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German Pages 431 Year 2010
Beiträge zum Parlamentsrecht
Band 68
Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses – zwischen legislativer Effizienz und demokratischer Legitimation – Dargestellt am Beispiel des Steuergesetzgebungsverfahrens
Von
Georg Axer
a Duncker & Humblot · Berlin
GEORG AXER
Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses – zwischen legislativer Effizienz und demokratischer Legitimation –
Beiträge zum Parlamentsrecht Band 68
Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses – zwischen legislativer Effizienz und demokratischer Legitimation – Dargestellt am Beispiel des Steuergesetzgebungsverfahrens
Von
Georg Axer
a Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung des Deutschen Bundestages
Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6674 ISBN 978-3-428-13209-6 (Print) ISBN 978-3-428-53209-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-83209-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
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„Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit.“ Rudolf v. Jhering, Geist des römischen Rechts II 2, S. 471
Vorwort Am 8. 12. 2009 hat das Bundesverfassungsgericht erstmals eine auf einem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses beruhende gesetzliche Regelung als nichtig angesehen. In dem Beschluß wirft das Gericht dem Gesetzgeber vor, „der gesamte Verfahrensgang (sei) [...] erkennbar darauf angelegt (gewesen), unter Vermeidung der Öffentlichkeit der parlamentarischen Debatte und einer hinreichenden Information der Mitglieder des Deutschen Bundestages den von vornherein als notwendig erkannten politischen Kompromiss erst im Vermittlungsausschuss herbeizuführen“. Die Einbeziehung des sogenannten Koch/Steinbrück-Papiers in das Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 ist damit der vorläufige und schillernde Schlußpunkt einer allgemeinen Entwicklung, welche durch eine zunehmende Verlagerung parlamentarischer Entscheidungen in andere Gremien gekennzeichnet ist. Besondere Bedeutung unter diesen besitzt, insbesondere für die Steuergesetzgebung, der Vermittlungsausschuß. Die Grenzen seiner Kompetenz gelten dabei als nach wie vor nicht befriedigend geklärt. Vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, einen Maßstab zu entwickeln, der nicht nur dogmatisch, sondern auch praktisch überzeugt. Anknüpfungspunkt bildet der Gedanke, daß das (formelle) Gesetz seine besondere Legitimation aus dem (parlamentarischen) Verfahren bezieht, in dem es zustande kommt. Im weitreichenden Verzicht auf die Beantwortung von Gerechtigkeitsfragen qua constitutione wird die Verfassung zu einer Verfahrensordnung. Ein Absehen vom Erfordernis einer zumindest formalen inhaltlichen Legitimation des Gesetzes vermag dabei auch der das Vermittlungsverfahren als solches tragende Gedanke legislativer Effizienz nicht zu rechtfertigen. Diese unauflösliche Bindung des Vermittlungsrahmens an den Gegenstand der parlamentarischen Auseinandersetzung holt gesetzgeberisches Entscheiden zurück in das Lichte parlamentarischer Öffentlichkeit. Mit der für eine Weitung des späteren Vermittlungsrahmens damit zwingend erforderlichen – förmlichen und inhaltlichen – Intensivierung der parlamentarischen Debatte sichert sie die Förmlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens und gibt der Sorgfalt den Vorzug vor der Schnelligkeit. Eine reflektierte und verantwortliche Abgeordnetenentscheidung wird wieder möglich. Die Arbeit beansprucht, nicht weiterer – theoretischer – Teil des Problems, sondern – praktischer – Beitrag zu dessen Lösung zu sein. Im Interesse dieses Anliegens wünsche ich ihr zahlreiche Leser. Deren Anregungen und Kritik erreichen mich unter [email protected]. Berlin, im März 2010
Georg Axer
Inhaltsverzeichnis A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Verfassung als Rahmenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahren als Instrument demokratischer Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begründung inhaltlicher Legitimation durch Verfahren . . . . . . . . . . . 2. Formaler Charakter der Legitimation durch Verfahren . . . . . . . . . . . . 3. Funktion des Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Vermittlungsausschuß als Instrument legislativer Effizienz . . . . . . . . 1. Aufgabe des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktion des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Modifikation der legislativen Kompetenzverteilung zwischen Bundestag und Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legislative Kompetenzverteilung zwischen Bundestag und Bundesrat im Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Institutionelle Stärkung des Bundesrates durch Einrichtung des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Vermittlungsausschuß als institutionalisierte Konsequenz der Beteiligung des Bundesrates am Gesetzgebungsverfahren b) Institutionalisierter Ausgleich von Demokratieprinzip und Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Im Gesetzgebungsverfahren des Bundes angelegtes Spannungsverhältnis von Demokratie- und Bundesstaatsprinzip . . bb) Verschärfung des strukturellen Spannungsverhältnisses von Demokratie- und Bundesstaatsprinzip durch Einrichtung des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung der Einrichtung des Vermittlungsausschusses im Gedanken einer effizienten Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses im Spannungsfeld von demokratischer Legitimation und legislativer Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . .
27 27 30 30 32 33 35 35 37 37 37 38 39 41 41
42 45 47
10
Inhaltsverzeichnis Erster Teil Der Vermittlungsausschuß im Gesetzgebungsverfahren
B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz: Die demokratische Legitimation des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.
II.
50 50
Funktionelle und institutionelle Legitimation des Vermittlungsausschusses
51
1. Funktion des Vermittlungsausschusses als Legislativorgan . . . . . . . . .
51
2. Stellung des Vermittlungsausschusses als Verfassungsorgan . . . . . . .
52
a) Qualifizierung als Verfassungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
aa) Begriff des Verfassungsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
bb) Verfassungsrechtlich begründete eigene Kompetenz des Vermittlungsausschusses (Vermittlungskompetenz) . . . . . . . . . .
54
cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
b) Korrelation von organschaftlicher Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses und strukturell-institutioneller Stärkung des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
Personelle Legitimation der Mitglieder des Vermittlungsausschusses . . .
62
1. Grundgesetzlicher Regelungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
a) Mitgliedschaft in Bundestag und Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
b) Gebot paritätischer Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
c) Ständiges Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
d) Ausstrahlungswirkung der Diskontinuität des Bundestages . . . . .
66
2. Die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses als Gegenstand der Gemeinsamen Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat .
71
a) „Zusammensetzung“ im Sinne von Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . .
72
b) Pflicht zur Regelung in der GOVA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
3. Grundgesetzliche Maßstäbe für die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
a) Grundsatz der Spiegelbildlichkeit (Entsendung der Mitglieder des Bundestages) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
aa) Materieller Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
(1) Inhalt und Begründung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
(2) Aussagekraft für den Vermittlungsausschuß als selbständiges Verfassungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
(3) Das Parlament in seiner Gesamtheit als Gegenstand spiegelbildlicher Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
(4) Zulässigkeit minderheitenschützender und Unzulässigkeit mehrheitssichernder Korrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
Inhaltsverzeichnis (5) Kein Gegenstand der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
86
bb) Verwirklichung im Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
b) Grundsatz der Ländergleichheit (Entsendung der Mitglieder des Bundesrates) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
aa) Gebot repräsentativer Abbildung des Bundesrates . . . . . . . . .
89
bb) Ländergleichheit als (vorrangiger) Maßstab repräsentativer Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
cc) Verfassungsrechtlich gebotene Entsendung durch Plenumsbeschluß des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
1. Fehlende Öffentlichkeit des Verfahrens im Vermittlungsausschuß . . .
95
a) Vertraulichkeit des Verfahrens im Vermittlungsausschuß in Staatspraxis und GOVA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
b) Vereinbarkeit mit dem grundgesetzlichen Öffentlichkeitsgebot . . .
96
aa) Verfassungsgrundsatz der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . .
96
bb) Geltung des allgemeinen Öffentlichkeitsprinzips der Demokratie für den Vermittlungsausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
cc) Rechtfertigung eingeschränkter Öffentlichkeit des Verfahrens im Vermittlungsausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
(1) Funktionsfähigkeit des Vermittlungsausschusses als zwingender Grund des Gemeinwohls von Verfassungsrang . .
99
(2) Ausgleich von Transparenz und Effizienz im Verfahren des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (a) Ausschluß der Sitzungsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . 101 (b) Einschränkung der Berichterstattungsöffentlichkeit
101
(c) Befristeter Verschluß der Sitzungprotokolle . . . . . . 101 (d) Zusammenwirken der einzelnen Elemente des Öffentlichkeitsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Reformansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Vermittlung im Wege institutionell verselbständigter Mehrheitsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Vermittlung als Abweichung vom Grundsatz der Mehrheitsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Vermittlung durch Mehrheitsentscheidung: Abstimmung nach Köpfen (§ 8 GOVA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Abstimmungs- oder Anwesenheitsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . 107
12
Inhaltsverzeichnis bb) Kein qualifiziertes Mehrheitserfordernis für Einigungsvorschläge zu verfassungsändernden Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Der sogenannte „unechte Einigungsvorschlag“: Ausdruck und Bewährung organschaftlicher Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Begriff des „unechten Einigungsvorschlags“ . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Kritik im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 cc) Rechtfertigung als Ausdruck organschaftlicher Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 dd) Der „unechte“ Einigungsvorschlag als Bewährungsprobe institutioneller Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses . . 111 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
C. Der verfahrenssystematische Zusammenhang der Vermittlungskompetenz: Das Gesetz als Ergebnis eines einheitlichen Verfahrens des Bundestages . 114 I.
Vorfrage: Das Verhältnis von Kompetenz und Verfahren . . . . . . . . . . . . . 114 1. Begriff der Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Begriff des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Die Vielschichtigkeit des Verfahrensgedankens . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Das Verfahren im Rechtssinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Begegnung von Kompetenz und Verfahren im Gedanken demokratischer Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Kompetenz als Rahmen inhaltlicher Legitimation . . . . . . . . . . . . . 118 b) Verfahren als Instrument inhaltlicher Legitimation . . . . . . . . . . . . 119 c) Begriff eines auf die konkrete Kompetenzausübung des einzelnen Organs bezogenen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4. Das Verhältnis von Kompetenz und Verfahren bei Beteiligung mehrerer Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Das „gestufte Verfahren“ als Sequenz von Verfahren . . . . . . . . . . 120 b) Das übergeordnet einheitliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Kennzeichen des übergeordnet einheitlichen Verfahrens . . . . 121 bb) Beteiligungsformen im übergeordnet einheitlichen Verfahren
II.
122
Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . 122 1. Ausgangspunkt des Gesetzgebungsverfahrens: Die Gesetzesinitiative, Art. 76 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Das Regelgesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Der erste Durchgang im Bundesrat nach Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG . . 123 b) Die Beratungen im Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 c) Der zweite Durchgang im Bundesrat nach Art. 77 Abs. 1 S. 2 GG
124
3. Das Vermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Inhaltsverzeichnis
13
a) Die Anrufung des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Die erneute Beschlußfassung des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Beschränkung auf die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (1) Der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG . . . . . . . . 129 (2) Die systematisch-teleologische Interpretation des Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Beschränkung auf durch die Gesetzeswillensbildung im Verfahren des Bundestages vorgezeichnete Gegenstände . . . . . . 132 (1) Strukturelle Unmöglichkeit einer (umfassenden) Gesetzeswillensbildung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (2) Keine Rechtfertigung des Verzichts auf eine Gesetzeswillensbildung durch den Gedanken legislativer Effizienz . 134 cc) Verfassungsmäßigkeit einer Anordnung einheitlicher Abstimmung nach § 90 GOBT i.V. m. § 10 Abs. 3 S. 1 GOVA . . . . . 135 dd) Verfassungswidrigkeit des Debattenverbotes in § 90 GOBT i.V. m. § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Das Debattenverbot des § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA . . . . . . . 137 (2) Mittelbare Bindung des Bundestages an die GOVA über § 90 GOBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (3) Keine Rechtfertigung durch den Gedanken legislativer Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 ee) Zwischenergebnis und möglicher Reformansatz . . . . . . . . . . 141 d) Die erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . 142 4. Der weitere Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Das Gesetzgebungsverfahren als ein einheitliches Verfahren des Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 IV. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 D. Die (verfahrenslegitimatorischen) Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I.
Der fragmentarische Charakter der Regelung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
II.
Die Staatspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . 149 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . 149
14
Inhaltsverzeichnis aa) BVerfGE 72, 175 – Wohnungsfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) BVerfGE 78, 249 – Fehlbelegungsabgabe . . . . . . . . . . . . . . . 150 cc) BVerfGE 101, 297 – Häusliches Arbeitszimmer . . . . . . . . . . 151 dd) BVerfGE 120, 56 – Vermittlungsausschuß . . . . . . . . . . . . . . . 152 ee) Zusammenfassende Würdigung und offene Fragen . . . . . . . . 155 b) Die Folgerechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . 156 2. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Restriktive Interpretationen der Vermittlungskompetenz . . . . . . . . 158 aa) Kumulativität von strenger Anrufungs- und Verfahrensidentität 159 bb) Enger inhaltlicher Sachzusammenhang mit dem Gesetzesbeschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Gemäßigte Interpretationen der Vermittlungskompetenz . . . . . . . 161 aa) Alternativität von strenger Anrufungs- und Verfahrensidentität 161 bb) Kumulativität von weiter Anrufungs- und strenger Verfahrensidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Extensive Interpretationen der Vermittlungskompetenz . . . . . . . . 163 aa) Kumulativität von weiter Anrufungs- und Verfahrensidentität 163 bb) Weiter Sachzusammenhang mit dem Anrufungsbegehren . . . 163 cc) Eingeschränkte Justitiabilität der Grenzen der Vermittlungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Zusammenfassende Bewertung und Ermittlung des Klärungsbedarfs
165
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Die historische Einordnung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG . . . . . . 168 3. Die systematisch-teleologische Interpretation des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Die teleologische Auslegung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG . . . 170 b) Der (verfahrens-)systematische Zusammenhang des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 aa) Kompetenzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (1) Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundestages, Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (2) Das Gesetzesinitiativrecht, Art. 76 Abs. 1 GG . . . . . . . . 173 (a) Inhalt des Initiativrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (b) Unzulässige Anmaßung eines Gesetzesinitiativrechts durch den Vermittlungsausschuß . . . . . . . . . . . . . . . 174 (c) Verstoß gegen das Verbot der Denaturierung von Gesetzesvorlagen durch den Vermittlungsausschuß . . . 175 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
Inhaltsverzeichnis
V.
(3) Das Einberufungsverlangen, Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 4 GG (4) Der Grundsatz der Verfassungsorgantreue . . . . . . . . . . . (5) Grundgesetzliches Funktionsgefüge zwischen Bundestag und Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Der kompetentielle Gehalt des Demokratieprinzips, Art. 20 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Zwischenergebnis: Das Anrufungsbegehren in maximaler Konkretisierung der Gesetzesinitiative als Schranke eines Einigungsvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Gebot systematischer Einbeziehung der Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag im einzelnen . . . . . . . . . . . . . (a) Die Rechte des Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Das Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Das Rederecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Das Antragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Das Recht auf eine informierte Entscheidung . (ee) Zusammenfassung: Möglichkeit einer reflektierten Abgeordnetenentscheidung . . . . . . . . . . . . (b) Die Öffentlichkeit der parlamentarischen Verhandlung, Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die verfahrensbezogene Dimension des Demokratieprinzips, Art. 20 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis: Die Beachtung der Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag als Schranke eines Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis: Wahrung des Anrufungsbegehrens und Beachtung der Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis: Das kumulative Erfordernis der Anrufungs- und Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses Zweistufige Prüfung der Vereinbarkeit eines Einigungsvorschlags mit dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wahrung des Anrufungsbegehrens (Anrufungslegitimation) . . . . . . . a) Vorfrage: Zulässigkeit des Anrufungsbegehrens . . . . . . . . . . . . . . aa) Einschränkungen nach Anrufungsorganen . . . . . . . . . . . . . . .
15 177 177 180 181
182 182
182 184 184 185 186 186 187 188 188 189
190
190 192 194 194 194 195
16
Inhaltsverzeichnis (1) Anrufung durch den Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anrufung durch die Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschränkungen nach Anrufungsgegenständen . . . . . . . . . . (1) Unzulässigkeit einer bloßen (Verfassungs-)Rechtsfrage . (2) Zulässigkeit eines offenen Anrufungsbegehrens . . . . . . . b) Bestimmung des inhaltlichen Rahmens des Anrufungsbegehrens . aa) Bezüglichkeit auf den Gesetzesbeschluß: Das Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage als äußerster gegenständlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) In Staatspraxis, Rechtsprechung und Schrifttum vertretene Konkretisierungen inhaltlicher Anknüpfung an den Gesetzesbeschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die grundsätzliche Relativität jeder Wahl einer Bezugsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sinn und Zweck inhaltlicher Bindung an das Anrufungsbegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Das Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage als äußerste gegenständliche Schranke jedes Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Das Denaturierungsverbot der ursprünglichen Gesetzesvorlage aus Art. 76 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Regelung des § 62 Abs. 1 S. 2 GOBT . . . . . . . . (c) Die Auslegungsentscheidung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 15. November 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis: Das Regelungsziel der einzelnen Norm als Bezugsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermittlung der Einschränkungen des anrufenden Organs durch Auslegung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wahrung des Anrufungsbegehrens in ausgewählten Einzelfällen . aa) Offenes Anrufungsbegehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Änderungen und Ergänzungen des Gesetzesbeschlusses . . . . cc) Aufhebung des Gesetzesbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Berichtigungen des Gesetzesbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beachtung der Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag (Verfahrenslegitimation) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßgeblichkeit des konkreten Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorüberlegung zur Praxisrelevanz der Einbeziehbarkeit von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . .
195 198 200 200 202 204
204
205 207 208
209 209 210
211 212 213 215 215 216 216 216 218 220 221 221 222
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17
bb) Bestimmung des gegenständlichen Rahmens eines konkreten Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 cc) Unzulässigkeit der Einbeziehung von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 dd) Ergebnis: Beschränkung auf Gegenstände der Beratungen der ursprünglichen Gesetzesvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Inhaltliche und formale Vorzeichnung des Einigungsvorschlags . . 226 aa) Inhaltliche Vorzeichnung des einzelnen Normzwecks . . . . . . 227 bb) Formale Vorzeichnung in Plenarförmlichkeit . . . . . . . . . . . . 229 (1) Maßstab der Plenarförmlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (a) Beschränkung auf Regelungsgegenstände des Plenums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (b) Förmliche (Mindest-)Anforderungen . . . . . . . . . . . . 232 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (2) Möglichkeiten nach geltendem Geschäftsordnungsrecht
233
(a) Gesetzentwürfe, § 75 Abs. 1 lit. a GOBT . . . . . . . . . 233 (aa) Die ursprüngliche Gesetzesvorlage . . . . . . . . . 233 (bb) Ausnahme: Eine andere Gesetzesvorlage . . . . . 234 (b) Stellungnahmen des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . 235 (c) Beschlußempfehlungen und Berichte der Ausschüsse, § 75 Abs. 2 lit. a GOBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (d) Änderungsanträge, § 75 Abs. 2 lit. b GOBT . . . . . . 238 (e) Weitere Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (3) Nichtabschließender Charakter des Geschäftsordnungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) Bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des Abgeordneten . . . . 240 aa) Grundgesetzlicher Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 bb) Gewährleistung im geschäftsordnungskonformen Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (1) Mitteilung der Tagesordnung (§ 20 GOBT) . . . . . . . . . . 242 (2) Verteilung der Vorlagen (§ 77 Abs. 1 GOBT) . . . . . . . . . 242 (3) Begründung von Gesetzentwürfen (§ 76 Abs. 2 GOBT) . 243 (4) Einhaltung von Mindestfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (5) Rederecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (6) Antragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 3. Einschätzungsprärogative des Vermittlungsausschusses als Bedingung effektiver Kompromißsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
18
Inhaltsverzeichnis
E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz . . . . . . . . . . 253 I.
Unklarheit über die Fehlerfolge in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . 253
II.
Die Nichtigkeit eines Einigungsvorschlags wegen Verstoßes gegen die Kompetenzvorschrift des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Die Nichtigkeitsfolge der Verletzung einer grundgesetzlichen Kompetenzvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Reichweite der Nichtigkeit des Einigungsvorschlages . . . . . . . . . . . . . 256
III. Der nichtige Einigungsvorschlag als Fehler im Gesetzgebungsverfahren . 258 1. Grundsatz organbezogener Exklusivität von Kompetenzverstoß und Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Eine Überschreitung der Kompetenz des Vermittlungsausschusses als Fehler im Gesetzgebungsverfahren (des Bundestages) . . . . . . . . . . . . 259 3. Reichweite der Fehlerhaftigkeit des Beschlusses des Bundestags nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG und Fortsetzung im weiteren Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 IV. Die Möglichkeit einer Heilung durch erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Begriff und Voraussetzungen der Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Unmöglichkeit einer Heilung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3. Heilung durch erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 V.
Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Fehlen einer gefestigten Dogmatik der Folgen von Verfahrensfehlern für das formelle Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Die „Evidenz“-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . 265 b) Kritik im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Die Nichtigkeit des Gesetzes als zutreffende Folge der Verletzung grundgesetzlicher Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren . . . 268 a) Ausgangspunkt: Der Grundsatz von der ipso-iure-Nichtigkeit . . . 268 b) Die mangelnde Rechtfertigung einer Privilegierung von formellen Verfassungsverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Die Verfehltheit einer vergleichenden Bezugnahme auf das Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 bb) Die Indifferenz des Rechtssicherheitsarguments gegenüber formellem und materiellem Verfassungsverstoß . . . . . . . . . . . . . 273 c) Die grundsätzliche Unzulässigkeit einer Ungleichbehandlung von formellem und materiellem Verfassungsverstoß . . . . . . . . . . . . . . 274 aa) Der (potentiell) selbständige Zweck von Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
Inhaltsverzeichnis bb) Die vermutet eigenständige Legitimationsfunktion des Verfassungsverfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reichweite der Nichtigkeit des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Annex: Die abgestufte Tenorierungspraxis des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
276 278 279 280 282
Zweiter Teil Die Bewährung des Vermittlungsausschusses im Steuergesetzgebungsverfahren F.
Art. 3 Nr. 6 lit. a des Steuervergünstigungsabbaugesetzes als Beispiel für die gegebene Anrufungs- und Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gegenstand der Regelung des § 37 Abs. 2a KStG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Gesetzgebungsverfahren zum Steuervergünstigungsabbaugesetz . . . . III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 8. 11. 2006 – I R 69, 70/05 2. Kritik im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme: Wahrung der Vermittlungskompetenz durch § 37 Abs. 2a KStG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anrufungslegitimation des § 37 Abs. 2a KStG 2002 . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrenslegitimation des § 37 Abs. 2a KStG 2002 . . . . . . . . . . . . . . a) Plenarförmliche Vorzeichnung des Regelungszwecks des § 37 Abs. 2a KStG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Art. 1 Nr. 2a des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 als Beispiel für die fehlende Anrufungs- und gegebene Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gegenstand der Regelung des § 4 Abs. 4a EStG 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Gesetzgebungsverfahren zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 . . . . . . III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 21. 9. 2005 – X R 47/03 . . 2. Zustimmung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme: Überschreitung der Vermittlungskompetenz durch § 4 Abs. 4a EStG 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende Anrufungslegitimation des § 4 Abs. 4a EStG 1999 . . . . . . .
284
287 287 288 292 292 293 294 294 295 296 298 299
301 301 303 307 307 308 310 311
20
Inhaltsverzeichnis
V.
a) Beschränkung des Anrufungsbegehrens zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 auf Fragen der Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unzulässigkeit der Einbeziehung von Gegenständen jenseits des Anrufungsbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fehlender Konkretisierungsbedarf des Anrufungsbegehrens zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfehltheit der Einbeziehung der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrenslegitimation des § 4 Abs. 4a EStG 1999 . . . . . . . . . . . . . . . a) Plenarförmliche Vorzeichnung des Regelungszwecks des § 4 Abs. 4a EStG 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 als Beispiel für die gegebene Anrufungs- und fehlende Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags I. Gegenstand der Regelung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 . . . . . . II. Das Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 . . . . . . . . III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 7. 11. 2007 – 2 BvR 412, 2491/04 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Meinungsbild im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mehrheitsansicht: Formell verfassungswidriges Zustandekommen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Minderheitsansicht: Formell verfassungsgemäßes Zustandekommen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme: Überschreitung der Vermittlungskompetenz durch die Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anrufungslegitimation der Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlende Verfahrenslegitimation der Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Plenarförmliche Vorzeichnung der Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 15. August 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) 28. Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages vom 15. Oktober 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311 311 313 314 314 315 315 318 318 319 320 320 321 327 327 328 329 331 332 332 333 333 334 336
Inhaltsverzeichnis
21
(1) Vorüberlegung: Zulässigkeit des Vorgehens der Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) . . . . . . . . . . . . 337 (2) Vorstellung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ durch die beiden Landesminister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (3) Ausschußdrucksache 15/8/852 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (4) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 cc) Weiterer Beratungsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 b) Bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 V. J.
Annex: Übertragbarkeit auf weitere Vorschriften des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform als Beispiel für die fehlende Anrufungs- und Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 I.
Gegenstand der Regelung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 . . . . . . . . . 349
II.
Das Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 1. 2008 – 2 BvL 12/01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 2. Übereinstimmung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 IV. Stellungnahme: Überschreitung der Vermittlungskompetenz durch die Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 1. Fehlende Anrufungslegitimation der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 2. Fehlende Verfahrenslegitimation der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 a) Plenarförmliche Vorzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 aa) Vorüberlegung: Bestimmung des Rahmens der Beratungen des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform . . . . 362 bb) Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Fraktionen CDU / CSU und FDP vom 27. März 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 cc) Entschließung des Bundestages in den Beratungen des Steuerreformgesetzes 1998 vom 26. Juni 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 b) Bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
22
Inhaltsverzeichnis 3. Fehlerfolge: Nichtigkeit der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 V.
Keine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
K. Erweiterung der Vermittlungskompetenz durch Verfahren – Stärkung und Steigerung der Qualität des parlamentarischen Verfahrens im Bundestag 372 Zusammenfassung in 100 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abg. Abs. AEG a. F. AktStR Alt. Anm. AO AöR Art. AtG AufenthG Aufl. Az. BAnz BayVfGH BB Bd. BFHE BFH / NV BFH-PR BGBl BGH BierStG BImSchG BMF BR-Drs Bsp. BStBl BT-Drs
anderer Ansicht am angegebenen Orte Abgeordnete(r) Absatz Allgemeines Eisenbahngesetz alte Fassung Aktuelles Steuerrecht Alternative Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Atomgesetz Aufenthaltsgesetz Auflage Aktenzeichen Bundesanzeiger Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Betriebs-Berater Band Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Biersteuergesetz Bundes-Immissionsschutzgesetz Bundesministerium der Finanzen Drucksachen des Bundesrates Beispiel Bundessteuerblatt Drucksachen des Deutschen Bundestages
24 BVerfG BVerfGE BVerfGG bzw. CDU CSU DAR DB ders. d. h. DÖV DStR DStZ DVBl ebd. EFG EG ErbStB ErbStG EStG e.V. EWiR f. FamRZ FDP ff. FG FGReport Fn. FR FS GewStG GG GmbHR GOBR GOBReg GOBT GOVA HBeglG 2004 HbVerfR
Abkürzungsverzeichnis Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz beziehungsweise Christlich Demokratische Union Christlich Soziale Union Deutsches Autorecht Der Betrieb derselbe das heißt Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung Deutsches Verwaltungsblatt ebenda Entscheidungen der Finanzgerichte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Der Erbschaft-Steuer-Berater Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Einkommensteuergesetz eingetragener Verein Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende, –r, –s Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Freie Demokratische Partei folgende Finanzgericht Beilage zu BFH-Report: Schnelldienst zur höchstrichterlichen Steuerrechtsprechung Fußnote Finanz-Rundschau Festschrift Gewerbesteuergesetz Grundgesetz GmbH-Rundschau Geschäftsordnung des Bundesrates Geschäftsordnung der Bundesregierung Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses Haushaltbegleitgesetz 2004 Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland
Abkürzungsverzeichnis Hrsg. Hs. HStR i. d. F. i.S. i.V. m. JA JöR N.F. JuS JZ KÖSDI KPD KStG Lfg. lit. m.w. N. N&R NDBZ NdsVBl n.F. NJW Nr. NVwZ NVwZ-RR NWB NWVBl PDS ppp Rn. Rspr. RuP Rz. S. s. s. a. s. o. SGG SPD StBereinG Stbg StEntlG
Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland in der Fassung im Sinne in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Neue Folge (1.1951 ff.) Juristische Schulung Juristenzeitung Kölner Steuerdialog Kommunistische Partei Deutschlands Körperschaftsteuergesetz Lieferung littera mit weiteren Nachweisen Netzwirtschaft und Recht Neue deutsche Beamtenzeitung Niedersächsische Verwaltungsblätter neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport Neue Wirtschaftsbriefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Partei des demokratischen Sozialismus Parlamentarisch-Politischer Pressedienst Randnummer Rechtsprechung Recht und Politik Randziffer Seite; Satz siehe siehe auch siehe oben Sozialgerichtsgesetz Sozialdemokratische Partei Deutschlands Steuerbereinigungsgesetz Die Steuerberatung Steuerentlastungsgesetz
25
26 str. st. Rspr StuW StVergAbG Tz. u. u. a. UmwStG Urt. UStG v. v. a. Var. VerwArch VG vgl. v.H. VVDStRL VwVfG WM WRV z. B. ZErb ZG zit. ZParl ZRP ZSteu
Abkürzungsverzeichnis streitig ständige Rechtsprechung Steuer und Wirtschaft Steuervergünstigungsabbaugesetz Textziffer und unter anderem Umwandlungssteuergesetz Urteil Umsatzsteuergesetz vom vor allem Variante Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht vergleiche vom Hundert Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz Wohnungswirtschaft und Mietrecht Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung) zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Gesetzgebung zitiert Zeitschrift für Parlamentsfragen Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Steuern und Recht
A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren „Die Regelungen über das Gesetzgebungsverfahren zielen darauf ab, die demokratische Legitimation der zu treffenden Regelungen sicherzustellen.“ 1 Eher am Rande und gegen Ende findet sich diese Feststellung im jüngsten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zu den Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses. Der Gedanke einer Legitimation des Gesetzes im Verfahren bildet jedoch nicht den Schlußpunkt, sondern den Ausgangspunkt, nicht eine beiläufige Erkenntnis, sondern den Maßstab für eine Untersuchung der Reichweite der Kompetenz des „aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeten Ausschusses“ (Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG).
I. Die Verfassung als Rahmenordnung Die Verfassung begründet eine Rahmenordnung. 2 Sie beschränkt sich darauf, den Rahmen und das Verfahren für den politischen Handlungs- und Entscheidungsprozeß festzulegen und eine Entscheidung über das grundsätzliche Verhältnis von Individuum, Gesellschaft und Staat zu treffen. 3 Ihr Verzicht auf weitergehende Festlegungen ist Konsequenz ihrer Normativität. 4 Eine über die Grundordnung des Staatswesens hinausreichende inhaltlich-normative Durchbildung in der Dichte von im judiziellen oder verwaltungsmäßigen Sinne schon vollzugsfähigen Einzelregelungen würde ihre nur begrenzte Leistungsfähigkeit 5 übersteigen, mit dieser Überbeanspruchung ihrer normativen Reichweite ihren 1
BVerfGE 120, 56 (78) (Vermittlungsausschuß). E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2091 u. 2099); ders., Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, S. 71; Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 164, Rn. 5; ders, in: Badura / Dreier (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, S. 1 (6 ff.); Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 408; Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (507). 3 E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2091). 4 Starck, Die Verfassungsauslegung, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 164, Rn. 2; Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 408. 5 Vgl. Badura, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 163, Rn. 13; Starck, JZ 1999, 473 (484). 2
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
Geltungsanspruch aber gerade gefährden 6. 7 Der Rahmencharakter der Verfassung entfaltet hierbei zweierlei Funktion. 8 Zunächst besitzt er eine beschränkende Wirkung. Die Verfassung setzt staatlicher Handlungsmacht äußerste, unübersteigbare Grenzen 9. 10 Staatliches Handeln hat „innerhalb des Rahmens“ der Verfassung zu verbleiben. 11 Insbesondere die Reichweite der inhaltlichen Grenzziehung, namentlich in Gestalt der Grundrechte, bedarf hierbei allerdings noch einer näheren Bestimmung 12. 13 Spiegelbildlich und zum anderen kommt dem Rahmencharakter der Verfassung jedoch auch eine öffnende Funktion zu. 14 Mit 6 E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2099); Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 409. Zum Zusammenhang von „Offenheit“ und „Wirkkraft“ vgl. auch Hesse, in: Benda u. a. (Hrsg.), HbVerfR, § 1, Rn. 16. 7 In Widerspruch zur Normativität der Verfassung setzt sich auch ein nahezu ausschließlich tatsächliches Verfassungsverständnis wie etwa der Ansatz Häberles von der Verfassung als „verfasster Wirklichkeit und Öffentlichkeit“ und „öffentlichem Prozeß“ (Grundlegend Häberle, JZ 1975, 297 ff.; ausführlich ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß). Zur Kritik vgl. nur E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2093 f.). 8 Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 408. Siehe auch Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (507) („Ein Rahmenverständnis verlangt immer ein Doppeltes, nämlich Aussagen über das Festgelegte und über das Offene.“). 9 In besonderer Anschaulichkeit zutage tretend in den „De-finitionen“ der Zuständigkeitsnormen; Starck, JZ 1999, 473 (484). 10 Starck, a. a. O.; Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 408. 11 Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 164, Rn. 8. 12 Vgl. E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2099); siehe auch Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 409. 13 Die Abgrenzung von verfassungsrechtlichem Rahmen und politischer Gestaltungsfreiheit markiert hierbei zugleich die funktionale Trennlinie zwischen Gesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit. Die Diskussion um das zutreffende Verfassungsverständnis ereignet sich im Schrifttum daher oft unter dem Gesichtspunkt des funktionalen Spannungsverhältnis von demokratischen Gesetzgeber und ausgeprägter Verfassungsgerichtsbarkeit (zu Recht darauf hinweisend, daß dieses – in einer parlamentarischen Demokratie mit Verfassungsgerichtsbarkeit unvermeidbar angelegte – Spannungsverhältnis seine Schärfe erst aus einem Zusammenwirken von einem Verständnis des Grundgesetzes als umfassender Wertordnung und einer kompetenzstarken Verfassungsgerichtsbarkeit bezieht, Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 69). Zur Bedeutung des Verfassungsverständnisses für eine Bestimmung des Verhältnisses von Parlament und Bundesverfassungsgericht vgl. nur Gusy, a. a. O., S. 68 ff.; P. Kirchhof, in: Badura / Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 5 (14 ff.); Starck, in: Badura / Dreier (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, S. 1 (6 ff.); siehe auch Badura, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 163, Rn. 13; E.-W. Böckenförde, NJW 1999, 9 (13); Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 164, Rn. 8. Inhaltlich im Zentrum der Diskussion steht hierbei die Grundrechtsdogmatik, in erster Linie ihre objektiv-funktionale Interpretation als Werteordnung. Während Böckenförde hierbei den Rahmencharakter des Grundgesetzes betonend vor einem „gleitenden Übergang vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionenstaat“ warnt (E.-W. Böckenförde, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, S. 61 u. 71 ff.), kommt Lerche zu dem Ergebnis, daß sich insoweit ein Übergang des
I. Die Verfassung als Rahmenordnung
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ihrer bewußten Beschränkung auf eine Festlegung von Grenzen und die Vorgabe von Richtungen 15 beläßt die Verfassung staatlicher Tätigkeit einen Gestaltungsraum. 16 Dieser ist hierbei nicht – die gleichsam zufällige – Folge eines fragmentarischen und bruchstückhaften Charakters der Verfassung 17, sondern vielmehr – bewußter – Ausdruck eines wohlgeordneten Systems von inhaltlicher Bestimmtheit und Offenheit. 18 Ein besonders weiter Handlungsspielraum ist dabei der gesetzgebenden Gewalt eingeräumt. Die Verfassung beschränkt den Gesetzgeber nicht auf ein Verwirklichen, Konkretisieren 19, oder gar Optimieren von Inhalten, welche im Grundgesetz bereits niedergelegt und entschieden sind, sondern ermöglicht ihm eigenständiges Gestalten. 20 Sie schlägt auf dem Feld der Gesetzgebung lediglich bestimmte Pflöcke ein. 21 In der bewußten Nichteinigung 22 überantwortet sie die Entscheidung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Gesetzgebung meint im demokratischen Verfassungsstaat daher mehr als Verfassungsvollzug. 23 Dies ermöglicht es dem Gesetzgeber, auf akGrundgesetzes von einer limitierenden zu einer dirigierenden Verfassung feststellen lasse (Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 61 ff.). 14 Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 408. 15 E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2099). 16 Badura, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 163, Rn. 9 und 13; Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 164, Rn. 7; Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 408. 17 So aber E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2099). Überzeugend gegen die Begrifflichkeiten von fragmentum und Bruchstück Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 164, Rn. 5. 18 Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 164, Rn. 5; Starck, JZ 1999, 473 (484). Siehe auch Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (507, Fn. 74). 19 Hier verstanden in einem materiellen, das Ergebnis gesetzgeberischen Entscheidens bereits vorwegnehmenden, zumindest jedoch vorzeichnenden Sinne; wohl zurückgehend auf Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 24 ff. Der Begriff des „Konkretisierens“ kann allerdings Verwendung auch in einem ausschließlich technischen Verständnis der Hierarchie-Lehre finden. Er bezeichnet dann nicht die strikte Umsetzung bindender höherrangiger Vorgaben, sondern ein gestaltendes Tätigwerden auf niederrangiger Ebene im Rahmen des durch die höherrangige Ebene eröffneten Gestaltungsspielraums, bildet damit jedoch ein Äquivalent zum eigenständigen gesetzgeberischen Gestalten; in diesem letzteren Sinne wohl bei E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2099) („rechtsschöpferische Konkretisierung“). Zu einem in ähnlicher Weise divergierenden Verständnis des „Verfassungsvollzugs“ vgl. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 65 u. 92 (Fn. 226). 20 Vgl. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 69; Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 164, Rn. 6. 21 Vgl. E.-W. Böckenförde, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, S. 71. 22 Vgl. E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2091). 23 Badura, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 163, Rn. 22; Unruh, Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 409. Siehe auch Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 68 f.
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
tuelle Herausforderungen und neue Fragestellungen angemessen zu reagieren, verhindert zugleich ein Scheitern der Verfassung angesichts sich stetig wandelnder Realitäten. 24 Mit dem weitgehenden Verzicht der Verfassung, inhaltliche Lösungen gesellschaftlicher Probleme normativ vorauszubestimmen, gewinnen ihre Regelungen über das Verfahren, in welchem diese anzugehen und zu bewältigen sind, namentlich des Gesetzgebungsverfahrens, eine hervorgehobene Bedeutung. 25 Das Verfahren bildet den Rahmen, in welchem der Gesetzgeber seine Entscheidungen vorbereitet und trifft. 26 Das Gesetz erfährt seine inhaltliche Legitimation nicht unmittelbar qua constitutione, kraft grundgesetzlicher Vorausbestimmung, sondern bezieht sie aus dem Verfahren, in welchem es zustande kommt. Die Verfassung wird so zu einer Verfahrensordnung.
II. Verfahren als Instrument demokratischer Legitimation 1. Begründung inhaltlicher Legitimation durch Verfahren Das Gebot demokratischer Legitimation gilt umfassend. Es verlangt, daß sich jedes Staatshandeln in seiner Konkretheit auf den Willen des Staatsvolkes zurückführen lassen muß. 27 Innerhalb des durch die Kompetenzordnung dem einzelnen Organ gesetzten Rahmens ereignet sich inhaltliche Legitimation in einem permanenten, komplexen Prozeß gegenseitiger Rückkoppelungen zwischen Staatsvolk als Träger und Staatsorganen als Ausübenden der Staatsgewalt, der über eine Abbildung von abstrakt Vorgefundenem oder eine demoskopische Momentaufnahme weit hinausreicht. 28 Für Quantität und Qualität dieses Kommunikationsprozesses von besonderer Bedeutung ist das Verfahren staatlicher 24 Vgl. Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 164, Rn. 2; Starck, JZ 1999, 473 (484). 25 Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 58; Mellinghoff, DStR 2003, Beihefter 3, S. 1 (6); Schmidt-Jortzig, ZParl 1992, 582 (600). Siehe auch Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 82; Ossenbühl, in: Badura / Dreier (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, S. 33 (49 f.). 26 Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 164, Rn. 5. 27 BVerfGE 47, 253 (272) (Gemeindeparlamente); BVerfGE 77, 1 (40) (Neue Heimat); BVerfGE 83, 60 (72) (Ausländerwahlrecht II); BVerfGE 93, 37 (66) (Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein); BVerfGE 107, 59 (87) (Lippeverband). Ausführlich zum Gebot effektiver demokratischer Legitimation E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, 3. Auflage, Heidelberg 2004, § 24, Rn. 11 ff; Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 41 ff.; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 265 ff. 28 Vgl. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 119; Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 17. Kritisch zu einer mechanischen Verwirklichung von Faktizität auch Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71, Rn. 101 ff. Siehe auch Benda / Kreuzer, JZ 1972, 497 (499 ff.).
II. Verfahren als Instrument demokratischer Legitimation
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Entscheidungsprozesse. 29 Dessen Ausgestaltung legt fest, ob und in welchem Ausmaß ein wechselseitiger Austausch zwischen staatlichem Entscheidungsträger und Staatsvolk überhaupt stattfinden kann, bestimmt hiermit, in welchem Umfang und in welcher Qualität der Wille des Staatsvolkes in das Ergebnis konkreter Kompetenzausübung einfließen kann 30. Damit entscheidet das Verfahren darüber, ob sich das Volk in der Art und Weise staatlicher Entscheidungsfindung ungeachtet inhaltlicher Meinungsverschiedenheiten wiederfinden und mit ihr identifizieren kann 31. Eine in diesem Sinne verstandene Legitimation durch Verfahren 32 beschränkt sich nicht auf den Nachweis allein faktischer Akzeptanz, läßt sich andererseits aber auch nicht auf das Verfahrensrecht reduzieren, sondern meint einen verfahrensgeleiteten Repräsentations- und Legitimationsprozeß 33, bei dem auf der Brücke (rechtlich) konsentierter demokratischer Verfahrensmaßstäbe der in einem dynamischen Prozeß aktualisierte – tatsächliche – Wille des Staatsvolkes 34 aufgenommen und dem Ergebnis staatlichen Handelns legitimationsspendend zugeführt wird. Je weiter und offener der Kompetenzrahmen eines 29 Vgl. BVerfGE 89, 155 (185) (Maastricht). E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 34, Rn. 29; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 42, Rn. 20. 30 Im Sinne eines Zusammenhangs von Qualität des Verfahrens und Qualität der Legitimation Bryde, JZ 1998, 115 (118). 31 E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 34, Rn. 29. Siehe auch BVerfGE 5, 85 (198 f. u. 205) (KPD-Verbot). 32 Die Wendung einer „Legitimation durch Verfahren“ wird keineswegs einheitlich, sondern in ganz unterschiedlichem Verständnis verwandt. Dies erfordert es, offenzulegen, welcher Bedeutungsgehalt ihr im konkreten Zusammenhang beigemessen werden soll. Ihren Ursprung findet die Formel hierbei wohl bei Luhmann (Luhmann, Legitimation durch Verfahren), dort jedoch in der Betonung einer „Legitimation durch Verfahren“, für welche Luhmann bereits eine allein faktische Akzeptanz ausreichen lassen will. In abweichender Betonung wird auch von einer „Legitimation durch Verfahren“ gesprochen, um einem prozeduralen, im Unterschied zu einem materiellen Gemeinwohlverständnis Ausdruck zu verleihen (siehe hierzu sogleich A. II. 2.). Schließlich läßt sich „Legitimation durch Verfahren“ – wie hier – im Sinne einer ausschließlich formalen demokratischen Legitimation verstehen. 33 Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, S. 259 (Fußnote 42). 34 Diese Ausschließlichkeit des Staatsvolkes als zulässigem Legitimationssubjekt verkennen neuere – in erster Linie die Regulierungsverwaltung betreffende – Tendenzen hin zu einer „Beteiligtenlegitimation“, welche einer in der Sache wohl unvermeidbaren Einbindung der Betroffenen in Form gleichberechtigter – wenn auch oft zumindest transparenter – Absprachen legitimierende Wirkung zusprechen will (vgl. hierzu nur E. M. Frenzel, in: Boysen u. a. (Hrsg.), Netzwerke, S. 247 (261) m.w. N.). Zwar ist es in der Tat notwendig, bei Herstellung und Ermittlung demokratischer Legitimation angesichts veränderter Realitäten nicht in vorgepressten Schemata zu verharren, sondern sich auf die Suche nach neuen Erklärungsmodellen für den „notwendigen Zurechnungszusammenhang“ zu begeben. Zulässiges Subjekt demokratischer Legitimation bleibt hierbei jedoch allein das Staatsvolk. Anderenfalls träte an die Stelle gleicher demokratischer Teilhabe das einzelnen vorbehaltene Privileg.
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
staatlichen Organs gefaßt ist, desto mehr gewinnt die legitimierende Wirkung des Verfahrens an Bedeutung. 35 Besondere Relevanz kommt ihr daher im inhaltlich lediglich durch einen äußeren materiellen Rahmen eingeschränkten, in erster Linie jedoch gestaltenden Normsetzungsverfahren zu. Unter diesen nimmt wiederum das Gesetzgebungsverfahren eine herausragende Stellung ein, als Verfahren des unmittelbar demokratisch legitimierten, inhaltlich lediglich an den äußeren Rahmen der Verfassung gebundenen Parlaments. 36 Die besondere Legitimation des Gesetzes beruht daher neben seinem Urheber auch ganz wesentlich auf der besonderen Qualität des Verfahrens, in welchem es zustande kommt. 37 2. Formaler Charakter der Legitimation durch Verfahren Ungeachtet ihrer verfahrensabhängig variierenden Qualität bleibt die Legitimation durch Verfahren immer nur eine formale. 38 Entgegen anderslautender Stimmen 39 gilt nicht salus publica ex processu. Eine Legitimation durch Verfahren gewährleistet nur die formale Ableitung staatlichen Handelns aus dem Willen des Staatsvolkes, stellt damit hingegen nicht bereits die materielle Verwirklichung des Gemeinwohls sicher 40. Gemeinwohl und Gemeinwille verhalten 35 Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 58; Schmidt-Jortzig, ZParl 1992, 582 (600); Starck, ZG 2003, 81 (87). 36 Behutsam, nach dem Grade gesetzlicher Steuerung differenzierend, wird man eine legitimierende Wirkung des Verfahrens auch für das Verwaltungsverfahren annehmen können; vgl. Czybulka, Die Legitimation der öffentlichen Verwaltung, S. 261 ff; SchmidtAßmann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 109, Rn. 33 ff. Nur geringe Bedeutung scheint dem Gedanken hingegen für das gerichtliche Verfahren zuzukommen, ist doch dessen überwiegende Funktion die der Kontrolle, bei der es gegenüber gestaltenden Akten – zur Wahrung der Funktionenordnung oder aber der Privatautonomie – ohnehin grundsätzliche Zurückhaltung zu üben gilt, oder es unterliegt detaillierten gesetzlichen Vorgaben. 37 E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 381; Bryde, JZ 1998, 115 (118); ders., Verfassungsentwicklung, S. 347; Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis der Gesetzgebung, S. 176 m.w. N. Siehe auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 196 u. 215; Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, S. 134. Eine Verknüpfung von unmittelbarer Legitimation und (besonderem) Verfahren findet sich schließlich auch in BVerfGE 33, 125 (159) (Facharzt). 38 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71, Rn. 104. 39 Vgl. nur Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 87 ff.; ders., Rechtstheorie 14 (1983), S. 257 ff.; Schuppert, in: ders. / Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – auf der Suche nach Substanz, S. 19 (25 ff., 47 ff.); für das Gesetzgebungsverfahren auch Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (711); jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen. In diese Richtung wohl auch BVerfGE 42, 64 (73) (Zwangsversteigerung I). Zur internationalen und gemeinschaftsrechtlichen Dimension prozeduralen Gemeinwohlverständnisses vgl. Ekardt, Information, Partizipation, Rechtsschutz, Prozeduralisierung von Gerechtigkeit und Steuerung in der Europäischen Union. 40 Grundlegend Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71, Rn. 92.
II. Verfahren als Instrument demokratischer Legitimation
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sich im freiheitlichen Verfassungsstaat nicht notwendig deckungsgleich 41. Auf normativem Wege läßt sich der Gerechtigkeit allenfalls annähern. Allein die Tatsache, daß eine Entscheidung von einer demokratisch legitimierten Institution in einem transparenten Verfahren und unter Verwirklichung des Mehrheitsprinzips getroffen wurde, bietet für sich genommen noch keine Gewähr für ihre materielle Richtigkeit. Dem Gedanken einer legitimierenden Wirkung des Verfahrens liegt vielmehr gerade der bewußte Verzicht auf einen materiellen Gerechtigkeitsanspruch zugrunde. Erhöbe man einen solchen gleichwohl dennoch, bräche damit – bildlich gesprochen – auch die Brücke konsentierter demokratischer Verfahrensgrundsätze ein, welche die Zurechnung staatlichen Entscheidens auf den Willen des Volkes in seiner Gesamtheit überhaupt erst trägt. Auch für den demokratischen Verfassungsstaat bleibt es daher bei auctoritas, non veritas facit legem, decretum et iudicium. Demzufolge verlangt freiheitlicher Rechtgehorsam auch nur äußere Befolgung, nicht hingegen Überzeugung von der inhaltlichen Richtigkeit. Das demokratische Konzept einer Kompetenz- und Verfahrensordnung fügt sich so in den materiell-offenen Rahmencharakter der Verfassung ein, enthält sich doch auch das Grundgesetz weitestgehend einer normativen Festlegung von Gerechtigkeitsvorstellungen. Gemeinwohl und Gerechtigkeit sind somit kein Gegenstand des demokratischen, sondern des republikanischen Prinzips. Als dem positiven Recht vorangehend sind sie in ihrer Konkretisierung damit dem Gemeinsinn des einzelnen Amtswalters überantwortet. 42 3. Funktion des Verfahrensrechts Dem Verfahrensrecht kommt in einem verfahrensgeleiteten Legitimationsprozeß die Funktion eines Garanten und Trägers effektiver Einflußnahme des Staatsvolkes auf das Staatshandeln zu. Verfahrensrechtliche Regelungen bilden die Voraussetzung und bestimmen den Rahmen für eine Aufnahme und Zuführung des aktualisierten Volkswillens in konkretes staatliches Entscheiden. Sie lassen sich als Brücke, über welche sich der komplexe, wechselseitige inhaltliche Rückkoppelungsprozeß zwischen Staatvolk und Staatsorgan ereignet, als Kanal, über welchen der zwischen Staatsvolk und handelndem Organ bestehende Legitimationsstrang führt, begreifen. Das Verfahrensrecht fungiert so als Korsett des inhaltlichen Zurechnungszusammenhangs zwischen Staatsvolk und handelndem Organ. Für die Gesetzgebung macht etwa der Grundsatz öffentlicher parlamentarischer Verhandlung Gegenstand und Verlauf dem Staatsvolk überhaupt erst erkennbar, garantiert damit jedoch eine unverzichtbare Grundvoraus41 In der Diktion Rousseaus ließe sich ersteres als „volonté générale“, letzterer als „volonté de tous“ verstehen, wobei sich ersterer im Wege eines – Rousseau unbekannten – Läuterungsprozesses lediglich approximativ erreichen läßt. 42 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71, Rn. 106. Ausführlich ders., in: Schuppert / Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – auf der Suche nach Substanz, S. 241ff.
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
setzung effektiver Einflußnahme in einer repräsentativ verfassten Legislative 43, ermöglicht das Mehrheitsprinzip durch die der Minderheit mit der Ergebnisoffenheit und gleichen Teilhabe des vorangegangenen Verfahrens jederzeit eröffnete Möglichkeit, zur Mehrheit werden und eine Entscheidung inhaltlich revidieren zu können, eine diese in die legitimierende Wirkung einbeziehende Zurechnung staatlichen Entscheidens auf die Gesamtheit des Staatsvolkes 44. In der das Ergebnis staatlichen Handelns formal legitimierenden Funktion verfolgen Verfahrensvorschriften einen eigenständigen Zweck. Darüber hinaus 45 können Verfahrensbestimmungen allerdings auch geeignet sein, eine „gewisse inhaltliche Güte“ 46 staatlichen Entscheidens zu garantieren, dies allerdings – wie soeben dargelegt – nicht im Sinne eines Anspruchs materieller Richtigkeit, wohl aber im Verständnis eines gewissen Maßes an Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit, auch Verfassungsmäßigkeit 47. 48 Insoweit verwirklicht das Verfahrensrecht dann keinen ihm bereits selbst innewohnenden Zweck, sondern ist auf die Herstellung eines sachgerechten und rechtmäßigen Ergebnisses gerichtet. Diesem Ziel dienen einzelne Verfahrensinstrumente unmittelbar, wenn sie den zugrundeliegenden Sachverhalt umfassend ermitteln oder (externen) Sachverstand mit einbeziehen. Andere Verfahrensgrundsätze gewährleisten oder fördern eine sachadäquate und verfassungsgemäße Entscheidung wenigstens mittelbar. So läßt das Mehrheitsprinzip – wenngleich es auch keine richtige Entscheidung zu garantieren vermag 49 – eine stringente Lösung zumindest wahrscheinlicher erscheinen, ermöglicht die Transparenz staatlichen Entscheidens dessen Überprüfbarkeit und sichert auf diese Weise seine Verfassungsmäßigkeit 50. (Nur) insoweit und in diesem Verständnis kann von einer „dienenden Funktion“ des Verfahrensrechts 43
Ausführlich hierzu unten B. III. 1. b) aa) und D. IV. 3. b) bb) (2) (b). Ausführlich hierzu unten B. III. 2. a). 45 Vgl. ausführlich zur (möglichen) heteroteleologischen Struktur von Verfahrensvorschriften Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 118 ff., insbes. S. 133 ff. Siehe auch unten E. V. 2. c) aa). 46 So Starck für das Gesetzgebungsverfahren, Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 169. 47 Vgl. Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489 (489 f.); ders., in: Geis (Hrsg.), FS für Maurer, S. 777 (785); Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (711) (allerdings mit Gerechtigkeitsanspruch vermengend); Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 169 ff.; Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 183; Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, S. 259 (Fußnote 42); siehe auch BVerfGE 42, 64 (73) (Zwangsversteigerung I). 48 Vgl. aber auch die berechtigte Warnung Kirchhofs, durch übersteigerte Anforderungen an das Verfahren Entscheidungsstärke und Verantwortlichkeit zu gefährden (P. Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 59, Rn. 55). 49 Ausführlich hierzu B. III. 2. a). 50 Vgl. Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis der Gesetzgebung, S. 179. Ausführlich zur verfassungsichernden Wirkung des Öffentlichkeitsprinzips Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, S. 182 ff. 44
III. Der Vermittlungsausschuß als Instrument legislativer Effizienz
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gesprochen werden. 51 Jedoch darf dies nicht im Sinne einer grundsätzlichen Nachrangigkeit des Verfahrensrechts gegenüber dem materiellen Recht mißverstanden werden. 52
III. Der Vermittlungsausschuß als Instrument legislativer Effizienz In das die demokratische Legitimation des Gesetzes sicherstellende Verfahren tritt nach Art. 77 Abs. 2 GG der Vermittlungsausschuß. 1. Aufgabe des Vermittlungsausschusses Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG weist dem Vermittlungsausschuß 53 hierbei die Aufgabe der „gemeinsamen Beratung von Vorlagen“ zu. 54 Aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift zu den Bestimmungen über die Mitwirkung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren folgt, daß mit „Vorlagen“ auf der einen 51 Vgl. allgemein Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 201; Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 21 u. 90; jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen; für das Verwaltungsverfahren BVerwGE 92, 258 (261); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 8. Siehe auch BVerfGE 42, 64 (73) (Zwangsversteigerung I); BVerfG, NVwZ-RR 2000, 487 (488). 52 Zu Recht gegen ein solches Verständnis Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 340; ders., in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 27, Rn. 107; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489 (490). Kritisch auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 201 f., 221 f. 53 Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG selbst spricht von einem „für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeten Ausschuß“. Die Bezeichnung „Vermittlungsausschuß“ geht auf die Gemeinsame Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 des Grundgesetzes (im folgenden kurz GOVA) vom 19. 4. 1951, BGBl II 1951, S. 103 zurück. 54 Grundlegend zum Vermittlungsausschuß Bardenhewer, Die Entstehung und Auflösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesetzgebungsorganen; Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses; Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57; Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 ff.; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß; von der Heide, DÖV 1953, 129 ff.; Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60; Niemann, Die bundesstaatliche Bedeutung des Bundesrates unter besonderer Berücksichtigung der Funktion des Vermittlungsausschusses; Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG; H. Schäfer, in: Bundesrat (Hrsg.), Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, S. 277 ff.; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses; Trossmann, JZ 1983, 6 ff.; Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 ff.
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
Seite ein strittiger Gesetzesbeschluß des Bundestages sowie auf der anderen Seite ein sich auf diesen beziehendes Änderungsbegehren eines anrufenden 55 Organs – in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle des Bundesrates 56 – gemeint ist. Ziel der Beratung ist es, einen Einigungsvorschlag zu finden, der geeignet erscheint, die Zustimmung sowohl des Bundestages als auch des Bundesrates zu erhalten, um so einen Einspruch des Bundesrates zu vermeiden oder eine zunächst nicht erteilte Zustimmung des Bundesrates herbeizuführen. Zu diesem Zweck kann der Vermittlungsausschuß eine Ergänzung, Änderung oder Streichung der vom Bundestag verabschiedeten Vorschriften vorschlagen oder aber den Bundestagsbeschluß unverändert bestätigen. 57 Voraussetzung für ein Tätigwerden des Vermittlungsausschusses ist, daß zuvor von einem hierzu befugten Organ seine Einberufung verlangt wurde. Die Befugnis zur Anrufung des Vermittlungsausschusses ist in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Mitwirkungsbefugnissen des Bundesrates für Einspruchs- und Zustimmungsgesetze 58 differenziert ausgestaltet. 59 Der Bundesrat kann eine Einberufung sowohl für Einspruchsgesetze als auch für Zustimmungsgesetze verlangen (Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG). Während sie bei Einspruchsgesetzen für den Fall, daß der Bundesrat beabsichtigt, gegen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz Einspruch einzulegen, obligatorisch ist (Art. 77 Abs. 3 S. 1 GG), ist sie für Zustimmungsgesetze fakultativ ausgestaltet. Im Unterschied zum Bundesrat wird Bundestag und Bundesregierung die Befugnis zur Anrufung des Vermittlungsausschusses nur für Zustimmungsgesetze eingeräumt (Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG).
55 Diese Bezeichnung wird im weiteren gleichbedeutend mit der von Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG gewählten Begrifflichkeit der „Einberufung“ verwandt, hat sie sich doch in Rechtsprechung, Staatspraxis und weiten Teilen des Schrifttums durchgesetzt. 56 Von der 1. bis einschließlich 15. Wahlperiode des Bundestages erfolgten 776 von 876 Anrufungen des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat. Dies entspricht einem prozentualen Anteil von 88,6 %. Vgl. Koggel, Die Tätigkeit des Vermittlungsausschusses in der fünfzehnten Wahlperiode des Deutschen Bundestages, Bundesanzeiger Nr. 18a vom 26. Januar 2006, S. 9. 57 Zum Umfang der Kompetenz des Vermittlungsausschusses hierbei im einzelnen siehe unten D. (vor allem D. V. 1. b) und c)). 58 Zustimmungsgesetze sind Gesetze, die zu ihrem Zustandekommen der Zustimmung des Bundesrates bedürfen (Art. 78 Var. 1 GG), Einspruchsgesetze dagegen solche, für die keine Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist. Den verfassungssystematischen Regelfall bildet dabei das Einspruchsgesetz. Die Zustimmung des Bundesrates hingegen ist nur dann erforderlich, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorschreibt. Wichtigste Fälle sind Gesetze zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 79 Abs. 2 GG) sowie Gesetze, die das Finanzaufkommen der Länder berühren (v. a. Art. 104a Abs. 4, Art. 105 Abs. 3 GG) oder in die Verwaltungshoheit der Länder eingreifen (v. a. Art. 84 Abs. 1 S. 6, Art. 84 Abs. 2 GG); vgl. auch die Übersicht bei Korioth, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 50, Rn. 22. 59 Zu den einzelnen Voraussetzungen einer Anrufung des Vermittlungsausschusses in Abhängigkeit vom anrufenden Organ siehe unten C. II. 3. a) und D. V. 1. a) aa).
III. Der Vermittlungsausschuß als Instrument legislativer Effizienz
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2. Funktion des Vermittlungsausschusses Der Vermittlungsausschuß ist ein Organ der Gesetzgebung. Damit noch nicht beantwortet ist die Frage nach seiner Funktion im Gesetzgebungsverfahren. a) Modifikation der legislativen Kompetenzverteilung zwischen Bundestag und Bundesrat aa) Legislative Kompetenzverteilung zwischen Bundestag und Bundesrat im Regelfall Die Kompetenzverteilung zwischen Bundestag und Bundesrat ist in Wortlaut und Systematik durch ein vorrangiges Beschlußmonopol des Bundestages und nachrangige Mitwirkungsrechte des Bundesrates gekennzeichnet. Im Mittelpunkt steht hierbei die Regelung des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG, wonach es der Bundestag ist, welcher die Gesetze beschließt. Hingegen wirken die Länder durch den Bundesrat bei der Gesetzgebung lediglich mit (Art. 50 Var. 1 GG). 60 Im einzelnen besitzt der Bundesrat hierbei ein Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 Var. 3 GG), die Möglichkeit einer (frühzeitigen) Stellungnahme bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung (Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG) und entscheidet gemäß Art. 78 GG über das Zustandekommen eines Gesetzes, indem er dem Gesetz zustimmt oder auf einen Einspruch gegen das Gesetz verzichtet. Zwar handelt es sich hierbei lediglich um Mitwirkungsrechte. Insbesondere das – eigentlich als Ausnahme konzipierte – Zustimmungserfordernis des Art. 78 GG hat allerdings eine starke Ausprägung erfahren. Politische Praxis und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 61 haben mit ihrer weiten Interpretation des Kriteriums der Zustimmungsbedürftigkeit zu dessen besonderen Bedeutung beigetragen. 62 Gemeinsames Kennzeichen der Einspruchsbefugnis und des Zustimmungserfordernisses als zentraler Mitwirkungsrechte des Bundesrates ist ihr Vetocharakter. Der Bundesrat besitzt das Recht, Gesetze (negativ) abzulehnen, nicht jedoch, Gesetze (positiv) zu gestalten. Als Instrumente für eine inhaltlich-gestaltende 60
Vgl. hierzu BVerfGE 37, 363 (380 f.) (Bundesrat). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts löst bereits eine einzige zustimmungsbedürftige Vorschrift die Zustimmungsbedürftigkeit des gesamten Gesetzes aus (BVerfGE 8, 274 (294 f.) (Preisgesetz); BVerfGE 37, 363 (381) (Bundesrat); BVerfGE 55, 274 (319) (Berufsausbildungsabgabe). Zur Kritik an dieser Rechtsprechung siehe nur Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 16; Schweitzer, Der Staat 15 (1976), 169 ff. Zum ganzen vgl. auch Friesenhahn, in: Bundesrat (Hrsg.), Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, S. 251 (264 ff.). Vor dem Hintergrund der Kritik im Schrifttum jüngst ausdrücklich offen gelassen in BVerfGE 105, 313 (339) (Lebenspartnerschaftsgesetz). 62 Diese qualitative Ausdehnung bleibt auch von der quantitative Reduzierung grundgesetzlicher Zustimmungserfordernisse durch die Föderalismusreform (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. 8. 2006, BGBl I 2006, S. 2034) unberührt. 61
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
Einflußnahme verfügt der Bundesrat lediglich über sein Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG) sowie sein Recht zur (frühzeitigen) Stellungnahme bei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung (Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG). bb) Institutionelle Stärkung des Bundesrates durch Einrichtung des Vermittlungsausschusses Die Einrichtung des Vermittlungsausschusses führt in diesem legislativen Kompetenzgefüge zwischen Bundestag und Bundesrat zu einer Stärkung des sich in der je nach Zustimmungs- oder Einspruchsgesetz schwächeren Verfahrensposition 63 befindlichen Organs. 64 Während für zustimmungspflichtige Gesetze, bei denen der Bundesrat seine Zustimmung unmittelbar verweigern und damit das Zustandekommen des Gesetzes verhindern kann, Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG Bundestag und Bundesregierung die Befugnis einräumt, den Vermittlungsausschuß anzurufen, um ihr Gesetzgebungsziel doch noch zu verwirklichen, ist für Einspruchsgesetze, bei denen der Bundestag die Möglichkeit besitzt, einen Einspruch des Bundesrates gemäß Art. 77 Abs. 4 GG zurückzuweisen und damit dem Gesetz zum Zustandekommen zu verhelfen, eine vorherige Anrufung des Vermittlungsausschusses durch Art. 77 Abs. 3 S. 1 GG zwingend vorgeschrieben. Diese Systematik grundgesetzlicher Zuweisungen von Verpflichtung und Befugnis, den Vermittlungsausschuß anzurufen, stärkt für Zustimmungsgesetze die Verfahrensposition des Bundestags, für Einspruchsgesetze die des Bundesrates. Die Auswirkungen der Konstituierung des Vermittlungsausschusses auf das Verhältnis von Bundestag und Bundesrat beschränken sich jedoch nicht auf eine angleichende Verschiebung unterschiedlicher Verfahrenspositionen. Mit dieser geht zugleich auch eine Stärkung der Befugnisse des Bundesrates in materieller Hinsicht einher. 65 Schließlich erlangen die Mitglieder des Bundesrates in Abweichung von dessen grundsätzlich negativen Mitwirkungsbefugnissen im Vermittlungsverfahren ausnahmsweise die Möglichkeit, inhaltlich-gestaltend auf Gesetze Einfluß zu nehmen 66. 67 Dieser Zuwachs an gestalterischen Mitwirkungsbefugnissen stärkt 63 Nicht gemeint ist damit eine Gleichberechtigung von Bundestag und Bundesrat bei Zustimmungsgesetzen. Wie oben nachgewiesen, geht das Grundgesetz vielmehr auch für zustimmungsbedürftige Gesetze von einer Vorrangstellung des Bundestags aus, der das Gesetz beschließt, während der Bundesrat lediglich zustimmt. 64 Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 10; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 61. 65 Bei den besonders bedeutsamen Zustimmungsgesetzen verlaufen damit aus Sicht des Bundesrates formale Schwächung und inhaltliche Stärkung parallel. 66 Im Regelfall des Gesetzgebungsverfahrens beschränkt sich diese Möglichkeit auf das Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG) sowie das Recht zur (frühzeitigen) Stellungnahme zu Gesetzesvorlagen der Bundesregierung (Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG). 67 BVerfGE 72, 175 (188 f.) (Wohnungsfürsorge). Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 27; Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für
III. Der Vermittlungsausschuß als Instrument legislativer Effizienz
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die Position des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren wesentlich. Er entfaltet hierbei zugleich eine vorwirkende mittelbar-faktische Dimension. 68 Der Bundestag hat bereits bei der Formulierung des Gesetzestextes im parlamentarischen Verfahren zu berücksichtigen, daß dem Bundesrat nicht nur das Recht zusteht, das Gesetz in dieser Form abzulehnen, sondern auch die Möglichkeit offensteht, über eine Anrufung des Vermittlungsausschusses inhaltlich-gestaltend auf einen Einigungsvorschlag Einfluß zu nehmen, den der Bundestag mit seiner erneuten Beschlußfassung gemäß Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG nur noch annehmen oder ablehnen, jedoch nicht mehr inhaltlich beeinflussen kann. Der Bundestag kommt so in eine Ratifikationslage, in der sich nach der Grundkonzeption der Art. 77 Abs. 1 GG und Art. 78 GG ausschließlich der Bundesrat befindet. 69 cc) Der Vermittlungsausschuß als institutionalisierte Konsequenz der Beteiligung des Bundesrates am Gesetzgebungsverfahren Die Ermöglichung eines Interessensausgleichs zwischen Bundestag und Bundesrat durch Einrichtung des Vermittlungsausschusses ist die institutionelle Konsequenz 70 der Entscheidung des Grundgesetzes, mit Bundestag und Bundesrat zwei Entscheidungsträger konstitutiv an der Gesetzgebung des Bundes zu beteiligen. 71 Diese verlangt ein ergänzendes Regulativ 72, welches es ermöglicht, M. Hirsch, S. 273; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 41 f.; s. a. Palm, NVwZ 2008, 633 (634). 68 Ausführlich zu weiteren Aspekten der mittelbar-faktischen Stärkung des Bundesrates durch die Institution des Vermittlungsausschusses Niemann, Die bundesstaatliche Bedeutung des Bundesrates unter besonderer Berücksichtigung der Funktion des Vermittlungsausschusses, S. 191 ff. 69 Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 60. 70 BVerfGE 112, 118 (138) (Zählverfahren Sitzanteile); vgl. auch BVerfGE 120, 56 (73 f.) (Vermittlungsausschuß). Vorsichtiger Palm, NVwZ 2008, 633 (633). 71 Der Ansatz, bei Beteiligung zweier gesetzgebender Körperschaften im Falle fehlender Übereinstimmung einen Interessenausgleich im Wege der Einrichtung eines besonderen Gremiums herbeizuführen, betritt hierbei weder rechtshistorisch noch rechtsvergleichend Neuland. Zu historischen Vorläufern in der deutschen Verfassungsgeschichte vgl. Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 17 ff.; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 2 ff; Reinert, Vermittlungsausschuß und Conference Committees, S. 27 ff. Zu rechtsvergleichenden Parallelen vgl. Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 53 ff.; Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rechtsvergleichende Hinweise; Reinert, Vermittlungsausschuß und Conference Committees, S. 41 ff. Exemplarisch an dieser Stelle genannt seien die vergleichbaren Gremien in Frankreich (commission mixte paritaire, art. 45 de la constitution du 4 octobre 1958), den Vereinigten Staaten von Amerika (Conference Commitpaao%( `an Nqooeo_daj BÖ`an]pekj $ȖȓȈȐȅȖȍȗȊȐȡȒ]Ȥ ȏȓȑȍȖȖȍȤ( ǶȗȅȗȡȤ -,1 ǯȓȒȖȗȍȗȘțȍȍ ǵȓȖȖȍȎȖȏȓȎ ǹȊȉȊȕȅțȍȍ% oksea `an Raniepphqjco]qoo_dq¿ j]_d =np* .1- AC $cnqj`hacaj` zu letzterem Rutschmann, Der Europäische Vermittlungsausschuss, Eine organisations-
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
Pattsituationen aufzulösen und eine strukturelle Hemmung der Gesetzgebung zu verhindern. Dem Vermittlungsausschuß kommt insofern die Rolle eines „Entscheidungshelfers der föderativen Demokratie“ 73 zu. Damit ist zwar das hinter der Einrichtung des Vermittlungsausschusses stehende Motiv beschrieben, sein spezifischer institutioneller Zweck allerdings noch nicht benannt. Denn ein Ausgleich zwischen gegensätzlichen Positionen von Bundestag und Bundesrat und damit eine weitest mögliche Verwirklichung des Gesetzgebungszieles kann nicht nur in einem eigens institutionalisierten Wege innerhalb desselben Gesetzgebungsverfahrens hergestellt werden. Denkbar wäre alternativ, in Fällen verweigerter Zustimmung durch den Bundesrat den (ursprünglichen) Gesetzesbeschluß des Bundestags unverändert erneut als Gesetzesvorlage der Bundesregierung einzubringen. Dabei hätte der Bundesrat nach Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG die Gelegenheit, seine Ablehnungsgründe im Wege einer frühzeitigen Stellungnahme mit in das (neue) parlamentarische Verfahren im Bundestag einzubringen. Diese Überlegung zeigt, daß die Einrichtung des Vermittlungsausschusses keine zwingende Konsequenz der Notwendigkeit ist, eine Paralysierung der Gesetzgebung durch fortgesetzte Ausübung des Vetorechtes des Bundesrates zu vermeiden, sondern sich insofern lediglich als ein mögliches Instrument darstellt. 74 Vor diesem Hintergrund erscheint es daher sprachlich genauer, vom Vermittlungsausschuß nicht als institutioneller, sondern als institutionalisierter Konsequenz der Beteiligung des Bundesrates am Gesetzgebungsverfahren des Bundes zu sprechen. 75 Vorerst offen bleibt damit die Frage, welchen besonderen Zweck der Verfassunggeber mit der Institutionalisierung der Kompromißbildung zwischen Bundestag und Bundesrat noch innerhalb desselben Gesetzgebungsverfahrens verfolgt hat, damit die Frage nach der spezifischen institutionellen Funktion des Vermittlungsausschusses.
rechtliche Untersuchung der interinstitutionellen Vermittlungseinheit im Rechtsetzungsverfahren nach Art. 251 des EG-Vertrages, Berlin 2002). 72 Dietlein, Der Vermittlungsausschuß des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, S. 3; Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 3. 73 Isensee, zitiert bei Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 59. 74 So sieht etwa art. 45 (2) de la constitution du 4 octobre 1958 eine Einberufung der „commission mixte paritaire“ im Regelfall erst nach zweimaliger ergebnisloser Beratung in Assemblée nationale und Sénat vor. Vgl. hierzu Wetzel, Dokumente – Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog 2002, 51 (52 ff.). 75 In diesem Sinne wohl auch Dietlein, Der Vermittlungsausschuß des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, S. 3 („Institutionalisierung [...] seiner Vermittlerfunktion“). Siehe auch Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis der Gesetzgebung, S. 363.
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b) Institutionalisierter Ausgleich von Demokratieprinzip und Bundesstaatsprinzip aa) Im Gesetzgebungsverfahren des Bundes angelegtes Spannungsverhältnis von Demokratie- und Bundesstaatsprinzip Mit der Beteiligung des Bundesrates als Organ der Länderexekutiven (Art. 50 GG, Art. 51 Abs. 1 S. 1 GG) ist im Gesetzgebungsverfahren des Bundes strukturell ein Spannungsverhältnis von parlamentarischer Demokratie und Bundesstaatlichkeit angelegt. 76 Nach Art. 77 Abs. 1 GG werden die Gesetze vom Bundestag beschlossen. Art. 77 Abs. 1 GG konkretisiert damit den Grundgedanken parlamentarischer Demokratie, wonach es die durch den Wahlakt unmittelbar demokratisch legitimierte Volksvertretung ist, welche über die Gesetze entscheidet. 77 Die repräsentative Demokratie des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG gewinnt so im Bundestag ihre Entscheidungsmitte 78. Dieser Grundsatz wird allerdings durchbrochen, wenn zugleich dem Bundesrat insbesondere durch Art. 78 GG gewichtige Mitwirkungsrechte im Gesetzgebungsverfahren eingeräumt werden. Diese realisieren die durch Art. 79 Abs. 3 GG in einem Mindestbestand garantierte Beteiligung der Länder am Gesetzgebungsverfahren nach Art. 50 GG. Der Bundesrat stellt sich insofern als föderativer Teil der Legislative 79 dar. Als solcher ist er gesetzgebende Körperschaft, nimmt jedoch nicht die Stellung einer „Zweiten Kammer“ 80 ein, die gleichberechtigt entscheidend am Gesetzgebungsverfahren beteiligt wäre 81. Er besitzt eine lediglich negative demokratische Entscheidungs76 E.-W. Böckenförde, in: Jekewitz u. a. (Hrsg.), FS für F. Schäfer, S. 182; Möllers, in: Aulehner u. a. (Hrsg.), Föderalismus – Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit, S. 81; W.-R. Schenke, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 55, Rn. 12 ff. Zur Antinomie von demokratischem und bundesstaatlichem Prinzip Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7 (19 f.); vgl. auch BVerfGE 1, 14 (50) (Südweststaat). 77 Ausführlich Badura, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 25. 78 P. Kirchhof, in: Brenner / Huber / Möstl (Hrsg.), FS für Badura, S. 237 (242). 79 BVerfGE 24, 184 (197) (Zustimmungsgesetz). 80 Zu Recht wird im Schrifttum angemerkt, daß die rein terminologische Kennzeichnung des Bundesrates als „Zweiter Kammer“ keinerlei materiellen Folgerungen erlaubt, hingen diese doch ausschließlich davon ab, was man unter der – keinesfalls einheitlich verwandten – Begrifflichkeit einer „Zweiten Kammer“ verstehe. So etwa Friesenhahn, in: Bundesrat (Hrsg.), Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, S. 251 (253); W.-R. Schenke, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 55, Rn. 24; Reuter, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 56, Rn. 80; kritisch auch Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 119; Korioth, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art, 50, Rn. 24; J. Schmidt, Die Struktur der Zweiten Kammer im Rechtsvergleich, S. 119. Anders verhält es sich dann, wenn – wie hier – offengelegt wird, in welchem Sinne der Begriff im konkreten Zusammenhang verstanden wird. 81 BVerfGE 37, 363 (380) (Bundesrat); Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 50, Rn. 3. A. A. Bardenhewer, Die Entstehung und Auflösung von Meinungsver-
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
kompetenz. 82 Gleichwohl geht mit jedem Mitwirkungsrecht des Bundesrates eine Schwächung des Bundestages als Parlament und damit ein Verlust an demokratischer Legitimation 83 des Gesetzes einher. Der Bundesrat verfügt in seiner personellen Zusammensetzung im Unterschied zum Bundestag über keine demokratische Legitimation durch das (Bundes-)Staatsvolk. 84 Zudem wird er zwar funktionell als Legislativorgan tätig, besitzt personell auf Grund seiner Zusammensetzung (Art. 51 Abs. 1 S. 1 GG) jedoch nur die mittelbare Legitimation eines Exekutivorgans 85. Dieses unterschiedliche demokratische Legitimationsniveau gesetzgeberischer Entscheidungen von Bundestag und Bundesrat läßt ein im Gesetzgebungsverfahren des Bundes strukturell angelegtes Spannungsverhältnis zwischen den Prinzipien der parlamentarischen Demokratie und der Bundesstaatlichkeit institutionell zu Tage treten. bb) Verschärfung des strukturellen Spannungsverhältnisses von Demokratie- und Bundesstaatsprinzip durch Einrichtung des Vermittlungsausschusses Dieses Spannungsverhältnis erfährt noch einmal eine Verschärfung, wenn durch die Institution des Vermittlungsausschusses mit der Einräumung inhaltschiedenheiten zwischen den Gesetzgebungsorganen, S. 114 ff.; zurückhaltender auch die Stellungnahmen von H. H. Klein, AöR 108 (1983), 329 (331 f.); Ziller, in: Busch (Hrsg.), FS für Schellknecht, S. 135 (151 f.). Zum Ganzen jüngst J. Schmidt, Die Struktur der Zweiten Kammer im Rechtsvergleich, S. 117 ff. 82 Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (327). Vgl. auch Bardenhewer, Die Entstehung und Auflösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesetzgebungsorganen, S. 70 ff. („der Bundesrat als ein „Vetoorgan“). 83 E.-W. Böckenförde, in: Jekewitz u. a. (Hrsg.), FS für F. Schäfer, S. 182 (190). 84 E.-W. Böckenförde, a. a. O., S. 190; Möllers, in: Aulehner u. a. (Hrsg.), Föderalismus – Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit, S. 81 (102 f.); W.-R. Schenke, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 55, Rn. 27. Institutionell ist der Bundesrat hingegen mit Art. 50 GG unmittelbar durch die (Bundes-)Verfassung legitimiert. Dagegen mit der Gleichwertigkeit von unmittelbarer und mittelbarer Legitimation argumentierend Korioth, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 50, Rn. 15; Sachs, VVDStRl 58 (1999), 39 (44); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 739 f. m.w. N. Solche Erwägungen gehen jedoch an der eigentlichen Fragestellung vorbei. Es ist unbestritten zutreffend, daß sich demokratische Legitimation nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar herstellen läßt. Die demokratische Legitimation des Bundesrates fragt jedoch von vorneherein ausschließlich nach seinem Legitimationsniveau bezogen auf das Bundesstaatsvolk, nicht hingegen nach einer möglichen – insoweit auch nicht mittelbaren – Legitimation durch das Staatsvolk eines Landes (Wenn es denn ein solches überhaupt gibt. Vgl. hierzu unten B. II. 3. b) bb), Fußnote 197). Ausführlich zum ganzen jüngst J. Schmidt, Die Struktur der Zweiten Kammer im Rechtsvergleich, S. 139 ff. 85 Insofern paralleler Verlauf zu einer zugleich zu beobachtenden Funktionenverschiebung von der Legislative zur Exekutive; vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 43.
III. Der Vermittlungsausschuß als Instrument legislativer Effizienz
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lich-gestaltender Befugnisse des Bundesrates das föderale Element im Gesetzgebungsverfahren aufgewertet wird. Anschaulicher Ausdruck einer dadurch bewirkten ausgleichenden Annäherung von Demokratie- und Bundesstaatsprinzip ist neben dem ausgewogenen System organspezifischer Zuweisungen der Anrufungsbefugnis die paritätische Besetzung des Gremiums. 86 Vereinzelt wird im Schrifttum 87 hieraus abgeleitet, genau dieser Ausgleich von parlamentarischer Demokratie und Föderalismus werde mit der institutionellen Stärkung des Bundesrates durch das Instrument des Vermittlungsausschusses bezweckt. Es sei gerade Aufgabe des Vermittlungsausschusses, zwischen diesen beiden Grundprinzipien der Verfassung eine nach der Grundkonzeption des Gesetzgebungsverfahrens nicht verwirklichte ausgewogene Balance herzustellen. Deren Notwendigkeit liege in der grundsätzlichen Gleichwertigkeit 88 von demokratischrepräsentativem und bundesstaatlichem Prinzip begründet. Ein solches Verständnis von der Funktion des Vermittlungsausschusses vermag nicht zu überzeugen. Demokratie- und Bundesstaatsprinzip sind als verfassungsrechtliche Grundprinzipien zwar als gleichermaßen systemgewollt im Sinne von Art. 20 Abs. 1 GG anzusehen, nicht jedoch in ihren institutionellen Konkretisierungen der Art. 77 Abs. 1 GG und Art. 50 GG als gleichberechtigt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG zu verstehen. Art. 79 Abs. 3 GG garantiert die grundsätzliche Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung, gebietet mithin ein Mindestmaß an föderaler Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens. 89 Das aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG folgende Gebot demokratischer Legitimation jedes Staatshandelns 90 verlangt hingegen nicht nur ein Mindestmaß, sondern drängt vielmehr auf eine möglichst weitgehende Verwirklichung effektiver Einflußnahme des Staatsvolkes auf die 86 Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 3. 87 Dietlein, a. a. O.; Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (281). Ähnliches – wenngleich auch nur auf Ebene des (technischen) Verfahrensinstruments – meint Bardenhewer, wenn er feststellt, Art. 77 Abs. 2 GG wolle die Möglichkeit des Bundesrates zur inhaltlich-gestaltenden Einflußnahme stärken, Bardenhewer, Die Entstehung und Auflösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesetzgebungsorganen, S. 136. 88 Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 3. Siehe auch Reuter, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 56, Rn. 78; Sachs, VVDStRl 58 (1999), 39 (44). 89 Der Bundesrat ist insofern als institutionelles Relikt des monarchischen Prinzips zu verstehen. Die Reichsverfassung von 1871 garantierte den Ländern mit der Institution des Reichsrates umfassende Mitwirkungsbefugnisse, weil sie von der Eigenstaatlichkeit der Länder ausging. Letzteres war notwendig, um den Monarchen ihre vom monarchischen Prinzip getragene Stellung zu erhalten und sie nicht zu bloßen Staatsorganen zu degradieren. Zum historischen Hintergrund der Antinomie von Bundesstaatlichkeit und parlamentarischem System siehe auch Möllers, in: Aulehner u. a. (Hrsg.), Föderalismus – Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit, S. 82 ff. 90 Vgl. dazu oben A. II. 1. und unten B.
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
Ausübung der gesetzgebenden Gewalt 91. Instrument zur Sicherstellung effektiven Einflusses des Staatsvolkes auf die Gesetzgebung ist der Wahlakt, durch den das Parlament seine Legitimation erfährt. 92 Mit jedem Kompetenzverlust des Bundestages an den Bundesrat verliert jedoch auch dieses Wahlrecht ein wesentliches Stück seiner Reichweite und Wirksamkeit. 93 Ein Ausgleich zwischen Bundesparlament und Bundesrat hat damit innerhalb des Rahmens der Demokratie zu erfolgen, nicht hingegen im Sinne eines strukturell gleichberechtigten Gegeneinanders. Eine gleichberechtigte Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat am Gesetzgebungsverfahren ist damit ausgeschlossen. 94 Aus dem materiellstrukturellen Unterschied von Demokratie- und Bundesstaatsprinzip folgt ein institutioneller Vorrang des Bundestages. Damit kann jedoch nicht der Zweck des Vermittlungsausschusses in einer institutionellen Stärkung des Bundesrates gesehen werden, hat eine solche doch zwangsläufig eine Schwächung des Parlaments, damit jedoch auch ein geringeres demokratisches Legitimationsniveau des Gesetzes zu Folge. Die mit der Einrichtung des Vermittlungsausschusses einhergehende Aufwertung des föderalen Elements im Gesetzgebungsverfahren ist daher als bloßer Reflex seiner eigentlichen Funktion zu verstehen. Anderenfalls führte dies zu der paradoxen Feststellung, daß sich ein in der Staatspraxis ohnehin schon weit fortgeschrittener, von den Exekutiven bestimmter Verbund- 95 und kooperativer Beteiligungsföderalismus 96, damit eine Gubernementalisierung 97 der Gesetzgebung als geradezu von Verfassungs wegen gewollt darstellte. An das der Konstituierung des Vermittlungsausschusses zugrundeliegende Motiv anknüpfend, das parlamentarische Gesetzgebungsziel durch das Vermittlungsverfahren soweit wie möglich zu verwirklichen, hat eine Bestimmung der eigentlichen Funktion nicht aus Sicht des Bundesrates, sondern aus der Perspektive des Parlaments, des Bundestages, zu erfolgen.
91 Deutlich jüngst BVerfG, 2 BvE 2/08 u. a. vom 30. Juni 2009 (Lissabon-Vertrag), Absatz-Nr. 216: „Das demokratische Prinzip ist nicht abwägungsfähig; es ist unantastbar.“; BVerfGE 5, 85 (204 f.) (KPD-Verbot); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (327). Kritisch zum Verantwortlichkeiten verschleiernden Charakter des praktizierten Verbundföderalismus vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips J. Schmidt, Die Struktur der Zweiten Kammer im Rechtsvergleich, S. 167 ff. 92 Badura, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 25, Rn. 4. 93 P. Kirchhof, in: Brenner / Huber / Möstl (Hrsg.), FS für Badura, S. 237 (242). 94 Vgl. BVerfGE 37, 363 (380) (Bundesrat). Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (327). Vgl. auch Möllers, in: Aulehner u. a. (Hrsg.), Föderalismus – Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit, S. 81 (108). 95 P. Graf Kielmansegg, Nach der Katastrophe, S. 389. 96 Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (286). 97 Jekewitz, RuP 1982, 70 (73).
III. Der Vermittlungsausschuß als Instrument legislativer Effizienz
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c) Rechtfertigung der Einrichtung des Vermittlungsausschusses im Gedanken einer effizienten Gesetzgebung Die Frage nach der spezifischen institutionellen Funktion des Vermittlungsausschusses ist bis jetzt unbeantwortet geblieben. Sie konnte weder in einem institutionellen Ausgleich von Demokratie- und Bundesstaatsprinzip gesehen werden, noch wurde sie von der in einem Verfahren mit zwei gesetzgebenden Organen strukturell angelegten Notwendigkeit einer Kompromißbildung hinreichend erfaßt. Wie bereits angedeutet, muß der besondere institutionelle Zweck des Vermittlungsausschusses eine Antwort auf die Frage geben, warum zwischen Bundestag und Bundesrat auftretende Meinungsverschiedenheiten noch innerhalb desselben Gesetzgebungsverfahrens behoben werden sollen. 98 Vor diesem Hintergrund liegt ein verfahrensökonomischer Ansatz nahe. Das Vermittlungsverfahren verfolgt den Zweck, das Gesetzgebungsziel soweit wie möglich zu verwirklichen, ohne mittels einer erneuten Gesetzesinitiative, welche die unterschiedlichen Positionen von Bundestag und Bundesrat aufnimmt, das gesamte Gesetzgebungsverfahren noch einmal durchlaufen zu müssen. 99 Rechtfertigender Gedanke der Institution des Vermittlungsausschusses ist damit der einer effizienten Gesetzgebung 100. 101 Daraus folgt, daß das Vermittlungsverfahren als eine zusätzliche Möglichkeit, das Gesetzgebungsziel noch auf der Grundlage des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens zu verwirklichen, zur Alternative eines erneuten, umfassenden Gesetzgebungsverfahrens zu verstehen ist. Durch Erwä-
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Vgl. oben A. III. 2. a) cc). Vgl. Henseler, NJW 1982, 849 (852). 100 BVerfGE 72, 175 (188) (Wohnungsfürsorge); vgl. auch BVerfGE 101, 297 (306) („auf der Grundlage des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens“). Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 8; Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 49; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 60; ders., ZG 1986, 159 (160); Palm, NVwZ 2008, 633 (633); Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 16; siehe auch Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 67 sowie FG Münster, EFG 2005, 1225 (1229). 101 Grundlegend zum Gedanken der Effizienz im öffentlichen Recht W. Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip. Leisners a. a. O. geäußerte grundsätzliche Skepsis gegenüber der Annahme eines allgemeinen Rechtsprinzips der Effizienz greift gegenüber der hier unter normativer Anknüpfung vorgenommenen Entwicklung eines konkreten und zudem sachlich beschränkten Effizienzmaßstabs nicht durch. Siehe auch Hilf / Hörmann, in: Dupuy u. a. (Hrsg.), FS für Tomuschat, S. 913 ff. zur Effektivität als wesensimmanentem Bestandteil des Rechts und Legitimationskriterium. Zur hiervon zu unterscheidenden ökonomischen Analyse des Rechts (als Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens) unter Effizienzgesichtspunkten ausführlich Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, welcher konstatiert, daß sich de lege lata eine allgemeine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers auf den ökonomischen Effizienzgedanken nicht feststellen lasse (a. a. O., S. 443); s. a. Kübler, in: Baur / Hopt / Mailänder (Hrsg.), FS für Steindorff, S. 687 ff. 99
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
gungen legislativer (Beschleunigungs-)102 Effizienz gerechtfertigt sind damit jedoch auch nur solche Einschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens, welche sich bei einer vergleichenden Betrachtung beider Alternativen als solche quantitativer Art darstellen, nicht hingegen solche qualitativer Art. 103 Schließlich meint Effizienz die Herstellung eines – qualitativ – gleichwertigen Ergebnisses unter geringerem (Verfahrens-)Aufwand. Da jedoch auch die Erfüllung qualitativer Erfordernisse regelmäßig erhöhte quantitative Anstrengungen mit sich bringt, ist eine weitergehende Abgrenzung erforderlich. Den normativen Maßstab für die Bestimmung der Natur einer Verfahrenseinschränkung bildet hierbei das Grundgesetz. Als quantitativ sind danach allein jene Modifikationen des Gesetzgebungsverfahrens zu verstehen, welche sich als solche ausschließlich quantitativer Art darstellen. Dies dürfte insbesondere für die Nichtberücksichtigung von über die grundgesetzlichen Anforderungen hinausreichenden Erfordernissen des Geschäftsordnungsrechts der Fall sein. Qualitative Beschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens dagegen sind solche, welche zu einem Unterschreiten der aus Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1, 42 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 S. 1 GG folgenden grundgesetzlichen Mindestanforderungen an ein demokratisch-parlamentarisches Verfahren führen. Schließlich beruht die (legitimatorische) Qualität und damit GleichWertigkeit eines Gesetzes gerade auf der demokratischen Qualität des zu seiner Verabschiedung führenden Verfahrens. Die Annahme, daß dem Gedanken einer effizienten Gesetzgebung keine Rechtfertigungswirkung für Einschränkungen der Mindestanforderungen an eine demokratisch-parlamentarische Willensbildung zukommen kann, wird hierbei bereits durch die Begriffswahl des Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG indiziert, welche verlangt, daß der Bundestag über einen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses erneut „Beschluß zu fassen“ habe. Die Verfassung ordnet damit für Änderungen des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses im Vermittlungsverfahren aber nicht nur eine erneute Beteiligung des Bundestages an, sie entscheidet sich hierbei für die gleiche Formulierung wie in der Regelvorschrift des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG, derzufolge die Gesetze vom Bundestag „beschlossen“ werden. Wenn ein „Beschließen“ im Sinne des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG aber ein umfassendes parlamentarisch-demokratisches Verfahren einzuschließen vermag 104, liegt es nahe, dies für Gesetze, welche ihren Abschluß im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG finden, in gleicher Weise anzunehmen. Zum gleichen Ergebnis führt schließlich auch eine Parallele zu der die Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens im Verteidigungsfall regelnden Vorschrift 102 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 67 („Zügigkeit des Gesetzgebungsverfahrens“). Zu den unterschiedlichen Dimensionen des Effizienzgedankens vgl. W. Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 7. 103 Vgl. BVerfGE 101, 297 (307) (Arbeitszimmer). 104 Zur Herleitung des grundgesetzlichen Erfordernisses eines umfassenden parlamentarisch-demokratischen Gesetzgebungsverfahrens im Bundestag aus einer systematischen Betrachtung der Regelung des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG vgl. unten C. II. 2. b).
