken wir die Kenntnis darüber, dass Kettel bereits in den 1920er-Jahren auch außerhalb des Bergwerks politisch aktiv war. In Bad Ems gehörte er dem Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und der örtlichen SPD an. Er kümmerte sich um die „Volksbücherei“ und gründete 1927 oder 1928 eine Ortsgruppe der Sozialistischen Arbeiterjugend, deren Leitung Kettel auch übernahm.79 Als Mitglied des Deutschen Metallarbeiterverbands hatte er sich außerdem während der Inflation – wahrscheinlich 1923 – an einer Zechenbesetzung beteiligt, die von der Polizei gewaltsam beendet wurde. Kettel erfuhr die durch die Inflation bedingte Armut als einen „die Persönlichkeit zerstörenden Zustand“. Diese Erfahrung politisierte ihn stark.80 Kettels Ortsgruppe in Bad Ems stand in engem Kontakt mit einer anderen Gruppe im nahen Limburg an der Lahn, die von der Schaufensterdekorateurin Margot Nagelstock geleitet wurde. Ein Zeitzeuge beschrieb sie als „bildhübsche Jüdin mit Blondhaar und blauen Augen […] wie aus einem Nazibilderbuch“.81 Kettel half Margot Nagelstock später bei der Flucht nach Frankreich. Dazu nutzte er die Kontakte, die er ins Ruhrgebiet hatte. Eine Woche lang versteckte er die Jugendfreundin bei den Pazifisten Li und Wilhelm 52

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Gersdorff in Dortmund, bevor man sie über die Grenze nach Frankreich brachte. In der französischen Hauptstadt heiratete sie Siegfried Pfeffer, einen sozialistischen Genossen, und wurde bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs interniert. Nachdem die Gattin von US-Präsident Roosevelt sich eingeschaltet hatte, bekam sie im Mai 1941 eine Passage auf einem Frachtschiff nach New York.82 Pfeffer war bereits 1933 aus Sachsen nach Paris emigriert und arbeitete dort in der Exilleitung der kleinen Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), der zu dieser Zeit auch der spätere deutsche Bundeskanzler Willy Brandt angehörte. Brandt erwähnt Siegfried Pfeffer 1935 im Protokoll einer Sitzung der SAP-Exilleitung in Paris: „Es fehlte an Kräften. Nach der vollen Inanspruchnahme Sigis [Siegfried Pfeffer] mit der Administration der N[euen]F[ront] und nach der Verhaftung Kulis [Kurt Liebermann] war ich allein, und ich musste mich außerdem mit dem internationalen Jugendbüro beschäftigen. So musste unvermeidlich vieles vernachlässigt werden.“83 Ende der 1920er-Jahre begann für Gustav Kettel in Bad Ems eine Freundschaft, die prägend für sein weiteres Leben sein sollte. Denn seit April 1929 war Hein Herbers Lehrer in der Stadt an der Lahn und wurde noch im selben Jahr Beigeordneter der SPD im Magistrat sowie stellvertretender Bürgermeister. 84 Der aus der Ruhrgebietsstadt Herne zugereiste Pädagoge unterrichtete an der Bad Emser Kaiser-Friedrich-Oberrealschule Deutsch und Geschichte, „aber auch Französisch, Erdkunde und Philosophie“.85 Herbers war begeistert von seinem neuen Lebensmittelpunkt: „Bad Ems ist wunderschön. Ein berühmter Kurort. Alles ist sauber und voll heller Bäume – welch ein Unterschied gegen Herne! […] Nur muss ich hier mehr arbeiten. […] Auch meine Partei, die sozialdemokratische, wird mich hier mehr noch als in Herne in Anspruch nehmen.“86 Herbers blickte bereits auf eine bewegte politische Vergangenheit zurück, als er nach Bad Ems kam. Am 2. März 1895 im münster53

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ländischen Warendorf geboren, gehörte er während der Novemberrevolution 1918 zur sozialistischen Studentenbewegung in Münster. Ab Mitte der 20er-Jahre engagierte Herbers sich stark in der Deutschen Friedensgesellschaft. Dabei arbeitete er eng mit Fritz Küster zusammen, dem Begründer der pazifistischen Zeitung Das Andere Deutschland, für die namhafte Autoren wie Kurt Tucholsky oder Erich Kästner schrieben. Zusammen mit Kettel und Küster wirkte er später auch in der Vorbereitung des 20. Juli 1944 konspirativ mit. Herbers „profilierte sich bald öffentlich als republikanischer Redner“, wenn er etwa auf schulischen Feiern und Sportfesten über die Bedeutung der Weimarer Verfassung sprach.87 Allein in Bad Ems gewann er 42 neue Mitglieder für die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG); eines der Neumitglieder war Gustav Kettel.88 Bei Herbers’ Vortragsreisen im nahe gelegenen Westerwald fungierte Kettel, der in seiner Freizeit im Boxclub von Bad Ems aktiv war, als „Leibwächter“, „um ihn [Herbers] vor möglichen nationalsozialistischen Ausfällen abzuschirmen“.89 Kettel kümmerte sich um die Planung der Reisen und organisierte Lokale für die Veranstaltungen, zu denen unter anderem auch Fritz Küster als Redner eingeladen wurde. Als Herbers im Frühjahr 1931 an ein Kasseler Gymnasium wechselte, leitete Kettel fortan auch die – zu dieser Zeit allerdings schon ziemlich marginalisierte  – Bad Emser Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft. In Frankfurt am Main nahm er 1932 an einem neunmonatigen Lehrgang der gewerkschaftsnahen Akademie der Arbeit teil, die sich als „Hochschule für den erwachsenen werktätigen Menschen“ verstand.90 Die Schließung der Akademie durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 hinderte Kettel daran, dieses Weiterbildungsstudium abzuschließen. Zurück in Bad Ems, wurde er von den neuen örtlichen Machthabern zusammen mit anderen NS-Gegnern in einem Spott-Umzug durch die Straßen geführt. Sie 54

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mussten Transparente tragen mit Aufschriften wie „Wir sind die Antifaschisten von Bad Ems“. Für das Leuschner-Widerstandsnetz arbeitete Kettel später vom Ruhrgebiet aus, wo er eine neue persönliche Perspektive suchte, nachdem er in Bad Ems vermutlich drei Wochen inhaftiert gewesen war und dort für sich keine Zukunft mehr sah. Seit 1934 hatte Kettel darüber hinaus eine wichtige persönliche Verbindung nach Frankfurt am Main – zu dem selbstständigen Kaufmann Josef Kudrnofsky, vor 1933 langjähriger Vorsitzender der Frankfurter Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft. Über Kudrnofsky kannte Kettel auch den Neu-Isenburger Wilhelm Weinreich, später einer der Köpfe der Verschwörer gegen Hitler in der Kleinstadt südlich der Mainmetropole. Das konspirative Netz wurde weiter geknüpft und Kettel einer der Verbindungsleute der Neu-Isenburger Gruppe zu den Widerständlern in der Frankfurter Polizei um Christian Fries. Das beschauliche Bad Ems spielte in dieser Phase in der Topografie des Leuschner-Netzes keine Rolle mehr. Der ehemalige Bad Emser Betriebsrat Gustav Kettel war nun einer der wichtigsten Kuriere des zivilen Widerstandsflügels auf der Rheinschiene.

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Frankfurt am Main – Fries, Steffan und die ­„verbissenen Nazigegner“ der Polizei „Lill: Um Himmels willen! Am Radio dürfen sie nicht drehn, das hat die Wirtin streng verboten. […] Nur Deutschlandsender oder Berlin darf gespielt werden. – Walter: Aha! Angst vor Gustav Siegfried I., was? – Lill: Ja, es kann doch was passieren in einem Lokal. – Walter: Und wenn hier kein Lokal wäre?“ Günther Weisenborn, Die Illegalen 91

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an würde gern wissen, was der Wirt dachte. Oder war es eine Wirtin? Ein Paar, gut möglich. Die Wirtsleute der Konspiration. Sie müssen vieles gewusst haben. Diejeni-

gen, die sich jahrelang im Hinterzimmer trafen, waren entschlossene Regimegegner. Sie wurden bestens versorgt, mit Bier oder im Frankfurter Bahnhofsviertel auch mit Apfelwein. Hochverrat aus Sicht der Diktatur. Die Wirtsleute brachten sich damit in höchste Gefahr. Sie ermöglichten das beinahe Unmögliche. Die Zentrale des illegalen Leuschner-Netzes im Westen verortet der Zeitzeuge Emil Henk „in Frankfurt“.92 Für die Topografie der Widerstandsorganisation ist diese Aussage von zentraler Bedeutung. Insbesondere im Frankfurter Bahnhofsviertel liefen viele Fäden zusammen. Deshalb war es tragisch, dass am 29. Januar 1944 gerade dort eine Fliegerbombe einschlug, wo sich die Mitglieder des Leuschner-Netzes aus dem Rhein-Main-Gebiet seit Jahren trafen. 56

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Von den zehn Menschen, die im Keller unter dem Hotelrestaurant „Zimmermann“ in der Kronprinzenstraße 52 (heute Münchener Straße) Schutz gesucht haben, sind sieben sofort tot. Einer der Überlebenden ist der aus dem Saarland stammende Kriminal­ beamte Christian Fries, einer der Drahtzieher der Untergrund-­ Organisation im Rhein-Main-Gebiet. Fries wird jedoch schwer verletzt und muss mehrere Monate pausieren: „Hierdurch erlitt der in vollem Gang befindliche Aufbau der Organisation eine Unterbrechung. Ich konnte jedoch erst nach meiner Ausheilung im Mai 1944 die Arbeit wieder aufnehmen. Jedenfalls war beim Eintreten des Ereignisses am 20. Juli 1944 die Organisation aktionsfähig und hätte dies unter Beweis gestellt, wenn das Attentat auf Hitler geglückt wäre.“93

Fries’ Büro im Frankfurter Polizeipräsidium, wo er sich vor allem mit Wettbetrügern beschäftigte, blieb jedoch Anfang 1944 zunächst einige Wochen leer, obwohl Fries zu diesem Zeitpunkt längst eine regionale Schlüsselfigur des Leuschner-Netzes war, wie er nach Kriegsende berichtet: „Im Jahr 1943 erhielt ich von Steffan, der engster Mitarbeiter des ermordeten Leuschner war, den Auftrag, in Frankfurt/M. eine antifaschistische Organisation zu schaffen, die bei einem bestimmten Ereignis in Aktion treten sollte.“94 Die Angehörigen der Gruppe, die für Fries die Basis der geplanten Umsturzaktion in der Mainmetropole bilden sollten, waren für ihn „verbissene Nazigegner“. Diese Entschlossenen trafen sich bereits seit 1937 unentdeckt in einem Hinterzimmer des nun ausgebombten Hotelrestaurants. Man zerbrach sich den Kopf darüber, was gegen den braunen Terror getan werden konnte. Doch es wurde nicht nur geredet, sondern auch gehandelt. Um Juden zu retten oder von Verfolgung bedrohte politische Freunde zu warnen, nutzte die Gruppe um Fries Kontakte zur Gestapo, etwa zu dem Gestapo-­ 57

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Beamten Gottholf Fengler. Viele Teilnehmer der konspirativen Zusammenkünfte im Frankfurter Bahnhofsviertel waren ehemalige oder noch aktive Polizeibeamte – wohl der Kern einer bislang wenig beachteten „Widerstandszelle im Frankfurter Polizeipräsidium“.95 Die Fries-Gruppe war keineswegs isoliert. Ihre Kontakte reichten weit über die Region hinaus – ins Ruhrgebiet, nach Holland und bis nach Berlin, wo die Planungen für das „bestimmte Ereignis“ liefen, das schließlich am 20. Juli 1944 stattfand. „Ständiger Teilnehmer an diesen Zusammenkünften wurde der frühere SPD-Abgeordnete und jetzige stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz, Jakob Steffan, nachdem er nach acht Jahren aus dem Konzentrationslager entlassen worden war“, berichtet Fries unmittelbar nach Kriegsende.96 Zu den führenden Köpfen des zivilen Widerstands im Umfeld des 20. Juli 1944 im Rhein-Main-Gebiet gehörte der Rheinhesse Jakob Steffan, der zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine lange politische Biografie zurückblicken konnte: Von Juli bis November 1932 SPDReichstagsabgeordneter für den Wahlkreis Hessen-Darmstadt, saß er von 1927 bis zur NS-Machtergreifung zugleich als Abgeordneter des „Volksstaates Hessen“ im Landtag. Im Jahr 1932 verübten Unbekannte in seinem Heimatort Oppenheim am Rhein einen Sprengstoffanschlag auf sein Gartenhaus.97 Nach 1933 verfolgten ihn die Nationalsozialisten unerbittlich. Frankfurt am Main, Darmstadt und Mainz  – das waren allein im Jahr 1933 die Haftstationen des Jakob Steffan. Es folgten mehr als zwei Jahre Gefängnis in der hessischen JVA Butzbach. Danach wurde er als politischer Gefangener ohne Haftpause ins KZ Dachau überstellt. Steffan überlebt die jahrelange Qual. Erst am 20. Juli 1940 wurde der Haftbefehl gegen ihn unter strengen Meldeauflagen endgültig aufgehoben. Obwohl durch Prügel während der Haft in seiner Sehfähigkeit stark beeinträchtigt, war Steffans Widerstandsgeist ungebrochen. 58

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In der Mainzer Zentrale der Gestapo, in der er sich regelmäßig melden musste, lernte er den Kriminaloberassistenten Anton Huf und den Kriminalsekretär Peter Eisenhauer kennen, die ihn mit Informationen zu geplanten Verhaftungen verfolgter Personen versorgten. So konnte er mehrere gefährdete Personen vor der Festnahme bewahren, wie etwa den Mainzer Bischof und ehemaligen hessischen Zentrumsabgeordneten Albert Stohr sowie die Jüdin Bertel Huhn aus Guntersblum und deren Tochter Erika. Bertel Huhn war die Ehefrau des rheinhessischen Arztes und Widerstandskämpfers Ernst Huhn. Informanten in der Gestapo zu haben war vielerorts überaus wertvoll für die Konspiration. Auch die Oppositionellen in der Frankfurter Polizei verfügten über solche Informanten in wichtigen Institutionen des Regimes. Einer von ihnen war Gottholf Fengler. Der Gestapo-Mann Fengler und Christian Fries, der Kopf der Frankfurter Widerstandsgruppe in der Polizei, die überregional bestens vernetzt war, arbeiteten eng zusammen. „Wir gehörten dem sogenannten Leuschnerkreis an. Ein gewisser Kettel, Führer der SPD und Gewerkschaftsfunktionär, der unter dem Namen Camphausen auftrat, leitete die ganze Sache sozusagen. Wir waren alle ausgerichtet und hatten unsere Weisungen für den 20. Juli 1944, wenn die Sache geglückt wäre“, schreibt Fries später.98 Mit dem Scheitern des Staatstreichs gegen Hitler wurden die ­zivilen Widerstandsstrukturen, die Leuschner in vielen deutschen Städten aufgebaut hatte, um die militärische Erhebung des 20. Juli 1944 zu unterstützen, nicht mehr unmittelbar aktiv. Das „mit am besten organisierte Gebiet“ der zivilen Struktur des Widerstands kurz vor dem 20. Juli sei „der Bereich zwischen Kassel und Heidelberg“ gewesen, vermerkt der Zeitzeuge Emil Henk 1946. Als politischer Leiter der westdeutschen Zentrale des LeuschnerNetzes in Frankfurt am Main fungierte der Rheinhesse Ludwig 59

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Schwamb, wie Emil Henk ebenfalls Mitglied des Kreisauer Kreises. Er wurde am 23. Januar 1945 in Plötzensee hingerichtet. Verantwortlich für die in der Mainmetropole geplanten praktischen Widerstandsaktionen, insbesondere im Polizeibereich, war laut Henk „Kriminalrat Fries, der sich seinen Stab von Mitarbeitern schuf“. Nach dem Krieg beschreibt Fries, welche Rolle seiner Widerstandsgruppe bei einem geglückten Attentat in Frankfurt am Main zugedacht war: „Für das Eintreten des angekündigten politischen Ereignisses war vorgesehen: a) Sofortige Fühlungnahme und Zusammengehen mit anderen antifaschistischen Gruppen, b) Besetzung des Rundfunks, c) Ausschaltung der Gestapo.“99 Für die Aktion gegen die Gestapo hätte wohl eine komplette MG-Kompanie der Frankfurter Polizei zur Verfügung gestanden. „Ungefähr 40 Personen waren auf diese Weise bereits erfasst.“100 Die Namen des Spionageabwehrchefs der Frankfurter Gestapo, Kriminalrat Ernst Schmidt, sowie des Polizeimeisters Otto Kasper oder des ehemaligen Leiters der Politischen Polizei, Ferdinand Mührdel, erwähnt Fries nicht. Diese drei Frankfurter Polizisten leisteten ebenfalls ­Widerstand. Mührdel etwa gelang es, noch bevor er am 1. März 1933 aus dem Polizeidienst entlassen wurde, mehr als 40 000 Akten von gefährdeten Personen zu vernichten. Besonderen Mut bewies auch Kaspar. Während der NS-Zeit war es Aufgabe der Polizei, anhand der Melderegister jüdische Familien ausfindig zu machen, die nicht der jüdischen Gemeinde angehörten und somit auch nicht in deren Verzeichnissen auftauchten. Kaspar fälschte die Einträge in der Meldekartei und verhinderte mit seiner mutigen Tat, dass die jüdische Familie Senger in ein Konzentrationslager deportiert wurde.101 Fries nennt in einem Dokument vom April 1947 weitere Namen und Anschriften von zum Umsturz bereiten Polizisten und fügt hinzu: „Die vorstehend aufgeführten Polizeibeamten sind sämtlichst über das Polizeipräsidium Frankfurt am Main erreichbar.“102 60

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Das Frankfurter Polizeipräsidium war also in der Topografie des Leuschner-Netzwerks im Rhein-Main-Gebiet ein zentraler Ort. Eine schlagkräftige Gruppe von Polizeibeamten stand dort bereit, um bei einem geglückten Hitler-Attentat die Gestapo zu entmachten und „den Rundfunk schon in den ersten Stunden zu besetzen“.103 Das Attentat scheiterte, aber die zum Aufstand bereiten ­Polizisten arbeiteten unentdeckt weiter.

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Essen, Rolandstraße 24 – Gustav ­Kettel alias „Camphausen“ „Wenn du Papier anfaßt, tu es nur in Handschuhen. Wenn du eine eigene Schreibmaschine hast und Material tippen willst, hol dir eine fremde aus einem Verleihgeschäft.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen 104

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er Essener Hauptbahnhof teilt symbolisch die Stadt. Oder verbindet sie, je nach Sichtweise. Nördlich des Bahnhofs leben diejenigen, mit denen das Leben es nicht so gut meint.

Im Essener Süden wohnen jene, denen es wirtschaftlich oft besser geht. Hier wird es zunehmend grüner, hier befinden sich in fußläu-

figer Entfernung die großen Kultureinrichtungen. Der Bahnhof ist die Grenze, hier vermischen sich die Milieus. In diesem Zwischenreich blühte die Konspiration. Die Rolandstraße ist noch heute eine gute Adresse in Essen. Sie liegt nur ein paar hundert Meter südlich des Hauptbahnhofs im bürgerlichen Teil der Stadt. Heute blickt man von der Rolandstraße auf das Aalto-Theater, das Opernhaus der Revierstadt. Unmittelbar gegenüber begann die Geschichte der Firma „Kettel-Großküchen“. Auf der Website des Essener Unternehmens erscheint noch heute das Foto eines alten Schildes aus den Nachkriegsjahren: „Gustav Kettel G.m.b.H. Großkücheneinrichtungen“. Doch die Firmen­ 62

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Der Essener Hauptbahnhof Ende der 1920er-Jahre

geschichte beginnt auf der Homepage erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Dabei hatte die Firma ihre Wurzeln mehr als ein Jahrzehnt früher. Ruhrkonzerne wie Krupp oder Stinnes waren die Abnehmer ihrer Geschirrspülmaschinen und anderen Großküchengeräte. Aber auch nach Kattowitz und Breslau wurden ganze Küchenausstattungen geliefert.105 Die pure Not hatte Gustav Kettel 1934 zurück ins Revier getrieben, wo er am 12. März 1903 in Essen-Werden geboren worden war. Als bekannter Antifaschist hatte er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Bad Ems keine Chance mehr gehabt, Arbeit zu finden. Kettel mietete in Essen für 15 Mark im Monat eine unbeheizte Mansarde und fristete seinen Lebensunterhalt als Vertreter 63

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für Versicherungen, später für Spülmittel und Gasgeräte. Im Jahr 1938 ließ er eine Firma in der Rolandstraße 24 handelsgerichtlich eintragen. Das Handelskontor in der Nähe des Essener Hauptbahnhofs war sehr hilfreich für das, was Kettel tat, wenn er gerade keine Industrieküchen einrichtete. Denn Gustav Kettel reiste viel im Land umher, um Kontakte zu Antifaschisten zu knüpfen. In den benachbarten Niederlanden traf er politische Freunde, die ins Exil gegangen waren. Bei einer Reise nach Sachsen wurde Kettel verhaftet und in einem Lager bei Dresden misshandelt. Nachdem es ihm gelungen war, aus dem Lager herauszukommen, plante Kettel eine Flucht in die Niederlande, doch holländische Grenzpolizisten hinderten ihn an der Einreise. Nach einer Weile kehrte er ins Ruhrgebiet zurück, wo er sich einem pazifistisch-sozialistischen Widerstandskreis anschloss, der sich vor allem in Dortmund traf. Zu dieser Gruppe gehörte etwa Emil Figge, nach dem Krieg Leiter der Pädagogischen Hochschule Ruhr, die später in der heutigen TU Dortmund aufging. Oder der Sonderschullehrer Friedrich Kayser aus Schwerte an der Ruhr, der später als „Prokurist“ in Kettels Großküchen-Unternehmen arbeitete. Kayser nutzte diese Stellung, um konspirative Fäden zu katholischen Kulturpolitikern zu knüpfen oder mittels Kurierdienst über die niederländische Grenze hinweg republikanische Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg zu unterstützen. Nach 1942 stieß Gustav Kettel über die Dortmunder Widerstandsgruppe zum Kreis um Wilhelm Leuschner und reiste fortan als Kurier für die Untergrundaktivitäten ständig zwischen dem Ruhrgebiet, Frankfurt am Main, Neu-Isenburg und Darmstadt hin und her. Seine Hauptaufgabe bestand darin, „die einzelnen Widerstandsgruppen zusammenzuschließen, um eine gewisse Schlagkraft zu erzielen“.106 Spätestens ab Frühjahr 1944 beschäftigte sich Kettel intensiv mit den Vorbereitungen auf den Tag des geplanten 64

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Hitler-Attentats. Über die Terminplanung war er gut informiert. Seit dem 12. Mai 1944 hielt er sich für den Staatsstreich bereit, während sein von der Wehrmacht ausgemusterter Bruder in seinem Auftrag weitere Reisen unternahm.107 Unmittelbar vor dem geplanten Attentat trafen sich die RevierVerschwörer mehrmals in Dortmund und bei Kettel in Essen.108 Um die Basis für den Staatsstreich zu verbreitern, suchte man Kontakt zur Bekennenden Kirche, zum Erzbischof von Köln sowie zu Clemens August Graf von Galen, dem Bischof von Münster, der 1941 öffentlich die NS-Euthanasiemorde mit aufrüttelnden Worten angeprangert hatte: „Jene unglücklichen Kranken […] müssen sterben, weil sie nach dem Urteil irgendeines Arztes, nach dem Gutachten irgendeiner Kommission lebensunwert geworden sind, weil sie nach diesen Gutachten zu den unproduktiven Volksgenossen gehören. […] Wenn man die unproduktiven Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir ­altersschwach werden!“109

Die Kontaktaufnahme zu Galen scheiterte letztlich an der starken Beschattung durch die Gestapo. Zum sogenannten „Kölner Kreis“ von katholischen Widerständlern unterhielt Wilhelm Leuschner allerdings über die christlichen Gewerkschafter Jakob Kaiser und Bernhard Letterhaus schon seit Jahren Verbindungen.110 Auch Carl Friedrich Goerdeler knüpfte weitere illegale Kontakte zu katholischen Politikern: „Und von katholischen Politikern zur Kirche ist es nicht weit. Und ohne kirchliche Politiker ging es nicht, weil eine ­Tyrannis nur durch Majoritäten und nie durch Minoritäten zu stürzen ist. Die Majoritäten aber besitzt man durch ihre Eliten. Die Massen selbst sind in allen Despotien passiv.“111 Ob die Massen im entscheidenden Moment jedoch dem Ruf ihrer Eliten folgen würden, war zweifelhaft, denn, so Henk: „Der Tod ist 65

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ein ernstes politisches Argument.“112 Der Katholik Letterhaus entging dem Tod nicht, denn er stand auf einer Ministerliste der Attentatsplaner, die den Nationalsozialisten in die Hände fiel. Er war als Minister für Wiederaufbau vorgesehen und wurde nach dem ­gescheiterten Attentat am 14. November 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Über den „Kölner Kreis“ versuchten die Widerständler auch, den früheren Zentrumspolitiker und saarländischen Regierungsbeauftragten Bartholomäus Koßmann als Verantwortlichen für den Wehrkreis Wiesbaden zu gewinnen, der auch das Saarland umfasste.113 Der Leuschner-Kreis im Revier diskutierte unterdessen, wer Polizeipräsident in Bochum werden könnte. Kettel sollte nach einem geglückten Attentat die kommissarische Verwaltung des Regierungspräsidiums in Düsseldorf übernehmen.114 In der Topografie des Leuschner-Netzwerks sind das rheinischwestfälische Industriegebiet und der Rhein-Main-Neckar-Raum im Südwesten eng miteinander verknüpft. Republikanische Geschichte und radikaldemokratischer Geist, die sich in Kettels Entscheidung für den Decknamen „Camphausen“ widerspiegelten, sowie die ­Verkehrswege entlang des Rheins und biografische Prägungen der Protagonisten bildeten das Fundament einer funktionierenden ­Untergrund-Organisation.

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Frankfurt am Main, Moselstraße 18 – Gustav Weigel „Spatz: Ich habe Angst, Angst – Bulle (winkt hinaus): Komm, wir müssen weiter. Wir haben noch 21 Blätter anzukleben, und bald kommt der Mond über Plötzensee rauf.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen 115

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iele kleine Ladenlokale nebeneinander. Schuhe kann man hier reparieren lassen, mittags eine Kleinigkeit essen, ein klassischer Schreibwarenladen an der Ecke bietet sogar

noch Dinge aus dem vor-digitalen Zeitalter an. Im Asia-Imbiss war früher ein Wettbüro. Aber gewettet werden kann dennoch überall, die alten Ladenlokale weisen nun in die Welt des Internet-Spiels. Das bunte Treiben der Händler und Dienstleister bietet auch Schutz vor dem wachen Auge des Staates. Das Quartier östlich des Frankfurter Hauptbahnhofs war immer schon ein belebtes und zum Teil unübersichtliches Areal. Das Rot-

lichtmilieu, Einzelhändler und Restaurants mit internationaler Küche prägen heute ebenso das Bild wie Hinterhofmoscheen oder Büromenschen, die ihre Mittagspause in hippen Restaurants verbringen. In der NS-Zeit gab es neben dem Hotelrestaurant „Zimmermann“ noch einen zweiten Ort in diesem Viertel, der für die Fries-Gruppe des Leuschner-Widerstandsnetzes wichtig war: die 67

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Moselstraße. In den Kriegsjahren befand sich im Haus Nummer 18 ein Wettbüro. Betrieben wurde es von einem Mann, dessen Name sich ebenfalls auf der Liste der Mitverschwörer des 20. Juli 1944 ­befindet, die Christian Fries nach Kriegsende anfertigt: „Gustav Weigel, wohnhaft Frankfurt/M, Textorstraße 17“.116 Weigels Wettbüro war ein idealer Treffpunkt für die Mitglieder der Fries-Gruppe und ihre Kuriere, ein „Ort, an dem immer Leute aus- und eingingen und der beim unauffälligen Informationsaustausch nützlich war“.117 „Der Weigel war eine zentrale Figur“, erinnert sich Irene Fengler, die als junges Mädchen während des Krieges teilweise die Gespräche ihrer Eltern mit dem Ehepaar Weigel mithören konnte. Gustav Weigel sei sehr vermögend und „prominent“ in Frankfurt am Main gewesen, einer der Mäzene des Opernhauses, ihre Mutter habe des Öfteren von ihm Opernkarten zugesteckt bekommen.118 Die beiden Ehepaare waren auch privat miteinander befreundet, und diese Freundschaft hatte eine dramatische Vorgeschichte. Der „staatlich konzessionierte Buchmacher“ Gustav Weigel war ein Mann, der auch während der NS-Zeit in den Cafés des Bahnhofsviertels bisweilen kein Blatt vor dem Mund nahm. Zwar trat Weigel, der zuvor SPD-Mitglied war, 1933 in die NSDAP ein, weil er sonst sein Wettbüro wohl nicht hätte weiterbetreiben können, was ihn jedoch nicht daran hinderte, in Gesprächen mit Kollegen seine regimekritische Haltung laut kundzutun. Und 1934 zeigten zwei andere Buchmacher ihn bei der Gestapo an. Weigel hatte Glück im Unglück. Die Anzeige landete auf dem Schreibtisch des Gestapobeamten Gottholf Fengler. „Fengler erreichte dann, dass mein Fall, der bereits der Staatsanwaltschaft vorlag, nach Ablauf eines Jahres niedergeschlagen wurde“, gibt Weigel nach dem Krieg zu Protokoll.119 Es war der Beginn einer großen, wagemutigen Freundschaft, der zahlreiche Frankfurter Juden ihr Leben verdankten. Weigel war nach 68

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eigener Aussage „mit vielen jüdischen Familien eng befreundet, welchen ich, während der Naziterror gegen sie wütete, oft unter eigener Gefahr tatkräftige Hilfe leistete, indem ich sie, die zum Verhungern verurteilt waren, vor allem laufend mit Lebensmitteln versorgte“.120 Karl Herxheimer, ein greiser Medizinprofessor  – einst Mitbegründer der Frankfurter Universität und „eine der herausragenden Gestalten in der Gründungsphase der deutschen Dermatologie“121 – war ein besonderer Schützling Weigels. An einer spektakulären Aktion, die der Buchmacher schließlich zur Rettung Herxheimers initiierte, waren auch die Polizisten Fries und Fengler beteiligt. Die drei versuchten 1942, Herxheimer mit gefälschten Pässen, die Fengler besorgt hatte, über die Grenze in die neutrale Schweiz zu bringen.122 Fries „entnahm und vernichtete damals in der Fahndungsdatei der Kriminalpolizei“ Pass-Sperrvermerke der Gestapo für die jüdischen Frankfurter Geheimrat Herxheimer und Frau Rosenthal. Nach dem Krieg schildert Weigel einer Entnazifizierungs-Spruchkammer die gewagte Fluchthilfe-Aktion: „Mitbeteiligt an diesem Plan waren Frau Gertrud Ehrhardt und deren Gatte, Frankfurt am Main, Arndtstr. 51, sowie der schon erwähnte Gestapobeamte Fengler, auf den ich in der Zwischenzeit großen Einfluss gewonnen hatte. Derselbe sollte Herrn Geheimrat und dessen Hausdame Frau Rosenthal zum Schein verhaften und dann im Kraftwagen von hier wegbringen. Der Transport wäre durch den Gestapo-Dienstausweis gedeckt gewesen. Auf Schweizer Boden wartete an verabredeter Stelle im Kraftwagen Herr Prof. Blum, der Vetter von Frau Ehrhardt. Durch eine Ungeschicklichkeit der Hausdame, Frau Rosenthal, wurde der Plan vereitelt. Dieselbe hat einen Teil der von mir besorgten Lebensmittel an ihren Bruder nach Berlin geschickt. Das Paket war abgefangen worden, Frau Rosenthal wurde sofort verhaftet und einige Tage darauf mit Herrn Geh. Rat nach Theresienstadt abtransportiert. In diesen Tagen erwartete ich auch ständig meine Verhaftung.“123

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Doch Weigel wurde im Spätsommer 1942 nicht verhaftet. Frau Rosenthal verriet bei der Gestapo keine Namen. Im Rahmen der Fluchtvorbereitungen für Herxheimer dachte die Frankfurter Widerstandsgruppe um Fries, Fengler und Weigel darüber nach, wie man die von der Gestapo bedrohten Juden der Stadt noch effizienter schützen könnte, wie man an Geheimakten herankommen könnte und an Informationen über „SS- und Parteizugehörigkeit der Beamten“. Erwogen wurde die Parteimitgliedschaft eines engen FriesVertrauten, des Kriminalbeamten Johann Gorius, „um als getarntes NSDAP-Mitglied gegen die NSDAP zu arbeiten“.124 Fengler stellte am 12. März 1942 einen Antrag zur Aufnahme in die WaffenSS. Auch Weigel streckte seine Fühler in Richtung SS aus: „Im Interesse meiner jüdischen Freunde ließ ich mich später auf Anraten eines Vetters von mir, welcher Bekannte in SS-Kreisen hatte, als förderndes Mitglied der SS aufnehmen, da ich hoffte, durch näheren Kontakt mit diesen Kreisen von etwaigen geplanten Aktionen gegen Juden rechtzeitig Kenntnis zu erhalten, um meine Freunde zeitig genug warnen zu können, was mir auch später in mehreren Fällen gelang.“125

Nicht jedoch im Fall von Herxheimer, obwohl dieser schon kurz nach der NS-Machtübernahme Weigel nahegelegt hatte, sich zum Schein auf eine NSDAP-Mitgliedschaft einzulassen. Das bestätigt Herxheimers Großnichte Lene Ullmann am 2. August 1945 in einem Brief an Weigel im Entnazifizierungsverfahren. Sie wisse, dass Herxheimer ihn „aus reinen Utilitätsgründen dazu aufgefordert hat, der Partei beizutreten, zumal damals, als Sie sich durch ihre allzu offenen Äußerungen über Hitler schwer gefährdet sahen und bereits angezeigt waren“. Gerade Weigels NSDAP-Mitgliedschaft habe ihm ermöglicht, „viel ungehinderter für ihre Freunde einzutreten“ und etwa auch bei dem Versuch zu helfen, später ihren eigenen Mann aus Buchenwald zu befreien. Und Weigel habe etwas 70

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getan, wozu den meisten Deutschen wohl der Mut gefehlt habe, nämlich während der NS-Zeit Juden, die mit dem gelben Stern gekennzeichnet waren, demonstrativ im öffentlichen Raum per Handschlag zu begrüßen. Ullmanns Aussage im Entnazifizierungsverfahren gegen den inzwischen nach einem Schlaganfall gelähmten Gustav Weigel reicht nicht ganz. Die aus dem Regierungsrat Paul Kirchhof und seinen Beisitzern Anton Hauer (CDU) und Valentin Sieling (SPD) zusammengesetzte Spruchkammer verurteilt Weigel am 6. Januar 1947 als „Mitläufer der Gruppe 4“ zu einer Sühne von 500 Mark für den Wiedergutmachungsfond. Ein formaler Akt. Gleichzeitig eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Unter denjenigen, die das Ladenlokal des Buchmachers Gustav Weigel ansteuerten, war höchstwahrscheinlich auch Gustav Kettel. Seit Frühjahr 1942 pendelte Kettel regelmäßig zwischen dem Ruhrgebiet und dem Rhein-Main-Raum, um die Kommunikation der Widerstandszellen aufrechtzuerhalten. Und ab Herbst 1942 pflegte er den Kontakt zu oppositionellen Kreisen in den Niederlanden. Wegen ihrer pazifistischen Grundhaltung tat sich Kettels politische Bezugsgruppe vor allem im östlichen Ruhrgebiet zunächst schwer, mit den Militärs um Stauffenberg zusammenzuarbeiten. Auch erkannte man klar „die konservative Grundstimmung des militärischen Widerstands“.126 Und einige Freunde Kettels lehnten „eine Kooperation mit den ehemaligen antipazifistischen Scharfmachern Goerdeler und Beck rigoros ab“.127 Gustav Kettel hingegen entschied sich, die geplante Erhebung der Offiziere aktiv zu unterstützen. Dass auch dem Militär grundsätzlich kritisch gegenüberstehende politische Freigeister wie Kettel den Aufstand mittrugen, dürfte Stauffenberg nur recht gewesen sein, der keinen gewöhnlichen Militärputsch wollte.128 Vielmehr sollte die Militärdiktatur nur einige Tage dauern. „Stauffenberg zeigte sich beeindruckt von der Haltung der SPD im Reichstag im 71

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März 1933. In der Republik sei eine Chance versäumt worden. Deshalb suche er das Gespräch mit Gewerkschaftsführern wie Sozialisten. Peter Graf Yorck vermittelte im Herbst 1943 Stauffenbergs Verbindung mit ­Julius Leber.“129 Während in Berlin der militärische und der sozialdemokratische Flügel der Verschwörung des 20. Juli 1944 enger zusammenrückten, trafen sich in einem Waldgebiet südlich von Frankfurt am Main regelmäßig Angehörige des politischen Untergrunds. Das Gasthaus „Oberschweinstiege“, mitten im Wald zwischen Frankfurt-Sachsenhausen und Neu-Isenburg gelegen, war schon damals ein beliebter Ausflugsort für die Frankfurter. Auch mit Karl Herxheimer trafen sich die Fluchthelfer um Weigel, Fengler und Fries im „Oberschweinstiege“ und erörterten auf Waldspaziergängen den Fluchtplan.130 Nachdem das Attentat am 20. Juli 1944 gescheitert war, begab sich ein Teil des Frankfurter Leuschner-Netzwerks abermals in den Grüngürtel südlich von Frankfurt. Doch diesmal endete ihr Spaziergang nicht an dem besagten Gasthaus, sondern ein paar Kilometer weiter südlich in NeuIsenburg. Dort fanden einige Illegale einen Rückzugsraum, während die Gestapo in Berlin, Frankfurt am Main und anderswo zuschlug. Der Frankfurter Grüngürtel war in gewisser Weise der „Gegenort“ zum belebten Bahnhofsviertel mit den konspirativen Treffpunkten an öffentlichen Orten. Die stadtnahen Wälder spielten eine wichtige Rolle in der Topografie des Leuschner-Netzes ­gerade im Rhein-Main-Raum, an einem Knotenpunkt des Widerstands im Westen. Und die Frankfurter Gruppe des Leuschner-­ Widerstandsnetzes beherrschte die Pendelbewegung zwischen urbanem Raum und peripheren Arealen über Jahre perfekt.

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Neu-Isenburg, Waldstraße 128 – Ulrich Boelsen und Hans Hayn „Es ist so, als ob jemand eine Handvoll Streichhölzer in die Nordsee wirft und hofft, eines Tages trocknet die Nordsee aus und jemand findet ein Streichholz, trocknet es, zündet ein Feuer an und wärmt die Welt damit.“

Günther Weisenborn, Die Illegalen131

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ine alte Mappe mit vergilbten Papieren zwischen Dachsparren in einem schlichten Haus in der Neu-Isenburger Waldstraße. Gisela Mauer, die heutige Besitzerin, findet die Mappe

vor einigen Jahrzehnten zufällig. Möglicherweise gehörte sie einem sozialdemokratischen Lokomotivführer, der in der Nachkriegszeit einmal hier gewohnt hat. Ein kaum noch lesbarer Text auf vergilbtem Papier, der sich neben anderen Aufzeichnungen darin befindet, fesselt die Finderin so, dass sie ihn abschreibt. Er stammt von dem Neu-Isenburger Zahnarzt und Widerstandskämpfer Ulrich Boelsen, der ihn „wohl als eine Art Rechenschaftsbericht für die Amerikaner“132 verfasste. Nach der Befreiung Neu-Isenburgs durch USPanzertruppen Ende März 1945 hatte zunächst ein amerikanischer Offizier das Kommando in der vom Krieg zerstörten Kleinstadt südlich von Frankfurt am Main übernommen. Doch schon wenige Tage später übergab er den Ärzten Ulrich Boelsen und Hans Hayn die kommissarische Leitung der Stadtverwaltung, bis eine reguläre Verwaltung die Arbeit wieder aufnehmen konnte. 73

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Gisela Mauer leitet eine Abschrift des Textes an das Stadtarchiv in Neu-Isenburg und das fragile Original an einen noch lebenden Angehörigen des Zahnarztes weiter. In dem Text heißt es: „Wir alle haben nun die Folgen zu tragen, dass wir glaubten, so bequem die Verantwortung von uns abwälzen zu können auf ein Regime, das mit Feuer und Schwert sich den ganzen Kontinent unterjochen wollte und in allen besetzten Ländern Menschen zu Millionen ausrottete und versklavte.“133 Boelsen und Hayn gehörten zum Leuschner-Widerstandsnetzwerk und blieben unentdeckt. Die beiden NS-Gegner arbeiteten bis Kriegsende eng mit Gustav Kettel und Christian Fries zusammen. Als die Befreier einrückten, notierte Boelsen: „Niemand hat das Recht, über (…) Härten zu klagen, die ihm jetzt der verlorene Krieg bringt. Der Großteil des deutschen Volkes hat dem siegenden Hitler zugejubelt und hat die Ohren verschlossen vor dem, was von dem Schreckensregiment in den besetzten Ländern durchsickerte. So haben wir jetzt für das Unrecht zu büßen, das wir an Millionen Europäern verschuldet haben. Erst nach der Erkenntnis und Sühne seiner Schuld wird Deutschland wieder einen Platz in der Familie der zivilisierten Völker einnehmen können.“134

Dass Boelsen das Kriegsende noch erlebte, war, wie bei vielen an­ deren Widerständlern, pures Glück, denn die illegalen Strukturen, in denen sie sich bewegten, wurden von Unterstützern des NS-Re­ gimes schon Jahre vorher erkannt. So ging etwa am 12. Juni 1941 bei der Gestapo in Darmstadt eine Anzeige der NSDAP-Ortsgruppe Neu-Isenburg gegen eine Bürgerin der 15 000-Einwohner-Stadt ein, die als NS-Gegnerin denunziert wurde.135 Der Vorwurf lautete, die Frau und ihr Verlobter träfen in NeuIsenburg Menschen, die den Hitlergruß verweigerten, wie der ehemalige Bibliotheksrat Wilhelm Weinreich, der nach seiner Entlassung als Beamter nun Versicherungspolicen verkaufen musste. Er 74

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begrüßte die Menschen mit „Guten Tag“ statt mit „Heil Hitler“. Mehr lag 1941 nicht gegen Weinreich vor. Und es dauerte noch über ein Jahr, bis der Denunzierte zum Dreh- und Angelpunkt einer neuen Widerstandsgruppe in der Stadt wurde. Boelsen erinnert sich in den 1970er-Jahren an die Jahre 1943 und 1944: „In dieser Zeit entstand unsere illegale Widerstandsgruppe, der neben Dr. Hayn und mir nur wenige Mitglieder angehörten. Des Risikos bewusst haben wir den Kreis sehr klein gehalten, kamen aber über unseren gemeinsamen Patienten, den blinden Dr. Weinreich, in Verbindung zu Herrn Kettel, der seinerseits Kontakte zu deutschen sozialistischen Organisationen in Großbritannien hatte. Durch ihn erfuhren wir das Losungswort, das uns nach dem Einmarsch der Amerikaner zu ihnen die Türen öffnete.“136

Nachdem Boelsen für einige Wochen auf Wunsch der amerikanischen Befreier als Bürgermeister amtiert hatte, bis sich ein erfahrener Kommunalpolitiker fand, der unbelastet war, arbeitete er auf Drängen der US-Kommandeure noch ein Jahr lang als Beigeordneter in der Verwaltung Neu-Isenburgs. Sein ehemaliger „Patient“ Wilhelm Weinreich schreibt 1947 an den jüdischen Emigranten Hermann Strauss nach Amerika, um von ihm Auskünfte über einen Nazi zu bekommen, der nach dem Verständnis Weinreichs ein zu mildes Urteil bekommen soll. In dem Brief erwähnt Weinreich auch seine Widerstandsarbeit. Er und seine Frau seien „heil durch das 1000jährige Reich gekommen […], obwohl uns der Ortsgruppenleiter einmal als Staatsfeind Nr.  1 bezeichnet hat und wir im letzten Jahr einen Freund aus Essen aufnahmen, der in die Revolte vom 20. Juli 44 verwickelt war und dem zuhause der Boden zu heiß geworden war“.137 Gemeint war Gustav Kettel. Weinreich war im Herbst 1944 auch über den Kontakt informiert, den Kettel zu Josef Kappius aufgenommen hatte. Kappius war vom OSS (Office of ­Strategic Services), dem Nachrichtendienst des US-Kriegsministe75

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riums, angeworben worden, um unter anderem die Sabotage der Rüstungsproduktion im Ruhrgebiet zu organisieren.138 In der Nacht vom 1. auf den 2. September 1944 wurde Kappius mit einem britischen Lancaster-Bomber nach Deutschland geflogen. Er sprang über dem Emsland mit dem Fallschirm ab, reiste mit gefälschten Papieren nach Bochum und traf im Ruhrgebiet auch Kettel. Kappius reiste unter dem Decknamen „Wilhelm Leineweber“ als Bauingenieur und Truppführer der Organisation Todt unbehelligt durch die Lande. Die Neu-Isenburger Widerstandsgruppe, die nach dem 20. Juli 1944 auch Kettel und Fries aufnahm, war informiert. Fries schreibt 1947: „Wenn ich mich auch nach dem missglückten Attentat auf Hitler etwas reserviert verhalten musste, gelang es mir jedoch recht schnell, wieder Anschluss an eine andere Widerstandsgruppe zu finden. Die von Dr. med. Hans Hayn, wohnhaft Neu-Isenburg, Waldstraße 128.“139 Gegen Kriegsende, so erinnert sich Boelsen, habe man versucht, die Sprengung der Frankfurter Mainbrücken durch deutsche Truppen auf dem Rückzug zu verhindern. Man habe Plakate gedruckt, auf denen Frankfurt zur „offenen Stadt“ erklärt wurde: „Kriminalrat Fries wollte diese durch seine Leute in Frankfurt anschlagen nach einem von uns ausgearbeiteten detaillierten Plan. Doch im entscheidenden Augenblick wurde Fries mit seiner Mannschaft in den Vogelsberg versetzt, unser Vorhaben fiel ins Wasser, samt den Mainbrücken. Eine völlig sinnlose Zerstörung – in kürzester Frist hatten die amerikanischen Pioniere Notbrücken errichtet und der Vormarsch rollte weiter.“140

In der Dokumentensammlung des Neu-Isenburger Stadtarchivs befindet sich auch das Protokoll einer „Erinnerungsbefragung“ der Medizinerin Trude Dreiling aus dem Jahr 1978. Dreiling war 1944 mit dem Arzt Hans Hayn verheiratet. Laut ihrer Aussage gehörten „an die 76

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100 Leute“ zum „Bekanntenkreis“ rund um die Gruppe ihres „damaligen Mannes […], sogar einige nominelle Mitglieder der NSDAP“.141 Es hätten Kontakte zu „ähnlichen Gruppen in Frankfurt“ existiert, „wo es Männer gab, die von den Vorbereitungen zum 20. Juli 1944 wussten. Andererseits liefen über einen Verbindungsmann Fäden zur Union deutscher sozialistischer Organisationen in England“. Dreiling nennt die Namen nicht, doch höchstwahrscheinlich war die Rede von Kettel und Fries. Die gemeinsame Arztpraxis mit ihrem Mann sei zum zentralen Handlungsort der Widerstandsgruppe geworden: „Auf einem Vervielfältigungsapparat in unserer Arztpraxis [wurden] Flugblätter hergestellt, die wir über Briefkästen verteilten. Schließlich wurde Durchreisenden, die ein bestimmtes Kennwort zu nennen wussten, Verpflegung und Nachtlager gewährt. […] Diese Aktivitäten wurden wohl aus zwei Gründen nicht entdeckt. Einmal wirkte die Arztpraxis, wo Menschen zu jeder Tages- und Nachtzeit kommen und gehen, als eine gute Tarnung. Schließlich können auch Ärzte selbst jederzeit zu Hausbesuchen unterwegs sein. Der zweite Grund war die Schutzfunktion, die der Polizeibeamte Hedderich ausübte. Es war wichtig, jemand zu haben, auf den man sich in dieser Hinsicht völlig verlassen konnte.“142

Hedderich ist zwar nicht auf der Liste der Mitverschwörer aus Frankfurter Polizeikreisen verzeichnet, die Christian Fries nach dem Krieg erstellte, doch findet sich dort eine andere Person, die Dreiling zum „aktiven Kern“ der Gruppe in Neu-Isenburg zählte: „Wilhelm Reitz, wohnhaft in Neu-Isenburg, Waldstraße 130“.143 Reitz wohnte 1944 direkt neben Hans Hayn, der auch noch lange nach dem Krieg in der Waldstraße 128 seine Arztpraxis weiterbetrieb.144 Im Jahr 1991 verlieh die Landesärztekammer Hessen Hayn eine „Ehrenplakette“145, nicht dafür, dass seine Arztpraxis ein bedeutender Konspirationsort gegen die Nationalsozialisten war, sondern für seine „Pionierarbeit“ auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin und der Berufspolitik nach dem Krieg. 77

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Saarbrücken, Hindenburgstraße 48 – Bartholomäus Koßmann „Nackte Gewalt tritt auf, wo Macht verloren ist.“ Hannah Arendt146

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ie Hindenburgstraße im Saarbrücker Stadtteil St. Arnual gehörte Anfang des 20. Jahrhunderts wegen ihrer Lage unweit des Schlosses und der Nähe zum Wasser sicherlich zu den

besseren Adressen der Stadt. Die Straße verläuft parallel zur Saar. Hier wohnte viele Jahrzehnte lang die Familie Koßmann. Seit An-

fang der 1960er-Jahre allerdings hat sich zwischen die Hindenburgstraße, die inzwischen Koßmannstraße heißt, und den Fluss die Stadtautobahn gedrängt, wodurch die Straße an Attraktivität verlor. Der Autobahnlärm ist allgegenwärtig. Haus Nummer 48 ist immer noch ein zweistöckiges Wohnhaus, gegenüber Handwerksbetriebe und Händler. Ist der Tyrannenmord ein probates Mittel zur Beendigung einer despotischen Herrschaft? Sprich: Darf Adolf Hitler ermordet werden, um Schlimmeres zu verhindern? Diese Frage trieb den früheren Minister der Regierungskommission der Völkerbundzeit, Bartholomäus Koßmann, in Saarbrücken um. Sein Enkel Christoph Kossmann,147 der den Großvater nicht persönlich kennengelernt, aber die Familiengeschichte recherchiert hat, sagt: „Das Wort Tyrannenmord spielte eine große Rolle, das hat er mit ihm nahestehenden Geistlichen auch besprochen: Kann ich das mit meinem

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Glauben überhaupt machen, auch wenn es einen Tyrannen gibt? Diese Überlegungen haben bestimmt auch dazu geführt, dass er nicht gleich eingeschlagen hat, als man ihn bat, beim Widerstand mitzumachen.“148

Bartholomäus Koßmann stand mit diesem Gewissenskonflikt nicht allein. Auch Stauffenberg und andere hochrangige Militärs ebenso wie zivile Widerständler diskutierten immer wieder das Für und Wider des Tyrannenmordes. Selbst der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer war davon überzeugt, dass im Falle Hitlers die ­Tötung gerechtfertigt sei. Man schreibt das Jahr 1943. Bartholomäus Koßmann bekommt in Saarbrücken Besuch von dem früheren christlichen Gewerkschafter und Redakteur Nikolaus Groß, der aus dem Ruhrgebiet stammt und in der NS-Zeit zum sogenannten „Kölner Kreis“ des katholischen Widerstands gehört.149 Groß ist im Auftrag von Jakob Kaiser und Carl Friedrich Goerdeler angereist, um Koßmann für den Widerstand zu gewinnen. Das Saargebiet gehört mit der Pfalz zum Wehrkreis XII (Wiesbaden). Als Verbindungsoffizier des Widerstands in der Region zur Obersten Heeresleitung ist Hauptmann Hermann Kaiser, als politischer Beauftragter der ehemalige Staatsrat im hessischen Finanzministerium Ludwig Schwamb gewonnen worden. „Den Aufbau der zivilen Verwaltung im Saargebiet und in der Pfalz sollte Bartholomäus Koßmann übernehmen.“150 Groß hatte in Saarbrücken Erkundigungen über Koßmann eingezogen, bevor er sich persönlich an ihn wandte. Aufgrund mehrfacher negativer Erfahrungen mit der Gestapo vorsichtig geworden, verabredete Koßmann sich nach dem ersten konspirativen Treffen zwei weitere Male mit Groß im Zentrum Saarbrückens, zunächst in der Basilika St. Johann, dann im Langwiedstift, einem Alten- und Waisenheim. Zwischendurch zog er seinerseits Erkundigungen über Groß ein. Schließlich bat Koßmann sich Bedenk79

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zeit aus. „So wie er mir beschrieben wurde, war er ein sehr vorsichtiger Mann, ein taktisch kluger, aber auch sehr bedächtiger Mann. Insofern passt das“, so sein Enkel.151 Dass Koßmann schon 60 Jahre alt war und unter Diabetes litt, mag seine zögerliche Haltung gegenüber einer Beteiligung am aktiven Widerstand bestärkt haben. Aber, so Enkel Christoph, er habe sich auch geehrt gefühlt. „Und ich glaube, letztendlich spielte auch das öffentliche Ansehen eine Rolle.“ Und mit seiner Herkunft aus der katholischen Arbeiterbewegung sei er bei aller konservativen Gesinnung auch linksstehenden Kreisen vermittelbar gewesen. In seiner politischen Tätigkeit habe er stets das Beste für die Bergleute und Stahlarbeiter an der Saar herausholen wollen. „Das hat ihm viel Anerkennung von Leuten gebracht, die vielleicht nicht unbedingt für ihn politisch gestimmt hätten.“ Bartholomäus Koßmann wurde am 2. Oktober 1883 im saarländischen Eppelborn geboren. Nach dem Volksschulabschluss wurde er Bergmann im Steinkohlebergwerk Camphausen. Von Hause aus tief gläubig, schloss er sich in jungen Jahren der katholischen Arbeiterbewegung an. Nebenbei absolvierte er Kurse des Volksvereins für das katholische Deutschland, um sich für Führungsaufgaben in der christlichen Gewerkschaftsorganisation zu qualifizieren. Im Jahr 1907 übernahm Koßmann die Leitung des Sekretariats des katholischen Arbeitervereins in Neunkirchen. So wurde er schnell mit den Themen vertraut, um die sich die katholische Gewerkschaftsbewegung in der Montanindustrie damals kümmerte. Koßmann machte eine steile politische Karriere, erst wurde er Mitglied des Neunkirchener Gemeinderats und 1912 im Alter von nur 29 Jahren jüngster Abgeordneter im Deutschen Reichstag. Vorrangig an sozialen Fragen interessiert, ging er in den 1920er-Jahren zurück nach Saarbrücken und wurde zum einzigen deutschen Vertreter der fünfköpfigen Regierungskommission des Völkerbunds 80

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für das 1919 aufgrund des Versailler Vertrags aus preußischen und bayerischen Landkreisen gebildete „Saargebiet“ bestimmt. Im Jahr 1935 kam es zu einem Referendum über die Zukunft des Territoriums. Obwohl ein Gegner des Nationalsozialismus, sprach Koßmann sich für den Anschluss des bis dahin durch das „Saarstatut“ unter Völkerbundmandat stehenden Gebiets an das Deutsche Reich aus. „Er hat für Deutschland gestimmt, denn die anderen Optionen, die Unabhängigkeitsoption und die Rückgliederung an Frankreich hielt er für unrealistisch und nicht der Bevölkerung an der Saar entsprechend“, so sein Enkel. Die Bevölkerung sei nun mal deutsch gewesen. 90,73 Prozent der Abstimmungsberechtigten entschieden sich dann auch für den Anschluss an das Deutsche Reich. „Mein Großvater hat erzählt, wie schnell danach auf einmal Leute, denen er vertraut hatte, plötzlich unterm Revers das NSDAP-Abzeichen trugen und wie tief ihn das gekränkt hat.“ Am 12. Mai 1933 erlebte Bartholomäus Koßmann Adolf Hitler zum ersten Mal aus der Nähe. Er sei einem „Psychopathen“ begegnet, lautete hinterher sein Urteil.152 Der Völkerbund in Genf bot Koßmann nach der Saarabstimmung eine Stelle beim Internationalen Arbeitsamt an. Der jedoch wollte in Saarbrücken bleiben, weil er davon überzeugt war, sich nicht aus zum Staub machen zu können, nachdem er für die Rückgliederung gestimmt hatte. „Mein Großvater war sich bewusst, dass vor der Rückgliederung noch viele aus dem Reich über das Saarland fliehen konnten, Kommunisten, Juden, die rechtzeitig die Zeichen erkannten und über das Saarland ausreisten.“ Koßmann übernahm die Bezirksdirektion einer genossenschaftlichen Lebensversicherung. Die Gestapo überwachte ihn. Weil er nicht bereit war, die Flagge des „Dritten Reiches“ zu grüßen, wurde er 1942 vorgeladen. Die Ermittlungen wurden zwar eingestellt, aber das Misstrauen gegen ihn blieb. 81

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Bartholomäus Koßmann wäre nach einem geglückten Attentat auf Hitler als ziviler Verwaltungschef „im Wehrkreis XII“ (Wiesbaden) vorgesehen ­gewesen.

Ein Jahr später erhielt er in Saarbrücken Besuch von Nikolaus Groß. Und Koßmann entschied sich trotz seiner Bedenken für den Widerstand. Zwei Tage nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler wurde er am 22. Juli 1944 im französischen Forbach von der Gestapo festgenommen. Die Liste mit den Namen der Beauftragten und Unterbeauftragten der einzelnen Wehrkreise war der Polizei in die Hände gefallen. Allerdings war der Name Koßmann falsch geschrieben, nämlich Loßmann und als Beruf war fälschlicherweise Jurist angegeben. Koßmann kam in das Gestapo-Lager „Neue Bremm“ an der Goldenen Bremm in Saarbrücken, dann in das Polizeigefängnis Wiesbaden, in das Staatsgefängnis Frankfurt-Preungesheim und schließlich in das Gefängnis des Reichssicherheits-Hauptamtes Berlin-Lehrter Straße, in dem viele Widerständler inhaftiert waren. Dort wurde Koßmann zwei Wochen ver82

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hört und misshandelt, immer in Ketten an Armen und Beinen. Anschließend wurde er in das Konzentrationslager Ravensbrück überführt. Dann ging es wieder nach Berlin. Durch die Unter­ ernährung in der Haft und die fehlende Versorgung mit Insulin verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand rapide. Die Verhandlung vor dem 1. Senat des Volksgerichtshofs in Berlin wurde auf den 18. und 19. Januar 1945 angesetzt. Der ebenfalls inhaftierte Nikolaus Groß entlastete Koßmann bei seinen Vernehmungen und trug damit wesentlich dazu bei, ihn vor dem Todesurteil zu bewahren. Auch Koßmann selbst berief sich bei seiner Verteidigung auf sein Alter und seine Krankheit: „Mein Großvater muss trotz seines Leidens einen guten Auftritt vor dem Nazi-Gericht gehabt haben. Er stand da, ohne Gürtel, Hosenträger und Schnürsenkel. Aufgrund seiner Haft hatte er enorm an Gewicht verloren. Wenn man erst mal Angst haben muss, dass man nicht in Unterhosen vor einem hohen Gericht steht. Wie er dann konzentriert argumentiert. Ein Foto, auf dem der eine Wachhabende bewundernd hochguckt, zeigt, dass er wohl Eindruck gemacht haben muss, sodass er wirklich Glück hatte, dass er mit dem Leben davonkam.“153

Koßmann wurde freigesprochen. Doch die Gestapo behandelte ihn weiter als ihren Gefangenen. Koßmanns Tochter Maria erwirkte für ihren Vater, dem es gesundheitlich immer schlechter ging, einen Kuraufenthalt in Bad Mergentheim – unter Gestapo-Aufsicht. Erst im April 1945 konnte er nach Saarbrücken zurückkehren, nachdem die Gegend von den Amerikanern befreit worden war. Doch die mangelnde Behandlung seiner Diabetes und Entzündungen durch das monatelange angekettet sein führten dazu, dass ihm kurz nach seiner Rückkehr das rechte Bein amputiert werden musste. Trotz dieser gravierenden Nachwirkungen der Gestapo-Haft gehörte Bartholomäus Koßmann nach Kriegsende zu den Mitbegrün83

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dern der Christlichen Volkspartei im Saarland und wurde 1947 in den neu gegründeten Landtag gewählt, als dessen Vizepräsident er bis zu seinem Tod am 9. August 1952 amtierte. Mit einem Staatsbegräbnis wurde Koßmann in seinem Geburts­ ort Eppelborn beigesetzt. Sein Enkel Christoph ist voller Bewunderung für den Großvater: „Auch wenn ich nicht die tiefe Religiosität habe, die mein Großvater hatte, die ihm die Kraft gegeben hat, so zu wirken, einzustehen für etwas und Klasse zu zeigen, sich in einer ganz desolaten Situation nicht auch noch zu unterwerfen, sondern seinen Mann zu stehen: Das muss ich sagen, das hat mich beeindruckt.“ Heute gibt es in mehreren saarländischen Städten KoßmannStraßen, die an den Politiker und Widerständler erinnern: in Saarbrücken, Neunkirchen, St.  Ingbert und Eppelborn. Die im Jahr 2002 vom Sohn Dr. Felix Koßmann gegründete Bartholomäus-­ Koßmann-Stiftung hat sich die Aufarbeitung seines Lebenswerks zur Aufgabe gemacht und verleiht regelmäßig die BartholomäusKoßmann-Medaille.

