Das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion in den Zulassungsverfahren des Umwelt- und Baurechts: Unter besonderer Berücksichtigung des Europäischen Gemeinschaftsrechts und des Verfassungsrechts [1 ed.] 9783428504817, 9783428104819

Der Autor greift mit dem Rechtsinstitut der materiellen Präklusion ein interessantes und praktisch bedeutsames Thema auf

119 97 10MB

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Das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion in den Zulassungsverfahren des Umwelt- und Baurechts: Unter besonderer Berücksichtigung des Europäischen Gemeinschaftsrechts und des Verfassungsrechts [1 ed.]
 9783428504817, 9783428104819

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ANNO OEXLE

Das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion in den Zulassungsverfahren des Umwelt- und Baurechts

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles

Band 139

Das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion in den Zulassungsverfahren des Umwelt- und Baurechts Unter besonderer Berücksichtigung des Europäischen Gemeinschaftsrechts und des Verfassungsrechts

Von Anno Oexle

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Oexle, Anno:

Das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion in den Zulassungsverfahren des Umwelt- und Baurechts : unter besonderer Berücksichtigung des europäischen Gemeinschaftsrechts und des Verfassungsrechts / Anno Oexle. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft ; Bd. 139) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10481-1

Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-10481-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

„There's no point in acting all surprised about it. All the planning charts and demolition orders have been on display in your local planning department in Alpha Centauri for fifty of your Earth years, so you've had plenty of time to lodge any formal complaint and it's far too late to start making a fuss about it now." (Douglas Adams, The Hitchhiker's Guide to the Galaxy)

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 2000 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen worden. Allen, die zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen haben, möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken. Mein besonderer Dank gilt dabei meiner Mutter und meinem Vater, denen ich diese Arbeit widme. Hervorheben möchte ich zudem Felix Söhlke, Bernd Rühland, Nikolaus Vincent Manthey, Florian Stüting, Christian Voigt, Lorenz Tettenborn und Claudia Lutter. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dirk Ehlers, danke ich für sein Vertrauen und die mir gewährte Unterstützung, Herrn Prof. Dr. Hans D. Jarass für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich den Professoren Dres. Ehlers, Dörner und Nelles für die Aufnahme in die von ihnen betreute Reihe der „Münsterischen Beiträge zur Rechtswissenschaft". Der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem „Freundeskreis Rechtswissenschaft" gilt schließlich mein Dank für die Gewährung von Druckkostenzuschüssen. Münster, im Sommer 2000

Anno Oexle

Inhaltsverzeichnis Zielsetzung und Gang der Untersuchung

15

A. Wirkung und dogmatische Einordnung der materiellen Präklusion

17

I. Wirkung im Verwaltungsverfahren II. Wirkung im Verwaltungsprozeß

17 18

1. Ausgangslage

19

2. Materielle Präklusion als Rechtsuntergang

19

3. Materielle Präklusion als Anspruchslähmung

22

4. Materielle Präklusion als Problem der Zulässigkeit oder Begründetheit einer Klage

25

a) Einordnung in die Klagebefugnis

25

b) Einordnung in das Rechtsschutzbedürfnis

26

c) Materielle Präklusion als Prozeßhindernis

29

d) Fazit

29

B. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion I. Einleitung II. Der Sachverhalt

32 32 33

III. Die Entscheidungsgründe

33

IV. Analyse und Einordnung dieser Entscheidung

36

1. Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz

36

2. Das Vorabentscheidungsverfahren

37

a) Funktion

37

b) Normbereich und Beeinträchtigung

38

aa) Mögliche Konstellationen

38

bb) Die Konzeption des EuGH

39

8

nsverzeichnis c) Rechtfertigung

42

d) Exkurs: Übertragbarkeit der Rechtfertigungsmöglichkeit

47

V. Bewertung VI. Verallgemeinerungsfähigkeit dieser Entscheidung VII. Auswirkungen der Peterbroeck-Entscheidung auf das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion 1. Vereinbarkeit mit den Geboten der Äquivalenz und Effektivität

50 54

55 55

a) Äquivalenzgrundsatz

55

b) Effektivitätsgrundsatz

56

aa) Fristlänge

56

bb) Fristbeginn

58

cc) Ergebnis

59

2. Vereinbarkeit mit der Peterbroeck-Formel

60

a) Beeinträchtigung des Normbereichs des Art. 234 EG

60

b) Rechtfertigung dieser Beeinträchtigung

60

aa) Erste Rechtfertigungsebene

61

(1) Ordnungsgemäßer Ablauf des Verfahrens

61

(2) Rechtssicherheit

63

bb) Zweite Rechtfertigungsebene

64

cc) Fazit

66

VIII. Folgen der Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht

66

1. Folgen für das Verwaltungsverfahren

68

2. Folgen für den Verwaltungsprozeß

68

C. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion I. Einleitung II. Prüfungsmaßstab 1. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG 2. Die materiellen Grundrechte 3. Art. 103 Abs. 1 GG

70 70 71 71 73 73

nsverzeichnis 4. Konkurrenzen

74

a) Verhältnis von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zu den materiellen Grundrechten ....

74

b) Verhältnis des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zu Art. 103 Abs. 1 GG

75

5. Ergebnis III. Verfassungsrechtliche Legitimation

77 77

1. Ausgangslage

77

2. Grundlinien verfassungsrechtlicher Legitimation

78

a) Grundrechte des Projektträgers und staatliche Infrastrukturverantwortung ..

78

b) Gewaltenteilung

82

c) Effektivität, Beschleunigung und Konzentration

84

3. Verfassungsrechtliche Legitimation im konkreten Verfahrenszusammenhang ..

86

a) Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte

86

b) Vielzahl der Verfahrensbeteiligten

90

c) Divergierende rechtliche Interessen

92

d) Ergebnis

95

4. Sonderfall: Der bergrechtliche Rahmenbetriebsplan

95

a) Vielzahl der Verfahrensbeteiligten - Divergierende rechtliche Interessen ...

95

b) Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte

96

c) Ergebnis

98

5. Sonderfall: Die Baugenehmigung a) Materielle Präklusion in der Bauordnung Baden-Württemberg aa) Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte bb) Vielzahl der Verfahrensbeteiligten

98 98 99 100

cc) Divergierende rechtliche Interessen

101

dd) Ergebnis

102

b) Materielle Präklusion in der bayerischen Bauordnung

103

aa) Unterscheide zwischen Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO und § 55 Abs. 2 S. 2 LBOBW 103 (1) Begriff des Vorhabens in Art. 71 Abs. 4 S. 1 BayBO

104

(2) Umfang des präklusionsbedrohten Personenkreises

104

bb) Ergebnis

105

10

nsverzeichnis 6. Annex: Die Vorhabengenehmigung nach dem UGB-KomE

106

a) Vielzahl der Verfahrensbeteiligten - Divergierende rechtliche Interessen ... 106 b) Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte

107

c) Fazit

108

IV. Kompetenz der Länder zum Erlaß materieller Präklusionsnormen D. Voraussetzungen und Reichweite der Einwendungslast

108 111

I. Kenntnis vom Verfahren: Die Anforderungen an die Bekanntgabe der Planauslegung

111

II. Kenntnis vom Gegenstand des Verfahrens: Die Anforderungen an die auszulegenden Unterlagen

118

III. Einwendungsinhalt und Einwendungsfrist 1. Substantiierungsgrad

119 119

a) Konzeption des Bundesverwaltungsgerichts

124

b) Die in der Literatur vertretene Konzeption

125

c) Fazit

126

2. Einwendungsfrist IV. Zeitliche Dimension der materiellen Präklusion

126 127

V Fazit

127

E.Ergebnisse

128

Literaturverzeichnis

132

Sachwortverzeichnis

142

Abkürzungsverzeichnis a. Α.

anderer Ansicht

ABL. EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft

Abs.

Absatz

AEG

Allgemeines Eisenbahngesetz

AndG

Änderungsgesetz

a. F.

alte Fassung

Anh.

Anhang

AO

Abgabenordnung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)

Art.

Artikel

AsylVfG

Asylverfahrensgesetz

AtAnlV

Atomanlagenverordnung

AtG

Atomgesetz

AtVfV

Atomrechtliche Verfahrensordnung

Aufl.

Auflage

Ausf.

Ausführungen

BauGB

Baugesetzbuch

BauO NW

Bauordnung Nordrhein-Westfalen

BauR

Baurecht (Zeitschrift)

BayBO

Bayerische Bauordnung

BayVBl.

Bayerisches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

BB

Der Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BBahnG

Bundesbahngesetz

BBergG

Bundesberggesetz

Bbg

brandenburgisch; Brandenburg

Bd.

Band

Begr.

Begründer

BFHE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGHZ

Amtliche Sammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BImSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz

BImSchV

Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immis-sionsschutzgesetzes

BNatSchG

Bundesnaturschutzgesetz

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

12

Abkürzungsverzeichnis

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BW

Baden-Württemberg

bzw.

beziehungsweise

DAR

Deutsches Autorecht (Zeitschrift)

dens.

denselben

ders.

derselbe

dies.

dieselben

Diss.

Dissertation

DOV

Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

DV

Die Verwaltung (Zeitschrift)

DVB1.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

Ε

Amtliche Entscheidungssammlung

ΕA

Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft

ebd.

ebenda

EEA

Einheitliche Europäische Akte

EG

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft / Europäische Gemeinschaft

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

Einl

Einleitung

EPA

Environmental Protection Act

ET

Energiewirtschaftliche Tagesfragen (Zeitschrift)

etc.

et cetera

EuG

Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

EuGRZ

Europäische Grundrechte - Zeitschrift

EuR

Europarecht (Zeitschrift)

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EZB

Europäische Zentralbank

f.

folgend

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff.

folgende

FG

Finanzgericht

FGO

Finanzgerichtsordnung

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

FStrG

Bundesfernstraßengesetz

GA

Generalanwalt

gem.

gemäß

GenTAnhV

Gentechnik-Anhörungsverordnung

GentTG

Gentechnikgesetz

GewArch.

Gewerbearchiv (Zeitschrift)

GewO

Gewerbeordnung

Abkürzungsverzeichnis GG

Grundgesetz

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

ha

Hektar

Hess.

hessisch; Hessen

Hrsg.

Herausgeber

Hs.

Halbsatz

HStR

Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland

i.d.F.

in der Fassung

i.V.m.

in Verbindung mit

JK

Jura-Karteikarte

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

KomE

Kommissionsentwurf

KrW- / AbfG

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

KS

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl

LBO BW

Landesbauordnung Baden-Württemberg

Lit.

Literatur

Ls.

Leitsatz

LSA

Land Sachsen-Anhalt

LuftVG

Luftverkehrsgesetz

LVerfG

Landesverfassungsgericht

LWG

Landeswassergesetz

MBP1G

Magnetschwebebahnplanungsgesetz

m. E.

meines Erachtens

MV

Mecklenburg-Vorpommern

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

Nachw.

Nachweis(e)

Nds

niedersächsisch; Niedersachsen

n. F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Nr.

Nummer

NuR

Natur und Recht (Zeitschrift)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungs-Report

NW

Nordrhein-Westfalen

NWVB1.

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

OVG

Oberverwaltungsgericht

PBefG

Personenbeförderungsgesetz

resp.

respektive

Rh.-Pf.

Rheinland-Pfalz

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)

RL

Richtlinie

Rn.

Randnummer

14

Abkürzungsverzeichnis

ROG

Raumordnungsgesetz

Rs.

Rechtssache

Rspr.

Rechtsprechung

S.

Seite/Satz

Sächs

sächsisch

SGG

Sozialgerichtsgesetz

Slg.

Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz

sog.

sogenannt

st.

ständig

StPO

Strafprozeßordnung

StrG

Straßengesetz

StrWG

Straßen und Wegegesetz

SZ

Süddeutsche Zeitung

u.

und

u. a.

und andere

UGB

Umweltgesetzbuch

UPR

Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift)

UVP

Umweltverträglichkeitsprüfung

v.

von

VB1BW

Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeitschrift)

verb.

verbundene

VerwArch.

Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)

VerwR

Verwaltungsrecht

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

VO

Verordnung

Vorb

Vorbemerkung

VR

Verwaltungsrundschau (Zeitschrift)

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WaStrG

Bundeswasserstraßengesetz

WHG

Wasserhaushaltsgesetz

ZaORV

Zeitschrift für ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht

z. B.

zum Beispiel

ZfB

Zeitschrift für Bergrecht

ZfBR

Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

Zielsetzung und Gang der Untersuchung Zulassungsverfahren für umweltrelevante Großvorhaben sind durch eine breite Verfahrensbeteiligung der Öffentlichkeit geprägt. Sie eröffnen Dritten bereits vor Erlaß der Verwaltungsentscheidung das Recht, Einwendungen gegen das geplante Vorhaben zu erheben, die dann Gegenstand in einem von der Behörde anzuberaumenden Erörterungstermin sind. Diese Einwendungsbefugnis ist an die Beachtung bestimmter Fristen geknüpft. Eine Fristversäumnis führt zum Einwendungsausschluß, der sog. Präklusion.1 Hinsichtlich der Reichweite dieses Ausschlusses ist zu differenzieren: Beschränkt sich seine Wirkung auf das weitere Verwaltungsverfahren, spricht man von formeller 2 Präklusion; wird hingegen auch ein sich anschließendes Rechtsbehelfsverfahren erfaßt, von materieller Präklusion.3 Damit liegt die materielle Präklusion im Schnittpunkt des Verwaltungsverfahrens-, Verwaltungsprozeß- und materiellen Rechts. Wegen dieser strukturellen Besonderheit ist ihre rechtskonstruktive Einordnung ein schwieriges Unterfangen, über dessen Ausgang bis heute keine Einigkeit erzielt werden konnte (A). Neben dieser dogmatischen Herausforderung geben zwei jüngere Entwicklungen Anlaß, das hier thematisierte Rechtsinstitut erneut in den Blick zu nehmen: Hinzuweisen ist zunächst auf die fortschreitende „Europäisierung" der nationalen Rechtsordnungen, die längst auch das deutsche Verwaltungsrecht erfaßt und modifiziert hat. Insoweit gilt es zu klären, ob und gegebenenfalls mit welchen Folgen dieser Prozeß auch auf das Institut der materiellen Präklusion einwirkt (B). Daneben ist einer rein nationalen Entwicklung Rechnung zu tragen. Getrieben von der Sorge um den „Wirtschaftsstandort Deutschland" und die dadurch angeregte Neuauflage der Diskussion über die Beschleunigung der Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren hat der Gesetzgeber das Einsatzfeld der materiellen Präklusion, das sich ursprünglich allein auf das Recht der Genehmigung von Großanlagen konzentrierte, 4 1 Der Begriff Präklusion geht auf das lateinische Verb praecludere zurück, das soviel wie verschließen, ausschließen oder versperren bedeutet. In der Rechtssprache wird unter Präklusion allgemein der Verlust einer Rechtsstellung unter bestimmten Voraussetzungen verstanden, Köbler, Juristisches Wörterbuch, 8. Aufl. 1997, S. 300; Creifelds, Rechtswörterbuch, 15. Aufl. 1999, S. 999. 2 Vereinzelt wird auch von unechter (Ipsen, DVB1. 1980, 146, 150) oder verwaltungsverfahrensrechtlicher {Papier, NJW 1980, 313, 314) Präklusion gesprochen. 3 So die allgemein übliche Terminologie, vgl. nur Ronellenfitsch, VerwArch. 74 (1983), 369 (372); Brandt, NVwZ 1997, 233 f. jeweils m. w. N. 4 Im Recht der Planfeststellung führte eine Versäumnis der Einwendungsfrist regelmäßig nur zu einer formellen Präklusion. Eine Ausnahme bildete insoweit lediglich § 17 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 WaStrG a. F. (heute § 17 Nr. 5 S. 1, Hs. 1 WaStrG), dem das BVerwG (E 66, 99, 106) im Jahre 1986 prozessuale Wirkung zusprach.

16

Zielsetzung und Gang der Untersuchung

schrittweise auf das gesamte Fachplanungsrecht des Bundes erweitert. 5 Mit Erlaß des Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren (GenBeschlG) am 12. 9. 19966 hat diese Entwicklung in Gestalt des fachgebietsübergreifenden § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG 7 zuletzt das allgemeine Planfeststellungsrecht und damit ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Bedeutung dieser Novellierung liegt vor allem in der Vereinheitlichungs- und Leitfunktion, die das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes gegenüber den (allgemeinen) VerwaltungsVerfahrensgesetzen der Länder wahrnimmt. 8 Zukünftig ist daher auch mit einer verstärkten landesrechtlichen Präsenz der materiellen Präklusion zu rechnen.9 Endgültig in die allgemeine Aufmerksamkeit aber würde dieses Institut rücken, wenn die Versuche der Länder Baden-Württemberg und Bayern Erfolg hätten, materielle Präklusionsnormen im Βaugenehmigungsverfahren zu installieren. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob die Überlegungen und Kautelen, aufgrund derer die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion in den Verfahren der Genehmigung von Großanlagen bejaht wurde, 10 auf die neuen Anwendungsbereiche dieses Rechtsinstituts übertragen werden können (C und D).

5 Durch das dritte Rechtsbereinigungsgesetz vom 28. 6. 1990 (BGBl. I, S. 1221) ist die materielle Präklusion zunächst in § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG und § 36 d Abs. 2 S. 1 BBahnG (mittlerweile § 20 Abs. 2 S. 1 AEG) verankert worden; durch das Planungsvereinfachungsgesetz vom 17. 12. 1993 (BGBl. I, S. 2123) dann in § 29 Abs. 4 S. 1 PBefG und § 10 Abs. 4 S. 1 LuftVG. Auch im Magnetschwebebahnplanungsgesetz (MBP1G) vom 23. 11. 1994 (BGBl. I, S. 3486) ist in § 5 Abs. 2 S. 1 ein materieller Einwendungsausschluß vorgesehen. 6 BGBl. I, S. 1354. 7 Die Abkürzung „VwVfG" steht hier und im weiteren Verlauf der Untersuchung für das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes. Bei Verweisen auf die Verwaltungs Verfahrensgesetze der Länder wird das Kürzel „VwVfG" durch entsprechende Zusätze ergänzt. 8 In den Vorbemerkungen zum Entwurf des GenBeschlG hat die Bundesregierung (BTDrucks. 13/3995, S. 2) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die „zur Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung notwendige Wahrung des Gleichklangs von Bundes- und Landesverwaltungsverfahrensgesetzen" „eine Übernahme der Regelungen des vorliegenden Entwurfs in die Landesverwaltungsverfahrensgesetze" erfordere. 9 Zum Stand der Anpassung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts der Länder an die Neufassung des § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG siehe Sodan, DVB1. 1999, 729 (730). Einige Länder haben diese Entwicklung bereits vor Erlaß des § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG n. F. antezipiert und das Institut der materiellen Präklusion im Landesstraßen- und Landes wasserstraßenrecht installiert. Im Landesstraßenrecht ζ. B.: § 39 Abs. 3 S. 1 BbgStrG; § 45 Abs. 8 S. 1 StrWG MV; § 39 Abs. 3 a S. 1 StrWG NW; § 39 Abs. 5 S. 1 SächsStrG; § 37 Abs. 6 S. 1 StrG LSA. Im Landes wasserstraßenrecht z. B. § 148 Abs. 1 S. 4 LWG NW. 10

Die erste Wy/z/-Entscheidung des BVerwG (E 60, 297 ff.) und der diese bestätigende Sasbach-Beschluß des BVerfG (E 61, 82 ff.) beendeten zu Beginn der achtziger Jahre zumindest für die Praxis die mehr als zwanzig Jahre andauernde Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit der materiellen Präklusion im Atom- und Immissionsschutzrecht.

Α. Wirkung und dogmatische Einordnung der materiellen Präklusion I. Wirkung im Verwaltungsverfahren Die Wirkungen der materiellen Präklusion im Verwaltungsverfahren hat der Gesetzgeber eingehend geregelt, wobei er auch in diesem Bereich zwischen den Zulassungsformen Genehmigung und Planfeststellung differenziert. Im Anlagengenehmigungsrecht führt die materielle Präklusion zum Ausschluß vom gesamten weiteren Verwaltungs verfahren: Der Präkludierte verliert den Anspruch auf Teilnahme am Erörterungstermin 11 und auf Behandlung der verspäteten Einwendung im Termin. Er wird weder von der Verlegung des Termins unterrichtet 12 noch kann er eine Zustellung des Genehmigungsbescheids verlangen. 13 Im Verfahren der Planfeststellung verbleiben hingegen zumindest dem durch das geplante Vorhaben in seinen rechtlich geschützten Interessen Betroffenen 14 der Anspruch auf Teilnahme am Erörterungstermin 15 einschließlich der damit verbundenen Anhörungs- und Mitwirkungsrechte 16 sowie das Recht auf Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses.17 Entscheidend - und beiden Verfahrenstypen gemeinsam - ist jedoch der Umstand, daß der Präkludierte den Anspruch auf Erhebung und Behandlung seiner Einwendungen im weiteren Verwaltung s verfahren verliert. Diese Wirkung kann die Behörde weder durch eigenmächtige Fristverlängerung aufweichen noch durch einen Verzicht umgehen.18 Die Pflicht der Behörde, den für die Entschei11 Exemplarisch § 10 Abs. 6 S. 1 BImSchG bzw. § 18 Abs. 1 S. 2 der 9. BImSchV. 12 Exemplarisch § 17 Abs. 2 S. 1 der 9. BImSchV 13 Exemplarisch § 10 Abs. 7 BImSchG. 14

Nicht jeder Einwendungsberechtigte im Sinne des § 73 VwVfG ist zugleich Rechtsbetroffener. Der Begriff des Rechtsbetroffenen ist vielmehr enger und umfaßt nur denjenigen, dessen Rechte oder rechtlich geschützte Interessen von dem Vorhaben berührt werden. Einwendungsberechtigt ist gem. § 73 Abs. 4 S. 1 VwVfG hingegen jeder, „dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden". Dazu zählen neben rechtlichen auch eigene wirtschaftliche, ideelle oder ökologische Interessen, vgl. Steinberg, Fachplanung, 2. Aufl. 1993, § 3 Rn. 81 (S. 129 f.); Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 73 Rn. 67, 95; Busch, in: Knack (Hrsg.), VwVfG, 6. Aufl. 1998, § 73 Rn. 7.1.1. f.; Ule /Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl. 1995, § 40 Rn. 37. 15 Exemplarisch § 73 Abs. 6 S. 1 VwVfG („den Betroffenen sowie den Personen, die Einwendungen erhoben haben"). 16 BVerwG, UPR 1998, 346 (346). 17 Exemplarisch § 74 Abs. 4 S. 1 VwVfG. is BVerwG, NVwZ 1997, 391 (393); NVwZ 1998, 998; NVwZ-RR 1999, 162; Bonk (Fn. 14), § 73 Rn. 77; vgl. auch Busch (Fn. 14), § 73 Rn. 7.4.3.

2 Oexle

18

Α. Wirkung und dogmatische Einordnung der materiellen Präklusion

dung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG), wird durch den Präklusionseintritt hingegen nicht suspendiert; sie besteht vielmehr objektiv und bleibt von der nur das Rechtsschutzverhältnis zwischen Behörde und Einwender betreffenden Präklusion unberührt. 19 Aus diesem Grund müssen auch verspätet vorgetragene Einwendungen von der Behörde in der Sache noch berücksichtigt werden, wenn sie zur Aufklärung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts von Bedeutung sind. Das folgt bereits aus der Funktion der materiellen Präklusion, die Informationsbasis der Behörde zu erweitern und die vollständige Ermittlung des Sachverhalts zu fördern, indem sie die Vorhabengegner dazu zwingt, ihre Einwendungen bereits im Verwaltungsverfahren vorzutragen. 20 Dürfte die Behörde präkludierten Umständen selbst dann nicht mehr nachgehen und zur Grundlage ihrer Entscheidung machen, wenn sie ersichtlich von Bedeutung sind, würde dieser Zweck geradezu konterkariert. Daher verbleibt es auch im Anwendungsbereich der materiellen Präklusion bei den allgemeinen Grenzen des §24 Abs. 1 S. 1 VwVfG. 21

II. Wirkung im Verwaltungsprozeß Die materielle Präklusion entfaltet ihre Wirkung jedoch nicht nur im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens, sondern auch in einem sich daran anschließenden Rechtsbehelfsverfahren. Nach allgemeiner Auffassung ist eine Anfechtungsklage 22 gegen die das Verfahren abschließende behördliche Entscheidung (Genehmigung/Beschluß) erfolglos, wenn und soweit der Kläger mit seinen Einwendungen präkludiert ist. Die dogmatische Einordnung dieser Wirkung ist bislang noch ungeklärt. Die Rechtsprechung hat die rechtskonstruktive Einordnung der materiellen Präklusionswirkung bewußt offengelassen. 23 In der Literatur konnte - trotz BVerwGE 60, 297 (309 f.) - Wyhl I; Kutscheidt, in: Landmann /Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, Bd. I, § 10 Rn. 187 (Stand: März 1986); Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 3. Aufl. 1998, S. 244 Rn. 381; Röhl/Ladenhurger, Die materielle Präklusion im raumbezogenen Verwaltungsrecht, 1997. S. 40; Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, 4. Aufl. 1999, § 10 Rn. 90; a.A. Niehues, in: FS Schlichter, 1995, S. 619 (630 f.), der allerdings verkennt, daß auch die gem. § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG bestehende Aufklärungspflicht der Behörde Grenzen hat. Daneben gewichtet er die u. a. mit der materiellen Präklusion bezweckte Verfahrensbeschleunigung zu stark; zu diesem funktionalen Aspekt der Präklusion siehe Β. VII. 2. b) aa) (1); C. III. 2. c). 20

Zu den einzelnen Funktionen der materiellen Präklusion siehe auch Β. VII. 2. b. aa. 21 Zu diesen Grenzen Hufen (Fn. 19), S. 109 ff. Rn. 137 ff.; Stelkens ! Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 24 Rn. 25 ff. 22 Da gegen die Mehrzahl der hier interessierenden Entscheidungen kein Vorverfahren stattfindet (vgl. nur § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO i.V.m. §§ 74 Abs. 1 S. 2, 70 VwVfG), konzentrieren sich die folgenden Ausführungen allein auf das gerichtliche Verfahren. 23 Das BVerfG (E 61, 82, 109 - Sasbach) nimmt an, daß die materielle Präklusion „den Störungsabwehranspruch f . . . ] grundsätzlich beschränkt oder gänzlich entfallen läßt". Das

II. Wirkung im Verwaltungsprozeß

19

langjähriger Diskussion24 - keine Einigkeit erzielt werden. Dieses Vorgehen ist aber nicht nur in dogmatischer Hinsicht wenig befriedigend, sondern kann auch den Blick auf eine sachgerechte Lösung der mit diesen Vorschriften verbundenen Probleme verstellen. 1. Ausgangslage Klagt ein Bürger gegen einen ihn belastenden Verwaltungsakt, so ist er zwar prozessual Angreifer, materiell betrachtet wehrt er hingegen einen mittels Verwaltungsakt vorgetragenen Angriff der beklagten Behörde ab. Der erfolgreichen Anfechtungsklage liegt daher ein materieller Abwehranspruch zugrunde. 25 Dieser ergibt sich aus einer den Kläger begünstigenden (subjektiv-öffentlichen) Rechtsnorm und dem Vorliegen eines entsprechenden, die Voraussetzungen dieser Norm ausfüllenden Sachverhalts. Wesentliches Merkmal des Abwehranspruchs ist, daß er gerichtlich durchgesetzt werden kann (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG). Vor diesem Hintergrund sind zwei Wege denkbar, um die Wirkung der materiellen Präklusion im Verwaltungsprozeß zu erklären: Entweder verliert das subjektivöffentliche Recht mit Ablauf der Einwendungsfrist seinen individualschützenden Charakter bzw. erlischt ganz („Rechtsuntergang"), oder dem präkludierten Kläger wird die Möglichkeit genommen, dieses gerichtlich durchzusetzen („Rechtslähmung"). In beide Richtungen ist die materielle Präklusion verstanden worden. 26

2. Materielle Präklusion als Rechtsuntergang Für einen Rechtsuntergang spricht auf den ersten Blick bereits die Bezeichnung der hier problematisierten Normen als „materiell", die den unmittelbaren Verlust BVerwG (E 60, 297, 303 - Wyhl I) spricht von einer „anspruchslähmenden bzw. anspruchsvernichtenden Wirkung des Einwendungsausschlusses". 24 Ein Überblick über den Streitstand findet sich bei Brandt, NVwZ 1997, 233 (235). 25 Vgl. BVerfGE 61, 82 (109) - Sasbach; BVerwGE 60, 297 (301) - Wyhl I; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. II, 1996, Vorb § 113 Rn. 4. 26 Für eine Interpretation als Rechtsuntergang z. B. Papier, NJW 1980, 313 (317); Berger, Grundfragen umweltrechtlicher Nachbarklagen, 1982, S. 223, S. 226; Schenke, in: Dolzer/ Vogel (Hrsg.), Bonner Kommentar zum GG, Art. 19 IV Rn. 435 (Stand: Dezember 1982): Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, 1986, S. 446; Mauden Der Anspruch auf rechtliches Gehör, 1986, S. 29; Nierhaus, Beweismaß und Beweislast. 1989, S. 321 f.; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 1992. S. 535; Steinberg (Fn. 14), § 7 Rn. 26 (S. 326); Czajka, in: Feldhaus (Hrsg.), Bundesimmissionschutzrecht, § 10 Rn. 63; Schulte, Umweltrecht, 1999, S. 83. Für eine Rechtslähmung Mutschier, ET 1980, 164 (170); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig (Hrsg.). GG, Art. 19 IV Rn. 260 (Stand: Januar 1985); Röhl ! Lxidenburger (Fn. 19), S. 17; Solveen, Die materielle Präklusion im Fachplanungsrecht, S. 56 fAllesch /Hüußler, in Obermayer. Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1999, § 73 Rn. 115.

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Α. Wirkung und dogmatische Einordnung der materiellen Präklusion

einer eben solchen Rechtsposition anzudeuten scheint. Dieser Schluß ist jedoch trügerisch. Die Differenzierung zwischen formellen und materiellen Präklusionsnormen ist zwar weit über den Kreis der hier thematisierten Vorschriften in Rechtsprechung und Literatur allgemein üblich, 27 hat aber im Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen keinen Niederschlag gefunden. 28 Darüber hinaus wird den Begriffen „formell" und „materiell" im Zusammenhang mit Präklusionsregelungen unterschiedliche Bedeutung beigemessen. In der Regel dienen sie der Bestimmung des Präklusionsgegenstands. Eine Präklusionsnorm wird danach als „materiell" bezeichnet, wenn die von ihr ausgeschlossene Rechtsposition eine im materiellen Recht wurzelnde Befugnis, insbesondere ein Gestaltungsrecht, ein Anspruch oder eine durch Verwaltungsakt erlangte Begünstigung ist. 29 Erlischt mit dem Eintritt der Präklusion hingegen eine verfahrensrechtliche Position, wird von formeller Präklusion gesprochen.30 Orientiert man sich an diesen Definitionen, ist allerdings eine gewisse Vorsicht geboten. So hat ζ. B. die Verwendung des Begriffspaares „formell - materiell" im Zusammenhang mit den durch den Eintritt der Rechtskraft ausgelösten Präklusionswirkungen seit der Überwindung der materiellen Rechtskrafttheorie 31 durch die rein prozessualen Theorien ihre Berechtigung verloren. Seither wird die Rechtskraft als rein verfahrensrechtliches Institut eingestuft, das die materielle Rechtslage nicht verändert. 32 Obwohl die Bezeichnung als „materiell" hier im obigen Sinne gebraucht wird, trifft sie nach heutigem Verständnis keine zutreffende Aussage über die dogmatische Einordnung der materiellen Rechtskraftpräklusion, sondern hat nur noch rechtshistorische Bedeutung.

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Vgl. nur Linhart, Fristen und Termine im Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1996, S. 14 ff.; Meissner, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. I, 1996, § 57 Rn. 10, 13; Volbers, Fristen und Termine, 8. Aufl. 1997, S. 46 jeweils m. w. N. 28 Dies gilt grundsätzlich auch für die materiellen Präklusionsnormen des Umwelt- und Baurechts. Gesetzlich verankert war allein der Begriff „präklusivisch" in § 17 Abs. 2 S. 2, Hs. 2 GewO a. F. (RGBl. 1900, S. 871). Eine Ausnahme bildet lediglich § 55 Abs. 2 S. 2 BauO BW, der jedoch erst am 1. 1. 1996 in Kraft getreten ist und sich an der bereits vorherrschenden Terminologie orientiert. 2 9 Linhart (Fn. 27), S. 14; Meissner (Fn. 27), § 57 Rn. 10. 30 Vgl. Linhart, ebd., S. 15; Meissner, ebd., Rn. 13. 31 Nach dieser im 19. Jahrhundert vorherrschenden Lehre wirkte sich die Rechtskraft eines Urteils prozeß- und materiell-rechtlich aus. Aufgrund der formellen, also auf das Gebiet des Prozeßrechts bezogenen und beschränkten Rechtskraft konnte das Urteil mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angegriffen werden. Die wesentliche Rechtskraftwirkung sollte dagegen auf dem Gebiet des materiellen Rechts eintreten, das heißt das Urteil bestätigte oder veränderte - je nachdem ob es richtig oder falsch war - das materielle Recht; Urteilsinhalt und wirkliche Rechtslage waren danach zwingend kongruent. Nachw. zu dieser Rechtskrafttheorie finden sich etwa bei Leipold, in: Stein/Jonas (Hrsg.), ZPO, Bd. IV, Teilband 1, 21. Aufl. 1998, § 322 Rn. 23 ff. 32 Vgl. nur Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann /Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. II, § 121 Rn. 19 f. (Stand: 1996).

II. Wirkung im Verwaltungsprozeß

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Daneben wird das Begriffspaar „formell - materiell" verwendet, um die Reichweite der Präklusion zu bestimmen. Eine Präklusionsnorm wird danach als „formell" bezeichnet, wenn sie ihre Wirkung nur innerhalb eines Verfahrensabschnitts entfaltet, also z. B. nur innerhalb eines Verwaltungsverfahrens im Gegensatz zum Gerichtsverfahren, oder - allein auf einen Prozeß bezogen - nur für die jeweilige Instanz.33 Eine materielle Präklusion läge danach vor, wenn die Ausschluß Wirkung den gesamten Rechtsstreit, das heißt alle Instanzen erfassen würde. Damit läßt sich festhalten, daß es sich bei der Bezeichnung der hier problematisierten Vorschriften als „materiell" um eine rein begriffliche Operation handelt, die keinen zuverlässigen Rückschluß auf ihre dogmatische Einordnung zuläßt. Der Gesetzeswortlaut der einschlägigen Vorschriften spricht eher gegen eine Interpretation als Rechtsuntergang, denn dort ist durchgängig von einem Ausschluß von Einwendungen und nicht von Rechten die Rede. Daß dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang eine andere Terminologie durchaus geläufig ist, beweisen insbesondere § 75 Abs. 2 S. 1 VwVfG 3 4 sowie die amtlichen Überschriften der § 14 BImSchG und § 23 GenTG,35 die mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der behördlichen Zulassungsentscheidung bestimmte privatrechtliche und/oder öffentlichrechtliche Ansprüche ausschließen resp. modifizieren. 36 Gegen eine Rechtspräklusion spricht zudem der Kreis der einwendungsberechtigten Personen. So ist im Anlagengenehmigungsrecht quivis ex populo, das heißt jedermann, befugt, Einwendungen gegen das geplante Vorhaben zu erheben. 37 Im Recht der Planfeststellung sind es immerhin noch alle Personen, deren Belange durch das Vorhaben berührt werden; dazu zählen neben rechtlichen aber auch wirtschaftliche, ökologische, ideelle und sonstige anerkennenswerte eigene Interessen des Einwenders. 38 Weder im Anlagengenehmigungs- noch im Planfeststellungsrecht muß die Einwendung daher zwingend auf ein Recht gestützt werden. Im Gegenteil, der „Jedermann-Einwender" des Anlagengenehmigungsrechts oder der nur in seinen sonstigen Interessen Berührte im Recht der Planfeststellung ist gar nicht in der Lage, Einwendungen im Sinne eines Rechtsvortrags zu erheben, weil es ihm an einer solchen Betroffenheit gerade fehlt. 39 Das Vorbringen dieser Personen be33 Siehe z. B. Ortloff, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. II, § 87 b Rn. 4 (Stand: 1996); vgl. auch Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 3. Aufl. 1998, § 36 Rn. 17. 34 „ [ . . . ] so sind Ansprüche auf Unterlassung [ . . . ] ausgeschlossen". 35 „Ausschluß von privatrechtlichen Abwehransprächen". 36 Dieses Ausschlußmodell wird ebenfalls als eine Form der materiellen Präklusion angesehen (BGHZ 92, 114, 114, 116; Brandt, NVwZ 1997, 233 (236). 37 § 10 Abs. 3 S. 2, Hs. 2 BImSchG, § 7 Abs. 1 S. 1 AtVfV sprechen nur davon, daß Einwendungen erhoben werden können; aus der fehlenden Eingrenzung der Einwendungsbefugnis wird gefolgert, daß jedermann einwendungsberechtigt ist, vgl. nur Jarass (Fn. 19), § 10 Rn. 71 m. w. N. 38 Steinberg (Fn. 14), § 3 Rn. 81 (S. 129 f.); Bonk (Fn. 14), § 73 Rn. 67, 95; Busch (Fn. 14), §73 Rn. 7.1.1. f. 39 Röhl!Ladenburger (Fn. 19), S. 17; Solveen (Fn. 26), S. 56.

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Α. Wirkung und dogmatische Einordnung der materiellen Präklusion

schränkt sich zwangsläufig auf rein tatsächliche Erwägungen und Bedenken. Auch der Schluß von der Einwendungsbefugnis auf den Einwendungsgegenstand spricht somit gegen eine Rechtspräklusion. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn man den Begriff der Einwendung bei rechtlich Betroffenen anders definieren würde (nämlich als Rechtsvortrag) als bei sonstigen Einwendungsberechtigen (wo er als Tatsachenvortrag zu verstehen ist). Für eine solche Trennung bietet der Wortlaut der einschlägigen Vorschriften aber keinen Anhaltspunkt.40 Eine dahingehende Differenzierung würde die Rechtslage zudem unnötig komplizieren und so den potentiellen Einwendern ihren Vortrag erschweren. Dies widerspräche aber dem Ziel der materiellen Präklusion, möglichst viele Vorhabengegner dazu zu bewegen, ihre Einwendungen bereits im Verwaltungsverfahren vorzutragen. 41 Zusammenfassend läßt sich daher festhalten, daß die materielle Präklusion nicht zu einem Untergang des materiellen Abwehrrechts führt 4 2 Dieses Ergebnis wird auch durch die Definition bestätigt, die der Begriff der Einwendung durch die Rechtsprechung erfahren hat. Danach ist unter einer Einwendung „sachliches auf die Verhinderung oder Modifizierung des beantragten Vorhabens abzielendes Gegenvorbringen' 4 zu verstehen.43

3. Materielle Präklusion als Anspruchslähmung Der Einwendungsausschluß führt demnach nicht zum Untergang des materiellen Abwehrrechts, sondern beschränkt lediglich die Möglichkeit, dieses gerichtlich durchzusetzen. Diese Einwirkung ist dahingehend konkretisiert worden, daß der zur prozessualen Geltendmachung des Abwehranspruchs erforderliche Tatsachenvortrag ausgeschlossen sei. 44 Ein Ausschluß des Tatsachenvortrags könnte die Präklusionswirkung allerdings nur erklären, wenn die Einführung der für die Entschei40 Offener hingegen die Formulierung in § 87 Abs. 4 S. 2, Hs. 2 des Entwurfs der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch (UGB-KomE). § 87 Abs. 4 S. 2 UGB-KomE lautet: „Die Einwendungen sind zu begründen; soweit eigene Rechte des Einwenders durch die Auswirkungen des Vorhabens betroffen sein können, ist dies darzulegen." 41

Zu den funktionalen Aspekten der materiellen Präklusion siehe die Ausf. zu Β. VII. 2. b) aa). 42 Aus diesem Grund ist auch die Bezeichnung als „materiell" verfehlt. Sinnvoller wäre es, von prozessualer Präklusion zu sprechen. Da sich der Begriff materielle Präklusion aber im juristischen Sprachgebrauch zur Bezeichnung dieses Rechtsinstituts allgemein durchgesetzt hat, soll auch im folgenden an ihm festgehalten werden. 43 Vgl. nur BVerwGE 60, 297 (300) - Wyhl I; OVG NW, NuR 1990, 417 (418). Hervorhebung durch den Verfasser. 44

So das BVerwG (ebd. S. 301) für den Fall, daß die materielle Präklusion nur die Möglichkeit entfallen läßt, den Abwehranspruch gerichtlich durchzusetzen; in der Lit. ζ. Β. Degenhart, in: FS Menger, 1985, S. 621 (637); Milger, Die Präklusion von Rechten Dritter in Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren, 1991, S. 216.

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dung erforderlichen Tatsachen allein den Parteien obläge. Eine solche Behauptungslast ist dem vom Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1, Hs. 1 VwGO geprägten Verwaltungsprozeß jedoch grundsätzlich fremd. 45 Dieser verpflichtet die Gerichte vielmehr, die Sachverhaltsaufklärung auch auf solche Tatsachen zu erstrecken, die die Beteiligten nicht vorgetragen haben. Daraus wird gefolgert, daß die materielle Präklusion nur bestimme, welche Tatsachen das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legen dürfe, sie also nur das Verhalten des Richters bei der (und nicht bis zur) Entscheidungsfindung regele. 46 Danach handelt es sich bei den in Rede stehenden Vorschriften auf prozessualer Ebene um reine Entscheidungsnormen. Dies hätte die Konsequenz, daß der Richter durch den Einwendungsausschluß an der Subsumtion des zwar ermittelten, aber präkludierten Sachverhalts unter das in Betracht kommende materielle Abwehrrecht gehindert wird. Diese Sichtweise vermeidet zwar auf den ersten Blick eine Kollision mit § 86 Abs. 1, Hs. 1 VwGO, hat aber zur Folge, daß das Gericht den Sachverhalt erst vollständig ermitteln und diesbezüglich verhandeln, dann aber im Urteil feststellen müßte, daß dies zwecklos war, weil es die so in den Prozeß eingeführten Tatsachen bei der abschließenden gerichtlichen Entscheidung nicht berücksichtigen darf. Dieses Ergebnis ist bereits aus prozeßökonomischen Gründen nicht tragbar. Die begrenzte judikative Verfahrenskapazität gebietet einen verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource „gerichtlicher Rechtsschutz", deren sinnvolle und gerechte Verteilung zudem gerade auch Aufgabe des (einfachen) Verfahrensrechts ist. 47 Sodann würde der mit der materiellen Präklusion bezweckte Beschleunigungseffekt 48 weitgehend neutralisiert. Ferner spricht gegen obige Auffassung, daß sie die Gerichte zu einer Verletzung ihrer prozessualen Pflichten zwingt. Die Verfahrenshandlungen des Gerichts und der Beteiligten werden nämlich nicht isoliert voneinander betrachtet, sondern durch die Zuweisung bestimmter Rechte, Pflichten und Lasten zu einem sog. Prozeßrechtsverhältnis zusammengefaßt. 49 Eine wesentliche Pflicht des Gerichts ist es, den Prozeß zu fördern. Gegen diese Pflicht verstößt aber ein Richter, der erst zeitintensiv den Sachverhalt ermittelt, obwohl bereits feststeht, daß dieses Vorgehen überflüssig ist. Verletzter Beteiligter ist dabei weniger der präkludierte Kläger (der in einem solchen Fall eher ein Verzögerungs- als ein Beschleunigungsinteresse haben wird), sondern der Vorhabenträger, der als Adressat der angefoch-

45 Vgl. nur Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, 6. A u l l 1998, § 1 Rn. 22. 46 BVerfGE 61, 82, 111 - Sashach; ähnlich BVerwG, NVwZ 1997, 489 (491), das sich eine über die zulässig vorgetragenen, das heißt nicht präkludierten Tatsachen hinausgehende Amtsermittlung gem. § 86 Abs. 1 VwGO ausdrücklich vorbehält; Metz, Zulässigkeit und Grenzen formeller und materieller Präklusion, 1983, S. 152, 155; offengelassen von Solveen (Fn. 26), S. 63. 47 Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VI, 1989, § 154 Rn. 8. 48 Zur Beschleunigungs- und Konzentrationsfunktion der materiellen Präklusion siehe die Ausf. unter Β. VII. 2. b) aa)(l). 49 Schmidt-Aßmann, in: Schoch /Schmidt-Aßmann/ Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. I, 1996, Einl. Rn. 155. '

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tenen Entscheidung beizuladen50 und somit in den Schutzbereich des Prozeßrechtsverhältnisses einbezogen ist. Er hat ein anerkennenswertes Interesse an einem zügigen Verfahren, um über Errichtung und Betrieb des geplanten Vorhabens seine verfassungsrechtlich geschützten Positionen aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ausüben zu können.51 Für die obige Auffassung spricht also allein ihre Vereinbarkeit mit § 86 Abs. 1 VwGO; aber selbst dies gilt nur bei einer rein formalen Betrachtung. Hintergrund der Untersuchungsmaxime ist die objektiv-rechtliche Kontrollfunktion der Verwaltungsgerichte gegenüber dem Verhalten der Exekutive und das daraus resultierende - im Vergleich zu den (privaten) Interessenkollisionen des Zivilprozeßrechts - erhöhte öffentliche Interesse an einer sachlich richtigen Entscheidung.52 Daneben soll § 86 Abs. 1, Hs. 1 VwGO auch der Stärkung des Individualrechtsschutzes durch die Herstellung „prozessualer Waffengleichheit' 4 zwischen Bürger und Behörde dienen.53 Beide Funktionen werden aber auch dann beeinträchtigt, wenn die materiellen Präklusionsvorschriften im gerichtlichen Verfahren als reine Entscheidungsnormen im obigen Sinne verstanden werden. Denn eine gerichtliche Kontrolle der Verwaltung ist nur sinnvoll, wenn das Gericht über entsprechende Sanktionsmittel verfügt. Gerade daran fehlt es aber im Fall des materiellen Einwendungsausschlusses, da der Richter das präkludierte Vorbringen selbst dann nicht zugunsten des Rechtsschutzsuchenden berücksichtigen darf, wenn es inhaltlich zutreffend ist. Auch die Herstellung „prozessualer Waffengleichheit" ist sinnlos, wenn von vornherein feststeht, daß sie auf den Ausgang der gerichtlichen Auseinandersetzung keinen Einfluß haben wird. In der Sache läßt sich eine Beeinträchtigung des § 86 Abs. 1, Hs. 1 VwGO durch die materiellen Präklusionsregelungen also auch dann nicht vermeiden, wenn man diese im Prozeß nicht als Verhaltensnormen, sondern ausschließlich als Entscheidungsnormen einstuft. 54 Somit bleibt festzuhalten, daß die materielle Präklusion primär das Verhalten des Gerichts bis zur Entscheidung regelt und erst sekundär den Inhalt der Entschei50 Vgl. BVerwGE 52, 237 (240); Bier, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann /Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. I, 1996, §65 Rn. 19. 51 Näher dazu unter C. III. 2. a). 52 Höfling /Breustedt, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, Bd. II, § 86 Rn. 11 (Stand: 1996); Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. 1998, § 86 Rn. 1; Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, 1998, Rn. 566. 53 Stelkens, NVwZ 1982, 81 (83); Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 14. Aufl. 1997, Rn. 541; kritisch Schmidt-Aßmann (Fn. 26), Art. 19 IV Rn. 219. 54 Vertritt man die Aufassung, daß der Amtsermittlungsgrundsatz eine Ausprägung des in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG verbürgten Anspruchs auf Gewährung wirksamen Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt ist (so Höfling/Breustedt, Fn. 52, § 86 Rn. 12; Kopp/ Schenke, Fn. 52, § 86 Rn. 1; a.A. Schmidt-Aßmann, Fn. 26, Art. 19 IV Rn. 219) bzw. in den materiellen Grundrechten wurzelt (dafür Geiger, BayVBl. 1999, 321, 322 m. w. N.) stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dieser Beeinträchtigung. Zur verfassungsrechtlichen Legitimation der materiellen Präklusion - auch vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und der materiellen Grundrechte - siehe die Ausf. zu C.

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dung selbst. Seine „rechtslähmende" Wirkung entfaltet dieses Institut also deswegen, weil es das Gericht dazu zwingt, bereits seine Verhandlungsführung an den Präklusionsnormen zu orientieren; es ist gehalten, jedes Vorbringen des Klägers zu ignorieren, das sich auf ausgeschlossene Tatsachen und Umstände bezieht, und darf diesbezüglich auch nicht von Amts wegen ermitteln. Erst wenn es gilt, das Urteil zu fällen, werden die Präklusionsbestimmungen für den Richter zu Entscheidungsnormen.

4. Materielle Präklusion als Problem der Zulässigkeit oder Begründetheit einer Klage Nachdem die Wirkung der Einwendungspräklusion dogmatisch eingeordnet wurde, stellt sich die Frage, wann resp. wo das Gericht diese Problematik bei der Prüfung des Rechtsschutzbegehrens zu behandeln hat. Ausgangspunkt diesbezüglicher Überlegungen ist die dem Prozeßrecht eigene Differenzierung zwischen Zulässigkeit und Begründetheit eines Rechtsbehelfs. 55 Da die Zulässigkeit vorrangig zu prüfen ist, 56 wird zunächst untersucht, ob der materielle Präklusionseintritt zur Unzulässigkeit der Klage führt. Diese Auffassung wird vor allem im Schrifttum, 57 zum Teil aber auch in der Rechtsprechung58 vertreten. Zur Begründung wird vorgetragen, die fraglichen Vorschriften ließen die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) entfallen.

a) Einordnung in die Klagebefugnis Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Da die materielle Präklusion den Abwehranspruch des Klägers nicht vernichtet, ist es für ihre Wirkung auf die Klagebefugnis entscheidend, welche Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechts55

Für den Verwaltungsprozeß folgt dies bereits aus den §§42 Abs. 2, 75 S. 1 VwGO. 6 Vgl. statt vieler Ehlers, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. I, 1996, Vorb § 40 Rn. 3. 57 Rengeling, JZ 1978, 453 (457); Ipsen, DVB1. 1980, 146 (151); Kutscheidt (Fn. 19), § 10 Rn. 186; Hirsch/Schmidt-Didczuhn, DVB1. 1991, 428 (433); Steinberg (Fn. 14), § 7 Rn. 26 (S. 326); Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. I, 1996, § 42 II Rn. 107; Brandt, NVwZ 1997, 233 (235); Kuhla / Hüttenbrink, Der Verwaltungsprozeß, 2. Aufl. 1998, D 80 (S. 92); Würtenberger (Fn. 52), Rn. 294; Jarass (Fn. 19), § 10 Rn. 98 m. w. N.; Kniesel/Müllensiefen NJW 1999, 2564 (2569). 5

58 BVerwGE 61, 256 (261 f., 271); BayVGH, DVB1. 1979, 673 (681); OVG NW, NuR 1990, 417 (418); NdsOVG, NVwZ-RR, 1998, 718.

