Die Konkurrenz der deliktischen Schadensersatzansprüche von Eigentümer und Besitzer gegen den Schädiger: Unter besonderer Berücksichtigung des Leasing und Vorbehaltskaufs [1 ed.] 9783428519767, 9783428119769

In den letzten Jahrzehnten hat die wirtschaftliche Nutzung von Gütern stark zugenommen, die nicht oder nicht sofort als

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German Pages 271 [272] Year 2006

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Die Konkurrenz der deliktischen Schadensersatzansprüche von Eigentümer und Besitzer gegen den Schädiger: Unter besonderer Berücksichtigung des Leasing und Vorbehaltskaufs [1 ed.]
 9783428519767, 9783428119769

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SANDRA KONNERTZ

Die Konkurrenz der deliktischen Schadensersatzansprüche von Eigentümer und Besitzer gegen den Schädiger

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 348

Die Konkurrenz der deliktischen Schadensersatzansprüche von Eigentümer und Besitzer gegen den Schädiger Unter besonderer Berücksichtigung des Leasing und Vorbehaltskaufs

Von Sandra Konnertz

Duncker & Humblot • Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bremen hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-11976-2 ISBN 978-3-428-11976-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706©

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2004 abgeschlossen und lag dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bremen als Dissertation vor. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Peter Derleder, danke ich von Herzen für die zahlreichen inhaltlichen Anregungen und Fachgespräche, die ständige Unterstützung und Motivation und schließlich für die äußerst zügige Erstellung des Erstgutachtens. Die Betreuung war sehr fürsorglich und die Atmosphäre immer überaus angenehm. Ebenso danke ich herzlich Herrn Prof. Dr. Ulrich Ehricke für die Übernahme des Zweitgutachtens, das er in dankenswert kurzer Zeit erstellt hat. Großen Dank schulde ich auch meinen Eltern, meinem Bruder und meiner Tante Michaela, die mir nicht nur finanziell, sondern auch durch Rat und Tat liebevoll und unterstützend zur Seite standen. Düsseldorf, im Sommer 2006

Sandra Konnertz

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 Einleitung

17

A. Die Fragestellung

17

B. Der Gang der Untersuchung

20

Kapitel 2 Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

22

A. Einleitung

22

B. Rechtsprechungsübersicht

24

I. Die frühe Rechtsprechung

24

II. Die Konstellationen mit einem Sonderrechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer mit Gebrauchsrecht

25

III. Die Konstellationen mit einem Sonderrechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer ohne Gebrauchsrecht

31

IV. Konstellationen ohne ein Sonderrechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer im Zeitpunkt der Besitzstörung

32

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen unter besonderer Berücksichtigung der Literatur

37

I. Nutzungsschaden

38

1. Schutz des entgeltlichen redlichen und unverklagten Besitzers

39

2. Schutz jedes Besitzers, außer bei deliktisch erlangtem Besitz

41

3. Schutz jedes unrechtmäßigen Besitzers im Verhältnis zu Dritten

42

10

Inhaltsverzeichnis 4. Kein Schutz des unrechtmäßigen Besitzers

42

5. Kein Schutz gegenüber dem Eigentümer, wohl aber unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber dem Dritten

44

6. Schutz nur des obligatorischen Rechts zum Besitz

47

7. Stellungnahme

48

a) Anspruch im Verhältnis zum Dritten als Schädiger

48

aa) Rechtmäßiger Besitzer mit Gebrauchsrecht

48

bb) Unrechtmäßiger gutgläubiger, entgeltlicher sowie unverklagter Besitzer

48

cc) Bösgläubiger, unentgeltlicher oder verklagter unrechtmäßiger Besitzer

49

dd) Unrechtmäßiger Besitzer, der durch verbotene Eigenmacht oder Delikt Besitz erlangte

52

ee) Rechtmäßiger Besitzer ohne Gebrauchsrecht

53

b) Anspruch gegenüber dem Eigentümer als Schädiger

54

aa) Rechtmäßiger Besitzer mit Nutzungsbefugnis

54

bb) Unrechtmäßiger redlicher, entgeltlicher und unverklagter Besitzer ..

56

cc) Bösgläubiger, unentgeltlicher oder verklagter unrechtmäßiger Besitzer

56

dd) Der deliktische Besitzer und der unrechtmäßige Besitzer, der durch verbotene Eigenmacht den Besitz erlangte

59

ee) Der rechtmäßige, aber nicht zur Nutzung befugte Besitzer

59

c) Zusammenfassung II. Haftungsschaden

60 60

1. Rechtsprechung

61

2. Lösungen der Literatur

61

3. Eigene Stellungnahme

62

III. Verwendungsschaden

66

1. Literatur

67

2. Stellungnahme

68

IV. Wegnahme- und Zurückbehaltungsschaden V. Ersitzungsschaden

70 71

1. Literatur

71

2. Stellungnahme

73

Inhaltsverzeichnis VI. Substanz- und Gefahrtragungsschaden

74

1. Rechtsprechung

74

2. Literatur

76

3. Eigene Lösung

79

VD. Ergebnis

82

V m . § 858 BGB als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB

83

1. Literatur

83

2. Rechtsprechung

89

3. Stellungnahme

90

Kapitel 3 Die Schadensersatzansprüche vom Vorbehaltseigentümer und Anwartschaftsberechtigten A. Das Anwartschaftsrecht als geschütztes Rechtsgut i. S. des Deliktsrechts I. Einführung II. Die Rechtsprechung III. Darstellung der Literatur IV. Eigene Lösung

93 94 94 95 98 105

B. Die Differenzierung zwischen den verschiedenen Schadenspositionen

110

C. Die Ersatzberechtigung wegen Eingriffs in die Sachsubstanz

114

I. Rechtsprechung II. Literatur 1. Die dingliche Surrogation an der Vorbehaltsware

114 116 118

a) Erläuterung der These

118

b) Darstellung der Mängel der Surrogationstheorie

120

12

Inhaltsverzeichnis 2. Forderungsbefugnis ausschließlich des Vorbehaltseigentümers oder ausschließlich des Vorbehaltskäufers 121 a) Anspruch des Vorbehaltseigentümers vor Bedingungseintritt aa) Begründungen der Ansicht

121 121

bb) Die Diskussion der alleinigen Forderungsbefugnis des Vorbehaltseigentümers 125 b) Anspruchsinhaberschaft des Vorbehaltskäufers

129

aa) Darstellung der Argumente

129

bb) Stellungnahme

130

3. Anspruchsberechtigung vom Anwartschaftsberechtigten und Vorbehaltseigentümer a) Gesamtgläubigerschaft gemäß § 428 BGB

132 132

aa) Die Begründung einer Gesamtgläubigerschaft

132

bb) Die Gegengründe

133

b) Einfache Gläubigermehrheit mit gemeinsamer Empfangsberechtigung .. 133 aa) Darstellung der Begründungen und Ausgestaltungen dieser These .. 133 bb) Stellungnahme

136

(1) Systematische Grundlage

136

(2) Das Analogiebedürfnis

138

c) Die Teilgläubigerschaft

142

aa) Die Lösung des BGH

142

bb) Stellungnahme

142

D. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs I. Objektiver Wert als generelle Bemessungsgrenze II. Aufteilung des Gesamtbetrages auf die Gläubigerparteien

150 150 151

Kapitel 4 Die Konkurrenz der Schadensersatzansprüche von Eigentümer und Besitzer

155

A. Einleitung

155

B. Mögliche Ansprüche des Eigentümers

156

Inhaltsverzeichnis C. Welche Ansprüche können konkurrieren? I. Die Korrelation vom Sachsubstanzschaden und Nutzungsschaden n. Der Sachsubstanzschaden des Eigentümers und der Schaden des Besitzers aufgrund eines vereitelten Wegnahmerechts

157 158

161

HI. Das Verhältnis des Sachsubstanzschadens des Eigentümers zum Verwendungsschaden des Besitzers 162 IV. Der Substanzschaden des Eigentümers und der Schaden des Besitzers aufgrund eines vereitelten Zurückbehaltungsrechts

165

V. Das Verhältnis zwischen dem Anspruch des besitzenden Werkunternehmers auf Ersatz der Sachsubstanz zu dem Anspruch des Eigentümers auf Ersatz des Substanzschadens 166 VI. Der Substanzschaden des Eigentümers und der Haftungsschaden des Besitzers

169

VII. Der Anspruch des Besitzers auf Wiederherstellung des status quo ante unter Berücksichtigung des Anspruchs des Eigentümers auf Ersatz der Sachsubstanz 169 1. Gesamtgläubigerschaft gemäß § 428 BGB

171

2. Einfache Gläubigermehrheit mit gemeinsamer Empfangsberechtigung

172

a) Wieser

172

b) Medicus

175

c) Stellungnahme

176

Kapitel 5 Die besondere Rechtslage beim Leasing A. Einleitung

182 182

B. Die Auswirkungen der Abwälzung der Sach- und Preisgefahr auf den Ersatzanspruch des Leasingnehmers und des Leasinggebers 191 I. Rechtsprechungsübersicht

191

1. Teilschaden

192

2. Totalschaden

192

14

Inhaltsverzeichnis II. Stellungnahme auf der Basis der Literatur 1. Teilschaden a) Der Anspruch des Leasingnehmers

198 198 198

b) Die Ansprüche des Leasinggebers und die Konkurrenz zu denen des Leasingnehmers 200 2. Totalschaden a) Umfang des Haftungsschadens

201 204

aa) Darstellung der Literatur

204

bb) Stellungnahme

207

b) Der Umfang des dem Leasingnehmer zu ersetzenden Nutzungsschadens

210

aa) Ersatz der gesamten noch ausstehenden Raten

211

bb) Ersatz der Raten für einen neuen Leasingvertrag

211

cc) Begrenzung auf den im Zeitpunkt der Schädigung bestehenden Wiederbeschaffungswert 212 dd) Drittschadensliquidation

215

ee) Stellungnahme

217

c) Das Verhältnis des Anspruchs des Leasingnehmers auf Ersatz entgangener Nutzungen zu dem Anspruch des Leasinggebers wegen Beeinträchtigung der Sachsubstanz 225 aa) Der Substanzschaden des Leasinggebers

225

bb) Die Konkurrenz der Ansprüche

227

(1) Bei Kündigung des Leasingvertrags

227

(2) Bei Fortführung des Leasingvertrages

230

C. Die Umsatzsteuerproblematik in Schadensfallen I. Einleitung n. Totalschaden

231 231 233

1. Der Anspruch des Leasinggebers gegen den Leasingnehmer auf den Ersatz der Umsatzsteuer

233

a) Rechtsprechung

234

b) Literatur

236

c) Stellungnahme

238

2. Der Anspruch des Leasingnehmers gegen den Schädiger a) Rechtsprechung

241 242

Inhaltsverzeichnis b) Literatur

243

c) Stellungnahme

243

III. Teilschaden

246

1. Rechtsprechung

246

2. Literatur

248

3. Stellungnahme

248

IV. Relevanz des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB

250

Kapitel 6 Die Zusammenfassung der Ergebnisse

251

Literaturverzeichnis

259

Sachwortverzeichnis

269

Kapitel 1

Einleitung A. Die Fragestellung In den letzten Jahrzehnten nimmt die wirtschaftliche Nutzung von Gütern zu, die nicht oder nicht sofort als Eigentum erworben werden, sei es aufgrund Eigentumsvorbehalts, Miete oder Leasing1. Oft fehlt es an dem erforderlichen Eigenkapital zum Erwerb von Produktionsmitteln, so daß die Bezahlung dieser Gegenstände erst dann möglich ist, wenn mit diesen bereits Einnahmen erzielt worden sind. Auch bilanzielle und steuerliche Vorteile können für eine Nutzung ohne Eigentumserwerb sprechen. Beim Ausfall dieser Güter stellt sich daher immer häufiger die Frage, wie diese Einbuße für den Nutzer zu ersetzen ist, vor allem bei einer Schädigung durch Dritte. Steht der Nutzer mit dem Schädiger nicht in einer Sonderverbindung, bleibt für ihn regelmäßig nur die Anspruchsgrundlage aus der deliktischen Haftung nach §§ 823 ff. BGB. Die traditionelle Trennung im deutschen Sachenrecht zwischen Eigentum und Besitz wirft hier besondere Probleme auf, da der Besitz selbst in den §§ 823 ff. BGB nicht erwähnt ist, aber neben dem Eigentum geschützt wird, ohne daß das Verhältnis der Ersatzansprüche geklärt wäre. Das Dilemma tritt insbesondere in Erscheinung, wenn der Eigentümer einen Vertrag schließt, durch den der Besitz dem Vertragspartner für eine bestimmte Zeit für einen bestimmten Zweck überlassen wird, wie bei einem Miet-, Leasing- oder Verwahrungsvertrag. Daneben kommt es auch oft vor, daß der Besitzer seine besitzrechtliche Stellung nicht aus einem Sonderrechtsverhältnis ableiten kann und den Besitz somit nicht rechtmäßig innehat, sondern daß er dem Eigentümer oder sonstigen Berechtigten gegenüber nicht zum Besitz befugt ist. Greift ein Dritter in die Sachsubstanz ein, kann er sich gegenüber dem Eigentümer und gegenüber dem Besitzer schadensersatzpflichtig machen. Entzieht der Schädiger dem Besitzer den Besitz oder stört er diesen, hat der Besitzer den Anspruch auf Herausgabe der Sache, bzw. Beseitigung der Störung gemäß §§ 861, 862 BGB. Beschädigt oder zerstört der Schädiger den Gegenstand zudem nach Besitzerlangung, kann der (ursprüngliche) Besitzer über die Norm des § 1007 Abs. 3 Satz 2 BGB weiter die sich aus §§ 989, 990, 992 BGB ergebenden Ansprüche i Vgl. Hohloch, NZV 1992, 1 f.; Büschgen/ Büschgen, Praxishandbuch Leasing, § 2; Schulz, BB 2002, Beil. 5, S. 10; Thiemann, Die Entwicklung der Eigentumsanwartschaft, S. 97 ff., 109 ff. 2 Konnertz

18

Kap. 1: Einleitung

geltend machen. Wird der Gegenstand ohne vorherige Entziehung beschädigt, muß der Besitzschutz § 823 BGB entnommen werden, der dafür keine ausschließliche Regelung enthält. Der Besitz ist als sonstiges Recht i. S. des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Die beschränkte Aussagekraft dieses Satzes wird deutlich, wenn man sich die Konsequenz vor Augen führt: Der Schutz eines jeden Besitzers, also auch eines nichtberechtigten, würde bedeuten, daß selbst der Dieb den vielleicht nur leicht fahrlässig handelnden Schädiger auf etwa Ersatz der durch die Schädigung entgangenen Nutzungen verklagen könnte. Andererseits ist auch denkbar, daß ein Mieter, der sich über die Beendigung des Mietverhältnisses irrt und die Mietsache daher im guten Glauben an sein Besitzrecht behält, bei Zerstörung der Sache von dem Schädiger den hieraus entstandenen Gebrauchsentgang ersetzt verlangen darf. Ebenso erscheint es schon auf den ersten Blick erforderlich, daß etwa ein Taxiunternehmer, dessen von ihm genutztes, lediglich geleastes Fahrzeug zerstört wird, nicht ohne Ersatzansprüche gegen den Schädiger bleiben darf. Es wird deutlich, daß einerseits ein pauschaler Schutz des Besitzers nicht richtig sein kann, andererseits aber bestimmte Fallkonstellationen einen deliktischen Schutz des Besitzes mit sich daraus ergebendem Schadensersatzanspruch - vor allen Dingen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise - erfordern. Zur Beurteilung der Ersatzfähigkeit von Schäden der verschiedenen Arten von Besitzern muß eine wertungsmäßig überzeugende und rechtsdogmatisch korrekte Lösung gefunden werden. Die Schutzwürdigkeit des einzelnen Besitzers muß hierbei immer in Verbindung mit der geltend gemachten Einbuße beurteilt werden: Hat also jemand etwa den Besitz ohne guten Glauben erworben, ist er gemäß § 990 BGB dem Eigentümer u.U. auch bei einem nicht von ihm, sondern von einem Dritten verursachten Untergang der Sache für den Ersatz der Sache verantwortlich. Diese Einbuße könnte er als Haftungsschaden gegenüber dem Schädiger geltend machen. Entgehen ihm durch das schädigende Ereignis zudem Nutzungen, könnte ihm hieraus unabhängig von der Ersatzfähigkeit des Haftungsschadens ein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsschadens erwachsen. Differenzierungen zwischen der Art der Schäden, die Besitzer erleiden, drängen sich hier auf. Ist die Einbuße eines Besitzers als ersatzwürdig anerkannt, muß die Bedeutung des Anspruchs neben dem des Eigentümers bestimmt werden. Die Klärung dieser Fragen ist bis heute noch nicht befriedigend erfolgt. In Rechtsprechung und Literatur ist bisher zwar häufig auf die Frage des deliktischen Schutzes des Besitzers und auch des Verhältnisses zu den Ansprüchen des Eigentümers eingegangen worden, die Meinungen sind hierbei jedoch bis heute gänzlich inkongruent geblieben. Die Schwierigkeit besteht darin, daß sich die Aufstellung von allgemein geltenden Grundsätzen insbesondere unter Beachtung der schuldund sachenrechtlichen Regelungen, auch derjenigen über die Gesamtschuld und die Gläubigermehrheiten in eine Gesamtsystematik einfügen muß, die gleichzeitig rechtsdogmatisch exakt und in ihrer Interessenbewertung einen befriedigenden Ausgleich zwischen Eigentümer, Besitzer und Schädiger findet, mit allen notwen-

A. Die Fragestellung

19

digen Differenzierungen zwischen den Besitzern vom (früheren) Mieter über den Vorbehaltskäufer bis zum Leasingnehmer. Zwei Sonderkonstellationen seien hier einführend hervorgehoben. Besondere praktische Relevanz hat gerade die Konkurrenz der Ansprüche von Eigentümer und Besitzer insbesondere in zwei Bereichen, in denen dem Schädiger neben dem Eigentümer ein berechtigter Besitzer gegenübersteht, dem Vorbehaltskauf und dem Leasing. Diese beiden Komplexe haben sich aufgrund rasanter wirtschaftlicher Entwicklung zu einem wichtigen Instrumentarium des Warenumschlags2, bzw. der bestmöglichen zur Verfügungsstellung von Gebrauchsgütern entwickelt3. Da der Vorbehaltskauf auf den Übergang des Eigentums vom Vorbehaltseigentümer auf den Vorbehaltskäufer abzielt, und der Vorbehaltskäufer durch die Zahlung der Raten diesem Ziel immer näher rückt, könnte der Vorbehaltskäufer neben einem etwaigen Schadensersatzanspruch wegen Nutzungsentgangs weitere Forderungen gegen den Schädiger innehaben. Aufgrund der mit der Ratenzahlung verbundenen Stärkung des Anwartschaftsrechts wird zu klären sein, ob dem Vorbehaltskäufer gegen den Schädiger ein Anspruch auf Ersatz eines sich an dem Tilgungsfortschritt orientierenden Anteils am Wert der geschädigten Sachsubstanz zusteht. Denkbar ist es hier auch, der Rechtsstellung des Anwartschaftsberechtigten als zukünftigen Eigentümers in der Weise Rechnung zu tragen, daß ihm anstelle des Vorbehaltseigentümers der gesamte Sachwert zuzusprechen ist und sich die Parteien dann im Innenverhältnis über den weiteren Ausgleich einigen müssen. Auf das Verhältnis von Vorbehaltseigentümer und anwartschaftsberechtigten Vorbehaltskäufer wurde in Rechtsprechung und insbesondere in der Literatur bereits ausführlich eingegangen4. Eine systematische Verzahnung der Ergebnisse mit der Rechtstellung der anderen Besitzer steht jedoch noch aus. Beim Leasing stellt sich die Konkurrenz von Eigentümer und Besitzer anders dar. In den heute gängigen Leasingverträgen wird dem Leasingnehmer regelmäßig die Pflicht auferlegt, auch bei einer von ihm nicht verschuldeten Beschädigung oder einem Untergang des Leasingobjekts die Sach- als auch Preisgefahr zu tragen5. Bei dem von einem Dritten verursachten Untergang des Gegenstandes ist also der regelmäßig zur Vollamortisation verpflichtete Leasingnehmer vertraglich gehalten, die Vergütung fortzuzahlen. Zu klären ist, ob dem Leasingnehmer hieraus gegen den Drittschädiger ein Anspruch auf Ersatz des im Zeitpunkt der Schädi2 Vgl. etwa Westermann, Sachenrecht, § 5 HI 4; Soergel/Mühl, § 455 Rdnr. 1. 3 Vgl. etwa Hohloch, NZV 1992, 1 f.; Bethäuser, DAR 1987, 107; Schnauder, JuS 1992, 820; Büschgen, Praxishandbuch Leasing, § 2; Schulz, BB 2002, Beil. 5, S. 10. 4

Vgl. die Ausführungen in Kapitel 3. 5 BGH VersR 1977, 227, 228; BB 1976, 1194, 1195; OLG Düsseldorf NJW 1973, 706, 708 f.; BGH W M 1987,1338,1339; ZIP 1998,1003, 1004; Ulmer/Schmidt, DB 1983, 2558, 2561; Hohloch, NZV 1992,1, 5; Reinking, ZIP 1984,1319; Graf v. Westphalen, Der Leasingvertrag, Rdnr. 953; Engel/Paul, Handbuch Kraftfahrzeug-Leasing, § 5 B I; Staudinger/Emmerich, 1995, Vorbem zu §§ 535, 536 Rdnr. 99 f.; MünchKomm/Voelskow, Vor § 535 Rdnr. 55; Erman/Jendrek, Anhang zu § 536 Rdnr. 23 ff. 2*

Kap. 1: Einleitung

20

gung bestehenden Werts des Leasingobjekts zustehen kann. Ist dies der Fall, könnten sich nunmehr der Anspruch des Leasingnehmers und der des Leasinggebers auf Ersatz der Sachsubstanz gegenüberstehen. Zu der Frage des Schadensersatzanspruchs des Leasingnehmers sind in der Rechsprechung einige Urteile ergangen und auch die Literatur hat sich ausführlich mit dieser Problematik beschäftigt, gelangt allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die sich hier anschließende bedeutsame Frage der Konkurrenz der Ansprüche wurde indes meist nur knapp behandelt.6 Weiterhin ist ungeklärt, ob der Schadensersatzanspruch des in der Praxis regelmäßig privaten und damit nicht gemäß § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigten Leasingnehmers mit oder ohne Mehrwertsteuer erstattet werden muß. Dies hängt wiederum auch davon ab, ob die Ausgleichszahlung des Leasingnehmers an den Leasinggeber die Mehrwertsteuer umfaßt oder nicht.7 Hier bestehen Tendenzen zur Optimierung der Ersatzansprüche zwischen den Leasingvertragsparteien, die sich jedoch deliktsrechtlich legitimieren lassen müssen.

B. Der Gang der Untersuchung Bevor der eigentliche Schwerpunkt der Arbeit, die Konkurrenz der Ansprüche von Eigentümer und Besitzer, behandelt werden kann, ist die Feststellung unerläßlich, welche Besitzer überhaupt Schadensersatzansprüche geltend machen können und welche Schäden ersetzbar sind. Aus rechtssystematischen Gründen wird bei den Ansprüchen des Besitzers auch auf die Fälle eingegangen, in denen nicht ein Dritter, sondern der Eigentümer den Besitz stört. Diese Fragen behandelt das Kapitel 2. Die in Kapitel 3 folgende rechtsdogmatische Behandlung des Verhältnisses der deliktischen Schadensersatzansprüche von Vorbehaltseigentümer und anwartschaftsberechtigtem Vorbehaltskäufer gegen den Drittschädiger erfordert zunächst die Klärung, ob das Anwartschaftsrecht überhaupt deliktischen Schutz genießt. Sodann wird dargestellt, welche Schadenspositionen auf der Grundlage des Anwartschaftsrechts geltend gemacht werden können. Hierbei wird insbesondere geprüft, ob ein Anspruch des Vorbehaltskäufers auf Ersatz des Substanzschadens angenommen werden kann und in welchem Verhältnis dieser zu dem Substanzschaden des Vorbehaltseigentümers steht. Im Anschluß daran wird in Kapitel 4 auf die Konkurrenz der Ansprüche der sonstigen Besitzer und Eigentümer eingegangen, die weder durch Vorbehaltskauf noch durch Leasing verbunden sind. Diese Erörterungen folgen der Behandlung des - spezielleren - Vorbehaltskaufs, weil sich Rechtsprechung und Literatur besonders ausführlich mit der Konkurrenzproblematik beim Vorbehaltskauf beschäf6 Vgl. zu diesem Komplex die Ausführungen in Kapitel 5 unter B. 7

Vgl. hierzu Kapitel 5 unter C.

B. Der Gang der Untersuchung

21

tigt haben8, zu der Konstellation der sonstigen Eigentümer und Besitzer aber nur wenige Stimmen zu finden sind9. Insofern geht es in Kapitel 4 um eine allgemeinere Grundlegung. Schließlich wird in Kapitel 5 die rechtliche Lage beim Leasing untersucht, wenn ein Dritter das Leasinggut beschädigt oder zerstört und der Leasingnehmer aufgrund der gewöhnlichen Überwälzung der Sach- und Preisgefahr dem Leasinggeber hierfür einstehen muß. Zuletzt wird die Mehrwertsteuerproblematik erörtert. In Kapitel 6 werden die Ergebnisse schließlich zusammengefaßt.

8 9

Siehe Kapitel 3 unter C. Siehe in Kapitel 4 unter C.