IV. Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses
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des Art. 115d GG. 105 Nach Art. 115d Abs. 2 S. 2 GG sind Gesetzesvorlagen im Verteidigungsfall durch Bundestag und Bundesrat unverzüglich gemeinsam zu beraten. Mit der Wahl des Begriffs des „Beratens“, welcher in der Verfassung synonyme Verwendung mit jenen der Verhandlung oder der Aussprache findet, befreit das Grundgesetz aber sogar in der Ausnahmesituation des Verteidigungsfalls nicht vom Erfordernis einer durch Rede und Gegenrede gekennzeichneten parlamentarischen Willensbildung. Anforderungen, welche die Verfassung an das Gesetzgebungsverfahren auch in der Ausnahmesituation des Verteidigungsfalls stellt, müssen für das Vermittlungsverfahren als einem Regelinstrument des Gesetzgebungsverfahrens jedoch erst recht Geltung beanspruchen. Die damit nur begrenzte Rechtfertigungswirkung des das Vermittlungsverfahren tragenden Gedankens legislativer Effizienz gilt es, sich bei der systematisch-teleologischen 106 Bestimmung von Stellung, Kompetenz und Verfahren des Vermittlungsausschusses als äußerster Schranke erneut bewußt zu machen.
IV. Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses im Spannungsfeld von demokratischer Legitimation und legislativer Effizienz Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, dem Bundestag einen (Einigungs-)Vorschlag für einen Gesetzesbeschluß machen zu können, bewegt sich damit in einem Spannungsfeld von demokratischer Legitimation des Gesetzes im Verfahren einerseits und legislativer Effizienz als tragendem Gedanken des Vermittlungsverfahrens andererseits. Während erstere gerade auf der besonderen Qualität des Gesetzgebungsverfahrens beruht, drängt letztere im politischdynamischen Charakter des Vermittlungsverfahrens auf eine Befreiung von verfahrensrechtlichen Bindungen. Ein fehl verstandener Effizienzgedanke und ein regelmäßig hinzutretender enormer Zeitdruck lassen diese Gegenläufigkeit in der Praxis noch einmal verschärft zutage treten und tragen damit ganz wesentlich zum Bild vom Vermittlungsausschuß als institutionalisierter Entparlamentarisierung in Gestalt einer „Dunkelkammer der Gesetzgebung“ 107 oder eines „Nebengesetzgebers“ 108 bei. Indes steht das Spannungsfeld in diesem Zusammenhang 109 nicht euphemistisch für eine Unvereinbarkeit, sondern lassen sich beide Anliegen 105
Vgl. hierzu W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 35. 106 Der systematisch-teleologischen Interpretation des Art. 77 Abs. 2 GG kommt vor dem Hintergrund seines fragmentarischen Charakters insbesondere auch deshalb besondere Bedeutung zu, als seine Entstehungsgeschichte weitestgehend unbekannt ist. Vgl. hierzu D. IV. 2. 107 Dietlein, NJW 1983, 80 (80). 108 P. Kirchhof, NJW 2001, 1332 (1333).
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A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren
miteinander zum Ausgleich bringen. Den Maßstab bildet die von vornherein nur begrenzte Rechtfertigungswirkung des das Vermittlungsverfahren tragenden Gedankens legislativer Effizienz, welcher zwar quantitative Einschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens zu rechtfertigen vermag, nicht jedoch ein Unterschreiten der die demokratische Legitimation des Gesetzes gewährleistenden grundgesetzlichen Mindestanforderungen an die parlamentarische Willensbildung 110. Diese Grenzziehung zu vollziehen, damit die demokratische Legitimation des auf dem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses beruhenden Gesetzes sicherzustellen, zugleich aber auch der Zielsetzung des Vermittlungsverfahrens in einer effizienten Gesetzgebung angemessen Rechnung zu tragen, ist Anliegen der vorliegenden Arbeit. Die jüngst 111 vom Bundesverfassungsgericht „im Anschluß“ an die „Arbeitszimmer“-Entscheidung 112 vorgenommene weitergehende Konkretisierung der in den vorangegangenen Entscheidungen 113 „noch offen“ und „unbestimmten“ gebliebenen Maßstäbe zulässiger Vermittlungstätigkeit 114 zum Anlaß nehmend, soll die nach wie vor als nicht befriedigend gelöst geltende 115 Frage nach den Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses unter besonderer Berücksichtigung des Gedankens der Legitimation des Gesetzes im parlamentarischen Verfahren einer umfassenden wie abschließenden Klärung zugeführt werden. Da sich die demokratische Legitimation auch eines auf einer Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses beruhenden Gesetzes nicht monokausal erklären läßt, sich diese vielmehr aus mehreren, sich wechselseitig ergänzenden Strängen speist, gilt es, sich zunächst der legitimatorischen Einbettung der Vermittlungskompetenz, der demokratischen Legitimation des Vermittlungsausschusses (B.), zu vergewissern. Den Gedanken der Legitimation des Gesetzes im Verfahren aufnehmend ist sodann in einem zweiten Schritt der verfahrenssystematische Zusammenhang der Vermittlungskompetenz (C.), ihr Einfügen in Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens, genauer zu betrachten. Führt man den legitimatorischen und den verfahrenssystematischen Strang zu109 Zur begrifflichen Vorliebe der Rechtswissenschaft für das Bild des „Spannungsfeldes“ vgl. Gosch, DStR 2007, 1553 (1553); siehe auch Ossenbühl, in: Badura / Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 75 (77). 110 Vgl. hierzu soeben A. III. 2. c). 111 BVerfGE 120, 56 (73 ff.) (Vermittlungsausschuß). 112 BVerfGE 101, 297 (306 ff.) (Arbeitszimmer). 113 Gemeint sind hiermit die Beschlüsse des Gerichts vom 13. Mai 1986 (BVerfGE 72, 175 (187 ff. (Wohnungsfürsorge)) und vom 8. Juni 1998 (BVerfGE 78, 249 (271) (Fehlbelegungsabgabe). 114 So die eigene Einschätzung des Gerichts in seinem Beschluß vom 15. 1. 2008, BVerfGE 120, 56 (80) (Vermittlungsausschuß). 115 So auch die Einschätzungen von Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (323); Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 85. Vgl. auch Cornils, DVBl. 2002, 497 (497).
IV. Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses
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sammen, kann man zum Kern der Untersuchung vordringen: der eigentlichen Bestimmung der aus dem Gedanken einer Legitimation des Gesetzes im parlamentarischen Verfahren folgenden Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses (D.). Hierbei sollen unter Berücksichtigung der bisher vertretenen Ansätze in Staatspraxis, Rechtsprechung und Schrifttum (D. I.–III.) zunächst die maßgeblichen grundgesetzlichen Maßstäbe ermittelt werden (D. IV.), ehe diese sodann eine Konkretisierung in einem praktischen Belangen Rechnung tragenden Prüfungsmaßstab erfahren (D. V.). Seinen Abschluß findet der erste, allgemeine Teil der Arbeit in einer der Legitimationsfunktion grundgesetzlicher Verfahrenserfordernisse besondere Beachtung schenkenden Bestimmung der Folge einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz als Fehler im Gesetzgebungsverfahren (E.). In einem zweiten, besonderen Teil der Arbeit soll der für die Vereinbarkeit eines Vermittlungsvorschlags mit dem Grundgesetz entwickelte Prüfungsmaßstab schließlich anhand von vier ausgewählten Beispielen aus der Steuergesetzgebung, für welche das Vermittlungsverfahren besondere praktische Relevanz besitzt, einer Bewährungsprobe unterzogen und die hiernach möglichen Konstellationen der Fehlerhaftigkeit eines Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses aufgezeigt werden.
Erster Teil
Der Vermittlungsausschuß im Gesetzgebungsverfahren B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz: Die demokratische Legitimation des Vermittlungsausschusses Der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses bedarf wie jedes staatliche Handeln der demokratischen Legitimation. Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und Ausübung staatlicher Befugnisse sind demokratisch legitimiert, wenn sie sich auf den Willen des Volkes selbst zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden. 1 Dieses Gebot effektiver demokratischer Legitimation folgt aus Art. 20 Abs. 2 GG, wonach das Staatsvolk zugleich Inhaber und Ausübender der Staatgewalt ist. Übt es letztere nicht selbst durch Wahlen oder Abstimmungen, sondern durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung aus, so setzt dies einen hinreichenden Zurechnungszusammenhang zwischen Staatsvolk und staatlicher Herrschaft voraus, um von einer Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk sprechen zu können. Ein solcher Zurechnungszusammenhang ist gegeben, wenn das Staatsvolk über einen effektiven Einfluß auf die Ausübung der Staatsgewalt verfügt. 2 Ziel demokratischer Legitimation ist es, diesen effektiven Einfluß zu bewirken und sicherzustellen. Da verschiedene Wege existieren, dieses Ziel zu erreichen, gibt es dementsprechend auch unterschiedliche Formen demokratischer Legitimation. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Schrifttum unterscheiden eine institutionelle, funktionelle, personelle und sachlich-inhaltliche Legitimation staatlichen Handelns. 3 Allerdings beantworten diese einzelnen For1
BVerfGE 47, 253 (272) (Gemeindeparlamente); BVerfGE 77, 1 (40) (Neue Heimat); BVerfGE 83, 60 (72) (Ausländerwahlrecht II); BVerfGE 93, 37 (66) (Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein); BVerfGE 107, 59 (87) (Lippeverband). Ausführlich E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 11 ff. Siehe auch die weiteren Nachweise in A. II. 1., Fußnote 27. 2 BVerfGE 83, 60 (71) (Ausländerwahlrecht II); BVerfGE 93, 37 (66) (Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein). 3 BVerfGE 83, 60 (72) (Ausländerwahlrecht II); BVerfGE 93, 37 (66) (Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein); BVerfGE 107, 59 (87) (Lippeverband). E.-W. Böcken-
I. Funktionelle und institutionelle Legitimation
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men demokratischer Legitimation nicht je für sich die Frage nach hinreichender demokratischer Legitimation, sondern erlangen erst in ihrem Zusammenwirken Bedeutung. Denn Art. 20 Abs. 2 GG gebietet keine bestimmte Form, sondern verlangt vielmehr eine bestimmte Qualität demokratischer Legitimation. 4
I. Funktionelle und institutionelle Legitimation des Vermittlungsausschusses Funktionelle und institutionelle demokratische Legitimation meint die verfassungsunmittelbare Konstituierung der gesetzgebenden, vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt als je eigene Funktionen und Organe durch den Verfassunggeber selbst. 5 1. Funktion des Vermittlungsausschusses als Legislativorgan Der Vermittlungsausschuß ist ein Organ der Gesetzgebung. Zwar setzt er sich personell auf Grund seiner paritätischen Struktur zur Hälfte aus Mitgliedern des Bundesrates und damit Vertretern der Exekutive zusammen. 6 An seiner funktionellen Einordnung als Organ der Legislative vermag dies jedoch nichts zu ändern. 7 Spezifischer institutioneller Zweck des Vermittlungsausschusses ist es hierbei, im Falle unterschiedlicher Positionen von Bundestag und Bundesrat noch im Rahmen desselben Gesetzgebungsverfahrens einen Ausgleich herbeizuführen, damit eine effiziente Gesetzgebung. 8 förde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 14; Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 113 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 20, Rn. 163 ff. Siehe auch Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 265 ff. 4 Das Bundesverfassungsgericht spricht von einem „bestimmten Legitimationsniveau“, BVerfGE 83, 60 (72) (Ausländerwahlrecht II); BVerfGE 93, 37 (67) (Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein); BVerfGE 107, 59 (87) (Lippeverband). E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 14; Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 117. 5 BVerfGE 49, 89 (125) (Kalkar I); BVerfGE 68, 1 (88) (Atomwaffenstationierung). E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 15. 6 Ausführlich zur Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses unten B. II. 7 Gegensätzliche Feststellungen (Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 26: „Der Vermittlungsausschuß ist selbst kein Gesetzgebungsorgan; er hat keine Entscheidungsbefugnis.“) vermögen nicht zu überzeugen. Die Nennung von Legislative, Exekutive und Judikative in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ist abschließend, eine Zuordnung zu einer dieser Gewalten zwingend. Entsprechende Aussagen sind daher wohl eher in dem Sinne zu verstehen, daß die Eigenschaft eines Gesetzgebungsorgans, nicht jedoch die eines Gesetzgebungsorgans bestritten werden soll. Zu ersterer siehe sogleich B. I. 2.
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
2. Stellung des Vermittlungsausschusses als Verfassungsorgan a) Qualifizierung als Verfassungsorgan Die Rechtsnatur des Vermittlungsausschusses ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. 9 Die vorgenommenen Einordnungen reichen von einer Bezeichnung als gemeinsame Einrichtung 10 über eine Charakterisierung als intermediäres Organ zweier Verfassungsorgane mit eigenen akzessorischen Rechten 11 bis hin zu einer Qualifizierung als Organ sui generis 12 oder Verfassungsorgan 13. Die wohl stärkste Meinung im Schrifttum 14, der sich jüngst auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen hat, 15 vertritt, daß es sich beim Vermittlungsausschuß um ein (sektoral) verselbständigtes gemeinsames Unterorgan von Bundestag und Bundesrat handle. Bereits die gewählten Begrifflichkeiten offenbaren große Unsicherheit. Ihr Verhältnis zueinander bleibt denn auch oft ungeklärt. Der Diskussion mangelt es darüber hinaus an Schlüssigkeit, wenn in der Sache der Nachweis erbracht wird, daß es sich beim Vermittlungsausschuß um kein selbständiges Verfassungsorgan im Range eines obersten Bundesorgans hand8
Vgl. ausführlich oben A. III. 2. Zum Streitstand siehe Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 5 ff.; Niemann, Die bundesstaatliche Bedeutung des Bundesrates unter besonderer Berücksichtigung der Funktion des Vermittlungsausschusses, S. 150 ff.; Trossmann, JZ 1983, 6 (7 f.). 10 Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 77, Rn. 7; Maunz, in: ders. / Dürig u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 11. 11 Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 6. 12 Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 9; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 100. 13 Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 22; Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 9. Trossmann, JZ 1983, 6 (7). 14 Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 142 ff.; Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 27; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 71; Niemann, Die bundesstaatliche Bedeutung des Bundesrates unter besonderer Berücksichtigung der Funktion des Vermittlungsausschusses, S. 156. Nur „Gemeinsames Unterorgan von Bundestag und Bundesrat“: BVerfGE 112, 118 (137) (Zählverfahren für Sitzanteile); Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 16. Eine solche Einordnung des Vermittlungsausschusses wirft die Frage auf, ob ein Organ überhaupt gemeinsames Unterorgan zweier Organe sein kann, ist die Tätigkeit eines Unterorgans doch immer Ausübung einer Kompetenz für und damit des übergeordneten Organs. Soll ein Unterorgan für zwei Organe zugleich tätig werden können, so setzt dies eine gemeinsame Kompetenz beider übergeordneter Organe voraus (Hiervon zu unterscheiden ist die Organleihe. Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß das Organ einer Körperschaft (nur) für eine andere Körperschaft auf deren (anderer) Kompetenzgrundlage tätig wird.). Die Kompetenzen von Bundestag und Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren unterscheiden sich jedoch maßgeblich (Siehe hierzu oben A. III. 2. a) aa)). 15 BVerfGE 112, 118 (137 f.) (Zählverfahren für Sitzanteile). 9
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le 16, dann jedoch gefolgert wird, die Eigenschaft eines Verfassungsorgans sei zu verneinen 17. Im folgenden soll ausschließlich der Frage nachgegangen werden, ob der Vermittlungsausschuß als Verfassungsorgan zu qualifizieren ist. 18 Die Fragestellung ist dabei weniger von begrifflicher Relevanz, lassen sich doch aus der bloßen Bezeichnung als Verfassungsorgan keinerlei normativen Konsequenzen ableiten 19, sondern erlangt ihre Bedeutung vielmehr dadurch, daß einer solchen Qualifizierung die Feststellung des materiell-verfassungsrechtlichen Status’ des Vermittlungsausschusses vorausgeht. Dabei ist insbesondere die Frage zu beantworten, ob dem Vermittlungsausschuß eine eigene, ihm vorbehaltene Vermittlungskompetenz zukommt. aa) Begriff des Verfassungsorgans Ausgangspunkt einer Bestimmung der Rechtsnatur des Vermittlungsausschusses ist eine – in der Diskussion vergeblich zu suchende – Definition des Begriffs des Verfassungsorgans. Das Grundgesetz kennt den Begriff des Verfassungsorgans nicht. 20 Gleichwohl ist der Begriff in Staatsrechtswissenschaft, Staatspraxis und Rechtsprechung anerkannt. 21 Nach tradierter Auffassung sind Verfassungsorgane Staatsorgane, die durch die Verfassung selbst konstituiert werden und deren Aufgaben und Kompetenzen sich unmittelbar aus dieser ergeben. 22 Als Staatsorgane stellen sie die Handlungsfähigkeit einer juristischen Person her.
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Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 41. Hasselsweiler, a. a. O., S. 42. 18 Nicht untersucht werden soll, ob der Vermittlungsausschuß als ein „oberstes Bundesorgan“ anzusehen ist. 19 Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, Art. 93, Rn. 29 m.w. N. So bereits Thoma, JöR N.F. 6 (1957), 161 (166). Kritisch auch Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 28. A. A. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 345 ff. 20 Vgl. W. Meyer, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 93, Rn. 5; Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, Art. 93, Rn. 28. 21 Vgl. dazu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 342 m.w. N. 22 Bemerkungen des Bundesverfassungsgerichts zu dem Rechtgutachten von Professor Richard Thoma, JöR N.F. 6 (1957), S. 194 (197). Badura, Staatsrecht, S. 455; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 344; Thoma, JöR N.F. 6 (1957), 161 (166). Siehe auch Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 25 ff. 17
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Hierüber hinausgehend hat das Bundesverfassungsgericht in Rechtfertigung seiner Denkschrift aus dem Jahr 1957 23, gefolgt von einzelnen Stimmen im Schrifttum 24, unter Bezugnahme auf die Integrationslehre Smends 25, welche den Staat nicht im Sinne des statischen Charakters einer juristischen Person, sondern als dynamisches und einheitsbildendes Element eines fortwährenden, gemeinschaftsübergreifenden Integrationsprozesses versteht 26, als weitere Voraussetzung verlangt, daß das Organ durch „seine spezifische Funktion und Wesensart einheitsgründend auf den Staat“ wirke und „entscheidend an der politischen Gesamtgestaltung des Staates teilhabe“. 27 Die Einrichtung eines für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeten Ausschusses ist vom Grundgesetz in Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG vorgesehen. Allerdings genügt die bloße Erwähnung eines Organs im Verfassungstext für sich genommen noch nicht für die Bejahung einer Verfassungsorganqualität. 28 Die Verfassung selbst muß vielmehr auch Aufgabe und Kompetenzen des Organs begründen. bb) Verfassungsrechtlich begründete eigene Kompetenz des Vermittlungsausschusses (Vermittlungskompetenz) Eine Qualifizierung als Verfassungsorgan setzt somit voraus, daß das Grundgesetz dem Vermittlungsausschuß eigene und originäre Kompetenzen zuweist. Ob dies der Fall ist, bildet den Kern der Auseinandersetzung um die Rechtsnatur des Vermittlungsausschusses. Begrifflich dreht sich die Diskussion dabei zwar vorrangig um die Frage nach der Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses, materiell meint dies allerdings den gleichen Gegenstand. 29 Denn Selbständigkeit kann im demokratischen Verfassungsstaat nicht absolut gemeint sein, sondern läßt sich nur als eine relative verstehen. Damit verlangt sie jedoch nach einer Bezugsgröße. Diese bildet der verfassungsrechtliche Kompetenzrahmen. Selbständig ist danach ein Organ insoweit, als es über verfassungsrechtlich begründete eigene Kompetenzen verfügt. 23 Bemerkungen des Bundesverfassungsgerichts zu dem Rechtgutachten von Professor Richard Thoma, JöR N.F. 6 (1957), S. 194 (198). 24 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 344. 25 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht. 26 Vgl. Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 78 f. 27 Kritisch Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 25 ff.; Thoma, JöR N.F. 6 (1957), 161 (166); Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, Art. 93, Rn. 29. 28 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 344. Siehe auch Badura, Staatsrecht, S. 455. 29 Vgl. Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 184.
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Unstreitig ist, daß der in Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG verwandte Begriff des „Ausschusses“ nicht in einem technischen Sinne zu verstehen ist. 30 Gegen die Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses wird angeführt, daß er über keine Geschäftsordnungsautonomie verfüge 31, nicht von sich aus tätig werden könne, 32 sowie keine Befugnis besitze, eigenständig abschließende Entscheidungen zu treffen 33. Die Einwände, der Vermittlungsausschuß verfüge über keine Geschäftsordnungsautonomie und besitze kein Initiativrecht, übersehen, daß eine Qualifizierung als Verfassungsorgan ausschließlich danach fragt, ob dem betreffenden Organ innerhalb des verfassungsrechtlich konstituierten Rahmens eigene Kompetenzen zugewiesen sind. Die Delegation der Befugnis zum Erlaß der Geschäftsordnung auf Bundestag und Bundesrat sowie das Erfordernis einer vorherigen Anrufung sind aber gerade Teil dieses verfassungsrechtlichen Rahmens. Auch in der Sache überzeugt die Argumentation nicht. So gibt es auch andere Organe, die nicht von sich aus tätig werden können und dennoch unstreitig als Verfassungsorgan angesehen werden. Genannt sei nur das Bundesverfassungsgericht 34. Zudem mag es zwar zutreffen, daß ein Verfassungsorgan in der Regel über Geschäftsordnungsautonomie verfügt, deren Delegation im Falle des Vermittlungsausschusses auf Bundestag und Bundesrat ist jedoch der Besonderheit geschuldet, daß sich der Vermittlungsausschuß auf Grund der geringen Regelungsdichte des Art. 77 Abs. 2 GG ohne eine solche Geschäftsordnung schlechterdings nicht konstituieren könnte. 35 Ergänzend sei darauf hingewiesen, 30 Vgl. nur Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 65; Niemann, Die bundesstaatliche Bedeutung des Bundesrates unter besonderer Berücksichtigung der Funktion des Vermittlungsausschusses, S. 154; Trossmann, JZ 1983, 6 (7). 31 Niemann, Die bundesstaatliche Bedeutung des Bundesrates unter besonderer Berücksichtigung der Funktion des Vermittlungsausschusses, S. 152; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 16. 32 Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 42; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 65. 33 BVerfGE 72, 175 (188) (Wohnungsfürsorge); BVerfGE 101, 297 (306) (Arbeitszimmer). Siehe aber auch BVerfGE 112, 118 (144) (Zählverfahren für Sitzanteile), wonach „die Arbeit des Vermittlungsausschusses nicht notwendig darauf angelegt sei, in jedem Fall zu einer Entscheidung in der Sache zu gelangen.“ Dazu, daß die Negierung von Entscheidungskompetenzen des Vermittlungsausschusses durch das Bundesverfassungsgericht wohl ausschließlich im Sinne einer Verneinung einer eigenständigen Gesetzgebungsbefugnis des Vermittlungsausschusses zu verstehen ist, siehe unten D. IV. 3. b) aa) (1). Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 26; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 42; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 65; Niemann, Die bundesstaatliche Bedeutung des Bundesrates unter besonderer Berücksichtigung der Funktion des Vermittlungsausschusses, S. 151. 34 Zur Verfassungsorganqualität des Bundesverfassungsgericht vgl. Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, Art. 93, Rn. 28 f. m.w. N. 35 Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 5.
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daß auch die Geschäftsordnung der Bundesregierung gemäß Art. 65 S. 4 GG der Genehmigung durch den Bundespräsidenten bedarf, so daß auch insoweit nicht von einer vollständigen Autonomie gesprochen werden kann. 36 Gewichtiger ist der Einwand, der Vermittlungsausschuß verfüge über keine eigene Entscheidungskompetenz. Eine solche ist zunächst von der Möglichkeit des Vermittlungsausschusses abzugrenzen, das Gesetzgebungsverfahren zu beeinflussen. Daß die Institution des Vermittlungsausschusses die Autonomie der gesetzgebenden Körperschaften zur Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens einschränkt, wird auch von denjenigen nicht bestritten, die ihm eine eigene Entscheidungskompetenz absprechen. 37 In diesem Zusammenhang genannt werden die Pflicht des Bundesrates, im Falle eines beabsichtigten Einspruchs zuvor den Vermittlungsausschuß anzurufen (Art. 77 Abs. 3 S. 1 GG), sowie die Regelung des Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG, die den Bundestag dazu anhält, über einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur Änderung des Gesetzesbeschlusses erneut Beschluß zu fassen. Darüber hinaus kommt dem Vermittlungsausschuß jedoch auch eine Sachentscheidungskompetenz zu. Dabei kann sich hier darauf beschränkt werden, festzustellen, ob ihm eine solche eingeräumt ist. Einer Auseinandersetzung mit der Frage, welchen genauen Umfang diese besitzt, bedarf es an dieser Stelle nicht. 38 Richtig ist, daß der Vermittlungsausschuß über keine letztverbindliche und außenwirksame Sachentscheidungsbefugnis im Sinne einer Gesetzgebungsbefugnis verfügt. 39 Wie das Gebot einer erneuten Beschlußfassung des Bundestages über einen Einigungsvorschlag in Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG zeigt, ist dies aber auch gar nicht Gegenstand der Konstituierung des Vermittlungsausschusses in Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG. Zu fragen ist vielmehr, ob dem Vermittlungsausschuß innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs eine Entscheidungskompetenz eingeräumt wird. Im innerkörperschaftlichen Bereich kommt es dabei für die Bejahung einer Entscheidungsgewalt im Gegensatz zum Verhältnis von Staat und Bürger allein darauf an, ob einem Organ Rechte
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Kluth, a. a. O.; Trossmann, JZ 1983, 6 (8). BVerfGE 112, 118 (139) (Zählverfahren für Sitzanteile). Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 26 f. Siehe auch Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 71. Seinen Ausdruck findet dies in der Wendung, beim Vermittlungsausschuß handle es sich um ein „sektoral verselbständigtes“ gemeinsames Unterorgan von Bundestag und Bundesrat. 38 Siehe dazu unten D. 39 Allein in diesem Sinne ist wohl auch die Verneinung von Entscheidungskompetenzen des Vermittlungsausschusses in BVerfGE 72, 175 (188) (Wohnungsfürsorge) („Entscheidungskompetenzen sind dem Vermittlungsausschuß nicht eingeräumt. Der Bundestag ist rechtlich nicht gehindert, einem Einigungsvorschlag die Zustimmung zu versagen.“) und BVerfGE 101, 297 (306) („Der Vermittlungsausschuß ist kein Entscheidungsorgan, sondern gibt Empfehlungen für die Entscheidungen der Gesetzgebungsorgane Bundestag und Bundesrat.“) zu verstehen. 37
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eingeräumt sind. 40 Es läßt sich nicht bestreiten, daß dem Vermittlungsausschuß durch Art. 77 Abs. 2 GG das originäre und eigene Recht vorbehalten ist, darüber zu entscheiden, ob er einen Einigungsvorschlag macht, und diesen gegebenenfalls zu formulieren. 41 Er allein entscheidet darüber, ob und in welchem Umfang der Bundestag von seiner Bindung an den einmal gefaßten Gesetzesbeschluß befreit wird. 42 Mittelbar-faktisch übt er dadurch zugleich maßgeblichen Einfluß darauf aus, ob und – in eingeschränkter Form – mit welchem Inhalt das ihm vorgelegte Gesetz zustande kommt. 43 Eine Bezeichnung als bloße „Empfehlung“ 44 verkennt die Realität und bleibt noch hinter der insofern stärkeren Formulierung („Vorschlag“) des Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG zurück. Entgegen der ein solches suggerierenden Bezeichnung des Vermittlungsausschusses als „gemeinsames Unterorgan von Bundestag und Bundesrat“ existiert kein gemeinsames Recht von Bundestag und Bundesrat, einen Vorschlag für eine Einigung unter den gesetzgebenden Körperschaften zu entwickeln und zu unterbreiten. Der Vermittlungsausschuß erfüllt insoweit unabhängig und eigenverantwortlich eine durch die Verfassung eigens ihm übertragene Aufgabe. 45 Die Eigenständigkeit seiner Entscheidung verdeutlicht dabei in besonderem Maße die Weisungsunabhängigkeit, die seinen Mitgliedern gewährt wird. Eine Bestätigung erfährt dieses Ergebnis in der Regelung des Art. 77 Abs. 2 S. 3 GG, die auch den vom Bundesrat entsandten Mitgliedern Weisungsunabhängigkeit gewährt. Während diese für diejenigen Mitglieder, die Abgeordnete des Bundestages sind, bereits unmittelbar aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG folgt, wird sie für die vom Bundesrat entsandten Mitglieder in Art. 77 Abs. 2 S. 3 GG ausdrücklich gewährleistet. Wenn jedoch für ein Organ wie den Bundesrat, das sich ausschließlich aus weisungsabhängigen Mitgliedern zusammensetzt, keinerlei Zweifel an der Ausübung eigener 40
Dies verkennt Hasselsweiler, wenn er zwar anerkennt, daß dem Vermittlungsausschuß eigene Rechte zugewiesen sind (Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 42 u. 71), die Verfassungsorganeigenschaft des Vermittlungsausschusses gleichwohl mit der Begründung verneint, die zugesprochenen Rechte besäßen nicht die Qualität der Entscheidungskompetenzen von Bundestag und Bundesrat (S. 42). Wie hier Trossmann, JZ 1983, 6 (8) unter Bezugnahme auf Thoma, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Zweiter Band, S. 610. Vgl. auch BVerfGE 107, 59 (87) (Lippeverband). 41 Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 6; Trossmann, JZ 1983, 6 (8). 42 Ausführlich zum Grundsatz der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen siehe unten C. II. 3. c) aa) (2). 43 In diesem Sinne auch BVerfGE 72, 175 (188) (Wohnungsfürsorge); sowie jüngst BVerfGE 120, 56 (74) (Vermittlungsausschuß). Vgl. auch Opfermann, in: Grawert u. a. (Hrsg.), FS für Böckenförde, S. 177 (184) („starke negative Entscheidungskompetenz“) und Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 9. 44 BVerfGE 101, 297 (306) (Arbeitszimmer). Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 20. 45 Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 22.
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Kompetenzen bestehen, so muß dies für ein völlig weisungsfreies Organ wie den Vermittlungsausschuß erst recht gelten. Nachvollzogen wird dieses Ergebnis von § 8 GOVA, wonach der Vermittlungsausschuß nicht nach Bänken sondern mit der Mehrheit der Stimmen seiner anwesenden Mitglieder entscheidet, 46 sowie § 7 Abs. 3 GOVA, der eine (sachliche) Beschlußfähigkeit des Gremiums bereits für den Fall annimmt, daß nicht einmal die Hälfte der Mitglieder eines jeden Organs anwesend ist. Eine andere Bewertung rechtfertigt auch nicht, daß die Kompetenz des Vermittlungsausschusses an ein vorangegangenes Gesetzgebungsverfahren anknüpft. Der akzessorische Charakter der Vermittlungskompetenz besitzt zwar Bedeutung für die Bestimmung ihres Umfangs, stellt ihre Existenz als solche jedoch nicht in Frage. Inwiefern die für eine Qualifizierung als Verfassungsorgan bisweilen geforderten darüber hinaus gehenden Voraussetzungen eines die Staatsstruktur bestimmenden Charakters sowie einer entscheidenden und integrierenden Teilhabe an der politischen Gesamtgestaltung berechtigt sind, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, erfüllt der Vermittlungsausschuß doch jedenfalls auch diese. So bestimmt er als institutionelle Konsequenz 47 der Mitwirkungsrechte des Bundesrats die Struktur des Gesetzgebungsverfahrens maßgeblich mit. Seine Tätigkeit läßt sich auch als entscheidende Teilhabe an der politischen Gesamtgestaltung verstehen, sind es doch vor allem die (politisch) bedeutsamen Gesetze, bei denen dem Vermittlungsverfahren eine herausragende Bedeutung zukommt. 48 Schließlich institutionalisiert der Vermittlungsausschuß geradezu den einheitsstiftenden Charakter politischer Kompromißbildung. cc) Ergebnis Als Ergebnis läßt sich damit festhalten, daß der Vermittlungsausschuß die Eigenschaft eines Verfassungsorgans besitzt. 49 Allein aus der Bezeichnung als Verfassungsorgan lassen sich jedoch keine rechtlichen Folgerungen ableiten. 50 46
Genauer dazu siehe unten B. III. 2. b). BVerfGE 112, 118 (138) (Zählverfahren für Sitzanteile). Siehe dazu auch oben A. III. 2. a) cc). 48 In diesem Sinne auch Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (291). Art. 74 Abs. 3 WRV brachte die Tatsache, daß es für die besondere Bedeutung einer gesetzgeberischen Entscheidung spricht, wenn sich die beiden gesetzgebenden Körperschaften nicht über sie einigen können, dadurch zum Ausdruck, daß dem Reichspräsidenten die Befugnis eingeräumt wurde, in Fällen, in denen eine Einigung zwischen Reichstag und Reichsrat nicht zu erzielen war, über den Gegenstand der Meinungsverschiedenheit einen Volksentscheid anzuordnen, und damit das Staatsvolk unmittelbar entscheiden zu lassen. 49 So auch B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (31); Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (279); Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 22; 47
I. Funktionelle und institutionelle Legitimation
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Von Bedeutung ist allerdings die dieser Qualifikation zugrundeliegende Feststellung, daß der Vermittlungsausschuß über eine verfassungsrechtlich begründete, ihm vorbehaltene, eigenständige Vermittlungskompetenz verfügt. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 Var. 1 GG ist er damit möglicher Beteiligter eines Organstreitverfahrens. 51 Noch zu klären bleibt, inwiefern der Nachweis einer eigenen (Sach-)Entscheidungskompetenz darüber hinaus für seine personelle Besetzung sowie ein Verständnis einer Überschreitung seiner Kompetenz als Verfahrensfehler eine Rolle spielt. 52 b) Korrelation von organschaftlicher Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses und strukturell-institutioneller Stärkung des Bundestages Die begrifflich verschleiernde 53 Diskussion um die Rechtsnatur des Vermittlungsausschusses erweckt den Eindruck, daß aus einer einseitig negativen Betrachtung des Vermittlungsausschusses, die in ihm das institutionelle Sinnbild einer allgemeinen Tendenz der Entparlamentarisierung 54 sieht, heraus versucht wird, eine Qualifizierung des Vermittlungsausschusses als Verfassungsorgan unbedingt zu vermeiden. Dahinter scheint die Befürchtung zu stehen, daß eine derartige Einordnung des Vermittlungsausschusses diesen institutionell stärken und damit einer im Hinblick auf das Prinzip parlamentarischer Demokratie kritisch beobachteten, extensiven Kompetenzwahrnehmung weiter Vorschub leisten könnte. Derartige Befürchtungen sind indessen nicht berechtigt. Denn die ihr zugrundeliegende Annahme, daß eine Wechselwirkung zwischen der Negierung der Verfassungsorganeigenschaft des Vermittlungsausschusses und einer Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rechtsvergleichende Hinweise; Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 9; Opfermann, ZRP 1976, 206 (206); Trossmann, JZ 1983, 6 (7). 50 Siehe Nachweise in Fußnote 19. 51 Benda / Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 1007; Hillgruber / Goos, Verfassungsprozeßrecht, § 4 Rn. 351; Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 7; a. A. Bethge, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge (Hrsg.), BVerfGG, Bd. 1, § 63, Rn. 8. 52 Siehe dazu unten E. III. Die dabei vorgenommenen Folgerungen verlaufen oft parallel zu denen, die von h.L. und Rechtsprechung aus deren Qualifizierung des Vermittlungsausschusses als verselbständigtes Unterorgan gezogen werden. Allerdings zwingt die Qualifizierung als Verfassungsorgan zu einer Vergewisserung der Maßstäbe und trägt so zur Transparenz der Begründungen im Einzelfall bei. 53 Wiederholt seien an dieser Stelle nur die Begriffsungetüme eines „sektoral verselbständigten gemeinsamen Unterorgans von Bundestag und Bundesrat“ sowie eines „intermediären Organs zweier Verfassungsorgane mit eigenen akzessorischen Rechten“. 54 Vgl. allgemein Herdegen, VVDStRL 62 (2003), 7. Siehe auch P. Kirchhof, in: Brenner / Huber / Möstl (Hrsg.), FS für Badura, S. 237 (244 ff.); P. Kirchhof, NJW 2001, 1332; E. Klein, Gesetzgebung ohne Parlament.
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Begrenzung der Verlagerung von gesetzgeberischen Entscheidungen aus dem Bundestag in den Vermittlungsausschuß bestehe, trifft nicht zu. Es läßt sich vielmehr zeigen, daß das eigentlich verfolgte Ziel sogar verfehlt wird. Dazu ist sich zunächst die Unterscheidung von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit bewußt zu machen. Betrachtet man die tatsächlichen Rückwirkungen der Existenz des Vermittlungsausschusses auf die Staatspraxis, läßt sich feststellen, daß sich die tatsächliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses in der Staatspraxis stark gewandelt hat. Nachdem zunächst nur restriktiv von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, den Vermittlungsausschuß einzuberufen, hat die Anzahl der Anrufungen seit der 12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages deutlich zugenommen. 55 Mit der Zunahme der Vermittlungsverfahren ging auch ein Wandel in der Bewertung seiner Institution einher. Während sie in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Grundgesetzes noch uneingeschränkt positiv gewürdigt wurde 56, ist sie zuletzt zunehmend in die Kritik geraten 57. Weder die – zumeist eher statistisch argumentierende 58 – einseitig positive noch die – allzu oft seine verfassungsstrukturelle Begründetheit 59 vernachlässigende – einseitig negative Sicht des Vermittlungsausschusses beantworten die Frage nach seinem verfassungsrechtlichen Status. Entscheidend für dessen Bestimmung ist nicht, ob er als Verfassungsorgan bezeichnet wird, sondern die vorgelagerte Frage nach Existenz und Umfang einer dem Vermittlungsausschuß vorbehaltenen eigenständigen Kompetenz. Für das institutionelle Verhältnis von Bundestag und Vermittlungsausschuß wirkt sich die Entscheidung darüber, ob dem Vermittlungsausschuß eine eigenständige verfassungsrechtliche Kompetenz eingeräumt wird, in unterschiedlicher Weise aus: 55 Vgl. die Übersicht bei Koggel, Die Tätigkeit des Vermittlungsausschusses in der fünfzehnten Wahlperiode des Deutschen Bundestages, Bundesanzeiger Nr. 18a vom 26. Januar 2006, S. 9. 56 Kratzer, AöR 77 (1951/52), 266 (277) („eine der glücklichsten Neuerungen unseres Verfassungslebens“); Mitglied des Bundesrates Süsterhenn (Rheinland-Pfalz), Stenographischer Bericht über die 49. Sitzung des Bundesrates, S. 89 B („positivste Institut des ganzen Grundgesetzes“). Siehe auch H. H. Klein, AöR 108 (1983), 329 (365); Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG, S. 58. 57 Cornils, DVBl. 2002, 497 (497) („Verdachtszone demokratiestaatlich inakzeptabler Politikgestaltung“); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (333) („Entparlamentarisierung“); Jekewitz, RuP 1982, 70 (71) („dem Öffentlichkeitsprinzip der parlamentarischen Demokratie diametral entgegengesetzte Geheimwissenschaft Kundiger“); Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar, Art. 77, Rn. 26 („parlamentsfeindlich“); P. Kirchhof, in: Schneider / Rückle / Küpper / Wagner (Hrsg.), FS für Siegel, S. 399 (404) („Quasigesetzgeber“); W. G. Leisner, NJW 2004, 1129 (1132) („schleichende Entparlamentarisierung“). Vgl. auch die Zitate bei Dietlein, NJW 1983, 80 (80) („Dunkelkammer der Gesetzgebung“, „Ersatz- oder Überparlament“, „elitäre, total undemokratische Veranstaltung“); jüngst Palm, NVwZ 2008, 633 (634) („gubernative Hegemonie“). 58 Vgl. nur H. H. Klein, AöR 108 (1983), 329 (363 ff.). Siehe auch jüngst Pasemann, Der Einfluß des Bundesrates auf die Gesetzgebung, S. 63 ff. 59 Dazu oben B. I. 2. a) bb).
I. Funktionelle und institutionelle Legitimation
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Lehnt man es ab, das Vermittlungsverfahren als Ausübung eigener Kompetenzen des Vermittlungsausschusses zu qualifizieren, so birgt dies die Gefahr eines Bedeutungsverlustes des parlamentarischen Verfahrens im Bundestag. Ordnet man den Vermittlungsausschuß als unselbständiges Unterorgan von Bundestag und Bundesrat ein, so stellt sich das Vermittlungsverfahren als (gemeinsame) 60 Kompetenzausübung von Bundestag und Bundesrat mittels des Hilfsorganes Vermittlungsausschuß dar. Die Tätigkeit des Vermittlungsausschusses wird dann dem Bundestag als eigenes Handeln zugerechnet, Vermittlungs- und Gesetzgebungskompetenz fallen im Organ des Bundestags zusammen. Die Ausübung der Vermittlungskompetenz tritt organintern in ein Spannungsverhältnis zur besonderen und exklusiven Kompetenz des Bundestags nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG, die Gesetze zu beschließen. In einer solchen organeinheitlichen Zuweisung von Gesetzgebungs- und Vermittlungskompetenz ist die grundsätzliche Gefahr unsauberer Grenzziehungen und Vermengungen, insbesondere eines verfehlten gesetzgebungsverfahren-(teil)ersetzenden Verständnisses des Vermittlungsverfahrens, bereits strukturell angelegt. In der Praxis scheint bei aller bei derartigen Prognosen gebotenen Vorsicht die an sich klare Verantwortungszuweisung und die dadurch sichergestellte, hervorgehobene demokratische Legitimation des Gesetzes durch ein parlamentarisches Verfahren im Bundestag (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG) gefährdet. Bejaht man hingegen eine dem Vermittlungsausschuß vorbehaltene eigenständige Vermittlungskompetenz, so stärkt dies strukturell die Institution des Bundestags. Dies mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, wird jedoch verständlich, wenn man sich folgendes verdeutlicht. Versteht man die Vermittlungskompetenz als eine dem Vermittlungsausschuß vorbehaltene Kompetenz, so sind Vermittlungsverfahren und Gesetzgebungsverfahren verschiedenen Organen überantwortet. Maßgeblich für das institutionelle Verhältnis von Bundestag und Vermittlungsausschuß ist damit allein die Abgrenzung der (unterschiedlichen) Kompetenzen zwischen den Organen, mithin deren Inhalt. Dessen Bestimmung ist bei Annahme unterschiedlicher Organzuständigkeiten in der Tendenz weniger anfällig für Vermengungen. Eine saubere Grenzziehung zwischen Gesetzgebungs- und Vermittlungskompetenz erscheint leichter. Eine Wahrung der Kompetenzgrenzen in der Staatspraxis wird wahrscheinlicher, da das Vermittlungsverfahren das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag schon strukturell nicht (teil)ersetzen kann. Ein dahingehendes – wenn auch nur unterschwelliges – Fehlverständnis ist von vornherein ausgeschlossen. Ein Gesetz kann gemäß Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG allein durch den Bundestag beschlossen werden, dessen parlamentarisches Verfahren dem Gesetz seine demokratische Legitimation verleiht. Bei seinem erneuten Beschluß über einen Vorschlag zur Änderung 60
Zu Zweifeln daran, ob die Annahme einer gemeinsamen Kompetenz von Bundestag und Bundesrat überhaupt möglich ist, vgl. bereits B. I. 2. a) bb).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
des Gesetzesbeschlusses gemäß Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG befindet der Bundestag nicht über einen ihm zuzurechnenden (auch) eigenen Vorschlag, sondern entscheidet eigenständig und selbstverantwortlich über den Einigungsvorschlag eines anderen Organs. Der Vermittlungsausschuß ist gezwungen, den Bundestag zu überzeugen 61. Eine solche Notwendigkeit fördert Transparenz, gewährleistet Richtigkeit und sichert Verfassungsmäßigkeit. Im Ergebnis ermöglicht die Annahme einer dem Vermittlungsausschuß zugewiesenen eigenständigen Vermittlungskompetenz eine saubere Grenzziehung zwischen Gesetzgebungskompetenz und Vermittlungskompetenz, sichert damit klare Verantwortlichkeiten und führt so zu einer strukturellen Stärkung der Institution des Bundestags. Allerdings bedarf diese noch einer inhaltlichen Konkretisierung. 62
II. Personelle Legitimation der Mitglieder des Vermittlungsausschusses Personelle demokratische Legitimation verlangt eine ununterbrochene, von den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern auf das Staatsvolk zurückführende Legitimationskette durch Wahl oder Ernennung. 63 Notwendig ist eine konkrete, auf den einzelnen bezogene individuelle Legitimation. 64 Die Bestellung eines jeden Mitglieds des Vermittlungsausschusses muß sich somit als in ihrem Ursprung vom Volk ausgehende Berufung darstellen. Das Grundgesetz setzt insoweit lediglich einen äußeren Rahmen. Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG delegiert die Befugnis zur Regelung der Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses an eine von Bundestag und Bundesrat gemeinsam zu beschließende Geschäftsordnung. Deren Konkretisierung hat allerdings allgemeinen verfassungsrechtlichen Maßstäben zu genügen.
61 Dies kann zum einen durch die inhaltliche Gestaltung des Einigungsvorschlags geschehen. Zum anderen dürften aber auch Ansehen und Autorität seiner Institution eine Rolle spielen. Insofern kommt seiner Kontinuität, personellen Zusammensetzung sowie nicht zuletzt seiner organschaftlichen Verselbständigung und Unabhängigkeit Bedeutung zu. Vgl. zum Gedanken einer eigenen Autorität des Vermittlungsausschusses von der Heide, DÖV 1953, 129; Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG, S. 60 f. 62 Vgl. zu dieser unten D.; siehe aber auch unten K. 63 BVerfGE 47, 253 (275) (Gemeindeparlamente); BVerfGE 77, 1 (40) (Neue Heimat); BVerfGE 83, 60 (72 f.) (Ausländerwahlrecht II); BVerfGE 93, 37 (66 f.) (Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein); BVerfGE 107, 59 (87) (Lippeverband). Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 267 ff. 64 E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 16.
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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1. Grundgesetzlicher Regelungsrahmen Auch wenn der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 GG allenfalls bruchstückhafte Erkenntnisse verspricht, läßt sich durch systematisch-teleologische Auslegung doch folgender grundgesetzlicher Regelungsrahmen für die personelle Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses gewinnen. a) Mitgliedschaft in Bundestag und Bundesrat Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG trifft keine Aussage zur Mitgliederzahl des Vermittlungsausschusses, bestimmt jedoch, daß der Ausschuß „aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates“ zu bilden ist. Bundestag und Bundesrat können somit nur als solche legitimierte Mitglieder ihres Organs zu ordentlichen Mitgliedern des Vermittlungsausschusses bestellen. Diese auf den ersten Blick selbstverständlich wirkende Aussage hat in mehrfacher Hinsicht gewichtige Konsequenzen für die Staatspraxis. Zunächst ist damit auch eine Stellvertretung gemäß § 3 GOVA ausschließlich durch ein Mitglied des Bundestages oder Bundesrates möglich. Entgegen § 11 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates 65 ist eine Vertretung der Mitglieder des Bundesrates durch ein anderes Mitglied der jeweiligen Landesregierung oder einen Beauftragten, welche nicht Mitglied des Bundesrates sind, ausgeschlossen. Dies meint nicht den Fall, daß die Vertretung durch ein seinerseits stellvertretendes Mitglied im Bundesrat erfolgt, besitzt dieses doch mit Wahrnehmung der Stellvertretung den Status eines Mitglieds des Bundesrates. Des weiteren kann den gemäß § 5 GOVA teilnahmeberechtigten Mitgliedern der Bundesregierung sowie den gemäß § 6 GOVA auf Grund entsprechenden Beschlusses zutrittsberechtigten anderen Personen 66 nicht der Status eines ordentlichen Mitglieds zukommen. Die Mitglieder der Bundesregierung besitzen daher zwar ein Anwesenheits- und Rederecht, jedoch keine Entscheidungsbefugnis. Insofern setzt die zunächst bedeutungslos scheinende Festlegung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG einer Entwicklung zu einem von den Exekutiven bestimmten Expertengremium 67 eine wichtige Schranke. Nicht auszuschließen vermag die Regelung allerdings, daß ein Mitglied der Bundesregierung, welches zugleich Abgeordneter des Bundestages ist, in letzterer Funktion als ordentliches Mitglied des Vermittlungsausschusses bestellt werden kann. Problematisch stellt sich vor diesem Hintergrund auch die – wenn auch restriktiv gehandhabte – Praxis des Vermittlungsausschusses dar, gemäß § 9 GOVA 65
Im folgenden GOBR. In der Praxis handelt es sich bei diesen in der ganz überwiegenden Zahl um Staatssekretäre. Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 87. 67 Zum insoweit besonders plastischen Beispiel der Verhandlungen zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 vgl. Palm, NVwZ 2008, 633 (634). 66
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
Unterausschüsse einzusetzen. 68 Ziel der Einsetzung eines Unterausschusses ist es, einen Einigungsvorschlag in einem kleineren Gremium vorzubereiten. Dem Unterausschuß kommt hierbei zwar keine Entscheidungskompetenz zu. Faktisch wird er den endgültigen Einigungsvorschlag jedoch wohl regelmäßig weitgehend vorbestimmen. Dies verlangte eine proportionale Besetzung (ausschließlich) mit ordentlichen Mitgliedern des Vermittlungsausschusses. Die Staatspraxis bezieht bei solchen Sitzungen jedoch auch außenstehende Fachexperten mit ein, zumeist ohne einen zur Teilnahme berechtigenden Beschluß gemäß § 6 GOVA. In Fortentwicklung dessen lassen sich Tendenzen beobachten, ganz auf die förmliche Einsetzung eines Unterausschusses zu verzichten und die Vorbereitung des Einigungsvorschlages in gänzlich informelle Beratungsgremien zu verlagern. 69 Eine solche Praxis verletzt Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG. Der auf diese Art und Weise zustande gekommene Einigungsvorschlag entbehrt der Legitimation. Er mag zwar durch den Vermittlungsausschuß in seiner Gesamtheit förmlich beschlossen worden sein. Seine ebenfalls einer (personellen) demokratischen Legitimation bedürfende, weil für das Ergebnis legitimierend wirkende Entstehung 70 wurde jedoch durch dazu nicht legitimierte Externe maßgeblich 71 beeinflußt. 72 Das im Vermittlungsverfahren ohnehin angelegte Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit vertraulich-vermittelnder Kompromißsuche und dem Gebot demokratisch-transparenten Verfahrens 73 wird durch die skizzierten Entwicklungen noch einmal erheblich verschärft. Sollten diese ihren Grund allein darin haben, daß der Vermittlungsausschuß mit seiner gegenwärtigen Größe von 32 Mitgliedern nicht geeignet ist, seine Aufgabe erfolgreich im Plenum zu erfüllen, empfiehlt sich als Alternative, über eine Verkleinerung des Gremiums in § 1 GOVA nachzudenken. 74 b) Gebot paritätischer Zusammensetzung Nach § 1 GOVA entsenden Bundestag und Bundesrat je 16 ihrer Mitglieder in den Vermittlungsausschuß. Ob eine solche paritätische Zusammensetzung 68
Hierzu und zum folgenden ausführlich Dästner, a. a. O., S. 154 ff. Vgl. Dästner, a. a. O., S. 155; ausführlich hierzu auch Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 215 ff. 70 Vgl. hierzu ausführlich unten B. III. 71 Der im Unterschied zu den Mandatsträgern ausgeprägtere Sachverstand läßt einen wesentlichen Einfluß insbesondere auf Detailfragen wahrscheinlich erscheinen. 72 Mit einer ausschließlich fachlich geführten Diskussion drohen zudem die einen Einigungsvorschlag überhaupt erst ermöglichenden Überlegungen politischer Vernunft in den Hintergrund zu geraten (von der Heide, DÖV 1953, 129 (131)). 73 Vgl. unten B. III. 1. 74 Zur Rechtfertigungsbedürftigkeit einer solchen Reduzierung der Mitgliederzahl vor dem Repräsentationsprinzip siehe allerdings unten B. II. 3. a) aa) (3). 69
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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bereits von Verfassungs wegen geboten ist, ist umstritten. 75 Gegen die Annahme eines entsprechenden verfassungsrechtlichen Gebotes wird eingewandt, das Grundgesetz schreibe eine paritätische Zusammensetzung nicht vor. 76 Zudem überlasse Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG die nähere Bestimmung der Zusammensetzung gerade einer gemeinsam von Bundestag und Bundesrat zu verabschiedenden Geschäftsordnung. 77 Beide Argumente vermögen nicht zu überzeugen, beschränken sie sich doch ausschließlich auf den Wortlaut der Vorschrift und lassen Sinn und Zweck des Art. 77 Abs. 2 GG unberücksichtigt. Zwar regelt Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG nicht ausdrücklich, daß der Vermittlungsausschuß paritätisch zu besetzen ist. Jedoch verlangt die Funktion des Vermittlungsverfahrens, einen Kompromiß zwischen den unterschiedlichen Positionen von Bundestag und Bundesrat zu erzielen, eine gleiche Zahl von Mitgliedern des Bundestages und Bundesrates. 78 Seinen Ausdruck findet dies in Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG, der von „gemeinsamen Beratungen“ spricht. 79 Vor diesem Hintergrund schien dem Verfassunggeber eine paritätische Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses selbstverständlich zu sein. 80
75 Dafür Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 77, Rn. 12; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art, 77, Rn. 67; Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 9. Dagegen Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 22; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 19. 76 Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 22. 77 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 19. 78 Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 77, Rn. 12; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 67; Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 9. Auch die im Vorfeld des Erlasses der Gemeinsamen Geschäftsordnung verabschiedeten Richtlinien des Juristischen Ausschusses der Ministerpräsidenten sahen eine paritätische Zusammensetzung als auf Grund des Vermittlungszweckes des Ausschusses zwingend an (Büro der Ministerpräsidenten des amerikanischen, britischen und französischen Besatzungsgebietes (Hrsg.), Empfehlungen des Juristischen Ausschusses der Ministerpräsidenten, 1949, Anlage 4, Nr. 3). 79 Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 12. Rechtsvergleichend sei auf art. 45 de la constitution du 4 octobre 1958 hingewiesen, der dies bereits in der Bezeichnung des Gremiums zum Ausdruck bringt („commission mixte paritaire“). 80 Opfermann, in: Grawert u. a. (Hrsg.), FS für Böckenförde, S. 177 (179). Vgl. auch Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 60; Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (285).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
c) Ständiges Organ Der Vermittlungsausschuß ist ein ständiges Organ. 81 Er ist dies nicht erst auf Grund einer entsprechenden Festlegung in § 1 GOVA, sondern bereits von Verfassungs wegen. Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG konstituiert den Vermittlungsausschuß als ein aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates zusammengesetztes Organ. Das Grundgesetz entscheidet sich damit bewußt gegen ein ad hoc und in seiner Zusammensetzung je nach Sachfrage differierend einzuberufendes Expertengremium und für ein demokratisch legitimiertes politisches Organ. 82 Daß der Vermittlungsausschuß dabei als ein ständiges Organ anzusehen ist, folgt bereits daraus, daß er in Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG durch die Verfassung, damit weder durch die gemeinsame Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat noch durch die einzelne Anrufung, konstituiert wird. Dies bringt den praktischen Vorteil mit sich, daß sich zwischen den Mitgliedern ein der Vermittlungsaufgabe förderliches gegenseitiges Vertrauensverhältnis einstellen kann. 83 d) Ausstrahlungswirkung der Diskontinuität des Bundestages Die herrschende Lehre 84 schränkt die Qualifizierung des Vermittlungsausschusses als ständiges Organ dahingehend ein, daß der Vermittlungsausschuß nur innerhalb einer Legislaturperiode als ständiges Organ anzusehen sei, beim Übergang zwischen zwei Legislaturperioden hingegen der Grundsatz der Diskontinuität zum Tragen komme. Mit dem durch die Diskontinuität des Bundestages 81 BVerfGE 112, 118 (137) (Zählverfahren für Sitzanteile). Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 60 f.; Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 46; Masing, v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 62. 82 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 61. 83 Bardenhewer, Die Entstehung und Auflösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesetzgebungsorganen, S. 216. Vgl. auch von der Heide, DÖV 1953, 129 (130). Die Gemeinsame Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuß nimmt die Notwendigkeit einer gewissen Stetigkeit der Besetzung des Vermittlungsausschusses als Voraussetzung eines für die Bildung politischer Kompromisse unabdingbaren Grundvertrauens unter den beteiligten Akteuren auf. Sie begrenzt in § 4 GOVA die mögliche Zahl von Abberufungen eines Mitglieds auf maximal vier innerhalb der gleichen Wahlperiode. 84 Bardenhewer, Die Entstehung und Auflösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesetzgebungsorganen, S. 215 (Fn. 4); Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 138 f.; Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 77, Rn. 7; Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 66 ff.; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 72 f.; Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 22; Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 9; H. Schäfer, in: Bundesrat (Hrsg.), Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, S. 277 (280); Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 16; Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (289).
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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bedingten Verlust des Mitgliedsstatus der durch den Bundestag entsandten Mitglieder des Vermittlungsausschusses sei ein aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates gebildeter Ausschuß gemäß Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG nicht mehr gegeben. 85 Damit verlören auch die durch den Bundesrat bestellten Mitglieder ihren Mitgliedsstatus. 86 Der Vermittlungsausschuß höre mit dem Ende einer Wahlperiode des Bundestages überhaupt auf, zu existieren. 87 Andere Stimmen im Schrifttum formulieren vorsichtiger und sprechen von einer „gewissen Diskontinuität“ 88 oder einer „spezifischen Art der Diskontinuität“ 89. Der Annahme einer Geltung des Grundsatzes der Diskontinuität für den Vermittlungsausschuß kann nicht gefolgt werden. Zum einen begründen die eine solche befürwortenden Stimmen nicht, warum der allein für den Bundestag geltende Grundsatz der Diskontinuität auch für den Vermittlungsausschuß Geltung beanspruchen und sich nicht als bloß mittelbar wirkender Reflex darstellen soll. 90 Zum anderen läßt die vorgetragene Argumentation bei der Begründung der Notwendigkeit einer Geltung des Grundsatzes der Diskontinuität auch für den Vermittlungsausschuß eine Unterscheidung dessen institutioneller, personeller und sachlicher Dimension 91 vermissen.
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Bardenhewer, Die Entstehung und Auflösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesetzgebungsorganen, S. 215 (Fn. 4); Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 66; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 72 f. 86 Bardenhewer, Die Entstehung und Auflösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesetzgebungsorganen, S. 215 (Fn. 4); Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 67; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 73. 87 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 66; Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG, S. 13. In diesem Sinne wohl auch Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 73 sowie Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (289). 88 Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 47; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 99. 89 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 18. 90 Dieser Einwand gilt dabei unabhängig von der Frage, ob man den Vermittlungsausschuß als eigenständiges Verfassungsorgan qualifiziert. Denn auch nach der von der wohl vorherrschenden Auffassung vorgenommenen Einordnung des Vermittlungsausschusses als ein gemeinsames Unterorgan von Bundestag und Bundesrat, ist er kein alleiniges Organ des Bundestages, sondern vielmehr auch eines des Bundesrates, für den der Grundsatz der Diskontinuität gerade nicht gilt (vgl. Korioth, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 51, Rn. 9). 91 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 39, Rn. 23; Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 39, Rn. 4. Grundlegend zum Grundsatz der Diskontinuität Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit im Staatsrecht der Neuzeit und seine Bedeutung unter der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, S. 242 ff. Zu den Auswirkungen des Grundsatzes der Diskontinuität auf das Gesetzgebungsverfahren vgl. Leinemann, JZ 1973, 618.
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
Institutionelle Diskontinuität meint, daß alle Unterorgane des Bundestages, die nicht verfassungsrechtlich vorgeschrieben sind, mit dem Ende der Wahlperiode als aufgelöst gelten. 92 Nicht berührt davon sind damit der Bundestag als solcher sowie seine bereits durch das Grundgesetz vorgegebenen Einrichtungen wie die Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten und für Verteidigung (Art. 45a Abs. 1 GG). Abgesehen davon, daß der Vermittlungsausschuß kein Unterorgan des Bundestages ist 93, ist er in Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG ausdrücklich verfassungsrechtlich vorgeschrieben. Er unterliegt allein schon deswegen keiner institutionellen Diskontinuität. Die herrschende Auffassung setzt sich insoweit in Widerspruch zu ihrer eigenen, für den Zeitraum einer Wahlperiode vorgenommenen Qualifizierung des Vermittlungsausschusses als ständiges Organ, welche sie maßgeblich auf dessen grundgesetzliche Konstituierung in Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG stützt 94. Damit kann der Vermittlungsausschuß zu Beginn der neuen Wahlperiode gar nicht neu konstituiert werden. Er existiert bereits von Verfassungs wegen. Die gemeinsame Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat vollzieht dies nach, wenn sie in § 13 GOVA ihre Fortgeltung unabhängig vom Ende einer Wahlperiode des Bundestages anordnet, indem sie diese ausschließlich von einem gemeinsamen Aufhebungs- oder Änderungsbeschluß von Bundestag und Bundesrat abhängig macht. 95 Es bleibt damit offen, worin das Schrifttum eine neue Einrichtung des Vermittlungsausschusses zu Beginn einer jeden Legislaturperiode des Bundestages sieht, zumal sich die Anknüpfung 92 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 39, Rn. 23; Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 39, Rn. 4. Siehe auch Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit im Staatsrecht der Neuzeit und seine Bedeutung unter der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, S. 258 ff. 93 Vgl. oben B. I. 2. a). 94 Vgl. oben B. I. 2. a) bb). 95 Darauf verweist auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 99. Bundestag und Bundesrat beschließen gleichwohl in ständiger Praxis zu Beginn jeder Wahlperiode über die Fortgeltung der Gemeinsamen Geschäftsordnung (zuletzt Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 1. Sitzung am 18. 10. 2005, Plenarprotokoll 16/1, S. 6A sowie Zustimmung des Bundesrates in seiner 816. Sitzung am 4. 11. 2005, Stenographischer Bericht, S. 369A (= BR-Drs. 756/05)). Im Schrifttum wird dies vereinzelt sogar als zwingend angesehen, da kein Bundestag den Bundestag der folgenden Wahlperiode hinsichtlich der Geschäftsordnung binden könne (unter Bezugnahme auf BVerfGE 1, 144 (148) (Geschäftsordnungsautonomie) Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 68 m.w. N.). Eine solche Argumentation übersieht jedoch, daß zwischen der Geschäftsordnung des Bundestages und der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuß hinsichtlich der Bindungswirkung ein erheblicher Unterschied besteht. Letztere ist keine Geschäftsordnung für den Bundestag sondern für das eigenständige Organ Vermittlungsausschuß. Sie wird zudem nicht allein vom Bundestag, sondern mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen. Damit ist sie jedoch auch kein allein organintern bindendes Binnenrecht. Auf Grund seiner Organidentität im Verhältnis zu anderen Rechtssubjekten (vgl. BVerfGE 4, 144 (152) (Abgeordneten-Entschädigung)) kann sich der Bundestag daher auch über die Wahlperiode hinaus binden.
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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an die personelle Veränderung in der Zusammensetzung eines entsendenden Organs nur schwerlich auf den Bundestag beschränken ließe. Die hälftige Besetzung mit Mitgliedern des Bundesrates, der in seiner Zusammensetzung auf Grund zeitversetzt stattfindender Landtagswahlen einem fortwährenden Wechsel unterliegt, spräche – konsequent zu Ende gedacht – sogar für eine permanente institutionelle Durchbrechung. Die hälftige Berücksichtigung von Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrat läßt vor diesem Hintergrund allenfalls die Annahme personeller Diskontinuität möglich erscheinen. Personelle Diskontinuität bedeutet, daß mit Ablauf der Wahlperiode alle Mitglieder des Parlaments ihren Status als Abgeordnete verlieren. 96 Insofern ist es zutreffend, daß die vom Bundestag in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder mit Verlust ihres Mandates als Abgeordnete des Bundestages zugleich ihren Status als ordentliche Mitglieder des Vermittlungsausschusses verlieren. Dies folgt jedoch nicht aus einem Grundsatz der Diskontinuität des Vermittlungsausschusses, sondern bereits unmittelbar aus Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG, der eine Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates verlangt. 97 Mit dem Ende der Wahlperiode sind die durch den Bundestag bestellten Mitglieder des Vermittlungsausschusses keine Mitglieder des Bundestages mehr. Der Verlust der Mitgliedschaft im Vermittlungsausschuß stellt sich insofern als mittelbare Konsequenz der personellen Diskontinuität des Bundestages dar. Der Annahme einer eigenständigen Geltung des Grundsatzes der Diskontinuität für den Vermittlungsausschuß bedarf es hierfür nicht. Die vom Bundesrat entsandten Mitglieder bleiben hingegen auch mit Ablauf der Wahlperiode des Bundestages Mitglieder des Vermittlungsausschusses, unterliegt doch der Bundesrat als ständiges Verfassungsorgan nicht dem Grundsatz der Diskontinuität. 98 Worin von Teilen des Schrifttums 99 die – dann in der Tat nur mit einer eigenständigen Diskontinuität des Vermittlungsausschusses zu begründende – Notwendigkeit gesehen wird, gleichwohl auch den 96 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 39, Rn. 23; Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 39, Rn. 4. Ausführlich Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit im Staatsrecht der Neuzeit und seine Bedeutung unter der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, S. 256 ff. 97 Insofern kommt die in seinem verfassungsgewohnheitsrechtlichen Charakter begründete grundsätzliche Nachrangigkeit des Grundsatzes der Diskontinuität gegenüber ausdrücklichen Bestimmungen der Verfassung zum Tragen. Vgl. dazu auch Leinemann, JZ 1973, 618 (620 ff.). Zur gewohnheitsrechtlichen Begründung der Diskontinuität Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 39, Rn. 4 m.w. N. 98 Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 46; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, S. 99. Gleichwohl weist auch die Zusammensetzung des Bundesrates keine Kontinuität auf, kommt es doch infolge fortwährend zeitversetzt stattfindender Landtagswahlen zu einem permanenten Wechsel seiner Zusammensetzung. 99 Siehe Nachweise in Fußnote 84.
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
durch den Bundesrat entsandten Mitgliedern mit Ablauf der Legislaturperiode ihren Status als Mitglieder des Vermittlungsausschusses abzusprechen, bleibt schleierhaft, ist der Vermittlungsausschuß in einer Besetzung ausschließlich mit Mitgliedern des Bundesrates gemäß Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG doch ohnehin nicht zu einer Entscheidung legitimiert, damit nicht funktionsfähig. Macht er zu einem späteren Zeitpunkt der neuen Wahlperiode einen Einigungsvorschlag, so ist dies eine Frage der sachlichen, nicht jedoch der personellen Diskontinuität. Sachliche Diskontinuität bedeutet, daß mit Ablauf der Legislaturperiode alle Beschlußvorlagen als erledigt gelten. 100 Endet eine Wahlperiode des Bundestages nach Zuleitung eines Einigungsvorschlages und vor einer Beschlußfassung gemäß Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG, so wird dieser Vorschlag des Vermittlungsausschusses unstreitig von der sachlichen Diskontinuität des Bundestages erfaßt. Ebenfalls unproblematisch ist der Fall, daß vor Zuleitung eines Einigungsvorschlages Diskontinuität des Bundestages eintritt, setzt sich der Vermittlungsausschuß dann doch nur noch aus Mitgliedern des Bundesrates zusammen und kann daher gemäß Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG bereits auf Grund seiner Zusammensetzung keinen Einigungsvorschlag unterbreiten. Bleibt allein die Konstellation, daß der Vermittlungsausschuß nach Beginn der neuen Legislaturperiode des Bundestages einen Einigungsvorschlag zu einem in der vergangenen Wahlperiode verabschiedeten Gesetzesbeschluß macht. Auch ein solcher Einigungsvorschlag wird jedoch von der sachlichen Diskontinuität des Bundestages erfaßt und begründet damit nicht die Notwendigkeit einer eigenen Geltung des Grundsatzes der Diskontinuität für den Vermittlungsausschuß. Zwar unterliegt der ursprüngliche Gesetzesbeschluß des Bundestages 101 nicht der sachlichen Diskontinuität, was es dem Bundesrat ermöglicht, auch nach Ablauf der Wahlperiode des Bundestages über seinen Einspruch oder seine Zustimmung zu entscheiden. Auch lag der Einigungsvorschlag in der vorigen Legislaturperiode noch nicht vor. Eine Beschlußfassung des Bundestages würde jedoch kein neues Gesetzgebungsverfahren eröffnen, sondern eines der vergangenen Wahlperiode fortsetzen. 102 Gilt jedoch für Beschlußvorlagen in Gesetzgebungsverfahren der vergangenen Legislaturperiode der Grundsatz der Diskontinuität, so muß dies erst recht für „Vorlagen“ gelten, 100 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 39, Rn. 23; Pieroth, in: Jarass / Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 39, Rn. 4. Ausführlich Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit im Staatsrecht der Neuzeit und seine Bedeutung unter der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, S. 270 ff sowie zum Vermittlungsverfahren im speziellen S. 274 ff. Vgl. auch § 125 S. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (im weiteren abgekürzt: GOBT). 101 Über diesen kann der Bundestag im Rahmen seiner erneuten Beschlußfassung gemäß Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG auf Grund des Grundsatzes der „Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen“ ohnehin nicht abstimmen. Vgl. dazu unten C. II. 3. c) aa) (2). 102 Ausführlich zur Einordnung der erneuten Beschlußfassung des Bundestags gemäß Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG als Fortsetzung eines einheitlichen Gesetzgebungsverfahrens des Bundestages siehe unten C. II. 3. c) bb) und C. III.
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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die zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht existierten. Damit wird auch diese Fallkonstellation von der sachlichen Diskontinuität des Bundestages erfaßt und bedarf zu ihrer Lösung nicht der Annahme einer eigenen sachlichen Diskontinuität des Vermittlungsausschusses. Im Ergebnis besteht mit der herrschenden Lehre Übereinstimmung darin, daß ein Gesetzgebungsverfahren im Falle des Ablaufs einer Wahlperiode des Bundestages während eines laufenden Vermittlungsverfahrens auf Grund des Grundsatzes der Diskontinuität des Bundestages ausschließlich in der Weise eine Fortsetzung finden kann, daß der Bundesrat über einen Einspruch gegen oder eine Zustimmung zum Gesetzesbeschluß des Bundestages entscheidet. Diese Konsequenz bedarf jedoch nicht der Annahme einer eigenständigen Geltung des Grundsatzes der Diskontinuität für den Vermittlungsausschuß. Sie stellt sich bereits als faktischer Reflex der Diskontinuität des Bundestages ein. Insofern ist es treffender, nicht von einer Geltung, sondern von einer Ausstrahlungswirkung des Grundsatzes der Diskontinuität auf den Vermittlungsausschuß zu sprechen 103. 2. Die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses als Gegenstand der Gemeinsamen Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat Abgesehen vom Erfordernis eines Mandates in Bundestag oder Bundesrat sowie dem aus Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens folgenden Gebot einer paritätischen Besetzung trifft das Grundgesetz keine weiteren Aussagen zur Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses, sondern delegiert deren Regelung in Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG an eine gemeinsam von Bundestag und Bundesrat zu beschließende Geschäftsordnung. Darauf gestützt bestimmt § 1 GOVA, daß der Vermittlungsausschuß aus je 16 Mitgliedern von Bundestag und Bundesrat gebildet wird. Die Vorschrift legt damit die Größe des Vermittlungsausschusses fest und vollzieht das verfassungsrechtliche Gebot seiner paritätischen Zusammensetzung nach. Die Frage, wie sich die Zusammensetzung der jeweils 16 Sitze für Bundestag und Bundesrat bestimmt, wird hingegen offen- und damit dem einzelnen Organ überlassen. Dabei gehen Bundestag und Bundesrat in der Staatspraxis unterschiedlich vor. 104 Die autonomen Entscheidungen von Bundestag und Bundesrat über Art und Weise der Bestellung der von ihnen in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder werfen die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG auf. 105 Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG dele103
So auch Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 13. Zum Entsendungsverfahren in der Staatspraxis vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 63 ff. 105 Es ist das Verdienst Burgharts, diese bis jetzt weder in Rechtsprechung noch Schrifttum gestellte Frage in grundlegender Art und Weise aufgeworfen zu haben (Burg104
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
giert die Regelung der Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses an eine gemeinsam von Bundestag und Bundesrat zu beschließende Geschäftsordnung, nicht hingegen an das entsendende Organ. Zur Beantwortung der Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der gegenwärtig praktizierten, eigenverantwortlichen Festlegungen durch Bundestag und Bundesrat gilt es zu klären, ob Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG mit der „Zusammensetzung“ des Vermittlungsausschusses zum einen auch eine Festlegung der jeweiligen Verteilung der auf Bundestag und Bundesrat entfallenden 16 Sitze meint und zum anderen insoweit eine Verpflichtung zur Regelung in der gemeinsamen Geschäftsordnung enthält, die eine weitere Delegation der Entscheidung ausschließt. a) „Zusammensetzung“ im Sinne von Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG Der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG wählt mit dem Begriff der „Zusammensetzung“ eine Bezeichnung, die zwar nicht für eine konkrete Benennung der einzelnen Mitglieder, sondern für eine abstrakt-generelle Regelung spricht. Die Vorschrift erweist sich insoweit jedoch als zumindest offen für eine über den Gehalt des geltenden § 1 GOVA hinausgehende, genauere Festlegung der Besetzung des Vermittlungsausschusses. In systematischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, daß schon Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG festlegt, daß der Vermittlungsausschuß aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates besteht, und seine paritätische Besetzung bereits aus Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens folgt. Damit muß aber die von Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG beabsichtigte Regelung der Zusammensetzung wenigstens eine über diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hinausreichende Bestimmung enthalten. § 1 GOVA geht insofern allein in der Bestimmung der Gesamtzahl der Sitze über ein Nachzeichnen der grundgesetzlichen Vorgaben hinaus. Wäre jedoch mit der Delegation in Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG allein eine Festlegung der Größe des Vermittlungsausschusses beabsichtigt, wäre dies wohl auch so formuliert worden. Der Begriff der „Zusammensetzung“ hart, DÖV 2005, 815). Insoweit eine „Lücke“ der GOVA sieht zumindest Zeh, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 52, Rn. 53. Auch in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Zählverfahren für die Sitzanteile des Bundestages im Vermittlungsausschuß (BVerfGE 112, 118) finden sich Passagen, in den diese Fragestellung zumindest in ihrem materiellen Gehalt anklingt. So stellt das Gericht fest, daß dem Bundestag im Gegensatz zu seinem für die Bundestagsausschüsse praktizierten Verfahren beim Vermittlungsausschuß nicht die Möglichkeit offenstehe, eine bessere Abbildung der politischen Stärkeverhältnisse im Plenum durch eine Vergrößerung des Gremiums sicherzustellen, da es sich hierbei um einen der GOVA vorbehaltenen und damit einer autonomen Entscheidung des Bundestages entzogenen Gegenstand handle (a. a. O. (137)). Genau eine solche Änderung der GOVA sieht das Urteil schließlich als ein mögliches Mittel zur Verwirklichung einer besseren Abbildung der Stärkeverhältnisse im Plenum des Bundestages an (a. a. O. (148)). Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen überraschend, versäumt es das Gericht jedoch, die hier aufgeworfene Frage ausdrücklich zu benennen, um sich sodann mit ihr auseinanderzusetzen.
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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spricht für einen darüber hinausgehenden Regelungsgegenstand. Zudem läßt sich eine Parallele zur Einrichtung des Gemeinsamen Ausschusses in Art. 53a Abs. 1 GG ziehen. 106 Auch Art. 53a Abs. 1 S. 4 GG sieht eine Delegation an eine gemeinsam von Bundestag und Bundesrat zu beschließende Geschäftsordnung vor. Gegenstand ist nicht die „Zusammensetzung“, sondern die „Bildung“ des Ausschusses. Dem gehen in den Sätzen 1 bis 3 sehr viel ausführlichere Vorgaben als in Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG voraus. So sind nach Art. 53a Abs. 1 S. 2 GG die im Gemeinsamen Ausschuß auf den Bundestag entfallenden Sitze entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zu besetzen. Satz 3 legt fest, daß jedes Land einen Anspruch besitzt, durch ein Mitglied des Bundesrates im Gemeinsamen Ausschuß vertreten zu sein. Vor diesem Hintergrund meint „Bildung“ nur das Verfahren der individuellen Berufung bestimmter Personen als Ausschußmitglieder. Im Umkehrschluß folgt daraus, daß der in Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG gewählte, weitere Begriff der abstrakt-generellen „Zusammensetzung“ zumindest die in den Art. 53a Abs. 1 S. 1 bis 3 GG durch das Grundgesetz selbst gemachten Vorgaben erfaßt. 107 Bestätigt wird dieses Ergebnis durch Sinn und Zweck des Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG. Aufgabe des Vermittlungsausschusses ist es, im Falle gegensätzlicher inhaltlicher Positionen von Bundestag und Bundesrat eine Einigung herbeizuführen. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist jedoch wie bei jeder Kompromißsuche, daß Einvernehmen über das dabei zur Anwendung kommende Verfahren besteht. 108 Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG stellt dies dadurch sicher, daß er die Regelung von Zusammensetzung und Verfahren an eine von Bundestag und Bundesrat gemeinsam zu verabschiedende Geschäftsordnung delegiert. Existentiell-notwendiger Gegenstand einer Festlegung des Verfahrens zur Auflösung inhaltlicher, das meint politischer, Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat ist dabei eine Regelung, wie die in beiden Organen existierenden jeweiligen politischen Stärkeverhältnisse bei der Kompromißsuche abgebildet werden 109. 110 Vom Begriff der „Zusammensetzung“ nicht zwingend 106
Burghart, DÖV 2005, 815 (816 f.). Diese Unterscheidung von Zusammensetzung und Verfahren der Bestellung der einzelnen Mitglieder übersieht Masing, wenn er pauschal feststellt, die Praxis entspreche dem, daß den Geschäftsordnungen von Bundestag und Bundesrat lediglich das Verfahren der Bestellung der Mitglieder, nicht jedoch die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses überlassen sei (Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 68). 108 Burghart, DÖV 2005, 815 (817). 109 Nicht zwingend in der GOVA geregelt werden muß hingegen das (mathematische) Verfahren der Erfassung und Abbildung der politischen Stärkeverhältnisse (sogenanntes Zählverfahren). Gleichwohl handelt es sich hierbei um einen tauglichen Regelungsgegenstand der GOVA. Eine Regelung auch des Zählverfahrens auf Ebene der GOVA wäre sogar wünschenswert, brächte sie doch den Vorteil mit sich, dessen Wahl von machtpolitischen Erwägungen auf der Grundlage konkrete politischer Mehrheitsverhältnisse zu befreien, indem sie das Verfahren anlaßunabhängig, d. h. losgelöst vom konkreten Ergebnis der einzelnen Wahl zum Bundestag festlegte. 107
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
erfaßt ist hingegen das Verfahren, in dem die einzelnen Ausschußmitglieder durch das entsendende Organ bestimmt werden. 111 b) Pflicht zur Regelung in der GOVA Damit noch nicht beantwortet ist die Frage, ob Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG zugleich auch eine Entscheidung für eine bestimmte Regelungsebene trifft und damit ein Delegationsverbot normiert. Auch insoweit erweist sich der Sinn und Zweck der Vorschrift als maßstabgebend. Mit der Delegation der Befugnis zur Regelung von Zusammensetzung und Verfahren des Vermittlungsausschusses an eine gemeinsame Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat möchte Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG sicherstellen, daß zwischen Bundestag und Bundesrat ein für die Kompromißbildung unverzichtbares Einvernehmen über die formellen Rahmenbedingungen eines durch inhaltliche Kontroversen gekennzeichneten Vermittlungsverfahrens besteht. 112 Ein solches Einvernehmen kann zwingend nur durch eine gemeinsame Regelung hergestellt werden. Dem kann auch nicht die Geschäftsordnungsautonomie beider Organe entgegengehalten werden, handelt es sich bei der Verteilung der Sitze im Vermittlungsausschuß doch – wie aufgezeigt – gerade nicht um eine organinterne Angelegenheit. 113 Innere Angelegenheit bleibt allein das Verfahren, das zur Benennung der einzelnen Ausschußmitglieder führt. c) Ergebnis Die gegenwärtigen von Bundestag und Bundesrat praktizierten autonomen Verfahren der Festlegung der Zusammensetzung der von ihnen in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder sind somit verfassungswidrig. Sowohl die Wahl des Bundestages nach §§ 57 Abs. 1 S. 1, 12 S. 2 GOBT als auch die durch die jeweilige Landesregierung erfolgende Ernennung gemäß § 11 Abs. 4 S. 1 GOBR verletzen Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG. Bundestag und Bundesrat sind dazu 110 Burghart, DÖV 2005, 815 (817 f.). Zur Begründung der hierbei geltenden materiellen Maßstäbe der Spiegelbildlichkeit für den Bundestag und der Ländergleichheit für den Bundesrat siehe sogleich unten B. II. 3. 111 A. A. Burghart, DÖV 2005, 815 (818). So erfolgt die Bestellung der Mitglieder des Bundestages durch Wahl des Plenums, diejenige der Mitglieder des Bundesrates hingegen durch Benennung durch die jeweilige Landesregierung. Die Frage danach, inwiefern für die Bestellung der Mitglieder des Vermittlungsausschusses bereits von Verfassungs wegen ein bestimmtes Verfahren geboten ist, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, soll doch nur die Frage nach der Regelungsebene, nicht hingegen die nach dem materiellen Maßstab beantwortet werden. Ausführlich zu diesem unten B. II. 3. 112 Burghart, DÖV 2005, 815 (818). 113 Burghart, DÖV 2005, 815 (818 f.). Wohl nur auf das geltende Geschäftsordnungsrecht bezogen a. A. Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (287).
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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aufgerufen, die Gemeinsame Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat für den Vermittlungsausschuß dahingehend zu ergänzen, daß § 1 GOVA eine Verteilung der auf den Bundestag entfallenden Sitze entsprechend der politischen Stärkeverhältnisse vorschreibt und jedem Land einen Anspruch auf Vertretung durch ein Mitglied einräumt. Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses erhielten so die ihnen von der Verfassung zugedachte Legitimation. 114 3. Grundgesetzliche Maßstäbe für die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses Von der Frage nach der Ebene einer Regelung der Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses ist die nach den für eine solche geltenden materiellverfassungsrechtlichen Maßstäben zu unterscheiden. 115 Bis jetzt wurde lediglich ein äußerer Rahmen der personellen demokratischen Legitimation der Mitglieder des Vermittlungsausschusses aufgezeigt: Zum einen können die Bundestag und Bundesrat paritätisch zugewiesenen Sitze nur durch als solche legitimierte Mitglieder des jeweiligen Organs besetzt werden, zum anderen erhält die Zusammensetzung der jeweiligen Sitzanteile ihre Legitimation durch eine gemeinsam von Bundestag und Bundesrat zu verabschiedende Geschäftsordnung. Noch unbeantwortet ist die Frage, wie sich die jeweiligen Sitzanteile von Bundestag und Bundesrat zusammensetzen. Insofern ist zwischen den von Bundestag und Bundesrat entsandten Mitgliedern des Vermittlungsausschusses zu unterscheiden. a) Grundsatz der Spiegelbildlichkeit (Entsendung der Mitglieder des Bundestages) Die Praxis des Bundestages bei der Besetzung des Vermittlungsausschusses ist sowohl hinsichtlich des zur Anwendung kommenden materiellen Verteilungsmaßstabes als auch des gewählten Entsendungsverfahrens uneinheitlich. 116 Der Bundestag verfährt dabei grundsätzlich nach dem Spiegelbildlichkeitsprinzip, 114 Der (besondere) legitimierende Charakter einer Regelung der Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses resultiert daraus, daß es sich bei der Besetzung des Vermittlungsausschusses im Unterschied zu der eines Bundestagsausschusses nicht um die Klärung einer bloßen personellen Zuständigkeit im Innenbereich eines Organs handelt (vgl. BVerfGE 77, 1 (41) (Neue Heimat)). 115 Letztere ist durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Zählverfahren für die Sitzanteile des Bundestages im Vermittlungsausschuß (BVerfGE 112, 118) in den Fokus der wissenschaftlichen Diskussion gerückt. Dies ist wohl auch der Grund dafür, warum eine vertiefte Auseinandersetzung mit ersterer bis jetzt nicht stattgefunden hat. 116 Vgl. ausführlich Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 63 f. Siehe auch Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion, S. 132 ff.; Stein, NVwZ 2003, 557 (558).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
wonach sich die in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder entsprechend der politischen Stärkeverhältnisse im Plenum zusammensetzen. In zwei Wahlperioden hat er den Grundsatz spiegelbildlicher Abbildung allerdings durchbrochen. So wurde in der 6. Wahlperiode unter Rücksichtnahme auf die FDPFraktion jeder Fraktion vorab ein Grundmandat eingeräumt 117. In der 15. Wahlperiode wurde der Versuch unternommen, der von den Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gebildeten „Regierungsmehrheit“ eine Mehrheit bei der Besetzung der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuß, die bei Anwendung der anerkannten Zählverfahren nicht sicherzustellen war, dadurch zu verschaffen, daß der SPD-Fraktion als stärkster Fraktion ein zusätzlicher Sitz zugewiesen wurde 118. Daneben hat der Bundestag bereits mehrfach das bei der Besetzung des Vermittlungsausschusses zur Anwendung kommende Zählverfahren gewechselt. 119 Auch bei dem zur Entsendung gewählten Verfahren lassen sich Unterschiede feststellen. Während die Bestellung der Mitglieder des Vermittlungsausschusses anfänglich im Wege der Benennung durch die Fraktionen erfolgte 120, werden sie mittlerweile nach §§ 54 Abs. 2, 89, 12 S. 2 GOBT durch das Plenum des Bundestages gewählt. 121 Die skizzierten Uneinheitlichkeiten werfen die Frage auf, inwiefern die Zusammensetzung der vom Bundestag in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder sowie das bei ihrer Bestellung zur Anwendung kommende Verfahren nicht bereits durch das Grundgesetz verbindlich vorgezeichnet sind. 117 Beschluß des Bundestages vom 5. November 1969, Plenarprotokoll 6/8, Stenographischer Bericht, S. 260B (Annahme BT-Drs. VI/37). 118 Beschluß des Bundestages vom 30. Oktober 2002, Plenarprotokoll 15/5, Stenographischer Bericht, S. 177B sowie Wahl vom 14. November 2002, Plenarprotokoll 15/10, Stenographischer Bericht, S. 574D. Auf Antrag der CDU / CSU-Fraktion hat jedoch das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer solchen Vorgehensweise mit dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit festgestellt (BVerfGE 112, 118 (Zählverfahren für Sitzanteile). Siehe auch Ernst / Johnsen, ZParl 2005, 748; Kämmerer, NJW 2003, 1166; Stein, NVwZ 2003, 557 (558). Ausführlich zum Ganzen unten B. II. 3. a) aa) (4). 119 Während die Sitzverteilung anfänglich nach dem d’Hondtschen Höchtszahlverfahren erfolgte, ging die Praxis später zum Verfahren nach Hare / Niemeyer und in der 11. und 12. Wahlperiode schließlich zum Verfahren nach St. Laguë / Schepers über. In der 13. Wahlperiode kehrte der Bundestag zum Verfahren nach d’Hondt zurück, um sich in der 14. und 16. Wahlperiode wieder für das Verfahren nach St. Laguë / Schepers zu entscheiden, dabei jedoch die Möglichkeit eines Wechsels zum Verfahren nach d’Hondt für den Fall offen zu lassen, daß ersteres nicht zu einer Abbildung der „parlamentarischen Mehrheit“ führe (zuletzt Beschluß des Bundestages über BT-Drs. 16/75 vom 22. November 2005, Plenarprotokoll 16/3, Stenographischer Bericht, S. 69D). Zur 15. Wahlperiode siehe die Nachweise in Fußnote 118. Vgl. zum Ganzen Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 63 f.; Stein, NVwZ 2003, 557 (558). 120 Vgl. 2. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 20. Juni 1950, Kurzprotokoll I/2, S. 4 f. 121 Zuletzt Wahl des Bundestages vom 15. Dezember 2005, Plenarprotokoll 16/8, S. 456B.
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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aa) Materieller Maßstab (1) Inhalt und Begründung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit Als materieller Maßstab für die Besetzung des Vermittlungsausschusses durch den Bundestag kommt der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit in Betracht. Dieser verlangt, daß grundsätzlich jeder Ausschuß des Bundestages ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die politischen Kräfteverhältnisse im Plenum widerspiegeln muß. 122 Ein entsprechendes Gebot folgt aus Freiheit und Gleichheit des Abgeordnetenmandats. 123 Der Abgeordnete ist nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG Vertreter des ganzen Volkes. Der hierin zum Ausdruck kommende Repräsentationsgedanke begründet eine Gleichheit der Abgeordneten in ihrem Status als Vertreter des ganzen Volkes 124 und gewährleistet damit ein Recht auf gleiche Teilhabe am Prozeß der parlamentarischen Willensbildung 125. Das Volk wird dabei durch das Parlament als Ganzes, in der Gesamtheit seiner Mitglieder als Repräsentanten vertreten. 126 Die Gleichheit der Wahl findet ihre Fortsetzung in der gleichen Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten 127. 128 Nimmt der Bundestag seine Aufgaben aus arbeitsteiligen Erwägungen durch Ausschüsse wahr, so geht damit auch eine Verlagerung der
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BVerfGE 80, 188 (222) (Wüppesahl); BVerfGE 84, 304 (323) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 96, 264 (282) (Fraktions- und Gruppenstatus); BVerfGE 112, 118 (133) (Zählverfahren für Sitzanteile). Geis, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 54, Rn. 42; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 30. 123 BVerfGE 84, 304 (323) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 112, 118 (133) (Zählverfahren für Sitzanteile). Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 40, Rn. 30. 124 BVerfGE 102, 224 (237 f.) (Funktionszulagen); BVerfGE 112, 118 (134) (Zählverfahren für Sitzanteile). Vgl. auch BVerfGE 40, 296 (318 (Abgeordnetendiäten); BVerfGE 80, 188 (218) (Wüppesahl); BVerfGE 84, 304 (321) (PDS / Linke Liste). 125 BVerfGE 112, 118 (134) (Zählverfahren für Sitzanteile). Vgl. auch BVerfGE 70, 324 (354) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste); BVerfGE 80, 188 (218) (Wüppesahl); BVerfGE 84, 304 (321) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 96, 264 (278) (Fraktionsund Gruppenstatus). Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 38 GG, Rn. 134. Vgl. auch Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 219 ff. 126 BVerfGE 44, 308 (315 f.) (Beschlußfähigkeit); BVerfGE 56, 369 (405) (Agent); BVerfGE 80, 188 (218) (Wüppesahl); BVerfGE 84, 304 (321) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 104, 310 (329 f.) (Pofalla II). 127 Zu deren einzelnen Elementen Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, Berlin 1984. 128 BVerfGE 112, 118 (134) (Zählverfahren für Sitzanteile). Birk, NJW 1988, 2521 (2522). Zum Verhältnis von Gleichheit der Wahl und Gleichheit des Abgeordnetenmandates siehe auch BVerfGE 102, 224 (238) (Funktionszulagen) sowie Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, Berlin 1984, S. 220 ff.
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
Repräsentationsfunktion einher. 129 Insbesondere die faktisch oft vorentscheidende Rolle der Ausschußarbeit für Entscheidungen und Beschlüsse des Plenums verlangt, daß der gleiche Anteil jedes Abgeordneten an der Repräsentanz des Volkes auch in diesen verkleinerten Gremien seine Entsprechung findet 130. 131 Die im Repräsentationsgedanken gründende Gleichheit der Mitwirkungsbefugnis jedes Abgeordneten wird so zu einem Organisationsprinzip der Parlamentsarbeit. 132 (2) Aussagekraft für den Vermittlungsausschuß als selbständiges Verfassungsorgan Die Eigenschaft eines selbständigen Verfassungsorgans 133 wirft die Frage auf, inwiefern das Spiegelbildlichkeitsprinzip für die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses überhaupt Geltung beanspruchen kann. 134 Unbestritten ist eine spiegelbildliche Besetzung nach Art. 42 Abs. 2 S. 2 GG zulässig. Fraglich ist jedoch, ob das Grundgesetz eine solche auch gebietet. Dem für die Besetzung der Ausschüsse des Bundestags entwickelten Grundsatz spiegelbildlicher Abbildung kann für die Besetzung des Vermittlungsausschusses keine Aussagekraft zukommen, ist er doch im Unterschied zu den Ausschüssen des Bundestages keine Untergliederung des Parlaments, sondern ein selbständiges Verfassungsor-
129 Dreier, JZ 1990, 310 (319). Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 40 GG, Rn. 30. 130 BVerfGE 80, 188 (222) (Wüppesahl); BVerfGE 84, 304 (323) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 112, 118 (136) (Zählverfahren für Sitzanteile). Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, Berlin 1984, S. 78 ff.; Birk, NJW 1988, 2521 (2522 ff.). 131 Das vom Bundesverfassungsgericht zur Veranschaulichung gewählte Bild der Spiegelbildlichkeit ist insofern nicht ganz exakt, als es eine größengleiche Abbildung suggeriert. Vorzunehmen ist jedoch eine – wenn auch relationengetreue – verkleinernde Projektion des Plenums auf den Ausschuß. Mit einer wohl auf Mirabeau zurückgehenden, das repräsentative Verhältnis von Volk und Parlament beschreibenden Metapher ließe sich insoweit treffender vom Verhältnis einer Landkarte zum Territorium sprechen (vgl. Jellinek, Mirabeau und das demokratische Wahlrecht. Geschichte eines Zitates, in: Georg Jellinek, Ausgewählte Schriften und Reden, Zweiter Band, Berlin 1911, S. 82 ff.). Für Ebenbildlichkeit Kämmerer, NJW 2003, 1166 (1167). Mathematisch korrekt wäre der – im allgemeinen Sprachgebrauch allerdings wenig aussagekräftige – Begriff der Ähnlichkeit. 132 Morlok, JZ 1989, 1035 (1038); ders., DVBl. 1991, 998 (999). 133 Siehe oben B. I. 2. a). 134 Die Frage stellt sich in ähnlicher Weise auch, wenn man den Vermittlungsausschuß als gemeinsames Unterorgan von Bundestag und Bundesrat qualifiziert. Dennoch hat es das Bundesverfassungsgericht in seiner Zählverfahren-Entscheidung vermieden, sie zu stellen. Daß sich das Gericht der Fragestellung gleichwohl bewußt war, kommt in dem nicht unerheblichen Begründungsaufwand zum Ausdruck, den es unternimmt, die Einschlägigkeit des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes für die Besetzung der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuß darzulegen (BVerfGE 112, 118 (138)).