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Verletzung zu stellen sind. Über diesen Punkt herrscht Streit, der unter den Vertretern der sog. Schlüssigkeits- und Möglichkeitstheorie ausgetragen wird. 59 Auf diesen Konflikt muß an dieser Stelle jedoch nicht eingegangen werden; denn welche subtilen Differenzierungen diesbezüglich angebracht und - vor allem mit Blick auf die Abschichtung von Zulässigkeits- und Begründetheitsfragen - prozessual auch gefordert sein mögen, es steht doch fest, daß ein Geltendmachen im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO einen bestimmten Sachvortrag voraussetzt.60 Dies gilt im besonderen Maße für Nachbarklagen gegen umweltrelevante Genehmigungs- und Planungsakte, denn im Umweltrecht verdichtet sich die Substantiierungslast des Drittklägers zu dem Erfordernis eines „qualifizierten Betroffenseins'4.61 Hier könnten die materiellen Präklusionsnormen dogmatisch ansetzen, indem sie dem Kläger den für § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Sachvortrag abschneiden. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint eine Einordnung der Präklusionsproblematik innerhalb der Klagebefugnis möglich. Diese Annahme wird der Funktion des § 42 Abs. 2 VwGO indes nicht gerecht. Normzweck des § 42 Abs. 2 VwGO ist die Verhinderung von Popular- und Interessentenklagen,62 also der Ausschluß solcher Personen, deren Begehren kein rechtliches Interesse zugrunde liegt, sondern lediglich ein - wie auch immer geartetes - sonstiges Interesse. Wie gezeigt führt die materielle Präklusion aber gerade nicht zum Untergang des subjektiven Abwehrrechts, sondern läßt dessen Bestand unberührt. Damit bleibt aber auch das rechtliche Interesse des Klägers bestehen, eine mögliche Verletzung dieses Rechts abzuwehren. Die Auffassung, nach der die materielle Präklusion die Klagebefugnis entfallen läßt, trifft daher nicht den Kern des Problems.

b) Einordnung in das Rechtsschutzbedürfnis Möglicherweise fehlt dem präkludierten Kläger jedoch das Rechtsschutzbedürfnis. Darunter wird das Interesse verstanden, zur Erlangung des begehrten Rechtsschutzes ein Gericht anrufen zu dürfen. 63 Eine Fallgestaltung, in der dem Kläger dieses Interesse abgesprochen wird, ist die der prozessualen Verwirkung. 64 Anwen59 Eine ausführliche Darstellung des Streitstands findet sich bei Ehlers, VerwArch. 84 (1993), 139 (145 ff.). 60 Nierhaus (Fn. 26), S. 286; Happ, in: Eyermann (Hrsg.), VwGO, 10. Aufl. 1998, § 42 Rn. 95.

61 BVerwG, NJW 1983, 1507 (1508); Jarass, NJW 1983, 2844 (2847 f.); Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl. 1998, § 8 Rn. 24; HoppeIBeckmann, Umweltrecht, 1989, § 13 Rn. 40 ff.; Wahl/Schütz (Fn. 57), § 42 II Rn. 68. 62 Ehlers, VerwArch. 84 (1993), 139 (141); Wahl!Schütz, ebd., § 42 II Rn. 7 f.; Schoch, NVwZ 1999, 457 f. 63 Ehlers (Fn. 56), Vorb § 40 Rn. 74 m. w. N. 64 Ehlers, ebd., Vorb § 40 Rn. 103.

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dungsbereich der Verwirkung sind typischerweise polygonale Verwaltungsrechtsverhältnisse, 65 zu denen auch die präklusionsbewehrten Zulassungsverfahren des Umwelt- und Baurechts zählen. Hinter der Verwirkung steht der Gedanke, daß die normative Ordnung kollidierender Interessen nicht nur Grundlage von Rechten ist, sondern auch Obliegenheiten der Rechtswahrung zur Folge hat. Kommt ein Rechtsinhaber dieser Obliegenheit nicht nach, so muß er mit einem Rechtsverlust, also der Verwirkung rechnen. 66 Dabei ist die prozessuale Verwirkung streng von der materiellen Verwirkung zu trennen. Gegenstand der materiellen Verwirkung ist das der Klage zugrunde liegende materielle Abwehrrecht des Rechtsschutzsuchenden mit der Folge, daß die Klage regelmäßig als unbegründet67 abzuweisen ist. 68 Die prozessuale Verwirkung betrifft hingegen eine verfahrensrechtliche Position; im Fall der materiellen Präklusion könnte dies das Recht zur Klageerhebung gegen die zugunsten des Vorhabenträgers ergangene Entscheidung sein. 69 Die prozessuale Verwirkung setzt allerdings voraus, 70 daß ihr Gegenstand, also das betreffende Verfahrensrecht, bereits entstanden ist. 71 Die Befugnis zur Erhebung der Anfechtungsklage entsteht jedoch in der auf nachträglichen Rechtsschutz angelegten Verwaltungsprozeßordnung in der Regel 72 erst mit Bekanntgabe des belastenden Verwaltungsakts an irgendeinen Betroffenen. Daran fehlt es aber im Zeitpunkt des Eintritts der Präklusion. Diese entfaltet ihre Wirkung bereits mit Ablauf der Einwendungsfrist, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der das Zulassungsverfahren abschließende Verwaltungsakt noch nicht erlassen wurde. Bereits aus diesem Grund kann es sich bei der materiellen Präklusion nicht um einen Anwendungsfall bzw. eine gesetzliche Konkretisierung der prozessualen Verwirkung handeln. Davon abgesehen sind auch die allgemeinen Voraussetzungen einer Verwirkung nicht erfüllt. Danach ist erforderlich, daß derjenige, gegen den sich das Recht richtet, aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Rechtsinhabers darauf vertrauen durfte, daß dieser sein Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend macht (sog. Vertrauensgrundlage).73 Als Anknüpfungspunkt für ein solches Vertrauen kommt vorliegend allein

65 Meissner, in: Schoch /Schmidt-Aßmann /Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. I, § 74 Rn. 49 (Stand: Februar 1998); siehe auch Schmidt-Preuß (Fn. 26), S. 531 ff. 66

Schmidt-Preuß, ebd., S. 148, 531. Zur herausgehobenen Bedeutung von Obliegenheiten in mehrpoligen Rechtsverhältnissen siehe auch Schmidt-Aßmann (Fn. 49), Einl. Rn. 194. 67 In offensichtlichen Fällen fehlt bereits die Klagebefugnis. 6« Vgl. BVerwGE 44, 294 (298); Ε 91, 92 (97); BVerwG, NVwZ 1991, 1182; Kopp/ Schenke (Fn. 52), § 74 Rn. 18. 69 Als Fall der prozessualen Verwirkung wird die materielle Präklusion von SchmidtAßmann (Fn. 26), Art. 19 IV Rn. 234, 260 qualifiziert; in diesem Sinne auch Redeker, NJW 1980, 1593 (1598). 70

Im Gegensatz zur materiellen Verwirkung. > BVerwG, NVwZ 1988, 730; Ehlers (Fn. 56), Vorb § 40 Rn. 104. 72 Zur Ausnahme des sog. vorbeugenden Rechtsschutzes siehe Pietzcker, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. I, 1996, § 42 I Rn. 158, 162 ff. m. w. N. 73 BVerwGE 44, 339 (443 f.); Ε 91, 276 (279); Ehlers (Fn. 56), Vorb § 40 Rn. 103. 7

28

Α. Wirkung und dogmatische Einordnung der materiellen Präklusion

die fehlende Beteiligung im Verwaltungsverfahren in Betracht. Dieses Verhalten vermag jedoch allenfalls ein Vertrauen dahingehend zu rechtfertigen, der Rechtsinhaber werde auch im weiteren Verwaltungsverfahren keine Einwendungen mehr erheben. Selbst diese Annahme erscheint aber in Anbetracht des Umstands, daß nicht nur die fehlende, sondern auch eine fristgerechte, aber nicht hinreichend substantiierte Mitwirkung im Verwaltungsverfahren zur Präklusion führt, 74 noch als zweifelhaft; immerhin hat der präkludierte Einwender in letzterem Fall gezeigt, daß er sich gegen das geplante Vorhaben zur Wehr setzten will. Ob der Verwirkungsgedanke wenigstens geeignet ist, die verwaltungs verfahrensrechtliche Wirkung der hier problematisierten Vorschriften zu tragen, kann vorliegend jedoch dahinstehen; den Verlust des prozessualen Rechts zur Klageerhebung vermag er jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Die fehlende, verspätete oder nicht hinreichend substantiierte Beteiligung im Verwaltungsverfahren löst kein schutzwürdiges Vertrauen darauf aus, daß der Rechtsinhaber auch in einem sich anschließenden Verwaltungsprozeß auf die Geltendmachung seines Abwehrrechts verzichten wird. Gegen diese Vermutung spricht zudem die grundsätzliche Trennung und unterschiedliche Ausrichtung von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, 75 die auch durch die vielbeschworene Formel vom „Rechtsschutz durch Verfahren" nicht überspielt werden darf. Rechtsschutz durch Verwaltungsverfahren (hier in Form von Beteiligungsrechten) darf nur neben, aber nicht anstelle des gerichtlichen Rechtsschutzes treten. 76 Dies gebietet neben Art. 20 Abs. 3 GG bereits Art. 19 Abs. 4 GG, der ausdrücklich gerichtlichen Rechtsschutz garantiert. Gegen die Anerkennung schutzwürdigen Vertrauens im obigen Sinne spricht ferner die Existenz vergleichbarer verwaltungsverfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten, deren Nichtwahrnehmung keinen zwingenden prozessualen Ausschluß zur Folge hat. 77 Bei der materiellen Präklusion handelt es sich somit nicht um einen Anwendungsfall bzw. eine gesetzliche Konkretisierung der prozessualen Verwirkung. Der Eintritt der Präklusionswirkung hat keine Auswirkungen auf das Rechtsschutzbedürfnis. 74

Zum erforderlichen Substantiierungsgrad der Einwendungen siehe D. III. 1. 5 Dazu Schmidt-Aßmann (Fn. 49), Einl Rn. 196; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 1 Rn. 44 jeweils m. w. N. Zu den Interdependenzen von administrativem und gerichtlichem Verfahren und den Konsequenzen für die materielle Präklusion siehe die Ausf. unter C. III. 2. b). 7 6 Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, 1988, § 70 Rn. 21. 7

77

Gemäß § 76 Abs. 3 S. 1 FGO kann das Gericht Umstände, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364 b AO gesetzten Frist vorgetragen wurden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. Eine ähnliche Regelung enthält § 36 Abs. 4 S. 3 AsylVfG i.V.m. § 25 Abs. 3 S. 1 AsylVfG, wonach das Gericht Umstände, die im Verwaltungsverfahren nicht rechtzeitig vorgetragen wurden, unberücksichtigt lassen darf. Beide Präklusionsnormen führen - und dies ist entscheidend - nicht zwingend zu einem Einwendungsausschluß auch im gerichtlichen Verfahren, sondern stellen ihn vielmehr in das Ermessen des Gerichts. In diesem Zusammenhang sei zudem daran erinnert, daß auch an den Ablauf der Einwendungsfrist gem. § 73 Abs. 4 VwVfG a. F. keine prozessuale Präklusion geknüpft war.

II. Wirkung im Verwaltungsprozeß

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c) Materielle Präklusion als Prozeßhindernis Die materielle Präklusion läßt die Sachurteilsvoraussetzungen somit unberührt. Dieser Befund führt jedoch nicht durchgängig zu befriedigenden Ergebnissen. Insbesondere in Fällen, in denen der Dritte überhaupt keine Einwendungen erhoben oder diese ganz offensichtlich „en bloc" verspätet vorgetragen hat, ist es nicht sinnvoll, seine Klage erst zuzulassen, um dann sogleich jedes Vorbringen zur Sache selbst für unzulässig zu erklären. Um solche Ergebnisse zu vermeiden, bietet es sich an, den Eintritt der materiellen Präklusion als Prozeßhindernis zu qualifizieren. Unter Prozeßhindernissen werden diejenigen Verfahrensumstände verstanden, deren Vorliegen die Zulässigkeit einer Klage ausschließt. Man kann insoweit auch von „negativen" allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen sprechen.78 Die materielle Präklusion könnte ein solches Prozeßhindernis darstellen. Diese Lösung kommt insbesondere in den eingangs beschriebenen Fällen in Betracht, in denen der Dritte überhaupt keine Einwendungen erhoben bzw. diese „en bloc" verspätet vorgetragen hat und insoweit von einer „Voll-Präklusion" gesprochen werden kann. Hier bietet sich eine Parallele zur Präklusionswirkung der materiellen Rechtskraft an. Diese verdichtet sich bei identischem Streitgegenstand (also bei „Voll-Präjudizialität") zu einem selbständigen prozessualen Institut, das einer erneuten Klage als Prozeßhindernis entgegensteht: der Einrede der Rechtskraft. In Problemfällen, in denen sich nur unter größeren Schwierigkeiten feststellen läßt, ob eine Präklusion vorliegt bzw. welche Umstände von der Präklusion erfaßt werden (also insbesondere in den Fällen einer „Teil-Präklusion"), ist es hingegen sachgerechter, die mit der Einwendungspräklusion verbundene komplexe Problematik im Rahmen der Begründetheit zu erörtern. 79

d) Fazit Die Frage, ob die materielle Präklusion zur Unzulässigkeit oder zur Unbegründetheit der Klage führt, läßt sich nicht zwingend in die eine oder andere Richtung beantworten und sollte daher unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Falles entschieden werden. In Fällen, in denen es eindeutig ist, daß 78 Ehlers (Fn. 56), Vorb § 40 Rn. 12. 79 Auch das BVerwG tendiert in jüngeren Entscheidungen dazu, die Präklusionsproblematik im Rahmen der Begründetheit zu behandeln (soweit es überhaupt zwischen Zulässigkeit und Begründetheit differenziert), allerdings ohne zur dogmatischen Einordnung der materiellen Präklusion Stellung zu beziehen oder dieses Vorgehen zu erläutern, vgl. z. B. BVerwG, NVwZ 1997, 489; NVwZ 1998, 504 (505 f.); NVwZ 1998, 847 (848 f.); anders noch BVerwGE 61, 256 (261 f., 271); eine Einordnung der Problematik in die Begründetheit der Klage forden ausdrücklich Metz (Fn. 46), S. 28 f.; Hufen (Fn. 33), § 23 Rn. 16. Für eine differenzierende Lösung Degenhart (Fn. 44), S. 637 f.; Solveen (Fn. 26), S. 60.

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Α. Wirkung und dogmatische Einordnung der materiellen Präklusion

der Kläger mit seinen Einwendungen vollständig ausgeschlossen ist (Konstellation der „Voll-Präklusion"), steht der Einwendungsausschluß der Zulässigkeit einer Klage in Form eines Prozeßhindernisses entgegen. In allen anderen Fällen ist es hingegen sachgerechter, die mit der materiellen Präklusion verbundene komplexe Problematik im Rahmen der Begründetheit zu erörtern. Abschließend sei noch angemerkt, daß die Einordnung der materiellen Präklusion als Frage der Zulässigkeit oder Begründetheit einer Klage nicht überschätzt werden darf. Für den Betroffenen sind allein die Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens entscheidend, so daß der Sanktionscharakter der materiellen Präklusion in beiden Fällen erhalten bleibt. Da nicht nur Sach-, sondern auch Prozeßurteile der materiellen Rechtskraft fähig sind 80 und die tragenden Gründe an der Rechtskraft teilnehmen,81 ist es ferner für die Rechtskrafterstreckung ohne Belang, ob die Klage wegen Eintritts der materiellen Präklusion als unzulässig oder als unbegründet abgewiesen wird. Zudem bestehen in der Regel keine kostenrechtlichen Unterschiede. Auch der Streit, welche Anforderungen an die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsbehelfs zu stellen sind, um den Suspensiveffekt gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO auszulösen,82 verliert im Zusammenhang mit der materiellen Präklusion - zumindest in praxi - an Bedeutung. Denn gerade im Bereich des Umwelt- und Baurechts hat der Bundesgesetzgeber von seiner Ermächtigung zur Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen aufschiebender Wirkung und sofortiger Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Fall 1 VwGO Gebrauch gemacht.83 Zudem räumt die durch das 6. Anderungs-

80 Vgl. nur BVerwGE 10, 148 (149); Clausing (Fn. 32), § 121 Rn. 91 m. w. N. 81 Vgl. Ehlers, in: FS Menger, 1985, 379 (382) m. w. N. 82 Zum Streitstand siehe Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO. Bd. I, 1996, §80 Rn. 63 ff. 83 Siehe insbesondere die durch das Planungsvereinfachungsgesetz vom 17. 12. 1993 (BGBl. I, S. 2123) eingeführten § 17 Abs. 6 a S. 1 FStrG, § 36 d Abs. 4 S. 1 BBahnG (heute § 20 Abs. 5 S. 1 AEG), § 29 Abs. 6 S. 2 PBefG. Seit Inkrafttreten dieses Artikelgesetzes lösen Anfechtungsklagen gegen einen Planfeststellungsbeschluß oder eine Plangenehmigung hinsichtlich bestimmter Bundesfernstraßen, Betriebsanlagen für Straßenbahnen und Schienenwege keinen Suspensiveffekt mehr aus. Diese Wirkung haben auch das Rechtsmittelbeschränkungsgesetz (i.d.F. des Art. 2 des 6. VwGO-ÄndG vom L I . 1996, BGBl. I, S. 1626) und § 5 Abs. 2 S. 1 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz (VerkPBG) vom 16. 12. 1991 (BGBl. I, S. 2174) hinsichtlich der wichtigsten Infrastrukturmaßnahmen in den neuen Bundesländern. Die beiden letztgenannten Gesetze sind allerdings nicht nur örtlich, sondern auch zeitlich begrenzt. Das Rechtsmittelbeschränkungsgesetz gilt nur noch bis zum 31. 12. 2002. Hinsichtlich des VerkPBG ist zu differenzieren: Für Schienenwege galt es noch bis Ende 1999, ansonsten ist es bereits seit 1995 außer Kraft. Der Suspensiveffekts entfällt zudem gem. § 5 Abs. 5 S. 1 MBP1G. Sofern das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion, wie etwa in Baden-Württemberg oder Bayern, sogar im Baugenehmigungsverfahren (§ 55 Abs. 2 S. 2 BauO BW, Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO) installiert wurde, ist § 212 a Abs. 1 BauGB zu beachten (und teilweise darüber hinausgehend Art. 2 Nr. 1 des Rechtsmittelbeschränkungsgesetzes). Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung.

II. Wirkung im Verwaltungsprozeß

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gesetz zur VwGO 8 4 geschaffene zweite Alternative des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO auch den Landesgesetzgebern die nahezu uneingeschränkte Möglichkeit ein, die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen auszuschließen.

84 Gesetz vom 1. 11. 1996 (BGBl. I, S. 1626).

Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion I. Einleitung In jüngerer Zeit ist unter dem Signum „Europäisierung des Verwaltungsrechts" wiederholt der steigende Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das nationale Verwaltungsrecht beschrieben worden. 85 Dieser Prozeß hat mittlerweile auch das Institut der materiellen Präklusion erreicht und auf den gemeinschaftsrechtlichen Prüfstand gehoben. Auslösendes Moment war das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache Peterbroeck. 86 Dort hat der EuGH entschieden, daß das Gemeinschaftsrecht „der Anwendung einer nationalen Verfahrensvorschrift entgegensteht, die es einem im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufenen nationalen Gericht unter Voraussetzungen, wie sie durch das im Ausgangsrechtsstreit maßgebliche Verfahren vorgegeben werden, verbietet, von Amts wegen die Vereinbarkeit eines innerstaatlichen Rechtsakts mit einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts zu prüfen, wenn sich kein Verfahrensbeteiligter innerhalb einer bestimmten Frist auf die letztgenannte Vorschrift berufen hat." Interpretiert als die generelle Aussage, die nationalen Gerichte müßten stets die Möglichkeit haben, Verwaltungsentscheidungen auf potentielle Gemeinschaftsrechtsverstöße auch unabhängig von ihrer fristgerechten Geltendmachung überprüfen zu können,87 hätte dieses Urteil weitreichende Konsequenzen für das nationale Prozeßrecht. Nicht nur das Institut der materiellen Präklusion, sondern auch Widerspruchs-, Klage- und Rechtsmittelfristen, die Institute der materiellen Rechtskraft und der innerprozessualen ΒindungsWirkung würden - und diese Aufzählung ist nicht abschließend - durch ein so verstandenes Präjudiz in Frage gestellt. Ob eine derart weite und verallgemeinernde Interpretation dieses Tenors gerechtfertigt ist, kann aber erst eine Analyse der Entscheidungsgründe und deren Einordnung in die sonstige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zeigen. Zudem soll untersucht werden, ob das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion auch mit den sonstigen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts vereinbar ist.

85 Vgl. nur Ehlers, DVB1. 1991, 605 ff.; Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, 924 ff.; Schoch, JZ 1995, 109 ff. 86 EuGH Rs. C-312/93 (Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS/Belgischer Staat), Slg. 1995,1-4599 ff. = DVB1. 1996, 249 f. = EuZW 1996, 636 f. = NVwZ 1997, 372 (LS). 87 So v. Danwitz, UPR 1996, 323 (326); im Anschluß daran Badura, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, 11. Aufl. 1998, § 37 Rn. 4.

III. Entscheidungsgründe

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II. Der Sachverhalt Der Ausgangsfall spielt im belgischen Finanzgerichtsverfahren. Die Firma Peterbroeck wehrte sich gegen einen Steuerbescheid, der sie mit einem nur für gebietsfremde Gesellschaften geltenden Steuersatz belastete. Nach erfolglosem Einspruch bei der zuständigen Finanzbehörde erhob sie fristgerecht Klage vor der Cour d'appel Brüssel. Dort machte sie erstmalig geltend, daß es gegen die in Art. 43 EG 8 8 (früher Art. 52 EGV) garantierte Niederlassungsfreiheit verstoße, auf eine gebietsfremde Gesellschaft einen Steuersatz anzuwenden, der höher sei als derjenige, mit dem eine belgische Gesellschaft belastet worden wäre. Die Finanzbehörde berief sich demgegenüber auf eine Norm des belgischen Einkommensteuergesetzes (Art. 282 Code des impôts sur les revenus), nach der sich ein Kläger auf Rügen, die weder im Rahmen des Einspruchs vorgebracht noch von der Einspruchsbehörde von Amts wegen geprüft wurden, nur innerhalb von sechzig Tagen ab Weiterleitung der Verfahrensakten durch die Finanzbehörde an das zuständige Gericht stützen kann; nach Ablauf dieser Frist ist der Kläger mit derartigen Einwendungen präkludiert. In dieser Situation ersuchte die Cour d'appel Brüssel den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Frage, ob diese Frist mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren sei.

I I I . Die Entscheidungsgründe Der Europäische Gerichtshof beginnt seine Argumentation mit der Feststellung, daß der Vollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts, soweit dieses keine Vorgaben zur verfahrensrechtlichen Handhabung seiner Bestimmungen treffe, grundsätzlich nach nationalem (Verfahrens-)Recht erfolge. Sodann verweist er auf die von ihm entwickelten Schranken dieses Prinzips, die Gebote der Effektivität und Äquivalenz (Rn. 12 des Urteils). Der Effektivitätsgrundsatz besagt, daß eine Fristbestimmung die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Befugnisse nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren darf. Der Aquivalenzgrundsatz verbietet es den Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen für die Erlangung gerichtlichen Rechtsschutzes zum Zwecke der Durchsetzung gemeinschaftsrechtlich begründeter Rechte ungünstiger zu gestalten als bei Rechtsschutzanträgen, die nur innerstaatliches Recht betreffen. 89 Bis zu diesem Punkt entspricht die 88 Nach Art. 12 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte sind (u. a.) die Artikel des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften umnumeriert worden. Der Amsterdamer Vertrag ist am 1. 5. 1999 völkerrechtlich in Kraft getreten. Die hier verwendete Zitierweise beruht auf einem Vorschlag des EuGH, siehe Pressemitteilung des EuGH Nr. 74/98 vom 2. 12. 1998, bestätigt und konkretisiert durch Pressemitteilung Nr. 57/99 vom 30. 7. 1999.

3 Oexle

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

Entscheidung dem üblichen Vorgehen des Europäischen Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen, nimmt dann aber eine überraschende Wendung. Anstatt auf der Subsumtionsebene zu prüfen, ob die belgische Fristvorschrift den genannten Anforderungen genügt, stellt der EuGH einen zweiten Obersatz auf. Dort erinnert er daran, daß eine nationale Verfahrensvorschrift auch dann unangewendet bleiben müsse, wenn sie der Durchführung des in Art. 234 EG (früher Art. 177 EGV) normierten Vorabentscheidungsverfahrens entgegenstehe (Rn. 13). Dieser Aspekt ist bisher nicht hinreichend herausgearbeitet worden. Das mag zum einen daran liegen, daß der EuGH den zweiten Obersatz - zumindest formal - an den ersten rückkoppelt; zum anderen aber auch an dem Umstand, daß Art. 234 EG als potentielle Kollisionsnorm mit nationalem Verfahrensrecht in der Literatur bislang nur wenig Beachtung gefunden hat. Hinzu kommt, daß die in den jeweiligen Obersätzen aufgestellten Kriterien der Auflösung unterschiedlicher Kollisionslagen dienen. Durch die Einführung des Art. 234 EG wird die Möglichkeit einer sog. direkten Kollision angedeutet. Diese zeichnet sich dadurch aus, daß eine Norm des Gemeinschaftsrechts und eine Norm des nationalen Rechts dieselbe Frage in widersprüchlicher Weise regeln. 90 Vorliegend wären dies Art. 234 EG und die belgische Präklusionsfrist. Die Schranken des Äquivalenz- und Effektivitätsgebots sollen hingegen eine sachgerechte Lösung sog. indirekter Normenkollisionen ermöglichen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß sich zwei thematisch heterogene Vorschriften begegnen, deren Rechtsfolgen sich nicht widersprechen und deren kumulative Anwendung grundsätzlich sogar vorgesehen ist. 91 Solche Kollisionen treten typischerweise auf, wenn materielles Gemeinschaftsrecht nach nationalem Verfahrensrecht vollzogen wird und es dabei zu Verfahrens- und vollzugsbedingten Rückwirkungen auf das Gemeinschaftsrecht kommt; im vorliegenden Fall also durch die Anwendung der belgischen Präklusionsfrist beim Vollzug des Art. 43 EG. Zuletzt entspricht das Vorgehen des EuGH auch nicht dem üblichen Syllogismus der Rechtsfolgenbestimmung, nach dem auf einen Obersatz zunächst Unter- und Schlußsatz folgen, bevor ein neuer Obersatz aufgeworfen wird. 92

89

St. Rspr. des EuGH seit Rs. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AG/ Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998) und Rs. 45/76 (Comet ΒV / Produktschap voor Siergewassen), Slg. 1976, 2043 (2053). Zur Terminologie siehe EuGH Rs. C-231 / 96 (Edilizia Industriale Siderurgica Sri / Ministero delle Finanze), EuZW 1998, 664 (666); als Synonyma werden verwendet: „Vereitelungs- und Diskriminierungsverbot", v. Danwitz, DVB1. 1998, 421 (422); „Effizienzgebot und Diskriminierungsverbot", Streinz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, 1992, § 182 Rn. 24 ff. 90 Burgi, Verwaltungsprozeß und Europarecht, 1996, S. 21; v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 115; Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, 11. Aufl. 1998, § 3 Rn. 44. 9 · v. Danwitz, ebd.; vgl. auch Streinz (Fn. 89), § 182 Rn. 27; Burgi, ebd., S. 22 f. jeweils m. w. N.; Rengeling / Middeke / Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rn. 943, sprechen insoweit von „mittelbarer Kollision". 92 Allgemein zur Diktion des EuGH v. Danwitz, ebd., S. 513.

III. Entscheidungsgründe

35

Abschließend - und darauf wird später noch zurückzukommen sein - ergänzt der EuGH beide Obersätze durch die Aussage, daß bei der Anwendung dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (Art. 234 EG / Äquivalenz- und Effektivitätsprinzip) auf eine nationale Verfahrensvorschrift eine konkrete Betrachtungsweise erforderlich sei. Es müßten sowohl die Stellung dieser Bestimmung im gesamten Verfahren als auch die Grundsätze des nationalen Rechtsschutzsystems, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens berücksichtigt werden (Rn. 14). Auf der Subsumtionsebene wird ein Verstoß gegen das Effektivitätsgebot mit der kurzen Feststellung verneint, daß die belgische Frist von sechzig Tagen als solche nicht zu beanstanden sei (Rn. 16). Einer möglichen Diskriminierung wird gar nicht erst nachgegangen. Grund dafür mag der Umstand sein, daß ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip bereits in den Schlußanträgen des Generalanwalts überzeugend ausgeschlossen wurde. 93 Anschließend wendet sich der Europäische Gerichtshof einer möglichen Kollision mit Art. 234 EG zu. Dazu führt er aus, daß die fragliche Präklusionsfrist dem belgischen Gericht jede Möglichkeit nehme, den angegriffenen Rechtsakt auf seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht hin zu überprüfen und gegebenenfalls - und dies ist m. E. entscheidend - gemäß Art. 234 EG vorzulegen (Rn. 17 f.). Diese Feststellung wird durch den Hinweis ergänzt, daß auch zu einem späteren Zeitpunkt keine mit dem Rechtsstreit befaßte nationale Stelle über eine solche Prüfungs- und Vorlagemöglichkeit verfüge (Rn. 19). Diese Einschränkungen werden nach Ansicht des EuGH auch nicht „durch Grundsätze wie den der Rechtssicherheit oder den des ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs" in vertretbarer Weise gerechtfertigt (Rn. 20). Aufgrund dieser „Besonderheiten des fraglichen Verfahrens" gelangt der Europäische Gerichtshof schließlich zu dem Ergebnis, daß das Gemeinschaftsrecht der belgischen Präklusionsfrist entgegenstehe (Rn. 21 ). 9 4 Betrachtet man den Tenor im Lichte dieser Entscheidungsgründe, läßt sich - die Verallgemeinerungsfähigkeit dieses Judikats zunächst unterstellt 95 - folgendes Präjudiz gewinnen: In dem gegen einen staatlichen Rechtsakt eröffneten Instanzenzug muß zumindest einmal eine gemäß Art. 234 EG vorlageberechtigte nationale Stelle die Möglichkeit haben, einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht von Amts we93 GA Jacobs, Schlußanträge in der Rs. C-312/93 (Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS/Belgischer Staat), Slg. 1995,1-4599 (4605 ff.). 94

Um Mißverständnissen vorzubeugen sei darauf hingewiesen, daß der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht befugt ist, mitgliedstaatliches Recht zu überprüfen. Er darf gem. Art. 234 EG lediglich über die Gültigkeit und Auslegung des Gemeinschaftsrechts befinden. Diese Auslegung läßt jedoch - wie im vorliegenden Fall - regelmäßig eindeutige Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Gemeinschaftsrecht zu. Insoweit führt das Vorabentscheidungsverfahren zumindest mittelbar zu einer Überprüfung des mitgliedstaatlichen Rechts mit dem EG-Recht, vgl. Ehlers, in: Schoch / SchmidtAßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. I, 1996, Anh § 40 Art. 177 EGV Rn. 8. 95 Dazu in diesem Kapitel VI. 3*

36

Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

gen zu prüfen (im folgenden „Peterbroeck-Formel"). Eine Vorschrift des nationalen Rechts, die das verhindert, steht dem Gemeinschaftsrecht entgegen, wenn sie nicht durch Grundsätze gerechtfertigt ist, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen. Dieses Postulat stellt eine wesentliche Neuerung in der Rechtsprechung des EuGH zum Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zu nationalem Verfahrensrecht dar.

IV. Analyse und Einordnung dieser Entscheidung Das Europäische Gemeinschaftsrecht wird überwiegend von den Organen der Mitgliedstaaten, insbesondere den nationalen Behörden und Gerichten, vollzogen. 96 Soweit dafür keine EG-rechtlichen Durchführungsbestimmungen existieren, 97 richtet sich der Vollzug nach innerstaatlichem Recht.98 Auch in diesem Fall sind jedoch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zu beachten. In der vorliegenden Entscheidung sind dies die primärrechtliche Bestimmung des Art. 234 EG und die vom Europäischen Gerichtshof aus Art. 10 EG 9 9 abgeleiteten Gebote der Äquivalenz und Effektivität. Diese Prämissen und insbesondere ihre Handhabung durch den EuGH sollen im folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen werden.

1. Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz Die Prinzipien der Äquivalenz und Effektivität dienen dem Europäischen Gerichtshof bereits seit den Urteilen in den Rechtssachen Rewe w o und Comet n)] aus dem Jahr 1976 kontinuierlich als Beurteilungskriterien für die Vereinbarkeit innerstaatlicher Verfahrensregelungen mit dem Gemeinschaftsrecht. Da die belgische Frist in der Rechtssache Peterbroeck gleichermaßen für Rügen nationalen wie gemeinschaftlichen Ursprungs gilt, ist sie mit dem Grundsatz der Äquivalenz vereinbar. 102 96

Vgl. statt vieler Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rn. 636. Zum gesamten Komplex des mitgliedstaatlichen Vollzugs siehe Streinz (Fn. 89), § 182. 9 ? Dies ist die Regel, vgl. statt vieler Ehlers (Fn. 90), § 3 Rn. 57, 63. 9 8 Vgl. nur Rengeling, VVDStRL 53 (1994), S. 202 (213 f.). 99 EuGH Rs. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AG/ Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998) und Rs. 45/76 (Comet Β V / Produktschap voor Siergewassen), Slg. 1976, 2043 (2053); Rs. 811/79 (Amministrazione delle Finanze dello Stato/ Ariete S.p.A.), Slg. 1980, 2545 (2554 f.). "OO EUGH RS. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AG / Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 ff.

'οι EuGH Rs. 45/76 (Comet BV/Produktschap voor Siergewassen), Slg. 1976, 2043 ff. 102

Zu diesem Schluß kommt auch G A Jacobs, Schlußanträge in der Rs. C-312/93 (Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS/Belgischer Staat), Slg. 1995,1-4601 (4605 ff.).

IV. Analyse und Einordnung dieser Entscheidung

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Dem Effektivitätsgebot entsprechen nur angemessene Fristen. Vor dem Hintergrund, daß der EuGH die deutsche Widerspruchsfrist des § 70 VwGO mit einer Länge von einem Monat noch als angemessen eingestuft hat, 103 überrascht es kaum, daß er mit Blick auf die sechzig Tage laufende belgische Ausschlußfrist zu keinem anderen Ergebnis gelangt.

2. Das Vorabentscheidungsverfahren a) Funktion Gemäß Art. 234 E G 1 0 4 ist ein nationales Gericht, welches zu dem Schluß gelangt, ein bei ihm anhängiger Rechtsstreit werfe Fragen der Auslegung oder Gültigkeit 105 des Gemeinschaftsrechts auf, berechtigt oder sogar verpflichtet, den Europäischen Gerichtshof diesbezüglich um Vorabentscheidung zu ersuchen. Das daraufhin verkündete Urteil wird dem vorlegenden Gericht zugestellt und ist für dieses bei der weiteren Verhandlung verbindlich. 106 Die besondere Bedeutung des Vorabentscheidungsverfahrens liegt darin, daß es die nationale mit der gemeinschaftlichen Gerichtsbarkeit verzahnt. Damit ist dieses Verfahren das zentrale Instrument zur Sicherung der Einheitlichkeit und Kohärenz der EG-Rechtsordnung. 107 Daneben wird ihm die Funktion zugeschrieben, den gerichtlichen Rechtsschutz des einzelnen zu verbessern. 108 Diesen Aufgaben entspricht auch die außerordentlich große praktische Bedeutung des Art. 234 EG. Zwischen 1953 und 1992 wurden 7787 Rechtssachen beim Europäischen Gerichtshof anhängig. Davon handelte es sich bei 2486 um Vorabentscheidungsverfahren; dies sind ca. 32%. Zieht man die Personalstreitigkeiten (2389) ab, wurden sogar fast die Hälfte, nämlich ca. 46%, aller Entscheidungen des EuGH in diesem Ver-

103 EUGH RS. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AG / Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998 f.). 104 Zu den vergleichbaren Verfahren der Art. 150 Ε A und 41 KS siehe Dauses, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EGV, 2. Aufl. 1995, S. 40 ff. Im Gegensatz zu der generell zulässigen Auslegungsfrage darf das vorlegende Gericht die Gültigkeitsfrage nur in bezug auf Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der EZB stellen. Insbesondere kann nicht die Gültigkeit des Vertrages selbst überprüft werden, Art. 234 Abs. 1 lit. b EG. 106 EUGH RS. 29/68 (Milch-, Fett- und Eierkontor/Hauptzollamt Saarbrücken) Slg. 1969,

165 (178); B V e r f G E 52, 187 (200).

107 Siehe EuGH Rs. 166/73 (Rheinmühlen-Düsseldorf/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel), Slg. 1974, 33 (38); Rs. 107/76 (Hoffmann-La Roche AG/Centrafarm Vertriebsgesellschaft Pharmazeutischer Erzeugnisse mbH), Slg. 1977, 957 (972); Dauses (Fn. 104) S. 46; Ehlers (Fn. 94), Rn. 4. ίο» Ress, DV 20 (1987), 177 (180); Dauses (Fn. 104), S. 48 f.; Ehlers, ebd., Anh § 40 Art. 177 EGV Rn. 5.

Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

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fahren getroffen, 109 darunter so wichtige wie ζ. B. die Annahme eines Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor mitgliedstaatlichem Recht. 110 Die Zahl der Vorabentscheidungen steigt bis heute kontinuierlich. 111 Im Gegensatz zu den Prinzipien der Effektivität und Äquivalenz ist Art. 234 EG allerdings vergleichsweise selten als Beurteilungskriterium für die Vereinbarkeit nationalen Verfahrensrechts mit dem Gemeinschaftsrecht herangezogen worden.

b) Normbereich und Beeinträchtigung aa) Mögliche Konstellationen Um die Frage zu beantworten, wann eine Vorschrift des nationalen Verfahrensrechts das in Art. 234 EG geregelte Vorabentscheidungsverfahren beeinträchtigt, muß zunächst der Normbereich, das heißt der vom Normprogramm als rechtserheblich in bezug genommene Sach- und Lebensbereich dieser Vorschrift ermittelt werden. Da der Europäische Gerichtshof Normbereich und Eingriff nicht hinreichend voneinander trennt, 112 kann ersterer nur mit Blick auf den Eingriff bestimmt werden. Dazu empfiehlt es sich, die in Betracht kommenden innerstaatlichen Vorschriften je nach dem Zeitpunkt ihres Einwirkens auf das Vorabentscheidungsverfahren zu unterteilen. Bei diesem Vorgehen lassen sich drei Gruppen bilden. Die Normen der ersten Gruppe wirken bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt auf das Vorabentscheidungsverfahren ein, indem sie es den nationalen Gerichten verbieten, eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts bei der Entscheidungsfindung überhaupt zu berücksichtigen; eine Frage der Auslegung oder Gültigkeit des Gemeinschaftsrechts und demzufolge auch einer Vorlage an den EuGH kann sich somit gar nicht erst stellen. Zu dieser Gruppe zählen neben der belgischen Ausschlußfrist auch die materiellen Präklusionsnormen des deutschen Umwelt- und Baurechts. Auch die Vorschriften der zweiten Gruppe hindern die Gerichte der Mitgliedstaaten daran, den EuGH um Vorabentscheidung zu ersuchen. Allerdings verbieten sie es ihnen nicht, eine Norm des Gemeinschaftsrechts anzuwenden, sondern nur, diese bei Zweifeln über ihre Auslegung oder Gültigkeit vorzulegen. Die Regelungen der dritten Gruppe beeinträchtigen das Vorabentscheidungsverfahren hingegen erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt: Sie verbieten es den mitgliedstaatlichen Gerichten nämlich nicht, gemäß Art. 234 EG vorzulegen, sondern hindern diese viel109

Statistische Angaben bei Dauses, ebd., Anh II (S. 173 f.); siehe auch Ehlers, ebd., Anh §40 Art. 177 EGV Rn. 11. " EuGH Rs. 6/64 (Flaminio Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, 1251 ff. m Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 1999, Art. 234 Rn. 1. ι· 2 Zu der vergleichbaren Problematik im Bereich der Grundfreiheiten Bleckman/Pieper, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. I, Β. I Rn. 140 (Stand: Januar 1999); Ehlers (Fn. 90), § 3 Rn. 18.

IV. Analyse und Einordnung dieser Entscheidung

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mehr daran, das Gemeinschaftsrecht im weiteren Verfahren nach Maßgabe der Vorabentscheidung des EuGH unmittelbar anzuwenden.

bb) Die Konzeption des EuGH Der Europäische Gerichtshof hat bereits frühzeitig klargestellt, daß die Vorschriften der zweiten Gruppe den Schutzbereich des Art. 234 EG beeinträchtigen. In der ersten Rheinmühlen-EnXsc\vt\d\xng U2, ging es um die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit des § 126 Abs. 5 FGO, also einer Verfahrensregelung, die das im Rechtszug untergeordnete Gericht an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts bindet. In einer entsprechenden prozessualen Konstellation hindert diese Bindung das unterinstanzliche Gericht, den EuGH gem. Art. 234 Abs. 2 EG um Vorabentscheidung zu ersuchen. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs lag darin ein Verstoß gegen Art. 234 EG. Zur Begründung berief er sich auf Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Dazu führte er (zum damaligen Art. 177 EGV) aus: „Art. 177 EGV ist von entscheidender Bedeutung dafür, daß das vom Vertrag geschaffene Recht wirklich gemeinsames Recht bleibt; er soll gewährleisten, daß dieses Recht in allen Mitgliedstaaten immer die gleiche Wirkung hat. Auf diese Weise soll er unterschiedliche Auslegungen des Gemeinschaftsrechts verhindern, das die nationalen Gerichte anzuwenden haben; doch zielt er auch darauf ab, diese Anwendung selbst zu gewährleisten, da er dem nationalen Richter die Möglichkeit gibt, die Schwierigkeiten auszuräumen, die sich aus der Notwendigkeit ergeben können, dem Gemeinschaftsrecht im Rahmen der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zur vollen Geltung zu verhelfen. Jede Lücke in dem so geschaffenen System würde daher sogar die Wirksamkeit der Vertragsvorschriften und des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts in Frage stellen." 114 Daraus folgert der EuGH, daß jedem nationalen Gericht - auch einem unterinstanzlichen im Sinne des Art. 234 Abs. 2 EG - ein unbeschränktes Vorlagerecht zusteht, wenn es von Amts wegen oder auf Anregung der Parteien feststellt, daß es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf eine der in Art. 234 EG genannten Fragen ankommt. 115 Nationales Verfahrensrecht, das diesem „unbeschränkten Vorlagerecht" entgegenstehe, werde vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts erfaßt. 116 Diese grundlegenden Aussagen zur ratio legis des Art. 234 EG hat der EuGH in seiner zweiten Rheinmühlen-Ent113 EuGH Rs. 166/73 (Rheinmühlen-Düsseldorf / Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel), Slg. 1974, 33 ff. 114 EUGH, ebd., S. 38; siehe auch EuGH Rs. C-231 / 89 (Krystyna Gmurzynska-BScher/ OFD Köln), Slg. 1990, 1-4003 (4017), wo noch einmal betont wird, daß Art. 234 EG den Zweck verfolge, in allen Mitgliedstaaten die einheitliche Auslegung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. 115 EuGH Rs. 166/73 (Rheinmühlen-Düsseldorf / Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel), Slg. 1974, 33 (38). i ' 6 Zu den Auswirkungen des Vorrangprinzips auf eine mit dem Gemeinschaftsrecht kollidierende Vorschrift des nationalen Rechts siehe die Ausf. unter VIII. in diesem Kapitel.

Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

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Scheidung117 bestätigt. Sie sind unverzichtbarer Hintergrund für das weitere Verständnis dieser Bestimmung als Maßstab für innerstaatliches Verfahrensrecht. Die Vorschriften der dritten Kategorie lassen die Vorlagebefugnis (resp. Vorlagepflicht) der mitgliedstaatlichen Gerichte hingegen gänzlich unberührt. Nach der Rechtsprechung des EuGH in den Fällen Simmenthai II und Factortame I werden jedoch auch diese innerstaatlichen Vorschriften vom Geltungsanspruch des Art. 234 EG erfaßt. In der Rechtssache Simmenthai 7/ 1 1 8 warf ein italienisches Gericht die Frage auf, ob es eine nationale Vorschrift, deren Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der EuGH bereits in einem anderen Verfahren bejaht hatte, unangewendet lassen kann, ohne die vorherige Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit durch das italienische Verfassungsgericht abzuwarten. Das vorlegende Gericht sah sich daran durch Art. 11 der italienischen Verfassung gehindert. Dieser bestimmte, daß jede gemeinschaftsrechtswidrige nationale Regelung zugleich auch verfassungswidrig sei, die Feststellung der Verfassungswidrigkeit aber allein dem Verfassungsgericht obliege. Darauf antwortete der Europäische Gerichtshof: „Das staatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, ist gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede [ . . . ] entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet läßt, ohne daß es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung [ . . . ] durch ein verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müßte." 119 Zur Begründung berief sich der EuGH auch 120 auf Art. 234 EG: „Die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmung würde geschmälert, wenn es dem Gericht verwehrt wäre, das Gemeinschaftsrecht nach Maßgabe der (Vorab-) 121 Entscheidung [ . . . ] des Gerichtshofes unmittelbar anzuwenden."122 In der ersten Factortame-Entscheidung 123 verpflichtete der Gerichtshof die nationalen Gerichte, zur Sicherung eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Ab1,7

EuGH Rs. 146/73 (Rheinmühlen-Düsseldorf/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel), Slg. 1974, 139 (147 f.). •ι» EuGH Rs. 106/77 (Staatliche Finanzverwaltung/S.p.A. Simmenthai), Slg. 1978, 629 ff. ι · 9 EuGH, ebd., S. 646 (Tenor). i 2 ü Daneben stützt der EuGH seine Ansicht auf die unmittelbare Geltung (S. 643 f. Rn. 14-16) und den Vorrang (S. 644 Rn. 17- 18) des Art. 28 EG (früher Art. 36 EGV). Als Entscheidung, die die unmittelbare Verdrängung nationalen Verfahrensrechts durch Art. 234 EG betrifft, versteht dieses Judikat auch v. Danwitz, DVB1. 1998, 421 (422). 121

Klammerinhalt vom Verfasser zur Verdeutlichung hinzugefügt. 122 EuGH, ebd., S. 644 Rn. 19-20. Nachzutragen bleibt, daß die Corte costituzionale ihre Rspr. zu Art. 11 inzwischen aufgegeben hat und - in Übereinstimmung mit dem EuGH - dem erkennenden Gericht selbst eine Verwerfungskompetenz zuerkennt, siehe Ritterspach, EuGRZ 1985, 98. 123 EUGH RS. C-213/89 (The Queen/Secretary of State for Transport ex parte: Factortame Ltd u. a.), Slg. 1990,1-2433 ff.

IV. Analyse und Einordnung dieser Entscheidung

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wehranspruchs, vorläufigen Rechtsschutz bis zum Erlaß einer Vorabentscheidung auch dann zu gewähren, wenn eine nationale Rechtsvorschrift dies verbietet. Anlaß zu dieser Entscheidung gab eine Regel des common law, die es englischen Gerichten untersagte, vorläufige Maßnahmen gegen die Krone, das heißt gegen die Regierung, anzuordnen. Auch zur Begründung dieses Urteils hat der EuGH auf Art. 234 EG zurückgegriffen. 124 In den Entscheidungsgründen heißt es (zum früheren Art. 177 EGV): „Für diese Auslegung spricht auch das durch Art. 177 EGV geschaffene System, dessen praktische Wirksamkeit beeinträchtigt würde, wenn ein nationales Gericht, das das Verfahren bis zur Beantwortung seiner Vorlagefrage durch den Gerichtshof aussetzt, nicht so lange einstweiligen Rechtsschutz gewähren könnte, bis es auf der Grundlage der Antwort des Gerichtshofs seine eigene Entscheidung erläßt." 125 Für die deutsche Rechtsordnung blieb diese Entscheidung zwar ohne praktische Bedeutung, weil sie kein mit dem crown privilege vergleichbares Rechtsinstitut kennt. 126 Das Urteil bestätigt jedoch die in der Rechtssache Simmenthai II erfolgte Erweiterung des Geltungsanspruchs des Art. 234 EG auf Vorschriften, die das vorlegende Gericht daran hindern, das Gemeinschaftsrecht entsprechend der Vorabentscheidung des EuGH unmittelbar anzuwenden. Es kann somit festgehalten werden, daß das Vorabentscheidungsverfahren nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs auch durch die Vorschriften der dritten Gruppe beeinträchtigt wird. Die Präklusionsnormen der ersten Gruppe hat der EuGH in seiner bisherigen Judikatur hingegen nicht am Maßstab des Art. 234 EG, sondern allein an den Geboten der Äquivalenz und Effektivität gemessen. Von dieser Praxis ist der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung Peterbroeck abgewichen. Dort hat er sein Urteil auf den Umstand gestützt, daß wegen des Fristablaufs keine mit der Rechtssache befaßte staatliche Instanz die Möglichkeit hatte, die angegriffene Maßnahme auf einen etwaigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht zu prüfen und - dies ist der tragende Gesichtspunkt - gemäß Art. 234 EG vorzulegen. Wegen dieser „Besonderheit des [ . . . ] Verfahrens" wird die Vereinbarkeit der fraglichen Präklusionsnorm mit dem Vorabentscheidungsverfahren verneint. Darin liegt der Sache nach eine erneute Erweiterung des Normbereichs des Art. 234 EG. 1 2 7 Auch die Vor124

Auf Art. 234 EG berief sich auch die Factortame Ltd als Klägerin des Ausgangsverfahrens. In ihrer Stellungnahme argumentierte sie, daß das Vorabentscheidungsverfahren in der Hauptsache sinnlos werde, wenn die Immunität der Krone das nationale Gericht daran hindere, den status quo bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in der Hauptsache aufrechtzuerhalten, vgl. den Sitzungsbericht in der Rs. C-213/89, Slg. 1990, 2433 (2444). 125 EuGH Rs. C-213/89 (The Queen/Secretary of State for Transport ex parte: Factortame Ltd u. a.), Slg. 1990,1-2433 (2474). 126 In England wurde kurz nach dem Urteil Factortame I einstweiliger Rechtsschutz erstmalig auch in einem Fall ohne jeden gemeinschaftsrechtlichen Bezug gewährt, siehe den Nachweis bei Schwarze, NVwZ 1996, 22 (28). 127

Erkennbar wird dies auch in den Leitsätzen der Peterbroeck-Entscheidung sowie den Schlußanträgen des G A Jacobs, insbesondere S. 4612 Rn. 44. In der Literatur wird hingegen

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

Schriften der ersten Gruppe beeinträchtigen somit das Vorabentscheidungsverfahren. Der Europäische Gerichtshof verzichtet zwar auf eine Begründung dieses Ergebnisses. Ein Hinweis findet sich allerdings in dem zweiten - auf Art. 234 EG bezogenen - Obersatz, wo auf die Entscheidung Rheinmühlen I verwiesen wird. 1 2 8 Dort hatte der EuGH, wie im übrigen auch in den Judikaten Simmenthai II und Factortame /, mit Sinn und Zweck resp. dem effet utile des Art. 234 EG operiert.

c) Rechtfertigung Nachdem der Normbereich ermittelt und die potentiellen innerstaatlichen Eingriffsregelungen typisiert worden sind, stellt sich die Frage nach einer möglichen Rechtfertigung. In den beiden Rheinmühlen-Entscheidungen, aber auch in den Urteilen Simmenthai II und Factortame I reichte dem EuGH bereits das Vorliegen eines Eingriffs für die Annahme, daß die betroffene nationale Regelung dem Vorabentscheidungsverfahren entgegenstehe und aus diesem Grund vom Vorranganspruch des Gemeinschaftsrechts erfaßt werde. Im Fall Peterbroeck wird hingegen die Möglichkeit einer Rechtfertigung angedeutet (Rn. 14, 20). 1 2 9 Als potentielle Vorbehalte nennt der EuGH „die Grundsätze [ . . . ] , die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen" und verweist beispielhaft auf den Schutz der Verteidigungsrechte, den Grundsatz der Rechtssicherheit sowie den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens (Rn. 14). Diese interpretationsoffenen Aussagen werden im folgenden nicht weiter präzisiert. Bezogen auf die belgische Verfahrensfrist beläßt es der EuGH bei der apodiktischen Feststellung, diese könne durch die genannten Grundsätze nicht in vertretbarer Weise gerechtfertigt werden (Rn. 20). Eine zukünftige und in praxi handhabbare Anwendung des so geschaffenen Rechtfertigungstatbestands erfordert aber eine deutlichere Konturierung dieser Aussagen. Insbesondere stellt sich die Frage, was unter den Grundsätzen, „die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen", zu verstehen ist. Ausgehend von dieser Formulierung 130 spricht zunächst einiges dafür, sich auf die jevertreten, das vom EuGH aufgestellte Postulat fließe aus dem Effektivitätsprinzip (bzw. dem. Vereitelungsverbot), v. Danwitz, UPR 1996, 323 (325 f.); Röhl/Ladenburger (Fn. 19), S. 68 f.; Solveen (Fn. 26), S. 227; Erbguth, Zur Vereinbarkeit der jüngeren Deregulierungsgesetzgebung mit dem Verfassungs- und Europarecht, S. 91. 128 EuGH RS. C-312/93 (Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS/Belgischer Staat), Slg. 1995,1-4599 (4621 Rn. 13). 129 A.A. v. Danwitz, UPR 1996, 323 (326), der die Auffassung vertritt, der EuGH fordere ganz allgemein, daß ein nationales Gericht stets zur amtswegigen Prüfung von Gemeinschaftsrechtsverstößen befugt sein müsse. 130

Entsprechende Formulierungen finden sich in anderen amtssprachlichen Urteilsfassungen (z. B. „the basic principles of the domestic judicial system").