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Essen, Elsass-Straße 82 – Gustav Kettel „Flöte: Dann hast du die Tricks und die Technik gelernt, du wirst ein eiserner illegaler Kämpfer sein, erfahren in der Konspiration, gelassen in den Gedanken.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen154

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m schönen Ruhrtal lebten auch die Großindustriellen gern. Die Krupps, die Grillos, die Thyssens. Sie ließen sich im Grünen in der Nähe des Flusses nieder. Über die vor Jahrzehnten stillgeleg-

ten Zechen und Stahlwerke an den Ruhrufern ist längst Gras gewachsen, oder es sind Museen daraus geworden. Ob im Dortmunder oder Bochumer Süden, in Essen oder in Mülheim an der Ruhr: Wer hier lebt oder gar ein Anwesen unterhalten kann, der sollte sich glücklich schätzen. Auch ein früherer Konspirateur wohnte nach dem Krieg am Waldrand über dem idyllisch mäandernden Fluss, der dem gesamten rheinisch-westfälischen Industrierevier den Namen gab. Das persönliche Glück fand er hier nicht. Doch es war immerhin ein guter Ort für das Überleben nach der Katastrophe. Gustav Kettel lebte nach dem Krieg in der Elsass-Straße im Es­ sener Stadtteil Heisingen. Es ist noch heute eine ruhige Wohnstraße in einer bürgerlichen Wohngegend über dem Baldeneysee. In Essen hatte sich Kettel 1935 mit einem Handelskontor eine neue Existenz aufgebaut. Die Ruhrindustrie brauchte für Werkskantinen Großküchen, und die lieferte Kettel. Ab 1942 war er für Leuschner 85

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Freunde aus der Ruhrgebietsgruppe des Leuschner-Netzwerks. V.l.n.r.: Lotte Müller, Friedrich Kayser, Aenne Mass, Ernst Müller

unterwegs, um NS-Gegner für dessen Aufstandsvorbereitungen gegen Hitler zu gewinnen.155 Auch der Dortmunder Pädagoge Emil Figge fungierte als Kurier Leuschners, fiel jedoch um Februar 1943 aus, weil er wegen „Wehrkraftzersetzung“ verhaftet wurde. Die Ruhrgebietsgruppe warnte Leuschner persönlich, „allerorten würden einem in Oppositionskreisen sein Name und auch der Goerdelers zugeflüstert, was zu größter Besorgnis Anlass geben müsse“.156 Leuschner wiegelte ab. Die Dortmund-Hagener Gruppe nannte sich seit Ende 1943 „Sozialistische Union“, sie sollte der Nukleus für eine Parteigründung links von der SPD sein. Diese Gruppierung fand „durch Gustav Kettel bis ins hessische Gebiet und darüber ­hinaus und durch holländische Freunde weiter bis nach England ihre Verbindungen und Mitglieder“.157 86

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Kettel lässt das Programm der neuen Organisation in Frankfurt am Main bei seinem „Freund Seppl, eigentlich Josef Kudrnofsky“ drucken und bringt es auch zu Gesinnungsfreunden in der Schweiz.158 Mit dem Geld, das er mit seiner Essener Firma verdient, unterstützt er vor allem in den Niederlanden „Nazi-Gegner, die per Funk mit ihrer Exilregierung in Großbritannien verbunden sind“ und den seit 1940 „in London postierten Sender Radio Oranje mit Nachrichten versorgen“.159 Darüber hinaus besteht ein enger Kontakt mit der Neu-Isenburger Konspirations-Gruppe und nach Darmstadt. Das Kriegsende erlebte Kettel noch nicht in Essen-Heisingen, sondern im Rhein-Main-Gebiet, wo er untergetaucht war, um nicht noch in den Krieg ziehen zu müssen. Eine Bleibe fand er im Darmstädter Johannesviertel, in der Kahlertstraße 10.160 In dem von der Wohnung nicht weit entfernten Industriegebiet an der Landwehrstraße gründete er auf einem Areal mit der Hausnummer 31 „mit einem Herrn Hellmich“ eine Firma, „die Maschinen und Einrichtungen für Großküchen und Gaststätten, Koch- und Heizgeräte, Haushaltsartikel und Öfen vertrieb“.161 Im Auftrag der US-Militärregierung beteiligte Kettel sich zunächst in Darmstadt, später auch in Frankfurt am Main am Wiederaufbau der örtlichen Zivilverwaltungen. Doch bereits einige Monate später kehrte er nach Essen zurück. Er stieg wieder in seine dortige Handelsfirma ein, die nach 1945 als GmbH weitergeführt worden war. Nach Darmstadt pflegte er weiter Geschäftsbeziehungen, etwa zur Gebrüder Roeder AG. Kettels Wohnhaus in der Elsass-Straße 82 in Heisingen wurde in den Jahren nach dem Krieg zu dem Ort, an dem er politisch Gleichgesinnte  – vor allem Pazifisten  – traf. Am 21. Juli 1946 schrieb er einen Brief an die Frankfurterin Anna Beyer, die ebenfalls zum Leuschner-Widerstandsnetz gehört hatte, in dem er seine Bemühungen um die ehemaligen Mitglieder der Organisation schildert: 87

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„Liebe Anna Beyer, Hans Hayn schreibt mir, dass Du ihn gesprochen hast und erstaunt warst, mich nicht mehr in Darmstadt zu wissen. Ich will nun einen kurzen Bericht geben, dass ich noch lebe und was ich so treibe. Vorausschicken möchte ich, dass es mir so gut geht, wie es den Umständen nach möglich ist, und dass auch die Freude am Leben nicht zu kurz kommt. Meine Tätigkeit ist schnell umrissen, ich arbeite in dem mir möglichen Rahmen des politischen Wollens mit und muß dabei sofort sagen, dass ich kein Mann der Öffentlichkeit bin. Als Mitglied der SPD gehöre ich zum Denazifizierungsausschuß des Großhandels in Essen und als Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der Deutschen Friedensgesellschaft zum Westdeutschen Landes­ verband. […] Am Rande habe ich mich bemüht, alle mir bekannten Freunde im Auslande für unsere Not zu interessieren, und aufgrund der mir zugegangenen Zuschriften sind größere Sendungen aus Amerika, Australien und Holland unterwegs. Bisher habe ich die Verteilung dieser Sendungen selbst vorgenommen, doch droht die Aktion einen solchen Umfang anzunehmen, dass in Zukunft Direktversand vorgenommen wird. […] Wenn Du mir nun noch Genossen und Freunde aufgeben willst, so berücksichtige bitte, dass Amerika ‚etwas mehr als anständige Gesinnung‘ bei den in Frage kommenden Empfängern der Sendungen voraussetzt. […] Soweit mein kurzer Bericht. Ansonsten geht es mir recht mäßig, es ist ein fortwährendes Würgen und Improvisieren im Geschäft und im täglichen Leben. Das Wasser stand mir gewissermaßen am Halse und ist nun wieder langsam am Absinken, aber unerhörte Anstrengungen waren notwendig, niemanden zu entlassen und die Schulden erträglich zu halten. Ich wünsche Dir schöne Spätsommertage und weiterhin alles Gute […]. Herzliche Grüße Dein Gustav Kettel.“162

Kettel überstand die schweren ersten Nachkriegsjahre. Als Geschäftsführer wirkte er bis zum Jahr 1971 in seiner Firma, die ihren Sitz heute in einem Gewerbegebiet in der Essener Lazarettstraße hat. Ende der 1960er Jahre gründete Kettel eine eigene Stiftung zur „finanziellen Unterstützung „begabter und förderungswürdiger 88

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Menschen, die ihr Berufsziel ohne diese Hilfe nur schwer oder verspätet erreichen können.“ Der Stiftung ging es vorrangig um die Förderung von Menschen, die „Rassenwahn, Gewalttätigkeit, imperialistischen Vorstellungen und obrigkeitsstaatlichem Denken“ abschworen, „dem europäischen Gedanken und dem Zusammenschluss Europas verhaftet“ waren, aus Arbeiterfamilien stammten oder auf dem zweiten Bildungsweg ein berufliches Fortkommen erreichen wollten. „Darüber hinaus können entlassene Strafgefangene, alte und gebrechliche Menschen Unterstützungen erhalten, so sieht es die Stiftung vor.“ Zwischen zwölf und 22 Stipendiaten konnten zeitweise „gleichzeitig Förderung bekommen“.163 Die Stiftung existiert noch heute, kann aber zurzeit nur noch vereinzelt ­Stipendien vergeben. Gustav Kettel starb am 21. Februar 1983 und ist auf einem anonymen Urnengräberfeld auf dem Kölner Westfriedhof begraben.

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Heidelberg, Kaiserstraße 33 – Emil Henk „Walter: Sind Sozis und Kommune mit dabei? – Lill: Ja, sie kennen keinen Unterschied, wie im KZ – Walter: Und das Zentrum? Und Demokraten? – Lill: Sind auch dabei. Nach den Parteien wird nicht gefragt. Es wird danach gefragt: Ist der Mann gut?“ Günther Weisenborn, Die Illegalen164

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as Rheintal ist eine gigantische Verkehrsader. Schienenstränge, Straßen und der Strom selbst samt Nebenflüssen bilden ein pulsierendes Mobilitätssystem. In Heidelberg

stößt der Neckar aus dem Mittelgebirge in die breite Ebene. Der Bahnhof liegt nicht allzu weit vom Neckarufer entfernt. Auch auf Lastkähnen wurden während der NS-Zeit illegale Botschaften transportiert. Doch die Bahnhofsgegenden blieben in der Topografie der Konspiration wohl die wichtigeren Punkte. Schon ab 1933 wurde die in Bahnhofsnähe gelegene Kaiserstraße 33 in Heidelberg zum Treffpunkt von Widerständlern gegen das NSRegime. Wie seine Ferienwohnung in Oberstdorf stellte Emil Henk auch seine Stadtwohnung für konspirative Treffen aller Art zur Verfügung. Auch aus Frankfurt am Main und Offenbach kamen Untergrund-Aktivisten zu Henk. So trafen sich im Spätsommer 1933 Willi Brundert – in den 1960er-Jahren Oberbürgermeister von Frankfurt am Main – und der Offenbacher Widerstandsaktivist Hans Stoffers mit Henk in dessen Wohnung. Brundert erinnert sich kurz vor 90

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­seinem Tod 1970: „Die Gruppe Stoffers, zu der ich gehörte, war in den Anfangsjahren sehr aktiv, bis sie  – wie viele der ersten Gruppenbildungen – relativ früh hochging.“ Bei einem zweiten Treffen in Heidelberg im Winter 1933/34 165 führte ein Mannheimer Apotheker ihnen Geheimtinten vor, die für die konspirative Arbeit nützlich sein konnten. Bei einem weiteren Treffen der drei Untergrund-­ Aktivisten Anfang 1934  – diesmal in Brunderts Studentenbude in Frankfurt-Bockenheim – zeigte sich, dass ihnen bereits ein Gestapomann auf den Fersen war: „Deshalb beschlossen wir, zum Hauptbahnhof zu gehen, uns dort zu trennen und im Gewühl unterzu­ tauchen. Das gelang!“ Es folgten Flucht oder Verhaftungen – auch Henk wird Ende 1934 festgenommen und erhielt wegen Vorbereitung zum Hochverrat eine Haftstrafe von 21 Monaten. Stoffers floh über die Grenze nach Westen, wie sich der Darmstädter Sozialdemokrat Artur Egon Bratu, der bereits vorher ins belgische Exil gegangen war, nach Kriegsende erinnert: „Im Sommer 1936 meldete sich in meiner Brüsseler Wohnung Hans Stoffers, ein sozialdemokratischer Freund aus Offenbach a.M. Obwohl er erst im Januar 1933 in die Partei eingetreten war, versuchte er nach dem Verbot der SPD in Verbindung mit zuverlässigen Freunden im Gebiet zwischen Rhein, Main und Neckar ein Netz der illegalen Arbeit gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft aufzubauen. Doch der Gestapo gelang es, den Ring zu sprengen, und eine beachtliche Zahl der Mitglieder wurde verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt.“

Nach seiner Haftentlassung nahm Henk die Widerstandsarbeit wieder auf. Seine Wohnung in der Kaiserstraße diente möglicherweise auch als Ausgangspunkt einer umfangreichen Rettungs­ aktion für Gertrud Jaspers, die jüdische Ehefrau des Heidelberger 91

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Ein alter, heute nicht mehr existenter Bahnhof in Heidelberg – häufig trafen sich die Konspirateure gegen das Nazi-Regime in Bahnhofsnähe.

­Philosophen Karl Jaspers. Der Jaspers-Forscher Bernd Weidmann von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften fand in Nachkriegsbriefen des Ehepaars Belege dafür, dass Emil Henk Gertrud Jaspers 1944 oder 1945 mehrmals versteckte. Am 20. Juli 1945, also auf den Tag genau ein Jahr nach dem gescheiterten StauffenbergAttentat auf Hitler, schrieb Karl Jaspers an Karl Heinrich Bauer: „Dieser Freund, Emil Henk, als Gegner des Regimes fast zwei Jahre im Gefängnis, im Zusammenhang mit dem 20. Juli glücklich unbetroffen geblieben, hat mehrere Male in bedrohter Situation meine Frau versteckt und hätte sie im Ernstfall durchgebracht.“166 Auch Gertrud Jaspers erwähnt in einem Brief Anfang 1946, sie sei in Heidelberg dreimal versteckt worden. Ob sich das Versteck im HenkHaus in der Kaiserstraße 33 befand, ist nicht bekannt.167 92

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Die von Emil Henk mehrfach vor der Gestapo versteckte Gertrud Jaspers, hier bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Karl Jaspers 1958: (vorderste Reihe, v.l.n.r.) Frankfurter Oberbürgermeister Bockelmann, Gertrud Jaspers, Karl Jaspers, Bundespräsident Theodor Heuss, Hannah Arendt.

Im Jahr 1942 trafen auch Henk und Brundert erneut zusammen, diesmal in Berlin. Brundert lebte damals mit Carlo Mierendorff und Theodor Haubach „im Umkreis von 200 Metern im Dorf. So nannten wir damals Berlin-Wilmersdorf. […] Mittelpunkt unserer Begegnungen war hauptsächlich die Wohnung von Theo in BerlinWilmersdorf, Bregenzer Straße 6.“ Dort traf Brundert 1942 Emil Henk wieder, „der häufiger als ‚junger Fabrikant‘ aus Heidelberg kam, um Informationen zu erhalten“.168 Henk reiste offiziell als Heidelberger Pharmaunternehmer umher, wie im Fall Kettel oder Leuschner boten seine industriellen Aktivitäten einen gewissen Schutz. Henk flog jedenfalls nicht auf, als das Attentat am 20. Juli 93

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1944 scheiterte, obwohl er zu diesem Zeitpunkt eine führende Rolle im südwestdeutschen Widerstand innehatte. Nach Kriegsende spielt Henks Heidelberger Wohnung in der Kaiserstraße 33 sofort wieder eine wichtige Rolle. So traf sich unmittelbar nach der Befreiung eine illustre Runde, unter anderem der Philosoph Karl Jaspers, der Soziologe Alfred Weber, der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich sowie der Jurist Gustav Radbruch, bei Emil Henk mit US-Offizieren, um den Neuaufbau der Universität zu erörtern. Zunächst, so Jaspers, habe man gemerkt, dass die Amerikaner „Denunziationen begehrten. Aber sie ließen das bald fallen, als Henk die Sprache auf die Universität brachte und Vorschläge machte: Gründung eines Ausschusses, Anerkennung dieses Ausschusses als Gründungsgremium und Wahl von Mitgliedern, für deren Qualität wir gut sagten. Dort wurde der Dreizehnerausschuss gewählt und zu einer ersten Sitzung in meine Wohnung eingeladen.“169

Jaspers setzte sich später dafür ein, Henk aufgrund seiner Verdienste um die demokratische Wiederbelebung der Hochschule nach dem Krieg die Ehrenbürgerwürde der Universität Heidelberg zu verleihen. Am 28. Juli 1965 wurde die Ehrung vom Senat der Heidelberger Universität verkündet.170„Henko“, wie ihn seine Heidelberger Freunde nannten, starb vier Jahre später, am 10. Mai 1969.171 „Ich sehe Dein Lächeln in den Wolken“, schreibt Carl Zuckmayer voller Pathos in seinem Gedenktext für Henk, den er im „Elysium“ wähnt: „Wo sonst, mein lieber Henko, solltest Du weilen, als dort, wo man den Reigen von seligen Geistern tanzt?“172

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Frankfurt am Main, Kurfürstenstraße 3–5 – Margot und Christian Fries „Walter: Und sag’ ihnen auch, es muß eine Gruppe hier sein – Tünn: Was? Eine Gruppe, die wir nicht kennen? – Walter: Ja, sie arbeitet, aber ich weiß noch nicht viel von ihr.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen173

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hristian Fries war als Polizist vertraut damit, Spuren zu verwischen, sich unauffällig im öffentlichen Raum zu bewegen. Er hatte sich als Fluchthelfer für Juden betätigt

und wusste genau, wann er selbst von der Bildfläche verschwinden musste. Fries verstand es meisterhaft, die sehr unterschiedlichen Orte der Topografie des Netzwerks zum jeweils richtigen Zeitpunkt zu nutzen. Wäre das Attentat auf Hitler erfolgreich gewesen, wäre er mit einer großen Gruppe gut bewaffneter Polizisten aus dem Untergrund der Mainmetropole aufgetaucht, um die Gestapo zu entwaffnen und den örtlichen Rundfunksender zu besetzen. Nach dem Scheitern des Attentats nutzten Fries und seine Leute alle vorhandenen Möglichkeiten, um den Mechanismen der Repression zu entgehen, von denen sie als Polizisten mehr wussten als viele andere Zeitgenossen. Fries überstand die lebensgefährliche Untergrundarbeit dieser Jahre unentdeckt. Die US-Amerikaner machten ihn in Frankfurt 95

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am Main umgehend zum Chef der Kriminalpolizei. Doch dann kam es zu „Entnazifizierungskapriolen“, wie er es nennt. Am Ende wurde er vollständig rehabilitiert und übernahm erneut das Amt des örtlichen Kripochefs. In einem Brief an Jakob Steffan, den engen Mitverschwörer des 20. Juli 1944, spricht Fries von einer vier Jahre währenden persön­ lichen „Tragödie“.174 An deren Beginn stand im August 1945 seine Verhaftung durch den amerikanischen CIC (Counter Intelligence Corps). Anschließend wurde er im baden-württembergischen Lager Ludwigsburg interniert. Der Fragebogen, den Fries bei seiner Inhaftierung ausfüllen musste, erhellt die Gründe für seine Festnahme durch die Amerikaner. Dort gibt er an, ab November 1941 unter einem SS-Sturmbannführer Teichmann einem „Kommando der Sicherheitspolizei II“ in „Diedenhofen“ (Thionville) im französischen Lothringen zugeteilt gewesen zu sein. Als Polizist bekleidete Fries zum damaligen Zeitpunkt den Rang eines Kriminalsekretärs. „Zum Tragen der Uniform eines SS-Untersturmführers verpflichtet“, schreibt er weiter.175 Zu seinen Auf­ gaben in Lothringen habe die „Bearbeitung aller anfallenden Vergehen politischer und krimineller Art“ gehört. Der CIC begründete Fries’ Verhaftung zunächst damit, dass die französische Sicherheitspolizei ihn „angefordert“176 habe. In seiner Rechtfertigungsschrift für die Frankfurter Spruchkammer berichtet Fries, dass ein „sehr gut bekannter Offizier der französischen Sicherheitspolizei“ für ihn Recherchen angestellt habe. Ergebnis: Fries sei nie von den Franzosen „angefordert“ worden. Das wird später auch im Spruchkammerurteil festgehalten. Doch der SS-Dienstangleichungsgrad „Untersturmführer“ reichte aus, damit Fries von den US-Militärbehörden quasi automatisch unter Verdacht gestellt und inhaftiert wurde. Im Gesetz Nr.  104 zur ­Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 96

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1946 wurde das wenig später in Artikel 6 auch kodifiziert: „Bis zur W ­ iderlegung gilt als Hauptschuldiger, wer in Klasse I der dem Gesetz beigefügten Liste aufgeführt ist.“177 In der Anlage zu dem Gesetz sind unter „E. Die NSDAP-Gliederungen“ in „Klasse I“ unter anderem aufgeführt: „Allgemeine SS  – Alle Offiziere abwärts bis und einschließlich Untersturmführer.“ Damit war Fries betroffen und musste beweisen, dass er sich nicht schuldig gemacht hatte. Während seiner Internierung trug er zahlreiche ­Aussagen von Zeugen auch aus Lothringen zusammen, die ihm bescheinigten, sich als Kripobeamter in dem besetzen französischen Gebiet nicht verbrecherisch verhalten zu haben, was die Richter des Frankfurter Entnazifizierungsgerichts ihm am Ende auch abnahmen.178 Im Lauf des jahrelangen Entnazifizierungsverfahrens kam es zu immer neuen Komplikationen, für die vor allem die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verantwortlich war. Am 22.  November 1946 schickte die KPD-Landesleitung „Groß-­ Hessen“ ein Schreiben an den „Obersten Kläger“ der Spruchkammer Frankfurt am Main: „Wir haben erfahren, dass der frühere SS-Führer und SD-Führer Kriminalrat Heinrich Friess [der Name ist falsch, aber die Adresse stimmt mit der von Christian Fries überein], Kurfürstenstraße 5 wohnhaft, aus dem Lager Ludwigsburg entlassen worden ist. […] Zur Durchführung der Verhandlung gegen den Betroffenen bitten wir als Belastungs­zeugen vorzuladen: Das Ehepaar Lahm, Kurfürstenstraße 5, den Händler Martin Mook. Über die Tätigkeit des Betroffenen im Jahre 1933 fügen wir Ihnen Abschrift eines Reichgerichtsurteils gegen den Händler Martin Mook zur Kenntnisnahme bei.“

Der Anzeige beigefügt war eine mehrseitige Abschrift eines Gerichtsurteils vom 29. November 1933.179 Dieses Urteil richtete sich 97

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Anzeige der KPD gegen „Heinrich Friess“ – gemeint ist Christian Fries.

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gegen drei Männer, die „in der Nacht vom 9. zum 10. Februar 1933“ in dem unweit von Frankfurt im Landkreis Hanau gelegenen Dorf Dörnigheim an der Vorbereitung einer Zeitungsverteilungsaktion der KPD gegen das NS-Regime teilgenommen hatten. Wenige Tage nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 hatten die drei Männer 5000 Exemplare der Roten Arbeiter-Zeitung per Lkw aus dem Raum Hanau in Richtung Frankfurt am Main transportiert. Die geplante Verteilung wurde von Kripobeamten aus beiden Städten verhindert. Unter den bei dieser Aktion Verhafteten war auch der Händler Martin Mook, der nun nach Kriegsende als KPD-Zeuge gegen Christian Fries aussagen sollte. In dem NS-Urteil gegen die drei Männer wird nämlich auch der Frankfurter „Kriminalassistent Fries“ erwähnt, der als Beifahrer auf einem ­Motorrad gemeinsam mit anderen Polizei­ beamten die Aktion der Kommunisten nach einer wilden Verfolgungsjagd, bei der das Motorrad von dem Lastwagen zeitweise von der Straße gedrängt wurde, maßgeblich unterband. Fries soll sogar Warnschüsse auf die Motorhaube des Lkw abgegeben haben. Mook wurde anschließend „wegen Vorbereitung eines hochver­ räterischen Unternehmens“ zu einem Jahr und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Fries konnte im Entnazifizierungsverfahren nicht bestreiten, an der Aktion gegen die Kommunisten beteiligt gewesen zu sein. Doch dass das Ehepaar Amalia und Albert Lahm gegen ihn aussagte, empörte ihn. Die Lahms waren im Krieg unmittelbare Nachbarn der Eheleute Fries in der Kurfürstenstraße 3–5 in Frankfurt-Bockenheim und bis Kriegsende glühende Anhänger des NSRegimes.180 In seiner umfangreichen Verteidigungsschrift, die Fries am 12. Januar 1947 der Entnazifizierungs-Spruchkammer in Frankfurt am Main vorlegte, ging er zunächst nicht auf Amalia Lahm ein, sondern setzte sich mit Albert Lahm auseinander, 99

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einem Fuhrunternehmer. Der sei, so Fries, „als fanatischer Nazi lange Jahre mein erbittertster politischer Gegner“ gewesen.181 Margot Fries warnte ihren Mann ziemlich schnell vor den neuen Nachbarn, „dass ich mich in Zukunft besser vorsehen sollte hinsichtlich meiner abfälligen Äußerungen gegen Hitler pp., da der neue Hausbewohner Lahm ein böser Nazist sei“.182 Bald nach dem Einzug der Lahms habe sich im Haus herumgesprochen, so Fries, dass „diese eine andere Badewanne verlangt“ hätten, weil in der alten Wanne „Juden gebadet hätten. Man könne ihnen nicht zumuten, diese Badewanne zu benutzen.“183 Fries hielt das Ganze für ein Gerücht, wollte aber nicht ausschließen, dass darüber ein Schriftwechsel mit dem Hausverwalter existiere, den er mit Namen und Adresse als Zeugen benannte. Außerdem benannte Fries fünf Zeugen für die Misshandlung eines jungen niederländischen Zwangsarbeiters namens Bastian, den Albert Lahm während des Krieges beschäftigt hatte. Hier kam dann Amalia Lahm ins Spiel. Bastian, so Fries, „wohnte in der Mansarde unseres Hauses und kam öfters in meine Wohnung, wo er Feindsender mithörte und bewirtet wurde. Er fühlte sich in unserer Wohnung sehr wohl, beschwerte sich jedoch bei uns und anderen Hausbewohnern sehr über die schlechte Behandlung durch die Familie Lahm. Eines Tages erschien dieser junge Holländer und war im Gesicht stark zerschunden und verletzt. Auf die Frage, was ihm passiert sei, erklärte er, dass ihn Frau Lahm so zugerichtet habe. Er brachte zum Ausdruck, dass er Frau Lahm umbringen würde, wenn Hitler kaputt sei.“

Fünf Menschen, so Fries, könnten diesen Vorfall bezeugen, darunter auch „Leo Bettonviel  – holländischer Staatsangehöriger“.184 Bastian sei dann in ein Arbeitserziehungslager gesteckt worden, berichtete Fries weiter: 100

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„Als ich hiervon Kenntnis erhielt, frug ich Herrn Lahm, weshalb Bastian ins Lager gekommen sei und wer ihn dort hingebracht habe. Lahm erklärte mir damals äußerst schroff, dass mich dies nichts anginge, wenn ich es aber doch genau wissen wolle, er habe ihn dort hingebracht. Dabei hat mir Lahm  – anscheinend um mich einzuschüchtern – erklärt, dass er bei der Gestapo in der Lindenstraße einund ausgehe.“185

Gustav Lahm habe im Luftschutzkeller dem Ehepaar Fries angedroht, er werde sie noch ins KZ bringen, so Fries in seiner Aussage vor der Spruchkammer. Noch sechs Wochen vor der Befreiung der Stadt durch die Amerikaner habe Amalia Lahm verkündet, sie werde sich am Maschinengewehr ausbilden lassen, um „noch einige hundert Amerikaner umzulegen. […] Ab dieser Zeit wurde Frau Lahm von allen Hausbewohnern nur noch ‚Flintenmadl‘ genannt.“186 Die Lahms verschwanden jedoch „als einzige Familie des Hauses“ – offenbar ohne Kampfeinsatz am Maschinengewehr –, als die Amerikaner auf Frankfurt am Main vorrückten. Den niederländischen Zwangsarbeiter, der aus dem Arbeitslager wieder zurück nach Frankfurt geschickt worden war, nahmen sie mit. „In der Wohnung ließ Lahm nebst einigen nicht lebenswichtigen ­Möbelstücken zwei größere Bilder zurück, eines davon Hitler, das andere Göring darstellend. Auch eine Büste Hitlers blieb zurück, sowie ein Rundschreiben eines NS-Verbandes aus dem Jahre 1944 mit dem Schlusssatz Alles für den Endsieg. Unterzeichnet war dieses Rundschreiben mit ‚Albert Lahm, 1. Schriftführer‘.“187

Als Zeugen benannte Fries hier unter anderem den Kriminalobersekretär Adam Ganjon. Das Entnazifizierungsgericht folgte letztendlich Fries’ Entgegnungen zu den Vorwürfen der von der KPD gegen ihn aufgebote101

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nen Zeugen. Die Frankfurter Kommunisten sahen das anders und belasteten Fries, wo immer es ging. Führende Sozialdemokraten der Region engagierten sich hingegen für den SPD-Kripobeamten. Knapp zwei Monate nachdem die KPD Fries bei der Frankfurter Spruchkammer angezeigt hatte, schrieb sein einstiger Mitverschwörer, der rheinhessische Sozialdemokrat Jakob Steffan, aus Koblenz, dem vorläufigen Regierungssitz des neu geschaffenen Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Er schrieb in seiner Eigenschaft als Innenminister seinem Kollegen im hessischen Innenministerium, dem Sozialdemokraten Heinrich Zinnkann, der vor dem 20. Juli 1944 einer der Köpfe des Leuschner-Netzwerkes in Darmstadt gewesen war: „Fries hat mit mir in der damaligen Widerstandsbewegung gearbeitet, er ist ein einwandfreier Mann und guter Polizeibeamter.“188 Etwa zur gleichen Zeit gab die Betriebsvertretung der Frankfurter Polizei eine Stellungnahme zu Christian Fries ab: „Er galt zu jeder Zeit als aufrichtiger Republikaner. […] Fries gehörte zu dem engen Kreis derjenigen Polizeibeamten, die regelmäßig ab 1937 bis 1945 Besprechungen abhielten, um den Sturz des Naziregimes herbeizuführen, wozu ein beträchtlicher persönlicher Mut gehörte.“189 Die Spruchkammer kam am 23. Februar 1948 zu dem Urteil, dass die Vorwürfe gegen Fries wahrscheinlich auf Grund „persönlicher Gehässigkeit“ erhoben worden seien, „um vor der Spruchkammer persönliche Spannungen austragen zu können, wofür diese aber in keiner Weise der geeignete Ort sein dürfte“.190 Die Spruchkammer stellte fest: Fries war nie NSDAP-Parteimitglied und ebenfalls nicht Mitglied der SS, was die Frankfurter Spruchund Berufungskammer im Entnazifizierungsverfahren sich auch vom „Berlin-Document-Center“ der US-Amerikaner schriftlich bestätigen ließ.191 102

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Das letzte Verfahren gegen den Widerstandskämpfer Christian Fries wurde schließlich am 23. Februar 1948 eingestellt. Die Spruchkammer bezeichnete seine Verhaftung im Jahr 1945 und die anschließende Internierung als „bedauerlichen Irrtum“ und bescheinigte ihm, ohne jeden Zweifel ein „tatsächlicher Anti­ faschist“ zu sein.192

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Frankfurt am Main, Schillerstraße – Emil Carlebach gegen Christian Fries „Fast ausnahmslos wurden die alliierten Truppen bei der Besetzung größerer deutscher Städte von Delegationen linker Antifaschisten empfangen, die fertige Programme, Kandidaten für die örtliche Verwaltung und Unterstützung bei der Durchführung der Entnazifizierung bereithielten. […] Genannt werden besonders die Städte Hamburg, Bremen, Lübeck, Leipzig, Halle, Hannover, Frankfurt, Mainz, Wiesbaden und Darmstadt.“ Gabriel A. Almond193

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ie Spaltung der deutschen Linken ist seit mehr als 100 Jahren ein Dauerthema. Leiden mussten unter ihr auch die Konspirateure gegen Hitler. Vor allem die verhängnisvolle

Entfremdung zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten wurde unmittelbar nach der Befreiung vom Nationalsozialismus er-

neut zur Belastung bei dem Versuch, aus den Trümmern des Krieges ein demokratisches Deutschland aufzubauen. Exemplarisch ist der Konflikt zwischen der neu gegründeten Frankfurter Rundschau und dem sozialdemokratischen Widerstandskämpfer Christian Fries. Er zeigt, wie der Stalinismus auch in Frankfurt am Main die von Leuschner geforderte Einheit der Linken verhinderte. Bei Kriegsende diente das noch weitgehend intakte LeuschnerNetz im Rhein-Main-Gebiet den amerikanischen Besatzungsoffi104

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zieren als ein Ausgangspunkt zum Aufbau einer neuen, antifaschistischen Elite. Dennoch empfanden die Befreier den Rückgriff auf überlebende Widerstandskämpfer als politisches Wagnis. Lieber wäre ihnen gewesen, wenn die Deutschen nach Kriegsende zwei Jahre Pause von der Politik gemacht hätten.194 Doch die Russen genehmigen bereits am 10. Juni 1945 in ihrer neu errichteten Besatzungszone den Aufbau antifaschistischer Parteien und Verbände, wohl um sich über Gesinnungen und Kräfteverhältnisse Klarheit zu verschaffen, woraufhin es zur Gründung von KPD, SPD, CDU und einer liberalen Partei kam.195 Der ursprüngliche Zeitplan der Amerikaner für die Schaffung demokratischer Strukturen war damit über den Haufen geworfen. Drei Monate später erlaubten sie auch in ihrer Besatzungszone Parteigründungen und erteilten erste Lizenzen für Zeitungen. Es galt das Prinzip der „umfassenden Koalition“. Wo es ging, wurden „die liberal und christlich Firmierenden, die Sozialdemokraten und die Kommunisten“ zur Zusammenarbeit veranlasst.196 Die Idee der Amerikaner, die Antifaschisten der verschiedenen Lager zur engen Kooperation zu verpflichten, stand auch hinter der Gründung der Frankfurter Rundschau am 1. August 1945. Doch der ehemalige KZ-Häftling Eugen Kogon, der zu dieser Zeit auf Bitten der Amerikaner in einer Villa in Bad Homburg an seinem Buch Der SS-Staat arbeitete, warnte die US-Presseoffiziere vor dem jüngsten vorgesehenen Lizenznehmer. Es handelte sich um Emil Carlebach, einen Kommunisten jüdischer Herkunft, der, wie Kogon, Buchenwald überlebt hatte.197 US-Ermittler befragten daraufhin etwa 20 KZHäftlinge, die sich nach Kriegsende immer noch in Buchenwald aufhielten, zu Carlebach. Die Amerikaner kamen zu dem Ergebnis, dass „1. Carlebach, infolge seiner politischen Beziehungen, zu jeder Zeit die Möglichkeit hatte, sich die führenden Positionen in Buchenwald zu

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Emil Carlebach (links), Mitbegründer der Frankfurter Rundschau, Foto aus dem Jahr 1954

verschaffen, und als Block-Senior, während er für sich harte Arbeit vermied, erbarmungslos und brutal wegen der geringsten Belanglosig­ keiten gegen ältere und schwächere Mitgefangene verfuhr. 2. er in eine Reihe von Intrigen gegen Mitgefangene verwickelt und mitschuldig an den Verbrechen war, indem er die Namen seiner Feinde auf sogenannte shipping-out-Listen setzte. Erfahrungsgemäß wurden diese Personen von der SS umgebracht.“198

Dieses Untersuchungsergebnis führte zu Kontroversen im verantwortlichen Team der ICD (Information Control Division) der Amerikaner. Der Name Emil Carlebach wurde zunächst aus der Vorschlagsliste für das Herausgeber-Team der Frankfurter Rundschau 106

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gestrichen, doch setzte sich Cedric Belfrage erfolgreich für Carlebach ein. Im Jahr 2015 enthüllten britische Geheimdienstakten, dass Belfrage offenbar ein Doppelagent war, der während des Zweiten Weltkrieges auch für die Sowjetunion spionierte.199 Der aus Großbritannien stammende Presseoffizier argumentierte, „dass es für Außenstehende, vor allem für Offiziere der amerikanischen Intelligence Branch, beinahe unmöglich sei, Situationen, wie sie sich in Konzentrationslagern ergeben hätten, beurteilen zu können. Fehler, die in der übrigen Welt begangen würden, seien in ihrer Auswirkung und Schwere gänzlich von denen verschieden, die im KZ gemacht würden. Sei also von einer moralischen Schuld des Kandidaten die Rede, so stehe es den Presseoffizieren, also auch den ICD-Angehörigen, nicht an, darüber zu urteilen.“200

Als die erste Ausgabe der Frankfurter Rundschau am Mittwoch, den 1. August 1945, mit dem Hinweis „Veröffentlicht unter Lizenz Nummer 2 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung“ erschien, fungierte Carlebach als Mitherausgeber. Für Christian Fries war die Entscheidung der Amerikaner, Carlebach in den Herausgeberkreis der Frankfurter Rundschau zu berufen, fatal. Denn schon wenige Monate später, am 2. November 1945, bezeichnete die Zeitung mit Billigung Carlebachs den Mann, der im Auftrag Leuschners am 20. Juli 1944 den Sendesaal von Radio Frankfurt und die örtliche Gestapo-Zentrale hatte besetzen sollen, als „Kriegsverbrecher“ und „SS-Häuptling“. Frankfurter KPDFunktionäre und -Mitglieder sahen in Fries fälschlicherweise einen Nazi, und Carlebach verschaffte ihnen mit der neu gegründeten Zeitung eine Plattform, um publizistisch gegen den aktiven Anti­ faschisten vorzugehen. Am 28. August 1945 wird Fries vom US-Geheimdienst CIC festgenommen und in das Gefängnis in Frankfurt-Höchst gebracht. 107

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Fries ist überzeugt: „Es kann sich bei meiner Inhaftierung […] nur um einen Irrtum oder um eine Namensverwechslung handeln, oder aber, ich bin in der gemeinsten Weise denunziert worden.“201 Den Denunziationsverdacht sieht Fries durch mehrere Zeitungsartikel bestätigt, die über ihn im von Carlebach verantworteten Lokalteil der Frankfurter Rundschau erscheinen und ihn als überzeugten Nazi beschreiben. „Es ist geradezu unglaublich, in welch unerhörter Weise meine Ehre und die meiner Familie durch diese verlogenen Zeitungsartikel beschmutzt wurde.“202 Die Artikel, die Fries in der Nachkriegszeit so viel Ärger bereiteten, stammen wohl nicht von Carlebach selbst. So ist einer der Texte mit dem Kürzel „wk“ gezeichnet. Doch die redaktionelle Verantwortung lag bei Carlebach, der sich gleichzeitig beim Wiederaufbau der KPD im Rhein-Main-Gebiet engagierte. Wenige Monate nach dem ersten entlastenden Spruchkammerurteil gegen Fries im Frühjahr 1947 entzogen die Amerikaner Carlebach die Lizenz für die Frankfurter Rundschau. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel kommentierte diesen Vorgang am 6. September 1947: „Carlebachs Anteil an dem von Anfang an radikalen Kurs der Frankfurter Rundschau steht fest. Im bürgerlichen Frankfurt war man entsetzt über die Tendenz der ersten neudeutschen Frankfurter Zeitung, und die amerikanische Press Control sah sich schon sehr bald vor die Notwendigkeit gestellt, einer Gruppe gemäßigterer Männer die Lizenz für die Frankfurter Neue Presse zu erteilen“.203

Carlebach habe sich neben seinen Mitlizenziaten Arno Rudert (KPD) und Karl Gerold (SPD) häufig in der Leitartikelspalte der Rundschau geäußert, „obwohl er in der Redaktion als Chef des Lokalressorts fungierte“. Dabei habe er „scharfe Kritik an den deutschen Behörden und an den Deutschen überhaupt, an Parteien und 108

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deren Exponenten“ geübt und „die deutsche Einheit im Sinne der KPD“ interpretierte, so der Spiegel.204 Fries, der etwa um diese Zeit noch immer in einem US-Internierungslager saß, war davon überzeugt, dass Carlebach und die Frankfurter Rundschau mit ihren Artikeln ihren eigenen, ganz speziellen Beitrag zur Topografie des Leuschner-Netzes geleistet haben.

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Biesheim, Frankreich – Julius „Jules“ Leber „Weite, warme Wiesen voll heftiger Farbe erlösen die eingekerkerten Träume zu bunten Blüten.“ Carlo Mierendorff, Der Gnom205

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ie Grenzgebiete im Westen und Südwesten Deutschlands zählen zu den elementaren Räumen der Topografie des Leuschner-Netzes. Die Landesgrenzen werden überschritten,

um Informationen von den Alliierten zu bekommen oder selbst In-

formationen an Exil-Strukturen weiterzugeben. Aus der Schweiz kommen Widerständler über die „grüne Grenze“ ins nationalsozialistische Deutschland, um den Untergrund zu stärken. Umgekehrt versucht das Netzwerk, Juden in das neutrale Nachbarland zu bringen. Aus den Grenzregionen stammen auch viele Verschwörer gegen Hitler. Das sei kein Zufall gewesen, konstatiert Emil Henk in einer Rundfunksendung des Südwestfunks in den 1950er-Jahren206 zu den Ereignissen des 20. Juli 1944. Gerade viele der Nicht-Militärs, die an der Vorbereitung des Attentats beteiligt waren, stammten aus dem südwestdeutschen Raum. Henk erklärt das mit der besonderen demokratischen Geschichte dieses Grenzgebiets: „Es ist nun eine merkwürdige Tatsache, dass die großen und wagemutigen Männer der politischen Linken fast alle aus diesem Gebiet gekommen sind, die am 20. Juli in Erscheinung getreten sind. Mieren-

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dorff ist allerdings kein geborener Hesse, aber hat hier sein Leben verbracht. Haubach ist Darmstädter und gehört in diesen Bereich. Schwamb hat hier auch sein Leben zugebracht. Ein Mann wie Leber ist ein geborener Elsässer.“

Julius Leber ist in Biesheim geboren, auf der französischen Seite des Oberrheins, nicht weit von Breisach, im Elsass. „In diesem demokratischen Raum sind solche Menschen groß geworden. Die militärische Seite ist allerdings mehr im Norden aktiv gewesen, mit Ausnahme von Stauffenberg, der ebenfalls Württemberger ist.“ Leber, den Henk in der obigen Aufzählung erwähnt, verkörpert idealtypisch die geistige Eigenständigkeit des hier skizzierten „demokratischen Raumes“, des Oberrheingrabens. Leber stammte aus einer franzosenfreundlichen Familie von Bauern, welche die Hegemonie Berlins in der Region nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 nicht besonders schätzten: „Der Großvater war im französischen Elsass vor 1870/71 aufgewachsen und stand der Tatsache, dass das Elsass nun deutsches Reichsland war, wie viele andere Elsässer seiner Generation zwiespältig gegenüber. […] Insbesondere die überhebliche Art, in der Militär und reichsdeutsche Verwaltung im Elsass auftraten, waren ein durchaus ernstzunehmender Grund für eine reservierte Haltung gegenüber dem deutschen Reich.“ 207

Julius Leber, der eigentlich mit seinem ersten Vornamen Hieronymus getauft wurde und damit den Namen seines Großvater Jerome Schubetzer erhielt, wuchs in diese kritische Grundhaltung gegenüber der „preußisch-deutschen“ Verwaltung hinein. Schon als Schüler schloss er sich der programmatisch recht eigenständigen elsässischen SPD an, die „seit 1895 und bis Kriegsende für die elsass-lothringische Autonomie eintrat“.208 Leber studierte zunächst in Straßburg, wo der Gedanke einer weitgehenden Selbstständig111

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Julius „Jules“ Leber, Foto aus der Widerstandszeit 1940

keit der Region ebenfalls gepflegt wurde. Als das Elsass nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg wieder an Frankreich fiel, sprach sich Leber in Zeitungsartikeln dagegen aus, die „preußisch-deutschen“ nun durch gleichartige französische „Gewalt­ methoden“ abzulösen, was erfahrungsgemäß im Elsass noch „nie zu gutem Erfolg geführt“ habe. Er war davon überzeugt, dass das Elsass eine „Brücke“ zwischen Deutschen und Franzosen sein könne, wenn beide Seiten die Besonderheiten der Region Rechnung trügen. Wohl im Lauf des Jahres 1938 brachte Lebers Freund Ludwig „Louis“ Schwamb, der ebenfalls aus dem Südwesten stammte und dessen Wohnung in Berlin-Wilmersdorf Ende der 1930er-Jahre zu einem Treffpunkt von NS-Gegnern wurde, ihn mit Wilhelm Leuschner und Carlo Mierendorff zusammen. Nachdem die Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ um Arvid Harnack 1942 aufgeflogen war, traf sich Julius Leber trotz wachsender Gefahr wiederholt mit 112

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einem weiteren wichtigen Freund – Ernst von Harnack, dem Vetter des verhafteten Arvid. Über ihn stieß Leber 1943 zum Kreisauer Kreis und zur Widerstandsgruppe um Goerdeler. Leber zögerte zunächst, Stauffenberg persönlich zu treffen, „nicht weil er Einwendungen gegen die Person Stauffenbergs hatte, sondern weil er das Risiko einer solchen Begegnung einzuschätzen wusste“.209 Erst Ende 1943 kam es zu einem Treffen zwischen Leber und Stauffenberg, bei dem darüber gesprochen wurde, dass mehreren gescheiterten Attentatsversuchen auf Hitler zur Jahreswende 1944 ein weiterer Versuch folgen sollte. Leber plante in der Folge unter anderem die Pressearbeit für die Zeit nach dem Umsturz. Für ein „Referat für Presse und Propaganda“ war zunächst Carlo Mierendorff vorgesehen, der bereits 1925 als Redakteur des Hessischen Volksfreunds in Darmstadt gearbeitet hatte und Pressereferent des damaligen hessischen Innenministers Leuschner gewesen war. Nach Mierendorffs Tod wurde dessen Freund Theodor Haubach für diesen wichtigen Posten vorgesehen.210 Die Gründung einer Presseagentur und die Übernahme des Rundfunks gehörten ebenfalls zu Lebers Planungen für die Öffentlichkeitsarbeit der neuen Regierung nach einem erfolgreichen Attentat. Zu einem Schicksalsdatum für Leber wurde der 22. Juni 1944. An diesem Tag fand die im Kreis der Verschwörer umstrittene Kontaktaufnahme Lebers mit den Kommunisten statt, die an die Gestapo verraten wurde. Es ging Leber um die Erweiterung der Basis für den geplanten Aufstand gegen das NS-Regime. Weil er Gestapo-Spitzel im Kreise der Kommunisten vermutete, hatte Leuschner vor diesem Treffen gewarnt. Er sollte recht behalten. Bei einem zweiten Treffen am Berliner U-Bahnhof Reichskanzlerplatz wurde Adolf Reichwein am 4. Juli 1944 verhaftet, Julius Leber einen Tag später. Die KPDGesprächspartner fielen ebenfalls der Gestapo in die Hände. Reichwein und Leber wurden wie viele politische Mitverschwörer in 113

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­Berlin-Plötzensee hingerichtet, Franz Jacob und Anton Saefkow am 18. September im Zuchthaus Brandenburg. Der Versuch der Sozialdemokraten in der Aufstandsbewegung, das Bündnis um die Kommunisten zu erweitern, war damit gescheitert. Im Jahr 2004 umriss der Potsdamer Historiker Kurt Finker im Auftrag des damaligen „Sprecherrates der Historischen Kommission beim Parteivorstand der PDS“ die Haltung der deutschen Kommunisten zum 20. Juli 1944.211 Das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) habe die Aktion zunächst begrüßt. Das NKFD veröffentlichte drei Tage nach dem Attentat auf Hitler einen Aufruf an das deutsche Volk und an die Wehrmacht: „Nun sind auch in Deutschland verantwortungsbewusste Generäle zum Sturm gegen Hitler angetreten. […] Jetzt muss der Sturm im ganzen Volk entfacht werden. Alle Waffen der Wehrmacht, alle Kraft im Lande zum Einsatz gegen Hitler und seine Mitverschworenen für die Rettung der Nation.“212 Auch nach der Befreiung verzeichnet Finker in der Sowjetischen Besatzungszone eine „bemerkenswerte“ Resonanz. Mit Ausnahme der Täglichen Rundschau, dem Organ der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland, hätten die ­ großen Ostberliner Tageszeitungen – Deutsche Volkszeitung (KPD), Das Volk (SPD), Neue Zeit (CDU) und Berliner Zeitung – den 20. Juli als „antifaschistische Tat“ gewürdigt. Doch ab 1946 wurde der abwertende Tenor der Täglichen Rundschau maßgebend.213 In der Folge seien in der DDR-Geschichtsschreibung „nicht-kommunistische Antifaschisten an den Rand des Geschichtsbildes“ gerückt worden, so Finker. Er verweist auf eine 1959 in Ostdeutschland veröffentlichte Studie, die der Verschwörung vom 20. Juli 1944 jeden anti­ faschistischen Charakter absprach und sie zu einem Werk reaktionärer Kräfte in Politik, Militär und Wirtschaft erklärte.214 Ludwig Schwamb, der politische Koordinator der LeuschnerKonspiration im Westen, wurde drei Tage nach dem 20. Juli 1944 in 114

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Frankfurt am Main verhaftet und nach Berlin überführt. Am 13. Januar 1945 wurde er vom Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler zum Tode verurteilt und zehn Tage später hingerichtet. Obwohl Schwamb „höchstwahrscheinlich von dem frühen Zeitpunkt des Attentats überrascht wurde und am Tag des 20. Juli nicht aktiv hervortrat, geriet er durch den Fund eines Fernschreibens von ­Generaloberst Hoepner an den Wehrkreis XII Wiesbaden, welches ihn als vorgesehenen Politischen Beauftragten“ offenbarte, schnell ins Visier der Ermittler“.215 Julius Leber schrieb drei Wochen nach seiner Verhaftung an seine Frau Annedore aus dem Zuchthaus Brandenburg und bat um die Zusendung einer Brille. Einen Tag später meldete er sich aus der Sicherheitspolizeischule Drögen bei Fürstenberg: „[…] und behalte lieb deinen Julius.“216 Am 7. August kam ein Lebenszeichen aus dem KZ Ravensbrück. Leber wusste mittlerweile, dass seine Frau seinen ersten Brief aus Brandenburg nie erhalten hatte. Doch hatte er inzwischen Pakete von ihr bekommen, für die er sich herzlich bedankte. Leber bat um Geld, um Zeitungen kaufen zu können, und unterschrieb den Brief mit: „Immer bin ich dein alter treuer Jülie.“ Es folgten einige weitere Briefe aus Ravensbrück, am 25. Oktober 1944 schrieb er jedoch bereits aus Berlin. Am Tag vor seinem 53. Geburtstag – dem 16. November – bedankte er sich für zwei Besuche seiner Frau im Gefängnis. Lebers letzter Brief datiert vom 1. und 2. Januar 1945. „Wenn meine Gedanken Gestalt annehmen könnten! Wie hätten sie euch über die Festtage eingehüllt und eingesponnen, um euch zu wärmen, zu schützen und zu tragen für ein kommendes Leben.“ Der Brief endet mit den Worten: „Empfange einen guten und lieben Gute-Nacht-Kuss von deinem alten Jülie.“217 Drei Tage nach diesem Schreiben, am 5. Januar 1945, starb Julius Leber in Berlin-Plötzensee am Galgen. 115

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Darmstadt, Dieburger Str. 156 – Ludwig Bergsträsser „Ich liebe es, mich zu maskieren, die Frage, welches Gesicht einer Persönlichkeit näherkommt, die Maske oder das ‚wirkliche‘, fasziniert mich.“ Ludwig Bergsträsser, „Die Maske“ 218

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iesen Satz von Giano Lovato, einem Maskenmacher aus Venedig, stellt Ludwig Bergsträsser seinem Essay „Die Maske“ voran. Kein Wunder, dass sich Bergsträsser, der wie Julius

Leber aus dem Elsass stammt, für Maskierungen interessiert. Denn er selbst zeigt in seinem Leben viele Male andere Gesichter. Beson-

ders gern benutzt er Sprachmasken, so auch im Kontext des 20. Juli 1944. „Dr. Pampel“ lautet der freundlich-harmlos klingende Tarnname, den Bergsträsser verwendet, wenn er nach Berlin zu Wilhelm Leuschner fährt.219 Die sprachliche Maskierung des Konspirativen passt zu Fotos von Bergsträsser aus der Zeit nach der Befreiung vom Nationalsozialismus. Sie zeigen einen freundlichen älteren Herrn mit geradezu gütigen Augen. Der Name „Dr. Pampel“ passt allerdings weniger zu einem Ölgemälde von Eberhard Schlotter aus dem Jahr 1947, das sich im Besitz des Staatsarchivs Darmstadt befindet. Es zeigt den Politiker Bergsträsser mit weißem lichtem Haar und einer roten Krawatte über dem hellen Hemd. Er trägt ein dunkles Jackett. Seine linke Hand 116

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hält lässig die Zigarette. Doch der Blick, den Bergsträsser durch seine großen Brillengläser auf den Maler richtet, ist nicht gutmütig, sondern kritisch und taxierend. Es ist ein Blick, der erahnen lässt, dass der Gemalte genau weiß, dass ein Künstler die Macht hat, dem Modell ganz verschiedene Gesichter zu verleihen. Nicht nur Ludwig Bergsträsser wählte eine Namensmaskierung, wenn er im Kreis der Konspirateure des Leuschner-Netzes unterwegs war. So traf „Dr. Pampel“ sich etwa mit einem „Zigarrenmann“, wie Bergsträsser in seinem Kriegstagebuch schreibt.220 Hinter diesem „Zigarrenmann“ steckte der spätere hessische Ministerpräsident Christian Stock, der während der NS-Zeit tatsächlich zeitweise einen Tabakladen in der Darmstädter Grafenstraße betrieb, der wohl als Anlaufstelle für Sozialdemokraten221 und offenbar auch für Mitglieder des Leuschner-Netzwerks wie den Kettenraucher Bergsträsser diente. Was die Nennung von Namen betrifft, geht Bergsträsser in seinen Tagebüchern in der Regel äußerst vorsichtig vor. Klarnamen nennt er nie, er benutzt entweder durchgehend Decknamen oder nennt bisweilen einen Anfangsbuchstaben. Möglicherweise belastende Stellen markiert er häufig mit Auslassungen. Erst nach dem Krieg ergänzt er an diesen Stellen Namen oder Ereignisse handschriftlich. Beispielhaft ist ein Eintrag vom 23. Dezember 1942, in dem Bergsträsser festhält, dass er mit einem Gesinnungsgenossen darüber gesprochen habe, wie nach einem geglückten Staatsstreich die Polizei aufgestellt werden könne. Es sind Gedankenspiele, die Bergsträsser an anderer Stelle auch im Zusammenhang mit Konzepten für die Rückeroberung der politischen Macht anstellt, 222 die er für Leuschner verfasst: „Magerer Freund gestern zu Besuch. Weitgehende Übereinstimmung. M … [handschriftlich am Rand nachgetragen: „Arbeiter“ – möglicher-

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Überlebende „Leuschner-Leute“ des Rhein-Main-Gebiets mit ­führenden Sozialdemokraten während der ersten gemeinsamen Tagung des SPD-Parteivorstands und des Parteiausschusses in Frankfurt am Main am 22.08.1946. V.l.n.r.: Kurt Schumacher, politischer Beauftragter der SPD für die westdeutschen Besatzungszonen, Raymond Vidal, französischer Sozialist, Walter Kolb, Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, Wilhelm Knothe, Frankfurter „Leuschner-Mann“ und 2. Vorsitzender der SPD für die westlichen Besatzungszonen, Heinrich Zinnkann, Darmstädter „LeuschnerMann“ und Innenminister von Groß-Hessen, Paul Jakoby, Vorsitzender der deutschen Soziademokraten in Paris, und Ludwig Bergsträsser, Darmstädter „Leuschner-Mann“ und Regierungspräsident von Darmstadt

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weise meinte Bergsträsser Metallarbeiter] seien nicht kommunistisch, sie wollten nach den jetzigen Erfahrungen keine Diktatur, auch die kommunistische nicht, aber Sozialisierung der Kohle und Eisen, Kriminalpolizei die alte, die grüne in den Büros auch, die Hilfspolizei sei ganz uneinheitlich, gegebenen Falles sei es nötig, Wehrmacht aufzustellen; Führer schnell vorhanden. Auch er sieht den Gegensatz England und Amerika und Russland.“223

Wenige Tage nach dem Gespräch mit dem „mageren Freund“ kam ein „Kaffeelieferant“ zu Besuch: „2.1.43. Besuch des Kaffeelieferanten aus D.; er glaubt, dass es noch lange Jahre dauern werde; kein Ende abzusehen; die Hoffnung, dass in Afrika eine Entscheidung falle, hält er für dahin, da es den Engländern und Amerikanern nicht gelungen sei, Besetzung von Tunis nicht zu verhindern. Er sieht nur die Dinge zu mechanisch.“ Tatsächlich entschieden die Alliierten schon wenige Monate später die Kämpfe in Tunesien für sich. Kaum drei Wochen später findet sich folgender rätselhafter Eintrag in Bergsträssers Tagebuch: „20.1.43. Gestern erzählte mir der Zigarrenhändler, seine Pfeifenfabrik habe ihm geschrieben, dass sie nicht mehr liefern könne, mangels Material und Arbeitskräften. […] Auf der Landesbibliothek dürfen englische, amerikanische und russische Romane nicht mehr ausgeliehen werden. Absolut idiotisch, weil die sie nicht lesen können!“ Ob es in dieser Kommunikation mit dem Widerständler Christian Stock – dem „Zigarrenhändler“ – tatsächlich um Tabak und Pfeifen ging oder ob es sich um Informationen über Leuschners „Fabrik“ in Berlin und den Kurierdienst in Richtung Rhein-Main-Gebiet handelt, ist schwer zu sagen. Wilhelm Leuschner selbst nennt Bergsträsser an anderer Stelle im Tagebuch den „Hauptsächlichen“. Wenn der Kopf der Konspiration nach Darmstadt kam, gab Bergsträsser ihn gegenüber Nachbarn als einen „Briefmarkenfreund“ aus Berlin namens „von Preu119

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schen“ aus.224 Ein Satz aus einem Brief, den Bergsträsser einige Jahre später offenbar an einen Mann schrieb, der ihn für einen Briefmarkenclub gewinnen wollte, verrät, dass der Darmstädter Verschwörer wohl tatsächlich Briefmarkensammler war: „Aber ich habe offen ausgesprochen eine gewisse Abneigung dagegen, es ­vereinsmäßig zu betreiben.“225 Dass Ludwig Bergsträsser Preußen nicht mochte, zeigt möglicherweise bereits die Verwendung des Namens zur Maskierung eines Klarnamens. Doch als Bergsträsser neun Jahre nach Kriegsende die Ereignisse des 20. Juli 1944 in einem Buch zusammenfasst, wird auch die politische Dimension dieser Abneigung deutlich: „Nach der Beseitigung Hitlers durch ein Attentat (Plan vom 20. Juli 1944) sollte zunächst das Militär die Staatsgewalt übernehmen und durch einen Belagerungszustand sichern. Dann sollte eine vorläufige Regierung eingesetzt werden; General Beck als Präsident, Goerdeler als Reichskanzler, Leuschner als Vizekanzler. Die Verwaltung sollte durch militärische Stellen der Wehrkreiskommandos zusammen mit neuen Reichsstatthaltern durchgeführt werden. Für die Neuordnung war von Goerdeler vorgesehen: Einteilung des Reichsgebietes in Länder von etwa 3 bis 5 Millionen Einwohnern, also mit Zerschlagung Preußens […].“226

Die Auflösung Preußens war also explizit ein Ziel des 20. Juli 1944. Dass Bergsträsser dies hervorhebt, hat sicher viel mit seiner Biografie zu tun. Wie Julius Leber stammte auch Bergsträsser aus dem Elsass, aus Altkirch im Sundgau, etwa 30 Kilometer von Basel entfernt. Er besuchte das Gymnasium in Colmar, studierte anschließend Geschichte an deutschen Universitäten, aber auch in Paris. Er promovierte in Heidelberg und saß von 1924 bis 1928 als Abgeordneter der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) im Deutschen Reichstag. Im Jahr 1930 wurde er jedoch 120

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­Mitglied der SPD. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor er seine Dozentenstelle an der Universität Frankfurt am Main. In den folgenden Jahren reiste Bergsträsser immer wieder nach Frankreich, wo er Kontakt zu Gesinnungsgenossen aufnahm. Der Elsässer mit Wohnsitz in Darmstadt hielt Kontakte zu unterschiedlichen Widerstandgruppen im Ausland, übermittelte Nachrichten und Material und traf sich mit politisch engagierten Franzosen so ungeniert, dass ihn die französische Sureté als ­potenziellen Spitzel überwachte. Nachdem die französischen Polizeiberichte nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1940 der deutschen Sicherheitspolizei in die Hände gefallen waren, wurde Bergsträsser Anfang 1942 durch die Darmstädter Gestapo vernommen, die sich allerdings mit seiner Erklärung, er habe sich im Ausland nie „illegal für die SPD oder sonst wie staatsfeindlich betätigt“ zufriedengab. Ein Ermittlungsverfahren wegen „Verdachts der illegalen marxistischen Betätigung und des Landesverrats wurde im Mai 1943 eingestellt“.227 Damit blieb nicht nur „Dr. Pampel“ unentdeckt, auch die die ­Zigarren- und Kaffeemänner oder auch der „Hauptsächliche“, Leuschner nämlich, mit dem Bergsträsser spätestens im Mai 1943 in intensivem Austausch stand, blieben weiter verborgen. Später schreibt Bergsträsser, dass die Maske eine Funktion für das Kollektiv hatte, selbst wenn sie von einem Einzelnen getragen wurde: „Abwehr sucht Schutz. Ursprünglich sucht der Maskenträger Schutz, aber nicht für sich allein, sondern Schutz für die Gemeinschaft, der er angehört und für die er stellvertretend und entpersönlicht die Maske trägt: für Familie, Dorf, Stamm oder Glaubensgemeinschaft.“228 In Frankfurt am Main gehörten der ehemalige Bürgermeister von Bad Vilbel, Kurt Moosdorf, sowie der spätere DGB-Vorsitzende Willi Richter, der in der NS-Zeit als Handelsvertreter arbeitete, zu Berg121

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strässers konspirativen Gesprächspartnern. „Neben der Abwehr der bösen, dienen Masken auch zur Evokation der guten Geister.“229 Ob der Sozialdemokrat Gustav Noske, der in der Novemberrevolution 1918/19 rechtsgerichtete Freikorps gegen aufständische Matrosen und Arbeiter aufmarschieren ließ und 1920 als Reichswehrminister durch einen Generalstreik zum Rücktritt gezwungen wurde, wirklich zu den „guten Geistern“ des 20. Juli 1944 gehört? Noske, der damals in Frankfurt am Main lebte und in die Putschpläne eingeweiht war, zählte jedenfalls zu den Bezugspersonen Bergsträssers und zum konspirativen Leuschner-Netz. Im Jahr 1955 hält Ludwig Bergsträsser fest, dass auch während der NS-Zeit vielerorts lockere sozialdemokratische Strukturen fortbestanden, stellt aber einschränkend fest: „Eine Verbindung nach einem leitenden Punkte hin gab es nicht, wenn es auch dem früheren hessischen Innenminister und letztem Vorsitzenden der Generalkommission der Gewerkschaften Wilhelm Leuschner durch besondere Gunst der Umstände gerade im Krieg gelang, als Lieferant für die Marine größere Bewegungsfreiheit zu bekommen und sie bei vielen Geschäftsreisen auszunutzen, Kontakte teils wieder aufzunehmen, teils neu zu knüpfen. Er hatte persönlich auch enge Verbindungen mit einer großen Zahl von politischen Persönlichkeiten, die, aus anderen Parteien oder aus anderen Kreisen kommend, darauf hinarbeiteten, die nationalsozialistische Regierung zu stürzen. In seinem Fabrikbetrieb in Berlin waren einige solcher Persönlichkeiten tätig, so der christliche Gewerkschaftler, der derzeitige Bundesminister Jakob Kaiser, dem es für die christlichen Gewerkschaften genauso gelungen war, allenthalben gewisse Verbindungen aufrecht zu erhalten oder neu zu schaffen wie Leuschner für die Freien (sozialdemokratischen) Gewerkschaften“.230

Zum Programm der Verschwörer des 20. Juli 1944 gehörte eine „starke und völlig gleichberechtigte Mitarbeit der Arbeiterschaft“ 122

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sowie die „Sozialisierung bestimmter monopolistischer Industrien“, so Bergsträsser. „Es war gewiss kein reaktionäres Programm in dem Sinne, dass es privilegierten Schichten ihre besondere Stellung hätte erhalten wollen.“231 Leuschner sei aber durchaus klar gewesen, dass es gerade von links starke Vorbehalte gegenüber der engen Zusammenarbeit zwischen dem gewerkschaftlich-sozial­ demokratischen Flügel der Umsturzbewegung und den Militärs gab. Er habe diese Probleme jedoch zurückgestellt. Nicht zuletzt, weil Leuschner sich sicher gewesen sei, programmatische Fragen nach einem erfolgreichen Attentat auf Hitler mit Hilfe der Gewerkschaftsmacht zu seinen Gunsten lösen zu können. Wie Emil Henk betont auch Bergsträsser den hohen Organisationsgrad des zivilen Sektors der Verschwörung: „Die Überleitung aus der Naziherrschaft in geordnete Zustände war teilweise bis in die Einzelheiten vorbereitet, die Personen für leitende Stellungen größtenteils bestimmt. Das Urteil, auch wenn das Attentat geglückt wäre, hätte sich die Bewegung gegenüber der nazistischen Organisation nicht durchsetzen können, erscheint nicht gerechtfertigt. Die Basis war wesentlich breiter, als Außenstehende annehmen und übersehen können.“232

Zudem bestanden laut Bergsträsser „zwischen den in das Unternehmen des 20. Juli Eingeweihten und den Widerstandsgruppen, die aus der KPD hervorgegangen waren, vielfach persönliche Verbindungen, die zwar wegen einiger schlechter Erfahrungen – Durchsetzung solcher KP-Gruppen mit Spitzeln – nicht so weit gingen, dass KP-Leute eingeweiht worden wären, aber die im ­gegebenen Falle eine Zusammenarbeit ermöglicht hätten“.233

Die Frage, wie umfangreich die Widerstandsgruppen gewesen seien, könne „noch nicht beantwortet werden“, schreibt Berg­ 123

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strässer 1955, um zu ergänzen: „Nach der persönlichen Erfahrung des Verfassers waren sie zahlenmäßig größer als zumeist angenommen wird.“234 Bergsträsser selbst gibt in seinem Kriegstagebuch immer wieder vorsichtige Hinweise auf weitere Mitglieder der Konspiration. Wer hinter der Sprachmaske „Traisagehkamerad“ steckte, verrät er nach Kriegsende durch einen handschriftlichen Nachtrag wiederum selbst: Heinrich Zinnkann, einer der Leuschner-Vertrauten bei den Vorbereitungen für den 20. Juli 1944 in Darmstadt. „12.2.1943. Um 4 Besuch von … [Handschrift am Rand nachgetragen: Zinnkann]. Später längeres Gespräch mit dem Traisagehkameraden über Zukünftiges. Von ihm aus. Tatsache interessant. Viel klüger als ich dachte und meinen Perspektiven ganz zugänglich.“ Bergsträsser berichtet in seinen Kriegstagebüchern auch immer wieder von weiteren konspirativen Kontakten, die er allerdings sprachlich so gut wie möglich tarnt. Ein „durchreisender Freund“ aus Dortmund schilderte ihm etwa die verheerenden Folgen eines Bombenangriffs auf die Möhnetalsperre im Sauerland. Ein „Textilmann“ kannte sich offenbar gut im Bergischen Land aus: „30.6.43. […] Der Textilmann erwähnte auch, dass in Elberfeld mehrere Fabriken für Fallschirmseide getroffen worden seien, es gäbe jetzt nur noch eine.“ Des Öfteren taucht ein „Geschäftsmann aus Düsseldorf“ auf, der über die politischen Stimmungen in der Montanindustrie berichtete. Da es zur Sprachmasken-Technik der Konspiration gehörte, auch Ortsnamen oft nur leicht zu verändern, ist durchaus möglich, dass es sich bei dem Geschäftsmann aus Düsseldorf um Gustav Kettel aus Essen handelte. Bergsträsser bekam nicht nur regelmäßig Besuch in Darmstadt, er reiste auch selbst viel. Etwa ins Ruhrgebiet: „19.7.43 […] Der Eindruck in Dortmund war niederdrückend, obwohl ich eigentlich 124

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Schlimmeres erwartet hatte, denn wir saßen in einem hübschen Café nahe der Hauptpost und später nochmals mit ‚D M‘ in einem anderen am Bahnhof.“ An den Rand schreibt Bergsträsser später „Mertes“. Paul Hermann Mertes war ein ehemaliger Student Bergsträssers, der eine Zeit lang Geschichte an der Universität Frankfurt lehrte. Nach Kriegsende schreibt Bergsträsser über Mertes: „Ich habe ihn im Sommer 1944 über meine Verbindungen mit Herrn Leuschner und die bevorstehenden Aktionen ins Bild gesetzt und zur Mitarbeit aufgefordert, die er auch zusagte.“235 Im August 1943 bekam Bergsträsser „Besuch aus Westfalen“. Eine durch Punkte gekennzeichnete Leerstelle ergänzt er später mit „Pipenbring aus Westfalen“, der bei „Westfalia Lünen“ arbeitete: „3.8.43 Dienstag […] Er erzählt Interessantes über die Stimmung. Im Zug von Ffm hierher von den Leuten sehr scharfe Anekdoten über Hitler, auch böse Witze erzählt.“236 Wenige Wochen vor dem Attentat auf Hitler reiste Bergsträsser ins Rheinland: „1.7.44. In Bonn unterhalte ich mich mit … [handschriftlich nachgetragen: „französischen Arbeitern, die“] an der elektrischen Bahn beschäftigt sind. Die Schaffnerin kommt nachher zu mir und sagt, die hätten gemeint, ich spräche so gut wie ein Franzose und sei wohl einer. Sie habe ihnen gesagt: Ist er nicht, der sieht ganz deutsch aus. Sie hatte an der Sache Spaß, und es war Freundlichkeit und kein Hass in ihren Reden. […].“