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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gan. 135 Wie aufgezeigt, verfolgt das Gebot spiegelbildlicher Abbildung jedoch keinen Selbstzweck, sondern stellt sich als Fortsetzung des allgemeinen Repräsentationsgedankens dar, der im Parlament die (spiegelbildliche) Repräsentation des Volkes sieht 136. Die Besetzung der Ausschüsse des Bundestages muß dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit genügen, weil diese Aufgaben des Parlaments wahrnehmen. Damit läßt sich ein Gebot spiegelbildlicher Besetzung des Vermittlungsausschusses zwar nicht daraus herleiten, daß er Aufgaben des Parlaments wahrnähme. Was bleibt, ist jedoch die Möglichkeit, ein solches unmittelbar aus dem allgemeinen, in Art. 20 Abs. 2 GG wurzelnden Repräsentationsprinzip herzuleiten. 137 Zentraler Maßstab für eine Qualifizierung des Vermittlungsausschusses als ein in diesem Sinne repräsentativ zu besetzendes 138 Organ bildet seine Aufgabe und Funktion. Der Vermittlungsausschuß besitzt zwar keine Gesetzgebungsbefugnis, 139 gleichwohl nimmt er als Teil der Legislative 140 in zentraler Funktion an der Willensbildung des Volkes teil. 141 Wenngleich er hierbei auch nicht wie der Gemeinsame Ausschuß nach Art. 53a GG in die Rechte von Bundestag und Bundesrat eintritt 142, so institutionalisiert er doch eine unmittelbar von den Organen des Bundestages und des Bundesrates wahrzunehmende Aufgabe 135 Vgl. zur insoweit bestehenden Parallele zum Gemeinsamen Ausschuß (Art. 53a GG) BVerfGE 84, 304 (335 u. 337) (PDS / Linke Liste). 136 Der Ursprung des Bildes der Spiegelbildlichkeit liegt denn auch im Verhältnis von Parlament und Volk, vgl. Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 32. 137 Vgl. zu einem entsprechenden Ansatz für den Gemeinsamen Ausschuß BVerfGE 84, 304 (339) (PDS / Linke Liste). Siehe auch BVerfGE 38, 258 (271) (Magistratsverfassung Schleswig-Holstein). 138 Von der Frage nach der repräsentativen Zusammensetzung ist die Frage nach dem repräsentativen Charakter eines Organs zu unterscheiden. Repräsentative Organe in letztgenanntem Sinne sind sämtliche selbsthandelnden Leitungsorgane deren selbständiges, das meint vor allem weisungsunabhängiges Wirken, auf das originär-begründende Hervorrufen einer Willensvereinheitlichung gerichtet ist (vgl. E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 34, Rn. 10 ff. (v. a. Rn. 12 und 18); Scheuner, in: FS für H. Huber, S. 222 (226 u. 239)). Der Repräsentationsgedanke ist insoweit zwar historisch bedingt zuvörderst parlamentsbezogen (vgl. Sander, Repräsentation und Kompetenzverteilung, S. 99 f.; Scheuner, in: FS für H. Huber, S. 222 (246); grundlegend zur Geschichte des Begriffs der Repräsentation H. Hoffmann, Repräsentation), er beschränkt sich jedoch nicht auf die Volksvertretung. So ist auch der Bundespräsident – als nicht spiegelbildlich besetztes Organ – als repräsentatives Organ anzusehen. Ob eine solche Annahme auch auf den Vermittlungsausschuß zutrifft, ist fraglich. Anknüpfen ließe sich an die seinen Mitgliedern gewährte Weisungsfreiheit (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 77 Abs. 2 S. 3 GG). 139 Siehe oben B. I. 2. a) bb). 140 Siehe oben B. I. 1. 141 Zum Gesetz als handlungsformspezifischem Resultat repräsentativer Verfasstheit der Legislative Sander, Repräsentation und Kompetenzverteilung, S. 118 ff. 142 Vgl. dazu BVerfGE 84, 304 (339) (PDS / Linke Liste). Siehe auch Schick, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 58, Rn. 10.
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
gemeinsamer Kompromißsuche. Insoweit tritt der Vermittlungsausschuß an die Stelle von Bundestag und Bundesrat 143. Dieser herausgehobenen Aufgabe und Funktion des Vermittlungsausschusses folgt seine Zusammensetzung. Maßgebend für sie sind das föderative Prinzip einerseits und das demokratische Prinzip andererseits. Für die Zusammensetzung der vom Bundestag entsandten Mitglieder des Vermittlungsausschusses verlangt hierbei das demokratische Prinzip eine repräsentativ-demokratische Legitimation. 144 Dies verdeutlicht die den Mitglieder des Vermittlungsausschusses garantierte Weisungsunabhängigkeit. Während diese für die vom Bundesrat entsandten – originär weisungsabhängigen – Mitglieder durch Art. 77 Abs. 2 S. 3 GG ausdrücklich angeordnet wird, folgt sie für die vom Bundestag entsandten Mitglieder des Vermittlungsausschusses unmittelbar aus ihrem Abgeordnetenstatus (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG). Der im Vermittlungsausschuß vertretene Abgeordnete nimmt ein verlängertes Mandat wahr. Er bleibt „Vertreter des ganzen Volkes“. Die Zusammensetzung der vom Bundestag in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder löst sich damit von der parlamentarischen Mehrheit, maßstabbildend wird die Zusammensetzung des Parlamentes in seiner – das Staatvolk als Ganzes repräsentierenden – Gesamtheit. Die Besetzung des Vermittlungsausschusses durch den Bundestag unterliegt daher dem Repräsentationsprinzip. 145 Bezugsgröße repräsentativer, damit spiegelbildlicher Abbildung ist hierbei unmittelbar das Staatsvolk, an dessen Stelle mangels unmittelbarer Wahl und auf Grund ausdrücklicher Anordnung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG der Bundestag als unmittelbares Repräsentationsorgan des Staatsvolkes tritt. 146 (3) Das Parlament in seiner Gesamtheit als Gegenstand spiegelbildlicher Abbildung Gegenstand spiegelbildlicher Abbildung ist dabei das Parlament als Ganzes. Dies resultiert daraus, daß die Repräsentation des Volkes nicht vom einzelnen oder einer Gruppe von Abgeordneten oder der parlamentarischen Mehrheit, son143 In diesem Sinne ist wohl auch die Erwägung des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen, das Repräsentationsprinzip gelte für den Vermittlungsausschuß, weil in diesem Bundestag und Bundesrat miteinander verhandelten (vgl. BVerfGE 112, 118 (138) (Zählverfahren für Sitzanteile)). 144 Vgl. die Parallele zum Gemeinsamen Ausschuß (Art. 53a GG) BVerfGE 84, 304 (339) (PDS / Linke Liste) sowie BVerfGE 80, 188 (234) (Wüppesahl). Siehe auch BVerfGE 38, 258 (271) (Magistratsverfassung Schleswig-Holstein); BVerfGE 77, 1 (41) (Neue Heimat). 145 Im Ergebnis so auch BVerfGE 112, 118 (133 f.) (Zählverfahren für Sitzanteile). Kämmerer, NJW 2003, 1166 (1168); Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 67; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 21; Stein, NVwZ 2003, 557 (560 ff.). 146 Vgl. BVerfGE 38, 258 (274) (Magistratsverfassung Schleswig-Holstein).
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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dern vom Parlament in der Gesamtheit seiner Mitglieder bewirkt wird 147. 148 Kein rechtsgedankliches Element, sondern lediglich möglicher Reflex der Verwirklichung des Spiegelbildlichkeitsprinzips ist damit die Abbildung der Mehrheit. 149 Dies folgt zudem bereits daraus, daß „die Mehrheit“ keine in Grundgesetz oder Geschäftsordnung mit eigenen Rechten ausgestattete rechtliche Kategorie ist. 150 Denn das in Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG verankerte Mehrheitsprinzip bezeichnet keinen Maßstab der Abbildung, sondern vielmehr der einer solchen vorangehenden Bildung politischer Mehrheiten. Letztere ereignet sich anläßlich konkreter Sachentscheidungen, damit immer wieder erneut und keineswegs immer einheitlich im Sinne einer Mehrheit der die Bundesregierung tragenden Fraktionen. Gegenstand spiegelbildlicher Abbildung sind insoweit allein die (allgemein-) politischen Mehrheitsverhältnisse 151. Eine verkleinernde – damit gerade nicht die Abbildung jedes einzelnen Abgeordneten bezweckende – Projektion der im Bundestag existierenden Stärkeverhältnisse auf den Vermittlungsausschuß hat an die politisch-organisatorische Gliederung des Parlaments anzuknüpfen. 152 Eine hervorgehobene Bedeutung kommt dabei den Fraktionen als Zusammenschluß von Abgeordneten gleicher Parteizugehörigkeit mit einer Mindeststärke von fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages (§ 10 Abs. 1 S. 1 GOBT) zu, sind sie doch notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens und wesentliche Faktoren der politischen Willensbildung 153. Gleichwohl sind alle Gruppierungen von Abgeordneten, die sich wegen gleicher Parteizugehörigkeit oder auf Grund eines Wahlbündnisses zusammengeschlossen haben, unabhängig von ihrem Fraktionsstatus oder ihrer 147 BVerfGE 80, 188 (218) (Wüppesahl); BVerfGE 84, 304 (321) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 118, 277 (324 u. 340) (Abgeordneteneinkünfte). 148 Zur Unterscheidung zwischen proportionaler Repräsentation und Repräsentation der Mehrheit des Volkes durch das Parlament siehe Hofmann / Dreier, Repräsentation, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 32. 149 Kämmerer, NJW 2003, 1166 (1167 f.). A. A. Lübbe-Wolff, die in ihrem Sondervotum zur Zählverfahren-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 112, 118 (153 ff.)) die Abbildung der (Regierungs-)Mehrheit als ein (Teil-)Ziel des Spiegelbildlichkeitsprinzips ansieht (a. a. O. (154 f.)); dem folgend Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion, S. 138 ff. 150 BVerfGE 112, 118 (140 f.) (Zählverfahren für Sitzanteile). 151 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 21. Diese Akzentuierung verkennt Krüper bei seiner Forderung einer Widerspiegelung „nach Mehrheitsanteilen“ (Krüper, NWVBl. 2005, 97 (98); ähnlich Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion, S. 138 ff.). 152 BVerfGE 112, 118 (135 f.) (Zählverfahren für Sitzanteile). Vgl. auch BVerfGE 80, 188 (219 f.) (Wüppesahl). Dreier, JZ 1990, 310 (317). 153 BVerfGE 20, 56, (104) (Parteienfinanzierung I); BVerfGE 43, 142 (148) (Verfassungsbeschwerde einer Parlamentsfraktion); BVerfGE 70, 324 (350) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste); BVerfGE 80, 188 (219 f.) (Wüppesahl). BVerfGE 112, 118 (135) (Zählverfahren für Sitzanteile).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
Anerkennung als Gruppe gleichermaßen zu berücksichtigen. 154 Dies folgt aus dem in der Gleichheit im Status als Vertreter des ganzen Volkes begründeten Prinzip gleicher Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten 155 und gilt jedenfalls dann, wenn auf den Zusammenschluß der Abgeordneten bei der Zahl von sechzehn im Vermittlungsausschuß zu vergebenden Sitzen und des vom Bundestag angewandten Zählverfahrens zumindest ein Sitz entfällt 156. Die Abhängigkeit einer Vertretung von der Größe des zu besetzenden Gremiums ist zwangsläufige Konsequenz jeder verkleinernden Abbildung. Ein originärer Anspruch auf Einräumung eines Grundmandates im Vermittlungsausschuß existiert damit nicht. 157 Allerdings unterliegt die Entscheidung von Bundestag und Bundesrat über die Größe des Vermittlungsausschusses im Sinne seiner Repräsentationsfunktion einer Kontrolle auf Willkürfreiheit. 158 Die Besetzung der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuß hat somit die unterschiedlichen Stärken der im Bundestag vertretenen Fraktionen, Gruppen und sonstigen Abgeordnetengruppierungen proportional abzubilden. Als Instrument zur Erfassung und Projektion der im Plenum des Bundestages bestehenden politischen Kräfteverhältnisse dienen die Zählverfahren nach d’Hondt, Hare / Niemeyer oder St. Laguë / Schepers. Diese stellen dabei keine Modifikationen des Spiegelbildlichkeitsprinzips im Range eines verfassungsrechtlichen Maßstabes dar, sondern sind Möglichkeiten willkürfreier Konkretisierung des aus dem wesensmäßig annähernden Charakter einer verkleinernden Projektion resultierenden Gestaltungsspielraums. 159 Damit noch nicht geklärt ist allerdings die 154 BVerfGE 84, 304 (323) (PDS / Linke Liste). Morlok, DVBl. 1991, 998 (999 f.). Siehe auch Birk, NJW 1988, 2521 (2522). 155 BVerfGE 84, 304 (323) (PDS / Linke Liste). 156 Vgl. BVerfGE 84, 304 (323) (PDS / Linke Liste). Morlok, DVBl. 1991, 998 (1000). Daß es auch bei der begrenzten Mitgliederzahl des Vermittlungsausschusses durchaus möglich sein kann, Abgeordnetengruppierungen unterhalb der Fraktionsstärke zu berücksichtigen, belegt das Beispiel der PDS-Gruppe im 13. Deutschen Bundestag. Dieser blieb ein Sitz im Vermittlungsausschuß im Ergebnis nicht wegen ihres Status als Gruppe, sondern allein auf Grund eines (zulässigen) Wechsels vom Zählverfahren nach St. Laguë / Schepers zu dem nach d’Hondt verwehrt. Vgl. dazu BVerfGE 96, 264 (282 ff.) (Fraktionsund Gruppenstatus). 157 Vgl. BVerfGE 84, 304 (323 f.) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 96, 264 (282 f.) (Fraktions- und Gruppenstatus). A. A. für die Ausschüsse des Bundestages Dreier, JZ 1990, 310 (321). 158 Vgl. in diesem Sinne für die Ausschüsse des Bundestages Birk, NJW 1988, 2521 (2524); Morlok, DVBl. 1991, 998 (1000); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 40, Rn. 30; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 40, Rn. 5. Siehe auch Dreier, JZ 1990, 310 (321). Eine Verkleinerung des Vermittlungsausschusses setzte damit eine – gegenwärtig nicht ersichtliche – in seiner Funktion gründende sachliche Rechtfertigung voraus. Zur parallel verlaufenden Begründung aus Sicht des Bundesrates siehe unten B. II. 3. b) bb). 159 Vgl. BVerfGE 96, 264 (282 ff.) (Fraktions- und Gruppenstatus); BVerfGE 112, 118 (137) (Zählverfahren für Sitzanteile). Diesen Charakter der Zählverfahren verkennt
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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Frage, inwiefern hiervon Abweichungen zulässig sind, wenn die geringe Zahl von nur 16 zu besetzenden Sitzen dazu führt, daß eine im Bundestag vertretene politische Gruppierung bei der Besetzung des Vermittlungsausschusses völlig unberücksichtigt bleibt oder letztere nicht (auch) die Mehrheit der die Bundesregierung tragenden Fraktionen widerspiegelt. (4) Zulässigkeit minderheitenschützender und Unzulässigkeit mehrheitssichernder Korrekturen Die Aufgabe des Vermittlungsausschusses bringt die Notwendigkeit einer begrenzten Mitgliederzahl mit sich. Kompromisse lassen sich erfolgreich nur im vertraulichen Rahmen eines eng begrenzten Personenkreises erzielen. Gleichzeitig wohnen jedoch der verkleinernden Projektion eines so großen Plenums wie des Bundestages bereits systemimmanent Grenzen inne. 160 Eine spiegelbildliche Abbildung ist daher – unabhängig vom gewählten Zählverfahren – immer nur annähernd möglich 161. 162 Die damit zwangsläufig eintretenden Ungleichheiten bei der Abbildung der zahlreichen zwischen den im Plenum vertretenen politischen Gruppierungen existierenden Proportionalverhältnisse werfen die Frage auf, inwiefern im Falle der Unmöglichkeit gleichzeitiger Realisierung bestimmten Relationen Vorrang eingeräumt werden darf. Konkret geht es dabei darum, ob es zulässig ist, zum einen einer auf Grund ihrer geringen Größe an sich unberücksichtigt bleibenden politischen Gruppierung ein Grundmandat im Vermittlungsausschuß einzuräumen, 163 zum anderen eine Abbildung der Mehrheit der die Bundesregierung im Plenum tragenden Fraktionen durch einen Korrekturfaktor auch im Vermittlungsausschuß sicherzustellen 164. Die bei der Besetzung der Ausschüsse des Bundestages bewährte parlamentarische Praxis, im Falle knapper Mehrheitsverhältnisse eine verbesserte Abbildung derselben durch eine Vergrößerung der Mitgliederzahl des Gremiums zu erreichen, ist dem Bundestag Krüper, wenn er gegen sie den Vorwurf eines „mathematisierten Verständnisses demokratischer Repräsentation“ erhebt (Krüper, NWVBl. 2005, 97 (97)), bleibt doch bei den von ihm monierten Konstellationen eines Repräsentationsausfalles die – allerdings nicht zwingende – Option, einer bei Anwendung dieser Verfahren unberücksichtigt bleibenden parlamentarischen Gruppierung ein Grundmandat einzuräumen (dazu siehe sogleich). 160 Kämmerer, NJW 2003, 1166 (1167); Stein, NVwZ 2003, 557 (561). 161 Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 40, Rn. 28 („approximativ“); Kämmerer, NJW 2003, 1166 (1167) („repräsentationsdemokratische Unschärferelation“); Stein, Die Besetzung der Sitze des Bundestages im Vermittlungsausschuss, NVwZ 2003, S. 557 (561) („approximativ“). 162 Gerade insofern sind die anerkannten Zählverfahren nach d’Hondt, Hare / Niemeyer und St. Laguë / Schepers auch als gleichwertig anzusehen. 163 So geschehen in der 6. Wahlperiode mit Rücksicht auf die FDP-Fraktion (vgl. oben B. II. 3. a), Fußnote 117). 164 So geschehen in der 15. Wahlperiode (vgl. oben Fußnote 118).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
im Falle des Vermittlungsausschusses jedenfalls ohne Mitwirkung des Bundesrates verschlossen. 165 Hinsichtlich der Zulässigkeit alternativer Korrekturen ist zu unterscheiden. Während die Einräumung eines Grundmandates Gleichheit in der Teilhabe am politischen Willensbildungsprozeß erst herstellt, 166 damit von der minderheitenschützenden Dimension 167 des Gedankens proportionaler Repräsentation getragen wird, 168 stellen mehrheitssichernde Korrekturen Durchbrechungen der durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisteten Gleichheit aller Abgeordneten dar, 169 die eines besonderen rechtfertigenden Grundes bedürfen. 170 Insofern liegt es nahe, eine Parallele zu den Rechtfertigungsgründen für vergleichbare Korrekturen bei der Besetzung der Ausschüsse des Bundestages zu ziehen. Als solche in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt sind das Verfassungsgebot der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments 171 sowie der demokratische Grundsatz der Mehrheitsentscheidung (Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG) 172. Letzterer rechtfertigt Abweichungen vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, wenn nur diese im zu besetzenden Gremium Sachentscheidungen ermöglichen, die sodann auch mehrheitsfähig im Sinne der im Plenum bestehenden politischen „Regie-
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Vgl. BVerfGE 112, 118 (137) (Zählverfahren für Sitzanteile). Damit beantwortet ist ausschließlich die Frage nach der Zulässigkeit eines Grundmandates, nicht hingegen, inwiefern die Einräumung eines solchen verfassungsrechtlich zwingend ist. Dazu, daß letzteres zu verneinen ist, siehe oben B. II. 3. a) (3). 167 BVerfGE 112, 118 (141) (Zählverfahren für Sitzanteile). Vgl. auch BVerfGE 70, 324 (363) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste) sowie das Sondervotum des Richters Mahrenholz (a.a.O, S. 366 ff.); BVerfGE 80, 188 (220) (Wüppesahl). Siehe auch Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 66 f. 168 Vgl. Dreier, JZ 1990, 310 (320 f.). Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 67. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 40, Rn. 30 („Postulat möglichst vollständiger Repräsentation“). Dies verkennt die von Pfeil gezogene Parallele von der (regierungs)mehrheitssichernden Korrektur in der 15. Wahlperiode zur Einräumung eines Grundmandats für die F.D.P.-Fraktion in der 6. Wahlperiode Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion, S. 142 f. 169 Sie unterscheiden sich insoweit von einer Grundmandatsregelung als sie eine Verzerrung der Verhältnisse zwischen den bereits im Gremium vertretenen – insoweit gleichen – politischen Gruppierungen bewirken. 170 Vgl. BVerfGE 93, 195 (204) (Hamburger Polizei); BVerfGE 96, 264 (278) (Fraktions- und Gruppenstatus). Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 38, Rn. 167. 171 BVerfGE 96, 264 (278 f.) (Fraktions- und Gruppenstatus); BVerfGE 112, 118 (140) (Zählverfahren für Sitzanteile). Vgl. auch BVerfGE 80, 188 (222) (Wüppesahl) sowie jüngst BVerfGE 118, 277 (324) (Abgeordneteneinkünfte). 172 BVerfGE 112, 118 (140) (Zählverfahren für Sitzanteile). Vgl. auch BVerfGE 80, 188 (225) (Wüppesahl); BVerfGE 96, 264 (283) (Fraktions- und Gruppenstatus). 166
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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rungsmehrheit“ sind. 173 Solchen mehrheitssichernden Erwägungen kann jedoch bei der Besetzung des Vermittlungsausschusses keine rechtfertigende Wirkung beigemessen werden. Entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts 174 folgt dies allerdings nicht aus der Tatsache, daß die Arbeit des Vermittlungsausschusses nicht notwendig auf eine Entscheidung in der Sache angelegt sei, da das Vermittlungsverfahren nach § 12 Abs. 1 und 2 GOVA auch ohne Entscheidungsvorschlag enden könne 175, sondern liegt darin begründet, daß es sich bei einem Einigungsvorschlag um keine Entscheidung des Bundestages handelt, sondern um die des eigenständigen Organs Vermittlungsausschuß 176. Zieht man eine Parallele zum zweiten bei der Besetzung der Ausschüsse des Bundestages anerkannten Rechtfertigungsgrund und argumentiert mit der Funktionsfähigkeit des Vermittlungsausschusses 177 dahingehend, daß die „Regierungsmehrheit“ deshalb auch über die Mehrheit der Sitze auf der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuß verfügen müsse, weil nur so gewährleistet sei, daß ein Einigungsvorschlag auch die spätere Zustimmung des Plenums des Bundestages erhalten könne, 178 so verkennt dies, daß die Institution des Vermittlungsausschusses Kompromißvorschläge gerade auf der Basis neuer politischer Kräfteverhältnisse ermöglichen soll 179. Damit lassen sich bei der Besetzung des Vermittlungsausschusses Korrekturen, die einer Abbildung der Mehrheit der die Bundesregierung tragenden Fraktionen dienen, nicht rechtfertigen. 180
173 BVerfGE 112, 118 (141) (Zählverfahren für Sitzanteile). Vgl. auch BVerfGE 80, 188 (225) (Wüppesahl). 174 BVerfGE 112, 118 (144) (Zählverfahren für Sitzanteile). 175 Eine solche Argumentation übersieht bereits, daß auch ein Absehen von einem Einigungsvorschlag eine für das Zustandekommen eines Gesetzes mittelbar überaus gewichtige Entscheidung darstellt. 176 Kämmerer, NJW 2003, 1166 (1168); Stein, NVwZ 2003, 557 (561). In diesem Sinne auch Sondervotum des Richters Broß im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (BVerfGE 106, 265 (270) (Zählverfahren) sowie Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 67. 177 Auf die Funktionsfähigkeit des Parlaments kann auf Grund der Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses ohnehin nicht abgestellt werden. 178 So Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 21; Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion, S. 140. 179 BVerfGE 112, 118 (145) (Zählverfahren für Sitzanteile). Kämmerer, NJW 2003, 1166 (1168); Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 69. Ausführlich dazu unten B. III. 2. b). 180 Im Ergebnis so auch das Sondervotum des Richters Broß im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (BVerfGE 106, 253 (265 ff.) (Zählverfahren). Kämmerer, NJW 2003, 1166 (1168); Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 67; Stein, NVwZ 2003, 557 (562). A. A. Sondervotum Lübbe-Wolff (BVerfGE 112, 118 (153 ff.) sowie der wohl eher politikwissenschaftlich gemeinte Ansatz von Ernst / Johnsen, ZParl 2005, 748 (757 ff.).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
(5) Kein Gegenstand der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages Die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses unterliegt damit auch nicht der autonomen Entscheidungsbefugnis des Bundestages in Angelegenheiten der Geschäftsordnung. 181 Abgesehen davon, daß eine Regelung der Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses durch Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG bereits ohnehin der Gemeinsamen Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat für den Vermittlungsausschuß vorbehalten ist, 182 kommt die Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages auch bei der Besetzung seiner Ausschüsse nur innerhalb der durch Art. 38 Abs. 1 GG gesetzten Schranken zum Tragen 183. Bestandteil dieser Schranken sind dabei auch die materiell-verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Zulässigkeit mehrheitssichernder Korrekturen. 184 Vorbehaltlich des Fehlens einer – gleichwohl zulässigen wie wünschenswerten 185 – Regelung auf Ebene der GOVA verbleibt dem Bundestag somit lediglich, nach §§ 57 Abs. 1 S. 1, 12 S. 2 GOBT über das bei der Entsendung zum Vermittlungsausschuß zur Anwendung kommende Zählverfahren zu entscheiden, handelt es sich hierbei doch um keine Modifikation, sondern lediglich um eine konkretisierende Ausgestaltung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit. 186
181 A. A. das Sondervotum der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt zur Zählverfahren-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 112, 118 (148 ff.); siehe auch Pfeil, Der Abgeordnete und die Fraktion, S. 144 f. 182 Siehe dazu oben B. II. 2. 183 Vgl. Dreier, JZ 1990, 310 (316); Morlok, JZ 1989, 1035 (1037). Dies gestehen auch Osterloh und Gerhardt in ihrem Sondervotum ausdrücklich ein (a. a. O. (150)). 184 Es trifft daher nicht zu, wenn Osterloh und Gerhardt annehmen, entsprechende Maßnahmen unterfielen dem Gestaltungsspielraum des Parlaments, welche Regeln es zu seiner Selbstorganisation und zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs bedarf (a. a. O. (150). Jede Durchbrechung des in Art. 38 Abs. 1 GG niedergelegten Grundsatzes bedarf vielmehr einer materiell-verfassungsrechtlichen Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 96, 264 (278) (Fraktions- und Gruppenstatus)). Ein möglicher Rechtfertigungsgrund ist dabei die Wahrung der Funktionsfähigkeit des Parlaments. Die Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages liefert jedoch insoweit nicht den materiellen Rechtfertigungsgrund, sondern stellt lediglich das Instrumentarium bereit, dessen Verwirklichung durch die Ausgestaltung des parlamentarischen Verfahrens sicherzustellen. 185 Vgl. Fußnote 109. 186 Überhaupt nicht zu überzeugen vermag hingegen der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts, dem Parlament darüber hinaus in „ungewöhnlichen Konstellationen“ knapper Mehrheitsverhältnisse zu Beginn der Wahlperiode eine Schonfrist einzuräumen, um mit diesen für einen begrenzten Zeitraum „Erfahrungen zu sammeln“ (BVerfGE 112, 118 (147) (Zählverfahren für Sitzanteile). Die für eine Entscheidung über die Besetzung des Vermittlungsausschusses maßgeblichen Größen der politischen Stärkeverhältnisse im Plenum, der Mitgliederzahl des Vermittlungsausschusses sowie der verfassungsrechtliche Maßstab der Spiegelbildlichkeit stehen mit Beginn der Wahlperiode unveränderlich fest. Sie sind einer Experimentierphase daher gar nicht zugänglich. Zu recht kritisch zu dieser Passage des Urteils auch J. Lang, NJW 2005, 189 (190). Der Feststellung von Masing
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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bb) Verwirklichung im Verfahren Vom materiellen Gebot einer spiegelbildlichen Zusammensetzung der vom Bundestag in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder ist die Frage zu unterscheiden, in welchem Verfahren diese bestellt werden. Das Entsendungsverfahren ist tauglicher, allerdings kein zwingender Gegenstand der Gemeinsamen Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat für den Vermittlungsausschuß und ist damit grundsätzlich der Geschäftsordnungsautonomie des entsendenden Organs überlassen. 187 Die Bestellung der vom Bundestag in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder erfolgt gegenwärtig durch Wahl des Plenums gemäß §§ 54 Abs. 2, 89, 12 S. 2 GOBT. Dies war jedoch nicht immer der Fall. Anfänglich beschränkte sich das Verfahren auf eine Benennung durch die Fraktionen. 188 Damit stellt sich die Frage, inwiefern eine Wahl durch das Plenum verfassungsrechtlich zwingend ist. 189 Einen ersten Hinweis darauf liefert der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 GG, der in Satz 3 von den in den Vermittlungsausschuß „entsandten“ Mitgliedern spricht. Um von einer „Entsendung“ durch ein Organ sprechen zu können, muß sich die getroffene (personelle) Entscheidung jedoch dem Organ als Ganzem zurechnen lassen. Entsendendes Organ ist jedoch nicht die Fraktion, sondern der Bundestag. Der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 3 GG spricht somit für eine Entscheidung des Plenums. Bestätigt wird dies, wenn man sich den qualitativen Unterschied zwischen der Besetzung der Ausschüsse des Bundestages und der des Vermittlungsausschusses bewußt macht. Während erstere lediglich der Klärung personeller Zuständigkeiten innerhalb eines Organs dient, die eine Benennung der Ausschußmitglieder durch die Fraktionen 190 ausreichend erscheinen läßt, 191 kommt der Bestellung der in den Vermittlungs(„keine Sternstunde des Gerichts“) ist nichts hinzuzufügen (Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Fn. 15). 187 Vgl oben B. II. 2. 188 Vgl. 2. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 20. Juni 1950, Kurzprotokoll I/2, S. 4 f. 189 Zur bereits in der 2. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 20. Juni 1950 gegen das Entsendungsverfahren einer bloßen Benennung durch die Fraktionen erhobenen Bedenken siehe Kurzprotokoll I/2, S. 4 f. Nicht gefragt ist hingegen, inwiefern eine Bestellung durch einen Wahlakt des Plenums wünschenswert ist. Ausschließlich in diesem Sinne von der Heide, DÖV 1953, 129 (130). 190 Vgl. § 57 Abs. 2 GOBT. 191 BVerfGE 77, 1 (41) (Neue Heimat); BVerfGE 80, 188 (223) (Wüppesahl). A. A. Abmeier, der auch für die Mitglieder der Ausschüsse eine unmittelbare Legitimation durch das Plenum des Bundestages verlangt und damit zur Verfassungswidrigkeit des § 57 Abs. 2 GOBT gelangt (Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 83 ff.). Abmeier ist darin zuzustimmen, daß auch die Ausschüsse des Bundestages dem Gebot demokratischer Legitimation unterliegen. Fraglich ist allein, welche Anforderungen an die Qualität ihrer personellen demokratischen Legitimation zu stellen sind. Insofern übersieht Abmeier, daß die Ausschüsse des Bundestages ausschließlich Aufga-
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
ausschuß entsandten Mitglieder (personell) demokratisch legitimierende Wirkung für ein anderes Verfassungsorgan zu. Die herausgehobene Aufgabe des Vermittlungsausschusses gebietet dabei die Legitimation durch einen Akt, der dem Parlament als Repräsentativorgan des Volkes in seiner Gesamtheit zugerechnet werden kann. 192 Begründung materieller Geltung und verfahrensrechtlicher Verwirklichung des Repräsentationsprinzips für den Vermittlungsausschuß verlaufen insofern parallel. 193 An einer dem Plenum des Bundestages gegenüber erforderlichen Zurechnung fehlt es, wenn die Mitglieder des Vermittlungsausschusses ausschließlich durch die Fraktionen benannt werden. Die Entscheidung des Bundestages über die von ihm in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder hat somit zwingend durch Mehrheitsbeschluß des Plenums nach Art. 42 Abs. 2 GG zu erfolgen. Die gegenwärtige Staatspraxis eines Beschlusses nach §§ 54 Abs. 2, 89, 12 S. 2 GOBT genügt diesen Anforderungen hingegen. cc) Ergebnis Die Zusammensetzung der vom Bundestag in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder hat die politischen Stärkeverhältnisse im Plenum widerzuspiegeln. Dabei sind unabhängig vom Status als Fraktion oder Gruppe sämtliche Zusammenschlüsse von Abgeordneten zu berücksichtigen, auf die bei der Zahl von sechzehn zu besetzenden Sitzen und unter Zugrundelegung des gewählten Zählverfahrens zumindest ein Mandat entfällt. Dabei unberücksichtigt bleibenden Gruppierungen kann ein Grundmandat eingeräumt werden. Korrekturen zur Sicherstellung einer Abbildung der „Regierungsmehrheit“ sind hingegen unzulässig. Dem Bundestag verbleibt, innerhalb des durch diese Maßstäbe gesetzten Rahmens darüber zu entscheiden, welches der anerkannten Zählverfahren Anwendung findet. Die ständige Praxis des Bundestages, seine Mitglieder im Wege eines Plenumsbeschlusses in den Vermittlungsausschuß zu entsenden, ist verfassungsrechtlich zwingend. b) Grundsatz der Ländergleichheit (Entsendung der Mitglieder des Bundesrates) Der Bundesrat entsendet in ständiger Praxis für jedes Land ein Mitglied in den Vermittlungsausschuß. Daß eine solche Verteilung der auf den Bundesrat ben des Parlaments wahrnehmen, die in ihnen vertretenen Abgeordneten als Mitglieder des Parlaments aber bereits durch ihre Wahl legitimiert sind. Vor diesem Hintergrund erscheint in Übereinstimmung mit Rechtsprechung und Schrifttum zumindest für den Regelfall des nicht zur abschließenden Entscheidung befugten Ausschusses eine Benennung durch die Fraktionen als ausreichend. 192 Vgl. BVerfGE 38, 258 (271) (Magistratsverfassung Schleswig-Holstein); BVerfGE 77, 1 (41) (Neue Heimat). 193 Vgl. oben B. II. 3. a) aa) (2).
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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entfallenden Sitze geboten ist, folgt nicht schon daraus, daß § 1 GOVA dem Bundesrat mit sechzehn Mandaten genau so viele Sitze zuweist, wie es Länder gibt. 194 Vielmehr verhielt es sich wohl umgekehrt dahingehend, daß die Zahl der Länder Motiv bei der Festlegung der Größe des Vermittlungsausschusses war. Letztere ist jedoch nicht zwingend, Änderungen sind möglich. aa) Gebot repräsentativer Abbildung des Bundesrates Wie den vom Bundestag entsandten kommt auch den vom Bundesrat bestellten Mitgliedern des Vermittlungsausschusses eine in dessen hervorgehobener Aufgabe und Funktion gründende repräsentative Stellung zu. 195 Seinen expliziten Ausdruck findet dies in Art. 77 Abs. 2 S. 3 GG, der den vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitgliedern Weisungsfreiheit garantiert. Diesen kommt damit im Vermittlungsausschuß ein sich von dem im Bundesrat grundlegend unterscheidender Status zu. Der repräsentative Charakter des Vermittlungsausschusses gebietet, daß die Besetzung der auf den Bundesrat entfallenden Sitze die Zusammensetzung des Plenums des Bundesrates widerspiegelt. 196 Damit stellt sich die Frage nach den politisch-organisatorischen Gliederungsprinzipien des Bundesrates. bb) Ländergleichheit als (vorrangiger) Maßstab repräsentativer Abbildung Die Zusammensetzung des Bundesrates wird zum einen durch den Grundsatz der Ländergleichheit 197, zum anderen durch die Stimmengewichtung nach der Einwohnerzahl der Länder bestimmt. Prinzipiell ist jedes Land über seine 194 A. A. Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 77, Rn. 12. Zwar mag bei einer Zahl von 16 Bundesländern eine Verteilung in der Weise, daß jedem Land ein Sitz zukommt, nahe liegen, zwingend folgt sie daraus jedoch nicht. Zumal eine entsprechende Intention problemlos zu formulieren gewesen wäre. So auch Burghart, Die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses als Gegenstand einer Regelung der Geschäftsordnung (Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG), DÖV 2005, S. 815 (818). 195 Vgl. für die Mitglieder des Bundestages oben B. II. 3. a) aa) (2). 196 Der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Zählverfahren-Urteil zur Begründung der Geltung wie zur Bestimmung des Gegenstandes repräsentativer Abbildung gezogene Vergleich zu den Ausschüssen des Bundesrates vermag hingegen nicht zu überzeugen, ist der Vermittlungsausschuß doch gerade kein Ausschuß des Bundesrates. Dem gleichen Einwand sieht sich die Argumentation Pasemanns ausgesetzt (Pasemann, Der Einfluß des Bundesrates auf die Gesetzgebung, S. 58 f.). 197 Der von Rechtsprechung und Schrifttum in diesem Zusammenhang bedeutungsgleich bemühte Begriff der „Staatengleichheit“ wird an dieser Stelle bewußt nicht verwandt, suggeriert er doch eine nicht existierende eigene Staatlichkeit der Länder. Staatsqualität kommt jedoch ausschließlich der Bundesrepublik Deutschland, nicht hingegen den einzelnen Bundesländern zu. Überzeugend zur Unmöglichkeit paralleler Staatlich-
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
jeweiligen Mitglieder mit gleichen Rechten und Pflichten im Bundesrat vertreten 198. Durchbrochen wird dieser Grundsatz allerdings durch die Bestimmung des Art. 51 Abs. 2 GG, der die Stimmenzahl der Länder in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Bevölkerungsstärke differenzierend ausgestaltet. 199 Damit stellt sich jedoch die Frage, ob und gegebenenfalls welcher dieser beiden Grundsätze bei einer repräsentativen Abbildung des Bundesrates vorrangig zu berücksichtigen ist, wenn wie im Falle des Vermittlungsausschusses bereits auf Grund der geringen Größe des zu besetzenden Gremiums eine gleichzeitige Verwirklichung beider Prinzipien ausgeschlossen ist. Eine Beantwortung dieser Frage setzt eine Klärung des grundsätzlichen Verhältnisses von Ländergleichheit und Stimmengewichtung voraus. Dazu sind „Ob“ und „Wie“ der Partizipation der Länder auf Bundesebene zu unterscheiden. Während das Grundgesetz die Länder bezüglich ersterer ausnahmslos gleichstellt 200, erlaubt es bei der Ausgestaltung ihrer Teilhabe Differenzierungen anhand des (alleinigen) Maßstabes ihrer unterschiedlichen Bevölkerungszahlen. 201 Bezugsgröße bleibt jedoch auch hierbei das Land. So weist Art. 51 Abs. 2 GG die verschiedenen Stimmenzahlen als Ganzes den Ländern zu, nicht hingegen einzelnen Mitgliedern des Bundesrates. Folgerichtig können diese nach Art. 51 Abs. 3 S. 2 GG auch nur einheitlich abgegeben werden. 202 Insofern läßt sich von einer „abgestuften Gleichheit“ der Länder sprechen. 203 Vor diesem Hintergrund hat eine repräsentative Abbildung des Bundesrates vorrangig an die Gleichheit der Länder hinsichtlich des „Ob“ ihrer Beteiligung anzuknüpfen 204. 205 Erst wenn die Größe des durch den Bunkeit auf ein und demselben Territorium Seiler, Christian, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 105 f. Zum Ursprung der Annahme einer Eigenstaatlichkeit der Länder im monarchischen Prinzip vgl. oben A. III. 2. b) bb), Fußnote 89. 198 BVerfGE 112, 118 (142) (Zählverfahren für Sitzanteile). Herzog, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 59, Rn. 7; Pleyer, Föderative Gleichheit, S. 192. Allgemein zur Gleichheit der Länder BVerfGE 1, 299 (314 f.) (Wohnungsbauförderung); BVerfGE 39, 96 (119) (Städtebauförderungsgesetz). Grundlegend zur grundgesetzlichen Herleitung des Grundsatzes der Gleichheit der Länder Pleyer, Föderative Gleichheit, S. 126 ff. 199 Zu deren allerdings „gleichheitsapproximierenden“ Charakter vgl. Pleyer, a. a. O., S. 192. Grundlegend Deecke, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Stimmenverteilung im Bundesrat. 200 Vgl. Art. 50 GG, wonach es die (= alle) Länder sind, die durch den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken. Gleichwohl sind die Länder nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GG keine Mitglieder des Bundesrates (vgl. BVerfGE 106, 310 (330) (Zuwanderungsgesetz)). 201 Pleyer, Föderative Gleichheit, S. 207 f. 202 Vgl. hierzu BVerfGE 106, 310 (331) (Zuwanderungsgesetz). 203 H. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 51, Rn. 20. Korioth, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 51, Rn. 16. 204 Die Stellung der Länder im Bundesrat unterscheidet sich insofern maßgeblich von der der Fraktionen im Bundestag, an die zum Zwecke spiegelbildlicher Abbildung des
II. Personelle Legitimation der Mitglieder
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desrat zu besetzenden Gremiums eine darüber hinausgehende, differenzierende Ausgestaltung des „Wie“ der Beteiligung der Länder erlaubt, ist dabei das Prinzip der Stimmengewichtung nach der Einwohnerzahl zu berücksichtigen. Damit stellt sich die ständige Praxis des Bundesrates, für jedes Land ein Mitglied in den Vermittlungsausschuß zu entsenden, bei der gegenwärtigen Größe des Vermittlungsausschusses als verfassungsrechtlich zwingend dar. 206 Unberücksichtigt bleiben könnte ein Land nur im Falle einer Verkleinerung des Gremiums. Eine solche bedürfte jedoch einer zwingenden, aus der Funktion des Vermittlungsausschusses folgenden – gegenwärtig jedoch wohl nicht ersichtlichen – sachlichen Rechtfertigung. 207 cc) Verfassungsrechtlich gebotene Entsendung durch Plenumsbeschluß des Bundesrates Die Bestellung der vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder richtet sich nach § 11 Abs. 4 S. 1 GOBR, der auf die für die Besetzung der Ausschüsse des Bundesrates geltende Bestimmung in § 11 Abs. 3 S. 1 GOBR verweist. Danach ist eine Benennung durch die jeweilige Landesregierung, die diese dem Präsidenten des Bundesrates anzuzeigen hat, ausreichend. Es ist jedoch fraglich, ob insofern von durch den Bundesrat „entsandten“ Plenums nicht auf Grund originär eigenen Rechtes, sondern der Gleichheit der in ihr zusammengeschlossenen Abgeordneten angeknüpft werden kann. Damit kann eine im Bundestag vertretene politische Gruppierung aber auch unberücksichtigt bleiben, wenn deren geringe Abgeordnetenzahl eine Abbildung bei der Größe des zu besetzenden Gremiums nicht ermöglicht. Bei der repräsentativen Besetzung eines Gremiums durch den Bundesrat kann ein Land hingegen nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Größe des zu besetzenden Gremiums bereits eine Abbildung aller Länder, nicht hingegen erst aller Stimmen ausschließt. 205 Vor diesem Hintergrund stellt sich die ausschließliche Verwirklichung des Staatenprinzips bei der Besetzung der Ausschüsse des Bundesrates (§§ 11 Abs. 2, 42 Abs. 2 GOBR (jedes Land ist in jedem Ausschuß mit einem Mitglied und einer Stimme vertreten)) nicht als (ausnahmsweise) gerechtfertigt dar, weil diesen weniger eine vorentscheidende, denn eine beratende Aufgabe zukomme (so aber BVerfGE 112, 118 (143) (Zählverfahren für Sitzanteile)), sondern ist vielmehr als Verwirklichung des Mindestgebotes staatengleicher Abbildung zu anzusehen. 206 Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 67. Für bloße Vereinbarkeit BVerfGE 112, 118 (143) (Zählverfahren für Sitzanteile). 207 Vgl. Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 67. Vgl. auch oben B. II. 3. a) aa) (3). Hingegen bereits im Jahre 1954 für eine drastische Verkleinerung des Vermittlungsausschusses von damals 20 auf 8 –12 Sitze im Interesse seiner wirkungsvollen Arbeit Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG, S. 62. Ein derartiger Vorschlag ist jedoch mit der Repräsentativfunktion des Vermittlungsausschusses unvereinbar. Zu einer möglichen Rechtfertigung siehe aber oben B. II. 1. a).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
Mitgliedern gesprochen werden kann. Im Unterschied zum bloß organisatorischen Charakter der Besetzung seiner Ausschüsse legitimiert die Entsendung von Mitgliedern in den Vermittlungsausschuß die Zusammensetzung eines anderen Organs. 208 Die personelle demokratische Legitimation eines anderen Organs verlangt jedoch, daß sich die Entscheidung dem legitimationsspendenden Organ in seiner Gesamtheit zurechnen läßt. Einen in diesem Sinne hinreichend konkreten Zurechnungszusammenhang weisen weder die abstrakte Festlegung in § 11 Abs. 4 S. 1 GOBR noch die bloße Kenntnisnahme durch den Präsidenten des Bundesrates auf. Erforderlich ist ein individueller Berufungsakt, der sich dem Bundesrat als Ganzes zurechnen läßt. Dem wird nur ein Beschluß des Plenums des Bundesrates gerecht. Die Geschäftsordnung des Bundesrates bedarf daher einer Ergänzung, die den qualitativen Unterschied zwischen der Entsendung von Mitgliedern des Bundesrates in den Vermittlungsausschuß einerseits und der Besetzung seiner Ausschüsse andererseits verfahrensrechtlich nachvollzieht. In praktischer Hinsicht ginge mit der Notwendigkeit eines Plenumsbeschlusses ein personeller Stetigkeitsgewinn des Vermittlungsausschusses einher, der sich als für das Entstehen eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses zwischen den Mitgliedern und damit die Erfüllung der Vermittlungsaufgabe förderlich erweisen könnte. 209 dd) Ergebnis Die Zusammensetzung der vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder hat den Grundsatz der Ländergleichheit zu verwirklichen. Dieser verlangt, daß jedes Land durch (mindestens) ein Mitglied vertreten ist. Die gegenwärtige Staatspraxis, für jedes Land ein Mitglied zu entsenden, ist damit bei der gegenwärtigen Größe des Vermittlungsausschusses verfassungsrechtlich zwingend vorgegeben. Entgegen der Bestimmung des § 11 Abs. 4 S. 1 GOBR hat die Entsendung durch Plenumsbeschluß des Bundesrates zu erfolgen.
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages des Vermittlungsausschusses Sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation ist darauf gerichtet, staatliches Handeln seinem Inhalt nach auf den Willen des Volkes zurückzuführen. 210 208 Vgl. BVerfGE 77, 1 (41) (Neue Heimat). Siehe hierzu und zum folgenden die insoweit parallel verlaufenden Erwägungen zum Entsendungsverfahren des Bundestages oben B. II. 3. a) bb). 209 von der Heide, DÖV 1953, 129 (130). 210 E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 21; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 270.
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages
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Für die vollziehende und rechtsprechende Gewalt wird sachlich-inhaltliche Legitimation durch die Bindung an das vom Parlament als unmittelbar legitimierter Vertretung des Volkes verabschiedete Gesetz bewirkt 211, für die Regierung durch parlamentarische Kontrolle, für nachgeordnete Behörden durch Aufsichtsund Weisungsrechte sichergestellt 212. Im Unterschied hierzu unterliegt die Legislative, der auch der Vermittlungsausschuß zugehörig ist, keiner inhaltlichen Steuerung durch einen normativ aktualisierten Volkswillen, 213 vergegenwärtigt sie diesen doch erst selbst, ohne an einen bereits vorgefundenen Willen gebunden sein zu können. Sie ist bei der Ausübung ihrer Gesetzgebungsbefugnis lediglich an die Verfassung als äußeren Rahmen gebunden. Demokratisch verantwortlich sind die Abgeordneten unmittelbar gegenüber dem Volk selbst, sanktioniert durch den periodisch wiederkehrenden Wahlakt. 214 Dieses Gefälle zwischen hohem personellen Legitimationsniveau des Parlaments und geringem – normativ begründeten – sachlich-inhaltlichen Legitimationsniveau des Gesetzes ist Ausdruck enger Verzahnung und daraus folgender begrenzter Substituierbarkeit beider Legitimationsformen 215. Letztere befreit jedoch nicht vom Gebot eines Mindestmaßes an inhaltlicher Repräsentation. Auch zwischen den Wahlakten ist der Volkswillen in einem kontinuierlichen Vorgang inhaltlich stets von neuem zu verwirklichen 216. Inhaltliche Repräsentation kann dabei weder 211
BVerfGE 83, 60 (72) (Ausländerwahlrecht II). E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 21; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 272 f. 212 BVerfGE 83, 60 (72) (Ausländerwahlrecht II); BVerfGE 93, 37 (66) (Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein); BVerfGE 107, 59 (88) (Lippeverband). E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 21. Vertiefend Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 322 ff.; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 334 ff.; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (357 ff.). 213 Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 119. 214 BVerfGE 77, 1 (40) (Neue Heimat). E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 21. 215 E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 23; Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 117. Ausführlich Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 281 ff. (im allgemeinen) und S. 292 (für das Parlament im besonderen). Siehe auch Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 329 f., 331 f. Nach st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts erlangen die verschiedenen Formen demokratischer Legitimation erst in ihrem Zusammenwirken Bedeutung BVerfGE 83, 60 (72) (Ausländerwahlrecht II); BVerfGE 93, 37 (66 f.) (Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein); BVerfGE 107, 59 (87) (Lippeverband). 216 BVerfGE 69, 315 (345) (Brokdorf); siehe auch BVerfGE 118, 277 (338 u. 353) (Abgeordneteneinkünfte). E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 34, Rn. 29; Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 23. A. A. Jestaedt, dem zufolge das Parlament über keinerlei
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
als bloße Abbildung von abstrakt Vorgefundenem verstanden 217 noch auf eine demoskopische Momentaufnahme reduziert werden 218, sondern ereignet sich in einem komplexen Prozeß der Rückkoppelung und des wechselseitigen geistigen Austausches zwischen Staatsvolk und staatlichem Entscheidungsträger 219. Von hervorgehobener Bedeutung für diesen vielschichtigen, parlamentsübergreifenden Gestaltungsprozeß ist auf staatlicher Seite die Ausgestaltung des Verfahrens institutionalisierter Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse. 220 Das Volk muß sich in der Art und Weise, in der die grundlegenden Fragen des Gemeinwesens verhandelt und ausgetragen werden, ungeachtet von inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten wiederfinden und mit ihr identifizieren können. 221 Auf diese Weise erlangt das Verfahren staatlichen Entscheidens (inhaltliche) Legitimationskraft. 222 Für den Vermittlungsausschuß ist damit zu fragen, inwiefern die Ausgestaltung seines Verfahrens geeignet ist, für den Einigungsvorschlag innerhalb des durch das Grundgesetz gesetzten Kompetenzrahmens 223 inhaltliche Legitimation zu vermitteln. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die das Verfahren des Vermittlungsausschusses maßgeblich prägenden Grundsätze der Kompromißbildung und der Vertraulichkeit, verhalten sich diese doch diametral zu den für die legitimatorische Wirkung des parlamentarischen Verfahrens der Gesetzgebung neben der Gleichheit der Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten besonders bedeutsamen Grundsätzen der Öffentlichkeit der Verhandlung sowie der Mehrheitsentscheidung. materiell-demokratische Legitimation verfügt (Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 292). 217 Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 17. 218 Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 119. Siehe auch die Nachweise in A. II. 1., Fußnote 28. 219 BVerfGE 5, 85 (135) (KPD-Verbot); siehe auch BVerfGE 118, 277 (340) (Abgeordneteneinkünfte). Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 119; Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 18. Vgl. auch BVerfGE 33, 125 (159) (Facharzt); BVerfGE 69, 315 (345 f.) (Brokdorf); BVerfGE 89, 155 (185) (Maastricht). Morlok, in: Badura / Dreier (Hrsg.), FS BVerfG, Zweiter Band, S. 559 (566). 220 Vgl. BVerfGE 89, 155 (185) (Maastricht). E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 34, Rn. 29; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 42, Rn. 20. Zu weiteren wichtigen Instrumenten BVerfGE 52, 63 (82 f.) (2. Parteispendenurteil) (Parteien); BVerfGE 69, 315 (344 ff.) (Brokdorf) (Versammlungsfreiheit). 221 E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 34, Rn. 29. Siehe auch BVerfGE 5, 85 (198 f. u. 205) (KPD-Verbot). 222 Vgl. E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 34, Rn. 29; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71, Rn. 92 ff. u. 104. Siehe auch Morlok, in: Badura / Dreier (Hrsg.), FS BVerfG, Zweiter Band, S. 559 (580 f.); ders., in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 42, Rn. 20; Starck, ZG 2003, 81. 223 Ausführlich zu diesem unten D.
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages
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1. Fehlende Öffentlichkeit des Verfahrens im Vermittlungsausschuß Notwendiges Element (inhaltlicher) demokratischer Legitimation repräsentativ verfaßter Legislative ist die Öffentlichkeit ihrer Verhandlungen. 224 Sie gewährleistet Informiertheit des Staatsvolkes und versetzt dieses so in die Lage, seine Kontrollfunktion wahrzunehmen, sie ermöglicht einen fortgesetzten Diskussionszusammenhang zwischen Repräsentierten und Repräsentanten und sichert so effektiven Einfluß des Volkes auf den Inhalt staatlicher Entscheidungen. Sie kann daher als Bedingung wechselseitiger, für den kommunikativen Austausch offener Durchlässigkeit und Verflechtung von staatlich institutionalisierter und gesellschaftlich informeller politischer Willensbildung bezeichnet werden. 225 a) Vertraulichkeit des Verfahrens im Vermittlungsausschuß in Staatspraxis und GOVA Hiervon abweichend hat sich die Staatspraxis für die Vertraulichkeit des Verfahrens im Vermittlungsausschuß 226 entschieden. 227 Diese äußert sich in einem Dreiklang aus Ausschluß der Sitzungsöffentlichkeit, eingeschränkter Berichterstattungsöffentlichkeit und zeitlich befristetem Verschluß der Sitzungsprotokolle. Zur Rechtfertigung wird auf die § 3 S. 3 und §§ 5, 6 GOVA verwiesen, 228 welche den Kreis möglicher Sitzungsteilnehmer restriktiv bestimmen. Eine derart pauschalierende Bezugnahme auf eine Zusammenschau von Vorschriften der Ge224 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 39 f. u. 97; Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 18; Jestaedt, AöR 126 (2001), 216 ff.; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 296 f.; ders, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 36, Rn. 6 ff., Linck, DÖV 1973, 513 (515 f.); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 42, Rn. 20; ders., in: Badura / Dreier (Hrsg.), FS BVerfG, Zweiter Band, S. 559 (573 f.). Vgl. BVerfGE 70, 324 (355) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste) („wesentliches Element des demokratischen Parlamentarismus“); jüngst BVerfGE 118, 277 (383) (Abgeordneteneinkünfte). Zur inhaltlichen Bedeutung der Publizität der Rechtsetzung stellt bereits Kant fest: „Alle auf das Recht anderer Menschen bezogenen Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.“ (Kant, Immanuel, Zum ewigen Frieden, S. 93). 225 Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 18. Vgl. auch BVerfGE 33, 125 (159) (Facharzt). 226 Zu unterscheiden vom „Vermittlungsverfahren“, welches das gesamte Verfahren von der Anrufung des Vermittlungsausschusses über die erneute Beschlußfassung des Bundestages bis hin zur Erteilung der Zustimmung oder des Verzichts auf einen Einspruch durch den Bundesrat bezeichnet. 227 Vgl. ausführlich Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 86 f. 228 Dästner, a. a. O., S. 86; Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 37.
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
schäftsordnung vermag hingegen nicht als ausreichende Rechtsgrundlage für die praktizierte umfassende Vertraulichkeit zu überzeugen. 229 Vielmehr ist zwischen den einzelnen Elementen der Nichtöffentlichkeit des Verfahrens im Vermittlungsausschuß zu unterscheiden. So ist zwar die Beschränkung der Berichterstattung auf ein durch den Ausschuß bestimmtes Mitglied in § 10 Abs. 1 S. 2 GOVA ausdrücklich vorgesehen, schon der Ausschluß der Sitzungsöffentlichkeit läßt sich jedoch allenfalls mittelbar aus den Teilnahmebeschränkungen der § 3 S. 3 und §§ 5, 6 GOVA herleiten. Gänzlich einer normativen Grundlage entbehrt schließlich der zeitlich befristete Verschluß der Sitzungsprotokolle. b) Vereinbarkeit mit dem grundgesetzlichen Öffentlichkeitsgebot Von ungleich größerer Bedeutung ist indessen die Frage, inwiefern sich dieser weitreichende Ausschluß der Öffentlichkeit im Verfahren des Vermittlungsausschusses überhaupt mit dem grundgesetzlichen Öffentlichkeitsprinzip vereinbaren läßt. Im Schrifttum finden sich hierzu nur Richtungsaussagen allgemeiner Art. Entweder wird die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens im Vermittlungsausschuß als parlamentsfeindlich angeprangert 230 und deren Verantwortlichkeiten verschleiernder Charakter betont 231, oder aber – ganz überwiegend – die strikte Vertraulichkeit als derart existentielle Funktionsbedingung des Vermittlungsverfahrens angesehen 232, daß sich daraus ohne weiteres auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit schließen lasse. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der aufgeworfenen Frage setzt zunächst voraus, deren grundgesetzlichen Maßstab zu bestimmen. aa) Verfassungsgrundsatz der Öffentlichkeit Das Grundgesetz verlangt als Bestandteil eines übergeordneten Transparenzgebotes 233 die Öffentlichkeit staatlicher Beratungs- und Entscheidungsverfahren 234.
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Kritisch auch Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 112. Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 26. 231 Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 60. Kritisch auch Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (326). 232 Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 208; Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses; Dehm, NDBZ 1960, 1 (2); Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 73 ff. u. 162; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 63; J. Schmidt, Die Struktur der Zweiten Kammer im Rechtsvergleich, S. 114 f. Siehe auch jüngst BVerfGE 120, 56 (74) (Vermittlungsausschuß) („[...] der Vermittlungsausschuß tagt im Interesse der Effizienz seiner Arbeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit [...]“). 230
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages
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Diese ist zugleich Ausfluß des demokratischen Prinzips 235 wie ein rechtstaatliches Anliegen 236. 237 In seiner demokratischen Dimension gebietet der Verfassungsgrundsatz die Öffentlichkeit der parlamentarischen Verhandlung als notwendige Bedingung effektiver demokratischer Legitimation repräsentativ verfaßter Legislative. 238 Dieses allgemeine Gebot öffentlicher Parlamentsverhandlung hat in zahlreichen Vorschriften des Grundgesetzes eine Konkretisierung 239 erfahren. So werden explizit die Öffentlichkeit der Verhandlungen des Bundestages (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG), der Untersuchungsausschüsse (Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG) sowie des Bundesrates (Art. 52 Abs. 3 S. 3 GG) garantiert. Hinzu treten Bestimmungen wie Art. 43 Abs. 1 GG (Zitierrecht des Bundestages) oder Art. 110 GG (Budgetöffentlichkeit) 240, die einen zumindest öffentlichkeitsfördernden Charakter besitzen.
233 Grundlegend zur Transparenz als einem – unter anderem – demokratische und rechtsstaatliche Gehalte zusammenfassenden, übergeordneten verfassungsrechtlichen Grundsatz Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip. 234 BVerfGE 70, 324 (358) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste); BVerfGE 103, 44 (63) (Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal II); BVerfGE 118, 277 (382) (Abgeordneteneinkünfte). Häberle, in: ders. (Hrsg.), Verfassung als öffentlicher Prozeß, S. 225 (226 f. u. 242); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 20, Rn. 11. 235 BVerfGE 70, 324 (358) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste); BVerfGE 103, 44 (63) (Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal II); BVerfGE 118, 277 (382) (Abgeordneteneinkünfte). Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 83; Linck, DÖV 1973, 513 (515 f.); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 20, Rn. 11. 236 BVerfGE 103, 44 (63) (Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal II). Jestaedt, AöR 126 (2001), 216 (219); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 20, Rn. 11; ders., in: Erbguth u. a. (Hrsg.), FS für Hoppe, S. 195 (198 ff.). Siehe auch Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 273; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 61 ff. 237 Im Schrifttum wird vereinzelt darüber hinaus auf die Abgeordnetenrechte aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG rekurriert (siehe nur Dieterich, Die Funktion der Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen im Strukturwandel des Parlamentarismus, S. 117 f.). Dabei bleibt jedoch unklar, worin der über die unmittelbare Herleitung aus dem Demokratieprinzip hinausgehende eigenständige Gehalt zu erblicken ist. Folgerichtig wird denn auch von der ganz überwiegenden Zahl der Stimmen eine Behandlung unter dem übergeordneten Aspekt der demokratischen Begründung des Öffentlichkeitsgebotes vorgenommen (siehe nur Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 130 f.; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 65). Zum (teil-)konzentrischen Verhältnis von Demokratieprinzip und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG siehe auch BVerfGE 80, 188 (220 f.) (Wüppesahl). 238 Siehe Nachweise in Fußnote 224. 239 Betonung deren Vorrangigkeit in BVerfGE 118, 277 (382 f.) (Abgeordneteneinkünfte). 240 Vgl. BVerfGE 70, 324 (358) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
bb) Geltung des allgemeinen Öffentlichkeitsprinzips der Demokratie für den Vermittlungsausschuß Für den Vermittlungsausschuß fehlt es an einer grundgesetzlichen Regelung, die die Öffentlichkeit seiner Beratungen ausdrücklich anordnet. Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG gilt nur für den Bundestag, nicht jedoch für den Vermittlungsausschuß als selbständiges Organ. Mangels speziellen Öffentlichkeitsgebotes ist daher auf das in Art. 20 Abs. 2 GG wurzelnde, allgemeine Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie zurückzugreifen. 241 Dessen Begründung in der Notwendigkeit demokratischer Legitimation und Kontrolle besitzt für den Vermittlungsausschuß als Legislativorgan keine im Vergleich zur parlamentarischen Verhandlung geringere Berechtigung. 242 cc) Rechtfertigung eingeschränkter Öffentlichkeit des Verfahrens im Vermittlungsausschuß Allerdings gilt der Verfassungsgrundsatz der Öffentlichkeit nicht ausnahmslos 243. Das Grundgesetz selbst sieht in Art. 42 Abs. 1 S. 2 GG für Plenardebatten des Bundestages und in Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG für Sitzungen eines Untersuchungsausschusses ausdrücklich die Möglichkeit eines Ausschlusses der Öffentlichkeit vor. Darüber hinaus sind Einschränkungen zulässig, sofern sie durch zwingende Gründe des Gemeinwohls von Verfassungsrang gerechtfertigt sind 244. Öffentlichkeitsgebot und konkurrierendes Interesse sind dabei im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen. 245 Zur Rechtfertigung des Ausschlusses der Öffentlichkeit im Verfahren des Vermittlungsausschusses wird von Staatspraxis und Schrifttum angeführt, die Vertraulichkeit der Verhandlungen sei existentielle Bedingung für die Funktionsfähigkeit des Gremiums. 246 Zuzustim241
Keine Bedeutung für das Verfahren im Vermittlungsausschuß entfaltet hingegen der rechtsstaatliche Begründungsansatz des grundgesetzlichen Öffentlichkeitsprinzips, wird der Vermittlungsausschuß doch lediglich im Staatsinternum, nicht jedoch außenwirksam tätig. Bröhmer beschränkt seine Untersuchung, inwiefern das Rechtsstaatsprinzip die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens gebietet, denn auch konsequenterweise auf das Verfahren der Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen (Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 153 ff.). 242 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 93. 243 BVerfGE 103, 44 (63) (Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal II). Vgl. auch BVerfGE 4, 74 (94) (Ärztliches Berufsgericht); BVerfGE 70, 324 (358) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste). Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 69 ff. 244 BVerfGE 103, 44 (63) (Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal II). Siehe auch Jestaedt, AöR 126 (2001), 216 (220). 245 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 112. Siehe auch Jestaedt, AöR 126 (2001), 216 (243).
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages
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men ist dieser Argumentation in der Benennung des Rechtfertigungsgrundes, zu widersprechen hingegen in dem diesem eingeräumten umfassenden Vorrang. (1) Funktionsfähigkeit des Vermittlungsausschusses als zwingender Grund des Gemeinwohls von Verfassungsrang Die Vertraulichkeit der Beratungen im Vermittlungsausschuß folgt der – eigentlich paradoxen – Beobachtung, daß Nicht-Öffentlichkeit Bedingung für die Offenheit kollektiver Entscheidungsfindungsprozesse sein kann. 247 In besonderem Maße gilt dies für die Bildung von Kompromissen. Erst verschlossene Türen ermutigen zum offenen Wort, ermöglichen ein wechselseitiges, gesichtwahrendes Nachgeben. Bei einem Organ wie dem Vermittlungsausschuß, dessen alleiniger Zweck die Suche nach politischen Kompromissen ist, berührt die Frage der Öffentlichkeit der Beratungen damit die Funktionsfähigkeit des Gremiums als solche. Die Funktionsfähigkeit parlamentarischer Institutionen ist ein in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkanntes Gut von Verfassungsrang. 248 Sie ist damit grundsätzlich geeignet, auch Einschränkungen der Öffentlichkeit zu rechtfertigen 249. 250 Mittelbar wird mit der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Vermittlungsausschusses die Verwirklichung des Gedankens der Gesetzgebungseffizienz sichergestellt. Einem Öffentlichkeitsausschluß kann damit jedoch nicht dessen nur eingeschränkte Rechtfertigungswirkung 251 entgegengehalten werden. Denn die Vergleichsgröße bildet hierbei das Gesetzgebungsverfahren, wie es sich ohne Beteiligung des Vermittlungsausschusses darstellte. Da das Verfahren im Vermittlungsausschuß mangels Gesetzgebungsbefugnis nicht das Gesetzgebungsverfahren ersetzen kann, 252 sondern sich vielmehr als ein zusätzlicher Verfahrensabschnitt darstellt, können Einschränkungen seines Verfahrens auch nicht als solche des Gesetzgebungsverfahrens verstanden werden. Ausgestaltung des Verfahrens in Bundestag und Vermittlungsausschuß verhalten sich vielmehr neutral zueinander 253. Einschränkungen der Öffentlichkeit bedürfen jeweils einer gesonderten Rechtfertigung. 254 246 Vgl. 6. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 30. März 1983, Stenographisches Protokoll 9/6, S. 18 f. Siehe auch Nachweise in Fußnote 232. 247 Vgl. Jestaedt, AöR 126 (2001), 216 (230 f.). 248 BVerfGE 51, 222 (236 f.) (5 %-Sperrklausel III); BVerfGE 82, 322 (338) (Gesamtdeutsche Wahl); BVerfGE 96, 264 (278) (Fraktions- und Gruppenstatus); BVerfGE 112, 118 (140) (Zählverfahren für Sitzanteile). 249 Vgl. die ausführliche Kategorisierung funktionaler Rechtfertigungen eines Öffentlichkeitsausschlusses bei Jestaedt, Matthias, AöR 126 (2001), 216 (225 ff.). 250 Speziell für den Vermittlungsausschuß Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 112; Cornils, DVBl. 2002, 497 (504 f.). 251 Vgl. hierzu oben A. III. 2. c). 252 Vgl. oben B. I. 2. a) bb).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
(2) Ausgleich von Transparenz und Effizienz im Verfahren des Vermittlungsausschusses Ist mit der Funktionsfähigkeit des Vermittlungsausschusses das Rechtsgut benannt, welches geeignet ist, Einschränkungen des demokratischen Öffentlichkeitsgebotes zu rechtfertigen, gilt es nun, beide miteinander zum Ausgleich zu bringen. Richtet man den Fokus auf das die Funktion des Vermittlungsausschusses tragende Motiv der Gesetzgebungseffizienz, so wird deutlich, daß es hierbei um die Auflösung eines dem Gesetzgebungsverfahren grundsätzlich zugrunde liegenden Spannungsverhältnisses von Transparenz und Effizienz geht. Entgegen der von weiten Teilen des Schrifttums vorgenommenen Auflösung dieses Spannungsverhältnisses zugunsten des Effizienzkriteriums ist in zweierlei Hinsicht zu differenzieren. Zum einen sind die verschiedenen Elemente des Ausschlusses der Öffentlichkeit im Verfahren des Vermittlungsausschusses zu unterscheiden. Zum anderen ist bei einer jeweiligen Gegenüberstellung von Funktionsfähigkeit und Öffentlichkeitsgebot der unterschiedliche Grad ihrer Gefährdung beziehungsweise Berechtigung zu würdigen. Einschränkungen der Öffentlichkeit sind nur soweit gerechtfertigt, wie sie zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Vermittlungsausschusses zwingend erforderlich sind. 255
253 Dies verkennen Bröhmer und Kluth, wenn sie einen Ausgleich des Öffentlichkeitsdefizits im Vermittlungsausschuß durch die spätere – öffentliche – Beschlußfassung im Bundestag in Erwägung ziehen (Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 112 f.; Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 37). 254 Damit läßt sich auch die von der überwiegenden Auffassung mit funktionalen Argumenten vertretene Rechtfertigung der in § 69 Abs. 1 S. 1 GOBT vorgesehenen grundsätzlichen Nichtöffentlichkeit der Ausschußsitzungen des Bundestages (siehe nur BVerfGE 1, 144 (152) (Geschäftsordnungsautonomie). Dieterich, Die Funktion der Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen im Strukturwandel des Parlamentarismus, S. 105 f.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 42, Rn. 1) – ganz abgesehen von der fehlenden Eigenschaft eines Bundestagsausschusses – nicht (unmittelbar) auf den Vermittlungsausschuß übertragen. Jene Argumentation überzeugt allerdings ohnehin nicht, verkennt sie doch, daß mit der Verlagerung der Aufgaben des Parlaments in die Ausschüsse auch eine solche seiner Repräsentativfunktion einhergeht. Letztere gebietet jedoch nicht nur eine spiegelbildliche Besetzung, sondern verlangt auch die Einhaltung des für das Plenum vorgesehenen Verfahrens. Dieses zeichnet sich aber durch grundsätzliche Öffentlichkeit aus. Abweichungen bedürfen der Rechtfertigung durch ein übergeordnetes Interesse. In diesem Sinne kritisch auch Linck, DÖV 1973, 513 (516 ff.); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 42, Rn. 24 m.w. N. Siehe auch Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 104 ff. 255 Bismark, DÖV 1983, 269 (273); Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 112.
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages
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(a) Ausschluß der Sitzungsöffentlichkeit In besonderem Maße gefährdet wäre die Funktionsfähigkeit des Vermittlungsausschusses im Falle der Öffentlichkeit seiner Sitzungen, ist mit diesen doch der äußerst sensible Vorgang der Kompromißbildung unmittelbar betroffen. Für diesen trifft wohl in der Tat die Annahme zu, daß sich die Öffentlichkeit der Beratungen für ein wechselseitiges Nachgeben hinderlich erweisen, damit die Suche nach möglichen politischen Kompromissen erheblich erschweren und die Erfolgsaussichten des Verfahrens deutlich reduzieren würde. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, für die Sitzungen des Vermittlungsausschusses der Funktionsfähigkeit Vorrang vor dem Öffentlichkeitsgebot einzuräumen. (b) Einschränkung der Berichterstattungsöffentlichkeit Für sich genommen läßt sich auch die eingeschränkte Berichterstattungsöffentlichkeit rechtfertigen. Nach § 10 Abs. 1 S. 2 GOVA erstattet ein jeweiliges vom Ausschuß bestimmtes Mitglied in Bundestag und Bundesrat einen mündlichen Bericht, der den Einigungsvorschlag sowie die wesentlichen zu seiner Verabschiedung führenden Erwägungen zum Gegenstand hat. Der Berichterstatter unterliegt keinerlei förmlichen Mindestanforderungen, sondern ist in seiner inhaltlichen Gestaltung weitgehend frei. Informationen über das Verfahren im Vermittlungsausschuß werden dabei allerdings üblicherweise nur sehr restriktiv weitergegeben. So erfahren die Abgeordneten des Bundestages in der Regel nicht einmal das Abstimmungsergebnis. Denn auch diejenigen Mitglieder des Vermittlungsausschusses, die nicht als Berichterstatter fungieren, haben die Vertraulichkeit seiner Verhandlungen zu wahren. In Schriftform liegt den Abgeordneten lediglich eine synoptische Gegenüberstellung von ursprünglichem Gesetzesbeschluß und den im Einigungsvorschlag vorgesehenen Änderungen vor. In ihrer Nachträglichkeit und in ihrer personellen Beschränkung auf ein Mitglied des Vermittlungsausschusses ist die eingeschränkte Berichterstattungsöffentlichkeit zwangsläufige Konsequenz folgerichtig verwirklichter Nichtöffentlichkeit der Sitzungen des Vermittlungsausschusses. Dem Öffentlichkeitsgebot trägt sie zumindest insoweit Rechnung, als sie Ergebnistransparenz herstellt. (c) Befristeter Verschluß der Sitzungprotokolle Zweifel bereits an seiner Eignung zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Vermittlungsausschusses ruft der befristete Verschluß der Sitzungsprotokolle hervor. In ständiger Praxis entscheidet der Vermittlungsausschuß zu Beginn der Legislaturperiode eines neuen Bundestages über die Freigabe der Protokolle seiner während der Wahlperiode des vorletzten Bundestages geführten Beratungen 256. Bei 256
Vgl. zuletzt die 1. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 9. März 2006.
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
unverkürzten Wahlperioden folgt daraus eine Verschlußdauer von vier bis acht Jahren. Vor Freigabe zur allgemeinen Einsichtnahme stehen die Sitzungsprotokolle nur den ordentlichen Mitgliedern des Vermittlungsausschusses und, soweit sie an den Beratungen teilgenommen haben, den stellvertretenden Mitgliedern und den Mitgliedern der Bundesregierung zur Verfügung. Anderen Personen sind sie nicht zugänglich. Eine Ausnahme wird lediglich für das Bundesverfassungsgericht gemacht, dem die Möglichkeit eingeräumt werden soll, darüber zu befinden, ob es für bestimmte, für eine konkrete Entscheidung relevante Niederschriften die Aufhebung der Vertraulichkeit beantragt. Insofern läßt sich allenfalls die Annahme einer mittelbaren Wirkung zugunsten der Funktionsfähigkeit des Vermittlungsausschusses vermuten. Unabhängigkeit und Freiheit der Mitglieder des Vermittlungsausschusses sollen nicht nur durch Vertraulichkeit im Augenblick des gesprochenen Wortes gewährleistet werden, auch Beeinträchtigungen, die aus der Aussicht auf eine spätere Publizität des Gesprochenen resultieren könnten, sollen ausgeschlossen werden. Als Beispiel dafür, daß eine so weitgehende Vertraulichkeit keinesfalls zwingend ist, seien die Berichte der nach § 69 Abs. 1 S. 1 GOBT auf Grund vergleichbarer funktionaler Erwägungen ebenfalls vertraulich beratenden Ausschüsse des Bundestages genannt. In besonderem Maße fragwürdig erscheint die strenge Vertraulichkeit der Protokolle jedoch vor dem Hintergrund, daß sich in der Praxis eine Weitergabe von Informationen über Vorgänge im Vermittlungsausschuß als durchaus üblich beobachten läßt. 257 Gesteht man jedoch dem Vermittlungsausschuß als unmittelbar betroffenem und damit sachnächstem Gremium einen Einschätzungsspielraum bei der Bestimmung der zur Wahrung der Funktionsfähigkeit notwendigen Reichweite der Vertraulichkeit seines Verfahrens zu 258, wird man wohl auch den zeitlich begrenzten Verschluß der Sitzungsprotokolle als gerade noch zulässig erachten müssen. (d) Zusammenwirken der einzelnen Elemente des Öffentlichkeitsausschlusses Isoliert betrachtet lassen sich damit alle Elemente des Öffentlichkeitsausschlusses im Vermittlungsausschuß rechtfertigen. Die Schwere der Beeinträchtigung des demokratischen Öffentlichkeitsgebotes wird allerdings erst bei einer 257 Die Wahrung der Vertraulichkeit war denn auch immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen im Vermittlungsausschuß (vgl. 5. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 23. November 1977, Kurzprotokoll 8/5, S. 8 ff.; 6. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 26. Januar 1978, S. 3 ff. Siehe auch 18. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 16. November 1978, Kurzprotokoll 8/18, S. 25 f.). Meist endeten diese mit einer Bekräftigung des Vertraulichkeitsgrundsatzes (Stellungnahme des Vorsitzenden Koschnick in der 6. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 30. März 1983, Stenographisches Protokoll 9/6, S. 19). 258 Vgl. BVerfGE 70, 324 (359) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste).
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages
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Betrachtung ihres Zusammenwirkens deutlich. 259 Im Mittelpunkt stehen dabei die Auswirkungen auf die erneute Beschlußfassung des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG. Zwar unterliegt der Ausschluß der Öffentlichkeit in Vermittlungsausschuß und Bundestag einem je gesonderten Rechtfertigungserfordernis. Dies entbindet jedoch nicht davon, zu berücksichtigen, wie sich Einschränkungen der Öffentlichkeit auf den folgenden Abschnitt des einheitlichen Gesetzgebungsverfahrens auswirken, zumal Sinn und Zweck der Gewährleistung von Öffentlichkeit gerade die Ermöglichung von Wechselwirkungen ist. Insofern hat der gegenwärtige, weitreichende Ausschluß der Öffentlichkeit im Vermittlungsausschuß zur Folge, daß die Abgeordneten des Bundestages bei ihrer Abstimmung über einen Einigungsvorschlag ausschließlich diejenigen Informationen zugrunde legen können, die ihnen durch den Bericht eines Mitglieds des Vermittlungsausschusses nach § 10 Abs. 1 S. 2 GOVA vermittelt werden. Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Beschränkung des Verfahrens des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG auf eine bloße Abstimmung durch § 10 Abs. 2 GOVA 260 wirft eine derart beschränkte Offenlegung der Erwägungen des Vermittlungsausschusses die Frage auf, wie unter solchen Voraussetzungen eine bewußte und reflektierte Entscheidung 261 der Abgeordneten des Bundestages überhaupt möglich sein soll. Die legitimatorische Wurzel des demokratischen Öffentlichkeitsprinzips und die Sicherung klarer Verantwortlichkeiten lassen daher eine umfassendere Unterrichtung der Abgeordneten des Bundestages geboten erscheinen. c) Reformansätze Wenngleich sich unmittelbar aus dem demokratischen Öffentlichkeitsgebot auf Grund dessen Abstraktheit keine konkreten – im Sinne einzig zwingender – Folgerungen ableiten lassen, so lassen sich doch zumindest mögliche Lösungsansätze aufzeigen. Einer Diskussion entzogen ist dabei auf Grund ihrer elementaren Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Vermittlungsausschusses die Nichtöffentlichkeit seiner Sitzungen. Damit bleiben Modifikationen der Berichterstattung sowie eine erweiterte Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Sitzungsprotokolle. So ließe sich zum einen überlegen, die Berichterstattung in Anlehnung an die Praxis der Bundestagsausschüsse einem Schriftformerfordernis sowie einer Begründungspflicht zu unterwerfen. 262 Gleichsam als Reflex zwänge ein solches Gebot den Vermittlungsausschuß zur Vergewisserung seines Ergebnisses. Zudem hülfe ein solches Erfordernis, die Wahrscheinlichkeit von 259 260 261 262
Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 38. Siehe dazu unten C. II. 3. c) dd). Vgl. Schmidt-Jortzig, ZParl 1992, 582 (599). So auch die Forderung von Redeker, ZRP 2004, 160 (163).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
in der Praxis oft durch den herrschenden Zeitdruck bedingten handwerklichen Fehlern zu minimieren. Des weiteren wäre denkbar, die Sitzungsprotokolle in Parallele zum besonderen Einsichtnahmerecht des Bundesverfassungsgerichts auch den Abgeordneten des Bundestages vor ihrer Beschlußfassung nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG parlamentsintern und vertraulich zugänglich zu machen. 263 In der Praxis zu befürchtende Indiskretionen stellten keinen wesentlichen Nachteil verglichen mit dem gegenwärtigen status quo dar, ereignen sich solche doch ohnehin bereits jetzt. 2. Vermittlung im Wege institutionell verselbständigter Mehrheitsentscheidung Weiterer das parlamentarische Verfahren repräsentativer Demokratie neben dem Öffentlichkeitsprinzip maßgeblich prägender und für dessen legitimierende Wirkung bedeutsamer Grundsatz ist das Mehrheitsprinzip. 264 Auch diesen tragenden Grundsatz der freiheitlichen Demokratie 265 verwirklicht das Vermittlungsverfahren nur unvollkommen. a) Vermittlung als Abweichung vom Grundsatz der Mehrheitsentscheidung Der Grundsatz der Mehrheitsentscheidung gewährleistet – unter bestimmten Bedingungen – demokratisch gleiche Teilhabe und wahrt dabei Entscheidungsfähigkeit. 266 Seine legitimierende Wirkung beruht nicht auf einem Anspruch sachlicher Richtigkeit 267, sondern folgt aus der Qualität des der Entscheidung vorangegangenen Verfahrens 268. Den Ausgangspunkt bildet hierbei der Gedanke der 263
So der Vorschlag von Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 38. 264 Es handelt sich hierbei allerdings um keine demokratiespezifische, sondern eine bereits sehr viel ältere Entscheidungsregel. Zur Geschichte Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 41 ff.; Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 13 ff. 265 BVerfGE 29, 154 (165) (Niedersächsisches Kommunalwahlprüfungsverfahren); BVerfGE 112, 118 (140) (Zählverfahren für Sitzanteile). 266 Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 101; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 42, Rn. 31. 267 Zu einer entsprechenden sowie weiteren vertretenen Rechtfertigungen des Mehrheitsprinzips vergleiche aber die Darstellung bei Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 49 ff. 268 Vgl. BVerfGE 5, 85 (199) (KPD-Verbot); BVerfGE 69, 315 (347) (Brokdorf); siehe auch das Sondervotum des Richters Mahrenholz zu BVerfGE 70, 324 (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste), 366 (369). Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 76; Hillgruber, AöR 127 (2002), 460 (464); Hofmann / Dreier, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5, Rn. 53.
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages
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Gesamtrepräsentation, wonach es die Gesamtheit der in ihrem Status als Vertreter des ganzen Volkes gleichen Abgeordneten ist, welche das Staatsvolk repräsentiert 269. Mehrheit wie Minderheit bleiben jederzeit gleichberechtigte Teile dieser Gesamtheit. 270 Dies erlaubt zum einen, Mehrheitsentscheidungen der Gesamtheit des Parlaments und damit der Gesamtheit des Staatsvolkes zuzurechnen. 271 Zum anderen versetzt es in die Lage, die Minderheit in die legitimierende Wirkung der Entscheidung mit einzubeziehen, wenn diese ihre Legitimation unter Verzicht auf einen endgültigen Richtigkeitsanspruch allein aus einem ihr vorausgehenden, durch Offenheit und Gleichheit in der Teilhabe gekennzeichneten Verfahren erfährt. Dieser unauflösbare Zusammenhang von Mehrheit und Minderheit bietet der Minderheit die Möglichkeit, jederzeit zur Mehrheit zu werden und eine Entscheidung inhaltlich zu revidieren 272. Dies sichert Entscheidungsakzeptanz und damit den Rechtsgehorsam aller. 273 Im Grundgesetz verankert ist das Mehrheitsprinzip als Ausprägung des Demokratieprinzips in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG. Konkretisierungen hat es für den Bundestag in den Artt. 42 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 2 bis 4, 67 Abs. 1 S. 1 GG, für den Bundesrat in Art. 52 Abs. 3 S. 1 GG oder für die Bundesversammlung in Art. 54 Abs. 6 GG erfahren. Das Vermittlungsverfahren weicht hingegen gewollt vom Grundsatz der Mehrheitsentscheidung ab, ist doch der das Verfahren tragende Gedanke der Vermittlung auf die Herstellung eines weitestgehenden politischen Konsenses gerichtet. Während dieser konsensuale Charakter des Vermittlungsverfahrens im Zentrum des politikwissenschaftlichen Diskurses stehend eine positive Würdigung als effizientes Instrument politischer Deliberation erfährt 274, wird ihm von rechtswissenschaftlicher Seite eine Denaturierung des die parlamentarische Demokratie bestimmenden Mehrheitsprinzips vorgeworfen 275. Letzterem kann in dieser Uneingeschränktheit nicht zugestimmt werden, erhebt das Mehrheitsprinzip in vergleichender Betrachtung zur Einstimmigkeit doch weniger den Anspruch eines demokratischen Ideals, sondern ist vielmehr der Notwendigkeit geschuldet, Entscheidungsfähigkeit zu gewährlei269 BVerfGE 44, 308 (315 f.) (Beschlußfähigkeit); BVerfGE 56, 369 (405) (Agent); BVerfGE 80, 188 (218) (Wüppesahl); BVerfGE 84, 304 (321) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 104, 310 (329 f.) (Pofalla II). 270 Sondervotum des Richters Mahrenholz zu BVerfGE 70, 324 (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste), 366 (369). Siehe auch Dreier, ZParl 1986, 94 (106 f.). 271 Vgl. BVerfGE 2, 143 (172) (EVG-Vertrag). 272 Zur besonderen Bedeutung der Revisibilität für die Rechtfertigung des Grundsatzes der Mehrheitsentscheidung BVerfGE 5, 85 (199) (KPD-Verbot); Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 78. 273 Sondervotum des Richters Mahrenholz zu BVerfGE 70, 324 (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste), 366 (369). Hillgruber, AöR 127 (2002), 460 (464). 274 Vgl. statt vieler nur Lhotta, in: Holtmann / Voelzkow (Hrsg.), Zwischen Wettbewerbs- und Verhandlungsdemokratie, S. 79 ff. 275 Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 26.
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
sten. Allerdings ist der erhobenen Kritik insoweit beizupflichten, als mit dem Verzicht auf eine Mehrheitsentscheidung zwei kritisch zu beobachtende Folgewirkungen einhergehen. So sieht das Mehrheitsprinzip nicht nur zur Sicherung von Entscheidungsfähigkeit ganz bewußt vom Erreichen eines weitest möglichen Konsenses ab, sondern wohl auch zur Gewährleistung eines Mindestmaßes an sachlicher Entscheidungsqualität, 276 allerdings nicht im Verständnis von Richtigkeit, sondern lediglich im Verständnis von Folgerichtigkeit. Zuvörderst aber hindert das Absehen vom Mehrheitsprinzip in seinem Zusammenwirken mit der Nichtöffentlichkeit der Beratungen des Vermittlungsausschusses das Entstehen klarer Verantwortlichkeiten. 277 Bei genauerer Betrachtung fällt allerdings auf, daß die Logik des Wettbewerbs und der Mehrheitsentscheidung und die Logik des Verhandelns und der Konsenssuche im Vermittlungsverfahren auf eine ungleich komplexere Art und Weise miteinander verknüpft sind. 278 Eine Abweichung vom Mehrheitsprinzip tritt ausschließlich auf institutioneller Ebene – im Sinne eines Fehlens eines Letztentscheidungsrechtes im Verhältnis von Bundestag und Bundesrat – ein, erfaßt aber nicht das institutionalisierte Verfahren im Vermittlungsausschuß. b) Vermittlung durch Mehrheitsentscheidung: Abstimmung nach Köpfen (§ 8 GOVA) Nach § 8 seiner Geschäftsordnung faßt der Vermittlungsausschuß seine Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen seiner anwesenden Mitglieder. Die Regelung verzichtet auf ein weitergehendes qualifiziertes Mehrheitserfordernis im Sinne einer – rechtsvergleichend durchaus üblichen 279 – dualen Mehrheit, welche sicherstellen soll, daß einer Stimmenmehrheit zugleich sowohl eine Mehrheit der Stimmen der vom Bundestag entsandten als auch der vom Bundesrat bestellten Mitglieder zugrunde liegt (sogenannte „Abstimmung nach Bänken“). 280 Be276 277
Vgl. Morlok, in: Badura / Dreier (Hrsg.), FS BVerfG, Zweiter Band, S. 559 (582 f.). P. Kirchhof, in: Schneider / Rückle / Küpper / Wagner (Hrsg.), FS für Siegel, S. 399
(405). 278
Vgl. P. Graf Kielmansegg, Nach der Katastrophe, S. 390. So setzen sowohl das Verfahren der Conference Committees in den Vereinigten Staaten von Amerika (vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 25; Reinert, Veriepphqjco]qoo_dq¿ qj` ?kjbanaj_a ?kiieppaao( O* -42% ]ho ]q_d `]o `an ȖȓȈȐȅȖȍȗȊȐȡȒ]Ȥ ȏȓȑȍȖȖȍȤ ej `an Nqooeo_daj BÖ`an]pekj aeja Iadndaep ^ae`an ̦>Äjga̤ rkn]qo* 280 Ähnliches gilt für die Regelung der Beschlußfähigkeit. Auch diese sieht von einem entsprechenden qualifizierten Erfordernis ab. So ist einfache Beschlußfähigkeit des Vermittlungsausschusses nach § 7 Abs. 1 GOVA bereits bei einer Anwesenheit von zwölf Mitgliedern unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen entsendenden Organen gegeben (damit ist – rein theoretisch – sogar eine Konstellation denkbar, in der Vertreter eines der beiden Organe Bundestag und Bundesrat völlig fehlen). Als Voraussetzung der Beschlußfassung über einen Einigungsvorschlag verlangt § 7 Abs. 3 GOVA zwar eine Min279
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages
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schlüsse des Vermittlungsausschusses stellen sich somit als Regelfall der Mehrheitsentscheidung eines selbständigen Organs dar. Damit ereignet sich Vermittlung im Verfahren des Art. 77 Abs. 2 GG im Wege einer – wenn auch eigens institutionalisierten – Mehrheitsentscheidung. aa) Abstimmungs- oder Anwesenheitsmehrheit Nach § 8 GOVA ist für einen Beschluß des Vermittlungsausschusses die Mehrheit der Stimmen seiner anwesenden Mitglieder erforderlich. Hiervon abweichend läßt die ständige Staatspraxis eine Abstimmungsmehrheit genügen, die gegeben ist, wenn die Zahl der Ja-Stimmen bei Nichtberücksichtigung der Stimmenthaltungen diejenige der Nein-Stimmen überwiegt. 281 Diese lange Zeit unbeanstandet gebliebene Praxis 282 wirft die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit § 8 GOVA auf. Präzise formuliert geht es dabei darum, festzustellen, ob § 8 GOVA auch einer Auslegung im Sinne einer Abstimmungsmehrheit zugänglich ist. Bereits der Wortlaut der Regelung spricht jedoch mit seiner ausdrücklichen Wahl der Bezugsgröße der „anwesenden Mitglieder“ stark für die ausschließliche Zulässigkeit einer Anwesenheitsmehrheit. Bestätigung findet dieses Ergebnis in einer systematischen Einbeziehung des für Beschlüsse des Bundestages geltenden Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG. Auch dieser wird in ständiger Praxis im Sinne einer Abstimmungsmehrheit gehandhabt. 283 Im Unterschied zu § 8 GOVA findet diese aber auch ihr Entsprechung im Wortlaut, verlangt Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG doch explizit die „Mehrheit der abgegebenen Stimmen“. Damit hätte jedoch auch für § 8 GOVA – eine entsprechende Intention vorausgesetzt 284 – eine solch ausdrückliche Formulierung einer Abstimmungsmehrheit nahe gelegen. 285 Im Ergebnis destbesetzung von jeweils sieben Mitgliedern, diese Mindestparität ist jedoch bei einer Gesamtzahl von 32 Mitgliedern so gering angesetzt, daß asymmetrisch beschlußfähige Besetzungen unschwer denkbar sind. 281 Vgl. die umfassenden Nachweise bei Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 135. 282 Eine kontroverse Auseinandersetzung erfolgte erstmals gegen Ende der 12. Wahlperiode und vor Inkraftsetzen der GOVA für die 13. Wahlperiode. Die Frage war damals auch Gegenstand von Beratungen im Ausschuß für Geschäftsordnungsfragen und Immunität des Deutschen Bundestages. Auf Grund der knappen Mehrheitsverhältnisse konnte die Frage jedoch (bis heute) nicht geklärt werden. Vgl. dazu Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 134; ders., ZParl 1999, 26 (33 f.). 283 Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 42, Rn. 38; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 42, Rn. 34; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 42, Rn. 4. 284 Die Frage hat bei der Entstehung der Vorschrift keine Rolle gespielt. Allerdings sah Nr. 8 der Empfehlungen des Juristischen Ausschusses der Ministerpräsidenten noch eine „Mehrheit der abgegebenen Stimmen“ vor (Büro der Ministerpräsidenten des amerikanischen, britischen und französischen Besatzungsgebietes (Hrsg.), Empfehlungen des Juristischen Ausschusses der Ministerpräsidenten, 1949, Anlage 4, Nr. 8).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
spricht daher viel dafür, daß sich § 8 GOVA ausschließlich im Sinne einer Anwesenheitsmehrheit verstehen läßt. Die hiervon abweichende Staatspraxis, die bereits eine Abstimmungsmehrheit ausreichen läßt, verletzt damit Geschäftsordnungsrecht. Da es sich hierbei jedoch um einen lediglich organintern wirkenden Rechtsverstoß handelt, sich eine gleichzeitige Verletzung von Verfassungsrecht aber nicht feststellen läßt, bleibt die Wirksamkeit eines Gesetzes hiervon unberührt. Unabhängig davon, zu welchem Ergebnis man bei der Auslegung des § 8 GOVA kommt, empfiehlt sich jedenfalls eine klarstellende Neufassung im Sinne der praktizierten Abstimmungsmehrheit. Als Vorbild kann hierbei die Formulierung des Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG dienen. bb) Kein qualifiziertes Mehrheitserfordernis für Einigungsvorschläge zu verfassungsändernden Gesetzen Auch für Einigungsvorschläge zu verfassungsändernden Gesetzen ist keine besondere, über das einfache Mehrheitserfordernis in § 8 GOVA hinausgehende qualifizierte Mehrheit bei der Beschlußfassung des Vermittlungsausschusses zu fordern. 286 Das Gebot einer Zweidrittelmehrheit in Art. 79 Abs. 2 GG erwähnt zum einen ausdrücklich nur Bundestag und Bundesrat und gilt zum anderen nach ganz vorherrschender und zutreffender Auffassung nur für die Schlußabstimmungen, nicht hingegen für sonstige Beschlüsse im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens. 287 Nur der konstitutive Gesetzesbeschluß soll ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis auslösen. Wenngleich der – im Gesetzgebungsverfahren tätig werdende – Vermittlungsausschuß richtigerweise als eigenständiges Verfassungsorgan zu qualifizieren ist 288, so verfügt er doch unbestrittenermaßen über keine Gesetzgebungsbefugnis. Damit kommt seinen Beschlußfassungen jedoch auch nicht der Charakter konstitutiver Gesetzesbeschlüsse zu. Sie können daher nicht als Schlußabstimmungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ange285 Die dem von Dästner zur Rechtfertigung der Zulässigkeit einer Abstimmungsmehrheit entgegengehaltenen Bezugnahmen auf vergleichbare, allerdings ausschließlich zivilrechtliche und zudem noch in ihrer Auslegung umstrittene Regelungen vermögen indessen nur schwerlich zu überzeugen (Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 136 f.). 286 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 132. Vgl. auch Bardenhewer, Die Entstehung und Auflösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesetzgebungsorganen, S. 249; Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG, S. 50 f. 287 Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 79, Rn. 23; Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 79, Rn. 20; G. Hoffmann, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 79 Abs 1 u. 2, Rn. 56; Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 79, Rn. 24; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 79, Rn. 5. Eingehende Begründung bei Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 358 ff. 288 Vgl. oben B. I. 2. a).