IV. Analyse und Einordnung dieser Entscheidung

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weiligen nationalen Rechtsordnungen zu konzentrieren und diese isoliert auf mögliche Rechtfertigungsgriinde hin zu untersuchen. In diesem Sinne ist der Europäische Gerichtshof auch verstanden worden. 131 Ein derartiges Vorgehen wird jedoch der ratio decidendi dieser Entscheidung nicht gerecht. Die Forderung, daß wenigstens ein nationales Gericht in einem gegen einen staatlichen Rechtsakt eröffneten Instanzenzug die Möglichkeit haben müsse, von Amts wegen auf Gemeinschaftsrecht gestützte Gesichtspunkte aufzugreifen und diesbezüglich den EuGH um Vorabentscheidung zu ersuchen, zielt in erster Linie auf eine Stärkung des Prinzips der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten. Dieses Ziel würde aber konterkariert, wenn sich die Rechtfertigung einer gegen die Peterbroeck-Formel verstoßenden innerstaatlichen Verfahrensvorschrift allein aus nationaler Sicht und nach nationalen Rechtsgrundsätzen beurteilen würde. Denn irgendeine Rechtfertigungslinie wird - zumindest bei einem isolierten Blick durch die jeweilige nationale Brille - jedem Institut des mitgliedstaatlichen Verfahrensrechts zugrunde liegen. Eine Lösung, die dieser Entscheidung gerecht werden will, hat sich daher vielmehr an den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts zu orientieren. Für diese Sichtweise sprechen auch die vom EuGH genannten Beispiele. Bei diesen handelt es sich durchgängig um rechtsstaatliche Einzelgarantien, die vom EuGH als allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts anerkannt worden sind. 132 Bei Zugrundelegung dieser Interpretation ergibt sich folgendes (vorläufiges) Bild: Beruht die in Art. 234 EG eingreifende Präklusionsnorm auf einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, so spricht zunächst eine Vermutung für ihre EG-rechtliche Konformität und damit ihre 131 Siehe Röhl ! Ladenburger (Fn. 19), S. 70 ff.; Solveen (Fn. 26), S. 232 ff.; Erbguth (Fn. 127), S. 91 ff. 1 32 Zur Rechtssicherheit: EuGH Rs. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AG/Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998); Rs. 45/76 (Comet/ Produktschap voor Siergewassen), Slg. 1976, 2043 (2053); Rs. 78/74 (Deuka, Deutsche Kraftfutter GmBH B. J. Stolp/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel), Slg. 1975, 421 (433); EuGH Rs. 15/85 (Consorzio Cooperative d'Abruzzo/Kommission), Slg. 1987, 1005 (1036); Schwane, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. II, 1988, S. 913 ff.; Schweitzer ! Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rn. 791. Zum Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung siehe EuGH verb. Rs. 33/79 u. 75/79 (Richard Kuhner/Kommission), Slg. 1980, 1677 (1697 f.); Rs. 321/85 (Hartmut Schwiering/Rechnungshof), Slg. 1986, 3199 (3213); Rs. C-255/90 Ρ (Jean-Louis Burban/Parlament), Slg. 1992, 1-2253 (2271). Zum Schutz der Verteidigungsrechte: EuGH Rs. 374/87 (Orkem/Kommission), Slg. 1989, 3283 (3351); Rs. C-49/88 (Al Jubail Fertilizer Company und Saudi Arabian Fertilizer Company/Rat), Slg. 1991,1-3187 (3241); verb. Rs. C-48/90 u. C-66/90 (Königreich der Niederlande u. a./Kommission), Slg. 1992, 1-565 (638 f.); vgl. auch EuGH Rs. 155/79 (AM & S Europe Ltd. / Kommission), Slg. 1982, 1575 (1611); grundsätzlich zum Schutz der Verteidigungsrechte als allgemeinem Prinzip des Gemeinschaftsrechts in der Lit. Wenig, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. II, 2. Aufl. 1998, K. II Rn. 170; Oppermann, (Fn. 96) Rn. 1074. Zu den einzelnen Ausprägungen dieses Prinzips siehe Stotz, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. II, 2. Aufl. 1998, P. I Rn. 127 ff. m. w. N.

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

Rechtfertigung. 133 Dahinter steht der Gedanke, daß nationales Recht, das sich im Einklang mit einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts befindet, als eine mögliche Form konkreter Ausprägung desselben der EG-Rechtsordnung prinzipiell nicht widersprechen kann. Nach der Konzeption des EuGH ist diese Vermutung für sich genommen aber noch nicht ausreichend, um rechtfertigende Wirkung zu entfalten. Das zeigt bereits das Schicksal des Art. 282 Code des impôts sur les revenus, also der belgischen Präklusionsnorm, um die es im Fall Peterbroeck ging. Diese verbietet es den belgischen Gerichten im finanzgerichtlichen Verfahren, verspätet vorgetragene Rügen zu berücksichtigen. Damit beruht sie nicht nur auf Rechtssicherheitserwägungen, sondern zielt zugleich auf eine Entlastung der Gerichte sowie eine Beschleunigung des gesamten Verfahrens. Da der EuGH anerkennt, daß nationale Präklusionsnormen, die das Gericht vor den mit der Prüfung neuen Vorbringens verbundenen Verzögerungen bewahren, den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens gewährleisten, 134 beruht Art. 282 Code des impôts sur les revenus gleich auf zwei der in der Peterbroeck-Entscheidung genannten Grundsätzen. Trotzdem hat der EuGH eine Rechtfertigung ausgeschlossen. Dies zeigt, daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze noch einer weitergehenden Konkretisierung bedürfen, um rechtfertigende Wirkung zu entfalten. Dabei geht es um die Aufgabe, aus einem abstrakten und weit gefaßten Prinzip, wie beispielsweise dem der Rechtssicherheit oder dem des ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs, einen für den konkreten Fall anwendbaren Rechtssatz (hier Rechtfertigungssatz) zu gewinnen. 135 Der so erforderliche Konkretisierungsprozeß kann allerdings nicht im Wege einer einfachen Ableitung des Speziellen aus dem Allgemeinen etwa im Sinne einer logischen Analyse erfolgen, sondern erfordert eine Wertung. Letztere darf aber nicht einzig auf der subjektiven Anschauung des Richters beruhen, sondern muß einen rational nachvollziehbaren Anknüpfungspunkt aufweisen. 136 Dessen ist sich auch der Europäische Gerichtshof bewußt. Als objektivierendes Instrument in dem so erforderlichen Gewinnungsprozeß bedient er sich erneut der wertenden Rechtsvergleichung: Nur wenn die fragliche Präklusionsnorm auch in ihrer konkreten Ausgestaltung noch einem Rechtswert entspricht, der von anderen Mitgliedstaaten geteilt wird und den Bedürfnissen und Interessen der Gemeinschaft entspricht, ist sie gerechtfertigt und von der Gemeinschaftsrechtsordnung zu beachten. 137 133

Vgl. auch Röben, Die Einwirkung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf das mitgliedstaatliche Verfahren in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, 1998, S. 358, 362. •34 EuGH verb. Rs. C-430/93 u. C-431 /93 (van Schijndel und van Veen / Stichting Pensioenfonds voor Fysiotherapeuten), Slg. 1995,1-4705 (4738). 135 Ahnlich Röben (Fn.133) S. 362, der diesen Prozeß als das Erfordernis einer „Mindestrationalität der nationalen Norm auf das Prinzip" umschreibt. 136 Rengeling, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des europäischen Gemeinschaftsrechts, 1977, S. 247; siehe auch Oppermann (Fn. 96) Rn. 483. 137 Im Ergebnis wohl auch Rodriguez Iglesisas, NJW 1999, 1 (6).

IV. Analyse und Einordnung dieser Entscheidung

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Zur Methode der wertenden Rechtsvergleichung, die im Rahmen dieses Rechtfertigungstatbestands eine zentrale Rolle spielt, 138 ist folgendes festzustellen: Ausgangspunkt der Gewinnung allgemeiner Rechtsgrundsätze bzw. Rechtfertigungssätze sind die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Diese dienen dem Europäischen Gerichtshof allerdings nicht als Rechtsquelle, sondern nur als Rechtserkenntnisquelle. Primär wird der Gewinnungs- und Konkretisierungsprozeß von den Interessen und Bedürfnissen der Gemeinschaft gesteuert und nicht von den existierenden nationalen Lösungen etwa im Sinne des kleinsten gemeinsamen Nenners. Im Interesse einer sachgerechten Verwirklichung der Aufgaben und Ziele der Gemeinschaft, durch die die Rechtsvergleichung ja erst ihren Rahmen und Maßstab erhält, kann allein aus den Gemeinsamkeiten der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht auf einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts geschlossen werden. 139 Der Europäische Gerichtshof begnügt sich dementsprechend damit, Vorbilder auszuwählen, die den Zielen der Gemeinschaft am besten entsprechen. Erforderlich ist lediglich, daß zumindest in einem Teil der Mitgliedstaaten ähnliche Grundsätze bestehen140 bzw. im vorliegenden Fall gerade nicht bestehen. Besonders deutlich hat der EuGH dies im Urteil Internationale Handelsgesellschaft zum Ausdruck gebracht. Dort heißt es wörtlich: „Die Beachtung der Grundrechte gehört zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat. Die Gewährleistung dieser Rechte muß zwar von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten getragen sein, sie muß sich aber auch in die Struktur und die Ziele der Gemeinschaft einfügen." 141 Nach der Konzeption des EuGH hat die Prüfung, ob eine mit der PeterbroeckFormel kollidierende Präklusionsnorm gerechtfertigt ist, also - zumindest gedanklich - in zwei Stufen zu erfolgen: Zuerst gilt es festzustellen, ob ihr Zweck mit einem allgemeinen Grundsatz des Europäischen Gemeinschaftsrechts übereinstimmt. Ist dies der Fall, so spricht zunächst eine Vermutung für ihre EG-rechtliche Konformität. In einem zweiten Schritt muß geprüft werden, ob die betreffende Vorschrift auch in ihrer konkreten Ausgestaltung noch mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Kann auch dies bejaht werden, wird Art. 234 EG quasi gemeinschaftsrechtsimmanent beschränkt. Zulässige Konkretisierung dieser Schranke ist dann die jeweilige innerstaatliche Präklusionsnorm, deren Eingriff in Art. 234 EG damit gerechtfertigt ist. Instrument zur Steuerung dieses Prozesses ist die wertende Rechtsvergleichung.

138

Zur allgemeinen Bedeutung der Rechtsvergleichung für das Entstehen einer Europäischen Rechtsordnung, Rodriguez Iglesias, ebd., S. 6 ff. ·39 Ress, ZaÖRV, Bd. 36 (1976), 227 (231 f.); Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. I, 1988, S. 82; Oppermann (Fn. 96), Rn. 483. 140 Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), 154 (172 f.) m. w. N. •4i EuGH Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft mbH/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel), Slg. 1970, 1125 (1135).

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

Für diese Interpretation des Rechtfertigungstatbestands spricht neben den Ausführungen des EuGH im Fall Peterbroeck auch sein Urteil in den verbundenen Rechtssachen van Schijndel und van Veen. 142 Den Gegenstand dieser Verfahren bildeten Präklusionsnormen des niederländischen Zivilprozeßrechts, die das Revisionsgericht an den Streitgegenstand binden und zugleich daran hindern, Tatsachen zu berücksichtigen, die der Kläger in den Vorinstanzen nicht vorgetragen hatte. Aufgrund dieser Vorschriften sahen sich die vorlegenden Gerichte außer Stande, der Frage eines vom Revisionskläger behaupteten und auf neue Tatsachen gestützten Gemeinschaftsrechtsverstoßes nachzugehen und bei Zweifeln im Sinne des Art. 234 EG vorzulegen. Obwohl die fraglichen Normen damit gegen die Peterbroeck-Formel verstießen, hielt sie der EuGH für gerechtfertigt. Zur Begründung verwies er auf den Umstand, daß diese Bestimmungen auf dem Prinzip beruhten, wonach die Initiative in einem Zivilprozeß den Parteien zustehe und das Gericht nur dann von Amts wegen tätig werden dürfe, wenn das öffentliche Interesse ein solches Eingreifen erfordere. Weiter heißt es: „Dieses Prinzip ist Ausdruck der von den meisten Mitgliedstaaten geteilten Auffassungen vom Verhältnis zwischen Staat und Individuum, es schützt die Verteidigungsrechte und gewährleistet den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens, insbesondere indem es dieses vor mit der Prüfung neuen Vorbringens verbundenen Verzögerungen bewahrt." 143 Auch hier wird die auf einen zweistufigen Aufbau abzielende Konzeption des Europäischen Gerichtshofs erkennbar. Er bejaht die grundsätzliche Übereinstimmung der fraglichen Norm mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens. Weiter weist er darauf hin, daß beide Normen auch in ihrer konkreten Ausformung (der EuGH spricht insoweit von „Ausdruck") noch von den meisten Mitgliedstaaten geteilt werden. Für diese Auffassung spricht auch der Umstand, daß der Europäische Gerichtshof bereits in früheren Entscheidungen auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts zurückgegriffen hat, um die Vereinbarkeit nationaler Verfahrensregelungen mit dem EG-Recht zu begründen. Als Beispiel mögen die Urteile in den Rechtssachen Rewe 144 und Comet 145 dienen. Dort sah der Europäische Gerichtshof in der Festsetzung von Rechtsschutzfristen im „abgabenrechtlichen Bereich" einen „Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit". Auch hier ist in Ansätzen bereits eine zweistufig ausgestaltete Rechtfertigungsprüfung erkennbar. Der EuGH begnügt sich nicht mit der bloßen Feststellung, daß die genannten Präklusionsfristen als Ausfluß des allgemeinen Prinzips der Rechtssi142 EuGH verb. Rs. C-430/93 u. C-431 /93 (van Schijndel und van Veen / Stichting Pensioenfonds voor Fysiotherapeuten), Slg. 1995,1-4705 ff. 143 EUGH, ebd., S. 4738.

144 EuGH Rs. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AG / Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998). 145 EUGH RS. 45/76 (Comet BV/Produktschap voor Siergewassen), Slg. 1976, 2043 (2053); vgl. auch EuGH Rs. 61/79 (Amministrazione delle Finanze dello Stato / Denkavit italiana Sri), Slg. 1980, 1205 (1225).

IV. Analyse und Einordnung dieser Entscheidung

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cherheit generell im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stehen, sondern konkretisiert resp. verengt diese Aussage auf den „abgabenrechtlichen Bereich".

d) Exkurs: Ubertragbarkeit

der Rechtfertigungsmöglichkeit

Diese Einschränkungsmöglichkeit des Art. 234 EG, die zur Rechtfertigung einer gegen die Peterbroeck-Formel verstoßenden innerstaatlichen Verfahrensregelung führen kann, beruht auf dem Gedanken, daß auch die Reichweite einer Norm des Gemeinschaftsrechts endlich ist. Grenzen können sich insbesondere aus kollidierenden anderen Gemeinschaftsrechtsgütern ergeben. Im vorliegenden Zusammenhang sind dies in erster Linie die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts. Diese zählen zum Bestand des gemeinschaftlichen Primärrechts 146 und sind somit prinzipiell geeignet, dieses quasi gemeinschaftsrechtsimmanent zu beschränken. Daher muß der Rechtfertigungstatbestand auch für die sonstigen Art. 234 EG beeinträchtigenden Bestimmungen des nationalen Verfahrensrechts gelten. Aus diesem Grund soll abschließend noch der Frage nachgegangen werden, ob der EuGH unter dieser Prämisse in den Entscheidungen Rheinmühlen IUI, Simmenthal II und Factortame I heute zu einem anderen Ergebnis (im Sinne einer Rechtfertigung der fraglichen nationalen Regelung) gelangen müßte. Sowohl das Verwerfungsmonopol gemeinschaftsrechtswidriger Normen des italienischen Verfassungsgerichts (Gegenstand der Rechtssache Simmenthai II) als auch das crown privilege des common law ÇFactortame I) beruhten auf Rechtssicherheitserwägungen. Darauf haben die betroffenen Regierungen in den jeweiligen Verfahren ausdrücklich hingewiesen.147 Auch § 126 Abs. 5 FGO als Gegenstand der Rechtssachen Rheinmühlen bezweckt die Herstellung von Rechtssicherheit. 148 Darüber hinaus verhindert er, daß die endgültige Sachentscheidung durch ein Hin und Her zwischen den Instanzen149 verzögert oder sogar verhindert wird, weil weder das Finanzgericht noch der Bundesfinanzhof seine Rechtsauffassung ändert. 150 § 126 Abs. 5 FGO dient damit auch dem ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens. Somit befinden sich die genannten Regelungen allesamt im Einklang mit (wenigstens) 146 Gündisch, in: Schwarze (Hrsg.), Das Wirtschaftsrecht des Gemeinsamen Marktes in der aktuellen Rechtsentwicklung, 1983, S. 79 ff.; Ehlers, DVB1. 1991, 605; ähnlich Lukes, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 2. Aufl. 1998, Bd. I, B. II Rn. 9. 147 Vgl. die schriftliche Erklärung Italiens, Sitzungsbericht in der Rs. 106/77 (Staatliche Finanzverwaltung/S.p.A. Simmenthai), Slg. 1978, 629 (638), und des Vereinigten Königreichs, Sitzungsbericht in der Rs. C-213/89 (The Queen/Secretary of State for Transport ex parte: Factortame Ltd u. a.), Slg. 1990,1-2433 (2440).

i 4 « Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, 16. Aufl. 1996, § 126 Rn. 24 (Stand: Juni 1997); Offerhaus, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler (Hrsg.), Kommentar zur AO/FGO, 10. Aufl. 1995, § 126 Rn. 60 (Stand: Juli 1998). 1 49 Offerhaus, ebd., § 126 Rn. 60. 150 Vgl. nur Tiedtke, Die innerprozessuale Bindungswirkung von Urteilen der obersten Bundesgerichte, 1976, S. 97 f.

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts mit der Folge einer Vermutung für ihre EG-rechtliche Konformität. Eine Rechtfertigung der italienischen und britischen Norm scheitert jedoch daran, daß diese in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht durch vergleichbare Regelungen in den übrigen Mitgliedstaaten gedeckt sind. 151 Etwas anderes gilt für § 126 Abs. 5 FGO. 1 5 2 Prozessuale Vorschriften und gerichtliche Mechanismen, die auf die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zielen, indem sie ein niederrangiges Gericht an die rechtliche Beurteilung im Rechtszug übergeordneten Gerichts binden, gibt es in den Verfahrensordnungen fast aller Mitgliedstaaten.153 Auch dem EG-Prozeßrecht ist dieses Prinzip nicht fremd. Dem Europäischen Gerichtshof ist seit 1989 ein Gericht erster Instanz (EuG) beigeordnet, dessen Entscheidungen154 gemäß Art. 225 Abs. 1 S. 1 EG i.V.m. Art. 49 Abs. 1 S. 1 EuGH-Satzung155 mit einem auf Rechtsfragen beschränkten revisionsähnlichen Rechtsmittel angegriffen werden können. Hat dieses Vorgehen Erfolg, wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Gemäß Art. 54 Abs. 1 S. 2 EuGH-Satzung kann der Europäische Gerichtshof in diesem Fall die Sache selbst endgültig entscheiden oder an das Gericht erster Instanz zurückverweisen. Im Falle einer Zurückverweisung ist das EuG gemäß Art. 54 Abs. 2 EuGH-Satzung an die rechtliche Beurteilung des EuGH gebunden. Eine Rechtfertigung des § 126 Abs. 5 FGO kann also nur dann verneint werden, wenn das wertende Element des Rechtfertigungstatbestands ergibt, daß diese Vorschrift den Zielen und Bedürfnissen der Gemeinschaft entgegensteht. Das Prinzip der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts steht § 126 Abs. 5 FGO nicht entgegen, da vergleichbare Vorschriften auch in den anderen Mitgliedstaaten bestehen und daher keine Verzerrungen beim Vollzug des EG-Rechts durch 151 Für das Verwerfungsmonopol des italienischen Verfassungsgerichts ausdrücklich G A Reischl, Schlußanträge in der Rs. 106/77 (Staatliche Finanzverwaltung/S.p.A. Simmenthai), Slg. 1978, 647 (654); ein Überblick zur Rechtslage und Entwicklung in den anderen Mitgliedstaaten, die über eine Verfassungsgerichtsbarkeit verfügen, findet sich bei Dauses (Fn. 104), S. 20 ff. Den Ausnahmecharakter des crown privilege belegen die rechtsvergleichenden Ausführungen des G A Tesauro, Schlußanträge in der Rs. C-213/89 (The Queen / Secretary of State for Transport ex parte: Factortame Ltd u. a.), Slg. 1990, 1-2450 (2455, insbesondere 2459) sowie die Untersuchung v. Fragsteins, Die Einwirkungen des EG-Rechts auf den vorläufigen Rechtsschutz nach deutschem Verwaltungsrecht, 1997, S. 33 ff. ι « Siehe auch die deutschen Parallelvorschriften § 565 Abs. 2 ZPO, § 144 Abs. 6 VwGO, § 170 Abs. 5 SGG, § 358 Abs. 1 StPO.

1 53 Vgl. insbesondere G A Warner, Schlußanträge in den Rs. 166/73 u. 146/73 (Rheinmühlen-Düsseldorf/Einfuhr- und Vörratsstelle für Getreide und Futtermittel), Slg. 1974, 40 (43): „Dieser Grundsatz gilt nicht allein in Deutschland, und seine Bedeutung reicht [ . . . ] so weit, daß er mehr als eine bloße Verfahrensregel darstellt, was natürlich nicht ausschließt, daß er in einer Prozeßordnung verankert werden kann." Siehe auch Klamaris, in: Grunsky (Hrsg.), Wege zu einem europäischen Zivilprozeßrecht, 1992, S. 85 ff., 92. 154 Zur Zuständigkeit des EuG vgl. Art. 3 c) des Beschlusses 88/591 /EGKS, EWG, EURATOM zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 24. 10. 1988. '55 Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17.4. 1957.

IV. Analyse und Einordnung dieser Entscheidung

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die nationalen Gerichte zu befürchten sind. Auch das Erfordernis der möglichst effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts gebietet in diesem Fall nichts anderes. Einerseits hatte das im Instanzenzug untergeordnete Gericht im ersten Rechtsgang, also vor Aufhebung und Zurückweisung seines Urteils, gemäß Art. 234 Abs. 2 EG die Möglichkeit, den EuGH um Vorabentscheidung zu ersuchen. Andererseits ist das letztinstanzliche Gericht vor seiner abschließenden rechtlichen Beurteilung und der Zurückweisung an die Vorinstanz gemäß Art. 234 Abs. 3 EG sogar verpflichtet, Fragen der Gültigkeit oder Auslegung des Gemeinschaftsrechts dem EuGH vorzulegen. Außerdem ist anerkannt, daß die von § 126 Abs. 5 FGO angeordnete ΒindungsWirkung entfällt, wenn zwischenzeitlich eine Entscheidung des EuGH ergangen ist; dies gilt auch dann, wenn diese das zur Entscheidung berufene Gericht nicht unmittelbar bindet. 156 Damit wird die praktische Wirksamkeit des Vorabentscheidungsverfahrens hinlänglich gewahrt. Darüber hinaus kann § 126 Abs. 5 FGO nicht nur der Anwendung des Art. 234 EG im Einzelfall entgegenstehen, sondern auch Mittel sein, die Verbindlichkeit einer vom EuGH getroffenen Vorabentscheidung zu gewährleisten und durchzusetzen. Denn durch die Über- und Unterordnung der nationalen Rechtsprechungsorgane im Instanzenzug wird garantiert, daß eine Vorabentscheidung im Falle einer Zurückverweisung des vorlegenden Gerichts an die Vorinstanz auch für diese verbindlich ist. Damit erfüllt § 126 Abs. 5 FGO alle Voraussetzungen, die der EuGH an die Rechtfertigung einer Art. 234 EG beeinträchtigenden nationalen Verfahrensnorm stellt. Die Urteile in den Rechtssachen Rheinmühlen / / / / müßten daher heute anders ausfallen. In diesem Zusammenhang ist auch ein neueres Urteil des Bundesfinanzhofs 157 von Interesse. Diesem vorausgegangen war eine Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz, in der es der Rheinmühlen-Rzchl$>xxtc\mng des Europäischen Gerichtshofs die Gefolgschaft mit der Begründung verweigert hatte, diese bewege sich nicht mehr im Rahmen der dem Gerichtshof gesteckten kompetenziellen Grenzen. Nach Auffassung des Finanzgerichts sei es dem EuGH vielmehr verwehrt, die Nachrangigkeit des § 126 Abs. 5 FGO oder, was im Ergebnis auf dasselbe hinausläuft, die Vorrangigkeit des Art. 234 EG festzustellen. 158 Der daraufhin angerufene Bundesfinanzhof konnte die Frage, ob die Bindungsregel des § 126 Abs. 5 FGO der Vorlageberechtigung des Art. 234 Abs. 2 EG zu weichen hat, mangels Entscheidungserheblichkeit letztlich offenlassen. Allerdings verweist er diesbezüglich, wenn auch ohne abschließende Stellungnahme, auf die Entscheidung in der Rechtssache Peterbroeck. Nach Ansicht des erkennenden Senats lasse dieses Urteil einen neuen Ansatz zur Frage des Verhältnisses nationaler Verfahrensvorschriften zu Art. 234 EG erkennen. Aus diesem Grund halten es die Richter zumin156 Offerhaus (Fn. 148), § 126 Rn. 69; Ruban, in: Gräber (Hrsg.), FGO, 4. Aufl. 1997, § 126 Rn. 23; Kopp/Schenke (Fn. 52), § 144 Rn. 13; für die Selbstbindung des Revisionsgerichts BVerwGE 87, 154 (164 f.). 157 BFHE 180,231 ff. 158 EFG 1995, 378 ff. 4 Oexle

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

dest für möglich, daß der EuGH auf eine erneute Vorlage hin die Frage des Verhältnisses von § 126 Abs. 5 FGO zu Art. 234 EG „in einem anderen Licht sehen könnte". 159

V. Bewertung Dem Europäischen Gerichtshof geht es in der Entscheidung Peterbroeck primär um die Herstellung einer praktischen Konkordanz zwischen dem Grundsatz, daß es grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen ist, die Zuständigkeit der nationalen Gerichte und das gerichtliche Verfahren zu regeln, 160 und dem damit kollidierenden Prinzip der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts. 161 Bei einer Abschichtung dieser Kollisionsmasse treten zwei Aspekte in den Vordergrund. Der eine ist allgemeinen Ursprungs und beruht auf der grundsätzlichen Spannung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht. Diese Spannung liegt darin, daß das Verfahrensrecht nicht nur Instrument zur Feststellung und Durchsetzung materieller Rechtspositionen ist, sondern auch ihrer Beschränkung dient. Das Verfahrensrecht ist somit geeignet, die Anwendung des materiellen Rechts zu begrenzen. Dies gilt auch für Sachverhalte mit Gemeinschaftsrechtsbezug. Der andere Aspekt ist speziell EG-rechtlicher Natur und beruht auf dem gegenüber nationalem Recht erweiterten räumlichen Geltungsanspruch des Europäischen Gemeinschaftsrechts, der sich grundsätzlich auf alle Rechtsordnungen der europäischen Mitgliedstaaten erstreckt. 162 Da das nationale Verfahrensrecht dieser Länder aber teilweise erheblich voneinander abweicht, 163 wird dem Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts von Mitglied159 BFHE 180,231 (236 f.). 160 Zu diesem Grundsatz siehe ζ. B. EuGH Rs. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und ReweZentral AG/Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998); Rs.45/76 (Comet BV/Produktschap voor Siergewassen), Slg. 1976, 2043 (2053); Rs. 265/78 (Ferweda BV/Produktschap voor Vee en Vlees), Slg. 1980, 617 (629); verb. Rs. 205-215/82 (Deutsche Milchkontor GmbH u. a./Bundesrepublik Deutschland), Slg. 1983, 2633 (2665); Rodriguez Iglesias, EuGRZ 1997, 289. 161 Dazu insbesondere EuGH verb. Rs. C-143/88 und C-92/88 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen AG / Hauptzollamt Itzehoe und Zuckerfabrik Soest GmbH / Hauptzollamt Paderborn), Slg. 1991, 1-415 (542 - „Grunderfordernis der gemeinschaftlichen Rechtsordnung") und EuGH verb. Rs. C-46/93 u. C. 48/93 (Brasserie du Pêcheur/Deutschland und The Queen/Secretary of State for Transport), Slg. 1996, 1-1131 (1145 - „in Anbetracht des Grunderfordernisses der Gemeinschaftsrechtsordnung, das die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts darstellt"); vgl. auch Rs. 94/71 (Schlüter & Maack/Hauptzollamt Hamburg-Jonas), Slg. 1972, 307 (319); Rs. C-273/97 (Angela Maria Sirdar/The Army Board, Secretary of State for Defence), EuZW 2000, 27 (28); Hatje (in: Schwarze / MüllerGraff, Hrsg., Europäische Rechtseinheit durch einheitliche Rechtsdurchsetzung, 1998, S. 9) bezeichnet diesen Grundsatz sogar als „Herzstück des gemeinschaftlichen Verfassungssystems". 162 Vgl. nur Art. 249 EG.

V. Bewertung

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Staat zu Mitgliedstaat zwangsläufig unterschiedlich viel Platz eingeräumt. Der demgemäß divergierende Vollzug gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben beeinträchtigt aber die einheitliche und gleichmäßige Anwendung derselben. Damit stellt sich die Frage, inwieweit die Gemeinschaft auf diese - zumindest aus europäischer Sicht - neuralgischen Punkte des mitgliedstaatlichen Vollzugs reagiert. Gerade wegen des Mangels an primär- und sekundärrechtlichen Regelungen in diesem Bereich wird das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zu nationalem Verfahrensrecht im wesentlichen durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geprägt. 164 Als Einwirkungsinstrument dient dem EuGH dabei insbesondere das Vorabentscheidungsverfahren, über das die mitgliedstaatliche mit der gemeinschaftlichen Gerichtsbarkeit verzahnt ist. Von dieser Einwirkungsmöglichkeit ist mit zunehmender Intensität Gebrauch gemacht worden. Während der Europäische Gerichtshof in einer frühen Phase seiner Rechtsprechung die mitgliedstaatliche Verfahrensautonomie scheinbar einschränkungslos akzeptiert hat, 165 begrenzt er sie seit den Leitentscheidungen Rewe und Comet aus dem Jahre 1976 166 durch die negativ formulierten Kautelen der Äquivalenz und Effektivität. Beide Schranken garantieren dem Gemeinschaftsrecht seither einen Mindeststandard an Durchsetzbarkeit im Kraftfeld des nationalen Verfahrensrechts. Zur Sicherung einer einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung des EG-Rechts in allen Mitgliedstaaten eignen sich diese Grundsätze aber nur bedingt. Ursache dafür ist insbesondere der Umstand, daß das Blickfeld bei der Effektivitäts- und Äquivalenzkontrolle auf die jeweilige einzelstaatliche Rechtsordnung beschränkt bleibt, in der die zu überprüfende nationale Norm verankert ist. Die Durchsetzbarkeit der betreffenden Gemeinschaftsrechtsposition in anderen Mitgliedstaaten in vergleichbaren Fällen ist hingegen grundsätzlich nicht Bestandteil dieser Prüfung. Dieses Defizit hat der Europäische Gerichtshof bereits frühzeitig erkannt, auf entsprechende Schritte aber aus kompetenzrechtlichen Gründen bewußt verzichtet. 1 6 7 Von einer mit diesem (Selbst-)Verständnis korrespondierenden richterlichen Zurückhaltung ist der Gerichtshof in jüngerer Zeit jedoch häufiger abgewichen. Seine Entscheidungen lassen vermehrt Ansätze einer richterlichen Harmonisierung 163 Gerade das Verfahrensrecht gehört zu den Rechtsgebieten, in denen sich nationale Eigenheiten in besonderer Weise manifestieren, siehe Schwarze, EuR 1997, 419 (427); speziell für den Bereich des Prozeßrechts trifft diese Feststellung, Rodriguez Iglesias, NJW 1999, 1

(8). 164 Vgl. nur Schoch, JZ 1995, 109 (116); v. Danwitz, DVB1. 1998, 421 (422 ff.). 165 Siehe z. B. EuGH Rs. 13/68 (Salgoil / Außenhandelsministerium der italienischen Republik), Slg. 1968, 679 (693). 166 EuGH Rs. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AG / Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998); Rs. 45/76 (Comet ΒV/Produktschap voor Siergewassen), Slg. 1976, 2043 (2053). '67 So ausdrücklich EuGH Rs. 130/79 (Express Diary Foods Limited / Intervention Board of Agricultural Produce), Slg. 1980, 1887 (1900); vgl. auch EuGH verb. Rs. 205-215/82 (Deutsche Milchkontor GmbH u. a./Bundesrepublik Deutschland), Slg. 1983, 2633 (2667). 4=

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

des innerstaatlichen Verwaltungsrechts erkennen. 168 Ziel dieser Bemühungen ist die Stärkung der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten.169 In diesen Kontext ist die vorliegende Entscheidung einzuordnen. Die konsequente Anwendung der Peterbroeck-Formel in Kombination mit dem dazugehörigen Rechtfertigungstatbestand wird zu einer weitergehenden Vereinheitlichung des mitgliedstaatlichen Prozeßrechts führen, also einem Bereich, in dem die Gemeinschaft den schwierigen Weg einer Harmonisierung durch Schaffung eigener Vollzugsvorschriften bisher nicht gegangen ist. Damit wird bereits die kompetenzrechtliche Problematik angedeutet, die diese Entscheidung aufwirft. Tatsächlich ist dem Europäischen Gerichtshof (auch) im Fall Peterbroeck vorgeworfen worden, die ihm gesetzten kompetenziellen Grenzen überschritten zu haben. 170 Unberechtigt ist diese Kritik jedenfalls insoweit, als behauptet wird, es fehle bereits an einer Kollisionsnorm, die die Verdrängungswirkung des nationalen Verfahrensrechts rechtfertigen könne. 171 Es wurde gezeigt, daß der Gerichtshof als solche Art. 234 EG ins Feld führt, die als Norm des gemeinschaftlichen Verfahrensrechts im Kollisionsfall einer entgegenstehenden nationalen Verfahrensbestimmung vorgeht. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ist die Peterbroeck-Entscheidung zu begrüßen. Zunächst zielt sie auf eine Harmonisierung nationaler Verfahrensvorschriften, die den erstmaligen Zugang zu Gericht erschweren bzw. es den Gerichten verbieten, Verstöße gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht ex officio zu prüfen. Gerade diese Normen gefährden die einheitliche und umfassende Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in sämtlichen Mitgliedstaaten aber in besonderem Maße. Der Eintritt ihrer Ausschlußwirkung hat nämlich zur Folge, daß Fragen der Auslegung und Anwendung des Europäischen Gemeinschaftsrechts letztverbindlich von den jeweiligen - nicht vorlageberechtigten - nationalen Verwaltungsbehörden entschieden werden und nicht vom Europäischen Gerichtshof. Selbst wenn man voraussetzt, daß die mitgliedstaatlichen Behörden über eingehende Kenntnisse des EG-Rechts verfügen, werden sie bereits wegen der unterschiedlichen Verwaltungstraditionen und der kulturell bedingten Unterschiede im Verwaltungsstil nur in wenigen Fällen zu vergleichbaren Ergebnissen gelangen. •68 Ehlers (Fn. 90), § 3 Rn. 66; Schoch, NVwZ 1999, 457 (461). Kritisch zu dieser Tendenz v. Danwitz, DVB1. 1998, 421 ff. •69 Besonders deutlich wird dies in der Süderdithmarschen-Entscheidung des EuGH (verb. Rs. C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen AG/Hauptzollamt Itzehoe und Zuckerfabrik Soest GmbH / Hauptzollamt Paderborn, Slg. 1991, 1-415, 542): „Nun ist diese einheitliche Anwendung ein Grunderfordernis der gemeinschaftlichen Rechtsordnung. Hieraus folgt, daß jedenfalls für die Aussetzung der Vollziehung von auf einer Gemeinschaftsverordnung beruhenden Verwaltungsakten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, das hinsichtlich der Antragstellung und der Sachverhaltsfeststellung dem nationalen Verfahrensrecht unterliegt, in allen Mitgliedstaaten einheitliche Regeln gelten müssen." 170 V. Danwitz, UPR 1996, 323 (327 f.); ders. DVB1. 1998, 421 (428 f.); kritisch insoweit auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 1998, S. 321. 171 So aber v. Danwitz, UPR 1996, 323 (328).

V. Bewertung

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Die Problematik dieser Entscheidung zeigt sich jedoch bei einer Folgenbetrachtung aus nationaler Sicht. Die Frage, ob eine mit der Peterbroeck-Formel kollidierende Präklusionsnorm unter den vom EuGH geschaffenen Rechtfertigungstatbestand fällt, überfordert den nationalen Rechtsanwender. Das liegt zunächst an den Schwierigkeiten, die seine Anwendung im konkreten Fall aufwirft. Diese erfordert nämlich - darauf wurde bereits hingewiesen - nicht nur positiv rechtsvergleichende Arbeit, sondern auch eine Wertung am Maßstab der spezifischen gemeinschaftlichen Interessen und Bedürfnisse. Nun liegt es in der Natur der Sache, daß die Interessen und Bedürfnisse der Gemeinschaft nicht von den Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten definiert werden können. Zwar kann jedermann (Marktbürger, nationale Behörde / Gericht, Gemeinschaftsorgan) behaupten, daß ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dieses oder jenes Inhalts bestehe; verbindlich feststellen kann dies aber nur der Europäische Gerichtshof. Die Methode der Gewinnung allgemeiner Rechtsgrundsätze ist allein auf ihn (einschließlich der Generalanwälte) zugeschnitten. Für den nationalen Rechtsanwender, der verpflichtet ist, das Gemeinschaftsrecht zu beachten und diesem entgegenstehendes innerstaatliches Recht gleich welcher Stufe unangewendet zu lassen,172 führt dies zu einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit. 173 Das gilt insbesondere für die Verwaltungsbehörden, die anders als die Gerichte - keine Klärung im Wege des Art. 234 EG herbeiführen können. Die nationalen Vollzugsorgane können die mögliche Rechtfertigung einer nationalen Präklusionsnorm daher allenfalls prognostizieren. Am Ende steht ein weiterer Anstieg der Vorabentscheidungsgesuche nationaler Gerichte. Ob der Europäische Gerichtshof angesichts seiner ohnehin schon enormen Arbeitslast überhaupt noch in der Lage sein wird, diese in angemessener Zeit zu beantworten, erscheint fraglich. 174 Davon abgesehen droht bei einer konsequenten Anwendung der Peterbroeck-Formel vielen eigenständigen Instituten der mitgliedstaatlichen Verfahrensrechtsordnungen in Fällen mit Gemeinschaftsrechtsbezug die Wirkungslosigkeit. Dies führt zu Interventionen in sehr sensible Bereiche und Interessenbewertungen des innerstaatlichen (Verfahrens-)Rechts.

172 Siehe EuGH Rs. 103/88 (Fratelli Constanzo S.p.A./Stadt Mailand), Slg. 1989, 1839 (1870). 173 Vgl. Ehlers, DVB1. 1991, 605 (611); Schmidt-Aßmann (Fn. 49), Einl. Rn. 111. 174 So hat bereits G A Jacobs - aus Entlastungsgründen - für eine restriktivere Auslegung der Vorlagekriterien plädiert, Schlußanträge in der Rs. C-338/95 (S.I. Wiener GmbH/Hauptzollamt Emmerich), Slg. 1997,1-6497 (6515 f.). Zudem ist vielfach daraufhingewiesen worden, daß trotz der lapidaren gerichtlichen Feststellung, dieses oder jenes sei ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts, dieser ein interner rechtsvergleichender Aufwand vorangeht, der ganz erheblich ist, siehe z. B. Kutscher, in: Mosler/Bernhard/Hilf, Grundrechtsschutz in Europa, 1977, S. 89; Pernice, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Bd. II, Art. 164 Rn. 57 (Stand: Mai 1995); siehe auch Rodriguez Iglesias, NJW 1999, 1 (8).

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

VI. Verallgemeinerungsfähigkeit dieser Entscheidung Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs sind grundsätzlich fallbezogen zu lesen und vom konkreten Sachverhalt her zu interpretieren. Nicht jede Aussage, die der Gerichtshof in einer einzelnen Entscheidung trifft, läßt sich daher auf vergleichbare Fälle übertragen. Für die grundlegende Bedeutung der Rechtssache Peterbroeck sprechen jedoch eine Reihe von Anhaltspunkten. Besondere Aufmerksamkeit verdient zunächst der Umstand, daß dieses Judikat zu der kleinen Gruppe von Urteilen gehört, in denen der Europäische Gerichtshof von dem Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts abgewichen ist. 1 7 5 Auch der sonstige Verfahrensablauf ist ungewöhnlich. So beschloß der EuGH im Dezember 1994 - trotz bereits im März erfolgter mündlicher Verhandlung und des Vorliegens der umgehend erstellten Schlußanträge des Generalanwalts - keine Sachentscheidung zu treffen, sondern die mündliche Verhandlung im April des nächsten Jahres wieder zu eröffnen. Nachdem der Generalanwalt auch bei der erneuten Erstattung der Schlußanträge an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhielt, dauerte es immerhin noch fast acht Monate, bis der EuGH - im Plenum - das Urteil im Dezember 1995 endlich verkündete. Auffällig ist weiterhin, daß im zweiten Verhandlungstermin auch die deutsche, spanische und griechische Regierung Stellungnahmen abgegeben haben, obwohl sich am ersten Termin - neben den Parteien des Ausgangsrechtsstreits - nur die französische Regierung und die Kommission beteiligt hatten. Die Kommission ließ sich zudem, im Unterschied zur ersten mündlichen Verhandlung, durch den stellvertretenden Generaldirektor des Juristischen Dienstes vertreten. Diese Umstände belegen, daß dem Europäischen Gerichtshof die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtssache durchaus bewußt gewesen ist. Außerdem hat er die Peterbroeck-Forme\ in der Folgeentscheidung van Schijndel und van Veen erneut angewendet und somit bestätigt. Daneben - und darauf wurde bereits hingewiesen - entspricht die im Fall Peterbroeck vorgenommene erweiternde Auslegung des Art. 234 EG auch der Auffassung des EuGH vom Normzweck des Vorabentscheidungsverfahrens. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß der Europäische Gerichtshof auch in anderen Fällen stets dazu tendiert hat, Art. 234 EG weit auszulegen.176 Die im Fall Peterbroeck vorgenommene Erweiterung des Art. 234 175

Nach Pichler, Der Generalanwalt beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1983, S. 118 ist der Gerichtshof im Untersuchungszeitraum 1970-1980 nur in 11, 2% der Fälle von den Schlußanträgen der Generalanwälte abgewichen. Nach Schweitzer ! Hummer (Fn. 132), Rn. 270 Fn. 223 hat sich diese Quote bis heute nicht wesentlich verändert. •76 EuGH Rs. 314/85 (Foto-Frost/Hauptzollamt Lübeck-Ost), Slg. 1987, 4199 (4231) und EuGH verb. Rs. C-143/88 u. C-92/89 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen AG/Hauptzollamt Itzehoe und Zuckerfabrik Soest GmbH / Hauptzollamt Paderborn), Slg. 1991, 1-415 (541): Vorlagepflicht auch unterinstanzlicher nationaler Gerichte bei vermuteter Ungültigkeit sekundären Gemeinschaftsrechts und Ausdehnung dieses Grundsatzes auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. EuGH Rs. C-231/89 (Krystyna Gmurzynska-Bscher/OFD Köln), Slg. 1990,1-4003 (4017 f.): In dieser Entscheidung bejaht der EuGH die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens selbst dann, wenn es um die Auslegung mitgliedstaat-

VII. Auswirkungen der Peterbroeck-Entscheidung

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EG führt darüber hinaus zu einer Stärkung des Individualrechtsschutzes und deckt sich somit auch mit der im Schrifttum vertretenen Auffassung vom Telos des Vorabentscheidungs Verfahrens. 177 Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß die Peterbroeck-Entscheidung in der Literatur für großes Aufsehen gesorgt hat und dort weitgehend Einigkeit darüber besteht, daß es sich bei ihr um eine Grundsatzentscheidung mit weitreichenden Konsequenzen für die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen handelt. 178

VII. Auswirkungen der Peterbroeck-Entscheidung auf das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion Nach dieser Analyse kann die Frage behandelt werden, ob der Europäische Gerichtshof, mit einer Präklusionsnorm des deutschen Umwelt- oder Baurechts konfrontiert, zu einem ähnlichen Ergebnis wie in der Rechtssache Peterbroeck gelangen müßte.

1. Vereinbarkeit mit den Geboten der Äquivalenz und Effektivität a) Aquivalenzgrundsatz Die deutschen Präklusionsnormen differenzieren nicht zwischen Einwendungen nationalen oder gemeinschaftlichen Ursprungs, sondern sind auf beide gleichermaßen anwendbar. Ein Verstoß gegen das Äquivalenzgebot kann folglich ausgeschlossen werden.

liehen Rechts geht, das „außerhalb des vom Gemeinschaftsrecht festgelegten Anwendungsbereiches" auf das Gemeinschaftsrecht verweist. EuGH Rs. 61/65 (Vaassen-Göbbels / Vorstand des Beamtenfonds voor het Mijnbedrijf), Slg. 1966, 583 (601 f.): Weite Auslegung des Begriffs „Gericht" im Sinne des Art. 234 Abs. 2, 3 EG. EuGH Rs. 6/64 (Flaminio Costa/ E.N.E.L.), Slg. 1964, 1251 (1268): Bezogen auf die Problematik, ob sich die Vorlagepflicht gem. Art. 234 Abs. 3 EG abstrakt oder konkret bestimmt, stellt der EuGH in einem obiter dictum auf eine konkrete Betrachtungsweise ab. 177 Siehe dazu Β. IV. 2. a). 178 So v. Danwitz, UPR 1996, 323 (326 ff.); Weymüller, RIW 1996, 347 (348); Rodriguez Iglesias, EuGRZ 1997, 289 (293 - „wesentlicher neuer Gesichtspunkt"); Röben (Fn. 133, S. 359) bezeichnet dieses Urteil gar als „die erste substantielle Entscheidung des Gerichtshofs zum Komplex des allgemeinen Verfahrensrechts seit Rewe (Äpfel) Mitte der 80er Jahre." Für ein eher restriktives Verständnis RöhlILadenburger (Fn. 19), S. 70 ff.; Solveen (Fn. 26), S. 232 ff.

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion b) Effektivitätsgrundsatz

Ob die materielle Präklusion auch dem Effektivitätsprinzip genügt, bedarf hingegen einer eingehenden Untersuchung. Dem Gebot der Effektivität entsprechen nur angemessene Fristen. 1 7 9 Die Angemessenheit einer Frist beurteilt sich nach ihrer Länge und ihrem B e g i n n . 1 8 0

aa) Fristlänge Die Länge der materiellen Einwendungsfristen ist nicht für alle Zulassungsverfahren einheitlich geregelt. I m Umweltrecht variiert sie zwischen einem Monat (Auslegungsfrist in der bereits Einwendungen vorgetragen werden k ö n n e n 1 8 1 ) zuzüglich zwei Wochen (Einwendungsfrist i m engeren Sinne) in den Verfahren des Planfeststellungs-, 182 Immissionsschutz- 1 8 3 und Gentechnikrechts 1 8 4 und zwei Monaten i m atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. 185 I m Baurecht beträgt sie einen Monat (Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO) resp. zwei Wochen (§ 55 Abs. 2 S. 1 L B O BW). Ob diese Zeitspannen aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht noch als angemessen einzustufen sind, läßt sich beim derzeitigen Entwicklungsstand des Europäi•79 St. Rspr. des EuGH seit Rs. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AG/ Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998) und Rs. 45/76 (Comet BV/Produktschap voor Siergewassen), Slg. 1976, 2043 (2053). •so Vgl. G A Mischo, Schlußanträge in der Rs. C-208/90 (Theresa Emmott / Minister for Social Welfare and Attorney General), Slg. 1991, 1-4284 (4289), wonach die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit einer nationalen Frist „in sehr weitem Maße" von dem Zeitpunkt abhängt, zu dem die angemessene Frist zu laufen beginnt; siehe auch GA Jacobs, Schlußanträge in der Rs. C-312/93 (Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS/Belgischer Staat), Slg. 1995,1-4601 (4608). •si Statt aller Bonk (Fn. 14), § 73 Rn. 70. •82 § 73 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 4 S. 1 VwVfG, der auch die Länge der materiellen Einwendungsfristen im Fachplanungsrecht (§ 20 Abs. 2 S. 1 AEG; § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG; § 10 Abs. 4 S. 1 LuftVG; § 5 Abs. 2 S. 1 MBP1G; § 29 Abs. 4 S. 1 PBefG; § 17 Nr. 5 S. 1, Hs. 1 WaStrG) steuert. 183 § 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG. Die Länge der Einwendungsfrist im BImSchG hat eine wechselvolle Vergangenheit. Die Auslegungsfrist, die zugleich Einwendungsfrist war, wurde mit Inkrafttreten des BImSchG am 1. 4. 1974 von bisher 14 Tagen (vgl. § 17 Abs. 2 GewO a. F.) auf zwei Monate verlängert. Zur Begründung wurde vom Innenausschuß des Bundestages ausgeführt, daß es dadurch den Nachbarn ermöglicht werden soll, „sorgfältig, eventuell unter Heranziehung von Sachverständigen prüfen zu können, ob wirklich ein Anlaß zur Erhebung von Einwendungen besteht", BT-Drucks. 7/1513, S. 5. Im Jahre 1990 wurde die Auslegungsfrist auf einen Monat verkürzt, um eine Angleichung an das Planfeststellungsrecht zu erzielen. Seitdem können Einwendungen nur noch bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Ende der Auslegungsfrist erhoben werden. 184 § 3 Abs. 2 S. 1 GenTAnhV i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 GenTAnhV. Bei Freisetzungen von Organismen, deren Ausbreitung nicht begrenzbar ist (vgl. § 1 S. 1 Nr. 5 GenTAnhV), wird die Einwendungsfrist im engeren Sinne verlängert und beträgt einen Monat. •85 § 6 Abs. I AtVfV i.V.m. § 7 Abs. 1 AtVfV.