Kapitel 2

Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers A. Einleitung Die Betrachtung der konkurrierenden Ansprüche zwischen Eigentümer und Besitzer setzt zunächst die Bestimmung der Rechte des letzteren voraus. Wird ein Mietwagen durch einen drittverschuldeten Unfall beschädigt, erscheint es als selbstverständlich, daß nicht nur der Vermieter als Eigentümer einen Ersatzanspruch gegen den Schädiger hat, sondern auch der Mieter für seine hierdurch entstandenen Ausfälle entschädigt wird. Steht der Mieter mit dem Schädiger in keinerlei Sonderverbindung, kann sich ein solcher Anspruch nur aus Delikt ergeben. Die zentrale Norm des § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, daß ein „sonstiges Recht" verletzt wird. Um dem Mieter einen Anspruch auf Ersatz etwaiger Einbußen zu gewähren, muß er also ein Recht aufweisen können, das unter diese Norm fällt. Dieses Recht könnte sich aus der besitzrechtlichen Stellung ergeben. Hat der Mieter im obigen Beispiel die Frist zur Rückgabe im Zeitpunkt der Schädigung überschritten, ist die Mietzeit also schon abgelaufen, hatte der Mieter gegenüber dem Eigentümer kein Recht mehr auf Benutzung des Mietwagens. Daher ergeben sich hier offensichtlich Bedenken, ob dem Mieter ein Anspruch auf Ersatz der hierdurch entstandenen Einbußen gewährt werden kann. Noch zweifelhafter ist ein solcher Anspruch, wenn der Mieter gegenüber dem berechtigten Eigentümer niemals ein Recht auf Nutzung der Sache gehabt hat. Schließlich ist fraglich, ob gar ein Dieb irgendwelche Ansprüche hinsichtlich der von einem Dritten beschädigten Sache haben kann, welche sich eben im Zeitpunkt der Schädigung im Besitz des Diebes befunden hat. Es sind viele Einbußen denkbar, die durch eine Beschädigung oder gar Zerstörung einer Sache, welche sich im Besitz eines anderen als des Eigentümers befindet, bewirkt werden können. Am häufigsten wird es vorkommen, daß der Besitzer einen Schaden erleidet, indem er die Sache aufgrund der Beschädigung nicht mehr nutzen kann. Weiterhin könnte er aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder auch durch vertragliche Vereinbarung verpflichtet sein, gegenüber dem Eigentümer für die Wiederherstellung des Gegenstandes zu sorgen, obwohl ihn hinsichtlich der Beschädigung kein Verschulden traf. Denkbar ist auch, daß der Besitzer vor der Schädigung Verwendungen auf die Sache gemacht hat, für welche er gemäß § 994

A. Einleitung

23

Abs. 1 BGB bei Rückgabe der Sache hätte Ersatz verlangen können. Diesen Anspruch könnte er gemäß § 1001 BGB bei Untergang der Sache nicht mehr durchsetzen, weil der Eigentümer hierdurch die Sache weder i. S. des § 1001 BGB wiedererlangen kann noch die Verwendungen i. S. des § 1001 S. 1 BGB genehmigen wird. Wegen dieser Verwendungen hätte der Besitzer zudem ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 1000 S. 1 BGB, welches durch den Untergang der Sache nunmehr ins Leere läuft. Ähnlich liegt der Fall, wenn der Besitzer das ihm eigentlich gemäß § 997 Abs. 1 BGB zustehende Wegnahmerecht an der Hauptsache durch den Untergang der Sache nicht mehr ausüben kann. Im Einzelfall ist darüber hinaus möglich, daß die unmittelbar anstehende Ersitzung durch den Besitzer gemäß §§ 900, 937 oder 1033 BGB durch den Untergang der Sache vereitelt wird. Der Besitzer hätte ohne das schädigende Ereignis den Besitz an der Sache behalten und an dieser überdies sogar das Eigentum erlangt. Auch hieraus könnte ein Anspruch gegen den Schädiger entstehen. Neben diesen Schadenspositionen, die bei einem Besitzer eintreten können, ist aber auch vorstellbar, daß ein Besitzer unter bestimmten Voraussetzungen dasjenige geltend machen kann, was eigentlich augenscheinlich dem Eigentümer zusteht. So ist denkbar, daß der Besitzer in bestimmten Konstellationen anstelle des Eigentümers oder auch mit ihm zusammen den Substanzschaden geltend machen, also gemäß §§ 823 Abs. 1,249 BGB vom Schädiger Ersatz in Höhe des Sachwertes verlangen kann. Bisher wurden nur die Konstellationen angesprochen, wo ein unbeteiligter Dritter den Schaden verursacht. Neben der Verursachung durch einen Dritten könnte aber auch der Eigentümer den Schaden bewirken. Dies ist insbesondere in der Weise vorstellbar, daß der Eigentümer dem - meist nichtberechtigten - Besitzer die Sachherrschaft im Bewußtsein seiner Eigentümerposition durch eigenmächtiges Verhalten entzieht und der Besitzer dadurch den Gebrauch an der Sache nicht weiter fortsetzen kann. Auf die Ansprüche des Besitzers gegen den Eigentümer wird folglich ebenfalls einzugehen sein. Die Rechte des Besitzers aus § 823 Abs. 1 BGB können ferner nicht ohne die Einbeziehung des § 823 Abs. 2 BGB systematisch bestimmt werden. Entzieht der Eigentümer oder ein Dritter dem Besitzer die Herrschaft über den Gegenstand, übt dieser regelmäßig verbotene Eigenmacht i. S. des § 858 BGB aus. Umstritten ist nun, ob § 858 BGB ein Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB darstellt1. Durch die Zubilligung von Ansprüchen auf der Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB dürfen die zu § 823 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze nicht ausgehöhlt werden.

1

Siehe hierzu die Ausführungen in diesem Kapitel unter C. VIÜ.

24

Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

B. Rechtsprechungsübersicht In der Judikatur sind im letzten Jahrhundert diverse Entscheidungen zu den Schadensersatzansprüchen von Besitzern ergangen. Oft ging es um Besitzer, die ein Sonderrechtsverhältnis mit dem berechtigten Eigentümer verband, zumeist war den Besitzern im Rahmen dieses Verhältnisses ein Gebrauchsrecht an dem Gegenstand eingeräumt2. Teilweise, besonders in den späteren vom BGH entschiedenen Fällen, ging es aber auch um Schäden von Besitzern, die weder eine vertragliche Verbindung noch ein Nutzungsrecht aufweisen konnten3. In den Anfängen dieser langen Rechtsprechungsreihe ging man in erster Linie auf die Frage ein, inwieweit der Besitz überhaupt unter den Tatbestand des § 823 BGB fällt. Nachdem dies weitreichend geklärt war, wurde dann primär die Ersatzfähigkeit der speziellen Schadenspositionen problematisiert. Zur besseren Übersicht wird nunmehr zwischen den Sachverhalten differenziert, bei denen zwischen Eigentümer und Besitzer ein Sonderrechtsverhältnis bestand, und danach, ob dem Besitzer ein Gebrauchsrecht vertraglich eingeräumt war. Zunächst werden jedoch aus der frühen Rechtsprechung Urteile dargestellt, bei denen die zugrundeliegende Fallkonstellation nicht erkennbar und daher eine Zuordnung nicht ohne weiteres möglich ist.

I. Die frühe Rechtsprechung Die erste Entscheidung des RG zu diesem Thema erging im Jahre 19044. Ohne Darlegung des Sachverhaltes wurde hier die Frage aufgeworfen, ob die Verletzung eines obligatorischen Rechts durch einen Dritten diesen gemäß § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig macht. Das RG verneinte dies und führte aus, daß das obligatorische Recht des Gläubigers nur eine bestimmte Person, nämlich den Vertragspartner bindet, von Dritten aber nicht beachtet werden muß. Schadensersatzpflichtig mache sich der Dritte demnach nur, wenn er in Rechte eingreife, welche ihre Grundlage nicht in einem Vertrag haben und somit von jedermann beachtet werden müssten. Das bloße obligatorische Recht falle somit nicht unter die sonstigen Rechte iSd § 823 I BGB. Zur Unterstützung seiner Ansicht zog das RG noch die Entstehungsgeschichte des BGB heran5. Danach beschränke sich der Begriff 2 OLG Hamburg, OLG 7,404 ff.; OLG Posen, Das Recht 1905, Nr. 572 und Nr. 577; RGZ 59, 326 ff.; RG Das Recht 1911, Nr. 2879; RG Warn. Rspr. 1915, Nr. 299; RGZ 91, 60 ff.; OLG Stuttgart, Das Recht 1917, Nr. 1277; BGH JZ 1954, 613 ff.; OLG Baumberg, OLG 1971, 349 ff.; BGH NJW 1981, 750 ff.; BGH NJW 1984, 2569 f.; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 23 f. 3 OLG Hamburg, OLG 43, 209 f.; RG JW 1921, 1362; BGH W M 1976, 583 ff.; BGHZ 73, 355 ff.; 79, 232 ff.; 114, 305 ff. 4 Urteil vom 29. 02. 1904 in RGZ 57, 353 ff.

B. Rechtsprechungsübersicht

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der sonstigen Rechte auf die absoluten Rechte. Ob der bloße Besitz damit erfaßt ist, wurde nicht angesprochen, obwohl kurz zuvor das OLG Colmar6, allerdings ohne Begründungen, auch den Besitz als eine durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition verstanden hatte.

II. Die Konstellationen mit einem Sonderrechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer mit Gebrauchsrecht Im folgenden werden die Fallkonstellationen der Judikatur dargestellt, bei denen zwischen Eigentümer und Besitzer ein Schuldverhältnis existiert, welches sich auf die Überlassung des Sachgebrauchs auf den Besitzer richtet oder diese zumindest umfaßt. Es handelt sich folglich um den berechtigten Besitz, verbunden mit einem obligatorischen Recht hinsichtlich der Befugnis zum Gebrauch der Sache. Das OLG Hamburg hatte im Jahre 19037 über einen Fall zu entscheiden, bei dem eine Ehefrau sich von ihrem Ehemann getrennt und ein zum Gesamtgut des gesetzlichen Güterstandes gehörendes Sparkassenbuch mitgenommen hatte, welches der Ehemann nun klageweise herausverlangte. Das Gericht befand ohne weitere Erläuterung, das Verwaltungsrecht des Ehemannes an dem das Eigentum der Ehefrau umfassenden Gesamtgut8 und sein Besitzrecht am Sparkassenbuch zählten zu den „sonstigen Rechten" des § 823 Abs. 1 BGB, so daß der Klage auf Naturalrestitution durch Herausgabe stattgegeben wurde. In einer Entscheidung im Jahre 1904 erkannte das OLG Posen9 dem neuen gegen den alten Wohnungsmieter, dessen Gegenstände sich noch in den Mieträumen befanden, einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer Beeinträchtigung des Besitzes an der Wohnung als absolutem Recht zu. Offensichtlich handelte es sich bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt um eine Störung des berechtigten Besitzes. Fast zeitgleich erging dann auch die erste Entscheidung des RG zu einer Sachlage, bei der dem Besitzer vertraglich ein Nutzungsrecht an der Sache eingeräumt 5 Motive, Band II, 3. Abschnitt, S. 726. Hier wird ausgeführt, daß der schädigende Eingriff in ein obligatorisches Recht durch einen Dritten für diesen nur dann zu einer Schadensersatzpflicht führt, wenn die Handlung sich aus einem anderen Grunde als widerrechtlich darstellt. 6 OLG Colmar, Urteil vom 13. 11. 1903 in Das Recht 1903, Nr. 2926. 7 Urteil vom 26. 06. 1903 in OLG 7,404 ff. 8

Bis zum 01. 04. 1953 galt der gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Ehemannes am eingebrachten Gut der Frau als Teil des Gesamtguts. Als 1953 auf Grund des Gleichberechtigungsgrundsatzes (Art. 3 II, 117 I GG) dieser Güterstand endete, wurde bis zum Erlaß des Gleichberechtigungsgesetzes am 01. 07. 1958 die reine Gütertrennung anerkannt. Seit Erlaß dieses Gesetzes ist der gesetzliche Regelgüterstand die Zugewinngemeinschaft, vgl. Erman/Heckelmann, vor § 1414 Rdnr. 1; MünchKomm/Koch, Einl zu §§ 13631563 Rdnr. 15 ff. 9 Urteil vom 17. 10. 1904 in Das Recht 1905, Nr. 572 und Nr. 577.

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worden ist 1 0 . Dieses Urteil hat erhebliche Bedeutung, weil sich die späteren Entscheidungen vielfach hierauf bezogen. Der Kläger betrieb einen Großhandel mit Petroleum, im Nebenhause befand sich die in gemieteten Räumen betriebene Gastwirtschaft des Beklagten. Durch die trennende Zwischenmauer war im Laufe der Zeit Petroleum gedrungen, so daß der Beklagte aufgrund des Geruchs und der Feuergefahr auf polizeiliche Anordnung die Gastwirtschaft räumen mußte. Der Gastwirt begehrte nun von dem Inhaber des Petroleumhandels Schadensersatz, worauf dieser die negative Feststellungsklage erhob. Das RG schloß sich hier der Auffassung an, daß zu den „sonstigen Rechten" des § 823 Abs. 1 BGB ausschließlich dingliche und andere absolute, nicht aber obligatorische Rechte gehören. Daher gehöre das Mietrecht nicht zu den „sonstigen Rechten". Anders sei die rechtliche Lage allerdings dann zu beurteilen, wenn auf der Grundlage des Mietvertrages der unmittelbare Besitz an der Sache dem Mieter übertragen sei. Dann bestünden nicht mehr bloß zwischen den obligatorisch Verbundenen Rechte und Pflichten, sondern jedermann habe das durch den Besitz erkennbare Mietrecht zu achten, denn mit der Übergabe der Mietsache entwachse das Recht des Mieters dem reinen Obligationenrecht. 11 Daher könnten schädigende widerrechtliche Eingriffe von Dritten Schadensersatzansprüche sowohl aus § 823 Abs. 1 BGB als auch aus §§ 823 Abs. 2 iVm 858 BGB auslösen. Weil es infolge der Besitzeinräumung von jedermann geachtet werden müsse, sei es gerechtfertigt, das Recht des Mieters auf ungestörte Benutzung der Mietsache zu den mit dem Mietvertrag verfolgten Zwecken zu den von § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechten zuzuordnen. Das RG ging folglich erstmals deutlich von der Prämisse aus, daß das bloß obligatorische Recht an sich nicht von § 823 Abs. 1 BGB umfaßt wird, bei Hinzukommen des unmittelbaren Besitzes ein solcher Deliktsschutz jedoch zu gewähren ist. Damit äußerte es sich aber nicht zu der Frage, ob der Besitz an sich geschützt ist. Vielmehr ging es aus von dem Bestehen eines Mietrechts und billigte einen deliktischen Schutz dann zu, wenn dieses Recht durch die Besitzeinräumung nach außen in Erscheinung tritt. Grundlage eines Schadensersatzanspruches ist mithin das Bestehen einer schuldrechtlichen Beziehung, in Verbindung mit einem sich hieraus ergebenden Besitzrecht sowie der tatsächlichen Erlangung des unmittelbaren Besitzes. 12 In zwei Urteilen aus den Jahren 1911 und 1915 ging es um die Beeinträchtigung eines Fischereipachtrechts. I m ersten F a l l 1 3 begehrte der Pächter eines nunmehr durch einen benachbarten Gewerbebetrieb verschlammten Teichgrundstücks Schadensersatz hinsichtlich des Gewässers sowie der hierdurch eingegangenen Fische. Der Klage wurde in beiden Punkten stattgegeben mit der Begründung, zu den von § 823 Abs. 1 BGB umfaßten Rechten gehöre das „Besitzrecht des Pächters", also io Urteil vom 28. 12. 1904 in RGZ 59, 326 ff. n RGZ 59, 326, 328. 12 Im Ergebnis sprach das Gericht dem Beklagten jedoch keinen Schadensersatz zu, weil es für erwiesen ansah, daß die Wand bereits bei Eingehung des Mietverhältnisses mit Petroleum durchtränkt war. Der Beklagte hatte den Besitz in schon beeinträchtigtem Zustand erworben, so daß eine Verletzung eines ursprünglich ungestörten Besitzes nicht vorlag. 13 Urteil des RG vom 27. 05. 1911 in Das Recht 1911, Nr. 2879.

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auch das Recht, welches dem Kläger hinsichtlich der Teiche sowie des Fischbestandes zustehe. Hier wurde mithin bei genauerer Betrachtung die Einheit zwischen vertraglichem Gebrauchsrecht und unmittelbarem Besitz geschützt. Zu beachten bei dieser Entscheidung ist insbesondere der Umfang des Schadensersatzes; das RG gewährte dem Kläger sowohl Ersatz für die entgangenen Nutzungen, die Fische, als auch Ersatz der Sachsubstanz, also eine Entschädigung zur Instandsetzung des Fischteiches. Im zweiten Fall machte ein Fischereipächter Schadensersatz dafür geltend, daß aufgrund des Zuführens von giftigen Abwässern seitens einer Zuckerfabrik Fische in dem gepachteten Gewässer verendet waren. 14 Der Pächter begehrte Ersatz für die Fische, die er nicht ziehen konnte, also Ersatz für den Nutzungsausfall. Wieder wurde das Besitzrecht des Fischereipächters den sonstigen Rechten des § 823 Abs. 1 BGB zugeordnet und der Klage stattgegeben. Ebenfalls um ein Pachtverhältnis ging es in einem Fall 15 , in dem jemand auf einem von der Stadt gepachteten Grundstück eine Gärtnerei betrieb. Durch Zuführung von schwefeliger Säure und von Ruß seitens einer benachbarten Fabrikanlage waren Gärtnereipflanzen zerstört worden. Der "Kläger begehrte Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen sowie Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Das RG führte aus, soweit sich die Pflanzen im Sinne des § 956 BGB noch nicht in seinem Eigentum befunden hätten, stelle die nachteilige Beeinflussung des Gedeihens der Pflanzen durch die Einwirkungen aus dem Nachbargrundstück eine Störung des Besitzes an Grund und Boden dar. Dieser Besitz, insbesondere eines Mieters oder Pächters, sei den in § 823 Abs. 1 BGB erwähnten Rechten zuzuordnen. Hier wurde der Formulierung nach also der „Besitz" geschützt. Dies erfolgte aber wieder im Zusammenhang mit einem aus einem Vertrag resultierenden Recht zum Besitz. In einem während des Ersten Weltkriegs entschiedenen Fall 16 schlossen Kaufvertragsparteien fernschriftlich einen Vertrag über 20.000 m Militärdrell 17. Der Verkäufer schickte daraufhin ein Telegramm mit den Einzelheiten der Vertragsgestaltung, überlegte es sich kurz darauf wieder anders und forderte das Telegramm vom Telegrafenamt zurück. Zu diesem Zeitpunkt war das Telegramm schon dem Dienstmädchen des Käufers ausgehändigt worden, der selber aber noch keine Kenntnis genommen hatte. Der Verkäufer ließ das Telegramm durch den Postboten bei dem Dienstmädchen wieder abholen, wodurch dem Käufer also ein ihm vorteilhafter Geschäftsabschluß entging. Hier ließ das RG offen, ob der im Prozeß als Kläger auftretende Käufer Eigentum an dem Telegramm erlangt hatte. Für die Er14 Urteil des RG vom 04. 10. 1915 in Warn. Rspr. 1915, Nr. 299. 15 Urteil des RG vom 27. 11. 1911 in Das Recht 1911, Nr. 2879. 16 Urteil des RG vom 25. 10. 1917 in RGZ 91,60 ff. 17 „Drell" ist die Sammelbezeichnung für schwere, dichte Gewebe aus Leinen oder Baumwolle für Matratzenbezüge, Markisen oder Arbeitsbekleidung in Köper- oder Atlasbindung, vgl. Brockhaus, CRO-DUC, S. 690.

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satzfähigkeit des eingetretenen Schadens nach der Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB reiche jedenfalls die Verletzung des Besitzes am Telegramm aus, welchen der Kläger gemäß §§ 854, 855 BGB innegehabt habe. Das RG sprach hier von dem „Besitz", der unter § 823 Abs. 1 BGB falle. Dennoch ist anzunehmen18, daß nur vereinfachend von dem bloßen „Besitz" gesprochen, tatsächlich aber auch hier das obligatorische Recht zugrundegelegt wurde und tatsächlich das Recht zum Besitz gemeint war. Das OLG Stuttgart hatte 1917 über einen Fall zu entscheiden, bei dem die Ehefrau mittels verbotener Eigenmacht iSd § 858 BGB dem von ihr getrennt lebenden Ehemann den Besitz an ihrem Klavier entzogen hatte.19 Hier befand das Gericht 20, daß der ehemännliche Besitz nach den §§ 823 Abs. 1 und Abs. 2 iVm 858 BGB geschützt sei und bejahte einen Anspruch des Ehemannes auf Ersatz seines Schadens, also Naturalrestitution durch Wiederverschaffung des Besitzes. Dem schloß sich das RG 2 1 wenig Zeit später für einen Fall an, wo die Ehefrau den Besitz des Ehemanns gestört hatte. Auch das ehemännliche Verwaltungs- und Nutznießungsrecht sei deliktsrechtlich geschützt, weil es von jedermann anerkannt und geachtet werden müsse. In einem Urteil aus dem Jahre 1954 schloß sich der BGH der Rechtsprechung des RG hinsichtlich des deliktischen Schutzes des rechtmäßigen Besitzes an 22 . Ein Arzt hatte im ersten Stock eines Hauses Räume gemietet, um dort seine Praxis zu betreiben. Im darunter liegenden Erdgeschoß wurden seitens einer anderen Mieterin bauliche Veränderungen vorgenommen. Durch den mit den Bauarbeiten verbundenen erheblichen Lärm konnte der klagende Arzt seine Praxis nur noch sehr eingeschränkt ausüben. Er begehrte somit Ersatz des ihm dadurch entstandenen Verdienstausfalls, also der entgangenen Nutzungen. Der BGH gab der Klage unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des RG statt, daß der Besitz, insbesondere der eines Mieters zu den in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechten gehöre. Mit der Übergabe der Mietsache bestünden nicht mehr nur Rechte und Pflichten zwischen den Parteien des Mietvertrages, sondern jedermann habe das durch den Besitz erkennbare Mietrecht zu achten. Besitz und Besitzrecht waren hier somit Basis des Deliktsschutzes für Nutzungsentgang.

Ähnlich war der Sachverhalt einer späteren Entscheidung des OLG Bamberg23. Hier hatte die Klägerin in gemieteten Räumen ein Modegeschäft betrieben. Wegen gefährlicher Bauarbeiten, die ohne ausreichende Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wurden, erließ die zuständige Behörde eine Sperrung des Anwesens, zu dem auch das Geschäft der Klägerin gehörte. Diese verlangte nun Schadensersatz in Höhe der aufgrund der Sperre entgangenen Nutzungen von dem für den Bau Verantwortlichen. Das Gericht gab der Klage statt mit der Begründung, daß der Besitz 18 Das Gericht verweist hier auf die Entscheidung in RGZ 59, 326 ff. 19 Urteil vom 27. 04. 1917 in Das Recht 1917, Nr. 1277. 20 Wie schon im Jahre 1903 das OLG Hamburg in OLG 7, 404 ff. 21 Urteil vom 05. 01. 1922 in Warn. Rspr. 1922, Nr. 41. 22 Urteil des BGH vom 14. 04. 1954 in JZ 1954, 613 ff. 23 Urteil des OLG Bamberg vom 23. 11.1970 in OLG 1971, 349 ff.

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im Sinne der §§ 854 ff. BGB ein sonstiges Recht darstelle24. Dies gelte insbesondere für das Recht des Mieters; mit der Übergabe entwachse das Recht des Mieters dem reinen Schuldrecht, jedermann habe das durch den Besitz erkennbare Mietrecht zu achten. Die weiteren Entscheidungen stehen nunmehr unter der Prämisse, daß der aufgrund eines obligatorischen Rechts eingeräumte Besitz nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. In Frage stand nun in erster Linie, welcher Art der Schadensersatz im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB ist und welchen Umfang er hat. In den bisher dargestellten Urteilen wurde überwiegend eine Entschädigung dafür verlangt, daß der jeweilige Gegenstand nicht vertragsgemäß genutzt werden konnte. In den erläuterten Fällen, in denen dem Besitzer jeweils ein Recht zum Besitz und zum Gebrauch zustand, wurde die Ersatzfähigkeit des Nutzungsausfalls problemlos bejaht. Nun ging es häufiger um die Ersatzfähigkeit von anderen Schäden. 1980 etwa erging erstmals eine Entscheidung des BGH zu der Ersatzfähigkeit des Haftungsschadens25. Der bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherte Erstbeklagte beschädigte mit seinem Pkw den am Straßenrand geparkten Wagen des Klägers und beging Unfallflucht. Der Kläger nahm mit seinem privat gemieteten Wagen die Verfolgung auf, woraufhin er durch unsachgemäßes Fahrverhalten des Unfallflüchtigen seinen Mietwagen beschädigte. Die Vermieterin des Wagens des Klägers nahm den Kläger daraufhin gerichtlich wegen der Beschädigung in Anspruch und hatte aufgrund der vertraglichen Abwälzung der Sachgefahr auf den Mieter Erfolg. Der Kläger verlangte nunmehr von den Beklagten die Erstattung des der Vermieterin gezahlten Betrages sowie der im Vorprozeß entstandenen Anwaltskosten. Der BGH führte aus, daß dem Kläger aufgrund seines (rechtmäßigen) Besitzes Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 1 BGB sowie hier § 7 StVG zustünden. Die Ersatzpflicht des Schädigers könne sich auch auf den sogenannten Haftungsschaden erstrecken. 26 Der BGH verwies die Klage im Ergebnis aber an das Berufungsgericht zurück, um ein etwaiges Mitverschulden des Klägers sowie die grundsätzliche Ersatzfähigkeit der Anwaltskosten erneut zu prüfen.

Der BGH hatte ferner über einige Fälle zu entscheiden, wo das Leasinggut, meistens ein PKW, durch Verschulden eines Dritten zerstört wurde 27. Nunmehr war fraglich, ob der Leasingnehmer den Schaden vom Dritten ersetzt verlangen konnte, der ihm aufgrund seiner in AGBen des Leasingvertrages festgelegten Einstandspflicht gegenüber dem Leasinggeber entstanden war. Der BGH führte aus, daß ein Schaden, der dem Leasingnehmer als berechtigtem unmittelbaren Besitzer durch ein nicht verschuldetes Schadensereignis entstehe, jedenfalls nicht daran scheitere, daß es sich etwa um einen nicht von § 823 Abs. 1 BGB gedeckten ,/einen Vermögensschaden" handele. Vielmehr stelle dieser Schaden einen Folgeschaden dar, dessen Zurechnung zu der Rechtsgutverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB 24 OLG Bamberg, OLG 1971, 349, 350. 25 BGH NJW 1981, 750 ff. 26 BGH NJW 1981, 750, 751. Ähnlich bereits BGHZ 61, 346, 347 = VersR 1974, 90; BGH VersR 1976, 943, 944. 27 BGH VersR 1976,943 ff.; W M 1976, 1133 ff. = L M 1978, § 249 (Bb), Nr. 23.

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dessen vermögensrechtliche Natur nicht hindere. Dem stehe grundsätzlich auch nicht entgegen, daß sich die Ersatzpflicht des Besitzers erst durch die vertragliche Sonderverbindung ergeben habe, der der Besitzüberlassung zugrunde gelegen habe 2 8 . Mithin sei ein solcher Haftungsschaden generell ersatzfähig 29 . Dann ging es häufig um den Substanzschaden. Bedeutsam ist dafür eine Entscheidung aus dem Jahr 1985. 3 0 Hier hatte die Klägerin eine Uferwand aus Spundbohlen in einen Binnenhafen gebaut, welcher im Eigentum der Stadt als Auftraggeberin lag. Während der Bauarbeiten geriet ein Schiff bei der Einfahrt in den Hafen an die Bohlen und beschädigte diese. Die Klägerin beseitigte auf eigene Kosten die Schäden und begehrte Ersatz ihrer Aufwendungen von dem Schiffseigner. Die in den Hafen fest eingerammten Spundbohlen befanden sich, wie der BGH feststellte, von Anfang an gemäß §§ 94, 946 BGB im Eigentum der Stadt, weil sie auf Dauer und nicht in der Absicht, sie nur zu einem vorübergehenden Zweck in dem Hafengrund zu verankern, angebracht worden seien. Daß die Uferwand seitens der Stadt noch nicht im Sinne des § 640 BGB abgenommen worden sei, habe nichts mit den Eigentumsverhältnissen zu tun. 31 Daher könne die Klägerin nicht einen Anspruch aus Eigentumsverletzung herleiten, sondern müsse sich auf eine Besitzverletzung stützen. Die klagende Werkunternehmerin sei gemäß § 644 BGB bis zur Abnahme gemäß § 640 BGB zur ordnungsgemäßen Herstellung des Werkes verpflichtet gewesen und trage daher auch die Gefahr der Beschädigung durch Dritte, da sie das Werk auf eigene Kosten wieder herstellen müsse. Daher resultiere hier aus dem Besitz an der Uferwand eine Verantwortung für die Sachsubstanz. Diese Lage rechtfertige es, dem Kläger den Ersatz der Wiederherstellungskosten zu gewähren. Es handele sich hier um einen Folgeschaden, welcher dem Haftungsschaden des Mieters oder Leasingnehmers - aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der Gefahrtragung mit dem Vermieter oder Leasinggeber - ähnele. Im Unterschied zu diesem gehe es jedoch hier nicht um eine Haftung, sondern der Schaden werde durch den Umfang der Erfüllungspflicht des besitzenden Werkunternehmers gegenüber dem Besteller bestimmt. Es gehe also um einen Folgeschaden, welcher trotz seiner vermögensrechtlichen Natur der Rechtsgutsverletzung dem § 823 Abs. 1 BGB zuzurechnen sei. Mithin gewährte der BGH hier einem berechtigten Besitzer den Ersatz für eine Substanzbeeinträchtigung, die sonst nur der Eigentümer beanspruchen kann. Ebenfalls bejaht wurde die Ersatzfahigkeit eines Substanzschadens vom O L G Frankfurt in einem ähnlichen Fall 3 2 . Hier hatte die beklagte Stadt den Klägern eine Teilfläche am Rand einer öffentlichen Straße überlassen, damit diese den Betrieb einer Brückenwaage zum Wiegen landwirtschaftlich genutzter Fahrzeuge betreiben konnten. Dadurch, daß es die Stadt trotz einer diesbezüglichen Garantenstellung unterließ, die Brückenwaage ausreichend abzusichern, wurde die Waage im Zuge steigender Verkehrsbelastung durch den rollenden Verkehr ständig 28 BGH VersR 1976, 943, 944. 29 BGH W M 1976, 1133, 1134 = L M 1978, § 249 (Bb), Nr. 23; VersR 1981, 161, 162; BGHZ 116, 22,24 ff. 30 Urteil des BGH vom 09. 04. 1984 in NJW 1984,2569 f. 31 BGH NJW 1984, 2569, 2570. 32 Urteil des OLG Frankfurt vom 24. 06. 1993 in NJW-RR 1994, 23 f.