Knapp zwei Wochen später, wenige Tage vor dem Stauffenberg-­ Attentat, traf Bergsträsser in Heidelberg einen späteren Bundespräsidenten: „Reise Heidelberg 12.7.44 Bei H… [handschriftlich: „Heuss“] vorgesprochen. Wie alle temperamentlosen Leute rechnet er noch mit langem Krieg. Das Gespräch war reichlich unerfreulich. Sie sind aus Berlin evakuiert, er schreibt Biographie des Industriellen Bosch.“ Am Tag des Attentats selbst hielt sich Bergsträsser in 125

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Darmstadt auf. Wie viele andere Konspirateure des zivilen Flügels der Umsturzbewegung kannte er das genaue Datum des Anschlags auf Hitler offenbar nicht. Im Leuschner-Netzwerk hatte man wohl eher mit Anfang August 1944 gerechnet. Doch die Ausführung des Attentats war eben ausschließlich Sache der Militärs. Bergsträssers Darmstädter Gesprächspartner, der spätere Oberbürgermeister Ludwig Metzger, bezeugt, man sei noch kurz vor dem Putschversuch in Bergsträssers Wohnung mit Leuschner zusammengetroffen, der sie aufgefordert habe, „im Falle eines Umsturzes zur Mitarbeit bereit zu stehen“. Später schreibt Bergsträsser an Wolfgang Abendroth, er hätte „wenn das Attentat geglückt wäre […], einen leitenden Posten im Reichskulturministerium übernehmen sollen“.237 Bergsträsser war auf dem Wochenmarkt am Darmstädter Schloss unterwegs, als Stauffenberg die Bombe in der Wolfsschanze platzierte: „20.7.44. Auf dem Markt nichts bekommen, da nun alle Marktfrauen verlangen, dass man eingetragen sei. Auf dem Rückweg sah ich in dem Radiogeschäft am Kapellplatz die bezeichnende Schaufensterinschrift: Diese Waren sind verkäuflich. Als ich zum Markt ging, 7.45, warteten schon 12 Menschen bei Kuhns Gärtnerei, viel mehr im Milchladen. Christine bekam bei der Rosenhöhe Gelbe Rüben und Rhabarber.“

Im Tagebucheintrag des nächsten Tages kritisiert Bergsträsser ohne erkennbare Regung lediglich die Ausführung des gescheiterten Attentats und stellt fest: „21.7.44. […] Irmi und anderen Mitgliedern der Familie (Mami) ist es aufgefallen, dass in den Geschäften von dem Attentat gar nicht gesprochen wurde, ganz im Gegensatz zu 1939, wo sich Ablehnung und Entrüstung sehr deutlich äußerten.“ Bergsträsser wertet das als stille Zustimmung zum Attentatsversuch. „26.7.44. Die Stimmen nehmen zu, die behaupten, das Attentat sei erfunden. […]damit eine neue Dolchstoßlegende vorbereitet 126

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werden soll.“ Einige Monate später traf Bergsträsser noch einmal einen seiner Darmstädter Mitverschwörer: „Auf der Reise nach Mainz, Montag d. 1.10.44. […] Auf dem Bahnhof den Zigarrenmann [handschriftlich am Rand: „Stock“] getroffen. […] Er ist wie alle denkenden Menschen entsetzt, dass immer noch mehr zerstört wird, und hat den begreiflichen Wunsch, dass es bald ende.“ Der spätere hessische Ministerpräsident Christian Stock lebte im November 1944 in dem Dorf Seeheim an der Bergstraße südlich von Darmstadt. Bergsträsser hielt den Kontakt: „24.11.44. […] Mein ­Zigarrenhändler in Seeheim erzählte mir, dass er einen kleinen ­Betrieb in seiner Wohnung aufgemacht hat.“ Das Kriegsende erlebte Bergsträsser in Darmstadt: „Montag, 26.3. […] Ich ging um 9 Uhr in die Stadt zur Diesterwegschule, wo mir gesagt wurde, dass Ludwig Metzger eben Bürgermeister geworden ist auf eine sehr seltsame Art. Die Amerikaner fragten den katholischen und den evangelischen Pfarrer, die beide sich als unzuständig erklärten. Aber einer, wohl der evangelische, sagte, dass Metzger mit ihnen reden wolle. Er sagte, er stehe mit Freunden in Verbindung und wolle mit ihnen reden, worauf ihm gesagt wurde, er sei nun zum Bürgermeister bestellt.“

Bergsträsser half seinem sozialdemokratischen Genossen sofort und notierte zwei Tage später: „28.3.45. Wild bewegte Welt.“ Und am 1. April 1945 schrieb er: „Relativ ruhiger Tag. Weniger Anforderungen. Ich habe Gelegenheit, […] noch einen Zusatz zu meinem Fragebogen zu geben, betreffend Affäre Leuschner.“ Zum ersten Mal nennt er im Kriegstagebuch den Klarnamen des „Hauptsächlichen“ oder „Onkels“: Wilhelm Leuschner. Dreieinhalb Jahre später, im Oktober 1948, versuchte Bergsträsser im Ausschuss für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates, ein Widerstandsrecht im neuen Grundgesetz festzuschrei127

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ben. Er argumentierte nicht mit dem 20. Juli 1944, sondern mit dem Kapp-Putsch von 1920. Damals hätten antirepublikanische Putschisten wie Korvettenkapitän Hermann Ehrhardt und Major Waldemar Pabst von „hochpreislichen Gerichten“ zu allem Überfluss noch Pensionen zugesprochen bekommen, so Bergsträsser.238 Der Ausschussvorsitzende hielt dagegen, dass dann „jeder Querulant“ unter Berufung auf die Verfassung dauernd vom Widerstandsrecht sprechen werde, dass aber ein Widerstandrecht nicht unbedingt auch Widerstandsgeist nach sich ziehe: „Wenn wir auf der anderen Seite an den Mannesmut vor Königsthronen denken oder auch vor anderen behördlichen Organen, den wir in jüngster Vergangenheit erlebt haben, so wird wahrscheinlich im großen Durchschnitt aus diesem Widerstandsrecht doch nicht viel Vernünftiges herauswachsen, denn diese Krankheit hat sich nicht geändert.“239 Theodor Heuss wendete sich im Ausschuss direkt an Bergsträsser: „Das können Sie nicht in die Verfassung hinein tun  – haben Sie darüber schon etwas vorgeschlagen?“ Der Vorsitzende las die Formulierung vor, die Bergsträsser vorgesehen hatte: „Jedermann hat das Recht, […] Tyrannei Widerstand zu leisten.“240 Dann müsse man ja zuerst „die Kontrollmächte streichen“, wendete Heuss ein.241 Bei welcher Kontrollmacht er Tyrannei am Werke sah, ließ er offen. Zudem verwies er darauf, dass sich dann „vielleicht sogar Nazis“ auf das Widerstandsrecht in der Verfassung berufen könnten. In der Folge diskutierte der Ausschuss ergebnislos darüber, ob eine Widerstandspflicht von Beamten gegen eine Putschregierung sinnvoller sei. Schließlich wurde im Grundgesetz zunächst kein explizites Widerstandsrecht verankert, wie es etwa die Bremer Landesverfassung in Artikel 19 vorsieht: „Wenn die in der Verfassung festgelegten Menschenrechte durch die öffentliche Gewalt verfassungswidrig an­ getastet werden, ist Widerstand jedermanns Recht und Pflicht.“ Als Bundespräsident legitimierte Heuss später den Widerstand gegen 128

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Hitler als Grenzfall gegenüber einer „verbrecherischen Staatsführung“, die selbst mehrfach eidbrüchig geworden sei und die Gegenseitigkeit eines Treueeides nicht anerkannte. „Hitler war es, der den Widerstand provoziert hat“, so Heuss. Und er verwies auf Hitlers eigene Worte: „Und wenn es nicht etwas Peinliches hätte, Worte aus einem unedlen Munde an die Motive und das Handeln edler Männer heranzubringen  – hier stehen sie: ‚Wenn durch die Hilfsmittel der Regierungs­ gewalt ein Volkstum dem Untergang entgegengeführt wird, dann ist die Rebellion eines jeden Angehörigen eines solchen Volkes nicht nur Recht, sondern Pflicht. Menschenrecht bricht Staatsrecht!‘ Das sind Sätze aus Hitlers eigenem Bekenntnisbuch – ich habe sie vorgetragen, um jenen Gefolgsleuten des Mannes, die in der Verfremdung des 20. Juli ein Stück der inneren Selbsterhaltung gefunden zu haben glauben, mit den Argumenten ihres Heros entgegenzutreten.“242

Ludwig Bergsträsser hatte für seinen Vorschlag Entwürfe der Vereinten Nationen für die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ herangezogen. Der Grundrechtskatalog, den Bergsträsser in seiner Rolle als Berichterstatter für den Ausschuss vorlegte, nimmt insgesamt 18 Mal Bezug auf das damals noch nicht verabschiedete UN-Dokument.243 Am 10. Dezember 1948 wurde die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ in einer Resolution der UN-Generalversammlung verabschiedet. In der Präambel enthält sie das Widerstandsrecht als „letztes Mittel“, „da es notwendig ist, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechtes zu schützen, damit der Mensch nicht gezwungen wird, als letztes Mittel zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung zu greifen“.244

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Guntersblum, Julianenstraße 19 – Ernst Huhn „Wie sprichst du mit mir? Ich hatte doch Angst, nur Angst.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen 245

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ange Zeit erzählt Erika Lichtenstein ihren Kindern nichts von den „Alpträumen“.246 Von den drückenden Erinnerungen an

das, was sie zwischen 1939 und 1945 erlebt hat. Als Kind einer

Jüdin und eines nichtjüdischen Vaters im rheinhessischen Dorf Guntersblum. Als Tochter der einzigen Jüdin, welche die NS-Herrschaft in ihrem Heimatort überlebte. Als Kind eines Landarztes, um den sie sich sorgte, weil sie mitbekam, dass er gegenüber seinen Patienten seine Abneigung gegen den Nationalsozialismus nicht immer verschwieg. Und von dem sie spätestes als Zwölfjährige in den letzten Monaten des Krieges erfuhr, dass die Gruppe des Leuschner-Widerstandsnetzes in Rheinhessen, welcher der Vater angehörte, bewaffnet war. Erika Lichtenstein lebt seit Jahrzehnten in den USA, doch im Rentenalter erreicht sie es insbesondere mit einer Tonbandaufzeichnung, dass man sich in Guntersblum an ihren Vater Ernst Huhn erinnert und ihm schließlich im Jahr 2006 eine Straße widmet  – beinahe 70 Jahre nach den Ereignissen, die seine Tochter ­eindrucksvoll schildert. Ende der 1930er-Jahre wurde Erika eingeschult. „Die ersten zwei Jahre waren erinnerungsmäßig ziemlich 130

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komplikationslos“, spricht sie Jahrzehnte später auf Band. Auch die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 erlebte sie persönlich als Kind noch nicht als allzu bedrohlich. Es sei nur eine Nacht gewesen, in der sie „durch verschlossene Türen Gemurmel hörte über Kristallnacht und man hätte bei Onkel Eugen und Tante Johanna Wolf alles zerschlagen“. Erika erfuhr, dass auch andere jüdische Familien in dieser Nacht ihr Hab und Gut durch den nationalsozialistischen Mob verloren. Die Familie versuchte, Erika zu beruhigen: „Die Chance, dass sie noch zu uns kommen könnten, bestehe zwar, aber dadurch, dass mein Vater als Arzt sehr beliebt sei, wären sie gering.“ Erst mit Ausbruch des Krieges 1939 hätten für sie persönlich Angst und Sorgen begonnen, so Erika Lichtenstein: „Besondere Angst hatte ich vor einem älteren Mädel, ich möchte den Namen nicht nennen, die, wenn immer sie mich auf der Straße sah, mich mit antisemitischen Namen beschimpfte. Niemals erzählte ich diese Episoden zuhause, da ich meine Eltern schonen wollte (…). Ich bin überzeugt davon, dass diese Frau weiß, wer sie ist und was sie mir jahrelang angetan hat.“

Ihre bis dahin recht sorgenfreie Kindheit endete mit einem Schlag im September 1939: „Ich wurde aufgeklärt von meinen Eltern, dass ich ein Mischling ersten Grades sei und dass dies für die Nazis ein Grund sei, uns jederzeit zu verhaften und in ein Konzentrationslager zu stecken.“ Jede Uniform sei für sie eine Gefahr gewesen: „Es löste bei mir panische Angst aus, sobald ich nur jemanden in Uniform sah.“ Sie habe gewusst, dass „die Todesstrafe darauf stand“, ausländische Sender zu hören, und sei immer in Sorge um die Eltern gewesen, die „regelmäßig jeden Abend leise am Radio einstellten“, um einen Sender der Alliierten zu hören: „Manchmal durfte ich auch zuhören und besonders dem Ende des Krieges zu, wo wir 131

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auf den Einmarsch der Alliierten sehnsüchtig warteten, wurde mir versprochen, dass wir auch mal ein normales Leben führen würden.“ Erika erfuhr jedoch zwischenzeitlich, dass die Guntersblumer Familie Wolf, die mit der Familie Huhn verwandt war, in das „Ghetto in Frankfurt am Main“ geschickt worden war: „Wir besuchten sie noch einmal, dann wurden sie verhaftet und kamen in ein Konzentrationslager und wurden vergast. Meine Cousine Marianne schenkte mir noch ihren Puppenwagen und ich versprach ihr, wenn sie wieder nach Hause kommen würde, dann gäbe ich ihn zurück. Wir sagten uns Auf Wiedersehen, aber unsere Eltern wussten es besser.“247

Erika Lichtenstein dürfte sieben oder acht Jahre alt gewesen sein, als sie den Puppenwagen geschenkt bekam, bevor Marianne mit ihren Eltern ins weißrussische Ghetto Minsk deportiert wurde. Zwischen dem 11. November und dem 5. Dezember 1941 trafen sieben Züge aus Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Berlin, Brünn, Bremen und Wien in Minsk ein. Bis Oktober 1943 wurden nahezu alle der ursprünglich 70 000 Bewohner des Minsker Ghettos von den Nationalsozialisten ermordet.248 Erika Lichtenstein: „In dieser Zeit wurden alle jüdischen Guntersblumer, die nicht mehr auswandern konnten, aus verschiedenen Gründen verhaftet und in die verschiedenen KZs abtransportiert. Es waren zum Teil Freunde und auch Bekannte, viele waren Patienten meines Vaters.“ Als Erika zehn Jahre alt war, wechselten viele Freunde aus der Guntersblumer Volksschule nach Oppenheim aufs Gymnasium: „Da ich aber ein Mischling war, war das verboten. Fräulein Klara Köhler, meine Lehrerin, kam zu meinen Eltern und warnte sie, dass sie am nächsten Tag öffentlich fragen muss, wer zum Gymnasium nach Oppenheim geht, und meine Eltern sollten mir sagen, dass ich 132

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mich nicht vom Sitz erheben sollte mit denjenigen, die gehen.“ Doch Erika folgte dem Rat der wohlmeinenden Lehrerin nicht: „Als aber der Tag kam, war ich so beschämt, dass ich doch aufstand. Ich kam schluchzend nach Hause und sagte meiner Mutter, dass ich gegen ihre Anweisung handelte, aber sie beruhigte mich und sagte, wir würden uns schon eine Ausrede einfallen lassen. Als die Freunde dann die Volksschule verließen, blieb ich jeden Tag zuhause, auf Rat von Fräulein Köhler. Natürlich, die Kinder verschrien mich als dumm, und nachdem sich das nach einigen Tagen wiederholte, erklärte Fräulein Köhler, dass ich absolut nicht dumm sei, sondern dass meine Eltern sich entschieden hätten, mich nach dem Krieg auf eine Privatschule in die Schweiz zu schicken.“

Auch zum BDM (Bund Deutscher Mädel) durfte Erika Huhn ihren gleichaltrigen Freundinnen aufgrund der NS-Rassengesetze nicht folgen: „Auch die Erklärung von Mutti, dass das in Wirklichkeit keine moralische Organisation sei, weil sie mit Nazis zu tun hatte, fiel nicht auf sehr fruchtbaren Boden.“ Sie habe sich als „unwertiges“ Kind gefühlt und sehr gelitten. Trotzdem sei sie von den meisten Schulfreundinnen weiterhin zu deren Geburtstagen eingeladen worden: „Nur eine Familie zeigte es mir sehr klar, dass sie mich nicht mehr für gesellschaftsfähig hielt, und so wurde ich nicht mehr zum Geburtstag ihrer Tochter eingeladen. Diese Tochter traf ich dann einmal im Jahr auf der Geburtstagsfeier einer anderen Freundin, und sie beachtete die Anordnung ihrer Eltern ganz genau, sie ignorierte mich hoheitsvoll.“ Erika lebte fortan in der ständigen Angst, ihren Vater, „der seinen Mund nicht halten konnte“, zu verlieren. Dass ihre Mutter, „die verpflichtet war, ihren Davidstern zu tragen, sich weigerte, dieses zu tun“, vergrößerte ihre Ängste: „Wir wurden immer durch gute Freunde und Patienten gewarnt, wann die Gestapo kam oder kom133

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men könnte, und verschwanden dann bei Freunden.“ Zu denen gehörte ab 1942 offenbar auch ein Mediziner im rheinhessischen Mommenheim: „Es gab auch einige wenige, die diesem mörderischen Antisemitismus mutig widerstanden. So hielt der wegen ­seiner Hilfsbereitschaft sehr beliebte Landarzt Dr. Fröhlich die ­jüdische Frau seines Guntersblumer Kollegen Dr. Huhn ab 1942 in seinem Haus versteckt. Obwohl Einzelnen dies bekannt war, ist es nie angezeigt worden.“249 Der soziale Druck, den das Regime auf Erikas Vater ausübte, war enorm: „Mein Vater bekam den Befehl, sich von meiner Mutter scheiden zu lassen, damit er seine Praxis behalten könnte, was er natürlich resolut ablehnte. Die Patienten bekamen ans Herz gelegt, zu anderen Ärzten in die Nachbarorte zu gehen, was aber wenig Erfolg zeigte, da 99 Prozent ihrem Dr. Huhn treu blieben.“ Die Treue der Patienten, aber sicher auch das Widerstandsnetzwerk, dem Ernst Huhn angehörte, gaben ihm die Kraft, mit seiner jüdischen Ehefrau und der „Mischlingstochter“ in Rheinhessen zu bleiben. Lebensrettend für seine Familie war dabei insbesondere der enge Draht Huhns zu Jakob Steffan in Mainz. Steffan hatte von Wilhelm Leuschner den Auftrag, in der Region zwischen Wies­ baden und Heidelberg tragfähige Strukturen für den Übergang zu einem post-nationalsozialistischen Gemeinwesen zu organisieren, sollte das Attentat auf Hitler erfolgreich sein. Der „Sozialist“ Huhn war der auserkorene „Stützpunktleiter“250 des Netzwerks. Rund drei Monate vor Kriegsende bekam Huhn offenbar von Jakob Steffan über dessen Gestapo-Kontakte in Mainz den Hinweis, dass die Verhaftung seiner Frau und seiner Tochter kurz bevorstehe. Erika Lichtenstein erinnert sich: „Pläne, von denen ich keine Ahnung hatte, wurden für uns gemacht. Ich lag mit hohem Fieber mit einer Grippe im Bett, als mein Vater zu

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mir kam und mir erklärte, dass ich mit Mutti nun auf der Stelle – es war zehn Uhr nachts  – in ein Versteck bei guten Freunden verschwinden müsste. Ich wehrte mich natürlich mit aller Kraft dagegen und erklärte ihm, dass ich doch zu krank sei, um mitten in der Nacht eine solche Reise zu machen. Daraufhin sagte er mir, dass die Gestapo auf dem Weg zu unserem Haus sei, und wir hätten nicht mehr viel Zeit. Meine Angst war jetzt: Was passiert mit ihm und unserer Haushälterin Emma, die meine zweite Mutter war, und meinen geliebten Hunden? Er versicherte mir, dass drei gute Freunde, Onkel Erwin Schmitt, der damalige Apotheker, Onkel Emil Schmitt vom Schlossgut Schmitt und Dr. Josef Hündgen mit gezückten Revolvern vor unserem Haus stünden, und jeden, der nur einen Finger an irgendeinen in unserem Haus legen würde, würden sie auf der Stelle erschießen.“251

Dass Huhn seiner inzwischen zwölfjährigen Tochter die Klarnamen bewaffneter Mitglieder der Widerstandsgruppe mitteilte, verstieß gegen jede konspirative Regel des Leuschner-Netzwerks und ist sicher nur mit der enormen Drucksituation in jener dramatischen Nacht zu erklären. Doch der Fehler hatte keine Folgen, denn die Gestapo bekam Erika nicht mehr in die Finger: „So fuhren meine Mutter und ich mit meinem Vater zu der Familie Dr. Wilhelm Fröhlich in Mommenheim. Mitten in der Nacht mit der Ungewissheit für meine Eltern, ob wir uns jemals wiedersehen würden. Für die Familie Fröhlich war unser Kommen ein enormes Risiko, denn auf das Verstecken von Juden und Mischlingen stand die Todesstrafe. Wir kamen nach Mitternacht an, Mutti und Tante Änni legten mich in ein Einzelbett, in dem Mutti und ich dann drei Monate zusammen schliefen. Es war das Zimmer der Schwester von Frau Fröhlich, die es an uns abgab und zu ihrer Cousine einige Häuser weit weg zog. Am nächsten Tag wurde ich instruiert, dass wir unter einem anderen Namen als ausgebombte Cousine und Tochter bei Fröhlichs wohnen, bis wir eine andere Unterkunft gefunden hätten. Ich durfte nur in der Nacht mal an die frische Luft in den Garten gehen. Am Tage mussten wir uns ruhig

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verhalten, damit die Patienten nichts merkten. Wenigstens hatte ich einen Spielkameraden in ihrem Sohn, der obwohl er älter war, sich rührend um mich kümmerte. In den drei Monaten sah ich meinen Vater nur zweimal, da die Gefahr bestand, er würde beobachtet werden und dadurch unser Leben und das unserer Freunde auf dem Spiel stand.“

Erika Lichtenstein erinnert sich an eine dramatische Situation, in der ein Gestapo-Mann sich ihrem Vater offenbarte, weil er den Auftrag hatte, noch kurz vor der Befreiung gegen die Familie Huhn vorzu­gehen: „Der Mann von der Gestapo, der den Befehl bekam, uns noch im letzten Moment zu erschießen, kam mitten in der Nacht zu meinem Vater und bat ihn um Hilfe. Mein Vater brach ihm ohne Narkose den Daumen und Zeigefinger mit einem Klinkerstein, damit es authentisch aussah. Außerdem setzte er sich für diesen Mann ein, als die Gerichtsverfahren nach dem Krieg anfingen, die Nazis zu bestrafen. Dieser junge Mann wurde noch im letzten Moment des Krieges dazu gezwungen, der Gestapo beizutreten, um die Mischehen aufzuspüren und alle Beteiligten zu erschießen. Das konnte er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren und kam in dieser Nacht zu meinem Vater.“

Erika und ihre Mutter blieben bis zur Ankunft der US-Truppen in ihrem Mommenheimer Versteck unentdeckt. Der US-Major, der die beiden schließlich befreite, erzählte Bertel Huhn, sie sei die „erste jüdische Person, die er aufgefunden habe“. Mit einem Jeep jagten Mutter und Tochter durch einen immer noch gefährlichen Frontabschnitt zurück nach Guntersblum. Als sie den Vater lebend wiedersahen, habe sie zum ersten Mal drei Männer gleichzeitig weinen sehen: den Vater, den US-Major und dessen Fahrer, erinnert sich Erika. Später erfuhr sie, dass ihr Vater noch in den letzten Kriegs­ 136

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tagen Kopf und Kragen riskiert hatte, um weitere Schäden von den Guntersblumern abzuwenden. Das Leuschner-Netzwerk in Rheinhessen war nach dem gescheiterten Attentat des 20. Juli 1944 in der linksrheinischen Region weiter intakt geblieben, wie der spätere rheinland-pfälzische Innenminister Jakob Steffan nach dem Krieg berichtete: „Wir haben auch nach dem misslungenen Attentat weiterhin an der Aufrechterhaltung der einmal geschlossenen Gemeinschaft gearbeitet, sodass es uns möglich war, beim Einrücken der Besatzungsmächte die Panzersperren nicht mehr geschlossen zu sehen. Ich habe zum Beispiel hier in Rheinhessen mit einem Hauptmann, der als Kommandeur des Volkssturms im Kreis Alzey eingesetzt war, die Vereinbarung getroffen, dass er seinen sämtlichen Kameraden, die eben die Kommandostellen innehatten, den Auftrag gab, die Panzersperren nicht zu schließen, um die Zerstörung von Städten und Dörfern auch noch in der letzten Sekunde zu verhindern. Und das ist uns hier hundert­ prozentig gelungen.“252

Einer derjenigen, die dafür sorgten, dass die Absprache Steffans mit dem Volkssturm-Kommandeur auch in Guntersblum umgesetzt wurde, war Ernst Huhn. Ihr Vater sei kurz vor der Ankunft der US-Panzer zum Volkssturm gegangen, habe den Männern den „Befehl“ gegeben, „nach Hause zu gehen und den Amerikanern ein gutes Glas Wein zu servieren“, erinnert sich Erika. Die „älteren Männer“ des Volkssturms hätten gehorcht und seien tatsächlich nach Hause gegangen.253 Gegen 14 Uhr rollten dann die amerikanischen Panzer ungehindert von Westen und Süden in Guntersblum ein. Einige Dorfbewohner hatten die Panzersperren zuvor selbst zerstört. Mit weißem Stoff signalisierten sie den US-Soldaten, dass sie nicht mehr kämpfen würden. Die Zerstörung blieb aus  – auch dank Ernst Huhn. 137

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Seeheim-Jugenheim, Albert-SchweitzerStraße – Christian Stock „Ich bin ein Arbeitersohn. Geboren am 28.8.1884 in Darmstadt und wie meine Eltern katholischer Religion. Mein Vater, von Beruf Cigarrenmacher, stammt aus Bad Orb aus einer Kleinbauernfamilie, die Mutter aus Kenzingen in Oberbaden und deren Vorfahren – Handwerksleute – infolge des wechselnden politischen Schicksals von Elsass – bald Französisch oder Deutsch – zum Teil aus Frankreich. Die Jugend war nicht allzu sehr umstrahlt von Glück.“

Christian Stock254

M

it diesen Sätzen beginnt ein proletarischer Lebenslauf im Südwesten, verfasst von Christian Stock am 2. September 1945 in seinem Haus in Seeheim/Bergstraße – einem Orts-

teil des heutigen Seeheim-Jugenheim. Stock ist zu diesem Zeitpunkt Präsident der Landesversicherungsanstalt Hessen. Wenige Tage zuvor hat er seinen 61. Geburtstag gefeiert. Während des Krieges diente sein Darmstädter Tabakladen zeitweise als Anlaufstelle für die Konspirateure des Leuschner-Netzwerkes.255 Stocks Tarnname lautete schlicht „Zigarrenmann“. Nach dem Scheitern des Attentats vom 20. Juli 1944 blieb der ­Tabakhändler unentdeckt und startete nach der Befreiung vom ­Nationalsozialismus eine bemerkenswerte politische Karriere. Am 138

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20. Dezember 1946 übernahm der Arbeitersohn das Amt des ersten gewählten Ministerpräsidenten im neu gegründeten Bundesland Hessen. Ein spätes öffentliches Glück nach einem bisherigen Leben mit vielen sozialen Hindernissen. Stocks Mutter „starb bereits in meinem 6. Lebensjahre“. Der alleinerziehende Vater musste auf der ständigen Suche nach Arbeit des Öfteren den Wohnort wechseln, sodass Christian Stock immer wieder andere Schulen in Südhessen besuchte, was sich auf seine schulischen Leistungen nicht gerade positiv auswirkte. Nach acht Jahren Volksschule wurde er 1898 entlassen und erlernte den „Beruf des Vaters“, das „Zigarrenmacherhandwerk“. Parallel zur Arbeit in der Fabrik absolvierte Christian Stock einen dreijährigen Lehrgang an einer „Fortbildungsschule“ in Darmstadt – offenbar gemeinsam mit Studierenden der örtlichen Technischen Hochschule: „Die studentischen Unterrichtskurse in Darmstadt waren eine wertvolle Ergänzung des vorhandenen Wissens, und ich bin dem Schöpfer für die Eingebung der Idee, diese Kurse – die freiwillig waren – zu besuchen, noch heute dankbar.“ Im Jahr 1910 wurde Stock mit 26 Jahren für die Berufs­ gewerkschaft der Tabakarbeiter zum „besoldeten Bezirksleiter für Südhessen, Pfalz und Nordbaden mit Sitz in Heidelberg bestimmt“. Drei Jahre lang arbeitete er in dieser Funktion und engagierte sich außerdem in der SPD. Heidelberg wurde für zwei Jahrzehnte die Heimat seiner Familie. Stock war seit 1908 mit der zwei Jahre älteren Fabrikarbeiterin Katharina Kern verheiratet, der Tochter eines Schuhmachers.256 Im Ersten Weltkrieg diente Stock drei Jahre als Soldat und gehörte später zu denjenigen, die sich in der Heidelberger Kommunalpolitik um den Aufbau der Republik bemühten. Noch vor Kriegsende war er im Sommer 1918 Mitbegründer der „Baugenossenschaft Neu Heidelberg“. Man wollte etwas gegen die katastrophale 139

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Foto der Belegschaft im Hof der Zigarrenfabrik Max Freund AG in Pfungstadt mit mehreren Mitgliedern der Familie Stock. ArchivBildunterschrift: „Letzte Reihe 5. v.l.: Christian Stock (1884–1967) / 4. Reihe 10. v.l.: Schwester Käthe Stock / 2. Reihe 12. v.l.: Vater Jakob Stock (sitzend) / 1. Reihe 3. v.l.: Bruder Jakob Stock“

Lage auf dem Wohnungsmarkt tun, die sich durch die von der Front zurückkehrenden Soldaten noch verschärfte. „Zur Gründungsversammlung des Badischen Baubundes entsandte die Ortskrankenkasse Heidelberg den damaligen Arbeitersekretär Christian Stock. Er rief danach einen Kreis von Freunden der baugenossenschaftlichen Idee zusammen, um die Neugründung einer gemeinnützigen Baugenossenschaft in Heidelberg zu erörtern. Hierbei wurde beschlossen, eine gemeinnützige Baugenossenschaft zu gründen, die den sozialen und kulturellen Verhältnissen der minderbemittelten Bevölkerung Rechnung trage. Zur Verwirklichung dieser Idee

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wurde unter Vorsitz von Christian Stock ein Ausschuss gewählt, dem Persönlichkeiten verschiedener Institutionen und Bevölkerungskreise angehörten.“257

Am 16. Juli 1918 wurde die Bau-Kooperative ins Genossenschaftsregister eingetragen und nahm mit 69 Mitgliedern ihre Arbeit auf: „Als wichtigste Aufgabe betrachtete man den Bau einer halbländlichen Kleinsiedlung in der Umgebung Heidelbergs. Mit finanzieller Unterstützung der Stadt Heidelberg sowie deren Hilfe bei der Grundstücksbeschaffung konnte man bereits im Jahr 1919 mit dem Bau von 103 Wohnungen im Gewann Pfaffengrund beginnen. Nach einem Plan von Oberbaurat Schmieder entstand die heute unter Denkmalschutz ­stehende Siedlung Pfaffengrund.“258

Bereits im „Pfaffengrund“ wurde deutlich, dass Christian Stock ein Faible für die Gartenstadt-Idee hatte. Dass er nicht in die Mainmetropole übersiedelte, sondern ein Haus mit Garten an der Südhessischen Bergstraße bezog, als er in der Endphase der Weimarer Republik die Leitung der AOK in Frankfurt am Main übernahm, resultierte auch aus seiner frühen Auseinandersetzung mit der Gartenstadt-Bewegung. Als Stock dann im Oktober 1948 in seiner neuen Rolle als Hessens Ministerpräsident eine große Landwirtschaftsausstellung in Frankfurt am Main eröffnete, betonte er die „Notwendigkeit einer innigen Verbindung zwischen Stadt und Land“.259 Er war inzwischen zum zweiten Mal verheiratet, seine vier Söhne aus erster Ehe waren bereits alle tot, zwei von ihnen im Zweiten Weltkrieg gefallen. Die von Stock geförderte Verbindung von Stadt und Land sym­ bolisierte an seinem Wohnort auch das „Schuldorf Bergstraße“, dessen zehnjähriges Jubiläum er wohl aus Überzeugung mitfeierte. Als Ministerpräsident engagierte er sich in der „Vereinigung der 141

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Freunde des Schuldorfes Bergstraße e.V.“ für das Schulprojekt als eines der „jüngsten Kinder“ moderner Pädagogik „in landschaftlich reizvoller Lage“. Als eine Art frühe Gesamtschule bekam das Schuldorf vom Land Hessen 1954 expliziert den Auftrag, „neue Wege der Organisation des Unterrichts zu erfinden und zu erproben“.260 Das zehnjährige Bestehen des Reformschulprojekts erlebte Stock genau an dem Ort, wo er 1933 von den Nationalsozialisten verhaftet worden war. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte man ihn in das Konzentrationslager Kislau bei Bruchsal gesperrt und dort acht Monate – bis März 1934 – festgehalten. „Im Jahre 1937 gründete ich dann ein Tabakwarengeschäft, welches aber erst 1939 zu nennenswerten Gewinnerträgen aufstieg, um dann wieder durch Warenverknappung, hervorgerufen durch den Krieg, im Ertrag herabzusinken“, schreibt Stock nach dem Krieg in seinem Lebenslauf. Das Geschäft in Darmstadt wurde zeitweise zum Anlaufpunkt für die Leuschner-Konspirateure in Südhessen. Im Jahr 1943 nahm Stock jedoch eine Stelle in einer Betriebskrankenkasse in Frankfurt am Main an. Unmittelbar nach dem Einmarsch der Amerikaner in Südhessen ernannte Ludwig Bergsträsser, einer der Mitverschwörer des 20. Juli 1944, Stock zum Leiter der Landesversicherungsanstalt der provisorischen „deutschen Regierung für die Provinz Starkenburg“ in Südhessen, zu deren Regierungschef die Amerikaner Bergsträsser bestimmt hatten. Bei den ersten Nachkriegs-Gemeinderatswahlen in seinem Heimatort Seeheim ließ Stock sich in das neu geschaffene Lokalparlament wählen. Gleichzeitig wirkte er auf dem Gebiet der Sozialpolitik für die SPD an der Ausarbeitung einer neuen hessischen Landesverfassung mit, zum zweiten Mal nach 1919.261 Im Jahr 1919 war Stock für die Heidelberger SPD „in die Deutsche Nationalversammlung nach Weimar gewählt“ worden. Dort habe er mitgeholfen, die „Weimarer Verfassung“ zu schaffen. „Nach der 142

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Niederschlagung des Kappputsches im März 1920 beauftragte mich Reichspräsident Ebert mit der Leitung des Untersuchungsausschusses innerhalb der Reichswehr, welches Amt ich als Staatssekretär führte“, heißt es in Stocks Lebenslauf. Am Ende seines Lebens konnte der Sohn eines Zigarrenarbeiters auf eine bewegte politische Biografie zurückblicken. Zweimal hatte er an zentraler Stelle am Aufbau einer Republik mitgewirkt und Schlüsselfunktionen in Regierungen übernommen. Er hatte als ­Soldat den Ersten Weltkrieg überlebt und später das Konzentra­ tionslager und die Teilnahme an der Konspiration im Vorfeld des 20.  Juli 1944. Er war maßgeblich an der Gründung einer Gartenstadt und eines ­Reform-Schuldorfes beteiligt und brachte Hessen nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft als Ministerpräsident mit auf die richtige politische Spur. Ein erfülltes Leben nach einer Kindheit, die „nicht allzu sehr umstrahlt von Glück“ gewesen war.

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Bensheim, Erdloch im Baßmannpark – Weber, Como und Steffan „Kirchen aber gehen nicht ohne weiteres in die Illegalität. Es war daher ein ungeheurer Entschluß, als sich leitende Männer des Katholizismus in die Verschwörung einreihten und bereit waren, für ihre Kirche den Sturz des Nationalsozialismus mit vorzubereiten.“

Emil Henk262

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er Parkplatz des Waldfriedhofs in der hessischen 40 000-Einwohner-Stadt Bensheim an der Bergstraße an einem heißen

Nachmittag Anfang August 2018: Durch eine Tür im Draht-

zaun neben der Friedhofskapelle geht es nicht auf das Friedhofs­ areal, sondern in ein östlich angrenzendes Wäldchen. Nach wenigen Metern Fußweg auf einem schmalen Pfad öffnet sich der Wald. Eine Wiese zieht sich einige hundert Meter einen Hang hinauf. Oben wird die großzügige Lichtung durch eine Holzhütte und eine kleine, künstlich angelegte Felsengrotte begrenzt. Anderthalb Stunden lang geht es auf schmalen Waldwegen durch das bezaubernde Areal mit zahlreichen grandiosen Aussichtspunkten. Das Ganze trägt zwar den Namen „Baßmannpark“, ist aber schon seit Jahrzehnten kaum mehr als der ursprünglich angelegte Landschaftspark zu erkennen.263 Aufzeichnungen und Pläne zur Geschichte des Parks, die möglicherweise schon im 17.  Jahrhundert beginnt, besitzt das Benshei144

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mer Stadtarchiv nicht. Mündlich überliefert ist in der Stadt die Geschichte eines Matthes Baßmann, ein „Handelsmann“ oder auch „Förster“ aus dem 17. Jahrhundert. Er wird zum Namensgeber der Anlage mit ihren Platanen, Mammut- und Lebensbäumen, den heute oft überwucherten Terrassen, Brunnen oder Stützmauern. Konkrete Hinweise auf eine Umgestaltung des Geländes datieren aus der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Damals errichtete „Metzendorf, als Baumeister der Bergstraße bekannt“, 264 im Park einige Bauwerke wie eine Steinbrücke und einen Aussichtsturm, die den Stil eines englischen Landschaftsparks aufgreifen.265 Anfang der 1930er-Jahre eröffnete ein Hilfswerk der Kapuzinermönche in einem zentralen Gebäude am Rand des Parks ein Kinderheim.266 Aus einem „Erdloch“ in diesem Park kriecht in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, im März 1945, ein beinahe 50 Jahre alter bärtiger Mann im verschmutzten Mönchshabit. Er geht den US-Soldaten entgegen, die er als Befreier begrüßt. Er hat sich in der Erdhöhle versteckt gehalten, weil die Nationalsozialisten ihn noch vor dem Einmarsch der Amerikaner aufspüren und ermorden wollten. Denn der Bensheimer Kapuzinerpater Otto Weber ist seit Langem ein Gegner des „Dritten Reiches“, was in der an der südhessischen Bergstraße zwischen Darmstadt und Heidelberg gelegenen Kleinstadt kein großes Geheimnis war. Die Nationalsozialisten haben eine Schule geschlossen, die seine Ordensgemeinschaft in der Stadt betrieb. Sie haben einen Mitbruder in das KZ Dachau verschleppt und dort ermordet. Seine Ordens-Oberen haben Weber, der am Ende in seinem Parkversteck überlebt, gewarnt, sich nicht mit den braunen Machthabern anzulegen. Pater Otto Weber, Leiter des vom NS-Regime beargwöhnten ­Fidelis-Schulkollegs in Bensheim, war zuvor von Gestapo-Schergen zusammengeschlagen worden, seine Klosterzelle wurde nach ille145

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galen Schriften durchsucht, die er für Mitbrüder verfasst hatte, die zum Kriegsdienst verpflichtet wurden. Doch man hatte nichts gefunden. Mitbrüder und andere NS-Gegner in Bensheim halfen mehrmals, illegales Material rechtzeitig verschwinden zu lassen. Ob die Erdhöhle auch als Versteck für regimekritische Druckwerke diente, ist heute nicht mehr festzustellen. Pater Otto verfügte zum Glück über Freunde mit Beziehungen in den regionalen Macht­ apparat der NSDAP. Und er hatte Verbindungen zu führenden Untergrund-Aktivisten des Leuschner-Widerstandsnetzes, die von der Gestapo Informationen bekamen, wer demnächst abgeholt werden sollte. Auch Offiziere der Abwehr, die zeitweise im Kloster unter­ gebracht waren, hielten offenbar ihre schützende Hand über den NS-kritischen Kapuziner. Eine Schlüsselfigur der Bensheimer Konspirateure gegen Hitler ist Franz Como.267 Der führende Heidelberger Widerstandskämpfer Emil Henk bezeichnet ihn kurz nach Kriegsende als lokalen „Vertrauensmann“ des Leuschner-Netzes in der Vorbereitung des 20. Juli 1944.268 Nach dem Tod Comos in Bensheim am 13. November 1958 erscheint in einer Schrift der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz ein Nachruf: „Während des Krieges gehörte er als führendes Mitglied der Untergrundbewegung an, voll der Hoffnung, daß man noch das Schlimmste von unserem Volk abwenden könnte. Kurz vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches entrann er nur mit knapper Not dem Tode“.269 Ohne die „Untergrundbewegung“ und ihre weitläufigen Kontakte in die Gestapo hinein hätten sowohl Franz Como als auch der Bensheimer Kapuzinerpater Otto Weber die Befreiung vom Nationalsozialismus kaum erlebt. Emil Henk nennt „Prof. Como“ 1946 einen „Sozialisten“. Das ist er ohne Zweifel, von seinem Umfeld in Bensheim wird er als der „rote Como“ bezeichnet.270 Aber gleichzeitig ist Franz Como auch 146

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Franz Como um 1952

ein frommer Katholik, der nach dem Krieg an Marienwallfahrten nach Lourdes teilnimmt.271 Der Oberlehrer Franz Como wurde kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Alter von 37 Jahren am 1. Dezember 1914 zum Professor ernannt. Wenige Jahre zuvor hatte er in Lauterbach im hessischen Vogelsberg die lokale Gruppe der linksliberalen Fortschrittspartei mitgegründet, „da er der katholischen Zentrumspartei und dem protestantisch geprägten Kaiserreich ablehnend bzw. kritisch gegenüber stand“.272 Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der katholische Pazifist Mitglied der SPD, der Deutschen Liga für Menschenrechte und des Friedensbundes Deutscher Katholiken. Am 21. Oktober 1928 trat Como wegen der sogenannten „Panzerkreuzeraffäre“ enttäuscht aus der SPD aus: „Ich habe bis zuletzt in der sozialdemokrat. Partei Deutschlands die erste u. stärkste Stütze 147

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des Weltfriedens gesehen u. von ihr die Überwindung des deutschpreußischen Militarismus erhofft.“273 SPD-Regierungsmitglieder hatten jedoch 1928 die Streichung von Zuschüssen zu Schulkinderspeisungen nicht verhindert und stattdessen dem Bau eines großen Kriegsschiffes zugestimmt. Die Parteibasis reagierte empört, „als das nach der Reichstagswahl von 1928 neu gebildete Kabinett unter dem sozialdemokratischen Reichskanzler Hermann Müller ein­ mütig dem Bau des Panzerkreuzers zustimmt, um damit eine Regierungskrise innerhalb der Großen Koalition zu vermeiden“.274 Como gehörte anschließend bis 1933 der Christlich-Sozialen Reichspartei (CSRP) an, die sich ab 25. Januar 1931 als Arbeiter- und Bauernpartei Deutschlands (ABPD) bezeichnete und auch „Vitus-Heller-Bewegung“ genannt wurde.275 Initiator Vitus Heller (1882–1956) propagierte einen „christlichen Sozialismus“ als dritte Option einer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zwischen Sozialismus und Kapitalismus. „Heller wurde politisch verfolgt und zeitweise im KZ Dachau inhaftiert.“276 Nach dem Krieg gehörte er mit Adam Stegerwald zu den Begründern der CSU in Unterfranken. Am 1. April 1933 entließen die Nationalsozialisten Como, der an einer Oberrealschule in Darmstadt tätig war, wegen seiner politischen Haltung aus dem Schuldienst.277 Im Jahr 1940 wurde er für einige Wochen in Darmstadt inhaftiert, weil er angeblich illegal als Heilpraktiker praktizierte. Seine Tochter Josefa erinnert sich, dass er vor der Verhaftung von einem befreundeten Polizisten gewarnt wurde, und Como gelang es noch, belastendes Material aus seiner Untergrundarbeit zu vernichten. Dennoch wurde ein Brief gefunden, der zur Festnahme des Münchener Buchhändlers Reible führte.278 Wie viele andere aus dem Staatsdienst entlassene Gegner des NS-Regimes musste auch Como wirtschaftlich schwer kämpfen, um zu überleben. In einem Brief an das Regierungspräsidium in 148

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Darmstadt, in dem es um mögliche Entschädigungsleistungen geht, schreibt Como: „Erst etwa 1936 gelang es mir, Privatstunden (Nachhilfestunden) geben zu können. Nur wenige Eltern wagten es, ihre Söhne zu mir zu schicken. Die Einnahmen waren so gering, daß ich keine Angaben in meiner Steuererklärung zu machen hatte. Nach meiner Verhaftung 1940 versiegte diese Quelle fast gänzlich, zuletzt wurde ich von 2 Schülern nur mit Lebensmitteln entlohnt.“279

Es gehörte zu den Regeln der Konspiration, auch den eigenen ­K indern so wenig wie möglich über die illegale politische Arbeit zu erzählen. Schon, um sie nicht zu gefährden. Aber auch, damit sie unter der jederzeit drohenden Gestapo-Folter nicht Namen und Strukturen preisgeben konnten. So bekam Josefa nicht mit, warum der „joviale und nette“ Herr mit dem Nachnamen Steffan wirklich so oft aus Mainz zu ihrem Vater nach Bensheim kam. Die Como-Tochter erinnert sich, dass Jakob Steffan und ihr Vater „gemeinsam mit einem Zahnarzt aus Darmstadt mit Namen Gödrel nach dem Zweiten Weltkrieg eine pharmazeutische Firma gründen“ wollten. Steffan habe auch mal darüber gesprochen, ihrem Vater „eine Stelle an einer Universität verschaffen zu ­wollen, was dieser insbesondere aus Altersgründen abgelehnt“ habe.280 ­Josefa Como schloss den konspirativen Zirkel, der in ihren Augen vor allem von einer besseren Zukunft träumte, ins Herz. Das zeigt ein Brief vom 16. August 1942 an ihre Eltern, in dem sie sich sorgenvoll nach den Folgen schwerer Bombenangriffe auf Mainz erkundigt: „Das Palais sei ausgebrannt, der Dom schwer beschädigt. Stimmt das? Und was noch? Und vor allem: was machen unsere Freunde? Steffan, Kahlenberg, Puress, Gödrel u. die anderen. Ich habe schon viel an sie gedacht. Ihr müsst doch auch Alarm gehabt haben?“281 149

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Dass Jakob Steffan eine der zentralen Figuren des LeuschnerWiderstandsnetzes im deutschen Südwesten war und gemeinsam mit ihrem Vater die Vorbereitungen für die politische Machtübernahme am Tag eines geglückten Attentats auf Hitler traf, erfuhr die Tochter von Franz Como nicht.282 Ähnlich schweigsam gab sich Jakob Steffan während der NS-Zeit gegenüber seinem Sohn Lothar. „Irgendwann zwischen 1941 und 1943 bat mich mein Vater, meinen Biologielehrer zu fragen, ob im Umkreis von Neu-Isenburg eine Pflanze wächst (der Name ist mir längst entfallen), die er für einen Bekannten in Bensheim zur Herstellung eines Medikamentes (Homöophatie?) besorgen wollte.“283 Das ist mehr oder weniger der einzige Hinweis, der auf eine Verbindung zu Franz Como hindeutet, den Lothar Steffan in der NS-Zeit von seinem Vater bekam. Später erfuhr Lothar Steffan dann durch ein Kondolenzschreiben Comos vom 14. Februar 1957 anlässlich des Todes von Jakob Steffan, dass die beiden Widerständler im Gefängnis zusammengefunden hatten: „In schweren Tagen haben wir uns kennengelernt, u. ich werde nicht vergessen, dass er im Gefängnis sehr gut zu mir gewesen ist u. in recht schmerzlichen Stunden treu u. brav beigestanden hat; wie ich auch weiß, dass er manchen geholfen, gar manchen das Leben gerettet hat.“284 Umgekehrt gab Jakob Steffan bei einer Verhaftung im Jahr 1944 „pro forma“ als Arbeitsstelle eine von Franz Como in der NS-Zeit in Bensheim gegründete pharmazeutische Firma an: „Teilhaber in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ‚Como‘, pharmazeutische Artikel (Augenerkrankung).“ Zuvor war Steffan eine Lizenz zur Herstellung von Branntwein verweigert worden.285 Die Leuschner-Konspirateure Steffan und Como pflegten engen Kontakt zu den südhessischen Mönchen, die ihrerseits in den überörtlichen Ordensstrukturen durch einen besonders ausgeprägten Widerstandgeist gegen das NS-Regime bekannt waren. Auf einer sogenannten „Pastoralkonferenz“ der Kapuziner am 14. September 150

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1933, an der Geistliche des Ordens aus verschiedenen Regionen teilnahmen, um die Lage nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zu erörtern, schlug Pater Chrysostomos, der Provinzvikar der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz, seinen Mitbrüdern laut Protokoll vor, die neue Regierung zu bejahen, „wobei die Priester der Umgebung von Bensheim mit wenigen Ausnahmen in ihrer sturen Opposition verharren“.286 Die Bensheimer Mönche litten in den Jahren der NS-Diktatur unter gewaltsamen Übergriffen der Gestapo auf das Kloster. So wurde etwa im März 1935 Pater Constantinus (Lambert Wirtz, 1873–1951) wegen „staatsabträglicher Äußerungen“ in Fastenpredigen in Bensheim angezeigt und eine Woche in Haft genommen. Pater Beningus Schopp drohte man mit dem KZ, und am 20. März 1941 wurde der aus Krefeld stammende Pater Dionys (Zöhren) an der Bergstraße verhaftet und ins KZ Dachau deportiert, wo er zwei Jahre später an Typhus starb. Wenige Wochen nach seiner Verhaftung wurde dem Kapuzinerkloster mitgeteilt, dass die Schüler ihres Kollegs künftig nicht mehr die Oberstufe des Gymnasiums Bensheim besuchen dürften.287 Damit war der Schule der Kapuziner quasi die Grundlage entzogen. Die Schüler verließen das Internat und wurden in befreundeten Bensheimer Familien untergebracht. Bis zu seiner Zerstörung in den letzten Kriegstagen im März 1945 fanden weiterhin heimliche Treffen im Kolleg statt: „Das St.-Fidelis-Kolleg Bensheim war die einzige Lehranstalt der Provinz, die durchgehend bis zum Kriegsende bestand, wenn auch unter großen Einschränkungen, Behinderungen, Schülerbeherbergungskünsten.“288 Der Schulleiter, Pater Otto Weber, riskierte es während des Krieges, illegale Rundbriefe mit kriegskritischen Inhalten an Kapuzinermönche zu versenden, die in die Wehrmacht eingezogen und an die Front geschickt wurden. Razzien der Gestapo, bei denen auch 151

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nach diesen Schriften gesucht wurde, liefen trotz Anwendung ­körperlicher Gewalt gegen Pater Otto ins Leere. „Weil die Gestapo 1944 in Darmstadt ausgebombt wurde, und diese die Büros nach Bensheim in die Taubstummenanstalt an der Darmstädter Straße verlegt hatte, wurde es für Pater Otto im März 1945 recht brenzlig.“289 Mehr als ein Dutzend deutsche und ausländische Häftlinge aus dem örtlichen Gestapo-Gefängnis wurden noch in den letzten Kriegstagen an verschiedenen Stellen in der Stadt und im Wald erschossen – darunter zwei amerikanische Soldaten.290 Hätte Weber sich in den letzten Kriegstagen nicht in der Erdhöhle versteckt, wäre auch er möglicherweise Opfer dieser sogenannten „Kirchbergmorde“ geworden. Vier weitere Gestapo-Häftlinge entgingen knapp der Ermordung, darunter einer der Köpfe des Leuschner-Widerstandnetzes, der nach einem geglückten Attentat auf Hitler laut Emil Henk die Polizeigewalt in Worms übernommen hätte: Heinrich Ahl. 291 „Am 22. März waren in Groß-Rohrheim der Sozialdemokrat Heinrich Ahl, die Kommunisten August Lautenbach, Heinrich Menger und Georg Ackermann verhaftet worden. Sie wurden vom NSDAP-Ortsgruppenleiter denunziert und nach Bensheim gebracht. Sie blieben in ihrer Zelle, als die anderen Gefangenen ermordet wurden. Als wenige Stunden später die Gestapo vor den anrückenden US-Truppen floh, kamen sie frei.“292

Vinzenz Hoymann, der Nachfolger Pater Ottos als Schulleiter des nach dem Krieg wiedereröffneten Fidelis-Kollegs, berichtet in einem in den 1970er-Jahren verfassten „Lebensbild“ zu Otto Weber, dass ein „Hauptmann (Theo) Klöckner, Verbindungsoffizier zwischen Abwehr (Canaris) und Gestapo“293, Pater Otto den Tipp gegeben habe, er müsse untertauchen. Als der Mönch nach dem Einrücken der Amerikaner auf seine Befreier zuging, war er 152

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überrascht, unter den US-Soldaten einen deutschen Offizier zu sehen, der zuvor mit der Wehrmacht im Kloster einquartiert ge­ wesen war und von dem er sich stets besonders beobachtet gefühlt hatte. Wie sich herausstellte, handelte es sich um einen USAgenten. Nach dem Krieg äußerte sich Franz Como in einem Spruchkammerverfahren als Zeuge zu einem weiteren Bensheimer Konspira­ tiven, dem Protestanten Ludwig Weihrauch: „Mir selber hat er, als ich von Parteigenossen beobachtet und überwacht wurde und besonders als ich von der Gestapo in Haft gesetzt und bei mir Hausdurchsuchung vorgenommen werden sollte, die besten Freundschaftsdienste geleistet und ohne zu zaudern seine ganze Person für mich eingesetzt. In gleicher Weise hat er Juden beraten, geschützt und unterstützt und kein Bedenken getragen, verdächtige Papiere und Bücher eines Kapuzinerpaters zu verbergen und zu verwahren“.294

Weyrauch habe zusammen mit den Kapuzinern Juden versteckt und sei dreimal von der Gestapo verhaftet worden. Der Katholik und Sozialist Como, der an diesen Untergrundaktivitäten in Bensheim beteiligt war und sie überlebte, stirbt am 13. November 1958 in Bensheim an der Bergstraße.

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Schweiz, Ferienhaus „Al Forno“ – Anna Beyer „Flugblätter kannst du auch verschlucken, wenn du nicht zu viel bei dir hast (Üben!)“ 295

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in enges Bergtal. Eine Handvoll zumeist zweistöckiger Häuser schmiegt sich an den steilen Hang. Ein Kirchlein in der Mitte. In der Nähe des Dorfes führt eine uralte, halbrunde

Steinbrücke über den reißenden Gebirgsbach. Anna Beyer, im hellen Kostüm, lehnt sich auf das Holzgeländer. Sie ist eingerahmt von zwei Männern, die ebenfalls in die Kamera blicken. Links steht ein junger Mann mit vollem dunklem Haar, zur Rechten Annas ein deutlich älterer Mann. Seine Haare sind dünner und grau. Das steinerne Hirtenhaus in den Tessiner Bergen ist ein Ort zum Verschnaufen. Von überall kommen sie her, die Versprengten, aus der Todeszelle Befreiten, die zur Sabotage Entschlossenen. Die Konspirativen, die über den ganzen Kontinent verteilt sind. Es ist Anfang 1945. Der Krieg wird bald vorbei sein. Doch noch wird in Deutschland gekämpft. Auch Anna Beyer will eingreifen. Die Idylle im Tessin war nicht ihr Ziel. Nicht dafür hat sie in England das Fallschirmspringen gelernt, ist angeseilt von einem Londoner Hausdach gesprungen. Hat sich durch ein Loch im Boden eines Flugzeugs aus den Wolken hinuntergestürzt und sich bei der Landung auf einer Wiese den Fuß verstaucht. Doch Anna Beyer muss das Kriegsende im Tessin abwarten. 154

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Anna Beyer Ende der 1920er-Jahre in einer Frankfurter Wohn­ gemeinschaft

Schon wenige Wochen später wird deutlich, wie verzweigt das Leuschner-Netz ist und wie stark es über den Kern der alten Freudinnen und Freunde aus der sozialdemokratischen Regierungszeit im Volksstaat Hessen hinausreicht. So hat Hans Hayn aus Neu-Isenburg die Frankfurterin Anna Beyer offenbar nicht erst nach dem Krieg kennengelernt. Das zumindest geht aus einem Brief hervor, den Gustav Kettel am 21. Juli 1946 an Anna Beyer schreibt. Und dass Anna Beyer, die jahrelang im englischen Exil lebte, den LeuschnerKurier Gustav Kettel ebenfalls schon sehr lange kennt.296 Beyer, Hayn, Kettel – diese entschlossenen Regimegegner organisieren sich nach der Befreiung vom Nationalsozialismus neu. Anna Beyer befand sich während der Vorbereitungen für den 20. Juli 1944 noch in England und landete erst kurz vor Kriegsende mit 155

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einem alliierten Flugzeug wieder auf dem europäischen Kontinent, um den Widerstand zu unterstützen. Hans Hayn gehörte in NeuIsenburg zu den zentralen Figuren des Widerstandsnetzes im Rhein-Main-Gebiet, und Gustav Kettel war bis Kriegsende einer der wichtigsten Kuriere des Leuschner-Netzes zwischen Ruhrgebiet und Rhein-Main-Gebiet. Doch nun geht es für alle drei um die Bewältigung des schweren Nachkriegsalltags. Um den Kampf gegen Hunger genauso wie darum, einen Staat ohne Nazis an den Schaltstellen aufzubauen. In einem Brief unterrichtet Kettel Anna Beyer über seine politischen Absichten: „Meine Tätigkeit ist schnell umrissen, ich arbeite in dem mir möglichen Rahmen des politischen Wollens mit und muß dabei sofort sagen, dass ich kein Mann der Öffentlichkeit bin. Als Mitglied der SPD gehöre ich zum Denazifizierungausschuß des Großhandels in Essen und als Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der Deutschen Friedensgesellschaft zum Westdeutschen Landesverband. Soweit meine öffentlichen Funktionen. Daneben betreibe ich mit allen Kräften – und kann es nicht lassen – ein wenig Personalpolitik und richte mein Augenmerk dabei auf den Bergbau, mit dem ich auch geschäftlich verbunden bin. Hierbei komme ich den Wünschen Jupps und Willi E. nach und bin zurzeit emsig dabei, eine ganz bestimmte Ausrichtung vorzubereiten. Diese Dinge nehmen viel Zeit in Anspruch, denn die Gegenseite ist zäh und erfahren in den Dingen des Festhaltens.“297

Kettel hat sich inzwischen wieder in Essen niedergelassen, wo seine Großküchen-Handelsfirma den Krieg überdauert hat. Mit „Jupp“ und „Willi E.“, die er im Brief hervorhebt, sind sehr wahrscheinlich „Jupp“ Kappius und Willi Eichler gemeint. Beide gehörten, wie auch Anna Beyer, während der NS-Zeit dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) an, einer kleinen, aber sehr entschlossenen linken sozialdemokratischen Vereinigung mit lebensrefor156

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merischen Zügen (u. a. Vegetarismus, Verzicht auf Alkohol, Teil der Landschulheimbewegung). Der ISK, der bereits früh Widerstandsarbeit leistete, wurde in den letzten Jahren des NS-Regimes ein wichtiger Teil des Leuschner-Netzes. Nach dem Krieg geht die ­Organisation, die im ganzen Land nur einige hundert Mitglieder zählt, weitgehend wieder in der SPD auf, von der sie sich am Ende der Weimarer Republik gelöst hatte. Willi Eichler koordinierte die Organisation während des Krieges vom Londoner Exil aus in enger Abstimmung mit britischen Sozialisten aus dem Spektrum der Labour Party. „Jupp“ Kappius und Anna Beyer gehörten während des Kampfes gegen das NS-Regime zu den Mitgliedern des ISK, die von den westlichen Alliierten für Untergrundeinsätze auf dem Kontinent eine Spezialausbildung ­bekamen.298 Doch nach dem Sieg der Alliierten ging es nicht mehr um die wenige Wochen zuvor noch geplanten Sabotageaktionen. Nun ging es darum, erst einmal das Nötigste für den Alltag im kriegszerstörten Nachkriegsdeutschland zu organisieren, vor allem den Hunger zu bekämpfen. In seinem Brief an Anna Beyer sprach Kettel auch die Hilfe an, die von Gleichgesinnten aus dem Ausland erhofft wurde.299 In ihrer Antwort bat sie den Essener Gefährten aus dem Widerstand, ihr die Namensliste der hilfsbedürftigen ehemaligen Illegalen zu schicken, damit es keine Überschneidungen mit den Empfängern der von ihr initiierten „80-Pakete-Aktion“ gäbe, die Menschen zugutekommen sollte, die „gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben und jetzt dabei sind, am Neuaufbau mitzuarbeiten“.300 Die Listen von Kettel und Beyer umfassten jeweils 75 oder 80 Personen, darunter nicht nur ISK-Mitglieder: „In Frankfurt waren wir höchstens 15 bis 20 Genossen vom ISK, die ­illegal tätig waren. Wir waren also eine verhältnismäßig kleine Gruppe.