VII. Auswirkungen der Peterbroeck-Entscheidung

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sehen Gemeinschaftsrechts nicht zuverlässig bestimmen.186 Einen Anhaltspunkt bieten allerdings die für die Anrufung der Gemeinschaftsgerichte geltenden Fristen. 187 Diese stehen wie die materiellen Einwendungsfristen der Durchsetzung des EG-Rechts insoweit entgegen, als nach ihrem Ablauf Rechtsschutzanträge auch dann erfolglos sind, wenn der Rechtsschutzsuchende seinen materiellen Anspruch aus dem Gemeinschaftsrecht herleitet. Eine weitere Orientierungshilfe bietet die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit nationaler Rechtsschutzfristen mit dem Effektivitätsgebot. Für die Nichtigkeitsklage aufgrund des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gilt gemäß Art. 230 Abs. 5 EG eine Frist von zwei Monaten. Art. 20 Abs. 2 der EuGH-Satzung läßt den Parteien ebenfalls zwei Monate Zeit zur Abgabe von Stellungnahmen nach Anrufung des EuGH durch ein nationales Gericht im Wege des Art. 234 EG. Eine entsprechende Frist gilt gemäß Art. 49 Abs. 1, 50 Abs. 2 EuGH-Satzung auch für die Einlegung von Rechtsmitteln gegen Urteile des Europäischen Gerichts erster Instanz. Für die Erhebung dienstrechtlicher Klagen sieht Art. 91 Abs. 3 des Beamtenstatuts sogar eine Klagefrist von drei Monaten vor. Eine Ausnahme bildet insoweit die Nichtigkeitsklage auf der Grundlage des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die gemäß Art. 33 Abs. 3 KS innerhalb eines Monats zu erheben ist. Die Leitfunktion dieser Vorschrift dürfte aber bereits aufgrund ihres Kontextes in der Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft nur begrenzt sein. Zusammenfassend läßt sich daher festhalten, daß die Rechtsschutzfristen der EG in der Regel zwei Monate betragen. Trotzdem dürfte zumindest die nationale Widerspruchs- und Klagefrist von einem Monat (§§ 70, 74 VwGO) gerade noch als gemeinschaftsrechtskonform einzustufen sein, auch wenn es für den Rechtsschutzsuchenden im Einzelfall schwierig sein mag, innerhalb so kurzer Zeit Bedeutung und Sinngehalt des Gemeinschaftsrechts für die zu entscheidende Streitsache zu ermitteln. 188 Im Hinblick auf § 70 VwGO ist diese Auffassung vom EuGH bestätigt worden. 189

186

Dies entspricht auch der Auffassung der Kommission. Diese hat im Rahmen der Rechtssache Johnson in ihrer Stellungnahme geäußert, daß es auf der derzeitigen Grundlage nicht möglich sei, ein allgemeines Kriterium dafür festzulegen, was eine angemessene Frist sei, vgl. GA Gulmann, Schlußanträge in der Rs. C-410/92 (Elsie Rita Johnson/Chief Adjudication Officer), Slg. 1994,1-5485 (5498). 187 Siehe G A Jacobs, Schlußanträge in der Rs. C-312/93 (Peterbroeck, Van Campenhout & Cie SCS/Belgischer Staat), Slg. 1995,1-4599 (4607). 188

Burgi (Fn. 90), S. 65 f.; Ehlers, Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts, 1999, S. 76; a.A. GA Mischo, Schlußanträge in der Rs. C-208/90 (Theresa Emmott/Minister for Social Welfare and Attorney General), Slg. 1991,1-4284 (4288), wonach eine auf die Verletzung des Gemeinschaftsrechts gestützte Klage vor einem nationalen Gericht, „die weniger als zwei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die sie begründenden Umstände zum ersten Mal in Erscheinung getreten sind, dennoch abgewiesen werden kann", nicht mehr angemessen sei. 189 EuGH RS. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AG / Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998); allerdings schränkt der EuGH diese Aussage durch den Hinweis ein, daß dies für den „abgabenrechtlichen Bereich" gelte.

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

Ein Transfer dieser Überlegungen auf die materiellen Einwendungsfristen des deutschen Verwaltungsrechts ist allerdings nicht unproblematisch. Einerseits sehen zwar selbst die strengen Präklusionsfristen des Planfeststellungs-, Immissionsschutz- und Gentechnikrechts noch eine Zeitspanne von einem Monat und zwei Wochen für die Erhebung von Einwendungen vor (und sind damit sogar großzügiger als die Monatsfrist für Widerspruch und Klage). Andererseits weichen sie aber von ihrer strukturellen Konzeption her erheblich von diesen ab. So muß der präklusionsbedrohte Dritte die Entscheidung über die Erhebung von Einwendungen und damit über die Inanspruchnahme von Rechtsschutz - im Unterschied zu obenstehenden Fristen bereits zu einem Zeitpunkt treffen, in dem die abschließende behördliche Entscheidung noch gar nicht ergangen ist; dadurch wird er gezwungen, sich rein präventiv gegen Maßnahmen zur Wehr zu setzen, deren genauer Belastungsumfang sich noch gar nicht endgültig abschätzen läßt. Dem präklusionsbedrohten Dritten obliegt es also, eine mögliche eigene Rechtsbeeinträchtigung ex ante zu prognostizieren. Diese Schwierigkeiten potenzieren sich vor dem Hintergrund der enormen Komplexität, die die Sachverhalte des Anlagengenehmigungsund Planfeststellungsrechts prägt, und dem Umstand, daß die ausgelegten Unterlagen als Grundlage der erforderlichen Prognose für den Durchschnittsbürger oft nur schwer verständlich sind. 190 In den Fällen der Art. 230 Abs. 5 EG, 33 Abs. 3 KS, §§ 70, 74 VwGO liegen hingegen bereits abschließende Entscheidungen191 vor. Die reaktive Ausrichtung dieser Rechtsschutzfristen erleichtert ein rechtswahrendes Tätigwerden aber erheblich. Die Rechtsschutzfristen des Europäischen Gemeinschaftsrechts verlängern sich zudem gemäß Art. 81 § 2 EuGH-VfO 192 um eine sog. Entfernungsfrist, die der räumlichen Distanz des Klägers vom Großherzogtum Luxemburg als Sitz des Europäischen Gerichtshofs Rechnung tragen soll. Für einen in Deutschland ansässigen Kläger beträgt diese zusätzliche Frist gemäß Art. 1 der Anlage II zur EuGHVfO sechs Tage. bb) Fristbeginn Die Angemessenheit einer Frist bestimmt sich aber nicht nur nach ihrer Länge, sondern auch nach ihrem Beginn. 193 Die Frist der europäischen Nichtigkeitsklage beginnt gemäß Art. 230 Abs. 5 EG i.V.m. Art. 80 § 1 EuGH-VfO am Tag nach der individuellen Bekanntgabe der angegriffenen Maßnahme; wird diese öffentlich be>90 Darauf weist auch das BVerfG (E 61, 82, 116 - Sasbach) hin; anschaulich dazu VGH Mannheim, NVwZ-RR 1999, 165 - (2. LS). 191 Im Fall der gemeinschaftsrechtlichen Nichtigkeitsklage kann dies gem. Art. 230 Abs. 4 EG auch eine Verordnung sein, wenn sie den Kläger unmittelbar und individuell betrifft. 192 Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 19. 6. 1991. '93 Siehe die Nachw. in Fn. 180.

VII. Auswirkungen der Peterbroeck-Entscheidung

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kanntgemacht hingegen erst am fünfzehnten Tag nach ihrem Erscheinen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft, Art. 81 § 1 EuGH-VfO. Die deutsche Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage beginnt gemäß §§ 74 Abs. 1, 57 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB am Tag nach der Zustellung des Widerspruchsbescheids oder der Bekanntgabe194 des ursprünglichen Verwaltungsakts. Auch letztere erfolgt regelmäßig individuell. Eine öffentliche Bekanntgabe ist nur in den Ausnahmefällen des § 41 Abs. 3 VwVfG zulässig. Wird ein schriftlicher Verwaltungsakt öffentlich bekannt gegeben, verschiebt sich der dies a quo aufgrund der in § 41 Abs. 4 S. 3 VwVfG angeordneten Fiktion um zwei Wochen. Den Rechtsschutzfristen des deutschen und europäischen Prozeßrechts ist also gemein, daß ihr Beginn regelmäßig eine individuelle Benachrichtigung voraussetzt. Soweit eine öffentliche Bekanntgabe ausreicht, verschiebt sich der Fristbeginn zugunsten des Betroffenen um zwei Wochen. Der Lauf der Einwendungsfrist setzt hingegen keine individuelle Benachrichtigung voraus, sondern lediglich eine öffentliche Bekanntmachung der künftigen Planauslegung.195 Die bisher vorgeschriebene Mindestfrist von einer Woche zwischen dem Tag der Bekanntmachung und dem Beginn der Planauslegung - der zugleich den Beginn der Einwendungsfrist markiert - ist spätestens seit der Änderung des § 73 Abs. 5 VwVfG durch das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz im Recht der Planfeststellung endgültig entfallen. 196 Seither ist die Bekanntmachung nur einen Tag vor Beginn der Auslegung zulässig, was de facto zu einer weiteren Verkürzung der Einwendungsfrist führt. In den Genehmigungsverfahren des Immissionsschutz-, Atom- und Gentechnikrechts wird die Mindestfrist von einer Woche immerhin noch durch die Soll-Bestimmungen in § 9 Abs. 2, Hs. 1 der 9. BImSchV, § 5 Abs. 2, Hs. 1 AtVfV und § 3 Abs. 3, Hs. 1 GenTAnhV aufrechterhalten. Eine Verkürzung dieser Fristen ist allerdings nach herrschender Meinung unschädlich und berechtigt nicht zur Anfechtung. 197

cc) Ergebnis Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, daß das Gemeinschaftsrecht im Bewußtsein der Bürger, aber auch vieler Anwälte, oft noch nicht tief genug verankert ist, wird es dem Rechtsschutzsuchenden regelmäßig er194

Teilweise ist fachgesetzlich auch für den (Ausgangs-)Verwaltungsakt eine Zustellung vorgesehen, so etwa in § 10 Abs. 7 BImSchG. 195 Exemplarisch § 73 Abs. 5 VwVfG. Einzige Ausnahme bildet die zweiwöchige Einwendungsfrist im baden-württembergischen Baugenehmigungsverfahren, deren Lauf eine Zustellung an die präklusionsbedrohten Angrenzer voraussetzt. 196 Dieser Änderung sind entsprechende Modifizierungen im Fachplanungsrecht vorausgegangen (vgl. z. B. § 17 Abs. 3 b S. 3 FStrG). Vgl. z. B. Jarass (Fn. 19), § 10 Rn. 60; Hirsch!Schmidt-Didczuhn, Gentechnikgesetz Kommentar, 1991, § 18 Rn. 28.

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

hebliche Schwierigkeiten bereiten, Tragweite und Sinngehalt des EG-Rechts weit genug zu erfassen, um fristgerecht Einwendungen erheben zu können. Somit dürften zumindest die kurzen Einwendungsfristen des Planfeststellungs-, Immissionsschutz-, Gentechnik- und Baurechts aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht mehr als angemessen einzustufen sein und damit gegen das Effektivitätsprinzip verstoßen. 198 Für diese Auffassung spricht auch, daß die genannten Präklusionsfristen bereits von nationaler Warte aus als kurz empfunden werden. 199

2. Vereinbarkeit mit der Peterbroeck-Formel a) Beeinträchtigung des Normbereichs des Art. 234 EG Die Parallelen zwischen der belgischen Präklusionsnorm im Fall Peterbroeck und den materiellen Einwendungsfristen des deutschen Umweltrechts sind deutlich: Auch bei letzteren hat der Fristablauf zur Folge, daß das erste im staatlichen Instanzenzug mit der Sache befaßte Gericht - obwohl ansonsten zulässig angerufen - keine Möglichkeit hat, einen etwaigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht von Amts wegen zu prüfen und gegebenenfalls gemäß Art. 234 EG vorzulegen. Genau wie im belgischen Ausgangsrechtsstreit ergibt sich auch zu keinem späteren Zeitpunkt mehr eine derartige Prüfungs- und Vorlagebefugnis. Das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion beeinträchtigt daher den Normbereich des Art. 234 EG.

b) Rechtfertigung

dieser Beeinträchtigung

Damit stellt sich die Frage einer möglichen Rechtfertigung. Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, ist eine den Normbereich des Art. 234 EG beeinträchtigende Vorschrift des nationalen Verfahrensrechts nur gerechtfertigt, wenn sie auf einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts beruht ( 1. Stufe) und zudem auch in ihrer konkreten Ausgestaltung noch einem Rechtswert entspricht, 198

A A . Bonk (Fn. 14), § 73 Rn. 79, der sich allerdings ohne eigene Begründung auf zwei Urteile des BVerwG beruft, die diese Folgerung nicht tragen. i " Bonk, ebd., § 73 Rn. 79, 81; Roßnagel, in: Koch/Scheuing (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, § 10 Rn. 308 (Stand: April 1998). Nach Ansicht des VGH B-W (NVwZ 1998, 986) liegt die zweiwöchige Präklusionsfrist des badenwürttembergischen Baugenehmigungsverfahrens „an der unteren Grenze des noch rechtsstaatlich Zulässigen". Diesem Umstand trägt - zumindest für den Bereich des Umweltrechts - der Kommissionsentwurf zum Umweltgesetzbuch Rechnung, der in § 87 Abs. 4 S. 3 i.V.m. Abs. 3 S. 1 UGB-KomE eine einheitliche Einwendungsfrist von zwei Monaten für die dort geplante integrierte Vorhabengenehmigung vorsieht. Zur Begründung wird ausdrücklich darauf verwiesen, daß angesichts der Vielschichtigkeit der Sachverhalte eine Frist von zwei Monaten für alle Vorhaben als angemessen erscheint (Begründung zum UGB-KomE, S. 636).

VII. Auswirkungen der Peterbroeck-Entscheidung

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der von der Mehrheit der Mitgliedstaaten bzw. der Europäischen Gemeinschaft selbst geteilt wird und sich in ihre Strukturen und Ziele einfügt (2. Stufe).

aa) Erste Rechtfertigungsebene Als allgemeine Rechtsgrundsätze, die geeignet sind, die materielle Präklusion zu legitimieren, kommen die Prinzipien des ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens und der Rechtssicherheit in Betracht.

(1) Ordnungsgemäßer Ablauf des Verfahrens Eine Funktion der materiellen Präklusion wird traditionell in der Beschleunigung und Konzentration des Verwaltungsverfahrens gesehen.200 Das Institut des Einwendungsausschlusses soll die begrenzte Kapazität der Verwaltung schonen, die gerade bei den komplexen Verfahren der Planfeststellung und Anlagengenehmigung an ihre Grenzen stößt. Diese Vorgänge sind besonders zeit- und kostenintensiv und binden neben finanziellen Mitteln in erheblichem Maße auch sachkundiges Personal. Durch die Androhung einer materiellen Präklusion werden die Drittbetroffenen gezwungen, ihre Einwendungen bereits im Verwaltungsverfahren vorzutragen. Dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, sie frühzeitig zu bearbeiten und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. So wird sichergestellt, daß dem in das Verwaltungsverfahren investierten Aufwand an Zeit, Kosten und Personal nicht nachträglich der Boden entzogen wird, weil ein Drittbetroffener entscheidungserhebliche Tatsachen erst im Stadium eines gerichtlichen Verfahrens vorträgt und so die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung erzwingt. Die materielle Präklusion hat jedoch nicht nur eine Beschleunigungsfunktion, sondern soll auch die Effektivität der behördlichen Sachverhaltsermittlung steigern. Das Fundament einer rechtmäßigen und sachgerechten Verwaltungsentscheidung ist die umfassende Ermittlung des ihr zugrundeliegenden Sachverhalts. Die Bedeutung des Faktors Information für das Entscheidungsergebnis ist heute auch im Verwaltungsrecht unbestritten. 201 Der Gesetzgeber hat dieser Erkenntnis durch die Normierung des Untersuchungsgrundsatzes in § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG Rechnung getragen. Das dieser Vorschrift zugrundeliegende Vollständigkeitsideal („Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen") läßt sich allerdings de facto nicht so problemlos realisieren, wie es ihr Wortlaut nahelegt. Die zuneh200 BVerfGE 61, 82 (116) - Sasbach; BVerwGE 60, 297 (311) - Wyhl I; BVerwG, NVwZ 1997, 171 (172); NVwZ 1997, 489; VGH B-W, DÖV 1976, 679 (680); Degenhart (Fn. 44), S. 628; Milger (Fn. 44), S. 196 ff.; vgl. auch Haupt, Ausschlußfristen in Einwendungsverfahren des öffentlichen Rechts, 1988, S. 124. 201 Vgl. nur Schmidt, AöR 96 (1971), 321 (327); ders., VVDStRL 33 (1975), S. 183 (200 f.); Hufen (Fn. 19), Rn. 118.

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

mende Dichte der Sachinformationen und die materiell-rechtliche Offenheit der zu treffenden Entscheidung bei gleichzeitiger Abnahme der Reichweite behördlicher Ermittlungs- und Verfahrenskapazitäten führt dazu, daß die Verwaltung zur Erfüllung ihrer Sachaufklärungspflicht auf die Mitwirkung der Beteiligten angewiesen ist. 2 0 2 Dies gilt im besonderen Maße für die komplexen Zulassungsverfahren des Umweltrechts. 203 Hinzu tritt die schlichte Erkenntnis, daß kaum jemand geeigneter ist, die Verwaltung über subjektive Faktoren, persönliche Daten, kurz eigene Belange zu informieren als die Betroffenen selbst. 204 Als Beispiel mögen die von dem geplanten Vorhaben ausgehenden Gefahren für die nachbarliche Gesundheit dienen. Gerade Einwendungen, die sich auf gesundheitliche Belange beziehen, können am besten von den Betroffenen selbst vorgetragen werden, da sie häufig von individuellen physischen oder psychischen Dispositionen abhängen und daher für die Behörde nicht ohne weiteres erkennbar sind. An diesen Befund knüpft die materielle Präklusion an, indem sie diejenigen, die von ihrem Einwendungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, mit einem endgültigen Einwendungsausschluß sanktioniert. Dadurch werden auch Dritte, die kein eigenes Interesse am Zustandekommen der Entscheidung haben 205 und deswegen zu einer Beteiligung im Verwaltungsverfahren nicht von vornherein motiviert sind, gezwungen, ihre Einwendungen bereits frühzeitig vorzutragen und so die behördliche Informationsbasis zu verbreitern. 206 Die materielle Präklusion soll also das Anhörungsverfahren effektivieren und der Behörde helfen, ihren Auftrag zur vollständigen Aufklärung der für die Entscheidung maßgeblichen Informationen im Wege kooperativer Sachverhaltsermittlung zu erfüllen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die materielle Präklusion bezweckt, die mit der Entscheidung über komplexe Großvorhaben typischerweise verbundenen prozeduralen Probleme so weit wie möglich zu kompensieren oder zumindest zu reduzieren. Damit dient sie dem ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens und steht folglich im Einklang mit dem entsprechenden allgemeinen und ungeschriebenen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts.

202

Hufen, ebd., Rn. 125 u. Rn. 381; siehe auch di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, S. 457; a. A. Beckmann, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im raumbedeutsamen Umweltrecht, 1987, S. 219. 2 03 Hufen, ebd., Rn. 381; vgl. auch BVerwGE 67, 206 (210); 2 04 Hufen, ebd., Rn 125; in diesem Sinne auch BVerwGE 59, 87 (104); BVerwG, NVwZ 1983,38 (40). 2 °5 Die von dem geplanten Vorhaben betroffenen Dritten werden in der Regel vielmehr ein Interesse daran haben, dessen Realisierung zu verzögern. 2 «6 BVerfGE 61, 82 (114) - Sasbach; BVerwGE 60, 297 (304) - Wyhl I; vgl. auch BVerwG, NVwZ 1997, 489 (490); Haupt (Fn. 200), S. 123 f.; Röhl/Ladenburger (Fn. 19), S. 23; zweifelnd Wolfrum, DÖV 1979, 497 (501 f.) und Beckmann (Fn. 202), S. 219.

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(2) Rechtssicherheit Daneben ist die materielle Präklusion geeignet, den Kreis der möglichen Kläger zu reduzieren. Aus diesem Grund wird ihr die Funktion zugeschrieben, die Bestandskraft der künftigen Entscheidung zu stärken und somit Rechtssicherheit zu schaffen. 207 Dagegen spricht jedoch, daß im Anlagengenehmigungs- und Planfeststellungsrecht regelmäßig mit einer Zustellungsfiktion zu Lasten des Präkludierten operiert wird. 2 0 8 Danach gilt die behördliche Zulassungsentscheidung mit Ende der Auslegungsfrist auch gegenüber Dritten, die keine Einwendungen erhoben haben, als zugestellt. Aus diesem Grund ist die materielle Präklusion zum Schutz der Bestandskraft der abschließenden Entscheidung über das Vorhaben nicht zwingend erforderlich. 209 Auch im Bereich des Umweltrechts bleibt ihre Sicherung somit vorrangig Aufgabe der Anfechtungsfristen. Verschiebt man allerdings Zeitpunkt und Blickwinkel der Betrachtung, wird deutlich, daß sich die materielle Präklusion letztlich doch auf Rechtssicherheitserwägungen zurückführen läßt. In den polygonalen Rechtsverhältnissen der umweltrelevanten Vorhabenzulassung berührt die Gestaltung des Verfahrens nämlich nicht nur die Rechtsschutzinteressen Dritter, sondern auch diejenigen des Vorhabenträgers. Dieser aber hat ein berechtigtes Interesse daran, mit Einwendungen gegen sein Projekt möglichst frühzeitig, das heißt insbesondere nicht erst im Stadium eines gerichtlichen Verfahrens, konfrontiert zu werden. Diesem Interesse trägt das Institut der materiellen Präklusion Rechnung. Der Antragsteller - zunächst mit einem unüberschaubaren Kreis Drittbetroffener konfrontiert - kann nun schon während des Verwaltungs Verfahrens abschätzen, ob, von welcher Seite und mit welcher Begründung sein Vorhaben angegriffen wird. Dadurch erlangt er bereits im Verwaltungs verfahren ein gewisses Maß an Planungsund Investitionssicherheit. 210 Zudem wird er von dem Risiko überraschender Drittanfechtungen im Zeitraum zwischen Erlaß des Zulassungsbescheids und Eintritt der Bestandskraft befreit. Damit befindet sich das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion auch im Einklang mit dem allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit. 207 BVerfG, ebd., S. 114; BVerwGE 60, 297 (304) - Wyhl I; vgl. auch BVerwG, NVwZ 1997, 171 (172); Berger (Fn. 26), S. 223 ff.; Solveen (Fn. 26), S. 64. 208 Im Anlagengenehmigungsrecht z. B. § 10 Abs. 8 S. 5, Hs. 1 BImSchG; § 17 Abs. 2 S. 4 AtVfV. Im Recht der Planfeststellung exemplarisch § 74 Abs. 5 S. 3, Hs. 1 VwVfG, der vom Wortlaut her zwar nicht so deutlich ist, sich aber ebenfalls auch auf Personen erstreckt, die keine Einwendungen erhoben haben, BVerwG, DVB1. 1980, 304; Bonk, in: Stelkens/Bonk/ Sachs (Hrsg.), VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 74 Rn. 129; Busch, in: Knack (Hrsg.), VwVfG, 6. Aufl. 1998, § 74 Rn. 5.2.3.5. m. w. N. 209 Röhl/Ladenburger (Fn. 19), S. 24; kritisch zur Anordnung der Präklusion aus diesem Grund bereits Papier, NJW 1980, 313 (320). 210 Ipsen, DVB1. 1980, 146 (153); Mutschier, ET 1980, 164 (172); Metz (Fn. 46), S. 103; Röhl!Ladenburger (Fn. 19), S. 54. In diese Richtung auch BVerwGE 60, 297 (304) - Wyhl I. Im Vergleich zu der Rechtssicherheit, die mit der Bestandskraft der erteilten Genehmigung oder Planfeststellung eintritt, ist diese allerdings nur relativ, weil die materielle Präklusion nicht die aus § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG folgende behördliche Amtsermittlungspflicht suspendiert. Siehe dazu die Ausf. unter Α. I.

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, daß sich die materielle Präklusion im Einklang mit zwei allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts befindet.

bb) Zweite Rechtfertigungsebene Weiter ist zu fragen, inwieweit dieses Institut auch in seiner konkreten Ausgestaltung noch einem Rechtswert entspricht, der von den meisten anderen Mitgliedstaaten bzw. der Europäischen Gemeinschaft selbst geteilt wird. Die Beteiligung Dritter an den behördlichen Verfahren zur Zulassung umweltrelevanter Großvorhaben ist zumindest in gewissem Umfang traditioneller Bestandteil der Mehrheit der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen.211 Heute garantieren zudem Art. 6 Abs. 2 der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (hier abgekürzt UVP-RL) 2 1 2 und Art. 15 Abs. 1 der EG-Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-RL), 2 1 3 daß die Öffentlichkeit die Möglichkeit erhält, sich vor der Zulassung bestimmter umweltrelevanter Projekte zu diesen zu äußern. 214 Die konkrete Ausgestaltung dieser Beteiligung ist jedoch von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die rechtlichen Wirkungen der Beteiligung. 215 Auch die genannten Richtlinienbestimmungen haben insoweit zu keiner Harmonisierung geführt, da sie die Einzelheiten der Anhörung, insbesondere auch die Festsetzung geeigneter Fristen und deren Folgen, den Mitgliedstaaten überlassen. 216 Vorschriften, die die Nichtwahrnehmung der Beteiligungsmöglichkeit mit einem Einwendungsausschluß sanktionieren, der sich zudem auch noch auf einen anschließenden Prozeß auswirkt, existieren außer in Deutschland nur noch in den Niederlanden und in Österreich. 217 Den übrigen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ist ein sol211 Ress, in: ders. (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung im Umweltrecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 19 ff.; vgl. auch die Nachw. in den einzelnen Landesberichten (ab S. 131 ff.). 212 Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. 6. 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. EG 1985 Nr. L 175, S. 40. 2 13 Richtlinie 96/61 /EG des Rates vom 24. 9. 1996, Abi. EG 1996 Nr. L 257, S. 26. 214 Ein Uberblick über die Umsetzung der Umweltvertäglichkeitsprüfung in den anderen Mitgliedstaaten findet sich bei Erbguth/Schink, UVPG, 2. Aufl. 1996, Einl Rn. 29 ff.; vgl. zudem ebd. in Anh. 1.1.1. den Kommissionsbericht vom 2. 4. 1993 über die Durchführung der UVP-RL. Allgemein zum Grundsatz der Öffentlichkeit im EG-Umweltverfahrensrecht Schmidt-Aßmann ! Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. I, 1998, § 18 Rn. 4 ff. 2 15 Ress (Fn. 211), S. 370; vgl. auch Kloepfer (Fn. 61), § 9 Rn. 141. 216 Art. 6 Abs. 3 UVP-RL bestimmt ausdrücklich, daß die Einzelheiten der Anhörung von den Mitgliedstaaten festgelegt werden; auch die IVU-RL regelt diesbezüglich keine Details. 217 Angeordnet ist die materielle Präklusion in § 42 Abs. 1 AVG (Österreichisches Allgemeines Verfahrensgesetz). Zur Rechtslage in den Niederlanden siehe Ress (Fn. 211), S. 37

VII. Auswirkungen der Peterbroeck-Entscheidung

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eher Einwendungsausschluß fremd. Exemplarisch sei hier auf die Rechtslage in Frankreich und Großbritannien verwiesen. In Frankreich hat die Bevölkerung im Rahmen größerer, als umweltgefährdend eingestufter Zulassungsverfahren („installations classées") das Recht, Einwendungen für oder gegen das geplante Vorhaben in einem förmlichen Beteiligungsverfahren, der sog. enquête publique, zu erheben. 218 Ziel dieses Verfahrens ist es, die Bevölkerung über das entsprechende Projekt zu informieren sowie Einwendungen, Vorschläge oder Gegenvorschläge zu sammeln, die dann bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden sollen. Eine Präklusionsandrohung gegenüber denjenigen, die diese Einwendungsmöglichkeit nicht wahrnehmen, kennt das französische Recht nicht. 219 In Großbritannien ist das umweltrelevante Zulassungsverfahrensrecht hauptsächlich im Environmental Protection Act 1990 (EPA) geregelt, 220 der seit 1991 sukzessive in Kraft getreten ist und zu grundlegenden Reformen geführt hat. Zu den Neuerungen zählen insbesondere eine weitreichende Genehmigungspflicht sowie die Stärkung und Erweiterung der Informations- und Beteiligungsrechte Dritter im Verwaltungs verfahren. 221 Auch hier können im Anschluß an die öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens innerhalb einer gewissen Frist Stellungnahmen abgegeben werden. Die Behandlung der Stellungnahmen ist nicht näher geregelt. Der EPA bestimmt lediglich, daß sie bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Wie das geschieht, steht im Ermessen der Behörde. Eine anschließende Erörterung der Einwendungen und eine Begründung ihrer Berücksichtigung resp. Nichtberücksichtigung ist nicht vorgesehen. Die Wahrnehmung dieses Beteiligungsrechts ist insbesondere keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes.222 Auch im Verfahrensrecht der Europäischen Gemeinschaft verfügt das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion über kein Pendant. Zwar existieren in den Verfahren des europäischen Subventions-, Antidumping- und Kartellrechts Beteiligungsrechte Dritter, ihre Wahrnehmung ist jedoch keine Bedingung für eine erfolgreiche Konkurrentenklage. 223 und Stein, in: Ress (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung im Umweltrecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, S. 320 f. In Spanien ist sogar ausdrücklich festgeschrieben, daß die Nichtteilnahme an der informacia publica keine Präklusion zur Folge hat, Art. 86.3 Ley 30/1992, de 26 de noviembre, de Régimen Juridico de las Administraciones Publicas y del Procedimiento Administrativo comün. 218 Zu Einzelheiten Bergmann, Der Schutz der Umwelt im französischen Recht, 1996, S. 123 ff. 2 19 Woehrling, NVwZ 1999, 502 (503); vgl. auch Bergmann, ebd., S. 125. 220 Der EPA gilt in England und Wales, mit Abweichungen auch in Schottland und Nordirland, Wagner, Integrated Pollution Control, 1996, S. 10 f.; vgl. dazu auch den Landesbericht „Großbritannien" bei Kloepfer/Mast, Das Umweltrecht des Auslands, 1995, S. 114 ff., 118 ff. 22 1 Wagner, ebd., S. 19; siehe auch Lomas, DVB1. 1992, 949 (952). 222 Vgl. Wagner, ebd., S. 190.

5 Oexle

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

cc) Fazit Bei dem Rechtsinstitut der materiellen Präklusion handelt es sich um eine Besonderheit des deutschen, österreichischen und niederländischen Verwaltungsrechts. In den übrigen Mitgliedstaaten, aber auch im Recht der Europäischen Gemeinschaft existieren keine vergleichbaren Vorschriften. Die gemeinschaftsrechtliche Legitimation der materiellen Präklusion scheitert daher auf der zweiten Stufe des Rechtfertigungstatbestands.

V I I I . Folgen der Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht Nach heute allgemeiner Auffassung hat das Gemeinschaftsrecht jedenfalls innerhalb gewisser Grenzen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten. Mit dieser Feststellung ist allerdings noch keine Aussage über die Folgen für das kollidierende nationale Recht getroffen. Denkbar sind ein Geltungsvorrang oder ein Anwendungsvorrang. Im ersten Fall ist das entgegenstehende nationale Recht nichtig, 224 im zweiten lediglich unanwendbar, wenn und soweit das Gemeinschaftsrecht im Einzelfall eine unmittelbare Anwendung beansprucht. 225 Die Lehre vom Anwendungsvorrang verdient Zustimmung. Sie trägt dem Bedürfnis nach einheitlicher Geltung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts hinreichend Rechnung, stellt aber den schonenderen Eingriff in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen dar. Daher ist es der Gemeinschaft bereits wegen der EG-rechtlichen Strukturprinzipien der Subsidiarität (Art. 5 Abs. 2 EG) und der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 3 EG) nicht gestattet, über die Folgen des Anwendungsvorrangs zu bestimmen. Daraus folgt, daß die materielle Präklusion im Falle einer Kollision mit dem Gemeinschaftsrecht mangels Anwendbarkeit wirkungslos bleibt. Ihre Reichweite endet dort, wo sich die Einwendung auf eine klagefähige Position des europäischen Gemeinschaftsrechts bezieht. Nicht mehr erfaßt werden somit in erster Linie Einwendungen, die auf dem unmittelbar anwendbaren Primär- und Sekundärrecht beruhen. Nicht erfaßt werden aber auch Einwendungen, die nur mittelbar auf dem EGRecht basieren, ζ. B. weil sie innerstaatliches Recht betreffen, das zur Umsetzung 223

EuG Rs. T-12/93 (Comité central d'entreprise de la société anonyme Vittel u. a./ Kommission), Slg. 1995, 11-1247 (1270) m. w. N.; Götz,, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. II, 2. Aufl. 1998, H. III Rn. 115 m. w. N. 224 So Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, 1966, S. 98 ff., der seinen Standpunkt aber mittlerweile aufgegeben hat (NJW 1989, 1776, 1777). 22 5 So EuGH Rs.106/77 (Staatliche Finanzverwaltung/S.p.A. Simmenthai), Slg. 1978, 629 (644); EuGH Rs. C-184/89 (Helga Nimz/Freie und Hansestadt Hamburg), Slg. 1991,1297 (321); BVerfGE 75, 223 (244); Ε 85, 191 (204); BVerwG, NVwZ 1992, 783 (784); Ehlers (Fn. 90), § 3 Rn. 43; Schoch, NVwZ 1999, 457 (460).

VIII. Folgen der Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht

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einer EG-Richtlinie erlassen wurde. Da die Europäische Gemeinschaft gerade im Umweltrecht mittlerweile über umfangreiche Kompetenzen verfügt 226 und von diesen erfahrungsgemäß auch extensiv Gebrauch machen wird, 2 2 7 läßt sich unschwer absehen, daß die materiellen Präklusionsnormen in Zukunft erheblich an Wirkung verlieren werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, daß das Europäische Gemeinschaftsrecht im Vergleich zum deutschen Recht bei der Anerkennung individual bezogenen Schutzes tendenziell großzügiger verfährt. 228 Bereits heute finden sich im Bereich des Umweltrechts zahlreiche Beispiele für Abwehrrechte gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs. So hat der Europäische Gerichtshof z. B. die Klagefähigkeit von Richtlinien zur Begrenzung von Schadstoffen in den verschiedenen Umweltmedien bejaht, die in Deutschland traditionell 229 zu den nicht drittschützenden Vorsorgebestimmungen gezählt werden. 230 Im Planfeststellungsrecht kann der von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffene fortan Verstöße gegen gemeinschaftsrechtlich determiniertes Verfahrensrecht, wie z. B. das UVP-Gesetz, aber auch gegen die materiellen naturschutzrechtlichen Anforderungen der Vogelschutz-231 oder der FFH-Richtlinie 232 ungeachtet der materiellen Präklusionsfristen rügen. 233

226 Zur Kompetenzerweiterung durch die EEA Scheuing, EuR 1989, 152 ff. Zur Fortentwicklung durch den Vertrag von Maastricht Epiney/Furrer, EuR 1992, 369 ff., Beyer, JuS 1997, 294 ff. Zum Vertrag von Amsterdam, Hilf!Packe, NJW 1998, 705 (708). 227 Schoch, NVwZ 1999, 457 (459); vgl. auch Kloepfer (Fn. 61), § 9 Rn. 35. 228 Ehlers (Fn. 188), S. 58; Schoch, NVwZ 1999, 457 (466); vgl. auch Jarass, NJW 1991, 2665 (2667). Dem deutschen Umweltrecht wird hingegen attestiert, es beruhe weitgehend auf objektiv-rechtlichen Normen, so Pernice, EuR 1994, 325 (339). 229 Eine andere Konzeption liegt dem UGB-KomE zugrunde, wo § 44 Drittbetroffenen ein subjektives Recht auf Einhaltung der Vorsorgegrenzwerte vermittelt. 2 ™ EuGH RS. C-131 /80 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, 1-825 (867) zur Grundwasserrichtlinie; Rs. C-361/88 (Kommission/Deutschland) Slg. 1991, 1-2567 (2601) Schwefeldioxid und Schwebestaub-Richtlinien; Rs. C-59/89 (Kommission/Deutschland) Slg. 1991, 1-2607 (2631) zur Richtlinie betreffend einen Grenzwert für den Bleigehalt in der Luft; Rs. C-58/89 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, 1-4983 (5023) zur Trinkwasserrichtlinie; Rs. C-298/95 (Kommission/Deutschland), Slg. 1996,1-6755 (6760) zur Richtlinie über die Qualität von Süßwasser. 231 Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. 4. 1979 über die Erhaltung wildlebender Vogelarten. 232 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.5. 1992 über die Erhaltung der natürlichen und naturnahen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie). 233 Dieses und weitere Beispiele finden sich bei Röhl I Ladenhurger (Fn. 19), S. 65 f. und Erbguth (Fn. 127), S. 90. Die Reichweite der materiellen Präklusion im Fall des enteignungsbetroffenen Drittklägers ist allerdings aus nationaler Sicht noch ungeklärt, siehe dazu die Ausf. zu D. III. 1.

51

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Β. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion

1. Folgen für das Verwaltungs verfahren Im Verwaltungsverfahren ist zu differenzieren. Die Präklusionsfristen, die gegen das Effektivitätsgebot verstoßen, entfalten ihre präklusivische Wirkung nur noch gegenüber rein nationalen Einwendungen; unmittelbar oder mittelbar auf dem Gemeinschaftsrecht basierende Rügen sind hingegen präklusionsimmun. Das heißt, daß der Betroffene auch nach Ablauf der Präklusionsfrist seinen Anspruch auf Erhebung und Behandlung der von ihm vorgetragenen Einwendungen im weiteren Verwaltungs verfahren nicht verliert. 234 Die unter dem Gesichtspunkt der Effizienz noch als gemeinschaftrechtskonform eingestufte Einwendungsfrist des Atomrechts wird hingegen in ihren verwaltungsverfahrensrechtlichen Wirkungen durch die EG-rechtlichen Vorgaben nicht beeinträchtigt.

2. Folgen für den Verwaltungsprozeß Im Verwaltungsprozeß zeigen sich die Folgen der Peterbroeck-Entscheidung. Da die materiellen Präklusionsnormen des deutschen Verwaltungsrechts mit Fristablauf verhindern, daß sich eine zur Vorlage nach Art. 234 EG berechtigte staatliche Instanz mit dem angegriffenen Rechtsakt befaßt und auf seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht hin überprüft, kollidieren sie mit Art. 234 EG. Nachdem eine EG-rechtliche Legitimation dieses Eingriffs verneint wurde, hat dies zur Folge, daß die verwaltungsprozessuale Wirkung der materiellen Präklusion dort endet, wo sich die Einwendung auf eine klagefähige Rechtsposition des europäischen Gemeinschaftsrechts bezieht. Auf dem Gemeinschaftsrecht beruhende Rügen können somit ungehindert geltend gemacht werden. Auch in diesem Fall sind allerdings die (sonstigen) Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage zu beachten. Das gilt insbesondere für die Klagefrist des § 74 VwGO. Es wurde bereits festgestellt, daß die Monatsfrist des § 74 VwGO aus EG-rechtlicher Perspektive gerade noch als angemessen einzustufen ist und daher nicht gegen das Effektivitätsprinzip verstößt. Auch eine Verletzung des Art. 234 EG (in der Auslegung, die er erstmalig durch die Peterbroeck-Entscheidung erfahren hat) liegt nicht vor. Zwar hat der Ablauf der Klagefrist zur Folge, daß dem ersten im staatlichen Instanzenzug mit der Sache befaßten Gericht - obwohl ansonsten zulässig angerufen - die Möglichkeit genommen wird, einen etwaigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht von Amts wegen zu prüfen und gegebenenfalls den EuGH um Vorabentscheidung zu ersuchen - mit der Konsequenz, daß auch § 74 VwGO mit Art. 234 EG kollidiert. Anders als im Fall der materiellen Präklusion greift hier jedoch der vom Europäischen Gerichtshof geschaffene Rechtfertigungstatbestand. Zunächst beruht die verwal234 Nicht entscheidend ist an dieser Stelle, das heißt im Stadium des Verwaltungsverfahrens, die Klagefähigkeit der mit der Einwendung geltend gemachten Position.

VIII. Folgen der Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht

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tungsprozessuale Klagefrist auf dem Gedanken der Rechtssicherheit und befindet sich damit im Einklang mit einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts. 235 Darüber hinaus entspricht die deutsche Klagefrist des § 74 VwGO auch in ihrer konkreten Ausprägung noch einem Rechtswert, der von den anderen Mitgliedstaaten und sogar von der Gemeinschaft selbst (Art. 230 Abs. 5 EG) geteilt wird, nämlich dem Prinzip, daß Verwaltungsentscheidungen nicht unbegrenzt in Frage gestellt werden dürfen. 236 Daraus ergibt sich die wichtige Folgerung, daß die Bestandskraft einer innerstaatlichen Genehmigung bzw. Planfeststellung durch die EG-rechtlichen Vorgaben nicht berührt wird. Der Kläger, der sich auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts beruft, wird zwar nicht mehr durch die materielle Präklusion, aber noch durch den Ablauf der Klagefrist daran gehindert, die Zulassungsentscheidung ohne zeitliche Begrenzung gerichtlich anzugreifen.

235 Zum Grundsatz der Rechtssicherheit als allgemeinem Grundsatz des Gemeinschaftsrechts EuGH Rs. 33/76 (Rewe-Zentralfinanz eG und Rewe-Zentral AG / Landwirtschaftskammer für das Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998); Rs. 45/76 (Comet/Produktschap voor Siergewassen), Slg. 1976, 2043 (2053); Rs. 78/74 (Deuka, Deutsche Kraftfutter GmBH B. J. Stolp/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel), Slg. 1975, 421 (433); EuGH Rs. 15/85 (Consorzio Cooperative d'Abruzzo/Kommission), Slg. 1987, 1005 (1036); weitere Nachw. in Fn. 132. 236

Siehe dazu insbesondere EuGH Rs. C-310/97 Ρ (Kommission / AssiDomän Kraft Products u. a.), EuZW 1999, 660 (663). Dieses Prinzip entspricht - auch wenn seine Anwendung auf innerstaatlicher Ebene im Einzelfall die Durchsetzung des Europäischen Gemeinschaftsrechts verhindern kann - zudem den Interessen und Bedürfnissen der EG, denn es kann ebenso Mittel sein, die Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit (im deutschen Recht: Bestandskraft) der auf Gemeinschaftsrecht beruhenden Vollzugsakte zu garantieren, Ehlers (Fn. 188), S. 76.

C. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion I. Einleitung Der Streit um die Verfassungsmäßigkeit 237 der materiellen Präklusion entzündete sich bereits an § 17 Abs. 2 S. 2 GewO a. F. 2 3 8 Zum Brennpunkt der Auseinandersetzung wurde allerdings das Atomrecht. Die in den siebziger Jahren beginnende Diskussion um die Zulassung verschiedener Kernkraftwerke gipfelte in dem langwierigen Rechtsstreit um Block I des Kernkraftwerks Süd bei Wyhl am Kaiserstuhl. Im Zuge dieses Verfahrens wurde auch das Bundesverfassungsgericht mit dem Rechtsinstitut der materiellen Präklusion konfrontiert und hat es - zumindest in bezug auf das atomrechtliche Genehmigungsverfahren - als verfassungskonform eingestuft (Sasbach). 239 Die Fachgerichte sowie die herrschende Meinung im Schrifttum haben sich dieser Auffassung angeschlossen und halten die materielle Präklusion seitdem - meist unter pauschalem Verweis auf diese Entscheidung240 auch in anderen Verfahrenszusammenhängen für verfassungsrechtlich unbedenklich. Gleichwohl sind die Gegenstimmen in der Literatur nie gänzlich verstummt. 241 Neben den dort geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gibt insbesondere die Einbindung der materiellen Präklusion in neue Verfahrens- und Entscheidungsstrukturen, wie z. B. des Fachplanungs- oder Baurechts, Anlaß, die verfassungsrechtliche Legalität dieses Instituts erneut in den Blick zu nehmen.

237 Soweit ersichtlich wurde die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion erstmalig von Zuck (BB 1963, 671 ff.) in Frage gestellt. Gegenstand der Diskussion sind allerdings bis heute allein die prozessualen Konsequenzen dieses Instituts. Seine präklusivische Wirkung im Verwaltungsverfahren (sog. formelle Präklusionswirkung, siehe dazu die Ausf. unter Α. I.) ist dagegen nach allgemeiner Ansicht verfassungsrechtlich unbedenklich, vgl. nur Brandt, NVwZ 1997, 233 (237) m. w. N. 238 § 17 Abs. 2 S. 2 GewO a. F. wurde mit Inkraftreten des BImSchG am 1. 4. 1974 aufgehoben. An seiner Stelle steht heute § 10 Abs. 3 S. 3 BImSchG. 239 BVerfGE 61, 82 ff. In dieser Entscheidung bestätigte das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 AtAnlV (heute § 7 Abs. 1 S. 2 AtVfV) in der Auslegung, die diese Vorschrift durch das BVerwG (E 60, 297 ff. - Wyhl I) gefunden hatte. 240 Aus der Rspr. z. B. BVerwGE 66, 99 (106) zur Präklusionsregelung des § 17 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 WaStrG a. F.; VGH B-W, NVwZ 1998, 986 zu der materiellen Präklusion in § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW. In der Lit. ζ. Β. Allesch/ Ηäußler (Fn. 26), § 73 Rn. 108 zur Anordnung der materiellen Präklusion in § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG.

II. Prüfungsmaßstab

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II. Prüfungsmaßstab Über den verfassungsrechtlichen Maßstab der materiellen Präklusion konnte bislang keine Einigkeit erzielt werden. Die divergierenden Ansichten reichen von Art. 19 Abs. 4 G G 2 4 2 über Art. 103 Abs. 1 G G 2 4 3 bis hin zu den materiellen Grundrechten. 244 Voraussetzung für eine exakte Bestimmung des Prüfungsmaßstabs ist die rechtskonstruktive Einordnung der prozessualen Wirkung dieses Instituts. Auf der Grundlage der bisherigen Untersuchungen 245 kann an dieser Stelle festgehalten werden, daß der Einwendungsausschluß im Prozeß die Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte beschränkt, indem er es dem Kläger verbietet, sich zu präkludierten Umständen und Tatsachen zu äußern und das Gericht daran hindert, diese bei der Verhandlung und der sich anschließenden Entscheidung zu berücksichtigen.

1. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gewährleistet neben dem Zugang zum Gericht auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes. Dazu gehört die umfassende gerichtliche Kontrolle des angegriffenen Hoheitsaktes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sowie die richterliche Entscheidungsmacht, der behaupteten Rechtsverletzung abzuhelfen. 246 Die materielle Präklusion beschränkt diese Garantien. Im Fall einer „Voll-Präklusion" wird die mittels Anfechtungsklage angegriffene behördliche Entscheidung der richterlichen Kontrolle vollständig entzo241 pür verfassungswidrig halten die materielle Präklusion Zuck, BB 1963, 671; ders., DVB1. 1973, 646; Wolfrum, DÖV 1979, 497 (500 ff.); öle, BB 1979, 1009 (1011 f.); Papier, NJW 1980, 313 (318 ff.); ders., in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 14 Rn. 50 (Stand: 1994); de Witt, DVB1. 1980, 1006 (1008 f.); Erbguth, Rechtssystematische Fragen des Umweltrechts, 1987, S. 264 ff.; ders. (Fn. 127), S. 96; Beckmann (Fn. 202), S. 218 ff.; Class, VR 1990, 1 (4); zumindest in den Verfahren der verkehrsrechtlichen Planfeststellungen auch Jacoby, Die Beschleunigung von Verwaltungsverfahren und das Verfassungsrecht, 1996, S. 90. 242 Vgl. statt vieler Solveen (Fn. 26), S. 95. Ausschließlich an Art. 19 Abs. 4 GG messen die materielle Präklusion z. B. Zuck, BB 1963, 671 f.; Ipsen, DVB1. 1980, 146 (152 f.); Ule, BB 1979, 1009 (1011 ff.); Mutschier, ET 1980, 164 (170 ff.); Röhl/Ladenburger (Fn. 19), S. 48; Siegel, Verfahrensbeschleunigung in der Planfeststellung, 1997, S. 197 ff. 243 BVerwG, NVwZ 1984, 234; Knemeyer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VI, 1989, § 155 Rn. 60; Solveen (Fn. 26), S. 95. Ausdrücklich gegen Art. 103 Abs. 1 GG als Maßstabsnorm Metz (Fn. 46), S. 123; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 103 I Rn. 132 (Stand: November 1988); Röhl ! Ladenburger, ebd., S. 48 in Fn. 6. 244

BVerwGE 60, 297 (301, 305) - Wyhl I; Solveen (Fn. 26), S. 95; Streinz, VerwArch. 79 (1988), 272 (292); Jarass (Fn. 19) § 10 Rn. 92; dagegen Röhl ! Ladenburger, ebd., S. 48. 245 Siehe die Ausf. zu A. II. 24 6 St. Rspr. des BVerfG, vgl. nur Ε 61, 82 (110 f.) - Sasbach m. w. N.; Schmidt-Aßmann (Fn. 26), Art. 19IV Rn. 183; Papier, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VI, 1989, § 154 Rn. 59, 75; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 19 Rn. 47.

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gen. 247 Durch eine „Teil-Präklusion" verkürzt sich die Kontrollbefugnis auf die nicht präkludierten Umstände und Tatsachen und führt somit zu einer Einschränkung des Grundsatzes vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Die materiellen Präklusionsnormen greifen daher in den Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ein. Der dagegen vorgebrachte Einwand, durch den Einwendungsausschluß werde das subjektive Recht des Klägers und damit der Bezugspunkt des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG beseitigt, 248 beruht bereits auf einer unzutreffenden dogmatischen Prämisse, nämlich der Vorstellung, die materielle Präklusion wirke im Sinne eines Rechtsuntergangs.249 Abgesehen davon ist es zwar zutreffend, daß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG die Rechte, deren Schutz er bezweckt, nicht selbst begründet, sondern voraussetzt; 250 richtig ist weiterhin, daß grundsätzlich der einfache Gesetzgeber bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen subjektivöffentliche Rechte bestehen. Diese Gestaltungsfreiheit findet ihre Grenzen aber jedenfalls in den Grundrechten. 251 Deren Klagbarkeit stellt Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG generell sicher und entzieht sie damit dem uneingeschränkten Zugriff des einfachen Gesetzgebers. Andernfalls stände die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zu dessen völliger Disposition, da sich prinzipiell jede verfahrensrechtliche Beschränkung des Rechtsschutzes (wie z. B. die Anordnung einer Klagefrist) gesetzlich so formulieren ließe, daß sie zu einem Untergang des subjektiv-öffentlichen Rechts führen und damit nicht mehr in den Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG fallen würde. Diese Überlegungen sind gerade hinsichtlich der hier thematisierten Verfahren von Belang, weil ihre Raumbezogenheit und Umweltrelevanz regelmäßig geeignet ist, das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) und die Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), also grundrechtlich geschützte Rechte der Betroffenen, zu beeinträchtigen. Die materielle Präklusion muß sich daher selbst dann an Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG messen lassen, wenn man sie als Rechtsuntergang im obigen Sinne interpretiert.