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mitbenutzt und im Laufe der Zeit beschädigt. Die Kläger reparierten den Schaden auf eigene Kosten. Zunächst wurde ein Anspruch auf Entschädigung für die Einbußen bejaht, die infolge der Störung der Gebrauchsmöglichkeit entstanden, vom Gericht als ,/einer Besitzschaden" bezeichnet. Dies wurde jedoch als nicht ausreichend erachtet. Entsprechend dem Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB könne der Anspruch aus einer Besitzverletzung auch auf den Ersatz des Substanzwertes gehen. Dies bestimme sich „nach der Eigenart des Besitzgegenstandes und der Beziehungen der Beteiligten zu ihm" 3 3 . Der Ersatz des reinen Nutzungsschadens umfasse nicht hinreichend die konkreten Verletzungsfolgen, da es um eine dauerhafte Nutzung an der Brückenwaage gegangen sei. Weiterhin liege es auf der Hand, daß in erster Linie die Kläger die Reparatur zu veranlassen hätten, daher könne nach § 249 S. 1 BGB der Zustand, der ohne das zum Ersatz verpflichtende Ereignis bestehen würde, nämlich die Möglichkeit des weiteren Gebrauchs der Waage, nur dadurch erreicht werden, daß die Kläger die Reparatur durchführten und diese Aufwendungen dann auch ersetzt bekämen.

i n . Die Konstellationen mit einem Sonderrechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer ohne Gebrauchsrecht Im folgenden werden die Fälle dargestellt, bei denen der klagende Besitzer kein Recht auf den Gebrauch des Gegenstandes besaß. Diese Fälle weichen von den obigen Konstellationen hauptsächlich dadurch ab, daß aufgrund der fehlenden tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit sich das Klagebegehren nicht auf den Ersatz von entgangenen Nutzungen bezog. Im Sachverhalt einer älteren Entscheidung des OLG Hamburg von 1910 34 hatte ein Mieter ohne Wissen des Vermieters von ihm in die Mietwohnung eingebrachte Sachen entfernt, woraufhin der klagende Vermieter aufgrund seines ihm zustehenden Vermieterpfandrechts die Zurückschaffung der Sache forderte. Der Vermieter hatte demnach hier kein Nutzungsrecht an der Sache, sondern diese diente ihm nur als Sicherheit. Die Besonderheit des Falles bestand darin, daß hier der Eigentümer des Mobiliars zugleich auch unmittelbarer Besitzer war und der in seinen Rechten Verletzte nach den Ausführungen des Gericht als mittelbarer Besitzer eingestuft wurde. Das OLG führte aus, der „Pfandbesitz" des Vermieters gehöre zu den durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern. Daher müsse, da der Mieter fahrlässig gehandelt habe, der Zustand wiederhergestellt werden, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Mithin erstrecke sich der Anspruch auf die Rückführung der verschleppten Gegenstände. Diese Entscheidung ist allerdings nach heutiger Rechtsanschauung insofern unzutreffend, als der Vermieter keinen mittelbaren Besitz an den vom Mieter eingebrachten Sachen hat 35 , aber natürlich das Vermieterpfandrecht nach § 562 BGB selbst als 33 OLG Frankfurt NJW-RR 1994,23. 34 Urteil vom 07. 01. 1910 in OLG 20, 280.

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sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist 36 und durch verdeckte Entfernung gemäß § 562a S. 1 BGB auch nicht erlischt. Für die Herausgabe braucht aber nicht auf § 823 Abs. 1 BGB zurückgegriffen zu werden, da es einen Anspruch aus §§ 562,1257,1227,985 BGB gegen den unberechtigten Besitzer gibt.37 In einem anderen Fall 38 begehrte der wegebaupflichtige (braunschweigerische) Fiskus Schadensersatz für die Beschädigung öffentlicher Wege durch Kraftwagen des Beklagten. Das Gericht nahm an, daß der Fiskus Eigentümer der Straße sei, soweit sie sich in seinem (braunschweigischen) Staatsgebiet befinde und deren Besitzer aufgrund der ihm obliegenden Unterhaltspflicht sei, soweit sie sich im preußischen Staatsgebiet befinde. Bei Beschädigung der Straßenbaudecke innerhalb des preußischen Gebietes habe der Fiskus als Besitzer einen Anspruch gegen den Schädiger auf Schadensersatz, weil er als Träger der Straßenbaulast ausbesserungspflichtig sei. Folglich ging es in diesem Fall um einen Schaden, den der Besitzer aufgrund eines Sonderrechtsverhältnisses mit dem Eigentümer zu tragen hatte, also um einen Haftungsschaden. Das RG hatte über einen Sachverhalt zu befinden, wo ein Banklehrling aus dem Bankdepot eines Kunden Wertpapiere gestohlen und diese an eine andere Bank weiterveräußert hatte39. Da die andere Bank gutgläubig das Eigentum an den Papieren erlangt hatte, war ein Anspruch auf Herausgabe gegen die Beklagte ausgeschlossen. Eine Entschädigung durch Lieferung gleichwertiger Ersatzstücke wurde abgelehnt mit der Begründung, bei Unmöglichkeit der Herausgabe könne in sinngemäßer Anwendung von § 990 BGB nur das „Besitzinteresse" geltend gemacht werden. Das bedeute, daß nicht die Lieferung gleichwertiger Papiere gefordert werden könne. Was aber genau das Besitzinteresse umfassen sollte, wurde nicht erläutert, da es auf diese Frage für die Herausgabeklage bei der Entscheidung nicht ankam. Da auch kein Surrogat zugebilligt wurde, ist allerdings festzustellen, daß das RG den Substanzschaden demnach als nicht ersatzfähig ansah.

IV. Konstellationen ohne ein Sonderrechtsverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer im Zeitpunkt der Besitzstörung In den folgenden Fallkonstellationen bestand zwischen Eigentümer und Besitzer kein Vertrag und keine sonstige Sonderbeziehung, welche den Besitzer zum Besitz 35 Vgl. OLG-Frankfurt NJW-RR 1996, 585; MünchKomm/Voelskow, § 559 Rdnr. 5; Erman/Jendrek, § 559 Rdnr. 2. 36 Vgl. BGH W M 1965, 701, 704; Palandt/Weidenkaff, § 562 Rdnr. 3. 37 Zur Anwendbarkeit des § 1257 BGB auf das Vermieterpfandrecht siehe Erman/Jendrek, § 559 Rdnr. 2; MünchKomm/Voelskow, § 559 Rdnr. 5. 38 Urteil des OLG Braunschweig vom 04. 06. 1917 in OLG 34,100 f. 39 Urteil des RG vom 18. 09. 1929 in Warn. Rspr. 1929, Nr. 181.

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berechtigte. Der Besitzer hatte also kein Recht zum Besitz und somit auch kein Gebrauchsrecht an der Sache. Die ergangenen Entscheidungen behandelten daher nicht die Frage, inwieweit das obligatorische Recht in Verbindung mit der tatsächlichen Sachherrschaft ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen kann, sondern vielmehr die Frage, ob der Besitzer Schadensersatzansprüche geltend machen kann, obwohl er nicht aufgrund einer sonderrechtlichen Beziehung zum Eigentümer oder einer sonstwie bestehenden Befugnis zum Besitz berechtigt ist. Die zu dieser Thematik ergangenen Urteile beziehen sich ausschließlich auf Schäden durch Nutzungsentgang. Die erste Entscheidung hierzu stammt aus dem Jahre 192340. Die beklagte Vermieterin hatte dem Mieter wirksam gekündigt. Dieser war jedoch der Meinung, die Kündigung sei unwirksam und blieb in den Mieträumen über den Kündigungszeitpunkt hinaus wohnen. Daraufhin sperrte die Vermieterin den Mieter aus der Wohnung aus, obwohl sie zumindest hätte wissen müssen, daß sie verpflichtet war, zunächst eine gerichtliche Entscheidung zu erwirken. Der Mieter klagte nun auf Entschädigung für die Besitzentziehung, weil er der Meinung war, bis zu diesem Zeitpunkt bestehe der Mietvertrag fort. Das Gericht sah das Vorenthalten des Mietraumes als eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB und das Verhalten der Beklagten als schuldhaft an. Aus der Entscheidung läßt sich jedoch weder die Anspruchsgrundlage noch die Art des Schadens entnehmen. Die Besonderheit dieser Entscheidung liegt demnach darin, daß einem unberechtigten Besitzer aufgrund der Entziehung des bloßen Besitzes ein Schadensersatzanspruch gewährt wurde. Der Besitzer war jedoch eventuell gutgläubig. Das RG hatte in den Nachkriegsjahren nach dem Ersten Weltkrieg über einen Fall 41 zu entscheiden, bei dem der Staat als Beklagter der Klägerin, einer Beamtenwitwe, nach dem Tode ihres Ehemannes die unentgeltliche Weiterbenutzung der Dienstwohnung gestattet hatte, aber der Beklagte nach einiger Zeit eigenmächtig die Wohnung räumen ließ. Das Gericht stellte fest, daß der Beklagte wegen der ihm gemäß § 721 ZPO bewilligten Räumungsfrist keinen Anspruch auf sofortige Räumung der Wohnung gehabt hatte. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen oder wenn er hinsichtlich eines solchen Rechts gutgläubig gewesen sei, sei er nicht befugt gewesen, dies im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen. Tue er dies doch, so mache er sich sowohl aus § 823 Abs. 1 BGB als auch gemäß §§ 823 Abs. 2 i. V. mit 858 BGB schadensersatzpflichtig. Dieser Ersatz umfasse auch die infolge des Wohnungswechsels entstandenen Auslagen. Mithin vertrat das Gericht hier die Ansicht, daß selbst bei fehlender Nutzungsbefugnis der Besitzer einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen könne. Ein weiterer Fall wurde vom BGH 1976 entschieden42. Hier hatte der Kläger ein Auto unter Eigentumsvorbehalt gekauft, die vertraglichen Ratenzahlungen jedoch 40 Urteil des OLG Hamburg vom 26. 06. 1923 in OLG 43, 209 f. 41 Urteü vom 01. 07. 1921 in JW 1921, 1362. 42 Urteil vom 09. 03. 1976 in W M 1976,583 ff. 3 Konnertz

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nach einiger Zeit eingestellt, weil erhebliche Mängel erkennbar wurden, welche der Kläger auf eigene Kosten beseitigen ließ. Daraufhin ließ die beklagte Verkäuferin des Wagens diesen ohne Willen des Käufers wieder abholen. Nunmehr verlangte der Käufer Schadensersatz in Form von entgangenen Nutzungen für die Zeit, in der die Beklagte ihm den Besitz an dem Wagen vorenthielt. Das Gericht nahm an, daß der Kläger ein Recht zum Besitz aufgrund seines durch die teilweise Zahlung der Raten entstandenen Anwartschaftsrechts sowie durch seine Stellung als Käufer innehatte. Grundlage eines zu gewährenden Schadensersatzanspruchs gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Nutzungsentgangs sei der unmittelbare berechtigte Besitz wie auch das Anwartschaftsrecht 43, daneben komme ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 858 BGB in Betracht. Obwohl das Gericht aufgrund des vorliegenden Sachverhalts nur über den Anspruch des berechtigten Besitzers zu befinden hatte, führte es dennoch in einem obiter dictum aus, wie bei einem Besitzer ohne Besitzrecht zu entscheiden wäre. Bei der Forderung einer Entschädigung für die Beeinträchtigung der Möglichkeit, die Sache zu gebrauchen, spreche vieles für die Annahme, daß der Besitzer jedenfalls für diesen Schaden Ersatz nur fordern könne, wenn ihm ein Recht zur Nutzung auch tatsächlich zugestanden habe. Weiterhin unterliege es „besonders großen Zweifeln", ob der nichtberechtigte Besitzer vom Nutzungsberechtigten, d. h. hier vom Eigentümer, Ersatz aufgrund Nutzungsentgangs fordern könne. In einem weiteren vom BGH 1979 entschiedenen Fall 44 ging es darum, daß der Kläger ein Pferd des Beklagten zwecks Überprüfung auf Tauglichkeit und Wert im Besitz hatte, welches dann, nachdem sich die Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien zerschlagen hatten, dem Kläger durch verbotene Eigenmacht des Beklagten wieder genommen wurde. Der Kläger verlangte neben der Herausgabe des Tieres Nutzungsausfall. Der BGH stellte fest, daß der Kläger im Zeitpunkt der Ausübung der verbotenen Eigenmacht kein Recht zum Besitz mehr hatte, weil der Beklagte spätestens dann, als sich aus seiner Sicht die Vertragsverhandlungen zerschlagen hatte, einseitig die Befugnis des Klägers zum Ausprobieren des Pferdes und damit das Recht zum Besitz beenden konnte und dies durch die Abholung des Pferdes auch getan hatte. Das Gericht lehnte einen Anspruch auf Ersatz entgangener Nutzungen aufgrund des eigenmächtigen Besitzentzugs ab. Der nicht zur Nutzung berechtigte Besitzer sei verpflichtet, die Nutzungen zu unterlassen und dem Berechtigten die Gebrauchsmöglichkeit einzuräumen. Dies gelte auch dann, wenn der Berechtigte dem Besitzer den Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen habe. Aus den Besitzschutzvorschriften gemäß §§ 858 ff. BGB lasse sich nichts Gegenteiliges herleiten, weil diese nur verhindern sollten, daß der Berechtigte den Zustand, auf den er Anspruch habe, nicht eigenmächtig herbeiführe. 45 Schadensersatz könne mithin weder aus § 823 Abs. 1 BGB noch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm 43 Siehe zu der Frage, ob das Anwartschaftsrecht ein „sonstiges Recht" i. S. des § 823 Abs. 1 BGB darstellt in Kapitel 3 A. 44 Urteil vom 21. 02.1979 in BGHZ 73, 355 ff. 45 BGHZ 73, 355, 362.

B. Rechtsprechungsübersicht

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§ 858 BGB, welches ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstelle, erlangt werden. In einem weiteren BGH-Fall 46 stand der klagenden Vermieterin von Gewerberaum nach wirksamer fristloser Kündigung des Hauptmietvertrages ein Herausgabeanspruch gegen den sich noch in den Räumen befindenden Untermieter gemäß §§ 556 Abs. 3 4 7 , 985 BGB zu. Da eine Herausgabe nicht erfolgte, brachte sich die Vermieterin mittels verbotener Eigenmacht in den Besitz des Gewerberaumes. Die Vermieterin machte Ersatz für ihren Nutzungsausfall am Gewerberaum geltend. Der Kläger hingegen rechnete gegen die Klageforderung mit dem Anspruch auf, der sich seinerseits hinsichtlich entgangener Nutzungen aufgrund der verbotenen Eigenmacht der Klägerin ergebe. Der BGH entschied, daß der Mieter Nutzungsentgang nicht ersetzt verlangen könne, wenn er infolge der Kündigung zum nichtberechtigten Besitzer geworden sei, selbst dann, wenn der Vermieter verbotene Eigenmacht verübt habe. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Mietsache gemäß § 556 BGB a.F. zurückzugeben gewesen sei, gebe es keinen ersatzfähigen Nutzungsausfallschaden mehr. Aus der Sanktion des § 557 BGB a.F. folge, daß das Gesetz den unberechtigten Besitz und die unbefugte Nutzung der Mietsache mißbillige. Deshalb wäre es „geradezu widersprüchlich", wenn der berechtigte Vermieter dem unberechtigten Besitzer einen Ausgleich für den Entgang der Gebrauchsmöglichkeit zahlen müßte 4 8 Auch den §§ 987 ff. BGB könne kein Nutzungsrecht des unbefugten Besitzers entnommen werden, denn der Umstand, daß dem redlichen unberechtigten Besitzer Nutzungen, die er bereits gezogen habe, belassen werden, bedeute nicht, daß er einen Anspruch auf diese habe und bei deren Beeinträchtigung von dem Eigentümer eine Entschädigung verlangen könne. Allerdings bedürfe es hier einer abschließenden Klärung dieser Frage nicht, da der Mieter hier spätestens bei Eingang der Kündigungserklärung bösgläubig gewesen sei 49 , so daß die §§ 987 ff. BGB nicht zur Anwendung gelangten. In diesem Urteil wurde demnach dem bösgläubigen unrechtmäßigen Besitzer Schadensersatz für die Beeinträchtigung der Gebrauchsmöglichkeit aufgrund der Ausübung von verbotener Eigenmacht nicht gewährt, wobei Anspruchsgegner der zur Ziehung der Nutzungen berechtigte Eigentümer war. 50

46 Urteil vom 21. Ol. 1981 in BGHZ 79, 232 ff. 47 Heute § 546 Abs. 2 BGB. 48 BGHZ 79, 232, 238. 49 Vgl. BGHZ 79,232,238. 50 Obwohl der geltend gemachte Schaden bereits vor der Rechtskraft des Urteils auf Räumung entstanden war, führte der BGH dennoch aus, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn dem Kläger eine Räumungsfrist gemäß § 765 a ZPO (eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO kam nicht in Betracht, weil nicht auf Räumung von Wohnraum erkannt werde) zugebilligt worden wäre. Da § 765 a ZPO nur die Zwangsvollstreckung hinausschiebe, sei hieraus kein materielles Besitzrecht und erst recht keine Nutzungsbefugnis hinsichtlich des herauszugebenden Raumes herzuleiten, BGHZ 79, 232,238 f. 3*

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers In einem vom BGH 1991 entschiedenen Fall 5 1 machte die Klägerin gegen ein Kreditinstitut Schadensersatz aufgrund der Vereitelung der Zwangsvollstreckung aus einem Herausgabetitel geltend. Die mit der Beschallung eines Musikfestivals betraute Klägerin hatte eine Transportfirma beauftragt, eine Musikanlage zum Veranstaltungsort zu bringen. Die angewiesene Firma brachte nach Beendigung der Veranstaltung die Musikanlage durch verbotene Eigenmacht in ihren Besitz und schloß mit dem hier beklagten Kreditinstitut einen Sicherungsübereignungsvertrag zur Absicherung von Krediten über die Anlage. Nach Erhebung der Herausgabeklage gegen die Transportfirma übertrug diese der Beklagten den unmittelbaren Besitz. Hierauf erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung, nach deren Zustellung die Beklagte das Eigentum an der Anlage wieder der Transportfirma zurückübertrug. Nun begehrte die Klägerin von der beklagten Bank wegen Vollstreckungsvereitelung Schadensersatz für die Vorenthaltung von Nutzungen. Das Gericht ging davon aus, daß die Beklagte ihr Sicherungseigentum und ihr Recht zum Besitz aus der Rechtsstellung der Transportfirma ableitete. Ob die Klägerin oder die Transportfirma in dem hier betroffenen Zeitraum Eigentümerin war, war jedoch nicht festzustellen. In jedem Fall könne, falls die Transportfirma Eigentümerin der Anlage und die Klägerin dieser gegenüber somit zum Besitz nicht berechtigt gewesen sei, die Klägerin keinen Nutzungsersatz fordern. Dem stünden die Regeln der §§ 989, 993 BGB entgegen, die das Nutzungsinteresse dem Besitzer jedenfalls nicht für die Zeit zuwiesen, in dem der zum Besitz berechtigte Eigentümer die Sache in unmittelbarem Eigenbesitze hat.

Unter Verweis auf die beiden zuvor dargestellten Entscheidungen52 muß nach dem B G H diese Zuweisungsregelung auch bei der deliktischen Lastenverteilung beachtet werden. 53 Festzuhalten bleibt folglich, daß das Belassen der gezogenen Nutzungen beim unrechtmäßigen Besitzer gemäß den §§ 987 ff. BGB noch lange nicht bedeutet, daß nicht gezogene Gebrauchsvorteile nachträglich gewährt werden müssen. Ferner können demnach dem Besitzer nicht Nutzungen zugewiesen werden, die ihm noch nicht einmal nach §§ 989, 993 BGB gelassen werden. Wenn also der berechtigte Eigentümer die Sache in Eigenbesitz nimmt, wird dem unberechtigten Besitzer kein Nutzungsersatz gewährt. In den dargestellten Konstellationen war der unrechtmäßige Besitzer bis auf eine Ausnahme 54 der Meinung, ihm stehe ein Recht auf die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft aufgrund eines vertraglichen Schuldverhältnisses oder aufgrund der Stellung als Eigentümer 55 zu. Die meisten Urteile beziehen sich demnach auf einen Besitzer, der den Mangel seines Besitzrechts nicht kannte. Das R G 5 6 sowie das 51 Urteil vom 07. 05. 1991 in BGHZ 114, 305 ff. 52 BGHZ 73, 355, 362; 79, 232, 236 ff. 53 Weiterhin könnten sich nach dem BGH Ersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit §§ 858, 861 BGB ergeben, da, unter Verweis auf BGHZ 73, 355, 362 sowie BGHZ 79, 232, 237, die Norm des § 858 BGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstelle. Allerdings reichten ebenfalls hierzu die tatsächlichen Festzustellungen nicht aus, BGHZ 114, 305, 314. 54 BGHZ 79, 232 ff. 55 BGHZ 114, 305 ff. 56 RGJW21,1362.

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen

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OLG Hamburg57 gewährten einem eventuell gutgläubigen58 unrechtmäßigen Besitzer einen Ersatzanspruch. Die Rechtsprechung des BGH bestätigt dies aber nicht; durch die fehlende Erörterung einer eventuellen Gutgläubigkeit59 ist vielmehr davon auszugehen, daß der BGH diesem Merkmal keine Bedeutung beimißt. Wenn nunmehr einem gutgläubigen Besitzer schon Schadensersatzansprüche wegen Nutzungsentgangs verwehrt werden, gilt dies aber erst recht bei einem Besitzer, welcher in Bezug auf sein Besitzrecht bösgläubig ist 60 . Meist ging es also um Ersatzansprüche eines unrechtmäßigen Besitzers, dem die Sache mittels verbotener Eigenmacht durch den Nutzungsbefugten genommen wurde. In der Judikatur wurde dagegen nicht der Fall behandelt, bei dem ein Dritter und somit nicht Nutzungsbefugter den Besitz des unrechtmäßigen Besitzers beeinträchtigt. Lediglich ein obiter dictum des BGH 6 1 deutet darauf hin, daß auch bei Besitzbeeinträchtigung seitens eines Dritten dem bloßen faktischen Besitzer ohne Besitzrecht eine Entschädigung aufgrund entgangenen Gebrauchs nicht gewährt werden soll.

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen unter besonderer Berücksichtigung der Literatur Die Literatur erörtert die Frage des deliktischen Schutzes des Besitzers nicht unabhängig vom geltend gemachten Schaden, sondern regelmäßig im direkten Zusammenhang mit diesem. Anstelle einer allgemeinen Erörterung der Qualifikation der Rechtsposition eines berechtigten oder nicht berechtigten Besitzers als „sonstiges Recht" i. S. des § 823 Abs. 1 BGB werden somit die Schadensersatzansprüche in Verbindung mit dem geltend gemachten Schaden, so etwa mit der Einbuße aufgrund entgangener Nutzungen oder der durch das schädigende Ereignis entstandenen Einstandspflicht gegenüber dem Eigentümer, behandelt. Die Einbuße aufgrund eines vereitelten Wegnahme- oder Zurückbehaltungsrechts62, als auch der Ersitzungs-63, Substanz-64, Verwendungs-65 und Haftungs57 OLG Hamburg in OLG 43,209 f. 58 „Gutgläubig" im Sinne des § 990 S. 1 BGB ist jemand nicht, der bei bewußter Besitzergreifung den Mangel des Besitzrechts kennt oder grob fahrlässig nicht kennt, siehe Palandt/ Bassenge, § 990 Rdnr. 2 ff. 59 Vgl. etwa BGH W M 1976, 583 ff.; BGHZ 73, 355 ff.; 114, 305 ff.

60 So auch entschieden in BGHZ 79, 232 ff. BGH W M 1976, 583 ff. 62 Siehe Medicus, AcP 165 (1965), 115, 124; Wieser, JuS 1970, 557, 558, derselbe NJW 1971, 587; MünchKomm/Mertens, 1997, § 823 Rdnr. 151; Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 167. 63 Siehe v. Caemmerer, Festschrift deutscher Juristentag, S. 49, 83; Heck, Grundriß des Sachenrechts, § 14 Ziffer 8; Medicus, AcP 165 (1965), 115,125 f.; Wieser, JuS 1970,557,558.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

schaden66 des Besitzers wurden in der Literatur kaum systematisch untersucht. Eine lebhafte Diskussion ist seit Jahren allerdings darüber entbrannt, ob neben dem berechtigten Besitzer auch der nichtberechtigte Besitzer einen Schadensersatzanspruch gegen den Drittschädiger oder auch gegen den Eigentümer aufgrund der durch die Schädigung entgangenen Nutzungen geltend machen kann67. Zum besseren Verständnis der unübersichtlichen und bisher nicht nach Schadenspositionen geordneten Rechtsprechung wird nunmehr, soweit nötig, im Rahmen der Ersatzfähigkeit der einzelnen Schäden die Ansicht der Rechtsprechung wiederum kurz einbezogen.

I. Nutzungsschaden Hat jemand einen Gegenstand in unmittelbarem Besitz und steht ihm daher die tatsächliche Möglichkeit der Nutzung offen, so ist hier die Frage aufzuwerfen, ob bei Beeinträchtigung dieser Nutzungsmöglichkeit durch einen Dritten hierfür der Besitzer einen Ausgleich vom Dritten verlangen kann. Offenkundig ist dies bei einem zur Nutzung berechtigten Besitzer. Daß diesem bei Störung des Besitzes ein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsentgangs zusteht, ist wie in der Rechtsprechung auch in der Literatur 68 unbestritten. Unterschiedliche Auffassungen bestehen aber zu der Frage, ob dem unrechtmäßigen Besitzer ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch zustehen kann. Die Rechtsprechung hat sich, wie im 2. Kapitel unter B IV erläutert, hier uneinig gezeigt. Das RG 6 9 sowie das OLG Hamburg70 billigten einen Anspruch auf Ersatz 64 Siehe Baur/Stürner, Sachenrecht, § 9 V 1 c; Erman / Schiemann, § 823 Rdnr. 43; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607; MünchKomm/Wagner, § 823 Rdnr. 151; Staudinger/ Schäfer, 1986, § 823 Rdnr. 102; Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 167; Richter, NJW 1985, 1450, 1451 f.; Wieser, JuS 1970, 557, 558 f.; ohne Begründung Palandt/ Thomas, § 823 Rdnr. 13. 65 Siehe Medicus, AcP 165 (1965), 115, 123 f.; Staudinger/Schäfer, 1986, § 823 Rdnr. 100; Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 167; MünchKomm/Wagner, § 823 Rdnr. 151 153; Wieser, JuS 1970,557, 558; derselbe, NJW 1971, 597; Mincke, JZ 1984, 862, 866. 66 Siehe Medicus, AcP 165 (1965), 115, 122 f.; Wieser, Jus 1970, 557, 558; derselbe NJW 1971, 597; Dörner, VersR 1980, 1000, 1002 ff.; MünchKomm/Wagner, § 823 Rdnr. 151; Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 167; Palandt/ Thomas, § 823 Rdnr. 13; Hartl, Der Ersatzanspruch des Leasingnehmers, S. 156 f. 61

Siehe hierzu die folgenden Ausführungen. 68 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607; derselbe AcP 165, 115 ff.; derselbe SchuldR II, Rdnr. 809; Wieser, JuS 1970, 557 ff.; derselbe NJW 1971, 597 ff.; MünchKomm/Wagner, § 823 Rdnr. 152; Kollhosser, JuS 1992, 567, 572; Lopau, JuS 1980, 501, 505; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 9 I V 1 a; Pieper, Festschrift OLG Zweibrücken, S. 231, 255 f. 69 RGJW21,1362. 70 OLG Hamburg in OLG 43, 209 f.