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Manche, die zu uns gehörten, hatten sich sehr schnell zurückgezogen und nicht mehr mitgemacht. Man konnte natürlich niemanden zur ­Widerstandsarbeit zwingen. In dieser Hinsicht gab es bei uns keinen Druck. Ich bin also zu manchem in die Wohnung gegangen und habe gefragt: ‚Wollt ihr nicht auch einmal ein paar Flugblätter übernehmen und sie weitergeben?‘ Da wurde mir mehr als einmal gesagt, daß sie das nicht könnten, weil ihnen das Risiko zu groß sei. Nun, es musste aus freiwilliger Entscheidung heraus gehandelt werden. Wenn sich jemand dagegen entschied, konnte ich nicht mehr verlangen.“301

In ihrer Autobiografie, die 1991 erscheint, geht Anna Beyer auch auf die persönlichen Zerrissenheitsgefühle ein, die für die Generation der Leuschner-Konspirateure nicht untypisch sind, „das Kennenlernen, das Getrenntwerden, das Wiederfinden und die neuerliche Trennung“.302 Wer immer unterwegs sein muss, kann Freundschaften und auch Liebesbeziehungen oft nicht gut aufrechterhalten. Von Eugen A., mit dem sie während der Untergrundzeit liiert war, wurde Beyer aufgrund der Exilwirren getrennt. Vier Jahre nach Kriegsende traf sie den Ex-Geliebten in den USA wieder. Er war inzwischen mit einer anderen deutschen Widerstandskämpferin verheiratet. Eine ungewöhnliche Kontinuität gibt es jedoch im Widerstandsleben der Anna Beyer. Sie resultierte aus den lebensreformerischen Alltagsregeln des ISK. Wo auch immer Beyer im Rahmen ihrer Exilsuche und der konspirativen Arbeit hinkam, gelang es ihr, in einem vegetarischen Restaurant Arbeit zu finden: „Schon vor 1933 hatten ISK-Mitglieder in den Großstädten vegetarische Gaststätten eröffnet. Sinn und Zweck dieser Einrichtungen war, die Idee des vegetarischen Lebens zu verbreiten und mit den finanziellen Einkünften die Arbeit unserer Gruppen zu finanzieren. Das lief auch ganz gut, denn wir hatten so etwas wie eine Markt­ lücke ­entdeckt.“303 Sie versuchte, ihre Kochkenntnisse, die sie von 158

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ihrer Mutter mitbekommen hat, vor allem an die Männer in der Küche weiterzugeben: „Gerade die jungen Männer verzapften einigen Blödsinn am Kochtopf, und wenn sie wieder Klüten in den Grieß- oder Reisbrei rührten, mußte ich helfend einspringen. Eine Zeitlang haben wir auch Kurse für Frauen angeboten und sie in der vegetarischen Küche unterrichtet. Ich habe ihnen beigebracht, wie man Salate zusammenstellt und richtig anmacht, wie man Gemüse schmackhaft zubereitet, indem man es dämpft und nicht zerkocht.“304

Anfang 1935 kehrte Anna Beyer nach Frankfurt am Main zurück, um dort eine eigene „Vega“ zu eröffnen. Zunächst arbeitet sie jedoch als Büroangestellte bei Siemens & Halske und verteilt illegale Schriften des ISK: „Dabei zeigte sich, daß es nicht nur ISK-Genossen waren, die sich untereinander informierten, sondern auch Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Leute der SAP und KPO zur Verteilerkette gehörten. Mit den rund 20 ISK-Genossen erreichten wir einen wesentlich größeren Kreis von Oppositionellen.“305 Über eine Zeitungsanzeige fand Beyer im Steinweg in der Innenstadt von Frankfurt am Main im Haus eines Juweliers einen Raum, der für ihre „Vega“ geeignet war. Vom ISK erhielt sie ein Darlehen von 2000 Reichsmark: „Von der Firma Henninger habe ich eine alte Spüle und zwei Becken bekommen. Mein Bruder baute die Regale. Dazu holten wir noch ein paar Tische und Stühle. Ein neuer Abschnitt meines Lebens konnte beginnen.“306 Der ISK benutzte die „Vega“ als Anlaufstelle für Kuriere und als Versteck für illegales Material. „Sämtliche Tischbeine waren ausgehöhlt, da haben wir Adressenlisten aufbewahrt und anderes Material, das auf keinen Fall in falsche Hände geraten durfte“, so Beyer.307 Ihre Gäste kamen unter anderem „vom Rundfunk, von der Fresenius-Gesellschaft, vom Städel und von der Handelskammer“.308 Die 159

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illegalen Kuriere, die in der „Vega“ eintrafen, kannte Beyer zumeist persönlich „entweder von Fortbildungskursen, von denen einige in der Eifel stattgefunden hatten und wo dann Genossen aus allen Städten Deutschlands sich trafen. Gelegentlich trafen wir uns auch bei unseren Wanderungen am Rhein entlang. ISK-Frauen und -Männer, diejenigen, die mit ihnen sympathisierten und in der Gegend von Köln und Bonn wohnten, setzten sich auf einer Wiese zusammen, informierten sich.“309

Gut möglich, dass Beyer und Kettel sich von diesen Begegnungen am Rhein oder in der Eifel im Jahr 1935 her kannten. Denn Kettel lebte in dieser Zeit auf einem abgeschiedenen Hof in der Eifel, gemeinsam mit anderen Regimegegnern.310 Jeder Kurier, der die „Vega“ in Frankfurt am Main ansteuerte, musste sich mit einem „Kennwort“ ausweisen: „Die Kuriere konnten dann auch in unserer Wohnung übernachten.“ Auch Rheinschiffer gehörten zum international aktiven Kuriernetz des ISK; sie schafften illegales Material etwa aus den Niederlanden nach Deutschland. Anna Beyer: „Viele Jahre später habe ich einige der Schiffer kennengelernt, die mir erzählten, wie sie ihre heiße Ware in den weiten Bundhosen oder sonst wie versteckt in Köln an Land brachten.“311 Im Jahr 1937 musste Anna Beyer Frankfurt am Main verlassen, um nicht von der Gestapo verhaftet zu werden. Ihre erste Station im Exil war Paris. Auch dort hatten ISK-Mitglieder bereits eine „Vega“ eröffnet, von der die Frankfurterin in ihrer Autobiografie berichtet. Das Ehepaar Erich und Herta Lewinski erzielte mit dem Restaurant Einnahmen, von denen auch eine Wohngemeinschaft von ISK-Mitgliedern in Paris profitierte: „Sie hatten es in der Rue Poissoniére eröffnet, weil Erich seinen Beruf als Jurist nicht ausüben konnte.“312 Wenige Monate vor Kriegsausbruch am 1. September 1939 forderte die französische Polizei Beyer auf, Frankreich zu verlassen, da 160

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sie weder Jüdin sei noch ohne Pass. „Andernfalls bliebe mir das Pariser Frauengefängnis.“313 Obwohl sie zu diesem Zeitpunkt in Eugen A. verliebt war, musste sie ihn verlassen und in die Schweiz ausreisen. Auch dort versuchte sie, eine vegetarische Gaststätte zu eröffnen. Man verweigerte ihr die Genehmigung. „Die Parole lautete: Keine Deutschen mehr in die Schweiz. Das Boot ist voll!“314 Über die „Fabian Society“, einen „Intellektuellen-Zusammenschluss der Labour Party“315, bekam Beyer eine Arbeitserlaubnis für England. Vor ihrer Ausreise gelang es ihr noch einmal, von Basel aus nach Frankreich einzureisen. Dort traf sie ein letztes Mal ihren Geliebten: „Eugen und ich verlebten mit Erich und Herta Lewinski einen Urlaub in der Bretagne. Unsere freundschaftlichen Bande wurden noch stärker. Ein schwerer Abschied.“316 In ihrem neuen Exil existierte in der Nähe des Londoner Trafalgar Square bereits eine „Vega“ des ISK, in der Beyer bis zum Ende ihres englischen Exils arbeiten konnte. Durch die Kontakte, die insbesondere ISK-Chef Willi Eichler zu den Geheimdiensten der westlichen Alliierten hatte, erhielt Beyer eine Ausbildung beim 1942 neu gegründeten US-Militärnachrichtendient OSS (Office of Strategic Services), für den unter anderem auch der Philosoph Herbert Marcuse und der Schriftsteller Carl Zuckmayer arbeiteten. Beyer erinnert sich: „Unsere Lehrer waren Mitglieder der amerikanischen Armee, darunter waren auch einige deutsche Emigranten, die man für diese Schulungsarbeit ausgesucht hatte. Wie ich später herausgefunden habe, wußte der OSS nicht so genau, wo er uns einsetzen wollte.“317 Im September 1944 brachte ein Flugzeug Beyer nach Frankreich. Sie musste aber nicht mit dem Fallschirm abspringen, wofür sie ausgebildet worden war, vielmehr landete die Maschine auf einer Wiese in der Nähe der Schweizer Grenze. Die Mission lautete, „nach Deutschland einzureisen und vor Ort zu recherchieren, wie weit das Hitler-Regime abgewirtschaftet hatte“.318 161

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Zusammen mit Beyer wurde eine weitere ISK-Genossin, die in England ausgebildet worden war, auf den Kontinent abgesetzt: Hilde Meisel. Die beiden Frauen kannten sich schon lange. Meisel hatte als Jüdin und politische Aktivistin Berlin 1933 verlassen müssen. Im Londoner Exil hatte die gelernte Volkswirtin an einem Buch über die Zukunft der deutschen und europäischen Wirtschaft nach dem Krieg gearbeitet, das erst 1947 unter ihrem Decknamen „Helga Monte“ veröffentlicht wurde.319 Widerständler schleusten die beiden Frauen von Frankreich aus in die Schweiz. Beyer gelangte zunächst nach Zürich, wo sie vom Netzwerk des Widerstands mit neuen Papieren ausgestattet wurde, mit denen sie sich in der Schweiz frei bewegen konnte. In Gesprächen „mit Genossen“ versuchte Beyer herauszufinden, welche Form der illegalen Arbeit sie in Deutschland Ende 1944 noch machen könnte. Ihr Plan, schnell nach Deutschland weiterzureisen, misslang allerdings. Auch weil die SS inzwischen die deutsch-schweizerische Grenze hermetisch abgeriegelt hatte, um die Flucht von Zwangsarbeitern aus dem Deutschen Reich in die Schweiz zu verhindern. Schließlich gelangte Beyer von Zürich in die Tessiner Berge, wo sie Anfang 1945 in einem Ferienhaus mit Namen „Al Forno“ bei Intragna eine Art Pensionsbetrieb für Emigranten „von überall her“ aufbaute, um „ihnen ein paar Tage Ferien zu gestalten“. Meisel wurde andernorts in der Schweiz untergebracht – die beiden Frauen blieben jedoch weiter in Kontakt. Mit Hilfe einiger Tessiner Bauern richtete Anna Beyer die „ursprünglich für Hirten gedachte Herberge“ wohnlich ein. Über schmale Gebirgspfade wurden Bettzeug und schwere Kisten zum Haus geschleppt, die Bauern der Umgebung lieferten „großzügig“ Essensvorräte. „Besonders Paolo und Paolina, die in einem Dorf noch über meiner Behausung lebten, lieferten zuverlässig Milch, Butter, Obst und Kastanien, oft auch einen Strauß Blumen“, erinnert sich Beyer Jahre später.320 162

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Politische Flüchtlinge und versprengte Konspirateure fanden von weit her den Weg in das einsame und idyllisch gelegene Schweizer Refugium. Der aus Hannover stammende Paul Schallmey – später Gewerkschafter in Frankfurt am Main –, der bereits am Gründungskongress des ISK am 12. August 1928 in Göttingen teilgenommen hatte, reiste von Afrika über England in die Tessiner Berge. Direkt aus einer Todeszelle der Gestapo wurde der „Polizist Kirchstein“ in Beyers Ferienhaus gebracht. Auch er war zuvor aus Afrika über England wieder auf den europäischen Kontinent gereist, „allerdings hatte er noch einen illegalen Deutschlandaufenthalt ein­ gelegt. Dort wurde er von der Gestapo verhaftet. […] Aus seiner Todeszelle wurde er von Dino Löwenstein befreit“.321 Auch über den Bochumer Betriebsrat Willi Braumann berichtet Beyer: „Wegen seiner illegalen Tätigkeit hatte man ihn in den Keller eines Gefängnisses gesteckt. Bei einem Bombenangriff wurde das Gefängnis zerstört, aber Braumann blieb in seinem Verlies am Leben. Die Kurierin Änne Kappius fand ihn und brachte ihn auf vielen Schleichwegen zu mir.“322 Braumann erholte sich in den Tessiner Bergen, kehrte nach der Befreiung nach Bochum zurück und beteiligte sich dort „maßgeblich am Wiederaufbau der deutschen Gewerkschaftsbewegung“ nach 1945, als führender Gewerkschafter in Bochum sowie im DGB-Landesvorstand NRW.323 Anna Beyer betont, dass der Aufenthalt im Tessin allen – auch ihr selbst – viel Kraft für die „neuen Aufgaben“ gab, die sie erwarteten: „Wir erhielten Besuch von den Familien der Rheinschiffer, die so wertvolle Kurierdienste geleistet hatten.“324 Ihre Weggefährtin Hilde Meisel wagte noch im April 1945 einen illegalen Grenzübertritt nach Österreich. Sie wurde jedoch an der „grünen Grenze“ verhaftet. „Mitteilungen, die sie bei sich hatte, verschluckte sie. Das ist bekannt“, schreibt Anna Beyer. Bei einem Fluchtversuch wurde Meisel erschossen: „Sie verblutete an einem Oberschenkel-Steck163

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schuss. Sie starb mit dreiunddreißig Jahren. Schmerzen, Tod und Trauer, Orte, Begegnungen und Trennungen, Verrat, Einsamkeit und Solidarität haben diese acht Jahre bestimmt.“325 Am 2. Juni 1945 kehrte Anna Beyer nach Frankfurt am Main zurück, nachdem sie gemeinsam mit Braumann die Schweiz verlassen hatte. Braumann fuhr weiter ins Ruhrgebiet: „Mit einem Käppi und einer Uniformjacke leicht verkleidet, um nicht so viel Aufsehen zu erregen, fuhren wir am Rhein entlang. Ich sah die zerbombten Städte. Ich begegnete den hungernden, obdachlosen Frauen und Kindern. Ich sah die Menschen, die in Ruinen hausten, die zwischen Trümmerbergen nach brauchbaren Gegenständen suchten, um überleben zu können. […] Ich wußte schon nach wenigen Stunden, daß hier erst einmal wieder die notwendigsten Voraussetzungen geschaffen werden mußten, um überhaupt etwas Neues aufbauen zu können.“326

Ein Jahr später korrespondierte Anna Beyer mit Gustav Kettel noch immer darüber, wie man diese „notwendigsten Voraussetzungen“ für den – auch geistigen – Neuanfang schaffen könne. Immer noch herrschte die blanke Not. Die beiden ehemaligen Konspirateure waren weiterhin – jetzt wieder legal – unterwegs, um sie zu lindern. Zu Fuß, mit der U-Bahn, mit dem Auto – aber vor allem in ihren eigenen, solidarischen Köpfen.

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Darmstadt, Schlossgartenstr. 69 – die „Rote Kapelle“ „Lill: Ich bin nicht die einzige Frau! Es gibt tausende, die in dieser Nacht in Deutschland auf der leisen Wache stehn, die arbeiten. Sie kleben, die machen Fotokopien in ängstlich verhängten Badezimmern, sie tippen unter den Dächern geheime Artikel. […] Sie werfen Briefe in viele Postkästen. Sie reisen als Kurier.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen327

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rauen im Widerstand – es gab sie. In der „Roten Kapelle“, im Leuschner-Netz. Selbst die Militärs wären ohne die oft starken Frauen an ihrer Seite nicht zurechtgekommen. Dennoch:

Die Welt der Linken, der Parteien und Gewerkschaften, war Mitte des 20. Jahrhunderts eine patriarchale Welt. Die Frauen selbst spielen ihre Rolle im Widerstand oft herunter. Die Männer sprechen von „den Männern des 20. Juli“ – sie vergessen die Frauen, die genauso als Kuriere tätig waren. Doch die Konspiration war an vielen Orten weiblicher, als man auf den ersten Blick denken sollte. Elisabeth Schumacher war neben Harro Schulze-Boysen, Walter Husemann, Kurt Schumacher und Walter Küchenmeister die einzige Frau in der von der Gestapo „Rote Kapelle“ getauften Widerstandsgruppe, der Günther Weisenborn das Drama Die Illegalen widmet, das er noch im Herbst 1945 in Berlin-Schmargendorf schreibt. Die in der Darmstädter Schlossgartenstraße 69 geborene 165

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Elisabeth Schumacher, Darmstädter Mitglied der „Roten Kapelle“

Elisabeth Schumacher wurde am 22. Dezember 1942 in Plötzensee hingerichtet, gemeinsam mit den vier Männern, die Weisenborn mit seinem Stück ehrt. Es waren nicht die einzigen Opfer dieses blutigen Tages in der Berliner Hinrichtungsstätte. Am 7. September 1942 waren auch Mildred und Arvid Harnack verhaftet worden. Und wie Elisabeth Schumacher und andere Mitglieder der „Roten Kapelle“ wurde Arvid Harnack am 22. Dezember „nach Folterungen durch die Gestapo“ hingerichtet.328 Am 16. Januar 1943 wurde das Todesurteil gegen Mildred Harnack vollstreckt. Auch Arvids Vetter Ernst von Harnack war ständig im Visier der Nazis, die ihn schon 1933 für mehrere Wochen verhaftet hatten. Im Oktober 1939 gehörte Harnack zu denjenigen, die ein erstes Tref166

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fen Wilhelm Leuschners mit Generaloberst a. D. Ludwig Beck herbeiführten. Dieser „wollte vom Gewerkschafter dabei die definitive Zusage, dass ein vom Militär herbeigeführter Umsturz von einem flächendeckenden politischen Ausstand der arbeitenden Bevölkerung flankiert werden würde“.329 Leuschner sicherte Beck die Streikbereitschaft zu und schickte Boten „in alle Zentren der sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Untergrundbewegung, um diese auf einen möglicherweise in Kürze erfolgenden Streik­ aufruf vorzubereiten“.330 Ein liberaler Unternehmer stellte für diese Informationsreisen 10 000 Reichsmark zur Verfügung. Wenn man berücksichtigt, dass der durchschnittliche Monatslohn eines Metallarbeiters bei etwas mehr als 200 Reichsmark lag und außer für Reichsbahnfahrkarten nur geringe weitere Kosten für Unterkunft und Emissäre angefallen sein dürften, bekommt man eine ungefähre Vorstellung davon, wie weit verzweigt Leuschners sozialdemokratisch-gewerkschaftliches Vertrauensleutenetz gewesen sein dürfte.331 Ebenfalls im Oktober 1939 verfasste Ernst von Harnack gemeinsam mit dem regimekritischen hessischen Juristen Otto John ein vierseitiges Memorandum über den Aufbau eines breiten Oppositionsbündnisses aus konservativen Regimegegnern, katholischen bürgerlichen Oppositionellen bzw. mit diesen politisch verbundenen Arbeiterfunktionären sowie sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Widerstandsstrukturen, die alle hinter Beck stehen würden.332 Dennoch war das Verhältnis der Sozialdemokraten zu den Militärs zu diesem Zeitpunkt noch von viel Misstrauen geprägt  – und umgekehrt. Ernst von Harnack agierte als Vermittler zwischen diesen beiden Oppositionslagern. Die 1940 von einigen Militärs geäußerte Idee, die Arbeiter könnten als Erste in den Streik treten und die Militäropposition würde ihnen dann zur Seite stehen, lehnten Leuschner und auch Harnack ab. Erst sollte die erfolgreiche Mili167

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täraktion erfolgen, dann würden die Arbeiter streiken und politische Funktionen im Land übernehmen. Das war Leuschners Plan, der schließlich in die Aktion vom 20. Juli 1944 mündete.333 Ernst von Harnack war es auch, der ein Jahr vor dem gescheiterten Attentat Julius Leber mit dem Kreisauer Kreis in Kontakt brachte. Einmal mehr bildete neben Berlin das kleine, aber weltoffene Darmstadt kurz nach der Wende zum 20.  Jahrhundert den Ausgangspunkt der späteren Widerstandsgeschichte, die mit dem Namen Elisabeth Schumacher, vor allem aber mit dem klangvollen Namen Harnack verbunden ist. Die junge Technische Hochschule der Stadt berief 1896 den Literaturwissenschaftler Otto von Harnack auf den Lehrstuhl für Geschichte und Literatur. Otto war der jüngere Bruder des Theologen Adolf von Harnack, des Gründungspräsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, aus der die heutige Max-Planck-Gesellschaft hervorgegangen ist. Die Darmstädter Professorenfamilie um Otto Harnack lebte damals im Haus Hochstraße 68, nicht allzu weit von den Hochschulgebäuden entfernt. Hier wurde am 24. Mai 1901 Arvid Harnack geboren. Sein Vetter Ernst von Harnack war 13 Jahre älter und stammte ebenfalls aus Hessen – aus Marburg an der Lahn, wo sein Vater Adolf bis 1888 als Kirchenhistoriker lehrte. Die Harnacks gehörten zum klassischen Bildungsbürgertum. Ernst studierte vor dem Ersten Weltkrieg einige Semester Jura in Marburg und später in Berlin, Arvid in der Weimarer Zeit in Jena, Graz und Hamburg. Im Jahr 1924 wurde er in Hamburg im Fach Jura promoviert. Anschließend ging er mit einem Rockefeller-­ Stipendium für zwei Jahre an die Universität von Madison, USA. Zurück in Hessen wurde er 1930 in Gießen noch einmal promoviert, diesmal in Nationalökonomie. In den USA hatte sich Arvid in die Amerikanerin Mildred Fish verliebt und heiratete sie im Sommer 1926 in Wisconsin. Seit Ende 168

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der 1920er-Jahre lebte das Paar in Deutschland. Ab 1933 arbeiteten beide illegal gegen das NS-Regime. Sie lieferten unter anderem Donald Heath, dem US-Finanzattaché in Berlin, regelmäßig Informationen über die NS-Wirtschaft: „Bei den Einschätzungen des Ehepaars Harnack wird immer wieder ihr Einsatz für das Amerika von Franklin Roosevelt ausgeklammert, der sich eindeutig zeigte, als Arvid Harnack ein großes Risiko einging, indem er sich jede Woche mit Donald Heath traf.“334 Mildred Harnack beschaffte über die „amerikanische Botschaft Reden von Roosevelt und anderen Politikern, Nachrichten über den Spanischen Bürgerkrieg, Kommentare zu Hitlers Politik und andere Informationen, die sie zusammenstellt und an Gleichgesinnte weitergibt“.335 Ende 1941 wurde Mildred Harnack an der Universität in Gießen promoviert und erhielt einen Lehrauftrag an der Berliner Universität. Der offene Geist von Wisconsin wirkte sich womöglich bis in die Berliner Widerstandsgesellschaft aus, denn der Berliner Kreis um Arvid und Mildred Harnack sei „kein konspirativ geführter Zirkel von Verschwörern gewesen, sondern ein Gesprächskreis“, der sich im Verlauf des Krieges mehr und mehr zusammenschloss.336 Der Schriftsteller Günther Weisenborn gehörte zu diesem Kreis. Ein Foto zeigt ihn bei einem Picknick im Ostseebad Ahrenshoop an Pfingsten 1939 oder 1940337 zusammen mit dem Luftwaffenoffizier Harro Schulze-Boysen und der Schauspielerin Marta Husemann. Die Organisation der Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe war eher locker und informell. Die kleineren Gruppen innerhalb des Kreises agierten zum Teil unabhängig voneinander, teils gemeinsam. Politische Diskussionen, Widerstandsaktionen und soziale Kontakte gingen Hand in Hand. Zu den Mitgliedern der Gruppe zählten ­Ministerialbeamte und Wehrmachtsbedienstete genauso wie Künstler und Arbeiter, gläubige Christen und Liberale ebenso wie Jungkommunisten.338 169

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Im Künstler-Seebad Ahrenshoop treffen sich Mitglieder der „Roten Kapelle“ zu konspirativen Zwecken. V.l.n.r.: Marta Husemann, Günther Weisenborn und Harro Schulze-Boysen

Elisabeth Hohenemser und Kurt Schumacher lernten sich an den Berliner Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst kennen und heirateten 1934. Dass Elisabeth Schumacher ausgebildete Grafikerin war, kam der illegalen Arbeit später zugute. Die meisten Mitglieder standen für einen ethisch motivierten Sozialismus. Von 1940 bis 1942 waren die Widerstandsaktivitäten am intensivsten. Es wurden illegale Schriften verfasst, Flugblätter verteilt und vervielfältigt und die regimekritischen Predigten des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen verbreitet. Aus Protest gegen die im Mai 1942 in Berlin eröffnete NS-Propagandaausstellung Das Sowjetparadies wurde eine Plakatklebe­ aktion durchgeführt. Harro Schulze-Boysens Ehefrau Libertas (1913– 170

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1942) dokumentierte nationalsozialistische Gewaltverbrechen an der Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete, vor allem in der Sowjetunion.339 Libertas Schulze-Boysen arbeitete gemeinsam mit Günther Weisenborn an einem Theaterstück mit dem Titel: Die guten Feinde340 über den Bakteriologen Robert Koch. Weisenborn notierte am Ende des Textes: „Geschrieben 1937 in Opladen, Fischerhude, Berlin“.341 Das Stück wurde am 1. März 1939 in Bremen uraufgeführt. Die Gestapo verhaftete schließlich von Ende August bis Mitte Oktober 1942 weit mehr als 120 Beteiligte und Unbeteiligte dieses Widerstandskreises und informierte die NS-Führung laufend über die „Rote Kapelle“, wie der von Abwehr und Gestapo benutzte Fahndungsname der Gruppe lautete. Sie ordnete diese Widerstandsstruktur „wider besseres Wissen und zur eigenen Reputation dem sowjetischen Spionagenetz in Westeuropa zu“342, obwohl nur sporadische Kontakte dorthin bestanden. Bis März 1943 wurden mehr als 90 Personen angeklagt, 50 von ihnen wurden zum Tode verurteilt, darunter 20 Frauen. Der erste Prozess vor dem Reichskriegsgericht gegen die Ehepaare Harnack, Schulze-Boysen und Schumacher sowie fünf weitere Angeklagte endete am 19. Dezember 1942 mit zehn Todesurteilen, Hitler bestätigte die Urteile und verfügte die sofortige Vollstreckung. Für vier Angeklagte ordnete er den Tod durch den Strang an, die Zuchthausstrafen gegen Mildred Harnack und Erika von Brockdorff ­sollten neu verhandelt werden. Mitte Januar 1943 wurden auch die beiden Frauen zum Tode verurteilt. In nachfolgenden Verfahren ergingen weitere Todesurteile. Am 21. Juli 1943 lehnte Hitler 17 Gnadengesuche ab.343 Ernst von Harnack wurde erst nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler verhaftet und schließlich am 5. März 1945 in Plötzensee hingerichtet. Einige Straßen in Deutschland sind nach ihm be171

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nannt. Auch sein Vetter Arvid wird etwa in Jena mit einer Straße geehrt. Nach Elisabeth Schumacher ist eine Straße in Darmstadt benannt. Engagierte Bürger setzten sich außerdem dafür ein, an den Geburtshäusern der beiden hingerichteten Widerstandskämpfer Gedenktafeln anzubringen. So wurde im Jahr 2001 unter anderem auf Initiative der Darmstädter Geschichtswerkstatt eine Tafel am Geburtshaus von Arvid Harnack in der Hochstraße 68 angebracht. Die Eigentümer des Elternhauses von Elisabeth Schumacher in der Schlossgartenstraße 69 hingegen lehnten eine Gedenktafel an ihrem Haus ab.344

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Bilthoven/Niederlande, Reformschule – Hein Herbers „Walter: Lill, in deinen Augen sieht man ganz hinten jemand um Hilfe rufen. Es ist, als ob einer sehr weit weg mit einer Laterne winkt, sehr weit weg, Lill, in deinen Augen.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen 345

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wei Gebäude bilden einen Kontrast, der stärker nicht sein könnte. Auf der einen Seite ein wuchtiger und kantiger Verwaltungsbau in Düsseldorf, der den Berliner Herrschaftsan-

spruch in den preußischen Rheinprovinzen symbolisiert. Als Kontrast ein lichtdurchflutetes, niederländisches Schulgebäude im Grünen. Der eine Bau wäre der Dienstsitz von Gustav Kettel gewesen, wenn der Umsturz vom 20. Juli 1944 erfolgreich gewesen wäre. Das andere Haus drückt so etwas wie eine konkrete Utopie aus, es ist ein Sehnsuchtsort, den Kettel immer nur für kurze Momente aufsuchen kann. Das Düsseldorfer Gebäude, heute Sitz einer nordrhein-westfälischen Bezirksregierung, wird kurz vor dem Ersten Weltkrieg als ­repräsentativer Sitz der königlich preußischen Regierung zu Düsseldorf eingeweiht. Der neobarocke Bau umfasst sechs Gebäude­ flügel mit drei Innenhöfen. Kettel soll hier nach einem erfolgreichen Attentat auf Hitler kommissarisch die Verwaltung des Regierungspräsidiums übernehmen. Das wird vor dem 20. Juli 1944 bei 173

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konspirativen Treffen der pazifistisch-sozialistischen Widerstandsgruppe bei Karl Limper in Dortmund, in der Wohnung von Ernst Müller und bei Kettel in Essen besprochen.346 Kettel zählt seit Mitte der 1930er-Jahre zu dieser Widerstandsgruppe, der unter anderem Paul und Minna Sattler, Franz Klupsch, Karl Limper, Emil Figge, Ernst Müller, Friedrich Kayser, Wilhelm und „Li“ Gersdorff und Karl Nacken angehören.347 Damals musste er Bad Ems verlassen und der Versuch, zu seinem engen Freund, dem Pädagogen Hein Herbers, nach Holland zu gelangen, scheiterte. Herbers ist bereits 1934 in die Nähe von Utrecht emigriert, um dort an der Bilthovener Reformschule des „antikapitalistischen Bildungsreformers“ Kees Boeke und seiner Frau Betty Boeke348 zu ­unterrichten. Die Ziele der Reformschule  – stark individualisierte Bildung, Erziehung zur Selbstständigkeit beim Lernen und Förderung eines ausgeprägten Gemeinschaftssinns – sind für den Sozialisten Herbers Grund genug, das nationalsozialistische Deutschland zu verlassen, wo er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Für Hein Herbers war Bilthoven ein biografischer Glücksfall. Er bekam schon gegen Ende der Weimarer Republik wegen seines konsequenten Eintretens für den Pazifismus Ärger mit den deutschen Schulbehörden. Kurt Tucholsky griff den Konflikt 1932 unter seinem Pseudonym Ignaz Wrobel in der Weltbühne auf: „Der Studien-Assessor Hein Herbers in Kassel hat Kummer mit seiner Schulbehörde, weil er im Anderen Deutschland einen volkstümlichen, klaren und wirksamen Pazifismus getrieben hat. Das können sie ihm nicht verzeihen.“349 Tucholsky wünscht Herbers am Ende seines Artikels, „daß er etwas sehr Seltenes“ finde, „faire Beamte, die sein Streben nach Wahrheit und Sauberkeit und seinen Kampf für den Frieden so aufnehmen, wie er gemeint ist.“350 Diese wohlwollende Schulaufsicht fand Herbers an der Reformschule in Bilthoven. Zwar geriet auch Schulgründer Boeke verschie174

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dentlich mit dem niederländischen Staat in Konflikt, weil er etwa wegen der Rüstungsausgaben die Steuern verweigerte351, andererseits erzielte er große öffentliche Wirkung. Die niederländische ­Königin schickte gar die Thronfolgerin auf die Schule nach Bilt­ hoven. Und das niederländische Kabinett arbeitete vor dem Krieg, offenbar auf Anregung Boekes, einen Gesetzentwurf zur Kriegsdienstverweigerung aus religiösen Gründen aus.352 Herbers hielt schon seit Anfang der 1920er-Jahre Kontakt zu ­Boekes Tochter Charlotte. Beide kannten sich aus internationalen pazifistischen Jugendlagern, 1923 nahm Herbers auf Einladung von Charlotte an einer sogenannten „Deutsch-Französischen Versöhnungswoche“ in Bilthoven teil.353 Herbers lebte damals ­ noch im münsterländischen Warendorf. Herbers und Charlotte Boeke begannen eine Brieffreundschaft. Herbers bezeichnete die am 3. Oktober 1904 in Noorderwijkerhout geborene Niederlän­ derin als eine „ferne Geliebte“.354 Zu Beginn der 1930er-Jahre war der Kontakt aber offenbar ziemlich eingeschlafen. Später wurde die Freundschaft durch einen persönlichen Besuch Charlottes bei Herbers in Kassel wieder aufgefrischt, was später die Vermittlung einer Stelle für Herbers an der Privatschule in Bilthoven zumindest erleichterte.355 In den Niederlanden stieß der Exilant Herbers auf wohlmeinende Kollegen.356 In den ersten beiden Jahren fand er Aufnahme im Internat von Jan und Jet Kirpenstijn, die ihm ein Gefühl der Geborgenheit vermittelten.357 Gustav Kettel wollte ebenfalls in diesen Rückzugsraum zu seinem Freund in Bilthoven, war die Lage für ihn im nationalsozialistischen Deutschland doch extrem gefährlich geworden. Eine Zeitzeugin namens Margot Pfeffer, die sich vor 1933 offenbar in der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) engagierte hatte, erinnert sich Jahrzehnte später an das, was Kettel 1933 widerfuhr: 175

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„Im August 1933 musste Gustav aus Ems verschwinden und kam nach Dresden, meiner Geburtsstadt, wo ich damals lebte. Mangels Besserem brachte ich ihn zunächst mal in einem Mansardenzimmer unter, das ich gemietet hatte, um die Überbleibsel des Dresdner SAP-Büros aufzubewahren. Meine Freundin Ella, eine Arbeiterin, wohnte auf derselben Etage. Das war meine Dummheit, die wir alle schwer zu büßen hatten. Gustav fiel im Haus auf, wurde der Polizei gemeldet und schon in der ersten Nacht verhaftet. Mit dem Equipment im Zimmer beschuldigte man ihn des Hochverrats. Man verhaftete ihn, Ella und gegen Morgen meine Schwester und mich. Da er ja wirklich keine anderen Verbindungen in Dresden hatte, wurde er nach sicher schwierigen Vernehmungen wieder freigelassen und verschwand schleunigst aus Dresden. Ella und meine Schwester waren in einigen Wochen wieder frei, ich blieb über Untersuchungshaft, Prozess und Strafe bis 1935 im Gefängnis.“358

Kettel versuchte daraufhin, vom Ruhrgebiet aus über die Grenze nach Holland zu Herbers zu gelangen. Niederländische Grenzpolizisten verweigerten ihm jedoch die Einreise, weil er nicht über genügend Barvermögen verfügte.359 Kettel kam dann in dem abgelegenen „Frauenberger Hof“ bei Brohl in der Eifel unter. Dort bewirtschaftete eine enge Freundin von Herbers, Mathilde Gantenberg (1927–1933 Stadtverordnete des Zentrums in Bad Kreuznach), gemeinsam mit mehreren anderen von den Nationalsozialisten ­ zwangspensionierten Studienrätinnen einen landwirtschaftlichen Betrieb. Über die harte körperliche Arbeit vergaß Kettel ein wenig seine schwierige politische Lage. Doch bald schon kehrte Gustav Kettel ins Ruhrgebiet zurück. Den Kontakt mit Herbers in den Niederlanden hielt er jedoch aufrecht, gemeinsam organisierte man illegal ab 1936 grenzüber­ greifende Unterstützung für die Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg. In dieser Zeit reiste Kettel dann schließlich doch nach Bilthoven, wo er Herbers traf.360 176

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In dem Fragebogen, den Kettel 1946 für die Alliierten ausfüllte, bestätigte er die engen Kontakte in die Niederlande, die er bis kurz vor dem 20. Juli 1944 pflegte. Umgekehrt fuhr Herbers regelmäßig über die Grenze nach Deutschland, wo er Kontakt zu seinen dor­ tigen politischen Freunden hielt, Kurierdienste übernahm, anti­ faschistisches Propagandamaterial einschleuste, gefährdete Personen unterstützte und sich an Planungen für ein neues Deutschland nach dem Krieg beteiligte.361 Auch zu Edo Fimmen, dem Sekretär der Internationalen Transportarbeiter-Föderation, hielt Herbers die Verbindung. Lisa Klemm, Herbers’ Verlobte aus Kasseler Zeiten, suchte sich damals eine Arbeitsstelle in der Nähe von Bilthoven. Nachdem sie in Den Haag Arbeit gefunden hatte, heiratete sie Hein Herbers am 7. August 1936.362 Im Ruhrgebiet pflegte er intensiven Kontakt zu einem pazifistisch geprägten Dortmunder Widerstandskreis um das Ehepaar Gersdorff, den alten Freund Friedrich Kayser und Ernst Müller, zu dem auch Gustav Kettel stieß. Neben Kettel fuhren auch andere Mitglieder dieser Gruppe regelmäßig über die Grenze in die Niederlande. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wurde Li Gersdorff 1938 bei einer ihrer Kurierfahrten von der deutschen Grenzpolizei festgehalten, verhört und misshandelt. Eine Vernehmung durch die Gestapo verhinderten ihr Mann und Ernst Müller, der jedoch zusammen mit Friedrich Kayser im Oktober 1938 zur Gestapo zitiert wurde. Nach Misshandlungen versicherte er schriftlich, „keine landesverräterischen Beziehungen zum Ausland zu unterhalten“.363 Die Gruppe blieb intakt. Herbers versuchte ab 1939 aus Sicherheitsgründen, die niederländische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Die bekam er jedoch erst 1945: Nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande im Mai 1940 wurde er zusammen mit niederländische Nationalsozialisten, Anarchisten, Trotzkisten, Antimilitaris177

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ten eine Zeitlang interniert, wurde allerdings noch vor der Kapitulation der Niederlande wieder freigelassen.364 Der calvinistische Polizei-Brigadier von Bilthoven vernichtete die Papiere von Hein Herbers noch vor dem Einmarsch der deutschen Truppen. Herbers hatte sich gut assimiliert: „Seine Mitarbeiter und Schüler vergaßen sogar, dass er kein Niederländer war.“365 Allerdings versuchte Herbers, sich während der deutschen Besatzung so wenig wie möglich auf der Straße zu zeigen. Dennoch erfassten ihn die deutschen Besatzungsbehörden und stellten ihm einen Musterungsbefehl zu. Dem Pazifisten gelang es, eine Tuberkulose-Erkrankung vorzutäuschen, woraufhin er als nicht kriegsverwendungsfähig eingestuft wurde. Nach Kriegsbeginn musste auch Gustav Kettel in Deutschland damit rechnen, an die Front geschickt zu werden. Er schaffte es, im August 1941 eine Anstellung als Rechnungsprüfer bei der Firma Krupp in Essen zu bekommen und damit vom Kriegsdienst zurückgestellt zu werden. Doch er gab die Tätigkeit bald wieder auf, um sich auf seine eigene Handelsfirma zu konzentrieren, die ihm die Möglichkeit bot, unter dem Vorwand, Küchengeräte zu verkaufen, Reisen unter anderem auch nach Holland zu unternehmen.366 Kettel und Herbers unterrichteten sich während der NS-Zeit fortlaufend gegenseitig über die politische Situation in den jeweiligen Ländern. Kettel überbrachte seinem Freund gesammelte Gelder, um damit Lebensmittel für Inhaftierte, deren Familien und mittellose Juden, aber auch niederländische Widerstandskämpfer zu kaufen.367 Im Nachlass Kettels findet sich eine „Bescheinigung“ von Herbers vom 10. Mai 1950, in der er über dessen damalige Untergrundaktivitäten schreibt: „Je länger desto mehr kam er während des Krieges mit anderen Gruppen des Widerstandes in Berührung. Temperament und Intellekt machten ihn für diese Tätigkeit besonders geeignet: eine für einen Deutschen sehr seltene Mischung von 178

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Wagemut und kühler Berechnung, Unabhängigkeit von allen materiellen Dingen bei gleichzeitiger kaufmännischer Anlage.“368 Im Juli 1942 reiste Herbers wieder einmal aus den Niederlanden ins Ruhrgebiet, um Mitglieder der dortigen Widerstandsgruppe zu treffen. Zu dieser Zeit nahm Kettel unter dem Decknamen „Camp­ hausen“ seine Kurierdienste für das Leuschner-Netzwerk Richtung Rhein-Main-Gebiet auf. Hein Herbers blieb nach dem Krieg Lehrer in der Reformschule in Bilthoven. Er wurde in den Nachkriegsjahren sogar Mentor der Kronprinzessin Beatrix, die gemeinsam mit ihren Schwestern die Schule besuchte. Im Jahr 1966 äußert er sich kritisch dazu, dass der Widerstand gegen Hitler in der öffentlichen Rezeption bis dato zu sehr auf die Militärs reduziert worden sei.369 Kettel und Herbers, die ihre Widerstandsaktivitäten überlebten, blieben zeitlebens enge Freunde. Sie besuchten sich gegenseitig in Bilthoven und Königswinter, kurten gemeinsam oder reisten zur Tagungsstätte des Internationalen Arbeitskreises Sonnenberg nach St.  Andreasberg im Oberharz. Auch brieflich blieben sie immer in Kontakt.370 Hein Herbers starb am 21. August 1968 in Bilthoven. Gustav ­Kettel überlebte seinen Freund um 15 Jahre. In das Gebäude der einstigen königlich preußischen Regierung zu Düsseldorf, in dem er nach dem Sturz Hitlers das Rheinland verwalten sollte, war er nie eingezogen.

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Oppenheim am Rhein, öffentlicher Platz – Jakob Steffan „Der gute Nachbar taucht im Nebel auf, sieht sich um, pfeift leise und winkt unauffällig. Man hört entfernt denselben Pfiff. Er pfeift noch ­einmal. Der ferne Pfiff wiederholt sich.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen371

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it Untergründigem kennt man sich seit Langem aus in Oppenheim. Denn unter der rheinhessischen Stadt 15 Kilometer südlich von Mainz wurde schon im Mittelalter ein

verzweigtes unterirdisches Kellersystem angelegt, in dem Waren aus ganz Europa eingelagert werden konnten. Diese unterirdische Stadt ist heute eine Touristenattraktion. Doch erfreulicherweise erinnert man sich in Oppenheim auch an Jakob Steffan, der für einen Untergrund ganz anderer Art steht. Nach ihm ist in der Stadt ein Platz benannt – eine Ehre, die Heidelberg und Frankfurt am Main den Widerstandskämpfern Emil Henk und Christian Fries auch heute noch verwehren. Jakob Steffan, der Oppenheimer Mitverschwörer des 20. Juli 1944, verbrachte seine Freizeit vor 1933 nicht in dem Kellerlabyrinth seiner Heimatstadt, sondern über der Erde, in seinem Gartenhaus. Doch seine Freude an Gemüsebeeten wurde gegen Ende der Weimarer Republik jäh getrübt. Denn die Mainzer Tageszeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 26. Februar 1932 unter der Überschrift 180

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„Nazi-Überfall in Oppenheim“ von einem Sprengstoffanschlag auf Steffans Gartenhaus: „Am Dienstagabend gegen Viertel nach acht Uhr wurde plötzlich ein schwerer dumpfer Knall vernommen und bald darauf konnte festgestellt werden, dass in dem Gartenhäuschen des bekannten372 sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Jakob Steffan ein Sprengkörper explodiert war. Das Gartenhäuschen ist massiv aus Stein gebaut. Durch die Detonation sind die Fenster am Hause Steffans zertrümmert worden. Auch an einigen Stellen der Decke wurde das Mauerwerk des Hauses beschädigt. Desgleichen haben die Möbel einen Schaden genommen.“373

Die SPD-kritische Zeitung berichtete missbilligend, Steffan habe sogleich eine Protest-Kundgebung des sozialdemokratischen Reichsbanners organisiert. Steffan hatte die Politik der Nationalsozialisten im hessischen Landtag mehrfach hart angegriffen. Der Anschlag auf sein Gartenhaus war wohl die Quittung. So hatte Steffan wenige Monate vor der Explosion versucht, NSDAP-Abgeordnete, die in den sogenannten „Boxheim-Skandal“ verwickelt waren, aus dem Landtag entfernen zu lassen. Es ging um Pläne für eine gewaltsame Machtübernahme durch die SA und eine anschließende Regierung mittels „Notverordnungen“, die der NSDAP-Funktionär Werner Best im Sommer 1931 verfasst und auf dem „Boxheimer Hof“ bei Lampertheim in Südhessen mit einigen Parteifreunden diskutiert hatte.374 Best hatte diese Pläne angeblich als Reaktion auf einen möglichen Aufstandsversuch der Kommunisten entworfen. Offiziell distanzierte sich Hitler von diesen Plänen. Aber: „Das Bestsche Szenario verlieh […] den Gewaltphantasien der Rechten ein legalistisches Gewand, indem es die Rechtsdiktatur zur defensiven Notstandsmaßnahme stilisierte und so radikales, brutales Handeln und die Wahrung der 181

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rechtlichen Form miteinander verband.“375 Was Best gedanklich skizziert hatte, nahm im Frühjahr 1933 in Reichstagsbrand und Reichstagsbrandverordnung konkrete politische Formen an. Die südhessischen Aufstandspläne des NS-Juristen Best werden jedoch ein Jahr zuvor verraten. Denn an der Besprechung im „Boxheimer Hof“ hatte auch der Offenbacher NSDAP-Chef Wilhelm Schäfer teilgenommen. Schäfer war ebenfalls Landtagsabgeordneter des „Volksstaates Hessen“ in Darmstadt. Irgendwann wurde bekannt, dass seine Promotions-Urkunde gefälscht war und er der Partei auch einige Vorstrafen verschwiegen hatte, als er ins Parlament einzog. Best, zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der NSDAPFraktion im Darmstädter Landtag, zwang Schäfer zum Rücktritt. Rachsüchtig übergab Schäfer daraufhin Bests Umsturzpläne der sozialdemokratisch geführten hessischen Polizei. Die politisch Verantwortlichen  – Hessens Innenminister Leuschner, sein engster Mitarbeiter Mierendorff und Preußens Innenminister Severing  – erkannten sogleich die politische Brisanz der Papiere, die belegen, dass die Nationalsozialisten vorhatten, die politische Macht gewaltsam zu erobern. Was Hessen betraf, so konnten damit die Koalitionsabsichten von Zentrum und NSDAP konterkariert werden.376 Die beiden Parteien verfügten über 37 von 70 Sitzen. Eine Ablösung der alten Regierung mit SPD-Beteiligung stand bevor. Die „Boxheimer Dokumente“ kamen den hessischen Sozialdemokraten also gerade recht, um diese neue Koalition zu verhindern.377 „Hessen soll das Versuchsland für den deutschen Faschismus werden“ titelte die hessische sozialdemokratische Volkszeitung am 26. November 1931: „Am gleichen Tag wurden die Büros der hessischen NSDAP-Gauleitung in Darmstadt auf Veranlassung Leuschners durchsucht und dabei unter anderem die Durchschriften des Briefes von Best an die Parteileitung vom 6. September des Jahres 182

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gefunden. Damit war die Verbindung von Best zur NSDAP-Spitze belegt.“378 „Boxheim“-Autor Werner Best wurde zwei Tage später vom Staatsdienst suspendiert und kurzzeitig auch von seinen ­NSDAP-Parteiämtern beurlaubt. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden ein Jahr später mit der Begründung eingestellt, die in den Dokumenten genannten Szenarien zur braunen Machtübernahme seien gegen ein revolutionäres kommunistisches Regime gerichtet gewesen, nicht jedoch gegen die rechtmäßige Regierung, weshalb es sich nicht um Hochverrat handele. Am 10. Dezember 1931 lehnte die hessische Zentrumspartei eine Koalition mit den Nationalsozialisten ab. Die alte Regierung mit SPD-Beteiligung und Wilhelm Leuschner als Innenminister blieb als Minderheitenregierung. Zwei Tage zuvor hatte Jakob Steffan im hessischen Landtag versucht, die NSDAP-Fraktionsmitglieder, die in den Box­ heimer Skandal verwickelt waren, aus dem Parlament ausschließen zu lassen. Das Protokoll der Landtagssitzung vom 8. Dezember 1931 dokumentiert die aggressive Stimmung, die wenige Wochen später in dem bereits erwähnten Sprengstoffanschlag auf das Gartenhaus des SPD-Abgeordneten gipfelte: „Abg. Steffan: Die sozialdemokratische Fraktion stellt fest, dass in die Boxheimer Hochverratsaffäre verwickelte Führer der NSDAP im Landtage anwesend sind, obwohl nach einer Erklärung Hitlers während der parteiamtlichen Untersuchung die Ämter der Beschuldigten ruhen sollen. Es ist eine Zumutung für die republikanischen Abgeordneten (Lachen und Lärm bei den Nationalsozialisten) mit derart gegen den Volksstaat schwerbelasteten Personen […] (Lärm bei den Nationalsozialisten – Lebhafte Zurufe). Tut Ihnen das so weh? (Unruhe – Glocke des Präsidenten). Abg. Lenz [Gauleiter der NSDAP von Hessen-Darmstadt 1931 bis 1932], Darmstadt: Nein, das wird Ihnen eines Tages noch wehtun, alter Freund! (Große Unruhe – Glocke des Präsidenten).

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Abg. Steffan: Es ist eine Zumutung für die republikanischen Abgeordneten (Zurufe links: Sehr richtig! – Lärm rechts) mit derart gegen den Volksstaat schwerbelasteten Personen in einem Raum sitzen zu müssen (Lärm und Lachen bei den Nationalsozialisten.  – Rufe: Es sitzen hier noch anständigere Leute als Sie  – große Unruhe). Wir erwarten, dass eine unnachsichtige Verfolgung in der Hochverratsaffäre den Schutz der Bevölkerung gegen Gewalt und Morddrohungen baldigst sicherstellt. (Rufe rechts – Oppenheim).“379

Gegen Steffan hatte es bereits vor dieser hitzigen Parlamentsdebatte öffentliche Drohungen gegeben.380 Wenige Wochen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Steffan in „Schutzhaft“ genommen. Es folgten lange Jahre der Haft – ab 1936 auch im Konzentrationslager Dachau, wo er geschlagen und gequält wurde.381 Im Jahr 1940 kam Steffan unter strengen Auflagen auf freien Fuß. Nach Oppenheim durfte er jedoch nicht zurückkehren, weil er sich täglich bei der Gestapo in Mainz zu melden hatte: „Als ich dann nun am 20. April 1940 probeweise von Himmler entlassen wurde, ist einige Tage nachher unser lieber Freund, Staatsrat Ludwig Schwamb, im Auftrag von Wilhelm Leuschner zu mir gekommen und hat mir in dessen Auftrag die Frage gestellt: Bist du bereit, an einer illegalen Organisation teilzunehmen? Die Frage war für mich natürlich nur mit Ja zu beantworten.“382

Dass Steffan sich täglich bei der Gestapo melden musste, war keine günstige Voraussetzung für seine Beteiligung an der Konspiration gegen Hitler. Doch nach „sechs Wochen ungefähr habe ich dann meine illegale Tätigkeit aufgenommen“, berichtet er nach dem Krieg: „Ich hatte den Auftrag, den 12. Wehrkreis, der von Wiesbaden bis Heidelberg ging, zu bearbeiten. Wir haben uns im Laufe der Zeit zusammengefunden, zusammengeschlossen und es waren in dem von mir

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Jakob Steffan war von Leuschner damit beauftragt, im Städtedreieck Heidelberg – Mainz – Frankfurt die konspirativen Strukturen zu verknüpfen.

bearbeiteten Wehrkreis 10 000 Menschen! In jeder Gemeinde, in jeder Stadt waren Stützpunkte. Es waren meine Mitarbeiter aus allen Schichten, von mir gesucht und auch gefunden worden. Ich hatte Beziehungen aufgenommen zu Leuten, die der Zentrumspartei angehörten, der Demokratischen Partei angehörten. Es waren auch Leute dabei, die früher politisch gar nicht gebunden waren. Ich habe mit evangelischen und katholischen Geistlichen geredet, mit Offizieren, ich habe mit Leuten aus dem Mannschaftsstand zusammengearbeitet. Ohne Rücksicht darauf, zu fragen, welches politisches Glaubensbekenntnis haben die.“383

Zehntausend aktive Verschwörer gegen Hitler allein in dem Gebiet zwischen Frankfurt, Mainz und Heidelberg? Emil Henk spricht in seiner bereits 1946 verfassten Schrift Die Tragödie des 20. Juli 1944 von „tausend zuverlässigen Männern“ im „Main-Neckar-Gebiet“, 185

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die allerdings noch jeweils einen „politischen Massenhintergrund“ gehabt hätten: „Es war die Avantgarde. Hinter jedem einzelnen Mann standen allerdings griffbereit mindestens weitere zehn aktive Kämpfer. Man kann also sagen, dass allerwenigstens 10–15.000 Männer in diesem Bereich Anfang Juli 44 zur Aktion bereit standen. Trotz Terror und trotz der Schwierigkeiten, die der Krieg mit sich brachte: eine so ungewöhnlich große politische Gruppe stand zum Eingreifen bereit und sie schuf damit eine vorrevolutionäre Situation, einfach durch Aktivierung und Bereitstellung. Man musste notgedrungen auf eine echte revolutionäre Situation verzichten.“384

Jakob Steffan unterstreicht, dass er „in ständiger Fühlung mit Ludwig Schwamb gestanden“ habe. Darüber hinaus traf er regelmäßig den „ehemaligen Reichswehrminister Noske, der in FrankfurtSachsenhausen seinen Wohnsitz hatte“. Schwamb, Noske und Steffan besprachen „in stundenlangen Spaziergängen im Wald“ zwischen dem Frankfurter Süden und Neu-Isenburg ihre Pläne.385 „Wir haben uns gegenseitig Informationen gegeben, haben Informationen entgegen genommen. Und: Nachdem ich nun alle diese einzelnen Stützpunkte geschaffen hatte, erhielt ich von Ludwig Schwamb am 9. Juli in Frankfurt von Wilhelm Leuschner die Weisung, meine Arbeit nun mehr abzuschließen und auf das Signal am Tag X zu warten. Meine Frage: Wann ist der Tag X? Mitte August. Für uns war auch deswegen das Attentat vom 20. Juli eine Überraschung. Wir haben mit einem späteren Zeitpunkt gerechnet.“386

Steffan umreißt die Rolle, die der Frankfurter Kripobeamte Christian Fries am Tag X spielen sollte: „In der Zwischenzeit aber hatte ich die Arbeit in Frankfurt zum Beispiel in die Hände eines jetzigen Kriminaldirektors gegeben, der mit seinen Polizeibeamten, die auf 186

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dem Boden der Demokratie standen, mit Soldaten die Fühlung aufgenommen hatte. Er hatte von mir den Auftrag und er hat ihn angenommen, am Tag X die Gauleitung unschädlich zu machen.“387 Nach dem Scheitern des Attentats wurde Steffan zunächst nicht verhaftet. Erst im Zuge der Aktion „Gitter“ oder auch „Gewitter“ gegen ehemalige Funktionsträger von SPD, KPD und Zentrum im August 1944 wurde er ohne konkreten Verdacht festgesetzt, konnte die Mainzer Dienststelle der Gestapo nur Stunden später aber wieder verlassen, nachdem die dort Dienst tuenden Gestapobeamten, die insgeheim mit ihm kooperierten, ihn zu seinem Schutz als ­V-Mann registriert hatten.388 Nach seiner Freilassung tauchte Steffan bis zum Ende der NS-Diktatur bei der Mutter seines einstigen Mithäftlings im KZ Dachau, Adolf Diehl, in Spiesheim bei Alzey unter. Nach Kriegsende übernahm Steffan noch einige Jahre lang als Innen- und Sozialminister in den Regierungen des neuen Bundeslandes Rheinland-Pfalz politische Verantwortung. Und er kümmerte sich darum, dass seine Mitverschwörer die Entnazifizierungsverfahren, denen sie sich teilweise stellen mussten, überstanden. „Lieber Freund Steffan“, schreibt Christian Fries am 19. Mai 1947, „ich danke ihnen […] heute schon für ihren persönlichen Einsatz zur Durchführung meiner Rehabilitierung und verbleibe in alter Treue.“389

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Undenheim, Wohnhaus und Friedhof – Ludwig Schwamb „Die Deutschen haben einen wilden Geruch in diesem Krieg, aber zuweilen wittre ich einen Menschen darunter, das ist unser Mann. Wie steht es mit ihm?“ Günther Weisenborn, Die Illegalen 390

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einhold Sittel hat recht. Der SPD-Altbürgermeister der rheinhessischen Gemeinde Undenheim weist 2015 in der regionalen Allgemeinen Zeitung den Vorwurf zurück, die Kommune

habe sich nicht früh genug um das Andenken an den gebürtigen Undenheimer Ludwig Schwamb gekümmert.391 Ein Leserbriefschreiber ist damals der Meinung, Nazis hätten im Nachkriegsdeutschland die Erinnerung an eines der führenden Mitglieder des LeuschnerNetzwerkes im Südwesten politisch blockiert. Sittel erinnert daran, dass sein Vater 1945 von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt wurde: „Unser Gemeinderat hat 1945, wenige Tage nach Befreiung von der Nazi-Herrschaft, die schönste und größte Straße des Dorfes, einstimmig zur Staatsrat-Schwamb-Straße umgewidmet.“392 Diese Umbenennung einer örtlichen Hauptstraße zum Gedenken an einen der Verschwörer des 20. Juli 1944 dürfte deutschlandweit eine der frühesten Nachkriegsehrungen für die gescheiterten Hitler-Attentäter gewesen sein. Bereits am ersten Todestag Schwambs, dem 23. Januar 1946, sei dann von dem politischen Mitverschwörer 188

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und damaligen SPD-Innenminister Jakob Steffan „im Beisein vieler Persönlichkeiten“ ein Gedenkstein auf dem Grab der Eltern Ludwig Schwambs enthüllt worden.393 Immer wieder habe es in FünfJahres-Abständen Gedenkveranstaltungen für Schwamb gegeben. Am 30. Juli 1990, seinem 100. Geburtstag, sei eine Bronzetafel an Schwambs Elternhaus, der Staatsrat-Schwamb-Straße 55, enthüllt worden. Im Jahr 2015 schließlich – seinem 70. Todestag – wird auf dem Friedhof von Undenheim ein Ehrenmal für den von den Nationalsozialisten hingerichteten Widerstandskämpfer errichtet. Es ist vor allem Elisabeth Schwamb, die nach dem Krieg die Erinnerung an ihren Mann wachhält, der am 23. Januar 1945 hingerichtet und in einem Massengrab verscharrt wurde: „Sie schrieb ihre Erinnerungen zu den ihr bekannten Widerstandskämpfern nieder (u. a. für Ricarda Huchs Lebensbilder), unterhielt gute Verbindungen zu Überlebenden des Widerstandes, nahm regelmäßig an Gedenkfeiern teil und kritisierte öffentlich die oftmals nahtlose gesellschaftliche Rehabilitierung ehemaliger Täter.“394 Emil Henk widmet seine Schrift Die Tragödie des 20. Juli 1944 neben Theodor Haubach, Carlo Mierendorff, Wilhelm Leuschner und Adolf Reichwein auch explizit Ludwig Schwamb. Die Zentrale des „am besten organisierten Gebiet[s]“, der Region „zwischen Kassel und Heidelberg“, habe sich in Frankfurt am Main befunden, und geleitet worden sei sie von Ludwig Schwamb: „Er gehörte zum Kreisauer Kreis und arbeitete besonders eng mit Leber zusammen. Schwamb war ein ernster, entschlossener und stiller Mann. Er war Sozialist und ausgesprochen religiös. Seine Tätigkeit war so unauffällig, dass Leuschner ihn zu den schwierigsten Aufgaben heranzog“.395 Schwamb verhandelte laut Henk „im Auftrag der Berliner Zen­ trale“ mit den Wehrkreiskommandeuren, gewann Leute wie den durch die Misshandlungen im KZ fast erblindeten Jakob Steffan sowie Ludwig Bergsträsser für die Umsturzplanungen: „Schwamb 189

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setzt zum Leiter der nordhessischen Illegalität den heutigen Bezirkssekretär der Frankfurter Gewerkschaften, Richter, ein.“396 Schwambs Heimatort Undenheim gehört heute zur rheinlandpfälzischen Verbandsgemeinde Rhein-Selz, zu der auch die Städte Nierstein und Oppenheim zählen. Laut Henk gab es auch in diesen kleinen Weinorten lokale Kontaktpersonen des Leuschner-Netzes, und selbst in Weilern wie Nieder-Olm bei Mainz oder Dolgenheim hätten Leute bereitgestanden, um nach einem geglückten Attentat auf Hitler die Macht zu übernehmen. Die Tatsache, dass in Undenheim nach Kriegsende die Hauptstraße nach Ludwig Schwamb benannt wurde, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass auch hier örtliche Sozialdemokraten oder Gewerkschafter sehr wahrscheinlich zu den „Unterirdischen“ gehörten, wie Henk die Mitglieder der Leuschner-Konspiration auch bezeichnet. Ludwig Schwamb war im Kreis der zivilen Verschwörer des 20. Juli 1944 eine zurückhaltende, aber eindrucksvolle Persönlichkeit, glaubt man den Worten Emil Henks in einem SW-Radio-Feature aus den 1950er-Jahren: „Der stillste Mann von allen ist Schwamb gewesen. Ein Mann wie Mierendorff ist im Profil sofort erkennbar gewesen als ein ausgesprochener und sichtbarer Charakter. Ein Mann wie Schwamb, bei dem musste man den Weg finden und dann  – ja, Nietzsche hat einmal gesagt, es gibt Menschen, wenn sie die Augen aufmachen, dann scheint es drinnen wie Gold – das kann man für ihn auch sagen.“397

Mit Ludwig Schwamb steht vor dem gescheiterten Staatsstreich des 20. Juli 1944 wohl auch Heinrich Maschmeyer in engem Kontakt. Maschmeyer war der sogenannte „Stützpunkleiter“ des LeuschnerWiderstandsnetzes in Wiesbaden. Doch anders als im Falle Schwambs gibt es im gesamten Rhein-Main-Raum offenbar keine einzige Maschmeyer-Straße. Dass der zivile Wiesbadener Kopf des 190

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20. Juli im Rhein-Main-Gebiet nicht ganz vergessen ist, ist dem Wiesbadener Stadthistoriker Axel Ulrich zu verdanken.398 Der am 14. Juni 1885 in Frankfurt-Oberrad geborene Heinrich Maschmeyer war, wie der in seiner Heimatstadt aktive saarländische Mitverschwörer Christian Fries, Polizist. Offenbach war vor dem Ersten Weltkrieg die erste Station seiner Polizeikarriere, bereits vor Kriegsbeginn wurde Maschmeyer in der Nachbarstadt seines Geburtsortes Kommissar. Er überlebte den Krieg als Soldat und trat kurz nach Kriegsende in die SPD ein. Im Jahr 1930 wurde er ­Polizeidirektor von Worms, 1933 gehörte er zu den ersten, den die Nationalsozialisten in dem nur wenige Kilometer nördlich von Worms gelegene Konzentrationslager Osthofen inhaftierten. Dort wurde Maschmeyer zusammen mit Wormser Kommunisten schwer misshandelt, später kam er im Gefängnis des örtlichen Amtsgerichts in Einzelhaft. In dieser Zeit erlitt er einen Herzinfarkt und wurde Mitte 1933 aus dem Polizeidienst entlassen, zuvor war er bereits aus politischen Gründen beurlaubt gewesen. Er zog daraufhin nach Frankfurt am Main und 1934 nach Wiesbaden.399 Den Unterhalt für seine Familie bestritt er zeitweilig durch einen Großhandel mit Lebensmitteln. Maschmeyer war nie Mitglied einer verbotenen oppositionellen Partei oder Gruppierung, engagierte sich aber gleichwohl im Leuschner-Netzwerk. 400 Anders als Schwamb wurde Masch­meyer von den Nationalsozialisten nicht entdeckt und erlebte das Kriegsende in Wiesbaden. Er starb wenige Wochen nach der Befreiung offenbar an den Spätfolgen des gesundheitlichen Schadens, den er im KZ Osthofen erlitten hatte.