247

Gemeint ist damit die Prüfung in der Sache. Im Sinne der Zugangsregelung des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO steht dem Betroffenen der Rechtsweg immerhin noch insoweit offen, als er das Verwaltungsgericht um die Prüfung der Frage ersuchen kann, ob die Einwendungsfrist tatsächlich versäumt worden ist resp. ob er in diese Frist unter Umständen wiedereingesetzt werden kann. 24 8 Schenke (Fn. 26), Art. 19 Abs. 4 Rn. 435; Berger (Fn. 26), S. 223, S. 226 f.; SchmidtAßmann (Fn. 26), Art. 19 IV Rn. 260 für den Fall, daß die Präklusion zum „Verlust des materiellen Abwehranspruchs" führt. 24 9 Zur dogmatischen Einordnung der prozessualen Wirkkraft der Präklusion siehe die Ausf. unter A. II. 2 50 BVerfGE 15, 275 (281); Ε 51, 176 (185); Ε 83, 182 (194 f.); Jarass (Fn. 246), Art. 19 IV Rn. 25. 2

51 BVerfGE 83, 182 (195).

II. Priifungsmaßstab

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2. Die materiellen Grundrechte Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich ein Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz und dessen Wirksamkeit neben Art. 19 Abs. 4 GG unmittelbar aus den materiellen Grundrechten. Dieser Gedanke - zunächst für die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG entwickelt - ist inzwischen auf andere Grundrechte, einschließlich Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG übertragen worden. 252 Da die materielle Präklusion neben Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG auch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG beeinträchtigen kann, kommen im vorliegenden Zusammenhang auch diese grundgesetzlichen Verbürgerungen (in ihrer verfahrensrechtlichen Dimension) als verfassungsrechtlicher Maßstab in Betracht.

3. Art. 103 Abs. 1 GG Der in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Anspruch auf gerichtliches Gehör ist dreistufig ausgestaltet: Er umfaßt ein Recht auf Information, ein Recht auf Äußerung und ein Recht auf Berücksichtigung. 253 Geschützt werden neben Rechtsausführungen auch Stellungnahmen zum Sachverhalt, insbesondere also der Vortrag von Tatsachen.254 Die materielle Präklusion beschränkt dieses Recht auf (Tatsachen-)Äußerung bzw. schließt es völlig aus, da ihre prozessuale Wirkkraft den Kläger daran hindert, zu Umständen Stellung zu nehmen, die er im Verwaltungsverfahren nicht oder nicht rechtzeitig vorgetragen hat. Daneben steuert sie das Verhalten des Richters, indem sie ihm verbietet, im Prozeß vorgetragene, aber präkludierte Umstände zu berücksichtigen. Die materielle Präklusion beschränkt daher sowohl das Recht auf Äußerung als auch das Recht auf Berücksichtigung und greift somit in den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG ein. Gegen diese Argumentation wird eingewendet, daß Art. 103 Abs. 1 GG nicht verbiete, den Sachvortrag eines Betroffenen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Daher komme der Anspruch auf gerichtliches Gehör als verfassungsrechtlicher Maßstab der materiellen Präklusion nicht in Betracht. 255 Diese Ansicht verdient zumindest insoweit Zustimmung, als es sich bei Art. 103 Abs. 1 GG um ein stark normgeprägtes Grundrecht handelt, dessen detailgenaue Ausgestaltung dem einfachen Gesetzgeber obliegt. 256 Das bedeutet aber nicht, daß diese Gewährleistung über keinen 252

Dazu ausführlich Papier (Fn. 246), § 154 Rn. 14 mit zahlreichen Nachw. aus der Rspr. des BVerfG. 2 53 Knemeyer (Fn. 243), § 155 Rn. 28; Schmidt-Aßmann (Fn. 243), Art. 103 Rn. 69 ff. mit Nachw. aus der Rspr. des BVerfG. 2 54 Schmidt-Aßmann, ebd., Art. 103 Rn. 66. 2 55 So z. B. Metz (Fn. 46), S. 123. 2 56 St. Rspr. des BVerfG seit Ε 9, 89 (95 f.); Pieroth/Schlink, Staatsrecht II / Grundrechte, 15. Aufl. 1999, S. 274 Rn. 1075.

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eigenständigen verfassungsrechtlichen Gehalt verfügt. Es ist vielmehr allgemein anerkannt, daß die wesentlichen inhaltlichen Strukturen des Art. 103 Abs. 1 GG bereits auf Verfassungsebene garantiert werden. 257 Daher kommt es zu einem Eingriff in den Schutzbereich, wenn Vorschriften des einfachen Rechts diesen Anspruch ausschließen oder sonst enger ziehen, als es seinem Kerngehalt entspricht. 258 Da die materielle Präklusion geeignet ist, das Recht auf gerichtliches Gehör auszuschließen oder doch weitgehend zu beschränken, muß sie sich auch an dieser Verfassungsgarantie messen lassen.

4. Konkurrenzen Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die materielle Präklusion die Schutzbereiche der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG jeweils in ihrer verfahrensrechtlichen Dimension - sowie die prozessualen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG verkürzt. Damit stellt sich die Frage nach dem Binnenverhältnis resp. der Konkurrenz dieser Verbürgerungen. Da bei einer abstrakten Betrachtung kein Verhältnis der Spezialität erkennbar wird, sind die Spezifrka der genannten Garantien in bezug auf die konkrete, das heißt hier thematisierte Konstellation herauszuarbeiten. Das Bundesverfassungsgericht stellt insoweit darauf ab, welches der in Betracht kommenden Rechte nach seinem Sinngehalt die stärkste sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverhalt aufweist. 259 Zeigt sich auch bei einer konkreten Betrachtung keine Spezialität, kommen die betroffenen Vorschriften gleichrangig zur Geltung. 260

a) Verhältnis von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zu den materiellen Grundrechten Das Verhältnis der grundrechtsunmittelbaren Rechtsschutzansprüche zu Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ist noch nicht abschließend geklärt. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fehlt es insoweit an der nötigen Trennschärfe. Auf der einen Seite scheint das Bundesverfassungsgericht von einem arbeitsteiligen Verhältnis auszugehen, innerhalb dessen Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG den Zugang zu Gericht gewährleistet, während die materiellen Grundrechte die wirksame Gestaltung dieses Verfahrens sichern. 261 Auf der anderen Seite hat es immer wieder betont, daß 257 Schmidt-Aßmann (Fn. 243), Art. 103 Rn. 20; ders. (Fn. 49), Einl Rn. 45; Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 5. Aufl. 2000, Art. 103 Rn. 9; vgl. auch BVerfGE 54, 117 (123 f.); Ε 55, 72 (94). 258 Schmidt-Aßmann, ebd., Einl Rn. 45. 2 59 BVerfGE 64, 229 (238 f.); Ε 67, 186 (195) m. w. Ν. 2 6ο Vgl. nur Pieroth / Schlink (Fn. 256), S. 77 Rn. 343. 2 6i So z.B. BVerfGE 49, 252(257).

II. Prüfungsmaßstab

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Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht nur die Eröffnung des Rechtswegs garantiert, sondern auch die Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle. 262 Zumindest beim gerichtlichen Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Exekutive überschneiden sich somit beide Gewährleistungsbereiche. Für die Annahme grundrechtsunmittelbarer Rechtsschutzansprüche besteht daher zumindest in diesem Bereich kein Bedürfnis mehr. 263 Damit ist allerdings noch keine Aussage über das Verhältnis von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zu den grundrechtsunmittelbaren Rechtsschutzansprüchen im administrativen Verfahren getroffen. Die Differenzierung zwischen administrativem und gerichtlichem Verfahren ist erforderlich, um einer Eigenheit der materiellen Präklusion Rechnung zu tragen. Es handelt sich dabei um den Umstand, daß diese ihre „materielle" Wirkung zwar ausschließlich im Verwaltungsprozeß entfaltet, ihre nähere Ausgestaltung, insbesondere die Regelung ihrer Voraussetzungen, aber durch das Verwaltungsverfahrensrecht erfährt. Gegenstand dieses Kapitels ist allein die verfassungsrechtliche Legitimation der prozessualen Wirkung dieses Instituts, also die Frage, ob es prinzipiell zulässig ist, einen Vorhabengegner, der seine Einwendungen im Verwaltungsverfahren nicht rechtzeitig vorgetragen hat, diesbezüglich auch für den Verwaltungsprozeß zu sperren. Thematisiert wird also allein die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Ob eines solchen Einwendungsausschlusses 2 6 4 Für den Bereich des gerichtlichen Verfahrens ist aber Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG die zentrale Gerichtsschutzgarantie und verdrängt die unmittelbar aus den materiellen Grundrechten folgenden Rechtsschutzansprüche.

b) Verhältnis des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zu Art. 103 Abs. 1 GG Auch das Verhältnis von Art. 19 Abs. 4 GG zu Art. 103 Abs. 1 GG ist mit Blick auf die materielle Präklusion nicht ganz unproblematisch. Zu kurz greift jedenfalls der Ansatz, der eine Betroffenheit des Art. 103 Abs. 1 GG durch die materielle Präklusion mit der Begründung verneint, dieser garantiere nur Rechtsschutz in einem anhängigen Verfahren, die materielle Präklusion würde aber bereits den Zugang zu Gericht ausschließen und damit einen Schritt vor der Gehörsgewährung und dem Geltungsbereich des Art. 103 Abs. 1 GG wirken. 265 Selbst wenn man die dieser 262 Siehe nur BVerfGE 61, 82 (110 f.) - Sasbach. In der gerichtlichen Praxis ist die materielle Präklusion dann auch häufig an beiden Kriterien gemessen worden, siehe z. B. BVerwG, NVwZ 1997, 171 (172); BVerwG, NVwZ 1997, 489. 2 63 Papier (Fn. 246), § 154 Rn. 15; ders. (Fn. 241), Art. 14 Rn. 46; Schmidt-Aßmann (Fn. 26), Art. 19 IV Rn. 23; vgl. auch Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, 5. Aufl. 2000, Vorb. vor Art. 1 Rn. 13. 2 64 Zu der Frage des Wie, also der konkreten Ausgestaltung der materiellen Präklusion, siehe die Ausf. unter D. 2 65 Mauder (Fn. 26), S. 29 f.; Milger (Fn. 44), S. 128; Schmidt-Aßmann (Fn. 243), Art. 103 Rn. 7; in diesem Sinne differenzieren auch Pieroth/Schlink (Fn. 256), S. 275 f. Rn. 1180 m. w. N. (allerdings ohne eine konkrete Aussage zur materiellen Präklusion zu treffen).

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Auffassung zugrunde liegende Differenzierung zwischen den Gewährleistungsgehalten des Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG für zutreffend hält, ist sie nicht geeignet, die prozessuale Wirkung der materiellen Präklusion exakt zu erfassen. Sie suggeriert lediglich eine realiter nicht existierende Trennschärfe. Dies läßt sich an den als „Teil-Präklusion" beschriebenen Konstellationen verdeutlichen. So ist es beispielsweise denkbar und in praxi auch nicht ungewöhnlich, daß der Kläger lediglich mit einer einzelnen Einwendung ausgeschlossen ist. In diesen Fällen ist das jeweilige, der Klage zugrunde liegende subjektive Recht aber noch Grundlage des Abwehranspruchs, soweit die übrigen hierzu (rechtzeitig) erhobenen Einwendungen dies tragen. In solchen Konstellationen entfaltet die materielle Präklusion ihre Wirkung aber gerade innerhalb eines Prozesses. Das Gericht prüft im Rahmen der Begründetheit der (zulässigen) Klage, inwieweit die angegriffene Vorhabenzulassung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist (§113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Mit der Feststellung einer wehrfähigen Position im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO ist aber noch nicht geklärt, auf welche Rechtswidrigkeitsgründe sich der Kläger berufen kann. Allein die Existenz eines subjektiv-öffentlichen Rechts besagt nämlich noch nichts über die Reichweite der gerichtlichen Kontrolle. An dieser Stelle setzt nach der hier entwickelten Konzeption im Fall einer „Teil-Präklusion" die materielle Ausschlußwirkung an. Der Kläger darf sich nur zu solchen, die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung begründenden Umständen äußern, die er bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat. Hält er sich nicht daran, darf das Gericht sein diesbezügliches Vorbringen nicht berücksichtigen. Im Fall einer „Teil-Präklusion" geht es also nicht um die Frage, ob der Kläger überhaupt Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz erhält, sondern um dessen Reichweite. Die in dieser Konstellation durch die Präklusionswirkung herbeigeführte Beschränkung des Außerungs- und Berücksichtigungsrechts betrifft aber unmittelbar den Garantiebereich des Art. 103 Abs. 1 GG. Davon abgesehen liefert die von der eingangs dargestellten Auffassung propagierte Trennungstheorie in bezug auf die materielle Präklusion schon unter formalen Aspekten kein brauchbares Ergebnis. Denn selbst die Klage einer Person, die überhaupt keine Einwendungen erhoben hat (Fall der „Voll-Präklusion"), wird mit Einreichung der Klageschrift bei Gericht an- bzw. rechtshängig. 266 Dies wird selbst von denen, die in der materiellen Präklusion ausschließlich eine Frage der Zulässigkeit der Klage sehen,267 nicht bestritten. Diese qualifizieren die Präklusion nämlich nicht als (echte) Prozeßvoraussetzung, die das Zustandekommen eines Prozeßrechtsverhältnisses und damit den Eintritt der Rechtshängigkeit verhindert, sondern als Problem der Klagebefugnis. Ebenfalls gegen Art. 103 Abs. 1 GG als Maßstabsnorm der materiellen Präklusion Röhl! Ladenburger (Fn. 19), S. 48 in Fn. 6. 266 Anders als im Zivilprozeß fallen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit im Verwaltungsprozeß zusammen, weil die VwGO im Gegensatz zur ZPO (vgl. §§261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO) nur auf den Zugang der Klageschrift bei Gericht abstellt. Siehe die Nachw. in Fn. 57 f.

III. Verfassungsrechtliche Legitimation

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Daher bilden sowohl Art. 19 Abs. 4 GG als auch Art. 103 Abs. 1 GG (in Idealkonkurrenz) den verfassungsrechtlichen Maßstab der materiellen Präklusion.

5. Ergebnis Die Regeln der materiellen Präklusion stellen einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Schutzbereiche der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG dar. Diese Gewährleistungen stehen unter keinem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt. Schranken können jedoch normiert werden, wenn mindestens gleichrangige Güter von Verfassungsrang dies im Kollisionsfall gebieten.268

I I I . Verfassungsrechtliche Legitimation 1. Ausgangslage Lassen sich Wirkungsweise, Eingriffsqualität und damit auch der verfassungsrechtliche Maßstab der materiellen Präklusion noch einheitlich bestimmen, ist bei der Prüfung ihrer verfassungsrechtlichen Legitimation zu berücksichtigen, daß dieses Institut heute in den unterschiedlichsten Verfahrenszusammenhängen zum Einsatz kommt. Das hat zur Folge, daß ein Rechtfertigungsgrund, der die Anordnung der materiellen Präklusion in einem Verfahren trägt, seine legitimierende Kraft nicht zwangsläufig auch in einem anderen Verfahren entfaltet. Das klassische und auch heute noch zentrale Einsatzgebiet der materiellen Präklusionsnormen liegt im Bereich der Zulassung umweltrelevanter Großvorhaben. Diese auch als komplexe Verwaltungs- 269 bzw. (echte) 270 Massen verfahren 271 bezeichneten Vorgänge lassen sich aufgrund ihrer besonderen Struktur von anderen 268 Allgemein Jarass (Fn. 263), Vorb. vor Art. 1 Rn. 45 ff. 269 Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 (222 ff.); Steinberg, DÖV 1982, 619. 270 In Abgrenzung zu Verfahren, in denen gegenüber einer größeren Anzahl von Personen viele gleichartige oder ähnliche Verwaltungsakte in einer Vielzahl gleicher oder gleichgelagerter Verwaltungsverfahren erlassen werden sollen (z. B. im Abgabenrecht), siehe Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 17 Rn. 6; Meissner, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner (Hrsg.), VwGO, 1996, § 56 a Rn. 6. 271 Diese Terminologie verwenden z. B. BVerfGE 61, 82 (114) - Sasbach; Kiihling, Fachplanungsrecht, 1988, Rn. 323; Ule /Laubinger (Fn. 14), § 45 (S. 441 ff.); Clausen, in: Knack (Hrsg.), VwVfG, 6. Aufl. 1998, § 17 Rn. 2; Bonk (Fn. 270), § 17 Rn. 6; Meissner (Fn. 270), § 56 a Rn. 6 jeweils m. w. N. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff zwar weder im VwVfG noch in der VwGO; als empirisches Phänomen beschäftigen ihn Massen verfahren allerdings schon längere Zeit, wie die mittlerweile zahlreichen Sonderregelungen für diese Verfahrensproblematik beweisen (z. B. §§ 17 Abs. 1 S. 1, 18 Abs. 1 S. 1 VwVfG; § 56 a Abs. 1 S. 1 VwGO). Kritisch zu diesem Begriff Erichsen, DVB1. 1978, 569 (574 - in Fn. 61).

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Verfahrenstypen unterscheiden. Dabei sind an erster Stelle die Vielzahl der betroffenen Interessen sowie die hohe Komplexität des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts zu nennen. 272 Diese Charakteristika bedingen als weitere Eigenheit die erhebliche Dauer dieser Verfahren 273 und damit verbunden ein gesteigertes Planungs- und Investitionsrisiko auf Seiten des Vorhabenträgers sowie einen erheblichen Aufwand an sachlichen und personellen Mitteln auf Seiten der Verwaltung. In normativer Hinsicht tritt schließlich als drittes Strukturmerkmal die sich in administrativen Beurteilungs-, Definitions- und Ermessenspielräumen ausdrückende Offenheit des materiell-rechtlichen Entscheidungsprogramms hinzu, mit der eine reduzierte gerichtliche Kontrolldichte korrespondiert. 274 Im Wege einer generalisierenden bzw. abstrakten - sich an diesen Strukturmerkmalen orientierenden - Betrachtungsweise sollen zunächst mögliche Grundlinien einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der materiellen Präklusion herausgearbeitet werden (2.). Anschließend wird untersucht, ob die legitimierende Kraft dieser Rechtfertigungstatbestände ausreicht, um auch die konkrete Präklusionsnorm in ihrem speziellen Verfahrenszusammenhang zu erfassen (3.).

2. Grundlinien verfassungsrechtlicher Legitimation a) Grundrechte des Projektträgers Infrastrukturverantwortung

und staatliche

Auf die Zulassungsverfahren des Umwelt- und Planungsrechts wirken eine Vielzahl gegenläufiger Interessen ein. Konzentriert man den Blick allein auf die rechtlich geschützten,275so fällt auf, daß sie regelmäßig im Verfassungsrecht wurzeln bzw. sich auf dieses zurückführen lassen. Den Nachbarn 276 droht durch das geplante Vorhaben eine Beeinträchtigung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Ihre Gesundheit wird beispielweise durch Lärm- oder Schadstoffimmissionen gefährdet. Immissionen können aber auch die Nutzbarkeit von Immobilien einschränken und so zu erheblichen Wertverlusten führen. Im Recht der Planfeststellung wird Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zudem regelmäßig wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses 277 betrof272 Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 (224); Steinberg, DÖV 1982, 619; vgl. auch Bonk, ebd., § 17 Rn. 2; Clausen, ebd., § 17 Rn. 2.1. 273 Vgl. nur Clausen, ebd., § 17 Rn. 2. 274 Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 (226); Steinberg, DÖV 1982, 619 m. w. N. 275 Nur diese sind im Zusammenhang mit der prozessualen Wirkung der materiellen Präklusion relevant, da es dem nur in seinen sonstigen Interessen betroffenen Kläger bereits an der Klagebefugnis fehlt. 276 Zum Nachbarbegriff im Umweltrecht Kloepfer (Fn. 61), § 8 Rn. 24 ff. m. w. N. 277 Vgl. etwa § 19 FStrG; § 22 AEG; § 44 WaStrG.

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fen sein. Der Staat ist verpflichtet, diesen Grundrechten reale Geltung zu verschaffen. Dazu gehört auch der Schutz vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter, also z. B. eines privaten Vorhabenträgers. 278 Für den Projektträger und künftigen Betreiber ist das Zulassungsverfahren hingegen notwendige Voraussetzung, um über Errichtung und Betrieb des Vorhabens seine verfassungsrechtlich geschützten Positionen aus Art. 12 Abs. 1 G G 2 7 9 und Art. 14 Abs. 1 S. 1 G G 2 8 0 ausüben zu können. Für ihn streiten die Grundrechte daher in ihrer Abwehrfunktion. In solchen Konstellationen hilft die aus dem Verwaltungsrecht der zweipoligen Rechtsverhältnisse vertraute Regel in dubio pro cive nicht weiter, da fraglich ist, zugunsten welcher der in Konkurrenz stehenden Bürger sie überhaupt eingreifen soll. 281 Es besteht vielmehr das Bedürfnis, die gegenläufigen Grundrechtspositionen im Wege „praktischer Konkordanz" (Hesse) angemessen zur Geltung zu bringen. 282 Grundrechtsschutz muß sich in den polygonalen Verwaltungsrechtsverhältnissen des Umweltrechts also nicht zwangsläufig in der einseitigen Stärkung der Nachbarrechte zu Lasten der ebenfalls (grund-)rechtlich geschützten Belange des Vorhabenträgers realisieren. Oder anders ausgedrückt: Der Anspruch der Nachbarn auf wirksamen Rechtsschutz kann sich nicht einseitig in Richtung größtmöglicher (Rechtsschutz-) Effektivität verdichten, weil ein „Mehr" an Rechtsschutz für die Nachbarn zu einem „Weniger" an Rechtsschutz für den Projektträger führt. 283 Neben individuellen Verfassungsgütern wirken auch solche der Allgemeinheit auf die hier thematisierten Verfahren ein. Zu nennen sind insbesondere die staatliche Verantwortung für einen ausreichenden Bestand an infrastruktureller Grundversorgung sowie für den Schutz der Umwelt. Auch diese verfassungsrechtlichen 284 Zielvorgaben kon-

278 Zur Schutzpflicht des Staates, vgl. BVerfGE 39, 1 (42 f.) - Fristenlösung; Ε 46, 160 (164) - Schleyer; Ε 49, 89 (142) - Kalkar; Ε 53, 30 (57) - Mülheim-Kärlich. Dies gilt nicht nur für Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, sondern auch für die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG, Jarass, AöR 110 (1985), 363 (371). 279 Art. 12 GG ist das Hauptgrundrecht für die wirtschaftliche Betätigung. Geschützt werden insbesondere die eigenverantwortliche unternehmerische Entscheidung über den Einsatz von Investitionen sowie den Gegenstand der Produktion. Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 124 (Stand: September 1981) m. w. N.; Breuer, in: Isensee/Kirchof (Hrsg.), HStR, Bd. VI, 1989, § 147 Rn. 63. 280 Art. 14 Abs. 1 GG schützt V e r m ö g e n s w e r t e Positionen, wie ζ . B. das Grundeigentum, das zur Realisierung der hier thematisierten Anlagen eingesetzt werden soll.

281 Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), S. 221 (226); ders. (Fn. 49), Einl Rn. 193. 282 BVerfGE 53, 30 (58 f.) - Mülheim-Kärlich; Papier (Fn. 246), § 154 Rn. 8. 283 Vgl. Schmidt-Aßmann (Fn. 26), Art. 19 IV Rn. 22. 284 Als verfassungsrechtlicher Sitz staatlicher Infrastrukturverantwortung wird traditionell das Sozialstaatsprinzip genannt (Herzog, in: Maunz/Dürig, Hrsg., GG, Art. 20 VIII Rn. 12 f., Stand: September 1980; Steinberg, DÖV 1982, 619, 621; Bauer, VVDStRL 54, 1995, S. 243, 269 m. w. N.). Die verfassungsrechtliche Dimension dieser Verantwortung spiegelt sich zudem in der Normierung einer Reihe infrastruktureller Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen im Grundgesetz wieder. Ausführlich zur Verankerung der Infrastrukturverantwortung im Grundgesetz Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998, S. 353 ff. Die Verpflichtung des Staates zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist in Art. 20 a GG normiert.

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fligieren, da die Bereitstellung und Nutzung von Infrastruktur typischerweise mit erheblichen Belastungen der Umwelt verbunden ist. Die zuständigen staatlichen Organe haben in diesen komplexen Konstellationen die Aufgabe, die gegenläufigen Interessen und Zielvorgaben auszubalancieren und in ein Verhältnis ausgewogenen Rechtsschutzes zu bringen. Dabei verfügen sie über einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum. 285 Das Instrument der materiellen Präklusion dient diesem Interessenausgleich. Der Vorhabenträger sieht sich bei Massenverfahren zunächst einer oft unüberschaubaren Vielzahl Drittbetroffener gegenüber, von deren Seite mit Gegenwehr gegen die geplante Anlage zu rechnen ist. Dieser besonderen Situation entspringt ein schutzwürdiges Interesse des Projektträgers, mit diesem Kritikpotential möglichst frühzeitig konfrontiert zu werden, also nicht erst dann, wenn das Vorhaben mit Erteilung der administrativen Zulassung bereits verbindlich konkretisiert wurde. Wegen der Präklusionswirkung kann der Vorhabenträger schon im Verwaltungsverfahren abschätzen, ob, von welcher Seite und mit welchem Inhalt sein Vorhaben angegriffen wird. Dies eröffnet ihm die Möglichkeit frühzeitiger Reaktion und damit die Chance, sein durch die Vielzahl Drittbetroffener gestiegenes Investitionsrisiko zu reduzieren. 286 Dem wird entgegengehalten, daß der Einsatz materieller Präklusionsnormen das Planungs- und Investitionsrisiko des Vorhabenträgers nicht entscheidend verringere. Insbesondere würden immer noch zahlreiche Projektgegner ihre Einwendungen rechtzeitig vortragen und sich damit ihr Klagerecht erhalten; zudem werde die Präklusionswirkung durch eine Vielzahl von Kautelen begrenzt. 287 Diese Kritik verkennt die Ausgleichsfunktion der materiellen Präklusion. Ziel dieses Instituts ist gerade nicht die absolute, sondern nur eine relative - eben angemessene - Reduktion des Investitionsrisikos. Die materielle Präklusion ist ein Instrument des Interessenausgleichs und nicht der einseitigen Stärkung des Vorhabenträgers zu Lasten der Drittbetroffenen und der Allgemeinheit (Art. 20 a GG). Genau daraus resultieren aber ihre Grenzen. 288 Zu widersprechen ist auch der jüngst im Schrifttum geäußerten Ansicht, wonach mangels Schutzbedürftigkeit des Vorhabenträgers bereits die Notwendigkeit eines Ausgleichs mit den Interessen der Antragsgegner entfalle. 289 Zur Begründung wird vorgetragen, die wirtschaftliche Überlegenheit des Projektträgers verschaffe ihm einen so erheblichen Vorteil, daß die Bemühungen des Drittbetroffenen, gegen die 285 BVerfGE 39, 1 (44) - Fristenlösung; Ε 46, 160 (164) - Schleyer; Ε 56, 54 (80 f.) Fluglärm; Ε 79, 174 (202). 286 Als Instrument eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Rechtspositionen des Vorhabenträgers einerseits und der Nachbarn andererseits begreifen die materielle Präklusion auch Mutschler, ET 1980, 164 (172); Degenhart (Fn. 44), 621 (629); Röhl ! Ladenburger (Fn. 19), S. 54; Allesch /Häußler (Fn. 26), § 73 Rn. 109. 287 So Beckmann (Fn. 202), S. 220 f.; ähnlich, wenn auch unter anderem Blickwinkel, Steinbeiß-Winkelmann, DVB1. 1998, 809 (816). 288 Dazu ausführlich D. 289 Solveen (Fn. 26), S. 71 f.

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Errichtung einer Anlage vorzugehen, „an den Kampf zwischen David und Goliath" erinnere, mit dem Unterschied, daß regelmäßig Goliath obsiege. Davon abgesehen seien die Rechtsberatungs- und Sachverständigenkosten für den Vorhabenträger im Gegensatz zum Antragsgegner nur von untergeordneter Bedeutung bzw. von vornherein einkalkuliert. 290 Selbst wenn man die überlegene Finanzkraft des Projektträgers unterstellt, 291 verkennt diese Ansicht, daß die materielle Präklusion nicht darauf zielt, die Rechtsberatungs- und Sachverständigenkosten für den Antragsteller zu senken, sondern ihn in die Lage zu versetzen, die Realisierbarkeit des Vorhabens - und zwar nicht nur hinsichtlich des Wie, sondern auch des Ob - möglichst frühzeitig abschätzen zu können und sein weiteres Investirions verhalten danach zu richten. Es geht also in erster Linie nicht um eine Reduzierung der finanziellen Reservemittel für einen zu erwartenden Rechtsstreit, sondern um eine Verringerung des Realisationsrisikos, das heißt der Unsicherheit, ob das Projekt an dem geplanten Standort überhaupt durchführbar ist bzw. welche Korrektur- oder Anpassungsentscheidungen dazu noch erforderlich sein werden. Dieses - durch die Vielzahl der Vorhabengegner erhöhte - Risiko wird durch die materielle Präklusion zu einem Teil auf eben diesen Personenkreis zurückübertragen: Erheben die Projektgegner ihre Einwendungen nicht fristgerecht, können sie das Vorhaben nicht mehr stoppen. Rechtzeitig vorgetragene Einwendungen verbreitern hingegen nicht nur die Informationsbasis der Behörde, sondern auch die des Vorhabenträgers und ermöglichen so eine genauere Risikokalkulation. Angesichts von Investitionsvolumina von oft mehreren Milliarden D-Mark 2 9 2 kann die so erzielte Steigerung der Planungssicherheit für den Projektträger von existentieller Bedeutung sein. Auch die Metapher von David und Goliath ist in diesem Zusammenhang verfehlt. Die erhöhte Schutzbedürftigkeit des Vorhabenträgers bei Massenverfahren resultiert ja gerade aus der großen Zahl der Projektgegner. Um im Bild zu bleiben: Der Vörha290 Solveen, ebd., S. 72. 291 Bereits diese Prämisse ist angreifbar. Bei den Projektgegnern handelt es sich nämlich regelmäßig nicht um isoliert agierende Privatpersonen, sondern um Bürgerinitiativen (die dann gezielt einzelne Kläger unterstützen), kommunale Gebietskörperschaften und Naturschutzverbände. Zur Verhinderung der geplanten Erweiterung des Frankfurter Flughafens haben sich - obwohl das eigentliche Zulassungsverfahren noch gar nicht begonnen hat - bereits 42 Bürgerinitiativen organisiert (siehe FAZ vom 1. Februar 2000, Nr. 28, S. 2). Umweltrelevante Großvorhaben kollidieren zudem häufig mit den Interessen und Plänen der Gemeinden, z. B. indem sie Flächen beanspruchen, die die Gemeinde für andere Zwecke nutzen oder einfach freihalten wollte. Als Beispiel für einen solchen Konflikt kann hier die Auseinandersetzung um den Flughafen München II dienen. Dieser hat große Teile des Gebiets kleinerer Gemeinden in Anspruch genommen, ohne ihnen irgendwelche strukturellen Vorteile zu bieten. Alle unmittelbar betroffenen Gemeinden haben - neben Tausenden von privaten Einwendern - versucht, die Flughafenplanung gerichtlich zu stoppen. Beispiel bei Kühling (Fn. 271), Rn. 458. Ausführlich zur Klagemöglichkeit der Gemeinden Wahl/Schütz (Fn. 57), § 42 II Rn. 269 ff. Dort finden sich in Rn. 236 f. auch Ausführungen zu der in den meisten Bundesländern vorgesehenen Möglichkeit einer naturschutzrechtlichen Verbandsklage. 292 Siehe dazu die Beispiele bei Wagner, ZRP 1982, 103. 6 Oexle

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benträger muß sich eben nicht nur gegen einen, sondern gegen eine Vielzahl von Gegnern zu Wehr setzen. Diese stehen zudem nicht unverbunden nebeneinander, sondern organisieren ihren Widerstand häufig in Bürgerinitiativen, Aktions- und Notgemeinschaften. 293 Zusammenfassend läßt sich damit festhalten, daß eine Rechtfertigungslinie der materiellen Präklusion auf der Notwendigkeit eines angemessenen Interessenausgleichs in polygonalen Verwaltungsrechtsverhältnissen basiert.

b) Gewaltenteilung Ein weiterer Rechtfertigungstatbestand folgt aus dem in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG wurzelnden 294 Grundsatz der Gewaltenteilung. Den verschiedenen Erfordernissen staatlicher Aufgabenbewältigung entsprechend unterscheidet die Verfassung zwischen den Grundtypen Legislative, Exekutive und Judikative. Gefordert wird jedoch keine absolute Trennung, sondern die gegenseitige Kontrolle, Mäßigung und Hemmung dieser Gewalten. 295 Dabei darf die in der Verfassung vorgesehene Aufgabenverteilung aber nicht unterlaufen werden: Keine Gewalt darf in den zentralen Gestaltungs- und Verantwortungsbereich einer anderen Gewalt einbrechen; 296 es muß stets gewährleistet bleiben, daß staatliche Entscheidungen von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. 297 Die Entscheidung über die Zulassung umweltrelevanter Großvorhaben obliegt als vielschichtiger, auf die Zukunft gerichteter und in besonderem Maße der Interessenzuordnung dienender Prozeß grundsätzlich der Exekutive. 298 Aufgabe der Gerichte ist es dagegen, die behördliche Entscheidung nachträglich auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dieser Ablauf wird durchbrochen, wenn Einwendungen erst im ge293 Beispielhaft sei hier an die 42 Bürgerinitiativen erinnert, die sich bereits vor Beginn des eigentlichen Zulassungsverfahrens formiert haben, um den geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens zu verhindern (vgl. den Nachw. in Fn. 291). Eindringlich auch Blümel, in: FS Weber, 1974, S. 539 (540 ff.) mit zahlreichen Beispielen aus der Praxis. Im Zuge der Kampagne gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf publizierten Anlagengegner in der SZ vom 2./3./4. April 1988, Nr. 77, S. 9 als Anzeige sogar einen Einwendungsvordruck zum Ausschneiden. In der Praxis ist es längst üblich, sog. Sammeleinwendungen zu erheben. Diese werden von dazu eigens beauftragten Sachverständigen verfaßt und dann in angehängten Listen von beliebig vielen Einwendern unterschrieben, dazu Roßnagel (Fn. 199), § 10 Rn. 363. 294 Jarass, in ders. / Pieroth, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 20 Rn. 23 m. w. N. 295 BVerfGE 9, 268 (279) - st. Rspr.; zuletzt Ε 95, 1 (15) - Südumfahrung Stendal; Hesse, Verfassungsrecht, 20. Aufl. 1995, Rn. 476. 296 Vgl. BVerfGE 9, 268 (280); Ε 68, 1 (87); Schmidt-Aßmann, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. I, 1987, § 24 Rn. 56. 297 BVerfGE 68, 1 (86); vgl. auch Ε 95, 1 (17) - Südumfahrung Stendal. 298 Siehe nur BVerfGE 95, 1 (17) - Südumfahrung Stendal.

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richtlichen Verfahren vorgetragen und geklärt werden, obwohl dies bereits im Verwaltungsverfahren möglich gewesen wäre. 299 Die eigentliche Konfliktbewältigung verlagert sich dann von der Exekutive auf die dafür nicht vorgesehene Judikative, das heißt hier in den Verwaltungsprozeß. Diese Tendenz kann die Behörde im Wege eigener Amtsermittlung nur bedingt kompensieren, da die administrativen Aufklärungskapazitäten bei Massenverfahren an ihre Grenzen stoßen. Die Behörde ist daher zur vollständigen Sachverhaltsermittlung auf die Mitwirkung der Beteiligten angewiesen.300 Die materielle Präklusion sichert diese Mitwirkung und dient damit der Wahrung der Prüfungsabfolge zwischen zweiter und dritter Gewalt. Neben Trennung, Hemmung und Kontrolle zielt der Grundsatz der Gewaltenteilung aber auch auf ein funktionales Zusammenwirken von Legislative, Exekutive und Judikative. 301 Die typischen Handlungsformen und Arbeitsweisen staatlicher Funktionsträger sind danach nicht ausschließlich als getrennte Erscheinungen, sondern auch in ihrer Wechselwirkung zu betrachten. Bei diesem Verständnis des Gewaltenteilungsprinzips wird eine weitere Rechtfertigungslinie erkennbar: Als wesentliches Strukturmerkmal der hier thematisierten Verwaltungsverfahren wurde neben ihrer Komplexität die geringe materiell-rechtliche Steuerungsdichte genannt. Die Verwaltung operiert bei der Zulassung umweltrelevanter Großvorhaben im Feld schwacher gesetzlicher Programmierung. Durch die Schaffung von Beurteilungs-, Abwägungs- und Ermessensspielräumen hat der Gesetzgeber die Lösung einer Reihe von Konflikten letztverbindlich der Exekutive zugewiesen. Die Gerichte sind dementsprechend nicht befugt, die so gefundenen Ergebnisse der Behörde durch eine auf eigener Sachverhaltsaufklärung beruhende selbständige Entscheidung zu ersetzen. 302 Anders als in den Fällen vollständiger gerichtlicher Kontrolle, in denen der Richter nicht nur umfassend prüft, sondern gegebenenfalls - nach eigener Aufklärung und Ermittlung des Sachverhalts - auch voll durchentscheidet, können administrative Defizite daher nicht mehr im Verwaltungsprozeß ausgeglichen werden. Dadurch wird die Bedeutung der Exekutiventscheidung und damit korrespondierend die Notwendigkeit eines bereits im Verwaltungsverfahren möglichst vollständig aufgeklärten Sachverhalts als Entscheidungsgrundlage gesteigert. 303 Jedenfalls bei Massenver-

299 BVerfGE 61, 82 (114 f.) - Sasbach. 300 Siehe dazu Β. VII. 2. b) aa) (1). 301 Schmidt-Aßmann (Fn. 49), Einl Rn. 56; Hesse (Fn. 295), Rn. 482; vgl. auch Jarass (Fn. 294), Art. 20 Rn. 23. 302 Bezüglich des von der Behörde zugrunde gelegten Sachverhalts trifft das Gericht nur eine „Nachermittlungspflicht", Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, Bd. II, 1996, § 114 Rn. 8; Hufen (Fn. 33, S. 241); siehe auch Wahl, NVwZ 1991, 409 (414 f.); BVerwGE 78, 177 (180 f.); OVG NW, NWVB1. 1991, 193 (194). 303 BVerwG, NVwZ 1997, 489 (490) m. w. N.; Röhl/Ladenburger (Fn. 19), S. 53; vgl. auch Schmidt-Aßmann (Fn. 49), Einl Rn. 198. Das Verwaltungsverfahren kann das gerichtliche Verfahren zwar nicht ersetzen, es aber durch seine andersartigen Rechtsschutzmöglichkeiten ergänzen, Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (122 - „differenziertes Gesamtrechts*

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fahren ist letzteres wiederum nur durch eine effektive Einbeziehung der Betroffenen möglich, die durch die Präklusionsandrohung aber erst gewährleistet wird. 3 0 4 Somit sichert die materielle Präklusion nicht nur ein kompetenzgerechtes, sondern auch ein funktionales Zusammenwirken zwischen administrativem und gerichtlichem Verfahren. Damit läßt sie sich jedenfalls in Massenverfahren mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung rechtfertigen.

c) Effektivität,

Beschleunigung und Konzentration

Die materielle Präklusion soll das Verwaltungsverfahren effektivieren, konzentrieren und beschleunigen.305 Ob dieser funktionale Aspekt auch geeignet ist, die materielle Präklusion verfassungsrechtlich zu legitimieren, ist zweifelhaft. Die Rechtsprechung 306 und ein großer Teil der Literatur 307 bejahen das. Danach soll die materielle Präklusion ihre Rechtfertigung (auch) in dem Erfordernis finden, die Effizienz der Verwaltung zu steigern bzw. die administrativen Zulassungsverfahren zu beschleunigen. Bei diesen Zielen handelt es sich unbestritten um Motive, die der Gesetzgeber in zulässiger Weise verfolgen darf und die - auf einfachgesetzlicher Ebene - auch bereits als Vorgaben für die Verwaltung normiert wurden. So bestimmt beispielsweise § 10 S. 2 VwVfG, daß Verwaltungs verfahren „einfach, zweckmäßig und zügig" durchzuführen sind; gemäß § 71 b VwVfG hat die Genehmigungsbehörde die ihr rechtlich und tatsächlich möglichen Vorkehrungen dafür zu treffen, daß ein Verfahren in angemessener Zeit abgeschlossen und auf Antrag besonders beschleunigt werden kann. Um die durch die materielle Präklusion verursachten Verfassungsbeschränkungen zu rechtfertigen, muß der Grundsatz der Effektivität jedoch selbst Verfassungsqualität besitzen. Im Grundgesetz hat er keinen textlichen Niederschlag gefunden; auch die meist pauschal vorgetragenen Versuche, diesen im Rechtsstaatsprinzip 308 oder in Art. 20 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 83 ff. G G 3 0 9 zu verankern, Über-

schutzsystem"); Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), 221 (265 - „Komplementärfunktion"); ders., (Fn. 49), Einl Rn. 198; Hill (Fn. 26), S. 205. 304 Ausführlich dazu Β. VII. 2. b) aa) (1). 305 Effektivität wird nachfolgend in einem weiten, ihre vielfältigen Erscheinungsformen (wie z. B. Effizienz, Funktions- oder Leistungsfähigkeit, Konzentration, Beschleunigung etc.) umfassenden Sinne verstanden; so auch Häberle, AöR 98 (1973), 625; Steinberg, DÖV 1982, 619 (620 f.); Hufen (Fn. 19), S. 63 Rn. 56. Zu der immer vieldeutiger werdenden Effizienzterminologie siehe auch Reding, Die Effizienz staatlicher Aktivitäten, 1981, S. 18 f. 306 So z. B. BVerfGE 61, 82 (114) - Sasbach; BVerwG, NVwZ 1997, 171 (172); NVwZ 1997, 489 f. 307 Vgl. z. B. Niehues (Fn. 19) S. 619 (625); Solveen (Fn. 26), S. 139 ff.; in diesem Sinne auch - allerdings etwas zurückhaltender - Röhl!Ladenburger (Fn. 19), S. 54 ff. 308 Bullinger, JZ 1993, 492 (493 - in Fn. 14). Hinweise auf das Rechtsstaatsprinzip finden sich zudem bei Kopp, VwVfG, 6. Aufl. 1996, § 10 Rn. 10 m. w. N. und Solveen (Fn. 26), S. 139.

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zeugen nicht. 310 Trotzdem steht das Grundgesetz der Effizienz des Verwaltungshandelns keineswegs neutral oder gar indifferent gegenüber. 311 Verfassungsrechtliche Tiefe erreicht die Effektivität der Verwaltung aber erst, wenn sie in Wechselwirkung mit einer konkreten Norm des Grundgesetzes tritt. Es ist eine allgemein anerkannte Regel des Verfassungsrechts, daß derjenigen Interpretation einer Verfassungsnorm der Vorrang einzuräumen ist, die ihre juristische Wirkkraft am besten zur Geltung bringt. 312 Das bedeutet aber nichts anderes als die Auslegung einer Regelung der Verfassung unter dem Gesichtspunkt der Effektivität. 313 Insoweit wirkt das Effektivitätsprinzip auf verfassungsrechtlicher Ebene nur akzessorisch und nicht als autonomes Prinzip. Beschleunigung und Konzentration umweltrelevanter Zulassungsverfahren sind danach verfassungsrechtlich nur geboten, soweit ihre Dauer die Ausübung der grundrechtlich geschützten Freiheiten des Investors hemmt. Auch aus der im Verfassungsrecht wurzelnden staatlichen Infrastrukturverantwortung mag ein Bedürfnis nach effektiver oder zumindest effektiv realisierbarer Vorhabenplanung und -Zulassung resultieren. Auf der anderen Seite werden Genehmigungs- und Planungserfordernisse aber gerade dort normiert, wo eine vorgeschaltete staatliche Entscheidung über bestimmte Projekte notwendig erscheint, weil von ihnen Gefahren für die Rechtsgüter Dritter oder der Allgemeinheit ausgehen. Der individuelle Rechtsgüterschutz betrifft in diesem Zusammenhang neben der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) vor allem das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG). Beim Rechtsgüterschutz zugunsten der Allgemeinheit steht das Rechtsprinzip des Umweltschutzes aus Art. 20 a GG im Vordergrund. Auch diese Verfassungsprinzipien streben nach Effizienz im Sinne ihrer optimalen Verwirklichung. Auf verfassungsrechtlicher Ebene erweist sich das Prinzip der Verwaltungseffektivität daher als Abwägungsproblem zwischen den divergierenden grundgesetzlich geschützten Positionen. Als solches läßt es sich vorliegend auf dieselbe Ausgangslage zurückführen und mit denselben Erwägungen lösen, die bereits unter dem Gesichtspunkt „Interessenausgleich in polygonalen Verwaltungsrechtsverhältnissen" herausgearbeitet worden sind. 314 Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, daß die Effektivität der Verwaltung keinen verfassungsrechtlichen Eigen-

309 BVerwGE 67, 206 (209) m. w. N.; Stelkens / Schmitz, in: Stelkens /Bonk /Sachs (Hrsg.), 5. Aufl. 1998, §9 Rn. 76. 310 Ablehnend auch Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 150 (163 - in Fn. 32); Steinberg, DÖV 1982, 619 (621); Erbguth (Fn. 127), S. 63. 311 A.A. Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, 1971, S. 25. 312 Diese Auslegungsmaxime ist vor allem im Zusammenhang mit Art. 19 Abs. 4 GG bekannt, gilt aber auch hinsichtlich anderer Verfassungsbestimmungen, siehe z. B. Hesse (Fn. 295), Rn. 75; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 5. Aufl. 2000, Einl. Rn. 8; Maurer, Staatsrecht, 1999, § 1 Rn. 65. 313 Vgl. z. B. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, S. 1540 „Gebot größtmöglicher Effektivität der Grundrechtsnormen". 314 Siehe C. III. 2. a).

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wert besitzt und daher auch nicht in der Lage ist, das Institut der materiellen Präklusion als Ausprägung kollidierenden Verfassungsrechts (im Sinne eines eigenständigen Rechtfertigungstatbestands) zu legitimieren.

3. Verfassungsrechtliche Legitimation im konkreten Verfahrenszusammenhang Die so herausgearbeiteten Rechtfertigungstatbestände knüpfen also im wesentlichen an drei Merkmale der oben skizzierten Zulassungsentscheidung an: Ihre reduzierte gerichtliche Kontrolle, ihre polygonale Struktur sowie die große Zahl („Masse") der Verfahrensbeteiligten. Ob die präklusionsbewehrten Zulassungsverfahren diese Charakteristika auch tatsächlich aufweisen, ist Gegenstand der folgenden Untersuchung. Ausgeklammert bleiben zunächst die bergrechtliche Planfeststellung und das Baugenehmigungsverfahren, die als Sonderfälle im Anschluß behandelt werden.

a) Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte Im Bereich umweltrelevanter Zulassungsverfahren wird zwischen den Entscheidungstypen Genehmigung und Planfeststellung differenziert. 315 Durch die Planfeststellung wird - zumindest in gewissen Grenzen 316 - unmittelbar und verbindlich über die Einordnung des betreffenden Vorhabens in den Raum entschieden.317 Das geschieht im Rahmen eines die betroffenen privaten und öffentlichen Interessen abwägenden und ausgleichenden Prozesses nach dem Leitmaß des Planungsziels. 318 Dieser Vorgang ist nach rechtlichen Maßstäben nur begrenzt strukturierbar und unterliegt dementsprechend auch nur einer eingeschränkten judikativen Kontrolle. 319 Die Gerichte dürfen nur prüfen, ob die Abwägung - so wie sie die Verwaltung vorgenommen hat - rechtliche Fehler aufweist; sie haben dagegen weder selbst abzuwägen noch zu untersuchen, auf welche Weise rechtsfehlerfrei hätte ab3,5

Dabei besteht keine Einigkeit über das Verhältnis dieser Zulassungsformen. Teilweise wird die Planfeststellung als spezifisch gestalteter Unterfall oder besondere Ausprägung der Genehmigung gesehen, vgl. z. B. Tünnesen-Harmes, in: Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl. 1997, § 9 Rn. 6. Andere betrachten die Planfeststellung hingegen als eigenständigen Verfahrenstyp, z. B. Wahl, DVB1. 1982, 51 (52 f.). 316 Nämlich im Rahmen der Abstimmungsgebote des Raumordnungsrechts, vgl. §§ 4, 5 ROG, die insoweit einen allgemeinen Rechtsgedanken zum Ausdruck bringen. Gegenüber der sonst maßgeblichen örtlichen Gesamtplanung genießt die Planfeststellung hingegen Vorrang, soweit es sich um ein überörtliches Vorhaben handelt, siehe z. B. § 38 BauGB. 317 Steinberg (Fn. 14), § 1 Rn. 5 (S. 19); Tünnesen-Harmes (Fn. 315), § 9 Rn. 17. 3

>8 Vgl. Badura, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, 11. Aufl. 1998, § 39 Rn. 24; TünnesenHarmes, ebd., § 9 Rn. 4. 319 Statt vieler Gerhardt (Fn. 302), § 114 Rn. 37 ff. m. w. N.

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gewogen werden können. 320 Dieser Bereich reduzierter gerichtlicher Kontrolle erstreckt sich auch auf die administrative Sachverhaltsermittlung als Grundlage der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials. Zwar hat das Gericht zu klären, ob die von der Behörde angenommenen Umstände tatsächlich vorliegen oder nicht; stellt sich aber heraus, daß die Abwägung auf der Grundlage eines nur unzureichend ermittelten Sachverhalts stattgefunden hat, ist die Heilung dieses Defizits durch eigene weitere Ermittlungen des Gericht unzulässig.321 Ein Ausgleich behördlicher Ermittlungsdefizite im Verwaltungsprozeß findet nicht statt. 322 Die Anlagengenehmigung ist hingegen idealtypisch als gebundene, das heißt gerichtlich voll überprüfbare Verwaltungsentscheidung ausgestaltet. Die Behörde darf nur kontrollieren, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen. Verläuft diese Prüfung positiv, ist die Genehmigung zu erteilen (sog. präventives Verbot mit Erlaubnis vorbehält bzw. Kontrollerlaubnis). 323 Damit scheint die an die reduzierte gerichtliche Kontrollintensität anknüpfende Rechtfertigungslinie nur die Präklusionsnormen des Planfeststellungsrechts, nicht aber die des Anlagengenehmigungsrechts zu erfassen. Dieser Schluß wäre allerdings verfrüht. Die oben skizzierte idealtypische Unterscheidung zwischen Planfeststellung und Anlagengenehmigung relativiert sich nämlich bei einem Blick auf die Rechtswirklichkeit. Besonders deutlich wird dies im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. Dort gewährt § 7 Abs. 2 AtG nach herrschender Auffassung keinen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung, sondern koppelt die (konditionalen) Genehmigungsvoraussetzungen an ein Versagungsermessen der Behörde. 324 Von dieser

320 Vgl. BVerwG, NVwZ 1989, 152 (153); BVerwGE 87, 332 (345); Ε 98, 126 (131 f.); Storost, NVwZ 1998, 797 (798). Des weiteren wird die gerichtliche Kontrollintensität durch die Vorschriften über die Unbeachtlichkeit von Abwägungsfehlern und ihre Heilung (exemplarisch § 75 Abs. 1 a VwVfG) verringert. Danach sind Mängel bei der Abwägung nur beachtlich, wenn sie offensichtlich und zudem auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind. Ein in diesem Sinne beachtlicher Mangel führt jedoch nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn er nicht durch eine Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. 321 Gerhardt (Fn. 302), § 114 Rn. 8 m. w. N.; Hufen (Fn. 33), S. 241; Henke, UPR 1999, 51 (53). 322 Dies gilt auch für die wasserrechtliche Planfeststellung gem. § 31 WHG, vgl. nur BVerwGE 55, 220 (225 f.); Ε 85, 155 (156 f.); Steinberg (Fn. 14), § 1 Rn. 64 (S. 44); Zeitler, in: Sieder/dens./Dahme (Hrsg.), WHG, § 31 Rn. 200 ff. (Stand: August 1999); Czychowsky, WHG, 7. Aufl. 1998, § 31 Rn. 63 m. w. N. A.A. Röhl ! Ladenburger (Fn. 19), S. 57 und Erbguth (Fn. 127) S. 68 sowie - jedoch zurückhaltender („allenfalls eingeschränkt mit einer planerischen Gestaltungsfreiheit der Zulassungsbehörde verbunden") und auch nur auf private Vorhaben bezogen Paetow, in: FS Schlichter, 1995, S. 499 (505). Für eine planerische Gestaltungsfreiheit auch in Fällen, in denen im Rahmen des § 31 WHG über ein rein privatnütziges wasserrechtliches Ausbauvorhaben entschieden wird, BVerwGE 55, 220 (225 f.); Ε 85, 155 (156 f.). 323 Vgl. ζ. B. Maurer, Allg.VerwR, 1999, § 9 Rn. 51 ff. 324 BVerfGE 49, 89 (146 f.) - Kalkar; siehe auch Kloepfer, in: Achterberg / Püttner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. II, 1992, S. 604 Rn. 715 m. w. N.