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages
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sehen werden und unterliegen demzufolge auch nicht dem für solche geltenden Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit. 289 c) Der sogenannte „unechte Einigungsvorschlag“: Ausdruck und Bewährung organschaftlicher Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses aa) Begriff des „unechten Einigungsvorschlags“ Die Entscheidung für eine Vermittlung im Wege institutionell verselbständigter – das meint auf eine institutionelle Rückbindung in Form eines dualen Mehrheitserfordernisses verzichtender – Mehrheitsentscheidung bringt die Möglichkeit von Einigungsvorschlägen mit sich, die der Zustimmung durch eine Mehrheit der durch den Bundestag bestellten Mitglieder des Vermittlungsausschusses entbehren. So zustande gekommene – in der Praxis erstmals gegen Ende der 12. Wahlperiode aufgetretene 290 – Einigungsvorschläge werden von Staatspraxis 291 und Schrifttum 292 als sogenannte „unechte Einigungsvorschläge“ bezeichnet – „unecht“ insofern, als sie keine Erfolgsaussichten auf eine Annahme durch den Bundestag besäßen. bb) Kritik im Schrifttum Die Offenheit der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses für das Zustandekommen auch derartiger „unechter Einigungsvorschläge“ sieht sich teils heftiger Kritik im Schrifttum ausgesetzt. So wird von politikwissenschaftlicher Seite der Vorwurf erhoben, die Möglichkeit „unechter Einigungsvorschläge“ sei Ausdruck grundsätzlicher Sinnwidrigkeit einer Wahl der – hierarchi-
289 Die – einmalige – abweichende gutachterliche Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundestages, der für die Finanzreform 1969 (Vgl. die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 26. Februar 1969, BT-Drs. V/3896) zu dem Ergebnis kam, daß ein Beschluß über die „Aufschnürung“ eines verfassungsändernden Gesetzes im Vermittlungsausschuß einer qualifizierten Mehrheit bedürfe (vgl. Protokoll der 111. Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestages, S. 7 u. 12), vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen. Kritisch hierzu auch Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 170. 290 Als Geburtsstunde des „unechten Einigungsvorschlags“ gilt die 28. Sitzung des Vermittlungsausschusses der 12. Wahlperiode am 31. August 1994. Vgl. ausführlich dazu wie zum ganzen Dästner, ZParl 1999, 26 ff. 291 Vgl. etwa den Justizminister des Saarlandes, Arno Walter, in der 707. Sitzung des Bundesrates vom 19. Dezember 1996, Plenarprotokoll 707, S. 664C, oder den bayerischen Staatsminister Erwin Huber in der 746. Sitzung des Bundesrates vom 17. Dezember 1999, Plenarprotokoll 746, S. 478C. 292 Dästner, ZParl 1999, 26 ff.
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
schen 293 – Entscheidungsregel der Mehrheitsentscheidung, die einem von Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens mitgedachten horizontalen Entscheidungsmechanismus zuwiderlaufe und damit die Institution des Vermittlungsausschusses ad absurdum führe. 294 Auch aus rechtswissenschaftlicher Sicht wird Kritik geübt. Diese reicht von der Äußerung einer – allein rechtspolitischen – Präferenz für den Entscheidungsmechanismus einer Abstimmung nach Bänken 295 bis hin zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 8 GOVA mit der Begründung, daß er in seinem Verzicht auf das Erfordernis einer doppelten Mehrheit den, den Vermittlungsausschuß institutionell rechtfertigenden Gedanken einer Verständigung zwischen Bundestag und Bundesrat geradezu pervertiere 296. cc) Rechtfertigung als Ausdruck organschaftlicher Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses Die skizzierten Einwände laufen in ihrem Ergebnis überwiegend auf die These hinaus, daß ein doppeltes Mehrheitserfordernis verfassungsrechtlich zwingend vorgegeben sei. Die Annahme, daß eine Abstimmung nach Bänken zwingend geboten ist, findet jedoch in Art. 77 Abs. 2 GG keinerlei Anhaltspunkte. Hiervon gingen auch bereits die Empfehlungen des Juristischen Ausschusses der Ministerpräsidenten von 1949 für eine Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses aus. 297 Vielmehr weist Art. 77 Abs. 2 GG die Vermittlungsaufgabe einem eigenständigen Organ zu, welches gerade auf der Grundlage neuer politischer Kräfteverhältnisse Kompromißvorschläge ermöglichen und unter Ausschöpfung sämtlicher Möglichkeiten einer Verständigung eigenverantwortlich über einen Vorschlag zur Einigung entscheiden soll. 298 Als anschaulicher Beleg für die Verselbständigung der Vermittlungsentscheidung sei an dieser Stelle nur noch 293
Insofern bleibt bereits schleierhaft, worin der „hierarchische“ Charakter einer demokratischen Mehrheitsentscheidung zu sehen ist, zeichnet sich diese doch gerade durch ihre Gleichheit in der Teilhabe aus. 294 Lhotta, in: Holtmann / Voelzkow (Hrsg.), Zwischen Wettbewerbs- und Verhandlungsdemokratie, S. 79 (91 ff.). 295 Opfermann, in: Grawert u. a. (Hrsg.), FS für E.-W. Böckenförde, S. 177 (187 ff.). 296 Trossmann, JZ 1983, 6 (12). Kritisch auch Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 48. 297 Büro der Ministerpräsidenten des amerikanischen, britischen und französischen Besatzungsgebietes (Hrsg.), Empfehlungen des Juristischen Ausschusses der Ministerpräsidenten, 1949, Anlage 4, Nr. 3. Nicht zuzustimmen ist hingegen dem darüber hinaus gehenden Befund, daß Art. 77 Abs. 2 GG eine Abstimmung nach Bänken nicht nur nicht gebiete, sondern einer solchen sogar entgegenstehe. Denn die Möglichkeit einer entsprechenden Ausgestaltung läßt sich wohl aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verneinen. 298 Vgl. BVerfGE 112, 118 (144 f.) (Zählverfahren für Sitzanteile). Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 69.
III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlages
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einmal die in Art. 77 Abs. 2 S. 3 GG ausdrücklich gewährleistete Weisungsfreiheit der vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder genannt. 299 Wichtiger als die Frage der Zugehörigkeit zu Bundestag oder Bundesrat ist die Persönlichkeit des einzelnen Mitglieds des Vermittlungsausschusses. 300 Damit stellt sich jedoch § 8 GOVA, wenn er für die Beschlußfassung des Vermittlungsausschusses über einen Einigungsvorschlag eine einfache Mehrheit ausreichen läßt, nicht als grundsätzliche Verkennung des Gedankens der Vermittlung dar, sondern ist vielmehr folgerichtiger Ausdruck der Entscheidung des Art. 77 Abs. 2 GG, diese institutionell zu verselbständigen. Insofern ist bereits die Begrifflichkeit des „unechten Einigungsvorschlags“ irreführend gewählt, liegt ihr doch – zumindest latent – ein Denken in der Notwendigkeit doppelter Mehrheiten zugrunde. Auch bei derartigen Einigungsvorschlägen handelt es sich jedoch um „echte“ Einigungsvorschläge im Sinne einer durch Art. 77 Abs. 2 GG vorgezeichneten Vermittlung im Wege institutionell verselbständigter Mehrheitsentscheidung. dd) Der „unechte“ Einigungsvorschlag als Bewährungsprobe institutioneller Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses Gleichwohl stellt der „unechte“ Einigungsvorschlag unstreitig eine Herausforderung für die organschaftliche Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses dar, können ihm die Abgeordneten des Bundestages doch nicht schon deshalb folgen, weil er bereits durch „ihre“ Vertreter im Vermittlungsausschuß gebilligt wurde. Es bedarf vielmehr der Überzeugung von der inhaltlichen Richtigkeit des vorgeschlagenen Kompromisses. Eine solche Notwendigkeit bildet jedoch auch eine Chance für klarere Verantwortlichkeiten im Vermittlungsverfahren, für eine Versachlichung und nicht zuletzt für einen Gewinn an Qualität von Verfahren und Inhalten. 301 Schließlich können auch die Befürworter einer Abstimmung nach Bänken das verbleibende Restrisiko des Scheiterns eines Einigungsvorschlages nicht ausschließen, zumal bei den „unechte Einigungsvorschläge“ ermöglichenden Mehrheitsverhältnissen im Falle der Geltung eines dualen Mehrheitserfordernisses die wahrscheinlichere Alternative wohl nicht in einem erfolgversprechenden Einigungsvorschlag, sondern vielmehr in einem Abschluß des Verfahrens gänzlich ohne Einigungsvorschlag nach § 12 Abs. 2 GOVA zu sehen wäre 302.
299 Ausführlich zur Qualifizierung des Vermittlungsausschusses als selbständigem Verfassungsorgan oben B. I. 2. a). 300 Vgl. von der Heide, DÖV 1953, 129 (130); Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 69 f. 301 Siehe auch oben B. I. 2. b). 302 Diesen überzeugenden Nachweis erbringt Dästner, ZParl 1999, 26 (38 ff.).
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B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz
IV. Zusammenfassung Der Vermittlungsausschuß ist ein in Art. 77 Abs. 2 GG vorgesehenes Organ der Legislative, dem die Aufgabe zugewiesen ist, im Falle zunächst nicht erteilter Zustimmung oder drohenden Einspruchs durch den Bundesrat über einen Einigungsvorschlag zu entscheiden, der geeignet erscheint, die Zustimmung sowohl von Bundestag als auch Bundesrat zu erlangen. Mit seiner Einrichtung geht eine Stärkung der Position des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren einher, erlangen dessen Mitglieder doch ausnahmsweise die Möglichkeit, inhaltlich-gestaltenden Einfluß auf die Gesetzgebung zu nehmen. Allerdings ist der Vermittlungsausschuß keine zwingende Konsequenz der Notwendigkeit, eine Paralysierung der Gesetzgebung durch fortgesetzte Ausübung des Vetorechtes durch den Bundesrat zu vermeiden, sondern stellt sich lediglich als ein mögliches Instrument dar. Seine institutionelle Rechtfertigung erfährt der Vermittlungsausschuß im Gedanken der Gesetzgebungseffizienz, soll das Vermittlungsverfahren doch eine zusätzliche Möglichkeit bieten, das Gesetzgebungsziel noch auf der Grundlage des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens zu verwirklichen. In vergleichender Betrachtung zu einem erneuten, umfassenden Gesetzgebungsverfahren sind dabei jedoch nur Einschränkungen quantitativer Art gerechtfertigt, nicht hingegen solche qualitativer Art. Der Status des Vermittlungsausschusses ist der eines Verfassungsorgans, behält ihm doch Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG das Recht vor, darüber zu entscheiden, ob er einen Einigungsvorschlag macht, sowie diesen gegebenenfalls zu formulieren. Insoweit erfüllt der Vermittlungsausschuß unabhängig und eigenverantwortlich eine ihm eigens durch die Verfassung übertragene Aufgabe. Anschaulichster Ausdruck der Eigenständigkeit seiner Entscheidung ist die gewährleistete Weisungsunabhängigkeit seiner Mitglieder. Mit der Bejahung organschaftlicher Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses geht eine strukturell-institutionelle Stärkung des Bundestages einher, läßt doch die Zuweisung von Gesetzgebungs- und Vermittlungskompetenz an verschiedene Organe eine Wahrung der Kompetenzgrenzen in der Staatspraxis zumindest wahrscheinlicher erscheinen. Die Funktion des Vermittlungsausschusses gebietet seine paritätische Zusammensetzung aus Mitgliedern von Bundestag und Bundesrat. Er ist ein ständiges Organ und unterliegt nicht dem Grundsatz der Diskontinuität. Dieser ausschließlich für den Bundestag geltende Grundsatz entfaltet lediglich eine gewisse Ausstrahlungswirkung. Die Regelung der genauen Zusammensetzung des Gremiums ist nach Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG Gegenstand der Gemeinsamen Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat für den Vermittlungsausschuß. Eine Delegation dieser Entscheidung ist unzulässig. Eine Regelung der Zusammensetzung verlangt zwingend eine Festlegung, wie die jeweiligen politischen Kräfteverhältnisse in Bundestag und Bundesrat bei der Besetzung des Vermittlungsausschusses abzubilden sind. Kein zwingender, aber tauglicher Regelungsgegenstand ist die Wahl des dabei zur Anwendung kommenden Zählverfahrens. Seine Mitglieder erhalten ihre Legitimation durch Plenumsbeschluß des jeweils
IV. Zusammenfassung
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entsendenden Organs. Bei der Bestellung hat der Bundestag das Gebot repräsentativer Abbildung, der Bundesrat den Grundsatz der Ländergleichheit zu berücksichtigen. Ihre materielle Legitimation erfahren die Einigungsvorschläge des Vermittlungsausschusses im Wege institutionell verselbständigter Mehrheitsentscheidung, deren nichtöffentliche Entstehung sich zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Gremiums in eingeschränktem Umfang rechtfertigen läßt.
C. Der verfahrenssystematische Zusammenhang der Vermittlungskompetenz: Das Gesetz als Ergebnis eines einheitlichen Verfahrens des Bundestages Nach Einbettung in ihren demokratischen Legitimationszusammenhang ist die Vermittlungskompetenz in einem weiteren Schritt in ihren verfahrenssystematischen Zusammenhang einzuordnen. Ehe allerdings der verfahrenssystematische Zusammenhang der Vermittlungskompetenz in der konkreten Struktur des Gesetzgebungsverfahrens geklärt werden kann, gilt es, sich des grundsätzlichen Verhältnisses der Kategorien der Kompetenz und des Verfahrens zu vergewissern.
I. Vorfrage: Das Verhältnis von Kompetenz und Verfahren 1. Begriff der Kompetenz Die Kompetenz weist einer staatlichen Organisationseinheit einen Gegenstand hoheitlichen Handelns zur Wahrnehmung zu. 1 Synonym wird auch von Zuständigkeit gesprochen. 2 Mögliche Zuweisungssubjekte der Handlungsvollmacht sind mit dem Verband, dem Organ und dem einzelnen Amt sämtliche Organisationseinheiten innerhalb des staatlichen Organisationsgefüges. 3 Nicht gleichgesetzt werden darf die Kategorie der Kompetenz mit derjenigen der Aufgabe. 4 Vielmehr setzt die Kompetenz stets das Vorliegen einer Staatsaufgabe bereits voraus. 5 Damit darf zwar von der Kompetenz auf die ihr notwendig voraus liegende, sachlich entsprechende Staatsaufgabe gefolgert werden, nicht jedoch von der Aufgabe auf die dieser erst nachfolgende Kompetenz. Während die Staatsaufgabe den Handlungsraum der Staatsorganisation von demjenigen 1 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73, Rn. 19; P. Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 59, Rn. 16; März, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 30, Rn. 10. Siehe auch Oldiges, DÖV 1989, 873 ff. 2 Vgl. den Nachweis der Koinzidenz beider Begriffe bei Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 35 ff. A. A. Oldiges, DÖV 1989, 873 (874). 3 Vgl. Oldiges, DÖV 1989, 873 (875). 4 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 52. 5 Bull, a. a. O., S. 53; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73, Rn. 19; Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, S. 177.
I. Vorfrage: Das Verhältnis von Kompetenz und Verfahren
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der Gesellschaft abgrenzt, legt die Kompetenz den rechtlichen Handlungsrahmen einer staatsinternen Organisationseinheit gegenüber einer anderen fest und besitzt damit primär staatsorganisatorische Binnenrelevanz 6. Ferner ist die Kompetenz von der Befugnis zu unterscheiden. Diese ermächtigt innerhalb des durch eine Kompetenznorm zugewiesenen Handlungsbereiches zu Eingriffen in die insbesondere durch die Grundrechte geschützten Individualrechtspositionen des einzelnen. 7 Auch hier kann nur einseitig von der Befugnis auf das Vorliegen einer korrespondierenden Kompetenz geschlossen werden, nicht hingegen im umgekehrten Wege von der Kompetenz auf eine Befugnis. 8 Grund ist hier die Geltung des Vorbehalts des Gesetzes. 2. Begriff des Verfahrens a) Die Vielschichtigkeit des Verfahrensgedankens Im Unterschied zur Kategorie der Kompetenz hat der Begriff des Verfahrens keine allgemein anerkannte begriffliche Klärung erfahren. Er findet eine uneinheitliche, bisweilen gar gegensätzliche Vielfalt an Verwendungen. So ist offen, ob Verfahren das Abstraktum oder einen konkreten Einzelvorgang 9, die durch das Verfahrensrecht bestimmte Struktur 10 oder den in Gang gesetzten tatsächlichen Prozeß 11 bezeichnet. Eine umfassende rechtswissenschaftliche Theorie des Verfahrens existiert nicht. 12 Tiefer begründet liegt dies wohl im grundsätzlichen Gegensatz von prozeduralem und materiellem Gemeinwohlverständnis 13. 14 So
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Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73, Rn. 19. Isensee, a. a. O., Rn. 21; P. Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 59, Rn. 24; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 30, Rn. 3. 8 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 73, Rn. 21 m.w. N. 9 Dezidiert für eine Beschränkung auf den einzelnen Vorgang Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 175. 10 Zum Begriff der Verfahrensstruktur vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 258 m.w. N. 11 Dieser kann seinerseits wiederum in ganz unterschiedlicher Weite erfaßt werden. Mögliche Verständnisse reichen vom „inneren Verfahren“ der Entscheidungsbildung des einzelnen Amtswalters oder Mandatsträgers (vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 268) bis hin zu mittelbar beeinflussenden, komplexen gesellschaftlichen Vorgängen. 12 In diesem Sinne bereits Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 11; Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 170. Speziell für das Verwaltungsverfahren vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 193; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 109, Rn. 8. 13 Vgl. Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71, Rn. 92 u. 95 ff. Ausführlich hierzu oben A. II. 2. 14 Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 11. 7
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
werden im Verständnis einer Verwirklichung des Gemeinwohls durch Verfahren weit in das allein Faktische hineinreichende Ansätze vertreten. 15 b) Das Verfahren im Rechtssinne Schließt man (ausschließlich) faktische Verfahrensverständnisse im Bemühen um einen Begriff des Verfahrens im rechtlichen Sinne aus, so ist auch damit noch kein einheitlicher und umfassender Verfahrensbegriff gewonnen, hat ein rechtlicher Verfahrensbegriff doch zum einen über eine bloße Bezugnahme auf das Verfahrensrecht hinauszugehen, zum anderen so unterschiedliche Verfahren wie das gerichtliche Verfahren, das Verwaltungsverfahren oder aber das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren zu erfassen. Eingehendere Untersuchungen des Verfahrens im Rechtssinne beschränken sich denn zumeist auch auf einen der drei genannten Verfahrenstypen, 16 weisen dabei in ihrem Gegenstand allerdings eine Reichweite von der ausschließlichen Behandlung vom geltenden Verfahrensrecht bis hin zu ausführlichen empirischen Befunden auf. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, wenn auch gesetzestextliche Erwähnungen des Verfahrensbegriffs keineswegs einem einheitlichen Verständnis unterliegen 17. 18 15 An dieser Stelle seien bewußt beispielhaft nur deren drei herausgegriffen. Wohl in Folge des dynamischen Staatsverständnisses von Smend bedient sich Krüger des Verfahrensgedankens, wenn er Staatlichkeit an sich als geordnetes Verfahren zu umschreiben sucht (Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 197 ff.). Im Verständnis der Verfassungsstaatlichkeit knüpft Häberle nicht an den Staatsbegriff, sondern an den der Verfassung an. Er begreift letztere als einen über eine bloße formelle Ordnung hinausgehenden Prozeß, in dem Verfahren ein quantitativ-inhaltlicher Bedeutungsgehalt für das Ergebnis von Entscheidungen zukomme (vgl. hierzu Häberle, in: ders. (Hrsg.), Verfassung als öffentlicher Prozeß, S. 155 (163, 165 u. 169). Siehe auch Häberle, a. a. O., S. 225 (243); ders., a. a. O., S. 121 (122 f.)). Unter Verzicht auf jede materielle Rechtfertigung sucht schließlich Luhmann aus soziologischer Sicht eine originäre Legitimationswirkung von Verfahren aufzuzeigen (Luhmann, Legitimation durch Verfahren). Legitimität sieht er dabei als gegeben an, wenn sich ein – allein faktisches – Akzeptieren unterstellen lasse (Luhmann, Rechtssoziologie, S. 261). 16 Zum Verwaltungsverfahren grundlegend Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., §§ 33 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 109. Zum gerichtlichen Verfahren siehe Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts; M. Wolf, Gerichtliches Verfahren. Zum Gesetzgebungsverfahren siehe nur Mengel, Gesetzgebung und Verfahren; Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis der Gesetzgebung. 17 Zur Reichweite des Begriffs des „Verwaltungsverfahrens“ in Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG vgl. BVerfGE 55, 274 (321) (Berufsausbildungsabgabe); BVerfGE 75, 108 (150) (Künstlersozialversicherungsgesetz); Hermes, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. III, Art. 84, Rn. 36 ff. m.w. N. Siehe auch Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 33, Rn. 1; sowie bereits Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118 ff. 18 Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird der Verfahrensbegriff uneinheitlich verwandt. So geht das Gericht mal von einem Verständnis des
I. Vorfrage: Das Verhältnis von Kompetenz und Verfahren
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Es ist das besondere Verdienst der Verwaltungsverfahrenslehre, sich in jüngerer Zeit um einen juristischen Verfahrensbegriff bemüht zu haben 19, der über die Spezifika einer einzelnen Verfahrensart hinaus übertragbar erscheint. Danach läßt sich das Verfahren als eine Mehrzahl zweckmäßig und planvoll geordneter Handlungen definieren, die von einer hierzu ermächtigten staatlichen Organisationseinheit – unter möglicher Einbeziehung weiterer Beteiligter – durchzuführend auf ein gemeinsames Ziel gerichtet sind, welches eine mehr oder minder förmliche Entscheidung darstellt, die die Gestaltung oder Feststellung von Rechten, Pflichten oder Rechtslagen zum Gegenstand hat. 20 Ausgangspunkt jedes Verfahrens ist somit die Zuständigkeit eines staatlichen Organs, final-verbindendes Element der nachfolgenden – zunächst als nur tatsächlich wahrzunehmenden – Handlungen das gemeinsame Verfahrensziel 21. Funktionen des Verfahrens sind Information – verstanden in einem übergreifenden Sinne von Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung 22 – und Artikulation 23 – die Entscheidung eingeschlossen. Ausgehend von diesem allgemeinen Verfahrensbegriff lassen sich sodann in Abhängigkeit von Gegenstand und spezieller Funktion des einzelnen Verfahrens vielfältige Typisierungen vornehmen. 24 Grundlegend ist insoweit die Unterscheidung von – (politisch) gestaltenden – normsetzenden Verfahren, – primär rechtskonkretisierend und gemeinwohlgestaltend, auch Verfahrens „in einem weiteren Sinne“ aus, welches Zuständigkeiten einschließen könne (BVerfGE 8, 155 (165 f.) (Lastenausgleich)), nimmt in anderen Entscheidungen hingegen eine Alternativität von Verfahren und Zuständigkeit an (BVerfGE 40, 237 (250) (Justizverwaltungsakt)). 19 Grundlegend Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 33, Rn. 7; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 305 ff. Siehe auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 193 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 27. 20 Vgl. Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 33, Rn. 7; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 195; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 305 (der allerdings auch Verwaltungshandeln ohne Entscheidungscharakter wie die reale Leistungsbewirkung als vom Begriff des Verfahrens erfaßt ansehen möchte (a. a. O., S. 306), was die Frage aufwirft, worin sich dann das Verwaltungsverfahren – abgesehen von Konstellationen, in denen dem realen Verwaltungshandeln eine Entscheidung zumindest vorangeht – überhaupt noch von (jeglichem) Verwaltungshandeln unterscheidet); SchmidtPreuß, NVwZ 2005, 489 (489); Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 58 Rz. 1. Siehe auch P. Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 59, Rn. 45 ff. 21 Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 195; J. Sommer, Verwaltungskooperation am Beispiel administrativer Informationsverfahren im Europäischen Umweltrecht, S. 62 ff. 22 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 305. 23 Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489 (489). Siehe auch P. Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 59, Rn. 52. 24 Für das Verwaltungsverfahren J.-P. Schneider, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 28.
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
präventiv-rechtsschützenden – normanwendenden Verfahren sowie – der nachträglichen Kontrolle dienenden – Verfahren justitiellen Typs. 25 3. Begegnung von Kompetenz und Verfahren im Gedanken demokratischer Legitimation Bei einer Untersuchung der aus dem Gedanken demokratischer Legitimation durch Verfahren folgenden Grenzen für die Kompetenz des Vermittlungsausschusses liegt es nahe, das Verhältnis von Kompetenz und Verfahren 26 im Lichte des wechselseitigen Zusammenwirkens von personell-organisatorischer und sachlich-inhaltlicher Legitimation in der Kompetenzvorschrift zu würdigen. a) Kompetenz als Rahmen inhaltlicher Legitimation Die Kompetenznorm weist einer personell legitimierten staatlichen Organisationseinheit inhaltlich einen Sachgegenstand zur Wahrnehmung zu, legitimiert damit zum Handeln innerhalb eines sachlich umgrenzten Aufgabenbereichs. Auf diese Weise erfüllt sie die Funktion eines Scharniers zwischen den beiden eng miteinander verzahnten Faktoren personeller und sachlicher demokratischer Legitimation 27. Der inhaltliche Legitimationsgehalt der Kompetenzvorschrift bleibt hierbei allerdings gering, verharrt sie doch in der Abstraktheit sachgegenständlicher Zuweisung und enthält keinerlei Vorgaben für das Ergebnis konkreter Kompetenzausübung. Insoweit weist die Kompetenz einen nahezu ausschließlich formalen Charakter auf. 28 Sie stellt sich damit lediglich als Rahmen – als „Gefäß“ 29 – inhaltlicher Legitimation, nicht jedoch als deren Quelle dar. 30 25
Diese Differenzierung nach der materiellen Funktion des Verfahrens muß sich keinesfalls mit der formellen Zugehörigkeit des Verfahrensträgers zur entsprechenden der drei Gewalten decken; vgl. für das Verwaltungsverfahren Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 307 f.; ders., in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 27, Rn. 56 ff. Siehe auch die grundlegende Darstellung möglicher Funktionen des Verfahrens bei Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 199 ff. 26 Zum Verhältnis von Kompetenz und Verfahren vgl. auch Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 170 ff. 27 Vgl. hierzu E.-W. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, § 24, Rn. 23. 28 Zu einem darüber hinausgehenden – in seiner Annahme wie Reichweite streitigen – materiellen, das meint Einschränkungen von Grundrechten rechtfertigenden Gehalt von Kompetenzvorschriften vgl. aus jüngerer Zeit J. Becker, DÖV 2002, 397 ff. m.w. N. Grundlegend Pestalozza, Der Staat 11 (1972), 161 ff. Siehe auch Pieroth, AöR 114 (1989), 422 ff. 29 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, § 71, Rn. 89. 30 Isensee, a. a. O., Rn. 89 ff. Vgl. auch Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, S. 187.
I. Vorfrage: Das Verhältnis von Kompetenz und Verfahren
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b) Verfahren als Instrument inhaltlicher Legitimation Das Verfahren gewährleistet die inhaltliche Legitimation der konkreten Kompetenzwahrnehmung eines staatlichen Organs innerhalb des durch die Kompetenzvorschrift eröffneten bloßen Legitimationsrahmens. 31 Inhaltliche Legitimation vollzieht sich in einem fortgesetzten, vielschichtigen Vorgang gegenseitigen Austausches zwischen Staatsvolk und Staatsorganen. Für dessen Qualität ist die Ausgestaltung der Verfahren staatlicher Entscheidungsprozesse von hervorgehobener Bedeutung, entscheidet diese doch darüber, ob und in welchem Umfang sich ein wechselseitiger Austausch zwischen staatlichem Entscheidungsträger und Staatsvolk überhaupt ereignen kann, und bestimmt damit, in welcher Qualität der Wille des Staatsvolkes in das Ergebnis konkreter Kompetenzausübung Eingang findet. c) Begriff eines auf die konkrete Kompetenzausübung des einzelnen Organs bezogenen Verfahrens Im Verständnis einer solchen über das Gebot demokratischer Legitimation hergestellten Verbindung von Kompetenz und Verfahren bezeichnet das Verfahren die konkrete Ausübung der einzelnen Kompetenz eines Organs. Funktion dieses konkreten Verfahrens ist es, den abstrakten Rahmen der Kompetenz mit Inhalt zu füllen. Dies gilt nicht nur im „einfachen“ Verfahren eines Organs, sondern auch in „zusammengesetzten“ Verfahren eines oder mehrerer Organe, findet sich in diesen das gleiche Verhältnis von Kompetenz und Verfahren doch lediglich vervielfältigt wieder. 4. Das Verhältnis von Kompetenz und Verfahren bei Beteiligung mehrerer Organe Speziell am Gesetzgebungsverfahren sind mehrere Organe beteiligt, so daß es hier nicht um eine Frage des Verhältnisses von Kompetenz und Verfahren, sondern um die des Verhältnisses mehrerer Verfahren zueinander geht. Im wissenschaftlichen Schrifttum ist diese Fragestellung in ihrer Abstraktheit noch wenig durchdrungen. Auch für das Gesetzgebungsverfahren sucht man dahingehende Untersuchungen vergeblich. Lediglich für das Verwaltungsverfahren wurden dahingehende Versuche einer Systematisierung unternommen. 32 Nicht 31
Siehe ausführlich oben A. II. 1. Vgl. Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 37 Rn. 31 ff.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 258 ff., 288 ff.; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 118 f., 178 f.; Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 109, Rn. 50 ff.; ders., Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 339 f. 32
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
von Interesse ist in dieser Hinsicht eine Mehrzahl losgelöst nebeneinander stehender Verfahren, läßt sich diese doch bereits mit den zum grundsätzlichen Verhältnis von Kompetenz und Verfahren gewonnenen Erkenntnissen abschließend erfassen. Das Augenmerk gilt allein solchen Konstellationen, in denen die Verfahren mehrerer Organe in einer besonderen Beziehung zueinander stehen, auf eine besondere Art und Weise miteinander verknüpft sind. Bildlich gesprochen, müssen die Verfahren einen gemeinsamen Berührungspunkt aufweisen. Insofern sind zwei Grundkonstellationen denkbar. Weitere Varianten lassen sich als deren Kombinationen begreifen. 33 a) Das „gestufte Verfahren“ als Sequenz von Verfahren Zunächst kommt eine Verknüpfung der Verfahren mehrerer Organe dergestalt in Betracht, daß diese inhaltlich abgestimmt zeitlich gestreckt aufeinander folgen. Insofern wird in der Verwaltungsverfahrenslehre auch von einem „gestuften“ Verfahren gesprochen. 34 Eine solche Bezeichnung ist allerdings unpräzise, handelt es sich doch genau genommen nicht um ein einheitliches Verfahren, sondern um eine Folge mehrerer Verfahren 35. 36 Als Beispiel seien die aus dem Verwaltungsrecht bekannten, für komplexe Genehmigungsverfahren vorgesehenen Instrumente der Teilgenehmigung und des Vorbescheids genannt. 37 Bildlich stellt sich eine solche Verfahrensstruktur als Stapel sich stetig verengender Trich33
So auch das von Hufen erwähnte „Sternverfahren“ in § 71d VwVfG (Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 118). Denn sollen sich mehrere Verfahren in ihrem Ergebnis gleich einem Stern treffen, so weisen sie entweder als parallel nebeneinander stehend keinerlei Verknüpfung auf, oder aber es bedarf eines verbindenden Elementes durch eines der beteiligten Verfahren. Insofern sind jedoch nur die beiden im folgenden dargestellten Möglichkeiten einer zeitlich gestuften Folge der Verfahren oder der Einbettung der Verfahren in eines der beteiligten Verfahren denkbar. Hufen behandelt das „Sternverfahren“ denn auch folgerichtig im Abschnitt über die „Mitwirkung anderer Behörden an der Entscheidungsvorbereitung“, damit der Einbettung anderer Verfahren in ein übergeordnet einheitliches Verfahren. 34 Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 288 f.; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 118; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 340. 35 Zumal im verwaltungsrechtlichen Schrifttum, wenn von einem „gestuften Verfahren“ die Rede ist, ausdrücklich betont wird, daß damit nur solche Strukturen gemeint seien, bei denen dem einzelnen „Verfahrensabschnitt“ verbindliche Außenwirkung zukomme (Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 288 f. Siehe auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 340). 36 Schneider spricht insoweit daher auch von einer „äußeren Verfahrensstufung“ (J.-P. Schneider, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 28, Rn. 102). Treffender erscheint indes die Formulierung Schmidt-Aßmanns, der von „sequentiellen Entscheidungen“ spricht (Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 340), damit den Begriff des Verfahrens vermeidet und durch den der Entscheidung ersetzt.
I. Vorfrage: Das Verhältnis von Kompetenz und Verfahren
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ter dar. Das Ergebnis des vorangegangenen Verfahrens bildet auf Grund der ihm zukommenden Präjudizwirkungen den (Kompetenz-)Rahmen, in den sich das folgende Verfahren einzupassen hat. Überschreitet bereits die vorangehende Entscheidung den ihr eingeräumten Kompetenzrahmen, ist insoweit auch für das folgende Organ der Handlungsrahmen nicht eröffnet. b) Das übergeordnet einheitliche Verfahren Als weitere Möglichkeit, die Verfahren mehrerer Organe zu verknüpfen, ist denkbar, daß einem der Verfahren eine übergeordnete Funktion zukommt, und die Verfahren der anderen Organe mit ihrem Ergebnis in dieses – einheitliche – Verfahren münden. aa) Kennzeichen des übergeordnet einheitlichen Verfahrens Damit stellt sich die Frage, welches das bestimmende Merkmal des übergeordnet einheitlichen Verfahrens ist, und worin es sich von einer Sequenz von Verfahren unterscheidet, in deren Folge dasselbe Organ mehrfach tätig wird. Im verwaltungsrechtlichen Schrifttum wird in negativer Abgrenzung von der untergeordneten Mitwirkung der anderen Behörden von der Entscheidungszuständigkeit 38, Federführung 39 oder aber der Verfahrensleitung 40 oder Verfahrensherrschaft 41 derjenigen Behörde gesprochen, als deren Verfahren sich das übergeordnet einheitliche Verfahren darstellt. Führt man diese Ansätze mit der oben entwickelten Definition des Verfahrens als konkreter Kompetenzausübung des einzelnen Organs zusammen, so kann ein übergeordnet einheitliches Verfahren dann angenommen werden, wenn sich das abschließende Ergebnis als einzig außenwirksames (Verfahrens-)Ziel der ausschließlichen und einheitlichen Wahrnehmung einer Kompetenz eines Organs darstellt. Die Verfahrensherrschaft bildet dabei lediglich ein zwar übliches, jedoch kein zwingendes, nachrangiges formelles Instrument. Bildlich läßt sich eine derartige Verfahrensanordnung mit 37 Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 286; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 340. Siehe etwa §§ 8 und 9 BImSchG oder §§ 7 und 7a AtG. Grundlegend hierzu Schmidt-Aßmann, in: Bachof / Heigl / Redeker (Hrsg.), FS BVerwG, S. 569 ff.; Schmidt-Preuß, DVBl. 2000, 767 (768 f.); Salis, Gestufte Verwaltungsverfahren im Umweltrecht, S. 294 ff. 38 Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 37 Rn. 31 u. 33. Siehe auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 260; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 179. 39 Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 45 Rz. 66 f. 40 Schmidt-Aßmann, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 109, Rn. 57. 41 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 27, Rn. 99.
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
einem Gang beschreiben, in den zahlreiche verschiedene Türen münden, hinter denen sich ihrerseits wiederum eine – untergeordnete – konkrete Kompetenzausübung eines – anderen – Organs verbirgt. 42 Hierbei ist es keineswegs zwingend, daß das Organ, als dessen Kompetenzausübung sich das Verfahren darstellt, auch den letzten Verfahrensakt vornimmt. In solchen Konstellationen ist allerdings im Sinne dessen (Allein-)Verantwortlichkeit sicherzustellen, daß Änderungen der abschließenden Entscheidung ohne erneute Beteiligung des Organs ausgeschlossen sind. bb) Beteiligungsformen im übergeordnet einheitlichen Verfahren Die Möglichkeiten der Einbindung anderer staatlicher Organisationseinheiten in das übergeordnet einheitliche Verfahren eines Organs sind vielfältig. 43 Zunächst kann diese obligatorisch oder fakultativ ausgestaltet sein. Des weiteren läßt sich nach dem mit der Mitwirkung verfolgten Zweck differenzieren, der sich in einem unterschiedlichen Verbindlichkeitsgrad widerspiegelt. Letzterer kann von konsultativen Beteiligungsformen wie der Anhörung – auch „Benehmen“ oder „Stellungnahme“ – zu solchen konstitutiver Art wie der Zustimmung – auch „Einvernehmen“ – reichen. Daß auch bei einem Zustimmungserfordernis nur von einer Mitwirkung gesprochen und kein „gestuftes Verfahren“ im Verständnis einer Folge von Verfahren angenommen werden kann, folgt aus der – außenwirksamen – Einheitlichkeit der Entscheidung, die dem entscheidungszuständigen Organ zugerechnet wird, wenngleich sie auch nicht allein auf Grund dessen Willen ergeht. 44
II. Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens Nach Bestimmung des Verhältnisses von Kompetenz und Verfahren im allgemeinen gilt es, Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens im besonderen zu untersuchen. 45 Hierbei stellt sich die Frage, inwiefern sich das Gesetz42 Bemüht man zur Darstellung des sich verengenden Charakters des Verfahrens erneut das „Trichterbild“ so stellt sich das übergeordnet einheitliche Verfahren als ein großer Trichter dar, in dessen Seitenwände wiederum – kleinere – Trichter münden. 43 Vgl. für das Verwaltungsverfahren Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 37, Rn. 31 ff.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 266; J.-P. Schneider, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 28, Rn. 91. 44 Vgl. Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 37, Rn. 33. 45 Siehe hierzu auch Otten, Der Gesetzesbeschluß und die freien Wirksamkeitsvoraussetzungen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, S. 64 ff.
II. Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens
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gebungsverfahren als ein übergeordnet einheitliches Verfahren des Bundestages begreifen läßt. Hierzu soll im folgenden das Verfahren der Gesetzgebung für ein Gesetz nachvollzogen werden, in dem sich im Ergebnis zumindest Teile eines Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses wiederfinden. 1. Ausgangspunkt des Gesetzgebungsverfahrens: Die Gesetzesinitiative, Art. 76 Abs. 1 GG Auslösendes Moment des Gesetzgebungsverfahrens ist die Gesetzesinitiative. Nach Art. 76 Abs. 1 GG können Gesetzesvorlagen beim Bundestag durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht werden. Jeder Initiant hat einen Anspruch darauf, daß über seinen Vorschlag in angemessener Frist beraten und Beschluß gefaßt wird. 46 Hieraus folgt zugleich auch ein äußerer – wenngleich sehr weiter – kompetentieller Rahmen des konkreten Gesetzgebungsverfahrens, ließen doch Änderungen der Gesetzesvorlage, die so weit gingen, daß sie ihr ihre ursprüngliche Identität nähmen, sie gleichsam denaturierten, das Recht des Initianten auf eine Befassung mit seiner Vorlage ins Leere laufen. 47 2. Das Regelgesetzgebungsverfahren a) Der erste Durchgang im Bundesrat nach Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG Für Vorlagen der Bundesregierung sieht Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG die Besonderheit vor, daß sie zunächst dem Bundesrat zuzuleiten sind. Wie sich aus Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG ergibt, soll dem Bundesrat damit jedoch lediglich die Gelegenheit zu einer frühzeitigen Stellungnahme gegeben werden. Von einem ähnlichen Motiv getragen ist die insoweit parallel laufende Vorschrift des Art. 76 Abs. 3 GG, wonach Gesetzentwürfe des Bundesrates dem Bundestag über die Bundesregierung zuzuleiten sind. b) Die Beratungen im Bundestag Nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG werden die Gesetze vom Bundestag beschlossen. Eine genauere Regelung des Verfahrens, in dem die Gesetzesvorlagen vom 46 BVerfGE 1, 144 (153) (Geschäftsordnungsautonomie); BVerfGE 2, 143 (173) (EVGVertrag); 84, 304 (329) (PDS / Linke Liste); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 76, Rn. 4. Grundlegend Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 128 ff. Siehe auch unten D. IV. 3. b) aa) (2) (a). 47 Vgl. Schürmann, a. a. O., S. 141 ff. Ausführlich hierzu unten D. IV. 3. b) aa) (2) (c) und D. V. 1. b) aa) (4).
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
Bundestag im einzelnen zu „verhandeln“ sind (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG), enthält der 7. Abschnitt des Grundgesetzes nicht. Dessen Konkretisierung ist damit der geschäftsordnungsrechtlichen Festlegung durch den Bundestag überlassen. Eine solche hat allerdings grundgesetzlichen Mindestanforderungen zu genügen. Die Ausgestaltung des Verfahrens hat hierbei dem demokratischen Prinzip (Art. 20 Abs. 2 GG), der Gleichheit der Mitwirkungsrechte der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) sowie dem Öffentlichkeits- (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) und dem Mehrheitsprinzip (Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG) zu genügen. Nach §§ 78 ff. GOBT werden Gesetzesvorlagen in drei Lesungen verhandelt. Zwischen der ersten und der zweiten Lesung werden sie zur vertieften Beratung an die zuständigen Fachausschüsse überwiesen. 48 Den Ausschüssen des Bundestages kommt insoweit eine wichtige, vorbereitende – faktisch oft auch vorentscheidende – Rolle im Hinblick auf die abschließende Entscheidung des Plenums zu. Seinen Abschluß findet das Verfahren mit der Schlußabstimmung (§ 86 Abs. 1 S. 1 GOBT). c) Der zweite Durchgang im Bundesrat nach Art. 77 Abs. 1 S. 2 GG Gesetzesbeschlüsse des Bundestages werden dem Bundesrat zugeleitet, Art. 77 Abs. 1 S. 2 GG. Hierbei ist zwischen Zustimmungs- und Einspruchsgesetzen zu unterscheiden. Bei Zustimmungsgesetzen entscheidet der Bundesrat nach Art. 77 Abs. 2a GG über seine Zustimmung zum Gesetzesbeschluß des Bundestages, damit nach Art. 78 Var. 1 GG konstitutiv über das Zustandekommen des Gesetzes. Die nicht erteilte Zustimmung hat die Wirkung eines absoluten Vetos. Einspruchsgesetze bedürfen hingegen nicht des Einverständnisses des Bundesrates. Allerdings kann dieser nach Art. 77 Abs. 3 S. 1 GG gegen den Beschluß des Bundestages Einspruch einlegen. Voraussetzung ist das vorherige Durchlaufen des Vermittlungsverfahrens nach Art. 77 Abs. 2 GG. Dem Einspruch kommt die Wirkung eines suspensiven Vetos zu. 49 Das Zustandekommen des Gesetzes wird zumindest aufgeschoben, der Bundestag hat jedoch nach Art. 77 Abs. 4 GG die Möglichkeit, dem Gesetzesbeschluß doch noch zum Inkrafttreten zu verhelfen. Den Alternativen von Zustimmungs- und Einspruchsgesetz gemein ist, daß sich der Bundesrat in einer Ratifikationslage wiederfindet. Er wird nicht inhaltlich gestaltend tätig, sondern befindet in lediglich negativer Wirkrichtung über den unveränderlichen Gesetzesbeschluß des Bundestages.
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Vgl. § 80 Abs. 1 S. 1 GOBT. Vgl. Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 30 m.w. N. Siehe auch Otten, Der Gesetzesbeschluß und die freien Wirksamkeitsvoraussetzungen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, S. 85. 49
II. Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens
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3. Das Vermittlungsverfahren a) Die Anrufung des Vermittlungsausschusses Wie sich aus Art. 77 Abs. 3 S. 1 GG ergibt, ist der Bundesrat bei Einspruchsgesetzen verpflichtet, vor Einlegung eines Einspruchs den Vermittlungsausschuß anzurufen. Bei Zustimmungsgesetzen ist die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat hingegen fakultativ ausgestaltet. Entgegen verschiedentlich geäußerter Ansicht 50 beträgt die Anrufungsfrist hierbei in beiden Alternativen drei Wochen und beginnt mit Eingang des Gesetzesbeschlusses (Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG). 51 Die Ablehnung der Anwendung der dreiwöchigen Frist auch auf Zustimmungsgesetze mit der Begründung, die Intention des Vermittlungsverfahrens, einen Ausgleich zwischen Bundestag und Bundesrat herbeizuführen, verlange, keine Möglichkeit zum Kompromiß ungenutzt zu lassen, und spreche dafür, dem – Bedenken tragenden – Bundesrat die Möglichkeit zur Anrufung des Vermittlungsausschusses auch nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist offenzuhalten, setzt sich nicht nur über den eindeutigen Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG hinweg, sondern übersieht auch Sinn und Zweck sowohl der Fristenregelung als auch des Vermittlungsverfahrens, auf eine Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens hinzuwirken. 52 Auch Bundestag und Bundesregierung sind berechtigt, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Während jedoch der Bundesrat den Vermittlungsausschuß sowohl für Einspruchs- als auch Zustimmungsgesetze anrufen kann, gewährt Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG Bundestag und Bundesregierung diese Möglichkeit nur für Zustimmungsgesetze. Bundestag und Bundesregierung können den Vermittlungsausschuß im Falle nichterteilter Zustimmung des Bundesrats, gleichzeitig mit einem Einberufungsverlangen des Bundesrates 53 oder nach Abschluß des Verfahrens im Vermittlungsausschuß anrufen. Voraussetzung für eine Anrufung im Falle nicht erteilter Zustimmung des 50 Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 77, Rn. 10; Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG, S. 41 ff.; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 25. 51 Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 190; Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 10; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 77 f.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 77, Rn. 10; Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (295). 52 Vgl. Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 30; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 78. 53 Motivation einer solchen „doppelten“ Anrufung kann es dabei sein, auf die Vermittlungsmasse Einfluß nehmen zu wollen (Dazu, daß hierbei keinem der beiden Anrufungsbegehren ein wie auch immer gearteter Vorrang bei der Bestimmung des Vermittlungsgegenstandes zukommt, in einem solchen Fall der zulässige Vermittlungsrahmen vielmehr additiv zu bestimmen ist, siehe unten D. V. 1. a) aa) (1). Allerdings will eine solche gut überlegt sein, geht mit ihr doch zugleich der (endgültige) Verlust einer späteren Anrufungsmöglichkeit einher.
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
Bundesrates ist, daß sich abzeichnet, daß das Gesetz den Bundesrat (in dieser Form) nicht passieren wird. Eine Anrufung des Vermittlungsausschusses durch Bundestag und Bundesregierung ist daher erst dann zulässig, wenn der Bundesrat bereits ausdrücklich seine Zustimmung verweigert hat oder der Wille des Bundesrates, die Zustimmung nicht zu erteilen, anderweitig unmißverständlich deutlich geworden ist. 54 Im Zusammenwirken der verschiedenen Anrufungsbefugnisse sind für Zustimmungsgesetze bis zu drei aufeinander folgende Verfahren im Vermittlungsausschuß denkbar 55. Jedes hierzu berechtigte Organ kann den Vermittlungsausschuß allerdings jeweils für jedes Gesetz nur einmal anrufen. 56 In der Praxis stellt die mehrfache Anrufung des Vermittlungsausschusses die Ausnahme dar. 57 Eine Frist, innerhalb derer eine Anrufung durch Bundestag oder Bundesregierung zu erfolgen hat, ist nicht geregelt. 58 Die für den Bundesrat geltende Drei-Wochen-Frist des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG ist nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar. 59 Zur Vermeidung eines endlosen Schwebezustandes, der es Bundestag und Bundesregierung ermöglichte, Gesetzesvorhaben – unter 54 Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 11; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 74 u. 79; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 26. A. A. Wessel, der zwingend das Vorausgehen eines förmlichen Beschlusses des Bundesrates verlangt (Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (294)). 55 Vgl. Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 193; Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 108; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 186 ff.; Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 71. 56 Unstreitig, vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 108; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 186; H. Schäfer, in: Bundesrat (Hrsg.), Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft, S. 277 (291); Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (312). 57 Bei 833 Gesetzesbeschlüssen, zu denen der Vermittlungsausschuß von der 1. bis zur einschließlich 15. Wahlperiode angerufen wurde, kam es in lediglich 32 Fällen zu einer zweifachen und in nur 5 Fällen zu einer dreifachen Anrufung; vgl. die statistische Übersicht bei Koggel, Die Tätigkeit des Vermittlungsausschusses in der fünfzehnten Wahlperiode des Deutschen Bundestages, Bundesanzeiger Nr. 18a vom 26. Januar 2006, S. 9. Allerdings kommt es durchaus vor, daß ein Gesetzgebungsvorhaben erst nach einer zweiten oder dritten Anrufung erfolgreich abgeschlossen werden kann. Vgl. als Beispiel aus jüngerer Zeit das Gesetz zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes vom 14. 3. 2005, welches erst nach einem zweiten Vermittlungsverfahren die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat gefunden hat; vgl. Stenographischer Bericht über die 808. Sitzung des Bundesrates vom 18. 2. 2005, S. 2 C. 58 Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 77, Rn. 17; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 77, Rn. 11; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 26. 59 Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 70; Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 12; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 79. So aber Kratzer, AöR 77 (1951/52), 266 (279); dem folgend Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 188 f.
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bewußter Ausnutzung veränderter Mehrheitsverhältnisse – zu einem beliebigen Zeitpunkt fortzusetzen, ist allerdings zu verlangen, daß Bundestag und Bundesregierung nach Nichterteilung der Zustimmung durch den Bundesrat – damit spätestens nach Ablauf der hierfür in Art. 77 Abs. 2a GG angeordneten „angemessenen Frist“ – ihrerseits in angemessener Frist über eine Einberufung des Vermittlungsausschusses zu entscheiden haben. 60 Bei der Bestimmung, wann eine Frist „angemessen“ ist, mag man dann die Drei-Wochen-Frist des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG vergleichend mit heranziehen können. 61 Die Anrufung bildet Voraussetzung und Rahmen 62 für ein Tätigwerden des Vermittlungsausschusses. Sie läßt den Gesetzesbeschluß in seinem Bestand unberührt. 63 b) Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß Der Vermittlungsausschuß entscheidet innerhalb des ihm gesetzten Vermittlungsrahmens über einen Einigungsvorschlag, der geeignet ist, die Zustimmung sowohl des Bundestages als auch des Bundesrates zu gewinnen. 64 Bestimmt wird der Vermittlungsrahmen durch den Gesetzesbeschluß einerseits und durch das sich auf diesen beziehende Anrufungsbegehren andererseits. 65 Damit ist der Gesetzesbeschluß Gegenstand auch des Verfahrens im Vermittlungsausschuß. 66 Dies darf allerdings nicht im Sinne einer Gesetzgebungsbefugnis des Vermittlungsausschusses mißverstanden werden. 67 Er besitzt lediglich die Befugnis, einen Vorschlag für eine Einigung zu unterbreiten. Der Gesetzesbeschluß bleibt
60 Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 193; Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 77, Rn. 17; Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 19; Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 11; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 79; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 77, Rn. 11. 61 So Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 77, Rn. 17. 62 Ausführlich hierzu unten D. IV. 3. b) aa) (7), D. IV. 4. sowie D. V. 1. b) aa) (3). 63 Otten, Der Gesetzesbeschluß und die freien Wirksamkeitsvoraussetzungen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, S. 79 f. 64 Zur Ausgestaltung des Verfahrens im Vermittlungsausschuss im einzelnen siehe ausführlich oben B. III. 65 Ausführlich hierzu unten D. V. 1. b). 66 Zur Widerlegung der anderslautenden „Theorie vom weißen Blatt“, welche einen Beginn der Verhandlungen im Vermittlungsausschuß gleichsam bei einem „Stand Null“ annehmen will, mit der Folge, daß im Falle fehlender Mehrheiten für einen Regelungsvorschlag im Vermittlungsausschuß zugleich auch die ursprüngliche Fassung des Gesetzesbeschlusses hinfällig ist, ausführlich Dietlein, ZRP 1987, 277 ff m.w. N.; siehe auch Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 197 ff. 67 Vgl. oben B. I. 2. a) bb).
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
damit von einem Einigungsvorschlag in seinem Bestand unberührt. 68 Letzterer entscheidet allerdings mittelbar über den weiteren Verfahrensablauf, bestimmt zudem, in welchem Umfang der Grundsatz der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen für das folgende Verfahren im Bundestag aufgehoben ist. 69 c) Die erneute Beschlußfassung des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG Macht der Vermittlungsausschuß einen Einigungsvorschlag, so hat der Bundestag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG erneut Beschluß zu fassen. Dieser Verfahrensabschnitt des Gesetzgebungsverfahrens scheint strukturell-systematisch bisher am wenigsten durchdrungen. Abgesehen vom Fehlen vertiefter Auseinandersetzungen findet letzteres seinen Ausdruck in Vorschlägen für eine Reform des Vermittlungsverfahrens, die an das Verfahren des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG anknüpfen, deren unbestrittenes Verdienst es dabei ist, den Blick auf den – oft übersehenen – zentralen systematischen Zusammenhang von Vermittlungskompetenz und Ausgestaltung dieses Verfahrensabschnitts im Bundestag gelenkt zu haben, die hierbei allerdings ein ganz unterschiedliches Verständnis der für letzteren geltenden grundgesetzlichen Vorgaben offenbaren. aa) Beschränkung auf die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags § 10 Abs. 2 S. 1 GOVA, welcher den Bundestag kraft Verweises in § 90 GOBT bindet 70, bestimmt, daß der Bundestag im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ausschließlich über die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags entscheidet. Der Bundestag findet sich so in einer Ratifikationslage wieder. Fraglich ist, ob es sich hierbei um eine bereits von Verfassungs wegen vorgegebene Beschränkung des Verfahrensgegenstands aus Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG handelt oder diese eine mit § 10 Abs. 2 S. 1 GOVA erst geschäftsordnungsrechtlich begründete ist. Von letzterem scheint zumindest Cornils 71 auszugehen, wenn er sich von einer Aufhebung der Vorschrift des § 10 Abs. 2 S. 1 GOVA eine Befreiung des Bundestages aus eben dieser Ratifikationslage verspricht, welche diesem bei seiner erneuten Beschlußfassung nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG die Möglichkeit einer inhaltlich offenen, auch Änderungen des Einigungsvorschlags einschließenden parlamentarischen Verhandlung eröffnen 68 Otten, Der Gesetzesbeschluß und die freien Wirksamkeitsvoraussetzungen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, S. 80. 69 Siehe hierzu sogleich unten C. II. 3. c) aa) (2). 70 Ausführlich hierzu unten C. II. 3. c) dd) (2). 71 Cornils, DVBl. 2002, 497 (506).
II. Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens
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soll. 72 Damit ist die Frage nach dem grundgesetzlichen Gegenstand des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG aufgeworfen, danach, ob der Bundestag bereits von Verfassungs wegen lediglich zwischen Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags entscheiden kann, oder ob auch eine geschäftsordnungsrechtliche Ausgestaltung der erneuten Beschlußfassung des Bundestages denkbar ist, welche Änderungen des Gesetzesbeschlusses zuläßt, die über das Vermittlungsergebnis hinausgehen. 73 (1) Der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG Nicht weiterführend ist insoweit der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG. Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ordnet an, daß „der Bundestag erneut Beschluß zu fassen“ hat. Die Vorschrift ist damit sprachlich sehr weit gefaßt. Eine umfassende, sich nicht auf die im Einigungsvorschlag vorgesehenen Änderungen beschränkende parlamentarische Beratung erscheint nach grammatikalischer Interpretation zumindest möglich. Die Tatsache, daß der Bundestag „erneut“ Beschluß faßt, spricht allerdings dafür, daß er hierbei – zumindest thematisch – auf solche Inhalte beschränkt ist, die bereits Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens im Bundestag gewesen sind. 74 (2) Die systematisch-teleologische Interpretation des Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG Bedenken erweckte ein solches Verständnis jedoch im Hinblick auf systematische Stellung sowie Sinn und Zweck der Regelung. Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG weist zwar in seiner Formulierung eine Parallele zur Vorschrift des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG auf, derzufolge die Gesetze „vom Bundestage beschlossen“ werden. Die 72
Eigentliches Anliegen Cornils’ ist hierbei, in der Diskussion um verfassungsrechtliche Zweifel an einer zu weitgehenden Vermittlungstätigkeit eine geschäftsordnungsrechtliche Alternative zu einer schärferen grundgesetzlichen Umgrenzung der Vermittlungskompetenz aufzuzeigen. Seiner Ansicht nach würde eine Aufhebung der Vorschrift des § 10 Abs. 2 S. 1 GOVA den Bundestag nicht nur aus seiner Ratifikationslage befreien, sondern durch die damit einhergehende umfassende Verantwortungsübernahme auch die Bedenken gegenüber einer zu weitgehenden Interpretation der Vermittlungskompetenz durch den Vermittlungsausschuß wesentlich entschärfen. 73 Einen Zusammenhang von Reichweite des Vermittlungsrahmens und Gegenstand des Verfahrens des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG vorausgesetzt, entscheidet die Beantwortung dieser Frage zugleich darüber, ob die Reichweite der Vermittlungskompetenz in ausschließlicher Abhängigkeit von grundgesetzlichen Vorgaben oder aber in Abhängigkeit von der aktuellen geschäftsordnungsrechtlichen Ausgestaltung der erneuten Beschlußfassung des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG zu bestimmen ist. Ausführlich hierzu unten D. IV. 3. b) bb) (1). 74 Vgl. oben B. I. 2. a) bb).
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
sprachliche Übereinstimmung mit dieser das vollumfängliche Verfahren der Gesetzgebung im Bundestag als solches betreffenden Regelung scheint damit auch für ein entsprechendes Verständnis des Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG zu sprechen. Allerdings würde eine solche Interpretation die Bestimmung des Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG jedes eigenständigen Sinngehalts berauben und damit auf eine deklaratorische Wiederholung des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG reduzieren. Eine eigenständige Aussagekraft könnte das systematische Verhältnis von Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG und Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens gewinnen. So ist es wesentliche Funktionsbedingung einer in Stellvertreterschaft erfolgenden Kompromißsuche, daß die einmal vereinbarte Einigung im nachhinein nicht mehr aufgeschnürt werden kann. Öffnete man das Verfahren im Bundestag für Modifikationen des Vermittlungsergebnisses, so stünde zu befürchten, daß der Bundesrat auf diese Weise zustande gekommenen Gesetzesbeschlüssen seine Zustimmung verweigern würde. Die Zahl endgültig scheiternder Gesetzgebungsvorhaben würde damit wohl deutlich steigen 75. Der das Vermittlungsverfahren tragende Gedanke legislativer Effizienz würde konterkariert. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, in solchen Fällen bestünde immer noch die Möglichkeit, eine Einigung mit Hilfe einer – soweit zulässigen – zweiten oder dritten Anrufung des Vermittlungsausschusses herbeizuführen 76, verliert doch der das Vermittlungsverfahren rechtfertigende Gedanke der Effizienz der Gesetzgebung mit der mit jedem weiteren Verfahrensabschnitt einhergehenden Annäherung an die Alternative eines gänzlich neuen Gesetzgebungsverfahrens ein Stück seiner Berechtigung. Zumal eine derartige Verschleppung des Gesetzgebungsverfahrens in einer Öffnung des Verfahrens im Bundestag sogar strukturell angelegt wäre, entfaltete letztere doch auch eine nicht zu unterschätzende Rückwirkung auf die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß. Deren Erfolgsaussichten hängen jedoch maßgeblich von dem – dann deutlich reduzierten – Einigungsdruck ab. Die Funktion des Vermittlungsverfahrens rechtfertigt daher nur ein Verständnis des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG, bei dem der Bundestag auf eine Annahme oder Ablehnung des Einigungsvorschlags beschränkt ist. Darüber hinausgehende Änderungen sind einem neuen Gesetzgebungsverfahren vorbehalten. Art. 77 Abs 2 S. 5 Hs. 2 GG erfüllt im Verhältnis zu Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG auf diese Weise zwei Funktionen. Zunächst stellt Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG sicher, daß Änderungen des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses nicht ohne erneute Beteiligung des Bundestages erfolgen können. In Verbindung mit den Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 1 GG verwirklicht die Regelung die eingeschränkte – das meint lediglich quantitative, nicht jedoch qualitative Beschränkungen ermöglichende – Rechtfertigungswirkung des Gedankens der 75 76
Dies wird auch von Cornils eingestanden, Cornils, DVBl. 2002, 497 (506). Cornils, DVBl. 2002, 497 (506 (Fn. 86)).
II. Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens
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Gesetzgebungseffizienz. 77 Zugleich relativiert Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG den Grundsatz der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen, 78 wonach der Bundestag jenseits der Möglichkeit eines neuen Verfahrens an seinen einmal gefaßten Gesetzesbeschluß gebunden ist. Bundestag – wie auch Bundesrat und Vermittlungsausschuß – sind grundsätzlich daran gehindert, den – nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG – gefaßten Gesetzesbeschluß nachträglich zu korrigieren 79. Änderungen des Beschlusses sind nur zulässig, wenn das Grundgesetz diese Möglichkeit ausdrücklich vorsieht. Man spricht daher auch von der relativen Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen 80. 81 Bei genauer Betrachtung handelt es sich bei dem in Art. 77 Abs. 2 bis 4 GG vorgesehenen Vermittlungsverfahren daher auch gar nicht um eine „Relativierung“ oder gar „Durchbrechung“ des Grundsatzes der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen, sondern um eine originäre Bestimmung seiner Reichweite, ist er doch grundgesetzlich überhaupt nicht explizit geregelt, sondern ergibt sich erst aus einer systematischen Betrachtung des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG. Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG ermöglicht dem Bundestag dabei, seinen ursprünglich gefaßten Gesetzesbeschluß dann und soweit zu modifizieren, wie der Vermittlungsausschuß eine Änderung vorschlägt. 82 Die Einschränkung des Grundsatzes der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen erfolgt somit nicht abstrakt-generell, sondern findet ihren Grund wie auch ihre Grenze im konkreten Einigungsvorschlag. Dieser konkretisiert insoweit eine im Vermittlungsverfahren angelegte abstrakt-strukturelle Möglichkeit. Gegenstand des Verfahrens des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG sind damit allein die von Änderungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses betroffenen Bestandteile des Gesetzesbeschlusses.
77 Insofern besitzt die Regelung daher wohl sogar nur deklaratorischen Charakter, ließe sich dieses Ergebnis doch auch bereits im Wege systematischer Interpretation des Grundgesetzes gewinnen. 78 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 70 f. 79 Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 14. 80 Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 77, Rn. 6; Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 3; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 14; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 40; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 9. Ausführlich Bücker, Die Unverrückbarkeit von Parlamentsbeschlüssen im Gesetzgebungsverfahren. 81 Zum Verfassungsrang des Grundsatzes der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen vgl. Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 25; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 11. 82 Vgl. Bücker, Die Unverrückbarkeit von Parlamentsbeschlüssen im Gesetzgebungsverfahren.
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
(3) Ergebnis Aus der Funktion des Vermittlungsverfahrens, einer effizienten Gesetzgebung zu dienen, folgt, daß der Bundestag im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ausschließlich über die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags entscheiden kann. Gegenstand des Verfahrens sind damit nur die im Kompromißvorschlag vorgesehenen Änderungen des Gesetzesbeschlusses, nicht hingegen der Gesetzesbeschluß als ganzer. Über den Einigungsvorschlag hinausgehende Änderungen sind nicht möglich. § 10 Abs. 2 S. 1 GOVA vollzieht diese grundgesetzlich vorgegebene Ratifikationslage des Bundestages auf Geschäftsordnungsebene lediglich nach, steht daher nicht zur Disposition des Geschäftsordnungsgebers 83. 84 bb) Beschränkung auf durch die Gesetzeswillensbildung im Verfahren des Bundestages vorgezeichnete Gegenstände Mit der Reduzierung der Entscheidung des Bundestags auf eine (unveränderte) Annahme oder Ablehnung des Einigungsvorschlages geht zugleich eine weitere Einschränkung des (zulässigen) Verfahrensgegenstandes einher. Gegenstand des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG können hiermit auch nur solche Materien sein, die zuvor bereits Inhalt von Beratungen im Bundestag gewesen sind. Dies folgt aus der strukturell bedingten Unmöglichkeit einer (umfassenden) Gesetzeswillensbildung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG und der fehlenden Rechtfertigung des Verzichts auf eine solche durch den das Vermittlungsverfahren tragenden Gedanken legislativer Effizienz. (1) Strukturelle Unmöglichkeit einer (umfassenden) Gesetzeswillensbildung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG Der Bundestag findet sich im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG in einer Ratifikationslage wieder. Er kann lediglich darüber befinden, ob er einen Einigungsvorschlag befürwortet oder ihn ablehnt. Damit kann in diesem Verfahrensabschnitt jedoch bereits strukturell nur der letzte Schritt demokratisch gestaltender Gesetzgebung verwirklicht werden. Wie jeder Entscheidungsvorgang umfaßt auch die Gesetzgebung einen Vorgang der Entscheidungsfindung oder auch Entscheidungsherstellung auf der einen und einen Akt der Entscheidung 83
So jüngst auch Desens, NJW 2008, 2892 (2893). Damit ist aber auch die Reichweite der Vermittlungskompetenz – einen entsprechenden Zusammenhang mit dem Gegenstand des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG vorausgesetzt – unabhängig von der geschäftsordnungsrechtlichen Ausgestaltung der erneuten Beschlußfassung des Bundestages allein anhand grundgesetzlicher Vorgaben zu bestimmen. Siehe hierzu unten unten D. IV. 3. b) bb) (1). 84
II. Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens
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oder auch Entscheidungsdarstellung auf der anderen Seite. 85 Für das Gesetzgebungsverfahren bietet es sich an, in terminologischer Anknüpfung an den objektivierten Gesetzeswillen als Norminhalt Gesetzeswillensbildung und Gesetzeswillensäußerung zu unterscheiden. Das Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ermöglicht zwar nicht nur eine Abstimmung, sondern auch eine Debatte 86 darüber, ob den im Einigungsvorschlag vorgesehenen Änderungen (in ihrer Gesamtheit) die Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern ist. Hierbei ist allerdings das Ergebnis der Willensbildung in seinen beiden Alternativen bereits von vornherein vorgegeben. 87 Das Parlament ist jedoch kein bloßes Absegnungsorgan. 88 Kennzeichen demokratischer Gesetzgebung ist vielmehr gerade ihre Gestaltungsmacht, ihre Offenheit in den Entscheidungsalternativen. Nach Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG „verhandelt“ der Bundestag über Gesetzesvorlagen. „Verhandeln“ meint die in Rede und Gegenrede 89 erfolgende ergebnisoffene, inhaltliche Auseinandersetzung, den Kampf der freien Meinungen 90. Die durch öffentlich vorgetragenes Argument und Gegenargument des einzelnen Abgeordneten gekennzeichnete Willensbildung formt hierbei erst die abschließende Willensäußerung, legitimiert sie so 91. Das Gesetz erfährt dabei seine konkrete Gestalt wie auch seine Qualität erst in der vorangehenden Debatte. 92 Dieser kommt so ein (legitimatorischer) Eigenwert 93 gegenüber der abschließenden Entscheidung zu. 94
85 Siehe auch die Unterscheidung von „Entscheidungsvorbereitung“ und „definitiver Entscheidung“ bei W. Schmidt, VVDStRL 33 (1975), 138 (199 ff.). Der Einwand, eine Trennung von Verfahren und Ergebnis sei entscheidungstheoretisch als nicht trennscharf durchführbar widerlegt (vgl. Pieroth, DÖV 1977, 659 (664); Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis der Gesetzgebung, S. 178), greift gegenüber einer wie hier vorgenommenen „Unterscheidung in Einheit“ nicht durch; siehe auch Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, S. 709 (711). 86 Anders die gegenwärtige Staatspraxis, die nach § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA lediglich die Abgabe von Erklärungen zuläßt. Zu deren Verfassungswidrigkeit jedoch ausführlich sogleich C. II. 3. c) dd). 87 So auch jüngst BVerfGE 120, 56 (75) (Vermittlungsausschuß) („mit einem fertigen Gesetzentwurf konfrontiert“). 88 In diesem Sinne auch Bismark, DÖV 1983, 269 (275). 89 Vgl. BVerfGE 10, 4 (12) (Redezeit); BVerfGE 84, 304 (329) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 96, 264 (284) (Fraktions- und Gruppenstatus). 90 BVerfGE 2, 143 (172) (EVG-Vertrag). 91 Ausführlich hierzu oben A. II. 1. 92 Vgl. Bryde, JZ 1998, 115 (118); sowie das Sondervotum des Richters Mahrenholz zur Wüppesahl-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 80, 235 (237). 93 Vgl. BVerfGE 1, 144 (154) (Geschäftsordnungsautonomie). Ausführlich hierzu auch unten E. V. 2. c). 94 Vgl. hierzu auch H. Schneider, in: Ritterspach / Geiger (Hrsg.), FS für G. Müller, S. 421 (433 f.).
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
Diese Einheit von Debatte und Abstimmung – von Gesetzeswillensbildung und Gesetzeswillensäußerung – kann jedoch im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG (allein) mit seiner strukturellen Beschränkung auf eine Annahmeoder Ablehnungsentscheidung nicht verwirklicht werden. 95 Abgesehen von der beschränkten Willensbildung, ob den vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzesbeschlusses zugestimmt werden soll, erlaubt das Verfahren nur eine Gesetzeswillensäußerung. Eine vertieft-gestaltende Gesetzeswillensbildung unterbleibt. Der Bundestag kann auf den Gesetzesinhalt nur noch begrenzt Einfluß nehmen. 96 So entsteht ein demokratisch wesentliches Beratungsdefizit. 97 Dieses vermögen auch die nichtöffentlichen Verhandlungen im personell nicht unmittelbar legitimierten Vermittlungsausschuß nicht zu beheben. Sie bilden keinen Ersatz für die Verhandlungen im Parlament. 98 (2) Keine Rechtfertigung des Verzichts auf eine Gesetzeswillensbildung durch den Gedanken legislativer Effizienz Im Einigungsvorschlag vorgesehene Änderungen des Gesetzesbeschlusses, die Inhalte betreffen, die zuvor nicht bereits Gegenstand des Verfahrens im Bundestag gewesen sind, können damit im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG nur noch eine Gesetzeswillensäußerung erfahren. Einer durch das Demokratieprinzip gebotenen vertieft-gestaltenden Gesetzeswillensbildung (des Bundestages) entbehrten sie. Dies wirft die Frage auf, ob solche Materien von vornherein vom Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ausgeschlossen sind oder aber auch eine derartige Verkürzung des Gesetzgebungsvorgangs mit dem das Vermittlungsverfahren tragenden Gedanken der Gesetzgebungseffizienz gerechtfertigt werden kann. Dem Gedanken legislativer Effizienz kommt jedoch nur eingeschränkte Rechtfertigungswirkung zu. 99 Er ist geeignet, solche Einschränkungen 95
W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 24 u. 28 ff.; Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (714). Anders Henseler, der jedoch – zu unrecht – davon ausgeht, daß sich die grundgesetzlichen Mindestanforderungen an ein Gesetzgebungsverfahren auf eine zulässige Initiative nach Art. 76 Abs. 1 GG und einen Beschluß des Bundestages nach Artt. 77 Abs. 1 S. 1 oder 77 Abs. 2 S. 5 GG beschränkten (Henseler, NJW 1982, 849 (853 f.)). 96 Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (326). Siehe auch Bismark, DÖV 1983, 269 (272). 97 Cornils, DVBl. 2002, 497 (503). Siehe auch von der Heide, DÖV 1953, 129 (131) („Rechtsmangel“). 98 W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 27. Zur Notwendigkeit gesonderter Betrachtung von Gesetzgebungsverfahren im Bundestag und Verfahren im Vermittlungsausschuß, bei der sich letzteres nicht als ein das Gesetzgebungsverfahren ersetzendes, sondern vielmehr zusätzliches Verfahren darstellt, siehe bereits oben B. I. 2. a) bb). 99 Ausführlich hierzu wie zum folgenden oben A. III. 2. c).
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des Gesetzgebungsverfahrens zu rechtfertigen, die sich bei einer vergleichenden Betrachtung mit der Alternative eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens als allein quantitative darstellen, nicht hingegen solche qualitativer Art. Unter qualitativen Beschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens sind hierbei solche Modifikationen zu verstehen, die zu einem Unterschreiten der aus Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1, 42 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 S. 1 GG folgenden Mindestanforderungen an ein demokratisch-parlamentarisches Verfahren führen. Eine Beschränkung des Gesetzgebungsvorgangs auf eine Gesetzeswillensäußerung verkürzte das Gesetzgebungsverfahren nicht nur, sondern nähme ihm zugleich ganz wesentlich von seiner Qualität, macht doch gerade der Vorgang demokratischer Willensbildung, bei dem sich Argument und Gegenargument ergebnisoffen und in öffentlicher Debatte begegnen, die (besondere) Qualität des Gesetzgebungsverfahrens aus. Eine solche vermag die äußerst eingeschränkte, in ihrem engen Rahmen zudem fremdbestimmte Willensbildung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG für sich genommen nicht zu gewährleisten. Eine Reduzierung des Gesetzgebungsvorgangs auf eine Gesetzeswillensäußerung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG führte so zu einem Unterschreiten der aus Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1, 42 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 S. 1 GG folgenden Mindestanforderungen an ein demokratisch-parlamentarisches Verfahren und stellte damit eine erhebliche qualitative Einschränkung des Gesetzgebungsverfahrens dar, die der Gedanke einer effizienten Gesetzgebung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Umkehrschluß scheiden damit sämtliche Inhalte, die nicht schon im Verfahren des Bundestages beraten wurden, als Gegenstand des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG aus. In diesem Sinne ist es wohl auch zu verstehen, wenn das Bundesverfassungsgericht in positiver Wendung von den in den bisherigen Beratungen im Bundestag vorgezeichneten Gegenständen (als äußerstem Rahmen eines Vermittlungsvorschlages) spricht 100. 101 cc) Verfassungsmäßigkeit einer Anordnung einheitlicher Abstimmung nach § 90 GOBT i.V. m. § 10 Abs. 3 S. 1 GOVA Von der Frage nach der Beschränkung des Gegenstands des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG auf eine Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Einigungsvorschlags ist diejenige zu unterscheiden, ob dabei über einzelne Elemente des Einigungsvorschlags gesondert abgestimmt werden können muß. § 10 Abs. 3 S. 1 GOVA räumt dem Vermittlungsausschuß die Möglichkeit ein, im Falle mehrerer Änderungen des Gesetzesbeschlusses zu bestimmen, daß über diese im Bundestag gemeinsam abzustimmen ist. Hiervon ausgenom100 BVerfGE 101, 297 (307) (Arbeitszimmer). Klarer jüngst BVerfGE 120, 56 (75) (Vermittlungsausschuß). 101 Ausführlich zu der Frage, wann ein Gegenstand inhaltlich und formal im vorangegangenen Verfahren des Bundestages vorgezeichnet ist, siehe unten D. V. 2.
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
men sind nach Satz 2 nur Grundgesetzänderungen. Über solche ist in jedem Falle einzeln abzustimmen. Die Anordnung einheitlicher Abstimmung des Bundestages durch den Vermittlungsausschuß wird im Schrifttum vereinzelt als mit der Verfahrensautonomie des Bundestages unvereinbar angesehen. 102 Abgesehen davon, daß sich der Bundestag insoweit auf Grund Übernahme der Regelung des § 10 Abs. 3 S. 1 GOVA in § 90 seiner Geschäftsordnung freiwillig selbst gebunden hat 103, es sich somit nicht um eine Einschränkung, sondern vielmehr um ein Gebrauchmachen von seiner Geschäftsordnungsautonomie handelt, überzeugt ein solcher Einwand auch materiell nicht. Grundgesetzlich geboten ist eine einheitliche Abstimmung über den Einigungsvorschlag nicht. Zwar mag eine gesonderte Abstimmung die Erfolgsaussichten des Einigungsvorschlags, damit des Gesetzgebungsvorhabens tendenziell schmälern, verfassungswidrig ist sie deswegen noch nicht. Das umfassende Artikelgesetz bildet ein anschauliches Beispiel dafür, daß es durchaus sinnvoll sein kann, über Einzelheiten eines Einigungsvorschlags gesondert Beschluß zu fassen. Eine einheitliche Abstimmung ist damit grundgesetzlich zwar nicht geboten, nicht ausgeschlossen ist damit allerdings ihre mögliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung. § 10 Abs. 3 S. 1 GOVA enthält kein abstraktes Gebot gemeinsamer Abstimmung über einen Einigungsvorschlag, sondern regelt die Möglichkeit abwägender Festlegung durch den Vermittlungsausschuß im Einzelfall. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, daß sich die Anordnung einheitlicher Abstimmung in der Staatspraxis zum Regelfall entwickelt hat 104. In der einzelnen Anordnung kommt die für Kompromisse charakteristische Einschätzung zum Ausdruck, daß der konkrete Einigungsvorschlag gerade auf dem Zusammenwirken seiner Elemente beruhe, Erfolgsaussichten daher auch nur in seiner Gesamtheit besitze. Insoweit sichert die Anordnung einheitlicher Abstimmung einen lediglich als Gesamtpaket erfolgversprechenden Kompromißvorschlag, dient auf diese Weise aber gerade auch dem übergeordneten Ziel einer erfolgreichen Vermittlung zwischen Bundestag und Bundesrat. 105 Damit wird die Anordnung einer einheitlichen Abstimmung nach § 10 Abs. 3 S. 1 GOVA aber von dem das Vermittlungsverfahren als solches rechtfertigenden Gedanken legislativer Effizienz getragen. 106 102 So etwa Trossmann, JZ 1983, 6 (9). Kritisch auch Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 26. 103 Vgl. hierzu unten C. II. 3. c) dd) (2). 104 Vgl. die Nachweise bei Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 183 f. Siehe auch Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 183. 105 Vgl. Hasselsweiler, a. a. O., S. 183. 106 Die in § 10 Abs. 3 S. 3 GOVA bei Durchführung einer Einzelabstimmung vorgesehene „Schlußabstimmung über den Einigungsvorschlag im Ganzen“ betrifft hingegen nicht den Einigungsvorschlag in seiner ursprünglichen Fassung einschließlich der zuvor abgelehnten Einzelvorschläge, sondern lediglich die in der Einzelabstimmung angenommenen Einzelpunkte des Einigungsvorschlags. Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 185.
II. Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens
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dd) Verfassungswidrigkeit des Debattenverbotes in § 90 GOBT i.V. m. § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA Mit der Regelung des § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA geht die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses noch in einem weiteren Punkt über die bereits grundgesetzlich vorgegebene Begrenzung des Gegenstandes des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG hinaus und schränkt auch dessen Ausgestaltung ganz erheblich ein. (1) Das Debattenverbot des § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA bestimmt, daß vor der Abstimmung über einen Einigungsvorschlag im Bundestag zu diesem lediglich Erklärungen abgegeben werden können. Die Staatspraxis entnimmt der Vorschrift für das Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ein umfassendes Debattenverbot. 107 Danach ist weder eine Ausschußüberweisung zulässig 108, noch findet im Plenum eine Aussprache zum Einigungsvorschlag statt. Unmittelbar auf den Bericht eines Mitglieds des Vermittlungsausschusses nach § 10 Abs. 1 S. 2 GOVA, auf den nicht sogar selten verzichtet wird 109, folgt die Abstimmung über Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlages. Eine parlamentarische Erörterung von Pro und Con107
Vgl. Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 241; Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 179 f.; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 180. Den (qualitativen) Unterschied zwischen der bloßen Abgabe von Erklärungen und einer parlamentarischen Debatte veranschaulicht hierbei ein von Schenke geschildertes Beispiel aus der Abstimmung des Bundestages über den Einigungsvorschlag zum 2. Haushaltsstrukturgesetz, bei dem der Bundestagspräsident Stücklen den Abgeordneten Westphal, als dieser dazu ansetzen wollte, sich mit der vorangegangenen Erklärung des Abgeordneten Kreile auseinanderzusetzen, mit den Worten unterbrach: „Herr Abgeordneter Westphal, es sind hier Erklärungen abzugeben und nicht Diskussionen zu führen.“ (Plenarprotokoll 9/73 vom 10. Dezember 1981, S. 4265), W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 29 (Fn. 31). 108 Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 176 f.; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 181. Dästner stützt sich insoweit allerdings nicht auf § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA sondern auf § 10 Abs. 1 S. 1 GOVA, welcher anordnet, daß ein Einigungsvorschlag alsbald auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen ist (Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 176). Diese Begründung eines Verbotes, den Einigungsvorschlag an die Ausschüsse zu überweisen, vermag nicht zu überzeugen, geht doch auch der Ausschußüberweisung zwingend eine Befassung des Plenums – wenn auch nur in Form eines Überweisungsbeschlusses – voraus. Da die Unzulässigkeit einer Ausschußüberweisung auch nicht bereits aus dem mit dem Einigungsvorschlag eingeschränkten Verfahrensgegenstand folgt, eine solche vielmehr durchaus Sinn machen würde, könnten doch so die Fachpolitiker nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Einigungsvorschlag im Ausschuß dem Plenum eine sachlich fundierte Beschlußempfehlung geben, ergibt sich diese erst aus dem Ausschluß einer Aussprache. A. A. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 30 m.w. N.
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
tra der im Einigungsvorschlag vorgesehenen Änderungen des Gesetzesbeschlusses unterbleibt. Als Möglichkeiten, dieses strikte Debattenverbot „zu umgehen“, werden in der Praxis zum einen die Abgabe einer Regierungserklärung 110, die dann ihrerseits Gegenstand einer Debatte sein kann, sowie das jederzeitige Rederecht der Mitglieder des Bundesrates aus Art. 43 Abs. 2 S. 2 GG genutzt 111. 112 Zu unterscheiden ist der Debattenausschluß in § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA vom Verbot von Sachanträgen in § 10 Abs. 2 S. 3 GOVA. Dieses findet seine Rechtfertigung bereits in der Reduzierung des Verfahrens auf eine Abstimmung über Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags, welche (Änderungs-)Anträge zur Sache logisch ausschließt. 113 (2) Mittelbare Bindung des Bundestages an die GOVA über § 90 GOBT Bei einem derart weitreichenden Eingriff in die Verfahrensautonomie des Bundestages stellt sich zunächst die Frage, ob § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA als Bestimmung der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses den Bundestag überhaupt bindet. Als Geschäftsordnung, die Organisation und Verfahren des Vermittlungsausschusses regelt, kommt der GOVA lediglich Binnenwirkung für den Vermittlungsausschuß zu. 114 Insoweit ist sie nicht geeignet, Bindungswirkung für den Bundestag zu entfalten. 115 Besonderheit der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses ist jedoch, daß sie nicht – wie üblich – vom Vermittlungsausschuß als demjenigen Organ verabschiedet wird, dessen Geschäftsgang sie regelt, sondern auf Grund grundgesetzlicher Anordnung in Art. 77 Abs. 2 S. 2 109 So etwa im Verfahren zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22. Dezember 1999; vgl. die 79. Sitzung des Bundestages am 16. Dezember 1999, Plenarprotokoll 14/79, S. 7291A. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 177 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Staatspraxis. 110 Eine (einfache) Erklärung nach § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA kann hingegen nicht ihrerseits Gegenstand einer parlamentarischen Behandlung sein und damit mittelbar eine Debatte zum Einigungsvorschlag auslösen, würde damit doch der Sinn der Regelung des § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA geradezu auf den Kopf gestellt. Anders Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 180 f. 111 Beim Gebrauchmachen von letzterem kann es sich jedoch schon allein deshalb nicht um eine „Umgehung“ handeln, als es auf Grund seines Verfassungsranges ohnehin der Regelung des § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA vorgeht. 112 Vgl. zum ganzen Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 180 mit Hinweisen auf die parlamentarische Praxis. 113 Vgl. Trossmann, JZ 1983, 6 (12). 114 Ausführlich zur – streitigen – Rechtsnatur der (parlamentarischen) Geschäftsordnung Kretschmer, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 9, Rn. 43 ff. Grundlegend Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen. 115 Dies verkennt Kluth, wenn er eine unmittelbare Bindung des Bundestages an § 10 Abs. 3 GOVA annimmt, Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 52.
II. Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens
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GG gemeinsam von Bundestag und Bundesrat. Begründet liegt dies darin, daß sich der Vermittlungsausschuß anderenfalls mangels genauerer grundgesetzlicher Vorgaben schon nicht konstituieren könnte. Konsequenz dieser Besonderheit ist ein Doppelcharakter der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses. Neben ihrer Eigenschaft als ausschließlich innenwirksamer Geschäftsordnung, besitzt sie zugleich den Charakter einer Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesrat 116. 117 Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses insoweit Bindungswirkung bereits auf Grund einer Qualifizierung als „Verfassungssatzung“ 118 zukommt, deren gebundener Adressatenkreis ohnehin funktional auf der Grundlage der jeweiligen Satzungsermächtigung – hier mithin Art. 77 Abs. 2 GG – zu bestimmen ist 119, oder diese erst aus einer Einordnung als „staatsrechtliche Vereinbarung“ 120 folgt. Jedenfalls bindet sie als solche Bundestag und Bundesrat, wenngleich wohl nur als Organ und im Außenverhältnis. Voraussetzung dafür, daß sie auch im Innenverhältnis von Bundestag und Bundesrat Bindungswirkung entfalten kann, ist hingegen ihre Transformation in das jeweilige Geschäftsordnungsrecht. Der Bundestag vollzieht diese mit § 90 GOBT. Dieser verweist für die Behandlung von Einigungsvorschlägen auf die Regelung des § 10 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses. Damit ist der Bundestag über § 90 GOBT (mittelbar) auch an das in § 10 Abs. 2 S. 1 GOVA vorgesehene Debattenverbot gebunden. 121 (3) Keine Rechtfertigung durch den Gedanken legislativer Effizienz Der umfassende Ausschluß einer parlamentarischen Beratung von Einigungsvorschlägen im Bundestag wirft schließlich die Frage nach seiner Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz auf. Zwar trifft die Verfassung in Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG – insoweit vergleichbar mit der Regelung des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG – keine Aussage zur Quantität des durchzuführenden Verfahrens. (Mindest-)Anforderungen an dessen Qualität folgen jedoch aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 116
Vgl. ausführlich Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 109 ff. Mit dieser Doppelnatur der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses läßt sich auch die Kritik Trossmanns widerlegen, wonach die ein anderes Organ verpflichtende Festlegung des Verfahrens im Bundestag schon gar nicht Gegenstand einer bereits begrifflich lediglich das interne Verfahren der Geschäftserledigung des Vermittlungsausschusses regeln dürfenden Geschäftsordnung sein könne, Trossmann, JZ 1983, 6 (9). 118 Vgl. Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, S. 194. 119 Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, S. 191. 120 So Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 129 f. 121 So auch Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 135; Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 175. Vgl. auch Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 129 f. sowie Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (326). 117
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C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
GG), den Rechten des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) sowie dem Öffentlichkeitsprinzip (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG). Diesen Maßstäben läßt sich ein Mindestgebot reflektierender parlamentarischer Willensbildung entnehmen. Jedenfalls das für den Status des einzelnen Abgeordneten im parlamentarischen Verfahren wesentliche Rederecht ist durch den völligen Ausschluß einer Debatte berührt. Einen solchen vermögen auch die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß nicht zu kompensieren. Gerechtfertigt wird das Debattenverbot in § 90 GOBT i.V. m. § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA von Staatspraxis und Teilen des Schrifttums mit der Begründung, es diene der Wahrung der friedensstiftenden Funktion des Kompromißvorschlages, indem es verhindere, daß jener im Rahmen einer parlamentarischen Auseinandersetzung zerredet und mit einem Wiederaufrollen der im Vermittlungsausschuß geführten Debatte die Unabhängigkeit seiner Mitglieder gefährdet werde 122. Damit beziehen sich die Befürworter der Regelung des § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA auf den das Vermittlungsverfahren als solchen rechtfertigenden Gedanken legislativer Effizienz. Wie nachgewiesen 123, rechtfertigt dieser jedoch lediglich Einschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens in quantitativer, nicht jedoch in qualitativer Hinsicht. Als letztere stellt sich der völlige Ausschluß einer parlamentarischen Erörterung aber gerade dar. Damit ist es auf Grund der Beschränkung des Verfahrens auf eine Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlages zwar gerechtfertigt, (Änderungs-)Anträge zur Sache zu untersagen (§ 10 Abs. 2 S. 3 GOVA), nicht ausgeschlossen werden kann jedoch eine Aussprache über Für und Wider der Annahme des Einigungsvorschlages. Entgegen anderslautender Befürchtungen gefährdet eine solche Diskussion auch nicht die Unabhängigkeit der Mitglieder des Vermittlungsausschusses, sondern trägt mit ihrer Versachlichung der Debatte wohl vielmehr sogar zu einer Stärkung der Eigenständigkeit des Gremiums bei. 124 Eine beim bloßen Blick auf den Wortlaut („Erklärungen“) insoweit durchaus möglich erscheinende verfassungskonforme Auslegung des § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA scheidet auf Grund des eindeutigen Willens des Normurhebers aus. 125 § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA ist damit wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 2 GG sowie die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG unwirksam. 126 122
Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 180. Siehe oben A. III. c). 124 Vgl. oben B. I. 2. b) und B. III. 2. 125 Während der Entwurf des Abgeordneten Arndt für eine Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses noch explizit eine Aussprache des Bundestages gefordert hatte („§ 9 (Verfahren im Bundestag) ... (2) Der Bundestag kann in eine Aussprache eintreten. ...“ (abgedruckt bei Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 50 ff.)), entschied sich der Gemeinsame Unterausschuß in seiner 2. Sitzung am 26. 1. 1950 in diesem Punkt bewußt anders und nahm den Vorschlag nicht auf (vgl. die Abschrift des Protokolls über die Beratung des Unterausschusses v. 26. 1. 1959, BR-Drs. 36/50, S. 2 f.; vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 53 sowie 179). 123
II. Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens
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ee) Zwischenergebnis und möglicher Reformansatz Der Bundestag ist mithin im Verfahrensabschnitt des Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG bereits von Verfassungs wegen auf eine Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags beschränkt. § 10 Abs. 2 S. 1 GOVA vollzieht diese grundgesetzliche Vorgabe lediglich nach. Der Vermittlungsausschuß besitzt hierbei nach § 10 Abs. 3 S. 1 GOVA die – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende – Möglichkeit, im Falle mehrerer Änderungen des Gesetzesbeschlusses zur Wahrung des Kompromisses eine einheitliche Abstimmung anzuordnen. Mit Beschränkung des Verfahrensgegenstandes auf eine Annahmeoder Ablehnungsentscheidung geht eine weitere Reduzierung möglicher Inhalte des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG auf solche Materien einher, für die eine parlamentarische Willensbildung im Bundestag bereits stattgefunden hat. Dies folgt aus der strukturellen Unmöglichkeit, eine solche nachholend im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG zu verwirklichen, auf die gänzlich zu verzichten der das Vermittlungsverfahren tragende Gedanke legislativer Effizienz aber gerade nicht zu rechtfertigen vermag. Nicht mit den grundgesetzlichen Anforderungen an eine parlamentarisch-demokratische Willensbildung zu vereinbaren, ist schließlich der in § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA vorgesehene Ausschluß jeglicher Debatte im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG. Um nicht bei der Feststellung von Verfassungswidrigkeiten stehen zu bleiben, sondern zugleich auch den Versuch zu unternehmen, einen konstruktiv begleitenden Beitrag zu leisten, soll abschließend ein Blick auf denkbare Elemente einer Verfassungsmäßigkeit herstellenden Reform der Ausgestaltung des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG geworfen werden. Neben einer Streichung des Debattenverbotes in § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA und einer Öffnung des Verfahrens für eine parlamentarische Aussprache, aber auch eine optionale Ausschußüberweisung, steht dabei das Zusammenwirken des Verfahrens im Vermittlungsausschusses und der anschließenden Beratungen im Bundestag im Mittelpunkt der Überlegungen. Über die bereits oben angeregte Ausweitung und Formalisierung der Berichterstattung nach § 10 Abs. 1 S. 2 GOVA hinaus empfiehlt sich dabei zur weiteren Sicherung einer reflektierten Abgeordnetenentscheidung die Festlegung einer Mindestfrist zwischen Zuleitung der schriftlichen Fassung des Einigungsvorschlages einschließlich Begründung an den Bundestag und der folgenden Abstimmung im Plenum 127. Die Gewährleistung eines Mindestmaßes an
126 Für eine kritische Würdigung des § 10 Abs. 2 GOVA als Ansatz für eine Reformierung des Vermittlungsverfahrens auch Cornils, DVBl. 2002, 497 (506); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (333); Trossmann, JZ 1983, 6 (11 f.). Kritisch auch Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 26. 127 Zur Veranschaulichung der praktischen Notwendigkeit eines derartigen Erfordernisses vgl. das Beispiel des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 unten H. IV. 2. b).