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Mainz, Canisiusstraße 90 – Elisabeth Schwamb „Der Tag X scheiterte. Sie mussten nun den Weg bis zum bitteren Ende gehen. Wir wissen, dass die Opfer nicht umsonst gebracht wurden. Wollten doch die Männer des 20. Juli mit ihrem Unterfangen erreichen, dass eure Männer, liebe Hörerinnen, eure Söhne, ihre Väter wieder nach Hause kommen würden. Dass die Mütter und ihre Kinder nicht Tag und Nacht in die Keller und Bunker laufen mussten, die Angst von ihnen genommen würde. Dass die Gefangenen endlich nach Hause entlassen würden. Die Tore der KZ geöffnet würden und die Gaskammern geschlossen würden. Und dass die Städte nicht alle den Bomben zum Opfer fallen würden. Das Schicksal hat es aber anders gewollt. Wir mussten als Volk den Kelch bis zur Neige trinken. Die Männer und Frauen des guten Willens wurden von rohen Menschen zum Schweigen gebracht.“ Auszug aus einem Hörfunkinterview mit Elisabeth Schwamb aus dem Jahr 1955401

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lisabeth Schwamb spricht langsam und mit zitternder Stimme. Es ist ein beeindruckendes Tondokument, weil sich damit eine Widerständlerin des 20. Juli 1944, über die sehr

wenig bekannt ist, zu Wort meldet. Eine Frau, die nicht nur vieles weiß, sondern auch aktiv war. Die ihre eigenen Verdienste aber stets hintangestellt hat, so auch in dem obigen Hörfunkinterview. 192

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Elisabeth Schwamb wird nach dem gescheiterten Attentatsversuch zunächst ebenfalls verhaftet und versucht, sich umzubringen, möglicherweise aus Angst, unter der Folter nicht standhaft zu bleiben. 402 Der Volksgerichtshof nimmt ihren Selbstmordversuch später als Beleg dafür, dass ihr Mann Ludwig Schwamb an dem Umsturzversuch beteiligt war. Wer war Elisabeth Schwamb? Die 1897 in Marburg geborene Krankenschwester, die sich selbst als „christliche Sozialistin“ bezeichnet, heiratet 1923 Ludwig Schwamb und tritt in die SPD ein. Sie engagiert sich für die Arbeiterwohlfahrt sowie in der Kinderund Naturfreundebewegung in Oppenheim, wo ihr Mann als Regierungsrat im Finanzamt arbeitet. Im Jahr 1928 übersiedelt das Ehepaar Schwamb nach Darmstadt, wo Ludwig Schwamb unter Innenminister Wilhelm Leuschner mehrere Funktionen innehat, bis hin zum Staatsrat am Verwaltungsgerichtshof. Die glückliche Ehe der beiden bleibt kinderlos. Im Jahr 1933 wird der überzeugte SPD-Mann Schwamb aus dem Staatsdienst entlassen. Das Ehepaar zieht am 1. Juli 1934 nach Berlin, wo Ludwig Schwamb eine Stelle als Syndikus bei der Schuhfabrik Conrad Tack antritt. Die neue Adresse des Paares lautet Ravensberger Straße 6 in Berlin-Wilmersdorf, heute ein modernes Mehrfamilienhaus. Die Wohnung der Schwambs wird ab dem „Spätjahr“ 1938, wie Elisabeth Schwamb schreibt, zum Ort, an dem sich Linke, Sozialisten und andere Widerständler treffen. Natürlich kommen die Schwambs auch wieder mit der Familie Leuschner zusammen, „nach der ­ersten gemeinsamen Besprechung in unserer Wohnung in Berlin-­ Wilmersdorf, Ravensberger Straße 6“. 403 Später engagieren sich die Schwambs und die Leuschners gemeinsam im Kreisauer Kreis, als dessen Entstehungsjahr das Jahr 1940 gilt. Elisabeth Schwamb öffnet nicht nur ihre Wohnung für konspirative Treffen, sie gewährt auch von der Verhaftung Bedrohten Unter193

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Ludwig und Elisabeth Schwamb am 20. Februar 1933

schlupf und hilft anderen Widerständlern, wie ihr Großneffe Lothar Schwamb erzählt: „In der Zeit, als Julius Leber inhaftiert war, hat sie eigenmächtig mit seiner Frau Kontakt aufgenommen und sie unterstützt.“ Annedore Leber arbeitet in einer Schneiderei, um sich und ihre beiden Kinder durchzubringen. Elisabeth Schwamb lässt 194

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bei ihr schneidern, um sie zu unterstützen. „Als Julius Leber aus der Haft kam, wurde sofort Kontakt aufgenommen. Die Freundschaft hat sich sofort von einer Zweier-Beziehung zu einer Vierer-Beziehung gewandelt.“404 Zwischen den Familien Leber und Schwamb herrschte eine innige Freundschaft, dabei spielte auch ihre Herkunft eine Rolle, die Nähe zu Frankreich. Der Elsässer Julius wurde von den Freunden Jules genannt, der Rheinhesse Ludwig Schwamb Louis. Die Ehepaare unternehmen Spaziergänge, verreisen gemeinsam, etwa an die Ostsee. Die Schwambs besuchen sogar einmal die Eltern von Julius Leber im elsässischen Biesheim. Elisabeth Schwamb wird von ihrem Großneffen Lothar als stark, resolut und streitbar beschrieben. Sie war in alles eingeweiht und nahm Anfang 1943 an einem konspirativen Treffen in der Berliner Wohnung von Julius Leber teil, bei dem auch dessen Ehefrau Annedore Leber sowie Carlo Mierendorff oder Adolf Reichwein zugegen waren. „Über das Risiko ihrer Tätigkeiten waren sie sich immer bewusst, sie haben 1939 schon ein gemeinsames Testament geschrieben, wo sie sich voll bewusst waren, dass sie jederzeit auffliegen können, und dass es jederzeit zur Inhaftierung und zu noch Schlimmeren führen kann. Trotzdem war die Linie vollkommen klar. Sie müssen einen unglaub­ lichen Mut besessen haben.“405

Ludwig Schwamb sei ein „Kurier ins Reich“ gewesen, schreibt Alfred Freitag in seinen Erinnerungen an das Ehepaar Schwamb: „[…] wie oft hat der willensstarke Mann auch Mainz in den schweren Jahren besucht und bei seinen Vertrauten Einkehr gehalten. Welche Täuschungsmanöver mussten angewandt werden, um den eigent­ lichen Zweck durch geschickte Tarnung zu ermöglichen. Dazu war es nicht immer möglich, als Einzelperson den gefährlichen Weg zu gehen,

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sondern dazu half ihm auch seine Lebensgefährtin, die resolut und ohne Scheu im Dienst der guten Sache stand.“406

Elisabeth Schwamb lässt in einem Brief aus dem Jahr 1947 kurz durchschimmern, welche Aufgaben sie unter den Konspirateuren wahrnahm: „Auch Noske gehörte zu dieser Avantgarde. Er entging dem Tode durch den Henker, hat uns aber im vergangenen Herbste für immer verlassen müssen. Er war es, dem ich am 16. Juli 1944 den letzten Kurierbrief von den Freunden aus Berlin brachte. Sein Name spielte bei meinen Vernehmungen, neben denen der anderen Toten und lebenden Freunden, eine große Rolle. Sein Tod ist für uns, für die Geschichtsschreiber ein großer Verlust.“407

Drei Tage nach dem gescheiterten Anschlag auf Hitler, am 23. Juli 1944, wurde das Ehepaar Schwamb in Frankfurt am Main verhaftet. Während Elisabeth nach zehn Tagen freikam, blieb ihr Mann in Haft. Als sie ihn im August besuchen will, erfährt sie, dass er zusammen mit Gustav Noske weggebracht worden war. „Von diesem Tag an konnte ich acht Wochen lang nichts von meinem Mann erfahren, obwohl ich mehrmals wöchentlich vernommen wurde und ich kreuz und quer durch Deutschland fuhr, konnte ich nicht in ­Erfahrung bringen, wo sich mein Mann in Wirklichkeit aufhielt, ob er überhaupt noch am Leben war.“408 Mitte Oktober 1944 bekam sie ein erstes Lebenszeichen ihres Mannes aus dem Lager DrögenFürstenberg in Mecklenburg. Wochen später, es war bereits November, gelang es ihr, eine Besuchserlaubnis zu bekommen. Bei ihrer Ankunft im Lager Drögen erfuhr sie, dass ihr Mann schon seit Mitte Oktober in Berlin im Zellengefängnis in der Lehrter Straße einsaß. Sie fuhr nach Berlin und durfte ihn besuchen. „Von diesem Tage an durfte ich meinem Mann zu essen, zu rauchen und zu lesen 196

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bringen, und was das Erstaunliche war, ich durfte ihn jeden 10. Tag für eine halbe Stunde, zuweilen für eine Stunde sprechen. Bis dann der verhängnisvolle 13. Januar kam.“409 Am 13. Januar 1945 wurde Ludwig Schwamb zum Tode verurteilt. Drei Tage später schrieb er seiner Frau, die gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden war, wo sie sich wegen ihres Herzleidens behandeln lassen musste. Er bat sie, einen Besuchstermin zu vereinbaren, um die Dinge für sie nach seinem Tod zu regeln. Doch dieser Brief kam nicht an. Unterdessen vereinbarte Elisabeth Schwamb einen Besuchstermin. Ludwig Schwamb merkte, dass Elisabeth nichts von dem Todesurteil wusste. „Da brachte es dieser tapfere Mensch über sich, mir nichts zu sagen.“410 Es war der Gefängnisarzt, der sie später über das Todesurteil aufklärte. Elisabeth Schwamb formulierte umgehend ein Gnadengesuch und reichte es beim Volksgerichtshof ein, wo man sie aufforderte, das Gesuch am 23. Januar 1945 beim Reichssicherheits-Hauptamt in der Prinz-Albrecht-Straße abzugeben. Dort versicherte ihr der zuständige Abteilungsleiter Walter Huppenkothen: „Gehen sie getrost nach Hause. Das Gesuch wird Hitler vorgelegt, und ich glaube ihnen schon jetzt sagen zu können, dass das Todesurteil in Zuchthausstrafe umgewandelt wird.“411 Elisabeth Schwamb gab das Gnadengesuch zusätzlich noch im Reichsjustizministerium ab, wo man sie stundenlang warten ließ, um ihr dann das Gleiche zu sagen. Schließlich ging sie nach Berlin-Dahlem zu Dr. Alphons Gaertner, einem Volkswirtschaftler und Politiker, der in leitenden Positionen in kommunalen und sozialpolitischen Verbänden tätig gewesen war, bevor er 1933 aus seinen Ämtern entfernt wurde. Bei Gaertner waren inzwischen noch andere Freunde eingetroffen. Die Nachricht von der Hinrichtung der zehn Widerständler in Plötzensee am Morgen, darunter auch Ludwig Schwamb, war bereits durchgedrungen. Der Brief, den Ludwig Schwamb seiner Frau am 16. Januar 197

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1945 geschrieben hatte und in dem er seine Lage erklärte, wurde erst am 23. Januar bei der Post aufgegeben. Da war Ludwig Schwamb bereits tot, während seine Frau Elisabeth mit sadistischer Perfidie schikaniert wurde, man sie herumschickte und sich über sie lustig machte, sie demütigte und belog, weil man wusste oder zumindest ahnte, dass sie im Widerstandsnetz aktiv war, man ihrer aber nicht habhaft werden konnte. Am 31. Januar 1945 bekam Elisabeth Schwamb formlos und ohne Anrede das Todesurteil und den Bescheid über dessen Vollstreckung zugestellt. Darin wurde ihr verboten, eine Todesanzeige aufzugeben. Elisabeth Schwamb zieht nach dem Krieg von Frankfurt am Main nach Undenheim und beschließt, „als Referentin für die Partei, als politische Testamentsverwalterin meines Mannes, mitzuarbeiten an der Verwirklichung des Friedens, an der Völkerverständigung und nicht zuletzt an der weltweiten Jugendarbeit“. 412 Im Jahr 1946 wird sie in die Kreisversammlung des Stadt- und Landkreises Mainz gewählt, ist ab 1950 Mitglied des rheinhessischen Bezirksvorstands der SPD, arbeitet im Kreisvorstand, im Frauenvorstand und im Kulturausschuss der Partei. In den 1950er-Jahren gibt sie dann ihr politisches Engagement gesundheitsbedingt auf. „Elisabeth saß am Ende im Rollstuhl“, erinnert sich ihr Großneffe Lothar. 413 Sie zieht von Undenheim in die Canisiusstraße 90 nach Mainz-Gonsenheim, ein schlichtes zweigeschossiges Wohnhaus. Von dort aus nimmt sie an Festakten zum Gedenken an die Widerständler teil, ist dabei, wenn zwei Schulen in Darmstadt und Mainz in Ludwig-Schwamb-Schule umbenannt werden und fährt zu Hinterbliebenentreffen nach Berlin. Elisabeth Schwamb leidet an Depressionen, wie sie selbst sagt. Nach zwei Herzinfarkten stirbt sie am 20. September 1964.

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Gönnersdorf, Frauenbergerhof – Mathilde Gantenberg „Sie reisen als Kurier. In ihren zierlichen Handtäschchen halten sie tödliches Material verborgen.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen414

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ierliche Handtäschchen? Die gibt es wohl kaum in der feministischen Land-WG von NS-Gegnerinnen auf dem „Frauenbergerhof“ in der Vulkaneifel. Es ist ein Ort, der seit

­vielen Jahrhunderten immer wieder besonders Frauen anzieht. Bereits im Mittelalter nutzen die Fürstäbtissinnen vom Stift Essen den Hof im heutigen Rheinland-Pfalz als Sommersitz. Während der NS-Zeit sind es dann vom Regime drangsalierte Frauen wiederum aus dem Ruhrgebiet und aus Berlin, die den landwirtschaft­ lichen Betrieb bei Remagen übernehmen und bewirtschaften. Der Hof besitzt eine Gaststättenlizenz, die anfangs das Überleben der Frauen gewährleistet. Gustav Kettel findet dort Unterschlupf, als 1935 seine geplante Flucht in die Niederlande scheitert. Der gebürtige Essener lebt anschließend auf dem Hof eine Zeit lang mit engagierten Frauenrechtlerinnen zusammen, die von den Nationalsozialisten aus ihren Stellen an Schulen und Hochschulen vertrieben worden sind. Die vom „Arierparagraphen“ im Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (BBG) bedrohte Privatdozentin und 199

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Frauenrechtlerin Maria Silberkuhl-Schulte ist ebenfalls aus Essen gebürtig, die entlassene Pädagogin und christlich geprägte Gleichstellungspolitikerin Mathilde Gantenberg ist in Bochum aufgewachsen. Dass Gustav Kettel nach seiner gescheiterten Übersiedlung zu seinem Freund Hein Herbers in die Niederlande erst einmal auf dem Hof in der Vulkaneifel unterkommen konnte, hatte er der unverbrüchlichen Beziehung von Gantenberg und Herbers zu verdanken. Die beiden wurden während ihrer gemeinsamen Studienzeit in Münster ein Paar und pflegten auch nach dem Ende ihrer Partnerschaft eine intensive Freundschaft. 415 Herbers wurde aufgrund einer schweren Lungenerkrankung Ende 1917 aus dem Militärdienst entlassen. An ihrem Studienort Münster stießen Herbers und die fünf Jahre ältere Mathilde Gantenberg zu einem „Zirkel für Neue Kunst“, der sich mit dem Expressionismus auseinandersetzte. 416 Hier zeigt sich die frühe Seelenverwandtschaft etwa mit den „Dachstuben“-Autoren Carlo Mierendorff und Theodor Haubach in Südhessen, mit denen die pazifistischen Zirkel, denen Herbers und Gantenberg sich zugehörig fühlen, schließlich im Vorfeld des 20. Juli 1944 im Leuschner-Netzwerk zusammenarbeiteten. Ende der 1920er-Jahre wurde Herbers’ wohl inzwischen eher platonische Freundschaft mit Mathilde Gantenberg von Friedrich Kayser gestört. Kayser, wie Herbers im Ruhrgebiet in der Hagener Gruppe der Deutschen Friedensgesellschaft um Fritz Küster aktiv und später ebenfalls in das Leuschner-Netzwerk eingebunden, besuchte Gantenberg Ende 1928 in Bad Kreuznach, wo sie inzwischen als Lehrerin am fortschrittlichen Mädchenlyzeum arbeitete. Durch Kayser erfuhr Gantenberg, dass Herbers in der Zeit ihrer Liebesbeziehung noch andere Beziehungen hatte. Dazu schreibt Herbers an Gantenberg: „Hat Dir Kayser erzählt, dass ich in den letzten Jahren Entdeckungen gemacht und Erlebnisse gehabt habe, die neben un200

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serem Leben standen? Erlebnisse? Zum mindesten eines. Ich bereue und bedauere das nicht, gar nicht; so, und nun schieß mich tot, wie Du mir das mal angedroht hast.“417 Mathilde Gantenberg erschoss Hein Herbers dann doch nicht aus Eifersucht, sondern wurde 15 Jahre später auf seine Bitte hin in der Vorbereitung des 20. Juli 1944 aktiv. Nach der Machtergreifung ­Hitlers hatte sie ihre Lehrerinnenstelle verloren, weil sie sich kommunalpolitisch für die katholische Zentrumspartei engagierte und dezidiert Frauenrechtspositionen vertrat. Anfang März 1934 zog sie dann mit ihrer Schwester Emmy, die eine landwirtschaftliche Ausbildung hatte, auf den Frauenbergerhof. Das heruntergewirtschaftete Anwesen im Vinxtbachtal hatte sie kurz zuvor zusammen mit Dr. Maria Silberkuhl-Schulte und Dr. Trude Hübinger käuflich erworben. 418 Maria Silberkuhl-Schulte hatte ihre Stelle an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin, wo sie einen Lehrauftrag über „Hauswirtschaftliche Betriebslehre“ wahrnahm, aufgegeben und war damit der Anwendung des „Arierparagraphen“ aus dem nationalsozialistischen „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 zuvorgekommen. 419 Die von den Nationalsozialisten aus der Schule beziehungsweise Hochschule gedrängten Frauen versuchten, auf dem abgelegenen Gehöft zu überleben. Kettel musste sofort in der Landwirtschaft mit anpacken, als er auf dem Hof der Herbers-Freundin Gantenberg untertauchte. Obwohl er nicht sehr lange auf dem Frauenbergerhof blieb, riss der Kontakt zu Mathilde Gantenberg auch in den folgenden Zeiten des Widerstands nie ganz ab. Die katholische Frauenrechtlerin wurde in der Vorbereitungsphase des 20. Juli 1944 von Kettel, Herbers und dem Leuschner-Netzwerk im Westen gebeten, den Kontakt zum Erzbischof von Köln sowie zu dem Münsteraner Bischof von Galen aufzunehmen, was aufgrund der Beschattung 201

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durch die Gestapo nicht gelang. Zu diesem Zeitpunkt lebte Gantenberg längst nicht mehr auf dem Frauenbergerhof, sondern in Trier. Landwirtschaft und der Gaststätte auf dem abgelegenen Hof über dem Rheintal warfen Mitte der 1930er-Jahre einfach nicht genug ab, um das zeitweise vierköpfige Frauenkollektiv und ihre Gäste zu ernähren. Deshalb versuchte es Gantenberg zunächst wieder als Lehrerin und nahm unter anderem an einem Privatinternat im Schweizerischen Montreux-Territet eine Stelle an. Wegen unregelmäßiger Bezahlung und der sich verschlechternden politischen ­Bedingungen für Ausländer in der Schweiz kehrte sie später auf den Frauenbergerhof zurück, den ihre Schwester unter widrigen Bedingungen weiter bewirtschaftete. Schließlich verkauften sie das Anwesen, weil es für alleinstehende Frauen immer schwerer war, zu arbeiten, und zogen nach Trier. Nachdem es ihr zunächst nicht gelang, beruflich Fuß zu fassen – etwa als Versicherungsvertreterin –, übernahm sie 1940 die Trierer Stephanus-Buchhandlung, die ihr und ihrer Schwester wieder eine sichere Existenzgrundlage bot. 420 Daneben wurde Gantenberg im Leuschner-Netzwerk aktiv. Doch die Nationalsozialisten hatten die Regimegegnerin immer im Auge, ihre politische Haltung war der Gestapo bekannt. Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler blieb Gantenberg, wie auch Kettel und andere aktive Verschwörer des „zivilen Teils“ der Aktion, unentdeckt. Als das Trierer Haus mit der Buchhandlung bei einem Bombenangriff im Dezember 1944 zerstört wurde, evakuierte man sie zunächst an die Mosel und in den Hunsrück, bevor sie wieder nach Trier zurückkehrte, wo sie Ende 1945 die Leitung der Auguste-Viktoria-Schule übernahm. Gantenberg beteiligte sich an der Gründung der CDU in Trier, engagiert sich erneut in der Kommunalpolitik und wurde im Herbst 1946 in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. In ihren Lebenserinnerungen schreibt Gantenberg: 202

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Mathilde Gantenberg „Wenn ich mich dann doch wieder für eine politische Tätigkeit neben der Schule zur Verfügung stellte, so aus der Überzeugung, dass Politik nach dem Zusammenbruch die Mitarbeit aller derer forderte, die keine Konzessionen an das Nazi-Regime gemacht hatten und die darum bei den Mitbürgern und  – was in der damaligen Situation sehr wichtig war – bei den Besatzungsbehörden auf Vertrauen rechnen konnten. Es kam für mich hinzu, dass nach dem Ausschalten der politischen Frauenarbeit durch die Nazis dafür ein neuer Anfang gesetzt werden musste; ich war sicher, dass die schweren Aufgaben des Wiederaufbaus nur in partnerschaftlicher Zusammenarbeit von Männern und Frauen gelöst werden konnten.“421

Kurz darauf wurde sie von der CDU in die Beratende Landesversammlung von Rheinland-Pfalz entsandt, die im November 1946 in Koblenzer Stadttheater zusammentrat. Sie war eine der sechs 203

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Frauen unter den 127 Delegierten. Später wurde sie Staatssekretärin in Rheinland-Pfalz und dann Bundestagsabgeordnete. Die unverheiratete Mathilde Gantenberg starb am 29. Oktober 1975 im Kreis ihrer Familie in Trier. Fast genau zehn Jahre später starb auch Maria Silberkuhl-Schulte, mit der Mathilde Gantenberg ein halbes Jahrhundert zuvor das Frauenprojekt in der Vulkaneifel gestartet hatte. Die Kölner Universität bewahrt heute den Totenzettel von Silberkuhl-Schulte auf, der dokumentiert, dass das mutige Frauenkollektiv in der Eifel wohl auch stark christlich geprägt war. Auf der Außenseite des Totenzettels prangt ein großes Kreuz über dem Psalm 91,2: „Der Gerechte blühet der Palme gleich; wie die Zeder des Libanon wächst er empor. Er ist gepflanzt im Hause des Herrn und blüht in unseres Gottes Höfen.“ In der Innenseite ist zu lesen: „Eine vielversprechende akademische Laufbahn gab sie nach 1933 auf, um sich dem nationalsozialistischen Regime nicht unterordnen zu müssen. Sie zog sich auf den kleinen Frauenberger Hof in Gönnersdorf/Eifel zurück, den sie mit ihrer Freundin Trude Hübinger unter schwierigen Bedingungen bewirtschaftete, bis sie diese ihr schließlich ans Herz gewachsene Arbeit aus Altersgründen niederlegen musste. […] Sie war eine beispielgebende Frau.“422 .

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Mainz, Zanggasse 13 – Alfred Freitag „Es sitzen im Zuschauerraum mutige und gleichgültige Menschen, Flüchtlinge, Heimgekehrte, frühere Hochverräter und heimliche Nazis, wohlwollende Bürger und junge sehnsüchtige Menschen. Es sitzen die Witwen des Faschismus neben denen, die guten Willens sind, die Übeltäter neben den Verzweifelten, die Ermüdeten neben den Hoffnungsbereiten.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen423

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ie Nationalsozialisten versuchten, Alfred Freitag für sich zu gewinnen, den Mitbegründer der Mainzer Arbeiterwohlfahrt, SPD-Stadtrat und Parteisekretär für Rheinhessen bis

1933, der in der Weimarer Republik in der Mainzer Zanggasse 13 nicht nur die Geschäfte der SPD führte, sondern dort auch die ­Belange der örtlichen Gliederung des Holzarbeiterverbandes verwaltete. In den 1950er-Jahren berichtet Alfred Freitag in einem Radiogespräch mit dem Südwestfunk von den Anwerbeversuchen der NSDAP: „Dann muss ich sagen: Ich hatte auch mehr als einmal Gelegenheit, mit den Nazis zu sprechen. Deswegen, weil ich als Parteisekretär auch ge­laden wurde. Mehr als einmal, auf die Kreisleitung. Mir wurde alles abverlangt, was ich wohl sagen könnte. Ich müsse Verbindungen haben und ich müsse auch einsehen, dass Hitler der größte Sozialist sei, der jemals gelebt hätte. Ich habe mich in den zum Teil eine Stunde

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währenden Unterhaltungen so gehalten, daß ich sagte: Ich habe meine Schuldigkeit getan! Ich habe dem nicht zugestimmt und habe auch nicht zugestimmt, dass man mich selbst mit einschalten wollte. Denn ich hätte eingeschaltet werden sollen nach Ansicht der Leute aus der Nazipartei.“424

Der Propaganda-Coup, einen führenden Mainzer Sozialdemokraten der Weimarer Zeit auf ihre Seite zu ziehen, gelang den Nationalsozialisten nicht. Vielmehr gelang es Freitag, bis zur Besetzung der SPD-Geschäftsstelle am 10. Mai 1933 alle Unterlagen, die zur Verhaftung von Mitgliedern hätten führen können, beiseitezuschaffen. Als die NS-Machthaber ihn um Mitarbeit bei der Rekonstruktion dieser Daten baten, verweigerte er diese. Auch Verhöre und Drohungen seitens SA und Stahlhelm konnten an dieser Haltung nichts ändern. Ab Mai 1933 stand Freitag unter Beobachtung und musste sich anderthalb Jahre lang täglich auf dem Polizeirevier melden, zeitweise mehrmals am Tag: Sein Barvermögen wurde beschlagnahmt. Man drängte ihn, der SA oder dem Stahlhelm beizutreten, was er ablehnte. Am 10. November 1933 wurde er wegen Verdunkelungsgefahr verhaftet und zunächst ins Mainzer Polizeigefängnis gebracht. Am folgenden Tag wurde er zusammen mit anderen Festgenommenen ins Konzentrationslager Osthofen verbracht. Passanten auf der Straße beklatschten den Abtransport. Nach 14 Tagen verschärftem Arrest kam er wieder frei. Außerstande, Arbeit als Schreiner zu finden, fand Freitag erst im Oktober 1935 bei dem Wein- und Lebensmittelgroßhändler Wilhelm Christ wieder eine Anstellung. In dem Rundfunkgespräch aus den 1950er-Jahren schildert Freitag, wie er 1944 zur Kontaktperson für das Leuschner-Netzwerk in Mainz wurde: „Wenn wir, nachdem Hitler ans Ruder kam, nun auch noch zusammenkamen und zwar in kleinstem Rahmen, so haben wir das getan,

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weil wir alle die Verpflichtung fühlten, das kann nicht so bleiben, das kann nicht bestehen, und so kam es auch, dass wir – soweit wir uns nur treffen konnten – unter vier Augen immer das besprachen und uns gegenseitig verpflichteten, nun auch die Stange zu halten und nicht abzuspringen. […] Wir haben nicht nur die Dinge besprochen, sondern wir haben uns auch Gedanken gemacht: Ja, wie ist es denn möglich, was kann denn kommen? Was besteht für eine Auffassung bei dem Einzelnen, was wäre, wenn das einmal zu Ende geht? Das tausendjährige Reich kann keine zehn Jahre bestehen, so haben wir gerechnet. […] Aber wir waren alle davon überzeugt, dass es nur eins gibt: Die Welt braucht Frieden, der unter Hitler nicht kommen kann. Das Recht und auch der Frieden müssen kommen, ohne Hitler und dafür müssen wir als Volk, die wir auch politisch organisiert waren, ob gewerkschaftlich oder auch parteipolitisch – wir müssen dafür stehen.“425

Auch andere führende Überlebende der Leuschner-Konspiration im Südwesten, Emil Henk und Jakob Steffan, äußern sich in diesem Südwestfunk-Interview. Steffan erinnert sich: „Ich bin einmal durch Deutschland gefahren, um mich zu erkundigen, wie die Dinge stehen. Ich glaube, es war im Jahr 1937, und ich kam in verschiedene Städte, wo ich einzelne Anknüpfungspunkte hatte. In Chemnitz etwa, wo ein guter Freund von mir war. Und habe da immer gefunden: Es gibt Leute, die fest stehen, und diese Leute haben einen ganz losen Konnex miteinander. Man soll nicht meinen, dass das Wichtigste gewesen sei – die aktiven Gruppen. Sagen wir mal, es gab ja solche von allen Parteien, die dann illegale Flugblätter verteilten oder ähnliches mehr. Das Wichtigste war meiner Meinung nach, das stillschweigende Übereinkommen der fest stehenden Leute: Wir stehen fest und wir wollen das Unsere tun, wenn die Zeit gekommen ist.“

Henk spricht vom „Überwintern der Ideen“, bevor Steffan fortfährt: „Ja, man hat ja auch gesprochen von der inneren Emigration. Man roch das ja geradezu, selbst wenn man in einem Eisenbahn-Abteil saß. Man

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hat es gemerkt. Und das waren die Leute, die eben bereit waren mitzumachen. […] Diese Leute wurden ja dann im Laufe des Krieges in eine engere Fühlung miteinander gebracht. […] Ich wurde von Leuschner besucht, verschiedentlich. Unter großen Vorsichtsmaßregeln natürlich. Ich habe Leuschner in Berlin besucht, natürlich unter ebensolchen Vorsichtsmaßregeln. Ich habe zum Beispiel, wenn ich nach Berlin kam, mich nicht vorher angekündigt. Ich habe bei ihm antelefoniert unter einem verabredeten falschen Namen. Wir haben ausgemacht, dass ich ihn treffe. Und das Ausmachen hieß: Mittwochs um sechs und bedeutete Dienstags um fünf. Damit die Gestapo, wenn sie etwa mittwochs um sechs käme, niemanden fände, und ähnliche Dinge mehr. … Und habe mich dabei auch daran erinnert, was vielleicht unterstrichen werden sollte: an die ständige Gefährdung und die ständige Angst, unter der wir doch schließlich immer gestanden haben. Aber was ich noch sagen wollte: Es war so, dass für den Fall, dass dieses Attentat glückte, sehr weitgehende Vorbereitungen nicht nur in unserem Gebiet sondern weit darüber hinaus getroffen worden waren. Über die Übernahme der verschiedenen wichtigen Ämter. Ich persönlich hatte den Auftrag, wenn das Attentat geglückt sei, mich nach Frankfurt zu begeben und nach Berlin zu fliegen, wo ich dort mitarbeiten sollte.“426

Emil Henk ergänzt diese Ausführungen: „Für die entscheidenden Männer war es klar, dass sie ohne den Rückhalt der Masse des Volkes nicht handeln können. Also ein Umsturz konnte nie auf Berlin beschränkt sein, sondern es musste sehr bald der Tag kommen, wo draußen  – sagen wir mal, in der Provinz  – der Anschluss an die Vorgänge in Berlin vollzogen werden musste. Man hat das so gemacht, dass zunächst ganz wenige Menschen in Frankfurt, in Mainz und so weiter als Vertrauensleute festgelegt wurden. Und diese Vertrauensleute haben kurz vor Beginn des Attentats ein Alarmzeichen bekommen, dass sie in den einzelnen Orten und Städten weitere Vertrauensleute alarmieren. […] Das heißt, man musste also, wie ich damals sagte, die Pfähle tiefer in die Masse heruntersenken, damit nun der Augenblick kommt, wo die Massen mobilisiert werden. Ohne

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die Mitwirkung der Massen kann man keinen Umsturz machen. Das Problem in der Diktatur ist immer, dass man an die Masse nicht herankommt. In dem Augenblick des Umsturzes kann man es dann über diese Vertrauensleute versuchen. […]“427

Zu Letzteren gehörte auch Alfred Freitag. Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat wurde auch er zunächst verhaftet, jedoch mangels Beweisen nicht verurteilt. Seine Rettung waren wahrscheinlich die aus isolierten Zellen bestehende Struktur der Widerstandsbewegung und das eiserne Schweigen von Ludwig Schwamb. Nach Kriegsende engagierte sich Freitag erneut als Bezirkssekretär der SPD in Rheinhessen und bis 1955 als Mitglied des Mainzer Stadtrates. Aus Anlass seines 75. Geburtstages wurde ihm die Ehrenbürgerwürde der Stadt Mainz zuteil.

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Dortmund, Rombergpark – Wilhelm und Elisabeth Gersdorff, Kayser „Straßen sind die Wohnung des Kollektivs. Das Kollektiv ist ein ewig unruhiges, ewig bewegtes Wesen, das zwischen Häuserwänden so viel erlebt, erfährt, erkennt und ersinnt wie Individuen im Schutze ihrer vier Wände.“ Walter Benjamin, Das Passagen-Werk428

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as da an einem sonnigen Tag im Kriegsjahr 1943 im Dortmunder Rombergpark passiert, ist in mancherlei Hinsicht höchst erstaunlich. „Überall wandern kleine Gruppen von

Männern herum, die so gar nicht aussehen, als machten sie hier einen Erholungsspaziergang. Wenn die Gruppen sich begegnen, halten sie kurz an, um ein paar Worte zu wechseln, gehen vielleicht ein Stück miteinander, um sich dann wieder zu trennen.“429 Erstaunlich an dieser Bewegung im Park ist zum einen, dass es sich nicht um zufällige, flüchtige Begegnungen von Spaziergängern handelt, sondern um konspirative Handlungen eines Kollektivs. Es sind NS-Gegner, die durch den Rombergpark flanieren. Was wie ein zufälliges Treffen wirkte, war eine Aktion der Widerständler um das Ehepaar Wilhelm und Elisabeth „Li“ Gersdorff, in der Mehrzahl Lehrer. Es ging bei den Gesprächen tatsächlich um die Schule der Zukunft, um pädagogische Konzepte für kommende Generationen. Dieses öffentliche Pläneschmieden für eine bessere Zeit nach

dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft flog nicht 210

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auf, ebenso wenig wie einige andere systemkritische Handlungen. So trafen sich im Haus der Gersdorffs in Brünninghausen wiederholt Mitglieder der verbotenen Deutschen Friedensgesellschaft. Das Haus diente als Treffpunkt, Informationsbörse, Kurieranlaufstelle und Zuflucht für Verfolgte. Die Gersdorffs versteckten jüdische Bürger und verhalfen ihnen zur Flucht ins Ausland. Die Gruppe hatte Kontakte nach London und zu den Verschwörern des 20. Juli 1944. Die meisten Mitglieder blieben bis Kriegsende unentdeckt. Sie alle waren über lange Jahre geübte Meister der Konspiration. Sie verabredeten sich mit chiffrierten Zeiten, tarnten sich als Händler und vertrauten nur ganz wenigen Menschen an, dass sie aktiv gegen Hitler arbeiteten. Die „Dortmunder Gruppe“, die aus dem westfälischen Kontext der Deutschen Friedensgesellschaft der Weimarer Zeit entstand, pflegte während der NS-Zeit durchgehend internationale Kontakte. So leistete die Gruppe zwischen 1936 und 1938 über die Niederlande Solidaritätsarbeit für Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg. Eine ihrer wichtigsten Kontaktpersonen im Ausland war der Niederländer Edo Fimmen, der langjährige Generalsekretär der Internationalen Transportarbeiter-Föderation. Weiterhin arbeiteten im Ausland der Kettel-Vertraute Hein Herbers sowie Hein von Wijk und der aus Deutschland emigrierte jüdische Arzt Dr. Karl Rosenberg mit der pazifistischen Ruhrgebietszelle zusammen. Für die Kurierdienste in die Niederlande sorgten vor Kriegsbeginn Friedrich Kayser und Elisabeth „Li“ Gersdorff, dann während des Krieges insbesondere Gustav Kettel. Rund zehn Kilometer Luftlinie südöstlich des Rombergparks befindet sich in der Eintrachtstraße 10 die Friedrich-Kayser-Grundschule, eine Gemeinschaftsgrundschule der Stadt Schwerte. Sie trägt den Namen eines Mannes, der mit großer Wahrscheinlichkeit bei dem erwähnten Pädagogentreff 1943 dabei war. „Hilfslehrer“ Fried211

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Das Foto zeigt vermutlich Friedrich Kayser und seine beiden Töchter, die zum Zeitpunkt ihres Todes acht und 13 Jahre alt waren.

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rich Kayser gehörte zu den Leuschner-Vertrauensleuten der zivilen Struktur des 20. Juli 1944 im Westen. Auf der Homepage der Schule findet sich im Inhaltsverzeichnis gleich nach „Termine“ und „Aktuelles“ ein Text über den Namensgeber der Schule, dazu ein SchwarzWeiß-Foto, das einen Mann Mitte dreißig zeigt, der ein Mädchen auf die Schulter genommen hat. Ein zweites Mädchen, etwas jünger, steht im Vordergrund. Auch ohne Bildunterschrift dürfte es sich bei dem Mann auf dem Foto um Kayser und seine Kinder handeln. Der Text ist betitelt mit „Friedrich Kayser – ein Pazifist und Vorkämpfer der deutschen Widerstandsbewegung“. Verfasser ist Hein Herbers, der enge Freund Gustav Kettels. Der Text erschien erstmalig 1946 in der pazifistischen Zeitschrift Friedenswarte. Es ist ein Art später Nachruf auf Kayser, der bereits im März 1945 bei einem Bomben­ angriff auf Dortmund starb. Kayser wurde am 5. März 1894 in einem Dorf bei Schwerte geboren. Aus einfachen Verhältnissen stammend, erhielt er dennoch eine gute Ausbildung und entschloss sich, Lehrer zu werden. Aus dem Ersten Weltkrieg kehrte der Soldat Kayser als Pazifist und Kriegsgegner in die Heimat zurück, wo er die Schwerter Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft gründete. Im Jahr 1929 übernahm er den Vorsitz des Landesverbandes. Der Aufbau der Bewegung in Westdeutschland ist wesentlich sein Verdienst. Mit der Parole „Hakenkreuz und Stahlhelm sind Deutschlands Untergang“ stellten sich die pazifistische Zeitung Das Andere Deutschland und der Westdeutsche Landesverband der DFG bis 1933 an die Spitze des antifaschistischen Abwehrkampfs. Kayser zählte zu den zentralen Persönlichkeiten des in Hagen erscheinenden Blattes, zu dessen ständigen Mitarbeitern Kurt Tucholsky gehörte. Vom 30. Juni bis zum 25. August 1933 war Kayser im Polizei­ gefängnis im Rathaus Schwerte inhaftiert. Die Verhaftung hatte tragische Folgen für Kaysers Familie. Sein Kampfgefährte Hein Herbers erinnert sich: 213

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„Ich habe damals im Hause Kayser alles mitgemacht. Seine Frau litt grenzenlos unter dem Ereignis. Sie wusste, dass ihr Mann sich nicht schlagen lassen würde. Jeden Augenblick konnte etwas geschehen. Wider alles Erwarten wurde Friedrich Kayser entlassen, um sogleich mit der illegalen Tätigkeit zu beginnen. Für Kaysers Frau aber war die geistige Belastung dieser Zeit zu groß. Was damals im Sommer 1934 geschah, ist für uns alle, die zu dem Freundeskreis Kayser gehörten, das schrecklichste Ereignis unseres Lebens geworden. In einem Zustand furchtbarer Depression nahm Frau Kayser sich mitsamt ihren beiden Kindern das Leben. Die beiden Mädels 8 und 13 Jahre, klug, tüchtig und bescheiden und von einem seltenen Adel des Wesens, hatten wir alle mehr als unser eigenes Leben geliebt. Wie Friedrich Kayser aus eigener Kraft und unter Einfluss der Liebe und des Flehens seiner Freunde den Weg zurück zum Leben fand, war ein unbegreifliches Wunder. Niemals werden wir alle den letzten Gang zum Friedhof vergessen können. Von allen Seiten waren die Freunde, von denen keiner vor Verhaftung sicher war, zusammengeströmt. Tausende Menschen, weinend, mit düsteren Gesichtern, umsäumten den Weg. Friedrich Kayser ging zwischen uns, bis an das Grab. Grenzenloses Leid demonstrierte gegen die Zeit, und die Tausende schienen zu ahnen, dass sie selber einmal alle diesen gleichen Leidens- und Leidesweg würden gehen müssen.“430

Nachdem Herbers 1935 in die Niederlande emigriert war, beschäftigte der gemeinsame Freund Gustav Kettel Kayser zeitweise in seinem Essener Betrieb. Wohl auch, um ihm eine Tarnung für Reiseaktivitäten im In- und Ausland zu geben, wie Herbers sich erinnert: „Kaysers wichtige Rolle bestand zunächst darin, den Widerstandsgeist wach zu halten. Unermüdlich reiste er von einem zum anderen. Mehr als durch Gründe und Überzeugungskraft stärkte und tröstete er die Menschen durch seine bloße Gegenwart. Man war ihm dankbar für die Güte, die alle seine Worte und Handlungen durchstrahlte. Ein jeder führte in seiner Gegenwart das Glück, den Stolz, die Dankbarkeit, mit

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ihm zusammen allein stehen zu müssen und zu dürfen – gegen ein ganzes Volk und für Gedanken und Ideen, die das Beste des Einzelmenschen verbanden mit den höchsten Gütern der ganzen Menschheit. Dabei ging er mit einer Offenheit zu Werk, die uns oft entsetzte. Aber auf eine geheimnisvolle Weise wirkte seine Art so auf das Beste im anderen, dass er auch die größten Schufte entwaffnete oder wenigstens unsicher machte.“431

Kettel war von besonderer Bedeutung für die „Dortmunder Gruppe“. Er war der wichtigste Kurier des Widerstandskreises. Kaysers Stelle als „Prokurist“ in Kettels Unternehmen ermöglichte ihm, relativ ungestört Kontakte zu verschiedenen Widerstandsgruppen aufzunehmen. Trotz ständiger Beschattung durch die Gestapo konnte er politische Fäden zu katholischen Kulturpolitikern und Lehrern knüpfen. Außerdem leistete er Kurierdienste über die Niederlande und engagierte sich für die Rettung von Verfolgten des NS-Regimes. Hein Herbers beschreibt in seinem Nachruf eine Rettungsaktion für eine jüdische Pazifistin, an der Kayser beteiligt war: „Vor ein paar Wochen bekam ich einen Brief von der früheren Vorsitzenden der Deutschen Friedensgesellschaft, Ortsgruppe Nürnberg, Frau Frida Bernhard, aus Sidney (c/o Diamant u. Cie, 393 George Street, Callaghan), in Australien, einen Brief voll fassungsloser Trauer um den Tod des unersetzlichen Friedenskämpfers und Freundes. Sie schreibt darin unter anderem, wie Kayser 1938 in einem entscheidenden Augenblick auf seinem Motorrad zu ihr nach Nürnberg kam, um sie zu warnen, wie sie dann später, als sie nicht über die Grenze konnte, von Friedrich Kayser und Li Gersdorff abgeholt und mit nach Dortmund genommen wurde, wo sie mit den Freunden einige unvergessliche Tage und Nächte verbrachte, ehe sie auf die große Reise ging.“432

Dortmund – das war für diesen Widerstandkreis in erster Linie das bereits erwähnte Haus von Wilhelm und Elisabeth „Li“ Gersdorff 215

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in Dortmund-Brünninghausen. So trafen sich im Juli 1942 16 Personen in der Wohnung der Gersdorffs, darunter Ernst Müller, August Bangel, Walter Elksnat, Otto Knappmann, Friedrich Kayser, Gustav Kettel, Lotte Müller und Josef Kudrowsky. Es ging darum, die Erfolgschancen eines Staatsstreichs zu erörtern. Auch Herbers und Kettel sprachen in Bilthoven oft über dieses Thema, und beide waren aus Gründen der Opportunität bereit, trotz ideologischer Differenzen mit den deutschen Generälen zusammenzuarbeiten, ohne die konservative Grundstimmung des militärischen Widerstands zu verkennen. 433 Einer der führenden Köpfe der Pazifisten im Ruhrgebiet war Fritz Küster. Er und Carlo Mierendorff hatten sich im KZ kennenund schätzengelernt. Mierendorff wollte Küster und die noch vorhandenen Strukturen der Deutschen Friedensgesellschaft für die Umsturzpläne gegen Hitler gewinnen. Die „Dortmunder Gruppe“ agierte äußerst vorsichtig, vor allem nachdem einzelne Mitglieder („Li“ Gersdorff, Ernst Müller, Friedrich Kayser) von der Gestapo verhört worden waren. In seinem Nachruf auf Kayser betont Herbers die zentrale Rolle des Gersdorff’schen Wohnhauses in Brünninghausen für den Dortmunder Zweig des Leuschner-Netzes: „Nur mit tiefer Ergriffenheit kann ich heute, nachdem der wilde Lärm verstummt ist, an das Haus des Vorsitzenden des Dortmunder Zweiges der Friedensgesellschaft, Wil Gersdorff und seiner Gattin Li Gersdorff denken, bei denen Friedrich Kayser und seine Freunde immer willkommen waren, nicht zuletzt um Aktionen vorzubereiten, Juden zu verbergen, sie mit Lebensmitteln zu versehen usw. In diesem Gartenhause brannte, inmitten des allgemeinen, blutigen, schmutzigen Rauschens die stille Flamme der Menschlichkeit. Hierhin kamen die Menschen und ihre Briefe mit ihrer verzweifelten Ratlosigkeit und ihrem herzzerbrechenden Leid. Hier fanden sie Trost bei Menschen,

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die schon jenseits des Todes standen und für das Leben nur noch ein Gleichnis waren.“434

Das Haus der Gersdorffs überstand als Ort der Zuflucht und konspirativer Treffen auch das gescheiterte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Die „stille Flamme der Menschlichkeit“ (Herbers) konnte hier noch bis zum März 1945 weiterbrennen, als das Haus von einer Bombe getroffen wurde: „Die letzte Sorge von Friedrich Kayser und Li und Wil Gersdorff galt dem halbjüdischen Adoptivkind der Gersdorffs. Während in jeder Nacht Tausende englischer Bombenwerfer Feuer über die Städte des Ruhrgebiets gossen, gingen zwar viele Akten, die zur Verfolgung von Juden usw. bestimmt waren, zu Grunde. Aber immer suchten im ­Morgengrauen Beamte, die vielleicht noch nicht einmal an der Sache selber interessiert, sondern nur von Begriffen wie Statistik, Termin, Dienstweg, Erfassung usw. besessen waren, unter den rauchenden Trümmern die noch unversehrten gebliebenen Akten hervor, um ihr Tagespensum erledigen zu können. Am 12. März 1945 sollte der endgültige Ablieferungstermin für das Pflegekind der Gersdorff sein. Kayser war aus Essen herübergekommen, um mitzuhelfen, das Kind gut zu verstecken. Das gelang dann auch. Aber in der auf den 12. März folgenden Nacht wurde das stille Gartenhaus in der Dortmunder Gartenstadt von einer englischen Bombe getroffen. Friedrich Kayser, Li und Wil Gersdorff fanden dabei den Tod. Das Kind freilich blieb in seinem Versteck unversehrt und auch die Mutter von Li Gersdorff wurde gerettet.“435

Der Nachruf auf den Leuschner-Vertrauensmann Friedrich Kayser endet mit pathetischen Worten: „Was bleibt den Zurückbleibenden? Trauer und Tränen, aber auch ein großes Bild. Das verpflichtende Vorbild eines unbeugsamen Streiters für eine bessere und glück­ lichere Menschheit.“436 217

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Darmstadt, Mierendorff-Straße 11 – Ruth und Artur E. Bratu, Höxter „Strictly speaking I have no German identity, only one of Darmstadt.“ Ruth Bratu437

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s gibt ein Foto aus dem Sommer 1946, auf dem Emil Henk im dunklen Anzug über weißem Hemd und Krawatte neben einer jungen Frau in US-Uniform abgelichtet ist. Beide stehen

im Freien, sehr wahrscheinlich im Garten des Privathauses der ­Familie Leuschner in Darmstadt-Eberstadt. Denn dort findet am zweiten Jahrestag des 20. Juli 1944 ein Treffen statt, zu dem sich Überlebende des gescheiterten Attentats und verschiedene Angehörige der von den Nationalsozialisten Hingerichteten einfinden. Henk und die junge US-Soldatin werden von einem britischen Geheimdienstoffizier in dem Darmstädter Garten zusammengeführt. Sein Name: Artur E. Bratu. Die 23 Jahre alte US-Soldatin auf dem Foto wird rund ein Jahr später seine Frau. Noch heißt die in Tel Aviv geborene Jüdin Ruth Pelzer. Ihr Mädchenname ist Theiner. Die drei am Zustandekommen dieses Fotos Beteiligten können sich mühelos in deutscher Sprache verständigen. Denn Bratu stammt aus Offenbach. Er stieß als Sozialdemokrat im englischen Exil zur britischen Armee, um gegen Hitler zu kämpfen. 438 Ruth Pelzer ist zwar in Tel Aviv geboren, ihre Mutter jedoch stammt aus 218

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Emil Henk und die als Ruth Pelzer nach Deutschland gekommene jüdische US-Soldatin am zweiten Jahrestag des 20. Juli 1944 in Darmstadt

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Wiesbaden. Auch Ruth Pelzer lebt bei Kriegsende im englischen Exil, bevor sie wegen ihrer Mehrsprachigkeit – neben Deutsch und Englisch spricht sie auch noch Tschechisch, weil ihr Vater aus Böhmen stammt  – unmittelbar nach der Befreiung Offenbachs durch die US-Armee als Mitarbeiterin in der Postkontrolle der amerikanischen Militärverwaltung in die Heimatregion ihrer Mutter zurückkehrt. 439 Bratu hatte Pelzer in Offenbach von Emil Henk und den anderen Widerstandskämpfern der Region erzählt, die sich am Umsturzversuch des 20. Juli 1944 im Südwesten beteiligt hatten. Bratu kehrte nach dem Krieg als britischer Offizier in seine Heimatstadt zurück und beteiligte sich sofort wieder am Neuaufbau sozialdemokratischer Parteistrukturen in der Region. Dabei lernte er Ruth kennen, die sich ebenfalls für die ersten Gehversuche der deutschen Nachkriegsdemokratie interessierte. Den Namen Emil Henk kennt Bratu schon viele Jahre lang. Carlo Mierendorff hatte bereits lange vor 1933 von seinem Heidelberger Freund „Henko“ berichtet, als er Bratu half, an der Technischen Hochschule in Darmstadt eine sozialdemokratische Studentengruppe aufzubauen. Der Offenbacher Bratu hatte sich dort als Lehramtsstudent eingeschrieben: „Als ich im Frühjahr 1929 als Angehöriger der Sozialistischen Arbeiterjugend und neugebackenes Mitglied der SPD die Technische Hochschule Darmstadt als meine erste Alma Mater bezog, war die Regierung Adelung-Leuschner, die letzte demokratische Regierung des Hessenlandes vor der braunen Sintflut, etwas mehr als ein Jahr alt. Darmstadt war damals als Landeshauptstadt Schauplatz harter politischer Auseinandersetzungen. In der Jungsozialistengruppe, die sich, noch unter dem Einfluss Hendrik de Man´s stehend, ernsthaft um neue sozialistische Vorstellungen bemühte, traf ich zum ersten Male mit Carlo Mierendorff, dem neuernannten Pressechef des hessischen Innenministers Leuschner, zusammen.“440

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Bratu zeigte sich tief beeindruckt von Mierendorff: „Es dauerte nicht lange, bis ich, wie alle meine jungen Freunde, schwärmte für unseren Carlo. […] Oft erzählte er von seiner Studienzeit, deren Schwerpunkt in Heidelberg lag. Zum ersten Mal hörte ich durch ihn die Namen bedeutender Professoren wie Max und Alfred Weber, Jaspers, Lederer, Anschütz und auch Lenards, des Nobelpreisträgers für Physik.“441

Zu dem Zeitpunkt, als der Student Bratu den Erzählungen Mierendorffs lauschte, war Ruth sechs oder sieben Jahre alt und mit ihren Eltern einige Jahre zuvor von Tel Aviv nach Prag umgesiedelt. Der zionistische Traum ihres aus Südböhmen stammenden Vaters Hugo Theiner vom Leben im eigenen jüdischen Staat war schon nach zwei Jahren ausgeträumt. Theiner war mit seiner aus Wiesbaden stammenden Frau Thea im Jahr 1921 nach Tel Aviv ausgewandert. Nach der Geburt ihrer Tochter Ruth 1923 wurde Thea Theiner sehr krank, ein Arzt riet ihr, zurück nach Europa zu gehen: „Mein Vater war von Beruf Buchhalter und hatte damals alles Mögliche in Tel Aviv versucht, um sich eine Existenz aufzubauen, aber wirtschaftlich kam er auf keinen grünen Zweig. Die Krankheit meiner Mutter war somit ein guter Vorwand für meine Eltern, wieder nach Prag zu gehen.“442 In Prag wurde die Wohnung der Theiners vor allem nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland zu einem Zufluchtsort und Treffpunkt deutscher Sozialdemokraten, die den Nationalsozialisten entkamen. Insbesondere Thea Theiner half, wo sie konnte, verhalf Emigranten ohne Arbeitspapiere zu Einkommensmöglichkeiten. Auch viele prominente Exilanten seien in ihrer Wohnung ein und aus gegangen, berichtet Tochter Ruth viele Jahrzehnte später: „Dazu gehörten z. B. Erich Ollenhauer, der spätere Parteivorsitzende der SPD in Deutschland, Hans Vogel und Kurt Stampfer. Die meisten

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sind Gott sei Dank noch herausgekommen und 1938 oder 1939 nach Paris, später dann nach England gegangen. […] Meinen Vater nannten alle ‚Abba‘ und meine Mutter hatte des Spitznamen ‚TTT‘ – Tante Thea Theiner.“443

Während sich seine künftige Frau Ruth in Prag der sozialdemokratischen Kinderorganisation „Rote Falken“ anschloss, kümmerte sich der 13 Jahre ältere Artur E. Bratu in Darmstadt um die sozial­ demokratische Studentengruppe. Mierendorff wurde sein politischer Ziehvater, der ihm immer wieder vom Heidelberger Uni­ milieu erzählte, das ihn in der Weimarer Zeit geprägt hatte: „Auch nannte Carlo die Namen seiner Kommilitonen und Kampfgenossen: Carl Zuckmayer, Egon Wertheimer, den späteren Pressechef des Völkerbundes, Theodor Haubach, den Reichsbannergeneral, und einige andere, darunter auch einen Heidelberger Eingeborenen mit Namen Henko. Gelegentlich erwähnte er auch einen Mithörer der Vorlesungen des berühmten Germanisten Professor Gundolf, einen kleinen, unscheinbaren, aber fleißigen Stipendiaten des katholischen ­A lbertus-Magnus-Vereins aus Rheydt im Rheinland. Sein Name war Josef Goebbels […].“444

Das letzte Treffen zwischen Artur E. Bratu und Carlo Mierendorff fand im März 1933 im „Café Oper“ in Frankfurt am Main statt. Danach ging Bratu ins Exil nach Belgien, wo er Erziehungswissenschaften studierte. Gleichzeitig wurde er zu einer Anlaufstelle für sozialdemokratische Widerständler aus dem deutschen Südwesten. Jahrzehnte später erinnert sich Bratu: „Im belgischen Exil liefen bald so viele Informationsdrähte zusammen, dass wir wussten, wer von unseren Freunden in der Heimat noch frei und wer schon von der Gestapo verhaftet und ins Gefängnis oder Konzentrationslager eingeliefert worden war. So hatte ich auch ge-

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naue Kenntnis von den Abenteuern Carlo Mierendorffs zwischen Darmstadt und Berlin, bis zu seiner Verhaftung in Frankfurt a. M., einer theatralisch aufgezogenen Überführung ins Rundeturmgefängnis zu Darmstadt und seiner Einlieferung ins KZ Osthofen bei Worms. Im Sommer 1936 meldete sich in meiner Brüsseler Wohnung Hans Stoffers, ein sozialdemokratischer Freund aus Offenbach a.M. Obwohl er erst im Januar 1933 in die Partei eingetreten war, versuchte er nach dem Verbot der SPD in Verbindung mit zuverlässigen Freunden im Gebiet zwischen Rhein, Main und Neckar ein Netz der illegalen Arbeit gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft aufzubauen. Doch der Gestapo gelang es, den Ring zu sprengen und eine beachtliche Zahl der Mitglieder wurde verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Durch Stoffers erfuhr ich, dass auch Emil Henk wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt worden war und irgendwo in Baden im Gefängnis saß […]. 445

Nachdem sie wieder auf freiem Fuß waren, nahmen Henk und Mierendorff ihre Widerstandsarbeit erneut auf, die sie später gemeinsam mit Theodor Haubach zum Kreisauer Kreis und den Verschwörern im Umfeld des 20. Juli 1944 führte. Henks Ferienhaus in Oberstdorf diente beiden nicht nur als „Fluchtburg“, sondern war auch der Ort, an dem die drei „Kreisauer“ ihre politischen und strategischen Überlegungen zum „Endkampf gegen die Hitlertyrannei anstellten.“446 Bratu, dem bereits 1938 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt worden war, floh 1940 vor den Deutschen von Belgien nach England weiter. Dort war kurz zuvor auch Ruth Theiner eingetroffen. Sie war gerade einmal 15 Jahre alt. „Jedes Jahr am 15. März bin ich krank, denn an diesem Tag wurde 1939 die Tschechei von den Deutschen besetzt. Da war unser Leben sozusagen besiegelt. Es war ein schlimmer Tag, obgleich man damals hoffte, dass das alles nicht wahr sein kann. Die Nazis haben ja gleich morgens um acht Uhr die ersten Verhaftungen durchgeführt.“447 223

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Zu diesem Zeitpunkt, so Ruth Bratu später, sei sie gemeinsam mit ihrer damals zehn Jahre alten Schwester bereits für den sogenannten „Kindertransport“ nach England angemeldet gewesen. „Wenn ich ein bisschen früher rausgekommen wäre, hätte ich meine Eltern vielleicht noch als Butler-Ehepaar unterbringen können, aber die Zeit war zu knapp. Am 1. Juni 1939 kam ich in London an und bald darauf brach der Krieg aus. Meine Schwester war zehn, und ich wurde am 1. Oktober sechszehn, was die Altersgrenze für den Kindertransport war.“448 Hugo und Thea Theiner überlebten Theresienstadt und Auschwitz nicht. Ihre knapp entkommene Tochter Ruth heiratete Ende 1943 in England Ernst Pelzer. „Zu meiner ersten Heirat war es ziemlich schnell gekommen. Der Bruder eines Prager Falken, der in Mauthausen umgekommen war, wohnte bei guten Freunden von mir zur Untermiete. Eines Tages machte er mir einen Heiratsantrag, und ich war froh, jemanden zu haben, der mir eventuell im Flüchtlingskomitee helfen würde. Ich habe in diese Ehe eingewilligt und mir gedacht. ‚Die Liebe kommt vielleicht später.‘ Sie kam nur nicht. Er ging dann in die tschechische Auslandsarmee und war mit dieser in Frankreich und Prag.“449

Die Liebe, die sie mit ihrem ersten Mann nicht erlebt, kommt für Ruth, als sie Artur E. Bratu trifft. Im Mai 1945 war Ruth Pelzer als Mitarbeiterin der Postzensur der US-Armee an den Main gekommen. Von dort aus besucht sie im März 1946 Prag, fühlt sich dort aber nicht mehr wohl und kehrt zurück ins Rhein-Main-Gebiet, wo sie sich in Bratu verliebt. Die beiden besuchen gemeinsam im Juli 1946 die Odenwaldschule, in der nach dem Krieg zunächst heimatlos gewordene jüdische Kinder für einige Zeit untergebracht werden. „Er hat mich dann mitgenommen zu seinen Bekannten und Freunden aus der Zeit vor seiner Emigration. Es waren bedeutende Widerstandskämpfer darunter, die, weil sie Nichtjuden 224

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Minna Specht und Artur Egon Bratu auf dem Gelände der Odenwaldschule an der Hessischen Bergstraße 1946

waren, überlebt hatten.“450 Ruth Pelzer erwähnt explizit auch Emil Henk, das Foto vom zweiten Jahrestag des 20. Juli 1944 belegt die persönliche Begegnung der beiden. Artur E. Bratu erinnert sich ­später an die Namen weiterer Teilnehmer des Treffens im Sommer 1946 im Haus des Familie Leuschner in Darmstadt-Eberstadt: „Zu den Darmstädter Besuchern gehörten auch Frau Elisabeth Schwamb und Käthe Bachmeyer-Leuschner, sowie die inzwischen verstorbenen Männer des hessischen Widerstandes, Regierungsvizepräsident Heinrich Ahl, Hans Stürmer, damals Leiter der Polizeiabteilung im Hessischen Innenministerium und auch meine Frau.“451 Ruth ist allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht seine Frau, die beiden heiraten erst 1947 „in der zum Standesamt umfunktionierten Offenbacher Synagoge“. 452 225

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Die Teilnehmer des Treffens gehörten zu den führenden Köpfen des Leuschner-Widerstandsnetzes im Südwesten. Heinrich Ahl hatte drei Tage vor der Befreiung durch die Amerikaner als Gefangener im örtlichen Gestapo-Gefängnis eine Mordaktion am Kirchberg in Bensheim an der Bergstraße nur knapp überlebt. 453 Hans Stürmer arbeitete bis 1933 im hessischen Innenministerium in der Abteilung „öffentliche Sicherheit“. Nachdem er von den Nationalsozialisten entlassen worden war, fand er gemeinsam mit Ludwig Schwamb Beschäftigung bei der arisierten Lederfabrik Conrad Tack & Cie in Weinheim an der Bergstraße – nach der Arisierung „Freudenberg“. Diese Arbeit erleichterte später Kurierfahrten zwischen Berlin und Südwestdeutschland zwecks Vorbereitung des Attentats auf Hitler. 454 Bratu erwähnt in diesem Zusammenhang ein weiteres Nachkriegstreffen in Henks Wohnung in der Kaiserstraße 33 in Heidelberg, bei dem Ruth und er auch Reinhard Goerdeler kennenlernten, den Sohn des hingerichteten „Reichskanzlerkandidaten“ Carl Friedrich Goerdeler. Zwischen den Bratus und Emil Henk entsteht ab 1947 eine Freundschaft, die Jahrzehnte halten wird. Ausgangspunkt ist die gemeinsame Erinnerung an Carlo Mierendorff. Artur E. Bratu: „Die Behauptung, Emil Henk sei der zweite Vater Carlo Mierendorffs gewesen, wird mir niemand abnehmen. Und doch stimmt sie, stimmt sie für mich, wenn man unter Vaterschaft nicht nur die Folge eines körperlichen Zeugungsaktes versteht, sondern das plastische Deutlichmachen aller Höhen und Tiefen einer menschlichen Persönlichkeit. Und gerade das durfte ich während meiner 23jährigen Freundschaft mit Henko erfahren.“455

Ruth und Artur E. Bratu bleiben nach ihrer Heirat in Darmstadt, Emil Henk kommt immer wieder in die Stadt, vor allem an das Grab Mierendorffs, erinnert sich Artur E. Bratu: 226

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„Als 1954 die Stadt Darmstadt für die Asche Carlos und die sterblichen Überreste seiner Eltern ein Ehrengrab zur Verfügung stellte und darauf einen Gedenkstein errichten ließ, der auch das Gedenken an Theodor Haubach, Wilhelm Leuschner und Ludwig Schwamb verewigt, hielt Henko eine schlichte aber eindrucksvolle Rede für die Kampf­ genossen des Widerstands. […] Seit jenen Tagen kam er oft nach Darmstadt zur Teilnahme an Gedenkfeiern für Leuschner, Mierendorff, Haubach oder Schwamb. Manchmal gingen wir aber auch ganz allein an Carlos Grab, um mit Blumen seines Geburtstages oder Todestages zu gedenken.“

Die Bratus leben nach der Befreiung vom Nationalsozialismus jahrzehntelang in der Darmstädter Waldkolonie. Artur arbeitet in der politischen Bildung des Landes Hessen, Ruth baut die Jüdische Gemeinde in Darmstadt wieder mit auf. „Eigentlich habe ich keine deutsche Identität, sondern eine Darmstädter. Seit 1949 lebe ich hier, mit einem deutschen Pass, in dem als Geburtsort Tel Aviv steht. […] Darmstadt ist jetzt mein Ort, aber nach Prag fahre ich nach wie vor gern.“456 Erst nach dem Tod Arturs am 9. Dezember 1993 erfährt Ruth Bratu, dass ihr Mann von einem jüdischen Vater abstammte und in einer Pflegefamilie aufgewachsen war. Ruth Bratu stirbt nach einem Herzinfarkt am 28. März 2000 im Alter von 76 Jahren in einer Darmstädter Klinik. 457 Zurück zum Sommer 1946. Damals entstand auch ein Foto, auf dem Artur E. Bratu in britischer Uniform in Hochheim am Main neben einem Mann steht, der eine US-Uniform trägt. Es ist Siegfried Höxter, einer von Leuschners Mitstreitern im Kampf gegen das NS-Regime in Hessen. 458 Auch Höxter war jüdischer Herkunft, er stammte aus dem nordhessischen Jesberg bei Fritzlar. Während Artur E. Bratu in der Weimarer Republik in Darmstadt mit Unterstützung Mierendorffs eine 227

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Siegfried Höxter

sozialistische Studentengruppe aufbaute, übernahm Höxter diese Aufgabe im benachbarten Frankfurt am Main, wo er seit 1926 Mathematik, Philosophie und Naturwissenschaften studierte und in die SPD eintrat. In seinen Reden griff Höxter immer wieder die NSDAP an, auch nach dem 30. Januar 1933. Nach der Reichstagswahl vom März 1933 lebte Höxter versteckt, im August desselben Jahres wurde er zur Fahndung ausgeschrieben. Er floh über Aachen nach Belgien und weiter ins Saargebiet, nach der Saarabstimmung 1935 ging er nach Frankreich. 459 Im Jahr 1939 schrieb er an seinen Bruder Manfred und seinen Vater Jakob Höxter, die nach Brasilien geflohen waren, schloss eine Emigration in das südamerikanische Land für sich aber aus: „Außerdem erhebt sich für mich doch die bange Frage: Was soll ich bei Euch machen? Von der portugiesischen Sprache verstehe ich so viel wie vom Harfenspiel, kann also 228

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dort nicht, wie ich es hier tue, vom Mathematikunterricht leben.“ Im Jahr 1941 reiste er dann mit dem Auswandererschiff Navemar nach New York. Nach seinem Eintritt in die US-Armee war er in London an den Vorbereitungen auf den D-Day beteiligt. Nach dem Krieg arbeitete er für den Geheimdienst stellte Kontakte zwischen sozialdemokratischen Politikern und der Militärregierung her. 460 Die US-Regierung beschlagnahmte für die Arbeit Höxters ein Gebäude der Sektkellerei Graeger in Hochheim am Main, in dem der US-Offizier mit deutschen Wurzeln viele deutsche Spitzenpolitiker der Nachkriegsjahre empfing. Neben führenden Sozialdemokraten wie Carlo Schmid, Erich Ollenhauer oder Kurt Schumacher war auch der spätere erste deutsche CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer dort zu Gast. Gut möglich, dass Höxter auch an dem Treffen teilnahm, das am zweiten Jahrestag des gescheiterten Hitler-Attentats in Leuschners Privathaus in Darmstadt-Eberstadt stattfand. Einen Beleg für seine Teilnahme gibt es jedoch nicht. 461

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Bochum, Zedernweg 15 – Ernst und Trude Volkmann, Änne und „Jupp“ Kappius „Wir sind die Illegalen, Hört Gottes Mühlen mahlen!“ Günther Weisenborn, Die Illegalen 462

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arks, Restaurants und Geschäftsräume in der Nähe von Bahnhöfen, aber auch immer wieder Privatwohnungen: Schon vor dem 20. Juli 1944 nutzen die Verschwörer gegen Hitler ganz

unterschiedliche Orte, um zu konspirieren. Die Topografie des Leuschner-Netzes lebt von der Vielfalt der Aktionsräume. Nach dem Scheitern des Attentats wird es noch schwerer, Orte zu finden, an denen sie ungestört zusammenkommen können. Da ist die Angst, entdeckt zu werden. Da ist auch der Bombenkrieg, der immer mehr Zerstörungen anrichtet. Davon bleiben auch die illegalen Strukturen nicht unberührt, mit denen im Herbst 1944 noch versucht wird, den Nationalsozialisten im Inland etwas entgegenzusetzen. Das alliierte Flächenbombardement macht auch den Widerständlern schon lange zu schaffen. „Es tut mir leid, dass wir Mierendorff – anstatt ihn zu befreien – töten mussten“, schrieb im Januar 1944 der englische Publizist Kingley Martin über den beim Luftangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 umgekommenen sozialdemokratischen Hoffnungsträger. 463 Der Bombenkrieg begrenzte auch die Bewegungsmöglichkeiten von Josef „Jupp“ Kappius, der nach dem Scheitern des Hitler-Atten230

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tats die Widerstandsarbeit des verbliebenen Leuschner-Netzes wieder ankurbeln sollte. Wie der alte Mierendorff-Freund Carl Zuckmayer war auch der im Exil lebende Bochumer Kappius vom amerikanischen OSS angeworben worden, um in seiner alten Heimat Widerstandsmöglichkeiten zu erkunden. Zu diesem Zweck sprang Kappius nach seiner Ausbildung Anfang September 1944 aus einem britischen Flugzeug mit dem Fallschirm über dem Emsland ab und fuhr mit dem Zug nach Bochum, eine auf deutschem Boden seltene Aktion. 464 In der Bochumer Wohnung seiner alten politischen Freunde Ernst und Trude Volkmann in der damaligen Burgstraße 15 (heute Zedernweg 15) fand Kappius Unterschlupf. Er verließ die Wohnung nur nachts, bei Fliegeralarm konnte er keinen Luftschutzkeller aufsuchen, um nicht entdeckt zu werden. Unter diesen Bedingungen erlebte Kappius auch den großen Luftangriff auf Bochum am 4. November 1944, bei dem 100 000 Bomben auf die 200 000-Einwohner-Stadt geworfen wurden. Trotz dieser widrigen Umstände sorgte er Ende 1944 für einen Hoffnungsschimmer bei den Aktivisten des Leuschner-Netzes, die nach dem 20. Juli 1944 erst einmal weitgehend abgetaucht waren. Die Neu-Isenburger Gruppe des LeuschnerNetzes, für Fries und Kettel im Herbst 1944 eine wichtige Bezugsgruppe, war darüber informiert, dass Kappius den Auftrag hatte, die Untergrundbewegung neu zu organisieren. Der innere Widerstand gegen das NS-Regime sollte verstärkt, Sabotageakte gegen Rüstungsbetriebe sollten durchgeführt und Gerüchte zur Irreführung der deutschen Heeresteile in Umlauf gesetzt werden. Außerdem sollten Soldaten der Wehrmacht zu Desertion oder Kapitu­ lation ermuntert werden. Kappius reiste unter dem Decknamen „Wilhelm Leineweber“ als Bauingenieur und Truppführer der Organisation Todt, der zivile wie militärische Projekte umfassenden Bauverwaltung der Nationalsozialisten, durch Deutschland. 465 231

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Im verbliebenen Leuschner-Netz im Westen wurde publik, dass durch Kappius möglicherweise die Chance bestand, an Waffen zu kommen, welche die Briten abwerfen wollten. London schlug jedoch einen Abwurfpunkt bei Winterberg im Sauerland vor, der für die Widerständler aus den Städten kaum zu erreichen war. Die Aktion wurde abgeblasen, die Hoffnung auf Bewaffnung aus der Luft wurde enttäuscht. 466 Wahrscheinlich über Kettel, Fries und die Neu-Isenburger Zelle des Leuschner-Netzes erfuhr Kappius, dass die Frankfurter IG-Farben-Werke noch uneingeschränkt produzierten, und er gab diese Information nach London weiter, woraufhin die Chemieanlagen bombardiert wurden. Freunde und Bekannte von Kappius, unter ihnen die Wupper­ taler Sozialdemokratin Alma Kettig, 467 erinnern sich, dass es Kappius schwerfiel, Anfang 1945 noch Ruhrarbeiter zu Sabotageakten zu animieren. Man wartete auf das Kriegsende und „wollte die Rübe nicht mehr verlieren“. Die Privatwohnung der Volkmanns war seit Langem ein Anlaufpunkt für die Widerstandsgruppe des Leuschner-Netzes im Ruhrgebiet. Und wieder spielte ein Kaufmann eine zentrale Rolle. Ernst Volkmann betrieb ein Großhandelsgeschäft und hielt jahrelang Kontakt zu verschiedenen verbotenen Organisationen des linken Spektrums: der SPD, der SAP sowie der Deutschen Friedensgesellschaft. Außerdem hatte er mit eigenen Mitteln in Albringwerde bei Rummenohl im Sauerland ein Wochenendhaus gemietet, wo illegale Schulungskurse des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes stattfanden. 468 Änne und Jupp Kappius waren schon vor 1933 Mitglieder der im Jahr 1926 gegründeten, lediglich ein paar hundert Mitglieder zählenden Organisation. Das Paar beteiligte sich gemeinsam mit dem befreundeten Ehepaar Volkmann ab 1933 an illegalen Aktionen gegen die Nationalsozialisten, wurde ab November 1937 steckbrief232

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Änne Kappius um 1942

lich wegen Hochverrats gesucht und floh in die Schweiz. Änne Kappius blieb dort, ihr Mann bekam jedoch keine Aufenthaltsgenehmigung und reiste zunächst nach Frankreich weiter, später nach London. Dort lebte Willi Eichler, der Kopf der kleinen Exil-Organisation des ISK und 1941 Gründungs- und Vorstandsmitglied der Union deutscher sozialistischer Organisationen in Großbritannien, die nach Kriegsende in der SPD aufging. 469 Willi Eichler gilt als der geistige Vater des Godesberger Programms der SPD. 470 Im Londoner Exil arbeitete er im deutschsprachigen BBC-Programm mit. Etwa 20 ISK-Aktivisten fanden Zuflucht in London, wo sie mit Anhängern bzw. Angehörigen anderer deutscher Exilgruppen Kontakt hatten und frühere Differenzen beizulegen suchten. Eichler erhielt bis Kriegsende wertvolle Informationen über die deutschen Kriegs233

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handlungen und den Widerstand gegen Hitler, weil er gute Verbindungen zu Genossen auf dem Kontinent hatte. Ab 1942 gab es Kontakte zwischen dem sogenannten „Labor Desk“ des OSS und der ISK-Gruppe in London. 471 Bei seinem konspirativen Einsatz in Deutschland war es Kappius wichtig, nicht als bezahlter Agent des OSS aufzutreten, sondern als politischer Aktivist: „Ich ging als ISK-Genosse mit Aufträgen von der Partei. Meine Aufgabe war es, im Sinne unseres Sofortprogramms eine Bewegung aufzubauen zu versuchen. Die Engländer und Amerikaner, mit denen wir arbeiteten, waren mit dieser Aufgabenstellung einverstanden. Sie waren außerdem daran interessiert, Nachrichten zu bekommen, die für die Kriegsführung der Alliierten von Wichtigkeit waren. Wir waren unsererseits ebenfalls daran interessiert, denn es lag auch uns daran, an der Niederlage der Nazimilitärmaschine mitzuwirken. Außer diesen Abmachungen bestanden keinerlei Verpflichtungen den Engländern und Amerikanern gegenüber. Ich war ein freier Mann, hatte nichts unterschrieben und wurde von niemandem bezahlt, brauchte also keinen Befehlen nachzukommen, sondern nur den eben genannten Verpflichtungen, die ich übernommen hatte.“472

Dass seine alten politischen Freunde im Ruhrgebiet nicht von sich aus nach den näheren Umständen fragten, unter denen er nach Deutschland zurückgekommen war, passte Kappius nicht: „Wir hatten besonderen Wert darauf gelegt, diese Unabhängigkeit in der Zusammenarbeit zu bewahren, nicht zuletzt auch mit dem Gedanken an die Genossen in Deutschland, die bestimmt fragen würden: Was hast du der englischen Regierung gegenüber als Gegenleistung für das Herüberbringen unternommen? Tatsächlich hat mich keiner der Genossen diese Frage gefragt, ich habe ihnen von mir aus sagen müssen, wie das Verhältnis zur englischen und amerikanischen Regierung ist.