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen

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des Nutzungsentgangs einem unrechtmäßigen Besitzer zu, der aber eventuell gutgläubig war; in den Entscheidungen des BGH findet sich hierfür aber keine Bestätigung71. Ausdrücklich verneint wurde lediglich der Schadensersatzanspruch eines bösgläubigen unrechtmäßigen Besitzers72. Weiterhin betreffen die Entscheidungen nur den Fall, daß der nutzungsberechtigte Eigentümer den Eingriff vorgenommen hat, lediglich ein obiter dictum des BGH 7 3 läßt erkennen, daß selbiges wohl auch bei der Schädigung durch einen unbeteiligten Dritten gelten soll. Da die Grundlage dieses Anspruchs die Norm des § 823 BGB, hier zunächst § 823 Abs. 1 BGB, darstellt, muß zur bestmöglichen Lösung dieses Konflikts bestimmt werden, ob der Besitz überhaupt der Tatbestandsvoraussetzung „sonstiges Recht" im Sinne des Abs. 1 unterfällt. Da diese Problemstellung mit der Frage der Ersatzfähigkeit des Nutzungsentgangs unmittelbar zusammenhängt, wird die Definition des „sonstigen Rechts" im folgenden gleichfalls behandelt.

1. Schutz des entgeltlichen redlichen und unverklagten Besitzers Ein Großteil der Lehre differenziert nach der Art des unrechtmäßigen Besitzes und orientiert sich wie die Rechtsprechung an der Wertung anderer gesetzlicher Vorschriften. Ein Teil der Lehre 74 will den unrechtmäßigen Besitzer dann schützen, wenn dieser den Besitz entgeltlich erlangt hat sowie gutgläubig und unverklagt ist. Medicus stellt darauf ab, daß das „sonstige Recht" gedanklich mit dem davor in § 823 Abs. 1 BGB genannten Eigentum in Zusammenhang steht, so daß es mit diesem eine Ähnlichkeit aufweisen müsse.75 Das Eigentum besitze neben der Ausschlußfunktion auch eine positive Seite, nämlich i. S. des § 903 BGB die Nutzungsfunktion. Der Besitz als solcher weise zwar ebenfalls die Ausschlußfunktion durch die Regelungen in §§ 861 f. BGB auf, jedoch keine Nutzungsfunktion. Diese trete erst hinzu, sobald zu dem bloßen Besitz spezielle Befugnisse hinzukämen.76 Das sei immer der Fall beim rechtmäßigem Besitz. Somit ist nach Medicus der rechtmäßige Besitz dem Eigentum vergleichbar und unterfällt daher dem Anwendungsbereich des § 823 Abs. 1 BGB. Neben dem rechtmäßigen Besitz könne je71

So wurde nicht etwa geprüft, ob der Besitzer eventuell gutgläubig gewesen sei. Daraus ist zu schließen, daß der BGH diesem Merkmal keine Bedeutung zumißt. Vgl. etwa BGH W M 1976, 583 ff.; BGHZ 73, 355 ff.; 114, 305 ff. 72 BGHZ 73, 355 ff.; 79,232 ff. 73 BGH W M 1976, 583 ff. 74 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607; derselbe AcP 165, 115 ff.; derselbe SchuldR II, Rdnr. 809; Pieper, Festschrift OLG Zweibrücken, S. 231, 244 f., 255 f.; Kollhosser, JuS 1992, 567, 572. 75 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607. 76 Vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607; derselbe AcP 165,115, 117.

Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

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doch auch dem unrechtmäßigen Besitz unter bestimmten Voraussetzungen eine schützenswerte positive Befugnis zukommen.77 Hierzu zieht Medicus die Wertung anderer gesetzlicher Vorschriften heran. Er geht von der Grundthese aus, daß nur der in erlaubter Weise zu ziehende Vorteil ersatzfähig sei, aus rechtswidrigen Handlungen dürfe kein Vorteil gezogen werden.78 Der unberechtigte redliche Besitzer erwerbe nach § 955 BGB die Sachfrüchte zu Eigentum. Sei der redliche Besitzer unverklagt (§ 987 BGB) und habe er den Besitz weder deliktisch (§ 992 BGB) noch unentgeltlich (§ 988 BGB) erlangt, könne er weiterhin nach § 993 Abs. 1 erster Halbsatz BGB die einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entsprechenden Früchte und sonstigen Nutzungen endgültig behalten. Diese Wertung sei auf den deliktischen Schadenersatzanspruch eines unberechtigten unverklagten oder entgeltlichen Besitzers zu übertragen. Dies gelte im Verhältnis zum schädigenden Dritten wie auch zum Eigentümer, weil es keinen Anlaß gebe, letzteren besserzustellen.79 Dem redlichen, entgeltlichen und unverklagten Besitz komme somit eine positive Befugnis zu, die eine Ähnlichkeit zu dem in § 823 Abs. 1 BGB aufgeführten Eigentum begründe. Medicus weist ferner darauf hin, daß der schadensrechtliche Schutz des redlich erworbenen Besitzes überdies aus der Verweisung des § 1007 Abs. 3 Satz 2 BGB auf die §§ 989, 990 BGB folge, ohne hierauf jedoch näher einzugehen.80 Anders sei es indes bei einem verklagten, unentgeltlichen oder deliktischen Besitzer. Dieser erwerbe zwar ebenfalls für die Zeit seiner Redlichkeit nach § 955 BGB Eigentum an den Früchten, müsse diese jedoch gemäß §§ 987, 988, 992, 823, 249 BGB dem an der Muttersache Berechtigten übereignen. Daher sei diese dingliche Zuordnung nur provisorisch81. Aufgrund dieser rechtlichen Wertungen müsse gegenüber dem an der Muttersache Berechtigten im Umfang der Übereignungspflicht ein ersatzfähiger Schaden wegen des Grundsatzes „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" verneint werden. Dies gelte zumindest im Verhältnis zum Eigentümer, jedoch sei dieses Ergebnis auch auf die Konstellation zu übertragen, bei der ein Dritter die Schädigung begangen habe. Zu diesem Ergebnis kommt ebenfalls Pieper* 2, der dem nichtberechtigten Besitzer generell einen Schadensersatzanspruch zubilligt, jedoch eingeschränkt durch den Grundsatz von Treu und Glauben. So könne kein Ersatz erlangt werden, wenn der Besitzer die Nutzungen gemäß §§ 987 ff. BGB hätte herausgeben müssen oder wenn die Besitzposition durch unerlaubte Handlung oder in sittenwidriger Weise 77

Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607. » AcP 165 (1965), 115, 120. 7 9 Medicus, AcP 165 (1965), 115, 134; Bürgerliches Recht, Rdnr. 607 sowie SchuldR II, Rdnr. 809. 7

so Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607. 81 Wobei der unentgeltliche Besitzer durch § 818 Abs. 3 BGB, auf den § 988 BGB verweist, begünstigt wird. 82 Pieper, Festschrift OLG Zweibrücken, S. 232, 244 f.

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen

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erlangt worden sei. Diese Aufzählung sei jedoch nicht abschließend, in jedem Falle rechtfertige es allein das nachträgliche Entfallen des Rechts zum Besitz an sich nicht, den Anspruch auf Ersatz eines Nutzungsschadens auszuschließen. Zwar sei dann die nun günstige Vermögenslage des Besitzers auf eine Vertragsverletzung zurückzuführen. Die Rechtsordnung gewähre dem Besitz aber unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit deliktischen Schutz, weil ansonsten die durch §§ 858, 863 BGB erkennbare Würdigung der Interessen sowie der Sanktions- und Präventionszweck des possessorischen Schutzes nicht beachtet würden.83 Zu demselben Ergebnis kommt weiterhin Kollhosser M. Der Besitz sei als „sonstiges Recht" nur dem Eigentum gleichzustellen, wenn ihm eine Ausschluß- und Nutzungsfunktion zukomme. Die Ausschlußfunktion ergebe sich aus den Vorschriften der §§ 858 ff. BGB; da die possessorischen Besitzschutzansprüche verbotene Eigenmacht und somit i. S. des § 858 Abs. 1 BGB widerrechtliches Handeln voraussetzen, bedeute die Möglichkeit, wegen Beeinträchtigung des Besitzes als solchen Ansprüche gemäß den §§ 858 ff. BGB geltend machen zu können, auch zugleich die Möglichkeit, einen Anspruch auf Schadensersatz geltend zu machen. Die Nutzungsfunktion ergebe sich indes aus der Wertung der §§ 987 ff. BGB. Kollhosser will also ebenfalls den redlichen entgeltlichen und unverklagten Besitzer über § 823 Abs. 1 BGB schützen.

2. Schutz jedes Besitzers, außer bei deliktisch erlangtem Besitz Auch Honseil 85 legt die These zugrunde, daß sich bei der Schadensberechnung niemand auf sein eigenes verbotswidriges Verhalten berufen dürfe. Allerdings sei die Annahme unzutreffend, die Pflicht des Nichtberechtigten zur Herausgabe von Nutzungen, die aus den §§ 987 ff. BGB resultiere, impliziere ein Nutzungsverbot. Vielmehr gingen die §§ 987 ff. BGB gerade davon aus, daß der nichtberechtigte Besitzer die Sache zumindest vorläufig nutze. Es komme somit nicht auf die endgültige Zuweisung der Nutzungen an, sondern auf die Frage, ob sich der Besitzer bei dem Gebrauch der Sache verbotswidrig verhalte. Und dies sei eben selbst bei Unredlichkeit, Unentgeltlichkeit und Rechtshängigkeit nicht gegeben. Vielmehr sei die Nutzung einer Sache auch etwas volkswirtschaftlich Sinnvolles, womit aus den §§ 987 ff. BGB kein Nutzungsverbot zu Lasten des nichtberechtigten Besitzers zu ersehen sei. Somit sei auch der unredliche und verklagte Besitzer, der den Besitz entgeltlich erlangt habe, deliktsrechtlich zu schützen. Honseil trennt somit zwischen der Frage der Ziehung der Nutzungen und deren endgültiger Zuweisung. So billigt er den genannten Besitzern diese Vorteile zu, indem er einen Schadensersatzanspruch bejaht. Allerdings beläßt er dem Besitzer diese nun nicht auf Dauer, 83 Pieper, Festschrift OLG Zweibrücken, S. 232,256. w Kollhosser, JuS 1992, 567,572. 85 Honsell,JZ 1983, 531, 534.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

sondern verlangt eine Anrechnung von Haftungsvorteilen innerhalb des Ersatzanspruchs gegen den Schädiger. So sei der unrechtmäßige Besitzer für den Zeitraum der Besitzentziehung durch den Eigentümer von dessen Anspruch auf Nutzungsherausgabe gemäß §§ 987 ff. BGB befreit, so daß ihm der Wert der Nutzungen, die er aufgrund des Eingreifens des Eigentümers nicht herausgeben müsse, von seinem Schadensersatzanspruch gegen diesen abzuziehen sei. Ebenfalls einen Abzugsposten stelle es zum Beispiel dar, wenn der Besitzer wegen Verzugs schadensersatzpflichtig sei. Mithin stehe dem nichtberechtigten Besitzer ein Schadensersatzanspruch aus Delikt zwar zu, jedoch lediglich auf den Betrag, welcher ihm nach Abzug der Haftungsvorteile verbleibe. Dasselbe gelte auch, wenn ein Dritter die Schädigung vornehme. Falls der Besitzer nun aufgrund des durch den Dritten entzogenen Besitzes dem Berechtigten für die Zeit der Besitzstörung nicht zur Nutzungsherausgabe verpflichtet sei, müsse ihm auch dies angerechnet werden. Zu verneinen sei ein Schadensersatzanspruch des Besitzers wegen Nutzungsentgangs jedoch von Anfang an dann, wenn der Besitz deliktisch erlangt worden sei, weil sich der Besitzer hier auch wegen des weiteren Gebrauchs dem Vorwurf einer unerlaubten Handlung gemäß §§ 992, 823 BGB aussetze86. 3. Schutz jedes unrechtmäßigen Besitzers im Verhältnis zu Dritten Lopau87 will zumindest im Verhältnis zu Dritten jeden Besitzer schützen, also auch den, der den Besitz durch Delikt erlangt hat. So sei kein Grund für eine Privilegierung etwa des Diebes, der den Dieb bestiehlt, ersichtlich. Der bestohlene Dieb sei dem Eigentümer zum vollen Schadensersatz verpflichtet, auch für die Zeit, in der er die Nutzungen infolge des weiteren Diebstahls habe gar nicht mehr ziehen können.88 Weiterhin genieße der bestohlene Dieb immerhin den Besitzschutz nach §§ 861, 862 BGB. Daß § 861 BGB lediglich einen Herausgabeanspruch gewähre, besage nichts darüber, ob nicht aus anderen Rechtsgründen ein Schadensersatzanspruch gegeben sei. Auf dieser Grundlage spricht sich Lopau dafür aus, jedem unrechtmäßigen Besitzer den Schutz des § 823 BGB zu gewähren. 4. Kein Schutz des unrechtmäßigen Besitzers Ein Teil der Lehre ist der Auffassung, daß ausschließlich der rechtmäßige Besitz von § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. 89 Hinsichtlich des Nutzungsentgangs vertritt 86 Honsell,JZ 1983, 531, 535. 87 Lopau, JuS 1980, 501, 506. 88 Zu diesem Ergebnis würde man nur dann nicht kommen, wenn man einen Schadensersatzanspruch an der adäquaten Kausalität scheitern lassen würde, was jedoch nach der Wertung des (zwar nicht unmittelbar anwendbaren) § 848 BGB nicht vertretbar erscheine, Lopau, a. a. O.

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen

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insbesondere Wieser 90 die Ansicht, daß der unrechtmäßige Besitzer niemals einen derartigen Schaden geltend machen könne. Zwar habe selbst der bösgläubige Besitzer das Recht, sich gewaltsam verbotener Eigenmacht zu erwehren. Das Gesetz habe jedoch dem Besitzer das Gewaltrecht nicht zu dem Zwecke eingeräumt, die Sache zu nutzen, bis sie ihm im Wege der Zwangsvollstreckung wieder weggenommen werde. Vielmehr verbiete die Rechtsordnung die Nutzung, weil sie sonst mit sich in Widerspruch geraten würde. Daher könne von der Existenz des Gewaltrechts nicht auf einen Schadensersatzanspruch geschlossen werden. Auch wenn der entgeltliche, redliche und unverklagte Besitzer gemäß §§ 987 ff. BGB gezogene Nutzungen nicht herauszugeben brauche, sei er doch dem Eigentümer gemäß §§ 903, 1004 BGB gegenüber verpflichtet, die Nutzungen zu unterlassen. Daß eine etwaige Einbuße des Besitzers von der Rechtsordnung akzeptiert werde, zeige die Tatsache, daß dem Besitzer gegen den Eigentümer nicht etwa ein Schadensersatzanspruch gewährt werde. 91 Es könne weiterhin nicht gerecht sein, wenn ein Besitzer, der sich rechtmäßig verhalte und eine Nutzung unterlasse, den Schaden selbst tragen müsse, wobei ein sich rechtswidrig verhaltender Besitzer, der die Nutzungen fortsetze, den Nutzungsschaden ersetzt verlangen könne. Wieser meint, daß der BGH der gleichen Ansicht sei, wenn er sage, der Besitzer müsse zwar nicht direkt die Entziehung des Besitzes, wohl aber dessen Verlust als Ergebnis der Entziehung hinnehmen.92 Die Rechtsordnung verbiete die Nutzung in den genannten Fällen, daher sei es eine Diskrepanz, wenn sie dem Besitzer zu Ersatz verhelfen würde. Wieser zieht hier weiterhin den entgangenen Gewinn, der auf sitten- oder rechtswidrige Weise erlangt worden und nicht ersatzfähig ist, als Vergleich heran und kommt zu dem Ergebnis, daß der Nutzungsausfallschaden eines nichtberechtigten Besitzers ebensowenig ersatzwürdig sei.93 Die Ansicht, nach der zumindest dem entgeltlichen, redlichen sowie unverklagten Besitzer ein Schadensersatzanspruch eingeräumt werde, sei insofern nicht zutreffend, als zwarrichtigerweise auf die Frage abgestellt werde, ob der Besitzer die Nutzungen endgültig behalten dürfe. Allerdings handele es sich hier nicht um gezogene, sondern um entgangene Nutzungen. Daher müsse untersucht werden, ob dem Besitzer die entgangenen Nutzungen endgültig zugewiesen seien. Dies richte sich nach dem Grundsatz, daß nur ein in erlaubter Weise zu erzielender Vorteil ersatzfähig sei. Der nichtberechtigte Besitzer könne generell aber nur Nutzungen unter Verletzung eines fremden Rechts - generell dem des Eigentümers - ziehen. Daß der Besitzer gezogene Nutzungen endgültig behalten dürfe, ändere daran 89 So ohne nähere Begründung Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1214; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 71; MünchKomm/Mertens, 1997, § 823 Rdnr. 146. 90 Wieser, Jus 1970, 557 ff.; NJW 1971, 597 ff.

91 Wieser, JuS 1970, 557; NJW 1971,597, 598. 92 Wieser verweist hier auf BGH W M 1958,1482 f. 93 In NJW 1971,597, 598.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

nichts, da es einen Unterschied mache, ob die Rechtsordnung schon gezogene Nutzungen belasse oder sie bereits vorher zuweise. Somit könnten endgültig zugewiesene Nutzungen nur diejenigen sein, die bereits gezogen worden seien, jedoch nicht die in der Zukunft liegenden. Daher könne im Gegensatz zu Medicus selbst dem entgeltlichen, redlichen und unverklagten unrechtmäßigen Besitzer kein Ersatz gewährt werden.94 Wieser hält Medicus ferner entgegen, daß § 1007 BGB global das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis für anwendbar erkläre, so daß hieraus kein überzeugendes Argument zu gewinnen sei, ob der nichtberechtigte redliche Besitzer Ersatz verlangen könne.95 Das Argument, § 955 BGB gebe dem Besitzer ein Recht zur Fruchtziehung, sei ebenfalls nicht stichhaltig. Dagegen stehe die Pflicht des nichtberechtigten Besitzers, die Fruchtziehung zu unterlassen, da hierdurch das Eigentum oder ein Nutzungsrecht an der Muttersache beeinträchtigt würde. Diese Pflicht zeige sich unter anderem in §§ 1004,1065 BGB. 96 Wieser meint daher, daß dem unberechtigten Besitzer nicht der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wegen entgangener Nutzungen zukomme. Eine Ausnahme will er jedoch dann machen, wenn die Versagung einer derartigen Entschädigung gegen Treu und Glauben verstoße.97 So stimmt er Medicus98 für den Fall, daß ein Vermieter den gekündigten Mieter eigenhändig auf die Straße setzt, darin zu, daß der Mieter für die Zeit, für die er nach § 556 a BGB (§§ 574, 574a BGB n.F.) die Fortsetzung des Mietverhältnisses oder gemäß §§ 721, 765 a ZPO eine Räumungsfrist hätte erlangen können, Nutzungsausfall zugesprochen bekomme. Die Nutzungsberechtigung des Mieters währe hier fort, weil § 556 a BGB (§§ 574, 574a BGB n.F.) den Mieter nicht zur Räumung der Wohnung verpflichten wolle, bis ein Urteil ergehe oder eine Übereinkunft mit dem Vermieter zustande komme. Zumindest liege hier ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, wenn die begründete Aussicht des Mieters auf Fortführung des Wohnrechts gemäß §§ 721, 765 a ZPO zerstört werde und der Vermieter sich dann auf eine fehlende Nutzungsbefugnis des Mieters berufe. 99

5. Kein Schutz gegenüber dem Eigentümer, wohl aber unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber dem Dritten Oppermann differenziert in seiner Dissertation aus dem Jahre 1958 zwischen einer Besitzbeeinträchtigung durch den Berechtigten und durch einen Dritten. 100 94 95 96 97

So Wieser, JuS 1970, 557 f. Wieser, NJW 1971,597,598. Wieser, JuS 1970, 557, 558, Fußnote 7. Wieser, NJW 1971, 597, 599.

98 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607. 99 Vgl. hierzu Wieser, NJW 1971, 597, 598. 100

Oppermann, Schadensersatz, S. 69 ff.

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen

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Er will keinen Ersatz aufgrund Nutzungsentgangs im Verhältnis zum Eigentümer, wohl unter bestimmten Voraussetzungen aber gegenüber einem Dritten gewähren. Oppermann zieht hierbei die Wertungen der possessorischen Besitzschutzansprüche sowie des § 1007 BGB heran. Im Verhältnis zum Dritten billigt er nur dem gutgläubigen unrechtmäßigen Besitzer einen Anspruch wegen Gebrauchsentgangs zu. Dem bösgläubigen Besitzer, der den Besitz durch eine deliktische Handlung erlangt habe, stünden die Ansprüche nach §§ 861 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB aufgrund der §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 BGB nicht zu, weil er fehlerhaft besitze. Weiterhin könne er auch keinen Anspruch aus § 1007 Abs. 3 Satz 2 i. V. mit §§ 987 ff. BGB wegen Bösgläubigkeit i. S. des § 1007 Abs. 3 Satz 1 BGB erheben. Unter Berücksichtigung dessen sei der deliktische Besitzer auch dem Schutz des § 823 BGB nicht zu unterstellen. Der bösgläubige Besitzer, der den Besitz nicht durch eine unerlaubte Handlung oder verbotene Eigenmacht erlangt habe, habe zwar einen Herausgabeanspruch wegen verbotener Eigenmacht gemäß § 861 Abs. 1 BGB, aber nicht nach § 1007 BGB, wie sich aus dessen Abs. 3 Satz 1 ergebe. Somit verstoße auch hier ein Schadensersatzanspruch zumindest gegen die Wertung des § 1007 Abs. 3 BGB. Oppermann sieht demnach die Regelung des § 1007 BGB als Begrenzungsnorm für Schadensersatzansprüche des Besitzers.101 Daß dem bösgläubigen Besitzer kein Schadensersatzanspruch zu gewähren sei, zeige ebenfalls § 993 Abs. 1 zweiter Halbsatz BGB, nach dem nur der Gutgläubige die Nutzungen behalten dürfe. Positionen wie die Nutzungen, die der Besitzer noch nicht einmal behalten dürfe, könne dieser auch nicht beanspruchen. Dieses Ergebnis werde weiter durch die Vorschrift des § 955 Abs. 1 BGB gestützt.102 Darüber hinaus zieht Oppermann zur Untermauerung seiner These die Verjährungsvorschriften heran. Würde einem bösgläubigen Besitzer der Anspruch aus § 823 BGB eingeräumt werden und somit § 852 BGB (§ 199 Abs. 3 BGB) zur Anwendung gelangen, würde die Ein-Jahres-Frist des § 864 BGB unterlaufen. Das dagegen stehende Argument, die Regelungen der §§861 und 862 BGB setzten nicht wie § 823 BGB Verschulden voraus, womit der unterschiedlichen Verjährungsfrist keine ausschlaggebende Bedeutung zukomme, sei nicht stichhaltig: Dies würde nämlich bedeuten, daß die Befristung des § 864 BGB lediglich bei der seltenen Konstellation Anwendung fände, bei der die verbotene Eigenmacht ohne ein Verschulden verübt worden sei. Da die Beschränkung der possessorischen Besitzschutzansprüche damit praktisch obsolet sei, sei nur die Schlußfolgerung haltbar, daß einem bösgläubigen Besitzer kein Ersatz gewährt werde und somit die Ein-Jahres-Frist des § 864 BGB ihre Bedeutung behalte.103 Ein gutgläubiger Besitzer hingegen könne gemäß § 861 BGB sowie nach §§ 1007 Abs. 3 Satz 2, 986 BGB von einem schädigenden Dritten die Herausgabe 101 102 103

Oppermann, Schadensersatz, S. 72 ff. Oppermann, Schadensersatz, S. 74. Oppermann, Schadensersatz, S. 77.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

der Sache verlangen. Das Abhandenkommen in Abs. 2 sei nur gegenüber dem Eigentümer als Anspruchsgegner bedeutsam. Da § 1007 BGB hier die Schadensersatzansprüche nicht begrenze, sondern im Gegenteil ein Recht begründe, müsse sich diese Weitung nunmehr auch im Deliktsschutz niederschlagen, so daß ein gutgläubiger unrechtmäßiger Besitzer gegenüber einem Dritten Ersatz gemäß § 823 BGB fordern könne. 104 Im Verhältnis zum Eigentümer gelte hinsichtlich eines deliktischen oder bösgläubigen Besitzers das gleiche wie bei einem Dritten als Anspruchsgegner. Anders sei es hier jedoch bei einem unrechtmäßigen, aber hinsichtlich des Besitzrechts gutgläubigen Besitzer. Gemäß § 1007 Abs. 2 BGB kann der frühere Besitzer bei Abhandenkommen der Sache diese zwar von Dritten, jedoch nicht von dem Eigentümer verlangen. Dies sei unter Berücksichtigung des § 1007 BGB als Begrenzungsnorm auf einen Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB zu übertragen. Somit könne der unrechtmäßige, aber gutgläubige Besitzer vom Eigentümer keinen Ersatz verlangen.105 Hager differenziert ebenfalls zwischen dem Berechtigten und zwischen einem Dritten in der Position des Anspruchgegners, dies jedoch mit anderer Begründung. Im Verhältnis zum Berechtigten will er dem Besitzer keinen Anspruch geben.106 Die Funktion der §§ 861 f. BGB sei nicht, eine Aussage über die Nutzungsbefugnis zu treffen, sondern das Faustrecht hintanzuhalten. Daß gemäß §§ 987, 988, 989, 993 S. 1 HS 2 BGB der Besitzer die Nutzungen endgültig behalten dürfe, bedeute weiterhin nicht, daß er auch einen Anspruch auf Ausgleich habe. 107 Überdies werde der Besitzer bezüglich seines Besitzrechts im Anschluß an die verbotene Eigenmacht des Eigentümers kaum mehr guten Glaubens sein. Im Gegensatz zum B G H 1 0 8 sieht Hager jedoch die Räumungsfrist des § 721 ZPO als vertragsähnliches Verhältnis. Diesem korrespondiere ein Gebrauchsrecht des Mieters. Die sich aus § 557 Abs. 1 BGB (§ 546a Abs. 1 BGB n.F.) ergebende Verpflichtung zur Fortzahlung des Mietzinses habe keinerlei sanktionsähnlichen Charakter 109. Die Ansicht, der Weitung der §§ 987 ff. BGB sei nicht zu entnehmen, daß der Besitzer einen Anspruch auf entgangene Nutzungen habe, sondern die gezogenen lediglich behalten dürfe, überzeuge in derartigen Fällen nicht. Im Verhältnis zu Dritten bestehe anders als im Verhältnis zum Eigentümer kein Anlaß, den Verletzer zu privilegieren. So müsse auch dem Besitzer, dessen redlicher Erwerb wegen des 104

So Oppermann, Schadensersatz, S. 71, 74, 80. Oppermann, Schadensersatz, S. 71 f.; so auch im Ergebnis Palandt/Thomas, § 823 Rdnr. 13. 106 Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 168. 105

107 Hager beruft sich hier auf BGHZ 79, 232, 238. 108 Laut BGH gibt die Räumungsfrist nach den §§ 721, 765 a ZPO dem Mieter weder ein materielles Besitzrecht noch eine Nutzungsbefugnis, BGHZ 79, 232, 238 f. 109 Hierzu bezieht sich Hager auf die Entscheidung in BGHZ 79, 232, 238 f.