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Besonderheit abgesehen werfen vor allem die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe, mit denen der Gesetzgeber im Bereich des umweltrelevanten Genehmigungsrechts operiert, die Frage nach der Letztentscheidungskompetenz der Gerichte auf. Teilweise ist die Uberprüfung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Judikative bereits gesetzlich ausdrücklich eingeschränkt. 325 Von diesen seltenen Fällen abgesehen postuliert das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung ihre vollständige gerichtliche Kontrolle und beansprucht damit auch die Letztentscheidungskompetenz über ihre Auslegung. Ausnahmen in Form administrativer Beurteilungsspielräume werden von der Rechtsprechung nur in bestimmten Bereichen, etwa im Beurteilungs- und Prüfungswesen 326 sowie unter engen Voraussetzungen auch bei wirtschaftlichen Prognose- und Gremienentscheidungen,327 anerkannt. Im Umweltrecht wurde hingegen zunächst an dem Grundsatz der uneingeschränkten Prüfung unbestimmter Rechtsbegriffe festgehalten. Von dieser Konzeption ist das Bundesverwaltungsgericht allerdings in seiner zweiten das Atomkraftwerk Wyhl betreffenden Entscheidung abgewichen.328 Dort hat es aus der Normstruktur des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG einen Beurteilungsspielraum der Genehmigungsbehörde hergeleitet. Diese Vorschrift verpflichtet die zuständige Behörde zu der Prüfung, ob die nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden, die durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage entstehen können, getroffen wurde. Aus den Besonderheiten dieser Aufgabenstellung hat das Bundesverwaltungsgericht gefolgert, daß die erforderliche Risikoermittlung und -bewertung letztverantwortlich der Genehmigungsbehörde zustehe. Die Exekutive genieße bei der Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung ein Entscheidungsvorrecht, weil sie für die Verwirklichung des Grundsatzes bestmöglicher Gefahrenabwehr und Risikovorsorge besser ausgerüstet sei als die beiden anderen Gewalten. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst auf das Gentechnikrecht übertragen. 329 Die GenehmigungsVoraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 GenTG i.V.m. § 6 Abs. 2 GenTG verfügen nach Auffassung des erkennenden Senats über dieselbe Normstruktur wie § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Auch durch diese Vorschriften werde die Genehmigungsbehörde nicht nur zur Abwehr von Gefahren, sondern darüber hinaus auch zur Vorsorge gegen Risiken nach Maßgabe des Standes der Wissenschaft und Technik verpflichtet. Da325 Vgl. z. B. § 70 Abs. 5 S. 2 GWB a. F., der bestimmte, daß die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung durch die Kartellbehörde der gerichtlichen Nachprüfung entzogen ist. 326 Grundlegend BVerwGE 8, 272 (274); weitere Nachw. bei Maurer (Fn. 323), § 7 Rn. 37 ff. 327 So z. B. BVerwGE 39, 197 (203 f.); Ε 59, 213 (215 f.); Ε 77, 75 (78); Ε 82, 260 (265). 328 BVerwGE 72, 300 (315 ff.); bestätigt durch BVerwGE 78, 177 (180 f.) - Brokdorf; Ε 80, 207 (217) - Mülheim-Kärlich; Ε 81, 185 (190). Kritisch zu dieser Entwicklung Ipsen, VVDStRL 48 (1990), S. 177 (200); Jarass, in: Lukes (Hrsg.), Reformüberlegungen zum Atomrecht, 1991, S. 367 (404); ders., (Fn. 19), § 5 Rn. 117. 329 BVerwG, DVB1. 1999, 1138 ff.

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her könnten sie nicht anders ausgelegt werden als § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. 3 3 0 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Zurücknahme gerichtlicher Kontrolle - zumindest im Atomrecht - gebilligt. 331 Damit stellt sich aber die Frage, ob diese Rechtsprechung nicht auch auf das immissionschutzrechtliche Genehmigungsverfahren übertragen werden muß, in dem es ebenfalls um komplexe, technisch-naturwissenschaftliche Risikoabschätzungen (vgl. insbesondere § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG) geht. 332 Selbst wenn man einen solchen Transfer ablehnt ~ und die Auffassung vertritt, der Genehmigungsbehörde stehe bei der Anwendung des Immissionschutzrechts kein Beurteilungsspielraum zu, bedeutet dies nicht die vollständige gerichtliche Kontrolle der immissionschutzrechtlichen Anlagenzulassung. 334 So ist es beispielsweise weitgehend anerkannt, daß unbestimmte Genehmigungsvoraussetzungen durch Verwaltungsvorschriften auch für das gerichtliche Verfahren verbindlich konkretisiert werden können. 335 Zusammenfassend läßt sich damit festhalten, daß der Unterschied zwischen Planfeststellung und Anlagengenehmigung im Hinblick auf die gerichtliche Kontrolldichte nicht überbewertet werden darf. Die unbestimmte Tatbestandsstruktur der hier untersuchten komplexen Genehmigungsentscheidungen eröffnet der zuständigen Behörde de facto Spielräume, die mit einer (Abwägungs-) Ermessensentscheidung durchaus vergleichbar sind. Aus diesem Grund ist die aus der redu330 BVerwG, DVB1. 1999, 1138 (1140); zustimmend Kroh, DVB1. 2000, 102 (105). Für eine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle im Hinblick auf § 13 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 GenTG i.V.m. § 6 Abs. 2 GenTG auch Hirsch / Schmidt-Didczuhn, GenTG, 1991, § 13 Rn. 94 f.; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, 3. Aufl. 1995, S. 499 Rn. 92. Das OVG Berlin (NVwZ 1995, 1023, 1024 f.; NVwZ 1999, 96, 99) hat der zuständigen Genehmigungsbehörde zudem einen Beurteilungsspielraum im Rahmen des § 16 Abs. 1 GenTG zugebilligt. 331 BVerfGE 61, 82 (114 f.) - Sasbach. 332 Für eine Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle in bezug auf § 5 BImSchG: VG Neustadt, NVwZ 1992, 1008 (1012); VG Gießen, NVwZ-RR 1993, 534 (538 f.); in diesem Sinne auch Gerhardt (Fn. 302), § 114 Rn. 68. 333 So Jarass (Fn. 19), § 5 Rn. 117; vgl. auch Ipsen, VVDStRL 48 (1990), S. 177 (200 f.). 334 So stellt z. B. Sendler, in: FS Schlichter, 1995, S. 55 (84) fest, „daß der Charakter der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung als einer gebundenen Entscheidung nicht überschätzt werden sollte, weil angesichts der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe in den §§ 3 ff. BImSchG sich die Genehmigungsentscheidung einer Ermessensentscheidung nähert und viele Tatbestandsmerkmale des Gesetzes Abwägungselemente und Gestaltungsermächtigungen enthalten." Diese Einschätzung teilen Kloepfer/ Rehbinder/ Schmidt-Aßmann / Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, 1990, S. 273; Jarass, Umweltverträglichkeitsprüfung bei Industrievorhaben, 1987, S. 89 ff.; ders. (Fn. 19), § 6 Rn. 26 m. w. N. Teilweise wird vertreten, daß die Art und Weise der Ermittlungen von Emissionen und Immissionen in gewissem Umfang dem Ermessen der Verwaltung überlassen sei, Vallender, GewArch. 1981, 281 (284). 335 BVerwGE 72, 300 (320 f.) - Wyhl II; BVerwG, DVB1. 1995, 516 (517); BVerwG, NuR 1996, 522 (523); Gerhardt, NJW 1989, 2233 ff. Allgemein zur Begründung und zu den Grenzen dieser sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften Jarass, JuS 1999, 105 ff.; kritsch lpsen, VVDStRL 48 (1990), S. 177 (191); Wolf, DÖV 1992, 849 (852 ff., 856 f.); Ehlers, JK 99, Allg. VerwR/I.

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zierten gerichtlichen Kontrolldichte folgende Rechtfertigung auch im Anlagengenehmigungsrecht tragfähig.

b) Vielzahl der Verfahrensbeteiligten Hinsichtlich der Zahl der Verfahrensbeteiligten ist eine Differenzierung zwischen Anlagengenehmigung und Planfeststellung nicht erforderlich. Das Bundesgebiet ist eine dicht besiedelte und intensiv genutzte Fläche. Die natürlichen Ressourcen sind begrenzt; die Belastung der Umwelt hat in vielen Bereichen ein kritisches Maß erreicht und zu einer erheblichen Steigerung des Umweltbewußtseins geführt. Hinzu kommt, daß die Einführung und Nutzung neuer gefahrträchtiger Technologien heute von großen Teilen der Bevölkerung als Bedrohung empfunden wird. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, daß sich an den Verfahren über die Zulassung größerer umweltrelevanter Vorhaben - soweit diese eine Beteiligung der Öffentlichkeit vorsehen - heute regelmäßig Hunderte oder sogar Tausende von Einwendern beteiligen, die versuchen, das Projekt durch die Wahrnehmung subjektiv-öffentlicher Rechte aufzuhalten oder zu verhindern. 336 Diese Tendenz wird durch die nachbarfreundliche Ausgestaltung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Einwendungsbefugnis sowie des prozessualen Rügepotentials in den hier thematisierten Verfahren noch verstärkt. So beschränkt sich der prozessuale Drittschutz im Atom-, Immissions- und Gentechnikrecht nicht nur auf die Eigentümer der betrof336

Hinzu kommt, daß präklusionsbewehrte Zulassungsverfahren regelmäßig nur dann vorgesehen sind, wenn von dem beantragten Vorhaben ein erhebliches Gefährdungspotential ausgeht. Im Immissionsschutzrecht eröffnet beispielsweise § 19 Abs. 1 S. 1 BImSchG ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren ohne Offentlichkeitsbeteiligung und Präklusionswirkung (§ 19 Abs. 2 BImSchG), soweit dies unter Berücksichtigung der von der betreffenden Anlage typischerweise hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft zu vereinbaren ist (siehe allerdings auch § 19 Abs. 3 BImSchG). Diese Voraussetzungen liegen insbesondere dann vor, wenn sich die Risiken für die Nachbarschaft bzw. die zu erwartenden Emissionen in Grenzen halten (Jarass, Fn. 19, § 19 Rn. 2). Auch im Gentechnikrecht wird entsprechend differenziert. So ist ein materieller Einwendungsausschluß z. B. gem. § 18 Abs. 1 S. 1 GenTG, § 1 GenTAnhV nur bei Entscheidungen über die Errichtung und den Betrieb von Anlagen vorgesehen, in denen gentechnische Arbeiten der beiden höchsten Sicherheitsstufen (3-4) durchgeführt werden. Bei gewerblichen Arbeiten der Sicherheitsstufe 2 ist ein Anhörungsverfahren gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 GenTG nur vorgesehen, wenn auch ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG erforderlich wäre. Diese Konzeption trägt wiederum dem Umstand Rechnung, daß gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GenTG auf den unteren Sicherheitsstufen (1-2) nach dem Stand der Wissenschaft keine bzw. nur geringe Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu erwarten sind. Auch dem Recht der Planfeststellung ist eine solche Abstufung nicht mehr fremd: Parallel zur Einführung der materiellen Präklusion hat der Gesetzgeber das Institut der Plangenehmigung in die Fachplanungsgesetze und zuletzt auch in das VwVfG des Bundes eingeführt. Danach kann ein Plangenehmigungsverfahren ohne Offentlichkeitsbeteiligung und materielle Präklusion durchgeführt werden, wenn das Vorhaben Rechte anderer nicht (§ 74 Abs. 6 Nr. 1 VwVfG) bzw. nicht wesentlich (z. B. § 17 Abs. 1 a FStrG, § 28 Abs. 1 a PBefG) beeinträchtigt.

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fenen Grundstücke, sondern erfaßt grundsätzlich alle im potentiellen Einwirkungsbereich der Anlage lebenden oder regelmäßig arbeitenden Menschen. Im Recht der Planfeststellung sind zwar grundsätzlich nur dinglich Berechtigte klagebefugt; diese Einschränkung wird aber durch die rechtsschutzfreundliche Auslegung des fachplanerischen Abwägungsgebots wieder kompensiert. Seit der sog. Β 42-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 339 wird dieses als subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte Abwägung qualifiziert, das nicht nur subjektive Rechte erfaßt, sondern auch eigene private Belange unterhalb dieser Schwelle, soweit sie in der Abwägung zu berücksichtigen sind. Daher können auch bloße Interessen oder sonstige Belange - sofern sie nur für die Abwägung von Relevanz sind - gerichtlich gegen das Vorhaben in Stellung gebracht werden. Noch weitergehenden Rechtsschutz genießen die Grundstückseigentümer, die von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses betroffen sind. Unter Berufung auf den Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG wird ihnen die Befugnis eingeräumt, Verstöße gegen alle materiellen und formellen Vorschriften zu rügen, die über die objektive Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses entscheiden.340 Insbesondere wird auch die Einhaltung des Abwägungsgebots in bezug auf öffentliche, also nicht individualschützende Belange überprüft. 341 Diese Voraussetzungen liegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts selbst dann vor, wenn das Grundeigentum in erster Linie erworben wurde, um die Planfeststellung mit Rechtsmitteln angreifen zu können (sog. Sperrgrundstück). 342 Das so skizzierte fachplanungsrechtliche Rügepotential ist jüngst sogar noch um eine zusätzliche Komponente erweitert worden. Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung 343 hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 1. September 1997 auch bloß obligatorisch Berechtigten die Klagebefugnis gegen einen Planfeststellungsbeschluß zugesprochen, wenn das von ihnen genutzte Grundstück durch das planfestgestellte Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommen werden soll, das heißt von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses betroffen ist. 3 4 4

337 Vgl. BVerwG, NJW 1983, 1507 (1508); NdsOVG, DVB1. 1984, 890 (891); Jarass (Fn. 19), §3Rn. 21. 338 Wahl/Schütz (Fn. 57), § 42 II Rn. 162; Jarass, ebd., § 3 Rn. 18 ff. jeweils m. w. N. 339 Ε 48, 56 (66) - seither st. Rspr. 340 St. Rspr. des BVerwG seit Ε 67, 74 (76 f.); Wahl/Schütz (Fn. 57), § 42 II Rn. 252 f. m. w. N. 341 Diese Verlängerung der Reichweite des gerichtlichen Rechtsschutzes beruht darauf, daß Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG eine Enteignung nur zum Wohl der Allgemeinheit zuläßt und damit eine dem objektiven Recht nicht entsprechende Enteignung ausschließt, vgl. BVerwG, ebd. 342 BVerwGE 72, 15 (16) - Main-Donau-Kanal; BVerwG, NVwZ 1998, 508 (509). 343 Vgl. etwa noch BVerwG, DVB1. 1994, 338 (339). 344 BVerwGE 105, 178 (180 ff.). Für den Fall, daß der obligatorisch Berechtigte lediglich mittelbar von den Auswirkungen des Vorhabens betroffen wird, läßt sich diesem Judikat allerdings keine Aussage entnehmen.

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Damit handelt es sich bei den Zulassungsverfahren des Anlagengenehmigungsund Planfeststellungsrechts zumindest potentiell um Massen verfahren. 345 Die an dieses Strukturmerkmal anknüpfende Rechtfertigungslinie (Grundsatz der Gewaltenteilung unter den Gesichtspunkten eines kompetenzgerechten und funktionalen Zusammenwirkens von Exekutive und Judikative) erfaßt daher die in diesen Verfahren installierten materiellen Präklusionsnormen.

c) Divergierende

rechtliche Interessen

Mit der Zahl der Vorhabengegner steigt auch die Schutzbedürftigkeit des Vorhabenträgers und damit die Notwendigkeit eines angemessenen Ausgleichs der betroffenen (verfassungsrechtlich geschützten) Positionen. Damit scheint auch die dritte Rechtfertigungslinie die materielle Präklusion in den hier thematisierten Verfahren zu legitimieren. An dieser Stelle ist allerdings zu berücksichtigen, daß es sich insbesondere bei den Trägern der verkehrsrechtlichen Planfeststellungen häufig (das heißt trotz fortschreitender materieller Privatisierung) nicht um juristische Personen des Privatrechts, sondern um solche des öffentlichen Rechts handelt. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn die geplanten Projekte später in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH, also in Gesellschaftsformen des Privatrechts betrieben werden sollen. Auch in diesem Fall sind die Betreibergesellschaften keine privaten, sondern öffentliche Wirtschaftseinheiten, die nur in privatrechtlichen Formen organisiert sind. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Grundrechtsfähigkeit dieser Betreibergesellschaften oder anders ausgedrückt nach dem Bestehen des oben skizzierten Dreiecksverhältnisses zwischen den grundrechtsbetroffenen Nachbarn, dem gleichermaßen grundrechtsbeeinträchtigenden wie -ausübenden Projektträger und dem zum angemessenen Grundrechtsschutz verpflichteten Staat. Das dieser Konstellation eigene Konfliktpotential entsteht nämlich nur, wenn der Angreifer selbst Träger von Grundrechten ist und sich sein beeinträchtigendes Verhalten als Betätigung eigener grundrechtlich geschützter Freiheit darstellt.

345 Bonk (Fn. 270), § 17 Rn. 2 und Clausen (Fn. 271), § 17 Rn. 2.1. qualifizieren bzw. typisieren dementsprechend übereinstimmend die Planfeststellungsverfahren nach § 31 KrW-/AbfG; §§ 14 ff. WaStrG; §§ 17 ff. FStrG; § 38 PBefG; § 31 WHG; §§ 8 ff. LuftVG; §§ 18 ff. AEG sowie die Genehmigungsverfahren nach § 7 AtG und § 10 BImSchG als Massenverfahren. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Nicht genannt werden z. B. die förmlichen Genehmigungsverfahren des Gentechnikrechts; gerade die Gentechnik wird aber von großen Teilen der Bevölkerung als erhebliche Bedrohung empfunden, so daß in den entsprechenden Zulassungsverfahren regelmäßig mit einer Vielzahl Vorhabengegner zu rechnen ist. Zahlenbeispiele aus der Praxis finden sich bei Blümel, in: FS Weber, 1974, S. 539 (544) sowie Schmel, Massenverfahren vor den Verwaltungsbehörden und den Verwaltungsgerichten, 1982, S. 19 f. Besonders eindrucksvoll sind die rund 881 000 Einwendungen, die im Frühjahr 1988 im Verfahren um die zweite Teilgenehmigung der Wiederaufbereitungsanlage in Wakkersdorf erhoben worden sind. Nachw. bei Blümel, in: FS Doehring, 1989, S. 89 (91).

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Die Frage, ob juristische Personen des öffentlichen Rechts Inhaber von Grundrechten sein können, ist außerordentlich umstritten. Verfassungstextlicher Anknüpfungspunkt ist insoweit Art. 19 Abs. 3 GG. Danach gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie „ihrem Wesen nach" auf diese anwendbar sind. Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich ab. 3 4 6 Eine Einbeziehung in den Schutzbereich der Grundrechte komme nur in Betracht, wenn der „Durchg r i f f auf die hinter ihnen stehenden Individuen dies als „sinnvoll und erforderlich" erscheinen lasse. Das sei aber nur in Ausnahmefällen denkbar. Denn hinter den juristischen Personen des öffentlichen Rechts stünden keine Bürger, sondern der Staat. Dieser könne aber nicht zugleich Berechtigter und Verpflichteter der Grundrechte sein. Das gelte auch, wenn er sich zur Erfüllung seiner Aufgaben selbständiger Rechtsgebilde bediene. Aus Sicht des Bürgers handele es sich bei den verschiedenen staatlichen Funktionsträgern nämlich lediglich um besondere Erscheinungsformen und Untergliederungen einer einheitlichen Staatsgewalt. Zwar gebe es auch im Verhältnis dieser Rechtsgebilde zueinander Eingriffe und Übergriffe. Diese seien jedoch nur als Kompetenzkonflikte im weiteren Sinne zu qualifizieren und nicht als Eingriffe des Staates in die Freiheitssphäre des Bürgers. Das gelte auch für den Fall, daß sich die Verwaltung in privatrechtlicher Organisationsform betätige. Andernfalls wäre die Frage der Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Hand in nicht geringem Umfang von der jeweils gewählten Organisationsform abhängig. Auch Privatrechtsvereinigungen, die sich ganz in der Hand eines Verwaltungsträgers befinden, seien letztlich eben nur eine besondere Erscheinungsform der öffentlichen Verwaltung. Einen Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden Bürger hält das Bundesverfassungsgericht erst dann für erforderlich, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts von der ihr übertragenen Aufgabe her unmittelbar einem bestimmten durch Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen ist. Letzteres läßt sich von den Einrichtungen der verkehrsrechtlichen Infrastruktur, wie z. B. den Autobahnen, sicherlich nicht behaupten. Sie lassen sich keinem bestimmten grundrechtlich geschützten Lebensbereich zuordnen, sondern dienen vielmehr einem Bündel unterschiedlichster Interessen und Zielsetzungen.347 Zwar fördert die Verkehrsinfrastruktur mittelbar auch gewisse Formen der Grundrechtsausübung; dieser Umstand macht die Betreiber jedoch noch nicht zum Sachwalter der Bürger bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte, sondern ist vielmehr typische Begleiterscheinung, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts öffentliche Aufgaben wahrnimmt, also im Interesse der Allgemeinheit handelt. Dieses Ergebnis bestätigt auch ein Vergleich mit den vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtgeltung der Grundrechte für juristische Personen des öffentlichen Rechts: den

346 BVerfGE 21, 362 (369 ff.) - st. Rspr. 347 Vgl. nur den Überblick bei Steiner, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, 1988, §81 Rn. 1.

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Rundfunkanstalten 348 sowie den Universitäten und Fakultäten.349 Die Einrichtungen der Verkehrsinfrastruktur sind keinem Grundrecht des Bürgers in vergleichbarer Intensität zugeordnet, wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bzw. die Universitäten und Fakultäten dem Grundrecht der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. 3 5 0 Einer eingehenderen Untersuchung der Frage nach der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bedarf es hier jedoch nicht. Denn selbst wenn man diese mit dem Bundesverfassungsgericht verneint, entfällt nur die aus den Grundrechten resultierende Schutzbedürftigkeit des Vorhabenträgers. In diesem Fall tritt aber die bereits angesprochene staatliche Verantwortung für die Gewährleistung von Infrastruktur in den Vordergrund. Sie ist als Gut von Verfassungsrang grundsätzlich in der Lage, entgegenstehende private Belange - auch grundrechtlich geschützte - zu überwinden. Jedenfalls verlangt die staatliche Infrastrukturverantwortung eine angemessene Berücksichtigung bei der gesetzgeberischen Ausgestaltung der entsprechenden Verfahren. Daher läßt sich die materielle Präklusion auch im Falle fehlender Grundrechtsberechtigung des Vorhabenträgers als Instrument zur Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen gegenläufigen verfassungsrechtlich geschützten Interessen begreifen. 351 348 BVerfGE 31, 314 (322); Ε 59, 231 (254 f.). 349 BVerfGE 15, 256 (262); Ε 31, 314 (322). Hinzu kommt der Sonderfall der öffentlichrechtlich organisierten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, siehe ζ. B. BVerfGE 19, 129 (132); Ε 30, 112 (119 f.). 350 Etwas anderes könnte allerdings gelten, wenn es beispielsweise ein Grundrecht auf Auto- oder Flugmobilität (etc.) geben würde. In jüngerer Zeit ist tatsächlich versucht worden, zumindest das Fahren mit dem Auto als Grundrecht zu etablieren (Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 ff.; ders., DAR 1994, 7 ff.). Dieser Ansatz ist jedoch abzulehnen. Zwar fällt das Autofahren auf öffentlichen Straßen in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG (BVerwGE 30, 235, 238; BVerwG, NJW 1988, 432). Daraus folgt jedoch nicht, daß auch ein Grundrecht auf Autofahren existiert. So wird wohl niemand ernsthaft behaupten wollen, daß es beispielsweise ein Grundrecht auf „Taubenfüttern im Park", „Reiten im Walde" oder auf die „Verwendung ungekörter Bullen zur Zucht" gibt, auch wenn diese Verhaltensweisen - zumindest nach herrschendem Verständnis - vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG erfaßt werden (BVerfGE 10, 55, 57 ff.; Ε 54, 143, 146; Ε 80, 137, 154 ff.). Der materielle Gewährleistungsumfang des Art. 2 Abs. 1 GG ergibt sich nicht allein aus dem Schutzbereich dieses Grundrechts, sondern aus dem Zusammenspiel von Schutzbereich und Schranken (vgl. nur Murswiek, in: Sachs, Hrsg., GG, 2. Aufl. 1999, Art. 2 Rn. 22). Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet Freiheit aber nur unter Beschränkung auf die „verfassungsmäßige Ordnung", die in diesem Zusammenhang weit ausgelegt und als Inbegriff aller formell und materiell verfassungsmäßigen Rechtssätze verstanden wird (vgl. nur Murswiek, ebd., Rn. 89 m. w. N.). Daher wäre es verfehlt zu behaupten, daß es ein „Grundrecht a u f die verschiedenen Freiheitsausübungen gebe, die in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit fallen; dazu ist der Substanzgehalt der so gewonnenen Kreationen zu schwach. Auch wenn das Autofahren in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG fällt, bedeutet dies daher nicht, daß es auch ein „Grundrecht auf Autofahren" gibt, das ζ. B. in einer mit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG vergleichbaren Weise einen Durchgriff auf die hinter der juristischen Person des öffentlichen Rechts stehenden Bürger als sinnvoll und erforderlich erscheinen läßt.

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d) Ergebnis Die strukturellen Merkmale der präklusionsbewehrten Zulassungsverfahren des Anlagengenehmigungs- und Planfeststellungsrechts decken sich weitgehend mit denen der anfangs skizzierten idealtypischen Zulassungsentscheidung. Die für diese entwickelten Rechtfertigungstatbestände legitimieren daher auch die dort installierten Präklusionsnormen. Die materielle Präklusion ist in diesen Verfahren also verfassungsrechtlich legitim, weil sie ein kompetenz- und funktionsgerechtes Zusammenwirken der zweiten und dritten Gewalt gewährleistet und einen angemessenen Ausgleich der betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Interessen garantiert.

4. Sonderfall: Der bergrechtliche Rahmenbetriebsplan Mit Gesetz vom 12. Februar 1990 352 wurde das Planfeststellungsverfahren in das Bergrecht des Bundes eingeführt. Seither bedarf die Zulassung UVP-pflichtiger Rahmenbetriebspläne gemäß §§52 Abs. 2 a, 57 a, b, c BBergG i.V.m. der UVP-Verordnung Bergbau 353 der Planfeststellung. Auf diese Weise haben die §§72 ff. VwVfG einschließlich der materiellen Präklusion Eingang in das Bergrecht gefunden.

a) Vielzahl der Verfahrensbeteiligten Divergierende rechtliche Interessen Der Charakter der bergrechtlichen Planfeststellung als potentielles Massenverfahren ergibt sich aus der konfliktträchtigen Beziehung des Bergbaus zur Umwelt. Gerade der Abbau von Bodenschätzen kann die Umwelt ganz erheblich beeinträchtigen. Insbesondere wegen ihres enormen Flächenverbrauchs, der häufig die „Abbaggerung" ganzer Gemeinden erfordert und zudem zu schweren Eingriffen in Gewässer, Natur und Landschaft führt, haben bergbauliche Vorhaben zunehmend an Akzeptanz verloren und stoßen auf breiten Widerstand in den betroffenen Gebieten. 354 Daneben stehen sich in den Zulassungsverfahren des Bergrechts die ge351 Ähnlich Röhl!Ladenburger (Fn. 19), S. 57 („gewichtiges Interesse der Allgemeinheit an rationeller Durchführung gemeinwohlfördernder Vorhaben"); zweifelnd Erbguth (Fn. 241), S. 266. 352 BGBl. I,S. 215. 353 Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben vom 13. 7. 1990, BGBl. I, S. 1420, erlassen aufgrund des § 57 c BBergG. 354 Ein anschauliches Beispiel für die erheblichen Auswirkungen, die der Bergbau auf die Umwelt haben kann, liefert das Lausitzer Revier. Dort wurden etwa 700 000 ha Landschaft tiefgreifend verändert oder gänzlich zerstört. 38 500 ha blieben als Odfläche zurück. Infolge der Trockenlegung und Abpumpungen, die für den Abbau vorgenommen wurden, ist auf

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genläufigen Grundrechtspositionen des Bergbauunternehmers und der Drittbetroffenen (insbesondere der Oberflächeneigentümer) gegenüber, 355 so daß auch die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs besteht.

b) Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte Nicht so einfach zu beantworten ist die Frage, ob der bergrechtliche Rahmenbetriebsplan auch über das Strukturmerkmal „reduzierte gerichtliche Kontrolldichte" verfügt. Bevor das Planfeststellungsverfahren 1990 in das Bergrecht eingeführt wurde, handelte es sich bei der Zulassung bergbaulicher Betriebspläne nach überwiegender Auffassung um eine gebundene Entscheidung.356 Dies war allerdings nicht ganz unbestritten. Unter Hinweis auf § 48 Abs. 2 a. F. (heute § 48 Abs. 2 S. 1) BBergG 357 wurde bereits zum damaligen Zeitpunkt vertreten, die Betriebsplanzulassung sei von ihrer Substanz her eigentlich als Planungsentscheidung zu qualifizieren. 358 Diese Kontroverse hat sich - dem ersten Anschein zuwider - mit der Einführung der Planfeststellung in das Bergrecht nicht erledigt. Nach herrschender Auffassung handelt es sich bei der Betriebsplanzulassung nach wie vor um eine gebundene Entscheidung.359 Zur Begründung wird angeführt, daß sich durch die Gesetzesänderung das materielle Entscheidungsprogramm der Bergbehörde nicht geändert habe. § 52 Abs. 2 a S. 3 BBergG verfüge nicht über die Struktur einer Planungsnorm, sondern erweitere lediglich das bisherige Betriebsplanverfahren um die Umweltverträglichkeitsprüfung, indem er die nach § 48 Abs. 2 BBergG zu prüfenden öffentlichen Interessen um die Anforderungen eines vorsorgenden Um-

einer Fläche von 300 000 ha ein Grundwasserdefizit entstanden, Beispiel bei Kloepfer (Fn. 61), § 10 Rn. 89. Die geringe Akzeptanz bergbaulicher Vorhaben in der Bevölkerung konstatiert auch Bohne, ZfB 130 (1989), 93 (125). 355 Vgl. nur Boldtl Wellen Bundesberggesetz, 1984, § 6 Rn. 13; Hoppe, DVB1. 1993, 221

(226).

356 Vgl. nur BVerwGE 81, 329 (332); BVerwG, ZfB 132 (1991), 140 (143); Hoppe, DVB1. 1987, 757 (761); Gaentzsch, in: FS Sendler, S. 403 (412). 357 Die Anwendbarkeit des § 48 Abs. 2 a. F. BBergG im Rahmen der Betriebsplanzulassung ist spätestens seit der A/ten&erg-Entscheidung des BVerwG (E 74, 315 ff.) allgemein anerkannt, vgl. dazu die Nachw. bei Rausch, Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, 1990, S. 212 f. ( - speziell in Fn. 223). 358 Kühling (Fn. 271), Rn. 69, 377; ähnlich Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, 1986, S. 198. 359 BbgLVerfG, DVB1. 1999, 34 (38) - Homo; Gaentzsch (Fn. 356), S. 403 (412); Steinberg (Fn. 14), § 1 Rn. 28 (S. 29); Stiens, Der bergrechtliche Betriebsplan, 1995, S. 165; Erbguth, VerwArch. 87 (1996), 258 (264); ders. (Fn. 127), S. 68; Hoppe/Spoerr, UPR 1999, 246. Stiens, ebd., räumt allerdings ein, daß die bergrechtliche Planfeststellung durch den „angeordneten umfassenden Ausgleich widerstreitender Interessen in gewisser Weise in die Nähe planerischer Maßnahmen gerückt wird." Für einen materiellen Planungscharakter des bergrechtlichen Rahmenbetriebsplans nach der Einführung der Planfeststellung in das Bergrecht Wahl/Dreier, NVwZ 1999, 606 (608).

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weltschutzes ergänze. 360 Dadurch werde der Bergbehörde aber noch keine Planungskompetenz im Sinne einer planerischen Gestaltungsfreiheit, sondern lediglich eine den Umweltschutz verstärkende Versagungs- oder Beschränkungsbefugnis eingeräumt. Die Konditionalstruktur des § 48 Abs. 2 BBergG sei somit erhalten geblieben und die Entscheidung der Bergbehörde daher nach wie vor gebunden.361 Gleiches gelte für die nach § 57 a Abs. 4 S. 1 BBergG bei der Planfeststellung zu beachtenden Vorschriften der eingeschlossenen öffentlich-rechtlichen Entscheidungen. Auch diese seien keine Planungsnormen, sondern hätten wie die bergrechtlichen Zulassungvorschriften konditionalen Charakter. 362 Diese Ansicht verdient zumindest insoweit Zustimmung, als allein durch die Übertragung der formellen Vorschriften des Planfeststellungsrechts noch keine verbindliche Aussage über den materiellen Charakter der abschließenden Verwaltungsentscheidung getroffen ist. Damit ist aber noch nichts über die tatsächliche Rechtsnatur des UVPpflichtigen Rahmenbetriebsplans gesagt. Zu bedenken bleibt insbesondere, ob die Einführung der Planfeststellung in das Bundesberggesetz nicht gerade auch dadurch motiviert war, die bestehenden Unsicherheiten zu beseitigen und der Bergbehörde Planungsermessen einzuräumen. 363 Aber selbst wenn man die bergrechtliche Planfeststellung, der herrschenden Ansicht folgend, als gebundene Entscheidung einstuft, 364 stellt sich die Frage, ob nicht die unbestimmten Rechtsbegriffe „überwiegen", „entgegenstehen" von Interessen des „vorsorgenden" Umweltschutzes in den §§48 Abs. 2, 52 Abs. 2 a Satz 3 BBergG als Elemente von prognostischem Gehalt in gewissen Grenzen eine eigenverantwortliche Bewertung durch die Behörde voraussetzen, die von den Gerichten nicht durch eine eigene abweichende Bewertung ersetzt werden darf. 365

360 Gaentzsch (Fn. 356), S. 403 (412); Hoppe/Spoerr,

ebd., m. w. N.

361

Gaentzsch, ebd.; Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, 1991, S. 99; Stiens (Fn. 359), S. 163. 362 Vgl. Niermann, ebd., S. 99, 213 ff.; Stiens, ebd. 363 So wird in der Lit. nicht ohne Grund darauf hingewiesen, daß wenn der Gesetzgeber mit der Einführung einer Planfeststellung in das Bergrecht an die langjährige Gerichtspraxis und Planungsrechtsdogmatik anknüpft, er damit auch zum Ausdruck bringt, daß er das Bedürfnis nach einer umfassenden Interessenbewältigung und dementsprechend auch einer planerischen Gestaltungsfreiheit anerkennt, Wahl!Dreier, NVwZ 1999, 606 (609). 364 in diesem Fall muß die Einführung der Planfeststellung in das Bundesberggesetz allerdings als verunglückt bezeichnet werden. Steinberg (Fn. 14), § 1 Rn. 28 (S. 29) kritisiert insoweit zu Recht: „Eine Kontrollerlaubnis im Gewände der Planfeststellung stellt jedoch kaum eine Bereicherung der Handlungstypen des Zulassungsrechts dar, da sie die Eigenarten der jeweiligen Institute ignoriert und diese damit um ihre jeweilige spezifische Leistungsfähigkeit bringt." 365 Diese Frage wirft Gaentzsch (Fn. 356, S. 403, 413) auf. Für eine eigenverantwortliche Bewertung der Behörde bei der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe wohl Stiens (Fn. 359), S. 164. 7 Oexle

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c) Ergebnis Da der bergrechtliche Rahmenbetriebsplan aber über die Strukturmerkmale „Masse" und „divergierende rechtliche Interessen" verfügt, wird die materielle Präklusion zumindest durch die an diese Charakteristika anknüpfenden Rechtfertigungsgründe legitimiert. Die Frage nach dem Umfang der gerichtlichen Kontrolle UVP-pflichtiger Rahmenbetriebspläne braucht daher hier nicht abschließend beantwortet zu werden. 366 5. Sonderfall: Die Baugenehmigung Die meisten Landesbauordnungen eröffnen den Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren das Recht, vor Erlaß der Entscheidung367 Einwendungen gegen das geplante Vorhaben zu erheben. Eine Versäumnis der Einwendungsfrist führt jedoch regelmäßig nur zu einer formellen und nicht zu einer materiellen Präklusion. 3 6 8 Etwas anderes gilt seit dem 1. Januar 1996 in Baden-Württemberg und seit der Baurechtsnovelle 1998 im Freistaat Bayern. Dort ordnen § 55 Abs. 2 S. 2 der baden-württembergischen Bauordnung (LBO BW) und Art. 71 Abs. 4 S. 2 der Bauordnung Bayerns (BayBO) einen materiellen Einwendungsausschluß an. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Vorschriften ist problematisch. Das Baugenehmigungsverfahren verfügt sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht über andere Strukturen als die zuvor untersuchten Zulassungsverfahren. Ein Transfer des dort zum Einsatz gelangten Rechtfertigungsarsenals ist daher besonders sorgfältig auf seine Stimmigkeit hin zu prüfen.

a) Materielle Präklusion in der Bauordnung Baden-Württemberg Gemäß § 55 Abs. 2 S. 1, S. 2 LBO BW sind die von einem Bauantrag durch Zustellung benachrichtigten Angrenzer mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung der Benachrichtigung 366 Aufgrund der dynamischen Betriebsweise beim Abbau von Bodenschätzen wurde im UGB-KomE davon abgesehen, die bergbauliche Zulassung der Vörhabengenehmigungen zu unterstellen. Insoweit ist nicht zu erwarten, daß sich die gegenwärtigen Rechtslage ändert und auf diesem Weg für Gewißheit gesorgt wird. Allerdings ist dem Betriebsplanverfahren gemäß § 338 UGB-KomE eine weitere bergbauliche Planung vorgeschaltet, bei der planerisch abwägend (§ 338 Abs. 1 S. 2 UGB-KomE) über Bedarf, Standort und erforderliche Rekultivierung entschieden wird, Begründung zum UGB-KomE, S. 1008. 367 Bezüglich der Details bestehen dabei allerdings erhebliche Unterschiede. Teilweise besteht das Einwendungsrecht vor der Erteilung jeder Baugenehmigung (z. B. gem. § 55 Abs. 1 S. 1 LBO BW), teilweise auch nur vor Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung (so z. B. gem. § 74 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 BauO NW). Auch in bezug auf den Kreis der zu beteiligenden Nachbarn und die Art und Weise der Beteiligung divergieren die einzelnen Landesbauordnungen. 368 Vgl. Brohm, Baurecht, 2. Aufl. 1999, § 28 Rn. 37.

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bei der Gemeinde schriftlich oder zur Niederschrift erhoben haben. Das Gesetz bezeichnet diese Wirkung explizit als „materielle Präklusion" und stellt damit klar, daß die betreffenden Personen nicht nur ihren Anspruch auf Behandlung ihrer Einwendungen im Genehmigungsverfahren verlieren, sondern diese auch in einem nachfolgenden Rechtsbehelfs verfahren nicht mehr geltend machen können.

aa) Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte Die Baugenehmigung ist gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 LBO BW zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Bei der Baugenehmigung handelt es sich also um eine gebundene Entscheidung. Auch die bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitstatbestände der §§30 ff. BauGB räumen der Genehmigungsbehörde kein Ermessen ein. Eine Ausnahme scheint insoweit lediglich § 35 Abs. 2 BauGB zu bilden, der seinem Wortlaut nach („können") die Zulassung sonstiger, das heißt nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierter Vorhaben in das Ermessen der Behörde stellt. Nach der weitaus überwiegenden Auffassung 369 ist jedoch auch diese Entscheidung streng konditional strukturiert. Zur Begründung wird im wesentlichen auf Art. 14 Abs. 1 GG abgestellt. Mit dieser Vorschrift sei es unvereinbar, daß der Gesetzgeber nicht selbst Inhalt und Schranken des Eigentums bestimme, sondern es der Baugenehmigungsbehörde überlasse, nach ihrem Ermessen über die Zulässigkeit eines sonstigen Vorhabens im Außenbereich zu entscheiden. Auch auf Tatbestandsebene unterliegt die Baugenehmigung vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Die einschlägigen Vorschriften enthalten zwar eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe; diese ermächtigen die Behörde jedoch nicht zu ihrer letztverbindlichen Auslegung. 370 369 BVerwGE 18, 247 (249 ff.); Söjker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg (Hrsg.), BauGB, § 35 Rn. 73 (Stand: Februar 1997); Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Lohr, BauGB, 7. Aufl. 1999, § 35 Rn. 43; weitere Nachw. bei Schmaltz. , in: Schrödter (Hrsg.), BauGB, 6. Aufl. 1998, § 35 Rn. 49; a.A. soweit ersichtlich lediglich Fisalke, ZfBR 1988, 166 ff. und Ortloff, NVwZ 1988, 320 (322). 370 Dies ist in Rspr. und Lit. allgemein anerkannt, vgl. nur Gerhardt (Fn. 302), § 114 Rn. 79 m. w. N. Eine Diskussion, wie sie um die gerichtliche Prüfung unbestimmter Rechtsbegriffe im Umweltrecht geführt wird, kennt das Baurecht nicht. Dies liegt daran, daß die Verhältnisse im Baurecht, im Gegensatz zum Umweltrecht, wo die Gerichte bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung wegen der hohen Komplexität und besonderen Dynamik der geregelten Materie faktisch an ihre Funktionsgrenzen stoßen, regelmäßig überschaubar und auch in technischer Hinsicht weitaus weniger kompliziert sind. Dies gilt sowohl für die außerrechtlichen Standards etwa im bezug auf die verunstaltende Wirkung eines Bauwerks oder dessen Einfügung in die Umgebung als auch für den Ablauf des Verfahrens. Die Konditionalstruktur der Baugenehmigung ändert sich auch nicht dadurch, daß die materiellen Regeln über die Zulässigkeit eines Vorhabens teilweise aus Bebauungsplänen folgen und damit auf einem Planungsakt beruhen, Kühling (Fn. 271), Rn. 33. 7*

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bb) Vielzahl der Verfahrensbeteiligten Wie in den Zulassungsverfahren des Umweltrechts wird auch im Baugenehmigungsverfahren über die Nutzung von Raum entschieden. Gegenstand der Baugenehmigung sind aber typischerweise Vorhaben mit einem kleineren Flächenbedarf und geringerem Beeinträchtigungspotential. Aus diesem Grund reduziert sich die Zahl der Vorhabengegner auf ein überschaubares Maß. Das Baugenehmigungsverfahren zählt typischerweise nicht zu den Massen verfahren. Theoretisch besteht zwar auch hier die Möglichkeit, daß Drittbetroffene ihre Einwendungen gegen den Bauantrag erst vor Gericht geltend machen und sich die eigentliche Konfliktbewältigung somit in den Verwaltungsprozeß verlagert; dieser Gefahr kann die Genehmigungsbehörde aber aus eigener Kraft, das heißt im Wege eigener Amtsermittlung entgegenwirken. Wegen der überschaubaren Zahl der Vorhabengegner ist die Baugenehmigungsbehörde bei der Sachverhaltsermittlung auf die Mitwirkung Dritter nicht zwingend angewiesen. Zudem stellt sich die Frage, ob die materielle Präklusion in der Gestalt, die sie in § 55 LBO BW erhalten hat, überhaupt geeignet ist, zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 2 LBO BW werden nämlich nur die „Eigentümer angrenzender Grundstücke" von dem Bauantrag benachrichtigt und bei Fristversäumnis präkludiert. Bei dieser Personengruppe handelt es sich aber nur um einen kleinen Teil 3 7 1 des ohnehin überschaubaren Kreises der potentiell drittbetroffenen Nachbarn, 372 der der Behörde darüberhinaus bereits mit Namen und Anschrift bekannt ist; der Eintritt der Präklusionswirkung setzt nämlich gemäß § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW voraus, daß die Behörde die Angrenzer von dem Bauantrag zuvor individuell per Zustellung benachrichtigt hat. 373 Daher wird es ihr aber auch ohne eine Präklusionsdrohung nicht schwerfallen, das Rügepotential dieser Personengruppe zu ermitteln. Hinzu kommt, daß das materiell-administrative Entscheidungsprogramm gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 LBO BW nur „aus den von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften" besteht. Diese Passage hat der Verwaltungsgerichtshof Baden· Württemberg überzeugend dahingehend ausgelegt, daß die Genehmigungsbehörde nur noch solche öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen hat, die nicht Gegenstand eines anderen selbständigen und durch Verwaltungsakt abzuschlie371 Eigentümer angrenzender Grundstücke sind lediglich die Eigentümer der Grundstücke, die mit dem Baugrundstück eine gemeinsame Grenze haben (höchstens noch bei einem Fußweg oder einem Bach zwischen den Grundstücken zu bejahen), Ruf, Die neue Bauordnung in Baden-Württemberg, 1996, § 55 Rn. 4. 37 2 Kritisch auch Röhl/Ladenburger (Fn. 19), S. 59. 373 Die Erfassung der Angrenzer wird der Behörde regelmäßig keine Schwierigkeiten bereiten. Entweder wird die Gemeinde die entsprechenden Namen und Anschriften dem schriftlichen Teil des Lageplans entnehmen (vgl. diesbezüglich § 4 Abs. 6 Nr. 2 der Verfahrensordnung zur LBO BW) oder bei Zweifeln an der Richtigkeit der dortigen Angaben die aktuellen Eigentümer mit Hilfe des Grunderwerbsverzeichnisses feststellen.

III. Verfassungsrechtliche Legitimation

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ßenden behördlichen Verfahrens sind. 374 Dadurch wird der Prüfungsumfang der Baugenehmigungsbehörde und damit korrespondierend auch das Ausmaß der erforderlichen Sachverhaltsermittlung zusätzlich reduziert. Zusammenfassend läßt sich somit festhalten, daß die materielle Präklusion in § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW weder geeignet noch erforderlich ist, um die vollständige administrative Erfassung des der Baugenehmigung zugrundeliegenden Sachverhalts vor Erlaß der Entscheidung sicherzustellen.

cc) Divergierende rechtliche Interessen Auch das Βaugenehmigungsverfahren basiert auf dem Dreiecksverhältnis von Antragsteller, Behörde und Nachbarn und erfordert daher einen Ausgleich der betroffenen Interessen. Im Baurecht sind diese jedoch anders zu gewichten als in den komplexen Zulassungsverfahren des Umweltrechts. Wegen des (auch) für den Antragsteller überschaubaren Kreises potentiell Drittbetroffener sinkt sein Bedürfnis nach Investitions- und Planungsschutz und damit auch die Notwendigkeit, die in dieser Hinsicht verbleibenden Risiken durch den Einsatz einer materiellen Präklusionsnorm zu Lasten der drittbetroffenen Nachbarn zu reduzieren. Darüber hinaus ist auch die Angemessenheit des in § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW angeordneten Einwendungsausschlusses zur Schaffung von Investitionssicherheit fraglich, da sich seine Wirkung lediglich auf die „Eigentümer angrenzender Grundstücke" erstreckt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß § 55 LBO BW einen sehr engen (formellen) Nachbarbegriff definiert. Der Kreis der potentiellen Drittkläger ist demgegenüber erheblich weiter. Rechtsbehelfe gegen die Baugenehmigung kann nämlich jeder einlegen, der möglicherweise von den Auswirkungen des geplanten Vorhabens in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist (materieller Nachbarbegriff). Dazu zählen nach den Grundsätzen des baurechtlichen Drittschutzes aber nicht nur die Eigentümer der unmittelbar angrenzenden Grundstücke, sondern auch die dinglich Berechtigten (Eigentümer, Nießbraucher, Erbbauberechtigte etc.) weiter entfernt liegender Grundstücke, soweit ihre Grundstükke noch im Einwirkungsbereich des Vorhabens liegen. Die Anwendung des § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW auf diesen Personenkreis im Wege einer Analogie scheitert an dem Ausnahmecharakter dieser Vorschrift. 375 Wegen der erheblichen Differenz zwischen formellem und materiellem Nachbarbegriff ist der durch die materielle Präklusion für den Bauherrn zu erzielende Gewinn an Planungs- und Investitions374 VGH B-W, NVWZ-RR 1997, 156 f. Damit hat sich das Land Baden-Württemberg von der sog. Schlußpunkttheorie verabschiedet. Dieses Vorgehen ist zulässig, da sich das Verhältnis der verschiedenen Genehmigungen untereinander aus dem Landesrecht ergibt, siehe BVerwGE 99, 351 (353). 375 Materielle Präklusionsnormen sind generell analogiefeindlich. Allgemein zum Analog(ieverbot) bei Präklusionsnormen Ortloff(Fn. 33), § 87 b Rn. 12 m. w. N.