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Sie waren froh, als sie hörten, wie wir die Sache arrangiert hatten, aber es wäre mir lieber gewesen, sie hätten gefragt, statt einfach anzunehmen, es würde alles in Ordnung sein. Das ist nicht Vertrauen  – es ist blindes Vertrauen, und kein gutes Zeichen für die Strenge und Sauberkeit, mit der die Genossen an die politische Arbeit gehen.“473

In Deutschland sollte eine neue Untergrundorganisation mit dem ISK als Zentrum gebildet werden, auf deren Grundlage wiederum eine breitere, aus ehemaligen Gewerkschaftern bestehende Widerstandsstruktur erwachsen sollte. Zunächst sollte Kappius sich eine konspirative Unterkunft suchen. Anschließend sollte er Kontakt zu alten Freunden aufnehmen und Zellen von maximal fünf Personen aufbauen, die nichts voneinander wussten. Die Kommunikation sollte über Kuriere aus der Schweiz laufen. Auch Änne Kappius reiste jetzt als getarnte Rotkreuzschwester „Jutta“ – sicherheitshalber mit einer Zyankali-Kapsel in der Achselhöhle – nach Deutschland, um Informationen weiterzureichen. Der OSS interessierte sich insbesondere für bestimmte militärische Ziele in Kappius’ Einsatzregion. In Hannover nannte er die Continental Gummiwerke und Focke-Wulf in Langenhagen, wo mutmaßlich Bomber hergestellt wurden. In Kassel ging es um Detail-Informationen zu Henschel-Flugmotorenbau oder zur Produktion der Flugzeugfirma Fieseler. Im Ruhrgebiet benötigten die Alliierten zusätzliche Informationen zu möglichen Zielen für Bombenangriffe, etwa über die Gelsenberg Benzin AG in Gelsenkirchen, das Hydrierwerk Scholven in Gelsenkirchen-Buer sowie etwa Treibstofffabriken von Krupp in Essen oder von Hoesch in Dortmund. „Jupp“ und Änne Kappius überlebten ihre gefährlichen Aktionen und kehrten nach dem Krieg gemeinsam in ihre alte Heimat zurück. Josef Kappius wurde später Landtagsabgeordneter der SPD in Nordrhein-Westfalen und Mitglied des WDR-Rundfunkrates. 235

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Berlin-Zehlendorf, Eisvogelweg 71 – Carlo Mierendorff und Fritz Küster „Der gute Nachbar: Du musst dich so verhalten, Lill, als ob bereits hinter jedem von uns ein Spitzel rennt …. Karl: Ein liebes Spitzelchen mit einer braven Bluthundnase und Familienzulage.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen 474

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tarke Mobilität war ein Kennzeichen der „unaufdeckbaren Geheimorganisation“475 Leuschners. Gute Kontakte und gewagte Infiltrationsstrategien in den Polizeiapparat hinein  –

etwa in Frankfurt am Main – waren ein weiteres Merkmal. Ein drittes zentrales Element waren verlässliche und langjährige persönliche Freundschaften sowie unbedingtes Vertrauen in Personen, auch über politische Differenzen hinweg. Erst dadurch war das konspirative Dreieck komplett, das die Tragfähigkeit des Netzes garantierte: Mobilität, vor allem per Bahn, Vernetzung und Infiltration in den NS-Apparat hinein sowie vertrauensvolle persönliche Bindungen. Carlo Mierendorff gelang es mit seinem Charisma besonders gut, Vertrauen zu wecken. Für Emil Henk war er „der begabteste Mann der ganzen politischen Opposition“. 476 Mierendorffs persön-

liche Überzeugungskraft wurde beispielsweise sichtbar, als er den Pazifisten Fritz Küster für die Vorbereitung des Staatsstreichversuchs gegen Hitler gewann. Denn Küster war 1931 unter Protest aus 236

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Fritz Küster, Gründer des pazifistischen Blattes Das Andere Deutschland

der SPD ausgetreten, deren Politik er zu „nationalistisch-militärfromm“ fand. 477 Er hatte bereits 1921 in Hagen die Wochenzeitung Der Pazifist gegründet, die er nach dem Umzug nach Berlin vier Jahre später in Das Andere Deutschland umbenannte. Schon seit 1924 gehörte auch Hein Herbers zu Küsters Autoren. Mit dem Start des Anderen Deutschland in Berlin fungierte er als Feuilletonredakteur. „Wie ernst das Blatt genommen wird“, schreibt der sozialdemokratische Vorwärts im Jahr 2014, „zeigt die Tatsache, dass Küster 1928 wegen einiger Enthüllungen über illegale Aufrüstungspläne zu neun Monaten Festungshaft verurteilt wird, die er jedoch nach einer präsidentiellen Amnestie nicht antreten muss.“478 Als Küster in KZ-Haft saß, bemühten sich seine alten pazifistischen Freunde im Ruhrgebiet, ihn herauszubringen. 479 Nach dem Krieg schildert Küster, wie er von Mierendorff im Sommer 1943 in die Umsturzpläne gegen Hitler eingeweiht wurde: 237

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„Diese Bewegung bestand […] aus drei Zweigen: den Militärs, der politischen und der gewerkschaftlichen Gruppe. […] Dabei wurden Namen wie Leuschner, Gördeler etc. offen genannt. Ich war entsetzt, denn selbst bei unseren Unterhaltungen in Berlin wurden Namen grundsätzlich nicht genannt. […] Sollte es sich da um ein Gestapo-Manöver handeln, dem die Freunde auf den Leim gegangen waren? Jedenfalls war mir die Sache unheimlich.“480

Trotz seiner Skepsis angesichts der mangelnden Verschwiegenheit des politischen Umfelds folgte Küster Ende November 1943 einem „dringenden“ Ruf des Freundes nach Berlin. Mierendorff brachte ihn zu Julius „Jules“ Leber: „Mierendorff empfing mich schon ungeduldig wartend in seiner Berliner Wohnung. Es war Abend und gerade Alarm. Zwei Fahrräder standen bereit und wir fuhren sofort in den Grunewald. Wir müssen heute Nacht mit Leber klar werden, erklärte mir Mierendorff sozusagen vor der Haustür. Dr. Leber und ich waren aus der Weimarer Zeit wegen Wehrfragen alte Gegner. Mierendorff hatte genau kalkuliert, dass ich in dem Moment nicht mehr ablehnen konnte. So wurden beide, Leber und ich, überrumpelt. Aber was bedeutete das angesichts der gemeinsamen Interessen gegenüber dem Verbrecherregime!“481

Küster vermerkt, dass Leber „die Fäden nach der militärischen Seite hin in der Hand“ hatte und dass er sich von Verhandlungen mit Stauffenberg („ohne dass er den Namen nannte“) sehr beeindruckt zeigte: „Es gab eine scharfe Debatte. Ich konnte nicht daran glauben, dass die Generäle, die die Chance verpasst hatten, doch noch losschlagen würden. Der Kreis ist zu groß und die Nazi werden eines Tages uns allen die Köpfe abschlagen, worauf Leber wie Mierendorff mir erklärten, dass, wenn schon durch den Aufstand weitere Luftangriffe auf Berlin verhindert würden, wir das, von allem anderen abgesehen, in Kauf neh-

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men müssten. Ich vertrat hingegen den Standpunkt, den Krieg bis zur Katastrophe hin sich totlaufen zu lassen, einmal, weil ich zum Gelingen eines Militärputsches kein Vertrauen hatte; dann aber auch, weil mir es für die Nachkriegszeit wichtig erschien, nicht erneut mit dem Odium des Dolchstoßes belastet zu sein. Nur wenn Garantien geschaffen würden, dass die schwächliche Haltung der Weimarer Zeit sich nicht wiederholte, würden wir damit fertig werden. Ich war der irrigen Auffassung, dass der Anschauungsunterricht der Kriegsmonate mit seinen Schrecken und Ruinen das deutsche Volk derart läutern würde, dass es vom Nationalsozialismus gründlich geheilt sein werde. […] Es war gegen Morgen, als wir uns schlafen legten. Mir war nicht wohl. Der Kreis war mir einfach zu groß.“482

Dennoch sagte Küster schließlich zu, nach einem erfolgreichen Umsturz die Leitung eines Kommissariats zur Aburteilung aller NS-Verbrechen und Nachprüfung aller Sondergerichtsaktionen zu übernehmen. Dieses konspirative Treffen in Berlin wurde überschattet von zahlreichen alliierten Luftangriffen. Am 18. Oktober 1943 schrieb Mierendoff an Küster, der in Hannover ausgebombt worden und zu Verwandten in den Harz gezogen war: „Mein Lieber, Deine Karte vom 14. erreichte mich heute beim Weekendbesuch. Ich danke Dir für den Gruß und freue mich, dass Du die Hölle lebendig hinter Dir gelassen hast. Ich gratuliere. […] Zunächst steht mir wohl das gleiche in Leipzig bevor.“483 Wenige Tage nach dem Treffen mit Küster und Leber traf sich Mierendorff am 29. November 1943 noch einmal mit Helmuth James von Moltke und Adolf Reichwein, dann kehrte er zurück an seinen Arbeitsplatz nach Böhlen bei Leipzig. In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember starb er bei einem großen Bombenangriff im Keller des Hauses seiner Tante im Bozener Weg 18 in Leipzig-Stötteritz (heute: Lichtenbergweg). Zu seinem 100. Geburtstag am 24. März 239

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1997 nannte ihn der ehemalige SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel „eine der großen Hoffnungen der deutschen Sozialdemokratie für die Zeit nach dem Ende Hitlers“. 484 Fritz Küster überlebte Krieg und Nationalsozialismus in Hannover, von 1945 bis 1947 übernahm er den Vorsitz der Deutschen Friedensgesellschaft. Auch in die SPD trat er, von Kurt Schumacher ­ermuntert, wieder ein. Ab 1947 gab er wieder die Wochenzeitung Das Andere Deutschland heraus, die jedoch nie wieder ihre frühere Bedeutung vor dem Verbot durch die Nationalsozialisten erlangte. Die Wiederbewaffnung der jungen Bundesrepublik führt zur zweiten Entfremdung Küsters von der SPD. Die Partei schloss ihn 1951 wieder aus, die Deutsche Friedensgesellschaft verließ er 1954 nach internen Streitereien. Das Andere Deutschland leitete er bis 1962. Danach geriet das Blatt unter den Einfluss der DDR. Wegen ungenügender Finanzierung wurde das Erscheinen 1969 eingestellt. Da war Fritz Küster schon drei Jahre tot. Der fast vergessene Widerständler starb am 18. April 1966 in Hannover.

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Titisee-Neustadt, Hirnforschungsinstitut Vogt – Benno Reifenberg und Adolf Reichwein „In dem Kölner Hauptbahnhof fährt der Zug wie in einen Tunnel ein. Die Häuserwände rücken nah, so dumpf dröhnt es von den Schienen in die Hinterhöfe der Stadt. Wie weit war Frankreich, wie undurchdringlich das Vaterland. Die Bogenlampen schaukelten im Dunkel, es blies vom Rhein her oben durch die Halle, verzehrend kühl zog es vom Domplatz die Treppen hinauf. Dieser Bahnhof war ein Keller, der auf sonderbare Weise hoch über der Erde liegt. […] Ich stieg in den Berliner Zug, und da fiel mir ein, was mir der Mann gesagt hatte, der mich nach Frankfurt zurückrief: ‚Es ist Zeit. Sie müssen kommen. Das System der Lüge beginnt.‘“ Benno Reifenberg 485

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m Ende der Bahnreisen führt der Weg oft genug zu Fuß aus den Städten hinaus in Wälder, in denen konspirative Treffen unbeobachtet stattfinden. Waldwege sind Teil der To-

pografie des Leuschner-Widerstandsnetzes längs des Rheins. Man verabredet sich im Stadtwald südlich von Frankfurt am Main, an verschwiegenen Plätzen in der Eifel oder in den Alpen oder im Schwarzwald. Im Spätsommer 1944 traf Benno Reifenberg auf einem „stattlichen Hügel oberhalb des Schwarzwaldstädtchens Neustadt“486 ein. Der ehemalige Feuilletonchef der Frankfurter Zeitung suchte hier 241

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V.l.n.r.: Benno Reifenberg, Gustaf Gründgens, Erich Kästner und der Darmstädter Schriftsteller Kasimir Edschmid bei einer Generalversammlung des PEN-Zentrums in Frankfurt am Main 1957

einen Zufluchtsort. Seine Zeitung war erst Ende August 1943 verboten worden. Reifenberg, der bereits zuvor verhaftet und verhört worden war, hatte nach Schließung des Blattes wohl von der Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz, die damals in Frankfurt am Main lebte, den Ratschlag erhalten, sich „einmal in Freiburg umzu­ sehen“. 487 Empfohlen habe man ihm den katholischen Pathologen Professor Dr. Franz Büchner, „der in schwerer Zeit für Stadt und Universität beispielhalt zu wirken vermochte“. 488 Büchner war bekannt geworden, weil er während der NS-Zeit der einzige deutsche Arzt war, der am 18. November 1941 öffentlich in einer Universitäts242

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rede gegen die Ermordung psychisch Kranker und Behinderter im Rahmen der Euthanasie-Aktionen Stellung bezogen hatte. 489 Repressalien bekam Büchner nicht zu spüren. Offenbar schützten ihn gute Beziehungen; er blieb Militärarzt und betrieb kriegswichtige Forschungen. Büchner schickte Reifenberg von Freiburg aus sofort in den Schwarzwald zu Oskar und Cécile Vogt, die dort ein privates Hirnforschungsinstitut betrieben. 490 „Gehirnschloß  – so nannten die Schwarzwaldbauern um Neustadt das Institut nicht ohne Gruseln“, schreibt Reifenberg später. 491 Als der Journalist zum ersten Mal „einigermaßen stumm an den grauen komplizierten Gebilden“ – den Menschenhirnen  – im Forschungsinstitut entlangging, fühlte er sich an den „Kohlenmunkpeter“ in Wilhelm Hauffs Märchen Das kalte Herz erinnert: „Der Schrecken lag ihm noch in den Gliedern, als er sich der in den Gläsern tickenden Herzen entsann, die der Holländermichel seinen Opfern entrissen hatte, bevor er ihnen den Stein in die Brust setzte.“492 Doch das etwas unheimliche „Gehirnschloss“ im Schwarzwald war gleichzeitig ein Zufluchtsort für Menschen, die den Nationalsozialisten nicht in die Hände fallen sollten. So versteckten die Vogts während des Krieges unter anderem die befreundete jüdische Familie Willy und Victoria Calé sowie deren Tochter. 493 Allerdings wurde die Familie Calé 1942 denunziert und musste fliehen. Die Tochter überlebte, die Eltern begingen Selbstmord. Die SS beobachtete den Hirnforscher, der 1937 aus Berlin in den Schwarzwald gekommen war, und bezeichnete ihn im hauseigenen Kampfblatt Das Schwarze Korps als „weißen Juden in der Wissenschaft“. 494 Der später hingerichtete sozialdemokratische Widerständler Adolf Reichwein ging also ein großes Risiko ein, als er Reifenberg in seinem Schwarzwald-Unterschlupf aufsuchte, um ihn in die 243

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­Planungen für die Zeit nach einem gelungenen Attentat auf Hitler einzubeziehen. Angeblich bat Reichwein Reifenberg im Jahr 1944 während eines Spaziergangs um eine Liste mit Namen seiner ehemaligen Kollegen. Reifenberg lehnte das Ansinnen unter Hinweis auf die Gestapo ab. Nicht ohne Grund: Reichwein befand sich bereits im Visier der Gestapo. Am 4. Juli 1944 wurde er verhaftet, am 20. Oktober 1944 wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und noch am selben Tag in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Der gemeinsame Spaziergang Reichweins und Reifenbergs war nicht der einzige Kontakt, den die Widerständler vor dem 20. Juli zu ehemaligen Mitarbeitern der Frankfurter Zeitung hatten. Verlags­ geschäftsführer Wendelin Hecht hatte Kontakt zu Carl Goerdeler gehabt, das Redaktionsmitglied Rudolf Kircher zu Ludwig Beck und anderen Generälen und Robert Haerdter über Fritz Sänger zu Julius Leber. Dieser schlug Haerdter Ende Mai 1944 als Chefredakteur eines Berliner Presseorgans vor, das die neue Regierung künftig ­publizistisch unterstützen sollte. 495 Der aus Mannheim stammende Robert Haerdter hätte nach einem geglückten Attentat Chefredakteur der Deutschen Allgemeinen Zeitung werden sollen, die der geplanten Regierung Goerdeler als „Zentralorgan“ dienen sollte. Haerdter blieb unerkannt, wurde 1944 noch zum Kriegsdienst einberufen und erlebte die Befreiung in amerikanischer Gefangenschaft. Er starb am 3. April 1995 in Stuttgart, nachdem er noch viele Jahre als Journalist gearbeitet hatte. Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat rückte der Terror für die ehemaligen Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung näher. Der ­frühere Rom-Korrespondent Nikolas Benickser wurde zusammen mit seiner Frau in Budapest verhaftet, weil sein Schwager Anton Graf Inn- und Knyphausen zum Umfeld der Verschwörung gehörte. Während der Graf sich in Schweden in Sicherheit bringen konnte, 244

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verbrachte das Ehepaar Benickser die letzten Kriegsmonate in ­„Sippenhaft“ in Budapest und Wien und wurde erst beim Einmarsch der Roten Armee befreit. Wendelin Hecht und Rudolf Kircher, die Kontakte zu ranghohen Offizieren der Wehrmacht und Vertretern des national-konservativen Widerstandes wie Carl Friedrich Goerdeler und Ludwig Beck unterhalten hatten, mussten nach dem misslungenen Anschlag auf Hitler „auf Reisen“ gehen; Kircher hielt sich kurzfristig bei Reifenberg im Schwarzwald auf. 496 Das Hirnforschungsinstitut war also alles andere als ein sicherer Ort. Es wurde offenbar streng überwacht, die Gestapo dürfte gut Bescheid gewusst haben, wer dort aus- und einging. Benno Reifenberg kehrte fast 15 Jahre später noch einmal in das Institut zurück: „Meine Frau und ich haben an einem dunklen, wildstürmenden 1. MaiAbend dieses Jahres 1959 Oskar und Cécile Vogt in dem einsam gewordenen Gehirnschloss aufgesucht. […] Der alte Mann lag arg mitgenommen von einem inneren Leiden auf seiner Couch im Bibliotheks­ zimmer. Wir sprachen über das Phänomen Leben und Vogt prägte mir ein, ohne Struktur sei kein Leben. Diese zu erkennen, hat er sein eigenes Leben darangesetzt“. 497

Wenige Wochen später, im Juli 1959, starb Oskar Vogt. Sein eigenes Gehirn wurde Teil der Sammlung von „Elitegehirnen“ des Instituts. Das Ehepaar Vogt hatte nach Kriegsende außerdem geplant, die Gehirne der in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen verurteilten und dann hingerichteten NS-Täter zu untersuchen. Die Sache verlief jedoch im Sande. Cecile Vogt starb am 4. Mai 1961 bei ihrer Tochter Marthe in Cambridge, wohin sie im Juni 1960 übergesiedelt war. Benno Reifenberg gründete mit ehemaligen Kollegen der 1943 verbotenen Frankfurter Zeitung in Freiburg die Halbmonatsschrift Die Gegenwart. 498 245

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Reifenbergs jahrzehntelange Mitarbeiterin Helga Hummerich beschreibt die letzten gemeinsamen Momente mit dem Journalisten kurz vor seinem Tod am 8. Februar 1970 in Kronberg im Taunus: „Unsere letzten Arbeitsstunden im Zeitungszimmer gehörten zu einem kalten, trüben Januartag des Jahres 1970. BR hatte ein bißchen aufgeräumt, woran ihm bei einem Jahreswechsel besonders lag. Während er seine Mappe packte, sagte er halblaut vor sich hin, er sei müd und aufgeregt, wobei ich über das aufgeregt rätselte. (Wenige Tage ­später wurde klar, daß ihn schon die tödliche Krankheit irritierte.) Dann stand er an der Tür, in seinem dunkelblauen Wintermantel, den dunkelblauen Seidenschal um den Hals geschlungen, hob leise sie Hand  – adieu  – und ging. Sein letzter Satz im Tagebuch, notiert am 24. Januar, lautet: Unter Mimosen Nachmittag verdämmert.“499

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Trebur-Kornsand, ehemalige Flakstellung am Rheinufer – Licht, Spieß und Schuch „Ich aber wollte die Niederlage Deutschlands. Das ist ein furchtbarer Vorsatz für einen Deutschen. Und dafür habe ich illegal mit meiner Gruppe gearbeitet, bis uns die Gestapo fasste. Von acht jungen Menschen, aus denen unsere Gruppe bestand, wurden fünf hingerichtet.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen 500

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u den tragischen Schauplätzen der Topografie des Leuschner-Netzes am Rhein gehört auch ein Ort, der dokumentiert, dass die illegalen Strukturen des Gewerkschafters und Sozi-

aldemokraten Wilhelm Leuschner und seiner Konspirateure nicht alle schützen konnten. Heute ist dieser Ort an sonnigen und warmen Tagen ein bevorzugter Treffpunkt für Motorradfahrer  – der Fähranleger am Rhein im südhessischen Trebur-Kornsand. Direkt an der Fähre gibt es eine Gaststätte und einen Kiosk. Man sitzt gern draußen am Rheinufer und blickt auf den Strom und die gegenüber liegenden idyllischen Weinorte Oppenheim und Nierstein, die schon zu Rheinland-Pfalz gehören. In den letzten Kriegstagen im März 1945 spielte sich an dieser Stelle jedoch ein Drama ab. Fanatische Nationalsozialisten versuchten, an der Fähre eine letzte Verteidigungsstellung gegen die vorrückenden Amerikaner einzurichten. Dazu griff man auf na247

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mentlich bekannte NS-Gegner aus Nierstein zurück, die die Verteidigungsstellungen am östlichen Rheinufer ausheben sollten. Es existiert eine Liste mit folgenden Namen: Johann Eller, Cerry Eller, Georg Eberhardt, Jakob Schuch, Nikolaus Lerch, Ludwig Ebling, Andreas Licht, Philipp Spieß. Die beiden Letztgenannten finden sich auch in der kurz nach Kriegsende verfassten Schrift von Emil Henk zum 20. Juli 1944 in der Gruppe der wichtigsten „Vertrauensleute“ des Leuschner-Netzwerks in der Region.501 Von Licht spricht Henk im Jahr 1946 als von „dem jetzigen Bürgermeister“, er hatte also überlebt. Ebenso Philipp Spieß. Die meisten anderen auf der Liste wurden wenige Tage später unweit der Fähre in Kornsand durch Genickschüsse ermordet. Andreas Licht wurde zunächst verhaftet, kam aber durch die Intervention des für das Sanitätswesen in Nierstein zuständigen Arztes wieder frei. Spieß konnte rechtzeitig gewarnt werden, von wem, ist nicht bekannt.502 Die Gruppe von sechs NS-Gegnern, die schließlich ohne die beiden Leuschner-Kontaktleute mit der Fähre von Nierstein über den Rhein gebracht wurde, blieb nicht am Ufer, um die Abwehrstellungen auszuheben, sondern wurde unter Bewachung weiter nach Osten geschickt. Zu Fuß erreichten sie schließlich Darmstadt, wo man sie am 20. März 1945 ins dortige Gestapo-Gefängnis steckte. Der vernehmende Beamte erklärt ihnen, sie seien wegen „Aufwiegelei“ verhaftet, doch er halte das Ganze für eine persönliche Angelegenheit. Die Nacht auf den 21. März verbrachten die Festgenommenen im Gefängnis in Darmstadt. Am nächsten Morgen teilte der Gestapo-Beamte ihnen mit: „Ihr seid wieder frei und könnt Euch nach Hause zu Euren Familien begeben.“ 503 Die Gruppe machte sich tatsächlich mit der Straßenbahn und später zu Fuß wieder auf den Weg nach Westen in Richtung Rhein, obwohl dort inzwischen die Front verlief. Diese Entscheidung wurde ihnen zum Verhängnis. Als sie wieder das östliche Rheinufer 248

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erreichte, wurde die Gruppe 800 Meter von der Fähre entfernt von den Nationalsozialisten, die die Stellung halten wollten, erschossen. Sowjetische Kriegsgefangene mussten ihre Gräber zuschaufeln. Vier Wochen nach dem Mord, am 18. April 1945, grub man die Leichen aus. Die Beisetzung in ihren Heimatgemeinden erfolgte unter starker Anteilnahme der Bevölkerung. Es dauert Jahre, bis die Täter endlich gefasst und vor Gericht gestellt werden. Der Haupt­ täter Alfred Schniering wird 1949 zu lebenslänglichem Zuchthaus und Ehrverlust verurteilt, der Mann, der die Genickschüsse ausführte, zu zehn Jahren Gefängnis. An der Stelle, wo die sechs NSGegner ermordet wurden, steht heute ein Gedenkstein. Jakob Schuch, der zu den Kornsand-Opfern gehört, zählte ebenfalls zum Leuschner-Netz. Doch anders als Andreas Licht und Philipp Spieß konnte er nicht rechtzeitig gewarnt werden. Dass Schuch in die Vorbereitungen des 20. Juli 1944 involviert war, wird Anfang 2018 in einem Interview mit Angelika Arenz-Morch deutlich, der stellvertretenden Leiterin der Gedenkstätte KZ Osthofen bei Worms. Sie erzählt eine Geschichte aus ihrer Weinbauern-Familie im Niersteiner Ortsteil Schwabsburg in Rheinhessen: „Mein Großvater gehörte der SPD an, war im Reichsbanner organisiert und als solcher natürlich auch gut bekannt mit dem Niersteiner Reichsbannerführer Jakob Schuch, auch Sozialdemokrat. Die haben viele Kämpfe zusammen ausgefochten. Von daher kannten die sich natürlich sehr gut. Mein Großvater hat erzählt, dass er 1944 draußen im Feld – die haben sich immer nur unter freiem Himmel getroffen – von Jakob Schuch einen Karabiner zugesteckt bekommen hat. Der stammte aus dem Wehrmachtsbereich und Schuch sagte dann zu ihm: ‚Pierre, Du brauchst eine Waffe, es ist was im Gange, sei bereit.‘ Und hat ihm dann erzählt, dass er auch noch eine Waffe hat. Mehr wusste mein Großvater nicht. Und er hat es auch nie in irgendeinem Zusammenhang gesehen, er wusste halt nur, es könnte was sein, wo es wichtig ist,

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dass man bewaffnet ist. Und Jakob Schuch wusste natürlich genau, wen er da für bestimmte Aufgaben schnell heranziehen konnte, wenn der Tag X gekommen wäre. Denn bei einem geglückten Umsturzversuch hätte man natürlich die Schwabsburger Nazis, die bewaffnet und sehr fanatisch waren, festsetzen müssen. Für mich ist die Geschichte nicht wichtig, um da eine Heldengeschichte von meinem Großvater zu erzählen, sondern sie macht deutlich: Dieses Netz ist nach unten ganz breit geworden, ohne dass man mehr wusste, als man wissen musste. Für diese Leuschner-Struktur war es halt wichtig, dass es in diesen Orten diese zum Teil familiären Bezüge gab. Aber auch diese engen Freundschaften, die es leichter machten, zuverlässige Leute ranzuziehen. Und die Gefahr, verraten zu werden, war dann minimal. Das war in KPD-Strukturen anders, gerade zu Anfang, als dort Instrukteure eingesetzt wurden, die überhaupt nicht bekannt wurden. Das war im Leuschner-Netz anders, es war auf Freundschaften, Verwandtschaft oder enge Bekanntschaft aufgebaut.“504

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Frankfurt am Main, Europäische ­Zentralbank – Günter Katzenberger und Siegfried Bode „Aber überall ist der Verdacht. Wer hilft dir?“ Günther Weisenborn, Die Illegalen“ 505

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n der Ostseite des Komplexes der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main gibt es eine Gedenkstätte. Sie besteht aus Bahnanlagen, einer Betonrampe, die auf das

Gebäude der EZB zuläuft, sowie Gedenktafeln, die zum Teil in den Boden eingelassen sind. Die Anlage erinnert an den Abtransport mehrerer tausend Frankfurter Juden während der NS-Herrschaft. Von dieser Stelle aus wurden sie in Eisenbahnwaggons in die Kon-

zentrationslager im Osten deportiert. Die meisten Menschen, die hier losfahren mussten, überlebten nicht. Auch dieser verhängnisvolle Platz gehört zur Topografie des Leuschner-Netzes in Frankfurt am Main. Nicht als Widerstandsort, sondern als Raum, der dokumentiert, an welche moralischen Grenzen die Widerstandsbewegung insbesondere mit ihrer Infiltrationsstrategie kam. Der Preis, den die Frankfurter Gruppe des Leuschner-Netzes für ihre konspirative Arbeit innerhalb des NS-Polizeisystems zahlte, war auch nach dem Krieg zum Teil noch hoch. Christian Fries, der Kopf der Gruppe, saß 15 Monate in einem Internierungslager der Alliierten, weil er als Kripobeamter während des Krieges eine SS-Uniform tragen musste. Gottholf Fengler starb 251

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sogar noch in dem englischen Internierungslager Schloss Velen an der niederländischen Grenze und wurde erst zwei Jahre nach seinem Tod in einem Spruchkammerverfahren als Mitglied der Frankfurter „Widerstandsgruppe“ entnazifiziert, weil seine Witwe um die Rente kämpfte. Gustav Weigel kam – wie schon beschrieben – wegen seiner „Fördermitgliedschaft“ in der SS mit einer Geldstrafe vergleichsweise glimpflich davon, weil er im Spruchkammerurteil als Mitläufer eingestuft wurde. Ein Judenretter, der sich ganz bewusst auf die SS einließ, um noch mehr Informationen aus dem System zu bekommen, damit er noch mehr Juden retten konnte, bekam später keinen Freispruch, weil seine konspirative Arbeit ­offenbar nicht in die Raster des Entnazifizierungsgerichts passte. ­Genauso wenig wie das Engagement des jüdischen Kaufmanns Günter Katzenberger, der ebenfalls zur Fries-Gruppe gehörte und am 8. März 1948 an die Spruchkammer in Frankfurt schrieb, um gegen seine Einstufung als „Nazi-Mitläufer“ zu protestieren: „Bezüglich der Einstufung erlaube ich mir zu bemerken, dass mein Eintritt in die Partei 1933 erfolgte, weil ich in der Filmbranche allgemein als Jude angefeindet wurde und ich nicht in der Lage war, den arischen Nachweis restlos zu führen.“506 Der am 12. September 1905 in Berlin geborene Katzenberger, der noch bis 1944 Geschäftsführer einer Filmverwertungsgesellschaft tätig war und schließlich ab November 1944 bei der Frankfurter ­Polizei als Kraftfahrer arbeitete, gehörte nach Aussage von Christian Fries zu der Gruppe, die zwar nicht unmittelbar in die Vorbereitungen des 20. Juli 1944 eingeweiht war, deren Mitglieder aber „als Antifaschisten“ in die „Organisation“ eingebaut werden sollten.507 Katzenberger benannte neben Fries als Zeugen zu seiner „Einstellung gegenüber dem NS-Regime“ auch den Mediziner Hans Hayn aus Neu-Isenburg. Beide könnten „als bekannte Leiter der Frankfurter Widerstandsgruppen wohl am besten Zeugnis für mich ab­ 252

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legen“. 508 In der Spruchkammerakte Günther Katzenberger befindet sich auch eine bemerkenswerte Aussage des Sozialdemokraten Müller, nach dem Krieg Bürgermeister der Kleinstadt Wächtersbach zwischen Frankfurt und Fulda. Er schrieb am 28. Mai 1947 an den „öffentlichen Ankläger“ der Spruchkammer: „Grundsätzlich lehne ich es als Bürgermeister und Vorsitzender der SPD ab, sogenannte Persilscheine auszustellen. In vorliegendem Falle Katzenberger, möchte ich jedoch versuchen, der Spruchkammer Frankfurt a.M. zu empfehlen, das Verfahren gegen Herrn Katzenberger wenn möglich auf dem schnellsten Wege zu erledigen und denselben zu entlasten. Herr Katzenberger wohnte während der Nazizeit, also gegen Ende des Krieges in Wächtersbach und war Geschäftsführer der Filmvertriebsgesellschaft, die nach Wächtersbach verlagert war, tätig. In diesem Jahre, wo Herr Katzenberger seinen Wohnsitz in Wächtersbach hatte, also von 1944 bis zum Zusammenbruch des Naziregimes, kann ich nur sagen, dass Herr Katzenberger ein heftiger Gegner der Nazis gewesen ist. Nach dem 20.7.1944 wurde ich als Funktionär der Partei erneut verhaftet und befand mich im KZ Dachau. Herr Katzenberger hat alle Hebel in Bewegung gesetzt und hat meiner Frau verschiedene Schriftstücke angefertigt um meine Freigabe zu erwirken. Für diese Tat bin ich ihm selbstverständlich Dank schuldig. […] Der Bürgermeister Wächtersbach – Müller.“509

Doch auch solche Zeugen konnten nicht verhindern, dass das jüdische NSDAP-Mitglied Günther Katzenberger als Nazi-Mitläufer eingestuft wurde und eine Geldstrafe zahlen musste. Das einzige Entgegenkommen des Gerichts war, dass er in Raten zahlen durfte. Doch nicht nur für die Entnazifizierungsgerichte, auch für Anti­ faschisten etwa des kommunistischen Spektrums, die die Strukturen und Strategien des Leuschner-Widerstandnetzes im Rhein-MainGebiet während des Krieges schon aufgrund der konspirativen Bedingungen kaum kennen konnten, war es teilweise kompliziert, die 253

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Handlungen der Leuschner-Konspirateure im Nachhinein zu begreifen. Warum tauchte ein Christian Fries während des Krieges plötzlich an seinem Wohnort Bockenheim in einer SS-Uniform auf? Warum beteiligte er sich als sozialdemokratischer Kripobeamter an einer Aktion gegen Flugblattverteiler der KPD? Warum war ein Gustav Weigel „Fördermitglied“ der SS? Die Strategie des Netzwerks, spätestens ab 1942 ganz bewusst Kontakte in der Gestapo zu nutzen oder sogar Mitgliedschaften in der SS anzustreben, um Informationen für geplante Aktionen zu bekommen, führte tatsächlich in moralische Dilemmata größten Ausmaßes. Bis hin zu der Situation, dass ein Frankfurter Kripobeamter Juden rettete, während er zugleich an mindestens einer Judendeportation aktiv beteiligt war. Dass solche dramatischen Momente auch deswegen eintraten, weil die Untergrundgruppe in der Frankfurter Polizei sich entschieden hatte, den Widerstand zum Teil innerhalb des NS-Polizeisystems zu leisten, war für die Spruchkammern nach dem Krieg zunächst einmal schwer zu verstehen. Die Verfahren zogen sich teils jahrelang hin, die Betroffenen blieben in Lagern der Alliierten interniert oder konnten in dieser Zeit nicht in ihre alten Berufe zurückkehren. Ein zusätzliches Problem für die Widerstandsaktivisten des Leuschner-Netzes im Rhein-Main-Gebiet waren die Denunziationen, denen sie aus Kreisen insbesondere kommunistischer Antifaschisten ausgesetzt waren, etwa durch die meist KPD-nahen „Anti­ faschistischen Ausschüsse“, die sich in den ersten Wochen nach Kriegsende in vielen Stadtteilen der Mainmetropole bildeten. Sie übernahmen Polizeifunktionen, beschlagnahmten Wohnungen oder verpflichten etwa als Nazi-Kollaborateure verdächtige Bewohner zu Arbeitseinsätzen, bis sie von den Besatzungsbehörden verboten wurden. Zuweilen wurden bekannte Nazis wohl mit einer lauten Schelle durch einen Stadtteil getrieben. Die Militärregierung erließ 254

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daraufhin am 26. April eine Anordnung, die jede Ausübung von Autorität durch andere Personen als die von ihr ernannten Bürgermeister für illegal und strafbar erklärte.510 Kriminalrat Siegfried Bode aus der Fries-Widerstandsgruppe wurde Opfer eines solchen „Antifaschistischen Ausschusses“. Auch Bode musste sich, wie Fries selbst, als Polizist während der NS-Zeit dienstlich an Aktionen beteiligen, die ihm politisch zuwider waren. Dabei geriet er mindestens einmal in eine Lage, die das ganze Dilemma der Strategie aufzeigt, Widerstandshandlungen quasi im Herzen der Bestie vornehmen zu wollen. Er musste sich offenbar dienstlich an der ­Zusammenstellung zumindest eines Deportationszuges mit Frank­ furter Juden beteiligen, der von der alten Frankfurter Großmarkthalle  – der heutigen Europäischen Zentralbank  – in die Vernichtungslager im Osten abging. Bei den Deportationsvorbereitungen wurde er von Zuschauern gesehen. Ein Polizist, der unmittelbar nach dem Krieg Streit mit Bode bekam, meldete seine Beobachtung nach der Befreiung einem Antifaschistischen Ausschuss in Frankfurt. In dem daraufhin gegen Bode eingeleiteten Entnazifizierungsverfahren sagten mehrere Mitglieder des Antifa-Ausschusses aus, gesehen zu haben, dass Bode gegen Juden an der Großmarkthalle handgreiflich geworden sei. Von der Spruchkammer dazu später befragt, nehmen alle Zeugen diese Aussage wieder zurück. Der Ermittler bewertete das Agieren des Antifa-Ausschusses am Ende sehr kritisch: „Frankfurt a/Main, den 2.9.1947. Betr: Siegfried Bode. Die vorgebrachten Belastungen entbehren jeder Grundlage. 1945 kurz nach dem Umbruch bildeten sich in allen Stadtteilen antifaschistische Ausschüsse die ohne jede gesetzliche Grundlage Arbeitskommandos aus Parteigenossen zusammenstellten. Es genügte, wenn einer sagte, ‚das war auch ein Nazi‘ um ihn auch zum Arbeitsdienst zu bestimmen. Die Belastungszeugen gegen Bode waren Mitglieder eines damals beste-

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henden antif. Ausschusses. Ähnlich wie das erwähnte Beispiel war es im Falle Bode. Einige Angehörige des Ausschusses haben Bode am Ostbahnhof gesehen, als er dienstlich (vermutlich) bei dem Abtransport von Juden zugegen war. In einer Sitzung des antif. Ausschusses kam die Rede auch auf Bode. Einer sagte ‚Der war auch ein Nazi‘. Wer diesen Ausspruch tat, weiß heute keiner mehr. Aber dies genügte, dass es zu den in den Akten befindlichen Anschuldigungen kam, die von allem gemeinschaftlich unterschrieben wurden. Diese Anschuldigungen wurden von allen restlos zurückgenommen.“511

Neben Kollegen von der Polizei, etwa Kriminalrat Schwalm, die seine „antinazistische Einstellung“ bezeugen sollten, benannte Bode auch den ungarischen Juden Karl Roth als Zeugen im Verfahren. Gemeinsam mit seiner ehemaligen Dienstherrin Eugenie Beutenmüller gab Roth am 27. Mai 1946 Folgendes zu Protokoll: „Ich bin Volljude und arbeitete um 1943 als Gehilfe bei Bäckermeister Beutenmüller.“ Zur Tarnung habe er sich als ungarischer Katholik ausgegeben. Er sei dann aber offenbar von „einem meiner ungarischen Freunde verraten“ worden. Es sei Siegfried Bode gewesen, der ihn bei der Frankfurter Polizei vernommen habe. Bode habe ihn nach der Vernehmung wieder nach Hause gehen lassen und keine Anklage geschrieben: „In der Folgezeit kam Herr Bode fast täglich in meine Privatwohnung im Hause Schnurgasse 47 bei meiner Arbeitgeberin. Es kam nach und nach zu einem befreundeten Verhältnis zwischen mir, meiner Arbeitgeberin Frau Beutenmüller und Herrn Bode. Herr Bode erfuhr durch mich, dass ich Volljude bin. Dieses Vertrauen brachte ich ihm auf Grund seiner mir bekannten antinazistischen Einstellung entgegen. So oft Herr Bode bei mir war, hörten wir den Londoner Sender und besprachen die politische Lage.“512

Christian Fries betont in seiner umfangreichen Rechtfertigungsschrift im Rahmen seines Spruchkammerverfahrens, dass gerade 256

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„die den jüdischen Personen geleistete Hilfe […] besonders gefahrvoll“ gewesen sei: „Nur derjenige, der in der Nazizeit in Deutschland gelebt hat, kann sich eine Vorstellung davon machen, in welch ungeheurem Umfang die Bespitzelung durch die Gestapo und die Parteiorgane durchgeführt wurde und wie sich diese in besonderem Maße auf die schon anrüchigen [von Fries unterstrichen] Beamten […] erstreckte.“513 Als „anrüchig“ galten die SPD-nahen Konspirateure des Polizeisektors nach dem Krieg eben nicht nur bei den überlebenden Nazis, sondern auch bei den Kommunisten und teilweise bei den ihnen nahestehenden Aktivisten der Antifa-Ausschüsse. Dass das Leuschner-Widerstandsnetz teilweise ganz bewusst die Nähe zur Gestapo und zur SS suchte und sich im Extremfall sogar gezwungen sah, bei verbrecherischen Handlungen wie den Deportationen der Frankfurter Juden mitzumachen, war auch für die Entnazifizierungs­ gerichte nicht leicht nachzuvollziehen. Dass darüber hinaus NSGegner einander das ohnehin schon schwere Nachkriegsleben noch schwerer machten, ist ein trauriger Befund aus den ersten Jahren nach der Befreiung. Hier zeigt sich noch einmal die tiefe Spaltung der deutschen Arbeiterschaft, allen Aufrufen – auch Wilhelm Leuschners – zur Einheit zum Trotz.

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Wiesbaden und Altenahr  – Fabian von Schlabrendorff und Philipp von Boeselager „Die Freunde waren dem heute Lebenden gegenwärtig, er sprach mit ihnen nachts bei der Niederschrift und sie saßen bei den Proben in der kalten Leere des dunklen Zuschauerraums. Günther Weisenborn, Die Illegalen 514

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ls er im Jahr 1945 aus der SS-Haft in Südtirol nach Deutschland zurückkehrt, bekommt Fabian von Schlabrendorff ­Besuch von einem Deutsch-Amerikaner, Gero von Gaever-

nitz, der damals nach Freunden sucht, um das zerstörte Deutschland wieder aufzubauen: „Bei seinem Besuch erzählte er mir ­folgendes: Es solle in Heidelberg einen Mann geben, der Emil Henk heißt, Sozialist sei und auf den man sich in jeder Hinsicht verlassen könne. Gemeinsam suchten Gero von Gaevernitz und ich Emil Henk in Heidelberg auf. Schon das erste Gespräch vermittelte einen bleibenden Eindruck.“515 Fabian von Schlabrendorff ist der Mann, der am 13. März 1943 zusammen mit Henning von Tresckow versucht hatte, eine Zeitbombe in einem Flugzeug Hitlers zu zünden. Die Bombe versagte, das ­Attentat blieb unentdeckt. Schlabrendorff und Henk, die ein Jahr später jeweils im militärischen und zivilen Sektor der Verschwörung vom 20. Juli 1944 wichtige Rollen einnahmen, werden nach 258

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dem Krieg Freunde. Beide engagieren sich für die Schaffung der „Stiftung Hilfswerk 20. Juli 1944“, die 1947 gegründet wird.516 Henk wird zum Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung gewählt, während Renate Gräfin von Hardenberg die erste Leiterin der Stiftung wird. „Wichtigstes Ziel des Hilfswerks“ war damals die materielle und seelische Unterstützung der Opfer des Nationalsozialismus. Das Hilfswerk kümmerte sich vor allem um die Angehörigen und Hinterbliebenen der am 20. Juli 1944 beteiligten Widerstandskämpfer. Neben materieller Hilfe wurde auch juristische Unterstützung gewährt, wenn es vor Gericht um die politische Rolle des Widerstands und etwa um den Vorwurf des Landesverrats ging. Dass die Verschwörer des 20. Juli 1944 sich nach dem Krieg mit wüsten Beschimpfungen von rechts auseinanderzusetzen hatten, schildern noch 2009 die Söhne Schlabrendorffs in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Bis zu seinem Tod am 3. September 1980 in Wiesbaden habe Fabian von Schlabrendorff immer wieder Briefe erhalten, in denen er als Verräter beschimpft worden sei, erzählen die Söhne von ihrem Vater, dem Schweiger. Nie habe er von jener Zeit erzählt, in der er mit Henning von Tresckow und den anderen Verschwörern den Umsturz vorbereitet hatte. Nur manchmal hätten überlebende Mitverschwörer ihn besucht, so wie die Sekretärin Margarethe von Oven, Carl-Hans Graf von Hardenberg oder einige Angehörige Tresckows“.517

Das Beispiel des Spruchkammerverfahrens gegen den Frankfurter Mitverschwörer Christian Fries zeigt, dass die Anwürfe gegen die Aktivisten des 20. Juli 1944 auch von links kommen konnten, im Fall von Fries von der KPD im Bezirk Hessen. Ob auch Fries von der „Stiftung Hilfswerk 20. Juli 1944“ juristisch beraten wurde, ist nicht bekannt. Allerdings sagten führende Mitglieder des LeuschnerNetzes im Südwesten, die auch eng mit Emil Henk befreundet 259

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waren, in dem Entnazifizierungsverfahren zugunsten des Frankfurter Kripobeamten aus. Henk blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1969 Vorsitzender der Stiftung. In einem Text, den Fabian von Schlabrendorff zu einem Gedenkbuch für seinen verstorbenen Freund Emil Henk beisteuert, spricht er auch ein wenig über sich. Für ihn gehört Henk, wie er selbst, zu einer „tragischen Generation“, einer Generation, „die wie wenige Aufbruch und Niedergang, Wagnis eines Neubeginns und Hoffnungslosigkeit eines totalen Zusammenbruchs erlebte und erlitt“. Henk habe vier Staatsformen gesehen: das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die nationalsozialistische Diktatur und die Bundes­ republik Deutschland. „Zwei Inflationen offenbarten ihm das ganze Elend wirtschaftlicher Katastrophen und zwei grausame Weltkriege prägten seine Weltsicht. Dieser zeitgeschichtliche Hintergrund muss gesehen werden, will man das Leben Emil Henks nachzeichnen.“518 Angesichts der „zerstörten Lebensordnungen“, so habe Henk es selbst einmal formuliert, sei ihm nur die „unheim­ liche Zwiesprache mit dem Chaos“ geblieben.519 Obwohl Henk, Kettel, Fries und auch Schlabrendorff den Nationalsozialismus überlebten, ging diese „unheimliche Zwiesprache mit dem Chaos“ für sie persönlich weiter. Viele Freunde waren tot, und um die geschichtspolitische Aufarbeitung der Ereignisse des 20. Juli 1944 musste in den Zeiten des Kalten Krieges zäh gekämpft werden, in der Öffentlichkeit wie vor Gerichten. Das Buch Offiziere gegen Hitler, das Schlabrendorff im Sommer 1945 auf der Insel Capri und in Ascona auf Bitten der Amerikaner schrieb, durften die Söhne nach eigener Aussage anfangs nicht lesen. Der Verfasser bekennt darin, wie stark er durch den Juristen Rudolf Smend 520, den Sozialisten Ernst Niekisch und den evangelischen Theologen Martin Niemöller beeinflusst war. Von Generaloberst Ludwig Beck spricht er als dem „eigentlichen Leiter der deutschen Widerstands­ 260

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bewegung“.521 Seine Kinder erfahren wohl zunächst auch nicht, wie knapp ihr Vater nach dem 20. Juli 1944 der Hinrichtung entging. Schlabrendorff wurde am 17. August an der Ostfront verhaftet und bereits einen Tag später im Berliner Gestapo-Gefängnis an der Prinz-Albrecht-Straße inhaftiert. Mit seinem Mitgefangenen Goerdeler konnte er sich absprechen, im Verhör jede Bekanntschaft abzustreiten. Schlabrendorff wurde schwer misshandelt, seine ­ Schwester, die ihn in den folgenden Wochen besuchen durfte, sah die Blutspuren an seiner Wäsche. Doch Schlabrendorff nannte keine Namen. Auch den Namen Philipp Freiherr von Boeselager nicht. Für einen SWR-Radiobeitrag äußerte sich der damals letzte noch lebende Hitler-Attentäter im Dezember 2007 kurz vor der Verleihung des höchsten rheinland-pfälzischen Verdienstordens in seinem Haus im Ahrtal zu den Ereignissen des 20. Juli 1944. Er war zu ­diesem Zeitpunkt 90 Jahre alt und starb wenige Monate später, am 1. Mai 2008, in Altenahr. Philipp von Boeselager wollte Hitler schon im März 1943 mit einer Pistole erschießen. Und er hat auch Jahrzehnte später nicht vergessen, dass sein Bruder Georg und er, die zum innersten Kreis der Attentäter um Stauffenberg und Tresckow gehörten, ihr Über­ leben maßgeblich auch dem Schweigen Schlabrendorffs nach dem 20. Juli 1944 verdankten. Denn Schlabrendorff war genau darüber informiert, welche wichtige Rolle die Reitertruppe, die Boeselager zu diesem Zeitpunkt an der Ostfront befehligte, am 20. Juli 1944 nach einem geglückten Attentat auf Hitler einnehmen sollte. Philipp von Boeselager erzählt in dem Interview, dass man sich rund 250 Kilometer östlich von Brest-Litowsk [im heutigen Weißrussland] sammelte. Seine Einheit sollte dort per Lastwagen zu einem Feldflugplatz in der Nähe von Warschau fahren und vor dort aus mit Junkers-Maschinen nach Tempelhof fliegen. Man habe sich noch 261

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östlich von Brest-Litowsk befunden, als der Befehl gekommen sei „Auf nach Berlin“. Es war der 17. Juli 1944, erinnert sich Boeselager. Er habe auf verschiedenen Wegen und zeitversetzt sechs Schwadronen – rund 1200 Mann  – zum Sammelort geschickt. Bei Brest-Litowsk sei dann eine feste Stellung ausgebaut worden, „in die die Infanterie rein musste“. Als diese Stellung nach einem Ritt von 200 Kilometern in 36 Stunden gerade eingenommen worden sei  – „das war sehr schnell und nach den ganzen Kämpfen war das eine große Anstrengung für die Soldaten“ –, sei ein Melder gekommen und habe ihm einen Zettel gegeben. „Da stand drauf: Alles in die alten Löcher! Das war das Deckwort für: Attentat nicht ausgeführt. Ich wusste nicht, dass es gescheitert war.“ Doch man sei sehr schnell wieder losgeritten und in die alte Position an der Front zurückgekehrt, weil man Angst hatte dass es aufgefallen wäre, dass 1200 Leute nicht an der Stelle in der Front waren, an der sie vorgesehen waren. Boeselager: „Wir sind dann in einem Höllentempo wieder zurück. Aber ich war ganz sicher, dass wir verhaftet werden. Wir sind aber nicht verhaftet worden. Und die Teilnehmer am Widerstand, die dann nachher gefoltert wurden wie der General Hellmuth Stieff oder Schlabrendorff, die haben dicht gehalten, als die auf uns angesprochen wurden. Da haben die gesagt: Das hatte mit denen gar nichts zu tun. Die haben uns das Leben gerettet.“ 522 Fabian von Schlabrendorff wurde vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Am 3. Februar 1945 sollte es zum Verhandlungstermin gegen ihn kommen, doch es gab Bombenalarm in Berlin. Bei dem nachfolgenden Luftangriff wurde das Gerichtsgebäude getroffen. Ein Teil der Decke stürzte in den Keller, wo Richter und Angeklagte Schutz gesucht hatten. Ein Balken traf Roland Freisler, den berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofs, am Kopf: Er erlitt einen tödlichen doppelseitigen Schädelbruch. Die Akte Schlabrendorff hatte er bei sich. 262

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Philipp Freiherr von ­Boeselager

„Das nächste Wunder“, so die FAZ viele Jahrzehnte später, sei dann „am 16. März 1945 gefolgt“.523 Unter seinem Vizepräsidenten Wilhelm Crohne sprach der Volksgerichtshof Schlabrendorff, der im Prozess auf die ihm angetane Folter hingewiesen hatte, frei. Die Gestapo akzeptierte den Urteilsspruch jedoch nicht und verhaftete ihn erneut. Man verschleppte ihn in das Konzentrationslager Flossenbürg in der Oberpfalz, wo seine Mitstreiter Admiral Wilhelm Canaris, General Hans Oster und Dietrich Bonhoeffer hingerichtet wurden. Schlabrendorff wurde wenig später nach Dachau verlegt, dann in ein Konzentrationslager bei Innsbruck und schließlich nach Niederdorf in Südtirol. Er war eine der zahlreichen prominenten Geiseln, mit denen der Reichsführer SS Heinrich Himmler in letzter Minute seinen Hals aus der Schlinge ziehen wollte. Eine in 263

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den Alpen stationierte Einheit der Wehrmacht nahm die Gefangenen bis zur Kapitulation vor den SS-Bewachern in Schutz. Im Interview schildert Boeselager die Gemütslage der Frauen und Männer des 20. Juli 1944: „Sie haben sehr unter ihrem Auftrag, den sie glaubten, bekommen zu haben, gelitten“, und sich nie als Helden gefühlt. Man rechnete jederzeit damit, „vorher geschnappt“ zu werden, was auch für die Familien „sehr unangenehm“ gewesen wäre. Man habe sich auch immer wieder gefragt: „Hast Du eigentlich recht? Es gibt viele Millionen Deutsche und wir sind eine ganz kleine Gruppe, sehen wir das als Einzige richtig oder gucken wir schief.“ Das Gewissen habe sich immer wieder gemeldet: „Mord ist Mord. Da muss man gar nicht drum rum reden.“ Doch es sei darum gegangen, den Krieg möglichst schnell zu beenden: „Nach dem 20.  Juli sind noch mehr Menschen umgekommen, sei es Soldaten oder Zivilsten, als in den fünf Jahren zuvor, und die Städte Dresden und all diese Städte sind erst nach dem 20. Juli zerstört worden.“ ­Boeselager wie auch Schlabrendorff wussten, dass sie „wahrscheinlich als Verräter“ angeprangert worden wären, wenn das Attentat geglückt wäre: „Die Deutschen hätten uns nachher wahrscheinlich umgebracht. Die Ostpreußen und Schlesier hätten gesagt: Wenn der Hitler noch lebte, dann säßen wir heute noch in Ostpreußen und Schlesien. Die glaubten ja in der Masse der deutschen Soldaten an Hitler. Dann wären wir auch von denen wahrscheinlich zur Rechenschaft gezogen worden. Aber trotzdem mussten wir es machen!“

Boeselager und Schlabrendorff waren bereits im März 1943 an der Ostfront im russischen Smolensk gemeinsam mit anderen Wehrmachtsoffizieren an mehreren Versuchen, Hitler bei einem seiner Frontbesuche zu töten, beteiligt. Der damalige Befehlshaber Günther von Kluge habe sich allerdings gegen ein Attentat ausgespro264

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chen, so Philipp von Boeselager, weil Himmler bei diesem Besuch Hitler nicht begleitete und Kluge, sollte Himmler den Anschlag überleben, einen Bürgerkrieg zwischen SS und Wehrmacht befürchtete: Im Jahr 2007 räumt Boeselager im Gespräch im Ahrtal ein, dass er Kluges Haltung damals nicht verstanden habe. Doch mit zeitlichem Abstand sei ihm klar geworden, dass damals wirklich eine Bürgerkriegsgefahr bestand. Denn die Ersatzabteilungen des Heeres seien zum großen Teil ins Ausland verlegt worden. Sie waren dort Besatzungstruppen. So sei etwa sein Ersatztruppenteil, der eigentlich in Paderborn stationiert war, bereits zum Zeitpunkt der ersten Attentatsplanungen nach Preußisch-Stargat im früheren Westpreußen verlegt worden. Heute gehört der Ort zu Polen. Und so seien alle Ersatztruppenteile nach Polen oder Frankreich verlegt worden, sodass es nur wenige Truppen in Deutschland gegeben habe. Zugleich sei die Waffen-SS, die bei Beginn des Krieges 40 000 Mann stark gewesen war, von Himmler auf rund 950 000 Mann aufgestockt worden, die im Reich ihren Standort hatten. Infolgedessen habe es viele Orte gegeben, an denen die Waffen-SS truppenmäßig stärker gewesen sei als das Heer. Sodass es vielleicht zum Bürgerkrieg gekommen wäre. „Infolgedessen verstehe ich heute, dass der Kluge das damals verboten hat.“ Daraufhin sei auch der Walküre-Plan umgeändert worden. Dieser Plan habe ursprünglich die Niederschlagung eines Aufstands der Fremdarbeiter beinhaltet, falls diese einen solchen gewagt hätten. Es habe ja in allen Industrie- und landwirtschaftlichen Zweigen Fremdarbeiter als Zwangsarbeiter gegeben, zum Teil auch als Freiwillige. Man habe einen Aufstand befürchtet, und dafür habe es den Walküre-Plan gegeben, der regelte, wer diesen Aufstand an den verschiedenen Orten ­niederschlagen sollte. Dieser Plan sei dann nach den gescheiterten Attentatsversuchen vom März 1943 vom Widerstand umgearbeitet worden zu einem Plan, die SS auszuschalten. In allen Wehrkreisen 265

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seien ein Soldat und ein Zivilist gesucht worden, die nach einem gelungenen Attentat die Macht übernehmen sollten. Das sei „sehr kompliziert und schwierig“ gewesen, erinnert sich Boeselager. Man habe ja nicht telefonieren und schreiben können. Um die Offiziere für den Widerstand zu gewinnen, hätten deshalb viele persönliche Gespräche geführt werden müssen, stets begleitet von der Angst vor Denunziation. Aber im Juli 1944 habe der umgearbeitete Walküre-Plan gestanden. Tresckow, der ihn ausarbeiten ließ, habe sich dann bei Stauffenberg gemeldet: „Der Plan steht, jetzt kannst du beginnen.“ Und deshalb sei das Attentat im Juli 1944 auch ausgeführt worden. In dem Interview erläutert Boeselager auch, warum Schlabrendorff und er schon im März 1943 bereit waren, Hitler zu töten. Man habe „über die Achse Tresckow beim Heeresgruppenstab“ und über „Oster, das war der Chef der Spionage im Oberkommando der Wehrmacht, der eine gute Beziehung zum SS-Obergruppenführer Nebe hatte“, gewusst, welche Verbrechen Hitler zu verantworten hatte. Nebe sei vor dem Krieg oberster Kriminalrat in Preußen und dann in Deutschland gewesen. Und später seien über seinen Schreibtisch als SS-Obergruppenführer „alle Schweinereien“ gelaufen, die die SS gemacht habe. Nebe habe die Informationen an Oster und Tresckow weitergegeben, „dass die Juden, die mit Waggons nach Polen geschafft wurden  – man glaubte in Deutschland, die werden dort in KZs kommen und arbeiten müssen für den Krieg, es war ja Krieg –, dass die nicht dahin geschafft wurden zum Arbeiten, sondern sofort umgebracht werden“, so Boeselager. „Und dass täglich etwa 16 000 Menschen umgebracht wurden. Und das war schließlich der Grund für das Attentat.“ Der Katholik Boeselager war überzeugt, dass Hitler der Teufel persönlich war. Denn schon nach dem Pistolenattentat im März 1943 seien in derselben Märzwoche 1943 noch zwei weitere Attentatsver266

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suche auf Hitler gescheitert. Einmal hätten Schlabrendorff und Tresckow ihm eine als Cognacflasche getarnte Bombe ins Flugzeug gelegt, die nicht explodierte, weil die Zündung eingefroren war. Die Bombe sei im Frachtraum unter dem Flugzeug platziert worden, „da war es so kalt, und das wusste man nicht, dass die Zünder dann einfrieren“. Noch in derselben Woche sollte dann der Major von Gersdorff, der Feindnachrichten-Offizier der Heeresgruppe Mitte, Mussolini und Hitler durch das Berliner Zeughaus führen, um den beiden Diktatoren die von der Heeresgruppe erbeuteten Waffen vorzu­ stellen, erinnert sich Boeselager. Weil Mussolini früher eintraf, als im Protokoll vorgesehen, sei der Zeitrahmen für diese Besichtigung ­verschoben worden, was Gersdorff nicht gewusst habe. Hitler sei dann aber „nach zehn Minuten schon wieder aus dem Zeughaus ­hinausgerannt“, während die Bombe auf Zündung nach einer Viertelstunde eingestellt war, denn ursprünglich sei der Zeitrahmen für den Besuch im Zeughaus eine halbe Stunde gewesen. So sei Hitler erneut entkommen und Gersdorff habe noch Mühe gehabt, die Bombe wieder zu entschärfen. „Das waren drei Versuche in einer Woche, die fehlgeschlagen waren. Das konnte man sich nicht vorstellen, dass dies mit rechten Dingen zuging. Da musste der Teufel schon dahinterstecken.“ Generell, so Boeselager, sei es ja darum gegangen, Hitler zu töten, um den sogenannten „eidfreien Zustand“ wieder herzustellen: „Die Masse der Soldaten und der Deutschen glaubten ja an Hitler. Man konnte sich nicht vorstellen, dass die Staatsführung verbrecherisch und lügnerisch war, wie das der Hitler war. Infolgedessen, wenn der Hitler noch gelebt hätte, wäre ein Aufstand nicht durchzuführen gewesen. Nur, wenn er tot war und der eidfreie Zustand bei den Beamten und den Soldaten erreicht wäre. Dann konnte man hoffen, dass einem die anderen Menschen folgen würden.“ Diesen „eidfreien Zustand“ konnten Boeselager und Schlabrendorff trotz mehrerer Versuche, den Tyrannen zu beseitigen, an 267

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„Fabian von Schlabrendorff“, Blatt 48 aus „Wie ein Totentanz“, Mappenwerk mit 53 Radierungen zum 20. Juli 1944 von Alfred Hrdlicka. Fabian von Schlabrendorff wurde gefoltert und schwieg.

denen sie beteiligt waren, nicht herstellen. Doch entgegen ihrer ­eigenen Erwartungen überlebten sie und erlebten schließlich die Befreiung vom NS-Regime und die Gründungsjahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland. Schlabrendorff wurde im Juli 1967 zum Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe gewählt. In dieser Eigenschaft wirkte er an einer Reihe bedeutsamer Entscheidungen mit, darunter der Entscheidung zur Verfassungskonformität des Grundvertrags. Am 3. Sep268

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tember 1980 starb der Henk-Freund im Alter von 73 Jahren in Wiesbaden. Die Stiftung, die die überlebenden Konspirateure Schlabrendorff und Henk gemeinsam mit anderen nach dem Krieg gründeten, wurde 1994, zum 50. Jahrestag des 20. Juli 1944, umbenannt. Man verzichtete auf den Namensbestandteil „Hilfswerk“, da die finanzielle Unterstützung der Angehörigen nur noch einen kleinen Teil der Stiftungsaufgaben ausmachte. Heute geht es der ­Stiftung vor allem um Jugendbildung oder politische Bildung in der Bundeswehr. Fabian von Schlabendorff hat ein politisches Vermächtnis des 20. Juli formuliert – die universelle Geltung der Menschenrechte. Er nennt sie „überregionale Werte, die auf dieser Menschenwelt Geltung haben, ohne Unterschied der Rasse und Religion. […] Es ist keine kleine Sache, solche überregionalen Werte auch dann zu bewahren, wenn es mit dem nationalen Gefühl durchgeht, aber umso größer ist die Pflicht, an diesen überregionalen Werten festzuhalten. Die Nation ist nicht der letzte Höchstwert.“ 524

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Das konspirative Dreieck des Leuschner-Netzes „Lill: Gib mir die Mappe, ich will gehen … Walter: Der gute Nachbar hat sie abgeholt … Lill: Der gute Nachbar. Dann ist es ja gut.“ Günther Weisenborn, Die Illegalen 525

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n den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im rheinhessischen Osthofen bei Worms einige Straßen umbenannt. Sie erhielten Namen von herausragenden sozialdemokratischen und libe-

ralen Politikern der Weimarer Republik oder von Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus: Aus der Hauptstraße wurde die Friedrich-Ebert-Straße, aus der Wormser Straße die Carlo-Mierendorff-Straße, aus der Mainzer Straße die LudwigSchwamb-Straße und aus der Hintergasse die Walther-RathenauStraße. Viele dieser Straßen befanden sich in der Nähe der Gedenkstätte KZ Osthofen. Doch im Jahr 1953 gerieten die neuen Straßennamen in die Diskussion. Die rechtsorientierte „Freie Liste Mai“ wollte die Straßen umbenennen, weil die Widerstandskämpfer, wie sie behauptete, nicht mehr bekannt seien. Die Bevölkerung könne sich die Namen nicht merken, außerdem hätten sie keinen regionalen Bezug. Es kam zu großen Debatten im Stadtrat. Auf einer von der SPD angesetzten Kundgebung trat auch Elisabeth Schwamb als Rednerin auf und fand deutliche Worte. Eine neuerliche Umbenennung konnte so am Ende verhindert werden. Diese Episode zeigt: Geschichtspolitik und Erinnerungskultur waren immer wieder Gegenstand dramatischer Auseinanderset-

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zungen. Auch wenn es vordergründig lediglich um Straßennamen geht: Auf den Schildern kondensiert sich ein umfassender Blick auf die Welt, hier geht es um die Deutungshoheit über das gerade Vergangene, um Erinnerungs-Zeichen im wahrsten Sinne des Wortes und schließlich auch um politische Wegweiser in eine bestimmte Zukunft des Gemeinwesens. Zu behaupten, Mierendorff oder Schwamb hätten keinen lokalen Bezug zu Rheinhessen gehabt, war nichts anderes als der Versuch, ein Jahrzehnt nach dem 20. Juli 1944 zwei der wichtigsten zivilen Konspirateure gegen Hitler aus dem kollektiven Gedächtnis zu tilgen. Mierendorff, der im KZ Osthofen eingesperrt war, und Schwamb, der in einem der rheinhessischen Nachbarorte lebte und in Berlin nach dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat hingerichtet wurde, sind jedoch herausragende Männer der deutschen Demokratiegeschichte – nicht nur im Südwesten. Dass gleichzeitig die Frauen nicht vergessen werden sollten, zeigt das entschlossene Engagement von Elisabeth Schwamb gegen die Osthofener Umbenennungsaktion ebenso wie der Blick auf die Frauen-WG um Mathilde Gantenberg in der Eifel oder das AlpenRefugium für politisch Versprengte unter der Leitung von Anna Beyer. Die „Herbergsväter der Konspiration“, von denen Walter Benjamin sprach, waren in Wahrheit oftmals „Herbergsmütter“, die sich allerdings mit einer traditionellen Frauenrolle im Haushalt niemals zufriedengaben, sondern sich beim Fallschirmspringen gegen skeptische Männer durchsetzten oder mit der Zyankali-­ Kapsel in der Achselhöhle in der Eisenbahn als Kurierinnen die Rheinschiene bevölkerten. Unter den Zetteln, die sich im Leuschner-Nachlass fanden und die im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt aufbewahrt werden, befinden sich auch zahlreiche kleine Werbeanzeigen aus der Kriegszeit. So bewahrte Wilhelm Leuschner neben handgeschriebenen und heute kaum noch leserlichen Notizen unter anderem einen 271

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Unter den Zetteln, die sich im Leuschner-Nachlass fanden, befinden sich auch zahlreiche kleine Werbe­ anzeigen aus der Kriegszeit. So bewahrte er neben handgeschriebenen Notizen unter anderem einen gedruckten Reklame-Flyer der Batterie-Firma Varta auf. „In der Siedlung. Unterwegs. Auf dem Wasser“ – vielleicht auch ein ironischer Kommentar zu dem, was Leuschner und seine Mitverschwörer über Jahre taten: Sie waren ­unterwegs.