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen

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Abhandenkommens der Sache an § 935 Abs. 1 BGB gescheitert sei, der Nutzungsausfall ersetzt werden. Somit wird nach Hager der redliche Besitzer, der den Besitz also nicht deliktisch erlangt hat, im Verhältnis zu Dritten über § 823 BGB gesichert. 6. Schutz nur des obligatorischen Rechts zum Besitz Die von Larenz und Canaris 110 vertretene Mindermeinung setzt bei der Frage, welche Position unter „sonstiges Recht" i. S. des § 823 Abs. 1 BGB fällt, ganz anders an. Die bisher dargestellten Ansichten gingen alle davon aus, daß wenigstens der berechtigte Besitz deliktischen Schutz genieße, und zwar dies in der Form, daß der (berechtigte) Besitz als solcher als tatsächliche Sachgewalt die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch bilde. Larenz und Canaris hingegen stellen nicht auf die Herrschaftsgewalt, sondern allein auf das obligatorische Recht ab. Grundlage dieser These ist die Überlegung, daß der Besitz an sich kein subjektives Recht darstelle, was jedoch für eine Qualifikation als „sonstiges Recht" erforderlich sei. Da der Besitz nur die tatsächliche Gewalt i. S. des § 854 BGB meine, könne dieser allein keine durchsetzbare Rechtsstellung, also kein subjektives Recht, begründen. Zwar werde der Besitz in §§ 861 f. BGB weitgehend wie ein subjektives Recht gesichert. Da dieser Schutz jedoch selbst dem unberechtigten Besitzer, sogar dem Dieb, eingeräumt werde, gehe dem Besitz jeglicher Zuweisungsgehalt ab, welcher aber die Prämisse für einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB sei. Ein Zuweisungsgehalt sei aber in den Fällen anzuerkennen, in denen der Besitzer aufgrund eines Sonderrechtsverhältnisses, wie eines Miet- oder Pachtvertrages, ein Recht zum Besitz des Gegenstandes innehabe. Hier sei dem Besitzer die Nutzung der Sache gestattet und mittels der Sachherrschaft könne dieser den Berechtigten oder Dritte generell von Einwirkungen auf die Sache ausschließen. Da das obligatorische Recht aufgrund seiner parteiinternen Wirkung als solches nicht ausreiche, um Abwehrbefugnisse gegenüber Dritten auszuüben, also keine Ausschlußfunktion habe, müsse dieses im Zusammenhang und als Einheit mit der Sachherrschaft i. S. des § 854 BGB gesehen werden. Diese Einheit der Position des zum Besitz Berechtigten reiche für die Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB aus. Auf diese Weise könne auch den possessorischen Ansprüchen aus §§ 861 f., 1007 BGB sowie der Annäherung an eine Verdinglichung des Besitzes durch den Sukzessionsschutz in §§571,986 Abs. 2 BGB Rechung getragen werden. Die Ansicht, daß nur der berechtigte Besitz zu schützen sei, sei zwar der Sicherung des obligatorischen Rechts zum Besitz sehr ähnlich, hierbei werde jedoch die tatsächliche Sachgewalt zu sehr betont. Der Zuweisungsgehalt sei schadensersatzrechtlich entscheidender als das Abwehrrecht, da dieses die Basis für die Ermittiio Larenz/Canaris, SchuldrechtII/2, § 76 I I 4 f.; Canaris in Festschrift für Flume, S. 371, 401.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

lung eines Schadens und seiner Höhe verkörpere. Somit wird nach dieser Ansicht die Einheit des obligatorischen Rechts zum Besitz mit dem Besitz als solchem gesichert. Bei fehlender Besitzberechtigung kann daher hiernach kein subjektives Recht gegeben sein, so daß der unberechtigte, auch redliche Besitz, nicht über § 823 Abs. 1 BGB geschützt werden soll. 111

7. Stellungnahme a) Anspruch im Verhältnis

zum Dritten als Schädiger

In Literatur und Rechtsprechung wird überwiegend zwischen einem Anspruch im Verhältnis zum Dritten sowie einem Anspruch gegenüber dem Eigentümer differenziert. Diese Unterscheidung ist sinnvoll, da der Eigentümer als der eigentlich zur Nutzungsziehung Berechtigte eine andere - bessere - Position innehat als ein unbeteiligter Dritter. Zunächst soll auf die Ansprüche des Besitzers gegenüber einem Drittschädiger eingegangen werden. aa) Rechtmäßiger Besitzer mit Gebrauchsrecht Unproblematisch ist der Schutz des berechtigten und zur Nutzung befugten Besitzers. Diesem Besitzer wird - meist durch vertragliche Abreden - eine rechtlich geschützte Position zugewiesen. Diese Zuweisung umfaßt die Möglichkeit des Gebrauchs, und wird dieser Besitz gestört, so wird in dessen Zuweisungsgehalt eingegriffen. Bei Eingriff in eine rechtlich geschützte Position ist - bei Vorliegen der weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des Schadensersatzes wie etwa der Kausalität - der vor dem Schadensereignis bestehende Zustand wiederherzustellen. Daher sind einem nutzungsbefugten Besitzer die aus der Besitzstörung entstandenen Nutzungsausfälle zu ersetzen. Daher ist einem Mieter, dessen Mietsache durch Verschulden eines Dritten beschädigt wurde, der hieraus entstandene Nutzungsentgang zu ersetzen. Was bezüglich eines zwar zum Besitz berechtigten, jedoch nicht zur Nutzung befugten Besitzers gilt, so etwa bei einem Verwahrer, wird nach Erörterung der Rechtsposition der unrechtmäßigen Besitzer dargelegt112. bb) Unrechtmäßiger gutgläubiger, entgeltlicher sowie unverklagter Besitzer Zur Lösung der Frage, ob der unrechtmäßige Besitzer über § 823 BGB gesichert wird, muß zunächst zwischen den einzelnen „Stufen" des unrechtmäßigen Besitzes in Larenz/Canaris, Schuldrecht I I / 2 , § 76 I I 4 f. 112 Siehe in diesem Kapitel sogleich unter ee).

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen

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unterschieden werden. Am nächsten liegt es, den unrechtmäßigen Besitzer zu schützen, der in den Vorschriften zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gegen bestimmte Ansprüche des Eigentümers gefeit ist. So kann der gutgläubige, unverklagte und entgeltliche Besitzer die gezogenen Nutzungen endgültig behalten und muß auch bei Unterlassen der ordnungsgemäßen Ziehung keinen Ausgleich aufbringen. Weiterhin ist er nicht für den Untergang der Sache verantwortlich. Das Gesetz zeigt hier eine gewisse Privilegierung dieses Besitzers auf und gibt damit eine Richtung vor, welche auch bei dem deliktischen Schadensersatzanspruch zu beachten ist 113 , dies auch hier im Verhältnis zu einem Drittschädiger. Zu beachten ist hierbei aber das Argument, daß es einen Unterschied mache, ob jemand gezogene Nutzungen behalten dürfe oder einen Ausgleich für gar nicht erst gezogene Nutzungen erhalte 114. Den §§ 987 ff. BGB sei somit nicht zu entnehmen, daß dem nichtberechtigten Besitzer unverschuldet entgangene Nutzungen ersetzt werden sollten. Es dürfe daher schon deswegen kein Ersatz gewährt werden, weil dieser Vorteil nicht in erlaubter Weise gezogen worden sei 115 . Dagegenzuhalten ist jedoch, daß schon die Prämisse des rechtswidrigen Verhaltens hier nicht vorliegt. Vielmehr geht das Gesetz von einer Nutzung der Sache aus und sanktioniert diese nicht. Überzeugend ist die Auffassung, daß der Besitzer etwas volkswirtschaftlich Sinnvolles tut, wenn er die Sache gebraucht, bevor dies mangels tatsächlicher Möglichkeit niemand tut 116 . Wenn jemand nun an der Ausübung des Gebrauchs gehindert wird, obwohl dies zweckmäßig und vom Gesetz geduldet wird, so ist die logische Konsequenz dessen, daß der Besitzstörer ausgleichspflichtig wird für die Positionen, die der Besitzer bei ungestörter Ausübung der Sachherrschaft hätte erlangen können. Dies widerspricht auch nicht der Wertung des § 1007 Abs. 3 BGB, welcher bei Gutgläubigkeit des Besitzers die Regelungen über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis für anwendbar erklärt. Diese Privilegierung muß auch gegenüber Drittschädigern beachtet werden, so daß im Ergebnis der gutgläubige, entgeltliche und unverklagte Besitzer bei Störung des Besitzes seitens eines Dritten gegen diesen einen Anspruch auf Ausgleich für die entgangenen Nutzungen gemäß § 823 BGB geltend machen kann. cc) Bösgläubiger, unentgeltlicher oder verklagter unrechtmäßiger Besitzer Anders könnte aber bei einem Besitzer zu entscheiden sein, der nach den §§ 987 ff. BGB dem Eigentümer gegenüber nicht von der Pflicht zum Ersatz für gezogene oder (gemäß § 987 Abs. 2 BGB) nicht ordnungsgemäß gezogene Nutzungen freigesprochen ist. Hier könnten bestimmte aus den gesetzlichen Regelunii3 So Medicus, AcP 165 (1965), 115, 120 f.; Pieper, Festschrift OLG Zweibrücken, S. 232, 244 f. "4 Wieser, JuS 1970, 557 f.; derselbe NJW 1971,597, 598 f.; BGHZ 79, 232, 238. 115 Wieser, JuS 1970, 557; ebenfalls sinngemäß BGHZ 79,232,238. 116 Honsell,JZ 1983,531,534. 4 Konnertz

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

gen entnommene Wertungen über die Zubilligung eines deliktischen Ersatzanspruchs entscheiden. Daß die §§ 987 ff. BGB ein Nutzungsverbot für den unrechtmäßigen bösgläubigen, verklagten oder unentgeltlichen Besitzers implizieren 117 , ist indes unzutreffend. Gemäß den §§ 987 ff. BGB muß der Besitzer den Wert des Gebrauchs zwar dem Eigentümer ersetzen, soweit dies dieser verlangt. Nach § 987 Abs. 2 BGB etwa muß der Besitzer dem Eigentümer für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen nachträglich einen Ausgleich leisten. Allerdings muß differenziert werden zwischen der endgültigen Zuweisung der Gebrauchsposten und der Frage, ob dem Gesetz entnommen werden kann, daß es die Ziehung der Nutzung seitens des benannten unrechtmäßigen Besitzers verbietet. Hierfür finden sich in gesetzlichen Regelungen keine aussagekräftigen Anhaltspunkte. Wirtschaftlich gesehen ist es jedoch nicht befriedigend, die Sache ungenutzt zu lassen. Da der Eigentümer nicht die tatsächliche Möglichkeit des Gebrauchs hat, bedeutet dies, daß es nunmehr dem unrechtmäßigen Besitzer obliegt, den Gegenstand sinnvoll einzusetzen. Für Daher entspricht es einer volkswirtschaftlich vernünftigen Handhabung, dem unrechtmäßigen Besitzer die Nutzung zu gestatten118. Daraus folgt, daß aus den Normen der §§ 987 ff. BGB kein Nutzungsverbot entnommen werden kann und der unrechtmäßige Besitzer Nutzungen nicht unter Verletzung eines fremden Rechts ziehen würde. Somit verhält sich selbst der bösgläubige, verklagte oder entgeltliche Besitzer nicht verbotswidrig 119. Dennoch ist unzweifelhaft, daß diese Zuordnung, wenn man die Legitimation des Gebrauchs als eine solche bezeichnen mag, lediglich provisorischer Natur ist, d. h. das Gesetz weist dem Besitzer die Nutzungen nicht endgültig zu, sondern billigt diese im Endeffekt dem Eigentümer zu. Das Gesetz ordnet somit die Nutzungen dem Eigentümer als Berechtigtem zu. Allerdings setzt diese Zuweisung voraus, daß der Eigentümer seinen Anspruch auf Nutzungsersatz dem Besitzer gegenüber auch erhebt. Macht der Eigentümer dieses Recht nicht geltend, so ist fraglich, ob die vom Gesetz getroffenen Regelungen im Verhältnis zum Dritten überhaupt eine ausschlaggebende Rolle spielen können. Verzichtet der Eigentümer auf seinen Anspruch - was aus diversen Gründen denkbar ist befindet sich der Besitzer praktisch in der tatsächlichen Situation eines gutgläubigen, entgeltlichen und unverklagten Besitzers. Würde der geduldete unrechtmäßige Besitzer nun wie ein nicht geduldeter behandelt werden, würde einem rein virtuellen Recht des Eigentümers ausschlaggebende Bedeutung zugemessen werden. Demzufolge ist es vernünftig, auch dem geduldeten unrechtmäßigen Besitzer, soweit also der Eigentümer nicht seine eigene Berechtigung geltend macht, einen Anspruch auf Nutzungsentgang zuzusprechen. Dem könnte dagegengehalten werden, der Besitzer könne sich glücklich schätzen, daß er nicht in Anspruch genommen werde, so daß diese Gegebenheit ihm nicht noch zusätzlich einen Schadensersatzanspruch eröffnen könne. Eine Ablehnung des ErsatzanspruH7 So Wieser, JuS 1970, 597, 598. Iis Vgl. hierzu Honsell, JZ 1983, 531, 534. ii9 Diese Meinung vertritt aber Wieser, JuS 1970, 557 und NJW 1971, 597, 598.

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen

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ches des Besitzers gegen den Drittschädiger würde aber bedeuten, daß das bloß theoretische Bestehen eines Anspruchs zwischen zwei Parteien dem Dritten zum Vorteil gereichen würde. Diese Konsequenz ist jedoch nicht gerechtfertigt, da der Dritte nicht schützenswert ist. Somit ist demnach zumindest dem Besitzer, der nicht vom Eigentümer in Anspruch genommen wird, also auch dem unrechtmäßigen bösgläubigen oder unentgeltlichen Besitzer ein Schadensersatzanspruch aufgrund entgangener Nutzungen gegen den Drittschädiger zuzusprechen. Diesem Ergebnis widerspricht nicht die Regelung des § 1007 Abs. 3 BGB. Die Norm verweist zwar auf die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, so daß § 1007 Abs. 3 BGB bei Anwendbarkeit sicherlich ein weiteres Argument dafür darstellt, daß der gutgläubige, entgeltliche und unverklagte unrechtmäßige Besitzer einen deliktischen Schadensersatzanspruch geltend machen kann 120 . Allerdings ist auf der negativen Seite nicht von der Qualität des § 1007 BGB als Begrenzungsnorm für deliktsrechtliche Ansprüche auszugehen121. Denn § 1007 BGB verweist lediglich auf die §§ 986 ff. BGB, ohne dabei die Bedeutung dieser Vorschriften zu modifizieren. Weiterhin kann es nicht sein, daß eine Vorschrift, die lediglich auf eine andere verweist, größere Bedeutung beansprucht als die Norm, auf die verwiesen wird. Daher steht auch hier das oben erläuterte Wirtschaftlichkeitspostulat als Argument dafür, daß dem unredlichen oder unentgeltlichen, aber unverklagten Besitzer Ersatz wegen entgangener Nutzungen zuzubilligen ist. Weiterhin sprechen die §§ 861 f. BGB nicht gegen dieses Ergebnis. Diese Normen treffen lediglich eine Aussage über das Bestehen von Ansprüchen hinsichtlich der Herausgabe der Sache an sich und sagen nichts aus zu der Frage des Nutzungsersatzes aufgrund anderer, hier deliktsrechtlicher Anspruchsgrundla„122 gen Ist gegen den Besitzer nun seitens des Eigentümers Klage erhoben, so ist der dem Eigentümer zustehende Anspruch gegen den Besitzer geltend gemacht, womit der Eigentümer seine Berechtigung nach außen reklamiert. Dennoch muß im Ergebnis auch dem verklagten Besitzer ein Anspruch auf Ersatz von Nutzungsausfall zugebilligt werden. Das Versagen eines Deliktsanspruchs widerspräche nämlich dem Interesse des Eigentümers. Dieser hat durch die Klage gegen den Besitzer deutlich gemacht, daß er an einem Ausgleich Nutzungen interessiert ist. Tritt der Fall nun ein, daß der Besitzer zahlungsunfähig ist und dem Eigentümer daher keinen Ersatz leisten kann, wäre ein Anspruch des Besitzers gegen den Dritten hilfreich, um zumindest in diese vollstrecken zu können. Diese Lösung befriedigt, da somit ein Schadensersatzanspruch nicht von Klagen Dritter abhängig gemacht wird. Dem Gesagten zufolge ist dem bösgläubigen, unentgeltlichen sowie verklagten unrechtmäßigen Besitzer im Verhältnis zum Dritten ein Anspruch aufgrund entgangener Nutzung zu gewähren. 120 So Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607; dagegen Wieser, NJW 1971, 597, 598. 121

So Oppermann, Schadensersatz, S. 72 ff. 1 22 Siehe Lopau, JuS 1980, 501,506.; dagegen Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 168. 4*

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

Die Meinung, die lediglich das obligatorische Recht zum Besitz schützen will 1 2 3 , ist dementsprechend abzulehnen. Einmal ist dogmatisch nicht zufriedenstellend zu klären, nach welchem Verhältnis sich der deliktische Schutz bei Beeinträchtigung durch einen Dritten zurichtenhat, da das obligatorische Recht lediglich der anderen Vertragspartei gegenüber Wirkung entfalten kann. Weiterhin tut sich eine Schutzlücke auf, wenn lediglich einem berechtigten Besitzer Schutz gewährt würde. Hiernach wäre ja selbst ein redlicher Besitzer, dessen gutgläubiger Erwerb nur an § 935 Abs. 1 BGB scheiterte, gegen Dritteinwirkungen ungeschützt124. Der Annahme, der Zuweisungsgehalt sei schadensersatzrechtlich das einzig entscheidende Kriterium 125, überzeugt somit, wie dargelegt 126, nicht.

dd) Unrechtmäßiger Besitzer, der durch verbotene Eigenmacht oder Delikt Besitz erlangte Zu klären bleibt die Behandlung desjenigen, der die Sache durch verbotene Eigenmacht oder gar Delikt in seinen Besitz gebracht hat. Deutlich ist, daß sich der Besitzer, der den Besitz durch Delikt erlangt hat, gemäß §§ 992, 823 BGB bei Gebrauch des Gegenstandes dem Vorwurf der unerlaubten Handlung aussetzt127. Somit besteht bei diesem Besitzer kein Zweifel, daß sich dieser auch nach den Regelungen zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis rechtswidrig verhält. Zwar tut auch hier der Besitzer etwas volkswirtschaftlich Sinnvolles, wenn er den Gegenstand benutzt; allerdings kann in diesem Fall dieser Aspekt nicht zu einem Anspruch führen, da dies klar gegen die gesetzliche Wertung verstoßen würde. Daß § 992 BGB lediglich zwischen Eigentümer und Besitzer anwendbar ist, tut dem aus § 992 BGB zu entnehmenden Telos, das besagt, daß der deliktische Besitzer nicht schützenswert ist, keinen Abbruch. Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, daß der deliktische Besitzer dem Eigentümer auch bei fehlendem Verschulden für den Entzug oder Untergang der Sache zum vollen Schadensersatz verpflichtet ist. Diese Konsequenz ist lediglich eine Ausgestaltung der Sanktion, die einem deliktischen Besitzer auferlegt wird. Außerdem ist nicht jeder Dritte ein vorsätzlicher Täter, wie ein Dieb. Der Dritte kann den Schadensfall nur fahrlässig bewirkt haben; es wäre unverhältnismäßig, einen solchen Schädiger gegenüber einem unerlaubt Handelnden in die Pflicht zu nehmen, für entgangene Nutzungen einzustehen. Dasselbe ist auf den Besitzer zu übertragen, der den Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen hat. Hier besagt die Norm des § 858 Abs. 1 BGB ausdrücklich, daß diese Handlung widerrechtlich ist. Der Gebrauch eines widerrechtlich in Be123

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 I I 4 f.; Canaris in Festschrift für Flume, S. 371,

401. So Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 170. us So Larenz/Canaris, Schuldrecht 11/2, § 76 4 f. 126

Siehe soeben unter aa) bis cc). ™ So Honseil, JZ 1983, 531, 534.

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen

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sitz gebrachten Gegenstandes würde auch hier gegen die gesetzliche Wertung verstoßen, so daß dieser Besitzer ebenfalls nicht schützenswert ist. Weiterhin wird vorgebracht, der sich widerrechtlich verhaltende Besitzer könne immerhin den Schutz aus §§ 861, 862 BGB geltend machen; daß diese Regelungen sich nur auf Herausgabeansprüche bezögen, bedeute nicht, daß Schadensersatzansprüche nicht aus anderen Gründen gewährt werden könnten128. Richtig daran ist, daß die Existenz von Herausgabeansprüchen das Bestehen von Schadensersatzansprüchen nicht ausschließt. Allerdings ist aus den §§ 861, 862 BGB kein Schluß auf die Existenz der hier in Frage stehenden Ansprüche zu ziehen. Vielmehr haben die §§ 861, 862 BGB hierfür keinerlei Bedeutung, zumal es sich bei diesen Regelungen lediglich um possessorische Ansprüche handelt, womit das hier behandelte Problem des Besitzrechts gar nicht tangiert wird. Gegen einen Anspruch des sich widerrechtlich verhaltenden Besitzers spricht überdies die Wertung des § 817 S. 2 BGB. 1 2 9 Hiernach kann derjenige, der sich gesetzwidrig verhält und sich somit außerhalb der Rechtsordnung stellt, keine Rechte geltend machen. Diese gesetzliche Zielsetzung ist auch bei dem hier in Frage stehenden Anspruch zu beachten. Infolgedessen ist im Verhältnis zum Dritten weder dem deliktischen Besitzer, noch demjenigen, der verbotene Eigenmacht ausgeübt hat, ein Anspruch auf Ersatz der entgangenen Nutzungen zuzusprechen130.

ee) Rechtmäßiger Besitzer ohne Gebrauchsrecht Von dem rechtmäßigen, zur Nutzung berechtigten Besitzer zu unterscheiden ist der rechtmäßige Besitzer, dem der Gebrauch der Sache nicht gestattet ist, wie z. B. der Verwahrer einer Sache. Ist der rechtmäßige Besitzer nicht zur Nutzung befugt, so wird zwar die tatsächliche Möglichkeit der Nutzung beeinträchtigt, diese war ihm aber in rechtlicher Hinsicht gar nicht gestattet. Somit ist ein solcher Besitzer nur in einer Hinsicht legitimiert und zwar in der Innehabung der tatsächlichen Sachherrschaft. Da sich der Schadensposten jedoch auf die entgangene Gebrauchsmöglichkeit bezieht, ist besagter Besitzer diesbezüglich unberechtigt. Bei dem nicht zur Nutzung, jedoch zum Besitz Berechtigten ist folglich zwar die negative Seite des Besitzes, die Ausschlußfunktion, nicht aber die positive Seite, die Nut128 Lopau, JuS 1980,501,506. 129 Vgl. Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 168. 130

So im Ergebnis auch die beinahe einhellige Auffassung in der Literatur, siehe Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1214; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 71; MünchKomm/Wagner, § 823 Rdnr. 152; Wieser, Jus 1970, 557 ff.; derselbe NJW 1971, 597 ff.; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607; derselbe AcP 165,115 ff.; derselbe SchuldR II, Rdnr. 809; Oppermann, Schadensersatz, 69 ff.; Pieper, Festschrift OLG Zweibrücken, S. 231, 244 f., 255 f.; Kollhosser, JuS 1992, 567, 572; Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 168; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76 II 4 f.; Canaris in Festschrift für Flume, S. 371, 401; Honsell, JZ 1983, 531, 535; Palandt/Thomas, § 823 Rdnr. 13. Nur Lopau, JuS 1980,501,506, will jeden Besitzer im Verhältnis zum Dritten schützen.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

zungsfunktion, gegeben. Fraglich ist nun, ob dieser Besitzer wie ein nicht zum Besitz berechtigter, aber gutgläubiger, entgeltlicher und unverklagter Besitzer - also entsprechend der mildesten Form des unrechtmäßigen Besitzers - oder wie ein zum Besitz und zur Nutzung Autorisierter zu behandeln ist. Nach den hier entwikkelten Grundgedanken zum unberechtigten Besitz kann sich hier nur eine Lösung ergeben. Die Zubilligung eines Ersatzanspruches auch für den unrechtmäßigen Besitzer, der sogar bösgläubig sein oder unentgeltlich den Besitz erworben haben kann, impliziert, daß die Existenz einer Nutzungsbefugnis keine Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruchs aufgrund Gebrauchsentgangs darstellt. Andererseits ist bei Fehlen dieser Befugnis nicht in jedem Fall ein Ersatz zu gewähren, so etwa niemals bei einem deliktischen oder verklagten Besitzer. Da allerdings einem nicht zum Besitz und einem nicht zur Nutzung berechtigten wie auch sogar bestimmten nichtberechtigten Besitzer ein Ersatzanspruch zuerkannt wird, muß dies als „a maiore ad minus" erst recht bei einem zwar nicht zur Nutzung Befugten, aber zum Besitz Berechtigten gelten. Somit kann zum Beispiel ein Verwahrer, dem die Sache entzogen wurde, dem Grunde nach Nutzungsentgang geltend machen, allerdinngs nur, soweit eine ersatzfähige Einbuße überhaupt vorliegt 131. b) Anspruch gegenüber dem Eigentümer als Schädiger Anders könnte sich die Ersatzfähigkeit des Nutzungsschadens dann darstellen, wenn der Eigentümer selbst die im Besitz eines anderen befindliche Sache beschädigt oder entzogen hat. Hier könnte der Umstand, daß erst aufgrund der Sachherrschaft des Anspruchstellers der Anspruchsgegner nicht mehr die Möglichkeit der Ziehung von Nutzungen hatte, dazu führen, daß eine Besitzstörung seitens des Eigentümers keinen Schadensersatzanspruch nach sich zieht. Hier ist jedoch wieder zu differenzieren zwischen den Arten des Besitzes.

aa) Rechtmäßiger Besitzer mit Nutzungsbefugnis Greift der Eigentümer in den Besitz desjenigen ein, der ein Recht zum Besitz und zur Nutzung an dem Gegenstand aufweisen kann, kann der Besitzer auch vom Eigentümer seine hierdurch entstandene Einbuße ersetzt verlangen. Daß der Eingriff von dem Eigentümer der Sache und nicht von einem unbeteiligten Dritten ausgeht, macht hier keinen Unterschied, denn der Eigentümer hat genausowenig 131 In der Praxis wird ein Verwahrer einen solchen Schadensersatzanspruch kaum geltend machen können, da er regelmäßig keinen Schaden haben wird, welcher eine tatbestandliche Voraussetzung des § 823 BGB darstellt. Da der Verwahrer die Sache tatsächlich nicht nutzt, sondern eben nur verwahrt, ist die Existenz eines Schadens aufgrund Nutzungsentgangs lediglich in Grenzfällen denkbar. Dies sieht auch Oppermann, Schadensersatz, S. 104, nach welchem ein Nutzungsschaden durch Substanzverlust wegen des nicht vorhandenen Nutzungsrechts niemals entstehen könne, lediglich ein „Belastungsschaden" (gemeint ist zum Beispiel ein Haftungs- oder Verwendungsschaden) sei denkbar.