142
C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
Zeit zur Entscheidungsfindung 128 scheint im Vermittlungsverfahren strukturell gefährdet. 129 Das Verfahren entbehrt zudem – im Unterschied zum Regelgesetzgebungsverfahren – der Möglichkeit, sich zumindest auf die im jeweiligen Ausschuß vertretenen Fraktionskollegen verlassen zu können. Daß mit einer derartigen Regelung keinesfalls Neuland betreten würde, zeigen die bereits bestehenden geschäftsordnungsrechtlichen Mindestfristen in den § 78 Abs. 5, § 81 Abs. 1 S. 2, § 84 S. 1 lit. b GOBT, welche Beratungen über eine Drucksache frühestens nach Ablauf einer Frist von zwei oder drei Tagen nach Verteilung zulassen. 130 d) Die erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses Bei einem Zustimmungsgesetz steht dem Bundestag die Möglichkeit offen, anstelle einer Abstimmung über den Einigungsvorschlag den Vermittlungsausschuß – sofern nicht bereits die erste Anrufung auf ihn zurückging – nach Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG erneut anzurufen. 131 Gleiches gilt unter entsprechenden Voraussetzungen für die Bundesregierung und den Bundesrat. 4. Der weitere Verfahrensablauf Hat der Bundestag den im Einigungsvorschlag vorgesehenen Änderungen des Gesetzesbeschlusses zugestimmt, so wird der nunmehr 132 geänderte Gesetzesbeschluß erneut Gegenstand des Verfahrens im Bundesrat. Macht der Bundesrat von seinem Recht Gebrauch, gegen einen Gesetzesbeschluß des Bundestages Einspruch einzulegen, kann der Bundestag diesen unter den Vorausstzungen des Art. 77 Abs. 4 GG zurückweisen. Seinen Abschluß findet das Gesetzgebungsverfahren in der Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten und seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG).
128 Grundsätzlich zur Bedeutung des Faktors Zeit für ein gerechtes, Gewähr für sachgerechte, ausgewogene und konsensfähige Entscheidungen bietendes Gesetzgebungsverfahren siehe Kloepfer, Der Staat 13 (1974), 457 (468 f.). Vgl. auch Mellinghoff, DStR 2003, Beihefter 3, 1 (7); Schmidt-Jortzig, ZParl 1992, 582 (599). 129 Kritisch auch Redeker, ZRP 2004, 160 (163). 130 Siehe hierzu auch unten D. V. 2. c) bb) (4). 131 Zur Zulässigkeit der mehrfachen Anrufung des Vermittlungsausschusses zu einem Gesetzesbeschluß vgl. die Nachweise in Fußnote 53. 132 Vgl. Otten, Der Gesetzesbeschluß und die freien Wirksamkeitsvoraussetzungen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, S. 81 f.
III. Das Gesetzgebungsverfahren als einheitliches Verfahren des Bundestages 143
III. Das Gesetzgebungsverfahren als ein einheitliches Verfahren des Bundestages Das Gesetzgebungsverfahren ist, so die im folgenden zu belegende These, nicht als eine Folge mehrerer Verfahren, sondern als ein (übergeordnet) einheitliches Verfahren des Bundestages zu verstehen. Kennzeichen eines übergeordnet einheitlichen Verfahrens ist, daß sich das abschließende Ergebnis als einzig außenwirksames (Verfahrens-)Ziel der ausschließlichen und einheitlichen Wahrnehmung einer Kompetenz eines Organs verstehen läßt. Den zentralen Maßstab für das Gesetzgebungsverfahren bildet insoweit die Vorschrift des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG, welcher bestimmt, daß die Gesetze vom Bundestag beschlossen werden. Ihm ist das Gesetz auf der Grundlage seiner Debatte zurechenbar, von ihm ist es als Ergebnis seines parlamentarischen Verfahrens zu verantworten. 133 Das Gesetz als außenwirksames Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens stellt sich damit als Kompetenzausübung des Bundestages dar. 134 Im Verfahren des Bundestages erfährt es seine (inhaltliche) Legitimation. An dieser Feststellung vermag auch nichts zu ändern, daß das Verfahren im Bundestag im Regelfall des Gesetzgebungsverfahrens bereits abgeschlossen ist, bevor andere Organe tätig werden. Denn der vom Bundestag gefaßte Gesetzesbeschluß kann im weiteren Ablauf – zumindest ohne dessen erneute Beteiligung – nicht mehr geändert werden. Er bleibt in seinem Bestand unberührt und erlangt unverändert, zudem einzig, erstmals und einmalig Außenwirkung mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt. Den anderen Organen sind lediglich Mitwirkungsrechte als Beteiligte im Verfahren des Bundestages eingeräumt. Auch der unter den beteiligten Organen auf Grund seiner Einspruchs- und Zustimmungsbefugnis eine hervorgehobene Stellung einnehmende Bundesrat wird nicht unmittelbar positiv gestaltend tätig. Gleiches gilt für den Vermittlungsausschuß. Zwar bildet der Gesetzesbeschluß des Bundestages den Gegenstand auch seines Verfahrens. Dieser bleibt allerdings in seinem Bestand sowohl von der Anrufung des Vermittlungsausschusses wie auch von dessen Einigungsvorschlag unberührt. Der Vermittlungsausschuß übt mit letzterem gerade keine Gesetzgebungsbefugnis aus. Zudem erlangen weder die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses noch die des Bundesrates Außenwirkung. Endlich wird auch der Bundespräsident nicht gesetzgeberisch gestaltend tätig, wenn er den Gesetzesbeschluß auf dessen verfassungsgemäßes Zustandekommen hin überprüft und seine Authen133
Vgl. BVerfGE 101, 297(307) (Arbeitszimmer). Entgegen einer weit verbreiteten Formulierung ist der Bundestag daher nicht nur das „zentrale Gesetzgebungsorgan“ (so etwa Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 77, Rn. 2) oder besitzt die „entscheidende Funktion im Gesetzgebungsverfahren“ (siehe Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 5), sondern das Gesetzgebungsorgan. Ähnlich Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 7. 134
144
C. Verfahrenssystematischer Zusammenhang der Vermittlungskompetenz
tizität bestätigt. Besonderheit dieser Mitwirkungsrechte ist lediglich, daß sie im Regelfall des Gesetzgebungsverfahrens nicht in die Beratungen des Bundestages integriert sind, unmittelbar in dieses münden, sondern diesem entweder – wie das Recht zur Stellungnahme von Bundesrat und Bundesregierung – vorausgehen oder – wie die Einspruchs- und Zustimmungsbefugnis des Bundesrates oder die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten – nachfolgen, der letzte Verfahrensakt somit nicht vom Bundestag als entscheidungszuständigem Organ selbst vorgenommen wird. Dies ist jedoch auch keine zwingende Voraussetzung für die Annahme eines übergeordnet einheitlichen Verfahrens in Verantwortung dieses Organs. Der Bundestag bleibt gleichwohl Träger des Verfahrens 135, wenngleich ihm die Verfahrensherrschaft im Anschluß an seine Beschlußfassung allein mittelbar dadurch zukommt, daß Änderungen seines Beschlusses zwingend seine erneute Befassung voraussetzen. Schließlich steht auch die Möglichkeit eines (erneuten) Verfahrens im Bundestag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG einem Verständnis des Gesetzgebungsverfahrens als ein übergeordnet einheitliches Verfahren nicht entgegen. Der Bundestag wird im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG nicht auf Grund neuer umfassender oder aber anderer Kompetenz tätig. Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG sichert vielmehr die Kompetenz des Bundestages aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG, relativiert dabei allein die grundsätzliche Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen, derzufolge der Bundestag an seinen einmal gefaßten Gesetzesbeschluß gebunden ist. Dies eröffnet dem Bundestag die Möglichkeit, seinen ursprünglichen Gesetzesbeschluß im Umfang der vom Einigungsvorschlag vorgesehenen Änderungen noch in demselben Gesetzgebungsverfahren zu korrigieren. Grundlage auch dieses Änderungsbeschlusses bleibt die originäre Kompetenz des Bundestages, die Gesetze zu beschließen (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG), die durch Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG lediglich eine Modifikation erfährt, indem sie für ein konkretes Gesetzgebungsverfahren sektoral wieder freigegeben und gerade hierdurch gesichert wird. Dabei trifft der Bundestag eine Entscheidung über Gegenstände, die zuvor bereits Gegenstand seiner Willensbildung gewesen sind, insoweit daher bereits einen gewissen Legitimationsgrad aufweisen. Das Gesetz stellt sich damit als Ergebnis einer Kompetenzwahrnehmung des Bundestages dar. Es erlangt einzig, erstmalig wie auch einmalig Außenwirkung mit seiner Verkündung. Den anderen Organen sind im Gesetzgebungsverfahren nur Mitwirkungsrechte als Beteiligte im Verfahren des Bundestages eingeräumt. Das Gesetzgebungsverfahren läßt sich daher als übergeordnet einheitliches Verfahren des Bundestages verstehen. Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG vollzieht insoweit den bereits in Art. 20 Abs. 2 GG begründeten demokratischen Grundsatz nach, daß das Parlament als unmittelbar demokratisch legitimiertes Organ in einem förmlichen Verfahren die wesentlichen Entscheidungen des Gemeinwesens trifft. 135
Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 7.
IV. Zusammenfassende Bewertung
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IV. Zusammenfassende Bewertung Das Gesetzgebungsverfahren stellt sich als Ausübung der bereits aus Art. 20 Abs. 2 GG folgenden parlamentarischen Gesetzgebungsbefugnis des Bundestages dar. In diesem Verfahren parlamentarisch-demokratischer Willensbildung des Bundestages kommen den anderen beteiligten Organen nur Mitwirkungsrechte zu. Auch das (in Teilen) auf einem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses beruhende Gesetz stellt sich als Ergebnis eines einheitlichen, demokratische Legitimation vermittelnden Verfahrens des Bundestages dar. Eine Besonderheit besteht lediglich darin, daß dem Bundestag – getragen vom Gedanken legislativer Effizienz – die begrenzte Möglichkeit eingeräumt wird, seinen bereits gefaßten Gesetzesbeschluß, an den er dem Grundsatz der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen zufolge eigentlich gebunden wäre, noch im selben Gesetzgebungsverfahren nachträglich zu ändern. Der Vermittlungsausschuß konkretisiert hierbei empfehlend die in Art. 77 Abs. 2 bis 4 GG lediglich abstrakt angelegte Möglichkeit einer Durchbrechung des Gesetzesbeschlusses und eröffnet mit seinem Einigungsvorschlag den Rahmen, innerhalb dessen der Bundestag noch einmal abstimmen und den ursprünglichen Gesetzesbeschluß korrigieren darf. Besonderes Kennzeichen der systematischen Stellung der Kompetenz des Vermittlungsausschusses, einen Kompromißvorschlag zu machen, ist, daß der Bundestag im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG nur noch über die Annahme oder Ablehnung des Einigungsvorschlags entscheiden, diesen jedoch nicht mehr ändern kann. Damit läßt sich in diesem Verfahrensabschnitt (allein) auch das gestaltende Element demokratischer Gesetzgebung nur unvollkommen verwirklichen. Da der dem Vermittlungsverfahren zugrundeliegende Gedanke legislativer Effizienz den völligen Verzicht auf eine demokratische Willensbildung jedoch nicht zu rechtfertigen vermag, dürfen nur solche Inhalte Gegenstand des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG sein, die bereits Gegenstand parlamentarischer Beratungen im Bundestag gewesen sind.
D. Die (verfahrenslegitimatorischen) Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses Nach Einbettung der Frage nach den Grenzen der Vermittlungskompetenz in ihren demokratischen Legitimations- wie ihren verfahrenssystematischen Zusammenhang soll sich im folgenden deren genauer Bestimmung gewidmet werden. Die Vermittlungskompetenz erweist sich hierbei als Größe demokratischer Legitimation im doppelten Sinne. Zunächst bildet sie als Kompetenz den äußeren Rahmen, innerhalb dessen sich die sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlags im (Binnen-)Verfahren des Vermittlungsausschusses vollzieht 1. Darüber hinaus sichert sie in ihrer Abgrenzung zur Gesetzgebungsbefugnis des Bundestages im organschaftlichen Außenverhältnis mittelbar die demokratische Legitimation des Gesetzes durch ein parlamentarisches Verfahren im Bundestag.
I. Der fragmentarische Charakter der Regelung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG Das Grundgesetz regelt die Vermittlungskompetenz des Vermittlungsausschusses nur fragmentarisch. Eine ausdrückliche Bestimmung, wie weit diese reicht, und welche Gegenstände der Vermittlungsausschuß bei seinem Einigungsvorschlag mit einbeziehen darf, sucht man vergebens. So ermöglicht es Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG dem Bundesrat, einen „aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildete(n) Ausschuß ein(zu)berufen“, geht damit von einer nachfolgenden Regelung der Vorschlagsbefugnis des Vermittlungsausschusses aus. Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG wiederum bestimmt, daß der Bundestag erneut Beschluß zu fassen hat, „schlägt der Ausschuß eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vor“, setzt damit eine derartige Kompetenz des Vermittlungsausschusses bereits als gegeben voraus. Auch wenn man beide Sätze zusammenführt, beschränkt sich der Textbefund des Art. 77 Abs. 2 GG auf die Aussage, daß ein zur gemeinsamen Beratung von Vorlagen gebildeter Ausschuß eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vorschlagen kann. Welchen Schranken der Vermittlungsausschuß hierbei unterliegt, bleibt ungeklärt. Eine in der 9. Wahlperiode des Bundestages unternommene Initiative, die Möglichkeit zu prüfen, konkrete Abgrenzungen der einbeziehbaren Gegenstän1
Vgl. hierzu oben A. II. 1. und C. I. 3.
II. Die Staatspraxis
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de in die Geschäftsordnung für den Vermittlungsausschuß aufzunehmen, wurde nicht weiterverfolgt. In Folge der nur unvollkommenen Regelung in Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG hat sich in Staatspraxis, Rechtsprechung und Schrifttum ein in seiner Vielfalt kaum noch zu überblickendes Meinungsspektrum zu der Frage entwickelt, anhand welcher Maßstäbe die Reichweite der Kompetenz des Vermittlungsausschusses zu bestimmen sei. Trotz der Vielzahl der Stellungnahmen gilt die Frage nach den Grenzen der Vermittlungskompetenz allerdings als nach wie vor nicht befriedigend gelöst. 2
II. Die Staatspraxis Der Vermittlungsausschuß interpretiert seine Kompetenz weit. 3 Gesetzesbeschluß und Anrufungsbegehren bildeten die Divergenzpositionen, beschrieben jedoch nicht den hierüber hinausreichenden Dispositionsrahmen. 4 Auch seien sie nicht als einzig mögliche Alternativen für einen Einigungsvorschlag zu verstehen. Zwar sieht sich der Vermittlungsausschuß an das Anrufungsbegehren gebunden, könnte er doch anderenfalls eine erneute Beratung über solche Bestimmungen erzwingen, über die Bundestag und Bundesrat bereits übereinstimmend gleichlautende Beschlüsse gefaßt haben 5. Ergänzungen des Gesetzesbeschlusses sind nach Ansicht des Vermittlungsausschusses jedoch auch dann zulässig, wenn sie in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Anrufungsbegehren stehen. 6 Dieser Sachzusammenhang sei um so weiter zu bestimmen, je umfassender der Regelungszweck des Gesetzesbeschlusses sei. 7 Seine weiteste Ausprägung 2 So auch die Einschätzungen von Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (323); Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 85. Vgl. auch Cornils, DVBl. 2002, 497 (497). 3 Ausführlich zur Staatspraxis mit zahlreichen Nachweisen Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 164 f. Vgl. auch Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 44 ff.; ders., Der Vermittlungsausschuß des Deutschen Bundestages und des Bundesrates, S. 19 f. Sowohl Dästner als auch Dietlein können hierbei auf Grund ihrer Eigenschaft als langjährige Geschäftsführer des Vermittlungsausschusses auch als Stimmen der Staatspraxis gelten. 4 Vgl. Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 47. 5 4. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 12. 7. 1950, Kurzprotokoll I/4, S. 4. Siehe auch 8. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 17. 11. 1950, Kurzprotokoll I/8, S. 2. 6 Grundlegend 4. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 12. 7. 1950, Kurzprotokoll I/4, S. 4. Bekräftigend 37. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 7. 7. 1952, Kurzprotokoll I/37, S. 6. Vgl. auch Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 166 f.; Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 46. 7 Ein besonders anschauliches wie extremes Beispiel bietet das Vermittlungsverfahren zum Versammlungsgesetz. Dieses auf ein Einberufungsverlangen des Bundesrates zurück-
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
erfahre er demnach dann, wenn die Anrufung des Vermittlungsausschusses offen – das meint ohne Einschränkungen, auf den Gesetzesbeschluß in seiner Gesamtheit bezogen – erfolge, und es sich bei dem Gesetz um ein heterogenes Artikelgesetz mit einem entsprechend weitreichenden Gesetzeszweck handle. Zumindest dem Grunde nach hat es der Vermittlungsausschuß des weiteren als unproblematisch angesehen, eine im ursprünglichen Gesetzesbeschluß des Bundestages nicht vorgesehene Änderung des Grundgesetzes vorzuschlagen, wenn erst diese die für die geregelte Materie bis dahin fehlende verfassungsrechtliche Kompetenzgrundlage schafft. 8 Ebenfalls zulässig ist seiner Auffassung nach die Anpassung des für das Inkrafttreten des Gesetzes vorgesehenen Termins an die durch das Vermittlungsverfahren entstandene neue Situation. 9 Keine Voraussetzung sei, daß der innerhalb des sachlichen Zusammenhangs gefundene Kompromißvorschlag bereits Gegenstand eines Verfahrens im Bundestag gewesen
gehende Verfahren war mit der 47. Sitzung des Ausschusses vom 1. 6. 1953 (vgl. Kurzprotokoll I/47, S. 14 – 17) eigentlich schon abgeschlossen. In der 48. Sitzung vom 18. 6. 1953 (vgl. Kurzprotokoll I/48, S. 2 f.) gab der Vorsitzende bekannt, daß der Vorschlag des Vermittlungsausschusses noch nicht auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt sei und ihn aus Kreisen des Ältestenrates durch den Abg. Dr. Menzel die „private Mitteilung“ erreicht habe, der Vermittlungsausschusses möge die Vorschrift des § 25a VersG noch einmal ändern, um es so dem Bundestag zu ermöglichen, dem Einigungsvorschlag zustimmen zu können. Mit der Begründung, diese „Bitte oder Anregung“ stünde in einer „gewissen Beziehung“ zum Anrufungsbegehren des Bundesrates erklärte sich der Vermittlungsausschuß nach einer Aussprache zu einer derartigen Vorgehensweise bereit und nahm in seiner 49. Sitzung vom 2. 7. 1953 (vgl. Kurzprotokoll I/49, S. 4) auch noch drei weitere, über die Änderung des § 25a VersG hinausgehende Änderungsvorschläge mit in seinen Einigungsvorschlag auf, die jedoch in keinerlei Zusammenhang mit dem originären Anrufungsbegehren des Bundesrates standen. 8 Vgl. die langwierige und ausführliche Diskussion zum Bundeswasserstraßengesetz in der 10. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 19. 4. 1960, Kurzprotokoll III/10, S. 19 ff. sowie 11. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 5. 7. 1960, Kurzprotokoll III/ 11, S. 34 ff. Siehe auch den Antrag des Landes Hessen (BR-Drs. 92/2/81), die nach Auffassung des Bundesrates (BR-Drs. 92/81 (Beschluß), Anlage) fehlende grundgesetzliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Staatshaftungsgesetz durch Anrufung des Vermittlungsausschusses nachträglich zu schaffen und damit die bestehenden verfassungsrechtlichen Einwände zu beheben, sowie die Stellungnahme von Minister Dr. Schwarz, Schleswig-Holstein, Stenographischer Bericht über die 497. Sitzung des Bundesrates am 13. 3. 1981, Plenarprotokoll, S. 56C; hierzu auch Dietlein, AöR 106 (1981), 525 (540 f.). 9 Vgl. 15. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 27. 2. 1961, Kurzprotokoll III/15, S. 7 (Stellungnahme des Abg Dr. Arndt) und S. 10 (Beschluß); 11. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 5. 7. 1960, Kurzprotokoll III/11, S. 41; 10. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 12. 7. 1968, Kurzprotokoll V/10, S. 5 f. Jedoch fanden sich auch in der Staatspraxis von Beginn an Bedenken gegenüber einer zu weitreichenden Umgestaltung des Gesetzesbeschlusses in Anbetracht einer bei der erneuten Beschlußfassung des Bundestages über den Einigungsvorschlag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG lediglich begrenzt möglichen parlamentarisch-demokratischen Willensbildung. Vgl. nur die 10. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 17. 1. 1951, Kurzprotokoll I/10, S. 6.
III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum
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sei, weder im konkret vorangegangenen noch in einem sonstigen, sich parallel ereignenden. 10
III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum 1. Rechtsprechung a) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat sich in mittlerweile vier Entscheidungen mit der Frage auseinandergesetzt, welchen Schranken der Vermittlungsausschuß bei der Ausübung seiner Vermittlungskompetenz unterliegt. aa) BVerfGE 72, 175 – Wohnungsfürsorge Den Ausgangspunkt bildet das Urteil zum 2. Haushaltsstrukturgesetz 11. Jene Entscheidung fällt allerdings weniger durch klare Maßstäbe, denn durch die Vielzahl der in ihr enthaltenen Relativierungen auf. So beginnt das Gericht seine Ausführungen bereits mit der Feststellung, daß es keinen Anlaß gebe, die Grenzen der Befugnisse des Vermittlungsausschusses abschließend zu bestimmen 12. Der Entscheidung lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde. Der Bundesrat hatte dem umfassenden, zahlreiche Änderungen unterschiedlicher Gesetzesmaterien enthaltenden 2. Haushaltsstrukturgesetz, dessen Zweck im wesentlichen darin bestand, die Investitionstätigkeit anzuregen, die Dynamik öffentlicher Ausgaben zu begrenzen und die Verschuldung der öffentlichen Haushalte zurückzuführen, zunächst die Zustimmung verweigert. Daraufhin hatte die Bundesregierung den Vermittlungsausschuß angerufen. Sie hatte ihre Anrufung weder eingeschränkt noch begründet. Der Vermittlungsausschuß hatte sodann die Ergänzung um ein „Gesetz zum Abbau der Fehlsubventionierung und der Mietverzerrung im Wohnungswesen“ in einem neuen Art. 26a vorgeschlagen. Die im Art. 26a (später Art. 27) geregelten Materien waren nicht Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens im Bundestag gewesen. Sie beruhten auf dem „Wohnungsbauänderungsgesetz 1981“, welches zum Zeitpunkt des Vorschlags gerade im zuständigen Ausschuß des Bundestages im Rahmen eines eigenständigen Gesetzgebungsverfahrens verhandelt wurde. Das Bundesverfassungsgericht sah die Grenzen der Vermittlungskompetenz durch den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses gewahrt. Er verletze 10 11 12
Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 167. BVerfGE 72, 175 (187 ff.) (Wohnungsfürsorge). BVerfG, a. a. O. (189).
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
nicht das Gesetzesinitiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG. 13 Inwieweit darüber hinaus die Wahrung des Sachzusammenhangs mit dem ursprünglichen Gesetzesbeschluß des Bundestages ein geeignetes Kriterium für eine begriffliche Eingrenzung der Vermittlungsbefugnis sei, bedürfe keiner abschließenden Klärung. 14 Jedenfalls verbleibe der Einigungsvorschlag auch innerhalb eines solchen, sei dieser doch auf Grund der Offenheit des Anrufungsbegehrens und des umfassenden Regelungsziels des 2. Haushaltsstrukturgesetzes als heterogenem Artikelgesetz sehr weit zu verstehen. 15 Die Rechte der Abgeordneten auf Mitwirkung bei der Gesetzgebung und die Öffentlichkeit des parlamentarischen Verfahrens (Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1, Art. 42 Abs. 1 GG) seien durch die parallel erfolgte erste Lesung und Ausschußberatung im Verfahren zum „Wohnungsbauänderungsgesetz 1981“ gewahrt. 16 Des weiteren sei nicht ersichtlich, daß der Vermittlungsausschuß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Verfassungsorgane verstoßen habe. Allerdings läßt das Gericht insoweit ausdrücklich offen, ob der Grundsatz der Verfassungsorgantreue auf die Tätigkeit des Vermittlungsausschusses überhaupt anwendbar ist. 17 bb) BVerfGE 78, 249 – Fehlbelegungsabgabe Ein zweites Mal widmet sich das Bundesverfassungsgericht den Schranken der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses zwei Jahre später in seiner Entscheidung zur Fehlbelegungsabgabe. In jenem Urteil bezieht das Gericht jedoch nur kurz Stellung und beschränkt sich auf eine Bekräftigung des vorangegangenen Urteils zum 2. Haushaltsstrukturgesetz. 18 Seine Rechtfertigung fand dies darin, daß die streitige Regelung seinerzeit eben durch gerade jenen Art. 27 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes eingeführt worden war. Die aus der Entscheidung zu gewinnende Erkenntnis besteht denn auch vor allem darin, daß das Gericht noch einmal ausdrücklich klarstellt, daß der damalige Einigungsvorschlag über das Anrufungsbegehren hinausging und nur deshalb zulässig war, weil er von dem durch die offen gefaßte Anrufung umfassend eröffneten, weitreichenden Regelungszweck des 2. Haushaltstrukturgesetzes getragen wurde. Diesmal stellt das Gericht das Kriterium der Wahrung des Sachzusammenhangs zum Gesetzesbeschluß des Bundestages jedoch nicht unter einen Vorbehalt. 19 Dies konnte als mögliches Indiz dafür verstanden werden, daß sich das Gericht dazu entschlossen 13 14 15 16 17 18 19
Ebd. BVerfG, a. a. O. (190). BVerfG, a. a. O. (190 f.). BVerfG, a. a. O. (191 f.). BVerfG, a. a. O. (192 f.). BVerfGE 78, 249 (271) (Fehlbelegungsabgabe). Vgl. BVerfG, a. a. O.
III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum
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hatte, diesem Maßstab für die Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz zu folgen. Schließlich bestätigt das Gericht seine Auffassung, daß die Durchführung allein einer ersten Lesung – in einem anderen Verfahren – nicht zu einer Verkürzung der Abgeordnetenrechte führe. 20 cc) BVerfGE 101, 297 – Häusliches Arbeitszimmer Ihre Fortsetzung findet die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite der Vermittlungskompetenz elf Jahre später in der „Arbeitszimmer“Entscheidung 21. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde war die Regelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996. Die die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer beschränkende Vorschrift war erst durch den Vermittlungsausschuß in das Jahressteuergesetz 1996 eingefügt worden. Dieser war durch den Bundestag zum Jahressteuergesetz 1996 angerufen worden, ohne daß jener hierbei Einschränkungen formuliert hätte. Der ursprüngliche Gesetzesbeschluß des Bundestages hatte eine Begrenzung der Abziehbarkeit entsprechender Aufwendungen nicht vorgesehen. Eine solche war allerdings Inhalt der Anlage eines Fraktionsantrages gewesen, der sowohl in der ersten Lesung als auch in den Beratungen des Finanzausschusses des Bundestages kontrovers diskutiert worden war. Das Bundesverfassungsgericht sah die Einfügung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG durch Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses in das Jahressteuergesetz 1996 als verfassungsrechtlich zulässig an. Im Unterschied zur Entscheidung zum 2. Hauhaltsstrukturgesetz benennt das Gericht diesmal grundgesetzliche Maßstäbe, anhand derer die Grenzen für Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses zu ermitteln seien. So besitze der Vermittlungsausschuß kein eigenes Gesetzesinitiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG. 22 Er empfange seine Legitimation nur in den Grenzen des Anrufungsbegehrens. 23 Ein Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses müsse die Rechte der Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren wahren und die Gesetzgebungsentscheidungen der parlamentarischen Öffentlichkeit vorbehalten bleiben, 24 dürfe mithin nicht zu einer Verkürzung der parlamentarischen Demokratie führen. Schließlich dürfe der Bundesrat nicht über die Einschaltung des Vermittlungsausschusses Einfluß auf die Gesetzgebung gewinnen, ohne daß dies eine Beteiligung des Bundestages nach sich 20 21 22 23 24
Ebd. BVerfGE 101, 297 (305 ff.) (Arbeitszimmer). BVerfG, a. a. O. (306). Ebd. Ebd.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
ziehe. 25 Führe man diese verfassungsrechtlichen Vorgaben in einer Gesamtbetrachtung zusammen, so ließen sich die Grenzen der Vermittlungskompetenz des Vermittlungsausschusses dahingehend formulieren, daß ein Einigungsvorschlag innerhalb des Anrufungsbegehrens verbleiben und in den diesem zugrundeliegenden, bisherigen Beratungen im Bundestag inhaltlich und formal – durch die in dieses eingeführten Anträge und Stellungnahmen – vorgezeichnet worden sein müsse. 26 Der Vorschlag, das Jahressteuergesetz 1996 um die Regelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG zu ergänzen, genüge diesen Anforderungen. Er bewege sich innerhalb des Einberufungsverlangens des Bundestages, welches sich umfassend auf das Jahressteuergesetz 1996 bezogen habe, und sei mit der Erörterung von – mit dem Anhang eines Fraktionsantrages auch förmlich eingeführten – Überlegungen zur Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in Plenum und Finanzausschuß auch bereits inhaltlicher Gegenstand des Verfahrens im Bundestag gewesen. dd) BVerfGE 120, 56 – Vermittlungsausschuß Den vorläufigen 27 Schlußpunkt der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zu den Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses bildet sein Beschluß vom 15. Januar 2008 28. Gegenstand der Normenkontrollvorlage des Bundesfinanzhofes 29 war die Streichung des der Steuerneutralität des Übernahmegewinns bei Verschmelzungen dienenden § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform. Dem Vermittlungsvorschlag 25
BVerfG, a. a. O. (307). Ebd. 27 Siehe jedoch gerade BVerfG, 2 BVR 758/07 vom 8. 12. 2009. Zwischenzeitlich war zur Frage nach den Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses auch eine Normenkontrollvorlage des Bundesfinanzhofs zu § 8 Abs. 4 KStG 1996 anhängig (BVerfG – 2 BvL 61/06), welche jedoch mittlerweile nach Zurücknahme der Revision durch den BFH mit Beschluß vom 29. 4. 2008 – I R 25/06 aufgehoben wurde (siehe hierzu auch unten J., Fußnote 2). Nicht zur Entscheidung angenommen wurden des weiteren Verfassungsbeschwerden gegen Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (HBeglG 2004) (BVerfG, 2 BvR 412/04 und 2 BvR 2491/04 vom 7. 11. 2007; ausführlich hierzu unten H. III. 1.) sowie gegen § 5 Abs. 1 Satz 4 ErbStG i. d. F. des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes (StMBG) (BVerfG, 1 BvR 887/06 vom 9. 10. 2007; siehe hierzu auch unten G., Fußnote 2). Beim Bundesfinanzhof ist derzeit noch ein Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 54 Abs. 9 S. 1 i.V. m. § 23 Abs. 2 S. 5 KStG i. d. F. des StBereinG 1999 (BGBl. I 1999, 2601) anhängig (BFH – I R 33/ 05 (Verfahren bis zu Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vorlage des Bundesfinanzhofs vom 18. Juli 2001 ausgesetzt); siehe hierzu unten G., Fn. 72). 28 BVerfGE 120, 56 (73 ff.) (Vermittlungsausschuß). Ausführlich hierzu auch unten J. III. 1. 29 BFHE 196, 232. 26
III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum
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zur Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 war dabei eine offene Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die Bundesregierung vorangegangen. Der Gesetzesbeschluß des Bundestages hatte keine Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995 vorgesehen. Änderungen zumindest des Dritten Teils des Umwandlungssteuergesetzes 1995, in welchem sich auch die Regelung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 findet, waren weder Gegenstand der ursprünglichen Gesetzesvorlage noch wurden solche in den anschließenden Beratungen zum Thema gemacht. Nur im, in lediglich zeitlichem Zusammenhang mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform stehenden, JahressteuerErgänzungsgesetz 1996 finden sich Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995, allerdings auch hier nicht des § 12 UmwStG 1995. Schließlich hatte der Bundestag im zeitlich parallel verlaufenden Gesetzgebungsverfahren zum Entwurf eines allerdings nie in Kraft getretenen Steuerreformgesetzes 1998 zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die Bundesregierung zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform bereits erfolgt war, einen Entschließungsantrag verabschiedet, der die Bundesregierung aufforderte, Möglichkeiten einer gesetzlichen Einschränkung der Verlustberücksichtigung in Umwandlungsfällen zu prüfen und das Prüfungsergebnis so bald wie möglich mitzuteilen. Das Bundesverfassungsgericht kam in seinem Beschluß zu dem Ergebnis, daß die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses für eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 unzulässig gewesen sei. Der Vermittlungsausschuß habe seine verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten. 30 Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform sei unter Verletzung der Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 2, Art. 42 Abs. 1 S. 1 und Art. 76 Abs. 1 GG zustande gekommen. 31 Dieser Verfassungsverstoß sei allerdings nicht evident gewesen und führe daher nicht zur Nichtigkeit der Norm. 32 In der Begründung seines Beschlusses bestätigt das Gericht seinen bereits in der „Arbeitszimmer“-Entscheidung aufgestellten Maßstab und entwickelt diesen in einzelnen Punkten fort. So bekräftigt das Bundesverfassungsgericht, daß der Vermittlungsausschuß zur Wahrung der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, der Rechte der Abgeordneten, der Öffentlichkeit der parlamentarischen Debatte und damit der demokratischen Kontrolle nur solche Änderungen, Ergänzungen und Streichungen des Gesetzesbeschlusses vorschlagen dürfe, welche sich im Rahmen des Anrufungsbegehrens und des Gesetzgebungsverfahrens bewegten. 33 Weiter ungeklärt bleibt hierbei allerdings das Verhältnis, in welchem diese bei-
30 31 32 33
BVerfGE 120, 56 (78) (Vermittlungsausschuß). Ebd. BVerfG, a. a. O. (79 f.). BVerfG, a. a. O. (75).
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
den Erfordernisse zueinander stehen. 34 Seine Beschränkung auf Regelungsgegenstände des vorangegangenen Gesetzgebungsverfahrens rechtfertigt das Gericht mit der Ausgestaltung des Vermittlungsverfahrens. Diese konfrontiere die Abgeordneten bei ihrer erneuten Beschlußfassung nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG mit einem bereits fertigen Gesetzentwurf und nehme ihnen in diesem Verfahrensabschnitt damit die Möglichkeit zur Wahrnehmung ihrer Mitwirkungsrechte. 35 Hierauf könne jedoch angesichts der Funktion der aus Art. 20 Abs. 2 GG, Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Mindestvoraussetzungen an eine parlamentarische Beratung als Instrument zur Sicherstellung der demokratischen Legitimation der zu treffenden Regelungen nicht verzichtet werden. 36 Das zum Anrufungsbegehren führende Gesetzgebungsverfahren werde hierbei durch die zuvor in dieses eingeführten Stellungnahmen der Abgeordneten und des Bundesrates bestimmt. 37 Erstmals Erwähnung in diesem Zusammenhang finden für den Fall einer Regierungsvorlage auch Stellungnahmen der Bundesregierung. 38 Entscheidend sei dabei allerdings nicht, so das Gericht, ob die vorgeschlagenen Regelungsalternativen im Gesetzesbeschluß auch tatsächlich Berücksichtigung gefunden hätten, sondern allein, daß die Abgeordneten hinsichtlich dieser die Möglichkeit besessen hätten, von ihren Mitwirkungsrechten Gebrauch zu machen. 39 Dies setze jedoch voraus, daß der betroffene Regelungsgegenstand im „jeweilige(n) Gesetzgebungsverfahren“ 40 jedenfalls erkennbar gewesen sei. 41 Dies müsse zwar nicht in Form eines ausformulierten Gesetzentwurfs gesche34
So lassen die Formulierung, daß Meinungsverschiedenheiten „auch aus dem Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht ersichtlich“ (BVerfG, a. a. O. (76)) seien, sowie die im folgenden trotz bereits offenkundig fehlender Vorzeichnung im Anrufungsbegehren erfolgende eingehende Untersuchung, ob eine Aufhebung des § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 zumindest dem sachlichen Grunde nach im vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren erkennbar gewesen war, ein alternatives Verständnis beider Kriterien vermuten, spricht hingegen die Absolutheit der Ausführungen zur Notwendigkeit einer demokratischen Legitimation auch von Regelungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses in einem parlamentarischen Verfahren hingegen wiederum eher für ein Verständnis im Sinne eines kumulativen Verhältnisses. 35 BVerfG, a. a. O. (75). 36 BVerfG, a. a. O. (78). 37 BVerfG, a. a. O. (75). 38 Ebd. 39 Ebd. 40 Diese wie auch die Formulierung von dem „zum Anrufungsbegehren führende(n) Gesetzgebungsverfahren“ (BVerfG, a. a. O. (75)) scheinen Indiz dafür zu sein, daß das Gericht von der Möglichkeit einer Vorzeichnung von Regelungsgegenständen ausschließlich im konkreten und damit nicht einem anderen Gesetzgebungsverfahren ausgeht. Die gegen Ende des Urteils vorgenommene Prüfung eines Entschließungsantrags des Bundestages in einem anderen Gesetzgebungsverfahren als taugliche Vorzeichnung eines Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses spricht wiederum gegen eine solche Annahme. 41 BVerfG, a. a. O. (76).
III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum
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hen sein. 42 Unter Betonung der strengen Förmlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens verlangt das Gericht jedoch, daß der Regelungsgegenstand zumindest so bestimmt gewesen sein müsse, daß „seine sachliche Tragweite dem Grunde nach erkennbar“ gewesen sei. 43 Eine allgemeine Zielformulierung genüge hierfür nicht. 44 Fehle es an jeglicher thematisch verwandten Regelung im vorherigen Verfahren, scheide ein Gegenstand in jedem Falle als Inhalt eines Vermittlungsvorschlages aus. 45 ee) Zusammenfassende Würdigung und offene Fragen Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grenzen der Vermittlungskompetenz kann angesichts der erst wenigen, vor allem aber widersprüchlichen Entscheidungen nur mit einer gewissen Vorsicht zusammengefaßt werden. Nach anfänglich zwei in ihrem Maßstab eher großzügigen Entscheidungen lieferte erst die dritte Entscheidung konkrete und zugleich strengere Kriterien für die Zulässigkeit eines Einigungsvorschlags. Die zeitliche Zäsur von dreizehn Jahren spricht dabei für die Annahme, daß die „Arbeitszimmer“-Entscheidung nicht nur in konkretisierender Fortentwicklung, sondern in bewußter Abkehr von der nahezu konturenlosen 46 Bestimmung des Vermittlungsrahmens in den ersten beiden Entscheidungen erfolgte. Der jüngste Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite der Vermittlungskompetenz bestätigt diese Einschätzung. Seine dortigen Ausführungen will das Gericht ausdrücklich als bewußte Fortsetzung der erstmals in der „Arbeitszimmer“-Entscheidung aufgezeigten Maßstäbe 47 und in zugleich negativer Abgrenzung von den „noch offenen“ und „unbestimmten“ vorangegangenen Entscheidungen 48 verstanden wissen. Unter Berücksichtigung der beiden jüngeren Entscheidungen lassen sich als nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gefestigt wohl zumindest folgende Maßstäbe für eine Eingrenzung der Kompetenz des Vermittlungsausschusses festhalten: Der Vermittlungsausschuß darf sich kein Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG) anmaßen, erfährt seine Legitimation nur im Rahmen des Anrufungsbegehrens, hat die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG), das Gebot parlamentarischer Öffentlichkeit (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) sowie die aus dem demokratischen Prinzip (Art. 20 42
Ebd. Ebd. 44 Ebd. 45 BVerfG, a. a. O. (78). 46 Kritisch auch Sachs, JuS 1987, 821 (822); Schmidt-Jortzig / Schürmann, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 76, Rn. 130. 47 So lautet bereits der Leitsatz: „Zu den Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses (im Anschluß an BVerfGE 101, 297)“. 48 Vgl. BVerfGE 120, 56 (80) (Vermittlungsausschuß). 43
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
Abs. 2 GG) folgenden Mindestanforderungen an ein parlamentarisches Verfahren zu wahren und darf nicht zu einer Funktionenverschiebung zugunsten des Bundesrates führen. Aus einer Zusammenschau der einzelnen grundgesetzlichen Maßstäbe folgt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts das Gebot, daß ein Einigungsvorschlag innerhalb des Anrufungsbegehrens und des ihm zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens verbleiben muß. Eine Vorzeichnung des Regelungsgegenstandes eines Vermittlungsvorschlags kann dabei durch Anträge und Stellungnahmen der Abgeordneten, des Bundesrates oder – im Falle einer Regierungsvorlage – auch der Bundesregierung stattgefunden haben. Damit ist jedoch der Bereich dessen, was als – bundesverfassungsgerichtlich – geklärt gelten kann, auch schon verlassen und ein weites Feld von Ungeklärtheiten erreicht. Denn bereits die Frage, ob die beiden Elemente des zuletzt genannten Gebotes kumulativ oder alternativ vorzuliegen haben – ob ein Einigungsvorschlag sich also sowohl innerhalb des Anrufungsbegehrens zu bewegen hat, als auch im Gesetzgebungsverfahren inhaltlich und formal vorgezeichnet sein muß –, oder ob letztgenanntes Kriterium allein für den Fall gilt, daß der Einigungsvorschlag über das Anrufungsbegehren hinausgeht, muß als nach wie vor ungeklärt gelten. Zumindest wird die „Arbeitszimmer“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Rechtsprechung und Schrifttum sowohl im Sinne eines kumulativen Nacheinanders 49 beider Maßstäbe wie auch im Sinne ihres alternativen Nebeneinanders 50 verstanden. Des weiteren harrt der Klärung, wie der Rahmen des – insbesondere offenen – Anrufungsbegehrens zu bestimmen ist, ob insoweit der konkret-individuelle Zweck der einzelnen Norm oder das übergeordnet allgemein-politische Ziel des gesamten Gesetzgebungsvorhabens die maßgebliche Bezugsgröße bildet. Nicht weiter konkretisiert hat das Gericht zudem, unter welchen genauen Voraussetzungen ein Einigungsvorschlag im Verfahren des Bundestages „dem Grunde nach“ inhaltlich und formal vorgezeichnet ist. 51 Schließlich harrt auch die Frage, ob letzteres nur im konkret vorangegangenen „jeweiligen“ oder aber auch in einem anderen – sich parallel ereignenden – Gesetzgebungsverfahren erfolgen kann, noch einer abschließenden Antwort. b) Die Folgerechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit Als einzige Fachgerichtsbarkeit hat sich die Finanzgerichtsbarkeit – möglicherweise bedingt durch die Tatsache, daß dieser mit § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG eine steuergesetzliche Regelung zugrunde lag – in mehreren auf die „Arbeitszimmer“Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgenden Verfahren verstärkt der 49 50 51
Siehe statt vieler nur Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (742). Siehe statt vieler nur Elsner, N&R 2006, 53 (57). Kritisch auch Greite, NWB Fach 3, 10967 (10970).
III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum
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Frage nach den Grenzen der Vermittlungskompetenz gewidmet 52, dabei auch mehrere Normen im Wege der konkreten Normenkontrolle dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorgelegt 53. Der Bundesfinanzhof knüpft in seinen Urteilen explizit an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur begrenzten Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer an 54 und setzt im wesentlichen die dort aufgestellte materielle Linie fort. Auffällig ist allerdings, daß er dabei wiederholt den Grundsatz des – eigentlich das Verhältnis zur rechtsetzenden Exekutive bestimmenden – Parlamentsvorbehalts bemüht 55. Normativ stützt er sich fast durchweg auf Art. 76 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG 56, vereinzelt zieht er Art. 20 Abs. 2 GG 57 und Art. 77 GG 58 heran. Den vom Bundesverfassungsgericht entfalteten zweielementigen Maßstab zur Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines Einigungsvorschlags versteht der Bundesfinanzhof weit im Sinne einer Alternativität 59. Ein Einigungsvorschlag ist danach mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn er entweder vom Anrufungsbegehren getragen wird oder – für den Fall, daß dieses überschritten wird 60 – im parlamentarischen Verfahren des Bundestages angelegt ist. Während der Bundesfinanzhof dabei den Zusammenhang eines offenen, sich auf den Gesetzesbeschluß in seiner Gesamtheit beziehenden Anrufungsbegehrens eher großzügig faßt, wenn er zu dessen Bestimmung auf das 52
Vgl. BFHE 196, 232 (Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform); BFHE 211, 227 (232) (§ 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StBereinG 1999); BFHE 214, 424 (§ 8 Abs. 4 KStG i. d. F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform); BFHE 215, 491 (§ 37 Abs. 2a KStG i. d. F. des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen); BFH / NV 2006, 948 (949) (§ 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG i. d. F. des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes). Siehe auch FG Münster, EFG 2005, 1225 (1228 f.) (§ 54 Abs. 9 S. 1 KStG i. d. F. des StBereinG 1999); Revision unter BFH, Az. I R 33/05 (Verfahren bis zu Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vorlage des Bundesfinanzhofs vom 18. Juli 2001 ausgesetzt); FG Düsseldorf, Beschluß v. 28. 2. 2005 – 4 V 410/05 A, FGReport 2005, 40 (§ 2 Abs. 2 S. 1 BierStG 1993 i. d. F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2004). 53 BFHE 196, 232 (Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform); BFHE 214, 424 (§ 8 Abs. 4 KStG i. d. F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform). 54 BFHE 196, 232 (238 f.); BFHE 211, 227 (232); BFHE 215, 491 (497); BFH / NV 2006, 948 (949). 55 Vgl. BFHE 196, 232 (238); BFHE 211, 227 (231); BFHE 214, 424 (428). 56 BFHE 196, 232 (238); BFHE 211, 227 (231); BFHE 214, 424 (428). 57 BFH / NV 2006, 948 (950). 58 BFHE 215, 491. 59 Deutlich BFHE 211, 227 (233); BFH / NV 2006, 948 (950). Siehe auch FG Münster, EFG 2005, 1225 (1228 f.). Unklar, ob alternatives oder kumulatives Verständnis hingegen in BFHE 215, 491 (497 ff.). 60 Vgl. BFHE 211, 227 (233); BFH / NV 2006, 948 (950).
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
übergeordnete Regelungsziel des Gesetzeswerkes abstellt 61, versteht er die Möglichkeit der Vorzeichnung im Verfahren des Bundestages dann jedoch wiederum streng und beschränkt sie auf das konkrete, vorangegangene Gesetzgebungsverfahren 62. 2. Schrifttum Stellt man sich der Aufgabe einer Darstellung der im Schrifttum zu den Grenzen der Vermittlungskompetenz vertretenen Aussagen, sieht man sich einer Herausforderung gegenüber. Diese besteht weniger in der Vielzahl der vorgetragenen Stellungnahmen als vielmehr deren Vielfalt, den dabei zutage tretenden zahlreichen wie vielschichtigen Überschneidungen, vor allem aber deren inneren wie äußeren Widersprüchlichkeiten. Besondere Schwierigkeiten bereitet, daß bereits die Begrifflichkeiten uneinheitliche Verwendung finden, häufig ohne daß der unterschiedlich beigemessene Gehalt aufgedeckt würde. 63 Auch wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ganz unterschiedlich interpretiert. 64 Um sich daher nicht in den feinsten Verästelungen des bisweilen labyrinthisch anmutenden wissenschaftlichen Meinungsbildes zu verlieren, erscheint eine Typisierung der vertretenen Auffassungen unvermeidbar, allein ihre systematische Erfassung sinnvoll. Verallgemeinernd lassen sich die vertretenen Auffassungen hierbei nach der – untechnisch verstandenen – Weite des verfassungsrechtlich für zulässig erachteten Vermittlungsrahmens einteilen. a) Restriktive Interpretationen der Vermittlungskompetenz Als eher restriktiv lassen sich dabei folgende, in ihrem Ansatz ganz unterschiedliche Interpretationen der Vermittlungskompetenz bezeichnen.
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BFHE 215, 491 (497). BFHE 196, 232 (241). BFHE 214, 424 (429). 63 Beispielhaft genannt seien an dieser Stelle nur die in ganz unterschiedlicher Weite verstandenen Begrifflichkeiten des „Sachzusammenhangs“, des „Gesetzgebungsziels“ sowie des „Gesetzgebungsverfahrens“. Ausführlich zu deren genauer Bestimmung unten D. V. 1. b) aa) und D. V. 2. a) bb). 64 Als Beispiel mag das ganz unterschiedliche Verständnis der „Arbeitszimmer“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dienen. So trifft man in Rechtsprechung und Schrifttum immer wieder den auf die „Wohnungsfürsorge“- und „Fehlbelegungsabgabe“Entscheidung zurückgehenden, mit der „Arbeitszimmer“-Entscheidung aber gerade überholten Maßstab eines „Sachzusammenhangs“ mit dem Anrufungsbegehren an. So z. B. BFHE 215, 491 (49); Decker, NVwZ 2004, 826 (827); Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 60 ff.; Rosenthal, NJW 1998, 1105 (1105). Ausdrücklich sogar R. Schenke, FR 2004, 638 (642). 62
III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum
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aa) Kumulativität von strenger Anrufungs- und Verfahrensidentität Den wohl strengsten Maßstab bildet dabei ein restriktiv-kumulatives Verständnis der vom Bundesverfassungsgericht in seiner „Arbeitszimmer“-Entscheidung entwickelten Maßstäbe 65. 66 Danach wahrt ein Einigungsvorschlag nur dann die Grenzen der Vermittlungskompetenz, wenn er sowohl innerhalb des Anrufungsbegehrens verbleibt (Anrufungsidentität 67) als auch bereits im bisherigen Gesetzgebungsverfahren vorgezeichnet ist (Verfahrensidentität). Das Anrufungsbegehren beschreibt hierbei einen äußeren sachlichen Rahmen, den das Gebot einer Vorzeichnung im Gesetzgebungsverfahren sodann formal weiter einschränkt. Beide Kriterien werden zudem jeweils in einem strengen Sinne verstanden. Die sachliche Reichweite des Anrufungsbegehrens, welches seine maximale Ausdehnung in der Bezugnahme auf den Gesetzesbeschluß als solchen erfährt, bestimmt sich dabei nicht nach dem übergeordneten politischen Ziel des gesamten (Artikel-)Gesetzes, drohte dies doch zur Maßstabslosigkeit zu führen und die Vorlage ins Entwurfsstadium zurückzuversetzen 68, sondern aus der „Individualperspektive“ der einzelnen Regelungsalternative 69. Diese kann dabei auch nur dann in den Einigungsvorschlag mit einbezogen werden, wenn sie zuvor Gegenstand des konkret zugrunde liegenden Gesetzgebungsverfahrens gewesen ist. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn ein Regelungsvorschlag in einem anderen – parallel stattfindenden – Gesetzgebungsverfahrens erörtert wurde. 70 Weitere Voraussetzung ist zudem, daß sie formal, das meint in Form eines 65 Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (279 f.); Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 23 ff.; P. Kirchhof, in: Schneider / Rückle / Küpper / Wagner (Hrsg.), FS für Siegel, S. 399 (404 ff.); Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 88. So wohl auch Erbslöh, NVwZ 2007, 155 (156 f.); Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (742 ff.); Köster, Stbg 2004, 251 (253); Palm, NVwZ 2008, 633 (634); Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 41. Wenn auch nicht den gleichen strukturellen Ansatz wählend, so doch in den einzelnen Maßstäben wie auch dem Ergebnis deckungsgleich Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 ff. 66 So zumindest Erbslöh, NVwZ 2007, 155 (156 f.); Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (742); Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 88; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 41. Originär einen solchen Ansatz vertretend hingegen Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 23 ff., und Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (279 f.). 67 Begriff in Anlehnung an Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 29. 68 Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 23. Vgl. auch Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (282). 69 Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (744). In diesem Sinne auch Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331); Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 87.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
Antrags oder einer Stellungnahme in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden sein muß. Auch das Kriterium der Verfahrensidentität wird somit eng verstanden. Normativ stützen sich die Befürworter einer derart engen Auslegung der Vermittlungskompetenz auf den Sinn und Zweck der Regelung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG, den begrenzten Kreis der Gesetzesinitiativberechtigten nach Art. 76 Abs. 1 GG, vor allem aber das Demokratieprinzip im allgemeinen wie auch dessen Konkretisierungen in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG. bb) Enger inhaltlicher Sachzusammenhang mit dem Gesetzesbeschluß Auch Schenke gelangt zu dem Ergebnis, daß die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, nach Art. 77 Abs. 2 GG einen Einigungsvorschlag zu unterbreiten, eng auszulegen sei. 71 Zulässiger Vermittlungsgegenstand seien allein solche Regelungen, die in einem engen inhaltlichen Sachzusammenhang zum Gesetzesbeschluß stünden. 72 Dies folge aus einer im Schwerpunkt systematischteleologischen Interpretation des Art. 77 Abs. 2 GG, deren Mittelpunkt die systematische Heranziehung der Regelung des Gesetzesinitiativrechts (Art. 76 Abs. 1 GG), des Demokratieprinzips, des grundgesetzlichen Organisationsgefüges zwischen Bundestag und Bundesrat sowie des Prinzips der Verfassungsorgantreue bilde. Der Vermittlungsausschuß dürfe sich mit dem Einigungsvorschlag kein ihm nach Art. 76 Abs. 1 GG nicht zustehendes Gesetzesinitiativrecht anmaßen. Auch dürfe es nicht zu einer Verkürzung des Gesetzgebungsverfahrens kommen. Seine Inhalte müssten als unter Wahrung der parlamentarischen Öffentlichkeit und der Rechte der Abgeordneten zustande gekommen erachtet werden können. Institutionell ginge mit einer Ausdehnung der Vermittlungskompetenz eine Schwächung des Bundestages, funktionell eine Stärkung der Exekutive einher. Schließlich verbiete auch das im Prinzip der Verfassungsorgantreue enthaltene Rücksichtnahmegebot eine Interpretation der Vermittlungskompetenz, 70 Masing, a. a. O., Rn. 88. Im Ergebnis so wohl auch P. Kirchhof, in: Schneider / Rückle / Küpper / Wagner (Hrsg.), FS für Siegel, S. 399 (406). Siehe auch Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 22. 71 So Schenkes ausführliches Gutachten zum 2. Haushaltsstrukturgesetz, W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 50. 72 W.-R. Schenke, a. a. O. So wohl auch Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 55 ff.; Bismark, DÖV 1983, 269 (276). Ähnlich Wessel, AöR 77 (1951/ 1952), 283 (302 f.). Das Kriterium des Sachzusammenhangs soll hierbei in erster Linie der Wahrung der Verfahrensrechte des Bundestagsabgeordneten dienen, indem es mögliche Inhalte eines Einigungsvorschlags sachlich-gegenständlich eng an solche Materien knüpft, die bereits Gegenstand einer Willensbildung im Bundestag gewesen sind. So zumindest Bismark, 1983, 269 (276); Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 58. Vgl. auch Cornils, DVBl. 2002, 497 (504). Ausführlich zum Zusammenwirken von inhaltlicher Legitimation und Verfahrenslegitimation der Bestimmungen eines Einigungsvorschlags siehe unten D. V. 2. b) aa).
III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum
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die zu einer weitreichenden Schmälerung und Aushöhlung der grundgesetzlichen Kompetenzen des Bundestages führen würde. Vor diesem Hintergrund sei auch das Kriterium des Sachzusammenhangs mit dem Gesetzesbeschluß äußerst zurückhaltend zu handhaben. So genüge keinesfalls ein bloß politischer Zusammenhang, würde doch dem Vermittlungsausschuß damit ein Freibrief für thematisch gänzlich anders gelagerte Regelungen ausgestellt. 73 Ebenso reiche die bloße Übereinstimmung des Kompetenztitels in den Artt. 73, 74 GG nicht für die Annahme eines Sachzusammenhanges aus. 74 Schließlich lasse auch eine ausschließlich an der Zielsetzung einer Norm orientierte Bestimmung des Sachzusammenhangs auf Grund deren bisweilen hohen Abstraktionsgrades eine Abgrenzung des Vermittlungsgegenstandes schwierig erscheinen. Allerdings könne dem Normzweck nicht jede maßstäbliche Relevanz abgesprochen werden. Jedoch sollte ergänzend eine weitgehende Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit des Instrumentariums verlangt werden. 75 In keinem Fall zu einer Erweiterung des Vermittlungsgegenstandes könne jedenfalls die Stellungnahme des Bundesrates im ersten Durchgang führen. b) Gemäßigte Interpretationen der Vermittlungskompetenz Als tendenziell eher gemäßigt sind hingegen folgende Auffassungen von der Reichweite der Vermittlungskompetenz einzuordnen. aa) Alternativität von strenger Anrufungs- und Verfahrensidentität Eher selten findet man im Schrifttum die vom Bundesfinanzhof 76 in Nachfolge der „Arbeitszimmer“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vertretene Alternativität von Anrufungsidentität und Verfahrensidentität als Schranken der Vermittlungskompetenz 77. Zumeist wird diese dabei auch nicht explizit als Maßstab benannt, sondern impliziert das vertretene Ergebnis ein derartiges Verständnis der bundesverfassungsgerichtlichen Maßstäbe 78. Ein Einigungsvorschlag ist 73 W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 57. 74 W.-R. Schenke, a. a. O., S. 58. So aber Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (713). 75 W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 61. 76 Vgl. die Nachweise in Fußnote 60. 77 Elsner, N&R 2006, 53 (57); Schallmoser, FR 2001, 509 (510 f.); Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 200 f.; Wendt, FR 2000, 417 (423). 78 Vgl. insbesondere die Diskussion zur formellen Verfassungsmäßigkeit des durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 eingefügten § 4 Abs. 4a EStG, eine Regelung, die nicht Gegenstand des Anrufungsbegehrens, wohl aber des vorangegangenen Verfahrens im
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
danach dann zulässig, wenn er entweder innerhalb des Rahmens des Anrufungsbegehrens verbleibt oder aber, sollte er jenen überschreiten, zumindest im bisherigen Gesetzgebungsverfahren formal vorgezeichnet ist. Auch wenn die Alternativität beider Kriterien auf den ersten Blick für einen eher weiten Vermittlungsrahmen zu sprechen scheint, läßt sich dieser Ansatz gleichwohl dennoch als tendenziell eher zurückhaltend einordnen, wird er doch, wenn er denn befürwortet wird, vorwiegend in seiner strengen Ausprägung verstanden. Sowohl das Kriterium der Anrufungsidentität als auch das der Verfahrensidentität werden jeweils in ihrer engen Verständnisalternative begriffen. Inhalte eines Einigungsvorschlages sind danach nur dann zulässig, wenn sie entweder sachlich vom konkreten Zweck einer einzelnen Bestimmung des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses des Bundestages erfaßt werden oder im konkret zugrunde liegenden Gesetzgebungsverfahren förmlich angelegt sind. Im Fall einer offenen Anrufung des Vermittlungsausschusses deckt sich diese Auffassung zwar nicht notwendig mit derjenigen, die das kumulative Vorliegen von strenger Anrufungs- und Verfahrensidentität verlangt, kommt ihr jedoch zumindest sehr nahe. bb) Kumulativität von weiter Anrufungsund strenger Verfahrensidentität Ebenfalls eine Mittelstellung nimmt die Position Stettners 79 ein. Auch seiner Ansicht nach hat sich ein Vorschlag des Vermittlungsausschusses sowohl innerhalb des Einberufungsverlangens als auch des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens zu bewegen. Während er allerdings für letzteres Kriterium betont, daß es in einem strengen Sinne dahingehend zu verstehen sei, daß eine formale Vorzeichnung nur im konkret vorangegangenen, nicht jedoch in einem anderen Gesetzgebungsverfahren erfolgen könne, verfährt er bei der Bestimmung des sachlichen Rahmens des sich auf den Gesetzesbeschluß beziehenden Anrufungsbegehrens großzügiger. Vor dem Hintergrund der Funktion des Vermittlungsverfahrens seien vom Anrufungsbegehren auch solche Materien erfaßt, die in einem Sachzusammenhang mit dem Gesetzesbeschluß des Bundestages stünden. Der dem Vermittlungsausschuß dadurch eröffnete Spielraum werde erst dann überschritten, wenn der ursprüngliche Gesetzesbeschluß durch Einbeziehung völlig neuer Materien verfremdet und seiner Identität verlustig gehe.
Bundestag gewesen war, Schallmoser, FR 2001, 509 (510 f.); Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 200 f.; Wendt, FR 2000, 417 (423); ausführlich hierzu unten G. 79 Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 22.
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c) Extensive Interpretationen der Vermittlungskompetenz Eher weit sind schließlich folgende Ansätze einer Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz zu qualifizieren. aa) Kumulativität von weiter Anrufungs- und Verfahrensidentität Auch Cornils 80 entwickelt anhand der grundgesetzlichen Maßgaben des Öffentlichkeitsprinzips (Art. 77 Abs. 1 i.V. m. Art. 42 Abs. 1 GG), der Rechte der Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren (Art. 38 Abs. 1 GG), der thematischen Begrenztheit der Kompetenz des Vermittlungsausschusses (Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG) und des Initiativrechtes nach Art. 76 Abs. 1 GG zunächst das verfassungsrechtliche Gebot, daß die in einem Einigungsvorschlag vorgesehenen Regelungen sowohl innerhalb des Anrufungsbegehrens zu verbleiben als auch die Anforderungen an ein demokratisch-parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren im Bundestag zu wahren hätten. Im Unterschied zu Stettner versteht er sodann allerdings beide Kriterien eher weit. Das in der Bezugnahme des Anrufungsbegehrens auf den ursprünglichen Gesetzesbeschluß relevant werdende Kriterium der Wahrung eines Sachzusammenhangs bestimmt er in Anlehnung an eine Mitteilung des Bundestagspräsidenten zur Auslegung des § 62 Abs. 1 S. 2 GOBT aus dem Jahre 1984 81 dahingehend, daß Änderungen des Gesetzesbeschlusses solange zulässig seien, als sie „am Gesetzgebungsgrund oder an den Gesetzgebungszielen der ursprünglichen Vorlage (als solcher) anknüpften“. 82 Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorgaben für das demokratisch-parlamentarische Entstehen einer gesetzlichen Regelung seien schließlich isoliert und für den Einzelfall zu prüfen und könnten damit nicht nur im konkret vorangegangen, sondern auch in einem anderen, parallel verlaufenden Gesetzgebungsverfahren erfüllt werden. 83 bb) Weiter Sachzusammenhang mit dem Anrufungsbegehren Die vielleicht gewichtigste, überwiegend von der Staatspraxis nahestehenden Stimmen 84 vertretene Auffassung im Schrifttum 85 erachtet einen weit verstande80
Cornils, DVBl. 2002, 497 (499 ff.). Zitiert bei Kabel, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 31, Rn. 68. 82 Cornils, DVBl. 2002, 497 (504 f.). 83 Cornils, DVBl. 2002, 497 (504 f.). 84 Dies gilt insbesondere für Dästner und Dietlein als ehemalige langjährige Geschäftsführer des Vermittlungsausschusses. 85 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 166 ff.; Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 46 f.; ders., 81
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
nen Sachzusammenhang mit dem Anrufungsbegehren als äußerste Grenze der Vermittlungskompetenz. Anrufung und Gesetzesbeschluß bildeten lediglich die Divergenzpositionen. 86 Der Dispositionsrahmen erfasse jedoch auch sämtliche in einem Sachzusammenhang mit diesen stehende Gegenstände 87. Anknüpfungspunkt einer Bestimmung des Sachzusammenhangs sei dabei das Generalthema 88 des Gesetzesbeschlusses, so daß dieser umso weiter zu verstehen sei, je umfassender die geregelten Materien und damit das Regelungsziel des Gesetzes sei 89. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Mann 90, wenn er zwar verlangt, daß sowohl der Rahmen des Einberufungsverlangens (Anrufungsidentität) als auch der Wesensgehalt des Gesetzesbeschlusses (Gesetzesidentität) zu wahren sei, den für beider Bestimmung maßgeblichen Gesetzeszweck jedoch derart weit definiert, daß er erst für den Fall der Verlustigkeit der Identität des Gesetzes eine absolute Grenze als erreicht ansieht. Getragen werden diese Ansätze von einer nachdrücklichen Betonung der Funktion des Vermittlungsausschusses, politische Kompromisse herbeizuführen, deren wirksame Wahrnehmung einen gewissen Spielraum und ein bestimmtes Maß an Flexibilität verlange. 91 Letztere könnten jedoch vor dem Hintergrund des fehlenden Gesetzesinitiativrechts des Vermittlungsausschusses (Art. 76 Abs. 1 GG) wie des legislativen Beschlußmonopols des Bundestages (Art. 77 Abs. 1 und Abs. 2 S. 5 GG) nicht schrankenlos gewährt werden. Vielmehr bedürfe es einer Rückbindung an den ursprünglichen Gesetzesbeschluß des Bundestages. Diese stelle das Kriterium des Sachzusammenhangs sicher. cc) Eingeschränkte Justitiabilität der Grenzen der Vermittlungskompetenz Eher eine Extremposition auch unter den großzügigen Interpretationen der Vermittlungskompetenz nimmt schließlich Hasselsweiler 92 ein. Gleiches gilt mit NJW 1983, 80 ff.; R. Schenke, FR 2004, 638 ff.; hier einzuordnen ist wohl auch die Arbeit von Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 247 ff., v. a. S. 322 f. 86 Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 44; ders., NJW 1983, 80 (81). 87 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 166; Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 46; ders., NJW 1983, 80 (83 ff.); R. Schenke, FR 2004, 638 (642). 88 R. Schenke, a. a. O. Siehe aber auch den Ansatz Schulze-Fielitz’, der den Sachzusammenhang großzügig anhand des maßgeblichen Kompetenztitels für eine (Bundes-) Gesetzgebungskompetenz bestimmen möchte, Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (713). 89 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 166; Dietlein, NJW 1983, 80 (84). Siehe auch Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 30; Ossenbühl, ZG 1989, 159 (160). 90 Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 29 f. 91 Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 47. 92 Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 44 ff.
III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum
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geringen Abstrichen für Ossenbühl 93. Beide räumen zwar ein, daß die Befugnis des Vermittlungsausschusses, einen Einigungsvorschlag zu machen, keine schrankenlose sei, sondern der Vermittlungsausschuß grundsätzlich verpflichtet sei, den Sachzusammenhang mit der Regelungsmaterie des Gesetzesbeschlusses, welcher den Gegenstand des Anrufungsbegehrens bilde, zu wahren. 94 Jedoch sehen sie im Kriterium des Sachzusammenhangs lediglich eine äußerste Mißbrauchsschranke, deren Präzisierung dem Vermittlungsausschuß überlassen bleibe, dem hierbei vor dem Hintergrund seiner Funktion ein sehr weiter Spielraum zukommen müsse. 95 Eine Konkretisierung des Kriteriums des Sachzusammenhangs sei einer verfassungsrechtlichen Kategorisierung daher nahezu entzogen. 96 Mangels Zugänglichkeit für verfassungsdogmatische Argumente bleibe allenfalls eine kasuistische Annäherung möglich. 97 Im Ergebnis stellen Hasselsweiler und Ossenbühl damit sogar die Justitiabilität der Grenzen der Vermittlungskompetenz als solche in Frage, schränken sie jedoch zumindest ganz erheblich ein. Ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung findet eine derart weitreichende, nahezu konturenlose Interpretation der Vermittlungskompetenz in einer eindringlichen Betonung der Funktion des Vermittlungsausschusses als Organ politischer Kompromißsuche 98 und dem diesem Gedanken eingeräumten, uneingeschränkten Vorrang gegenüber anderen grundgesetzlichen Maßstäben. 3. Zusammenfassende Bewertung und Ermittlung des Klärungsbedarfs Der Meinungsstand zu den Grenzen der Vermittlungskompetenz in Rechtsprechung und Schrifttum offenbart ein weites Spektrum vertretener Ansichten. Bereits die maßstabbildenden grundgesetzlichen Prinzipien sind umstritten. Die Bandbreite reicht von einer Betonung der Funktion des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 GG, dem Beschlußmonopol des Bundestages für Gesetze (Art. 77 Abs. 1 und Abs. 2 S. 5 GG) und dem begrenzten Kreis der Gesetzesinitiativberechtigten in Art. 76 Abs. 1 GG über das Demokratieprin93 Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 59 ff.; ders., ZG 1989, 159 ff. 94 Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 71; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 62; ders., ZG 1989, 159 (160). 95 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 49 f.; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 62; ders., ZG 1989, 159 (160). Ähnlich Strohmeier, ZParl 1982, 473 (474). 96 Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 50. Ossenbühl spricht vom Vermittlungsverfahren als einem politischen Prozeß, der „rechtlich nur in äußersten Grenzen kanalisierbar“ sei, Ossenbühl, ZG 1989, 159 (160). 97 Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 50. Siehe auch Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 62. 98 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 49.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
zip (Art. 20 Abs. 2 GG), das Öffentlichkeitsgebot (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) und die Mitwirkungsrechte des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) bis hin zur Funktionenverteilung zwischen Bundestag und Bundesrat und dem Prinzip der Verfassungsorgantreue. Allein das Fehlen eines Gesetzesinitiativrechts des Vermittlungsausschusses nach Art. 76 Abs. 1 GG sowie einer Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 77 Abs. 1 und Abs. 2 S. 5 GG scheinen allgemein anerkannt. Oft werden die herangezogenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe allerdings auch gar nicht explizit benannt, sondern bleiben hinter einem die Konturenlosigkeit des verfassungstextlichen Befundes begrifflich fortsetzenden Kriterium wie dem des „Sachzusammenhangs“ verborgen 99. 100 Mag auch über die Einschlägigkeit eines einzelnen grundgesetzlichen Maßstabs Einigkeit bestehen, so bleibt sein genauer Gehalt sodann doch oft ungeklärt. Neben dem in ganz unterschiedlicher Weite verstandenen Kriterium des Sachzusammenhangs seien der ebenfalls als Anknüpfungspunkt für die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Einigungsvorschlag und Gesetzesbeschluß fungierende, einmal im Sinne des Gesamtziels des Gesetzes, einmal im Sinne des konkreten Regelungszweckes der einzelnen Norm verstandene Gesetzeszweck sowie die Frage genannt, ob dem Gebot der Legitimation einer gesetzlichen Regelung durch ein parlamentarischdemokratisches Verfahren nur im konkret vorangegangenen oder aber auch einem anderen Gesetzgebungsverfahren im Bundestag genüge getan werden kann. Für alle drei Kriterien stellt sich zudem die Frage, ob es sich bei ihnen nicht weniger um einen (eigenen) materiellen Maßstab handelt als vielmehr um die allen Auffassungen gemeinsame Schwierigkeit, einen – auf Grund (anderer) grundgesetzlicher Maßstäbe gebotenen – konkret zurechnenden Zusammenhang zwischen dem zulässigen Vermittlungsrahmen auf der einen und dem vorangegangenem Gesetzesbeschluß und Gesetzgebungsverfahren des Bundestages auf der anderen Seite herstellen zu müssen. 101 Schließlich bleibt auch das Verhältnis, in welchem die berührten grundgesetzlichen Maßstäbe zueinander stehen, unklar. Dies liegt zuvörderst darin begründet, daß sie zumeist gar nicht offen einander gegenübergestellt und in eine transparente Abwägung eingeführt werden, sondern im Ergebnis einseitig entweder dem Gedanken legislativer Effizienz oder dem Gebot parlamentarisch-demokratischer Legitimation Vorrang eingeräumt wird. Konsequenz ist eine Reichweite der vertretenen Ansätze von der Einräumung eines nahezu nicht justitiablen Beurteilungsspielraums des Vermittlungsausschusses bei der Bestimmung seines Dispositionsrahmens bis hin zu 99 Kritisch auch Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (328); Henseler, NJW 1982, 849 (851). Ausführlich unten D. V. 1. b) aa) (4). 100 Eine systematisch saubere Vorgehensweise findet sich allein bei Bismark, DÖV 1983, 269 ff.; Cornils, DVBl. 2002, 497 ff.; Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 ff.; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses. 101 Vgl. Cornils, DVBl. 2002, 497 (504 f.).
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
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einer strikten Wahrung der Anforderungen an ein demokratisches Verfahren im Bundestag auch für solche Regelungen, die erst durch den Einigungsvorschlag Eingang in den Gesetzesbeschluß des Bundestages gefunden haben. Von besonderem Interesse ist hierbei das in Schrifttum und Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes uneinheitlich beurteilte Verhältnis der vom Bundesverfassungsgericht in seiner „Arbeitszimmer“-Entscheidung entwickelten Maßstäbe eines Verbleibens im Rahmen des Anrufungsbegehrens und einer formalen Vorzeichnung im vorangegangenen Verfahren des Bundestages im Sinne eines kumulativen, konzentrischen Nach- oder eines alternativen, parallelen Nebeneinanders.
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe Um sich nicht dem Einwand ausgesetzt zu sehen, die Folge bisweilen tendenziöser und begrifflich oft im Unbestimmten verbleibender Aussagen nur um eine weitere ergänzt zu haben, soll im folgenden der Versuch unternommen werden, die für eine Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz maßgeblichen grundgesetzlichen Maßstäbe im Wege einer konsequenten Auslegung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG zu ermitteln, ihren jeweiligen Gehalt aufzuzeigen und sodann ihr Verhältnis zueinander zu bestimmen, um in einer offenen Abwägung der sich hierbei als widerstreitend herausstellenden verfassungsrechtlichen Prinzipien schließlich einen abstrakten grundgesetzlichen Maßstab für eine Definition der Vermittlungskompetenz entwickeln zu können. 1. Der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG Bereits der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG enthält wichtige Hinweise auf die strukturelle Begrenztheit der Vermittlungskompetenz. Insoweit noch nicht weiter führt allerdings die Tatsache, daß der Vermittlungsausschuß nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG „einberufen“ wird. Aus ihr läßt sich lediglich die formale Erkenntnis ziehen, daß der Vermittlungsausschuß nicht von sich aus tätig werden kann, ein materieller Maßstab hingegen läßt sich ihr nicht entnehmen. Die Formulierung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG, der von einem „für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildete(n) Ausschuß“ spricht, liefert jedoch bereits ein Indiz dafür, daß der Vermittlungsausschuß bei seinen Verhandlungen wie auch Empfehlungen auf solche Materien beschränkt ist, die Gegenstand des Anrufungsbegehrens sind und damit „vorliegen“. 102 Mit der Bezüglichkeit des 102 Quaas, WM 1982, 283 (283); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 21; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Gutachten zur formellen Verfassungsmäßigkeit des 2. Haushaltsstrukturgesetzes, ppp Nr. 6 vom 15. Januar 1982, S. 1 (1). Siehe auch Bismark, DÖV 1983, 269 (271); Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 46.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
Anrufungsbegehrens auf einzelne oder die Gesamtheit der Bestimmungen des Gesetzesbeschlusses des Bundestages wird insoweit auch dieser zum Maßstab. Andererseits erscheinen „Beratungen“ nur dann sinnvoll, wenn sie in ihrem Abschluß zumindest irgendeine Änderung ermöglichen. Dies spricht für eine zwar grundsätzliche thematische Beschränkung des Vermittlungsgegenstandes auf Materien des vorangegangenen Gesetzgebungsverfahrens, die jedoch im einzelnen auch Änderungen in eingeschränktem Maße zuläßt. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG, der für den Fall, daß der Einigungsvorschlag eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vorsieht, eine „erneute“ Beschlußfassung des Bundestages anordnet. Als „erneut“ kann eine Beschlußfassung aber nur dann bezeichnet werden, wenn ihr Inhalt – zumindest thematisch – schon einmal zuvor Gegenstand einer Abstimmung im Bundestag gewesen ist. 103 Anderenfalls würde es sich um die erstmalige Beschlußfassung zu einer neuen Materie handeln. Auf der anderen Seite ergibt eine erneute Beschlußfassung allerdings nur dann einen Sinn, wenn der Einigungsvorschlag nicht mit dem ursprünglichen Gesetzesbeschluß des Bundestages identisch ist, setzt damit zwingend die Zulässigkeit gewisser Modifikationen voraus. Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG knüpft denn auch folgerichtig an eine „Änderung des Gesetzesbeschlusses“ an. Damit schließt er aber zugleich eine völlig neue Gesetzesvorlage aus. 104 Die grammatikalische Interpretation des Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG zeichnet somit das Gebot einer grundsätzlichen, in begrenztem Umfang für Änderungen offenen Rückbindung des Vermittlungsrahmens an den Gegenstand des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens vor. 2. Die historische Einordnung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG Die historische Einordnung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG liefert keine bei der Bestimmung der Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses weiterführenden Hinweise. 105 Ein vergleichbares Vorläuferorgan, welches für den Vermittlungsausschuß als Vorbild dienen hätte können, hat es in Deutschland bis 1949 nicht gegeben. 106 Die in diesem Zusammenhang immer wieder erfolgende Bezugnahme auf die 103 Quaas, WM 1982, 283 (283); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 21; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Gutachten zur formellen Verfassungsmäßigkeit des 2. Haushaltsstrukturgesetzes, ppp Nr. 6 vom 15. Januar 1982, S. 1 (1). Siehe auch Bismark, DÖV 1983, 269 (271). 104 Vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 21. 105 Zur grundsätzlich geringen Ergiebigkeit der Entstehungsgeschichte des Vermittlungsausschusses vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 31 ff.; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 48 f.
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
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US-amerikanischen Conference Committees als (vermeintliches) Vorbild für die Einrichtung des Vermittlungsausschusses erscheint aus mehreren Gründen nicht unproblematisch. Zum einen vermengt sie in methodischer Hinsicht historische Argumentation und rechtsvergleichende Erwägungen, zum anderen ist die Vorbildfunktion der Conference Committees bei Einrichtung des Vermittlungsausschusses keineswegs zweifelsfrei belegt 107. Schließlich lassen wesentliche strukturelle Unterschiede von Conference Committees und Vermittlungsausschuß grundsätzliche Vorsicht beim Ziehen von Parallelen geboten erscheinen. Zumal der Erkenntnisgewinn im vorliegenden Falle auch eher gering wäre, ist doch auch im Zusammenhang der Conference Committees keine Frage so umstritten wie die der Reichweite ihrer Vermittlungsbefugnis. 108 Überwiegend wird in den U.S.A. jedoch gerade auch für die Conference Committees eine Beschränkung des Vermittlungsgegenstands auf in engem Sachzusammenhang mit den strittigen Fragen stehende Vorschriften gefordert, wobei an die Bejahung eines Sachzusammenhangs strenge Maßstäbe anzulegen seien. 109 Zu keinem anderen Ergebnis führt auch die Betrachtung der Entstehungsgeschichte des Art. 77 Abs. 2 GG. 110 Art. 77 Abs. 2 GG geht in seiner heutigen Fassung maßgeblich erst auf einen Vorschlag des Fünferausschusses des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates für einen Art. 104 vom 5. Februar 1949 111 zurück, der sodann vom Hauptausschuß in seiner 3. Lesung am 9. Fe106
Zu vereinzelten, strukturell aber gerade nicht vergleichbaren historischen „Vorläufern“ auf Ebene der Einzelstaaten vgl. Reinert, Vermittlungsausschuß und Conference Committees, S. 27 ff. Siehe auch Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 2 ff. 107 Vgl. die Ergebnisse der von Reinert vorgenommen Befragung der Mitglieder des Fünferausschusses, die sich als keineswegs einheitlich darstellen, sondern vielmehr die Vermutung nahelegen, daß es sich beim „Vorbildcharakter“ der Conference Committees eher um eine nachträglich bemühte Vorstellung handelt, Reinert, Vermittlungsausschuß und Conference Committees, S. 111. Zumal bei der Betrachtung von Quellen zur Entstehung des Grundgesetzes – wie von Hasselsweiler zurecht angemahnt – ohnehin grundsätzliche Vorsicht geboten ist, wenn es darum geht, aus den Äußerungen einzelner Abgeordneter Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers zu ziehen (Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 32). 108 Vgl. Hasselsweiler, a. a. O., S. 28 m.w. N. in Fn. 186. 109 Vgl. die Nachweise bei Hasselsweiler, a. a. O., S. 28. 110 Vgl. Hasselsweiler, a. a. O., S. 31 ff.; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 48 f. 111 Dieser lautete im genauen Wortlaut (Drucksache Nr. 543; abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), S. 184): „(1) Die Bundesgesetze werden vom Bundestag beschlossen. (2) Der Bundesrat kann binnen zwei Wochen nach Eingang des Gesetzesbeschlusses verlangen, daß ein aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates gebildeter Ausschuß zur gemeinsamen Beratung der Vorlage einberufen wird. Schlägt der Ausschuß eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vor, so hat der Bundestag erneut Beschluß zu fassen. Das Nähere über die Zusammensetzung und Einberufung des Ausschusses und sein Ver-
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
bruar 1949 112 ohne Änderungen übernommen wurde. 113 Über die Beratungen im Fünferausschuß wurden jedoch keine Protokolle geführt. Auch sonst existieren keine verwertbaren schriftlichen Berichte. Die Motive, welche zum Vorschlag der Einrichtung eines „aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates gebildeten Ausschusses zur gemeinsamen Beratung“ von Vorlagen geführt haben, liegen damit im Dunkeln. Die Überlegungen des Verfassunggebers zu den Kompetenzen des Gremiums bleiben unklar. 3. Die systematisch-teleologische Interpretation des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG Das Fehlen ausdrücklicher wie historischer Anhaltspunkte für eine Bestimmung der grundgesetzlichen Maßstäbe der Vermittlungskompetenz rückt die sich wechselseitig bedingenden Argumente der Systematik und des Normzwecks in den Vordergrund. a) Die teleologische Auslegung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG Die Institution des Vermittlungsausschusses als solche wie auch die ihm eingeräumte Vermittlungskompetenz verfolgen das Ziel einer effizienten Gesetzgebung. 114 Der Vermittlungsausschuß soll einen politischen Kompromiß vorschlagen können, der Erfolg verspricht, das (bisherige) Gesetzgebungsziel ohne Durchlaufen eines erneuten, umfassenden Gesetzgebungsverfahrens soweit wie möglich noch im selben Gesetzgebungsverfahren zu verwirklichen. Ein solcher Effizienzgedanke scheint auf den ersten Blick für eine sehr großzügige und weite
fahren bestimmt eine Geschäftsordnung, die vom Bundestag und Bundesrat gemeinsam zu beschließen ist. (3) Der Bundesrat kann nach Abschluß des in Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens gegen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz binnen einer Woche Einspruch einlegen. Die Einspruchsfrist beginnt mit dem Abschluß des in Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens oder mit dem Eingang des vom Bundestag erneut gefaßten Beschlusses. (4) Wird der Einspruch mit der Mehrheit der Stimmen des Bundesrates beschlossen, so kann er durch Beschluß der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zurückgewiesen werden. Hat der Bundesrat den Einspruch mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln seiner Stimmen beschlossen, so bedarf die Zurückweisung durch den Bundestag einer Mehrheit von zwei Dritteln, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.“ 112 Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 653. 113 Zur weiteren – nicht weiter ergiebigen – Entstehungsgeschichte des Art. 77 Abs. 2 GG bis zu seiner endgültigen Verabschiedung durch den Parlamentarischen Rat vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 33 f.; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 49. 114 Ausführlich hierzu oben A. III. 2. c).
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
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Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz zu sprechen. 115 Eine derartige Argumentation übersieht jedoch, daß der Gedanke legislativer Effizienz im dargestellten Verständnis allein im Sinne einer Beschleunigungseffizienz 116 zu verstehen ist. Als solche entfaltet er nur eine eingeschränkte Rechtfertigungswirkung. Durch Erwägungen einer legislativen (Beschleunigungs-)Effizienz gerechtfertigt sind – neben der Institution des Vermittlungsausschusses als solcher sowie in begrenztem Umfang Beschränkungen der Grundsätze eines demokratischen Verfahrens für das Verfahren im Vermittlungsausschuß – nur solche Einschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens, die sich bei einer vergleichenden Betrachtung mit der Alternative eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens als solche quantitativer Art darstellen, nicht hingegen solche qualitativer Art. 117 Da qualitative Erfordernisse jedoch immer auch gesteigerte quantitative Anstrengungen bedingen, ist eine Abgrenzung beider möglicher Abweichungen erforderlich. Als quantitativ sind hierbei allein solche Einschränkungen einzuordnen, die sich als ausschließlich quantitativer Art darstellen. Unter qualitativen Beschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens sind hingegen solche Einschränkungen zu verstehen, die zu einem Unterschreiten der Mindestanforderungen an eine demokratisch-parlamentarische Willensbildung führen. Letztere ergeben sich hierbei aus dem Grundgesetz. b) Der (verfahrens-)systematische Zusammenhang des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG Unter systematischen Gesichtspunkten grundsätzlich angeführt wird, die Kompetenz des Vermittlungsausschusses sei als für den Krisenfall geschaffene Ausnahmevorschrift von vorneherein restriktiv auszulegen 118. Dem kann nicht gefolgt werden. Schließlich ist die Anrufung des Vermittlungsausschusses für – die ihrerseits den verfassungssystematischen Regelfall darstellenden – Einspruchsgesetze zumindest im Falle der (intendierten) Ablehnung durch den Bundesrat eine obligatorische. Dabei ist nicht erkennbar, warum für Einspruchsgesetze eine Billigung des Gesetzesbeschlusses des Bundestages durch den Bundesrat den konstitutionell-konzeptionellen Regelfall bilden soll. 119 Die systematische Inter115 So ausdrücklich die Vertreter einer extensiven Interpretation der Vermittlungskompetenz im Schrifttum. Vgl. nur Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 49 f.; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 62; ders., ZG 1989, 159 (160). 116 Zu den unterschiedlichen Aspekten des Effizienzgedankens vgl. W. Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 7. 117 Vgl. BVerfGE 101, 297 (307) (Arbeitszimmer). 118 Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 55; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 22. 119 Anders mag es sich in der Verfassungswirklichkeit verhalten.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
pretation der Vermittlungskompetenz hat daher tendenziell offen unter Einbeziehung konkreter grundgesetzlicher Maßstäbe zu erfolgen. Hierbei ist zwischen Kompetenz- und Verfahrensvorschriften zu unterscheiden. aa) Kompetenzvorschriften (1) Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundestages, Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG Eine erste, wenn auch nur äußerste Schranke der Vermittlungskompetenz des Vermittlungsausschusses stellt die Vorschrift des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG dar. Danach werden die Gesetze vom Bundestag beschlossen. Alleiniger Inhaber der Gesetzgebungsbefugnis ist somit das Parlament. Der Vermittlungsausschuß kann daher keine Gesetzgebungsbefugnis ausüben. Seine Einigungsvorschläge erlangen keinerlei Außenwirksamkeit. Sie besitzen lediglich empfehlenden Charakter. 120 Eine Bestätigung findet dieses Ergebnis in Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG, welcher die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des Bundestages für den Fall, daß der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses Änderungen des (ursprünglichen) Gesetzesbeschlusses vorsieht, dadurch sicherstellt, daß er die erneute Beschlußfassung des Bundestages anordnet. Nicht aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG herausgelesen werden kann hingegen eine Bindung des Vermittlungsausschusses an den Gesetzesbeschluß des Bundestages. Ziel des Vermittlungsverfahrens ist es vielmehr gerade, eine Änderung dieses Beschlusses zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wird mit Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG der – aus einer systematischen Betrachtung des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG folgende – Grundsatz der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen, demzufolge (sogar) der Bundestag daran gehindert ist, einen einmal gefaßten Beschluß zu korrigieren, durchbrochen. 121 Insofern ist es deshalb zumindest mißverständlich, wenn in der wissenschaftlichen Diskussion eine Bindung des Vermittlungsausschusses an den Gesetzesbeschluß des Bundestages ohne Normbezug angenommen oder dieser als Bezugsgröße für die Wahrung eines Sachzusammenhangs gewählt wird. Derartige Formulierungen meinen daher in der Regel wohl auch weniger eine sich unmittelbar aus dem Gesetzesbeschluß ergebende Begrenzung des Vermittlungsgegenstandes aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG, sondern beziehen sich vielmehr auf dessen mittelbar eingrenzende Funktion als regelmäßiger Bezugsgegenstand des Anrufungsbegehrens. 122 Auch bei Zugrundlegung eines derartigen Verständnisses verhalten sich Anrufungsbegehren und Gesetzesbeschluß in thematischer Hinsicht allerdings nur im Falle einer offenen Anrufung des Vermittlungsausschusses deckungsgleich. 120 BVerfGE 72, 175 (188) (Wohnungsfürsorge); BVerfGE 101, 297 (306) (Arbeitszimmer). Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 39. Siehe auch oben B. I. 2. a) bb). 121 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 70 f. Ausführlich hierzu oben C. II. 3. c) aa) (2). 122 Ausführlich hierzu daher unten D. V. 1. b) aa).