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Sicherheit marginal und steht daher außer Verhältnis zu den durch § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW verursachten Eingriffen in die Rechte der drittbetroffenen Nachbarn.

dd) Ergebnis Die in § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW angeordnete materielle Präklusion wird von keiner der drei in Betracht kommenden Rechtfertigungslinien erfaßt und ist daher verfassungswidrig. 376 Dennoch hat der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bejaht. 377 Zur Begründung stützt er sich auf folgende Argumente: (1) Die höchstrichterlich festgestellte verfassungsrechtliche Legitimation der materiellen Präklusion in anderen Verfahrenszusammenhängen, insbesondere denen des Atom- und Bundesfernstraßenrechts. (2) Ihr Ziel, das „Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und zu konzentrieren" sowie (3) die „Bestandskraft der Baugenehmigung gegenüber denjenigen Angrenzern [zu] stärken, die sich nicht oder nicht rechtzeitig am Verwaltungsverfahren beteiligt haben und damit das Risiko des Bauherrn, daß gegen die ihm erteilte Baugenehmigung nachträglich Rechtsbehelfe eingelegt werden, überschaubarer zu machen". Diese Argumentation ist nicht stichhaltig. Die Berufung auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der materiellen Präklusion im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren und der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung überzeugt nicht, da sich das Baugenehmigungsverfahren - wie dargelegt - von diesen strukturell erheblich unterscheidet. Beschleunigung und Konzentration des Baugenehmigungsverfahrens sind zwar zulässige gesetzgeberische Motive, aber mangels verfassungsrechtlichen Eigenwerts nicht in der Lage, die durch die materielle Präklusion verursachten Verfassungsbeschränkungen als kollidierendes Verfassungsrecht zu legitimieren. 378 Auch das dritte Argument greift nicht. Zwar kennt das baden-württembergische Baugenehmigungsverfahren im Gegensatz zu den Zulassungsverfahren des Umweltrechts keine Zustellungsfiktion gegenüber Dritten, die keine Einwendungen erhoben haben. 379 Dies ist aber wegen der geringen Zahl potentieller Vorhabengegner und wegen des engen baurechtlichen Nachbarbegriffs (der immer eine dingliche Berechtigung voraussetzt 380) gar nicht erforderlich, um die Interessen des Bauherrn angemessen zu schützen. Auch insoweit bedarf es also keiner prozessualen Präklusion. § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW ist daher verfassungswidrig. 376 Zur kompetenzrechtlichen Problematik der Anordnung materieller Präklusionsnormen durch die Länder siehe die Ausf. zu IV. in diesem Kapitel. 377 NVwZ 1998,986. 378 Siehe dazu III. 2. c) in diesem Kapitel. 379 Zuzustellen ist die Baugenehmigung gemäß § 58 Abs. 1 S. 5, S. 6, Hs. 1 LBO BW nur an den Antragsteller sowie an die Angrenzer und Nachbarn, deren Einwendungen gegen das Vorhaben nicht entsprochen worden ist. 3H0 Vgl. nur Wahl/Schütz (Fn. 57), § 42 II Rn. 143.

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b) Materielle Präklusion in der bayerischen Bauordnung In der bayerischen Bauordnung ist die Beteiligung der Nachbarn in Art. 71 BayBO geregelt. Dabei wird, anders als in Baden-Württemberg, zwischen einfachen (Art. 71 Abs. 1 - 3 BayBO) und komplexen (Art. 71 Abs. 4 BayBO) Bauvorhaben differenziert. Art. 71 Abs. 1 S. 1 BayBO verpflichtet den Bauherrn (oder seinen Beauftragten), den Eigentümern der benachbarten Grundstücke 381 Lageplan und Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Ihre Unterschrift gilt gemäß Art. 71 Abs. 1 S. 2 BayBO als Zustimmung. Verweigert ein auf diese Weise benachrichtigter Eigentümer seine Unterschrift, kann ihn die Gemeinde gemäß Art. 71 Abs. 1 S. 3 BayBO auf Antrag des Bauherrn von dem Bauantrag benachrichtigen und ihm eine Frist für die Erhebung von Einwendungen setzen. Der Ablauf dieser Frist führt aber lediglich zu einer formellen Präklusion und ist daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Eine andere Form der Nachbarbeteiligung ermöglicht Art. 71 Abs. 4 BayBO für „bauliche Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs geeignet sind, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, zu benachteiligen oder zu belästigen". Ein Projekt, daß diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Bauaufsichtsbehörde auf Antrag des Bauherrn öffentlich bekanntmachen. Mit Ablauf einer Frist von einem Monat nach der Bekanntmachung sind gemäß Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO alle öffentlich-rechtlichen Einwendungen gegen die Anlage ausgeschlossen. Diese Präklusion erstreckt sich auch auf ein nachfolgendes Rechtsbehelfsverfahren. Aufbauend auf den Überlegungen, die zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Präklusion im Βaugenehmigungsverfahren Baden-Württembergs geführt haben, kann sich die entsprechende Prüfung des Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO darauf beschränken, Unterschiede zwischen den präklusionsbewehrten Baugenehmigungsverfahren beider Bundesländer herauszuarbeiten und anschließend zu analysieren, ob diese eine andere Bewertung des Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO rechtfertigen.

aa) Unterschiede zwischen Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO und § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW Die erste Besonderheit der materiellen Präklusion in der bayerischen Bauordnung ist, daß sie nur bei der Genehmigung von Vorhaben zum Einsatz kommt, die die speziellen Voraussetzungen des Art. 71 Abs. 4 S. 1 BayBO erfüllen, während § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW seine präklusivische Wirkung grundsätzlich in jedem Β augenehmigungs verfahren entfaltet (1). Daneben unterscheiden sich beide Prä381 Im Falle der Existenz eines Erbbaurechts tritt gemäß Art. 74 Abs. 3 S. 1 BayBO der Erbbauberechtigte an die Stelle des Eigentümers.

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klusionsnormen hinsichtlich ihrer Reichweite, das heißt hinsichtlich des Umfangs des von ihnen betroffenen Personenkreises (2).

(1) Begriff des Vorhabens in Art. 71 Abs. 4 S. 1 BayBO Die materielle Präklusion des Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO greift nur bei „baulichen Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs geeignet sind, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, zu benachteiligen oder zu belästigen." Solche Anlagen sind zwar im bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren die Ausnahme, bilden aber dennoch eine typisierungsfähige und abgrenzbare Vorhabengruppe (vgl. z. B. Art. 2 Abs. 4 S. 2 Nr. 16 BayBO). Zu denken ist insbesondere an emittierende Anlagen, wie Krankenhäuser, große Einkaufszentren, Messegelände oder Gewerbebetriebe, aber auch an neuere bauordnungsrechtliche Erscheinungsformen, wie Factory Outlet Center (FOC) oder Großkinos, die aufgrund ihres hohen Flächenbedarfs 382 und ihrer besonderen Anziehungskraft („Magnetfunktion") eine Vielzahl Dritter betreffen und wegen ihres weiten Einzugsbereichs zudem ein hohes Gefährdungspotential für die Innenstädte benachbarter Kommunen darstellen. 383 Vorhaben der genannten Art können durchaus die für die Rechtfertigung der materiellen Präklusion erforderliche Massenschwelle erreichen.

(2) Umfang des präklusionsbedrohten

Personenkreises

Art. 71 Abs. 4 BayBO enthält keine Legaldefinition des präklusionsbedrohten Personenkreises. Nach Art. 71 Abs. 4 S. 4 Nr. 2 BayBO ist jedoch in der Bekanntmachung des Vorhabens darauf hinzuweisen, wo und wann Beteiligte im Sinne des 382 So variieren z. B. die Verkaufsflächen für FOC zwischen ca. 5000 m 2 bis hin zu 40 000 m 2 , Uechtritz, BauR 1999, 572 (581). 383 In Betracht kommen also insbesondere Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 BImSchG, die zwar nicht (oder nicht mehr) dem immissionschutzrechtlichen, dafür aber dem baurechtlichen Genehmigungsvorbehalt unterfallen. Bereits die Wendung „bauliche Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs geeignet sind, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, zu benachteiligen oder zu belästigen" ist erkennbar § 4 Abs. 1 BImSchG nachempfunden. Allerdings hat der bayerische Gesetzgeber versucht, an den Grad der Gefährdung bzw. Benachteiligung oder Belästigung geringere Anforderungen zu stellen als der Bundesgesetzgeber in § 4 Abs. 1 BImSchG, um Art. 71 Abs. 4 BayBO nicht wegen mit § 4 Abs. 1 BImSchG identischen Anforderungsniveaus leerlaufen zu lassen (siehe § 13 S. 1, Hs. 1 BImSchG): So greift der Genehmigungsvorbehalt des § 4 Abs. 1 BImSchG beispielsweise nur, wenn eine „erhebliche" Benachteiligung oder Belästigung der Allgemeinheit bzw. der Nachbarschaft zu besorgen ist. Die Abgrenzung zu § 4 Abs. 1 BImSchG bereitet in der Praxis allerdings keine großen Schwierigkeiten, da über die immissionschutzrechtliche Genehmigungspflicht letztlich nicht abstrakt-generell durch § 4 Abs. 1 BImSchG, sondern durch die konkret-typenbezogene Auflistung genehmigungspflichtiger Vorhaben in der 4. BImSchV entschieden wird.

III. Verfassungsrechtliche Legitimation

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Abs. 2 S. 1 und des Abs. 3 Einwendungen gegen das Vorhaben erheben können. Durch diesen Verweis auf das in den Abs. 1 - 3 des Art. 71 BayBO geregelte einfache Genehmigungsverfahren wird erkennbar auf den dort geltenden (formellen) Nachbarbegriff bezug genommen. Das entspricht im übrigen auch der systematischen Stellung des Abs. 4 - und zwar sowohl innerhalb des Art. 71 BayBO als auch im Gesamtgefüge des Bauordnungsrechts. Aus teleologischer Sicht ist dieses Ergebnis allerdings überraschend, da die Vorteile einer Einwendungsmöglichkeit verbunden mit einer materieller Präklusion nach Fristablauf um so größer sind, je weiter man den Kreis der Einwender mit dem Kreis der potentiell Klagebefugten zur Deckung bringt. 384 Insoweit scheint Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO die gleichen Defizite aufzuweisen wie § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW. Diese vermeintliche Schwäche relativiert sich allerdings bei einer näheren Betrachtung des formellen Nachbarbegriffs der bayerischen Bauordnung. Dieser ist im Vergleich zur Bauordnung Baden-Württembergs, wo nur die Eigentümer angrenzender Grundstücke beteiligt werden, äußerst weit gefaßt. Art. 71 Abs. 1 S. 1 (i.V.m. S. 6), Abs. 3 S. 1 BayBO nennt insoweit die Eigentümer benachbarter Grundstücke und die an ihre Stelle tretenden Erbbauberechtigten. Diese Definition ist zwar nur eingeschränkt brauchbar, da sie letztlich „Nachbar" mit „benachbart" definiert, eröffnet aber einen Auslegungsspielraum, von dem großzügig Gebrauch gemacht wird. Insbesondere wird der Begriff „benachbart" nicht nach dem äußeren Merkmal des „Angrenzens" bestimmt. 385 Maßgeblich ist vielmehr der Ein Wirkungsbereich des geplanten Vorhabens. 386 Die Nachbareigenschaft eines Grundstücks richtet sich also insbesondere nach Art und Intensität der von der baulichen Anlage ausgehenden Beeinträchtigungen. Damit deckt sich der formelle Nachbarbegriff der bayerischen Bauordnung weitgehend mit dem materiellen Nachbarbegriff des Baurechts, 387 so daß die in Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO angeordnete materielle Präklusion in der Lage ist, die durch die Vielzahl Drittbetroffener für die Genehmigungsbehörde und den Antragsteller entstehenden Probleme zu reduzieren.

bb) Ergebnis Wegen ihres Zuschnitts auf komplexe Bauvorhaben, die typischerweise eine Vielzahl Dritter betreffen und des weiten formellen Nachbarbegriffs der bayerischen Bauordnung ist die in Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO angeordnete Präklusion 384 Berücksichtigt man, daß die materielle Präklusion auch den Zweck verfolgt, die administrative Informationsbasis vor Erlaß der Entscheidung zu verbreitern, kann es sogar sinnvoll sein, auch sonstigen Betroffenen die Erhebung von Einwendungen zu ermöglichen. 385 38

Simon, Bayerische Bauordnung 1994, Art. 78 Rn. 3 b) m. w. N. 6 BayVGH, NVwZ-RR 1998, 487 (488); Simon, ebd.

387 Oder anders ausgedrückt: Der Kreis der am Β augenehmigungs verfahren zu beteiligenden und damit präklusionsbedrohten Personen mit dem Kreis der vom personellen Schutzbereich der baurechtlichen Schutznormen erfaßten und daher klagebefugten Personen.

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materiell 388 verfassungsgemäß. 389 Allerdings ist der Vorhabenbegriff des Art. 71 Abs. 4 S. 1 BayBO restriktiv auszulegen. Er darf nur bejaht werden, wenn (ex ante) zu erwarten ist, daß das entsprechende Verfahren auch tatsächlich die „Massenschwelle" erreicht.

6. Annex: Die Vorhabengenehmigung nach dem UGB-KomE Die Unabhängige Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch hat seit Juli 1992 - basierend auf der Arbeit der sog. Professorenentwürfe 390 - einen Gesetzesvorschlag für eine einheitliche Kodifikation des Umweltrechts erarbeitet und diesen Anfang 1997 fertiggestellt. Der Kommissionsentwurf, der Grundlage eines entsprechenden Referenten- und Regierungsentwurfs werden soll, enthält im Dritten Kapitel „Vorhaben" (§§ 80-114) seines Allgemeinen Teils Regeln über eine einheitliche Vorhabengenehmigung und zieht damit das Verfahrensrecht weitgehend „vor die Klammer" des Besonderen Teils. Wesentlicher Bestandteil des Genehmigungsverfahrens ist die Beteiligung der Öffentlichkeit und gemäß § 87 Abs. 4 S. 3 UGB-KomE der Ausschluß verspätet vorgetragener Einwendungen auch für das gerichtliche Verfahren.

a) Vielzahl der Verfahrensbeteiligten rechtliche Interessen

- Divergierende

Nach § 81 Abs. 1 UGB-KomE unterfallen nur solche Vorhaben dem Genehmigungsvorbehalt des Kommissionsentwurfs, „die in besonderem Maße geeignet sind, nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt oder den Menschen hervorzurufen". Genau das sind aber wiederum die Vorhaben, bei deren Zulassung mit einer regen Verfahrensbeteiligung der Öffentlichkeit und einer Vielzahl Drittbetroffener zu rechnen ist und die daher einen Ausgleich vielschichtiger, regelmäßig divergierender Interessen erfordern. Hinzu tritt eine Erweiterung des prozessualen 388

Zur kompetenziellen Problematik der Anordnung materieller Präklusionsnormen durch die Länder siehe die Ausf. zu IV. in diesem Kapitel. 389 Als nicht tragfähig erweist sich indes die Rechtfertigungslinie, die an die Rücknahme der gerichtlichen Kontrollintensität anknüpft, da es auch bei Vorhaben im Sinne des Art. 71 Abs. 4 S. 1 BayBO bei dem Prinzip vollständiger gerichtlicher Kontrolle bleibt. Allerdings ist zu bedenken, daß gerade bei diesen Vorhaben häufig § 22 BImSchG zum materiellen Prüfungsprogramm der Bauaufsichtsbehörde gehört, dessen Tatbestand unbestimmte Rechtsbegriffe mit naturwissenschaftlich-technischem Einschlag enthält und damit wiederum einen Anknüpfungspunkt für die Diskussion um die Einschränkung gerichtlicher Kontrolle im Umweltrecht bietet. 390 in den Jahren 1990 und 1994 haben zwei aus Universitätsprofessoren bestehende Kommissionen Entwürfe für den Allgemeinen sowie den Besonderen Teil eines Umweltgesetzbuches vorgelegt, Kloepfer/ Rehbinder/ Schmidt-Aßmann / Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, 1990 und Jarass / Kloepfer u. a., Umweltgesetzbuch - Besonderer Teil, 1994.

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Rügepotentials: Gemäß § 44 UGB-KomE haben Drittbetroffene ein subjektives Recht auf Einhaltung der Vorsorgegrenzwerte. Drittschutz besteht damit nicht mehr wie nach der bisherigen Rechtslage nur im Bereich der Gefahrenabwehr, 391 sondern auch im Bereich der Risikovorsorge, soweit Grenzwerte festgelegt worden sind.

b) Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte Bezüglich der gerichtlichen Kontrolldichte gilt folgendes: Die Vorhabengenehmigung wird gemäß § 80 Abs. 2 UGB-KomE in drei Formen erteilt: Als gebundene, planerische oder einfache Vorhabengenehmigung.392 Die planerische Vorhabengenehmigung erfordert gemäß § 102 Abs. 1 S. 1 UGB-KomE eine - über die in § 84 UGB-KomE genannten allgemeinen Genehmigungsvoraussetzungen hinausgehende - umfassende Abwägung der durch das Vorhaben betroffenen öffentlichen und privaten Belange. Dadurch sollen die im Fachplanungsrecht entwickelten Grundsätze zur behördlichen Abwägung einschließlich ihrer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit, in die planerische Vorhabengenehmigung inkorporiert werden. 393 Eine weitere Reduktion der Kontrolldichte bewirkt de facto auch § 102 Abs. 2 UGB-KomE, wonach Mängel im Abwägungsvorgang nur dann erheblich sind, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind. Die gebundene Vorhabengenehmigung ist dagegen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu erteilen, ohne daß der Verwaltung, wie etwa gegenwärtig im Atomrecht, ein Versagungsermessen eingeräumt würde. Dies spricht zunächst für ihre vollständige gerichtliche Überprüfbarkeit. Allerdings werden der Verwaltung auf Tatbestandsseite erhebliche Beurteilungsspielräume eingeräumt. So beschränkt § 43 UGB-KomE die gerichtliche Kontrolle administrativer Prognosen und Bewertungen, die naturwissenschaftlich-technischen Sachverstand voraussetzen, auf die Frage, ob diese nachvollziehbar sind und das vorgeschriebene Ver391 Eine Ausnahme bilden wegen der diesbezüglichen Rspr. des EuGH die Vorsorgegrenzwerte der EG-Richtlinien zur Begrenzung von Schadstoffen in den verschiedenen Umweltmedien, siehe dazu die Nachw. in Fn. 230. 392 Eine materielle Einwendungspräklusion ist sowohl im Rahmen der gebundenen (§ 87 Abs. 4 S. 3 UGB-KomE) als auch der planerischen Vorhabengenehmigung (§ 101 UGB-KomE i.V.m. § 87 Abs. 4 S. 3 UGB-KomE), nicht aber bei der einfachen Vorhabengenehmigung (§110 Abs. 2 UGB-KomE) vorgesehen. § 110 Abs. 2 UGB-KomE erklärt nur einzelne Verfahrensbestimmungen der §§ 83 ff. UGB-KomE für das vereinfachte Genehmigungsverfahren für anwendbar. Auf § 87 Abs. 4 S. 3 UGB-KomE wird nicht verwiesen. In der Entwurfsbegründung wird noch einmal ausdrücklich klargestellt (S. 668), daß die materielle Präklusion im Rahmen des § 109 UGB-KomE grundsätzlich nicht zum Einsatz kommt. Allerdings sieht § 109 Abs. 3 UGB-KomE in Anlehnung an § 19 Abs. 3 BImSchG vor, daß auf Antrag des Vorhabenträgers das Projekt nach den Verfahrensvorschriften über die gebundene bzw. planerische Vorhabengenehmigung, das heißt einschließlich § 87 Abs. 4 S. 3 UGB-KomE, zu genehmigen ist. 393 Begründung zum UGB-KomE, S. 659 f.

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fahren eingehalten wurde. 394 Dies gilt sowohl für untergesetzliche Regelwerke als auch für Bewertungen im Einzelfall. 395 Auch die Erteilung der gebundenen Vorhabengenehmigung ist daher nicht als gerichtlich voll überprüfbare Entscheidung konzipiert worden. c) Fazit Auch die im Kommissionsentwurf zum Umweltgesetzbuch konzipierte einheitliche Vorhabengenehmigung verfügt somit über die für die Rechtfertigung der materiellen Präklusion erforderlichen Strukturmerkmale.

IV. Kompetenz der Länder zum Erlaß materieller Präklusionsnormen Da die Präklusionsnormen nicht nur das administrative, sondern auch das gerichtliche Verfahren betreffen, stößt ihre Anordnung durch die Landesgesetzgeber zudem in bezug auf die grundgesetzliche Kompetenzverteilung der Art. 70 ff., 83 ff. GG auf verfassungsrechtliche Bedenken. Denn die Befugnis zur Regelung des gerichtlichen Verfahrens liegt gemäß Art. 72, 74 Nr. 1 GG nicht bei den Ländern, sondern als konkurrierende Gesetzgebungskompetenz beim Bund, der von ihr für den Bereich des Verwaltungsrechts mit Erlaß der VwGO auch Gebrauch gemacht hat. Das sich damit abzeichnende Konfliktpotential ließe sich bereits im Vorfeld entschärfen, würde man die materielle Präklusion als ein das subjektive Recht vernichtendes und damit die materielle Rechtslage unmittelbar gestaltendes Institut begreifen, an das die prozessualen Folgeregelungen lediglich anknüpfen. In diesem Fall würden die Präklusionsnormen von vornherein nicht in den Kompetenzbereich des Art. 74 Nr. 1 GG fallen. Nach der hier vertretenen Konzeption scheidet eine solche Lösung allerdings aus. Es wurde dargelegt, daß die Präklusion weder zu einem Untergang des materiellen Abwehrrechts führt, noch diesem seine subjektiv-rechtliche Qualität nimmt. 3 9 6 Ebensowenig handelt es sich bei den pro394 § 43 UGB-KomE erlangt insbesondere bei der Prüfung Bedeutung, ob die für das Vorhaben geltenden Grundpflichten (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 UGB-KomE i.V.m. § 83 UGB-KomE) erfüllt sind, da diese weitgehend als unbestimmte Rechtsbegriffe mit naturwissenschaftlichtechnischem Einschlag formuliert worden sind (z. B. § 469 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-Nr. 3, S. 2 UGB-KomE i.V.m. § 83 Abs. 1 Nr. 1-Nr. 3 UGB-KomE - „Stand der Wissenschaft und Technik" oder § 422 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UGB-KomE i.V.m. § 83 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 - „Stand der Technik"). Die Grundpflichten des § 83 KomE werden in den jeweiligen Fachkapiteln des Besonderen Teils diversifiziert, vgl. z. B. § 469 Abs. 1 UGB-KomE für die Errichtung, den Betrieb oder das sonstige Innehaben kerntechnischer Anlagen oder § 422 Abs. 1 UGB-KomE für die Errichtung und den Betrieb bestimmter immissionsschutzrechtlicher Anlagen. 39 5 Begründung zum UGB-KomE, S. 534. 396 Siehe dazu die Ausf. in Teil A.

IV. Kompetenz der Länder zum Erlaß materieller Präklusionsnormen

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zessualen Folgen der Präklusion um einen bloßen „Reflex" eindeutig auf die Regelung des Verwaltungsverfahrens zielender Vorschriften. Das zeigt bereits die Existenz der formellen Präklusionsnormen, deren präklusivische Wirkung sich allein auf das Verwaltungsverfahren beschränkt. Als Beispiel mögen § 73 Abs. 4 VwVfG oder die Präklusionsnormen der Baugenehmigungsverfahren Bayerns und BadenWürttembergs in ihren jeweiligen alten Fassungen dienen. Die Neugestaltung dieser Vorschriften in den letzten Jahren verfolgte allein den Zweck, ihre bisher auf das Verwaltungsverfahren beschränkte Wirkung auf den Verwaltungsprozeß zu erstrecken. Auch dies zeigt, daß die materielle Präklusion einen eigenständigen das gerichtliche Verfahren gezielt gestaltenden Normbefehl enthält und damit (auch) zur Kompetenzmaterie der Art. 72, 74 Nr. 1 GG gehört. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zur formellen Verfassungswidrigkeit der landesrechtlichen Präklusionsnormen. Da die VwGO Ausfluß konkurrierender Gesetzgebung des Bundes ist, entfaltet sie gemäß Art. 72 GG nur Sperrwirkung, soweit sie eine abschließende Regelung darstellt und kein partieller Regelungsvorbehalt zu Gunsten der Länder besteht. Zwar ist anerkannt, daß der Bundesgesetzgeber mit Erlaß der VwGO das verwaltungsgerichtliche Verfahren erschöpfend geregelt hat. 397 Zu klären bleibt aber, ob nicht ein entsprechender Regelungsvorbehält zu Gunsten der Länder besteht. Ein solcher läßt sich vorliegend - zumindest für das Recht der Planfeststellung - § 73 Abs. 4 VwVfG entnehmen, durch den der Bundesgesetzgeber die materielle Präklusion fachgebietsübergreifend im VwVfG verankert hat. Dafür sprechen folgende Überlegungen: Ziel des Verwaltungs Verfahrensgesetzes war insbesondere die Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts in Bund und Ländern. Dabei war dem Bundesgesetzgeber von Beginn an klar, daß dieses Ziel aus Kompetenzgründen nur durch eine möglichst konkordante, also übereinstimmende Gesetzgebung in Bund und Ländern erreicht werden konnte. Dem VwVfG sollte dabei eine Vorbild- und Leitfunktion für das Verwaltungsverfahrensrecht der Länder zukommen, 398 die es in praxi auch erfüllt hat. 3 9 9 An dieser Funktion und Zielsetzung des VwVfG hat sich bis heute nichts geändert. So hat die Bundesregierung noch in den Vorbemerkungen zum Entwurf des GenBeschlG - durch das die materielle Präklusion in § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG verankert wurde - ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die „zur Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung notwendige Wahrung des Gleichklangs von Bundesund Landesverwaltungsverfahrensgesetzen" „ eine Übernahme der Regelungen des 397 BVerfGE 20, 238 (248 f.); Ε 83, 24 (30); Schmidt-Aßmann (Fn. 49), Einl Rn. 66 m. w. N. 398 Vgl. nur Riedl, in: Obermayer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1999, Einl Rn. 55 m. w. N. 399 Die Verfahrensgesetze der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen folgen grundsätzlich sowohl in der Numerierung der einzelnen Vorschriften als auch in ihrem Wortlaut dem VwVfG. Die übrigen Bundesländer haben Verweisungsgesetze erlassen, die die Bestimmungen des VwVfG mit einigen Anpassungsvorschriften als Landesrecht übernehmen.

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. e f s r e c h t l i c h e Zulässigkeit der materiellen Präklusion

vorliegenden Entwurfs in die Landesverwaltungsverfahrensgesetze" erfordere. 400 Hinzu kommt, daß die materielle Präklusion auf Bundesebene bereits weitgehend spezialgesetzlich normiert war, bevor sie durch die Neufassung des § 73 Abs. 4 VwVfG auch in das VwVfG integriert wurde. 401 Das läßt die Leitfunktion des § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG n. F. gerade im vorliegenden Zusammenhang besonders deutlich hervortreten. Aus diesen Gründen kann § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG als die (konkludente) Ermächtigung des Bundes an die Länder verstanden werden, ihre Verwaltungsverfahrensgesetze entsprechend anzupassen und das Institut der materielle Präklusion in ihr Planfeststellungsrecht zu integrieren. Für die materiellen Präklusionsnormen in den Baugenehmigungsverfahren der Länder fehlt ein solcher Regelungsvorbehalt. § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG kann in diesem Zusammenhang nicht fruchtbar gemacht werden. Dagegen spricht bereits seine systematischen Stellung im zweiten Abschnitt des fünften Teils des VwVfG („Planfeststellung"). Da auch keine andere Ermächtigung zu Gunsten der Länder ersichtlich ist, sind die landesrechtlichen Präklusionsvorschriften außerhalb des Rechts der Planfeststellung wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz der Länder als verfassungswidrig einzustufen.

400 BT-Drucks. 13/3995, S. 2. Dieser Aufforderung sind die Länder überwiegend auch bereits gefolgt. Zum Stand der Rezeption: Sodan, DVB1. 1999, 729 (730). 401 Durch das dritte Rechtsbereinigungsgesetz vom 28. 6. 1990 (BGBl. I, S. 1221) ist die materielle Präklusion zunächst in § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG und § 36 d Abs. 2 S. 1 BBahnG (mittlerweile § 20 Abs. 2 S. 1 AEG) verankert worden; durch das Planungsvereinfachungsgesetz vom 17. 12. 1993 (BGBl. I, S. 2123) dann in § 29 Abs. 4 S. 1 PBefG und § 10 Abs. 4 S. 1 LuftVG. Auch im Magnetschwebebahnplanungsgesetz (MBP1G) vom 23. 11. 1994 (BGBl. I, S. 3486) ist in § 5 Abs. 2 S. 1 ein materieller Einwendungsausschluß vorgesehen. Ursprünglich führte eine Versäumnis der Einwendungsfrist regelmäßig nur zu einer formellen Präklusion. Eine Ausnahme bildete insoweit lediglich § 17 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 WaStrG a. F. (heute § 17 Nr. 5 S. 1, Hs. 1 WaStrG), dem das BVerwG (E 66, 99, 106) im Jahre 1986 prozessuale Wirkung zusprach.

D. Voraussetzungen und Reichweite der Einwendungslast Das Europäische Gemeinschaftsrecht und das Grundgesetz treffen nicht nur Aussagen über die generelle (Un-)Zulässigkeit der materiellen Präklusion, sondern beeinflussen auch ihre konkrete Ausgestaltung. Dies gilt insbesondere für die Voraussetzungen der Einwendungslast. Da das EG-Recht der materiellen Präklusion bereits als solcher entgegensteht, sind bei der Frage nach den Anforderungen an ihre konkrete Ausgestaltung primär die verfassungsrechtlichen Vorgaben von Interesse. Den verfassungsrechtlichen Maßstab bilden erneut Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG. Beide Vorschriften regeln zwar grundsätzlich nur das gerichtliche und nicht das administrative Verfahren; da beide Verfahren aber nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern funktional zusammenhängen, kann der Gang des Verwaltungsverfahrens den Verlauf eines sich anschließenden Verwaltungsprozesses nachhaltig beeinflussen. Wegen dieser Interdependenz lassen die genannten Prozeßgrundrechte das Verwaltungsverfahren nicht unberührt, sondern gewährleisten (quasi „vorwirkend" 402 ), daß seine Gestaltung die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes und Gehörs nicht unmöglich macht oder unzumutbar erschwert. 403 Bezogen auf die Präklusionsproblematik bedeutet dies, daß das Verwaltungsverfahren nicht so gestaltet sein darf, daß die Möglichkeit eines präklusionshindernden Vortrags ausgeschlossen oder unzumutbar erschwert wird. Zu gewährleisten sind also insbesondere die hinreichende Kenntnis vom Einwendungsverfahren (I.) und dessen Gegenstand (II.) sowie zumutbare Anforderungen an das Vorbringen selbst (III.).

I. Kenntnis vom Verfahren: Die Anforderungen an die Bekanntgabe der Planauslegung Das Entstehen der Einwendungslast setzt zunächst voraus, daß die Betroffenen über Ort und Zeit der Planauslegung sowie ihre Beteiligungsobliegenheit unterrichtet werden. Das geschieht in den hier thematisierten Verfahren grundsätzlich 404 402 Vgl. BVerfGE 61, 82 (110) - Sasbach. 403 Zu den Vorwirkung von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG auf das Verwaltungs verfahren: BVerfG, ebd; Schmidt-Aßmann (Fn. 76), § 70 Rn. 22; zu den entsprechenden Wirkungen des Art. 103 Abs. 1 GG: BVerwG, NVwZ 1984, 234; Knemeyer (Fn. 243), § 155 Rn. 60. 404 Eine Ausnahme bildet insoweit das Β augenehmigungs verfahren Baden-Württembergs, wo die präklusionsbedrohten Personen gem. § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW individuell von dem

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D. Voraussetzungen und Reichweite der Einwendungslast

nicht durch individuelle, sondern durch öffentliche Bekanntgabe.405 Grund dafür ist die großzügige Ausgestaltung der Einwendungsbefugnis. Reicht im Recht der Planfeststellung bereits eine - wie auch immer geartete 406 - Beeinträchtigung eigener Interessen, ist im Anlagengenehmigungsrecht sogar jedermann zur Erhebung von Einwendungen befugt. Das macht es der Zulassungsbehörde unmöglich, alle mutmaßlichen Einwender individuell zu benachrichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn man die Benachrichtigungspflicht auf den Kreis der potentiell Klagebefugten beschränkt, also auf die Personen, die sich möglicherweise auf eine Position im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO berufen können. 407 Es wurde bereits dargelegt, daß die administrativen Ermittlungskapazitäten aufgrund der Komplexität und des erheblichen Einwirkungsbereichs umweltrelevanter Großvorhaben sowie des weiten umweltrechtlichen Nachbarbegriffs an ihre Grenzen stoßen. Ist die Behörde aber nicht in der Lage, alle potentiell Klagebefugten im Vorfeld der Planauslegung zu ermitteln, kann sie diese auch nicht individuell benachrichtigen. 408 Auch im öffentlichen Recht gilt der allgemeine Grundsatz, daß niemand zu einer unmöglichen Leistung verpflichtet werden kann. Aber selbst wenn man unterstellt, der Behörde wäre es unter Bündelung und Konzentration aller personellen und sachlichen Kapazitäten möglich, zumindest die mutmaßlich Rechtsbetroffenen individuell zu benachrichtigen, würde die gesetzliche Anordnung der öffentlichen Bekanntgabe der Planauslegung nicht gegen die Verfassung verstoßen. Es wurde bereits erörtert, daß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG gerade in den polygonalen Verwaltungsrechtsverhältnissen des Umweltrechts nicht absolut, sondern durch andere Prinzipien von Verfassungsrang beschränkt wirken. Der Versuch der zuständigen Behörde, alle denkbaren Klagebefugten individuell von der Planauslegung zu benachrichtigen, wäre mit einem erheblichen Aufwand verbunden und hätte daher Bauantrag benachrichtigt werden. Im Planfeststellungsrecht gilt zudem die Besonderheit, daß nicht ortsansässige Betroffene, deren Person und Aufenthalt der Behörde bekannt sind, individuell benachrichtigt werden sollen, § 73 Abs. 5 S. 3 VwVfG. 405 Exemplarisch § 10 Abs. 3 S. 1 BImSchG, § 73 Abs. 5 S. 1 VwVfG. 406 Ausreichend sind z. B. auch ökologische, ideelle oder wirtschaftliche Interessen, vgl. die Nachw. in Fn. 14. 407 Das konstatiert auch BVerfGE 61, 82 (114) - Sasbach. 408 Zu den geschilderten tatsächlichen Schwierigkeiten treten rechtliche; selbst den Gerichten - obwohl regelmäßig nur mit dem Antrag eines einzelnen und vor allem schon individualisierten Klägers befaßt - bereitet es oft erhebliche Schwierigkeiten, im Bereich des umweltrechtlichen Drittschutzes die klagebefugten von den nicht klagebefugten Rechtsschutzsuchenden zu trennen, dazu Degenhart, Kernenergierecht, 2. Aufl. 1982, S. 77 ff. mit zahlreichen Nachw. aus der Rspr.; Kloepfer (Fn. 61), § 8 Rn. 25. Vor diesem Hintergrund braucht es nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, vor welche Probleme diese Differenzierung die Behörde bei Verfahren mit Tausenden von Einwendern stellt. Das räumen zum Teil sogar diejenigen Stimmen im Schrifttum ein, die zumindest eine Benachrichtigung der potentiell Klagebefugten aus Rechtsschutzgründen für verfassungsrechtlich geboten halten, Blümel, in: FS Weber, 1974, 539 (560 - in Fn. 122). Insbesondere Blümel hat aber die Verfassungsmäßigkeit der öffentlichen Bekanntgabe (auch) der Planauslegung wiederholt in Frage gestellt, Blümel, ebd., S. 559 ff.; ders., VerwArch. 73 (1982), 5 (7 f.); ders., Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungen, 1982, S. 22 (53).

I. Kenntnis vom Verfahren

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einen Anstieg der Verfahrensdauer zur Folge. Das aber würde wiederum mit den verfassungsrechtlich geschützten Positionen des Vorhabenträgers aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG bzw. mit der verfassungsrechtlich verankerten Verantwortung des Staates für die Realisierung von Infrastrukturvorhaben kollidieren. 409 Aus diesem Grunde sind die Regelungen über die öffentliche Bekanntgabe der Planauslegung Ausdruck des in polygonalen Rechtsverhältnissen erforderlichen Interessenausgleichs. Davon abgesehen handelt es sich bei der öffentlichen Bekanntgabe staatlicher Maßnahmen keineswegs um eine exzeptionelle Erscheinung. Sie ist vielmehr in zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen, unter anderem in der Verfassung selbst (Art. 82 Abs. 1 GG), vorgesehen. Der Bürger muß stets damit rechnen, daß in amtlichen Veröffentlichungsblättern ihn betreffende und unter Umständen auch verbindlich-belastende Erklärungen publiziert werden. Ihn trifft insoweit die (zumutbare) Obliegenheit, 410 die für ihn relevanten Verkündungsblätter einzusehen. Als Ergebnis kann somit festgehalten werden, daß die Verfassung den potentiell Drittbetroffenen (die Rechtsbetroffenen eingeschlossen) keinen Anspruch auf individuelle Benachrichtigung über die bevorstehenden Planauslegung vermittelt. Im Fachplanungsrecht ist dieses Ergebnis jüngst in Frage gestellt worden. Dort soll zumindest die individuelle Benachrichtigung der von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffenen wegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verfassungsrechtlich geboten sein. 411 Zur Begründung wird angeführt, für die Enteignungsbetroffenen stelle „das Planfeststellungsverfahren den denkbar intensivsten Grundrechtseingriff 4 dar. 412 Die Pflicht, diese Personen individuell zu benachrichtigen, könne von der Behörde zudem ohne Schwierigkeiten erfüllt werden, da sie nur auf das Grunderwerbsverzeichnis zurückzugreifen brauche, um die dafür erforderlichen Angaben zu erlangen. 413 Diese Auffassung überzeugt nicht. Fraglich ist bereits, ob Art. 14 GG neben Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG überhaupt anwendbar ist. Zwar ist es weitgehend unbestritten, daß das Grundrecht auf Eigentum neben seinem materiellen Gewährleistungsgehalt über eine spezifisch verfahrensrechtliche Dimension verfügt und daß sich diese in den hier thematisierten Zulassungsverfahren auch tatsächlich aktualisiert. Diese Verfahrensrelevanz allein vermag den Zugriff des Art. 14 GG auf die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Einwendungsausschlusses allerdings noch nicht zu rechtfertigen. Es ist vielmehr in Erinnerung zu rufen, daß die materielle Präklusion ihre Wirkungen auf zwei Ebenen entfaltet: der des Verwaltungsverfahrens und der des Verwaltungsprozesses. Verfassungsrechtlich 409 Siehe dazu C. III. 2. a). 410 Für den Fall der öffentlichen Bekanntgabe der Planauslegung gem. § 73 Abs. 5 S. 1 VwVfG ausdrücklich BVerwG, NVwZ 1998, 848. 411 Solveen (Fn. 26), S. 216; Erbguth (Fn. 127), S. 67. 412 Solveen, ebd., S. 205; Erbguth, ebd. 413 Solveen, ebd., S. 217; Erbguth, ebd. 8 Oexle

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D. Voraussetzungen und Reichweite der Einwendungslast

problematisch ist allein ihre Wirkung auf prozessualer Ebene. Die Rechtmäßigkeit ihrer präklusivischen Folgen im Verwaltungsverfahren ist hingegen unbestritten. Aus diesem Grund sind es aber die prozessualen Garantien (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 GG) und nicht die materiellen Grundrechte, die den einschlägigen verfassungsrechtlichen Maßstab bilden. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn es, wie hier, um die konkrete Ausgestaltung des Einwendungsausschlusses auf der Ebene des Verwaltungsverfahrens geht. Auch diese ist eben nur mit Blick auf die prozessualen Konsequenzen der Präklusion von verfassungsrechtlicher Relevanz. Insoweit verdrängen die „Vorwirkungen" der genannten prozessualen Verbürgerungen aber grundsätzlich die materiellen Grundrechte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man im Bereich des gerichtlichen Verfahrens gegen Maßnahmen der Exekutive Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG für die zentralen Gerichtsschutzgarantien hält, die den unmittelbar aus den materiellen Grundrechten folgenden Rechtsschutzansprüchen vorgehen. 414 Angreifbar ist ferner die Behauptung, die Behörde brauche nur auf das Grunderwerbsverzeichnis zurückzugreifen, um die Enteignungsbetroffenen zu individualisieren. Das gilt allenfalls für die durch förmliche Enteignung Bedrohten. Zum Kreis der Enteignungsbetroffenen gehören aber nicht nur die Eigentümer, deren Grund und Boden unmittelbar für die Realisierung des Vorhabens in Anspruch genommen wird, sondern auch die Eigentümer, deren Grundstücke durch die voraussichtlich entstehenden Lärm- oder Schadstoffimmissionen „schwer und unerträglich" betroffen sein werden. 415 Welche Grundstücke bzw. Grundstückseigentümer dies sind, ist für die Behörde aber nicht ohne weiteres ersichtlich. Aufschluß darüber wird vielfach eben erst das Einwendungsverfahren bringen; insoweit ist ein Blick ins Grunderwerbsverzeichnis wenig hilfreich. Aber selbst wenn man unterstellt, daß Art. 14 GG hier einschlägig und die Ermittlung der Enteignungsbetroffenen bereits vor Durchführung des Einwendungsverfahrens ohne größeren Aufwand möglich sei, ist diese Ansicht abzulehnen. Entscheidend gegen die These, aus den Grundrechten folge die Pflicht zur individuellen Benachrichtigung der Enteignungsbetroffenen, spricht, daß sie die grundrechtlich gebotenen verfahrensrechtlichen Schutzpflichten überspannt. Sie übersieht, 414 So die hier vertretene Ansicht. Inkonsequent insoweit Solveen (Fn. 26), der einerseits konstatiert, daß im Bereich gerichtlichen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Exekutive für grundrechtsunmittelbare Rechtsschutzansprüche kein Bedarf besteht (S. 103), andererseits aber die Ansicht vertritt, Art. 14 GG gebiete wegen der prozessualen Konsequenzen der Präklusion die individuelle Benachrichtigung der Enteignungsbetroffenen (S. 216). 4 '5 Gerhardt (Fn. 25), § 113 Rn. 17; Wahl/Schütz (Fn. 57), § 42 II Rn. 254 jeweils m. w. N. Aus Gründen der prozeduralen Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) müßten zudem die an den genannten Grundstücken lediglich obligatorisch Berechtigten individuell benachrichtigt werden; denn steht zu befürchten, daß die von dem geplanten Vorhaben ausgehenden Emissionen den Grundeigentümer in seinem Recht aus Art. 14 GG unzumutbar belasten, wird dies jedenfalls auch für die Gesundheit der auf den so betroffenen Grunstücken lebenden obligatorisch Berechtigten gelten. Aus Art. 14 GG können sich insoweit keine weitergehenden Anforderungen an die Gestaltung des Verfahrens ergeben als aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG.

I. Kenntnis vom Verfahren

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daß sowohl der Gesetzgeber als auch die anderen an die Verfassung gebundenen Organe bei der Umsetzung ihrer grundrechtlichen Schutzpflichten über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen; 416 die Staatsorgane entscheiden in eigener Verantwortung darüber, welche Schutzmaßnahmen „zweckdienlich und geboten" sind. 417 Dies gilt auch für die Organisation und Regelung des Verwaltungsverfahrens. 418 Lediglich in den seltenen Fällen, daß Grundrechtsschutz nur auf eine einzige Weise zu erreichen ist, kann sich dieser Gestaltungsspielraum auf die Wahl eines ganz bestimmten Schutzmittels verengen. 419 Grund dafür ist vor allem der Umstand, daß die Grundrechte ursprünglich als Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert worden sind und auch heute noch primär in diese Richtung wirken. Während sie in ihrer abwehrrechtlichen Dimension jeden staatlichen Eingriff untersagen, der nicht durch die Verfassung gedeckt ist, lassen sie dort, wo sie in staatliche Schutzpflichten ausmünden, durchaus unterschiedliche Maßnahmen zu 4 2 0 Auf die vorliegende Situation übertragen bedeutet dies, daß die Grundrechte aus Art. 14 GG und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG jedenfalls eine staatlich veranlaßte Bekanntgabe der Planauslegung gebieten; wie diese im einzelnen auszusehen hat, läßt sich ihnen aber nicht entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, daß die betroffenen Grundrechte gerade hier einzig durch eine individuelle Benachrichtigung hinreichend geschützt werden können und sich der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers deswegen auf die Wahl dieses einen Mittels reduzieren würde. Allein der Hinweis darauf, daß eine individuelle Benachrichtigung schutzintensiver wäre, vermag daran nichts zu ändern, weil aus den staatlichen Schutzpflichten gerade kein Gebot zur grundrechtsintensivsten Gestaltung des Verfahrens folgt. 421 Davon abgesehen sollte mit grundrechtlichen Argumentationsmustern nicht leichtfertig umgegangen werden. Andernfalls besteht die Gefahr, daß sich die existierenden Verfahrensordnungen in ein „aktionenrechtliches Verfahrensgeflecht" 422 auflösen, was den rechtsstaatlichen Interessen an einem für alle grundrechtlichen Schutzbereiche einheitlich geltenden und zudem für Bürger und Behörde überschaubaren Verfahrensrecht zuwiderlaufen würde. 423 Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, daß die öffentliche Bekanntgabe der Planauslegung aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist.

416 BVerfG, ebd., S. 44; Ε 46, 160 (164) - Schleyer; Ε 56, 54 (80 f.) - Fluglärm; SchmidtAßmann (Fn. 76), § 70 Rn. 20; Hesse (Fn. 295), Rn. 350; Alexy, Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996, S. 420 ff. 4Π Vgl. nur BVerfGE 46, 160 (164) - Schleyer. 418 BVerfGE 60, 253 (295); Schmidt-Aßmannn (Fn. 76), § 70 Rn. 20. 419 BVerfGE 46, 160 ( 164 f.) - Schleyer. 420 Stern, Band III/ 1, S. 737 f.; Alexy (Fn. 416), S. 420 f. 421 Siehe nur Schmidt-Aßmann (Fn. 76), § 70 Rn. 20. 422 BVerfGE 60, 253 (297). 423 Schmidt-Aßmann (Fn. 49), Einl Rn. 53. 8*

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D. Voraussetzungen und Reichweite der Einwendungslast

Eine andere Frage ist, ob das auch für die nähere Ausgestaltung, also das ,Wie' der öffentlichen Bekanntgabe gilt. Im Anlagengenehmigungsrecht ist eine Publikation im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde und in den örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standorts der Anlage verbreitet sind, vorgesehen.424 Dasselbe gilt für das präklusionsbewehrte Genehmigungsverfahren in der bayerischen Bauordnung. 425 Im Recht der Planfeststellung erfolgt die Bekanntgabe durch ortsübliche Bekanntmachung.426 Dabei handelt es sich um einen Unterfall der öffentlichen Bekanntgabe;427 ihre Form richtet sich nach dem einschlägigen Landes- oder Ortsrecht. 428 Dort ist regelmäßig eine Publikation im amtlichen Veröffentlichungsblatt oder in der Tagespresse oder beides vorgesehen. 429 Auch die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften wird von einem Teil des Schrifttums - diesmal unter Berufung auf Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG - bestritten. Das Gebot wirksamen Rechtsschutzes gebiete „Veröffentlichungen im redaktionellen Teil der Tagespresse, von den staatlichen Pressestellen initiierte Rundfunkhinweise und gegebenenfalls sogar öffentliche Aushänge in den betroffenen Gebieten/' 430 Diese Ansicht überzeugt nicht. Abgesehen davon, daß die einschlägigen Vorschriften die gestellten Forderungen bereits weitgehend erfüllen, 431 beschränkt sie den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers auf die Wahl eines ganz bestimmten Mittels, ohne zugleich zu begründen, warum Grundrechtsschutz nur auf diese eine Weise gewährleistet werden kann. Daß die durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG verbürgte Garantie einzig dann hinreichend gewährleistet wird, wenn neben einer Publikation im amtlichen Veröffentlichungsblatt oder in der Tagespresse oder beidem noch zusätzliche Rundfunkhinweise, öffentliche Aushänge etc. erfolgen, ist aber nicht ersichtlich. Die bestehenden Vorschriften sind vielmehr mit dem Grundgesetz vereinbar 4 3 2 424 Exemplarisch § 10 Abs. 3 S. 1 BImSchG. Im Atomrecht ist auf die Bekanntmachung zudem im Bundesanzeiger hinzuweisen, § 3 Abs. 1 S. 3 AtVfV. 4 25 Art. 71 Abs. 4 S. 1 BayBO. 4 26 Exemplarisch § 73 Abs. 5 S. 1 VwVfG. 4 27 Ule/Laubinger (Fn. 14), § 45 Rn. 39. 4 28 BVerwGE 104, 337 (340); Bonk (Fn. 14), § 73 Rn. 47. 429 Nach Marschall / Schroeter/ Kastner, Bundesfernstraßengesetz, § 17 Rn. 75 ist die kumulative Anwendung beider Bekanntmachungsformen die Regel. 430 Siegel (Fn. 242), S. 210; fast wortgleich Erbguth (Fn. 127), S. 65. 431

Im Anlagengenehmigungsrecht ist die Planauslegung sowohl im amtlichen Veröffentlichungsblatt als auch in den örtlichen, das heißt im Bereich der Anlage verbreiteten Tageszeitungen bekanntzumachen. Dabei ist der Kreis der in Frage kommenden Blätter mit Blick auf den Sinn und Zweck des Einwendungsverfahrens weit zu ziehen. Sind mehrere Tageszeitungen im mutmaßlichen Einwirkungsbereich der Anlage verbreitet, soll die Bekanntgabe in allen Tageszeitungen mit einem größeren Leserkreis publiziert werden (dabei kann es sich auch um überregionale Tageszeitungen handeln, so Jarass, Fn. 19, § 10 Rn. 58; Roßnagel, Fn. 199, § 10 Rn. 275 m. w. N.; restriktiv Kutscheidt, Fn. 19, § 10 Rn. 53). 432 Rechtspolitisch betrachtet wäre es allerdings wünschenswert, wenn sich die Verwaltung auch der „neuen" Medien bedienen würde, um auf die bevorstehende Planauslegung

I. Kenntnis vom Verfahren

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Abschließend ist noch zu klären, welche Anforderungen an den Inhalt der öffentlichen Bekanntgabe zu stellen sind. Zunächst einmal müssen Art, Lage und Auswirkungen des geplanten Vorhabens erkennbar werden. Die entsprechenden Angaben müssen es dem Bürger ermöglichen, eine vorläufige Entscheidung darüber zu treffen, ob das geplante Vorhaben seine Belange berühren wird oder nicht, das heißt, ob es für ihn von Interesse ist, Einsicht in die ausgelegten Unterlagen zu nehmen (sog. Anstoßfunktion). 433 Entscheidend ist also, daß die Bekanntmachung den Bürger befähigt, Rückschlüsse auf eine mögliche eigene Rechtsbetroffenheit zu ziehen. Dazu können bereits kurze, stichwortartige Beschreibungen ausreichen. Detaillierte Ausführungen sind nicht erforderlich, sondern den ausgelegten Unterlagen vorbehalten. Als weiteren Mindestinhalt der Bekanntgabe verlangt das Gebot wirksamen Rechtsschutzes exakte Angaben über Ort und Zeit der Auslegung, einen Hinweis auf die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, sowie den Beginn und das Ende der Einwendungsfrist. Notwendig ist zudem die Bezeichnung der für die Entgegennahme der Einwendungen zuständigen Stellen und die erforderliche Form der Einwendung. Die Einhaltung dieser Anforderungen wird bereits einfachgesetzlich hinreichend gewährleistet 434 und braucht daher nicht weiter vertieft zu werden. Problematisch ist hingegen, ob die Bekanntmachung auch einen Hinweis auf die prozessualen Folgen der Einwendungspräklusion enthalten muß. Das wird von der Rechtsprechung 435 und einem Teil des Schrifttums 436 bestritten. Im Anlagengenehmigungsrecht widerspricht diese Auffassung bereits dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften, wonach in der Bekanntmachung „auf die Rechtsfolgen" 437 des Einwendungsausschlusses hinzuweisen ist; dazu zählen aber insbesondere dessen prozessuale Konsequenzen. Im Planfeststellungsrecht hat sich der Gesetzgeber hingegen diesbezüglich nicht so deutlich artikuliert. Dort folgt auf die Regelung „Einwendungen gegen den Plan sind nach Ablauf der Einwendungsfrist ausgeschlossen" 4 3 8 die Bestimmung, daß die Behörde „hierauf 4 3 9 in der Bekanntmachung der hinzuweisen. Dadurch würde sich gegebenenfalls die Zahl der Einwender erhöhen und damit auch die Informationsdichte der Verwaltung steigen. Auch die personellen und sachlichen Kapazitäten der Behörde würden dadurch nicht übermäßig beansprucht. 433 Vgl. BVerwGE 69, 344 (345 f.); BVerwG, UPR 1996, 142 (143). 434 Für das Anlagengenehmigungsrecht exemplarisch § 10 Abs. 4 BImSchG i.V.m. § 9 Abs. 1 der 9. BImSchV. Für die Planfeststellung § 73 Abs. 5 S. 2 VwVfG. 435 BVerfGE 61, 82 (118) - Sasbach; BVerwGE 60, 297 (312 f.) - Wyhl I; vgl. auch BVerwG NVwZ 1997, 171 (172). 436 Kutscheidt (Fn. 19), § 10 Rn. 163; Czajka (Fn. 26), § 10 Rn. 35; Allesch/Häußler (Fn. 26), § 73 Rn. 64. 437 § 10 Abs. 4 Nr. 2, Hs. 2 BImSchG, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Hs. 2 AtVfV; § 3 Abs. 1 Nr. 2, Hs. 2 GenTAnhV. 438 § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG bzw. die leicht modifizierten Fassungen in § 20 Abs. 2 S. 1 AEG; § 10 Abs. 4 S. 1 LuftVG; § 29 Abs. 4 S. 1 PBefG („Einwendungen gegen den Plan, die nach Ablauf der Einwendungsfrist erhoben werden, sind ausgeschlossen.") und § 74 Abs. 4 S. 3 VwVfG („Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind alle Einwendungen ausgeschlossen.").