C. Die Differenzierung der Schadenspositionen

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das Recht zum Besitz und zur Nutzung wie ein Dritter und ist dementsprechend nicht schützenswerter. Mithin ist einem ungekündigten Mieter, der vom Eigentümer am Betreten der Wohnung gehindert wird, der daraus entstehende Schaden zu erstatten. Fraglich ist ein derartiger Anspruch allerdings, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO oder § 765 a ZPO eingeräumt worden ist und der Eigentümer diesen dann eigenmächtig vor die Tür gesetzt hat. Unabhängig von einem guten Glauben des Mieters an sein Besitzrecht ist in diesem Fall ein Ersatz jedenfalls dann zu gewähren, wenn aus der Räumungsfrist ein materielles Besitzrecht abzuleiten wäre. Hierüber bestehen unterschiedliche Auffassungen. Der B G H 1 3 2 verneint ein Besitzrecht mit der Begründung, § 765 a ZPO 1 3 3 schiebe lediglich den Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung hinaus, so daß weder ein Recht zum Besitz noch zur Nutzung angenommen werden könne. Derselben Ansicht ist offenbar Wieser, der dem Mieter bei Erlangung einer Räumungsfrist zwar einen Anspruch auf Nutzungsentgang gewähren möchte, dies allerdings nur - wegen anderweitigen Verstoßes gegen Treu und Glauben - als Ausnahme zu der Regel, daß einem unberechtigten Besitzer kein Ersatz zugebilligt werden könne134. Im Gegenschluß entnimmt mithin auch er der Räumungsfrist gemäß §§721,765 a BGB kein Recht zum Besitz. Die gegenteilige Auffassung vertritt dagegen Medicus135. Das Argument, die Frist werde nur zur Räumung bewilligt, begründe aber keine Befugnis zum Gebrauch, sei unzutreffend, da die §§ 721,765 a BGB nicht den Interessen des Vermieters, sondern denen des Mieters dienten. Diese Meinung ist meines Erachtens überzeugend und wird durch folgende Überlegungen gestützt: Zwar wird die Mietzeit durch die Frist nicht verlängert, dennoch haben die Vereinbarungen aus dem Mietvertrag in beschränktem Umfang weiterhin Geltung136. Es bestehen somit Rechte und Pflichten beider Seiten, die mit dem beendeten Vertrag weitgehend korrespondieren. Aus diesem Grunde ist die Annahme eines vertragsähnlichen Verhältnisses137 gerechtfertigt. Da durch dieses Verhältnis zwischen den Parteien dem Mieter hauptsächlich die weitere Nutzung auf bestimmte Zeit gewährt werden soll, muß als notwendige Konsequenz die Beeinträchtigung dieser Zuweisung auch den Anspruch auf Schadensersatz nach sich ziehen. Die Innehabung des Besitzes aufgrund des vertragsähnlichen Verhältnisses beinhaltet, daß der Besitzer ein Recht zum Besitz hat. Dementsprechend ist der Räumungsfrist gemäß §§721, 765 a ZPO ein Recht zum Besitz als auch zur Nutzung zu entnehmen und die Beeinträchtigung des Gebrauchs hat somit einen Ersatzanspruch gemäß § 823 BGB 132 In BGHZ 79, 232,238. 133 Der BGH bezieht seine Ausführungen nur auf § 765 a ZPO, weil aus tatsächlichen Gründen § 721 ZPO keine Anwendung fand. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum für § 721 ZPO nicht Entsprechendes gelten sollte. 134 Wieser, NJW 1971, 597, 598. 135 In Bürgerliches Recht, Rdnr. 607. 136 So z. B. Müller, MDR 1971, 253, 259. 137 So Stein/Jonas/Münzberg, § 721 Rdnr. 3; Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 168.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

zur Folge. Daß der Mieter gemäß § 546a Abs. 1 BGB (§ 557 Abs. 1 BGB a.F.) den Mietzins fortzahlen muß, steht dem nicht entgegen, weil diese Pflicht keine Mißbilligung der Nutzung beinhaltet und somit keinen sanktionsähnlichen Charakter aufweist 138. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Die Vergütung der Gebrauchsmöglichkeit, also die Entgeltlichkeit des Besitzes, spricht erst recht für einen Anspruch auf Entschädigung, da der Mieter dadurch während der Frist schutzwürdig ist. bb) Unrechtmäßiger redlicher, entgeltlicher und unverklagter Besitzer Die §§ 987 ff. BGB zeigen, daß ein zwar unrechtmäßiger, aber gutgläubiger, entgeltlicher und unverklagter Besitzer privilegiert wird. Wie oben erläutert, ist die Nutzung eines Gegenstandes auch durch einen Nichtberechtigten volkswirtschaftlich sinnvoll139 und damit erwünscht, so daß der unberechtigte Gebrauch der Sache nicht rechtswidrig sein kann. Ein Ersatzanspruch gegenüber dem schädigenden Berechtigten könnte allerdings dann verneint werden, wenn man dem Berechtigten mehr Schutz als dem Besitzer zukommen lassen würde. Dagegen spricht jedoch eben die Wertung der §§ 987 ff. BGB, welche wie oben erläutert, eindeutig von einer Bevorzugung des Besitzers ausgehen. Darüber hinaus würde die Verneinung eines Anspruchs zumindest bei Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht des Eigentümers eine gewisse Billigung dieser „Selbstjustiz" mit sich bringen. Jedermann ist jedoch gehalten, das Gesetz zu befolgen, auch dann, wenn ihm selbst Unrecht widerfährt. Daher muß der Eigentümer das prozessuale Verfahren einhalten, d. h. er muß Klage auf Herausgabe der Sache erheben und darf diese nicht durch eigenmächtiges Handeln ersetzen. Demzufolge ist auch der Eigentümer zum Ersatz der Nutzungen verpflichtet, die infolge seiner Besitzstörung nicht gezogen werden konnten. Er kann eventuell je nach dem Innenverhältnis eigene Ersatzansprüche dagegen halten. cc) Bösgläubiger, unentgeltlicher oder verklagter unrechtmäßiger Besitzer Ist der unrechtmäßige Besitzer unredlich, unentgeltlich oder verklagt, könnte die Berechtigung des Eigentümers auf Ziehung der Nutzungen dazu führen, daß dem Besitzer ein Schadensersatzanspruch gegen den Eigentümer abgesprochen wird. Der Gebrauch der Sache ist allerdings auch hier wirtschaftlich sinnvoll und die gesetzlichen Regelungen sprechen, wie oben erläutert, nicht stichhaltig gegen einen Schadensersatzanspruch eines geduldeten unrechtmäßigen Besitzers gegen einen Dritten. 138 Vgl. hierzu Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 168. 139 So Honseil, JZ 1983, 531, 534.

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Fraglich ist jedoch zunächst ein Anspruch des vom Eigentümer auf Herausgabe der Sache verklagten Besitzers gegen den Eigentümer. Hier hat der Eigentümer klar sein Recht geltend gemacht und seine Berechtigung nach außen adressiert. Daß in dieser Situation der Besitzer von einem Dritten als Schädiger Ersatz fordern kann, bedeutet nicht, daß dies auch bei dem schädigenden Eigentümer gelten muß. Denn dieser ist im Vergleich zum Dritten besser gestellt; neben das fehlende Schutzbedürfnis des Besitzers tritt hier weiterhin die Berechtigung in der Person des Anspruchsgegners. Allerdings kann dem Eigentümer nicht Tür und Tor zur Ausübung von Selbstjustiz geöffnet werden. Würde der Eigentümer den Verklagten ohne Sanktion im Besitz stören können, so bestünde die Gefahr, daß der Eigentümer den Gegenstand ohne Abwarten der gerichtlichen Entscheidung eigenmächtig an sich bringt oder womöglich aus destruktiven Gründen zerstört. Um diese praktischen Auswirkungen zu vermeiden, ist dem Besitzer dem Grunde nach auch gegen den klagenden Eigentümer als Schädiger ein Schadensersatzanspruch zuzubilligen. Bei dieser Konstellation wird es jedoch regelmäßig am ersatzfähigen Schaden fehlen. Wäre die Klage des Eigentümers auf Herausgabe durchgegangen, so hätte der Besitzer den Gegenstand sowieso herausgeben müssen und keine Nutzungen ziehen können, so daß ein Schaden entfallen kann. 140 Schwierig ist die Lösung dann, wenn der Besitzer nicht verklagt, sondern entweder unredlich ist oder die Sachherrschaft unentgeltlich erlangt hat. Bei Unredlichkeit des Besitzers besteht die Situation, daß der Besitzer weiß, daß er im Unrecht ist und somit auch Kenntnis davon hat, daß es einen Berechtigten gibt. Es besteht 140 So hat der BGH etwa 1958 entschieden, daß ein Schadensersatzanspruch mangels ersatzfähiger Einbuße dann nicht bejaht werden kann, wenn ein Anspruch auf Herausgabe des Gegenstandes bestand, dieser nicht im gerichtlichen Wege durchgesetzt, sondern die Sache ohne Willen des Besitzers an sich genommen wurde, BGH W M 1958, 1481 ff.: Der einzige Gesellschafter und zugleich der einzig vertretungsberechtigte Geschäftsführer einer GmbH hatte hier einen Sicherungsübereignungsvertrag mit dem beklagten Kreditinstitut über im Eigentum der GmbH befindliche Maschinen geschlossen. Nach dem Vertragsinhalt war das Kreditinstitut bei Zahlungsverzug der GmbH berechtigt, die Maschinen in Besitz zu nehmen und nach billigem Ermessen zu verwerten. Sodann kündigte das Institut wegen Differenzen mit der GmbH den Darlehensvertrag schriftlich und berief sich darauf, daß die GmbH unrichtige Tatsachen angeführt habe, welche zur Auszahlung des Darlehens geführt hätten. Kurz darauf nahm das Institut die Maschinen in Besitz. Wegen der noch ausbleibenden Darlehenssumme nahm sie weiterhin den alleinigen Gesellschafter der GmbH in Anspruch, der für die Darlehensschuld gebürgt hatte. Der Gesellschafter erhob daraufhin die Vollstreckungsgegenklage mit der Begründung, die Kündigung sei unwirksam und der GmbH stünden durch die eigenmächtige Inbesitznahme gegen das Institut Ansprüche aus unerlaubter Handlung und positiver Vertragsverletzung zu. Mit diesen Ansprüchen könne die Beklagte aufrechnen, womit er selbst nicht in Anspruch genommen werden könne. Das Gericht hielt hier die Kündigung für berechtigt. Sehe weiterhin der Sicherungsübereignungsvertrag ausdrücklich vor, daß die Vorbehaltsware vom Sicherungsnehmer in Besitz genommen werde, so könne ein Schadensersatzanspruch auch dann nicht begründet werden, wenn die Inbesitznahme eigenmächtig erfolgt sei. Der Sicherungsgeber habe in jedem Falle die vertragliche Pflicht gehabt, den Gegenstand herauszugeben. Wäre er dieser Pflicht nachgekommen, wäre derselbe Zustand erreicht worden. Folglich sei hier eine ersatzfähige Einbuße nicht ersichtlich. Die Klage wurde daher abgewiesen.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

die Gefahr, daß der Besitzer durch sein Wissen die Möglichkeit hat, die Rückgabe der Sache absichtlich zu verzögern. Nimmt der Eigentümer nun den Gegenstand durch verbotene Eigenmacht wieder an sich, so wäre es seltsam, dem Besitzer einen Anspruch auf Entgang der dadurch ausgebliebenen Nutzungen zu verschaffen. Allerdings gilt auch hier, daß der Eigentümer stets das prozessuale Verfahren einhalten muß und daß er nicht durch Selbstjustiz den unrechten Zustand zurechtrükken darf. Somit besteht die Lage, daß einerseits der Eigentümer schutzwürdig ist und der Besitzer nicht, aber andererseits der Eigentümer sich an die gesetzlichen Regeln zur Wiederherstellung der ordnungsgemäßen Verhältnisse halten muß. Hier wird die Entscheidung zugunsten des Eigentümers zu fällen sein: Ausschlaggebend ist, daß der böse Glaube des Besitzers im Verhältnis zum Berechtigten sanktioniert werden muß. Es ist nicht einsichtig, weshalb er bei - selbst rechtswidrigem - Entzug der Sache durch den Eigentümer nun wie ein Berechtigter behandelt werden soll. Der Besitzer hätte den ordungsgemäßen Zustand einfach durch Rückgabe der Sache herstellen können. Tut er dies nicht und übt der Eigentümer daher verbotene Eigenmacht aus, so ist das Verhalten des Besitzers nicht zusätzlich durch einen Ersatzanspruch zu prämieren. Daher ist ihm kein Schadensersatz zuzusprechen. Bei Beschädigung oder Zerstörung des Gegenstandes spielt zwar die Einhaltung des prozessualen Verfahrens keine Rolle, dennoch ist der Besitzer auch hier nicht schützenswert. Es kann keinen folgenschweren Unterschied machen, ob der Eigentümer die Sache an sich nimmt oder den Besitzer in anderer Weise in seinem Besitz stört. In beiden Fällen ist die verwerfliche Gesinnung, die der Besitzer durch seine Unredlichkeit zeigt, nicht durch einen Schadensersatzanspruch zu belohnen. Noch diffiziler stellt sich die Lage dar bei einem Besitzer, der die Sachherrschaft unentgeltlich erlangt hat. Hier greift das Argument, die Erkenntnis des Unrechts müsse geahndet werden, nicht. Somit steht ausschließlich die tatsächliche Berechtigung des Eigentümers gegen die Einhaltung des prozessualen Verfahrens. Hier wird einem gerechten Ausgleich wohl am besten dadurch Genüge getan, die Betonung auf die Einhaltung des prozessualen Verfahrens zu legen und dem Besitzer einen Anspruch zuzubilligen. Somit macht es im Verhältnis zum Eigentümer einen entscheidenden Unterschied, ob der Besitzer unredlich ist oder die Sachherrschaft unentgeltlich erlangt hat. Daß die unentgeltliche Erlangung der Sachherrschaft im Vergleich zur bösgläubigen den „besseren" Besitz nach sich zieht, wird auch im BGB verdeutlicht. § 988 BGB, der die Pflicht des unentgeltlichen Besitzers zur Nutzungsherausgabe regelt, verweist auf § 818 Abs. 3 BGB. Somit muß der nicht mehr bereicherte unentgeltliche Besitzer keinen Weitersatz leisten, während eine solche Begünstigung dem bösgläubigen Besitzer nicht zukommt. Der Einwand, der Eigentümer könne seinerseits gegen den Besitzer Ansprüche aus den Vorschriften des §§ 987 ff. BGB geltend machen, so daß ein Ersatzanspruch des Besitzers wegen der Regel „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" abzulehnen sei 141 , ist nicht überzeugend. Der den unentgeltlichen Besitzer beul Medicus, AcP 165 (1965), 115, 121.

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handelnde § 988 BGB gibt ausschließlich einen Anspruch auf Herausgabe bereits gezogener Nutzungen, so daß für die Zeit nach Besitzstörung gar kein Anspruch des Eigentümers besteht. Der unentgeltliche muß nicht wie der bösgläubige oder deliktische Besitzer bei Verschulden für den Untergang des Gegenstandes und somit für die dadurch entgangenen Nutzungen einstehen. Und selbst wenn ein derartiger Anspruch des Eigentümers bestünde, besteht immer die Möglichkeit, daß der Eigentümer diesen nicht geltend macht. Folglich ist festzuhalten, daß im Verhältnis zum Eigentümer der unredliche Besitzer keinen Anspruch auf Nutzungsentgang geltend machen kann, daß dies aber sehr wohl der unentgeltliche und verklagte Besitzer kann. Zu beachten ist hierbei allerdings, daß der Besitzer nach Klageerhebung zumeist auch bösgläubig sein wird. Die nachträgliche Bösgläubigkeit muß ausreichen, weil der Besitzer durch sein Wissen auch zu diesem Zeitpunkt die korrekte Sachlage wiederherstellen könnte und die Verzögerung der Rückgabe nicht durch die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs belohnt werden soll.

dd) Der deliktische Besitzer und der unrechtmäßige Besitzer, der durch verbotene Eigenmacht den Besitz erlangte Nach den hier entwickelten Rechtsgrundsätzen ist unverkennbar, daß jemand, der durch Delikt oder verbotene Eigenmacht den Besitz erlangte, im Verhältnis zum Eigentümer keine Entschädigung für entgangene Nutzungen verlangen kann. Die Abwägung zwischen der Schutzwürdigkeit des Eigentümers und andererseits des Besitzers fällt hier klar zugunsten ersterem aus. Kann weiter der deliktische oder der sich gemäß § 858 BGB widerrechtlich verhaltende Besitzer bereits nicht von einem Drittschädiger Ersatz fordern, so muß dies konsequenterweise und erst recht im Verhältnis zum Eigentümer gelten142.

ee) Der rechtmäßige, aber nicht zur Nutzung befugte Besitzer Da der entgeltliche Besitzer als jemand, der weder zum Besitz berechtigt noch zur Nutzung befugt ist, vom schädigenden Berechtigten Schadensersatz verlangen 142 Dieses Ergebnis entspricht der - unausgesprochenen, aber zu schlußfolgernden - einhelligen Auffassung in der Literatur, siehe Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1214; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 71; MünchKomm/Wagner, § 823 Rdnr. 152; Wieser, Jus 1970, 557 ff.; derselbe NJW 1971, 597 ff.; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607; derselbe AcP 165, 115 ff.; derselbe SchuldR II, Rdnr. 809; Oppermann, Schadensersatz, 69 ff.; Pieper, Festschrift OLG Zweibrücken, S. 231, 244 f., 255 f.; Kollhosser, JuS 1992, 567, 572; Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 168; Larenz/Canaris, Schuldrecht I I / 2 , § 76 I I 4 f.; Canaris in Festschrift für Flume, S. 371, 401; Honsell, JZ 1983, 531, 535; Palandt/Thomas, § 823 Rdnr. 13. Unklar jedoch Lopau, JuS 1980, 501, 506.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

kann, muß dies erst recht für jemanden gelten, dem zwar ebenfalls nicht die vertragliche Möglichkeit des Gebrauchs eingeräumt wurde, der allerdings ein Recht zum Besitz aufweisen kann. Mithin ist dogmatisch richtig, daß der nicht zur Nutzung aber zum Besitz Berechtigte gegen den schädigenden Eigentümer einen Anspruch auf Ersatz entgangener Nutzungen hat. Allerdings hat der Besitzer eben keine vertraglich eingeräumte Nutzungsmöglichkeit, so etwa der Verwahrer, womit ein ersatzfähiger Schaden nur im Grenzfall einer ihm anheim gegebenen Nutzung denkbar ist.

c) Zusammenfassung Bei Schädigung durch einen Dritten kann der rechtmäßige wie auch der unrechtmäßige Besitzer einen Ersatzanspruch geltend machen. Das gilt nur dann nicht, wenn er den Besitz durch eine unerlaubte Handlung oder verbotene Eigenmacht erlangt hat. Greift der Eigentümer in den Besitz ein, so kann der Besitzer den sich hieraus ergebenden Nutzungsausfall ersetzt verlangen, wenn er rechtmäßig den Besitz innehat. Bei unrechtmäßigem Besitz besteht ein Ersatzanspruch gegen den Eigentümer nicht, wenn der Besitzer bösgläubig ist oder die Sachherrschaft durch Delikt oder verbotene Eigenmacht erlangt hat.

n . Haftungsschaden Hat jemand eine fremde Sache in Besitz und entzieht, beschädigt oder zerstört ein Dritter diese, besteht die Möglichkeit, daß der Besitzer neben dem Dritten ebenfalls dem Eigentümer gegenüber zum Ersatz des erlittenen Schadens verpflichtet ist. Diese Verpflichtung kann sich einmal aus Gesetz ergeben. So schuldet der Besitzer dem Eigentümer gemäß §§ 989, 990 BGB Schadensersatz, gemäß § 993 Abs. 1 BGB nur dann nicht, wenn er redlich und unverklagt ist. Bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 992, 848 BGB haftet er dagegen sogar für Zufall. Eine Einstandspflicht des Besitzers gegenüber dem Eigentümer kann sich darüber hinaus auch aus schuldrechtlicher Vereinbarung ergeben. So könnte ein zum Besitz berechtigter Besitzer aufgrund vertraglicher Regelungen selbst bei fehlendem eigenen Verschulden in die Verantwortung genommen werden. Somit entsteht unter bestimmten Voraussetzungen dem Besitzer bei Zerstörung, Entzug oder Beschädigung des Gegenstandes durch einen Dritten ein Schaden aufgrund seiner Haftung gegenüber dem Berechtigten, der sogenannte Haftungsschaden.

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1. Rechtsprechung Bei dem ersten von der Rechtsprechung hierzu entschiedenen, schon erwähnten Fall des OLG Braunschweig hatte ein Kraftwagen eine Straße beschädigt, welche sich im Besitz des Fiskus befand 143. Da der Fiskus dem Eigentümer gegenüber als Träger der Straßenbaulast ausbesserungspflichtig sei, müsse dieser vom Schädiger den entstandenen Schaden ersetzt bekommen. Dies stellte das Gericht ohne nähere Begründung fest. Es handelte sich also um einen Haftungsschaden eines berechtigen Besitzers, der allerdings nur die Unterhaltspflicht, aber kein Nutzungsrecht inne hatte. Der BGH hatte sodann über Fälle zu entscheiden, wo die Mietsache oder auch das Leasinggut144 durch Verschulden eines Dritten zerstört wurde, wobei die Sachgefahr jeweils dem Besitzer oblag. Obwohl sich die Ersatzpflicht des Besitzers erst aus der vertraglichen Abrede mit dem Vermieter oder Leasinggeber ergab, wurde der durch die gegenüber dem Eigentümer bestehende Verantwortlichkeit entstandene Schaden als Haftungsschaden für ersatzfähig befunden 145.

2. Lösungen der Literatur Der Haftungsschaden wird von der herrschenden Meinung in der Literatur 146 als ersatzwürdig angesehen. Medicus 147 räumt zwar ein, daß die Pflicht des Besitzers zur unversehrten Herausgabe freilich nicht unmittelbar auf der Störung durch den Dritten basiere, sondern auf der schon davor bestandenen Verantwortlichkeit des Besitzers dem Berechtigten gegenüber und somit in den meisten Fällen auf eigenem Verschulden des Besitzers. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, daß der Schaden nur infolge des Eingriffs des Dritten entstanden sei und auf diesem fuße. Auch der Umfang des Schadens gründe adäquat kausal auf der Handlung des Dritten. Das schon bei der Frage der Ersatzfahigkeit des Nutzungsschadens verwendete Argument, der entgangene Vorteil stehe etwa dem unredlichen Besitzer aufgrund gesetzlicher Vorschriften nicht zu, könne hier nicht greifen; eine Haftungsbefreiung billige das Recht nämlich dem „bösesten Besitzer" 148 dann zu, wenn er die unversehrte Sache an den Eigentümer herausgebe. Somit bejaht Medicus die Er143 OLG Braunschweig OLG 34,100 f. 144 BGH VersR 1976, 943 ff.; W M 1976, 1133 ff. = L M 1978, § 249 (Bb), Nr. 23. Die Leasingfälle werden gesondert in Kapitel 5 behandelt. 145 BGHZ 61, 346, 347 = VersR 1974, 90; BGH VersR 1976, 943, 944; BGH NJW 1981, 750, 751; zum Leasingnehmer BGH W M 1976, 1133, 1134 = L M 1978, § 249 (Bb), Nr. 23; VersR 1981, 161, 162; BGHZ 116, 22, 24 ff. 146 Medicus, AcP 165 (1965), 115, 122 f.; Wieser, Jus 1970, 557, 558; NJW 1971, 597; Dörner, VersR 1980, 1000, 1002 ff.; MünchKomm/Mertens, § 823 Rdnr. 146; Staudinger/ Hager, § 823 Rdnr. B 167; Palandt/ Thomas, § 823 Rdnr. 13; Haiti, Der Ersatzanspruch des Leasingnehmers, S. 156 f. 147 Medicus, AcP 165 (1965), 115,122 f. 148 Medicus, AcP 165 (1965), 115,123.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

satzfahigkeit des Haftungsschadens des berechtigten als auch insbesondere des unberechtigten Besitzers. 149 Dabei verkennt er nicht, daß ein solcher Haftungsschaden aufgrund gesetzlicher Regelungen um so eher entsteht, je mehr sich der Besitzer hinsichtlich der Besitzerlangung vorwerfen lassen muß. 150 Zu demselben Ergebnis wie Medicus, jedoch ohne nähere Begründung, kommen Wieser 151, Mertens 152 sowie Hager 153. Dieser Ansicht ablehnend steht Mincke gegenüber154. Mincke verneint die Ersatzfähigkeit des Haftungsschadens mit der Begründung, daß ein solcher Anspruch des Besitzers gegen den Schädiger gar nicht notwendig sei. Die gesetzlichen Regelungen gäben für diesen Fall eine andere Lösung vor. Hafte der Besitzer dem Eigentümer gegenüber auf Schadensersatz aufgrund der durch einen Dritten verursachten Unmöglichkeit der Rückgabe der Sache, könne der Besitzer gemäß § 255 BGB vom Eigentümer die Abtretung der Ansprüche fordern, welche der Eigentümer gegen den Schädiger geltend machen könne.

3. Eigene Stellungnahme Der oben angeführte Gedanke, daß dem unrechtmäßigen Besitzer ein virtuelles Recht des Berechtigten nicht zum Nachteil gereichen soll, ist bei der Bewertung des Haftungsschadens nicht hilfreich, da es hier ja gerade darum geht, daß der Eigentümer von dem Besitzer Schadensersatz begehrt. Zunächst ist hierbei die Frage zu klären, ob der Besitzer überhaupt einen Schaden hat, wenn der Berechtigte seine Ansprüche (noch) gar nicht gegen den Besitzer richtet. Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur kann ein ersatzfähiger Vermögensschaden auch in der bloßen Belastung mit einer Verbindlichkeit bestehen. Der Belastete hat dann gegen den Schädiger gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 BGB einen Freihaltungsanspruch, also nur einen Anspruch auf Freistellung, aber nicht auf Geldersatz.155 Diese Rechtsfolge ist auch gerechtfertigt, da sonst der Geschädigte einem unter Umständen erheblichen Anspruch ausgesetzt ist und nicht sicher sein kann, ob eine 149 Vgl. Medicus, AcP 165 (1965), 115,123; ebenfalls in Bürgerliches Recht, Rdnr. 607. 150 Medicus, AcP 165 (1965), 115,123 und Bürgerliches Recht, Rdnr. 607. 151 In Jus 1970,557, 558 und NJW 1971, 597. 152 MünchKomm/Wagner, § 823 Rdnr. 152. 153 Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 167. 154 In JZ 1984, 862, 865 f. Mincke geht im übrigen bei der Frage, welche Positionen unter „sonstige Rechte" i. S. des § 823 Abs. 1 BGB fallen, davon aus, daß Eingriffe in den „absoluten Gehalt eines Forderungsrechts" ohne Heranziehung des Besitzes hierzu ausreichen, weil das Forderungsrecht einen absolut zugewiesenen Wert des Rechts darstelle, (a. a. O., S. 864 ff.) Die Zugrundelegung dieser These macht bei der Frage der Ersatzwürdigkeit des Haftungsschadens jedoch anscheinend keinen relevanten Unterschied. 155 BGH NJW-RR 1987, 43, 44; NJW-RR 1987, 869, 870; NJW 1989, 1215, 1216; BB 1990,1223; NJW 1991, 2014; Palandt/Heinrichs, Vorbem v § 249 Rdnr. 46; Soergel/Mertens, § 249 Rdnr. 46, 127; Staudinger/Schiemann, § 249 Rdnr. 202 f.