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
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(2) Das Gesetzesinitiativrecht, Art. 76 Abs. 1 GG Einen weiteren, wenn auch noch sehr weiten, in seiner Einschlägigkeit unstreitigen, in seinem genauen Gehalt allerdings unklaren Maßstab bildet Art. 76 Abs. 1 GG. 123 (a) Inhalt des Initiativrechts Nach Art. 76 Abs. 1 GG können Gesetzesvorlagen beim Bundestag durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht werden. Die Vorschrift entfaltet hierbei in dreifacher Hinsicht Wirkung. Zunächst begrenzt sie den Kreis der Initiativberechtigten abschließend und zwingend. 124 Sodann begründet sie positiv einen Anspruch des Initianten, daß sich der Bundestag mit seiner Vorlage befaßt 125. Das Parlament hat über den Vorschlag zu beraten und Beschluß zu fassen. 126 Schließlich untersagt Art. 76 Abs. 1 GG negativ, daß eine Gesetzesvorlage im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eine derart weitreichende Umgestaltung erfährt, daß sie ihrer ursprünglichen Identität verlustig geht (sogenanntes Verbot der „Denaturierung von Gesetzesvorlagen“ 127). 128 123 Vgl. BVerfGE 72, 175 (189) (Wohnungsfürsorge); BVerfGE 101, 297 (306) (Arbeitszimmer); BVerfGE 120, 56 (74) (Vermittlungsausschuß). Aus dem Schrifttum siehe nur Cornils, DVBl. 2002, 497 (500 f.); Henseler, NJW 1982, 849 (853); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (326 f.); Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 87; R. Schenke, FR 2004, 638 (641 f.); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 25 f.; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 22. 124 Brandner, Jura 1999, 449 (453); Bryde, JZ 1998, 115 (117) („Numerus Clausus der Initiativberechtigten“); ders., in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 76, Rn. 3; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 76, Rn. 2; SchmidtJortzig / Schürmann, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 76, Rn. 120. 125 BVerfGE 1, 144 (153) (Geschäftsordnungsautonomie); BVerfGE 2, 143 (173) (EVG-Vertrag); 84, 304 (329) (PDS / Linke Liste). Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 76, Rn. 4; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 76, Rn. 4; Schmidt-Jortzig / Schürmann, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 76, Rn. 67 ff.; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 76, Rn. 22. Ausführlich Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 128 ff. Abweichend B. Hartmann, DVBl. 2006, 1269 (1276 f.). 126 BVerfGE 1, 144 (153) (Geschäftsordnungsautonomie); BVerfGE 2, 143 (173) (EVG-Vertrag); 84, 304 (329) (PDS / Linke Liste). 127 Begriff nach Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 141. 128 Vgl. Bryde, JZ 1998, 115 (117); Schmidt-Jortzig / Schürmann, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 76, Rn. 99. Grundlegend Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 141 ff. Siehe auch
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
(b) Unzulässige Anmaßung eines Gesetzesinitiativrechts durch den Vermittlungsausschuß Der ganz überwiegende Teil der Bezugnahmen auf Art. 76 Abs. 1 GG als Grenze der Kompetenz des Vermittlungsausschusses beschränkt sich auf dessen erstgenannten Aspekt und betont, daß der Vermittlungsausschuß nicht zu den in Art. 76 Abs. 1 GG abschließend genannten initiativberechtigten Organen zähle. 129 Dies ist zweifellos zutreffend. Art. 76 Abs. 1 GG läßt sich im Umkehrschluß entnehmen, daß der Vermittlungsausschuß über kein Initiativrecht verfügt. Keine Aussage trifft die Vorschrift jedoch zu der Frage, wo genau die Trennlinie zur Anmaßung eines Gesetzesinitiativrechts durch ein in Art. 76 Abs. 1 GG nicht erwähntes Organ zu ziehen ist. Damit entbehrt eine derartige Feststellung aber eines weitergehenden eigenständigen Erkenntnisgehalts. Sie setzt zuvor eine Beantwortung der Frage voraus, wann sich der Vermittlungsausschuß ein ihm nicht zustehendes Gesetzesinitiativrecht anmaßt, knüpft insoweit aber gerade an den sich aus Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG ergebenden, verfassungsrechtlichen Kompetenzrahmen des Vermittlungsausschusses an. Die Konstatierung eines Verstoßes gegen das Initiativverbot für den Vermittlungsausschuß aus Art. 76 Abs. 1 GG setzt damit eine Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz anhand – zumindest auch – anderer grundgesetzlicher Maßstäbe bereits voraus. Folgerichtig sind entsprechende Stellungnahmen im Schrifttum denn auch oft dadurch gekennzeichnet, daß sie in die Untersuchung der Anmaßung eines Gesetzesinitiativrechts nach Art. 76 Abs. 1 GG eine Prüfung der jeweilig vertretenen materiellen Grenzen der Vermittlungskompetenz integrieren, um aus der hierbei nachgewiesenen Kompetenzüberschreitung sodann eine Verletzung von Art. 76 Abs. 1 GG zu folgern. 130 Insoweit stellen sich grundgesetzliche Grenzen der Vermittlungskompetenz und Initiativverbot aber, wie Dietlein zutreffend bemerkt 131, als verschiedene Seiten ein und derselben Medaille dar. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Einbringung einer Vorlage durch ein nicht Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Urteil v. 14. 2. 1979 – 2/77, DVBl. 1979, 507 (Ls. 1); BGH, WM 2004, 1343 (1345). A. A. Brenner, der für die Ausschüsse des Bundestages allein eine aus § 62 Abs. 1 S. 2 GOBT folgende geschäftsordnungsrechtliche, nicht jedoch eine in Art. 76 Abs. 1 GG begründete verfassungsrechtliche Grenze für die Umgestaltung einer Gesetzesvorlage annehmen will, Brenner, DAR 1999, 61 (63 f.). 129 Vgl. BVerfGE 72, 175 (189) (Wohnungsfürsorge); BVerfGE 101, 297 (306) (Arbeitszimmer); BVerfGE 120, 56 (74) (Vermittlungsausschuß). Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 55; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 87; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 38; R. Schenke, FR 2004, 638 (641); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 25 f. 130 Vgl. nur das „nachschiebende“ Anführen eines Verstoßes gegen Art. 76 Abs. 1 GG bei Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (332) und Quaas, WM 1982, 283 (284). 131 Dietlein, NJW 1983, 80 (85).
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
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initiativberechtigtes Organ überhaupt als – wenn auch verfassungswidrige – Gesetzesinitiative bezeichnet werden kann oder ob insoweit nicht vielmehr zwischen Rechtmäßigkeit und Rechtsnatur einer Gesetzesinitiative zu unterscheiden und einer solchen Vorlage bereits letztere abzusprechen ist. 132 Diesbezügliche Unsicherheit kommt in Formulierungen wie der einer „Quasi-Initiative“ 133 des Vermittlungsausschusses zum Ausdruck. Letzten Endes dürfte für eine Beantwortung dieser Frage maßgeblich sein, ob man das formale Einbringen durch einen der in Art. 76 Abs. 1 GG genannten Initiativberechtigten bereits als (persönliches) Tatbestandsmerkmal für die Annahme einer „Gesetzesinitiative“ ansieht. (c) Verstoß gegen das Verbot der Denaturierung von Gesetzesvorlagen durch den Vermittlungsausschuß Einen ungleich größeren Erkenntnisgewinn verspräche, wenn sich aus Art. 76 Abs. 1 GG darüber hinaus auch ein originär-materieller Maßstab für die Grenzen der Vermittlungskompetenz gewinnen ließe. 134 Als Anknüpfungspunkt bietet sich hierfür das zuletzt genannte, ebenfalls aus Art. 76 Abs. 1 GG gefolgerte Verbot einer Denaturierung von Gesetzesvorlagen an. Dieses setzt der Änderung von Gesetzesvorlagen im Gang des Gesetzgebungsverfahrens Grenzen. Der Gesetzesinitiant hat einen Anspruch darauf, daß seine Vorlage die Grundlage der Beratungen in Plenum und Ausschüssen des Bundestages bildet. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Entwurf dem Einbringenden im Laufe des Verfahrens in Plenum und Ausschüssen zurechenbar bleibt. Auch dürfen nicht die Vorschriften über das Einbringen von Vorlagen und die damit verbundenen Verfahrensvorschriften und Beteiligungsrechte umgangen werden 135. 136 Schließlich besitzt der Bundestag als solcher gerade kein Initiativrecht, genügt vielmehr bereits eine Vorlage „aus der Mitte des Bundestages“. Andererseits besitzt der Bundestag die grundsätzliche Gestaltungsmacht, Gesetzesvorlagen umzuformulieren und umzugestalten. Dies folgt aus dem eine unterschiedliche Qualität zum Ausdruck bringenden Wortlaut des Art. 76 Abs. 1 GG („Gesetzesvorlagen“) und 132
Vgl. hierzu Henseler, NJW 1982, 849 (53). Cornils, DVBl. 2002, 497 (500). Siehe auch Schmidt-Jortzig / Schürmann, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 76, Rn. 131. 134 Vgl. Cornils, DVBl. 2002, 497 (500 f.). 135 Bryde, JZ 1998, 115 (117). 136 Zur Problematik einer in der Praxis nicht seltenen unterlassenen Änderung der Bezeichnung einer in den Ausschußberatungen – oft allerdings unter Überschreitung des Denaturierungsverbotes und daher ohnehin auf unzulässige Weise – um völlig neue Materien ergänzten Gesetzesvorlage, welche dem Abgeordneten (im Plenum) bereits die Möglichkeit nimmt, aus der Bezeichnung des Gesetzesentwurfs auch nur annähernd auf dessen Gegenstand zu schließen, damit jedoch die tatsächliche Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte strukturell gefährdet vgl. Bryde, JZ 1998, 115 ff.; E. Klein, Gesetzgebung ohne Parlament, S. 16 f.; Mellinghoff, DStR 2003, Beihefter 3, 1 (7). 133
176
D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG („Bundesgesetze“) 137, dem auch für das Gesetzgebungsverfahren geltenden Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG, wonach der Bundestag „verhandelt“, was mit einer Erörterung „in Rede und Gegenrede“ 138 mehr meint als eine bloße Abstimmung, und schließlich aus der Stellung des Bundestages als repräsentativ verfaßter, (personell) unmittelbar demokratisch legitimierter Volksvertretung, welche ein Verständnis als bloßes Absegnungsorgan (für Gesetzesvorlagen) ausschließt und für eine demokratische Gestaltungsmacht in erheblicher Weite spricht. Im Ergebnis einer systematischen Zusammenschau der Art. 76 Abs. 1 GG und Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG darf eine Gesetzesvorlage daher lediglich nicht ihre Identität verlieren, sondern muß zumindest in ihren Grundzügen erhalten bleiben. Hieran sind alle am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe gebunden, der Bundestag, die Ausschüsse des Bundestages 139, der Bundesrat und schließlich auch der Vermittlungsausschuß. (d) Ergebnis Zusammenfassend lassen sich damit zwei aus Art. 76 Abs. 1 GG folgende Schranken für die Kompetenz des Vermittlungsausschusses festhalten. Zum einen darf der Einigungsvorschlag nicht zu einer Denaturierung der dem Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden Gesetzesinitiative führen. Sind die betroffenen Regelungen hierbei Gegenstand einer anderen Gesetzesinitiative, läßt dies ihre Unzulässigkeit als Gegenstand eines Vermittlungsvorschlags unberührt. Zum anderen stellt jede Kompetenzüberschreitung des Vermittlungsausschusses – ein entsprechend weites Verständnis der Rechtsnatur der Gesetzesinitiative vorausgesetzt – die unzulässige Anmaßung eines Gesetzesinitiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG dar. Das Verbot der Denaturierung von Gesetzesvorlagen als Grenze der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses dürfte allerdings von eher geringerer praktischer Relevanz sein, wird es doch regelmäßig durch die Bezugnahme des Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß überlagert, welcher bereits seinerseits diese äußerste Schranke jedes Gesetzgebungsverfahrens aus Art. 76 Abs. 1 GG zu wahren hat. Daß die Änderung eines diesen genügenden Gesetzesbeschlusses sodann ihrerseits zu deren Überschreitung führt, erscheint wohl nur schwer vorstellbar. 137
Brenner, DAR 1999, 61 (63 (in Fn. 34)). BVerfGE 10, 4 (12) (Redezeit); BVerfGE 84, 304 (329) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 96, 264 (284) (Fraktions- und Gruppenstatus). 139 A. A. Brenner, DAR 1999, 61 (63 f.), der für die Ausschüsse des Bundestages allein eine aus § 62 Abs. 1 S. 2 GOBT folgende geschäftsordnungsrechtliche Einschränkung bei der Umgestaltung einer Gesetzesvorlage annimmt. Eine solcher Ansatz verkennt jedoch grundsätzlich, daß die Ausschüsse des Bundestages nicht als eigene Organe und aus eigenem Recht tätig werden, sondern ebenso wie die Verhandlungen des Plenums als ein Handeln des – unstreitig an Art. 76 Abs. 1 GG gebundenen – Bundestags anzusehen sind. 138
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
177
(3) Das Einberufungsverlangen, Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 4 GG Eine dem Grunde nach allgemein anerkannte, lediglich in ihrem systematischen Verhältnis zu den anderen grundgesetzlichen Grenzen unterschiedlich verstandene 140 Grenze der Vermittlungskompetenz bildet der mit dem Einberufungsverlangen durch das anrufende Organ gesetzte (inhaltliche) Rahmen 141. Der Vermittlungsausschuß berät nach Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG über „Vorlagen“. Damit kann er aber auch Einigungsvorschläge nur zu solchen Gegenständen machen, die vorliegen, somit Inhalt des Anrufungsbegehrens sind. Hierin findet der Gedanke Ausdruck, daß es das anrufende Organ – in der ganz überwiegenden Zahl der Anrufungen der Bundesrat 142 – ist, welches am besten beurteilen kann, in welchen (inhaltlichen) Grenzen eine Einigung aus seiner Sicht überhaupt möglich erscheint. Bezugsgröße des Einberufungsverlangens ist dabei stets der Gesetzesbeschluß des Bundestages. So wird auch dieser – in seiner Gesamtheit oder Teilen – zum Gegenstand des Anrufungsbegehrens. Für eine abstrakt-strukturelle Bestimmung des Kompetenzrahmens des Vermittlungsausschusses ohne Bedeutung ist hingegen, von welchem Organ er angerufen wurde. 143 Zu einem (inhaltlichen) Zusammenfallen von Anrufungsbegehren und Gesetzesbeschluß kommt es dabei nur im Falle einer offenen Anrufung des Vermittlungsausschusses. 144 Der Gesetzesbeschluß bildet damit – im Rahmen der Anrufung – auch den Gegenstand des Verfahrens im Vermittlungsausschuß. 145 Die Annahme, der Vermittlungsausschuß beginne seine Beratungen mit einem „weißen Blatt“ gleichsam bei Null, ist daher unzutreffend. 146 (4) Der Grundsatz der Verfassungsorgantreue Des weiteren wird vertreten, daß auch der Grundsatz der Verfassungsorgantreue 147 dem Vermittlungsausschuß bei seinem Einigungsvorschlag Grenzen set140
Ausführlich hierzu unten D. IV. 4. Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (302). Bisweilen wurde dies auch in der Staatspraxis so gesehen; vgl. die 4. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 12. 7. 1950, Kurzprotokoll I/4, S. 4. 142 Vgl. die Nachweise in A. III. 1., Fußnote 56. 143 Bismark, DÖV 1983, 269 (276). 144 Zu einer insoweit bisweilen unterbleibenden Differenzierung vgl. oben D. III. 3. 145 In seinem Bestand bleibt dieser vom Anrufungsbeschluß unberührt, vgl. Otten, Der Gesetzesbeschluß und die freien Wirksamkeitsvoraussetzungen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, S. 79 f. Siehe auch oben C. II. 3. a). 146 Eine ausführliche Widerlegung der sogenannten „Theorie vom weißen Blatt“ findet sich bei Dietlein, ZRP 1987, 277 ff. Vgl. auch Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 54. 147 Dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue wurde in der Staatslehre bis heute kaum nähere Aufmerksamkeit geschenkt. Vgl. jedoch – mit unterschiedlichen Formulierun141
178
D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
ze. 148 Dies wirft die Frage nach der Anwendbarkeit, aber auch nach dem (eigenständigen) Gehalt dieses Prinzips auf. Die Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum beschränkt sich hierbei im wesentlichen auf eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Grundsatz der Verfassungsorgantreue auf den Vermittlungsausschuß vor dem Hintergrund seiner (angeblich) fehlenden Eigenschaft als Verfassungsorgan überhaupt Anwendung finden kann. 149 Entgegen zahlreicher, die Geltung dieses Prinzips für den Vermittlungsausschuß auf diesem Wege verneinender Stimmen steht nach hier vertretener, die Eigenschaft des Vermittlungsausschusses als Verfassungsorgan bejahender Auffassung 150 die Organqualität des Vermittlungsausschusses einer Anwendbarkeit des Grundsatzes der Verfassungsorgantreue jedoch nicht entgegen. Auch der von Henseler 151 gegen die Einschlägigkeit des Grundsatzes der Verfassungsorgantreue für den Vermittlungsausschuß erhobene grundsätzliche Einwand, mit seinem Einigungsvorschlag würde dieser den Bundestag in seinen Befugnissen weniger einschränken, sondern diese auf Grund dessen fehlender Bindungswirkung mit der Schaffung einer zusätzlichen Entscheidungsalternative zu einem erneuten Gesetzgebungsverfahren sogar erweitern, vermag nicht zu überzeugen, verkennt er doch den erheblichen faktischen Annahmezwang 152, unter dem der Bundestag bei seiner Abstimmung über einen Einigungsvorschlag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG i.V. m. § 10 Abs. 2 S. 1 GOVA steht. gen – BVerfGE 35, 193 (199) (Grundlagenvertrag-Einstweilige Anordnung); BVerfGE 45, 1 (39) (Haushaltsüberschreitung); BVerfGE 72, 175 (192) (Wohnungsfürsorge); BVerfGE 89, 155 (191) (Maastricht); BVerfGE 90, 286 (337) (Bundeswehreinsatz). Aus dem Schrifttum siehe Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 44, Rn. 52 ff.; Lorz, Interorganrespekt im Verfassungsrecht, S. 38 ff.; Voßkuhle, NJW 1997, 2216 (2217). Grundlegend W.-R. Schenke, Die Verfassungsorgantreue. 148 Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 250; Bismark, DÖV 1983, 269 (277 ff.); Hübner / Schaden, DStR 1999, 2093 (2097); Quaas, WM 1982, 283 (284); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 44 ff. Siehe auch Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Gutachten zur formellen Verfassungsmäßigkeit des 2. Haushaltsstrukturgesetzes, ppp Nr. 6 vom 15. Januar 1982, S. 1 (2 ff.). Ausdrücklich offengelassen hingegen in BVerfGE 72, 175 (192 f.) (Wohnungsfürsorge). 149 Vgl. Dietlein, NJW 1983, 80 (88). Bisweilen wird die Geltung des Prinzips der Verfassungsorgantreue für den Vermittlungsausschuß dabei auch gerade mit der Begründung offengelassen, daß dies eine Klärung der – umstrittenen – Frage nach dessen Verfassungsorganqualität voraussetze. So z. B. Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (327). Offengelassen auch in BVerfGE 72, 175 (192 f.) (Wohnungsfürsorge). Siehe auch Dietlein, NJW 1983, 80 (88). 150 Vgl. ausführlich oben B. I. 2. a). 151 Henseler, NJW 1982, 849 (852). Siehe auch Cornils, DVBl. 2002, 497 (500 (Fn. 38)). 152 Vgl. Bismark, DÖV 1983, 269 (275 f.). Siehe auch jüngst BVerfGE 120, 56 (74) (Vermittlungsausschuß).
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
179
Gleichwohl bleibt unklar, worin die für eine Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz maßstabgebende Funktion des Grundsatzes der Verfassungsorgantreue zu sehen ist. 153 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet der Grundsatz der Verfassungsorgantreue eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Verfassungsorgane sowie ein Mißbrauchsverbot „bei Inanspruchnahme verfassungsmäßiger Kompetenzen“ 154. Damit trifft er jedoch eine Aussage allein zu Art und Weise der Wahrnehmung einer vorhandenen Kompetenz, gibt hingegen keine Antwort auf die – dem vorgelagerte – Frage, ob (und in welchem Umfang) eine solche überhaupt besteht. Das Prinzip der Verfassungsorgantreue ist damit kein Maßstab der Kompetenzabgrenzung, sondern vielmehr der Kompetenzwahrnehmung, setzt erstere als bereits erfolgt voraus. 155 Das von Schenke als wesentlichem Befürworter 156 einer aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue folgenden Beschränkung der Vermittlungskompetenz vertretene Verständnis 157 dieses – dogmatisch zugleich maßgeblich von ihm selbst begründeten 158 – Grundsatzes ist hiermit jedoch erst unvollständig widerlegt. Schenke sieht im Prinzip der Verfassungsorgantreue eine übergeordnete, auf der Annahme einer einheitsstiftenden Integrationsfunktion des Staates im Verständnis Smends beruhende Rechtsfigur 159, die dreierlei Funktionsmodalitäten besitze 160. Neben ihrer Eigenschaft als Mißbrauchsschranke 161 und Quelle ungeschriebener Verhaltenspflichten und Rechte 162 sei sie auch als ein Auslegungsgrundsatz 163 zu verstehen. Als Auslegungsprinzip wäre der Grundsatz der Verfassungsorgantreue aber grundsätzlich auch geeignet, bereits über die Reichweite einer Kompetenzvorschrift zu entscheiden, und nicht erst deren Wahrnehmung Schranken zu setzen. Als „regulatives Auslegungsprinzip“ zieht Schenke 153
Kritisch auch Cornils, DVBl. 2002, 497 (500 (Fn. 38)). BVerfGE 45, 1 (39) (Haushaltsüberschreitung); BVerfGE 72, 175 (192) (Wohnungsfürsorge). 155 Vgl. Dietlein, NJW 1983, 80 (88). 156 W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 44 ff. Siehe aber auch Bismark, DÖV 1983, 269 (277 ff.); Quaas, WM 1982, 283 (284). 157 Grundlegend W.-R. Schenke, Die Verfassungsorgantreue, S. 41 ff. 158 Ebd. 159 W.-R. Schenke, Die Verfassungsorgantreue, S. 26 ff. Zur Rückführbarkeit des Prinzips der Verfassungsorgantreue auf die Integrationslehre Smends vgl. auch Lorz, Interorganrespekt im Verfassungsrecht, S. 38; Voßkuhle, NJW 1997, 2216 (2217). 160 Vgl. W.-R. Schenke, Die Verfassungsorgantreue, S. 41 ff. 161 Vgl. W.-R. Schenke, a. a. O., S. 43 f. 162 Vgl. W.-R. Schenke, a. a. O., S. 44 ff. 163 Vgl. W.-R. Schenke, a. a. O., S. 42 f. Zustimmend Voßkuhle, NJW 1997, 2216 (2217). 154
180
D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
den Grundsatz der Verfassungsorgantreue denn auch bei seiner Begründung einer Einschränkung der Vermittlungskompetenz heran. 164 Zweck des Prinzips der Verfassungsorgantreue als Auslegungsgrundsatz sei es – vergleichbar Hesses 165 Interpretationstopoi der praktischen Konkordanz, der funktionellen Richtigkeit und vor allem des Maßstabs der integrierenden Wirkung –, im Falle widerstreitenden (in diesem Falle Kompetenz-)Verfassungsrechts demjenigen Auslegungsergebnis den Vorzug zu geben, welches im Sinne der Herstellung und Erhaltung politischer Einheit einheitsstiftend und -erhaltend wirke. 166 Damit stellt sich jedoch die Frage, worin der über den jeder systematischen Auslegung eigenen Erkenntnisgewinn hinausgehende eigenständige Gehalt einer derartigen „integrierenden Interpretation“ zu erblicken ist. Den Befugnissen des Bundestages im Verhältnis zum Vermittlungsausschuß kann bereits durch systematische Einbeziehung der Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 2, 77 Abs. 1 S. 1 und 77 Abs. 2 S. 5 GG hinreichend Rechnung getragen werden. Auch Schenke scheint sich der Relativität seines Verständnisses des Prinzips der Verfassungsorgantreue als Auslegungsgrundsatz durchaus bewußt zu sein, wenn er sich gezwungen sieht, auf dessen Herleitung und Begründung einen eigenen Abschnitt zu den „Gründen für die mangelnde Evidenz der Bedeutung der Verfassungsorgantreue als Auslegungsprinzip“ folgen zu lassen, um in diesem sodann gerade das Zusammenwirken einer Vielzahl von Interpretationstopoi bei der Auslegung einer Kompetenzvorschrift zu betonen. 167 Im Ergebnis läßt sich dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue kein weiterführender, eigenständiger Maßstab für die Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz entnehmen. (5) Grundgesetzliches Funktionsgefüge zwischen Bundestag und Bundesrat Schließlich wird sowohl in Rechtsprechung 168 als auch Schrifttum 169 angeführt, daß die Beteiligung des Vermittlungsausschusses im Gesetzgebungsver164 Vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 44. 165 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 27 ff. 166 W.-R. Schenke, Die Verfassungsorgantreue, S. 42. 167 Vgl. W.-R. Schenke, a. a. O., S. 43. 168 BVerfGE 101, 297 (307) (Arbeitszimmer); BVerfGE 72, 175 (188 f.). Jüngst erneut BVerfGE 120, 56 (75) (Vermittlungsausschuß). 169 Vgl. Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 250; Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 57; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 39 ff.; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 21; s. a. Palm, NVwZ 2008, 633 (634).
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
181
fahren nicht zu einer Verschiebung der grundgesetzlichen Funktionenverteilung zugunsten des Bundesrates führen dürfe. Eine derartige Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Schließlich ist im Vermittlungsverfahren mit der Möglichkeit zur inhaltlich gestaltenden Einflußnahme im Unterschied zu seinen regelmäßig lediglich negativ wirkenden Vetobefugnissen eine Stärkung des Bundesrates bereits strukturell angelegt. 170 Diese ist aber auch – zumindest dem Grunde nach – von Verfassungs wegen gewollt. Es bleibt somit allein die Frage, in welchem Umfang eine solche Stärkung des Bundesrates von Verfassungs wegen beabsichtigt ist. Hierüber aber entscheidet nicht das Abstraktum eines „grundgesetzlichen Funktionengefüges zwischen Bundestag und Bundesrat“, sondern – mangels ausdrücklicher Regelung – die systematische Zusammenschau mit anderen konkreten grundgesetzlichen Bestimmungen, die dieses Funktionengefüge überhaupt erst begründen. Alles andere stellte einen – unzulässigen – Zirkelschluß dar. Entsprechend vorsichtiger formuliert das Bundesverfassungsgericht denn auch schon seine Bezugnahmen auf genannten Maßstab in der „Arbeitszimmer“-Entscheidung und seinem jüngsten Beschluß zur Reichweite der Vermittlungskompetenz. Dort stellt das Gericht präzisierend fest, daß der Bundesrat nicht durch die Beteiligung des Vermittlungsausschusses Einfluß auf die Gesetzgebung gewinnen dürfe, „ohne daß diese – wie bei seinen Gesetzesinitiativen und Stellungnahmen – zu einer Debatte im Bundestag führen müsste“ 171. Hiermit bringt das Gericht allerdings letzten Endes nichts anderes als das Erfordernis demokratischer Legitimation jeder gesetzlichen Regelung durch ein parlamentarisches Verfahren im Bundestag zum Ausdruck. Eigentlicher Maßstab ist damit jedoch Art. 20 Abs. 2 i.V. m. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG. 172 (6) Der kompetentielle Gehalt des Demokratieprinzips, Art. 20 Abs. 2 GG Auch das Demokratieprinzip enthält keine über den Inhalt der aufgezeigten Maßstäbe hinausgehende Aussage in kompetentieller Hinsicht. Dessen kompetentieller Gehalt – wenn man denn von einem solchen überhaupt sprechen mag 173 – erschöpft sich in Verbindung der Elemente personeller und sachlich170
Vgl. oben A. III. 2. a) bb). BVerfGE 101, 297 (307) (Arbeitszimmer); BVerfGE 120, 56 (75) (Vermittlungsausschuß). 172 Ausführlich hierzu unten D. IV. 3. b) bb) (2). 173 Aus dem Demokratieprinzip folgt für die repräsentative Demokratie das Gebot demokratischer Legitimation als Erfordernis der Rückführbarkeit jeglichen staatlichen Handelns auf den Willen des Staatsvolkes. Dazu, wie dieser Zurechnungszusammenhang herzustellen ist, trifft Art. 20 Abs. 2 GG keine Aussage. Die in Rechtsprechnung und 171
182
D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
inhaltlicher Legitimation gleich eines Scharniers im abstrakten Erfordernis, daß das Handeln eines jeden Staatsorgans innerhalb des ihm zur Wahrnehmung zugewiesenen sachgegenständlichen Rahmens zu verbleiben hat. Auf die Frage, wie weit dieser Rahmen für das einzelne Organ konkret reicht, gibt es hingegen keine Antwort. Dessen Bestimmung ist der einzelnen, besonderen Kompetenzregelung überlassen. (7) Zwischenergebnis: Das Anrufungsbegehren in maximaler Konkretisierung der Gesetzesinitiative als Schranke eines Einigungsvorschlags Führt man die im Wege systematischer Einbeziehung grundgesetzlicher Kompetenzvorschriften ermittelten Maßstäbe für eine Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz zusammen, so ergibt sich folgendes Gesamtbild. Der Vermittlungsausschuß empfängt seine äußere sachgegenständliche Legitimation durch das Einberufungsverlangen des anrufenden Organs nach Art. 77 Abs. 2 S. 1 oder S. 4 GG. In dessen Bezüglichkeit auf Teile oder Gesamtheit des Gesetzesbeschlusses des Bundestages kann der Vermittlungsausschuß nur solche Änderungen in seinen Einigungsvorschlag mit aufnehmen, die nicht zu einer Denaturierung der die äußerste inhaltliche Schranke eines jeden Gesetzgebungsverfahrens bildenden ursprünglichen Gesetzesinitiative nach Art. 76 Abs. 1 GG führt. Keine – darüber hinausreichenden eigenständigen – kompetentiellen Schranken für den Vermittlungsausschuß folgen aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG, dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue, dem (abstrakt verstandenen) grundgesetzlichen Funktionengefüge zwischen Bundestag und Bundesrat und dem Demokratieprinzip, Art. 20 Abs. 2 GG. bb) Verfahrensvorschriften (1) Das Gebot systematischer Einbeziehung der Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag Neben Kompetenzvorschriften werden in Rechtsprechung und Schrifttum zur Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz auch die für das Verfahren im Bundestag maßstabbildenden Bestimmungen der Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 2 und Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG herangezogen. Eine derartige Einbeziehung von Verfahrensanforderungen bei der Auslegung einer Kompetenznorm – Schrifttum vorgenommene Unterscheidung von institutionell-funktioneller, personeller und sachlich-inhaltlicher Legitimation ist daher eine mögliche, jedoch keine zwingende. Ihre Relativität findet Ausdruck in der Betonung des Zusammenwirkens der genannten drei Elemente demokratischer Legitimation, aber auch in Überlegungen zu ihrer begrenzten gegenseitigen Substituierbarkeit (vgl. die Nachweise in B. I., Fußnote 4).
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
183
zudem auch noch eines anderen Organs – mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. In der Struktur eines übergeordnet einheitlichen Verfahrens wie des Gesetzgebungsverfahrens 174 kann sie jedoch geboten sein, wenn die nochmalige Beteiligung desjenigen Organs, als dessen Kompetenzwahrnehmung sich die abschließende Entscheidung darstellt, es nicht ermöglicht, im Falle nachträglicher Änderungen die gebotene Verfahrensqualität nachholend zu verwirklichen. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn das Organ in seinem erneuten Verfahren nicht mehr inhaltlich gestaltend tätig werden kann, sondern sich in einer Ratifikationslage wiederfindet. Dann ist bereits die Kompetenz des vorangehend mitwirkenden Organs dahingehend eingeschränkt, nur solche Änderungen vorschlagen zu können, die den Anforderungen an die Qualität des übergeordnet einheitlichen Verfahrens bereits Rechnung tragen. Eine solche Konstellation ist mit der erneuten Beschlußfassung des Bundestages über einen Einigungsvorschlag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG gegeben. 175 Der Gegenstand des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ist grundgesetzlich von vorneherein eingeschränkt. Der Bundestag befindet sich in einer Ratifikationslage. Er entscheidet allein über die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags. 176 Änderungen des Kompromißvorschlags sind nicht möglich. Damit ist im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG aber auch keine demokratisch gestaltende Willensbildung mehr möglich. 177 Dieses Defizit vermögen auch die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß nicht zu kompensieren. Da der das Vermittlungsverfahren tragende Gedanke legislativer Effizienz jedoch nicht den völligen Verzicht auf eine parlamentarische Willensbildung rechtfertigt, können damit nur solche Inhalte Gegenstand des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG sein, hinsichtlich derer ein Willensbildungsprozeß im Bundestag bereits stattgefunden hat. 178 Sie müssen im Verfahren 179 des Bundestags vorgezeichnet sein. Nur Regelungen, die diese Voraussetzung erfüllen, haben die auf der besonderen Qualität des parlamentarischen Verfahrens beruhende erforderliche demokratische Legitimation erfahren. Diese Annahme gilt unabhängig von der geschäftsordnungsrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG. Der Bundestag ist bei seiner erneuten Beschlußfassung nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG bereits von Verfassungs wegen auf die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags beschränkt. § 10 Abs. 2 S. 1 174
Vgl. hierzu oben C. III. Ausführlich zur systematischen und strukturellen Durchdringung des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG vgl. oben C. II. 3. c). 176 Vgl. oben C. II. 3. c) aa). 177 Vgl. oben C. II. 3. c) bb) (1). 178 Vgl. oben C. II. 3. c) bb). Siehe auch jüngst BVerfGE 120, 56 (74 f.) (Vermittlungsausschuß). 179 Zur – weiteren – Beschränkung auf Gegenstände der vorangegangenen Beratungen im Bundestag und die Unzulässigkeit der Einbeziehung von Materien anderer Gesetzgebungsverfahren siehe unten D. V. 2. a). 175
184
D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
GOVA vollzieht dies auf Geschäftsordnungsebene lediglich nach. 180 Die erforderliche Legitimation von Regelungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses ist jedoch nur dann sichergestellt, wenn bereits der Einigungsvorschlag ausschließlich Änderungen des Gesetzesbeschlusses vorsieht, die diese Voraussetzung erfüllen, ist es doch wenig sinnvoll, dem Vermittlungsausschuß die Kompetenz einzuräumen, Kompromißvorschläge zu machen, über die der Bundestag sodann von Verfassungs wegen gar nicht befinden darf. Der Vermittlungsausschuß ist daher verpflichtet, die einzelnen Bestimmungen seines Kompromißvorschlags zuvor daraufhin zu überprüfen, ob sie bereits Gegenstand einer demokratischen Mindestanforderungen genügenden Willensbildung im Bundestag gewesen sind. Nur insoweit besitzt er eine Vermittlungskompetenz. Damit ist jedoch auch nachgewiesen, warum die für eine demokratische Willensbildung im Bundestag maßstabbildenden Verfahrensgrundsätze bei der Ermittlung des Rahmens der Vermittlungskompetenz mit einzubeziehen sind. 181 (2) Die Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag im einzelnen Nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG werden die Gesetze vom Bundestag beschlossen. Weitergehende Aussagen zu dem Verfahren, in dem die Gesetzesvorlagen vom Bundestag zu „verhandeln“ sind (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG), enthält der 7. Abschnitt des Grundgesetzes nicht. Damit ist dessen Ausgestaltung grundsätzlich der geschäftordnungsautonomen Regelung durch den Bundestag überlassen. 182 Diese hat allerdings den grundgesetzlichen Mindestanforderungen an eine demokratisch-parlamentarische Willensbildung zu genügen. Solche ergeben sich aus den Rechten des Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG), dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) sowie dem demokratischen Prinzip (Art. 20 Abs. 2 GG). (a) Die Rechte des Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG Die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Regelungen müssen im Falle ihrer Annahme durch den Bundestag als unter Wahrung der Rechte des Abge180
Vgl. oben C. II. 3. c) aa). Zu den Einzelheiten siehe unten D. V. 2. 182 Nach §§ 78 ff. GOBT werden Gesetzesvorlagen in drei Lesungen verhandelt. Zwischen der ersten und der zweiten Lesung werden sie zur vertieften Beratung an einen Ausschuß überwiesen (vgl. § 80 Abs. 1 S. 1 GOBT.) Den Ausschüssen des Bundestages kommt insoweit eine wichtige vorbereitende, de facto vorentscheidende Rolle im Hinblick auf das spätere Endergebnis zu. Seinen Abschluß findet das Verfahren mit der Schlußabstimmung (§ 86 Abs. 1 S. 1 GOBT). 181
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
185
ordneten im Gesetzgebungsverfahren 183 zustande gekommen angesehen werden können. 184 Diese Mitwirkungsrechte des einzelnen Abgeordneten dienen der effektiven Wahrnehmung seines Mandats als Vertreter des ganzen Volkes. 185 Einschränkungen sind ausschließlich zur Wahrung gleicher Rechte anderer Abgeordneter 186 oder der Funktionsfähigkeit des Parlaments 187 zulässig. Die oben vorgenommene Differenzierung zwischen Gesetzeswillensbildung und Gesetzeswillensäußerung aufgreifend, bietet es sich an, Beratungsrechte und Entscheidungsrechte zu unterscheiden. 188 (aa) Das Stimmrecht Kernbefugnis des Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren ist sein Entscheidungsrecht, an der den parlamentarischen Willensbildungsprozeß abschließenden Abstimmung teilzunehmen. 189 Dieses Stimmrecht des einzelnen Abgeordneten findet sich allerdings bereits in der erneuten Beschlußfassung des Bundestages über einen Einigungsvorschlag im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG verwirklicht.
183 Grundlegend zu den Rechten des Abgeordneten – hierbei auch zu weiteren, sich nicht auf die Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren beziehenden, daher im folgenden außer Betracht zu lassenden Rechten wie dem Wahl- oder dem Interpellationsrecht – Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten. Siehe auch Vonderbeck, ZParl 1983, 311 (321 ff.). 184 BVerfGE 72, 175 (191) (Wohnungsfürsorge); BVerfGE 101, 297 (306) (Arbeitszimmer); BVerfGE 120, 56 (75) (Vermittlungsausschuß). Bismark, DÖV 1983, 269 (271 f.); Cornils, DVBl. 2002, 497 (503); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (326); Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 21. Eine besondere Betonung findet sich auch bei Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 58. 185 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 38, Rn. 31. Vgl. BVerfGE 80, 188 (217 f.) (Wüppesahl). 186 Vgl. BVerfGE 80, 188 (218 f.) (Wüppesahl); BVerfGE 84, 304 (321) (PDS / Linke Liste). 187 Vgl. BVerfGE 80, 188 (219) (Wüppesahl); BVerfGE 84, 304 (321) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 96, 264 (278) (Fraktions- und Gruppenstatus); BVerfGE 99, 19 (32) (Gysi III). 188 Unterscheidung nach Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten. 189 BVerfGE 10, 4 (12) (Rederecht); BVerfGE 80, 188 (218) (Wüppesahl); Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 38, Rn. 90; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 38, Rn. 149; H.-P. Schneider, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 38, Rn. 28. Ausführlich Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 76 ff.; Achterberg, AöR 109 (1984), 505 (505 f.). Vgl. auch die ein solches Recht voraussetzenden Regelungen der §§ 48 ff. GOBT.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
(bb) Das Rederecht Zentrales, die Willensbildung in der parlamentarischen Demokratie maßgeblich prägendes Beratungsrecht des einzelnen Abgeordneten ist seine Redebefugnis 190. 191 Sie ist für den „Kampf der freien Meinungen“ 192 in „Rede und Gegenrede“ 193 schlechterdings konstituierend. Gerade dieses Recht ist im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG aber nur unvollkommen gewährleistet. Denn ungeachtet der gegenwärtig praktizierten – allerdings verfassungswidrigen 194 – Unterbindung jeglicher Debatte durch § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA ist eine Diskussion in diesem Verfahrensabschnitt aus strukturellen Gründen 195 von vorneherein nur eingeschränkt möglich und auf eine Aussprache über Pro und Contra der (unveränderten) Annahme des Einigungsvorschlags beschränkt. Der Zweck des Rederechts des einzelnen Abgeordneten, wirkungsvoll inhaltlich gestaltenden Einfluß nehmen zu können 196, findet sich damit aber nur unzureichend verwirklicht. (cc) Das Antragsrecht Die parlamentarische Beratung einer Gesetzesvorlage beschränkt sich nicht auf ein Abwägen von Für und Wider. Sie ermöglicht auch Änderungen, schließt „Verbesserungen“ nicht aus. 197 Ein umfassendes Beratungsrecht des Abgeord190 Die Geschäftsordnung des Bundestages begründet zwar kein Rederecht des einzelnen Abgeordneten, setzt ein solches aber als gegeben voraus (vgl. §§ 23, 25, 27 und 29 GOBT), welches sie jedoch – zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Parlaments – durch zahlreiche Bestimmungen einschränkt (zur Begrenzung der Redezeit siehe nur § 35 GOBT). 191 BVerfGE 10, 4 (11 f.) (Rederecht); BVerfGE 60, 374 (379) (Rüge); BVerfGE 80, 188 (218) (Wüppesahl); BVerfGE 96, 264 (284) (Fraktions- und Gruppenstatus); Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 38, Rn. 90; H. H. Klein, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 51, Rn. 32; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 38, Rn. 150; H.-P. Schneider, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 38, Rn. 27. Ausführlich Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 142 ff. 192 BVerfGE 2, 143 (172) (EVG-Vertrag). 193 BVerfGE 10, 4 (12) (Rederecht); BVerfGE 84, 304 (329) (PDS / Linke Liste); BVerfGE 96, 264 (284) (Fraktions- und Gruppenstatus). 194 Vgl. oben C. II. 3. c) dd). A. A. Henseler, der den Rechten des Abgeordneten mit der Möglichkeit zur Abgabe von „Erklärungen“ (§ 10 Abs. 2 S. 2 GG) ausreichend Maß Rechnung getragen sieht (Henseler, NJW 1982, 849 (855)). 195 Siehe oben C. II. 3. c) bb) (1). 196 Vgl. BVerfGE 80, 188 (224) (Wüppesahl). Vgl. auch H. H. Klein, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 51, Rn. 32. 197 Zur Unzulässigkeit einer Reduzierung des Parlaments auf ein „Absegnungsorgan“ für Gesetzesinitiativen siehe oben D. IV. 3. b) aa) (2) (c) und unten D. V. 1. b) aa) (4).
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
187
neten schließt daher die Befugnis ein, Änderungsanträge zu stellen 198. 199 Sie sichert die Möglichkeit förmlicher Einflußnahme auf den Gang der Beratungen im Parlament. Das in § 10 Abs. 2 S. 3 GOVA verankerte Verbot von Sachanträgen im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ist folgerichtige Konsequenz der Beschränkung des Verfahrensgegenstands auf eine (unveränderte) Annahme oder Ablehnung des Einigungsvorschlags und damit durch den Gedanken legislativer Effizienz gerechtfertigt. 200 Dies befreit jedoch nicht vom grundsätzlichen Erfordernis, daß der Verabschiedung des Einigungsvorschlags durch den Bundestag – wenn auch in einem vorangegangenen Verfahrensabschnitt – die Möglichkeit vorangegangen sein muß, den in jenem vorgesehenen Regelungen durch das Stellen von (Änderungs-)Anträgen Alternativen gegenüberzustellen und damit inhaltlichen Einfluß auf deren Endfassung nehmen zu können. (dd) Das Recht auf eine informierte Entscheidung Schließlich muß der Abgeordnete vor Beginn der parlamentarischen Verhandlungen die Gelegenheit gehabt haben, die – entscheidungsrelevanten – Informationen zu erlangen 201, sowie die Zeit 202, diese – in Abwägung von Pro und Contra und im Austausch mit anderen Abgeordneten – zu verarbeiten. 203 Nur so ist eine 198
Vgl. vor allem § 82 Abs. 1 GOBT. Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 172; H. H. Klein, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 51, Rn. 34; H.-P. Schneider, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 38, Rn. 29. Ausführlich Vonderbeck, ZParl 1983, 311 (333 ff.). Bisweilen wird die Antragsbefugnis des Abgeordneten auch zusammenfassend unter dem übergeordneten Begriff eines „Initiativrechts“ behandelt, so z. B. BVerfGE 80, 188 (218) (Wüppesahl) („parlamentarische Initiativen“); Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 38, Rn. 150. 200 Vgl. oben C. II. 3. c) aa). 201 Vorlagen werden nach § 77 Abs. 1 GOBT an alle Mitglieder des Bundestages verteilt. Sind Änderungsanträge noch nicht verteilt, so sind sie zu verlesen (§ 82 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GOBT). Zudem geht die Geschäftsordnung des Bundestages vom Recht des Abgeordneten aus, das Plenarprotokoll sowie das Amtliche Protokoll jeder Sitzung zu erhalten (vgl. §§ 116 Abs. 2, 120 S. 2 GOBT). Schließlich sind die Mitglieder des Bundestags berechtigt, alle Akten einzusehen, die sich in der Verwahrung des Bundestages oder eines Ausschusses befinden (§ 16 Abs. 1 GOBT). 202 Grundsätzlich zum Faktor Zeit im Gesetzgebungsverfahren unter Äußerung deutlicher Kritik an einem überhasteten Gesetzgebungsverfahren Kloepfer, Der Staat 13 (1974), 457 (468) („wenn Mitwirkungsbefugnisse im Gesetzgebungsverfahren durch zeitliche Pressionen praktisch völlig ausgehöhlt werden“); siehe auch Mellinghoff, DStR 2003, Beihefter 3, 1 (7) („zeitliche Rücksichtnahme“). Vgl. aber auch die zurückhaltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Annahme verfassungsrechtlicher Grenzen für die Beschleunigung von Gesetzgebungsverfahren, BVerfGE 29, 221 (233) (Jahresarbeitsverdienstgrenze); BVerfGE 30, 250 (261) (Absicherungsgesetz). 203 BVerfGE 70, 324 (355) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste); Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 172 f. u. 178 ff.; Achterberg / Schul199
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
bewußte und reflektierte Entscheidung 204 des einzelnen Abgeordneten möglich, erfüllen die parlamentarischen Beratungen ihren Sinn. Die Gewährleistung eines Rechts auf eine gewisse Zeit zur Entscheidungsfindung schützt dabei den einzelnen Abgeordneten wie auch das Parlament als Ganzes vor übereilten und unbedachten Entscheidungen, trägt so dazu bei, die Qualität der Gesetzgebung zu sichern. 205 Im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ist eine freie Entscheidung des einzelnen Abgeordneten durch den aus der strikten Vertraulichkeit der Verhandlungen im Vermittlungsausschuß resultierenden eingeschränkten Informationsgrad und den regelmäßig existierenden Zeitdruck erheblich gefährdet. Soweit dies ausschließlich die vom Bundestag im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG zu treffende Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags betrifft, ist deren Behebung – zumindest aber Abschwächung – bereits Aufgabe einer Reform der (geschäftsordnungsrechtlichen) Ausgestaltung des Verhältnisses der aufeinander folgenden Verfahren in Vermittlungsausschuß und Bundestag 206. (ee) Zusammenfassung: Möglichkeit einer reflektierten Abgeordnetenentscheidung Führt man die einzelnen Mitwirkungsrechte des Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren zusammen, ergibt sich folgendes Gesamtbild. Der einzelne Abgeordnete hat das Recht, die für seine Abstimmungsentscheidung über die beratene Gesetzesvorlage relevanten Informationen zu erlangen, diese verarbeiten und sich eine Meinung bilden zu können, um letztere sodann durch Rede oder förmlichen Antrag in die Beratungen des Parlaments mit einbringen zu können. Diese Voraussetzungen müssen auch für jede Bestimmung eines Einigungsvorschlags erfüllt sein. (b) Die Öffentlichkeit der parlamentarischen Verhandlung, Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG Des weiteren müssen die einzelnen Bestimmungen eines Einigungsvorschlags ihren Ursprung in der Öffentlichkeit parlamentarischer Beratungen finden. 207 Nach Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG verhandelt der Bundestag grundsätzlich öffentlich. te, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 38, Rn. 90; H. H. Klein, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 51, Rn. 33. 204 Vgl. Schmidt-Jortzig, ZParl 1992, 582 (599). 205 Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 178. 206 Zu möglichen Anknüpfungspunkten einer Reform siehe die bereits gemachten Vorschläge (B. III. 1. c) und C. II. 3. c) ee)). 207 BVerfGE 72, 175 (191) (Wohnungsfürsorge); BVerfGE 101, 297 (306) (Arbeitszimmer); BVerfGE 120, 56 (76) (Vermittlungsausschuß). Bismark, DÖV 1983, 269 (273);
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
189
Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG konkretisiert 208 insoweit eine bereits aus dem demokratischen Prinzip folgende 209 notwendige Bedingung effektiver (inhaltlicher) demokratischer Legitimation repräsentativ verfaßter Legislative 210. Die Öffentlichkeit parlamentarischer Verhandlung gewährleistet Informiertheit des Staatsvolkes und versetzt dieses so in die Lage, seine Kontrollfunktion wahrzunehmen. Sie ermöglicht einen fortgesetzten Diskussionszusammenhang zwischen Repräsentierten und Repräsentanten und sichert so effektiven Einfluß des Volkes auf den Inhalt staatlicher Entscheidungen. Eine ausschließlich in der Nichtöffentlichkeit der Beratungen im Vermittlungsausschuß gründende Regelung des Einigungsvorschlags entbehrte damit wesentlicher demokratischer Legitimation. (c) Die verfahrensbezogene Dimension des Demokratieprinzips, Art. 20 Abs. 2 GG Schließlich haben die im Einigungsvorschlag vorgesehenen Änderungen des Gesetzesbeschlusses dem demokratischen Prinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) zu genügen. 211 Auch aus diesem ergeben sich Mindestanforderungen an das Verfahren parlamentarischer Willensbildung in einer repräsentativ verfassten Demokratie wie der Schutz der parlamentarischen Minderheit und die Öffentlichkeit parlamentarischer Verhandlungen. Diese verfahrensbezogene Dimension des demokratischen Prinzips besitzt allerdings keinen weiteren, über die Mitwirkungsrechte des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und das Gebot parlamentarischer Öffentlichkeit in Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG hinausgehenden eigenständigen Gehalt. 212 Sie hat in den genannten Bestimmungen bereits eine erschöpfende Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 38, Rn. 21. Betont auch von Palm, NVwZ 2008, 633 (634); s. a. Cornils, DVBl. 2002, 497 (503 f.). 208 Betonung der Vorrangigkeit der Konkretisierungen gegenüber dem allgemeinen Öffentlichkeitsgebot des demokratischen Prinzips jüngst in BVerfGE 118, 277 (382 f.) (Abgeordneteneinkünfte). 209 BVerfGE 70, 324 (358) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste); BVerfGE 103, 44 (63) (Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal II); BVerfGE 118, 277 (382) (Abgeordneteneinkünfte). Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Demokratie), Rn. 83. Siehe auch die weiteren Nachweise in B. III. 1. b) aa), Fußnote 235. 210 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, S. 39 f. u. 97; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 42, Rn. 20; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 296 f.; ders., in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 36, Rn. 6 ff. Vgl. BVerfGE 70, 324 (355) (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste) („wesentliches Element des demokratischen Parlamentarismus“); jüngst BVerfGE 118, 277 (383) (Abgeordneteneinkünfte). Vgl. auch die weiteren Nachweise in B. III. 1., Fußnote 224. 211 Vgl. Bismark, DÖV 1983, 269 (271 ff.); Cornils, DVBl. 2002, 497 (503); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 27 ff. Siehe auch jüngst BVerfGE 120, 56 (74 ff.) (Vermittlungsausschuß). 212 Vgl. für die Abgeordnetenrechte BVerfGE 80, 188 (220 f.) (Wüppesahl). Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 62 f.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
Konkretisierung erfahren. Art. 20 Abs. 2 GG und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verhalten sich dabei wie zwei konzentrische Kreise zueinander. Art. 20 Abs. 2 GG begründet hierbei mit der Gewährleistung des Schutzes der parlamentarischen Minderheit zumindest bereits diejenigen Abgeordnetenrechte, die für eine parlamentarische Demokratie als schlechterdings konstituierend angesehen werden müssen. Das in Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG verankerte Gebot öffentlicher parlamentarischer Verhandlung geht in Art. 20 Abs. 2 GG hingegen sogar umfassend auf. Eine darüber hinausreichende Notwendigkeit insbesondere der Durchführung von drei Lesungen läßt sich Art. 20 Abs. 2 GG nicht entnehmen. 213 (3) Zwischenergebnis: Die Beachtung der Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag als Schranke eines Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses Als Ergebnis systematischer Einbeziehung grundgesetzlicher Verfahrensvorschriften bei der Ermittlung der Grenzen der Vermittlungskompetenz läßt sich festhalten, daß der Vermittlungsausschuß auf Grund der strukturellen Unmöglichkeit einer Gesetzeswillensbildung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG nur solche Inhalte in seinen Einigungsvorschlag aufnehmen darf, hinsichtlich derer bereits eine den Mindestanforderungen der Art. 38 Abs. 1 S. 2 und Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG genügende demokratisch-parlamentarische Willensbildung im Bundestag stattgefunden hat. Während aus der systematischen Heranziehung grundgesetzlicher Kompetenzvorschriften eine Schranke des Einigungsvorschlags aus Perspektive des Anrufungsorgans folgte, bestimmt die systematische Einbeziehung grundgesetzlicher Verfahrensregelungen einen äußeren Rahmen aus Sicht des Parlaments. 214 Die Wahrung der Maßstäbe aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 und Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG bereits durch die einzelnen Regelungen des Einigungsvorschlags sichert demokratische Verfahrensqualität und gewährleistet so die Legitimation des vom Bundestag im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG lediglich formal verabschiedeten Einigungsvorschlags. c) Zwischenergebnis: Wahrung des Anrufungsbegehrens und Beachtung der Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag Zusammenfassend ergibt die Interpretation des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG damit folgendes Bild. Der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG eröffnet mit seiner zwar grundsätzlichen, für Änderungen jedoch offenen Rückbindung des Vermittlungsrahmens an den Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens noch 213 214
Vgl. Jekewitz, Der Staat 15 (1976), 537 ff. Vgl. von der Heide, DÖV 1953, 129 (131).
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
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einen weiten Auslegungsspielraum, der sowohl eine enge wie auch eine weite Interpretation der Vermittlungskompetenz zuläßt. Konkrete Maßstäbe lassen sich ihm nicht entnehmen. Gleiches gilt für die historische Einordnung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG. Auch aus dieser lassen sich keine konkreten Anhaltspunkte für die Bestimmung der Reichweite des Vermittlungsrahmens gewinnen. Ausschlaggebende Bedeutung kommt daher dem Ergebnis der systematisch-teleologischen Interpretation des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG zu. Als solches wurde unter systematischer Einbeziehung grundgesetzlicher Kompetenz- und Verfahrensvorschriften nach Maßgabe des in teleologischer Auslegung als Zweck des Vermittlungsverfahrens ermittelten Gedankens legislativer Effizienz zum einen eine Bindung an das durch das Anrufungsorgan formulierte Anrufungsbegehren, zum anderen eine Beachtung der demokratischen Mindestanforderungen an eine parlamentarische Willensbildung im Bundestag festgestellt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 215, derzufolge ein Einigungsvorschlag „im Rahmen des Anrufungsbegehrens und des ihm zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens“ zu verbleiben hat. Damit ist allerdings noch nicht geklärt, in welchem Verhältnis beide Maßstäbe zueinander stehen. Dieses wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Hierbei sind grundsätzlich zwei Möglichkeiten denkbar. Entweder die genannten Kriterien werden im Sinne eines kumulativen Nacheinanders verstanden. Das Anrufungsbegehren beschriebe dann die äußerste Schranke eines Einigungsvorschlags, welche das Gebot einer Vorzeichnung durch das Verfahren im Bundestag sodann konkretisierend weiter einschränkte. Ein Überschreiten des Anrufungsbegehrens wäre unzulässig. Die Bestimmungen eines Einigungsvorschlages müssten beiden Maßstäben genügen. Oder aber man nimmt ein alternatives Nebeneinander der aufgezeigten Kriterien an. Dies erlaubte auch ein Hinwegsetzen über den durch das Anrufungsbegehren gesetzten Rahmen. Voraussetzung wäre dann allerdings, daß die vorgeschlagenen Regelungen inhaltlich und formal innerhalb des zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens verblieben. In Rechtsprechung und Schrifttum finden sich Interpretationen gerade der „Arbeitszimmer“-Entscheidung sowohl in ersterem als auch letzterem Sinne. 216
215 216
BVerfGE 101, 297 (307) (Arbeitszimmer). Vgl. die Nachweise in den Fußnoten 50 und 51.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
4. Ergebnis: Das kumulative Erfordernis der Anrufungsund Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses Die Beantwortung der Frage, welches Verständnis vom Verhältnis der Maßstäbe der Wahrung des Anrufungsbegehrens und der Beachtung der Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag das zutreffende ist, verlangt, sich die Konsequenzen eines alternativen Verständnisses vor Augen zu führen. Zunächst soll hierbei die Konstellation in den Blick genommen werden, daß die Bestimmung eines Einigungsvorschlags zwar innerhalb des Anrufungsbegehrens verbleibt, im Bundestag allerdings weder eine inhaltliche noch eine formale Vorzeichnung erfahren hat. Geht man von der Möglichkeit derartiger Regelungsvorschläge aus, wären innerhalb des sachgegenständlichen Rahmens des Anrufungsbegehrens liegende Regelungen grundsätzlich immer zulässig, unabhängig davon, ob ihre Entstehung den Anforderungen an eine demokratischparlamentarische Willensbildung genügte oder eine solche vermissen ließe. Eine äußere Grenze bildete allein das – allerdings bereits für das Anrufungsbegehren selbst geltende – aus Art. 76 Abs. 1 folgende Verbot der Denaturierung von Gesetzesvorlagen. Der das Vermittlungsverfahren als solches tragende Gedanke legislativer Effizienz rechtfertigt aber gerade, wie nachgewiesen 217, nicht den vollständigen Verzicht auf ein demokratisch-parlamentarisches Verfahren. Andererseits soll dann jedoch die Tatsache, ob ein solches stattgefunden hat, den Maßstab bilden, welcher darüber entscheidet, ob ein über das Anrufungsbegehren hinausreichender Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses als zulässig anzusehen ist. Hier offenbart sich ein Widerspruch. In einem zweiten Schritt ist sodann die Alternative zu betrachten, daß ein Vorschlag des Vermittlungsausschusses zwar den Rahmen des Anrufungsbegehrens verläßt, jedoch bereits Gegenstand des Verfahrens im Bundestag gewesen ist. Die Annahme der Zulässigkeit auch solcher Regelungsvorschläge verkennt Sinn und Zweck des Anrufungsbegehrens. 218 Mit diesem beschreibt das den Vermittlungsausschuß anrufende Organ verbindlich den äußeren Rahmen, innerhalb dessen aus seiner Sicht ein Kompromiß überhaupt möglich erscheint. 219 Findet eine Regelung in der Formulierung des Anrufungsbegehrens aber keine Erwähnung, so bringt das Anrufungsorgan damit zum Ausdruck, daß es in diesem Punkte entweder keine Einigungsmöglichkeiten sieht oder aber mit einer 217
Siehe oben A. III. 2. c). Ausführlich zum dieses in besonderer Weise veranschaulichenden Beispiel des § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StBereinG 1999 siehe unten G. 219 Zu einem besonders anschaulichen Gegenbeispiel aus der Staatspraxis siehe Fußnote 8. 218
IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
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Änderung nicht einverstanden ist, und macht ihn deshalb gerade nicht zum Verhandlungsgegenstand. Möchte es den durch das Anrufungsbegehren eröffneten Vermittlungsspielraum hingegen bewußt weit ziehen – etwa, weil es für eine Einigung auch zu weitreichenden Zugeständnissen bereit ist –, besitzt das anrufende Organ die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuß offen zum Gesetzesbeschluß in seiner Gesamtheit anzurufen. Der Vermittlungsausschuß berät daher auch nur über „Vorlagen“ (Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG). Dem Anrufungsbegehren kommt auf diese Weise sowohl eine kompetenzbegründende wie auch eine kompetenzbeschränkende Funktion zu. 220 Erweiterungen des Vermittlungsgegenstandes über das Anrufungsbegehren hinaus erweisen sich insofern als zweckwidrig und damit unzulässig. Kriterien wie das der Wahrung eines „Sachzusammenhangs“ mit dem Gesetzesbeschluß können daher aber auch nicht der Rechtfertigung von Überschreitungen des Anrufungsbegehrens, sondern allenfalls der Konkretisierung seiner Grenzen dienen. 221 Schließlich betrifft die Wahrung der Grundsätze eines demokratisch-parlamentarischen Verfahrens, welche als Prüfmaßstab über die Zulässigkeit derartiger Erweiterungen entscheiden soll, gleichermaßen Sachverhalte in wie außerhalb des Anrufungsbegehrens, verhält sich damit zu der Frage, auf die sie eine Antwort geben soll, aber gerade indifferent. Das Gebot demokratischer Legitimation gesetzlicher Regelungen in einem parlamentarischen Verfahren gilt absolut. Zusammenfassend läßt sich damit als Ergebnis feststellen, daß die in systematisch-teleologischer Auslegung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG ermittelten Maßstäbe eines Verbleibens innerhalb des Anrufungsbegehrens und einer Wahrung der Mindestanforderungen an eine demokratisch-parlamentarische Willensbildung in keinerlei Wechselbeziehung zueinander stehen. Sie bedingen einander nicht, verhalten sich vielmehr neutral zueinander. Einigungsvorschläge des Vermittlungsausschusses haben daher beiden Kriterien gleichermaßen zu genügen. Hiermit ist auch dem – möglichen – Einwand begegnet, eine wie hier vertretene strenge Bindung an das Anrufungsbegehren ließe in der Staatspraxis eine weitere Zunahme offener Anrufungsbegehren befürchten, genügt doch die offene Anrufung des Vermittlungsausschusses für sich genommen gerade nicht für eine merkliche Erweiterung der Vermittlungsgegenstandes. 222 Den legitimatorischen Gehalt beider Kriterien aufnehmend, bedarf die einzelne Regelung eines Einigungsvorschlags sowohl einer Anrufungslegitimation als auch einer Verfahrenslegitimation.
220 Vgl. die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, der Vermittlungsausschuß empfange „seinen Auftrag ... im Rahmen des Legitimationsgrundes und der Grenzen des Anrufungsbegehrens“ (BVerfGE 101, 297 (306) (Arbeitszimmer)). 221 Ausführlich hierzu unten D. V. 1. b) aa) (4). 222 Siehe hierzu auch unten K.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
V. Zweistufige Prüfung der Vereinbarkeit eines Einigungsvorschlags mit dem Grundgesetz Für sich alleine betrachtet entbehrt ein derart abstrakter grundgesetzlicher Maßstab der notwendigen Praxistauglichkeit. Er ist nicht handhabbar. Zumal, wie bereits die Untersuchung des Diskussionsstandes zu den Grenzen der Vermittlungskompetenz in Rechtsprechung und Schrifttum gezeigt hat, auch bei Einvernehmen über die Annahme eines Erfordernisses kumulativer Anrufungs- und Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags weiterhin Raum für ein Verständnis der Kompetenz des Vermittlungsausschusses in ganz unterschiedlicher Weite bleibt. 223 Ausschlaggebend ist hierbei allein die bei der Konkretisierung beider Maßstäbe gewählte jeweilige Bezugsgröße. Der in der 9. Wahlperiode unternommene, soweit ersichtlich bisher einzig gebliebene Versuch, eine praxistaugliche Präzisierung der Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses in die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses aufzunehmen, 224 scheiterte. Struktureller Ausgangspunkt einer solchen Konkretisierung ist das doppelte Legitimationserfordernis jeder Regelung eines Einigungsvorschlages. Ihre Grenze findet sie im Vermittlungsverfahren als einem dynamischen politischen Prozeß, welcher zwingend nach einem gewissen (Einschätzungs-)Spielraum verlangt. 1. Wahrung des Anrufungsbegehrens (Anrufungslegitimation) Der Vermittlungsausschuß hat den sachgegenständlichen Rahmen des Anrufungsbegehrens zu wahren. Mit diesem beschreibt das anrufende Organ den Rahmen, innerhalb dessen aus seiner Sicht ein Kompromiß möglich erscheint. Nur innerhalb dieser äußersten inhaltlichen Schranke ist der Vermittlungsausschuß daher legitimiert, eine Einigung vorzuschlagen. Sämtliche Vermittlungsbemühungen haben sich damit innerhalb der Grenzen des Anrufungsbegehrens zu bewegen. a) Vorfrage: Zulässigkeit des Anrufungsbegehrens Voraussetzung dieser Bindungswirkung ist, daß das Anrufungsbegehren selbst den Anforderungen des Grundgesetzes genügt. Im folgenden soll allein die mög223
Vgl. nur die Vertreter sowohl strenger Anrufungs- wie Verfahrensidentität (siehe oben D. III. 2. a) aa)), die Befürworter eines weiten Verständnisses des Erfordernisses der Anrufungs-, hingegen strenger Interpretation des Kriteriums der Verfahrensidentität (siehe oben D. III. 2. b) bb)) sowie die Verfechter sowohl weit verstandener Anrufungswie auch großzügig ausgelegter Verfahrensidentität (siehe oben D. III. 2. c) aa)). 224 Vgl. den Beschluß des Deutschen Bundestages in der 97. Sitzung vom 29. 4. 1982, Plenarprotokoll 9/97, S. 5911D sowie die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 24. März 1982, BT-Drs. 9/1440, S. 2.
V. Zweistufige Prüfung eines Einigungsvorschlags
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liche materielle Unzulässigkeit eines Anrufungsbegehrens untersucht werden. Daß der Vermittlungsausschuß nur von einem hierzu befugten Organ sowie unter Wahrung der hierfür vorgesehenen Fristen angerufen werden kann, wurde bereits an anderer Stelle erörtert. 225 aa) Einschränkungen nach Anrufungsorganen (1) Anrufung durch den Bundestag Während der Bundesrat bei seiner Anrufung des Vermittlungsausschusses keinerlei inhaltlichen Einschränkungen unterliegt 226, 227 werden für den Bundestag derartige Beschränkungen diskutiert. 228 Die vertretenen Ansätze reichen hierbei von einer Beschränkung des Bundestages allein auf eine Anrufung mit dem Ziel einer Bestätigung des Gesetzesbeschlusses 229 über die grundsätzliche Anerkennung auch von Änderungsbegehren des Bundestages, jedoch unter Bestreiten ihrer Bindungswirkung für den Vermittlungsausschuß, 230 bis hin zu der Auffassung, auch der Bundestag sei bei der inhaltlichen Fassung seines Anrufungsbegehrens grundsätzlich frei 231. Einvernehmen besteht allein darüber, daß der Bundestag nicht die Aufhebung seines Gesetzesbeschlusses verlangen können soll. 232 225
Siehe oben C. II. 3. a). Einzig eine Anrufung mit dem (ausschließlichen) Ziel einer Bestätigung des Gesetzesbeschlusses wird man für unzulässig erachten müssen, kann der Bundesrat dieses Ziel doch bereits durch Erteilung seiner Zustimmung bzw. Verzicht auf einen Einspruch erreichen. Die Ansicht, der Bundesrat dürfe darüber hinaus auch keine Aufhebung des Gesetzesbeschlusses für Zustimmungsgesetze verlangen, da er das Zustandekommen des Gesetzes bereits durch Verweigerung seiner Zustimmung verhindern könne, überzeugt hingegen nicht, kann ein solches Aufhebungsverlangen doch auch lediglich als Formulierung einer Maximalforderung verstanden werden, welches dahinter zurückbleibende Vermittlungsbemühungen nicht ausschließt (vgl. hierzu unten D. V. 1. c) cc)). Vgl. Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 195; Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 113; Dietlein, NJW 1983, 80 (82); ders., AöR 106 (1981), 525 (548). 227 Vgl. Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 29; ders., NJW 1983, 80 (82 f.). Siehe auch Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 52 f. 228 Vgl. nur Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 109 ff.; Dietlein, NJW 1983, 80 (83). 229 Dietlein, a. a. O. (83 u. 86); ders., in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 30; Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (289). 230 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 110. Siehe auch Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (289). 231 W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 51 (Fn. 116). 226
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
Entgegen vereinzelt geäußerter Ansicht ist der Bundestag nicht von vorneherein daran gehindert, den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel der Änderung seines Gesetzesbeschlusses anzurufen. 233 Auch aus dem Grundsatz der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen 234 folgt nichts anderes. 235 Dieser für alle am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe gleichermaßen geltende Grundsatz findet im Grundgesetz weder eine explizite Erwähnung, noch gilt er in uneingeschränkter Abstraktheit. Er ergibt sich vielmehr erst aus einer systematischen Zusammenschau der Regelung des Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG. Damit kann die mit dem Vermittlungsverfahren in den Art. 77 Abs. 2 bis 4 GG geschaffene strukturelle Möglichkeit einer nachträglichen Änderung des Gesetzesbeschlusses aber auch nicht als eine Durchbrechung dieses Grundsatzes verstanden werden, sondern ist vielmehr als dessen originäre inhaltliche Ausgestaltung zu begreifen. 236 Sie ist von vorneherein mitgedacht. Das Prinzip der grundsätzlichen Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen kann Änderungsbegehren des Bundestages daher gar nicht entgegenstehen. Was der Bundestag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG beschließen darf, muß er nach Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG erst recht beantragen können dürfen. Eine mögliche Reduzierung zulässiger Anrufungsbegehren des Bundestages allein auf eine Bestätigung des Gesetzesbeschlusses wirft zudem die Frage auf, worin sodann überhaupt noch der Sinn der Regelung einer (eigenen) Anrufungsbefugnis des Bundestages in Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG zu erblicken wäre. Schließlich ist der Gesetzesbeschluß als Gegenstand jedes Einberufungsverlangens 237 ohnehin Gegenstand jedes Verfahrens im Vermittlungsausschuß. Einer Bekräftigung des Beschlusses bedarf es nicht. Einzig zum Zwecke der Erweiterung der zuvor durch das Anrufungsbegehren des Bundesrates eingeschränkten Vermittlungsmasse ergäbe eine Anrufung des Bundestages noch Sinn. Eine solche würde einem uneingeschränkt verstandenen Grundsatz der Unverrückbar232 Vgl. nur Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 195; Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 110; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 81; Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (298). Siehe auch Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 30; ders., NJW 1983, 80 (83). 233 So aber Dietlein und Franßen, die dem Bundestag allein die Möglichkeit belassen wollen, den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel einer Bestätigung des Gesetzesbeschlusses anzurufen (Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 30; Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (289)). Vorsichtiger noch Dietlein, NJW 1983, 80 (83) („jedenfalls möglichst weitgehende Aufrechterhaltung des Gesetzesbeschlusses“). 234 Vgl. hierzu die Nachweise in C. II. 3. c) aa) (2), Fußnote 80. 235 So jedoch der Begründungsansatz von Dietlein, NJW 1983, 80 (83); ders., in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 30; Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (289). Siehe auch Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 110. 236 Siehe hierzu oben C. II. 3. c) aa) (2). 237 Vgl. oben D. IV. 3. b) aa) (3) und unten D. V. 1. b) aa).
V. Zweistufige Prüfung eines Einigungsvorschlags
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keit von Gesetzesbeschlüssen aber in noch viel stärkerem Maße zuwiderlaufen. Schließlich ließe sich auch argumentieren, daß der Bundestag mit einer Beschränkung seiner Anrufung auf Teile des Gesetzes dem Vermittlungsausschuß gerade das Recht entziehe, darüber hinausgehende Änderungen des Gesetzesbeschlusses vorzuschlagen. 238 Denn in einer die begrenzte Änderung des Gesetzesbeschlusses vorschlagenden Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundestag ist primär die – in ihrem genauen Gehalt jeweils im Einzelfall durch Auslegung zu ermittelnde 239 – zulässige Beschränkung möglicher Kompromisse auf Teile des Gesetzesbeschlusses zu sehen. Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag die Ansicht, der Bundestag dürfe zwar eine Änderung des Gesetzesbeschlusses begehren, jedoch komme einem derartigen Einberufungsverlangen keinerlei Bindungswirkung für den Vermittlungsausschuß zu, sollten doch im Falle absehbarer oder gar bereits erteilter Zustimmungsversagung durch den Bundesrat keine Möglichkeiten einer Einigung ungenutzt bleiben. 240 Eine solche Differenzierung verkennt zum einen die grundsätzlich gegenständlich limitierende Funktion des Anrufungsbegehrens, welches eine Kompetenz des Vermittlungsausschusses überhaupt erst begründet, zugleich aber auch begrenzt. 241 Eine Kompetenzregelung jedoch verlangt Klarheit, in ihrer Kontur wie in ihrer Bindungswirkung. Zum anderen vermag eine solche Argumentation nicht zu erklären, warum nicht auch der Bundestag – wie der Bundesrat – „den Preis“ benennen können soll, unter dem eine Einigung aus seiner Sicht ausgeschlossen ist. Dahinter scheint die fragwürdige Vorstellung vom Zweck des Vermittlungsverfahrens als Verwirklichung des Gesetzgebungsziels „um jeden Preis“ zu stehen. Ein derartiges Verständnis übersieht die lediglich formale Stärkung des Parlaments. Inhaltlich gestärkt geht hieraus allein der Bundesrat hervor. Zudem bleibt es Bundesrat – und Bundesregierung – unbenommen, den Vermittlungsrahmen ihrerseits durch eine eigene Anrufung des Vermittlungsausschusses zu erweitern, 242 ist doch die Vermittlungsmasse im Falle einer mehrfachen (gleichzeitigen) Anrufung des Vermittlungsausschusses additiv zu 238 Vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 51 (Fn. 116). 239 Vgl. hierzu unten D. V. 1. b) bb). 240 So Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 109 f. Siehe auch Dietlein, NJW 1983, 80 (86); Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (289). 241 Vgl. oben D. IV. 3. b) (3) und D. IV. 4. sowie unten D. V. 1. b) aa) (3). Siehe auch W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 51 (Fn. 116). 242 Diese Möglichkeit verkennt das FG Münster, wenn es eine Einbeziehung auch von Gegenständen außerhalb des Anrufungsbegehrens damit zu rechtfertigen sucht, daß das anrufende Organ mit der Formulierung des Einberufungsverlangens den zulässigen Vermittlungsgegenstand nicht einseitig zu Lasten der anderen Gesetzgebungsorgane beschränken können soll, FG Münster, EFG 2005, 1225 (1229).
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
bestimmen. Hat der Bundesrat von seiner Anrufungsmöglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht, spricht dies dafür, daß – auch – er eine Einigungsmöglichkeit nicht gesehen hat. Damit ist auch der Bundestag befugt, den Vermittlungsausschuß – in diesen bindender Weise – mit dem Ziel einer Änderung des Gesetzesbeschlusses anzurufen. Ausgeschlossen ist lediglich ein Anrufungsbegehren des Bundestages, welches auf die Aufhebung des Gesetzesbeschlusses gerichtet ist. 243 Diese Ausnahme folgt jedoch wiederum nicht aus dem Grundsatz der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen 244, sondern vielmehr aus dem – dessen Einschränkung in den Art. 77 Abs. 2 bis 4 GG rechtfertigenden – Zweck des Vermittlungsverfahrens, das (ursprüngliche) Gesetzgebungsziel so weit wie möglich zu verwirklichen. 245 Ein derartiges Ansinnen des Bundestages dürfte allerdings in der Praxis ohnehin ausgeschlossen sein. Den Regelfall für den Bundestag bildet ein sogenanntes offenes Anrufungsbegehren 246. 247 (2) Anrufung durch die Bundesregierung Auch für die Bundesregierung wird die Zulässigkeit jeglicher Einschränkungen des Anrufungsbegehrens bestritten 248 oder solchen die Bindungswirkung abgesprochen 249. Dies folge zwar nicht, wie für den Bundestag, aus dem Grundsatz der Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen. Die verfassungsrechtliche, regelmäßig auf den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag beruhende Stellung der Bundesregierung 250 verbiete es dieser jedoch, einen Mehrheitsbeschluß des Bundestages zu Fall zu bringen. Schließlich sei der Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens allein in der Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat, nicht hingegen im jeweiligen Verhältnis zur Bundesregierung zu sehen 251. Mit der Anrufung der Bundesregierung verbundene konkrete Änderungsvorschläge seien daher lediglich als „politisch zu 243
Siehe die Nachweise in Fußnote 233. So aber Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 110. 245 Richtigerweise mit dieser Begründung Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 81. 246 Hierzu sogleich ausführlich D. V. 1. a) bb) (2). 247 Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 111. 248 Dietlein, NJW 1983, 80 (86 f.); Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (290). 249 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 110; Dietlein, NJW 1983, 80 (87). 250 Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 31. Siehe auch Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 110. 251 Dietlein, NJW 1983, 80 (86); Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (289). 244
V. Zweistufige Prüfung eines Einigungsvorschlags
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verstehende Fingerzeige“ 252 zu deuten oder als Anregungen zu interpretieren. Sie besäßen lediglich Angebotscharakter. 253 Rechtliche Bindungswirkung komme ihnen jedenfalls nicht zu. 254 Eine derart weitgehende Reduzierung der Anrufungsmöglichkeiten der Bundesregierung überzeugt weder in ihrem Ergebnis noch in ihrer Begründung. Sie vermag nicht zu erklären, worin das originär eigene Interesse der Bundesregierung an einer Verwirklichung des Gesetzgebungsziels noch im selben Gesetzgebungsverfahren zu sehen ist, welches den Verfassungsgeber dazu bewogen hat, der Bundesregierung in Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG ein eigenes Anrufungsrecht einzuräumen. Dabei liegt eine Erklärung der Parallelität der Zuweisung der Anrufungsbefugnis in Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 4 G und der Regelung des Gesetzesinitiativrechts in Art. 76 Abs. 1 GG auf der Hand. Die Bundesregierung hat ein eigenes Interesse an einem Vermittlungserfolg, wenn dem Gesetzesbeschluß des Bundestages – wie in der Staatspraxis sogar in der überwiegenden Zahl der Gesetze der Fall 255 – ihre Gesetzesvorlage zugrunde liegt. Meinungsverschiedenheiten sind dann eben gerade nicht nur im Verhältnis von Bundestag und Bundesrat gegeben. Dann muß die Bundesregierung aber auch befugt sein, darüber entscheiden zu können, in welchem gegenständlichen Rahmen ein Kompromiß über ihr Gesetzgebungsziel aus ihrer Sicht überhaupt zweckmäßig und sinnvoll erscheint. Zumal mit einem Änderungsbegehren zugleich immer auch eine Beschränkung des (zulässigen) Vermittlungsgegenstandes einhergeht. Die einseitige Argumentation, die Bundesregierung werde von einer Mehrheit im Bundestag getragen, verkennt schließlich die im Vermittlungsverfahren in besonderer Zuspitzung zutage tretenden Gegebenheiten der modernen Parteiendemokratie 256. 252
Dietlein, NJW 1983, 80 (87). Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 110; Dietlein, NJW 1983, 80 (87). 254 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 110; Dietlein, NJW 1983, 80 (87); Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (289). 255 Über die Hälfte aller Gesetzesinitiativen und in den meisten Wahlperioden über drei Viertel aller Gesetzesbeschlüsse beruhen auf Regierungsentwürfen. Vgl. die Nachweise bei Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 76, Rn. 17. Auch wenn der relative Anteil der Regierungsvorlagen an der Gesamtzahl der Gesetzesvorlagen – aus unterschiedlichen Gründen (vgl. hierzu Masing, a. a. O., Rn. 19) – rückläufig ist, waren es in der 15. Wahlperiode immer noch 362 von 763 Gesetzesvorlagen (= 47, 4 %) bzw. 281 von 400 Gesetzesbeschlüssen (= 70,2%), die auf eine Initiative der Bundesregierung zurückgingen (vgl. die Statistik des Bundestages unter http://dip21.bundestag.de/doc/gesta/15/StatistischerUberblick.pdf (Stand: 4. Oktober 2008)). Zur Halbzeit der 16. Wahlperiode galt dies – wohl auch durch die politischen Realitäten einer Großen Koalition bedingt – wieder für 282 von 493 Gesetzesvorlagen (= 57,2 %) bzw. 187 von 224 Gesetzesbeschlüssen (= 83,5 %). 256 Vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 51 (Fn. 116). 253
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Im Ergebnis läßt sich somit feststellen, daß die Bundesregierung – wie der Bundestag – befugt ist, den Vermittlungsausschuß nicht nur zum Zwecke einer Bestätigung des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses, sondern auch in auf konkrete Änderungen beschränkter Weise anzurufen. Bundesrat und Bundestag ist es unbenommen, den Vermittlungsgegenstand ihrerseits darüber hinausgehend zu erweitern. 257 Lediglich ein auf die Aufhebung des Gesetzesbeschlusses gerichtetes Anrufungsbegehren der Bundesregierung dürfte – wie ein entsprechendes des Bundestages – vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens ausgeschlossen sein. 258 bb) Einschränkungen nach Anrufungsgegenständen (1) Unzulässigkeit einer bloßen (Verfassungs-)Rechtsfrage Bisweilen ist ein Gesetzesbeschluß zwischen Bundestag und Bundesrat nicht (allein) politisch, sondern (vor allem) (verfassungs-)rechtlich umstritten. Beispielhaft seien nur die unterschiedlich beurteilte Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes und die – streitige – Frage nach dem Vorliegen einer Bundeskompetenz genannt. Anrufungen des Vermittlungsausschusses zur Klärung derartiger (Verfassungs-)Rechtsfragen 259 sind unzulässig. 260 Der Vermittlungsausschuß lehnt denn auch in ständiger Praxis eine Stellungnahme insbesondere zur Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes zu Recht ab. 261 Die Unzulässigkeit einer Anrufung des Vermittlungsausschusses ausschließlich zur Klärung einer Rechtsfrage folgt aus Aufgabe und Funktion des Gremiums. 262 Aufgabe des Vermittlungsausschusses 257
Vgl. zur additiven Bestimmung des Vermittlungsrahmens bei mehrfacher (gleichzeitiger) Anrufung oben D. V. 1. a) aa) (1). 258 Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 109; Dietlein, NJW 1983, 80 (81); Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (298). 259 Vgl. die Beispiele aus der Staatspraxis bei Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 172. 260 Vgl. Dästner, a. a. O., S. 171 f.; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 65 f. Siehe auch Dietlein, AöR 106 (1981), 525 (532). 261 Vgl. die 23. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 14. 7. 1951, Kurzprotokoll I/23, S. 4 f.; 11. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 16. 3. 1965, Kurzprotokoll IV/ 11, S. 6; 7. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 23. 3. 1978, Protokoll 8/7, S. 20; 33. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 23. 1. 1980, Protokoll 8/33, S. 113; st. Praxis. Siehe auch die Bekräftigungen dieser Praxis durch den Abg. Dr. Schäfer in der 1. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 21. 2. 1973, Protokoll 7/1, S. 14, den Abg. Jahn in der 36. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 10. 6. 1976, Protokoll 7/36, S. 43, sowie die Abg. Dr. Schäfer und Höcherl in der 40. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 22. 7. 1976, Protokoll 7/40, S. 60. Zustimmend Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 68 ff.; Dietlein, AöR 106 (1981), 525 (532). 262 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 65.
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ist es, zwischen Bundestag und Bundesrat in politischen Streitfragen zu vermitteln 263. Sein Einigungsvorschlag soll eine Verwirklichung des (politischen) Gesetzgebungsziels noch im selben Gesetzgebungsverfahren ermöglichen. Ihm kommt dabei weder die Funktion einer Schiedsinstanz zu 264, noch besitzt er einen allgemeinen gutachterlichen Auftrag 265. Seine Aufgabe ist auf die Herbeiführung eines politischen Kompromisses beschränkt. Schließlich obliegt es dem anrufenden Organ – wie jedem Verfassungsorgan – grundsätzlich primär selbst, sein Handeln auf Verfassungskonformität zu prüfen und darüber in eigener Verantwortung zu entscheiden. Hiervon unberührt bleibt die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, von Amts wegen als Voraussetzung seines Tätigwerdens die Zulässigkeit und Wirksamkeit seiner Anrufung zu prüfen 266. 267 Des weiteren von der Unzulässigkeit einer auf eine bloße Rechtsfrage beschränkten Anrufung des Vermittlungsaus263
Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 171; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 65. 264 Hasselsweiler, a. a. O., S. 66. Siehe auch Dietlein, AöR 106 (1981), 525 (532). 265 Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 66. 266 Vgl. hierzu Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 121 f. mit Nachweisen aus der Staatspraxis; Dietlein, AöR 106 (1981), 525 (526 u. 536); Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (293). So ist der Vermittlungsausschuß insbesondere wiederholt in die Prüfung eingetreten, ob die Anrufungsfrist eingehalten wurde. Vgl. nur die 7. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 10. 11. 1950, Kurzprotokoll I/7, S. 2. 267 Entgegen Dietlein stellt sich auch hierbei nicht (inzident) die Frage nach der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes (Dietlein, AöR 106 (1981), 525 (532)). Bei Anrufungen durch den Bundesrat genügt es, zu prüfen, ob die nach hier vertretener Auffassung (ausführlich hierzu oben C. II. 3. a)) gleichermaßen für Einspruchs- wie Zustimmungsgesetze geltende dreiwöchige Frist des Art. 77 Abs. 77 Abs. 2 S. 1 GG eingehalten wurde. Verweigert der Bundesrat – in der Annahme der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes – seine Zustimmung und ruft, um für den Fall, daß es sich doch um eine Einspruchsgesetz handeln sollte, seine Einspruchsbefugnis nicht zu verlieren, zugleich unter Wahrung der Frist des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG den Vermittlungsausschuß an (Allein auf diese Konstellation bezogen sind wohl die Ausführungen von Dietlein zu verstehen.), so ist bereits der Bundesrat seiner primären Verfassungsverantwortlichkeit, die Frage nach der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes eigenverantwortlich zu beantworten, nicht gerecht geworden. Es obliegt nun nicht dem Vermittlungsausschuß, diese in Verantwortung des Bundesrates offen gebliebene Frage nachträglich zu entscheiden. Er darf insoweit der in seiner Anrufung zum Ausdruck kommenden – für die Zulässigkeit seiner Anrufung durch den Bundesrat allerdings ohnehin irrelevanten Interpretation – im Sinne eines Einspruchsgesetzes folgen. Auch für Anrufungen des Vermittlungsausschusses durch Bundesregierung und Bundestag dürfte sich eine Prüfung streitiger, nach Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG zwingend vorausgesetzter Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes zumindest in der Praxis erübrigen. Denn entweder handelt es sich in der Tat um ein zustimmungsbedürftiges Gesetz. Dann ist eine Anrufung durch Bundestag oder Bundesregierung erst dann zulässig, wenn der Wille des Bundesrates, dem Gesetz seine Zustimmung zu verweigern, bereits unmißverständlich zutage getreten ist. Unterläßt es der Bundesrat dann jedoch, den Vermittlungsausschuß anzurufen, und stellt sich das Gesetz als ein Einspruchsgesetz heraus, verliert der Bundesrat damit seine Einspruchsbefugnis, und Bundestag und
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schusses zu unterscheiden sind von diesem bei Gelegenheit seiner Anrufung im Einigungsvorschlag vorgenommene formell wie materiell verfassungsrechtliche Korrekturen des Gesetzesbeschlusses. 268 Solche bleiben dem Vermittlungsausschuß unbenommen. Ihre Zulässigkeit beurteilt sich nach allgemeinen Kriterien. Sie haben daher insbesondere innerhalb des Anrufungsbegehrens zu verbleiben 269. (2) Zulässigkeit eines offenen Anrufungsbegehrens Nicht selten finden sich in der Praxis sogenannte offene Anrufungen des Vermittlungsausschusses. 270 Kennzeichen eines offenen Anrufungsbegehrens ist, daß sich das anrufende Organ allein auf eine Bezeichnung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes 271 beschränkt. Das Anrufungsbegehren enthält weder Einschränkungen, noch weist es eine Begründung auf. In der Staatspraxis bildet die offene Anrufung durch den Bundesrat den Ausnahme- 272, für Anrufungsbegehren der Bundesregierung hingegen den – primär strukturell bedingten 273 – Regelfall 274. Auch Anrufungen des Vermittlungsausschusses durch den Bundestag erfolgen – bei seinem Interesse an einer uneingeschränkten Bestätigung seines Gesetzesbeschlusses wenig überraschend – überwiegend offen. 275 Bei einem derart unspezifischen Anrufungsbegehren stellt sich die Frage nach der Bestimmtheit des (zulässigen) Vermittlungsrahmens. Die kompetenzbegründende wie -beschränkende Funktion des Anrufungsbegehrens verlangt, daß seine Grenzen klar abgesteckt sind 276. Dem Vermittlungsausschuß muß erkennbar 277 Bundesregierung haben gar kein Bedürfnis mehr nach einer eigenen Anrufung des Vermittlungsausschusses. 268 Beide Fragen werden im Schrifttum nicht immer sauber getrennt. Siehe nur Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 121 f. u. 171 f. 269 Siehe unten D. V. 1. c) dd). 270 Vgl. hierzu ausführlich Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 114 ff.; Dietlein, AöR 106 (1981), 525 (544 ff.). 271 Hierbei ist auch eine auf Teile des Gesetzes beschränkte Anrufung denkbar, ohne daß das anrufende Organ insoweit eine Präzisierung seines Begehrs vornimmt. Dann liegt eine teil-offene Anrufung vor. 272 Vgl. für die 14. Wahlperiode die Übersicht bei Pasemann, Der Einfluß des Bundesrates auf die Gesetzgebung, S. 68. 273 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 56. 274 In der 14. Wahlperiode hat die Bundesregierung bei keiner einzigen ihrer Anrufungen des Vermittlungsausschusses Einschränkungen vorgenommen, vgl. Pasemann, Der Einfluß des Bundesrates auf die Gesetzgebung, S. 68. Siehe auch die Nachweise bei Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 56. 275 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 111. Siehe auch die Nachweise bei Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 54. 276 Dietlein, AöR 106 (1981), 525 (546).
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sein, welches die Motive des anrufenden Organes sind, unter welchen Bedingungen es sich zu einem Kompromiß bereit erklärt und schließlich innerhalb welchen äußeren Rahmens sich ein Einigungsvorschlag überhaupt bewegen darf. Die weit verbreitete Praxis offener Anrufungen wurde daher von Dietlein 278 zum Anlaß genommen, ein Konkretisierungsgebot für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu fordern. Für eine solche Begründungspflicht spräche neben den bereits angeführten Erwägungen, daß sie das anrufende Organ zu einer Selbstvergewisserung der Motivation seiner Anrufung des Vermittlungsausschusses zwänge. Hierbei wird in der Diskussion allerdings oft übersehen, daß eine offene Anrufung durch den Bundesrat nicht zwingend Ausdruck einer bewußten Instrumentalisierung dieser Möglichkeit für eine möglichst weitgehende Verwirklichung eigener Vorstellungen sein muß, sondern oft allein in einer Besonderheit des internen Verfahrens des Bundesrates bei Anrufungen des Vermittlungsausschusses begründet liegt. § 31 GOBR legt fest, daß über die Anrufung des Vermittlungsausschusses (Satz 1) und die einzelnen Anrufungsgründe (Satz 2) jeweils gesondert zu beraten und Beschluß zu fassen ist. Damit ist es möglich, daß im Bundesrat zwar Einvernehmen über das „Ob“ einer Anrufung des Vermittlungsausschusses herrscht, über deren inhaltliche Präzisierung jedoch keine Einigung erzielt werden konnte. Konsequenz ist ein – bar jeder Konkretisierungen – offenes Anrufungbegehren. 279 Gegen ein Konkretisierungsgebot läßt sich schließlich einwenden, daß ein offenes Anrufungsbegehren auch bewußter Ausdruck des Bestrebens des anrufenden Organs sein kann, den Vermittlungsrahmen zur Erhöhung der Erfolgsaussichten auf einen Kompromiß so weit wie möglich zu ziehen. Zumal sich ein derartiges Konkretisierungsgebot auch weder auf Wortlaut noch auf Sinn und Zweck des Art. 77 Abs. 2 GG stützen ließe. 280 Schließlich erscheint ein solches auch wenig praxistauglich, 281 führt es doch letzten Endes nur zu einer Verlagerung des Problems auf die Folgefrage, wann ein Anrufungsbegehren als hinreichend konkret eingestuft werden kann. Im Ergebnis wird man es daher in Übereinstimmung mit Rechtsprechung 282, Staatspraxis 283 und herrschender Lehre 284 als ausreichend ansehen müssen, wenn der Vermittlungsrahmen anhand der Formulierung des Anrufungs277
Dietlein, a. a. O. (545). Dietlein, a. a. O. (544 ff.). Siehe aber auch Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS Für M. Hirsch, S. 273 (289 f.). 279 Vgl. hierzu Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 53. 280 Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG, S. 20. 281 Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 115. 282 BVerfGE 101, 297 (307 f.) (Arbeitszimmer). 283 Nachdem sich der Vermittlungsausschuß in der 1. Wahlperiode in einem Fall sogar geweigert hatte, sich mit einem nicht hinreichend konkreten Anrufungsbegehren auseinanderzusetzen (vgl. die 21. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 20. 6. 1951, Kurzprotokoll I/21, S. 5), blieben Anrufungen dieser Art im weiteren unbeanstandet (vgl. die 278
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begehrens zumindest bestimmbar ist. Dieser sollte sich dabei in der Regel aus einer genauen Fassung des Anrufungsbegehrens ergeben 285. Schließlich ist eine präzise Formulierung des Anrufungsbegehrens im Sinne eines effektiven Vermittlungsverfahrens unbestritten wünschenswert. Sie läßt sich eben nur nicht als von Verfassungs wegen geboten einfordern. 286 b) Bestimmung des inhaltlichen Rahmens des Anrufungsbegehrens Ist ein Anrufungsbegehren (materiell) zulässig, stellt sich die Frage nach dem durch dieses im Einzelfall konkret eröffneten sachgegenständlichen Rahmen, welchen ein Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zu wahren hat. Dieser folgt aus der grundsätzlichen Bezüglichkeit jedes Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages und den vom anrufenden Organ formulierten Einschränkungen, Änderungen, Ergänzungen oder (inhaltlichen) Bedingungen. aa) Bezüglichkeit auf den Gesetzesbeschluß: Das Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage als äußerster gegenständlicher Rahmen Gegenstand jedes Anrufungsbegehrens ist der Gesetzesbeschluß des Bundestages. Ein offenes Anrufungsbegehren beschränkt sich sogar auf eine solche Bezugnahme. Der Gesetzesbeschluß des Bundestages bildet damit den Ausgangspunkt einer Bestimmung des durch das einzelne Anrufungsbegehren konkret eröffneten sachgegenständlichen Rahmens. Identität kann hiermit allerdings nicht gemeint sein, beließe dies als einzig mögliches Vermittlungsergebnis eine Bestätigung des Gesetzesbeschlusses, welchen das Vermittlungsverfahren aber Nachweise bei Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 115 f.). Gegenüber dieser Praxis wurde jedoch von einzelnen Mitgliedern des Vermittlungsausschusses auch immer wieder Bedenken geäußert. So etwa von der Abg. Funcke in der 13. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 27. 6. 1974, Kurzprotokoll 7/13, S. 34 f., vom Abg. Jahn in der 9. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 3. 7. 1978, Kurzprotokoll 8/9, S. 6 f., und in der 15. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 3. 11. 1978, Kurzprotokoll 8/15 S. 4 ff. 284 Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 114 ff.; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 54 ff. 285 BVerfGE 101, 297 (308) (Arbeitszimmer). Wesentliche Parameter sind dabei die genaue Bezeichnung der einzelnen zur Disposition gestellten Norm, die Formulierung eines konkreten Änderungsvorschlags sowie die Beantwortung der Frage, ob letzterer als ausschließliche Alternative oder aber lediglich eine Möglichkeit für einen Kompromiß verstanden werden sollen. 286 Zur Ermittlung der streitigen Punkte im Falle eines offenen Anrufunsgbegehrens siehe unten D. V. 1. b) bb).