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D. Voraussetzungen und Reichweite der Einwendungslast

Planauslegung hinzuweisen hat. Diese Formulierung könnte man in der Tat so verstehen, daß die Bekanntgabe nur den Wortlaut des Gesetzes („Einwendungen gegen den Plan sind nach Ablauf der Einwendungsfrist ausgeschlossen") wiedergeben müsse. Eine solche Auslegung widerspricht jedoch Sinn und Zweck der materiellen Präklusion. Diese hat insbesondere die Aufgabe, die Informationsbasis der Zulassungsbehörde zu verbreitern. Durch ihren Sanktionscharakter sollen auch Dritte, die allein an einer Verhinderung oder doch zumindest Verzögerung des Vorhabens interessiert sind, dazu gezwungen werden, ihre Einwendungen bereits im Stadium des Verwaltungsverfahrens vorzutragen. Diese präventive Wirkung kann der Einwendungsausschluß nur erzielen, wenn die Präklusionsandrohung den Bürger auch erreicht, wenn also in der öffentlichen Bekanntmachung der Planauslegung auf die drohende Sanktion eines prozessualen Ausschlusses hingewiesen wird. Das Gebot eines Hinweises auf die prozessuale Wirkung des drohenden Einwendungsausschlusses folgt also bereits aus teleologischen Erwägungen. Ein (möglicher) Rückgriff auf Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ist insoweit nicht erforderlich. 440

II. Kenntnis vom Gegenstand des Verfahrens: Die Anforderungen an die auszulegenden Unterlagen Die auszulegenden Unterlagen müssen den Bürger in die Lage versetzen, sich über Art und Ausmaß ihrer möglichen Betroffenheit zu informieren, um darauf aufbauend hinreichend substantiiert Einwendungen erheben zu können. 441 Dies setzt voraus, daß der Ort der Planauslegung, aber auch die Unterlagen selbst, allgemein zugänglich sind: die Unterlagen müssen an dem bezeichneten Ort vollständig sichtbar, griffbereit und als zusammengehörig erkennbar sein. Sie müssen zudem so aufbereitet werden, daß auch ein nicht sachkundiger Bürger nach ihrer Einsicht die Auswirkungen des geplanten Projekts auf seine Rechtspositionen beurteilen kann. Angesichts der Komplexität und des technisch-naturwissenschaftlichen Einschlags der hier thematisierten Vorhaben erscheint es fraglich, ob sich diese Forderung immer angemessen realisieren läßt. 442 Das ist unter Rechtsschutzgesichtspunkten der neuralgische Punkt des Auslegungsverfahrens. Da die Hinzuziehung von Sachverständigen oder Anwälten gesetzlich nicht vorgeschrieben ist und 439 Vgl. z. B. § 73 Abs. 4 S. 4 VwVfG; § 20 Abs. 2 S. 2 AEG; § 17 Abs. 4 S. 2 FStrG; § 10 Abs 4 S. 2 LuftVG; § 29 Abs. 4 S. 2 PBefG; § 5 Abs. 2 S. 2 MBP1G. 440 Mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG begründet dieses Ergebnis Jarass (Fn. 19), § 10 Rn. 59. Mit Art. 14 GG (hinsichtlich des Enteignungsbetroffenen im Recht der Planfeststellung) Solveen, DVB1. 1997, 803 (807). 441 Vgl. insoweit bereits den Wortlaut des § 10 Abs. 2 S. 2 BImSchG oder des § 1 Abs. 2 AtAnlV. Im Planfeststellungsrecht fehlen zwar entsprechende gesetzliche Regelungen, die Rspr. fordert aber auch hier ein vergleichbares Niveau, vgl. BVerwGE 75, 214 (224 ff.); Ε 102, 331 (337 ff.). 442 Zweifelnd auch BVerfGE 61, 82 ( 116 f.) - Sasbach.

III. Einwendungsinhalt und Einwendungsfrist

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vom Bürger daher auch nicht stillschweigend erwartet werden kann, 443 können hier Rechtsschutzdefizite entstehen. Diese führen aber nicht zwangsläufig zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Präklusion, sondern lassen sich durch entsprechend niedrige Anforderungen an den (Mindest-)Inhalt einer Einwendung kompensieren.

III. Einwendungsinhalt und Einwendungsfrist Ob der Betroffene in der Lage ist, seine Einwendungen rechtzeitig vorzutragen, hängt also nicht zuletzt davon ab, wie konkret er diese formulieren muß, um den Präklusionseintritt zu verhindern (Substantiierungsgrad), und wieviel Zeit ihm dafür zu Verfügung steht (Einwendungsfrist).

1. Substantiierungsgrad Der Substantiierungsgrad ist ein zentrales Problem aller Präklusionsnormen. Der erforderliche Mindestinhalt eines den prozessualen Präklusionseintritt verhindernden Vortrags 444 ist gesetzlich nicht geregelt. Die einschlägigen Vorschriften besagen lediglich, daß „Einwendungen gegen das Vorhaben" 445 bzw. „Einwendungen gegen den Plan" 4 4 6 zu erheben sind. Das bedeutet jedoch nicht, daß jede Eingabe - gleich welchen Inhalts - als rechtswahrende Einwendung zu qualifizieren ist. Aus der Informationsfunktion der materiellen Präklusion folgt vielmehr die Notwendigkeit einer gewissen Konkretisierung. 447 Damit ist bereits das Spannungsfeld von „effektivem" Rechtsschutz und „effektiver" Information der Behörde beschrieben, in dem sich das Problem der inhaltlichen Konkretisierung einer Einwendung bewegt.

443 Niehues (Fn. 19), S. 619 (626); Jarass (Fn. 19), § 10 Rn. 94. Eine andere Tendenz läßt sich möglicherweise einer Entscheidung des 4. Senats des BVerwG (NVwZ 1997, 489, 490) entnehmen, in der dieser die Verfassungsmäßigkeit der materiellen Präklusion in § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG u. a. deswegen bejaht, weil es dem Betroffenen innerhalb der Einwendungsfrist möglich sei, sich bezüglich der zu erhebenden Einwendungen sachkundiger Hilfe zu versichern. 444 Zum erforderlichen Mindestinhalt eines die verwaltungsverfahrensrechtlichen Präklusionswirkungen verhindernden Vorbringens siehe Fn. 448. 445 Exemplarisch § 10 Abs. 3 S. 2, Hs. 2 BImSchG. 446 Exemplarisch § 73 Abs. 4 S. 1 VwVfG. 447 Das Bundesverwaltungsgericht (E 60, 297, 300 - Wyhl I) hat dies wie folgt formuliert: „Das Vorbringen von Einwendungen soll zur sachlichen Bewältigung des Vorhabens durch die Genehmigungsbehörde beitragen, soll dieser gleichsam die Richtung für ihre Tätigkeit weisen [ . . . ] . Das schlichte Nein gegenüber dem Vorhaben führt hingegen in keiner Richtung weiter und wirkt ausschließlich verfahrenshemmend."

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D. Voraussetzungen und Reichweite der Einwendungslast

Folgt man der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre, ist eine Einwendung dann hinreichend substantiiert, wenn sie erkennen läßt, welche Rechtsgüter der Einwender für gefährdet hält; dazu muß er das entsprechende Rechtsgut bezeichnen und die befürchtete Beeinträchtigung darlegen. 448 Maßstab ist dabei das durchschnittliche Wissen eines nicht sachverständigen Bürgers. 449 Nicht näher konkretisiert zu werden braucht hingegen, warum eine Gefährdung des geltend gemachten Rechtsguts durch das Vorhaben befürchtet wird; insbesondere sind keine Angaben zu den technischen oder konstruktiven Details erforderlich, welche die Rechtsgutsbeeinträchtigung auslösen sollen. 450 Der Einwender hat zwar Gelegenheit, sich anhand der ausgelegten Unterlagen mit den bau- und sicherheitstechnischen Merkmalen des geplanten Vorhabens vertraut zu machen und seine Einwendungen entsprechend detailliert zu formulieren. Voraussetzung zur Vermeidung der präklusivischen Wirkung im Verwaltungsprozeß ist dies aber nicht. Ebensowenig wird von dem Betroffenen verlangt, Alternativen aufzuzeigen, wie die Behörde bzw. der Vorhabenträger die befürchtete Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter vermeiden könnte. So begibt sich beispielsweise ein Pächter, der im Verwaltungsverfahren geltend macht, durch naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen übermäßig belastet zu werden, aber keine Flächen für Alternativstandorte benennt, nicht des Rechts, diesen Sachverhalt auch im Verwaltungsprozeß vorzutragen. 451 Der Einwendungsführer genügt der Substantiierungslast also bereits dann, wenn er das gefährdete Rechtsgut bezeichnet und die befürchtete Beeinträchtigung benennt. Damit sind die Anforderungen an einen präklusionshindernden Vortrag aber nicht sonderlich hoch und somit geeignet, mögliche - aus der Komplexität der Unterlagen resultierende - Rechtsschutzdefizite zu kompensieren. 452 448 St. Rspr. seit BVerwG, ebd., S. 311, bestätigt durch BVerfGE 61, 82 ( 117 f.) - Sasbach. Dies gilt natürlich nur für die Einwendungen der Rechtsbetroffenen und kann nicht auf die Einwendungen der übrigen Vörhabengegner (z. B. der „Jedermann-Einwender" im Anlagengenehmigungsrecht) übertragen werden. Um die Folgen des Einwendungsausschlusses im Verwaltungsverfahren zu verhindern, sind also auch Einwendungen ausreichend, in denen kein Bezug zu einer Rechtsposition hergestellt wird. Dies gilt auch für die Rechtsbetroffenen, die in diesem Fall aber von der prozessualen Wirkung der materiellen Präklusion erfaßt werden. 449 BVerfG, ebd., S. 118; BVerwGE 80, 207 (219 f.); Allesch/Häußler (Fn. 26), § 73 Rn. 97. 450 Vgl. BVerwGE 60, 297 (311) - Wyhl I; Ε 80, 207 (219). 451 BVerwGE 105, 178 (183 f.). 452 Die Einhaltung der an die inhaltliche Konkretisierung einer Einwendung gestellten Mindestanforderungen nimmt die Rechtsprechung allerdings ernst. Einwendungen sind stets in beiderlei Hinsicht zu konkretisieren. So ist ζ. B. jedes Grundstück, dessen Beeinträchtigung durch das geplante Vorhaben befürchtet wird, vom Einwender eigens zu benennen (BVerwG, NVwZ-RR 1995, 631, 632). Auch die Art der Beeinträchtigung ist zu konkretisieren. Hat sich der Betroffene beispielsweise nur auf zu befürchtende Lärmbelästigungen berufen, wird er vor Gericht nicht mehr damit gehört, daß das geplante Vorhaben zudem zu einer erhöhten Verunreinigung der Luft führe (BVerwG, NVwZ 1996, 901, 904, wo Mieter

III. Einwendungsinhalt und Einwendungsfrist

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Im Schrifttum ist allerdings jüngst die Ansicht vertreten worden, die Rechtsprechung habe die Anforderungen an die inhaltliche Konkretisierung einer Einwendung verschärft. 453 Zur Begründung wird auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1996 zurückgegriffen, in der es heißt, eine Einwendung „müsse erkennen lassen, in welcher Hinsicht Bedenken gegen die in Aussicht genommene Planfeststellung - aus der Sicht des Einwendenden - bestehen könnten"; das Vorbringen müsse „so konkret sein, daß die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, in welcher Weise sie bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen soll." 4 5 4 Diese Wendung weicht in der Tat von der bis dahin verwendeten Formulierung der Rechtsprechung ab. Ob das aber bereits die Annahme rechtfertigt, das Bundesverwaltungsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast verschärft, erscheint fraglich. Insbesondere läßt sich dem genannten Urteil nicht entnehmen, wann ein Vorbringen „so konkret" ist, daß erkennbar wird, welche Belange einer näheren Betrachtung unterzogen werden sollen. Genau das ist aber der entscheidende Punkt. Mangels entsprechender Ausführungen ist hier - unter Rückgriff auf die bisherige Rechtsprechung des Gerichts - zu ergänzen, daß es insoweit ausreicht, wenn das betroffene Rechtsgut bezeichnet und die befürchtete Beeinträchtigung dargelegt wird. Damit liegen die inhaltlichen Anforderungen aber exakt auf dem bisherigen Niveau. Davon abgesehen ist es in dem vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Fall auch gar nicht erforderlich gewesen, die Substantiierungslast zu verschärfen, um die entsprechende Einwendung als präkludiert abzuweisen. Bei ihr handelte es sich nämlich um eine „nur auf die allgemeine Verfassungsrechtslage verweisende Unmutsäußerung", die „keinerlei näheren rechtlichen oder tatsächlichen Hinweis" darauf enthielt, was die Behörde nach Auffassung des Einwenders konkret bedenken sollte. 455 Dieses Vorbringen hätte aber auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ausgereicht, um den

im Verwaltungsverfahren nur eine befürchtete Zunahme des Lärmbelastung, nicht aber der Luftverschmutzung gerügt hatten und sich daher wegen der in § 20 Abs. 2 S. 1 AEG angeordneten materiellen Präklusion vor Gericht auf letztere nicht mehr berufen konnten). Weitere Beispiele: Wer darlegt, daß er um seine Arzneimittelkulturen besorgt ist, kann nachträglich nicht mehr vorbringen, die geplante Anlage beeinträchtige die Verkehrsfähigkeit seines Grundstücks (BVerwGE 60, 297, 311 - Wyhl I). Wer im Einwendungsverfahren vorträgt, Erschütterungen in der Bauphase könnten zu Schäden an seinem Haus führen, kann sich vor Gericht nicht mehr darauf berufen, daß dieses auch durch Erschütterungen des Eisenbahnverkehrs beeinträchtigt werde (BVerwG, NVwZ 1999, 70). Der Grad der erforderlichen Konkretisierung läßt sich aber letztlich wohl nicht pauschal auf einen bestimmten Level fixieren. Als Richtlinie kann aber gelten, daß der Grad der erforderlichen Substantiierung steigt, wenn und soweit die betroffenen subjektiven Belange vom Üblichen abweichen (z. B. weil es sich um nur selten auftretende individuelle physische oder psychische Dispositionen handelt). 453 Solveen, DVB1. 1997, 803 (806); ders. (Fn. 26), S. 113 (der darauf im weiteren Verlauf seiner Untersuchung immer wieder zurückkommt, z. B. auf S. 178); Erbguth (Fn. 127), S. 66. 454 BVerwG, NVwZ 1997, 171 (172). 455 BVerwG, ebd., S. 172.

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D. Voraussetzungen und Reichweite der Einwendungslast

Eintritt der Präklusionswirkung zu verhindern. 456 Eine Verschärfung der Substantiierungslast hat damit nicht stattgefunden. 457 Anlaß, die klassische Einwendungslehre zu hinterfragen bzw. auf ihre Stimmigkeit hin zu überprüfen, bietet allerdings - seit der Einführung der materiellen Präklusion in das Fachplanungsrecht - die enteignungsrechtliche Vorwirkung der Planfeststellung. 458 So ist es nahezu unbestritten, daß die von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung betroffenen Bürger vor Gericht auch Vorschriften rügen können, die keinen Drittschutz im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO vermitteln. Wegen des durch Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Eigentumsschutzes können sie sich grundsätzlich auf alle Regelungen berufen, die über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses entscheiden.459 Dazu zählt neben den von der Behörde zwingend einzuhaltenden materiellen und formellen Rechtssätzen auch das Gebot einer sachgerechten Abwägung aller relevanten öffentlichen und privaten Belange. 460 Daher kann sich der enteignungsbetroffene Kläger vor Gericht auf einen Verstoß gegen das naturschutzrechtliche Vermeidungsgebot des § 8 Abs. 2 BNatSchG 461 ebenso berufen, wie auf die Nichtdurchführung einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung, die Nichteinholung behördlicher Stellungnahmen oder das Vorliegen eines der in § 20 VwVfG normierten Ausschlußgründe. Daneben kann er seinen Abwehranspruch auch auf die Nicht- oder Fehlberücksichtigung öffentlicher 462 Belange in der Abwägung stützen.463

456 Ebenso verhielt es sich im Fall des VGH B-W (UPR 1998, 197), der sich die „neue" Formulierung des BVerwG in einer Entscheidung vom 17. 10. 1997 zu eigen gemacht hatte. Dort hatte der Kläger im Verwaltungsverfahren lediglich vorgetragen, daß „die Straßenbahnlinie Lebensadern unserer Gärtnerei berührt." 457 Zudem hat der 4. Senat in einer späteren Entscheidungen auf die ursprüngliche Formulierung zurückgegriffen, BVerwGE 105, 178 (183 f.). 458 Enteignungsrechtliche Vorwirkungen entfalten Planfeststellungen allerdings nur, wenn dies für die konkrete Art der Planfeststellung ausdrücklich gesetzlich angeordnet worden ist, Jarass, DVB1. 1998, 1202 (1205 in Fn. 38). Dies ist bei den meisten Planfeststellungen geschehen, vgl. z. B. die Nachw. in Fn. 277. 459 Vgl. nur BVerwG, NVwZ-RR 1998, 297; Wahl/Schütz (Fn. 57), § 42 II Rn. 253 m. w. N. Dies gilt nicht für Gemeinden. Diese können sich - mangels Grundrechtsfähigkeit nicht auf den Schutz des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG berufen und dürfen daher nur Verstöße gegen Vorschriften rügen, die zumindest auch dem Schutz gemeindlicher Interessen zu dienen bestimmt sind. Ob dies auch gilt, wenn die Gemeinde schwerwiegend in ihrer Planungshoheit betroffen wird (z. B. wenn die Planung substantiell fühlbare Teile ihres Gemeindegebiets in Anspruch nimmt), hat das BVerwG bisher offengelassen (BVerwG NVwZ 1992, 787, 788; NVwZ-RR 1998, 289, 290); dafür Kühling (Fn. 271), Rn. 467. 460 BVerwGE 67, 74 (76 f.); BVerwG, NVwZ-RR 1998, 297. 461 Bei § 8 Abs. 2 BNatSchG handelt es sich um zwingendes Recht, das durch eine planerische Abwägung nicht überwunden werden kann, so ausdrücklich BVerwG, NVwZ 1993, 565 (569); NVwZ-RR 1998, 284 (287) m. w. N. 462 BVerwGE 67, 74 (76 f.); Gerhardt (Fn. 25), § 113 Rn. 17. Auf die privaten Belange anderer, nicht präkludierter Betroffener soll sich der Eigentümer hingegen nicht berufen können, es sei denn sie „agglomerierten" zu einem öffentlichen Belang, Gerhardt, ebd.

III. Einwendungsinhalt und Einwendungsfrist

123

Diese Besonderheit führt zu der Frage, ob mit der Erweiterung des klägerischen Rügepotentials im Falle des Enteignungsbetroffenen auch eine Erweiterung der Einwendungslast korrespondiert. Oder anders formuliert: Muß der von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung betroffene Eigentümer bereits im Verwaltungsverfahren auch mögliche Verstöße gegen objektives Recht rügen, um sie später vor Gericht geltend machen zu können? Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage bisher nicht verbindlich beantwortet, obiter dictum dazu allerdings einiges ausgeführt. Bevor darauf eingegangen wird, soll aber noch der Bereich eingegrenzt werden, auf den sich die Suche nach einer Antwort sinnvollerweise konzentrieren muß. Dazu ist zunächst klarzustellen, daß die vorliegende Problematik nur relevant wird, wenn der von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffene nicht bereits mit den unmittelbar sein eigenes Grundstück betreffenden Rügen präkludiert ist, da er sich in diesem Fall ohnehin nicht mehr darauf berufen könnte, die Planfeststellung verstoße gegen objektives Recht. Dies liegt daran, daß der Enteignungsbetroffene nur wegen der in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG normierten Kautele, wonach eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist, die gerichtliche Kontrolle objektiv-rechtlicher Positionen verlangen kann und nicht auf die Geltendmachung subjektiver Rechte beschränkt ist. Da die objektive Rechtskontrolle somit allein auf der Wirkkraft des Art. 14 GG basiert, kann der Kläger objektive Rechtsverstöße nur rügen, wenn er mit dieser grundrechtlichen Verbürgerung nicht präkludiert ist. 4 6 4 Daneben kann sich die Obliegenheit des Enteignungsbetroffenen, auch Verstöße gegen objektives Recht bereits im Verwaltungsverfahren zu rügen, nur auf Rechtsverstöße beziehen, die vor Ablauf der Einwendungsfrist eingetreten und aus den ausgelegten Unterlagen erkennbar sind. Nun zu der Frage, ob sich die Rügelast des Enteignungsbetroffenen auch auf objektive Belange erstreckt. Das Bundesverwaltungsgericht 465 scheint dies grundsätzlich zu bejahen. Auch in der Literatur 466 wird eine entsprechende Erweiterung der Einwendungsobliegenheit gefordert. Keine Einigkeit herrscht hingegen darüber, welche Anforderungen in diesem Fall an den Inhalt einer Einwendung zu stellen sind. Während das Bundesverwaltungsgericht erwogen hat, die Substan463 Eine Einschränkung des Rechtsschutzes ergibt sich allerdings daraus, daß der Aufhebungsanspruch nur besteht, wenn der objektive Rechtsverstoß kausal für die Inanspruchnahme des klägerischen Eigentums gewesen ist. Daher hat die Klage z. B. keinen Erfolg, wenn der rechtliche Mangel in seiner örtlichen Wirkung derart begrenzt ist, daß er das in Rede stehende Eigentum des Klägers nicht berührt bzw. der Eingriff in Art. 14 GG auch bei seiner Korrektur unverändert bestehen bliebe, vgl. nur BVerwGE 67, 74 (77). 464 Dies verkennt Solveen (Fn. 26), S. 116. 465 BVerwG, NVwZ 1997, 489. Wörtlich heißt es: „§ 17 IV 1 FStrG beschneidet den Bürger in der Verfolgung seiner Interessen und Rechte weder sachwidrig noch unzumutbar. Ihm ist es grundsätzlich möglich, seine Belange - auch soweit sie nicht eigene Rechtspositionen betreffen - vorzutragen und auf ihre Berücksichtigung zu dringen. Dasselbe gilt für öffentliche Belange/' 466 Solveen (Fn. 26), S. 120; unentschlossen Röhl/ Ladenburger (Fn. 19), S. 37 f.

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D. Voraussetzungen und Reichweite der Einwendungslast

tiierungslast im Fall des Enteignungsbetroffenen (erheblich) zu reduzieren, soll es nach der im Schrifttum vertretenen Auffassung bei den ursprünglichen Anforderungen bleiben.

a) Konzeption des Bundesverwaltungsgerichts Das Bundesverwaltungsgericht erwägt, im Fall des Enteignungsbetroffenen eine Einwendung bereits dann als hinreichend substantiiert einzustufen, wenn der Betroffene die „Rechtswidrigkeit des geplanten Vorhabens" rügt. 467 Diese Konzeption überzeugt nicht. Bei der Einwendung „Rechtswidrigkeit des geplanten Vorhabens" handelt es sich um eine reine und zudem pauschale, das heißt nicht näher zu konkretisierende Rechtsrüge. Wegen ihrer geringen inhaltlichen Anforderungen kommt sie dem Einwendenden zwar entgegen, läßt sich aber kaum noch mit den funktionalen Aspekten der materiellen Präklusion in Einklang bringen und ist daher auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich. Insbesondere ist die Einwendung „Rechtswidrigkeit des Vorhabens" nicht geeignet, die administrative Informationsbasis zu verbreitern; sie enthält lediglich die Behauptung, daß die Behörde im bisherigen Verfahren gegen objektives Recht verstoßen habe. Der Informationsgehalt dieser Aussage tendiert gegen Null. Zwar mag die Behörde dadurch veranlaßt werden, ihre bisherigen Schritte noch einmal zu überdenken; wegen der mangelnden inhaltlichen Konkretisierung wird diese Prüfung jedoch zwangsläufig ungerichtet verlaufen. Zudem steht zu befürchten, daß die geringen inhaltlichen Anforderungen die Betroffenen dazu verleiten, die Einwendung „Rechtswidrigkeit des Vorhabens" auch ohne konkreten Anlaß, das heißt einfach zur Sicherheit, zu erheben. Spätestens dann aber würde sich auch der mit der materiellen Präklusion bezweckte Effekt der Verfahrensbeschleunigung in sein Gegenteil verkehren. 468 Aus diesen Gründen ist die allgemeine Einwendung, das Vorhaben sei rechtswidrig, nicht nur für die Behörde, sondern auch für den Antragsteller lediglich von begrenztem Wert. Die vom Bundesverwaltungsgericht angedachte Konzeption ist daher abzulehnen.

467 BVerwG, NVwZ 1997, 489 (491). Das BVerwG beschränkt die Befugnis zur Erhebung der Einwendung der „Rechtswidrigkeit des geplanten Vorhabens" zwar nicht ausdrücklich auf den Kreis der Enteignungsbetroffenen. Da die sonstigen Drittbetroffenen vor Gericht aber nur ihre subjektiv-öffentlichen Rechte durchsetzen können, sie diese aber ohnehin, das heißt unabhängig von der Möglichkeit der Einwendung „Rechtswidrigkeit des Vorhabens" im Verwaltungsverfahren vortragen müssen, kommt ihnen diese Reduzierung der Substantiierungslast nicht zugute. 468 Solvccn (Fn. 26), S. 118.

III. Einwendungsinhalt und Einwendungsfrist

125

b) Die in der Literatur vertretene Konzeption Auch im Schrifttum 469 wird vorgeschlagen, die Einwendungslast des Enteignungsbetroffenen auf objektiv-rechtliche Positionen zu erstrecken. Dabei soll allerdings an der bisherigen Substantiierungsdichte festgehalten werden. Der Enteignungsbetroffene soll eine bestimmte objektiv-rechtliche Position also nur dann gerichtlich durchsetzen können, wenn er deren Beeinträchtigung zuvor im Verwaltungsverfahren fristgerecht und hinreichend konkret beanstandet hat. Für diese Ansicht sprechen zunächst systematische Erwägungen, fügt sie sich doch nahtlos in die bisherige Einwendungslehre der Rechtsprechung ein. Gewährleistet bleibt auch, daß die Behörde einen brauchbaren Hinweis erhält, auf welche Punkte sie ihre Ermittlungskapazitäten im weiteren Verfahren konzentrieren muß. Zweifelhaft ist allerdings, ob dem Enteignungsbetroffenen eine solche Erweiterung der Rügelast noch zugemutet werden kann. Die meisten der zum gerichtlichen Kontrollprogramm gehörenden objektiv-rechtlichen Vorschriften weisen nämlich nur einen höchst mittelbaren Bezug zur konkreten Situation des Eigentümers und dessen Eigentum auf. 4 7 0 Der Enteignungsbetroffene wird daher nur selten in der Lage sein, in dieser Hinsicht entscheidungserhebliche Tatsachen aus seiner Sphäre beizusteuern und so die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern. So steht z. B. der Eigentümer, der die Nichtberücksichtigung eines Biotops auf dem von der Behörde bevorzugten und sein Eigentum unmittelbar in Anspruch nehmenden Trassenverlauf geltend machen will, diesem Sachverhalt grundsätzlich nicht näher als die Behörde selbst. Noch deutlicher wird dies, wenn gerügt wird, ein Mitarbeiter der Zulassungsbehörde sei befangen oder das erforderliche Gutachten einer anderen Behörde sei nicht rechtzeitig eingeholt worden. In diesen Fällen stammen die geltend gemachten Umstände sogar ausschließlich aus der internen Sphäre der Verwaltung. Eine Erweiterung der Rügelast auf solche Tatsachen widerspricht den Anforderungen, die das Grundgesetz an eine faire und rechtsschutzwahrende Verfahrensführung und -gestaltung stellt. Davon abgesehen erfordert der Vortrag von Tatsachen, die sich nicht auf die Rechtsgüter des Einwendenden beziehen, Kenntnisse über Existenz und Umfang der objektivrechtlichen Vorschriften und öffentlichen Belange, die die Behörde im Rahmen der konkreten Planfeststellung zu beachten hat. Das widerspricht aber der höchstrichterlich aufgestellten Kautele, wonach Maßstab für den erforderlichen Mindestinhalt einer Einwendung immer nur das Wissen eines nicht sachverständigen Durchschnittsbürgers sein dürfe. 471 Aus diesen Gründen ist auch die im Schrifttum vertretene Konzeption abzulehnen.

469 Solveen, ebd., S. 120; unentschlossen Röhl ! Ladenburger (Fn. 19), S. 37 f. 470

Dies kritisieren auch RöhlILadenburger (Fn. 19), S. 35. 471 Vgl. nur BVerfGE 61, 82 (118) - Sasbach; BVerwGE 80, 207 (219 f.).

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D. Voraussetzungen und Reichweite der Einwendungslast

c) Fazit Weder das Modell „Erweiterung der Rügelast bei gleichzeitiger Reduktion der Substantiierungsdichte" noch das Modell „Erweiterung der Rügelast bei Beibehaltung der bisherigen Substantiierungsdichte" kann überzeugen. Ein Mittelweg, etwa im Sinne einer nur geringfügigen Verringerung der Substantiierungslast, ist nicht praktikabel, da die diesbezüglichen Anforderungen ohnehin sehr niedrig sind. Eine Verschiebung in die eine oder andere Richtung zerstört das fragile Gleichgewicht zwischen dem Gebot wirksamen Rechtsschutzes und dem Bedürfnis einer effektiven Information der Zulassungsbehörde und des Vorhabenträgers. Eine Erweiterung der Rügelast auf objektive Belange bzw. objektiv-rechtliche Positionen im Falle des Enteignungsbetroffenen ist daher abzulehnen.

2. Einwendungsfrist In den Verfahren des Umweltrechts beträgt die Einwendungsfrist einen Monat (Auslegungsfrist in der bereits Einwendungen vorgetragen werden können 472 ) zuzüglich zwei Wochen (Einwendungsfrist im engeren Sinne) in den Verfahren des Planfeststellungs-, 473 Immissionsschutz-474 und Gentechnikrechts 475 und zwei Monaten im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. 476 Im Baurecht beträgt sie einen Monat 4 7 7 resp. zwei Wochen. 478 Es wurde bereits dargelegt, daß diese Fristen (mit Ausnahme der atomrechtlichen) gegen das gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsgebot verstoßen. Aus Sicht des Grundgesetzes dürften diese Fristen hingegen gerade noch als verfassungskonform einzustufen sein, 479 auch wenn sie äußerst knapp bemessen sind. 480 Bedenklich stimmt allerdings die Intervention des Gesetzgebers, die zum Wegfall der bisher vorgeschriebenen Mindestfrist von einer Woche 472 Statt aller Bonk (Fn. 14), § 73 Rn. 70. 473 § 73 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 4 S. 1 VwVfG, der auch die Länge der materiellen Einwendungsfristen im Fachplanungsrecht (§ 20 Abs. 2 S. 1 AEG; § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG; § 10 Abs. 4 S. 1 LuftVG; § 5 Abs. 2 S. 1 MBP1G; § 29 Abs. 4 S. 1 PBefG; § 17 Nr. 5 S. 1, Hs. 1 WaStrG) steuert. 474 § 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG. 475 § 3 Abs. 2 S. 1 GenTAnhV i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 GenTAnhV. Bei Freisetzungen von Organismen, deren Ausbreitung nicht begrenzbar ist (vgl. § 1 S. 1 Nr. 5 GenTAnhV), wird die Einwendungsfrist im engeren Sinne verlängert und beträgt einen Monat. 476 § 6 Abs. 1 AtVfV i.V.m. § 7 Abs. 1 AtVfV. 477 Art. 71 Abs. 4 S. 2 BayBO. 478 § 55 Abs. 2 S. 1 LBO BW. 479 Ob das auch für die zweiwöchige Präklusionsfrist der baden-württem-bergischen Bauordnung gilt, ist zweifelhaft, kann hier aber letztlich dahinstehen, da die Verfassungswidrigkeit des § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW bereits festgestellt worden ist (siehe C. 5. a). 480 Als sehr kurz empfinden die Einwendungsfristen auch Bonk (Fn. 14), § 73 Rn. 79, 81 und Roßnagel (Fn. 199), § 10 Rn. 308.

V. Fazit

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zwischen dem Tag der Bekanntmachung und dem Beginn der Planauslegung (die zugleich den Beginn der Einwendungsfrist markiert) im Planfeststellungsrecht geführt und die entsprechenden Einwendungsfristen de facto weiter verkürzt hat. 481 Nunmehr steht es der Behörde grundsätzlich frei, den Hinweis auf die bevorstehende Planauslegung erst am Tag vor dem eigentlichen Beginn der Planauslegung bekanntzugeben. Hier ist der Gesetzgeber über sein (Beschleunigungs-)Ziel hinausgeschossen. Gerade vor dem Hintergrund, daß die Bürger die ausgelegten Unterlagen nicht bei sich zu Hause einsehen können, sondern sich dazu an den Ort der Planauslegung begeben und sich nach den entsprechenden Öffnungszeiten richten müssen, wird die Notwendigkeit einer gewissen Zeitspanne zwischen Bekanntgabe und Planauslegung als „Organisationsfrist" für den Bürger erkennbar. Die Vereinbarkeit der Präklusionsfristen des Fachplanungsrechts mit der Garantie wirksamen Rechtsschutzes kann aber aufrechterhalten werden, wenn man das der Behörde eingeräumte Ermessen entsprechend reduziert und so eine gewisse Mindestfrist zwischen Bekanntgabe und Planauslegung gewährleistet. Als Orientierungshilfe kann die ursprünglich vorgesehene Frist von einer Woche dienen.

IV. Zeitliche Dimension der materiellen Präklusion In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich die materielle Präklusion nur auf Tatsachen, die bereits vor Beginn der Planauslegung, das heißt vor Beginn der Einwendungsfrist eingetreten sind und sich den ausgelegten Unterlagen entnehmen lassen. Nicht von der Präklusion erfaßt werden demnach Tatsachen, die zwischen Beginn und Ende 482 bzw. nach Ablauf der Einwendungsfrist entstanden sind. Im letzteren Fall ist allerdings der für die gerichtliche Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt zu beachten: Treten neue Tatsachen483 erst nach Erlaß der Genehmigung bzw. Planfeststellung auf, sind sie für den Richter nicht mehr relevant. 484

V. Fazit Die konkrete Ausgestaltung der materiellen Präklusionsnormen ist - unter Berücksichtigung der genannten Kautelen - aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. 481 Siehe dazu bereits VII. 1. b) aa). 482 Daran kann auch eine nachträgliche Ergänzung der ausgelegten Unterlagen durch die zuständige Behörde nichts mehr ändern, weil sich ansonsten die Einwendungsfrist de facto weiter verkürzt. 483 Dazu zählen auch Veränderungen des Standes der (Wissenschaft und) Technik, BVerwGE 60, 297 (308) - Wyhl I; Jarass (Fn. 19), § 10 Rn. 95 m. w. N. 484 Diese Präklusionswirkung beruht aber nicht mehr auf dem Ablauf der Einwendungsfrist, Jarass, ebd., § 10 Rn. 96; Röhl!Ladenburger (Fn. 19), S. 42.

Ε . Ergebnisse I. Die materielle Präklusion führt nicht zum Untergang des subjektiv-öffentlichen Abwehrrechts, sondern beschränkt lediglich die Möglichkeit, dieses gerichtlich durchzusetzen. Aus diesem Grund ist die Bezeichnung als „materieir verfehlt. Zutreffender ist es, von prozessualer Präklusion zu sprechen. II. Die Präklusion steuert bereits die richterliche Verhandlungsführung: Sie verbietet es dem Gericht, ein Vorbringen des Klägers zu berücksichtigen, das sich auf ausgeschlossene Tatsachen und Umstände bezieht. Diesbezüglich darf auch nicht von Amts wegen ermittelt werden; insoweit beschränkt die materielle Präklusion den in § 86 Abs. 1 VwGO normierten Untersuchungsgrundsatz. III. Der Präklusionseintritt hat weder Auswirkungen auf die Klagebefugnis noch läßt er das Rechtsschutzbedürfnis (unter dem Gesichtspunkt einer prozessualen Verwirkung) entfallen. IV. In den Konstellationen, daß der Kläger im Verwaltungsverfahren gar keine Einwendungen erhoben oder diese „en bloc" verspätet vorgetragen hat, verdichtet sich die materielle Präklusion zu einem Prozeßhindernis, das der Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens als negative allgemeine Sachurteilsvoraussetzung entgegensteht. In den übrigen Fällen ist es hingegen sachgerecht, die mit der Einwendungspräklusion verbundene komplexe Problematik im Rahmen der Begründetheit zu erörtern. V. Nach der Peterbroeck-Formel muß in dem gegen einen innerstaatlichen Rechtsakt eröffneten Instanzenzug zumindest einmal eine gemäß Art. 234 EG vorlageberechtigte nationale Stelle die Möglichkeit haben, einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht von Amts wegen zu prüfen. Mit diesem Postulat erweitert der Europäische Gerichtshof den Normbereich des Art. 234 EG. VI. Eine gegen die Peterbroeck-Formel verstoßende und damit den Normbereich des Art. 234 EG beeinträchtigende Vorschrift des nationalen Rechts ist gerechtfertigt, wenn sie sich im Einklang mit einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts befindet und auch in ihrer konkreten Ausprägung noch einem Rechtswert entspricht, der von den meisten anderen Mitgliedstaaten geteilt wird. VII. Die materielle Präklusion verstößt gegen die Peterbroeck-Formel. Verstoß ist gemeinschaftsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Dieser

Ε. Ergebnisse

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VIII. Dieser vom Europäischen Gerichtshof konzipierte Rechtfertigungstatbestand kann auch auf andere den Normbereich des Art. 234 EG beeinträchtigende Vorschriften übertragen werden. IX. Dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Effektivität entsprechen nur angemessene (innerstaatliche) Fristen. Die Angemessenheit einer Frist beurteilt sich nach ihrer Länge und ihrem Beginn. X. Die materiellen Präklusionsfristen des deutschen Umwelt- und Baurechts sind aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive nicht mehr als angemessen einzustufen und verstoßen daher gegen den Grundsatz der Effektivität. Eine Ausnahme bildet lediglich die Einwendungsfrist des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens. XI. Die Unvereinbarkeit der materiellen Präklusion mit Art. 234 EG und dem Grundsatz der Effektivität hat zur Folge, daß sie ihre präklusivische Wirkung nur noch gegenüber rein nationalen Einwendungen entfaltet. Unmittelbar oder mittelbar auf dem Europäischen Gemeinschaftsrecht beruhende Einwendungen sind hingegen präklusionsimmun und können somit auch noch nach Ablauf der Einwendungsfrist ungehindert vorgetragen werden. XII. Das bedeutet aber nicht, daß auf dem Europäischen Gemeinschaftsrecht basierende Einwendungen unbegrenzt gegen die abschließende behördliche Entscheidung (Genehmigung / Planfeststellung) gerichtlich geltend gemacht werden können. Auch in diesem Fall sind die (sonstigen) Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage zu beachten. Dies gilt insbesondere für die Klagefrist des § 74 VwGO. Diese ist aus EG-rechtlicher Perspektive gerade noch als angemessen einzustufen und verstößt daher nicht gegen das Effektivitätsgebot. Auch eine Verletzung des Art. 234 EG (in der Auslegung, die er durch die Peterbroeck-Entscheidung erfahren hat) liegt nicht vor. Zwar hat der Ablauf der Klagefrist zur Folge, daß dem ersten (und einzigen) im staatlichen Instanzenzug mit der Sache befaßten Gericht die Möglichkeit genommen wird, einen etwaigen Verstoß gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht von Amts wegen zu prüfen und gegebenenfalls den EuGH um Vorabentscheidung zu ersuchen (so daß auch § 74 VwGO den Normbereich des Art. 234 EG beeinträchtigt); im Gegensatz zur materiellen Präklusion ist § 74 VwGO aber durch den vom Europäischen Gerichtshof geschaffenen Rechtfertigungstatbestand gedeckt. XIII. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bilden Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG den einschlägigen Prüfungsmaßstab. Sie verdrängen die unmittelbar aus den materiellen Grundrechten fließenden Rechtsschutzansprüche. XIV. Die verfassungsrechtliche Legitimation der materiellen Präklusion beruht im wesentlichen auf drei - für die präklusionsbewehrten Zulassungsverfahren typischen - Strukturmerkmalen: Der reduzierten gerichtlichen Kon-

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trolle, der Vielzahl („Masse") der beteiligten Personen und der polygonal divergierenden Interessen. XV. Die materielle Präklusion ist Ausdruck des verfassungsrechtlich gebotenen Interessenausgleichs in polygonal strukturierten Massen verfahren. XVI. Die materielle Präklusion gewährleistet ein kompetenzgerechtes und funktionales Zusammenwirken zwischen zweiter und dritter Gewalt und schützt somit den Grundsatz der Gewaltenteilung. XVII. Die Grundsätze der Beschleunigung und Effektivität der Verwaltung besitzen keinen verfassungsrechtlichen Eigenwert und sind daher nicht geeignet, die materielle Präklusion als Ausdruck kollidierenden Verfassungsrechts (im Sinne eines eigenen Rechtfertigungstatbestands) zu legitimieren. XVIII. Die Einführung der materiellen Präklusion in die Baugenehmigungsverfahren der Länder ist verfassungsrechtlich äußerst problematisch. Die Baugenehmigung verfügt grundsätzlich nicht über die für eine Legitimation der Präklusion erforderlichen Strukturmerkmale. Der in § 55 Abs. 2 S. 2 LBO BW normierte Einwendungsausschluß ist aus diesem Grund verfassungswidrig. Etwas anderes gilt für die materielle Präklusion in der bayerischen Bauordnung. Sie kommt nur in den Verfahren zur Genehmigung komplexer Bauvorhaben zum Einsatz, die über die für die verfassungsrechtliche Legitimation erforderlichen Strukturmerkmale verfügen. Zudem ist auch ihre konkrete Ausgestaltung geeignet, die mit ihr verfolgten und sie legitimierenden Ziele zu erreichen. XIX. Die materiellen Präklusionsnormen gehören zur Kompetenzmaterie der Art. 72, 74 Nr. 1 GG. Da der Bundesgesetzgeber mit Erlaß der VwGO das verwaltungsgerichtliche Verfahren abschließend geregelt hat, ist die Anordnung der materiellen Präklusion durch die Landesgesetzgeber nur dann verfassungsgemäß, wenn ein entsprechender Regelungsvorbehalt zu Gunsten der Länder besteht. Für das Recht der Planfeststellung existiert ein solcher in Gestalt des § 73 Abs. 4 VwVfG, durch den der Bundesgesetzgeber die materielle Präklusion fachgebietsübergreifend im VwVfG verankert hat. Für die landesrechtlichen Präklusionsnormen außerhalb des Rechts der Planfeststellung, also insbesondere denen des Baurechts, fehlt es an einer entsprechenden Ermächtigung. Die materiellen Präklusionsnormen in den Baugenehmigungsverfahren der Länder verstoßen daher gegen die grundgesetzliche Kompetenzverteilung. XX. Das Entstehen der Einwendungslast setzt zunächst voraus, daß die Betroffenen über die bevorstehende Planauslegung informiert werden. Dies kann im Wege öffentlicher Bekanntgabe geschehen. Das Grundgesetz gebietet es nicht, die durch das geplante Vorhaben möglicherweise in ihren Rechten

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Betroffenen individuell von der Planauslegung zu benachrichtigen. Dies gilt auch für die Enteignungsbetroffenen im Recht der Planfeststellung. XXI. Ebensowenig gebietet die Verfassung eine öffentliche Bekanntgabe der Planauslegung im Rundfunk. Eine Publikation im amtlichen Veröffentlichungsblatt und/oder in der Tagespresse ist insoweit ausreichend. Rechtspolitisch betrachtet wäre es allerdings zu begrüßen, wenn sich die Verwaltung auch der „neuen" Medien bedienen würde, um auf die bevorstehende Planauslegung hinzuweisen. XXII. Die öffentliche Bekanntgabe muß einen Hinweis auf die prozessualen Konsequenzen der materiellen Präklusion enthalten. Dies folgt aus dem Wortlaut (im Anlagengenehmigungsrecht) bzw. Telos (im Planfeststellungsrecht) der entsprechenden Vorschriften. XXIII. Eine Einwendung ist dann hinreichend substantiiert, wenn sie erkennen läßt, welche Rechtsgüter der Einwender für gefährdet hält; dazu muß er das entsprechende Rechtsgut bezeichnen und die befürchtete Beeinträchtigung darlegen. Entgegen anderslautender Stimmen hat sich die Substantiierungslast nicht verschärft. XXIV. Die Rügelast des Enteignungsbetroffenen im Recht der Planfeststellung erstreckt sich nicht auf öffentliche Belange bzw. objektiv-rechtliche Positionen.

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arverzeichnis Abwägung 83, 85, 86 ff., 91, 107, 122 Abwehranspruch 19, 22, 25, 40 f. 76, 122 Allgemeine Rechtsgrundsätze 43 ff. Amtsermittlung - im Gerichtsverfahren 23 f., 83 - im Verwaltungsverfahren 18, 83, 100 Anlagengenehmigung 87 ff. Anlagengenehmigungsrecht 17, 21, 63, 87, 90, 95, 112, 116 f. Anspruchslähmung 22 ff. Antidumpingrecht, siehe EG-Antidumpingrecht Äquivalenzgrundsatz 33 ff., 36 f., 55 Atomrecht 56, 59, 68, 70, 87 ff., 90, 107, 126 Β 42-Entscheidung 91 Baden-württembergische Bauordnung 98 ff. BauGB 98 ff. Baugenehmigungsverfahren 98 ff., 109 Bauordnung 98 ff. Bayerische Bauordnung 103 ff. Beibringungsgrundsatz 23 f. Bekanntmachung 59, 111 ff. Bergrechtliche Planfeststellung, siehe Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan 95 ff. Beschleunigung 84 ff. Bestandskraft 63, 89, 102 Beurteilungsspielraum 78, 88 f. Diskriminierungsverbot, siehe Äquivalenzgrundsatz Divergierende rechtliche Interessen 92 ff., 95 f., 101 f. Drittschutz 90 f., 101, 107, 122 Effektivität 84 ff. Effektivitätsgebot 33 ff., 36 f., 56 ff., 68, 126

EG-Antidumpingrecht 65 EG-Kartellrecht 65 EG-Prozeßrecht 48 EG-Richtlinie - FFH-Richtlinie 67 - IVU-Richtlinie 64 - UVP-Richtlinie 64 - Vogelschutzrichtlinie 67 EG-Subventionsrecht 65 Einwendungsinhalt 119 ff. Enteignungsrechtliche Vorwirkung 67, 78, 91, 113, 122 f. Entscheidungen des EuGH - Comet 36, 46, 51 - Factortame I 42, 40 f., 47 - Internationale Handelsgesellschaft 45 - Peterbroeck 32 ff. - Rewe 36,46,51 - Rheinmühlen I / II 39 f., 47, 49 - Simmenthai II 40, 47 - van Schjindel und van Veen 46, 54 Environmental Protection Act (EPA) 65 Ermittlungskapazität, administrative 112, 125 EuGH-Satzung 48 EuGH-Verfahrensordnung 58 f. Factortame I, siehe Entscheidungen des EuGH FFH-Richtlinie, siehe EG-Richtlinie Finanzgerichtsordnung 39, 47 ff. Formelle Präklusion 15, 20, 98, 103, 109 Funktionales Zusammenwirken von Exekutive und Judikative 82 ff., 84, 92, 95 Gebundene Entscheidung 87, 96 f., 99, 107 f. Genehmigung, siehe Anlagengenehmigung und Baugenehmigung

Sachwortverzeichnis Genehmigungsbeschleunigungsgesetz 59 Gentechnikrecht 56, 58 f., 88, 90, 126 Gesetzgebungskompetenz 108 ff. Gewaltenteilung 82 ff. Grundrechte 71 ff., 45, 93, 111, 114 ff.

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Immissionsschutzrecht 56, 58 f., 89, 90, 126 Infrastrukturverantwortung, staatliche 78 ff. Installations classées 65 Investitionsrisiko 80 IVU-Richtlinie, siehe EG-Richtlinie Kartellrecht, siehe EG-Kartellrecht Klagebefugnis 25 f., 32, 76, 91 Klagefrist 57 f., 68 f., 72 Kommissionsentwurf zum Umweltgesetzbuch 106 ff. Konkurrentenklage 65 Massenverfahren 77, 80 f., 83 f., 92, 95, 100 Naturschutzrechtliches Vermeidungsgebot 122 Nichtigkeitsklage (Art. 230 EG) 57 f. Normenkollision - direkte 34 - indirekte 34 Peterbroeck, siehe Entscheidungen des EuGH Planauslegung 59, 111 ff., 127 Planfeststellungsrecht 16, 21, 58, 63, 67, 87, 92, 95,97, 110, 117, 127 Planungssicherheit 81 Planungsvereinfachungsgesetz 16, 30, 110 Polygonale Verwaltungsrechtsverhältnisse 27, 63,79, 82, 85, 113 Praktische Konkordanz 79 Prozeßhindernis 29 Rechtfertigungstatbestand 42 ff., 47 ff., 52 f., 60 ff., 66, 68, 82, 86

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Rechtskraft 20, 29 ff., 32 Rechtsschutzgarantie 71 ff. Rechtsschutzinteresse 26 ff. Rechtsuntergang 19 ff. Rechtsvergleichung 44 f. Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte 78, 86, 89 f., 96, 99, 107 Rheinmühlen, siehe Entscheidungen des EuGH Richtlinie, siehe EG-Richtlinie Rügelast 123, 125 f., vgl. auch 122 Sasbach-Entscheidung 70 Schadstoffimmissionen 78, 114 Schutzpflichten 115 Simmenthai II, siehe Entscheidungen des EuGH Subjektives Recht 107 Substantiierungsgrad 119 ff. Subventionsrecht, siehe EG-Subventionsrecht Tagespresse 116 Tatsachenvortrag 22 Umweltgesetzbuch, siehe Kommissionsentwurf zum Umweltgesetzbuch Umweltverträglichkeitsprüfung 64, 96, 122 UVP-Richtlinie, siehe EG-Richtlinie Vereitelungsverbot, siehe Effektivitätsgebot Verfahrenskapazität, beschränkte 112, 125 Verfahrensrechtliche Dimension der Grundrechte 73 f., 113 Verwirkung 26 f. Vogelschutzrichtlinie, siehe EG-Richtlinie Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234 EG) - Eingriff 38 ff. - Funktion 37 f. - Normbereich 38 ff. - Rechtfertigung 42 ff. Widerspruchsfrist 37, 32