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­gedruckten Reklame-Flyer der Batterie-Firma Varta auf. „In der Siedlung. Unterwegs. Auf dem Wasser“ lauten die Überschriften, denen jeweils Zeichnungen zugeordnet sind. Eine Terrasse mit Sonnenschirm, eine Pause im Grünen während einer Autofahrt, zwei Personen auf einem Motorboot. Die Rundfunk-Batterie ist für jede Situation verwendbar. Sicher interessierte Leuschner sich aus sehr konkreten Gründen für Batterien, sei es, um Radio zu hören oder eigene Funksignale absetzen zu können. Doch vielleicht ist der Werbezettel gleichzeitig auch ein ironischer Kommentar zu dem, was Leuschner und seine Mitverschwörer über Jahre taten: Sie waren unterwegs, in Siedlungen, auf dem Land und womöglich sogar auf dem Wasser, wenn nötig. Die Auseinandersetzung mit den Orten und Akteuren des Leuschner-Netzes am Rhein – der Versuch einer Topografie der Widerstandsbewegung  – hat gezeigt, dass es sich um ein „konspiratives Dreieck“ handelte, welches die Struktur des zivilen Flügels des 20. Juli 1944 bestimmte: 1. Große Mobilität – gewährleistet durch die zentrale Rolle von reisenden Händlern und Kaufleuten im Netzwerk. 2. Riskante Infiltration  – angestrebt durch erfahrene Polizisten oder deren Umfeld mit dem Ziel, frühzeitig Informationen von der Gestapo oder der SS zu bekommen, um Widerstands- oder Rettungsaktionen einleiten zu können. 3. Starkes Vertrauen in persönliche Freundschaften  – die teilweise in die Jugendzeiten im Umfeld des Ersten Weltkriegs zurückreichten oder in den leidvollen gemeinsamen KZ-Erfahrungen zuvor entstanden waren, auch über politische Differenzen hinweg. Zum einen schuf die Bewegungsfreiheit zentraler Akteure als legale Geschäftsleute und Handelsreisende die Basis für das illegale Netz274

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werk, das über lokale Aktivitäten hinausging. Wilhelm Leuschner wandelte sich gezwungenermaßen vom Berufspolitiker zum kleinen Fabrikanten, Julius Leber verkaufte Kohlen, und sein „winziges Bürohäuschen“526 in Berlin-Schöneberg wurde zu einem Mittelpunkt der konspirativen Tätigkeit. Gustav Kettel beschäftigte Widerstandsaktivisten aus dem Ruhrgebiet in seinem Essener Kontor, Emil Henk verkaufte Arzneimittel. Andere handelten mit Reinigungsmaschinen oder gar Särgen. Zum zweiten traf die stark von erfahrenen Ordnungskräften der Weimarer Republik geprägte Rhein-Main-Gruppe des Netzwerks um 1942 die dramatische Entscheidung, bewusst noch engere Kontakte zu Gestapo und SS aufzubauen, um besser und schneller darüber informiert zu sein, was die Handlanger des Regimes planten und um einen kleinen zeitlichen Vorsprung zu gewinnen. Um etwa bedrohte Widerständler und ihre Familien verstecken zu können, wie im Fall der jüdischen Familie des Guntersblumer Mitverschwörers Huhn. Oder im Fall des bekannten Frankfurter Professors Herxheimer. Eine Entscheidung, die manche Mitglieder der Gruppe in moralische Dilemmata brachte, die nicht aufzulösen waren, wenn sie etwa bei Judendeportationen mitmachen mussten, damit ihre Tarnung nicht aufflog. Drittens bildeten verlässliche Jugendfreundschaften wie die zwischen Emil Henk, Carlo Mierendorff und Theodor Haubach einen weiteren Eckpunkt des konspirativen Dreiecks. Wichtig waren etwa auch die langjährigen intensiven Verbindungen, die Gustav Kettel, Hein Herbers und Mathilde Gantenberg pflegten. Es entstand Vertrauen über politische Differenzen hinweg, wie bei dem linkssozialistischen Pazifisten Fritz Küster und dem SPD-„Rechten“ Carlo Mierendorff. Gemeinsame KZ-Erfahrungen spielten hier ebenso eine Rolle wie jahrelange Untergrunderfahrungen. Sie schufen etwa bei Jakob Steffan und Christian Fries beinahe blindes Vertrauen. 275

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Die Konspirateure verstanden das Handwerk der Maskierung, des Verschleierns. Sie bewegten sich unauffällig auf Bahnhöfen, in Kneipen, in abgelegenen ländlichen Rückzugsräumen. Die Topologie des zivilen Flügels des 20. Juli 1944 war weit verzweigt, führte oft auch weg von den Zentren an die urbane Peripherie oder eben aufs Land. Politische und soziale Fantasie spielte eine Rolle, die auch durch Kunst und Literatur angereichert war. Viele Akteure des LeuschnerNetzes waren Kreative, sie hatten sich schon in ihrer Jugend intensiv etwa mit dem Expressionismus auseinandergesetzt, sie konnten und wollten schreiben. Wenn sie ins Ausland fliehen mussten, ­hatten sie in der Regel keine Scheu, mit den Geheimdiensten der Feinde des „Dritten Reichs“ zusammenzuarbeiten. Die zivilen Konspirateure waren es gewohnt, ununterbrochen zu reisen. Sie lernten Codeworte auswendig, die ihnen fern der Heimat Türen öffneten. So groß auch ihre politischen Differenzen waren: Irgendwann waren alle entschlossen, den Tyrannen zu töten. Einige bezahlten ihre Arbeit für den Staatsstreich des 20. Juli 1944 mit dem Leben – aber die allermeisten Mitglieder des Leuschner-Netzwerks blieben unentdeckt. Einige, wie Christian Fries in Frankfurt am Main, gerieten auch nach dem Krieg noch zwischen die politischen Fronten, die in Zeiten des Kalten Krieges zwischen SPD und KPD schnell wieder entstanden. Möglicherweise ist das bruchstückhafte Gedenken an die Protagonisten des zivilen Sektors des 20. Juli 1944 auch durch die schnell wieder hervortretenden Spaltungen im linken Spektrum sowie den „Verlust der linken Hegemonie“ (Niethammer) nach den ersten Nachkriegsjahren zu erklären. Zunächst einmal ging es darum, die militärischen Hitler-Attentäter um Stauffenberg dem lange noch starken Narrativ von den „Landesverrätern“ zu entziehen. Letztendlich dauerte es einige Jahrzehnte, bis das vollständig gelang. 276

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Die politisch heterogenen Protagonisten der Linken, die ja zumeist erst nach einem erfolgreichen Attentat ins Licht der Öffentlichkeit getreten wären, gerieten dabei ein wenig in den Hintergrund. Das hat sich, insbesondere durch engagierte Forschungsarbeit, in den letzten Jahrzehnten geändert, auch wenn bis heute kein Straßenname im südwestdeutschen Raum oder im Ruhrgebiet auf einige zentrale Akteure des Leuschner-Widerstandsnetzes im Westen  – den Badener Emil Henk, den geborenen Saarländer und späteren Frankfurter Kripochef Christian Fries oder den aus Essen stammenden und in Bad Ems politisierten Gustav Kettel – hindeutet. Henk, Fries und Kettel und die anderen zivilen Konspirateure hinter dem 20. Juli 1944 sollten in Erinnerung gehalten werden. „Julius Leber und Wilhelm Leuschner“, schreibt Fabian von Schlabrendorff 1946, „hatten seit vielen Jahren einen harten und entschlossenen Kampf gegen den Nationalsozialismus geführt. Jetzt waren sie entschlossen, ihre ganze Kampfkraft und die hinter ihnen stehenden Arbeitermassen […] zum Schlag gegen Hitler einzusetzen.“ Wie groß die angeblichen „Arbeitermassen“ wirklich waren, die hinter Leuschner standen, ist eine offene Forschungsfrage. Henk, Fries und Kettel waren am 20. Juli 1944 jedenfalls längst keine Arbeiter mehr. Sie waren Kaufleute oder Polizisten. Nicht mehr nur gezwungenermaßen, sondern weil sie so am besten kämpfen konnten. 75 Jahre nach dem gescheiterten Stauffenberg-Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 ist die Erinnerungskultur weitgehend durch Massenmedien und Zentralität gekennzeichnet. Stauffenberg hat längst Hollywood erreicht. Der Berliner Bendlerblock ist ein „Hot Spot“ des Geschichtstourismus in der Hauptstadt. Doch dem maßgeblichen Akteur des 20. Juli sowie seinen engsten militärischen Mitstreitern war klar: Ohne die zivilen Strukturen in der Fläche wäre ein womöglich erfolgreiches Attentat auf Hitler schnell verpufft. 277

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Die Rathäuser, Radiostationen und Polizeiposten auch kleinerer Orte mussten schnell von Regimegegnern übernommen werden, sollte das Attentat auch die gewünschte politische Wirkung entfalten. Nämlich nicht nur einen Tyrannen zu stürzen, sondern den Massenmord an den Juden zu stoppen und den Krieg so früh wie möglich zu beenden. Weil das Attentat scheiterte, blieben viele Zivilisten, die bereitstanden  – oft auch gut bewaffnet  – im Verborgenen. Vergessen waren sie unmittelbar nach dem Krieg jedoch nicht. Schon deswegen nicht, weil die siegreichen Alliierten beim Wiederaufbau eines demokratischen Gemeinwesens auf sie setzten. Denn sie kannten die Konspirateure, die über verschiedene verschwiegene Wege Kontakte vor allem nach London gepflegt hatten. Abgesehen von einer kurzen Nachkriegsphase verhinderten die Spaltung Europas und der „Eiserne Vorhang“ für Jahrzehnte eine gemeinsame Erzählung im Osten wie im Westen über die Frauen und Männer des 20. Juli 1944. Heute ist der Blick wieder frei, auch wenn neue Nationalisten in den Parlamenten teilweise die alten Ressentiments wieder schüren und die Konspirateure von damals erneut als Landesverräter brandmarken wollen.527 Es sind nur Einzelstimmen. Schwerer wiegt das kollektive Vergessen. Vielleicht trägt auch dieses Buch ein wenig dazu bei, den Gedächtnisverlust zu verhindern.

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Anhang

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Die Akteure des Leuschner-Netzes Die Hauptakteure in diesem Buch Wilhelm Leuschner Geboren am 15. Juni 1890 als Sohn des Töpfers Wilhelm Leuschner und der Weißnäherin Marie Dehler in Bayreuth, gestorben am 29. September 1944 in Berlin-Plötzensee (hingerichtet). Nach seiner Entlassung aus der Haft nimmt Leuschner 1934 Kontakt mit ehe­ maligen Gewerkschaftsführern und Sozialdemokraten auf, um den gemeinsamen Widerstand gegen Hitler zu organisieren. Als Repräsentant der Gewerkschaftsbewegung ist er in der Übergangsregierung nach dem Umsturz als Vizekanzler ohne Geschäftsbereich vorgesehen. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 wird Leuschner verhaftet, gefoltert und zum Tode verurteilt. Christian Fries Geboren am 18. August 1895 in der saarländischen Bergbaugemeinde Landsweiler-Reden. Kopf der Frankfurter Polizei-Zelle des Leuschner-Netzes, die auf den Sturz Hitlers hinarbeitet, Frankfurter Juden bei der Flucht behilflich ist und am 20. Juli 1944 zur Unterstützung der Militärs um Stauffenberg bereitsteht. Fries bleibt nach dem Scheitern des Attentats unentdeckt und arbeitet bis zur Befreiung weiter im Untergrund gegen die Nationalsozialisten. Emil Henk Geboren am 17. Dezember 1893 in Heidelberg, gestorben ebendort am 10. Mai 1969. Sein Grab auf dem Heidelberger Bergfriedhof ist 280

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­abgeräumt. Ab 1939 Mitglied des Kreisauer Kreises. Im LeuschnerNetz ist er gemeinsam mit seinen Jugendfreunden Theodor Haubach und Carlo Mierendorff in die Umsturzvorbereitungen des 20. Juli 1944 eingebunden und für den Fall eines gelungenen Umsturzes als künftiger Regierungspräsident in Baden vorgesehen. Gustav Kettel Geboren am 12. März 1903 in Essen, gestorben am 21. Februar 1983 in Köln, begraben auf einem anonymen Urnengräberfeld auf dem Kölner Westfriedhof. Vom Ruhrgebiet aus bringt sich Gustav Kettel unter dem Decknamen „Camphausen“ als wichtiger Kurier in die Widerstandsarbeit einer Dortmunder Gruppe von Pazifisten und später im Leuschner-Netz zur Vorbereitung des 20. Juli 1944 ein. Kettel wäre bei einem gelungenen Attentat auf Hitler Chef des Regierungsbezirks Rheinland in Düsseldorf geworden.

Weitere Akteure in alphabetischer Reihenfolge Ludwig Bergsträsser Geboren am 23. Februar 1883 in Altkirch (Elsass), gestorben am 23.  März 1960 in Darmstadt. Aktiv im Darmstädter Leuschner-­ Widerstandsnetz mit dem Decknamen „Dr. Pampel“. Nach der Befreiung 1945 Präsident des rechtsrheinischen Teils des vormaligen Volksstaats Hessen. 1949–1953 Mitglied des Deutschen Bundestags. Ab 1950 Honorarprofessor an der Universität Bonn. Anna Beyer Geboren am 2. Februar 1909 in Frankfurt am Main, gestorben am 15. Mai 1991 ebendort. 1935 eröffnet Anna Beyer ein vegetarisches Restaurant in der Innenstadt von Frankfurt, das auch als Treff281

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punkt und Informationsbörse für NS-Gegner dient. 1937 Flucht aus Deutschland, Exil in England. Von den Alliierten unter anderem als Fallschirmspringerin ausgebildet, um in Deutschland illegale Arbeit zu leisten. Das Kriegsende erlebt sie in der Schweiz, wo sie NSGegner in einem Ferienhaus betreut. Siegfried Bode Der Kriminalrat Siegfried Bode ist Mitglied der Fries-Widerstandsgruppe des Leuschner-Netzes innerhalb der Polizei von Frankfurt am Main. In seinem Dienst als Polizist während des NS-Regimes beteiligt er sich an den Vorbereitungen zur Deportation Frankfurter Juden auf dem Gelände der Großmarkthalle (heutiges Areal der EZB). Dafür muss er sich nach dem Krieg in einem Entnazifizierungsverfahren rechtfertigen. Doch durch die Aussagen überlebender Juden sowie ehemaliger Mitstreiter im Leuschner-Netz wird Bode entlastet. Ulrich Boelsen Geboren im Jahr 1900, gestorben 1990. Der Mediziner ist gemeinsam mit dem Handelsvertreter Wilhelm Weinreich sowie dem Arzt Hans Hayn führender Kopf der Widerstandsgruppe in Neu-Isenburg südlich von Frankfurt am Main, die zum Leuschner-Netz gehört. In Neu-Isenburg finden auch Mitglieder der Frankfurter Polizei-Widerstandsgruppe des Leuschner-Netzes Unterschlupf, als sie nach dem gescheiterten Attentat untertauchen müssen. Ebenso der Essener Kurier Gustav Kettel. Philipp Freiherr von Boeselager Geboren am 6. September 1917 in Heimerzheim im heutigen RheinSieg-Kreis in NRW, gestorben am 1. Mai 2008 im rheinland-pfälzischen Altenahr. Zusammen mit seinem Bruder Georg gehört Phi282

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lipp von Boeselager zu den militärischen Akteuren des 20. Juli 1944. Er überlebt, weil alle Mitverschwörer – selbst unter der Folter – über seine Beteiligung schweigen.528 Ruth Bratu 1923 als Ruth Theiner in Tel Aviv geboren, gestorben am 28. März 2000 in Darmstadt, begraben auf dem Jüdischen Friedhof in Prag. Sie arbeitet im britischen Exil für die US-Armee, die sie unmittelbar nach der Befreiung im Rhein-Main-Gebiet stationiert. Ruth Bratu wird später einige Jahre Mitglied im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Darmstadt und 1954 Mitgründerin der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Darmstadt. Artur E. Bratu Geboren am 30. März 1910 in Offenbach, gestorben am 9. Dezember 1993 in Darmstadt, begraben auf dem Jüdischen Friedhof in Prag. Politisch stark beeinflusst durch Carlo Mierendorff, 1929 Eintritt in die SPD. 1933 Entlassung aus dem Schuldienst, Flucht nach Brüssel, dort Kontaktperson für sozialdemokratische Widerständler aus dem deutschen Südwesten. 1940 Flucht nach England. Bratu wird Mitglied der britischen Streitkräfte. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus in Hessen unter anderem Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Wiesbaden. Franz Como Geboren am 4. September 1877 in Lämmerspiel bei Offenbach, gestorben am 13. November 1958 Bensheim. In der Vorbereitung des 20. Juli 1944 ist Franz Como die zentrale Figur des Leuschner-Netzes in Bensheim an der Bergstraße. Er bleibt nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler unentdeckt. 283

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Alfred Freitag Geboren am 24. Februar 1880 in Langensalza (Thüringen), gestorben am 6. März 1959 in Mainz, begraben auf dem dortigen Hauptfriedhof. Im Leuschner-Netz zur Vorbereitung des 20. Juli 1944 für Mainz zuständig. Alfred Freitag wird nach dem 20. Juli 1944 zunächst verhaftet, jedoch mangels Beweise nicht verurteilt. Nach der NS-Zeit engagiert er sich als Bezirkssekretär der SPD in Rhein­ hessen sowie bis 1955 als Mitglied des Mainzer Stadtrates. Margot Fries Ehefrau des Frankfurter Kripobeamten Christian Fries, des Kopfes der Leuschner-Widerstandsgruppe in der Frankfurter Polizei. Margot Fries ist in ihrem Wohnhaus in Frankfurt-Bockenheim wie ihr Mann als NS-Gegnerin bekannt. Das Ehepaar Fries wird deshalb auch zur Zielscheibe von NS-Fanatikern im Haus, die nach dem Krieg zur KPD überlaufen und im Rahmen der Entnazifizierung versuchen, Margot und Christian Fries als Profiteure des NS-Regimes anzuprangern. Die Richter weisen jedoch diese Aussagen als persönlichen Racheakt der Fries-Nachbarn zurück. Mathilde Gantenberg Geboren am 25. Dezember 1889 in Bochum, gestorben am 29. Oktober 1975 in Trier.529 1928–1933 Stadtverordnete in Bad Kreuznach für die Zentrumspartei. Für das Leuschner-Widerstandsnetz versteckt die Katholikin in der Eifel Konspirateure und versucht, in der Vorbereitung des 20. Juli 1944 unter anderem Kontakt zum Bischof von Münster aufzunehmen. Sie überlebt und ist von 1956–1961 Mitglied des Bundestages für die CDU. Wilhelm Gersdorff Das im Dortmunder Stadtteil Brünninghausen im Grünen gelegene Haus von Wilhelm und Elisabeth „Li“ Gersdorff ist ein wichtiger 284

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Anlaufpunkt für die Leuschner-Konspiration. Dort treffen sich regelmäßig unter anderem die Pazifisten Ernst Müller, August Bangel, Walter Elksnat, Otto Knappmann, Friedrich Kayser, Gustav Kettel, Lotte Müller und Josef Kudrowsky, um Aktionen vorzubereiten oder Juden zu verstecken. In der Nacht vom 11. auf den 12. März 1945 trifft eine Bombe das Haus und tötet Friedrich Kayser, „Li“ und Wilhelm Gersdorff. Elisabeth „Li“ Gersdorff Die Kurierfahrten der später im Leuschner-Netz aktiven Dortmunder Pazifistengruppe übernimmt bereits vor Kriegsbeginn maßgeblich Elisabeth „Li“ Gersdorff. Später ist vor allem Gustav Kettel für diese Reisen über die Grenzen nach Westen verantwortlich. Gemeinsam mit Friedrich Kayser bringt „Li“ Gersdorff Verfolgte über die Grenze ins westliche Ausland. Sie wird gemeinsam mit ihrem Mann Wilhelm Gersdorff sowie Friedrich Kayser in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1945 durch einen Bombenangriff getötet. Hans Hayn Der Mediziner Hans Hayn baut mit dem Zahnarzt Ulrich Boelsen und ihrem gemeinsamen Patienten Wilhelm Weinreich in den Jahren 1943 und 1944 in Neu-Isenburg südlich von Frankfurt am Main die örtliche Zelle der Leuschner-Konspiration auf. Der Leuschner-Kurier Gustav Kettel ist eine ihrer Verbindungspersonen auch zu sozialistischen Organisationen in Großbritannien. Durch Kettel bekommen Hayn und Boelsen das Losungswort, das nach dem Einmarsch der Amerikaner dazu führt, dass die beiden Mediziner sofort als provisorische Bürgermeister von Neu-Isenburg eingesetzt werden. Ernst Huhn In dem rheinhessischen Weinort Guntersblum ist der Landarzt Ernst Huhn der örtliche „Stützpunktleiter“ der Leuschner-Konspi285

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ration. Das Netz in Rheinhessen versteckt Huhns jüdische Frau und die Tochter. Die illegalen Strukturen bleiben auch nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 weiterhin intakt. Ernst Huhn hindert in Absprache mit Jakob Steffan in den letzten Kriegstagen den in Guntersblum eingesetzten Volkssturm daran, sich den USPanzern entgegenzustellen, die auf den Ort zurollen. Hein Herbers Geboren am 2. März 1895 im münsterländischen Warendorf, gestorben am 21. August 1968 im niederländischen Bilthoven. 1933 wird der Pazifist Herbers aus dem Schuldienst entlassen. 1934 emigriert er in die Niederlande, agiert aber bis zum Ende der NS-Herrschaft im pazifistischen Widerstandnetz in Westeuropa mit engen Kontakten auch zur Dortmunder Gruppe des Leuschner-Netzes. Nach der Befreiung bleibt Herbers in den Niederlanden und setzt seine Arbeit an der Reformschule in Bilthoven fort, wo er unter anderem Beatrix, die späteren Königin der Niederlande, unterrichtet. Herbers stirbt dort am 21. August 1968. Siegfried Höxter Siegfried Höxter ist jüdischer Herkunft. Er stammt aus Jesberg bei Fritzlar in Nordhessen. 1941 reist er mit dem „Höllenschiff“ genannten Auswandererschiff Navemar nach New York. Seit seinem Eintritt in die US Army ist er in London an der Planung des D-Day beteiligt. Nach dem Krieg arbeitet Höxter im Rhein-Main-Gebiet für den US-Geheimdienst und hält enge Kontakte vor allem zu sozialdemokratischen Politikern wie Carlo Schmid, Erich Ollenhauer oder Kurt Schumacher. Als „Genosse Leutnant Höxter“ nimmt er an wichtigen Sitzungen und Beratungen der südhessischen SPD teil. Höxter stirbt 1957. 286

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Änne Kappius Geboren 1906, gestorben 1956. Änne Kappius ist Mitglied des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK), der eine wichtige Rolle im Leuschner-Netz spielt. Änne Kappius gelingt es auf ihren gefährlichen Kurierreisen zwischen der Schweiz und NS-Deutschland beispielsweise, den Bochumer Betriebsrat Willi Braumann nach einem Bombenangriff aus seiner zerstörten Gefängniszelle herauszuholen und auf „vielen Schleichwegen“ in die Schweiz zu bringen. Josef „Jupp“ Kappius Geboren am 3. November 1907 in Bochum, gestorben am 30. Dezember 1967. Mit seiner Frau Änne aktiv im Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK). Ab November 1937 Emigration: Schweiz, Frankreich, England. Vom US-Geheimdienst OSS mit dem Flugzeug per Fallschirm über dem Emsland abgesetzt, um die Widerstandsgruppen im Westen Deutschlands zu unterstützen. Kappius überlebt und wird nach 1945 NRW-Landtagsabgeordneter der SPD sowie Mitglied im Rundfunkrat des WDR. Günter Katzenberger Geboren am 12. September 1905 in Berlin. Mitglied der LeuschnerWiderstandsgruppe innerhalb der Frankfurter Polizei. Der jüdische Kaufmann, der 1933 Mitglied der NSDAP wird, arbeitet zuvor noch bis 1944 als Geschäftsführer einer Filmverwertungsgesellschaft. Katzenberger wird dann ab November 1944 Kraftfahrer bei der Frankfurter Polizei. Er wohnt gegen Kriegsende im ost­ hessischen Wächtersbach. Er engagiert sich von dort aus für Häftlinge im KZ Dachau, etwa für einen späteren Bürgermeister von Wächtersbach. 287

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Friedrich Kayser Geboren am 5. März 1894 in einem kleinen Dorf bei Schwerte an der Ruhr. Vom 30. Juni bis zum 25. August 1933 ist Kayser im Polizei­ gefängnis im Rathaus Schwerte inhaftiert. Nach seiner Freilassung beschäftigt der Leuschner-Kurier Gustav Kettel ab Mitte der 1930erJahre Kayser zeitweise in seinem Essener Betrieb. Obwohl von der Gestapo offenbar ständig beschattet, kann Kayser dennoch poli­ tische Fäden insbesondere zu katholischen Kulturpolitikern und Lehrern knüpfen. Wie Kettel selbst beteiligt er sich auch am über die Niederlande abgewickelten risikoreichen Kurierdienst für die Freiheitskämpfer des Spanischen Bürgerkriegs. Bartholomäus Koßmann Geboren am 2. Oktober 1883 im saarländischen Eppelborn, gestorben am 9. August 1952 in Homburg/Saar. Von der Konspiration des 20. Juli 1944 für die Aufgaben eines politischen Unterbeauftragten im Wehrkreis XII (Wiesbaden) vorgesehen. Koßmann wird am 22. Juli 1944 im lothringischen Forbach an der Grenze zum Saarland festgenommen und nach Berlin gebracht. Er wird am 19. Januar 1945 zwar vom Volksgerichtshof überraschend freigesprochen, doch die Gestapo verhaftet ihn bereits im Gerichtssaal erneut. Erst am 12. Februar 1945 kommt er endgültig frei, bleibt aber bis Kriegsende unter Gestapo-Aufsicht.530 Fritz Küster Geboren am 12. Dezember 1889 in Ober-Einzigen im heutigen Landkreis Heidekreis in Niedersachsen, gestorben am 13. April 1966 in Hannover. Pazifistischer Publizist mit links-sozialistischer Orientierung. 1933 Verhaftung und bis 1938 Inhaftierung in verschiedenen Konzentrationslagern. Dort lernt er Carlo Mierendorff kennen, über den er Kontakt zu Julius Leber und anderen führenden Personen des Leuschner-Netzes bekommt. 288

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Julius „Jules“ Leber Geboren am 16. November 1891 in Biesheim (Elsass), gestorben am 5. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee (hingerichtet). In den gemeinsam mit Stauffenberg besprochenen Putschplänen ist der Sozialdemokrat Leber als Innenminister vorgesehen. Die Gestapo verhaftet Leber ­allerdings noch vor dem 20. Juli 1944, nachdem dieser bei einem Treffen mit Kommunisten von einem Spitzel verraten worden ist. Andreas Licht Kontaktperson des Leuschner-Netzes in Nierstein am Rhein. Überlebt das gescheiterte Attentat, entkommt knapp den sogenannten „Kornsandverbrechen“ (geplante Ermordung durch örtliche NSFanatiker) kurz vor Kriegsende und wird nach 1945 für die SPD der erste Nachkriegsbürgermeister in dem Weinort im heutigen Rheinland-Pfalz südlich von Mainz. Carlo Mierendorff Geboren am 24. März 1897 als zweiter Sohn des Textilgroßhändlers Georg Mierendorff und dessen Ehefrau Charlotte (geb. Meißner) in Großenhain (Sachsen), gestorben am 4. Dezember 1943 in Leipzig während eines Luftangriffs in einem Schutzbunker.531 Als Mitglied des Kreisauer Kreises ein führender Kopf des sozialdemokratischen Widerstands gegen Hitler. Mierendorff ist im Schattenkabinett Ludwig Becks und Carl Friedrich Goerdelers für die Propaganda­ arbeit vorgesehen. Benno Reifenberg Geboren am 16. Juli 1892 in Oberkassel (Bonn), gestorben am 9. Februar 1970 in Kronberg im Taunus. Im Spätsommer 1944 trifft Reifenberg, der ehemalige Feuilletonchef der Frankfurter Zeitung, auf der Suche nach einem Zufluchtsort im Schwarzwald ein. Er findet 289

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Unterschlupf im heutigen Titisee-Neustadt bei dem Ehepaar Oskar und Cécile Vogt, die dort ein privates Hirnforschungsinstitut betreiben. Anfang 1944 sucht der später hingerichtete sozialdemokratische Widerständler Adolf Reichwein Reifenberg im Schwarzwald auf, um ihn in die Planungen des Leuschner-Netzes für die Zeit nach einem gelungenen Attentat auf Hitler einzubeziehen. Adolf Reichwein Geboren am 3. Oktober 1898 als drittes Kind eines Lehrers und ­Organisten in Bad Ems, gestorben am 20. Oktober 1944 in BerlinPlötzensee (hingerichtet).532 1944 nimmt Reichwein gemeinsam mit Julius Leber Kontakt zu einer Gruppe kommunistischer Widerstandskämpfer auf, das Treffen wird an die Gestapo verraten. Am 4. Juli 1944 werden Reichwein und Leber verhaftet. Reichwein wird am 20. Oktober 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, das Urteil wird noch am selben Tag vollstreckt. Ludwig Schwamb Geboren am 30. Juli 1890 im rheinhessischen Undenheim, gestorben am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee (hingerichtet).533 Die Konspirateure des 20. Juli 1944 schlagen den Sozialdemokraten Schwamb als politischen Beauftragten für den Wehrkreis XII (Wiesbaden) vor. Er wird nach dem gescheiterten Attentat zusammen mit seiner Frau, die jedoch wenige Tage später wieder freikommt, am 23. Juli 1944 in Frankfurt am Main festgenommen. Nach Monaten der Haft verurteilt ihn der Volksgerichtshof am 13. Januar 1945 zum Tode. Elisabeth Schwamb Geboren in Marburg an der Lahn als Elisabeth Fritz, gestorben am 20. September 1964 in Mainz. Elisabeth Fritz heiratet 1923 den aus dem rheinhessischen Undenheim stammenden Ludwig Schwamb. 290

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Sie übernimmt Kurierdienste für das Leuschner-Netz und öffnet ihre Berliner Wohnung nicht nur für konspirative Treffen, sondern gewährt auch von Verhaftung Bedrohten Unterschlupf. Nach der Befreiung hält sie als Zeitzeugin die Erinnerung an den zivilen ­Flügel des 20. Juli 1944 und an ihren von den Nationalsozialisten ermordeten Ehemann wach. Fabian von Schlabrendorff Geboren am 1. Juli 1907 in Halle/Saale, gestorben am 4. September 1980 in Wiesbaden. Nach dem 20. Juli 1944, an dem er als Offizier beteiligt ist, wird Schlabrendorff am 17. August 1944 verhaftet, gefoltert und schließlich ins KZ Sachsenhausen gebracht. Trotz Folter gibt er nichts über die Rolle der aus dem Ahrtal im heutigen Rheinland-Pfalz stammenden Brüder Boeselager in der Aufstandsbe­ wegung preis. Schlabrendorff überlebt. Gemeinsam mit Emil Henk engagiert sich der Jurist nach dem Krieg aktiv für das Gedenken an den 20. Juli 1944. Jakob Schuch Geboren am 20. April 1888 in Nierstein, gestorben am 21. März 1945 (ermordet auf dem Kornsand am östlichen Rheinufer).534 Schuch gehört im Vorfeld des 20. Juli 1944 zum Leuschner-Netz, seine Gruppe in Nierstein ist bewaffnet. Schuch überlebt das gescheiterte Attentat auf Hitler und die anschließende Verfolgung. In der Endphase des Krieges verteilt er die von alliierten Flugzeugen abgeworfenen Flugblätter in Niersteiner Briefkästen. Elisabeth Schumacher Geboren am 28. April 1904 in Darmstadt, gestorben am 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee (hingerichtet).535 Elisabeth Schumacher ist an den Diskussionen und Aktionen des Widerstands291

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kreises um Harro Schulze-Boysen beteiligt. Sie fotokopiert und verkleinert illegale Schriften. Am 12. September 1942 wird sie festgenommen und in das Polizeipräsidium am Alexanderplatz gebracht und am 19. Dezember 1942 durch das Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Philipp Spieß Philipp Spieß ist einer der „Vertrauensleute“ des Leuschner-Netzes in Nierstein am Rhein. Wahrscheinlich durch die Kontakte des Mainzer Leuschner-Konspirativen Jakob Steffan kann er rechtzeitig gewarnt werden, als er noch kurz vor Kriegsende verhaftet und getötet werden soll. So entgeht er der Ermordung auf dem Kornsand am östlichen Rheinufer bei Nierstein. Jakob Steffan Geboren am 31. Dezember 1888 in Oppenheim am Rhein, gestorben am 9. Februar 1957 in Mainz. Seit 1919 Mitglied der SPD.536 Jakob Steffan wird zu einem der führenden konspirativen Köpfe des Leuschner-Netzes im Umfeld des 20. Juli 1944 im Rhein-Main-Gebiet. Er überlebt das Scheitern des Umsturzversuchs und wird nach der Befreiung unter anderem Sozialminister von Rheinland-Pfalz. Christian Stock Geboren am 28. August 1884 als uneheliches Kind eines Zigarrenmachers in Darmstadt, 537 gestorben am 13. April 1967 in Seeheim an der hessischen Bergstraße. Während der NS-Zeit eröffnet er in Darmstadt einen Tabakladen, der zum geheimen Treffpunkt der konspirativ arbeitenden Sozialdemokraten vor allem des Leuschner-Netzes wird. Stock überlebt und wird am 20. Dezember 1946 zum hessischen Ministerpräsidenten einer großen Koalition aus SPD und CDU gewählt. Er bleibt bis Ende 1950 im Amt. 292

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Ernst und Trude Volkmann Ernst und Trude Volkmann gehören zur konspirativen Struktur des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) im Ruhrgebiet. In ihrem Haus in der damaligen Bochumer Burgstraße 15 finden Untergrundaktivisten wie „Jupp“ Kappius Unterschlupf, nachdem er von den Alliierten mit dem Fallschirm abgesetzt worden ist. Die Volkmanns überleben das NS-Regime und unterstützen in den Nachkriegsjahren auf Bitten von Anna Beyer überlebende Widerständler im Rhein-Main-Gebiet.538 Oskar Vogt und Cécile Vogt Hirnforscher im Schwarzwald, die Juden und Widerstandskämpfern Unterschlupf gewähren. In ihrem privaten Forschungsinstitut kommt es Anfang 1944 zu einer Begegnung von Adolf Reichwein und Benno Reifenberg, dem dort untergetauchten ehemaligen Feuilletonchef der Frankfurter Zeitung. Es geht um die Kultur- und Medienpolitik einer neuen Regierung nach einem erfolgreichen ­Attentat auf Hitler. Otto Weber Geboren als Franz Weber am 21. Juli 1897 in Waldkirch im Breisgau nordöstlich von Freiburg, gestorben am 10. Dezember 1972 in Bensheim/Südhessen. Der Kapuzinermönch und NS-Gegner mit guten Kontakten zum Leuschner-Netz soll noch kurz vor Kriegsende von den Nazis ermordet werden. Er überlebt in einem Versteck, nachdem er zuvor gewarnt worden ist. Gustav Weigel Betreibt im Vorfeld des 20. Juli 1944 im Bahnhofsviertel von Frankfurt am Main ein Wettbüro, das als Anlaufpunkt der LeuschnerKonspiration dient. Weigel unterstützt auf besondere Weise den 293

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jüdischen Medizinprofessor Karl Herxheimer, einst Mitbegründer der Frankfurter Universität. Eine von Weigel und anderen organisierte Fluchthilfe-Aktion für Herxheimer über die Schweizer Grenze schlägt im Jahr 1942 jedoch fehl. Günther Weisenborn Geboren am 10. Juli 1902 in Velbert (Rheinland), gestorben am 26. März 1969 in Berlin (West).539 1937 wird der Schriftsteller Mitglied die Widerstandsgruppe Schulze-Boysen, von 1942 bis 1945 sitzt er in Haft. Weisenborn überlebt, schreibt in den Wochen der Befreiung das Theaterstück Die Illegalen über die konspirative Arbeit und wird 1951 Mitbegründer der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste (damaliger Sitz: Frankfurt am Main).

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Anmerkungen Vorwort; Seite 9–19 1 Günther Weisenborn: Die Illegalen. Ein Schauspiel, Berlin 1947, S. 233. 2 Nachlass Ludwig Bergsträsser, Signatur: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD), O 21. 3 Emil Henk: Die Tragödie des 20. Juli 1944. Ein Beitrag zur politischen Vorgeschichte, Heidelberg 1946, S. 38. Vgl. auch den Brief von Helmuth James von Moltke an seine Frau Freya vom 22.Dezember 1944, in dem er gleichfalls den Decknamen „Onkel“ für Leuschner erwähnt sowie die Tarnbezeichnung „Oberbürger“ für Carl Friedrich Goerdeler, von 1930 bis 1937 Oberbürgermeister von Leipzig. Helmuth Caspar von Moltke/Ulrike von Moltke (Hrsg.): Helmuth James und Freya von Moltke. Abschiedsbriefe aus dem Gefängnis Tegel, München 2015, S. 226. 4 Eckhart G. Franz: „Ludwig Bergsträsser (1883–1960)“, in: Bernd Heidenreich/Walter Mühlhausen: Einheit und Freiheit. Hessische Persönlichkeiten und der Weg zur Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 2000, S. 192. 5 Annedore Leber: „Den toten immer lebendigen Freunden“, in: Peter Steinbach/Johannes Tuchel: Widerstand in Deutschland 1933–1945. Ein historisches Lesebuch, München 1997, S. 317. 6 „Das Stichwort kam nicht“ – Dokumente zum 20. Juli 1944. SWF-Radiobeitrag von Anton Maria Keim (gesendet am 20.7.1955). 7 Ulrich verweist auf eine Äußerung Leuschners aus dem Jahr 1941, in welcher dieser dem Untergrund-Mitstreiter Willi Richter (schon damals) die Zahl von 800 Netzwerk-Eingeweihten nennt. Klar ist, dass später, also im unmittelbaren Vorfeld des 20. Juli 1944, weitere gesellschaftliche Gruppen, etwa aus dem Spektrum der Pazifisten und der Kirchen, für die Aktion gewonnen werden konnten. Vgl. Axel Ulrich: Wilhelm Leuschner. Ein deutscher Widerstandskämpfer. Für Freiheit und Recht, Einheit der Demokraten und eine soziale Republik, Wies­ baden 2012, S. 131. 8 Helga Grebing, Vorwort zu Ulrich, Leuschner, S. 8.

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Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1914–1949, München 2003, S. 910. 10 Henk: Tragödie. 11 Eugen Kogon: „Wilhelm Leuschners politischer Weg“, in: Hessendienst der Staatskanzlei (Hrsg.): Wilhelm Leuschner. Auftrag und Verpflichtung, Wiesbaden 1977, S. 29. 12 So erinnert der Historiker Iring Fetscher als Laudator anlässlich der Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille 1977 daran, wie groß lange Zeit „die Abneigung gegen die Namensgebung von Straßen und Kasernen nach Widerstandskämpfern war und wie lautstark sich auch einige ehemalige Wehrmachtsoffiziere gegen die Glorifizierung ‚eidbrüchiger Kameraden‘ wandten“. Vgl. Hessendienst der Staatskanzlei (Hrsg.), Leuschner, S. 68. 13 http://www.20-juli-44.de/uploads/tx_redenj2044/pdf/1957_schlabrendorff.pdf, zuletzt aufgerufen am 3.10.2016. 14 Ulrich, Leuschner, S. 42. 15 Henk, Tragödie, S. 11. 16 Ulrich, Leuschner, S. 42. 17 Kogon, „Wilhelm Leuschners politischer Weg“, S. 25. 18 So findet sich z. B. im Nachlass der Frankfurter Widerstandskämpferin Anna Beyer ein Dokument, in dem der Vorstand der SPD am 17.11.1945 noch aus dem Londoner Exil einen Bericht aus Franken zitiert, in dem über die „aktive Beteiligung der Arbeiterbewegung am Aufstand vom 20. Juli“ Folgendes mitgeteilt wird: „In engster Verbindung mit Leuschner wurde im Bezirk Franken ein bis ins Kleinste durchgearbeiteter Plan aufgestellt, Waffen verborgen und eine absolut ausreichende Organisation geschaffen. Leuschner selbst hatte den Gewerkschaftskollegen und Parteigenossen Josef Simon bereits zum Ende des Jahres 1943 und Anfang 1944 in Nürnberg aufgesucht und dort im Rahmen von eingehenden vertraulichen Besprechungen die Revolte vorbereitet. Es waren u. a. Simon, Hagen, Losmann und andere bewährte Mitglieder der SPD und der Gewerkschaften beteiligt. Es sind absolut zuverlässige Unterlagen dafür vorhanden, dass der Staatsstreich durchorganisiert war, unter hervorragender Beteiligung der Arbeiterschaft“ (Anna Beyer: Politik ist mein Leben, hrsg. von Ursula Lücking, Frankfurt am Main 1991, S. 276). Josef Simon stammt übrigens aus dem unterfränkischen Dorf Schnep-

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penbach unweit von Aschaffenburg, wo er am 23.5.1865 geboren wurde. Er starb am 1.4.1949 in Kornwestheim (Württemberg). 19 „Ansprache des Herrn Regierungspräsidenten Prof. Dr. Bergsträsser anlässlich der Gedächtnisfeier für Wilhelm Leuschner und Ludwig Schwamb am Sonntag, den 15. Juni 1946 im Orangeriehaus Darmstadt“, HStAD Bestand O 29 Nr. 83. 20 Walter Benjamin: Das Passagen-Werk, Frankfurt am Main 1982, Bd. 2, S. 748. 21 Emil Henk in der SWR-Sendung „‚Das Stichwort kam nicht‘. Dokumente zum 20. Juli 1944“ von Anton Maria Keim vom 20.7.1955. 22 Ansprache von Ludwig Bergsträsser im Juni 1946 in der Darmstädter Orangerie, Digitalisat von HStAD Bestand O 29 Nr.  83, S.  7, zuletzt aufgerufen am 16.2.2017. 23 Hans Mommsen: Alternative zu Hitler. Studien zur Geschichte des deutschen Widerstandes, München 2000, S. 49, Anm. 25. 24 Der Spiegel berichtete am 8.3.1947 über Bergsträssers erste Reise in das Paris der Nachkriegszeit: „Wie wurde der Deutsche aufgenommen? Hier sein Zeugnis: ‚Alte Bekannte, die in der Widerstandsbewegung tätig gewesen sind und die wußten, daß ich der deutschen Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus die ganzen Jahre hindurch angehört habe (Kreis um Leuschner), nahmen mich herzlich auf, und zwischen uns war das Gefühl der Kameradschaft gemeinsamen Kampfes. Ich lernte eine Menge neue Leute kennen, Politiker, Professoren, Beamte. Alle unterhielten sich ungewöhnlich lange mit mir. Unter einer Stunde kam ich eigentlich niemals weg‘“ (http://www.spiegel. de/spiegel/print/d-41121328.html, zuletzt aufgerufen am 31.5.2018). 25 Moltke, Abschiedsbriefe, S. 227. 26 Peter Steinbach: „Widerstand gegen den Nationalsozialismus  – eine „sozialistische Aktion?“ Zum 100. Geburtstag von Carlo Mierendorff, http://library.fes.de/fulltext/historiker/00145.htm, zuletzt aufgerufen am 13.1.2017. 27 Fabian von Schlabrendorff: „Sie alle tragen Schuld“. Gedenkrede am 20. Juli 1957 im Ehrenhof des Bendlerblocks in der Stauffenbergstraße, Berlin, http://www.20-juli-44.de/uploads/tx_redenj2044/pdf/ 1957_schlabrendorff.pdf, zuletzt aufgerufen am 31.7.2017. 28 Hans Riebsamen: „Aktion ‚Gitter‘. Als das NS-Regime zurückschlug“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.7.2016, http://www.faz.net/

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aktuell/rhein-main/aktion-gitter-als-das-ns-regime-zurueckschlug14348415.html, zuletzt aufgerufen am 13.1.2017. 29 Siehe Ulrich, Leuschner. 30 Reinhold Lütgemeier-Davin: „Gustav Kettel. Pazifist – Sozialist – Widerstandskämpfer (12.3.1903–21.2.1983), Bad Emser Hefte, hrsg. vom Verein für Geschichte/Denkmal- und Landschaftspflege e.V. Bad Ems, Nr. 71/1988.

Bahnhöfe in Frankfurt am Main, Essen, Heidelberg – Fries, Kettel und Henk; Seite 20–25 31 Weisenborn, Die Illegalen, S. 234. 32 Fabian von Schlabrendorff: „Weg und Vermächtnis Emil Henks“, in: In Memoriam Emil Henk 1893–1969. Erinnerungen seiner Freunde, Heidelberg 1970, S. 58. 33 Henk, Tragödie, S. 49. 34 Ulrich, Leuschner, S. 252. 35 Reinhold Lütgemeier-Davin: Hakenkreuz und Friedenstaube. Der „Fall Hein Herbers“ (1895–1968), Frankfurt am Main 1988, S. 289. 36 Henk, Tragödie, S. 17. 37 „Herr Mann lässt Herrn Mann bitten“, Der Spiegel, 28.7.1949.

Saarbrücken, Gutenbergstraße 11 – Christian Fries; Seite 26–32 38 Weisenborn, Die Illegalen, S. 208. 39 Landsweiler-Reden ist heute ein Stadtteil von Schiffweiler im saarländischen Landkreis Neunkirchen. 40 Clemens Zimmermann, Rainer Hudemann, Michael Kuderna (Hrsg.): Medienlandschaft Saar. Von 1945 bis in die Gegenwart, München 2010, S. 40. 41 Rechtfertigungsschrift Christian Fries (16 Seiten) vom 12.1.1947 an das „Grosshessische Staatsministerium  – Der Minister für Wiederaufbau und politische Befreiung  – Kammer Frankfurt/ Main“ zum „Feststellungsverfahren gemäß Gesetz vom 5.3.1946 gegen den Kriminalrat a.D. Christian Fries, wohnhaft Frankfurt/M.-West, Kurfürstenstrasse 3/5. Dortiges Schreiben vom 6.12.1946 – Aktenzeichen F/345 101 – Op. III p. –., Anlage zu einem Schreiben aus Frankfurt am Main am 19.5.1947 an den „lieben Freund Steffan“, Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 1555, im Folgenden abgekürzt: Fries, Befreiung, S. 1.

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42 Peter Hoffmann: Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Die Biographie, München 1992, S. 40. 43 Fries, Befreiung, S. 2. 44 Ebd., S. 3. 45 Ebd., S. 4. 46 Ebd. 47 Ebd., S. 5. 48 Henk, Tragödie, S. 48.

Oberstdorf im Allgäu – Henk, Mierendorff, ­Haubach; Seite 33–39 49 Carlo Mierendorff: Der Gnom, Darmstadt 1917, Nachdruck Darmstadt 1980, S. 22. Mierendorff widmete die Novelle Theodor Haubach. 50 Wolfgang Langhoff: „Ein guter Kamerad“, Neues Deutschland, 29.9.1946. 51 Ullrich Amlung, Gudrun Richter, Helge Thied: „… von jetzt an geht es nur noch aufwärts: entweder an die Macht oder an der Galgen!“ Carlo Mierendorff (1897–1943). Schriftsteller, Politiker, Widerstandskämpfer, Marburg 1997, S. 80. 52 Moltke, Abschiedsbriefe, S. 226f. 53 Ebd., S. 227. 54 Henk, Tragödie, S. 34. 55 Ebd., S. 34. 56 Ebd., S. 45/46. „Ob der Eindruck, den Emil Henk gewann, dass Leuschner auch später Verbindungen zu hochgestellten Persönlichkeiten im Regierungsapparat unterhielt, zutrifft, muss indessen einstweilen offen bleiben. In jedem Falle besaß der Gewerkschaftsführer, vielleicht aufgrund von außenpolitischen Rücksichtnahmen, nach seiner Haftentlassung eine gewisse, allerdings durch die Gestapoaufsicht eng begrenzte, Bewegungsfreiheit.“ Hans Mommsen: „Der 20. Juli 1944 und die deutsche Arbeiterbewegung“. Vortrag am 19. Juli 1985 im Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, http://www.20-juli-44.de/uploads/tx_redenj2044/pdf/1985_ mommsen.pdf, zuletzt aufgerufen am 26.8.2016. 57 Zit. nach Henk, Tragödie, S. 45f. 58 Carl Zuckmayer: Carlo Mierendorff. Porträt eines deutschen Sozialisten, Berlin 1947. 59 Ebd., S. 37f. 60 Henk, Tragödie, S. 34.

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Darmstadt, Künstlerkolonie Mathildenhöhe – Wilhelm Leuschner; Seite 40–47 61 Weisenborn, Die Illegalen, Motto des Ersten Aktes, S. 206. 62 Kogon: „Wilhelm Leuschners politischer Weg“, S. 9. 63 Ebd., S. 9. 64 Ebd., zuletzt aufgerufen am 21.1.2016. 65 Kogon, „Wilhelm Leuschners politischer Weg“, S. 10. 66 Ulrich, Leuschner, S. 18. Ulrich hält fest, dass Leuschner während der Kriegsjahre „in seiner kärglich bemessenen freien Zeit seine zuvor schon im Selbststudium erworbenen Kenntnisse in Englisch, Französisch und Mathematik vertieft“. 67 Ulrich, Leuschner, S. 18. 68 Kogon, „Wilhelm Leuschners politischer Weg“, S. 14f. 69 So von Ulrich, Leuschner. 70 Leuschner, S. 25 71 Kogon, „Wilhelm Leuschners politischer Weg“, S. 26. 72 Ulrich, Leuschner, S. 172. Ulrich nennt als Quelle ein Telegramm von Allen Welsh Dulles, OOS Bern, an OOS Washington vom 4.2.1944. 73 Ludwig Metzger zit. aus: Wilhelm Leuschner  – Auftrag und Verpflichtung, hrsg. von der Staatskanzlei Hessen, Wiesbaden 1977, S. 47f.

Bad Ems bei Koblenz – Gustav Kettel und Hein Herbers; Seite 48–55 74 Weisenborn, Die Illegalen, S. 248. 75 Meldeblatt zu Gustav Kettel vom 26.9.1946 in Darmstadt, Hessisches Staatsarchiv Darmstadt. 76 Landesarchiv NRW. Abteilung Rheinland, Bestand NW 1005-G22, ­Signatur 1910, Kettel, Gustav. 77 http://www.emser-bergbaumuseum.de/, zuletzt aufgerufen am 21.9.2016. 78 Der Verein existiert heute noch und führt auf seiner Homepage auch die Schrift auf, der wir bisher die meisten Informationen über Gustav Kettel verdanken: Reinhold Lütgemeier-Davin: „Gustav Kettel. Pazifist-Sozialist-Widerstandskämpfer (12.3.1903–21.2.1983)“, Bad Emser Hefte 71/1988, hrsg. vom Verein für Geschichte/Denkmal- und Landschaftspflege e.V. Bad Ems, http://www.bad-emser-hefte.de/hefte/2/

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Lütgemeier/Davin, „Kettel“, S. 23. Ebd., S. 4f. Ebd., S. 5. Ebd., S. 10. Helga Grebing, Gregor Schöllgen, Heinrich August Winkler (Hrsg.): Willy Brandt. Berliner Ausgabe, Bonn 2002, Bd. 1, S. 215. Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 6. Ebd., S. 97. Brief von Hein Herbers an Lotte Boeke, Frühjahr 1929, zit. aus: Lütgemeier-Davin, „Herbers“, S. 97. Ebd., S. 101: Herbers wohnte in der Pension von Tilly Heydemann im Oranienweg 2. Ebenfalls dort wohnhaft waren Margarethe Klee, eine Handarbeitslehrerin an der Schiller-Volksschule, die Kindergärtnerin Marta Buntebardt und die Oberschullehrerin Irmgard Meyer. Ebd., S. 124. Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 7. Ebd., S. 9.

Frankfurt am Main – Fries, Steffan und die ­„verbissenen Nazi­ gegner“ der Polizei; Seite 56–61 91 Weisenborn, Die Illegalen, S. 214. 92 Henk, „Tragödie“, S. 48/49. 93 Fries, Befreiung, S. 6. 94 Ebd., S. 5. 95 Petra Bonavita: Nie aufgeflogen. Ein Gestapo-Beamter als Informant einer Widerstandszelle im Frankfurter Polizeipräsidium, Berlin 2013. 96 Ebd., S. 107. 97 Sina Schiffel: Jakob Steffan. Ein streitbarer Demokrat, hrsg. von der Landeszentrale für Politische Bildung Rheinland-Pfalz, Mainz/Osthofen 2012, S. 9f. 98 Bonavita, Fengler, S. 11. 99 Ebd., S. 108. 100 Fries nennt in seiner Aussage vom April 1947 den Namen des PolizeiOberleutnants Adam Arnold mit Wohnsitz Arnsteinerstr. 6 in Frankfurt am Main, der die MG-Kompanie auf Seiten der Aufständischen des 20. Juli 1944 geführt hätte, in: ebd., S. 108.

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101 Kurt Kraus: „Die Frankfurter Polizei im Nationalsozialismus“, 24.1.2014, https://www.polizei.hessen.de/Ueber-uns/Geschichte/broker. jsp?uMen=9f470ee1-825a-f6f8-6373-a91bbcb63046&uCon=b3f609a1d5dc-dffa-4684-51611142c388&uTem=bff71055-bb1d-50f1-286072700266cb59, letzter Zugriff am 22.8.2016. 102 Ebd. 103 Henk, Tragödie, S. 52.

Essen, Rolandstraße 24 – Gustav ­Kettel alias „Camphausen“; Seite 62–66 104 Weisenborn, Die Illegalen, S. 233f. 105 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 10f. 106 Joachim G. Leithäuser: Wilhelm Leuschner. Ein Leben für die Republik, Köln 1962; Allen Welsh Dulles: Verschwörung in Deutschland, Zürich 1948, zit. nach: Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 16. 107 Ebd., S. 21. 108 Ebd. 109 Clemens August Graf von Galen: „Der Sohn Gottes weint“, in: Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hrsg.): Widerstand in Deutschland 1933– 1945, München 1997, S. 133f. 110 Vera Bücker: „Der Kölner Kreis und seine Konzeption für ein Deutschland nach Hitler“, S.  63, http://www.kas.de/upload/ACDP/HPM/ HPM_02_95/HPM_02_95_3.pdf, zuletzt aufgerufen am 31.7.2017. 111 Henk, Tragödie, S. 20. 112 Ebd., S. 21. 113 Vera Bücker: „Der Kölner Kreis und seine Konzeption für ein Deutschland nach Hitler“, S.  63, http://www.kas.de/upload/ACDP/HPM/ HPM_02_95/HPM_02_95_3.pdf, zuletzt aufgerufen am 31.7.2017. 114 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 21.

Frankfurt am Main, Moselstraße 18 – Gustav Weigel; Seite 67–72 115 Weisenborn, Die Illegalen, S. 209. 116 Bonavita, Fengler, S. 108. 117 Ebd., S. 49. 118 Ebd., S. 27. 119 Spruchkammerakte AZ: F/143 284 /Laufzettel Aktenstück 1731/ Gustav Weigel – Rechtfertigungsschrift, 27.4.1946, HHStW.

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120 Zit. aus ebd. Gustav Weigel nannte die Namen derjenigen, denen er geholfen hatte: „Ich nenne hier nur Herrn Geh.rat Prof. Dr. Karl Herxheimer, Frau Geh.Rat. Rosenthal, Friedrichstrasse, Frau Prof. Ludloff, Schumannstrasse, Familie Sinzheimer, Kronprinzen­strasse.“ Als Zeugen benennt Weigel: „Frau Dr. Ehrhardt, Arndstraße 51. Frau Dr. Ullmann, Oberursel, Zeppelinstr. 9., Frau Prof. Ludloff, Schumannstr. 11.“ 121 Ebd. 122 Fries, Befreiung, S. 4. 123 Spruchkammerakte AZ: F/143 284 /Laufzettel Aktenstück 1731/ Gustav Weigel – Rechtfertigungsschrift, 27.4.1946, HHStW. 124 Bonavita, Fengler, S. 35, mit Verweis auf Spruchkammerakte Johann Gorius, HHStA Wiesbaden, Abt. 520-FZ-5416. 125 Spruchkammerakte AZ: F/143 284 /Laufzettel Aktenstück 1731/ Gustav Weigel – Rechtfertigungsschrift, 27.4.1946, HHStW. 126 Ebd., S. 20. 127 Ebd. 128 Hoffmann, Stauffenberg, S. 336. 129 Ebd., S. 336. 130 Bonavita, Fengler, S. 30.