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gerade zu überwinden bezweckt. Damit bedarf es einer über die konkrete Gestalt des Gesetzesbeschlusses hinausreichenden, dabei aber gleichwohl an jenen anknüpfenden Öffnung des Vermittlungsgegenstandes. Die besondere praktische Notwendigkeit der Bestimmbarkeit dieses abstrakten äußersten Vermittlungsrahmens folgt aus der Möglichkeit eines offenen Anrufungsbegehrens. Hiermit ist die Frage nach einem geeigneten inhaltlichen Anknüpfungspunkt aufgeworfen. (1) In Staatspraxis, Rechtsprechung und Schrifttum vertretene Konkretisierungen inhaltlicher Anknüpfung an den Gesetzesbeschluß In Staatspraxis, Rechtsprechung und Schrifttum werden bei der Beantwortung dieser Frage ganz unterschiedliche Ansätze vertreten. Weite Teile des Schrifttums 287, vor allem aber auch die Staatspraxis 288, lassen es ausreichen, wenn der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses in einem Sachzusammenhang mit dem Gesetzesbeschluß 289 steht. Das Bundesverfassungsgericht hatte ein solches Sachzusammenhangsargument noch in seiner „Wohnungsfürsorge“Entscheidung zumindest nicht ausgeschlossen 290. In seiner „Arbeitszimmer“-Entscheidung findet das Kriterium dann allerdings keinerlei Erwähnung mehr. Insoweit ist daher wohl von einer Überholung der „Wohnungsfürsorge“-Entscheidung auszugehen. Im Anschluß an die „Arbeitszimmer“-Entscheidung 291 findet sich im jüngeren Schrifttum denn auch neben dem Sachzusammenhangskriterium ein sehr viel strengeres Gebot einer inhaltlichen und formalen Vorzeichnung im bisherigen Gesetzgebungsverfahren 292. 293 Die einzelne Regelung eines Einigungsvorschlages müsse im Rahmen des zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens verbleiben 294. Bisweilen werden beide Kriterien aber auch synonym verwandt. 295 Das Sachzusammenhangskriterium dient dann der Beantwortung 287
Vgl. die Nachweise in den Fußnoten 73 und 88. Vgl. die Nachweise in Fußnote 7. 289 Die hierbei bisweilen anzutreffende Bezugnahme auf das Anrufungsbegehren selbst verkennt hingegen dessen Charakter als äußerster Schranke, welche eine Überschreitung gerade nicht zuläßt, allenfalls einer genaueren Konkretisierung bedarf. 290 Vgl. BVerfGE 72, 175 (190) (Wohnungsfürsorge). 291 BVerfGE 101, 297 (307) (Arbeitszimmer). 292 Vgl. etwa Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (742 ff.); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (328 ff.). 293 Dazu, daß der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Maßstab „inhaltlicher und formaler Vorzeichnung in den bisherigen Beratungen im Bundestag“ richtigerweise als Konkretisierung des Erfordernisses erfolgter parlamentarisch-demokratischer Willensbildung und nicht des aus der Bindung an das Anrufungsbegehren folgenden sachgegenständlichen Rahmens zu verstehen ist, siehe ausführlich unten D. V. 2. b). 294 Siehe nur Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (742). 295 So explizit in BFHE 215, 491 (497) und bei R. Schenke, FR 2004, 638 (642). Siehe aber auch Decker, NVwZ 2004, 826 (827). 288
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der Frage, wann eine Regelung des Einigungsvorschlags im vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren inhaltlich vorgezeichnet ist. 296 Beide Kriterien, sowohl das Gebot der Wahrung eines Sachzusammenhangs als auch das einer inhaltlichen Vorzeichnung im vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren, werden im Schrifttum in ganz unterschiedlicher Weite präzisiert. So soll das Kriterium des Sachzusammenhangs mal im Sinne einer Stärkung der Rechte des Parlaments besonders eng 297, mal hingegen im Sinne einer notwendig auf einen gewissen Spielraum angewiesenen effektiven Kompromißsuche eher großzügig und weit 298 zu verstehen sein. Dabei genügt nach Auffassung der einen bereits die Wahrung des allgemeinen politischen Zwecks 299, des Regelungs- 300 oder Generalthemas 301 gar eines Artikelgesetzes für die Bejahung eines Sachzusammenhangs. Nach Ansicht der anderen muß eine Regelung des Einigungsvorschlags vom konkreten Zweck einer einzelnen Norm des Gesetzesbeschlusses erfaßt werden 302, drohe dem Maßstab des Sachzusammenhangs doch anderenfalls die Konturenlosigkeit. Wiederum andere lassen es für die Annahme eines Sachzusammenhanges ausreichen, wenn der Einigungsvorschlag unter denselben Kompetenztitel in den Artt. 73 und 74 GG falle 303. Schließlich wird vertreten, beim Kriterium des Sachzusammenhangs handele es sich nur um eine lediglich im Einzelfall überprüfbare äußerste Mißbrauchsschranke 304. 296 Vgl. R. Schenke, FR 2004, 638 (642). So wohl auch Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 22. 297 Bismark, DÖV 1983, 269 (276 f.); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 57 („untrennbarer sachlicher Zusammenhang“). 298 Vgl. noch BVerfGE 72, 175 (190 f.) (Wohnungsfürsorge). Aus dem Schrifttum siehe nur Dietlein, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 57, Rn. 46 f.; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 47 ff. Siehe aber auch die in der Staatspraxis von einzelnen Stimmen geäußerte Skepsis gegenüber einer zu großzügigen Bestimmung des Sachzusammenhangs bei Artikelgesetzen. So stellte der Vorsitzende in der 37. Sitzung des Vermittlungsausschusses am 7. Juli 1952 fest: „Die Fortsetzung dieser Übung im vorliegenden Falle sei deswegen ungewöhnlich schwierig, weil bei einem Finanzgesetz wie dem vorliegenden jede Veränderung einer Einnahmebestimmung theoretisch alle übrigen Einnahme- und Ausgabebestimmungen in die Behandlung einbeziehe. Es sei sicherlich unzweckmäßig, diese theoretische Folge praktisch uneingeschränkt zu ziehen, da auf diese Weise alte im Bundestag durch Mehrheitsbeschluß ausgetragene Streitfälle wieder auflebten.“ (Kurzprotokoll I/37, S. 6). 299 BVerfGE 72, 172 (190 f.) (Wohnungsfürsorge). 300 Dietlein, NJW 1983, 80 (84). 301 R. Schenke, FR 2004, 638, (642). 302 Bismark, DÖV 1983, 269 (276); Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (282); Jekewitz, Kommentierung zu Art. 77, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Rn. 23. Siehe auch W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 50 ff. (v. a. S. 61). 303 Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (713). Dagegen W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 58 f.
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(2) Die grundsätzliche Relativität jeder Wahl einer Bezugsgröße Die große inhaltliche Bandbreite der in Staatspraxis, Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansätze einer Bestimmung des aus der Bezüglichkeit des Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß folgenden äußeren sachgegenständlichen Rahmens jeglicher Vermittlungsbemühungen zeigt, daß allein der im Gesetzesbeschluß gewählte Anknüpfungspunkt über Großzügigkeit oder Strenge, über Schärfe oder Weite der Bindung des Vermittlungsausschusses an das Anrufungsbegehren entscheidet. Je nach angewandtem Kriterium – dem gemeinsamen Kompetenztitel, der allgemein politischen Zielsetzung eines Gesetzes oder dem einzelnen Normzweck – erfährt das Anrufungsbegehren eine ganz unterschiedliche inhaltliche Ausdehnung. Die lediglich zur Konkretisierung gewählte Bezugsgröße gibt den Ausschlag für die praktische Wirksamkeit eines an sich unstreitigen Maßstabes. Die hierbei auftretenden Schwierigkeiten und Kontroversen liegen damit jedoch in der jeder Wahl einer Bezugsgröße – zur Präzisierung eines abstrakten Maßstabes – eigenen Relativität begründet. Zum einen lassen sich mit guten Gründen immer auch andere Bezugsgrößen vertreten, zum anderen bleiben auch die Grenzen einer einmal gewählten Bezugsgröße als ihrerseits konkretisierungsbedürftig wiederum nur relative. Es ließen sich Parallelen zu zahlreichen gleichgelagerten Problemstellungen in der gesamten Rechtswissenschaft ziehen. Beispielhaft sei nur aus dem Staatsorganisationsrecht die Frage herausgegriffen, wie die Reichweite des Parlamentsvorbehalts bei einem nach Ob und Wie der Regelung eines Sachbereichs unterscheidenden Maßstab zu bestimmen ist. 305 Auch hier entscheidet allein die vertretene Definition von „Ob“ und „Wie“, ob eine gesetzgeberische Regelung geboten ist oder nicht. Letzten Endes laufen alle derart vergleichbaren Fragestellungen auf eine Grundfrage hinaus. Es ist dies die Frage, wann – gemessen am jeweiligen Maßstab – ein aliud vorliegt und wann nicht, auf die vorliegende Fragestellung bezogen, wann der aus dem Gesetzesbeschluß des Bundestages folgende – anhand welches Kriteriums auch immer zu konkretisierende – äußere sachgegenständliche Rahmen jeder Vermittlung gewahrt, und wann er überschritten ist. Damit ist jedoch eine bis auf Aristoteles 306 zurückreichende Grundfrage philosophischen Denkens formuliert. Die Frage, wann eine Veränderung angenommen werden kann und wann nicht, zählt zu den kanonisierten Standardproblemen der Philosophie und gilt als bis heute ungelöst. 307 Damit kann dem Einwand der Relativität einer ge304 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 49 f.; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 62; ders., ZG 1989, 159 (160). Ähnlich Strohmeier, ZParl 1982, 473 (474). 305 Vgl. hierzu Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, S. 33 u. 187. 306 Vgl. Aristoteles, Physica, Buch III, 200b9 – 202b29, in der Übersetzung von H. Wagner, in: Flashar (Hrsg.), Aristoteles, Bd. 11. Siehe hierzu auch Kostman, History of Philosophy Quarterly 4 (1987), S. 3 ff. 307 Vgl. Mittelstraß, in: ders. u. a. (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 4, S. 498 f. m.w. N. Mortensen, Change, in: Stanford Encyclopedia
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wählten Bezugsgröße aber unmöglich entgangen werden. Durch die Wahl einer möglichst weiten Bezugsgröße kann ihm jedoch erheblich von seiner Schärfe genommen werden. Dies spricht für eine großzügige Bestimmung des aus der Bezüglichkeit des Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß folgenden äußeren sachgegenständlichen Vermittlungsrahmens. (3) Sinn und Zweck inhaltlicher Bindung an das Anrufungsbegehren Ein solcher Ansatz steht auch in Einklang mit Sinn und Zweck inhaltlicher Bindung des Vermittlungsausschusses an das Anrufungsbegehren. Ihre Funktion ist es, die Einhaltung des durch das anrufende Organ abgesteckten Rahmens jeder möglichen Kompromißsuche sicherzustellen. Die im Schrifttum vertretenen restriktiven Bestimmungen eines Sachzusammenhangs mit dem Gesetzesbeschluß beruhen hingegen nahezu ausschließlich auf Erwägungen, die das Ziel verfolgen, die Rechte des Parlaments zu stärken. 308 Die Gewährleistung einer parlamentarisch-demokratischen Willensbildung hinsichtlich der Inhalte eines Einigungsvorschlages ist aber nicht Gegenstand der Bestimmung des aus der grundsätzlichen Bezüglichkeit jedes Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß resultierenden äußersten gegenständlichen Rahmens, sondern Aufgabe erst des folgenden, zweiten Kriteriums der Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags 309. Gleiches gilt für den Vorwurf, eine großzügige Definition des Sachzusammenhangs versetze die Vorlage in ihr Entwurfsstadium zurück 310. Daß es hierzu nicht kommt, stellt ebenfalls das Gebot der Verfahrenslegitimation sicher, wenn es eine inhaltliche und formale Vorzeichnung der einzelnen Regelung des Einigungsvorschlags verlangt 311. Die Einwände und Vorbehalte gegenüber einer zu weiten Bestimmung des Sachzusammenhangs mit dem Gesetzesbeschluß sind damit aber auf eine fehlende Differenzierung von Anrufungsund Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags zurückzuführen. Schließlich bildet die aus der strukturellen Bezüglichkeit des Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages folgende abstrakte sachgegenständliche Grenze jedes Einigungsvorschlags bei der Ermittlung des durch das anrufende of Philosophy (abrufbar unter: http://plato.stanford.edu/entries/change/ (Stand: 4. Oktober 2008)). 308 Vgl. Bismark, DÖV 1983, 269 (276 f.); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 57 („untrennbarer sachlicher Zusammenhang“). Siehe auch R. Schenke, FR 2004, 642. 309 Ausführlich dazu, daß ein eng verstandener Sachzusammenhang allerdings auch kein geeignetes Kriterium ist, die effektive Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags sicherzustellen, siehe unten D. V. 2. b) aa). 310 Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 23. Siehe auch Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (282). 311 Vgl. ausführlich unten D. V. 2.
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Organ konkret gesetzten Rahmens ohnehin lediglich eine Ausgangsgröße. Von entscheidendem Gewicht und maßgeblicher Bedeutung sind primär die durch das anrufende Organ vorgenommenen konkreten Einschränkungen. Vor diesem Hintergrund spricht jedoch nichts dagegen, den in seiner Weite durch das anrufende Organ festgelegten Vermittlungsspielraum in seiner Tiefe im Sinne effektiver Kompromißsuche großzügig zu bestimmen. (4) Das Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage als äußerste gegenständliche Schranke jedes Gesetzgebungsverfahrens Als Zwischenergebnis läßt sich festhalten, daß die grundsätzliche Relativität jedes zur Herstellung eines sachgegenständlichen Bezuges des Anrufungsbegehrens zum Gesetzesbeschluß gewählten Anknüpfungspunktes für die Wahl einer möglichst weiten inhaltlichen Bezugsgröße spricht, und ein solcher Ansatz mit Sinn und Zweck der inhaltlichen Bindung des Vermittlungsausschusses an das Anrufungsbegehren im Einklang steht. Noch nicht beantwortet ist die Frage, welches ein derart geeigneter Anknüpfungspunkt ist. Bei der Suche nach einer möglichst weiten inhaltlichen Bezugsgröße liegt es nahe, den äußersten – verfassungsrechtlich – zulässigen sachgegenständlichen Rahmen zu wählen. (a) Das Denaturierungsverbot der ursprünglichen Gesetzesvorlage aus Art. 76 Abs. 1 GG Dieser folgt aus dem in Art. 76 Abs. 1 GG begründeten Verbot der Denaturierung von Gesetzesvorlagen. Jeder Gesetzesinitiant besitzt einen Anspruch, daß der Bundestag über seine Gesetzesvorlage berät und beschließt. Erfährt diese im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens jedoch eine derart weitreichende Umgestaltung, daß sie ihrer ursprünglichen Identität verlustig geht, kann von einer Behandlung seiner Gesetzesvorlage nicht mehr gesprochen werden. Jede Änderung einer Gesetzesvorlage unterliegt daher als äußerster inhaltlicher Schranke einem Denaturierungsverbot. Der aus Gesetzesbeschluß einerseits und Gesetzesvorlage andererseits resultierende sachgegenständliche Rahmen mag sich dabei zwar nicht notwendig deckungsgleich oder im Verhältnis zweier konzentrischer Kreise verhalten. Dies ist jedoch unschädlich, stellt das aus Art. 76 Abs. 1 GG folgende Denaturierungsgebot doch eine absolute, damit auch für den Gesetzesbeschluß geltende äußerste Schranke dar. Aus einer sachgegenständlichen Bezugnahme auf den Gesetzesbeschluß zu gewinnende (zulässige) Gegenstände, die nicht auch innerhalb des aus Art. 76 Abs. 1 GG folgenden Rahmens liegen, sind damit nicht denkbar. Ein solcher Ansatz besitzt zudem den Vorzug, daß er zugleich die bereits oben herausgearbeitete äußerste Schranke jedes Anrufungsbegehrens aus Art. 76 Abs. 1 GG verwirklicht.
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(b) Die Regelung des § 62 Abs. 1 S. 2 GOBT Damit noch nicht geklärt ist, wann konkret die Änderung einer Gesetzesvorlage die Grenze zu deren unzulässigem Identitätsverlust überschreitet und eine Verletzung des Initiativrechts aus Art. 76 Abs. 1 GG angenommen werden kann. Die hierzu anzutreffenden Aussagen bleiben vage, sind eher theoretischer und generalisierender Natur. 312 Es wird darauf verwiesen, daß eine genaue Beurteilung nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände getroffen werden könne. 313 Einzig für die Reichweite der Änderungsbefugnis der Ausschüsse des Bundestags ist bisher in Rechtsprechung 314 und Schrifttum 315 der Versuch der Entwicklung eines konkreten Maßstabes unternommen worden. Da jedoch der Maßstab für zulässige Änderungen einer Gesetzesvorlage für alle am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe der gleiche sein muß, liegt es nahe, hierzu eine verallgemeinernde Parallele – auch für den Vermittlungsausschuß – zu ziehen. 316 Änderungen einer Gesetzesvorlage haben danach deren thematische Vorgabe 317 zu wahren und dürfen nicht deren sachlich-inhaltlichen Bereich 318 verlassen. Sie müssen in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit ihr stehen. 319 Für die Ausschüsse des Bundestages hat dieser abstrakte grundgesetzliche Maßstab in § 62 Abs. 1 S. 2 GOBT eine geschäftsordnungsrechtliche Konkretisierung 320 erfahren. Beschlußempfehlungen der Ausschüsse des Bundestages dürfen sich danach „nur auf die ihnen überwiesenen Vorlagen oder mit diesen in unmittelbarem Sachzusammenhang stehenden Fragen beziehen“. Erst 312 Selbst eingestanden von Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 146; siehe auch Brenner, DAR 1999, 61 (64). Vgl. auch Brandner, Jura 1999, 449 (454). 313 Brenner, DAR 1999, 61 (64); Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 146. 314 Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Urteil v. 14. 2. 1979 – 2/77, DVBl. 1979, 507 (Ls. 1); BGH, WM 2004, 1343 (1345). 315 Bryde, JZ 1998, 115; Brandner, Jura 1999, 449; Brenner, DAR 1999, 61. Siehe aber auch Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 141 ff. 316 Keine Rechtfertigung findet eine derartige Parallele hingegen in einer vergleichbaren Organqualität von Vermittlungsausschuß und Ausschüssen des Bundestages. Zur Eigenschaft des Vermittlungsausschusses als selbständiges Verfassungsorgan vgl. ausführlich oben B. I. 2. a). 317 Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 146. Siehe auch Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Urteil v. 14. 2. 1979 – 2/77, DVBl. 1979, 507 Ls. 1; BGH, WM 2004, 1343 (1345). 318 Vgl. Schmidt-Jortzig / Schürmann, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 76, Rn. 99. 319 Brandner, Jura 1999, 449 (454); Brenner, DAR 1999, 61 (63 f.). Siehe auch Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 147. 320 Bryde, JZ 1998, 115 (118); Brandner, Jura 1999, 449 (454).
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an dieser Stelle taucht damit erstmals folgerichtig das in Staatspraxis und Schrifttum so sehr bemühte, verfassungsrechtlich jedoch nur selten und unzureichend hergeleitete Kriterium eines Sachzusammenhangs auf. (c) Die Auslegungsentscheidung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 15. November 1984 Allerdings wird mit dem Kriterium des Sachzusammenhangs zunächst nur ein weiterer konturenarmer und schwer abgrenzbarer Begriff 321 in die Diskussion eingeführt, 322 der das Schlagwort von der „Identität der Gesetzesvorlage“ ersetzt, die Fragestellung einer Lösung damit jedoch nicht wirklich näher bringt. Das Kriterium bedarf daher einer weiteren Präzisierung. Wenig hilfreich ist es, wenn in diesem Zusammenhang überaus zurückhaltend lediglich „ein Mindestmaß an inhaltlicher Verbundenheit“ als kleinster gemeinsamer Nenner verlangt wird 323. Weiterführend ist hingegen eine mit Schreiben des Bundestagspräsidenten vom 6. Dezember 1984 mitgeteilte Auslegungsentscheidung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung 324, in welcher dieser die Vorgabe des § 62 Abs. 1 S. 2 GOBT dahingehend konkretisiert, daß ein unmittelbarer Sachzusammenhang dann nicht mehr anzuerkennen sei, wenn die Änderung oder Ergänzung einer Gesetzesvorlage weder vom Gesetzgebungsgrund noch vom Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Vorlage erfaßt werde 325. 326 Ähnliche Ansätze finden sich in Rechtsprechung und Schrifttum. So betont der Bundes321
Kritisch auch Brandner, Jura 1999, 449 (454). (Erst) an dieser Stelle taucht damit erstmals das im Schrifttum so bemühte Kriterium eines Sachzusammenhangs auf, allerdings nicht als originär-grundgesetzliche Schranke der Vermittlungskompetenz, sondern lediglich als Konkretisierungshilfe der aus Art. 76 Abs. 1 GG folgenden äußersten Schranke jedes Gesetzgebungsverfahrens. Eine derartige Begründung des Sachzusammenhangsarguments findet man im Schrifttum jedoch nirgends. 323 Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 147. 324 Auslegungsentscheidung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Nr. 10/20 vom 15. 11. 1984/6. 12. 1984 zu §§ 62, 64 GOBT (Umfang der Befugnisse von Ausschüssen zur Gesetzesberatung), abrufbar unter: http://www.bundestag.de/ausschuesse/a01/berichte/auslegungsentscheidungen .pdf (Seite 88) (Stand: 4. Oktober 2008); siehe hierzu auch Kabel, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 31, Rn. 68; Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 62 Rn. 3. 325 Im genauen Wortlaut heißt es dort: „[...] Ein unmittelbarer Sachzusammenhang ist anzuerkennen, wenn die Ergänzungen am Gesetzgebungsgrund oder an den Gesetzgebungszielen der ursprünglichen Vorlage anknüpfen. Damit ist den Ausschüssen keineswegs ein eigenes Initiativrecht bei der Beratung von Gesetzesvorlagen zugestanden. Das Gesetzesinitiativrecht wird in Art. 76 Abs. 1 GG der Bundesregierung, einer antragsberechtigten Gruppe von Abgeordneten aus der Mitte des Bundestages und dem Bundesrat vorbehalten. Wie die Gesetzesinitianten einen Anspruch darauf besitzen, daß ihre Vorla322
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gerichtshof in einer Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Eigentumsverlusts nach Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB, Art. 76 Abs. 1 GG verlange, daß die „Regelungsidee des Initianten gewahrt“ bleiben müsse. 327 Bryde stellt auf das „Regelungsziel“ der konkreten Vorlage ab. 328 Der Ansatz, mit dem Regelungsziel der Gesetzesvorlage einen finalen Anknüpfungspunkt zu wählen, überzeugt. Er trägt der Funktion des Gesetzgebungsverfahrens und dem primär gestaltenden Charakter demokratischer Gesetzgebung Rechnung. Eine weitergehende Präzisierung des Überschreitens der Grenze zum unzulässigen Identitätsverlust einer Gesetzesvorlage erscheint vor dem Hintergrund der dem Parlament bei Ausgestaltung und Verwirklichung dieses Gesetzgebungsziels zukommenden weitreichenden Gestaltungsmacht weder möglich noch sinnvoll. (5) Ergebnis: Das Regelungsziel der einzelnen Norm als Bezugsgröße Mit dem Gesetzgebungsziel ist zugleich eine Größe benannt, die sich auch in den verfassungsdogmatischen Rahmen der Frage nach den Grenzen der Vermittlungskompetenz nahtlos einfügt, erfährt diese doch ihre Rechtfertigung aus dem Gedanken, das (ursprüngliche) Gesetzgebungsziel ohne Durchlaufen eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens noch in demselben Gesetzgebungsverfahren soweit wie möglich zu verwirklichen. Dies vermöchte ein bloßes Abstellen auf den einschlägigen Kompetenztitel nicht zu leisten. 329 Die Regelungen eines Einigungsvorschlags haben damit (zumindest) innerhalb dieses Gesetzgebungsziels der ursprünglichen Gesetzesvorlage zu verbleiben. 330 Da der Vermittlungsausschuß im Unterschied zu den Ausschüssen des Bundestages in der Regel nicht zum gesamten Gesetzesbeschluß, sondern nur zu einzelnen Bestimmungen angerufen wird, wird man eine Modifizierung des aus Art. 76 Abs. 1 GG folgenden ge vom Bundestag beraten wird, haben alle Mitglieder des Bundestages einen Anspruch darauf, daß sie von einer Gesetzesvorlage grundsätzlich in einer ersten Beratung Kenntnis nehmen können. Es wäre insbesondere eine Umgehung dieser Rechtslage, wenn gesetzgeberisch zu lösende Probleme in einem Antrag zur Änderung oder Ergänzung einer Gesetzesvorlage aufgegriffen würden, die weder vom ursprünglichen Gesetzgebungsgrund noch von den ursprünglichen Gesetzgebungszielen erfaßt werden, also auch wenn lediglich die gleiche Gesetzgebungsmaterie oder nur der Zuständigkeitsbereich eines Ausschusses und des von ihm zu kontrollierenden Ministeriums berührt wäre. In diesen Fällen bedarf es vielmehr einer ordnungsgemäßen Gesetzesinitiative, ihrer Einbringung und Beratung im Bundestag sowie ihrer Überweisung an einen Ausschuss, bevor dieser sich mit diesen Gesetzgebungsvorhaben befassen kann. [...]“. 326 Hierauf Bezug nehmend auch Bryde, JZ 1998, 115 (117); Brandner, Jura 1999, 449 (454). 327 BGH, WM 2004, 1343 (1345). 328 Bryde, JZ 1998, 115 (117). 329 So aber Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (713). Zu Recht dagegen W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 58 f. 330 Vgl. den – insoweit – ähnlichen Ansatz von Cornils, DVBl. 2002, 497 (501 ff.).
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Maßstabs für hiesige Zwecke dahingehend vornehmen müssen, daß an Stelle des allgemeinen, übergeordneten Gesetzgebungziels der ursprünglichen Vorlage in ihrer Gesamtheit das konkrete Regelungsziel der einzelnen Norm tritt. Eine andere Lösung erscheint nicht praktikabel. Vor allem aber würde sie den Willen des anrufenden Organs verkennen, welches den Vermittlungsrahmen bewußt auf einzelne Bestimmungen beschränken möchte. Bei einem offenen Anrufungsbegehren ergäbe sich der äußere sachgegenständliche Rahmen jeglicher Vermittlungsbemühungen damit aus der Summe der Einzelzwecke der Normen des Gesetzesbeschlusses. Da hier jedoch auf Grund dessen umfassender Bezugnahme auf den Gesetzesbeschluß in seiner Gesamtheit keine Notwendigkeit besteht, den aus Art. 76 Abs. 1 GG gewonnenen Maßstab aus Gründen der Praktikabilität zu modifizieren, kann im Falle einer offenen Anrufung des Vermittlungsausschusses auch unmittelbar das übergeordnete Gesetzgebungsziel der Gesetzesvorlage herangezogen werden. Die hierdurch auftretende Abweichung dürfte zu vernachlässigen sein. Den gegenüber einer derart weitreichenden Öffnung des sachgegenständlichen Vermittlungsrahmens vor dem Hintergrund der Rechte des Parlamentes bestehenden Bedenken wird durch das sogleich zu konkretisierende Erfordernis einer Wahrung der Mindestanforderungen an eine parlamentarischdemokratische Willensbildung Rechnung getragen. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß der dem Vermittlungsausschuß eröffnete Spielraum strukturell primär durch die Wahl eines Mittels zur Verwirklichung eines determinierten Zwecks gekennzeichnet ist. Im Einzelfall werden hierbei gegenständlich-abstrakt wohl auch Regelungen vom Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Vorlage erfaßt werden können, die den Inhalt einer anderen – in lediglich zufälligem zeitlichen Zusammenhang stehenden – Gesetzesvorlage bilden. Im Grundsatz ist die Zulässigkeit von Änderungen einer Gesetzesvorlage jedoch für jede Vorlage gesondert zu bestimmen. Die Unzulässigkeit der Änderung einer konkreten Gesetzesvorlage bleibt dabei unberührt von der Tatsache, daß die betroffenen Regelungen zugleich Gegenstand einer anderen, in einem parallelen Gesetzgebungsverfahren eingebrachten Gesetzesinitiative sind. 331 bb) Ermittlung der Einschränkungen des anrufenden Organs durch Auslegung im Einzelfall Dieser äußerste gegenständliche Rahmen wird durch das anrufende Organ weiter eingeschränkt. Der zunächst abstrakte Vermittlungsgegenstand erfährt eine Konkretisierung. Eine Ausnahme bildet allein die offene Anrufung 332, bei der sich das anrufende Organ auf eine Bezugnahme auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages beschränkt. Hier folgt der zulässige Vermittlungsrahmen bereits 331 Vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 25. 332 Vgl. zu Begriff und Zulässigkeit oben D. V. 1. a) bb) (2).
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abschließend und unmittelbar aus der Bezüglichkeit auf den Gesetzesbeschluß selbst und wird durch das Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage beschrieben. Er erreicht in diesem Fall seine maximale Ausprägung. Im Regelfall wird das anrufende Organ sein Begehren jedoch präziser fassen. Es wird konkret die Aufhebung oder Bestätigung des Gesetzesbeschlusses verlangen, seine Bezugnahme auf Teile oder gar eine einzelne Norm des Gesetzes beschränken, „insbesondere“ zu – nach seiner Ansicht besonders bedeutsamen – Vorschriften anrufen, detaillierte Änderungen formulieren, Ergänzungen vorschlagen oder aber (inhaltliche) Bedingungen an einen Kompromiß stellen. Der genaue Inhalt des einzelnen Anrufungsbegehrens ist, wie bei jeder Willensäußerung, durch Auslegung zu bestimmen. Eine allgemeingültige Formel existiert hierfür nicht. Hierbei gilt es insbesondere zu klären, inwieweit ein vom Anrufungsorgan formulierter Anrufungsgrund als ein ausschließlicher Alternativvorschlag im Sinne eines einzig möglichen Vermittlungsergebnisses zu verstehen ist, der jeglichen Vermittlungsbemühungen eine absolute Schranke setzt, oder aber sich lediglich als ein möglicher Alternativvorschlag im Sinne einer Maximalforderung darstellt, der andere Lösungen nicht ausschließt, sondern bei deren Suche nur die inhaltliche Richtung vorgibt. Einstieg, zugleich aber auch Schwerpunkt der Ermittlung des genauen Willens des anrufenden Organs bildet der Anrufungsbeschluß. Nur für den Fall, daß sich dieser als wenig ergiebig erweisen sollte, können ergänzend weitere, nach außen zutage getretene Bekundungen des anrufenden Organs mit herangezogen werden. 333 Hervorgehobene Bedeutung besitzen insoweit die dem Anrufungsbeschluß vorangegangenen Beratungen im Plenum des anrufenden Organs 334. Wichtig ist, daß es sich hierbei auch tatsächlich um Willensäußerungen des anrufenden Organs handelt. Nicht geeignet sind daher Äußerungen einzelner, dem Organ lediglich angehörender und an dessen Beschlußfassung beteiligter Personen. Gleiches gilt im Falle einer Anrufung durch den Bundesrat für die Beschlußempfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates. 335 Den Ausschüssen des Bundesrates kommt keine den Ausschüssen des Bundestages vergleichbare repräsentative Funktion gegenüber dem Plenum zu. So sind die Länder in den Ausschüssen des Bundesrates mit je einem Mitglied vertreten (§ 11 Abs. 2 GOBR) und verfügen auch nur über je eine Stimme (§ 42 Abs. 2 GOBR). Im Plenum orientiert sich die Stimmengewichtung hingegen typisierend an der jeweiligen Bevölkerungsstärke der einzelnen Länder (Art. 51 Abs. 2 GG). Damit sind die Mehrheitsverhältnisse im Plenum des Bundesrates in den Beratungen und Beschlüssen seiner Ausschüsse aber nicht abgebildet. Angesichts dessen scheinen unterschiedliche Mehrheiten 333 Vgl. BVerfGE 101, 297 (308) (Arbeitszimmer). Dietlein, AöR 106 (1981), 525 (546); ders., NJW 1983, 80 (82). 334 Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 169. 335 Vgl. Greite, NWB Fach 3, 10967 (10970).
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in Plenum und Ausschüssen des Bundesrates unvermeidbar. Empfehlungen der Ausschüsse können daher nicht ohne weiteres als Willensbekundungen des Bundesrats(plenums) als anrufendem Organ herangezogen werden. 336 Verbleibt auch nach ergänzender Heranziehung vorangegangener Willensbekundungen des anrufenden Organs noch ein Auslegungsspielraum, ist im Zweifel – insoweit dann doch wieder grundgesetzlich abstrakt – im Sinne effektiver Kompromißsuche der die Einigungsmöglichkeiten erweiternden und so die Erfolgsaussichten des Vermittlungsverfahrens zumindest strukturell erhöhenden Auslegung der Vorzug zu geben. cc) Ergebnis Die inhaltlichen Grenzen des einzelnen Anrufungsbegehrens folgen aus dessen Bezüglichkeit auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages und den weitergehenden durch das Anrufungsorgan vorgenommenen Einschränkungen. Ein Einigungsvorschlag hat dabei zumindest das Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage, im Falle einer auf bestimmte Vorschriften beschränkten Anrufung deren konkretes Regelungsziel zu wahren. Hiernach ist grundsätzlich auch die Einbeziehung von Gegenständen anderer sich in zufälliger zeitlicher Parallelität ereignender Gesetzgebungsverfahren möglich. Inwieweit der Vermittlungsausschuß nach dem Willen des anrufenden Organs bei seinem Einigungsvorschlag darüber hinaus Einschränkungen wie etwa einer Beschränkung auf einen konkreten Alternativvorschlag unterliegt, ist durch Auslegung des einzelnen Anrufungsbegehrens zu ermitteln. Hierbei verbieten sich schematische Lösungen. Ergänzend können neben dem Anrufungsbeschluß auch vorangegangene, nach außen zutage getretene Willensbekundungen des anrufenden Organs mit herangezogen werden. c) Wahrung des Anrufungsbegehrens in ausgewählten Einzelfällen Abschließend sei ein genauerer Blick auf die Anforderungen an die Wahrung des Anrufungsbegehrens in ausgewählten Einzelfällen geworfen.
336 Erwägenswert scheint eine Berücksichtigung allein für den Fall, daß auf Grund des besonderen in § 31 GOBR vorgesehenen Abstimmungsverfahrens des Bundesrates bei der Einberufung des Vermittlungsausschusses zwar eine Mehrheit für die Anrufung des Gremiums gestimmt, jedoch keine der inhaltlichen Präzisierungen durch Ausschussempfehlungen oder Anträge der Länder eine Mehrheit gefunden hat. Zur genaueren Umgrenzung des Anrufungsgegenstandes eines so zustande gekommenen offenen Anrufungsbegehrens des Bundesrates läßt sich ein Rückgriff wohl auch auf die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates rechtfertigen.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
aa) Offenes Anrufungsbegehren Eine offene Anrufung des Vermittlungsausschusses ermöglicht jegliche Änderungen, Ergänzungen und Streichungen der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften, die vom Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage getragen werden. Mit seiner ausschließlichen Bezugnahme auf den Gesetzesbeschluß eröffnet es den weitest möglichen Vermittlungsspielraum. bb) Änderungen und Ergänzungen des Gesetzesbeschlusses Änderungen und Ergänzungen des Gesetzesbeschlusses sind zulässig, wenn sie sich innerhalb des Gesetzgebungsziels der ursprünglichen Vorlage bewegen, im Falle einer auf eine einzelne oder mehrere Vorschriften beschränkten Anrufung, wenn sie deren jeweiliges Regelungsziel beibehalten. Darüber hinaus ist durch Auslegung im Einzelfall zu prüfen, ob ein vom anrufenden Organ vorgetragener, konkreter Änderungsvorschlag lediglich im Sinne eines möglichen – wenn auch bevorzugten – Vermittlungsergebnisses zu verstehen ist, bei dem sich das anrufende Organ im Interesse der Herbeiführung eines Kompromisses auch für andere Lösungen offen zeigt, oder aber sich dieser als ausschließliche Alternative und zwingender Bestandteil eines Einigungsvorschlages von derart essentieller Bedeutung darstellt, daß seine Nichtverwirklichung die Kompromißbereitschaft des anrufenden Organs umfassend entfallen läßt. Anders formuliert, gilt es zu klären, ob das Anrufungsbegehren den Vermittlungsausschuß auf eine einzige inhaltliche Alternative zum Gesetzesbeschluß des Bundestages beschränkt oder ihm einen Spielraum einräumt, für den der konkrete Änderungsvorschlag lediglich die Richtung vorgibt. Im Rahmen dessen ist es dem Vermittlungsausschuß auch möglich, einen einheitlichen Gesetzesbeschluß – sei es zum Zwecke der Beschränkung der Zustimmungsbedürftigkeit auf Teile des Gesetzes oder aber zur Schaffung getrennter „Abstimmungspakete“ – aufzuteilen 337. 338 cc) Aufhebung des Gesetzesbeschlusses Auch für den Fall, daß der Bundesrat 339 eine Aufhebung des Gesetzesbeschlusses verlangt, ist durch Auslegung des einzelnen Anrufungsbegehrens zu ermit337
Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 169 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der Staatspraxis. 338 Zur früheren, mittlerweile wohl durch die in ständiger Rechtsprechung anerkannte Befugnis des Bundestages, die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes durch Aufteilung des Regelungsgegenstandes in ein oder mehrere Gesetze zu beschränken (vgl. BVerfGE 37, 363 (382) (Bundesrat); BVerfGE 105, 313 (338 ff.) (Lebenspartnerschaftsgesetz); BVerfGE 114, 196 (230) (Beitragssicherungsgesetz)), überholten Kritik an einer solchen Praxis ausführlich Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 56 ff.
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teln, ob mit der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses lediglich eine Maximalforderung aufgestellt wird, die (zumindest) Änderungen des Gesetzesbeschlusses gleichsam als Minus mit einschließt, oder aber dem Vermittlungsausschuß einzig die Möglichkeit verbleibt, den Gesetzesbeschluß zu bestätigen oder zu beseitigen. Entgegen der Auffassung von Staatspraxis 340 und Teilen des Schrifttum 341 kann nicht abstrakt und losgelöst vom Einzelfall a maiore ad minus geschlossen werden, ein Aufhebungsbegehren beinhalte in jedem Fall zumindest die Befugnis zur Änderung sowie zur Beseitigung nur einzelner Vorschriften. 342 Abgesehen davon, daß ein derartiger Ansatz nicht zu erklären vermag, worin dann noch der Unterschied zu einer offenen Anrufung des Vermittlungsausschusses zu sehen ist, verkennt er die ganz unterschiedlichen Interessenslagen, die in einem Aufhebungsbegehren Ausdruck finden können. So kann es sich in der Tat lediglich um eine Benennung der Maximalforderung handeln, bei der sich der Bundesrat darüber hinaus auch zu einzelnen Streichungen und Änderungen kompromißbereit zeigt. 343 Andererseits ist es aber auch denkbar, daß sich der Bundesrat – möglicherweise zur Schaffung der Option eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens 344 – ausschließlich mit einer Beseitigung des Gesetzesbeschlusses einverstanden zeigt. Das Anrufungsbegehren setzt dann nicht nur eine äußerste Schranke gegenüber einer völligen Neuformulierung des Gesetzes 345, sondern 339
Zur Unzulässigkeit eines Aufhebungsbegehrens durch Bundestag und Bundesrat siehe oben D. V. 1. a) aa) (1) und (2). 340 Vgl. die 4. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 12. 7. 1950, Kurzprotokoll I/4 S. 3 f., sowie die 14. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 26. 6. 1969, Kurzprotokoll V/14, S. 26 f. 341 Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 168 f.; Dehm, NDBZ 1960, 1 (2); Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 52; Niemann, Die bundesstaatliche Bedeutung des Bundesrates unter besonderer Berücksichtigung der Funktion des Vermittlungsausschusses, S. 173. A. A. Pieper, der seinerseits jedoch ebenfalls auf das andere Extrem folgert, im Falle eines Aufhebungsbegehrens verbleibe dem Vermittlungsausschuß lediglich sich auf eine Beseitigung des Gesetzesbeschlusses zu einigen oder aber das Vermittlungsverfahren sei gescheitert (Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG, S. 30). 342 Kritisch auch – wenngleich im Schwerpunkt auf die insoweit mangelnde Bestimmtheit des Anrufungsbegehrens abzielend – Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (287). 343 Die mangelnde Präzisierung der Anrufungsgründe kann dabei insbesondere in der geschäftsordnungsrechtlichen Ausgestaltung der Beschlußfassung des Bundesrates über eine Anrufung des Vermittlungsausschusses begründet liegen. § 31 GOBR ordnet an, daß über die Anrufung des Vermittlungsausschusses und die einzelnen Anrufungsgründe jeweils gesondert Beschluß zu fassen ist, ermöglicht es damit, daß im Bundesrat zwar Einvernehmen über die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses besteht, nicht jedoch über deren Gründe, von denen sich im Rahmen der Einzelabstimmung kein einziger als mehrheitsfähig erwiesen hat. Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 169. 344 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 51. 345 So aber Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 51.
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eben auch gegenüber jeglicher unter einer umfassenden Beseitigung des Gesetzesbeschlusses verbleibenden Teilaufhebung oder Änderung 346. 347 Anders verhält es sich in letztgenannter Konstellation allerdings für den Fall, daß der Vermittlungsausschuß zugleich mit dem Ziel der Bestätigung des Gesetzesbeschlusses durch Bundestag oder Bundesregierung angerufen wurde und hierin eine grundsätzliche Kompromißbereitschaft von Bundestag bzw. Bundesregierung ihren Ausdruck findet 348. Dann führt die additive Bestimmung des zulässigen Vermittlungsrahmens bei gleichzeitiger Anrufung durch mehrere Organe dazu, daß zwischen den beiden äußeren Polen der Beseitigung und der Bestätigung des Gesetzesbeschlusses das gesamte Spektrum an Kompromißmöglichkeiten eröffnet wird. dd) Berichtigungen des Gesetzesbeschlusses Grundsätzlich ist der Vermittlungsausschuß auch zu Berichtigungen des Gesetzesbeschlusses befugt. Die Unzulässigkeit der Anrufung des Vermittlungsausschusses zur Klärung einer Rechtsfrage steht solchen aus Anlaß seiner Anrufung vorgenommenen Korrekturen nicht entgegen. Diese haben allerdings, wie jede Regelung eines Einigungsvorschlags, innerhalb der inhaltlichen Schranken des Anrufungsbegehrens zu verbleiben 349. 350 Nur soweit der Gesetzesbeschluß durch das anrufende Organ auch zum Gegenstand der Verhandlungen im Vermittlungsausschuß gemacht wurde, sind Berichtigungen seinerseits überhaupt möglich. Teile des Gesetzes, auf die dies nicht zutrifft, liegen im Vermittlungsausschuß nicht zur Beratung vor. Damit können an ihnen aber auch keine Korrekturen vorgenommen werden. 351 Gleichzeitig dürfen Berichtigungen des Gesetzesbeschlusses nicht zu einem unzulässigen, das Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Vorlage oder das Regelungsziel der betroffenen Norm verlassenden sachlichen Eingriff führen. 352 346
Diese zweite Möglichkeit übersieht Hasselsweiler bei seiner – zutreffenden – Betonung der Funktion des Anrufungsbegehrens als äußerste Grenze jeglicher Vermittlungsbemühungen (auch) bei einem Aufhebungsverlangen, Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 51. 347 Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG, S. 30. 348 Dies muß allerdings keineswegs zwingend der Fall sein. Vielmehr ist es genauso möglich, daß erklärtes Ziel die unveränderte Bestätigung des Gesetzesbeschlusses ist. 349 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 67. 350 Nicht zwingend erforderlich ist hingegen, daß die Berichtigungen zum ausdrücklichen Gegenstand der Anrufung gemacht wurden. So aber Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (303). 351 Unbenommen bleibt dem Vermittlungsausschuß jedoch die Möglichkeit, dem Bundestag insoweit einen informellen Hinweis zu geben. 352 Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 171; Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 67.
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Als unproblematisch stellen sich vor diesem Hintergrund die Beseitigung von Redaktionsmängeln 353 sowie von Druck- und Rechenfehlern 354 dar. Auch im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Vermittlungsvorschlag notwendige Umstellungen von Gesetzesverweisen sind ohne weiteres möglich. 355 Darüber hinaus sind jedoch auch die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzesbeschlusses herstellende Korrekturen materieller wie formeller Art als zulässig anzusehen. 356 Dies folgt zum einen aus der Überlegung, daß ein solches Vorgehen einer effizienten Gesetzgebung dient, wenn es im Falle materieller Berichtigungen die Durchführung eines umfassenden förmlichen Novellierungsverfahrens nach Artt. 76 ff. GG erspart, damit aber gerade von dem das Vermittlungsverfahren als solches rechtfertigenden Gedanken getragen wird. 357 Zuvörderst ist es jedoch die originäre Verantwortlichkeit als Verfassungsorgan, welche den Vermittlungsausschuß sogar verpflichtet, auf die Verfassungsmäßigkeit der ihm vorliegenden Teile des Gesetzesbeschlusses hinzuwirken. Dies verkennt in ihrer Allgemeinheit die Annahme, im Gesetzgebungsverfahren auftretende Fehler dürften grundsätzlich immer nur durch dasjenige Organ behoben werden, bei dessen Beratungen sie auch unterlaufen seien 358. Schließlich ist auch ein auf Grund der (unvorhergesehenen) Dauer des Vermittlungsverfahrens notwendig werdendes Verschieben des Termins für das Inkrafttreten des Gesetzes grundsätzlich nicht zu beanstanden. 359 Ein solches kann, für den Fall, daß der ursprünglich vorgesehe Termin bereits abgelaufen ist, bei Eingriffstatbeständen, wie etwa dem Steuergesetz, sogar materiell von Verfassungs wegen geboten sein, wenn das rückwirkende Inkraftsetzen zu einer Verletzung des rechtstaatlichen Rückwirkungsverbotes führte. Hiervon zu unterscheiden ist die Änderung – insbesondere die rückwirkende Ausdehnung – des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm. 360 Deren Zulässigkeit beurteilt sich nach den für 353
Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 171. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 68. 355 Hasselsweiler, a. a. O. Vgl. beispielhaft aus der Staatspraxis die 5. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 7. 6. 1963, Kurzprotokoll IV/5, S. 31. 356 Voraussetzung ist zwar, daß das so zustande gekommene „verfassungsgemäße Alternativgesetz“ auch allen übrigen Anforderungen des Grundgesetzes genügt. Die Wahrung des Initiativrechts (Art. 76 Abs. 1 GG) stellt jedoch bereits per definitionem das Verbleiben innerhalb des inhaltlichen Rahmens des Anrufungsbegehrens sicher. Die grundgesetzlichen Mindestanforderungen an das Verfahren im Bundestag gewährleistet schließlich das folgende Gebot der Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags. 357 Vgl. Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 67. 358 Pieper, Die staatsrechtliche Bedeutung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 GG, S. 30. Ähnlich auch Wessel, AöR 77 (1951/1952), 283 (303). 359 Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 68. Für ein Beispiel aus der Staatspraxis siehe nur die 14. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 7. 7. 1955, Kurzprotokoll II/14, S. 10. 360 Vgl. hierzu als Beispiele aus der Staatspraxis die Ausdehnung des im Handwerkstatistikgesetz vorgesehenen Erhebungszeitraums vom Jahr 1990 auf das Jahr 1991 durch 354
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jede Änderung des Gesetzesbeschlusses geltenden allgemeinen Maßgaben 361. Sie muß somit noch vom Regelungsziel der betroffenen Norm erfaßt sein und die vom Anrufungsorgan formulierten Einschränkungen berücksichtigen. Ob dem so ist, ist für den jeweiligen Einzelfall gesondert zu ermitteln. Auch hier gilt es, die materiell-verfassungsrechtliche Schranke des Rückwirkungsverbotes im Blick zu behalten. d) Zusammenfassung Der Wahrung des inhaltlichen Rahmens des Anrufungsbegehrens vorgelagert ist die Frage nach der Zulässigkeit des einzelnen Anrufungsbegehrens. Nur einem Anrufungsbegehren, welches überhaupt zulässig ist, kann legitimierende Funktion zukommen. Unzulässig sind die Anrufung des Vermittlungsausschusses zur Klärung einer Rechtsfrage sowie eine Anrufung durch Bundestag oder Bundesregierung, welche auf eine Aufhebung des Gesetzesbeschlusses gerichtet ist. Unbedenklich hingegen ist ein sogenanntes offenes Anrufungsbegehren, welches sich auf eine Bezugnahme auf den Gesetzesbeschluß beschränkt, ohne weitergehende Anrufungsgründe zu benennen, bleibt der eröffnete Vermittlungsrahmen doch durch den Bezug auf den Gesetzesbeschluß zumindest bestimmbar. Ist ein Anrufungsbegehren hiernach zulässig, so ergibt sich der dadurch gesetzte inhaltliche Rahmen jeglicher Vermittlungsbemühungen zum einen aus der grundsätzlichen Bezüglichkeit jedes Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages, zum anderen aus den vom Anrufungsorgan formulierten Anrufungsgründen. Erstere verlangt die Einhaltung des Gesetzgebungsziels der ursprünglichen Vorlage – im Falle einer auf einzelne Normen beschränkten Anrufung des Regelungsziels der einzelnen Norm. Die beschränkende Wirkung letzterer ist durch eine Auslegung im Einzelfall zu ermitteln, bei der neben dem Anrufungsbeschluß ergänzend auch vorangegangene, nach außen getretene Willensbekundungen des anrufenden Organs mit herangezogen werden können. Im einzelnen eröffnet ein offenes Anrufungsbegehren den weitesten Vermittlungsspielraum, wenn es sämtliche vom Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Vorlage getragene Änderungen und Ergänzungen zuläßt. Bei einer Anrufung des Vermittlungsausschusses, welche auf eine Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zielt, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob hiermit lediglich eine Maximalforderung benannt ist, welche die Möglichkeit zumindest von Änderungen des Einigungsvorschlag vom 14. 9. 1990 (BT-Drs. 11/7849, S. 2; vgl. hierzu auch die 4. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 12. 9. 1990, Kurzprotokoll XI/4, S. 60 ff.), sowie die nachträgliche Ausdehnung des zeitlichen Anwendungsbereiches des § 23 Abs. 2 S. 5 KStG durch § 54 Abs. 9 S. 1 KStG i. d. F. des StBereinG 1999 bereits auf den Veranlagungszeitraum 1999 durch Einigungsvorschlag vom 15. 12. 1999, BT-Drs. 14/2380, S. 3. 361 Zur Zulässigkeit hiernach des § 23 Abs. 2 S. 5 i.V. m. § 54 Abs. 9 S. 1 KStG i. d. F. StBereinG 1999 vgl. FG Münster, EFG 2005, 1225 (1228 ff.); anhängiges Verfahren beim BFH – I R 33/05. Siehe aber auch G., Fußnote 2.
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Gesetzesbeschlusses mit einschließt, oder ob dem Vermittlungsausschuß als ausschließliche Alternativen bleiben, die Bestätigung oder aber Beseitigung des Gesetzesbeschlusses vorzuschlagen. Schließlich ist der Vermittlungsausschuß befugt, Berichtigungen des Gesetzesbeschlusses zu empfehlen. Voraussetzung ist allerdings, daß sie innerhalb des gegenständlichen Rahmens des Anrufungsbegehrens verbleiben. 2. Beachtung der Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag (Verfahrenslegitimation) Neben der Anrufungslegitimation bedarf die Regelung eines Einigungsvorschlags der Verfahrenslegitimation. Während das Gebot der Anrufungslegitimation die Wahrung des vom anrufenden Organ für einen Kompromiß beschriebenen äußeren Rahmens sicherstellt, setzt das Kriterium der Verfahrenslegitimation eine Schranke aus Sicht des in seinem Verfahren das Gesetz demokratisch legitimierenden Parlamentes. Die einzelne Regelung eines Einigungsvorschlages muß Gegenstand einer parlamentarisch-demokratischen Willensbildung im Bundestag gewesen sein. a) Maßgeblichkeit des konkreten Verfahrens Hierbei stellt sich zunächst die Frage, ob die notwendige parlamentarische Willensbildung hinsichtlich der Regelung eines Einigungsvorschlags nur innerhalb desselben Gesetzgebungsverfahrens erfolgt sein kann 362 oder aber auch in einem anderen, parallel verlaufenden Verfahren 363, anders gefragt, ob ein Vermittlungsvorschlag auch Regelungsgegenstände eines anderen Gesetzgebungsverfahrens einbeziehen darf. Die Frage hat sich in der Staatspraxis bereits mehrfach – erstmals mit dem 2. Haushaltsstrukturgesetz 364 – gestellt und ist, wie der jüngste Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zur Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 362 So BFHE 196, 232 (241 f.); Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 58; Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 30; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 88; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 22. In diesem Sinne mittlerweile wohl auch BVerfG 101, 297 (307) (Arbeitszimmer). 363 So noch BVerfGE 72, 175 (191 f.) (Wohnungsfürsorge). Aus dem Schrifttum vgl. Cornils, DVBl. 2002, 497 (504); Dietlein, NJW 1983, 80 (87 f.); ders., AöR 106 (1981), 525 (542 f.). 364 Die vom Vermittlungsausschuß damals vorgeschlagene Ergänzung des 2. HStruktG um einen Art. 26a enthielt die Entwürfe eines „Gesetz(es) über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen“ sowie eines „Wohnungsbauänderungsgesetz(es) 1981“, welche zum Zeitpunkt ihrer Einbeziehung den Gegenstand von Beratungen im Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau bildeten. Für die Zulässigkeit einer solchen Einbeziehung von Gegenständen eines parallelen Gesetzgebungsverfahrens damals
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UmwStG 1995 365 zeigt 366, nach wie vor von aktueller Bedeutung. Der durch das Anrufungsbegehren mit dem Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage zunächst eröffnete gegenständliche Rahmen schließt die Einbeziehung auch von Gegenständen anderer sich in zufälliger zeitlicher Parallelität ereignender Gesetzgebungsverfahren jedenfalls nicht von vornherein aus. Auch ist es grundsätzlich denkbar, daß für diese Inhalte die Anforderungen an eine demokratischparlamentarische Willensbildung – in eben jenem anderen Gesetzgebungsverfahren – bereits erfüllt sein können. aa) Vorüberlegung zur Praxisrelevanz der Einbeziehbarkeit von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren Bevor die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit der Einbeziehung von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren einer abschließenden Klärung zugeführt wird, soll zunächst der Praxisrelevanz der Fragestellung nachgegangen werden. Hierzu gilt es, zu untersuchen, welches Stadium eine (andere) Gesetzesvorlage nach den Regelungen der Geschäftsordnung mindestens erreicht haben muß, damit hinsichtlich ihres Regelungsgegenstandes von einer Erfüllung der (Mindest-)Anforderungen an eine parlamentarische Willensbildung ausgegangen werden. Schließlich ist zulässiger Gegenstand eines Einigungsvorschlags – ungeachtet seiner Verfahrenszugehörigkeit – immer nur ein solcher, welcher eine hinreichende Verfahrenlegitimation erfahren hat. Dieser Frage wird sich von den Befürwortern der Einbeziehbarkeit auch von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren nicht oder nur oberflächlich gestellt. 367 Entgegen vereinzelt anzutreffender Behauptung 368 ist hierfür nicht bereits die Durchführung einer ersten Lesung ausreichend. 369 Zum einen findet in erster Lesung nach § 79 S. 1 GOBT keineswegs zwingend eine Aussprache statt, sondern nur dann, wenn der Ältestenrat dies empfiehlt (Alt. 1) oder aber eine Fraktion (Alt. 2) oder fünf vom noch BVerfGE 72, 175 (191 f.) (Wohnungsfürsorge). Kritisch hingegen W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, insbes. S. 25 f. sowie 37 ff. 365 BVerfGE 120, 56 (73 ff.) (Vermittlungsausschuß). Siehe auch BFHE 196, 232 (Vorlagebeschluß des Bundesfinanzhofs). Ausführlich hierzu unten J. III. 1. 366 Nach Auffassung des BMF sowie des FG Baden-Württemberg (EFG 2000, 1425 f.) beruhte die Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform auf der zulässigen Einbeziehung der Annahme einer Beschlußempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drs. 13/8020, Nr. 2b und S. 26 der Begründung) durch das Plenum des Bundestages (BR-Drs. 479/97) in den parallelen Beratungen eines Steuerreformgesetzes 1998. Ausführlich hierzu unten J. 367 Vgl. nur Strohmeier, ZParl 1982, 473 (478). Siehe auch die recht knappen Ausführungen in BVerfGE 72, 175 (192) (Wohnungsfürsorge). 368 Vgl. BVerfGE 72, 175 (191 f.) (Wohnungsfürsorge); Strohmeier, ZParl 1982, 473 (478); jüngst Desens, NJW 2008, 2892 (2894).
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Hundert der Mitglieder des Bundestages (Alt. 3) dies verlangen. Dies bildet in der Praxis jedoch regelmäßig den Ausnahmefall. Zum anderen können die Anforderungen an eine die Rechte des Abgeordneten wahrende parlamentarische Willenbildung auch für den Fall, daß eine Aussprache stattfindet, in erster Lesung nicht umfänglich verwirklicht werden. Zwar ist mit der Aussprache dem Öffentlichkeitsgebot (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) und dem Informations- wie Rederecht des Abgeordneten Genüge getan. Jedoch schließt § 79 S. 3 GOBT Sachanträge ausdrücklich aus. Damit bleibt aber eine zentrale Befugnis des Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren unverwirklicht. 370 Auch mit Abschluß der in der Praxis den zentralen Ort inhaltlicher Weichenstellungen bildenden Ausschußberatungen hat eine Gesetzesvorlage noch keine hinreichende demokratische Legitimation erfahren. Dies folgt schon allein aus der Tatsache, daß die Beratungen der Ausschüsse des Deutschen Bundestages grundsätzlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit erfolgen (§ 69 Abs. 1 S. 1 GOBT) 371. Eine Gesetzesvorlage kann damit nach geltendem Geschäftsordnungsrecht frühestens mit Abschluß ihrer zweiten Lesung 372 eine den (Mindest-)Anforderungen genügende parlamentarischdemokratische Willensbildung erfahren haben, so daß ihre Inhalte damit grundsätzlich auch als potentielle Regelungen eines Einigungsvorschlags in Betracht kämen. Die Zahl der Gesetzesvorlagen in anderen Gesetzgebungsverfahren, die im Zeitpunkt der Beschlußfassung des Vermittlungsausschusses mindestens das Stadium einer (abgeschlossenen) zweiten Lesung erreicht haben – damit auch nicht bereits für erledigt erklärt wurde, über die zugleich aber noch nicht abschließend Beschluß gefaßt wurde –, dürfte vor dem Hintergrund, daß zweite und dritte Lesung einer Gesetzesvorlage in der Praxis oft zusammengefaßt unmittelbar aufeinander folgen 373, eher gering ausfallen. Unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzung, daß hiervon betroffene Inhalte für die Einbeziehung in einen Einigungsvorschlag zugleich auch sachlich vom Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage erfaßt sein müßten, welche den Ausgangspunkt des Verfahrens bildete, in dem schließlich der Vermittlungsausschuß angerufen wurde, bleiben wohl nur noch sehr wenige Fälle von praktischer Relevanz. 369 Vgl. Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 30; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 38. Siehe auch Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (714). 370 Vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 38. 371 Zu Recht kritisch gegenüber dieser Praxis Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Bd. II, Art. 42, Rn. 24 m.w. N. Siehe auch Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung, S. 27 ff. 372 Auch in der zweiten Beratung von Gesetzentwürfen ist eine allgemeine Aussprache nicht zwingend (vgl. § 81 As. 1 S. 1 GOBT). Im Unterschied zur ersten Beratung sieht § 82 Abs. 1 S. 1 GOBT allerdings zumindest ein Antragsrecht des einzelnen Abgeordneten vor. 373 Vgl. hierzu auch § 84 S. 1 lit. a GOBT.
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bb) Bestimmung des gegenständlichen Rahmens eines konkreten Gesetzgebungsverfahrens Eine Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit der Einbeziehung von Regelungsgegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren in einen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses setzt in einem ersten Schritt zunächst eine – in der Diskussion überraschenderweise durchgängig fehlende – genauere Bestimmung der gegenständlichen Reichweite des konkreten Gesetzgebungsverfahrens, seine De-Finition voraus. In Anknüpfung an die Definition des Verfahrens als konkreter Ausübung der einzelnen Kompetenz eines Organs 374 bezeichnet das konkrete Gesetzgebungsverfahren die in der einzelnen Gesetzesvorlage ihren Ausgangspunkt nehmende konkrete Wahrnehmung der Gesetzgebungsbefugnis durch den Bundestag. Das Gesetz erfährt als Ergebnis dieser konkreten Kompetenzwahrnehmung seine Legitimation (nur) innerhalb dieses konkreten Verfahrens. Eine andere Gesetzesvorlage hat an der Legitimationswirkung dieses Verfahrens nur dann teil, wenn sie mit dem Gesetzentwurf, der später zur Anrufung des Vermittlungsausschusses führte, gemeinsam in erster Lesung beraten und an den zuständigen Ausschuß überwiesen wurden, auf dessen Vorschlag 375 nach § 64 Abs. 2 GOBT vom Bundestag sodann die Ablehnung der Vorlage oder aber ihre Zusammenführung mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf beschlossen wurde. Inhalte einer solchen Vorlage sind permanent Gegenstand der Beratungen (auch) der dem Vermittlungsverfahren zugrunde liegenden Gesetzesvorlage gewesen. cc) Unzulässigkeit der Einbeziehung von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren Ungeachtet der ohnehin geringen praktischen Relevanz ist die Einbeziehung von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren in den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses auch grundsätzlich unzulässig. Ein „Hineinfunken“ in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren des Bundestages verletzt das Gebot formalistischer Strenge und führt zu einer Verschleierung von Verantwortlichkeiten. Abgeordnetem und Öffentlichkeit ist nicht mehr erkennbar, in welchem tatsächlichen Stadium des – an sich förmlich ausgestalteten – parlamentarischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses sich ein einzelner Regelungsgegenstand gerade befindet. Der Grundsatz der Kompetenzklarheit und die strenge Förmlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens sprechen daher dafür, Inhalte ande374
Vgl. oben C. I. 3. c). Dazu, daß dem Ausschüssen insoweit entgegen der Formulierung des § 64 Abs. 2 S. 2 GOBT lediglich ein Vorschlagsrecht zukommt, die eigentliche Erledigungserklärung von Vorlagen jedoch allein durch das Plenum erfolgen kann, Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 64 Rn. 2. 375
V. Zweistufige Prüfung eines Einigungsvorschlags
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rer Gesetzgebungsverfahren grundsätzlich von einer Einbeziehung in einen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses auszunehmen. Zwar schließt der Grundsatz sachlicher Diskontinuität aus, daß der Bundestag in unterschiedlicher Zusammensetzung nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG entscheiden kann. Mit einer Einbeziehung von Gegenständen eines anderen Gesetzgebungsverfahrens geht jedoch auch eine Verkürzung konkreter Befugnisse einher. So unterläuft sie etwa das Recht des Gesetzesinitianten, eine Gesetzesvorlage bis zur Beschlußfassung zurückziehen zu können 376, ist die Gesetzesvorlage doch mit Annahme des Einigungsvorschlages erledigt, eine Rücknahme daher unmöglich geworden. 377 Die praktischen Konsequenzen eines derartigen verfahrensübergreifenden Vorgehens veranschaulichen schließlich in besonderer Weise die Beispiele des 2. Haushaltsstrukturgesetzes 378 sowie des Steuerentlastungsgesetzes 1981 379. Zum Steuerentlastungsgesetz 1981 war der Vermittlungsausschuß vom Bundesrat mit dem Begehren angerufen worden, den Gesetzesbeschluß des Bundestages aufzuheben und die von jenem zuvor für erledigt erklärten Gesetzentwürfe des Bundesrates für ein Steuer- und Familienentlastungsgesetz 1981 sowie ein Familiengeldgesetz zum Inhalt des Gesetzes zu machen. 380 Bei seinem Einigungsvorschlag zum 2. Haushaltsstrukturgesetz hatte der Vermittlungsausschuß zwei Gesetzesvorlagen miteinbezogen, die sich zu diesem Zeitpunkt erst in den Ausschußberatungen des Bundestages befanden. 381 Abgesehen davon, daß letztgenannte Gesetzesvorlagen mit ihrer ausschließlich ersten Lesung ohnehin (noch) keine den grundgesetzlichen Mindesterfordernissen genügende parlamentarischdemokratische Willensbildung erfahren hatten und als zulässige Gegenstände eines Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses damit von vorneherein ausschieden, verdeutlicht das Beispiel des 2. Haushaltsstrukturgesetzes, daß sich die Einbeziehung von Gegenständen eines laufenden Gesetzgebungsverfahrens auch nicht mit Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahren vereinbaren läßt. 376 Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 135; Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 76, Rn. 7; Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 76, Rn. 12; Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 76, Rn. 13; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 76, Rn. 72 ff. Ausführlich Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 47 ff. m.w. N. A. A. Pestalozza, ZRP 1976, 153 (154). 377 Vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 25 f. 378 Ausführlich hierzu W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses. 379 Vgl. hierzu Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (284). 380 Vgl. BT-Drs. 8/4215, S. 1. 381 Vgl. BT-Drs. 9/1140, S. 8 ff.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens ist der Ausgleich unterschiedlicher Standpunkte von Bundestag und Bundesrat. Hat der Bundestag über eine Gesetzesvorlage aber noch nicht Beschluß gefaßt, fehlt es bereits an einem solchen – nach außen zutage getretenen – Standpunkt des Bundestags. Art. 77 Abs. 2 GG ermöglicht eine Anrufung des Vermittlungsausschusses denn auch folgerichtig erst nach Beschlußfassung im Bundestag. 382 dd) Ergebnis: Beschränkung auf Gegenstände der Beratungen der ursprünglichen Gesetzesvorlage Der Vermittlungsausschuß darf in seinen Einigungsvorschlag nur solche Inhalte einbeziehen, die bereits Gegenstand der vorangegangenen Beratungen der ursprünglichen Gesetzesvorlage im Bundestag gewesen sind. Nur innerhalb dieses konkreten Gesetzgebungsverfahrens können Regelungen des Einigungsvorschlags ihre parlamentarisch-demokratische Willensbildung und Legitimation erfahren. Die Einbeziehung von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren hingegen ist grundsätzlich ausgeschlossen. 383 Unbenommen bleibt die Möglichkeit, daß eine Regelung des Einigungsvorschlags, die sowohl das Gesetzgebungsziel der Gesetzesvorlage wahrt als auch Gegenstand einer parlamentarischdemokratischen Willensbildung im vorangegangenen Verfahren des Bundestags gewesen ist, zugleich Inhalt der Gesetzesvorlage in einem anderen Gesetzgebungsverfahren ist. 384 b) Inhaltliche und formale Vorzeichnung des Einigungsvorschlags Wurde hiermit festgestellt, daß eine parlamentarisch-demokratische Willensbildung hinsichtlich der einzelnen Regelung eines Einigungsvorschlags innerhalb desselben Gesetzgebungsverfahrens erfolgt sein muß, ist noch nicht geklärt, wann die grundgesetzlichen Mindestanforderungen an eine solche konkret als erfüllt angesehen werden können. Maßstabbildend wirken hierbei der Grundsatz der Öffentlichkeit der parlamentarischen Verhandlung (Art. 42 Abs. 1 S. 1 382 Vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 38. 383 So auch Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 77, Rn. 30; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 88; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn. 22. In diesem Sinne auch Kluth, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 60, Rn. 58. Allein in diesem Sinne ist richtigerweise auch die „Arbeitszimmer“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen, wenn sie verlangt, daß der „Einigungsvorschlag im Rahmen des Anrufungsbegehrens und des ihm zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens“ verbleiben müsse (BVerfGE 101, 297 (307)). Ähnlich jüngst BVerfGE 120, 56 (75) (Vermittlungsausschuß) („Das zum Anrufungsbegehren führende Gesetzgebungsverfahren [...].“). 384 Vgl. Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 167.
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GG) sowie das Rede-, Antrags- und Informationsrecht des einzelnen Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG). 385 Zwingende Voraussetzung ist hiernach zunächst die Erkennbarkeit der späteren Regelung des Einigungsvorschlags. 386 Für das Öffentlichkeitsprinzip folgt dies bereits aus der Natur der Sache. Was nicht erkennbar ist, kann nicht öffentlich sein. Auch die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten verlangen eine solche Erkennbarkeit des späteren Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses schon in den vorangegangenen Beratungen des Bundestages. Nur hinsichtlich eines Regelungsgegenstandes, der dem einzelnen Abgeordneten erkennbar war, konnte er sich überhaupt einen Willen bilden. Erkennbarkeit umfaßt grundsätzlich eine inhaltliche und eine formale Komponente. Der Vermittlungsvorschlag muß in einer bestimmten inhaltlichen Genauigkeit, aber auch einer gewissen formalen Intensität erkennbar gewesen sein. Er muß in den „bisherigen Beratungen im Bundestag inhaltlich und formal vorgezeichnet“ sein 387. aa) Inhaltliche Vorzeichnung des einzelnen Normzwecks Damit noch nicht beantwortet ist, mit welcher inhaltlichen Genauigkeit die einzelne Regelung eines Einigungsvorschlags in den vorangegangenen Beratungen im Bundestag vorgezeichnet gewesen sein muß. Auch in diesem Zusammenhang wird im Schrifttum das Kriterium des Sachzusammenhangs bemüht. Die erforderliche parlamentarisch-demokratische Willensbildung hinsichtlich eines Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses könne nur dann angenommen werden, wenn dieser inhaltlich in einem engen Sachzusammenhang mit dem Gesetzesbeschluß verbleibe. 388 Ein solcher Ansatz wie auch ein Anknüpfen an das übergeordnete 389 oder aber einzelne Regelungsziel 390 des Gesetzesbeschlusses vermag schon aus grundsätzlichen Erwägungen 385
Vgl. zur Herleitung ausführlich oben D. IV. 3. b) bb) (2). So auch jüngst BVerfGE 120, 56 (76) (Vermittlungsausschuß). 387 BVerfGE 101, 297 (307) (Arbeitszimmer). In Rechtsprechung und Schrifttum wird diese vom Bundesverfassungsgericht gewählte, richtigerweise ausschließlich der Konkretisierung des Gebotes der Verfahrenslegitimation dienende Formulierung bisweilen als ein die Frage nach der Zulässigkeit eines Vermittlungsvorschlages umfassend und abschließend beantwortender Maßstab missverstanden. So wohl BFHE 215, 491 (497); R. Schenke, FR 2004, 638 (642). 388 Vgl. Bismark, DÖV 1983, 269 (276 f.); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 57 („untrennbarer sachlicher Zusammenhang“). 389 Ralf P. Schenke will es hierbei gar genügen lassen, daß „das spätere Vermittlungsergebnis zumindest latent das vorausgehende Gesetzgebungsverfahren im Bundestag mitbestimmt hat.“, R. Schenke, FR 2004, 642. 390 Franßen, in: Vogel / Simon / Podlech (Hrsg.), FS für M. Hirsch, S. 273 (282); Jekewitz, in: Denninger (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 23. 386
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
nicht zu überzeugen. In ihrer (ausschließlichen) Bezugnahme auf den Gesetzesbeschluß nehmen beide Ansätze dem Gebot der Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags jeden eigenständigen Gehalt. Zum einen folgt eine grundsätzliche inhaltliche Bindung des Vermittlungsausschusses an den Gesetzesbeschluß des Bundestages bereits aus dem Gebot der Anrufungslegitimation eines Einigungsvorschlags, welches in der Bezüglichkeit jedes Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß auch dessen äußeren gegenständlichen Rahmen mit aufnimmt. Zum anderen beschränkt sich der Nachweis einer Legitimation des Einigungsvorschlags durch ein parlamentarisch-demokratisches Verfahren auf eine Bezugnahme auf den hinsichtlich des Gesetzesbeschlusses erfolgten parlamentarischen Willensbildungsprozeß. Damit beruht die Annahme einer Verfahrenslegitimation des Einigungsvorschlags aber allein auf der Vermutung, daß eine Regelung des Einigungsvorschlags, welche eine gewisse sachliche Nähe zum Gesetzesbeschluß aufweist, auch an dessen Verfahrenslegitimation teilhat. Der Nachweis, daß die einzelne Regelung des Einigungsvorschlags auch tatsächlich Gegenstand der parlamentarischen Auseinandersetzung gewesen ist, wird nicht erbracht. Eine originäre Legitimation der in der einzelnen Regelung des Einigungsvorschlags zum Ausdruck kommenden Abweichung vom Gesetzesbeschluß vermögen derartige, ausschließlich an den Gesetzesbeschluß anknüpfende Ansätze damit aber gerade nicht zu leisten. Darüber hinaus bleibt offen, ob die spätere Regelung eines Einigungsvorschlags in den Beratungen des Bundestages überhaupt erkennbar gewesen ist, unterscheidet sie sich doch gerade von der Fassung des Gesetzesbeschlusses. Weiterführend kann insoweit daher allein eine umgekehrte, von der einzelnen Regelung des Einigungsvorschlags als Ergebnis eines solchen parlamentarischen Willensbildungsprozesses ausgehende Herangehensweise sein. Auch hierbei ist es zwar möglich, daß die Regelung eines Einigungsvorschlages eine derartige inhaltliche Nähe zur Fassung des Gesetzesbeschlusses aufweist, daß sie bereits an dessen Legitimation durch ein parlamentarisches Verfahren teilhat. Erfaßt werden können aber eben auch – insbesondere von der parlamentarischen Minderheit – vorgetragene Regelungsalternativen, die im Gesetzesbeschluß keinen Niederschlag gefunden haben. 391 Damit nach wie vor unbeantwortet ist jedoch, wie genau die einzelne Regelung eines Einigungsvorschlags in den parlamentarischen Verhandlungen inhaltlich vorgezeichnet sein muß. Wenig zweckmäßig erscheint es, eine Textidentität von Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses und in vorangegangener Debatte des Bundestages vorgetragener Regelungsalternative zu verlangen, nähme dies dem Vermittlungsausschuß doch jede Möglichkeit flexibel-gestaltender Kompromißsuche. Vielmehr empfiehlt sich erneut eine an der final-gestaltenden Funktion des parlamentarisch-demokratischen Willensbildungsprozesses anknüpfende Sichtweise, welche das Gesetzge391
Vgl. BVerfGE 120, 56 (75 f.) (Vermittlungsausschuß).
V. Zweistufige Prüfung eines Einigungsvorschlags
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bungsziel, bezogen auf die einzelne Regelung eines Einigungsvorschlags den einzelnen Normzweck, als dessen Ergebnis zum Anknüpfungspunkt macht. Der Sinn und Zweck der einzelnen Regelung eines Einigungsvorschlags muß in den vorangegangenen Verhandlungen des Bundestages inhaltlich erkennbar gewesen sein. Die Ratio des einzelnen Regelungsvorschlags ist hierbei durch Auslegung zu ermitteln. Ziel der Interpretation ist die Bestimmung des objektivierten Willens des Gesetzgebers. Während der einzelne Normzweck der Regelung eines Einigungsvorschlags damit bereits Gegenstand der vorausgegangenen Beratungen im Bundestag gewesen sein muß, bleibt dem Vermittlungsausschuß bei dessen Ausgestaltung, insbesondere bei der Wahl der zu dessen Verwirklichung einzusetzenden Mittel, ein Spielraum. bb) Formale Vorzeichnung in Plenarförmlichkeit Damit stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, welche Anforderungen an den formalen Grad der Vorzeichnung des Normzwecks einer späteren Regelung des Einigungsvorschlags zu stellen sind. Genügt ein Einbringen in mündlicher Debatte oder ist eine förmliche Vorlage, gar in gesetzestextlicher Fassung, zu fordern. Während das Bundesverfassungsgericht im „Wohnungsfürsorge“-Urteil hierbei noch bloße „Anregungen“ ausreichen läßt 392, vertritt es insoweit in der „Arbeitszimmer“-Entscheidung bereits einen deutlich strengeren Maßstab und verlangt, daß ein Vermittlungsvorschlag auf in der Bundestagsdebatte vorliegende „Anträge und Stellungnahmen“ zurückgeführt werden können müsse 393. Dies hat das Gericht in seinem jüngsten Beschluß zur Reichweite der Vermittlungskompetenz noch einmal bestätigt. 394 Neben Anträgen und Stellungnahmen der Abgeordneten und des Bundesrates finden hierbei auch erstmals – für den Fall einer Regierungsvorlage – solche der Bundesregierung Erwähnung. 395 (1) Maßstab der Plenarförmlichkeit Auch bei der Beantwortung der Frage nach den Mindestanforderungen an die förmliche Vorzeichnung eines späteren Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses bereits in den Beratungen des Bundestages hilft ein Blick auf die maßstabbildenden Grundsätze des Öffentlichkeitsprinzips und der Abgeordnetenrechte weiter. Aus beiden folgt dabei das Mindesterfordernis eines plenarförmlichen Zutagetretens des späteren Regelungsvorschlags. Die Regelung eines 392
BVerfGE 72, 175 (190) (Wohnungsfürsorge). BVerfGE 101, 297 (307) (Arbeitszimmer). Dem folgend Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (330 f.). 394 Vgl. BVerfGE 120, 56 (75) (Vermittlungsausschuß). 395 Vgl. ebd. 393
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
Einigungsvorschlags muß demnach zum einen im Plenum – und damit nicht allein im Ausschuß –, zum anderen in einer gewissen Förmlichkeit erkennbar gewesen sein. (a) Beschränkung auf Regelungsgegenstände des Plenums Entgegen anderslautender Stimmen 396 trifft es insoweit allerdings nicht zu, daß die Beratungen in den Ausschüssen des Bundestags auf Grund ihres nur vorbereitenden Charakters (§§ 54 Abs. 1 S. 1, 62 Abs. 1 S. 2 GOBT) von vorneherein eine parlamentarische Willensbildung nicht zu leisten vermöchten, eine solche sich vielmehr allein in den Beratungen des Plenums ereignen könne. Schließlich geht mit der durch praktische Erwägungen gerechtfertigten Delegation 397 wesentlicher Beratungsschritte aus dem Plenum in die Ausschüsse des Bundestages zwangsläufig auch eine Verlagerung des parlamentarischen Willensbildungsprozesses einher. Die prinzipielle Möglichkeit des einzelnen Abgeordneten, in einem Ausschuß mitzuwirken, erlangt dabei eine der Mitwirkung im Plenum vergleichbare Bedeutung. 398 Eine Grenze findet diese Verlagerung parlamentarischer Willensbildung in die Ausschüsse allerdings in der (abschließenden) Beschlußfassung. Diese bleibt zwingend dem Plenum vorbehalten. 399 Der einzelne, nicht im Ausschuß vertretene Abgeordnete kann jedoch – ungeachtet der Frage, inwiefern entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts 400 darüber hinaus auch ein Redeund Antragsrecht im Plenum zur Wahrung eines Minimums an demokratisch gestaltender Willensbildung zu fordern ist 401 – jedenfalls sein Stimmrecht bei der abschließenden Beschlußfassung im Plenum nur dann verantwortlich wahrnehmen, wenn er über den hierzu erforderlichen Kenntnisstand verfügt. 402 Er kann mit seiner Stimmabgabe nur dann eine im Ausschuß zur Gesetzesvorlage diskutierte Regelungsalternative befürworten oder ablehnen, wenn er überhaupt von ihr wußte. Letzterem steht jedoch grundsätzlich die Nichtöffentlichkeit der Beratungen in den Ausschüssen (§ 69 Abs. 1 S. 1 GOBT) entgegen. Hiergegen ließe sich einwenden, auch der dem einzelnen Ausschuß nicht angehörende Abgeordnete besitze das Recht, – wenn auch nur unter engen Voraus396
Siehe nur Gast-de Haan, DStR 2003, 12 (13). Insoweit zu Recht hiergegen Wisser, DStR 2003, 1191 (1194). 397 BVerfGE 44, 308 (317 f.) (Beschlußfähigkeit). 398 BVerfGE 44, 308 (317 f.) (Beschlußfähigkeit); BVerfGE 80, 188 (222) (Wüppesahl). 399 BVerfGE 44, 308 (317) (Beschlußfähigkeit). 400 So wohl BVerfGE 72, 175 (192) (Wohnungsfürsorge). 401 Siehe hierzu unten D. V. 2. c) aa). 402 Vgl. kritisch auch Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331).
V. Zweistufige Prüfung eines Einigungsvorschlags
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setzungen 403 – an dessen nichtöffentlichen Sitzungen als Zuhörer teilzunehmen (§ 69 Abs. 2 S. 1 GOBT) oder nachträglich in dessen Protokolle Einsicht zu nehmen (§ 16 Abs. 1 S. 1 GOBT). 404 Ein derart formelles Verständnis der Mitwirkungsmöglichkeiten des einzelnen Abgeordneten erweckte jedoch erhebliche Bedenken 405. Es ließe die Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten zu einer allenfalls theoretischen verblassen. Zudem konterkarierte es Sinn und Zweck der Delegation wesentlicher Beratungsschritte in die Ausschüsse. Die praktische Notwendigkeit, wesentliche Schritte parlamentarischer Willensbildung in die Ausschüsse zu verlagern, rechtfertigt es, insoweit die Mitwirkungsmöglichkeit der nicht im beratenden Ausschuß vertretenen Abgeordneten zumindest in einem anderen Ausschuß ausreichen zu lassen. Sie rechtfertigt es jedoch nicht, diesen darüber hinaus die Möglichkeit zu einer jeden verantwortungsvollen Entscheidung vorangehenden Willensbildung bei der – in jedem Fall dem Plenum vorbehaltenen 406 – Schlußabstimmung zu nehmen. Der grundgesetzliche Plenumsvorbehalt für die Schlußabstimmung entfaltet insoweit eine bereits in das Vorfeld der parlamentarischen Beratung ausstrahlende Wirkung und begründet ein Informationsrecht jedes, das heißt nicht nur des im Ausschuß mit der Gesetzesvorlage befaßten, Abgeordneten. Nicht ohne weiteres ausräumen läßt sich vor diesem Hintergrund das Argument, daß für einen (ausschließlich) in den Ausschußberatungen des Bundestages eingebrachten Alternativvorschlag als Regelung eines Einigungsvorschlages die maßgebliche Schlußabstimmung erst im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG stattfinde, bei der dem einzelnen Abgeordneten die betroffenen Vorschriften dann nach § 77 Abs. 1 i.V. m. § 75 Abs. 1 lit. b GOBT vorlägen, so daß er sich hinsichtlich ihrer einen Willen bilden und diesen durch Gebrauch seines Rederechts in die Plenardebatte mit einbringen könne. Allerdings bleibt auch hier die Frage zu stellen, ob ein Verfahren, welches die Möglichkeit eines Änderungsantrages im Plenum nicht vorsieht, den grundgesetzlichen Mindestanforderungen an eine parlamentarisch-demokratische Willensbildung genügt. Das Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG sieht ein solches Antragsrecht – in verfassungsrechtlich zulässiger Weise 407 – jedenfalls nicht vor. Die Beantwortung dieser Frage kann an dieser Stelle dahin gestellt bleiben, verlangt doch unzweifelhaft jedenfalls das demokratische Öffentlichkeitsprinzip, daß ein Vermittlungsvorschlag in den Verhandlungen des Plenums vorgezeichnet sein muß. Der Grundsatz öffentlicher parlamentarischer Verhandlung 403 Vgl. § 69 Abs. 2 bis 6 GOBT. Siehe hierzu auch Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 69 Rn. 2. 404 Vgl. Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331). 405 Kritisch auch Huber / Fröhlich, a. a. O. 406 BVerfGE 44, 308 (317) (Beschlußfähigkeit). 407 Vgl. oben C. II. 3. c) dd) (1).
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
(Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) ist in den nach § 69 Abs. 1 S. 1 GOBT grundsätzlich nicht öffentlichen Sitzungen der Ausschüsse des Bundestages nicht verwirklicht. Seine Funktion, einen durch wechselseitigen kommunikativen Austausch zwischen Parlament und Staatsvolk geprägten legislativen Willensbildungsprozeß zu ermöglichen, ist für den allein im Ausschuß diskutierten Alternativvorschlag nicht gegeben. Dieser war dem Staatsvolk nicht erkennbar. Damit konnte insoweit jedoch auch sein Wille nicht in die gesetzgeberische Entscheidung mit einfließen. (b) Förmliche (Mindest-)Anforderungen Neben dieser Vorzeichnung im Plenum des Bundestages ist das Erfüllen gewisser förmlicher Mindestanforderungen Voraussetzung für die Einbeziehung einer Regelung in den Vermittlungsvorschlag. Das Gesetzgebungsverfahren wird von einer strengen Förmlichkeit geprägt. 408 Nur ein Alternativvorschlag, der in seiner Form eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweist, wird dem Öffentlichkeitsgebot gerecht und trägt den Rechten des Abgeordneten Rechnung. Ein allein mündlich vorgetragener Debattenbeitrag ließe die parlamentarische Öffentlichkeitsfunktion und das Informationsrecht des einzelnen Abgeordneten jenseits des unmittelbaren Zuhörers leerlaufen. 409 Hieraus läßt sich ein Schriftlichkeitsgebot ableiten. Ein solches gewährleistet zugleich die Ernsthaftigkeit des Anliegens. 410 Nur ein Regelungsziel, welches in den vorangegangenen Beratungen des Bundestages schriftlich zutage getreten ist, kann später Berücksichtigung in einem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses finden. Fraglich ist, ob darüber hinaus eine gesetzestechnische Fassung zu fordern ist. Bei der Wahl des einzelnen Normzwecks als inhaltlichem Anknüpfungspunkt für eine Vorzeichnung in der Debatte des Bundestages wurde bewußt 411 auf eine weitergehende inhaltliche Festlegung im Sinne einer Textidentität mit der Begründung verzichtet, daß dies dem Vermittlungsausschuß jede Möglichkeit zu einer flexibel gestaltenden Kompromißsuche nähme. Damit läßt sich aber auch auf formaler Ebene eine gesetzestextliche Fassung nur schwerlich einfordern. 412 Jedoch wird man wohl eine zumindest so genaue Fassung verlangen müssen, daß ihr die Absicht eines unmittelbaren konkreten gesetzgeberischen Tätigwerdens (noch) im konkreten Gesetzgebungsverfahren sowie ein hinreichend bestimmtes einzelnes Regelungsziel entnommen werden kann. 413 Im Zweifel wird dies eine gesetzestechnische 408
BVerfGE 120, 56 (78) (Vermittlungsausschuß). Vgl. Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (330). 410 Zur Ernsthaftigkeit als voluntativem Wesenselement eines Gesetzentwurfs vgl. Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 42. 411 Vgl. soeben D. V. 2. b) aa). 412 BVerfGE 120, 56 (76) (Vermittlungsausschuß). Ähnlich Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331). 413 Vgl. Huber / Fröhlich, a. a. O. 409
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Fassung zumindest nahelegen. Allgemeinpolitische Forderungen, Konzepte, Thesen, Programme oder gar Appelle genügen diesem Erfordernis jedenfalls nicht. 414 (c) Ergebnis Als Ergebnis läßt sich damit ein Gebot plenarförmlicher Vorzeichnung der einzelnen Regelung eines Vermittlungsvorschlages festhalten. Eine weitergehende Kategorisierung diesem Erfordernis genügender Möglichkeiten auf Ebene des Verfassungsrechts erscheint wenig sinnvoll. 415 Anders verhält es sich mit dem für die Praxis maßgeblichen Geschäftsordnungsrecht. (2) Möglichkeiten nach geltendem Geschäftsordnungsrecht § 77 Abs. 1 GOBT ordnet Druck und Verteilung von „Vorlagen“ (§ 75 GOBT) an. Nach geltendem Geschäftsordnungsrecht ergeben sich damit grundsätzlich folgende Möglichkeiten einer plenarförmlichen Vorzeichnung der Regelung eines Einigungsvorschlags. (a) Gesetzentwürfe, § 75 Abs. 1 lit. a GOBT Nächstliegende Möglichkeit ist dabei der Gesetzentwurf nach § 75 Abs. 1 lit. a GOBT. Hierbei kommt die ursprüngliche Gesetzesvorlage, ausnahmsweise aber auch andere Gesetzentwürfe in Betracht. (aa) Die ursprüngliche Gesetzesvorlage Der ursprüngliche Gesetzentwurf eignet sich regelmäßig für eine plenarförmliche Vorzeichnung der Regelung eines Vermittlungsvorschlags. Auch dieser unterliegt hierbei jedoch den aufgezeigten Mindestanforderungen im einzelnen. So können seine Inhalte insbesondere nur insoweit in einem Einigungsvorschlag Berücksichtigung finden, als sie ein konkretes gesetzgeberisches Regelungsziel erkennen lassen. Zwar ist von einer Gesetzesvorlage als Entwurf für einen Gesetzesbeschluß des Bundestages auf Grund einer in das Gesetzgebungsverfahren ausstrahlenden Vorwirkung des rechtsstaatlichen Gebotes der Normenklarheit 416 414
Vgl. BVerfGE 120, 56 (76) (Vermittlungsausschuß). So aber Huber / Fröhlich, die die vom Bundesverfassungsgericht in der „Arbeitszimmer“-Entscheidung verwandten Begrifflichkeiten der „Anträge und Stellungnahmen“ (BVerfGE 101, 297 (307)) in einem technischen und formalistischen Sinne verstehen wollen (Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (330)). 416 Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 76, Rn. 4. Siehe auch Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (330). 415
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
ohnehin ein ausformulierter und verständlicher, als Stamm- oder Änderungsgesetz gefaßter, ernsthaft und endgültig gemeinter beschlußreifer Textvorschlag zu fordern 417. Unproblematisch erfüllt wird diese Voraussetzung in der Regel jedoch allein vom eigentlichen Gesetzestext, dem Gesetzentwurf im engeren Sinne 418, nicht hingegen von dessen Begründung und gegebenenfalls beigefügten Anlagen. Daher können über in letzteren enthaltene Absichterklärungen, Anregungen, Empfehlungen oder Verweise auf weitere Vorhaben auch nicht ohne weiteres zusätzliche, über den eigentlich Textvorschlag hinausreichende Inhalte in die Vermittlungsmasse mit einbezogen werden, erst recht nicht, wenn ihre Gegenstand nicht einmal bestimmbar ist. 419 Dies folgt nicht zuletzt auch aus der das einzelne Gesetzgebungsverfahren nicht nur auslösenden, sondern zugleich auch gegenständlich beschränkenden Funktion der Gesetzesinitiative, welche ein hinreichendes Maß an Bestimmtheit und Klarheit zwingend voraussetzt. Anders verhält es sich bei konkret gefaßten Alternativ- und Ergänzungsvorschlägen, die ein einzelnes Regelungsziel mit hinreichender Genauigkeit erkennen lassen. (bb) Ausnahme: Eine andere Gesetzesvorlage Ausnahmsweise kann auch eine andere als die ursprüngliche Gesetzesvorlage tauglicher Gegenstand einer Einbeziehung in den Vermittlungsvorschlag sein. Unter Berücksichtigung der oben vorgenommenen grundsätzlichen Beschränkung ausschließlich auf Gegenstände der Beratungen der schließlich zur Anrufung des Vermittlungsausschusses führenden Gesetzesvorlage besteht diese Möglichkeit allerdings nur für solche Gesetzesvorlagen, welche mit der ursprünglichen Gesetzesvorlage gemeinsam an den zuständigen Ausschuß überwiesen und auf dessen Vorschlag 420 nach § 64 Abs. 2 GOBT sodann vom Bundestag abgelehnt oder aber mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf zusammengeführt wurden. Anderenfalls handelte es sich um eine Vorlage in einem anderen Gesetzgebungsverfahren, deren Einbeziehung in einen Einigungsvorschlag jedoch grundsätzlich unzulässig ist 421. Daß der (andere) Gesetzentwurf hierbei mit der 417 Bryde, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 76, Rn. 4; Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 76, Rn. 4; Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 76, Rn. 60; SchmidtJortzig / Schürmann, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 76, Rn. 176; Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 39 ff. 418 Schürmann, a. a. O., S. 39. 419 Vgl. Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (330). 420 Dazu, daß dem Ausschüssen insoweit entgegen der Formulierung des § 64 Abs. 2 S. 2 GOBT lediglich ein Vorschlagsrecht zukommt, die eigentliche Erledigungserklärung von Vorlagen jedoch allein durch das Plenum erfolgen kann, Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 64 Rn. 2. 421 Vgl. ausführlich soeben D. V. 2. a) cc).