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Schadloshaltung beim Schädiger durchführbar ist. Weiterhin wird durch diese Konstruktion ermöglicht, dem Berechtigten und damit regelmäßig primär Betroffenen, Ersatz vom eigentlichen Verursacher zukommen zu lassen156. Nicht verwechselt werden darf dieser Freistellungsanspruch jedoch mit einem eigenen Geldersatzanspruch. Ein solcher Anspruch kann ihm erst dann zugebilligt werden, wenn er aufgrund seiner Verantwortlichkeit an den Eigentümer geleistet hat. So ist auch anerkannt, daß sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umwandelt, wenn der Geschädigte die ihn belastende Verbindlichkeit tilgt 157 . Daß der Besitzer bei der bloß theoretischen Möglichkeit der Inanspruchnahme noch keinen Haftungsschaden in Form des Geldersatzes geltend machen kann, wird auch durch Rechtsprechung und Literatur gestützt: Wenn ein Berechtigter, der keinen eigenen Anspruch gegen den Schädiger, doch einen Anspruch gegen den Besitzer hat, der seinerseits einen Freistellungsanspruch geltend machen kann, muß dies erst recht dann gelten, wenn der Berechtigte, wie hier der Eigentümer, gegen den Schädiger einen Schadensersatzanspruch innehat. So wird auch vermieden, daß der Besitzer durch die Schadensersatzleistung des Dritten mehr erhält, als ihm eigentlich zusteht. Auch der berechtigte Besitzer würde sonst bei Untätigbleiben des Berechtigten besser dastehen als ohne das Schadensereignis. Sein primärer Schaden ist bereits durch den Ersatz des Nutzungsentgangs abgedeckt.158 Für den Ersatzanspruch des Besitzers wegen eines Haftungs156 Bei den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen (vgl. oben unter C ü.) hatte allerdings der Dritte keinen eigenen Anspruch gegen den Schädiger, so daß nur durch die Qualifizierung der Belastung mit einer Verbindlichkeit als Schaden i. S. der §§ 249 ff. BGB der Belastete zu der Wiederherstellung der ursprünglichen Vermögenslage kam. Anders aber als bei diesen von der Rechtsprechung zugrundegelegten Sachverhalten hat bei der speziellen Konstellation von Eigentümer und Besitzer der Eigentümer einen eigenen Anspruch gegen den Schädiger. Er kann nämlich seinen Substanzschaden ersetzt verlangen. Dies spricht allerdings nicht gegen einen Freistellungsanspruch des Besitzers, denn der Besitzer ist immer noch mit einer Verbindlichkeit belastet und der Eigentümer nicht verpflichtet, gegen den Schädiger vorzugehen. 157 BGH NJW-RR 1987, 869, 870; NJW 1991, 2014; Palandt/Heinrichs, Vorbem v § 249 Rdnr. 46; Staudinger/Schiemann, § 249 Rdnr. 202 f.

158 Siehe zum Nutzungsschaden in diesem Kapitel oben bei C I. Es wird deutlich, daß die Grenze zwischen dem Haftungsschaden und dem Nutzungsschaden nicht immer klar zu ziehen ist. Dies gilt insbesondere für den Fall, in dem der bösgläubige unrechtmäßige Besitzer seinen Nutzungsausfall ersetzt haben möchte und dabei dem Berechtigten gemäß § 990, 989 BGB auch für die entgangenen Nutzungen haftet. Auch wenn dem Besitzer ein Schaden in zwei verschiedenen Arten entsteht, handelt es sich tatsächlich doch um denselben. Der Besitzer kann hierbei auch nicht etwa zweimal einen Ausgleich für die entgangene Nutzung verlangen, einmal aufgrund des eigenen Nutzungsausfalls und zum zweiten wegen der Haftung gegenüber dem Berechtigten (ab dem Zeitpunkt des Schadensereignisses, da sonst nicht kausal). Bei dieser Konstellation hat im übrigen der Eigentümer selbst keinen eigenen Anspruch wegen Nutzungsausfalls gegen den Schädiger, da sein Nutzungsausfall nicht kausal auf der Besitzstörung des Dritten beruht, sondern auf der Sachherrschaft des Besitzers. Somit fehlt hier dem Eigentümer schon die tatsächliche Möglichkeit des Gebrauchs, welche für die Geltendmachung eines derartigen Anspruchs Voraussetzung ist.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

schadens ist immer vorauszusetzen, daß der Besitzer auch vom Eigentümer in Anspruch genommen werden kann. 159 Wird nunmehr der Besitzer vom Eigentümer in Anspruch genommen, muß die Schädigung durch den Dritten weiterhin kausal für die Inanspruchnahme durch den Eigentümer sein. Offensichtlich ist dabei, daß die durch die Ersatzpflicht des Besitzers bewirkte Einbuße kausal auf dem Eingriff des Dritten beruht, soweit die Ersatzpflicht sich aus der Anwendung von gesetzlichen Vorschriften ergibt, wie etwa den §§ 987 ff. BGB. Fraglich ist allerdings, ob das auch gilt, wenn die Ersatzpflicht des Besitzers auf einer vertraglichen Vereinbarung beruht. So kann bei einem Leihvertrag die Gefahr der unverschuldeten Beschädigung der Leihsache entgegen den §§ 598 ff. BGB dem Entleiher überbürdet werden, womit der Entleiher bei Schädigung durch einen Dritten für die Reparatur der Sache aufkommen muß. Da der Entleiher die Sache ersetzen muß, handelt es sich hier also um die Übernahme der Sachgefahr. Da der Entleiher ohne das schädigende Ereignis die Aufwendungen für die Reparatur nicht hätte vornehmen müssen, ist diese Einbuße durch die Schädigung des Dritten verursacht. Anders könnte die Lage aber beurteilt werden, wenn der Besitzer nicht Träger der Sachgefahr, sondern (oder auch) Träger der Preisgefahr ist. So könnte durch vertragliche Abmachung dem gewerblichen Mieter die Pflicht auferlegt werden, seinen Mietzins bei unverschuldeter Beschädigung oder gar Zerstörung der Mietsache entgegen den Vorschriften der §§ 535 ff. BGB weiterzuzahlen160. Damit würde der Mieter nicht die Sachgefahr, sondern die Preisgefahr übernehmen. Wird die Sache nun durch Verschulden eines Dritten beschädigt, entsteht keine neue Verpflichtung, sondern die Zahlungspflicht besteht einfach fort, obwohl das Äquivalent dieser Leistung, die Sachnutzung, weggefallen ist. Bei dem von dem Besitzer dann gegen den Schädiger zu erhebenden Anspruch wegen eines Haftungsschadens geht es aber nicht um den Ersatz der weggefallenen Sachnutzung, sondern um die Pflicht zur Zahlung des Mietzinses. Diese Verpflichtung bestand schon vorher und ist daher nicht durch das schädigende Ereignis verursacht. Die Schädigung des Dritten führt zu einer Vergütung ohne Nutzung.161 159 Diese Richtung gibt im übrigen auch die Entscheidung des BGH NJW-RR 1987, 43, 44 vor, wo ausdrücklich gesagt wird, daß ein Schadensersatzanspruch wegen der Belastung mit einer Verbindlichkeit voraussetzt, daß der Anspruchssteller tatsächlich mit der Verbindlichkeit beschwert ist, er müßte bei vorliegendem Fall dem „berechtigten Wandlungsver/angen " des Dritten ausgesetzt sein. 160 Bei Zerstörung der Mietsache hat der Mieter keinen Anspruch auf deren Wiederherstellung, vielmehr sind nun die allgemeinen Regeln anwendbar (BGH ZMR 1991, 19, 20; W M 1990, 546, 547; Karlsr ZMR 1995, 201, 212; Kinne I Schach Mietvertrags- und Mietprozeßrecht, § 535 Rdnr. 76; Emmerich / Sonnenschein, Miete, §§ 535, 536 Rdnr. 18; Palandt/Weidenkaff, § 535 Rdnr. 37). Da dem Vermieter die Gebrauchsüberlassung unmöglich geworden ist, verliert er demnach gemäß § 326 Abs. 1 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung. Der Mieter hat demnach die Sache nicht mehr, muß aber auch nicht den Mietzins entrichten. 161

Praktisch relevant wird dieses Problem bei Leasingverträgen, vgl. Kapitel 5.

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Obige Grundsätze sind im übrigen auch auf die Ersatzpflicht des Besitzers aufgrund der Anwendung gesetzlicher Regelungen übertragbar, allerdings ist eine Belastung des Besitzers mit der Preisgefahr bei den gesetzlich geregelten Vertragstypen nicht vorgesehen.162 Wurde die Sachgefahr übergewälzt, kann trotz der Kausalität zwischen der Schädigung und der Einbuße aufgrund der Anwendung von gesetzlichen Haftungsregelungen aus dieser Tatsache allerdings noch nicht zwingend die Ersatzwürdigkeit des Haftungsschadens des Besitzers gefolgert werden, da ansonsten jeglicher Schaden vom verursachenden Dritten ersetzt werden müßte. Daß dies nicht stets so ist, wurde bereits oben beim Nutzungsentgang erörtert. Allerdings ging es bei dem Nutzungsschaden gerade darum, daß der Besitz nicht die Gebrauchsmöglichkeit sichert. Bei der Inanspruchnahme wegen der eigenen Verantwortlichkeit für eine Sache kommt es jedoch nicht auf einen Zuweisungsgehalt des Besitzes an. Hier ist ganz unerheblich, welche Befugnisse dem Besitzer seitens des Berechtigten zugewiesen worden sind. Somit kann hinsichtlich des Haftungsschadens auch kein Unterschied gemacht werden, ob der Besitzer zum Besitz berechtigt war oder nicht. Folglich ist der Schaden ersatzwürdig, der dem berechtigten und dem nicht berechtigten Besitzer daraus entsteht, daß der Eigentümer diesen tatsächlich haften läßt. Wie Medicus163 zutreffend ausführt, stehen diesem Ergebnis auch keine gesetzlichen Regelungen entgegen, da sich selbst der böseste Besitzer durch Herausgabe der intakten Sache von einer Haftung befreien kann. Das Argument, eines eigenen Anspruchs aufgrund eines Haftungsschadens bedürfe es nicht, da bei einer von dem Dritten verantworteten Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache der Besitzer gemäß § 255 BGB vom Schädiger die Abtretung der Ansprüche fordern könne, ist nicht überzeugend. Sinn des § 255 BGB ist nämlich nicht, einem selbständigen Anspruch im Innenverhältnis der Schuldner 162 Dieser Grundsatz steht im Übrigen auch nicht mit den oben dargestellten zutreffenden Ausführungen von Medicus (AcP 165 (1965), 115, 122 f.) im Widerspruch. Zwar betonte Medicus nicht den Unterschied zwischen Sach- und Preisgefahr, er behandelte aber dennoch ausdrücklich die Fälle, in denen die Besitzer die „Herausgabe der unversehrten Sache" schulden und eben nicht die Fortzahlung der Geldleistung. Damit ging er nur auf Konstellationen ein, bei welchen die Besitzer wegen der ihnen auferlegten Sachgefahr haften. Folglich kommt bei ihnen ein Haftungsschaden also nur bei Übernahme der Sachgefahr in Betracht. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zu dem Haftungsschaden des Leasingnehmers in Kapitel 5 unter B. II. 2. a) bb). Hier wird von der herrschenden Meinung die Ersatzfähigkeit des Haftungsschadens des Leasingnehmers, der die Preisgefahr auch bei unverschuldetem Untergang des Leasingguts trägt, im Ergebnis wegen mangelnder Kausalität zwischen schädigendem Ereignis und der Haftung gegenüber dem Leasinggeber abgelehnt. Siehe hierzu Dörner, VersR 1978, 884, 892; Reinking, Auto- Leasing, S. 152; Schnauder, JuS 1992, 820, 823; Graf v. Westphalen, Der Leasingvertrag, Rdnr. 3956; Büschgen /Berninghaus, Praxishandbuch Leasing, § 15 Rdnr. 27; Staudinger/Emmerich, 1995, Vorbem zu §§ 535, 536 Rdnr. 103; Engel/ Paul, Handbuch Kraftfahrzeug-Leasing, § 11 E I ; DAV/Dittrich, Kfz-Leasing, S. 14; MünchKomm/ Habersack, Leasing, Rdnr. 122; Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, Rdnr. D 86.

163 Medicus, AcP 165 (1965), 115,122 f. 5 Konnertz

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

(hier Besitzer und Dritter) vorzubeugen, sondern zu verhindern, daß der Gläubiger (hier der Eigentümer) mehr bekommt, als ihm zusteht164. Bei dem Haftungsersatz handelt es sich mithin nicht wie bei § 255 BGB um einen Regreßanspruch, sondern um einen selbständigen Anspruch aufgrund eines selbst erlittenen Schadens. Daß ein Haftungsschaden eher bei Störung eines „bösen" als eines „guten" Besitzers entsteht, steht der Ersatzwürdigkeit ebenfalls nicht entgegen. Denn der besser Berechtigte ist hierbei regelmäßig schon insoweit im Vorteil, als er erst gar nicht für einen solchen Schaden zur Verantwortung gezogen werden kann. Daher kann der von dem Eigentümer aufgrund einer Ersatzpflicht auf Schadensersatz in Anspruch genommene berechtigte Besitzer wie auch der unberechtigte Besitzer von dem schädigenden Dritten Ersatz gemäß § 823 BGB verlangen.

I I I . Verwendungsschaden Ein weiterer Schaden des Besitzers entsteht aufgrund der Beeinträchtigung des Rechts, das dem Besitzer wegen getätigter Verwendungen auf die Sache zusteht. Lässt etwa der gutgläubige Käufer eines gestohlenen Fahrrades das schon vor dem Diebstahl vorhanden gewesene Loch im Reifen reparieren, kann er vom Eigentümer für diese notwendige Verwendung gemäß § 994 Abs. 1 BGB Ersatz verlangen. Selbst dem in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse unredlichen Besitzer oder auch dem verklagten Besitzer kann gegenüber dem Eigentümer ein Ersatzanspruch zustehen, wenn er auf die Sache notwendige Verwendungen gemacht hat; dies ergibt sich aus § 994 Abs. 2 BGB i. V. mit § 683 BGB oder auch § 684 i. V. mit § 812 BGB 1 6 5 . Diese Ansprüche kann der Besitzer gemäß § 1001 BGB jedoch nur dann geltend machen, wenn der Eigentümer die Sache wiedererlangt oder die Verwendung genehmigt166. Wird nun in unserem Beispiel das Fahrrad durch das Verschulden eines Dritten zerstört, ist wegen des Untergangs der Sache unwahrscheinlich, daß der Eigentümer die Verwendung des Besitzers genehmigt; weiterhin ist die Herausgabe des Fahrrads an den Eigentümer unmöglich geworden. Somit hat der Besitzer durch die Sachbeschädigung einen Schaden erlitten, weil ihm die Möglichkeit genommen wird, einen ihm zustehenden Ersatzanspruch geltend zu machen. Auch das dem Besitzer eigentlich bis zum erfolgten Ausgleich für getätigte Verwendungen zustehende Zurückbehaltungsrecht, welches sich aus § 1000 BGB ergibt, verliert seine Bedeutung. Bei Untergang der Sache existiert der Gegenstand nicht mehr, somit hat der Besitzer nichts, was er zur Durchsetzung seines Anspruchs zurückhalten könnte, womit ihm ein wichtiges Druckmittel zur 164 RGZ 53, 327, 328 f.; Soergel/Mertens, § 255 Rdnr. 3; Jauernig/Teichmann, BGB, § 255 Rdnr. 1; MünchKomm/Oetker, § 255 Rdnr. 1; Palandt/Heinrichs, § 255 Rdnr. 1. 165 Vgl. etwa Staudinger/Gursky, § 994 Rdnr. 22 ff.; Erman/Hefermehl, § 994 Rdnr. 10; Wolf, Sachenrecht, § 12II. 166 Siehe hierzu Soergel/Mühl, § 1001 Rdnr. 5; Staudinger/Gursky, § 1001 Rdnr. 2, 6; Wolf, Sachenrecht, § 12IV.

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Befriedigung seines Anspruchs verloren geht. Weiterhin besteht gemäß § 1003 BGB bei Verweigerung der Genehmigung des Eigentümers im Sinne des § 1001 Abs. 1 BGB die Möglichkeit, daß der Besitzer die Sache nach Fristsetzung verwertet. Aber auch dies wird dem Besitzer vereitelt, wenn der Gegenstand zerstört oder stark beschädigt wird. Somit entsteht die Situation, daß der redliche unverklagte wie der unredliche oder verklagte Besitzer einen Anspruch auf Ausgleich der getätigten notwendigen Verwendungen hat, diesen aber aufgrund der Schädigung durch den Dritten nicht mehr geltend machen kann. Für nicht notwendige, sondern nur nützliche Verwendungen besteht dagegen nach § 996 BGB nur ein eingeschränktes Verwendungsersatzrecht, da insoweit nur der gutgläubige und unverklagte Besitzer in Höhe der dem Eigentümer verbleibenden Bereicherung berechtigt ist. Fraglich ist nun, ob die Vereitelung dieser rechtlichen Möglichkeiten einen ersatzfähigen Schaden des Besitzers darstellt. Die hieraus entstandene Einbuße geht kausal auf die Besitzstörung des Dritten zurück. Wie oben gezeigt, ist jedoch die kausale Verursachung für sich genommen nicht ausreichend; vielmehr ist zu prüfen, ob der betreffende Schaden nach der Systematik des Vindikations- und Deliktsrechts ersatzwürdig ist.

1. Literatur Die Literatur bejaht 167 die Ersatzfähigkeit eines solchen Verwendungsschadens des Besitzers. Medicus 168 führt aus, der Anspruch auf Verwendungsersatz sei gesetzlich ausdrücklich geregelt, womit eine rechtliche Mißbilligung dieses Vorteils nicht vorliege. Weiterhin bestehe hier nicht die problematische Konkurrenz mit einem sich auf dieselbe Position beziehenden Anspruch des Eigentümers gegen den Drittschädiger. Das ergebe sich daraus, daß der Eigentümer, der Verwendungen weder selbst getätigt habe noch gemäß § 994 BGB zu ersetzen brauche, auch keinen Schaden habe. Daher müsse der Eigentümer bei seinem eigenen Anspruch gegen den Dritten auf den Substanzwert sich die Summe anrechnen lassen, die er gemäß § 994 BGB hätte leisten müssen, um den Gegenstand von dem Besitzer wiedererlangen zu können. Daher bestehe ein sich auf dieselbe Position richtender Anspruch des Eigentümers nicht, so daß der redliche wie der unredliche Besitzer zur Geltendmachung eines Schadensersatzes aufgrund Verwendungen, für welche er ohne das von einem Dritten verschuldete Schadensereignis aus gesetzlichen Regelungen Ersatz erlangt hätte, berechtigt sei. Dies entspricht im Ergebnis der einhelligen Meinung in der Literatur 169. 167 Medicus, AcP 165 (1965), 115, 123 f.; Staudinger/Schäfer, 1986, § 823 Rdnr. 100; Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 167; MünchKomm/Wagner, § 823 Rdnr. 152; Wieser, JuS 1970,557, 558; derselbe, NJW 1971,597; Mincke, JZ 1984, 862, 866. 168 Medicus, AcP 165 (1965), 115,123 f. 169 So, jedoch ohne Begründung, Staudinger/Schäfer, 1986, § 823 Rdnr. 100; Staudinger/ Hager, § 823 Rdnr. B 167; MünchKomm/Mertens, § 823 Rdnr. 147; Wieser, JuS 1970, 557, *

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

Medicus geht weiter auf die Konstellation ein, in der nicht ein Dritter, sondern der Eigentümer selbst den Schaden verursacht. Dann entsteht die Situation, daß der Eigentümer dem Besitzer eigentlich zum Ersatz der Verwendungen verpflichtet wäre, diesen Anspruch jedoch selbst vereitelt hat. Aber auch hier muß nach Medicus die Situation geschaffen werden, die ohne das schadensbegründende Ereignis bestehen würde. Ohne dieses bekäme der Eigentümer die Sache nur heraus, wenn er den Besitzer entschädigen würde. Dann dürfe er auch nicht durch Entziehung des Besitzes oder Zerstörung der Sache den Besitzer um die Ausübung seiner Befugnisse bringen. Daher habe somit der - redliche oder unredliche - Besitzer auch gegen den schädigenden Eigentümer einen Anspruch auf Ersatz der Verwendungen, für die sonst ein Verwendungsersatzrecht besteht170. 2. Stellungnahme Wie bei dem Haftungsschaden geht es auch hier (anders als beim Nutzungsentgang) um eine Zuweisung, in welche eingegriffen wurde. Daher kann die Berechtigung des Besitzers nicht ausschlaggebend dafür sein, ob Ersatz gewährt wird. Vielmehr ist hier die Situation wiederherzustellen, welche ohne das schadensbegründende Ereignis vorliegen würde. Wenn sich also aus den gesetzlichen Regelungen, insbesondere den §§ 994 ff. BGB, ein Anspruch des Besitzers auf Ersatz ergeben würde und dieser ohne die Schädigung auch ohne weiteres, d. h. durch Rückgabe gemäß § 1001 BGB oder Befriedigung gemäß § 1003 Abs. 1 BGB, geltend gemacht werden könnte, ist dem Besitzer ein Anspruch auf Ersatz seiner Verwendungen nach Schadenseintritt zuzubilligen. Dies gilt im Verhältnis zum Dritten wie zum Eigentümer. Sonst könnte nämlich der Eigentümer einem Verwendungsersatzanspruch des Besitzers derart aus dem Weg gehen, daß er die Sache entzieht oder sogar zerstört. Weiterhin ist der Eigentümer in diesem Fall nicht schutzwürdig. Würde er von einer Ersatzpflicht verschont, würde er nämlich für sein schuldhaftes Verhalten noch belohnt werden. Somit kann der Besitzer seinen Verwendungsschaden sowohl vom schädigenden Dritten als auch Eigentümer ersetzt verlangen. Zweifelhaft ist aber die Höhe des Anspruchs. Tätigt der Besitzer zum Beispiel Verwendungen über 20 Euro auf einen Gegenstand, welcher dann objektiv 50 Euro wert ist, liegt es nahe, daß der Eigentümer bei ungestörtem Verlauf der Dinge die Verwendungen genehmigt oder auf der Wiedererlangung der Sache bestanden hätte. Diese Vorgehensweise entspricht seinem Interesse, da ihm durch Wiederer558; derselbe NJW 1971, 597. Mincke, JZ 1984, 862, 866, erachtet zwar die Ersatzfähigkeit des Verwendungsschadens ebenfalls als notwendig, allerdings legt er nicht zugrunde, daß der Besitz deliktisch geschützt wird, sondern er sieht Eingriffe in den „absoluten Gehalt eines Forderungsrechts" ohne Heranziehung des Besitzes als Verletzung des § 823 BGB als ausreichend, da das Forderungsrecht einen absolut zugewiesenen Wert des Rechts darstelle. Das „Verwendungsinteresse" stelle ein obligatorisches Recht dar, daher greife der Dritte in den Wert des obligatorischen Rechts ein und müsse somit Schadensersatz leisten. Ho Medicus, AcP 165 (1965), 115, 134 f.

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langung der Sache der objektive Wert von 50 Euro zukommen würde, er auf der anderen Seite dem Besitzer lediglich 20 Euro Verwendungsersatz zahlen müßte. Übersteigt die Höhe der Verwendung jedoch den Sachwert des Gegenstandes, ist fraglich, welchen Betrag der Besitzer ersetzt verlangen kann. Belaufen sich die Verwendungen zum Beispiel auf 100 Euro bei einem Sachwert von bloß 80 Euro, würde der Eigentümer wohl auf die Wiedererlangung der Sache verzichten und die Verwendungen nicht genehmigen, weil der Eigentümer sonst die Differenz von 20 Euro bezahlen müßte. Diese Handlungsweise ist gemäß § 1001 S. 2 BGB möglich; Satz 2 bestimmt zum Schutz des Eigentümers gegen Ansprüche, die den Wert der Sache übersteigen171, daß der Eigentümer sich bis zur Genehmigung der Verwendungen von dem Verwendungsersatzanspruch befreien kann, indem er die Sache dem Besitzer zurückgibt 172. Allerdings kann der Besitzer gemäß § 1003 Abs. 1 BGB dem Eigentümer eine Frist zur Genehmigung setzen, nach deren Ablauf er berechtigt ist, den Gegenstand zwangsversteigern zu lassen173. Durch die Verwertung des Gegenstandes wäre dem Besitzer dann regelmäßig praktisch der Sachwert zugeflossen. Somit kommt dem Besitzer im Ergebnis der objektive Wert der Sache zu. Wird der Gegenstand nun zerstört, so wird dem Besitzer zumindest die Möglichkeit der Befriedigung durch Zwangsverkauf genommen. Daher kann der Besitzer bei unserem Beispiel zwar nicht den Wert der Verwendungen in Höhe von 100 Euro, aber den objektiven Wert der Sache in Höhe von 80 Euro ersetzt verlangen. Somit ist der Schadensersatzanspruch wegen Vereitelung des Ersatzanspruchs wegen getätigter notwendiger Verwendungen gegen den Eigentümer gemäß § 994 BGB auf den Sachwert begrenzt. Dies gilt zweifellos bei einem schädigenden Dritten als Anspruchsgegner. Zweifelhaft ist das jedoch bei einem Eigentümer, der die sich im Besitz eines anderen befindende Sache zerstört. Würde der Eigentümer die Sache nicht schuldhaft zerstören, sondern nur eigenmächtig entziehen, wäre dies nach herrschender Meinung als „Wiedererlangung" i. S. des § 1001 S. 1 BGB anzusehen174. Das würde dazu führen, daß der Besitzer nun seine Verwendungen gemäß § 994 BGB klageweise ersetzt verlangen könnte. Somit könnte der Besitzer in unserem Beispiel gemäß § 994 BGB die 100 Euro geltend machen. Der Unterschied zwischen der Entzie171 Vgl. Staudinger/Gursky, § 1001 Rdnr. 13; Soergel/Mühl, § 1001 Rdnr. 5. 172 Wobei der Besitzer den Gegenstand zuvor dem Eigentümer zurückgegeben hat, weil dies gemäß § 1001 S. 1 BGB bei fehlender Genehmigung des Eigentümers Voraussetzung dafür ist, daß der Besitzer seine Verwendungen klageweise geltend machen kann. Siehe hierzu etwa Staudinger/Gursky, § 1001 Rdnr. 13. 173 § 1003 BGB beendet den Schwebezustand, der dadurch entsteht, daß der Eigentümer nunmehr die Herausgabe nicht erzwingen kann und der Besitzer die Zahlung nicht fordern kann, siehe Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 33 V I 3. Zum Verwertungsrecht gemäß § 1003 BGB siehe ferner Wieling, Sachenrecht, § 12 V 7 c; Soergel/Mühl, § 1003 Rdnr. 3. 174 Dies ergibt sich schon aus der Entstehungsgeschichte des BGB, vgl. Mugdan HI S. 691, ebenso Hoche, NJW 1957, 468; Staudinger/Gursky, § 1001 Rdnr. 2; Soergel/Mühl, § 1001 Rdnr. 2; Erman/Hefermehl, § 1001 Rdnr. 2.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

hung und der Zerstörung ist so erheblich, daß eine unterschiedliche Schadenshöhe zwischen den beiden Arten der Besitzstörung gerechtfertigt erscheint: Möchte der Eigentümer die Sache haben, obwohl er dann gemäß § 1001 S. 1 BGB mehr für diese zahlen muß als sie wert ist, bekundet er sein Interesse an dem Gegenstand. Ihm kommt es somit nicht auf den Wert an, vielmehr motivieren ihn andere Gründe, die Sache zu behalten. Dafür muß er dann eben den erhöhten Betrag zahlen. Zerstört der Eigentümer den Gegenstand jedoch, fehlt diese Bekundung des Willens, für die Sache mehr als den objektiven Wert zu zahlen, der Eigentümer hat nun vielmehr auch nichts mehr von der Sache. Daher ist eine unterschiedliche Behandlung von Entziehung und Zerstörung gerechtfertigt. Dies gilt allerdings nur, soweit sich der Eigentümer nach Entziehung nicht des Anspruchs durch Rückgabe der Sache an den Besitzer i. S. des § 1001 S. 2 BGB entledigt.