Neu-Isenburg, Waldstraße 128 – Ulrich Boelsen und Hans Hayn; Seite 73–77 131 Weisenborn, Die Illegalen, S. 276. 132 Telefongespräch am 22.1.2017. 133 https://www.op-online.de/region/neu-isenburg/neu-isenburg-beruehrendes-zeitdokument-5030536.html, zuletzt aufgerufen am 21.1.2017. 134 Ebd. 135 Dieter Rebentisch, Angelika Raab: Neu-Isenburg zwischen Anpassung und Widerstand. Dokumente über Lebensbedingungen und politisches Verhalten 1933–1945, hrsg. vom Magistrat der Stadt Neu-Isenburg, Neu-Isenburg 1978, S. 225f. Der Name der Frau ist in der Wiedergabe des Dokuments gelöscht. 136 Ebd., S. 227. 137 Ebd., S. 335. 138 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 22. 139 Bonavita, Fengler, S. 109.

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140 Rebentisch/Raab, Neu-Isenburg, S. 227. 141 Ebd., S. 228. 142 Ebd. 143 Bonavita, Fengler, S. 107. 144 Laut Telefonbuch Neu-Isenburg 1954, mündliche Auskunft von Frau Schäfer, Mitarbeiterin des Stadtarchivs Neu-Isenburg, am 25.8.2016. 145 Deutsches Ärzteblatt 88, Heft 47, 21.11.1991, A-4170 https://www.aerzteblatt.de/pdf/88/47/a4170.pdf, zuletzt aufgerufen am 25.8.2016.

Saarbrücken, Hindenburgstraße 48 – Bartholomäus Koßmann; Seite 78–84 146 Hannah Arendt: Macht und Gewalt, München 1970, S. 55. 147 Der Enkel Christoph Kossmann lebt in Luxemburg und schreibt seinen Nachnamen inzwischen mit ss. 148 Interview mit Christoph Kossmann am 11.6.2018 in Saarbrücken. 149 Zum „Kölner Kreis“ siehe http://www.kas.de/wf/de/71.4999/, zuletzt aufgerufen am 14.7.2018. 150 Reinhold Bost: Bartholomäus Koßmann, Saarbrücken 2002, S. 272f. 151 Interview mit Christoph Kossmann am 11.6.2018 in Saarbrücken. 152 Bost, Koßmann, S. 263. 153 Interview mit Christoph Kossmann am 11.6.2018 in Saarbrücken.

Essen, Elsass-Straße 82 – Gustav Kettel; Seite 85–89 154 Weisenborn, Die Illegalen, S. 234. 155 Ulrich, Leuschner, S. 252. 156 Ebd. 157 Ebd. 158 Ebd., S. 253. 159 Ebd., S. 254. 160 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S.  33. Im Text ist von der Kahlerstraße die Rede, es muss sich aber um die Kahlertstraße handeln. 161 Ebd. 162 Akte im HHStAW, 1213, 4, K–L. 163 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 34.

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Heidelberg, Kaiserstraße 33 – Emil Henk; Seite 90–94 164 Weisenborn, Die Illegalen, S. 17. 165 Willi Brundert (Hrsg.): In Memoriam Emil Henk. 1893–1969. Erinnerungen seiner Freunde. Mit Beiträgen von Carl Zuckmayer, Henry Goverts, Artur Egon Bratu, Fritz Saenger, Helmut Stahl, Edith VarroPfaelzer, Gerhard Hinz und Fabian von Schlabrendorff, Heidelberg 1970, S. 37. 166 Karl Jaspers, Karl Heinrich Bauer: Briefwechsel 1945–1968, hrsg. von Renato de Rosa, Heidelberg u. a. 1983, S.  32 [Brief von Karl Jaspers, 20.7.1945] 167 Mitte 2019 wird ein von Norbert Giovanni herausgegebenes Buch erscheinen, das weitere Einsichten in die Rettungsaktion Henks für Gertrud Jaspers verspricht: … die uns Helfer waren in der Not. Heidelberg 1933 bis 1945. Darin enthalten ein Beitrag von Bernd Weidmann: „Schutz vor der drohenden Deportation. Emil Henk versteckt Gertrud Jaspers“. Darin wertet Weidmann bisher unveröffentlichtes Archivmaterial, vor allem aus dem Jaspers-Nachlass, aus. 168 Brundert (Hrsg.), In Memoriam, S. 37. 169 Karl Jaspers, K.  H. Bauer: Briefwechsel 1945 bis 1968, Berlin/Heidelberg/New York 1983, S. 75f. 170 Gerhard Hinz: „Emil Henk und die Universität“, in: Brundert (Hrsg.), In Memoriam, S. 54. 171 Carl Zuckmayer: „Ein Brief ins Elysium“, in: ebd., S. 15. 172 Ebd., S. 15.

Frankfurt am Main, Kurfürstenstraße 3–5 – Margot und Christian Fries; Seite 95–103 173 Weisenborn, Die Illegalen, S. 220. 174 Begleitschreiben von Fries an Steffan zur „Rechtfertigungsschrift“ im Spruchkammerverfahren vom 19.5.1947, Stadtarchiv Wiesbaden. 175 Spruchkammerakte Fries. Signaturen: HHStAW, Abt. 520/Frankfurt am M. (A-Z), sowie HHStAW, Abt. 501 R, Nr. 11524. 176 Fries, Befreiung, S. 9. 177 http://www.verfassungen.de/de/bw/wuertt-b-befreiungsgesetz46. htm, zuletzt aufgerufen am 8.2.2017. 178 Spruchkammerakte Fries. Signaturen: HHStAW, Abt. 520/Frankfurt am M. (A–Z), sowie HHStAW, Abt. 501 R, Nr. 11524.

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179 Folgendes Aktenzeichen ist auf dem Urteil zu lesen: 8/16 j. 432/33 / XII. H. 48/33, in: Spruchkammerakte Fries, HHStAW. 180 Spruchkammerakte Fries, Signaturen: HHStAW, Abt. 520/Frankfurt am M. (A-Z) sowie HHStAW, Abt 501 R, Nr. 11524. 181 Fries, Befreiung, S. 5. 182 Ebd., S. 11. 183 Ebd. 184 Ebd. 185 Ebd., S. 11. Fries benennt hier die Nachbarin Berta Prophet als Zeugin sowie noch mal den Niederländer Leo Bettonviel, dessen Adresse er zu diesem Zeitpunkt mit „Miltenberg/Main, Hauptstraße 503 1/5“ angibt. 186 Ebd., S. 12. 187 Ebd., S. 13. 188 Ebd. 189 Ebd. 190 Spruchkammerakte Fries, HHStAW. 191 Master-File: Berlin-Document-Center, BDC-Records: „19.1.1948, born: 18. August 1895 in Landsweiler“: „Es sind keine Details gegeben über eine SS-Mitgliedschaft“, Spruchkammerakte Fries, HHStAW. 192 Spruchkammerakte Fries, HHStAW, Abt. 520/Frankfurt am M. (A-Z), Fries, Christian.

Frankfurt am Main, Schillerstraße – Emil Carlebach gegen ­Christian Fries; Seite 104–109 193 Gabriel A. Almond: The Struggle for Democracy in Germany, ChapelHill 1949, S. 65, zit. nach: Ute Schmidt/Tilman Fichter: Der erzwungene Kapitalismus, Berlin 1975, S. 9. 194 Eugen Kogon: „Hessen nach dem Zusammenbruch“, XX, S. 38, http:// starweb.hessen.de/cache/hessen/landtag/dreissig_jahre_hessische_ verfassung(2)Kogon.pdf, zuletzt aufgerufen am 11.9.2016. 195 Ebd. 196 Ebd. 197 Eva-Juliane Welsch: „Die hessischen Lizenzträger und ihre Zeitungen“, Diss., Dortmund 2002, S.  83; http://d-nb.info/966526058/34, zuletzt aufgerufen am 18.9.2016. 198 Ebd. Welsch zitiert aus dem Bericht des damaligen britischen Presse­ offiziers Cedric Belfrage, „Seeds of Destruction“, New York 1954, S. 163.

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199 Gordon Corera, Security correspondent, BBC News: „Cedric Belfrage, the WW2 spy Britain was embarrassed to pursue“, 21.8.2015, http:// www.bbc.com/news/uk-34012395, zuletzt aufgerufen am 16.12.2017, sowie Sam Jones: „Cedric Belfrage – ‚sixth man‘ Soviet spy who hid in plain sight“, 21.8.2015, https://www.ft.com/content/c3c3bf66-475111e5-af2f-4d6e0e5eda22, zuletzt aufgerufen am 16.12.2017. 200 Welsch, „Lizenzträger“, S. 84. 201 Ebd. 202 Fries, Befreiung, S. 10. 203 „Grundprinzipien der Demokratie“, Der Spiegel 36/1947, http://www. spiegel.de/spiegel/print/d-41124436.html, zuletzt aufgerufen am 1.8.2017. 204 Ebd.

Biesheim, Frankreich – Julius „Jules“ Leber; Seite 110–115 205 Mierendorff, Gnom, S. 22. 206 Zit. nach „Das Stichwort kam nicht“. 207 Dorothea Beck: Julius Leber. Sozialdemokrat zwischen Reform und Widerstand, Berlin 1983, S. 26. 208 Ebd. 209 Ebd., S. 183. 210 Ebd., S. 193. 211 http://archiv2007.sozialisten.de/partei/geschichte/view_html/n16/ bs11/zid20724, letzter Zugriff am 22.8.2016. 212 Ebd. 213 Ebd. 214 „Militärwesen“ Nr.  6/1959, S.  33, http://archiv2007.sozialisten.de/ partei/geschichte/view_html/n16/bs11/zid20724, zuletzt aufgerufen am 22.8.2016. 215 http://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/undenheim/einzelaspekte/ludwig-schwamb.html, zuletzt aufgerufen am 22.8.2016. 216 Beck, Leber, S. 325. 217 Ebd., S. 338.

Darmstadt, Dieburger Str. 156 – Ludwig Bergsträsser; Seite 116–129 218 Erschienen in Darmstadt 1985. 219 Eckhart G. Franz: „Ludwig Bergsträsser (1883–1960)“, in: Bernd Heidenreich/Walter Mühlhausen: Einheit und Freiheit. Hessische Persön-

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lichkeiten und der Weg zur Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 2000, S. 192. 220 Nachlass Bergsträsser, Signatur: HStAD O 21. 221 http://rhein-neckar-wiki.de/Christian_Stock, zuletzt aufgerufen am 12.2.2017. 222 Ulrich, Leuschner, S. 191f. 223 Nachlass Bergsträsser, Signatur: HStAD O 21. 224 Franz, „Bergsträsser“, S. 192. 225 Brief an Erich Meerwald, Darmstadt, vom 27.10.1954. Nachlass Bergsträsser, Signatur: HStAD O 21. 226 Ludwig Bergsträsser: Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, München 1955, S. 312f. 227 Franz, „Bergsträsser“, S. 192. 228 Bergsträsser, „Die Maske“, S. 3. 229 Ebd. 230 Bergsträsser, Geschichte, S. 311. 231 Ebd., S. 313. 232 Ebd. 233 Ebd., S. 314. 234 Ebd. 235 Schreiben Bergsträssers als „Präsident der Deutschen Regierung für die Provinz Starkenburg“. Darmstadt, 17.6.1945, Rheinstr. 62, Nachlass Bergsträsser, Signatur: HStAD O 21. 236 Vor wenigen Jahren ist in Lünen eine Straße nach Ernesto Piepenbring benannt worden. Gut möglich, dass es sich um den „Besuch aus Westfalen“ handelte, http://www.ikz-online.de/daten-archiv/der-tapferesiedler-id6430685.html, zuletzt aufgerufen am 17.2.2017. 237 Franz, „Bergsträsser“, S. 193f. Eine andere Schilderung des Treffens in Darmstadt lautet wie folgt: „Noch kurz vor dem Attentat auf Hitler fand in seiner Wohnung ein Treffen mit Leuschner statt, bei dem auch der spätere Oberbürgermeister Darmstadts, Ludwig Metzger, der (ehemalige Oberschulrat) Karl Friedrich, den Bergsträsser nach dem Krieg im Regierungspräsidium zum Leiter der Erziehungsabteilung berief, zugegen waren. Die Pläne zum Umsturz waren ihm in den Grundzügen bekannt: Leuschners Aufforderung, bereit zu sein und nach einem erfolgreichen Attentat Führungspositionen zu übernehmen, wurde von

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dem konspirativen Zirkel bejaht“ (Ludwig Bergsträsser: Befreiung, Besatzung, Neubeginn. Tagebuch des Darmstädter Regierungspräsidenten 1945–1948, hrsg. von Walter Mühlhausen, München 1987, S. 15). 238 Deutscher Bundestag und Bundesarchiv (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd.  5/I. Ausschuss für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhart Pikart und Wolfram Werner, Boppard 1993, S. 152. 239 Ebd., S. 152. 240 Ebd., S. 153. 241 Ebd. 242 http://www.20-juli-44.de/uploads/tx_redenj2044/pdf/1954_heuss. pdf; zuletzt aufgerufen am 13.2.2017. 243 Daniel Eberhardt: „Der Einfluss der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf die Grundrechtsberatungen des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat“, MRM – MenschenRechtsMagazin Heft 2/2009, S. 165f. 244 http://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf, zuletzt aufgerufen am 13.2.2017.

Guntersblum, Julianenstraße 19 – Ernst Huhn; Seite 130–137 245 Weisenborn, Die Illegalen, S. 210. 246 Tonbandaufzeichnung; Quelle: Gedenkstätte Osthofen sowie Homepage Kulturverein Guntersblum, http://www.kulturverein-guntersblum.de/ssi/strassennamen/audio1.mp3, zuletzt aufgerufen am 6.3.2017. 247 Ebd. 248 Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich von 1941–1945, Wiesbaden 2005. 249 Ulrich Luig: „Mommenheim. 100 Jahre Sozialgeschichte eines rheinhessischen Dorfes“, Mainz 2005, S. 72, http://www.historia-mommenheim.de/fileadmin/Rheinhessenportal/Teilnehmer/historia_mommenheim/Bibliothek/Mommenheim-100_ Jahre_Sozialgeschichte_ eines_Rheinhessischen_Dorfes.pdf, zuletzt aufgerufen am 6.4.2017. 250 Henk, Befreiung, S. 50. Henk erwähnt hier auch den „Weingutsbesitzer Emil Schmitt“ für die Liberalen und „für die Katholiken den Oberpostinspektor Schmitt“.

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251 Lichtenstein, Tonbandaufzeichnung, http://www.kulturverein-guntersblum.de/ssi/strassennamen/huhn.shtml; zuletzt aufgerufen am 17.2.2017. 252 Steffan in einer Rundfunksendung Mitte der 1950er-Jahre, SWR-­ Archiv. 253 Tonbandaufzeichnung, http://www.kulturverein-guntersblum.de/ssi/ strassennamen/huhn.shtml, zuletzt aufgerufen am 17.2.2017.

Seeheim-Jugenheim, Albert-Schweitzer-Straße – Christian Stock; Seite 138–143 254 Im Nachlass Stock im HStAD. 255 Walter Mühlhausen: Christian Stock (1884–1967) Arbeiterführer. Sozialpolitiker. Ministerpräsident, hrsg. von der Landeszentrale für Politische Bildung, Wiesbaden 2013, S. 8. 256 Ebd., S. 4. 257 Internetseite der von Christian Stock begründeten Heidelberger Baugenossenschaft, https://neu-hd.de/ueber-uns/geschichte.html, zuletzt aufgerufen am 18.2.2017. 258 Ebd. 259 Digitalisate von HStAD-Bestand O 27, Nr. 1012, S. 4. 260 Broschüre des Schuldorfes zum zehnjährigen Bestehen, Digitalisate von HStAD-Bestand O 27, Nr. 1010, S. 7. 261 Mühlhausen, Stock, S. 9.

Bensheim, Erdloch im Baßmannpark – Weber, Como und Steffan; Seite 144–153 262 Henk, Tragödie, S. 9f. 263 Büro für Landschaftsplanung Dipl.-Ing. Rainer Mühlinghaus, Bensheim: Sanierung Baßmannpark. Voruntersuchung mit Entwicklungskonzept und Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen. Erstellt im Auftrag der Stadt Bensheim, Dezember 1987. Übergeben von Ulrich Mattern-Gunther bei einer von der „Felsberg Akademie“ organisierten Begehung des Parks am 2.8.2018. 264 Ebd. S. 4. 265 http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/648/, zuletzt aufgerufen am 27.12.2017.

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266 http://www.seraphisches-liebeswerk.de/einrichtungen/bensheim/ details.php/, zuletzt aufgerufen am 27.12.2017. 267 Franz Josef Schäfer: „Franz Como – Jugendfreund Hermann Hesses – Mitglied des Leuschner-Kreises in Bensheim“, Geschichtsblätter Kreis Bergstraße, Bd. 41, 2008. 268 Henk, Tragödie, S. 50. Henk nennt noch einen zweiten Kontaktmann, auch diesem Namen geht der Bensheimer Heimathistoriker Schäfer nach: „Nach Aussage des aus Bensheim gebürtigen Pfarrers und Geistlichen Rates Dr. Ludwig Hellriegel, Gau-Algesheim (*1932), handelt es sich bei dem ‚Katholiken Schmitt‘ um den Bäckermeister und Konditor Heinrich Johann Schmitt, der wegen Äußerungen gegen das Nazi-Regime in seiner Konditorei angezeigt und verhaftet wurde. Heinrich Schmitt wurde am 11. September 1919 in Bensheim geboren und starb am 7. Juni 1997 in Fürth/Odenwald. Vom 14. April 1934 bis 26.Oktober 1937 war er in Pirmasens, Hauptstraße 92, ­gemeldet. Am 4. Oktober 1940 wurde Schmitt zum Infanterie-Regiment 36 Wiesbaden einberufen. Er heiratete am 14. Februar 1952 Klara Agnes Weis. Aus der Ehe gingen vier Töchter hervor, von denen zwei früh verstarben. Café Schmitt, Bäckerei, Konditorei, wurde im Jahre 1887 gegründet. In Kontakt zu Heinrich Schmitt stand auch der bereits genannte Prof. Franz Como. Nach Aussage von (Tochter) Josefa Michaelis, geb. Como (Anm. 1924), soll Schmitt sich in seinem Geschäft eindeutig und unmissverständlich gegen die Kriegspolitik geäußert haben“ (Schäfer, „Como“, S. 108f.). 269 Ebd., S. 116. 270 Ebd., S. 109. Der Como-Biograf führte am 26. April 2007 in SeeheimJugenheim ein Interview mit der 83-jährigen Como-Tochter Josefa Michaelis. 271 Ebd., S. 112. 272 Ebd., S. 110f. 273 Schäfer, „Como“, S. 111, darin Verweis auf das Privatarchiv Josefa Michaelis, Seeheim-Jugenheim. 274 Arnulf Scriba, Deutsches Historisches Museum, Berlin, 19. Oktober 2007, https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/panzerkreuzerbau-1928.html, zuletzt aufgerufen am 22.2.2017. 275 Schäfer, „Como“, S. 111.

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276 https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/ChristlichSoziale_Reichspartei_(CSRP),_1920-1933, zuletzt aufgerufen am 22.2. 2017. 277 Schäfer, „Como“, S. 109. 278 Ebd. 279 Ebd., S. 111. Mit Verweis auf HHStAW, Abt. 518, Pak. 1202, Nr. 19, Entschädigungsakte Como. 280 Ebd., S. 116. Mit Verweis auf Interview mit Josefa Michaelis, SeeheimJugenheim, 26. April 2007. 281 Ebd. Mit Verweis auf Privatarchiv Josefa Michaelis, Seeheim-Jugenheim. 282 Ebd. 283 Schäfer, „Como“, S.  115. Mit Verweis auf Schreiben Lothar Steffans vom 14.4.2007 an den Verfasser. 284 Ebd., S.  116. Mit Verweis auf Privatarchiv Dr. Lothar J. Steffan, Bad Kreuznach. 285 Sina Schiffel: „Jakob Steffan. Ein streitbarer Demokrat“, Gedenkarbeit in Rheinland-Pfalz 5, hrsg. von der Landeszentrale für Politische Bildung Rheinland-Pfalz, Mainz/Osthofen 2012, S. 25. 286 Franz Josef Schäfer: „Die Geschichte des Kapuzinerklosters Bensheim, des St.-Fidelis-Kollegs und der Leidensweg des Kapuziner­ paters Dionys Zöhren in der NS-Zeit“, Geschichtsblätter Kreis Bergstrasse, Bd. 43, 2010, , S. 80. 287 Ebd., S. 82. 288 Ebd. 289 Franz Josef Schäfer: „Der Kapuzinerpater Otto Weber (1897–1972), langjähriger Präfekt des Fidelis-Kollegs Bensheim“, Mitteilungen des Museumsvereins Bensheim Nr. 64, 2011, S. 12–30. 290 https://kirchbergmorde.wordpress.com/, zuletzt aufgerufen am 3.3. 2017. 291 Henk, Tragödie, S. 50. Hier spricht Henk vom „jetzigen Innenminister Ahl“. Heinrich Ahl übernahm mit Ludwig Bergsträsser nach dem Krieg eine zentrale Funktion innerhalb der sogenannten „Deutschen Regierung der Provinz Starkenburg bzw. der Deutschen Regierung des Landes Hessen“, ein Gebiet in Südhessen, aus dem später das Regierungspräsidium Darmstadt hervorging.

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292 http://www.echo-online.de/lokales/bergstrasse/bensheim/dienamen-der-opfer-und-was-aus-den-taetern-wurde_15229964.htm, zuletzt aufgerufen am 7.3.2017. 293 Vinzenz Hoymann: „Lebensbild P. Otto Weber“, Archiv der RheinischWestfälischen Kapuzinerprovinz 527, S. 10. 294 Schäfer, „Como“, S. 116f.

Schweiz, Ferienhaus „Al Forno“ – Anna Beyer; Seite 154–164 295 Aus einem Flugblatt des ISK, in: Anna Beyer: Politik ist mein Leben, hrsg. von Ursula Lücking, Frankfurt am Main 1991, S. 33. 296 Gustav Kettel an Anna Beyer, HHStAW, AZ. 1213, 4, K-L. 297 Ebd. 298 Vgl. auch Kap. 30. 299 Gustav Kettel an Anna Beyer, HHStAW, AZ 1213, 4, K-L. 300 Brief Anna Beyers vom 30. Juni 1946 an Herrn Ludwig Koch, Dorp­ müllerstr. 15, München-Freimann, HHStAW, AZ. 1213, 4,K-L. 301 Beyer, Politik, S. 36. 302 Ebd., S. 54. 303 Ebd., S. 36. 304 Ebd., S. 37. 305 Ebd., S. 38. 306 Ebd., S. 39. 307 Ebd., S. 40. 308 Ebd. 309 Ebd., S. 40. 310 Vgl. dazu Kap. 26. 311 Beyer, Politik, S. 44. 312 Ebd., S. 44f. 313 Ebd., S. 50. 314 Ebd., S. 51. 315 Ebd. 316 Ebd. 317 Ebd., S. 71. 318 Ebd., S. 75. 319 Hilda Monte: Where freedom perished, London 1947. 320 Beyer, Politik, S. 78.

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321 Dino Löwenstein war der Sohn des sozialdemokratischen Pädagogen Kurt Löwenstein, des Begründers der „Kinderfreunde“. Er gehörte zu einer amerikanischen Einheit, die am Kriegsende das Gefängnis besetzte, in dem Kirchstein auf die Hinrichtung wartete. 322 Beyer, Politik, S. 78. 323 „Gewerkschaftliche Informationen“, um 1960, http://library.fes.de/ gmh/main/pdf-files/gmh/1960/1960-02-Infos.pdf, zuletzt aufgerufen am 11.2.2018. Es ist ein kleiner Text, der den Tod Braumanns anzeigt: „Die deutsche Gewerkschaftsbewegung beklagt den frühen Tod von Willi Braumann, der am 29. Dezember 1959 im Alter von 53  Jahren nach langer Krankheit in Bochum starb.“ Ein Hinweis auf seine Widerstandstätigkeit, von der Anna Beyer berichtet, fehlt hier. 324 Beyer, Politik, S. 78. 325 Ebd., S. 80. 326 Ebd., S. 81.

Darmstadt, Schlossgartenstr. 69 – die „Rote Kapelle“; Seite 165–172 327 Weisenborn, Die Illegalen, Szene 276. 328 https://www.dhm.de/lemo/biografie/arvid-harnack, zuletzt aufgerufen am 29.1.2017. 329 Ulrich, „Leuschner“, S. 104. 330 Ebd., S. 105. 331 Ebd. 332 Ebd. 333 Ulrich, „Leuschner“, S. 107f. 334 Shareen Blair Brysac: Mildred Harnack und ‚Die rote Kapelle‘. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau und einer Widerstandsbewegung, Augsburg 2003, S. 475. 335 http://www.gdw-berlin.de/vertiefung/themen/14-die-rote-kapelle/, zuletzt aufgerufen am 29.1.2017. 336 Dirk Klose: „Das Ende der Roten Kapelle. Die Gruppe Harnack/ Schulze Boysen im Gesamtfeld des Widerstands“, www.bundestag. de; zuletzt aufgerufen am 20.10.2003. 337 Den Hinweis darauf, dass dieses Foto 1939 oder 1940 zu Pfingsten in Ahrenshoop entstanden sein könnte, entnehmen wir dem Text von Ulrich von Bülow, „Intelligenzbad Ahrenshoop“, Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft XII/2, Sommer 2018, S.  31. Dort heißt es: „Seit 1938

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traf man sich regelmäßig zu Pfingsten auf dem Darß beim Camping. Nach den Erinnerungen der Ärztin Elfriede Paul (Ein Sprechzimmer der Roten Kapelle, Berlin 1991, S. 161ff.) wurden Flugblätter vorbereitet, aber es wurde auch gebadet, gelacht und beim Lagerfeuer am Strand Wein getrunken.“ 338 Claudia Prinz: „Die ‚Rote Kapelle‘“. Deutsches Historisches Museum, Berlin, 13. Mai 2015. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/derzweite-weltkrieg/widerstand/rote-kapelle.html, zuletzt aufgerufen am 29.1.2017. 339 Ebd., zuletzt aufgerufen am 29.1.2017. 340 http://www.gdw-berlin.de/vertiefung/themen/14-die-rote-kapelle/, zuletzt aufgerufen am 29.1.2017. 341 Günther Weisenborn: Historien der Zeit, Berlin 1947, S. 193. 342 http://www.gdw-berlin.de/fileadmin/bilder/publ/beitraege/2004_ Libertas_screen.pdf, zuletzt aufgerufen am 28.1.2017. 343 Ebd. 344 http://www.p-stadtkultur.de/folge-3-elisabeth-schumacher-geb-­ hohenemser/, zuletzt aufgerufen am 29.1.2017.

Bilthoven/Niederlande, Reformschule – Hein Herbers; Seite 173–179 345 Weisenborn, Die Illegalen, S. 250. 346 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 21. 347 Ebd., S. 13. 348 http://rijksmonumenten.nl/monument/514670/schoolgebouwwerkplaats-kindergemeenschap-gebouw-voor-gemeenschapsontwikkeling/bilthoven/, zuletzt aufgerufen am 22.9.2016. 349 Kurt Tucholsky alias „Ignaz Wrobel“: „Krieg gleich Mord“, Die Weltbühne, 19.4.1932, Nr.  16, S.  588, http://www.textlog.de/tucholskykrieg-mord.html, zuletzt aufgerufen am 5.10.2016. 350 Ebd., http://www.textlog.de/tucholsky-krieg-mord.html, zuletzt aufgerufen am 5.10.2016. 351 Reinhold Lütgemeier-Davin: Hakenkreuz und Friedenstaube. Der „Fall Hein Herbers“ (1895–1968), Frankfurt am Main 1988, S. 265. 352 Ebd., S. 266. 353 Ebd., S. 265. 354 Ebd., S. 437, Anm. 10. 355 Ebd., S. 267f.

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356 Ebd., S. 270. 357 Ebd. 358 Zit. aus ebd., S. 443, Anm. 23. 359 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 11. 360 Ebd., S. 14. 361 Lütgemeier-Davin, Herbers, S. 275. 362 Ebd., S. 277. 363 Ebd., S. 291. 364 Ebd., S. 292. 365 Ebd. 366 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 15. 367 Ebd., S. 16. 368 Ebd., S. 14. 369 Lütgemeier-Davin, Herbers, S. 296. 370 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 36.

Oppenheim am Rhein, öffentlicher Platz – Jakob Steffan; Seite 180–187 371 Weisenborn, Die Illegalen, S. 207. 372 Sina Schiffel: Jakob Steffan. Ein streitbarer Demokrat, Mainz/Osthofen 2012, S. 52. Die Mainzer Tageszeitung ist erkennbar keine Freundin der Sozialdemokraten oder von Jakob Steffan. Deswegen wurde das Attribut „bekannten“ kursiv gesetzt. 373 Schiffel, Steffan, S. 52. 374 Ulrich Herbert: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft, 1903–1989, Bonn 1996, S. 113. 375 Ebd., S. 115. 376 Ebd. 377 Ebd., S. 111. 378 Zit. aus ebd. 379 Zit. aus Schiffel, Steffan, S. 52. 380 Ebd., S. 50. 381 Ebd., S. 23. 382 Zit. nach „Das Stichwort kam nicht“. 383 Ebd. 384 Henk, Tragödie, S. 51. 385 Zit. nach „Das Stichwort kam nicht“.

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386 Ebd. 387 Ebd. 388 Schiffel, „Steffan“, S. 32. 389 Schreiben Fries an Steffan vom 19. Mai 1947, Stadtarchiv Wiesbaden.

Undenheim, Wohnhaus und Friedhof – Ludwig Schwamb; Seite 188–191 390 Weisenborn, Die Illegalen, S. 215. 391 http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/oppenheim/vg-rheinselz/undenheim/buergermeister-ad-widerlegt-vorwurf-altnazis-­ haetten-wuerdigung-ludwig-schwambs-in-undenheim-verhindert_ 14950857.htm, zuletzt aufgerufen am 8.10.2016. 392 Ebd. 393 Ebd. 394 https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/DMK2X77KQR7OUBM2NBGIHNJLQ6GIL3YP, zuletzt aufgerufen am 8.10.2016. 395 Henk, Tragödie, S. 49. 396 Ebd. 397 Zit. aus „Das Stichwort kam nicht“. 398 https://www.wiesbaden.de/microsite/stadtlexikon/a-z/Maschmeyer__Heinrich.php, zuletzt aufgerufen am 18.11.2016. 399 https://www.wiesbaden.de/microsite/stadtlexikon/a-z/Maschmeyer__Heinrich.php, zuletzt aufgerufen am 18.11.2016. 400 Ebd.

Mainz, Canisiusstraße 90 – Elisabeth Schwamb; Seite 192–198 401 Zit. nach „Das Stichwort kam nicht“. 402 Ulrich, „Leuschner“, S. 225. 403 Brief von Elisabeth Schwamb an einen Münchner Verlag, Stadtarchiv Mainz, NL 106/16. 404 Interview mit Lothar Schwamb am 10. Januar 2018 in Osthofen. 405 Interview mit Lothar Schwamb am 10. Januar 2018 in Osthofen. 406 Stadtarchiv Mainz, NL 106/16. 407 Brief von Elisabeth Schwamb an einen Münchner Verlag, Stadtarchiv Mainz, NL 106/16. 408 Ebd. 409 Ebd.

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410 Ebd. 411 Ebd. 412 https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/DMK2X77KQR7OUBM2NBGIHNJLQ6GIL3YP, zuletzt aufgerufen am 8.10.2016. 413 Interview mit Lothar Schwamb am 10. Januar 2018 in Osthofen.

Gönnersdorf, Frauenbergerhof – Mathilde Gantenberg; Seite 199–204 414 Weisenborn, Die Illegalen, S. 277. 415 Lütgemeier-Davin, „Herbers“, S. 31f. 416 Ebd. 417 Zit. aus ebd., S. 97. 418 Denise Lindsay: „Mathilde Gantenberg“, http://www.kas.de/wf/de/ 37.8112/, zuletzt aufgerufen am 21.11.2016. 419 Rüdiger vom Bruch: Die Berliner Universität in der NS-Zeit, 2 Bde., Stuttgart 2005, Bd. 2, S. 83. 420 Lindsay: „Gantenberg“, http://www.kas.de/wf/de/37.8112/, zuletzt aufgerufen am 21.11.2016. 421 Ebd. 422 http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/ref/collection/totenzettel/id/ 14212, zuletzt aufgerufen am 21.11.2016.

Mainz, Zanggasse 13 – Alfred Freitag; Seite 205–209 423 Weisenborn, Die Illegalen, Vorwort. 424 Zit. nach „Das Stichwort kam nicht“. 425 Zit. nach „Das Stichwort kam nicht“. 426 Zit. nach „Das Stichwort kam nicht“. 427 Zit. nach ebd.

Dortmund, Rombergpark – Wilhelm und Elisabeth Gersdorff, Kayser; Seite 210–217 428 Walter Benjamin: Das Passagen-Werk, Frankfurt am Main 1982, Bd. 1, S. 533. 429 https://www.dortmund.de/media/downloads/pdf/vielfalttolernaz/ broschuere_dortmund_in_der_nazi­ zeit2008.pdf, zuletzt aufgerufen am 2.11.2016.

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430 Zit. nach http://fks.schwerte.de/, zuletzt aufgerufen am 1.12.2016. 431 Ebd. 432 http://fks.schwerte.de/, zuletzt aufgerufen am 1.12.2016. 433 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 20f. 434 Ebd. 435 http://fks.schwerte.de/, zuletzt aufgerufen am 2.12.2016. 436 Ebd.

Darmstadt, Mierendorff-Straße 11 – Ruth und Artur E. Bratu, Höxter; Seite 218–229 437 Ruth Bratu, zit. aus: Walter Laqueur: Generation Exodus. The Fate of young German Refugees from Nazi Germany, New York 2004, S. 247. 438 Gespräch mit Lutz Niethammer Anfang 2017 in Berlin. 439 Godehart Lehwark: „Ruth Bratu – ein exemplarisches jüdisches Leben“, in: Thomas Lange, Lothar Triebel (Hrsg.): „Geh nicht den alten weg ­zurück“, Festschrift zum sechzigjährigen Bestehen der ­Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 1954–2014. Darmstadt 2014, S. 96–105. 440 Artur Egon Bratu: „Emil Henk, Zeuge und Deuter seiner Zeit“, in: In Memoriam Emil Henk. 1893–1969, Heidelberg, 1970, S. 24. 441 Ebd., S. 24f. 442 Franz J. Jürgens: „Ruth Bratu. Prag–London–Darmstadt“, in: „Wir waren ja eigentlich Deutsche“. Juden berichten von Emigration und Rück­ kehr, Berlin 1997, S. 228. 443 Ebd., S. 230. 444 Bratu, „Henk“, S. 25. 445 Ebd., S. 26. 446 Ebd., S. 30. 447 Zit. nach Jürgens: „Ruth Bratu“, S. 230. 448 Ebd., S. 231. 449 Ebd., S. 235. 450 Jürgens, „Ruth Bratu“, S. 235. 451 Bratu, „Henk“, S. 26f. 452 Lehwark, „Ruth Bratu“, S. 100. 453 http://www.echo-online.de/lokales/bergstrasse/bensheim/dienamen-der-opfer-und-was-aus-den-taetern-wurde_15229964.htm, zuletzt aufgerufen am 26.12.2016.

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454 Joachim Scholtyseck: Freudenberg. Ein Familienunternehmen in Kaiserreich, Demokratie und Diktatur, München 2016. 455 Bratu, „Henk“, S. 24. 456 Jürgens, „Ruth Bratu“, S. 245. 457 Lehwark, „Ruth Bratu“, S. 104. 458 Ulrich, „Leuschner“, S. 119. 459 http://gefluechtet.de/wp/2015/08/04/siegfried-hoexter/#_ftn1; zuletzt aufgerufen am 8.1.2017. 460 Ebd. 461 Gespräch mit Lutz Niethammer Anfang 2017 in Berlin.

Bochum, Zedernweg 15 – Ernst und Trude Volkmann, Änne und „Jupp“ Kappius; Seite 230–235 462 Weisenborn, Die Illegalen, Szene 29. 463 Ullrich Amlung, Gudrun Richter, Helge Thiel: „… von jetzt an geht es nur noch aufwärts: entweder an die Macht oder an den Galgen. Carlo Mierendorff (1897–1943), Schriftsteller, Politiker, Widerstandskämpfer, Marburg, 1997, S. 9. 464 Gespräch mit Lutz Niethammer Anfang 2017 in Berlin. 465 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 22. 466 WDR-Dokumentarfilm Deckname Downend von Stefan Appelius, 1994, http://www.juppkappius.de/josef-kappius-die-politische-person/ dokumentationsfilm-deckname-downend, zuletzt aufgerufen am 8.1. 2017. 467 https://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/recherche/wegbereiterinnen/kettig.htm, zuletzt aufgerufen am 7.1.2017. 468 Lütgemeier-Davin, „Kettel“, S. 13. Vgl. Werner Link: Die Geschichte des Internationalen Jugend-Bundes (IJB) und des Internationalen Sozialistischen Kampf-Bundes (ISK). Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, Marburg 1961. 469 https://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/stichwort/eichler.htm, zuletzt aufgerufen am 7.1.2017. 470 Martin Kloke: „Zwischen Kaderschmiede und Volkspartei. Der Nelsonianer Willi Eichler und die Sozialdemokratie“, Frankfurter Hefte 2/2014, http://www.frankfurter-hefte.de/upload/Archiv/2014/Heft_ 03/PDF/2014-03_kloke.pdf, zuletzt aufgerufen am 7.1.2017.

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471 Julia Angster: Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie: Die Westernisierung von SPD und DGB, München 2003, S. 255. 472 Zit. nach http://www.juppkappius.de/oss-agent, zuletzt aufgerufen am 7.1.2017. 473 Ebd.

Berlin-Zehlendorf, Eisvogelweg 71 – Carlo Mierendorff und Fritz Küster; Seite 236–240 474 Weisenborn, Die Illegalen, S. 236. 475 Henk, Tragödie, S. 11. 476 Ebd., S. 38. 477 http://www.vorwaerts.de/artikel/pazifistischer-kaempfer-anderesdeutschland, zuletzt aufgerufen am 8.1.2017. 478 http://www.vorwaerts.de/artikel/pazifistischer-kaempfer-anderesdeutschland, zuletzt aufgerufen am 8.1.2017. 479 Sekretariat des Rates der VVN Hamburg (Hrsg.), Stimme des anderen Deutschland, Hamburg, 1948, S. 110. 480 Zit. aus ebd. 481 Zit. aus ebd. 482 Zit. aus ebd. 483 Richard Albrecht: Der militante Sozialdemokrat. Carlo Mierendorff 1897 bis 1943. Eine Biografie, Bonn 1987, S. 214. 484 Amlung u. a., Mierendorff, S. 7.

Titisee-Neustadt, Hirnforschungsinstitut Vogt – Benno Reifenberg und Adolf Reichwein; Seite 241–246 485 Benno Reifenberg: Offenbares Geheimnis, Frankfurt am Main 1992, S. 295. 486 Ebd., S. 310. Titisee-Neustadt ist heute eine 12 000-Einwohner-Stadt. 487 Ebd., S. 309. 488 Ebd. 489 Frank Zimmermann: „25. Todestag Franz Büchner – klug und tapfer, aber kein Mann des Widerstands“, Badische Zeitung, 6.3.2016, http:// www.badische-zeitung.de/freiburg/franz-buechner-klug-und-tapfer-aber-kein-mann-des-widerstands--119366470.html, zuletzt aufgerufen am 21.9.2017.

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490 Michael Hagner: Geniale Gehirne. Zur Geschichte der Elitegehirnforschung, Göttingen 2004, insb. S. 276f. 491 Reifenberg, Geheimnis, S. 316. 492 Ebd., S. 312. 493 Helga Satzinger: „Krankheiten als Rassen“, in: Hans-Walter Schmuhl: Rassenforschung an Kaiser-Wilhelm-Instituten vor und nach 1933,­ Göttingen 2003, S. 150. 494 Zit. aus Hagner, Geniale Gehirne, S. 278. 495 Axel Ulrich: 20. Juli 1944. Versuch eines Militärputsches sowie einer ­politisch-sozialen Revolution, Wiesbaden 1997, S. 13. 496 Bussiek, Reifenberg. 497 Reifenberg, Geheimnis, S. 326. 498 Helga Hummerich: „Schreiben – ein Fest. Von gemeinsamen Arbeitstagen“, in: Reifenberg, Geheimnis, S. 18. 499 Ebd.

Trebur-Kornsand, ehemalige Flakstellung am Rheinufer – Licht, Spieß und Schuch; Seite 247–250 500 Weisenborn, Die Illegalen, S. 280. 501 Henk, Tragödie, S. 50. 502 http://www.geschichtsverein-nierstein.de/kornsand.htm, zuletzt aufgerufen am 8.3.2017. 503 Ebd. 504 Interview mit Marie-Christine Werner am 10.1.2018 in der Gedenkstätte KZ Osthofen.

Frankfurt am Main, Europäische ­Zentralbank – Günter Katzen­ berger und Siegfried Bode; Seite 251–257 505 Weisenborn, Die Illegalen, S. 218. 506 Spruchkammerakte Günter Katzenberger, HHStAW. 507 Fries, Befreiung, S. 6. 508 Schreiben Katzenbergers am 8.3.1948 an der die Spruchkammer in Frankfurt am Main, in: Spruchkammerakte Günter Katzenberger, HHStAW. 509 Schreiben Müllers vom 28. Mai 1947 an das Spruchkammergericht in Frankfurt am Main, Spruchkammerakte Günter Katzenberger, HHStAW.

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510 Lutz Niethammer, Ulrich Borsdorf, Peter Brandt (Hrsg.) Arbeiterinitiative 1945. Antifaschistische Ausschüsse und Reorganisation in Deutschland, Wuppertal 1976, S. 424f. 511 Spruchkammerakte Siegfried Bode /AZ öKIIy/NF, HHStAW. 512 Ebd. 513 Fries, Befreiung, S. 13.

Wiesbaden und Altenahr  – Fabian von Schlabrendorff und Philipp von Boeselager; Seite 258–269 514 Weisenborn, Die Illegalen, Vorwort. 515 Schlabrendorff: „Weg und Vermächtnis Emil Henks“, S. 55. 516 http://www.stiftung-20-juli-1944.de/stiftung-20-juli-1944/geschichte/, zuletzt aufgerufen am 9.1.2017. Dort heißt es, die Stiftung werde „unter Mitwirkung des damaligen Bundespräsidenten Prof. Dr. Theodor Heuß und des späteren Bundestagspräsidenten Dr. Eugen Gerstenmaier in Nörten-Hardenberg, dem Wohnsitz von Carl Hans Graf von Hardenberg“ gegründet. 517 http://www.forschungsgemeinschaft-20-juli.de/downloads/presseartikel/FAZ-Artikel%20Der%20stille%20Attentaeter.pdf, zuletzt aufgerufen am 2.10.2016. 518 Schlabrendorff, „Weg und Vermächtnis Emil Henks“, S. 56. 519 Ebd. 520 Fabian von Schlabrendorff: Offiziere gegen Hitler, Berlin 1984, S. 22. 521 Ebd., S. 59. 522 Interview mit Philipp von Boeselager am 4.12.2007. 523 http://www.forschungsgemeinschaft-20-juli.de/downloads/presseartikel/FAZ-Artikel%20Der%20stille%20Attentaeter.pdf, zuletzt aufgerufen am 2.10.2016 524 http://www.stiftung-20-juli-194 4.de/stiftung-20-juli-194 4/geschichte/ zuletzt aufgerufen am 9.1.2017.

Das konspirative Dreieck des Leuschner-Netzes; Seite 270–278 525 Weisenborn, Die Illegalen, S. 277. 526 Schlabrendorff, Offiziere gegen Hitler, S. 89. 527 https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Af D-Politikernennt-Stauffenberg-Verraeter,stauffenberg114.html; zuletzt aufgerufen am 11.11.2018

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Die Akteure des Leuschner-Netzes; Seite 280–294 528 https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/philipp-freiherr-von-boeselager/?no_ cache=1, zuletzt aufgerufen am 5.6.2018. 529 https://www.konrad-adenauer.de/wegbegleiter/g/gantenberg-mathilde, zuletzt aufgerufen am 1.6.2018. 530 Gedenkstätte Deutscher Widerstand, https://www.gdw-berlin.de/ vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/ bartholomaeus-kossmann/, zuletzt aufgerufen am 28.5.2018. 531 https://www.dhm.de/lemo/biografie/carlo-mierendorff, zuletzt aufgerufen am 3.6.2018. 532 https://www.dhm.de/lemo/biografie/adolf-reichwein; zuletzt aufgerufen am 3.6. 2018. 533 https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personen­ verzeichnis/biografie/view-bio/ludwig-schwamb/, zuletzt aufgerufen am 3.6.2018. 534 http://www.gg-online.de/kornsandverbrechen/html/Schuch.htm, zuletzt aufgerufen am 3.6.2018. 535 https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/elisabeth-schumacher/?no_cache=1, zuletzt aufgerufen am 3.6.2018. 536 https://www.polizei.rlp.de/fileadmin/user_upload/PP_Mainz/ Dokumente/Jakob_Steffan.pdf, zuletzt aufgerufen am 3.6.2018. 537 https://www.hessen.de/fuer-besucher/beruehmte-hessen/politik/ christian-stock, zuletzt aufgerufen 3.6.2018. 538 Beyer, Politik, S. 226. 539 https://archiv.adk.de/bigobjekt/25248, zuletzt aufgerufen am 3.6. 2018.

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Literaturverzeichnis

Quellen/Archivmaterial Archiv der Deutschen Kapuzinerprovinz Altötting mit Archiv der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz. Hoymann, Vinzenz: Lebensbild P. Otto Weber, Archivnummer 527. Büro für Landschaftsplanung Dipl.-Ing. Rainer Mühlinghaus, Bensheim: Sanierung Baßmannpark. Voruntersuchung mit Entwicklungskonzept und Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen. Erstellt im Auftrag der Stadt Bensheim, Dezember 1987. Übergeben von Ulrich Mattern-Gunther bei einer von der „Felsberg Akademie“ (Holger Zinke u. a.) organisierten Begehung des Parks am 2.8.2018. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden(HHStW): Spruchkammerakte AZ: F/143 284/Laufzettel Aktenstück 1731/ Gustav Weigel – Rechtfertigungsschrift, 27.4.1946; Schreiben Katzenbergers am 8.3.1948 an die Spruchkammer in Frankfurt am Main, in: Spruchkammerakte Günter Katzenberger, HHStAW; Spruchkammerakte Siegfried Bode /AZ öKIIy/NF, HHStAW. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD): Nachlass Ludwig Bergsträsser, HStAD, O 21; „Ansprache des Herrn Regierungspräsidenten Prof. Dr. Bergsträsser anlässlich der Gedächtnisfeier für Wilhelm Leuschner und Ludwig Schwamb am Sonntag, den 15. Juni 1946 im Orangeriehaus Darmstadt“, HStAD Bestand O 29 Nr. 83; HStAD-Bestand O 27, Nr. 1010 zu Christian Stock. Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland:, Bestand NW 1005-G22, Signatur 1910, Kettel, Gustav. Stadtarchiv Mainz: Brief von Elisabeth Schwamb an einen Münchner Verlag, Signatur: NL 106/16. Stadtarchiv Wiesbaden: Rechtfertigungsschrift Christian Fries vom 12. Januar 1947 an das „Grosshessische Staatsministerium – Der Minister für Wiederaufbau und politische Befreiung  – Kammer Frankfurt/Main“

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zum „Feststellungsverfahren gemäß Gesetz vom 5.3.1946 gegen den Kriminalrat a.D. Christian Fries, wohnhaft Frankfurt/M.-West, Kurfürstenstraße 3/5. Dortiges Schreiben vom 6.12.1946  – Aktenzeichen F/345 101 – Op. III p. -., Anlage zu einem Schreiben aus Frankfurt am Main am 19.5.1947 an den „lieben Freund Steffan“, Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr.1555.

Tondokumente Arenz-Morch, Angelika: Interview geführt von Fittkau/Werner in der Gedenkstätte KZ Osthofen am 10.1.2018. Boeselager, Philipp von: Interview geführt von Fittkau am 4.12.2007. SWR-Archiv: Das Stichwort kam nicht  – Dokumente zum 20. Juli 1944. SWF-Radiobeitrag von Anton Maria Keim (gesendet am 20.7.1955). Guntersblumer Widerstandsgruppe um den Arzt Ernst Huhn: Tonbandaufzeichnung mit seiner Tochter als Zeitzeugin; Quelle: Gedenkstätte Osthofen sowie Homepage Kulturverein Guntersblum, http://www. kulturverein-guntersblum.de/ssi/strassennamen/audio1.mp3 Kossmann, Christoph: Interview geführt von Fittkau/Werner am 11.6.2018 in Saarbrücken. Niethammer, Lutz: Interview geführt von Fittkau Anfang 2017 in Berlin. Schwamb, Lothar: Interview geführt von Fittkau/Werner am 10.1.2018 im KZ Osthofen sowie in Undenheim (Rheinhessen).

Weitere Internetquellen http://www.20-juli-44.de/uploads/tx_redenj2044/pdf/1954_heuss.pdf https://www.aerzteblatt.de/pdf/88/47/a4170.pdf https://archiv.adk.de/bigobjekt/25248 http://archiv2007.sozialisten.de/partei/geschichte/view_html/n16/bs11/ zid20724 http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/oppenheim/vg-rhein-selz/ undenheim/buergermeister-ad-widerlegt-vorwurf-altnazis-haettenwuerdigung-ludwig-schwambs-in-undenheim-verhindert_14950857. htm http://www.awo-frankfurt.com/die-awo/termine-awo-allgemein/detail/ article/besuch-bei-anna-beyer.html http://www.bbc.com/news/uk-34012395

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https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/elisabeth-schumacher/?no_cache=1 https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/ludwig-schwamb/ http://www.gg-online.de/kornsandverbrechen/html/Schuch.htm http://gefluechtet.de/wp/2015/08/04/siegfried-hoexter/#_ftn1 http://www.geschichtsverein-nierstein.de/kornsand.htm https://www.hessen.de/fuer-besucher/beruehmte-hessen/politik/christian-stock Hintz, Alfred: Friedrich Kayser (1894–1945), http://www.schwerte.de/ stadtportrait/historisches/stadtgeschichte/friedrich-kayser.html https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Christlich-Soziale_Reichspartei_(CSRP),_1920-1933 http://www.ikz-online.de/daten-archiv/der-tapfere-siedler-id6430685. html http://www.juppkappius.de/oss-agent http://www.kas.de/wf/de/71.4999/ https://www.konrad-adenauer.de/wegbegleiter/g/gantenberg-mathilde Kloke, Martin: Zwischen Kaderschmiede und Volkspartei. Der Nelsonianer Willi Eichler und die Sozialdemokratie, Frankfurter Hefte 2/2014, http://www.frankfurter-hefte.de/upload/Archiv/2014/Heft_03/ PDF/2014-03_kloke.pdf Klose, Dirk: „Das Ende der Roten Kapelle. Die Gruppe Harnack/Schulze Boysen im Gesamtfeld des Widerstands“, www.bundestag.de Kraus, Kurt: Die Frankfurter Polizei im Nationalsozialismus, 24.1.2014, https://w w w.polizei.hessen.de/Ueber-uns/Geschichte/broker. jsp?uMen=9f470ee1-825a-f6f8-6373-a91bbcb63046&uCon=b3f609a1d5dc-dffa-4684-51611142c388&uTem=bff71055-bb1d-50f1-286072700266cb59 https://kirchbergmorde.wordpress.com/ http://library.fes.de/gmh/main/pdf-files/gmh/1960/1960-02-Infos.pdf Lindsay, Denise: „Mathilde Gantenberg“, http://www.kas.de/wf/de/ 37.8112/, Luig, Ulrich: Mommenheim. 100 Jahre Sozialgeschichte eines rheinhessischen Dorfes, Mainz 2005, S. 72, http://www.historia-mommenheim. de/fileadmin/Rheinhessenportal/Teilnehmer/historia_mommenheim/Bibliothek/Mommenheim-100_ Jahre_Sozialgeschichte_eines_ Rheinhessischen_Dorfes.pdf

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Steinbach, Peter: Widerstand gegen den Nationalsozialismus – eine „sozialistische Aktion? Zum 100. Geburtstag von Carlo Mierendorff, http:// library.fes.de/fulltext/historiker/00145.htm http://www.stiftung-20-juli-1944.de/stiftung-20-juli-1944/geschichte/ Tucholsky, Kurt alias „Ignaz Wrobel“: „Krieg gleich Mord“, Die Weltbühne, 19.4.1932, Nr. 16, S. 588, http://www.textlog.de/tucholsky-krieg-mord. html http://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/ref/collection/totenzettel/id/14212 http://www.verfassungen.de/de/bw/wuertt-b-befreiungsgesetz46.htm http://www.vorwaerts.de/artikel/pazifistischer-kaempfer-anderes-deutschland WDR-Dokumentarfilm: „Deckname Downend“ von Stefan Appelius, 1994, http://www.juppkappius.de/josef-kappius-die-politische-person/dokumentationsfilm-deckname-downend https://www.wiesbaden.de/microsite/stadtlexikon/a-z/Maschmeyer__ Heinrich.php Zimmermann, Frank: 25. Todestag Franz Büchner – klug und tapfer, aber kein Mann des Widerstands, Badische Zeitung, 6.3.2016, http://www. badische-zeitung.de/freiburg/franz-buechner-klug-und-tapfer-aberkein-mann-des-widerstands--119366470.html

Literatur Albrecht, Richard: Der militante Sozialdemokrat. Carlo Mierendorff 1897 bis 1943. Eine Biografie, Bonn 1987. Amlung, Ullrich/Richter, Gudrun/ Thied, Helge: „… von jetzt an geht es nur noch aufwärts: entweder an die Macht oder an der Galgen!“ Carlo Mierendorff (1897–1943). Schriftsteller, Politiker, Widerstandskämpfer, Marburg, 1997. Angster, Julia: Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie: Die Westernisierung von SPD und DGB, München 2003. Arendt, Hannah: Macht und Gewalt, München 1970. Beck, Dorothea: Julius Leber. Sozialdemokrat zwischen Reform und Widerstand, Berlin 1983. Benjamin, Walter: Das Passagen-Werk, Frankfurt am Main 1982. Bergsträsser, Ludwig: Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, München 1955.

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Bergsträsser, Ludwig: Befreiung, Besatzung, Neubeginn. Tagebuch des Darmstädter Regierungspräsidenten 1945–1948, hrsg. von Walter Mühlhausen, München 1987. Beyer, Anna: Politik ist mein Leben, hrsg. von Ursula Lücking, Frankfurt am Main 1991. Bonavita, Petra: Nie aufgeflogen. Ein Gestapo-Beamter als Informant einer Widerstandszelle im Frankfurter Polizeipräsidium, Berlin 2013. Bost, Reinhold: Bartholomäus Koßmann, Saarbrücken 2002. Bratu, Artur Egon: Emil Henk. Zeuge und Deuter seiner Zeit, in: In Memoriam Emil Henk (1893–1969), Heidelberg, 1970. Bruch, Rüdiger vom: Die Berliner Universität in der NS-Zeit, 2 Bde., Stuttgart 2005. Brundert, Willi (Hrsg.): In Memoriam Emil Henk. 1893–1969. Erinnerungen seiner Freunde. Mit Beiträgen von Carl Zuckmayer, Henry Goverts, Artur Egon Bratu, Fritz Saenger, Helmut Stahl, Edith Varro-Pfaelzer, Gerhard Hinz und Fabian von Schlabrendorff, Heidelberg 1970. Brysac, Shareen Blair: Mildred Harnack und ‚Die rote Kapelle‘. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau und einer Widerstandsbewegung, Augsburg 2003. Bussiek, Dagmar: Benno Reifenberg (1892–1970). Eine Biographie, Göttingen 2011. Bülow, Ulrich von: Intelligenzbad Ahrenshoop, Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft XII/2, Sommer 2018. Deutscher Bundestag und Bundesarchiv (Hrsg.): Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd.  5/I. Ausschuss für Grundsatzfragen, bearbeitet von Eberhart Pikart und Wolfram Werner, Boppard 1993. Eberhardt, Daniel: Der Einfluss der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf die Grundrechtsberatungen des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat, MRM – MenschenRechtsMagazin Heft 2/2009. Franz, Eckhart G.: Ludwig Bergsträsser (1883–1960), in: Bernd Heidenreich/Walter Mühlhausen: Einheit und Freiheit. Hessische Persönlichkeiten und der Weg zur Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 2000. Galen, Clemens August Graf von: Der Sohn Gottes weint, in: Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hrsg.): Widerstand in Deutschland 1933–1945, München 1997. Gottwaldt, Alfred/Schulle, Diana: Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich von 1941–1945, Wiesbaden 2005.

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Grebing, Helga/Schöllgen, Gregor/Winkler, Heinrich August (Hrsg.): Willy Brandt. Berliner Ausgabe, Bonn 2002. Hagner, Michael: Geniale Gehirne. Zur Geschichte der Elitegehirnforschung, Göttingen 2004. Henk, Emil: Die Tragödie des 20. Juli 1944. Ein Beitrag zur politischen Vorgeschichte, Heidelberg 1946. Herbert, Ulrich: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft, 1903–1989, Bonn 1996. Jaspers, Karl/Bauer Karl Heinrich: Briefwechsel 1945–1968, hg. von Renato de Rosa, Heidelberg u. a. 1983. Jürgens, Franz J.: Ruth Bratu. Prag–London–Darmstadt, in: „Wir waren ja eigentlich Deutsche“. Juden berichten von Emigration und Rückkehr, Berlin 1997. Kogon, Eugen: Wilhelm Leuschners politischer Weg, in: Hessendienst der Staatskanzlei (Hrsg.): Wilhelm Leuschner. Auftrag und Verpflichtung, Wiesbaden 1977. Laqueur, Walter: Generation Exodus. The Fate of young German Refugees from Nazi Germany, New York 2004. Leber, Annedore: Den toten immer lebendigen Freunden, in: Peter Steinbach/Johannes Tuchel: Widerstand in Deutschland 1933–1945. Ein historisches Lesebuch, München 1997. Lehwark; Godehart: Ruth Bratu – ein exemplarisches jüdisches Leben, in: Thomas Lange, Lothar Triebel (Hrsg.): „Geh nicht den alten weg zurück“, Festschrift zum sechzigjährigen Bestehen der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 1954–2014. Darmstadt 2014. Link, Werner: Die Geschichte des Internationalen Jugend-Bundes (IJB) und des Internationalen Sozialistischen Kampf-Bundes (ISK). Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, Marburg 1961. Lütgemeier-Davin, Reinhold: Gustav Kettel. Pazifist  – Sozialist  – Widerstandskämpfer (12.3.1903–21.2.1983), Bad Emser Hefte, hrsg. vom Verein für Geschichte/Denkmal- und Landschaftspflege e.V. Bad Ems, Nr. 71/1988. Lütgemeier-Davin, Reinhold: Hakenkreuz und Friedenstaube. Der Fall Hein Herbers (1895–1968), Frankfurt am Main 1988. Metzger, Ludwig zit. aus: Wilhelm Leuschner  – Auftrag und Verpflichtung, hrsg. von der Staatskanzlei Hessen, Wiesbaden 1977.

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Mierendorff, Carlo: Der Gnom, Darmstadt 1917, Nachdruck Darmstadt 1980. Moltke, Helmuth Caspar von/Moltke, Ulrike von (Hrsg.): Helmuth James und Freya von Moltke. Abschiedsbriefe aus dem Gefängnis Tegel, München 2015. Mommsen, Hans: Alternative zu Hitler. Studien zur Geschichte des deutschen Widerstandes, München 2000. Monte, Hilda: Where freedom perished, London 1947. Mühlhausen, Walter: Christian Stock (1884–1967) Arbeiterführer. Sozialpolitiker. Ministerpräsident, hrsg. von der Landeszentrale für Politische Bildung, Wiesbaden 2013. Niethammer, Lutz/Borsdorf, Ulrich/Brandt, Peter (Hrsg.): Arbeiterinitiative 1945. Antifaschistische Ausschüsse und Reorganisation in Deutschland, Wuppertal 1976. Ulrich, Axel: Wilhelm Leuschner. Ein deutscher Widerstandskämpfer. Für Freiheit und Recht, Einheit der Demokraten und eine soziale Republik. Wiesbaden 2012. Ulrich, Axel: 20. Juli 1944. Versuch eines Militärputsches sowie einer politisch-sozialen Revolution, Wiesbaden 1997. Rebentisch, Dieter/Raab, Angelika: Neu-Isenburg zwischen Anpassung und Widerstand. Dokumente über Lebensbedingungen und politisches Verhalten 1933–1945, hrsg. vom Magistrat der Stadt Neu-Isenburg, NeuIsenburg 1978. Reifenberg, Benno: Offenbares Geheimnis, Frankfurt am Main 1992. Satzinger, Helga: Krankheiten als Rassen, in: Hans-Walter Schmuhl (Hg.): Rassenforschung an Kaiser-Wilhelm-Instituten vor und nach 1933, Göttingen 2003. Schäfer, Franz Josef: Franz Como – Jugendfreund Hermann Hesses – Mitglied des Leuschner-Kreises in Bensheim, Geschichtsblätter Kreis Bergstraße, Bd. 41, 2008. Schäfer, Franz Josef: Der Kapuzinerpater Otto Weber (1897–1972), langjähriger Präfekt des Fidelis-Kollegs Bensheim, Mitteilungen des Museumsvereins Bensheim Nr. 64, 2011. Schiffel, Sina: Jakob Steffan. Ein streitbarer Demokrat, hrsg. von der Landeszentrale für Politische Bildung Rheinland-Pfalz, Mainz/Osthofen 2012.

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Schlabrendorff, Fabian von: Weg und Vermächtnis Emil Henks, in: In Memoriam Emil Henk 1893–1969. Erinnerungen seiner Freunde, Heidelberg 1970. Schlabrendorff, Fabian von: Offiziere gegen Hitler, Berlin 1984. Schmidt, Ute/Fichter, Tilman: Der erzwungene Kapitalismus, Berlin 1975 Scholtyseck, Joachim: Freudenberg. Ein Familienunternehmen in Kaiserreich, Demokratie und Diktatur, München 2016. Sekretariat des Rates der VVN Hamburg (Hrsg.), Stimme des anderen Deutschland, Hamburg 1948. Steinbach, Peter/Tuchel, Johannes (Hrsg.): Widerstand in Deutschland 1933–1945, München 1997. Welsch, Eva-Juliane: Die hessischen Lizenzträger und ihre Zeitungen, Dortmund 2002. Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1914–1949, München 2003. Weisenborn, Günther: Die Illegalen. Ein Schauspiel, Berlin 1947. Weisenborn, Günther: Historien der Zeit, Berlin 1947. Zimmermann, Clemens/Hudemann, Clemens/Kuderna, Michael (Hrsg.): Medienlandschaft Saar. Von 1945 bis in die Gegenwart, München 2010. Zuckmayer, Carl: Carlo Mierendorff. Porträt eines deutschen Sozialisten, Berlin 1947.

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Bildnachweis S.  8: Peter Palm, Berlin; S.  11: bpk; S.  22: akg-images (Städel Museum, Frankfurt am Main); S. 27: Claudia Schmiderer; S. 41: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD): Bestand R 4, Nr.  30752; S.  50/51: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD): Bestand H 3, Nr. 5456; S. 63: Fotoarchiv Ruhr Museum, Essen, Foto: Anton Meinholz; S.  82: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin; S. 86: Stadtarchiv Schwerte (?); S. 92: Stadt­ archiv Heidelberg; S.  93: akg-images; S.  98: Hessisches Hauptstaats­ archiv Wiesbaden (HHStAW): Abt. 520/11 (Spruchkammer Frankfurt am Main), Karton 1223- Christian Fries (2018); S. 106: akg-images / picturealliance / dpa; S. 112: akg-images; S. 118: akg-images / picture-alliance / dpa; S. 140: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD): Bestand R 4, Nr.  18008; S.  147: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt(HStAD): Bestand R  4, Nr.  30741; S.  155: Archiv der Arbeiterwohlfahrt Frankfurt am Main; S.  166: Privatbesitz/Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin; S.  170: Bundesarchiv (Gz. FAZ-2018/D-4114; S.  185: Hessischen Staatsarchiv Darmstadt (HStAD): Bestand R 4, Nr. 35482 D; S. 194: Stadtarchiv Mainz (Bild: AZ 471210,Tgbnr.17611/18; BPSF/21018a, aus Nachlass-Nummer 106, Nr. 37, Zugangsnummer: 1988/19); S. 203: Konrad-Adenauer-Stiftung (Rechteinhaber/Fotograf nicht ermittelbar); S.  212: Stadtarchiv Schwerte; S.  219 und 225: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD): Bestand R 31 M Nr. 63/3, Foto: Michael Geyer, Chikago; S. 228: in: M. Kingreen: Jüdisches Landleben in Windecken, Ostheim u. Heldenbergen, Hanau 1994, S. 442; S. 233: Anne Denney; S. 237: Friedrich-EbertStiftung; S.  242: picture alliance/Keystone; S.  263: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin; S. 268: bpk / Sprengel Museum Hannover / Michael Herling / Benedikt Werner / Aline Gwose ; S. 272/273: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD): Bestand 0 29, Nr. 14

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