IV. Wegnahme- und Zurückbehaltungsschaden Neben dem Zurückbehaltungsrecht, das sich aus § 1000 BGB wegen getätigter Verwendungen ergibt, hat der Besitzer gemäß § 273 BGB unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht, die Sache zurückzubehalten. Unter den Voraussetzungen des § 997 BGB hat er weiterhin ein Wegnahmerecht an der Sache, die sich in seinem Besitz befindet. Wird die Sache nun zerstört, so werden diese Möglichkeiten vereitelt. Einhellig wird in der Literatur ein Schadensersatzanspruch des Besitzers gegen den Schädiger bejaht 175 , die Rechtsprechung hat bisher dazu noch nicht Stellung nehmen müssen. Medicus differenziert hierbei zwischen einem Recht dem Eigentümer und dem Dritten gegenüber. Als Beispiel sei hier folgendes genannt: Der Käufer eines gestohlenen Fahrrads hat nach Erklärung des Rücktritts gemäß §§ 437,440, 323 BGB wegen § 320 BGB ein Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrrad dem Dieb und Verkäufer gegenüber, bis dieser den erhaltenen Betrag wieder herausgibt. Allerdings besteht dieses Zurückbehaltungsrecht nicht dem Eigentümer gegenüber. Somit ist es nach Medicus nur eine Frage des Zufalls, ob der Eigentümer seinen Herausgabeanspruch zuerst geltend macht oder der Besitzer sein Zurückbehaltungsrecht gegenüber einem Dritten (hier dem Verkäufer) durchsetzt. Daher stelle das Zurückbehaltungsrecht des Besitzers zwar eine rechtliche Möglichkeit dar, diese sei aber ungesichert. Anders sei es aber, wenn das Recht dem Eigentümer gegenüber bestehe, weil nunmehr der Anspruch des Besitzers rechtlich gesichert sei und ihm daher eine Vermögenswerte Befugnis zukomme. Mithin könne der berechtigte wie der unberechtigte Besitzer einen Schadensersatzanspruch aufgrund der Vereitelung eines sonst bestehenden Zurückbehaltungs- oder Wegnahmerechts geltend machen, 175 Medicus, AcP 165 (1965), 115, 124; Wieser, JuS 1970, 557, 558, derselbe NJW 1971, 587; MünchKomm/Mertens, 1997, § 823 Rdnr. 145; Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 167.

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soweit dies dem Eigentümer gegenüber bestanden hätte. Dies gelte sowohl bei Schädigung durch einen Dritten wie durch den Eigentümer selbst176. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Wie beim Verwendungsschaden kommt es auch hier darauf an, ob der Besitzer ohne das Ereignis die besagten Rechte geltend machen könnte. Ohne die Schädigung hätte der berechtigte wie der unberechtigte Besitzer das Zurückbehaltungs- oder Wegnahmerecht geltend machen und somit seinen Anspruch befriedigen können. Dies gilt mit Medicus auch dann, wenn die Rechte gegenüber einem Dritten bestehen, was im übrigen nicht bei dem Zurückbehaltungsrecht wegen getätigter Verwendungen gemäß § 1000 BGB und nicht bei dem Wegnahmerecht gemäß § 997 BGB in Betracht kommt, da diese naturgemäß immer nur dem Eigentümer gegenüber bestehen können. Diese rechtlich ungesicherte Möglichkeit darf nicht zu einem Schadensersatzanspruch des Besitzers führen, zumal das Zurückbehaltungsrecht einem Dritten gegenüber kein Recht zum Besitz dem Eigentümer gegenüber geben kann 177 . Diese Grundsätze gelten, wenn der Schaden von einem Dritten wie auch vom Eigentümer verursacht wurde.

V. Ersitzungsschaden Bei Mobilien hat gemäß § 937 Abs. 1 BGB der redliche Eigenbesitzer wie der redliche Nießbrauchbesitzer gemäß § 1033 BGB die Möglichkeit, die Sache nach zehn Jahren zu ersitzen. Bei Immobilien steht dieses Recht gemäß § 900 BGB auch dem unredlichen unberechtigten Besitzer zu, zu dessen Gunsten ein zum Besitz berechtigendes Recht 30 Jahre lang im Grundbuch eingetragen ist und er das Grundstück während dieser Zeit im Eigenbesitz gehabt hat 178 . Wird die Sache nun seitens eines Dritten zerstört, so stellt sich die Frage, ob dieses Ersitzungsinteresse des Besitzers einen ersatzfähigen Schaden darstellen kann. 1. Literatur Diese Frage wird von Heck 179 sowie von v. Caemmerer 180 ohne weitere Begründung bejaht. Medicus 181 und Wieser 182 treten dem jedoch entgegen. Medicus 183 176 So Medicus, AcP 165 (1965), 115, 127. 177 Vgl. zum Zurückbehaltungsrecht MünchKomm/Medicus, § 986 Rdnr. 17; Staudinger/ Gursky, § 986 Rdnr. 28. 178 Entgegen § 937 Abs. 2 BGB ist bei § 900 BGB der gute Glaube nicht erforderlich, siehe etwa BGH NJW 1994, 1152; Soergel/Stürner, § 900 Rdnr. 1; Erman/Hagen, Lorenz, § 900 Rdnr. 4. Auch der Grund des Besitzerwerbs ist irrelevant, so BGH MDR 1971, 915 f.; Erman/Hagen, Lorenz, § 900 Rdnr. 4; MünchKomm/Wacke, § 900 Rdnr. 4. 179 Heck, Grundriß des Sachenrechts, § 14 Ziffer 8. 180 v. Caemmerer, Festschrift Deutscher Juristentag, S. 49, 83. 181 Medicus, AcP 165 (1965), 115,125 f. 182 Wieser, JuS 1970,557,558.

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Kap. 2: Die deliktischen Schadensersatzansprüche des Besitzers

führt aus, daß ein solcher Anspruch in der Praxis sehr selten in Betracht zu ziehen sei. Denn Voraussetzung sei der konkrete Nachweis, daß die Vollendung der Ersitzung, d. h. der zehnjährige redliche Eigenbesitz an beweglichen Sachen bzw. der 30-jährige Eigenbesitz an Immobilien erreicht worden wäre. Insbesondere an dem Erfordernis der Adäquanz werde ein solcher Nachweis scheitern, da die Tatbestandsvoraussetzungen in der heutigen auf Umsatz gerichteten Zeit selten zu erfüllen seien. Sei dieser Nachweis nicht zu erbringen, so scheitere ein Anspruch des Besitzers schon an § 252 BGB. Bei Gelingen des Nachweises sei jedoch zu überlegen, ob trotz der dann nach aller Wahrscheinlichkeit ohne das Schadensereignis eintretenden Ersitzung der Besitzer gemäß § 812 BGB dennoch zur Rückübereignung verpflichtet sei 184 . Dann müsse der Besitzer im Ergebnis die Sache wieder herausgeben und könne daher auch bei hypothetischer Ersitzung keinen Schaden haben. Verbleibe aber mangels Kondiktionsanspruchs die Möglichkeit einer Ersitzung mit der Folge einer dauerhaften Eigentumsverschiebung, so sei nun fraglich, ob die Vereitelung dieser Verschiebung ausgleichspflichtig sei. Erste Prämisse sei, daß der Schädiger nur verpflichtet sein könne, das Eigentümerinteresse (also den Substanzweit) nicht doppelt zu ersetzen. Billige man dem Besitzer nun einen Schadensersatzanspruch wegen des Ersitzungsinteresses zu, so müsse konsequenterweise dem Eigentümer ein Anspruch wegen des Sachwerts abgesprochen werden. Dies lasse sich mit dem Prinzip der hypothetischen Kausalität erklären, welche besagt, daß der Eigentümer auch ohne das Schadensereignis das Eigentum an der Sache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verloren hätte. Ob man aufgrund dessen einen Schadensersatzanspruch wegen vorheriger Beschädigung verneine, hänge davon ab, ob man der Auffassung folge, daß Reserveursachen unbeachtlich seien. Lege man die Ansicht zugrunde, daß der - hypothetische, aber sichere - Eintritt einer zu demselben Schadensereignis führenden Reserveursache für die Verantwortlichkeit des eigentlichen Schadensereignisses unbeachtlich sei 185 , so dürfe der Umstand, daß das Eigentum dem Eigentümer sowieso (hier durch Ersitzung) 183 AcP 165 (1965), 115,125. 184 Eine solche Verpflichtung zur Rückübereignung des Gegenstandes gemäß § 812 BGB wegen fehlenden Rechtsgrundes bejahen Westermann/Gursky, § 51 HI 2 b; differenzierend MünchKomm/Baldus, § 937 Rdnr. 35 ff.; Soergel/Henssler, § 937 Rdnr. 7 ff.; ablehnend Jauernig, BGB, Vor § 937 Rdnr. 4. 185 Das RG hielt Reserveursachen grundsätzlich für unbeachtlich, außer der Person oder der Sache wohne eine Schadensanlage inne. Der einmal entstandene Anspruch entfalle durch den späteren Verlauf der Dinge nicht wieder, RGZ 141, 365; 144, 80, 84; 169, 117, 120. Der BGH vertritt für die Beachtlichkeit von hypothetischen Schadensursachen eine vermittelnde Ansicht (siehe etwa für den Objektschaden BGHZ 29, 207, 215 oder zu den Anlagefällen BGH NJW 1985, 676, 677). Die hypothetische Verantwortlichkeit eines Dritten sieht er bei der Ersatzpflicht des schuldhaften Verursachers als unbeachtlich an. Könne sich der schuldhaft die Rechte eines anderen Verletzende auf das sonst den Schaden verursachende schuldhafte Verhalten eines Dritten berufen, würde der Geschädigte leer ausgehen, da er dann weder vom Schädiger noch mangels Verursachung vom Dritten Ersatz erhalten könnte, BGH NJW 1958, 705; NJW 1967, 551, 552. Derselben Ansicht sind Staudinger/Schiemann, § 249 Rdnr. 95 f.; Palandt/Heinrichs, Vorbem v § 249 Rdnr. 100; MünchKomm/Oetker § 249 Rdnr. 208.

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entzogen worden wäre, keine Rolle spielen. Folglich habe der Eigentümer einen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger. Daher könne der Besitzer keinen Anspruch innehaben. Medicus untermauert seine Meinung weiterhin mit dem Zweck der Ersitzungsnormen, die Rechtslage dem wirklichen Zustand anzugleichen. Werde der Gegenstand nun zerstört, so könne dieses Ziel nicht mehr erreicht werden. Weiterhin besage § 940 Abs. 2 BGB, daß eine länger als ein Jahr dauernde Besitzunterbrechung der Ersitzung entgegenstehe. Mithin sei der Ersitzungsschaden des Besitzers nicht ersatzwürdig 186. Wieser 1* 7 verneint ebenfalls die Ersatzwürdigkeit des Ersitzungsinteresses. Er stellt darauf ab, daß die Rechtsordnung keinen Ausgleich für die Vereitelung einer bloßen Aussicht auf Rechtserwerb schaffe. Die gesetzliche Eigentumsordnung beuge sich zwar der tatsächlichen Situation, indem durch die §§ 937 ff. BGB ein scheinbares Recht unter bestimmten Voraussetzungen zum wirklichen Recht aufgewertet werde. Dies bedeute aber nicht, daß sie diese Entwicklung und damit die Aussicht auf Erwerb des Eigentums billige, welche dann unter Umständen zur Ersitzung führe. Dagegen spreche schon, daß der Besitzer zum Eigenbesitz nicht berechtigt sei, da er durchaus auch zur Herausgabe der Sache verpflichtet sein könne. Lasse die Rechtsordnung somit nicht die Aussicht auf Rechtserwerb unangetastet bestehen, so sei dem Besitzer bei Vereitelung dieser Aussicht auch kein Ersatz zuzusprechen.

2. Stellungnahme Offensichtlich ist, daß der hier in Frage stehende Schaden äußerst selten eintreten kann. Zu schwierig ist der Nachweis, daß die Besitzstörung kausal den Schaden des Besitzers herbeigeführt hat, d. h. daß bei Ausbleiben der Besitzstörung eine Ersitzung eingetreten wäre 188 . Kommt ein solcher Schaden aber dennoch in Betracht, so ist die Prämisse unabdingbar, daß der Schädiger den Wert des Gegenstandes nur einmal ersetzen muß. Daß die Frage, ob der Eigentümer oder der Besitzer diesen Wert zugesprochen bekommt, sich nach der Beachtlichkeit von Reserveursachen richten soll, ist jedoch nicht schlüssig. Die Beachtlichkeit der Reserveursache ist entscheidend für das Problem, ob der Schädiger überhaupt Ersatz leisten muß für einen Zustand, der auch ohne sein Zutun eingetreten wäre. Hier geht es aber nicht darum, ob der Schädiger überhaupt, sondern an wen er zahlen muß. Das Problem liegt hier darin, wer den Schaden hat, und nicht, ob ein solcher besteht. Dennoch ist die Ersatzwürdigkeit des Ersitzungsschadens aus anderen Gründen abzulehnen: Die Befristung in § 940 Abs. 2 BGB zeigt, daß Besitzstörungen, welche einen gewissen Zeitraum überdauern, die Möglichkeit einer Ersitzung zunichte machen. Dann tritt ein Zustand ein, der das ursprüngliche scheinbare Recht obsolet 186 Medicus, AcP 165 (1965), 115,126. 187 Wieser, Jus 1970, 557,558. 188 So auch die Auffassung von Medicus, AcP 165 (1965), 115,125.

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werden läßt. Da nunmehr eine Situation entsteht, die aus der Sicht des Besitzers seiner Rechtsposition entspricht, ist es nicht gerechtfertigt, dem Besitzer anstelle des Eigentümers den Wert der Sache zuzusprechen. Die gesetzlichen Vorschriften zeigen mithin nur einen bedingten Schutz des Besitzes auf, welcher es nicht rechtfertigt, einen Schadensersatz aufgrund Schädigung der Sache durch einen Dritten dem Besitzer anstelle des Eigentümers zuzubilligen. Diese Schlußfolgerung widerspricht ferner nicht der hier dargelegten Lösung beim Nutzungsschaden189, wo bestimmten unberechtigten Besitzern Ersatz zugesprochen wurde. Es geht hier nicht wie beim Nutzungsschaden darum, ob der Schädiger überhaupt leisten muß, sondern von wem der in jedem Fall bestehende Ersatzanspruch geltend gemacht werden kann. Folglich ist festzuhalten, daß der Besitzer aufgrund der - in der Praxis selten vorkommenden - Vereitelung einer Ersitzung nicht einen Anspruch auf Ersatz der daraus entstehenden Einbuße in Form von Wertersatz gegen einen Drittschädiger erheben kann 190 . Geht die Schädigung vom Eigentümer selbst aus, so kann nur Gleiches gelten. Der Eigentümer könnte ohne weiteres den Gegenstand von dem Besitzer herausverlangen, daher kann es keinen Unterschied machen, ob er dieses Herausgabeverlangen geltend macht und somit die Ersitzung verhindert oder ob die Ersitzung aufgrund anderer Einwirkungen seitens des Eigentümers vereitelt wird.

VI. Substanz- und Gefahrtragungsschaden Wird eine Sache durch das Verschulden eines Dritten zerstört, so ist offensichtlich, daß der Schädiger den Wert der Sache, also den Substanzwert, ersetzen muß. Hat nicht der Eigentümer, sondern ein anderer die Sache in Besitz, so ist fraglich, ob unter bestimmten Umständen dieser Besitzer anstelle des Eigentümers den durch die Zerstörung der Sache eingetretenen Schaden in Höhe des Sachwertes geltend machen kann. Es geht hier jedoch etwa nicht wie beim Ersitzungsschaden darum, daß dem Besitzer die Chance des Eigentumserwerbs zunichte gemacht wird, sondern darum, daß dem Besitzer unter bestimmten Umständen der Verlust des Sachwertes an sich als ersatzfähiger Schaden in Höhe eben dieses Sachwertes zuerkannt wird. 1. Rechtsprechung Der B G H 1 9 1 hatte über einen Fall zu befinden, wo die Klägerin eine Uferwand aus Spundbohlen in einen Binnenhafen gebaut hatte, der im Eigentum der Stadt als Auftraggeberin 189

Siehe in diesem Kapitel unter C. I. 7. Diese Auffassung widerspricht der von Medicus, AcP 165 (1965), 115, 125 f. sowie der von Wieser, JuS 1970, 557, 558. 191 BGH NJW 1984, 2569 f. 190

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lag. Die Uferwand wurde durch Verschulden eines Dritten beschädigt und daraufhin von der klagenden Auftragnehmerin auf eigene Kosten wieder instandgesetzt. Die Klägerin verlangte nun Schadensersatz von dem Dritten für die Kosten, die sie für die Reparatur aufwenden musste. Mithin richtete sich ihre Forderung auf den Substanzwert der Uferwand. Die Uferwand befand sich jedoch nicht im Eigentum der klagenden Unternehmerin, da die Spundbohlen wegen der dauerhaften Verbindung mit dem Hafenboden gemäß § 94 BGB zu wesentlichen Bestandteilen geworden und somit gemäß § 946 BGB in das Eigentum der Stadt gelangt waren. Mithin hatte die Klägerin lediglich Besitz an der beschädigten Sache gehabt. Der BGH gab der Klage mit der Begründung statt, hier ergebe sich aufgrund des Werkvertrages zwischen Klägerin und Beklagtem aus dem Besitz der Sache eine besondere Verantwortung für die Sachsubstanz. Die Werkunternehmerin sei nämlich gemäß § 640 BGB zur ordnungsgemäßen Herstellung des Werkes bis zur Abnahme gemäß § 640 BGB verpflichtet gewesen. Die Abnahme sei jedoch noch nicht erfolgt. Da die Unternehmerin somit verpflichtet sei, das Werk auf eigene Kosten wieder herzustellen, trage sie die Gefahr der Beschädigung durch Dritte. Somit bedeute hier der Besitz an der Uferwand eine besondere Verantwortung für die Sachsubstanz, welche es wiederum rechtfertige, der Unternehmerin trotz fehlenden Eigentums einen Ersatzanspruch auf den Wert der Sachsubstanz zuzubilligen. Der BGH führte aus, es handele sich hier um einen Folgeschaden, welcher dem Haftungsschaden des Mieters oder Leasingnehmers - aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der Gefahrtragung mit dem Vermieter oder Leasinggeber - ähnele. Es gehe hier zwar nicht um eine Haftung, vielmehr werde der Schaden durch den Umfang der Erfüllungspflicht des besitzenden Werkunternehmers gegenüber dem Besteller bestimmt.

Mithin handele es sich um einen Folgeschaden, welcher von § 823 Abs. 1 BGB umfaßt werde. 192 Damit billigte der BGH einem berechtigten Besitzer Ersatz für eine Substanzbeeinträchtigung in Höhe des beschädigten Sachwertes zu, welchen sonst nur der Eigentümer beanspruchen kann 193 . Auch das OLG Frankfurt 194 bejahte einen Anspruch des Besitzers auf Ersatz des Substanzschadens. Hier hatte die Stadt als Eigentümerin den Klägern am Rand einer öffentlichen Straße eine Teilfläche zum Betrieb einer Brückenwaage überlassen 195 . Da die Stadt diese Fläche pflichtwidrig nicht absicherte, wurde diese durch 192 BGH NJW 1984, 2569,2570. 193 Im Jahre 1970 hatte der BGH über einen ähnlichen Fall zu entscheiden (BGH NJW 1970, 38 ff.), wo ebenfalls das durch dauerhaften Einbau im Sinne des § 946 BGB im Eigentum des Bestellers stehende Werk vor Abnahme gemäß § 640 BGB durch Verschulden eines Dritten beschädigt wurde. Ein etwaiger Anspruch des Unternehmers gegen den Dritten in Höhe des Substanzwertes aufgrund der Verletzung des unmittelbaren Besitzes als ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 BGB wurde vom BGH zwar angesprochen, dann jedoch sofort verneint, weil nach dem BGH der Unternehmer in diesem Fall schon keine unmittelbare Sachherrschaft an dem Werk innehatte (S. 40). Weiterhin wurde die Frage aufgeworfen, ob die „besondere rechtliche Einwirkungsmöglichkeit" des Unternehmers auf das Werk als ein „sonstiges Recht" angesehen werden könne. Dies verneinte der BGH, weil die Unternehmerin nicht befugt sei, ohne Absprache mit dem Besteller auf fest eingebaute Teile wie hier einzuwirken. Eine solch eingeschränkte Einwirkungsmöglichkeit reiche nicht aus für die Annahme eines von jedermann zu beachtenden ausschließlichen Rechts im Sinne des § 823 BGB (S. 40). 194 OLG Frankfurt a.M., NJW 1994, 23 f. 195 Aus dem Kontext der Entscheidung ergibt sich, daß auch die Brückenwaage im Eigentum der Stadt stand. Diese war für den „langfristigen Gebrauch eingefügt" (S. 23), so daß,

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den rollenden Verkehr ständig mitbenutzt, so daß es zu einer Beschädigung der Brückenwaage kam. Die Kläger reparierten den Schaden auf eigene Kosten. Neben einem Ausgleich für den daraus entstandenen Nutzungsausfall sprach das OLG den Klägern Ersatz in Höhe des Substanzwertes zu. Das OLG führte als Begründung aus, unter besonderen Umständen könne das „Besitzinteresse" auch auf Ersatz des Sachwertes gehen. Dieses sei nicht beschränkt auf den Ersatz des „reinen Besitzschadens" in Form des Nutzungsausfalls, vielmehr müsse gefragt werden, ob der Schutzzweck der Norm im Einzelfall den Ersatz des Sachwertes erlaube. Dies hänge von der Eigenart des betreffenden Gegenstandes sowie der Beziehung des Besitzers und Eigentümers zu diesem ab 1 9 6 . Derartige Umstände seien hier gegeben, da aufgrund der dauerhaften Nutzung der Ausgleich bloß des Nutzungsentgangs die konkreten Verletzungsfolgen nicht ausreichend umfasse. Vielmehr sei es offensichtlich, daß zunächst der Besitzer den Gegenstand auf eigene Kosten instandsetze. Daher könne der ohne das Schadensereignis bestehende Zustand nur dadurch erreicht werden, daß der Besitzer die Sache repariere und dann auch diese Aufwendungen ersetzt bekomme197. Mithin billigte das OLG Frankfurt einem Besitzer den Ersatz des Substanzschadens zu.

2. Literatur Diese Ergebnisse werden von der Literatur teilweise als überzeugend angesehen 198 , teilweise kritisiert 199. Schon vor Ergehen der erörterten Entscheidungen bejahte Oppermann die Ersatzfähigkeit des Substanzschadens, soweit ein berechtigter Besitzer durch die Besitzstörung in seiner Nutzungsmöglichkeit beeinträchtigt sei. Denn ohne einen Anspruch auf Ersatz der Sachsubstanz gegen den Drittschädiger sei zum Beispiel der Mieter eines Autos kaum in der Lage, sich ein gleichwertiges Transportmittel zu verschaffen, wenn die Miete eines anderen Wagens aufgrund der großen Nachfrage im Moment nicht möglich sei 200 . Überdies sei der Substanzwert auch dem unberechtigten gutgläubigen Besitzer zuzubilligen, denn § 1007 BGB liege der Gedanke zugrunde, dem redlichen Besitzer die Möglichkeit zu geben, seine Pflichten soweit die Waage nicht von Anfang an im Eigentum der Stadt gestanden hat, ein Eigentumsübergang gemäß §§ 946,94 BGB naheliegt. 196 Hier verweist das OLG auf die Werkunternehmerentscheidung des BGH NJW 1984, 2569 f. 197 OLG Frankfurt a. M., NJW 1994, 23,24. 198 MünchKomm/Mertens, 1995, § 823 Rdnr. 145; Erman/Schiemann, § 823 Rdnr. 43; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 9 V 1 c; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607; ohne Begründung Palandt/ Thomas, § 823 Rdnr. 13. 199 Wieser, JuS 1970, 557, 558 f.; Richter, NJW 1985, 1450, 1451 f.; Staudinger/Schäfer, 1986, § 823 Rdnr. 102; Staudinger/Hager, § 823 Rdnr. B 167. 200

Oppermann, Schadensersatz, S. 104.

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dem Eigentümer gegenüber zu erfüllen. Weiterhin werde sich dieser unrechtmäßige ebenso wie der berechtigte Besitzer bei dem Schädiger um die Beseitigung des Schadens bemühen und nicht etwa der Eigentümer. Daher müsse der Besitzer eventuell auch im Prozeß gegen den Schädiger auftreten, so daß daher dem gutgläubigen Besitzer ebenfalls ein Anspruch auf Ersatz des Substanzwertes zuzusprechen sei 201 . Mertens bejaht die Ersatzfähigkeit des Substanzschadens bei dem vom BGH entschiedenen Fall des Werkunternehmers, da er diesen Schaden als mit dem Haftungsschaden gleichstehend betrachtet und dieser ersatzfähig sei 202 . Auch Schiemann203 vertritt diese Ansicht in Bezug auf den Werkunternehmer, da dieser auf eigene Kosten das geschädigte Werk wieder instandsetzen müsse und gerade wegen dieser Pflicht der Eigentümer vom Schädiger keinen Ersatz beanspruchen könne. Ähnlich argumentiert Stürner 204: hier lägen Mehraufwendungen zur Beseitigung der Folgen der Besitzstörung vor, welche ersetzt werden müßten. Medicus205 stellt darauf ab, daß das Werk ein Mittel der Vertragserfüllung darstelle, mit welchem der Werkunternehmer die Gegenleistung erwirke. Werde das Werk zerstört, so sei dem besitzenden Werkunternehmer der Sachwert zu ersetzen, weil sein Interesse daran geschützt sei, mit dem Gegenstand seine Vertragspflicht dem Werkbesteller gegenüber zu erfüllen. Noch vor den Entscheidungen des BGH zum Substanzschaden verneinte Wieser 206 die Ersatzwürdigkeit des Substanzschadens. Der Nachteil einer Besitzverletzung sei dem Besitzer gegenüber nur dann ersetzbar, wenn die Verletzung einen Besitzvorteil entziehe, welcher rechtlich dem Besitzer zugeordnet gewesen sei. Dies sei jedoch in Form des Substanzverlustes nicht denkbar. Der bloße Besitz an sich, also ohne Bezug auf eine Nutzungs- oder Verwendungsmöglichkeit, könne nie mit einem Wert verbunden sein, der sich auf den Sachwert, also die Substanz beziehe. Auch Richter 207 spricht sich beim Werkunternehmerfall gegen einen Anspruch des Besitzers auf Ersatz der Sachsubstanz wegen Beeinträchtigung der Sachherrschaft aus. Er erachtet hierfür das Eigentum für erforderlich, denn denke man die Eigentümerstellung hinweg, so entfielen zugleich die mit dem Eigentum verbundenen Interessen, durch deren Verletzung der Schaden zustande komme. Im Gegensatz zum Eigentümer könne der Besitzer außer der Nutzung aber keine ausreichende rechtliche Beziehung zur Sache aufweisen. Mithin sei das Eigentum konstitutiv für den Ersatz des Substanzwertes. Weiterhin greife das Argument nicht, der Ei201

Oppermann, Schadensersatz, S. 105. 2 MünchKomm/Mertens, § 823 Rdnr. 145.

2

203

Erman/Schiemann, § 823 Rdnr. 43. In Baur I Stürner, Sachenrecht, § 9 V 1 c. 2 »5 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 607. 2