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Zusammenführung beider Vorlagen technisch für erledigt erklärt wurde 422, ist unschädlich, hat er doch jedenfalls sowohl ursprünglich als Gesetzentwurf (§ 77 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 75 Abs. 1 lit. a GOBT) als auch später als Gegenstand der Beschlußempfehlung des Ausschusses (§ 77 Abs. 1 S. 1 GOBT i.V. m. §§ 75 Abs. 2 lit. a, 64 Abs. 2 S. 4 GOBT) die Plenaröffentlichkeit erreicht. Über die Qualifizierung eines im Bundestag eingebrachten Regelungsvorschlags als Gesetzentwurf entscheidet dessen Formulierung als schriftlich fixierter, verbindlicher (Gesetzes-)Textvorschlag 423. Bloße Konzepte, Thesen, Vorentwürfe oder Appelle zum gesetzgeberischen Tätigwerden genügen diesem Erfordernis nicht 424. Die Zulässigkeit eines Gesetzentwurfes richtet sich nach den für den jeweiligen Initianten geltenden grundgesetzlichen und geschäftsordnungsrechtlichen Mindestanforderungen 425. Für die zulässige Reichweite der Einbeziehung von Inhalten eines Gesetzentwurfes in einen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses gilt das zur ursprünglichen Gesetzesvorlage Ausgeführte entsprechend. (b) Stellungnahmen des Bundesrates Schließlich können auch Stellungnahmen des Bundesrates in einen Vermittlungsvorschlag mit einbezogen werden. 426 Zwar besitzt der Bundesrat hierzu nur bei Vorlagen der Bundesregierung Gelegenheit (Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG). In der Staatspraxis bilden diese jedoch die ganz überwiegende Zahl der Gesetzentwürfe 427. Geschäftsordnungsrechtlich liegt die Stellungnahme des Bundesrates dem Bundestag in der Regel als Anlage zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. 428 In Fällen, in denen die Bundesregierung die Vorlage ausnahmsweise als besonders eilbedürftig bezeichnet hat, kann die Stellungnahme des Bundesrates auch nachgereicht werden (Art. 76 Abs. 2 S. 4 Hs. 2 GG). Sie ist dann Gegenstand 422
Vgl. § 64 Abs. 2 GOBT. Hierzu soeben D. V. 2. b) bb) (b). 424 Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 39; Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 77, Rn.15. 425 Für den Bundestag Art. 76 Abs. 1 GG i.V. m. § 76 Abs. 1 GOBT, für den Bundesrat Artt. 76 Abs. 1, 52 Abs. 3 S. 1 GG i.V. m. §§ 30 Abs. 1, 39 Abs. 1, 26 Abs. 1 GOBR (vgl. Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 77, Rn. 40 ff.), für die Bundesregierung § 20 Abs. 1 i.V. m. § 15 Abs. 1 lit. a GOBReg, §§ 42, 43 GGO sowie §§ 22, 23, 51 GGO (vgl. Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 76, Rn. 31 ff.). 426 BVerfGE 101, 297 (307) (Arbeitszimmer); BVerfGE 120, 56 (75) (Vermittlungsausschuß). Cornils, DVBl. 2002, 497 (501); Henseler, NJW 1982, 849 (850). Siehe auch BVerfGE 72, 175 (190 f.) (Wohnungsfürsorge); BFHE 211, 227 (233). A. A. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 66 ff. 427 Vgl. die Nachweise in Fußnote 256. 428 Vgl. etwa BT-Drs. 14/1655, S. 4 ff. 423
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
einer gesonderten Unterrichtung durch die Bundesregierung, welche auch die Gegenäußerung der Bundesregierung enthält. 429 Stellungnahmen des Bundesrates liegen dem Bundestag somit zumindest grundsätzlich 430 bereits zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens vor. 431 Der Bundestag hat so die Möglichkeit, deren Inhalte in seine Willensbildung mit einfließen zu lassen, sie positiv aufzunehmen oder sich negativ von ihnen abzugrenzen. Der gegen die Berücksichtigung von Stellungnahmen des Bundesrates bei Ermittlung der Vermittlungskompetenz erhobene Einwand 432, der Bundesrat erlange so die Möglichkeit, in unzulässiger Weise über den Umfang der Gesetzesberatungen im Bundestag zu disponieren, da dieser sich zu einer Befassung mit der Stellungnahme des Bundesrates gezwungen sehe, wolle er (mit dem Vermittlungsverfahren) seine Position im Gesetzgebungsverfahren nicht erheblich schwächen, überzeugt nicht. Zum einen ist mit der in Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG vorgesehenen Gelegenheit zur Stellungnahme eine (mögliche) Einflußnahme des Bundesrates auf den Gegenstand des parlamentarischen Verfahrens gerade von Verfassungs wegen gewollt. Zum anderen scheint die grundsätzliche Ablehnung einer Berücksichtigung auch von Stellungnahmen des Bundesrates in einem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses auf der besonderen inhaltlichen Extensivität der Stellungnahme des Bundesrates im konkret untersuchten Fall des 2. Haushaltsstrukturgesetzes zu beruhen. Statt sich zunächst mit der Zulässigkeit einer „thematisch über den Gesetzesbeschluß des Bundestages hinausreichenden“ Stellungnahme des Bundesrates auseinanderzusetzen, werden hierbei – wohl in der unausgesprochenen Annahme ihrer grundsätzlichen Möglichkeit – allein die Auswirkungen der Einbeziehung einer derartigen Stellungnahme in den Vermittlungsgegenstand untersucht. Eine gegenständlich über das Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage hinausreichende Stellungnahme des Bundesrates ist jedoch bereits ihrerseits wegen Verstoßes gegen das aus Art. 76 Abs. 1 GG folgende Denaturierungsverbot 433 unzulässig. 429
Siehe nur die Unterrichtung der Bundesregierung über die Stellungnahme des Bundesrates vom 21. 10. 1993, BT-Drs. 12/5940. 430 In den Fällen einer erst nachträglichen Unterrichtung der Bundesregierung über eine Stellungnahme des Bundesrates kann es auch zur zeitlich verzögerten Möglichkeit der Berücksichtigung von Stellungnahmen des Bundesrates im parlamentarischen Verfahren kommen (siehe hierzu etwa Greite, NWB Fach 3, 10967 (10970)). Hier ist für den Einzelfall genau zu untersuchen, ob – neben der damit unbestritten gegebenen plenarförmlichen Vorzeichnung eines Regelungsvorschlags – in Anbetracht der zeitlichen Enge auch eine tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit der Abgeordneten sichergestellt war. 431 Gleiches gilt hingegen nicht für die Anträge der Länder und Beschlußempfehlungen der Ausschüsse im ersten Durchgang des Bundesrates. Als (ausschließliche) Bundesratsdrucksachen liegen sie dem Abgeordneten des Bundestages nicht vor und sind daher auch nicht geeignet, Plenarförmlichkeit im Sinne des Bundestages herzustellen. 432 W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 66 ff. 433 Vgl. ausführlich oben D. IV. 3. b) aa) (2) (c) und D. V. 1. b) aa) (4).
V. Zweistufige Prüfung eines Einigungsvorschlags
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Die Gesetzesvorlage bestimmt den äußeren sachlichen Rahmen jedes Gesetzgebungsverfahrens. Würden auch über deren Gesetzgebungsziel hinausgehende Inhalte zur Beratung zugelassen, wäre das Recht des Gesetzesinitianten auf eine Befassung mit seiner Vorlage nicht mehr verwirklicht. Auch der Bundesrat kann mit seiner Stellungnahme daher keine Materien zum Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens machen, welche vom Regelungsziel der ursprünglichen Vorlage nicht erfasst werden. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, wenn ausgangs der Untersuchung des 2. Haushaltstrukturgesetzes ein neuartiges faktisches Gesetzesinitiativrecht des Bundesrates konstatiert wird 434 und – wohl auch mit einem gewissen Erstaunen – darauf verweisen wird, daß dem einzelnen Abgeordneten hinsichtlich der in einer Stellungnahme des Bundesrates über die Gesetzesvorlage hinausgehenden Inhalte nach § 82 GOBT nicht einmal ein Sachantragsrecht zustehe, da dieses auf Anträge zu einem Gesetzentwurf nach Art. 76 Abs. 1 GG beschränkt sei 435. Verbleibt jedoch eine Stellungnahme des Bundesrates innerhalb des aus Art. 76 Abs. 1 GG folgenden zulässigen gegenständlichen Rahmens, greift die gegen eine grundsätzliche Einbeziehung in einen Vermittlungsvorschlag geführte Argumentation nicht mehr durch. Stellungnahmen des Bundesrates eignen sich vielmehr als unmittelbarer Ausdruck der Meinungsverschiedenheiten von Bundesrat und der durch die Bundestagsmehrheit getragenen Bundesregierung zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens in besonderem Maße zur Bestimmung des durch die unterschiedlichen Standpunkte von Bundestag und Bundesrat gekennzeichneten Vermittlungsrahmens. Die Einbeziehbarkeit seiner Stellungnahmen in den Vermittlungsgegenstand ist für den Bundesrat zudem insoweit von hervorgehobener Bedeutung, als diese für ihn neben der Gesetzesinitiative (Art. 76 Abs. 1 Var. 3 GG) die einzige Möglichkeit darstellen, einen unmittelbar gestaltenden Einfluß auf die Gesetzgebung zu nehmen. Voraussetzung ist aber auch hier, daß der Inhalt der Stellungnahme eine hinreichende Genauigkeit aufweist, die ein ernsthaft und unmittelbar gemeintes konkretes gesetzgeberisches Regelungsziel erkennen läßt. Bloße Empfehlungen, Appelle oder Verweise auf Konzepte genügen diesem Erfordernis nicht. Auch können die Verhandlungen im Bundesrat nur insoweit Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens werden, als sie unmittelbar in der Stellungnahme selbst Ausdruck gefunden haben 436. 437
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W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 68. 435 W.-R. Schenke, a. a. O., S. 69. 436 W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 66. 437 Zur grundsätzlichen Unzulässigkeit einer Einbeziehung von Beschlußempfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates zur Präzisierung einer Willensbekundung des Bundesrats(plenums) siehe oben D. V. 1. b) bb).
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
(c) Beschlußempfehlungen und Berichte der Ausschüsse, § 75 Abs. 2 lit. a GOBT Dem Mindesterfordernis der Plenarförmlichkeit genügen grundsätzlich auch die Beschlußempfehlungen und Berichte der Ausschüsse (§ 75 Abs. 2 lit. a GOBT). Im Unterschied zu den Ausschußprotokollen, die zwar mindestens alle im Ausschuß gestellten Anträge und gefaßten Beschlüsse enthalten müssen (§ 73 Abs. 1 S. 2 GOBT), nach § 73 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GOBT i.V. m. Nr. I.1. der Richtlinien über die Behandlung der Ausschußprotokolle 438 jedoch regelmäßig frühestens 439 nach Verkündung des betreffenden Gesetzes und dann auch nur bei Nachweis eines berechtigten Interesses 440 zugänglich sind, und den Ausschußdrucksachen, für die entsprechendes gilt 441, erblicken die Berichte und Beschlußempfehlungen der Ausschüsse unmittelbar das Licht der Plenumsöffentlichkeit. So können auch Inhalte der nichtöffentlichen Beratungen in den Ausschüssen (§ 69 Abs. 1 S. 1 GOBT) Eingang in die Verhandlungen des Plenums finden. Die Ausschußberichte haben hierbei nach § 66 Abs. 2 S. 1 GOBT neben der Beschlußempfehlung des federführenden Ausschusses und deren Begründung zwingend auch die Ansicht der Minderheit wiederzugeben. Auf diese Weise liegen auch die alternativen Regelungsvorschläge der Ausschußminderheit dem Plenum in zweiter und dritter Beratung in schriftlicher Form (§ 66 Abs. 1 S. 1 GOBT) vor. Nicht die Voraussetzung für eine Einbeziehung in einen Vermittlungsvorschlag erfüllen hingegen die Zwischenberichte der Ausschüsse (§ 75 Abs. 1 lit. l GOBT). Diese von einer Fraktion oder von fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages zehn Sitzungswochen nach Überweisung einer Vorlage erzwingbaren Berichte erfolgen durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter (§ 62 Abs. 2 S. 1 GOBT), damit jedoch grundsätzlich allein mündlich. (d) Änderungsanträge, § 75 Abs. 2 lit. b GOBT Neben Gesetzesvorlagen und den Berichten und Beschlußempfehlungen der Ausschüsse kommen grundsätzlich auch Änderungsanträge nach § 75 Abs. 2 lit. b GOBT als regelungsvorzeichnende Vorlagen in der Plenardebatte des Bundestages in Betracht. Für die Einbeziehung in einen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses müssen jedoch auch diese einen hinreichenden Konkre438
Abgedruckt bei Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 73 Anhang. Versieht der Ausschuß ein Protokoll mit dem Vermerk „Nur zu dienstlichen Zwecken“, kann die Öffentlichkeit sogar bis spätestens zum Ablauf der nachfolgenden Wahlperiode von einer Einsichtnahme ausgeschlossen werden (Nr. I. 2. der Richtlinien über die Behandlung der Ausschußprotokolle). Dies ist insbesondere für die besonders wichtigen Protokolle des Haushaltsausschusses regelmäßig der Fall. 440 Vgl. Nr. I. 4. der Richtlinien über die Behandlung der Ausschußprotokolle. 441 Vgl. Nr. III. der Richtlinien über die Behandlung der Ausschußprotokolle. 439
V. Zweistufige Prüfung eines Einigungsvorschlags
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tisierungsgrad aufweisen, der die Absicht eines unmittelbaren gesetzgeberischen Tätigwerdens sowie ein einzelnes Regelungsziel erkennen läßt. Änderungsanträge können im Gesetzgebungsverfahren in erster Beratung nicht (§ 79 Abs. 1 S. 3 GOBT), in zweiter Beratung vom einzelnen Mitglied des Bundestages (§ 82 Abs. 1 S. 2 GOBT) 442 und in dritter Beratung einer Gesetzesvorlage nur durch eine Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages (§ 85 Abs. 1 S. 1 GOBT) eingebracht werden. (e) Weitere Vorlagen Schließlich können auch (einfache) Anträge (§ 75 Abs. 1 lit. d GOBT) die Voraussetzungen einer plenarförmlichen Vorzeichnung eines konkreten Regelungsziels erfüllen. Auf Grund der einem allgemeinen Antrag nach § 75 Abs. 1 lit. d GOBT im Unterschied zu dem auf eine konkrete Gesetzesvorlage bezogenen Änderungsantrag nach § 75 Abs. 2 lit. b GOBT zukommenden größeren (inhaltlichen) Selbständigkeit gilt es jedoch bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Einbeziehung in einen Vermittlungsvorschlag ein besonderes Augenmerk auf die Frage zu richten, inwieweit der einzelne Antrag auf ein konkretes gesetzgeberisches Tätigwerden gerichtet ist. Anträge, denen sich weder eine derartige Absicht entnehmen läßt noch die hierfür erforderliche Bestimmtheit aufweisen, scheiden als allgemein programmatische Äußerungen und bloße Absichterklärungen als Gegenstand eines Einigungsvorschlages aus. Die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in den Vermittlungsvorschlag regelmäßig nicht erfüllen dürften hingegen Entschließungsanträge zu Gesetzentwürfen, § 75 Abs. 2 lit. c GOBT. Sie sind im Regelfall erst auf ein auf das konkrete Gesetzgebungsverfahren nachfolgendes Tätigwerden gerichtet (vgl. § 88 Abs. 1 S. 1 GOBT). Damit dürfte es ihnen jedoch regelmäßig an der Absicht – möglicherweise auch am erforderlichen Konkretisierungsgrad – eines unmittelbaren gesetzgeberischen Tätigwerdens fehlen. Den Anforderungen an eine plenarförmliche Vorzeichnung dürften schließlich auch Berichte und Materialien zur Unterrichtung des Bundestages (Unterrichtungen) nach § 75 Abs. 1 lit. e GOBT regelmäßig nicht genügen. Ihre Legaldefinition als Berichte, Denkschriften, Programme, Gutachten, Nachweisungen und ähnliches in § 77 Abs. 2 S. 1 GOBT verdeutlicht ihren allgemeinen Charakter. Dieser läßt die Vorzeichnung eines konkreten legislativen Regelungszweckes unwahrscheinlich erscheinen. Zudem wird für Unterrichtungen – aus 442 Für die zweite Beratung wird § 77 Abs. 1 GOBT durch § 82 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GOBT dahingehend durchbrochen, daß Änderungsanträge, wenn sie noch nicht verteilt wurden, zu verlesen sind. Die Vorschrift ist jedoch insoweit unschädlich, als sie das Schriftlichkeitsgebot des § 77 Abs. 1 GOBT nicht ersetzt, sondern insoweit lediglich einen vorläufigen Zustand regelt.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
Kostengründen 443 – in der Regel auch von Druck und Verteilung abgesehen (§ 77 Abs. 2 S. 1 GOBT). Auszunehmen sind insoweit wohl allein Unterrichtungen der Bundesregierung über eine Stellungnahme des Bundesrates nach Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG sowie deren Gegenäußerung. (3) Nichtabschließender Charakter des Geschäftsordnungsrechts Weder die Regelung des § 75 GOBT im speziellen 444, noch das Geschäftsordnungsrecht im allgemeinen besitzen abschließenden Charakter. Die aufgezeigten Möglichkeiten plenarförmlicher Vorzeichnung der Regelung eines Vermittlungsvorschlages sind daher als lediglich beispielhaft zu verstehen, wenngleich die ganz überwiegende Zahl praxisrelevanter Konstellationen hiermit wohl erfaßt sein dürfte. Darüber hinaus sind jedoch auch weitere, dem Maßstab der Plenarförmlichkeit genügende Vorlagen denkbar. c) Bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des Abgeordneten Die Erkennbarkeit eines späteren Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses schon in den Plenumsberatungen des Bundestages stellt ihr Entstehen in parlamentarischer Öffentlichkeit sicher. Die Mitwirkungsrechte des Abgeordneten sind damit allerdings erst unvollständig verwirklicht. Diese verlangen nicht nur die Erkennbarkeit einer gesetzgeberischen Regelung, die es dem einzelnen Abgeordneten ermöglicht, sich hinsichtlich ihrer einen Willen zu bilden, sie garantieren darüber hinaus, daß er seine hierbei entwickelten Vorstellungen sodann auch in den parlamentarischen Willensbildungsprozeß gestaltend mit einbringen kann. aa) Grundgesetzlicher Maßstab Für die Gewährleistung inhaltlich gestaltender Teilhabe des Abgeordneten am parlamentarischen Willensbildungsprozeß reicht es aus, wenn dieser die Möglichkeit besitzt, seine Vorstellungen in das Gesetzgebungsverfahren mit einfließen lassen zu können. 445 Ausschlaggebend ist somit allein die Möglichkeit einer Mitwirkung, nicht hingegen, ob der einzelne Abgeordnete von dieser auch tatsächlich Gebrauch macht. Es genügt die Möglichkeit, sich zu informieren, die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen, und die Möglichkeit, einen (Änderungs-) Antrag zu stellen. Diese Mitwirkungsmöglichkeit darf allerdings andererseits auch nicht allein formal und damit im Ergebnis möglicherweise als eine nur 443 444 445
Vgl. Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 77 Rn. 2. Vgl. Roll, a. a. O., § 75 Rn. 1. Vgl. BVerfGE 120, 56 (75) (Vermittlungsausschuß).
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theoretische verstanden werden 446. 447 Der einzelne Abgeordnete muß seine verfassungsrechtlich garantierten Mitwirkungsrechte auch praktisch wahrnehmen können. Er muß über die tatsächliche Möglichkeit einer inhaltlich gestaltenden Einflußnahme verfügen. Das Verfassungsrecht gebietet hierbei weder explizit noch gewohnheitsrechtlich eine Beratung von Gesetzentwürfen in drei Lesungen. 448 Maßgeblich ist die Qualität, nicht die Quantität der gewährleisteten Mitwirkungsmöglichkeiten. Von besonderer Bedeutung für die tatsächliche Möglichkeit einer Willensbildung des einzelnen Abgeordneten ist hierbei insbesondere angesichts stetig zunehmender Komplexität der Regelungsmaterien, daß diesem ausreichend Zeit für eine Entscheidungsfindung zur Verfügung steht. Zur Wahrung der Mindestanforderungen darüber hinaus genügt es, wenn der Abgeordnete im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zumindest einmal hinreichend Gelegenheit besitzt, von seinem Rede- und Antragsrecht Gebrauch zu machen. Die prinzipielle Möglichkeit, in einem Ausschuß mitzuwirken, erlangt dabei auf Grund der mit dem faktischen Zwang zur Arbeitsteilung im parlamentarischen Bereich einhergehenden Delegation wesentlicher Beratungsschritte in die Ausschüsse eine der Mitwirkung im Plenum vergleichbare Bedeutung. 449 Zwar würde dem Prinzip der Repräsentation am ehesten die Ausschließlichkeit parlamentarischer Willensbildung im Plenum gerecht. Die zunehmende Komplexität der Lebensverhältnisse und die Schwerfälligkeit des Plenums, die eine Detailarbeit nahezu unmöglich erscheinen läßt, rechtfertigen jedoch die Delegation eines Großteils der Sacharbeit in die Ausschüsse. 450 Eine solche Verlagerung wesentlicher Schritte parlamentarischer Willensbildung aus dem Plenum in die Ausschüsse, an der unmittelbar nur noch die im Ausschuß vertretenen Mitglieder des Bundestages teilhaben, ist unbedenklich, solange die endgültige Beschlußfassung über ein parlamentarisches Vorhaben dem Plenum vorbehalten bleibt, 451 und die Mitwirkung der Abgeordneten bei der Vorbereitung der Parlamentsbeschlüsse ihrer Art und ihrem Gewicht nach der Mitwirkung im Plenum 446 So im Ergebnis aber wohl BVerfGE 72, 175 (192) (Wohnungsfürsorge). Siehe auch BVerfGE 120, 56 (75) (Vermittlungsausschuß). 447 Kritisch auch Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331). 448 BVerfGE 1, 144 (151) (Geschäftsordnungsautonomie); BVerfGE 29, 221 (234) (Jahresarbeitsverdienstgrenze). 449 BVerfGE 44, 308 (317 f.) (Beschlußfähigkeit); BVerfGE 80, 188 (222) (Wüppesahl). 450 BVerfGE 44, 308 (317 f.) (Beschlußfähigkeit). 451 Eine Delegation auch der abschließenden Entscheidungsbefugnis auf einen Ausschuß ist nur auf Grund ausdrücklicher grundgesetzlicher Ermächtigung (siehe etwa Art. 45 S. 2 GG) zulässig, oder wenn sie sich durch den Schutz eines zwingenden Grundes des Staatswohles dient, welches seinerseits Verfassungsrang besitzt und bei Durchführung eines Plenarverfahrens gefährdet wäre. Vgl. zum Diskussionsstand Kretschmer, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 45, Rn. 211 m.w. N. Zur Rechtfertigungsmöglichkeit etwa eines Bundestagsausschusses für besondere Auslandseinsätze siehe jüngst G. Axer, ZRP 2007, 82 ff.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
im wesentlichen gleich zu erachten ist. 452 In Anbetracht der nur vorbereitenden Funktion der Ausschüsse (§§ 54 Abs. 1 S. 1, 62 Abs. 1 S. 2 GOBT) und der grundsätzlichen Repräsentationsfunktion des Plenums wird man allerdings ein Minimum an Mitwirkungsmöglichkeiten auch der an der Beratung einer konkreten Vorlage im Ausschuß nicht unmittelbar beteiligten Abgeordneten im Plenum verlangen müssen 453. bb) Gewährleistung im geschäftsordnungskonformen Gesetzgebungsverfahren Das grundgesetzliche Gebot einer tatsächlichen Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren findet sich im geltenden Geschäftsordnungsrecht 454 verwirklicht. Jedenfalls bei geschäftsordnungskonformer Durchführung der Beratungen im Bundestag ist damit eine tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des Abgeordneten gewährleistet. Als insoweit von Verfassungs wegen zwingend erscheinen hierbei folgende Punkte. (1) Mitteilung der Tagesordnung (§ 20 GOBT) Der Abgeordnete kann seine Mitwirkungsrechte nur wahrnehmen, wenn er Kenntnis von Termin und Gegenstand einer Sitzung des Bundestages hat. § 20 Abs. 2 S. 1 GOBT stellt dies sicher, indem er anordnet, daß die Tagesordnung jeder Sitzung den Mitgliedern des Bundestages mitzuteilen ist. Die Unterrichtung der Ausschußmitglieder über die Tagesordnungen der Ausschüsse garantiert § 61 Abs. 1 S. 2 GOBT. (2) Verteilung der Vorlagen (§ 77 Abs. 1 GOBT) Die Information des Abgeordneten über den einzelnen Verhandlungsgegenstand der Tagesordnung gewährleistet § 77 Abs. 1 GOBT, wonach sowohl die den Verhandlungsgegenstand bildende Vorlage (selbständige Vorlage, § 75 Abs. 1 GOBT) als auch sämtliche sich auf diesen beziehenden Vorlagen (unselbständigen Vorlagen, § 75 Abs. 2 GOBT) gedruckt und an die Mitglieder des Bundestages verteilt werden.
452 453 454
BVerfGE 44, 308 (317 f.) (Beschlußfähigkeit). Vgl. hierzu auch oben D. V. 2. b) bb) (1). Vgl. ausführlich Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung.
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(3) Begründung von Gesetzentwürfen (§ 76 Abs. 2 GOBT) Nachvollziehbarkeit und Verständnis des genauen Inhaltes zumindest von Gesetzentwürfen sichert überdies § 76 Abs. 2 GOBT, wenn er zwingend ihre Begründung verlangt. 455 Für Anträge ist eine Begründung – verfassungsrechtlich wohl unbedenklich – lediglich fakultativ ausgestaltet. (4) Einhaltung von Mindestfristen Dem Recht des Abgeordneten auf Einräumung eines ausreichenden Maßes an Zeit zur Entscheidungsfindung trägt die Geschäftsordnung durch die Festlegung verschiedener Mindestfristen Rechnung. So beginnen die Beratungen nach § 78 Abs. 2 GOBT in der Regel frühestens am dritten Tage nach Verteilung der Drucksachen. Für die Ausschußberatungen trifft § 61 Abs. 1 S. 2 GOBT eine vergleichbare Regelung. § 81 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GOBT bestimmt, daß die zweite Beratung (erst) am zweiten Tage nach Verteilung der Beschlußempfehlung und des Ausschußberichts beginnt. 456 Die dritte Beratung beginnt schließlich, für den Fall, daß in zweiter Beratung Änderungen beschlossen wurden, frühestens am zweiten Tage nach Verteilung der Drucksachen mit den beschlossenen Änderungen (§ 84 S. 1 lit. b GOBT). Mit einem bzw. zwei vollen Tagen dürfte in den genannten Fällen allerdings auch das verfassungsrechtliche Minimum benannt sein. 457 Ein weiteres Unterschreiten würde jedenfalls Sinn und Zweck einer Überlegungsfrist nicht mehr erfüllen können. Bedenken ruft vor diesem Hintergrund die für jede der genannten Alternativen vorgesehene Möglichkeit hervor, die vorgeschriebene Frist durch Beschluß von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages verkürzen zu können 458. 459 Auf Grund des Verfassungsrangs der Gewährleistung einer hinreichenden Überdenkensfrist kann sie nicht zur Disposition durch (einfachen) Beschluß des Bundestages gestellt werden. Derartige fristverkürzende Beschlüsse wird man daher nur dann als grundgesetzlich zulässig ansehen können, wenn sich die besondere Eilbedürftigkeit im Einzelfall 455 Gegen die Annahme eines verfassungsrechtlichen Gebotes der Begründung von Gesetzentwürfen Schürmann, Grundlagen und Prinzipien des legislatorischen Einleitungsverfahrens, S. 41; siehe auch Waldhoff, in: Depenheuer u. a. (Hrsg.), FS für Isensee, S. 325 (329) m.w. N. 456 Siehe auch die Sonderregelung in § 96 Abs. 7 GOBT, welche für „Änderungen mit finanziellen Auswirkungen von grundsätzlicher Bedeutung oder erheblichem finanziellen Umfang“ die dritte Beratung – nach vorheriger Beratung im Haushaltsausschuß – erst in der zweiten Woche nach Beschlußfassung vorsieht. 457 Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 182. 458 Vgl. § 81 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 und § 84 S. 1 lit. b GOBT. Für § 78 Abs. 5 GOBT ergibt sich diese Möglichkeit aus 126 GOBT. 459 Vgl. die Kritik bei Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 181 f.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
durch ein Gut von Verfassungsrang rechtfertigen läßt und diesem bei einer Abwägung mit dem Interesse des Abgeordneten an einer angemessenen Zeit zur Entscheidungsfindung Vorrang einzuräumen ist. 460 Dies dürfte jedoch eher den Ausnahme-, denn den Regelfall darstellen. (5) Rederecht Das Rederecht des einzelnen Abgeordneten wird in der Geschäftsordnung zwar nicht ausdrücklich begründet, jedoch an zahlreichen Stellen vorausgesetzt. Es folgt insoweit unmittelbar aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG. Der einzelne Abgeordnete darf hierbei nach § 27 Abs. 1 S. 1 GOBT allerdings nur sprechen, wenn der Präsident ihm das Wort erteilt hat. Eine unzulässige Beeinträchtigung des Rederechts ist in ihr jedoch ebenso wie in den anderen Vorschriften zu Worterteilung und Wortmeldung zu sehen. Die Regelung gewährleistet einen geordneten Gang der Debatte und sichert so die Funktionsfähigkeit des Bundestages. Gleiches gilt für die Begrenzung der Gesamtredezeit und ihre Aufteilung auf die Fraktionen und Gruppen nach ihrer Stärke auf Vorschlag des Ältestenrates nach § 35 Abs. 1 S. 1 GOBT 461. 462 Die Kollision des Rederechts des einzelnen Abgeordneten mit dem Rederecht der anderen Abgeordneten zwingt aus Kapazitätsgründen und um der Arbeitsfähigkeit des Parlamentes willen zu einer Begrenzung der Redezeit insgesamt wie auch zu ihrer Aufteilung zwischen den Abgeordneten. Eine Zuweisung der Redezeit in Abhängigkeit von den Stärkeverhältnissen der Fraktionen und Gruppen gewährleistet hierbei die Repräsentativität der Debatte. Eine Grenze findet die Verteilung der Redezeit in der Wahrung einer gewissen Mindestredezeit 463. Die individuelle Redezeitbeschränkung darf keinen derart engen zeitlichen Rahmen setzen, daß ein – je nach Verhandlungsgegenstand unterschiedlich zu beurteilender – sachgerechter Debattenbeitrag de facto unmöglich wird. 464 Aus einer Regelung der Ausübung des Rederechts würde so eine Beeinträchtigung des Rederechts selbst. 465 Die Regelung des „Wie“ schlüge in eine unzulässige Regelung des „Ob“ des Rederechts um. 466 Die – allerdings nur für den Fall des Fehlens einer Festlegung durch den Ältestenrat nach Satz 1 zur An460 Für grundsätzliche Unzulässigkeit hingegen Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 182. 461 Zur Praxis verwandter Verteilungsschlüssel vgl. Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 35 Rn. 2. 462 BVerfGE 10, 4 (14 ff.) (Redezeit); BVerfGE 96, 264 (284 ff.) (Fraktions- und Gruppenstatus). 463 BVerfGE 96, 264 (285) (Fraktions- und Gruppenstatus). 464 Vgl. Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 148. 465 Vgl. Abmeier, a. a. O. Siehe auch Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung, S. 39; ders., DVBl. 1980, 512 (517). 466 Vgl. Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 148.
V. Zweistufige Prüfung eines Einigungsvorschlags
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wendung gelangende – Beschränkung der individuellen Redezeit in § 35 Abs. 1 S. 2 GOBT auf 15 Minuten begegnet insoweit keinen Bedenken. 467 Schließlich lassen sich auch die in den §§ 36 ff. GOBT vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der parlamentarischen Ordnung mit der Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit des Parlaments rechtfertigen. 468 (6) Antragsrecht Auch das Recht des Abgeordneten, seine inhaltlichen Vorstellungen nicht nur in freier Rede, sondern auch durch förmlichen Antrag in das Gesetzgebungsverfahren einbringen zu können, wird durch das geltende Geschäftsordnungsrecht gewährleistet. Daß § 79 S. 3 GOBT Sachanträge in erster Beratung eines Gesetzentwurfes ausschließt, ist insoweit unschädlich. Der einzelne Abgeordnete besitzt jedenfalls in zweiter Beratung die Möglichkeit, Änderungen zu Gesetzentwürfen zu beantragen (§ 82 Abs. 1 S. 1 GOBT). In dritter Beratung steht ihm dieses Recht zusammen mit einer Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages zu (§ 85 Abs. 1 S. 1 GOBT). Für die Beratungen in den Ausschüssen folgt die Antragsberechtigung der Ausschußmitglieder aus § 71 Abs. 1 S. 1 GOBT. 469 Darüber hinaus besitzt jeder Abgeordnete nach § 76 Abs. 1 GOBT das Recht, zusammen mit einer Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages eine Vorlage nach § 75 GOBT zum Gegenstand der Verhandlungen des Bundestages zu machen. Zu den selbständigen Vorlagen zählen hierbei insbesondere ein Gesetzes(gegen)entwurf (§ 75 Abs. 1 lit. a GOBT) oder ein eigenständiger Antrag (§ 75 Abs. 1 lit. d GOBT). Als unselbständige Vorlage besteht neben den allerdings in den §§ 82, 85 GOBT speziell geregelten Änderungsanträgen die Möglichkeit zu einem Entschließungsantrag zu einem Gesetzentwurf (§ 75 Abs. 2 lit. c Var. 1 GOBT). d) Zusammenfassung Die Regelung eines Einigungsvorschlags hat eine demokratischen Mindestanforderungen genügende parlamentarische Willensbildung erfahren und ist damit durch Verfahren des Bundestages legitimiert, wenn ihr Regelungszweck im konkreten Verfahren bereits in den vorangegangenen Verhandlungen des Bundestages plenarförmlich und bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten vorgezeichnet wurde. Die Einbeziehung von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren ist hingegen unzulässig. Plenarförmlich ist der konkrete Zweck einer Regelung des Vermittlungsvorschlages zutage getreten, wenn 467 468 469
Abmeier, a. a. O. Vgl. BVerfGE 60, 374 (381 ff.) (Rüge). Siehe aber auch § 71 Abs. 2 S. 1 GOBT.
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
er in öffentlicher Sitzung des Plenums in schriftlicher wie hinreichend konkreter, die Ernsthaftigkeit der Absicht unmittelbaren gesetzgeberischen Tätigwerdens vermittelnder Form Ausdruck gefunden hat. Diesem Erfordernis genügen nach geltendem Geschäftsordnungsrecht grundsätzlich insbesondere Gesetzentwürfe (§ 75 Abs. 1 lit. a GOBT), Stellungnahmen des Bundesrates, Beschlußempfehlungen und Berichte der Ausschüsse (§ 75 Abs. 2 lit. a GOBT) sowie Änderungsanträge (§ 75 Abs. 2 lit. b GOBT). In Ausnahmefällen kann dies auch auf (einfache) Anträge (§ 75 Abs. 1 lit. d GOBT) und Unterrichtungen durch die Bundesregierung (§ 75 Abs. 1 lit. e GOBT) zutreffen. Eine formale Einordnung in diesem Sinne befreit allerdings nicht vom Erfordernis einer Prüfung im Einzelfall, ob und inwieweit die Anforderungen an eine verbindliche und hinreichend präzise Formulierung eines konkreten Regelungsziels erfüllt sind. Bloße allgemeinpolitische Programme, Thesen oder Appelle scheiden insoweit aus. Die tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten ist jedenfalls bei geschäftsordnungskonformer Durchführung der Beratungen im Bundestag gewährleistet. 3. Einschätzungsprärogative des Vermittlungsausschusses als Bedingung effektiver Kompromißsuche Der Vermittlungsausschuß darf somit nur solche Regelungen vorschlagen, die zum einen inhaltlich vom Regelungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage – im Falle einer auf eine einzelne Norm beschränkten Anrufung durch deren konkretes Regelungsziel – getragen werden und die vom anrufenden Organ vorgenommenen Einschränkungen wahren, zum anderen formal im konkreten Gesetzgebungsverfahren in den Beratungen des Bundestages plenarförmlich und bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten vorgezeichnet wurden. Hiermit ist für die Praxis ein konkreter Maßstab benannt. Abgrenzungsprobleme bei der Bestimmung der genauen Grenzen der Vermittlungskompetenzen im Einzelfall kann allerdings auch dieser – wie jeder andere Maßstab 470 – nicht völlig ausschließen. Vor allem aber drängt der dynamische Charakter des Vermittlungsverfahrens als Vorgang politischer Kompromißsuche auf einen gewissen Spielraum, ein bestimmtes Maß an Flexibilität. Insofern sträubt sich das für einen erfolgreichen Verlauf gerade auf Kreativität und Eröffnung neuer Wege angewiesene Vermittlungsverfahren schon von Natur aus gegen eine allzu strikt eingrenzende Maßstäblichkeit. Diesem praktischen Bedürfnis kann durch Einräumung eines Beurteilungsspielraumes des Vermittlungsausschusses Rechnung getragen werden. 471 Dieser darf jedoch nicht durch Reduzierung auf eine 470
So auch Dietlein, AöR 106 (1981), 525 (537). Vgl. Kokott, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 77, Rn. 62; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 53 f. u. 62. 471
VI. Zusammenfassung
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bloße Willkürkontrolle und Absprache jeglicher Justitiabilität 472 zur faktischen Maßstabslosigkeit führen, sondern hat vielmehr behutsam erst auf Ebene der zur Konkretisierung des aufgezeigten Maßstabes im Einzelfall heranzuziehenden tatsächlichen Bezugsgrößen anzusetzen. Als Anknüpfungspunkte bieten sich damit zum einen für das Kriterium der Anrufungslegitimation die Bestimmung des Gesetzgebungsziels der ursprünglichen Gesetzesvorlage, zum anderen für das Kriterium der Verfahrenslegitimation die Benennung des Normzwecks der einzelnen Regelung eines Vermittlungsvorschlags an, der im konkreten Verfahren im Bundestag eine plenarförmliche Vorzeichnung erfahren haben muß. Hinsichtlich der Ermittlung dieser beiden – ohnehin schwerlich eindeutigen – Größen im Einzelfall ist dem Vermittlungsausschuß eine Einschätzungsprärogative zuzugestehen. Hierbei kann an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Anerkennung eines Beurteilungsspielraumes des Gesetzgebers bei Prognoseentscheidungen 473 und deren Übertragung auf „politische Entscheidungen der Exekutive von weitreichender Bedeutung, zumal wenn sie auf einer Einschätzung, Wertung und Beurteilung politischer Vorgänge und Verhältnisse beruhen,“ 474 angeknüpft werden. Auch das Handeln des Vermittlungsausschusses besitzt originär politischen Charakter. Die fehlende unmittelbare Vergleichbarkeit mit den auf dem besonderen Charakter von Prognoseentscheidungen beruhenden Erwägungen dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwingt allerdings zu Zurückhaltung und Vorsicht.
VI. Zusammenfassung Die Frage nach den Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses ist in Staatspraxis, Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Während die Staatspraxis eine eher großzügige Auffassung vertritt und sämtliche in einem Sachzusammenhang mit dem Anrufungsbegehren stehende Materien als zulässige Gegenstände eines Einigungsvorschlags ansieht, findet man im Schrifttum die gesamte Bandbreite an Interpretationsmöglichkeiten von einer Reduzierung auf eine Mißbrauchsprüfung im Einzelfall bis hin zu einer Beschränkung auf solche Regelungen, die bereits Gegenstand der vorangegangenen Beratungen im Bundestag gewesen sind. Ihre Rechtfertigung finden die verschiedenen Ansätze in einer unterschiedlichen Gewichtung des Gedankens demokratischer Legitima472 So aber in letzter Konsequenz Hasselsweiler, Der Vermittlungsausschuß, S. 49 f.; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, § 102, Rn. 62; ders., ZG 1989, 159 (160). Ähnlich Strohmeier, ZParl 1982, 473 (474). 473 Grundlegend BVerfGE 50, 290 (332) (Mitbestimmung); st. Rspr. 474 BVerfGE 62, 1 (50) (Bundestagsauflösung I); BVerfGE 114, 121 (156 f.) (Bundestagsauflösung II). Allgemein zur Ausfüllung eines grundgesetzlich verbleibenden Auslegungsrahmens primär durch die Staatspraxis siehe BVerfGE 91, 148 (172) (Umlaufverfahren).
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
tion des Gesetzes durch das parlamentarische Verfahren im Bundestag einerseits und des das Vermittlungsverfahren rechtfertigenden Gedankens legislativer Effizienz andererseits. Das Bundesverfassungsgericht hat mit der „Arbeitszimmer“Entscheidung seine anfänglich sehr großzügige Auslegung der Vermittlungskompetenz aufgegeben und vertritt nunmehr einen ungleich strengeren Maßstab. Auch wenn das Gericht diese Rechtsprechung jüngst ausdrücklich bestätigt hat, führt ihre Interpretation nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen. So herrscht in Rechtsprechung und Schrifttum Uneinigkeit insbesondere darüber, ob der Vermittlungsausschuß lediglich alternativ oder aber kumulativ an den aus dem Anrufungsbegehren folgenden sachlichen Rahmen und das Gebot einer Vorzeichnung in den bisherigen Beratungen im Bundestag gebunden sein soll. Den Anknüpfungspunkt für eine Beantwortung der Frage nach den grundgesetzlichen Maßstäben für eine Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz bildet die Regelung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG. Nicht weiterführend sind dabei Wortlaut und historische Einordnung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG. Sie liefern weder konkrete Anhaltspunkte für ein enges noch für ein weites Verständnis der Vermittlungskompetenz. Von entscheidendem Gewicht ist daher die systematisch-teleologische Interpretation des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG. Sinn und Zweck der Vermittlungskompetenz ist der einer effizienten Gesetzgebung. Der Vermittlungsausschuß soll einen Kompromiß vorschlagen können, der die zwischen den gesetzgebenden Organen bestehenden Divergenzen überwindet und so die Verwirklichung des Gesetzgebungsziels ohne Durchlaufen eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens noch in demselben Gesetzgebungsverfahren ermöglicht. Der Gedanke legislativer Effizienz rechtfertigt dabei allerdings nur solche Einschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens, die sich bei einer vergleichenden Betrachtung mit der Alternative eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens als solche quantitativer Art darstellen, nicht hingegen solche qualitativer Art. Unter qualitativen Beschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens sind hierbei solche Einschränkungen zu verstehen, die zu einem Unterschreiten der grundgesetzlichen Mindestanforderungen an eine demokratischparlamentarische Willensbildung führen. Eine am telos des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG orientierte systematische Einbeziehung von Bestimmungen des Grundgesetzes hat die Berücksichtigung von Kompetenz- und Verfahrensvorschriften zu unterscheiden. Die Einbeziehung ersterer ergibt, daß der Inhalt des Anrufungsbegehrens den äußeren sachgegenständlichen Rahmen jedes Vermittlungsvorschlags bildet. In dessen Bezugnahme auf den Gesetzesbeschluß darf der Vermittlungsausschuß nur solche Änderungen vorschlagen, die nicht zu einer nach Art. 76 Abs. 1 GG unzulässigen Denaturierung der ursprünglichen Gesetzesvorlage führen. Keine darüber hinausgehenden Schranken folgen hingegen aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue sowie dem grundgesetzlichen Funktionengefüge von Bundestag und Bundesrat.
VI. Zusammenfassung
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Aus der systematischen Einbeziehung grundgesetzlicher Verfahrensvorschriften folgt, daß der Vermittlungsausschuß auf Grund der strukturellen Unmöglichkeit einer Gesetzeswillensbildung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG nur solche Inhalte in seinen Einigungsvorschlag aufnehmen darf, hinsichtlich derer bereits eine den Mindestanforderungen aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 und Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG genügende demokratisch-parlamentarische Willensbildung im Bundestag stattgefunden hat. Da beide Maßstäbe in keinerlei Wechselbeziehung zueinander stehen, hat der Vermittlungsausschuß im Ergebnis sowohl den inhaltlichen Rahmen des Anrufungsbegehrens zu wahren als auch sich auf solche Inhalte zu beschränken, die schon Gegenstand einer demokratisch-parlamentarischen Willensbildung im Bundestag gewesen sind. Sein Einigungsvorschlag bedarf daher einer Anrufungsund einer Verfahrenslegitimation. Hieraus folgt eine zweistufige Prüfung der Vereinbarkeit eines Einigungsvorschlags mit dem Grundgesetz. Der Prüfung der Wahrung des Anrufungsbegehrens vorgelagert ist hierbei die Frage nach dessen Zulässigkeit. Bei der Formulierung des Anrufungsbegehrens sind die anrufungsberechtigten Organe grundsätzlich frei. Bundestag und Bundesregierung dürfen lediglich nicht die – allerdings ohnehin fernliegende – Aufhebung des Gesetzesbeschlusses verlangen. Inhaltlich unzulässig ist eine Anrufung des Vermittlungsausschusses allein zum Zweck der Klärung einer Rechtsfrage. Keine Bedenken bestehen hingegen gegenüber einem offen gefaßten Anrufungsbegehren. Voraussetzung ist allerdings die Bestimmbarkeit seines Inhaltes. Ist ein Anrufungsbegehren zulässig, ergibt sich der durch den Vermittlungsausschuß zu wahrende inhaltliche Rahmen zum einen aus der strukturellen Bezüglichkeit jedes Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages, zum anderen aus den durch das anrufende Organ formulierten Anrufungsgründen. Erstere verlangt die Einhaltung des Gesetzgebungsziels der ursprünglichen Vorlage – im Falle einer auf einzelne Normen beschränkten Anrufung des Regelungsziels der einzelnen Norm. Der Inhalt der durch das Anrufungsorgan vorgenommenen Einschränkungen ist durch eine Auslegung im Einzelfall zu ermitteln. Hierbei können neben dem Anrufungsbeschluß ergänzend auch vorangegangene Willensbekundungen des anrufenden Organs mit herangezogen werden. Seine weiteste Ausprägung erfährt der hieraus folgende inhaltliche Rahmen im offenen Anrufungsbegehren. Dieses ermöglicht sämtliche Änderungen und Ergänzungen des Gesetzesbeschlusses, die vom Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Vorlage getragen werden. Begehrt der Bundesrat die Aufhebung des Gesetzesbeschlusses, ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln, ob es sich hierbei lediglich um eine Maximalforderung handelt, oder dem Vermittlungsausschuß tatsächlich nur die Möglichkeit verbleiben soll, die Bestätigung oder Beseitigung des Gesetzesbeschlusses vorzuschlagen. Schließlich ist der Vermitt-
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
lungsausschuß befugt, Berichtigungen des Gesetzesbeschlusses vorzunehmen. Bedingung ist allerdings, daß sie innerhalb des gegenständlichen Rahmens des Anrufungsbegehrens verbleiben. In einem zweiten Schritt ist sodann die Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags zu untersuchen. Die einzelne Regelung eines Einigungsvorschlags hat dabei eine den grundgesetzlichen Mindestanforderungen aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 und Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG genügende parlamentarisch-demokratische Willensbildung erfahren, wenn ihr konkreter Regelungszweck plenarförmlich und bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten in den vorangegangenen Beratungen der zur Anrufung des Vermittlungsausschusses führenden Gesetzesvorlage im Bundestag vorgezeichnet gewesen ist. Die Einbeziehung von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren in einen Einigungsvorschlag ist hierbei grundsätzlich unzulässig. Sie verkannte Sinn und Zweck des Gesetzgebungsverfahrens als konkreter, ihren Ausgangspunkt in einer einzelnen Gesetzesvorlage nehmenden und in ihrem Ergebnis das einzelne Gesetz legitimierenden Wahrnehmung der Gesetzgebungsbefugnis durch den Bundestag. Des weiteren führte sie zu einer Verschleierung von Verantwortlichkeiten und träte in Widerspruch zu den Grundsätzen der Kompetenzklarheit und der förmlichen Strenge des Gesetzgebungsverfahrens. Schließlich verkürzte sie das Recht des Gesetzesinitianten der anderen Vorlage, seinen Entwurf noch bis zur Beschlußfassung zurückziehen zu können (Art. 76 Abs. 1 GG). Hiervon ausgenommen bleibt die Berücksichtigung von Inhalten einer Gesetzesvorlage, die mit der der Anrufung des Vermittlungsausschusses zugrunde liegenden Gesetzesvorlage gemeinsam in erster Lesung beraten und an den zuständigen Ausschuß überweisen wurden, auf dessen Vorschlag nach § 64 Abs. 2 GOBT der Bundestag sodann die Zusammenführung beider Verhandlungsgegenstände beschlossen hat. Die gegenüber einer Einbeziehung von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren erhobenen grundsätzlichen Bedenken greifen gegenüber einer solchen Vorlage nicht durch. Inhaltlich in den vorangegangenen Beratungen des Bundestages vorgezeichnet sein muß in Anknüpfung an die final-gestaltende Funktion des parlamentarischen Willensbildungsprozesses der einzelne Normzweck einer Regelung des Einigungsvorschlags. Ausschließlich an den Gesetzesbeschluß des Bundestages anknüpfende Ansätze vermögen eine eigenständige Verfahrenslegitimation der im Vermittlungsvorschlag gerade zum Ausdruck kommenden Abweichung vom Gesetzesbeschluß nicht zu begründen. Anderrseits erscheint es wenig zweckmäßig, darüber hinaus die Textidentität von Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses und Regelungsalternative in vorausgegangener Debatte im Bundestag zu verlangen, nähme ein solches Erfordernis dem Vermittlungsausschuß doch jede Möglichkeit zu einer flexibel-gestaltenden Kompromißsuche. Plenarförmlich ist das Regelungsziel einer einzelnen Bestimmung des Vermittlungsvorschlages zutage getreten, wenn es in öffentlicher Debatte des Plenums
VI. Zusammenfassung
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in schriftlicher und hinreichend bestimmter, die Ernsthaftigkeit unmittelbaren gesetzgeberischen Tätigwerdens vermittelnder Form vorlag. Formal werden diese Voraussetzungen nach geltendem Geschäftsordnungsrecht grundsätzlich von Gesetzentwürfen (§ 75 Abs. 1 lit. a GOBT), Stellungnahmen des Bundesrates, den Beschlußempfehlungen und Berichten der Ausschüsse (§ 75 Abs. 2 lit. a GOBT) und Änderungsanträgen (§ 75 Abs. 2 lit. b GOBT) erfüllt. In Ausnahmefällen kann dies auch auf (einfache) Anträge (§ 75 Abs. 1 lit. d GOBT) und Unterrichtungen durch die Bundesregierung (§ 75 Abs. 1 lit. e GOBT) zutreffen. Inhaltlich ist für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen, ob und inwieweit sich der einzelnen Vorlage die verbindliche und hinreichend präzise Formulierung eines konkreten Regelungsziels entnehmen läßt. Allgemeine politische Programme, Thesen oder Appelle genügen diesem Erfordernis nicht. Das Erfordernis einer tatsächlichen Mitwirkungsmöglichkeit des Abgeordneten verlangt, daß der einzelne Abgeordnete hinsichtlich des bereits in den vorangegangenen Plenarberatungen des Bundestages zutage getretenen einzelnen Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses über die Möglichkeit verfügte, von seinen Mitwirkungsrechten im parlamentarischen Verfahren Gebrauch zu machen. Unerheblich ist, ob die Abgeordneten von diesen auch tatsächlich Gebrauch gemacht haben. Andererseits darf die Mitwirkungsmöglichkeit des Abgeordneten aber nicht als eine nur theoretische verstanden werden, sondern muß im einzelnen Gesetzgebungsverfahren auch tatsächlich bestanden haben. Hierbei wird man ein über die Mitwirkung in den Ausschüssen hinausreichendes Mindestmaß an Mitwirkungsrechten auch im Plenum als grundgesetzlich geboten ansehen müssen. Die tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten wird dabei durch das geltende Geschäftsordnungsrecht verwirklicht. Damit ist eine solche jedenfalls bei geschäftsordnungskonformer Durchführung der Beratungen im Bundestag gewährleistet. Als insoweit verfassungsrechtlich zwingend erscheinen hierbei die Mitteilung der Tagesordnung (§ 20 GOBT), die Verteilung von Vorlagen (§ 77 Abs. 1 GOBT), die Begründung von Gesetzentwürfen (§ 76 Abs. 2 GOBT), die Wahrung von Mindestfristen zur Entscheidungsfindung, das Rede- sowie das Antragsrecht. Schließlich sperrt sich der dynamische Charakter des Vermittlungsverfahrens als Vorgang politischer Kompromißsuche gegen eine allzu strikte Maßstäblichkeit und drängt auf einen gewissen Spielraum und ein bestimmtes Maß an Flexibilität. Diesem praktischen Bedürfnis kann durch Einräumung eines Beurteilungsspielraumes Rechnung getragen werden. Als Anknüpfungspunkte bieten sich zum einen für das Kriterium der Anrufungslegitimation die Bestimmung des Gesetzgebungsziels der ursprünglichen Gesetzesvorlage, zum anderen für das Kriterium der Verfahrenslegitimation die Benennung des Normzwecks der einzelnen Regelung eines Vermittlungsvorschlags an, der im konkreten Verfahren im Bundestag eine plenarförmliche Vorzeichnung erfahren haben muß. Bei der Ermittlung dieser beiden – ohnehin schwerlich eindeutigen – Größen ist dem
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D. Die Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses
Vermittlungsausschuß eine Einschätzungsprärogative zuzugestehen. Dabei kann an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Anerkennung eines Beurteilungsspielraumes des Gesetzgebers bei Prognoseentscheidungen und deren Übertragung auf politische Entscheidungen der Exekutive von weitreichender Bedeutung angeknüpft werden. Auch das Handeln des Vermittlungsausschusses besitzt originär politischen Charakter.
E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz Verläßt ein Einigungsvorschlag den zulässigen Vermittlungsrahmen, stellt sich die Frage nach den Folgen für die hiervon betroffenen Vorschriften.
I. Unklarheit über die Fehlerfolge in Rechtsprechung und Schrifttum Über die Frage, welche Fehlerfolge eine Überschreitung der Vermittlungskompetenz nach sich zieht, herrscht in Rechtsprechung und Schrifttum Unklarheit. Oft wird sie gar nicht erst gestellt oder ist man sich ihrer nicht bewußt. Findet doch eine Auseinandersetzung mit ihr statt, ist diese meist von großer Unsicherheit geprägt. So wird sich einer Aussage zur Fehlerfolge entweder gänzlich enthalten, 1 Unwirksamkeit einfach festgestellt, 2 eilig von der „formellen Verfassungswidrigkeit“ auf die Nichtigkeit der betroffenen gesetzlichen Regelung geschlossen 3 oder aber eine aus jeder Kompetenzüberschreitung folgende Nichtigkeit konstatiert 4. Auch diejenigen Stimmen, die sich eingehend – zumeist kritisch – mit möglichen Differenzierungen bei der Bestimmung der Fehlerfolge von Verfahrensfehlern im Gesetzgebungsverfahren auseinandersetzen, 5 weisen in sich Widersprüchlichkeiten auf, 6 vor allem aber unterstellen sie das Vorliegen eines Verfahrensfehlers, begründen ihn jedoch nicht. 7 Das Bundesverfassungsgericht schließlich hat, nach1
Quaas, WM 1982, 283 (284). Hübner / Schaden, DStR 1999, 2093 (2098). 3 Heimann / Frey, GmbHR 2001, 171 (174). Siehe auch Schmidt-Jortzig / Schürmann, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 76, Rn. 131. 4 Zugmaier, FR 2001, 250 (251). 5 Siehe nur B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (50 ff.); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (332). 6 So stellen Huber / Fröhlich fest, daß Teile des Einigungsvorschlages zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 nicht wirksam in das Gesetzgebungsverfahren einbezogen worden seien, erwecken damit zunächst den Eindruck, von der aus einer Kompetenzverletzung folgenden Nichtexistenz der Vorschriften auszugehen, prüfen sodann jedoch die Offensichtlichkeit des Mangels mit der Begründung, nur eine solche ziehe die Nichtigkeit des Gesetzes nach sich, was wiederum für die Annahme eines Verfahrensfehlers spricht (vgl. Huber / Fröhlich, a. a. O.). Ähnliches gilt für Wieland, der auf die – zudem in der Sache unzutreffende (siehe hierzu sogleich E. IV. 2.) – Möglichkeit hinweist, eine 2
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
dem es in seinen früheren Entscheidungen immer zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des jeweiligen Vermittlungsvorschlags gekommen und damit nicht zu einer Auseinandersetzung mit der Frage nach dessen zutreffender Fehlerfolge gezwungen war, in seinem Beschluß zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform einen unzulässigen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses als Verfahrensverstoß qualifiziert, dabei jedoch auf Grund mangelnder Evidenz von einer Anordnung der Nichtigkeit des Gesetzes abgesehen. 8 Auch hier bleibt allerdings unklar, warum in einer die Grenzen der Vermittlungskompetenz verletzenden Regelung eines Vermittlungsvorschlags ein Verfahrensfehler und kein bloßer Kompetenzverstoß zu sehen ist. Dabei ist eine Qualifizierung als Kompetenzverstoß oder Verfahrensfehler für die Ermittlung der Fehlerfolge von maßgeblicher Bedeutung. Während die Verletzung einer Kompetenzvorschrift uneingeschränkt die Nichtigkeit betroffener Regelungen nach sich zieht, tritt diese Konsequenz für Mängel im Verfahren nicht ohne weiteres ein. Kommt man zu dem Ergebnis, daß ein unzulässiger Einigungsvorschlag als Fehlerhaftigkeit im Verfahren zu begreifen ist, ist vielmehr zunächst die für Verfahrensfehler im Unterschied zu Kompetenzverstößen bestehende Möglichkeit einer Heilung zu prüfen. Scheidet auch eine solche aus, gilt es, sich mit den in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansätzen für eine Differenzierung bei der Bestimmung der Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren auseinanderzusetzen, die in Abhängigkeit von der „Qualität“ eines Verfahrensfehlers unter bestimmten Voraussetzungen von einer Sanktion der Nichtigkeit des Gesetzes absehen wollen. Im Mittelpunkt steht hierbei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, bei nicht evidenten Mängeln im Gesetzgebungsverfahren auf eine Nichtigerklärung des Gesetzes zu verzichten.
II. Die Nichtigkeit eines Einigungsvorschlags wegen Verstoßes gegen die Kompetenzvorschrift des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG Mit einem Einigungsvorschlag, welcher den zulässigen Vermittlungsrahmen verläßt, überschreitet der Vermittlungsausschuß seine in Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG begründete wie begrenzte Kompetenz. Kompetenzüberschreitung des Vermittlungsausschusses könne durch den anschließenden Beschluß des Bundestages geheilt werden (Wieland, jurisPR-SteuerR 13/2004, Anm. 3). 7 Auch Schenke, dessen Verdienst es ist, als einziger den Versuch unternommen zu haben, nachzuweisen, warum ein über den zulässigen Vermittlungsrahmen hinausreichender Einigungsvorschlag auch die Fehlerhaftigkeit der folgenden Abschnitte des als mehrstufig und zeitlich gestreckt zu verstehenden Gesetzgebungsverfahrens nach sich zieht, legt nicht dar, wie aus der Kompetenzüberschreitung ein Verfahrensfehler wird (W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 71 f.). 8 BVerfGE 120, 56 (79 f.) (Vermittlungsausschuß); siehe auch jüngst BVerfG, 2 BVR 758/07 vom 8. 12. 2009, Absatz-Nr. 77.
II. Verstoß gegen die Kompetenzvorschrift des Art. 77 Abs. 2 S. 1, 5 GG
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1. Die Nichtigkeitsfolge der Verletzung einer grundgesetzlichen Kompetenzvorschrift Folge eines unter Verletzung der grundgesetzlichen Kompetenzordnung zustande gekommenen Gesetzes ist dessen Nichtigkeit 9. 10 Nichtigkeit meint dabei die ipso iure 11 mit Wirkung ex tunc 12 und auf Dauer 13 eintretende umfassende Unwirksamkeit. 14 Das Gesetz entfaltet keinerlei inhaltliche Wirkungen. Es darf nicht (mehr) angewandt werden. 15 Die von ihm angeordneten Rechtsfolgen sind nicht eingetreten. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, welches Organ dazu befugt ist, diese Nichtigkeitsfolge – deklaratorisch – festzustellen. Auch ein die Grenzen der Vermittlungskompetenz verletzender Einigungsvorschlag ist damit grundsätzlich nichtig. Schließlich soll er in seiner Form unverändert beschlossen in Gesetzeskraft erwachsen. 9 BVerfGE 31, 47 (53) (Hessisches Besoldungsgesetz); BVerfGE 34, 9 (25) (Besoldungsvereinheitlichung); BVerfGE 36, 342 (365) (Niedersächsisches Landesbesoldungsgesetz); siehe auch BVerfGE 84, 9 (20 f.) (Ehenamen); st. Rspr.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 20, Rn. 33; Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20, Rn. 95; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 84; jeweils m.w. N. 10 Zur Kritik am Nichtigkeitsdogma von den Vertretern einer sogenannten „Vernichtbarkeitslehre“ vgl. nur C. Böckenförde, Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze, S. 21 ff.; M. Graßhof, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 78, Rn. 13 m.w. N.; Moench, Verfassungswidriges Gesetz und Normenkontrolle, S. 114 ff.; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 16 ff. Siehe auch Grzeszick, in: Maunz / Dürig u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 VI, Rn. 45; Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 53 ff, insbes. S. 58 ff., Hein, Die Unvereinbarerklärung verfassungswidriger Gesetze durch das Bundesverfassungsgericht, S. 94 ff.; W. Meyer, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 93, Rn. 39; sowie jüngst M. Breuer, DVBl. 2008, 555 ff. 11 Vgl. BVerfGE 31, 47 (53) (Hessisches Besoldungsgesetz) („weil eine für gültig gehaltene und bisher nicht für nichtig erklärte Vorschrift in Wahrheit nichtig ist“). Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20, Rn. 95 m.w. N.; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 84. 12 Siehe nur BVerfGE 1, 14 (37) (Südweststaat); BVerfGE 2, 143 (173) (EVG-Vertrag); BVerfGE 7, 377 (387) (Apotheken-Urteil); BVerfGE 8, 51 (71) (1. Parteispenden-Urteil); st. Rspr. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20, Rn. 95; Schlaich / Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 379; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 84; Stern, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 93, Rn. 273. 13 Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20, Rn. 95; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 84. 14 Vgl. Jarass, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 20, Rn. 33; Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20, Rn. 95; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 84. Zur Begriffsgeschichte J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, S. 21 ff. 15 Jarass, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 20, Rn. 33.
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
2. Reichweite der Nichtigkeit des Einigungsvorschlages Fraglich bleibt, ob damit der Einigungsvorschlag in seiner Gesamtheit oder nur die einzelne, über den zulässigen Vermittlungsrahmen hinausreichende Regelung als unwirksam anzusehen ist. 16 Auch insoweit läßt sich an Beschränkungen der Nichtigkeitsfolge für das spätere Gesetz anknüpfen. Das Bundesverfassungsgericht 17 geht dabei in Übereinstimmung mit dem Schrifttum 18 in ständiger Rechtsprechung vom Grundsatz der Teilnichtigkeit von Gesetzen aus. Danach beschränkt sich die Nichtigkeitsfolge regelmäßig auf die einzelne Vorschrift. Die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen des Gesetzes bleibt indes unberührt. Die Nichtigkeit einer einzelnen Vorschrift führt vielmehr nur dann zur Nichtigkeit des ganzen Gesetzes, wenn sich aus dem objektiven Sinn des Gesetzes ergibt, daß den übrigen – verfassungskonformen – Bestimmungen keine eigenständige Bedeutung zukommt, 19 ferner dann, wenn die grundgesetzwidrige Vorschrift Teil einer Gesamtregelung ist, die ihren Sinn und ihre Rechtfertigung verlöre, nähme man einen ihrer Bestandteile heraus, 20 wenn also die nichtige Vorschrift mit den übrigen Bestimmungen derart verflochten ist, daß sie eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden kann 21. Gleichermaßen verfährt das Gericht bei
16 Vorrangig ist jedoch immer die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung zu prüfen. Gleiches meint die vereinzelt im Schrifttum zu findende – allerdings irreführende – Begrifflichkeit einer „qualitativen Teilnichtigkeit“, mit der eine auf bestimmte Anwendungsfälle reduzierte, den Wortlaut unberührt lassende Nichtigerklärung bezeichnet wird; vgl. Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 92 ff.; siehe auch J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, S. 100 f.; Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 203 (Fn. 265); Sachs, DVBl. 1979, 389 (390 ff.); Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 167 (Fn. 69). Ausführlich zur Gleichsetzung von verfassungskonformer Auslegung und „qualitativer Teilnichtigkeit“, die sich lediglich in ihrer – einmal positiv normerhaltenden, einmal negativ normverwerfenden – Perspektive unterscheiden, Skouris, a. a. O., S. 106 ff. (v. a. 108 ff.). 17 BVerfGE 8, 274 (301) (Preisgesetz); st. Rspr. Ausführlich zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 30 ff. 18 Vgl. J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, S. 99 ff.; Stober, JA 1979, 416 (418 f.); siehe auch Sachs, DVBl. 1979, 389 ff. Grundlegend Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen. 19 BVerfGE 2, 380 (406) (Haftentschädigung); BVerfGE 5, 25 (34) (Apothekenerrichtung); BVerfGE 8, 71 (79) (Bestimmtheit einer Rechtsverordnung). Vgl. auch BVerfGE 6, 273 (281) (Gesamtdeutsche Volkspartei). 20 BVerfGE 1, 264 (272) (Bezirksschornsteinfeger); BVerfGE 14, 56 (72) (Gemeindegerichte); BVerfGE 22, 134 (152) (EWG-Recht). 21 BVerfGE 9, 305 (333) (Kriegsfolgelasten I); aus jüngerer Zeit BVerfGE 112, 226 (253) (Studiengebühren); siehe auch BayVfGH n. F. 3, 28 (50). Stober, JA 1979, 416 (419). Ausführlich Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 75 ff.
II. Verstoß gegen die Kompetenzvorschrift des Art. 77 Abs. 2 S. 1, 5 GG
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der Nichtigerklärung von Rechtsverordnungen 22 und Satzungen 23. Tragender Gedanke dieser Einschränkungen einer Totalnichtigerklärung ist ein im Gewaltenteilungsgrundsatz wurzelnder Respekt vor dem Willen des parlamentarischen Gesetzgebers. 24 Der mit jeder Nichtigerklärung einhergehende Eingriff in die gesetzgeberische Gestaltungsmacht soll in seinen Auswirkungen so gering wie möglich gehalten werden. Zentrales Kriterium bei der Beantwortung der Frage nach der Teilbarkeit eines Gesetzes als Voraussetzung für eine Beschränkung auf eine Teilnichtigkeit ist denn auch der in Sinn und Zweck der Gesamtkonzeption Ausdruck findende Wille des Gesetzgebers. 25 Allein die „Krankheit“ eines nach – gegebenenfalls hypothetischer 26 – Vorstellung des Gesetzgebers unverzichtbaren Eckpfeilers der Gesamtregelung soll dabei auch den „gesunden“ Rest infizieren und damit zum Einsturz des ganzen Gebäudes führen können. 27 Überträgt man diesen Maßstab auf die Frage nach der Reichweite der Nichtigkeit eines Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses, ist nach der Trennbarkeit der den zulässigen Vermittlungsrahmen verlassenden Vorschrift von den übrigen in diesem vorgesehenen Bestimmungen nach Vorstellung des Vermittlungsausschusses zu fragen. Keine Schwierigkeiten ergeben sich hierbei, wenn der Vermittlungsausschuß mit der Anordnung einer gesonderten Abstimmung nach § 10 Abs. 3 S. 1 GOVA der Eigenständigkeit einer einzelnen, von ihm vorgeschlagenen Änderung explizit Ausdruck verliehen hat. Unbestritten dürfte auch sein, daß für den Fall eines Artikelgesetzes die Nichtigkeit der Änderungen des einen Gesetzes nicht die Nichtigkeit der Änderungen des anderen (selbständigen) Gesetzes zur Folge hat. 28 Anders verhält es sich hingegen, wenn sich weder ausdrücklich noch konkludent Anhaltspunkte für die Vorstellung des Vermittlungsausschusses gewinnen lassen. In der Praxis dürfte dies angesichts der Nichtöffentlichkeit der Verhandlungen im Vermittlungsausschuß den Regelfall bilden. Die Eigenschaft eines Einigungsvorschlags als ein in Stellvertreterschaft verhandeltes Kompromißpaket könnte dann ein Aufschnüren im Zweifel unzulässig erscheinen lassen und gegen die Teilbarkeit eines Vermittlungsvorschlags sprechen. Konsequenz wäre im Zweifel – und damit wohl auch im praktischen Re22 Vgl. BVerfGE 9, 83 (87) (Strafbarkeit der Arzneiproduktion). Hierzu jüngst Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 165 ff. 23 BVerfGE 65, 325 (358) (Zweitwohnungsteuer). Siehe hierzu auch Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 202 ff. 24 Vgl. Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 41. Siehe auch Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 204. 25 Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 83 ff.; siehe auch H. Müller, DVBl. 1964, 104 (105). 26 Vgl. Skouris, Teilnichtigkeit von Gesetzen, S. 83 f. 27 H. Müller, DVBl. 1964, 104 (105). 28 Vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 80 f.
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
gelfall – die Nichtigkeit des gesamten Einigungsvorschlags. Ein solches Ergebnis stünde jedoch in erheblichem Widerspruch zu dem das Vermittlungsverfahren als solches tragenden Gedanken, das ursprüngliche Gesetzgebungsziel im selben Gesetzgebungsverfahren noch soweit wie möglich zu verwirklichen 29. Diese Rechtfertigung des Vermittlungsverfahrens spricht vielmehr dafür, die Nichtigkeitsfolge im Zweifel auf die einzelne Vorschrift eines Einigungsvorschlags zu beschränken. Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, daß die von der Nichtigkeit betroffene einzelne Regelung der Mehrheit im Vermittlungsausschuß möglicherweise überhaupt erst mit Anlaß gegeben hat, dem Einigungsvorschlag in seiner Gesamtheit zuzustimmen. Denn die Berücksichtigung von Mängeln in der Willensbildung der Mitglieder von Gesetzgebungsorganen ließe sich nur schwerlich mit der förmlichen Ausgestaltung 30 des Gesetzgebungsverfahrens durch das Grundgesetz vereinbaren. Sie sind daher im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich unbeachtlich. 31 Im Ergebnis ist damit im Zweifel nur diejenige einzelne Regelung eines Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses nichtig, welche die Vermittlungskompetenz verletzt. Die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen bleibt hiervon grundsätzlich unberührt. Gesamtnichtig ist ein Einigungsvorschlag ausnahmsweise dann, wenn sich im Einzelfall der Nachweis erbringen läßt, daß die betroffene Regelung – nach Vorstellung des Vemittlungsausschusses – als untrennbarer Bestandteil des Kompromißvorschlages in seiner Gesamtheit zu verstehen ist. Der Vermittlungsausschuß kann letzterem insbesondere im Wege der Berichterstattung nach § 10 Abs. 1 S. 2 GOVA Ausdruck verleihen.
III. Der nichtige Einigungsvorschlag als Fehler im Gesetzgebungsverfahren In Abwandlung der eingangs formulierten Frage ist im folgenden somit nicht zu untersuchen, ob ein unzulässiger Einigungsvorschlag als Kompetenzverstoß oder Verfahrensfehler zu verstehen ist, sondern ob er Kompetenzverstoß und Verfahrensfehler zugleich darstellt.
29
Ausführlich hierzu oben A. III. 2. a) cc). Vgl. BVerfGE 120, 56 (78) (Vermittlungsausschuß). 31 Vgl. BVerfGE 16, 80 (88) (Gleichberechtigungsgesetz); siehe auch schon Lukas, Fehler im Gesetzgebungsverfahren, S. 6 f. Im Zusammenhang mit der Verabschiedung eines unzulässigen Einigungsvorschlags siehe auch B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (47 ff.); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 80. 30
III. Nichtiger Einigungsvorschlag als Fehler im Gesetzgebungsverfahren
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1. Grundsatz organbezogener Exklusivität von Kompetenzverstoß und Verfahrensfehler Den Ausgangspunkt bildet hierbei die grundsätzliche Exklusivität von Kompetenzverstoß und Verfahrensfehler. Im Verständnis einer über das Gebot demokratischer Legitimation hergestellten Verbindung von Kompetenz und Verfahren bezeichnet das Verfahren die konkrete Ausübung der einzelnen Kompetenz eines Organs. 32 Funktion dieses konkreten Verfahrens ist es, den abstrakt-gegenständlichen äußeren Rahmen der Kompetenz mit Inhalten zu füllen. Betrachtet man mögliche Fehlerhaftigkeiten, kann staatliches Handeln damit entweder außerhalb des durch die Kompetenz gesetzten Rahmens liegen, oder aber innerhalb dessen Verfahrensregeln verletzen. Kumulativ können beide Fehler hingegen nicht auftreten. Denn ein Handeln, welches den äußeren Rahmen der Kompetenz verläßt, ist ein Nicht-Handeln. Damit findet aber auch ein Verfahren überhaupt nicht statt. Eine Verletzung von Verfahrensgrundsätzen ist nicht denkbar. Kompetenzverstoß und Verfahrensfehler stehen somit in einem Verhältnis der Ausschließlichkeit. Diese Exklusivität von Kompetenzverstoß und Verfahrensfehler gilt auch für komplexe Verfahrensstrukturen unter Beteiligung mehrerer Organe wie dem Gesetzgebungsverfahren. Denn Kompetenzverletzung und Verfahrensfehler sind für jedes einzelne Organ gesondert zu ermitteln. Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß sich die Kompetenzüberschreitung des einen – beteiligten – Organs zugleich als Verfahrensfehler im – übergeordnet einheitlichen – Verfahren des anderen Organs darstellen kann 33, sind es insoweit doch verschiedene Organe, welche die Bezugsgröße von Kompetenzverstoß und Verfahrensfehler bilden. Voraussetzung ist allerdings, daß die Kompetenzverletzung auch überhaupt Gegenstand des übergeordnet einheitlichen Verfahrens geworden ist. An letzterem kann es insbesondere dann fehlen, wenn die Beteiligung des anderen Organs fakultativ ausgestaltet ist. 2. Eine Überschreitung der Kompetenz des Vermittlungsausschusses als Fehler im Gesetzgebungsverfahren (des Bundestages) Die Eigenschaft des Gesetzgebungsverfahrens als ein Verfahren des Bundestages 34, in welchem dem Vermittlungsausschuß lediglich ein Mitwirkungsrecht eingeräumt ist, ermöglicht es, eine Überschreitung der Kompetenz des Vermittlungsausschusses zugleich als Fehler im Verfahren des Bundestages zu verstehen. Der (teil-)nichtige Einigungsvorschlag stellt eine fehlerhafte Mitwirkung des Vermittlungsausschusses im Verfahren des Bundestages dar. Er wird so zu einem 32 33 34
Siehe oben C. I. 3. c). Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 267. Vgl. oben C. III.
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
Verfahrensfehler im Gesetzgebungsverfahren. Für den Fall, daß die Verletzung der Vermittlungskompetenz in der Einbeziehung eines den Mindestanforderungen an eine demokratische Willensbildung im Bundestag aus Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 2 und 42 Abs. 1 S. 1 GG nicht genügenden Gegenstandes besteht, ließe sich die Annahme eines Verfahrensfehlers auch bereits unmittelbar aus der (alleinigen) Perspektive des Bundestag begründen 35. Die Qualifizierung einer auf der Überschreitung des Anrufungsbegehrens beruhenden Überschreitung der Grenzen der Vermittlungskompetenz als Verfahrensfehler vermag eine solche Sichtweise jedoch nicht zu erklären. In jedem Falle Voraussetzung für die Annahme eines Verfahrensfehlers ist, daß der Einigungsvorschlag auch tatsächlich Gegenstand des Verfahrens im Bundestag geworden ist. 36 Nach § 10 Abs. 1 S. 1 GOVA ist der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses auf Änderung oder Aufhebung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes alsbald auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen. Ein Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses wird damit, auch wenn es sich nur um einen „Vorschlag“ handelt, zwingend zum Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens. Dies läßt sich nicht einmal für den Fall vermeiden, daß der Bundestag von dessen (teilweiser) Unwirksamkeit überzeugt ist oder aber insoweit zumindest Bedenken hegt. Denn auch einer – ohnehin auf Zustimmungsgesetze beschränkten – erneuten Anrufung des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 S. 4 GG liegt der Einigungsvorschlag, wenn auch in negativer Ablehnung, zugrunde. Auch ein daneben denkbarer (sofortiger) Beschluß des Bundesrates nach Art. 77 Abs. 2a Alt. 2 GG oder nach Art. 77 Abs. 3 S. 1, S. 2 Hs. 2 GG über den Gesetzesbeschluß in seiner ursprünglichen Fassung hülfe nicht weiter, begründete er doch mit seiner Verletzung der für einen solchen Beschluß grundgesetzlich determinierten (zeitlichen) Voraussetzungen seinerseits einen neuen – wenn auch anderen – Verfahrensfehler. 3. Reichweite der Fehlerhaftigkeit des Beschlusses des Bundestags nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG und Fortsetzung im weiteren Verfahrensablauf Damit ist allerdings nicht zwangsläufig der gesamte Beschluß des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG oder gar das ganze Gesetz als (verfahrens-) fehlerhaft anzusehen. Zwar wird ein Verfahrensfehler in der Regel das gesamte Verfahrensergebnis erfassen. In einem mehrstufigen, zeitlich gestreckten Verfahren – zudem unter Beteiligung mehrerer Organe – wie dem Gesetzgebungsverfahren ist jedoch für die Fortsetzung der Fehlerhaftigkeit im weiteren Verfah35 Vgl. W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 80. 36 Zu Konstellationen, in denen dies nicht der Fall ist, siehe sogleich E. III. 3.
III. Nichtiger Einigungsvorschlag als Fehler im Gesetzgebungsverfahren
261
rensablauf maßgeblich, ob und inwieweit die ursprüngliche Fehlerhaftigkeit auf die folgenden Verfahrensabschnitte überhaupt durchschlägt und insbesondere im Verfahrensergebnis Niederschlag findet. 37 Insoweit von vorneherein gar nicht Gegenstand der Beschlußfassung des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG und damit unberührt bleiben die vom Einigungsvorschlag nicht betroffenen Teile des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses. Sie wurden vom Bundestag verfahrensfehlerfrei beraten und beschlossen. Schließlich kann sich die Fehlerhaftigkeit des Vermittlungsvorschlags auch nur in solchen Regelungen fortsetzen, denen der Bundestag sodann auch seine Zustimmung erteilt hat. Nicht angenommene Bestimmungen des Einigungsvorschlags finden sich im Gesetz gerade nicht wieder. Insoweit ist das Gesetz daher auch nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Handelt es sich um Änderungs- und nicht um Ergänzungsvorschläge, tritt vielmehr der ursprüngliche – fehlerfreie – Gesetzesbeschluß unverändert in Kraft. 38 Verfahrensfehlerhaft sind damit allein diejenigen Bestimmungen des Gesetzes zustande gekommen, welche unmittelbar auf eine vom Bundestag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG beschlossene Regelung des Einigungsvorschlags zurückgehen, welche die Kompetenz des Vermittlungsausschusses überschreitet. Der Beschluß des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG sowie der Zustimmungsbeschluß des Bundesrates nach Art. 77 Abs. 2a GG werden hierbei auch nicht dadurch in ihrer Gesamtheit fehlerhaft, daß Bundestag oder Bundesrat in Kenntnis der teilweisen Unwirksamkeit des Einigungsvorschlages anders entschieden hätten, dem Vermittlungsvorschlag also ihre Zustimmung verweigert hätten, etwa weil die betroffene Vorschrift von ihnen als essentialium des geschnürten Kompromißpakets angesehen wurde. Fehlgeschlagene Erwartungen begründen lediglich einen Motivirrtum. Auch wenn man darüber hinaus – aufgrund des geänderten Entscheidungsgegenstandes – einen Inhaltsirrtum annimmt, bleibt dies unbeachtlich. Mängel in der Willensbildung der Mitglieder der Gesetzgebungsorgane sind im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich rechtlich irrelevant 39.
37 Vgl. die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Auflösung des Deutschen Bundestages, BVerfGE 62, 1 (35 f.) (Bundestagsauflösung) („Art. 68 GG normiert einen zeitlich gestreckten Tatbestand; an seinem Schluß steht, wenn das Verfahren nicht schon vorher sein Ende findet, die Entscheidung des Bundespräsidenten. Verfassungswidrigkeiten, die auf den zeitlich vorangehenden Stufen eingetreten sind, wirken auf die Entscheidungslage fort, vor die der Bundespräsident nach dem Auflösungsvorschlag des Bundeskanzlers gestellt ist.“); siehe hierzu auch W.-R. Schenke, in: Heyde / Wöhrmann (Hrsg.), Auflösung und Neuwahl des Bundestages 1983 vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 208. Zur Fortsetzung der Fehlerhaftigkeit eines Vermittlungsvorschlags im Gesetzgebungsverfahren im speziellen siehe W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 71 f. 38 Vgl. hierzu oben C. II. 3. 39 Vgl. die Nachweise in Fußnote 31.
262
E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
IV. Die Möglichkeit einer Heilung durch erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses Mit der Einordnung eines die Vermittlungskompetenz überschreitenden Einigungsvorschlags als Verfahrensfehler stellt sich die Frage nach der für solche grundsätzlich bestehenden Möglichkeit einer Heilung. Als Beseitigung des aufgetretenen Rechtsfehlers bezeichnet diese – entgegen immer wieder anzutreffender Einordnung 40 – keine Fehlerfolge, sondern geht vielmehr einer Bestimmung der Fehlerfolge voraus. 41 1. Begriff und Voraussetzungen der Heilung Heilung meint die nachträgliche Behebung eines Fehlers durch die fehlerfreie Wiederholung des ursprünglich fehlerhaften (Teil-)Aktes mit der Folge, daß dieser als nunmehr rechtmäßig aufrecht erhalten werden kann. 42 Im Unterschied zum umfassenden Neuerlaß eines rechtsmangelhaften Aktes ermöglicht das Institut der Heilung eine auf den fehlerbehafteten Teil beschränkte Wiederholung noch im selben Verfahren. Es stellt so eine sofortige und unveränderte Wirkung des betroffenen Aktes sicher. In ihrer Vermeidung zeitlicher Verzögerungen besitzt die Heilung zudem einen verfahrensökonomischen Vorzug. Nicht alle Verfahrensfehler sind allerdings einer Heilung zugänglich. Eine Heilung ist vielmehr nur dann und insoweit möglich, als eine nachträgliche oder erneute Durchführung der fehlerbehafteten Verfahrenshandlung den von der Verfahrensregelung verfolgten Zweck in gleicher Weise zu verwirklichen geeignet ist. 43 2. Unmöglichkeit einer Heilung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG Hiernach grundsätzlich nicht geeignet, eine Heilung des Verfahrensfehlers „(teil-)nichtiger Einigungsvorschlag“ herbeizuführen, ist die (erneute) Beschlußfassung des Bundestages über den Vermittlungsvorschlag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 40
Vgl. nur Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 422 u. 429 ff.; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 305 ff. u. 363 ff.; Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 157 ff. u. 205 ff. 41 So zutreffend Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 147; W.-R. Schenke, VerwArch 2006, 592 (595). 42 Vgl. hierzu wie zum folgenden Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 147 ff. m.w. N. Siehe auch W.-R. Schenke, VerwArch 2006, 592 (595 f.) zum Verständnis des Begriffes der Heilung in § 45 VwVfG. 43 Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 151.
IV. Heilung durch erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses
263
Hs. 2 GG. Entgegen vereinzelt vertretener Auffassung 44 vermag der Bundestag durch die Annahme eines Einigungsvorschlags nicht dessen Verfassungswidrigkeit zu beheben. 45 In der Alternative, daß die Unzulässigkeit des Vermittlungsvorschlages auf dem Überschreiten des Anrufungsbegehrens beruht, scheint dies augenscheinlich. Die erneuten Beschlußfassungen von Bundestag und Bundesrat vermögen ein Überschreiten des Anrufungsbegehrens nicht zu heilen. Schließlich meint Heilung eine Wiederholung des fehlerbehafteten Aktes. Insoweit käme allenfalls eine erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses durch Bundestag oder Bundesrat in Betracht. Anderenfalls blieben Verletzungen des Anrufungsbegehrens immer sanktionslos. Gleiches gilt allerdings auch für den Fall, daß der Kompetenzverstoß des Vermittlungsausschusses darin begründet liegt, Vorschläge zu Inhalten gemacht zu haben, hinsichtlich derer in den vorangegangenen Beratungen im Bundestag noch keine den grundgesetzlichen Mindestanforderungen genügende parlamentarisch-demokratische Willensbildung stattgefunden hat. Denn das Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ist mit seiner grundgesetzlich vorgegebenen Beschränkung auf die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlages 46 schon strukturell ungeeignet, eine demokratischen Mindestanforderungen genügende, umfassende parlamentarische Willensbildung nachholend zu verwirklichen. 47 Mit dem Einigungsvorschlag ist das Ergebnis des Verfahrens inhaltlich schon vorgegeben. Dem Bundestag verbleibt lediglich, darüber zu entscheiden, ob er den vorgeschlagenen Regelungen zustimmt oder sie ablehnt. Allein insoweit kann eine parlamentarische Willensbildung sich noch ereignen. Kennzeichen demokratisch-parlamentarischer Willensbildung ist jedoch gerade ihre Gestaltungsmacht und Ergebnisoffenheit. Beide sind im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG nicht gegeben. Damit kann im Verfahren des Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ein durch Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistetes demokratisches gesetzgeberisches Gestalten aber auch nicht umfassend verwirklicht, ein diesbezüglich existierendes Defizit nicht nachträglich behoben werden. Den völligen Verzicht auf eine umfängliche parlamentarisch-demokratische Willensbildung vermag der das Vermittlungsverfahren tragende Gedanke legislativer Effizienz, wie nachgewiesen 48, gerade nicht zu rechtfertigen.
44
So aber Wieland, jurisPR-SteuerR 13/2004, Anm. 3. Wie hier Erbslöh, NVwZ 2007, 155 (157); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (327); Rosenthal, NJW 1998, 1105 (1106); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 72 ff. 46 Vgl. oben C. II. 3. c) aa). 47 Vgl. auch Erbslöh, NVwZ 2007, 155 (157); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (327); Rosenthal, NJW 1998, 1105 (1106); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 72 f. 48 Vgl. ausführlich oben A. III. 2. c). 45
264
E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
3. Heilung durch erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 4 GG Anders verhält es sich mit der Möglichkeit einer erneuten Anrufung des Vermittlungsausschusses. Diese eröffnet dem Vermittlungsausschuss die Möglichkeit, seine fehlerhafte Mitwirkung zu wiederholen. Mit seinem erneuten Einigungsvorschlag kann er nunmehr sowohl im Rahmen des Anrufungsbegehrens verbleiben als auch nur solche Regelungen empfehlen, hinsichtlich derer eine demokratischen Mindestanforderungen genügende Willensbildung des Bundestages bereits stattgefunden hat. Die nochmalige Anrufung des Vermittlungsausschusses ermöglicht damit eine Behebung der Kompetenzverletzung des Vermittlungsausschusses in beiden denkbaren Alternativen. 49 Schließlich gibt sie dem anrufenden Organ Gelegenheit, sein den äußeren Rahmen jeglicher Vermittlungsbemühungen bestimmendes Anrufungsbegehren neu zu formulieren und den Vermittlungsausschuß hierbei nun auch zu zuvor noch unzulässigen Regelungsvorschlägen zu legitimieren. Nach Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 4 GG ist die Möglichkeit einer erneuten Anrufung des Vermittlungsausschusses allerdings auf Zustimmungsgesetze beschränkt. Voraussetzung ist zudem einerseits, daß einem der – jeweils zu einer einmaligen Anrufung befugten – Organe des Bundesrates, des Bundestages und der Bundesregierung überhaupt noch eine Anrufungsberechtigung verbleibt, andererseits, daß das betroffene Organ von seiner Befugnis auch tatsächlich Gebrauch macht.
V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren Besteht für einen die Grenzen der Vermittlungskompetenz überschreitenden Einigungsvorschlag keine Heilungsmöglichkeit (mehr) oder wurde von dieser kein Gebrauch gemacht, stellt sich die Frage nach der Folge dieses Verfahrensfehlers für das betroffene Gesetz. 50
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Dies scheint Schenke wohl zu übersehen, wenn er sich zwar mit der Möglichkeit einer erneuten Anrufung des Vermittlungsausschusses auseinandersetzt, hierbei jedoch lediglich die Möglichkeit eines inhaltlich unveränderten erneuten Vermittlungsvorschlages in Betracht zieht (W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 73 (Fn. 172)). 50 Gegenstand der folgenden Untersuchung der Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren sind allein Verstöße gegen (zwingendes) Verfassungsrecht, nicht hingegen bloße Geschäftsordnungswidrigkeiten.
V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren
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1. Fehlen einer gefestigten Dogmatik der Folgen von Verfahrensfehlern für das formelle Gesetz Im Unterschied zur Lehre vom fehlerhaften Verwaltungsakt, welche ein differenziertes System der Folgen von Verfahrensfehlern kennt 51, ist die Frage nach der Folge eines Verfahrensfehlers für Rechtsnormen (noch) nicht in vergleichbarer dogmatischer Tiefe durchdrungen. Während für Satzung 52 und Rechtsverordnung 53 zumindest der vereinzelte Versuch einer normspezifischen Fehlerfolgenlehre unternommen wurde, kann für das formelle (Parlaments-)Gesetz hiervon nicht die Rede sein 54. Zwar finden sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ansätze, Fehler im Gesetzgebungsverfahren nicht in gleicher Weise zu sanktionieren wie materielle Verfassungsverstöße. Sie sind jedoch vereinzelt geblieben, fügen sich nicht widerspruchfrei in die weitere Rechtsprechung des Gerichtes ein und haben zudem im Schrifttum teils heftige Kritik erfahren, allerdings ohne daß dies zum Entstehen eigenständiger dogmatischer Ansätze geführt hätte. a) Die „Evidenz“-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Zu Beginn der siebziger Jahre hat das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen 55 festgestellt, daß Mängel im Gesetzgebungsverfahren nur dann zur Nichtigkeit eines Gesetzes führten, wenn sie grob 56 oder evident 57 seien. 58 Ein 51 Grundlegend Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren; siehe auch ders., DVBl. 1988, 69 ff.; SchmidtPreuß, NVwZ 2005, 489 (491 ff.); sowie zu den Folgen grundrechtsverletzender Fehler im Verwaltungsverfahren im besonderen Grimm, NVwZ 1985, 865 (870 ff.); Hufen, NJW 1982, 2160 ff. Zu den Folgen von Fehlern im gerichtlichen Verfahren als verbleibender dritter Gewalt vgl. ausführlich Hößlein, Judikatives Unrecht, S. 54 ff. 52 Grundlegend Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen. 53 Jüngst Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen. 54 Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangte bereits Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 113. In diesem Sinne auch H. Klein, ZG 1986, 282 (283); Pohle, Die Verfassungswidrigerklärung von Gesetzen, S. 119. 55 BVerfGE 31, 47 (53) (Hessisches Besoldungsgesetz); BVerfGE 34, 9 (25) (Besoldungsvereinheitlichung). 56 BVerfGE 31,47 (53) (Hessisches Besoldungsgesetz). 57 BVerfGE 34, 9 (25) (Besoldungsvereinheitlichung). 58 Unklar bleibt hierbei, ob beide Kriterien als einheitlicher Maßstab zu verstehen sind, bei dem das Merkmal der Evidenz als typisierendes Indiz für die besondere Schwere eines Fehlers fungiert. In diesem Sinne wohl Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 61. Kritisch hingegen Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 173.
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
derart weitreichendes Absehen von der Sanktion der Nichtigkeit gebiete der Gedanke der Rechtssicherheit. 59 Auch entspreche dies einem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatz, wonach rechtswidrige Verwaltungsakte nur bei entsprechender Evidenz nichtig seien. 60 Entgegen eines im Schrifttum wiederholt bemühten Einwandes 61 wird man beide Entscheidungen auch nicht als lediglich einzelfallbezogene, einer Verallgemeinerung damit unzugängliche Rechtsprechung abtun können, hat das Gericht den vertretenen Maßstab doch in jüngerer Zeit nicht nur in seiner Entscheidung 62 zum Umlaufverfahren der Bundesregierung für Rechtsverordnungen erneuert, sondern jüngst auch ausdrücklich für das formelle Gesetz bekräftigt 63. Andererseits ist das Gericht jedoch – im Widerspruch zu dieser abstrakt-dogmatischen Bestimmung der Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren – bei der Verletzung konkreter grundgesetzlicher Anforderungen an das parlamentarische Verfahren, wie etwa Artt. 20 Abs. 2 GG, 38 Abs. 1 S. 2 GG oder 42 Abs. 1 S. 1 GG, wiederholt erkennbar von deren Nichtigkeitsfolge ausgegangen. 64 b) Kritik im Schrifttum Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts, bei Fehlern im Gesetzgebungsverfahren nur für den Fall ihrer Evidenz von der Nichtigkeit des Gesetzes auszugehen, hat im Schrifttum nachhaltige Kritik hervorgerufen 65. Bedenken erwecken 59 BVerfGE 34, 9 (25) (Besoldungsvereinheitlichung). Siehe auch jüngst für eine Verletzung des Zitiergebots (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG) BVerfGE 113, 348 (367) (Telekommunikationsüberwachung Niedersachsen). 60 BVerfGE 34, 9 (25) Besoldungsvereinheitlichung). 61 So etwa Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 113; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 76 f. 62 BVerfGE 91, 148 (175) (Umlaufverfahren). Für Satzungen folgend OVG Münster, NVwZ-RR 1997, 172 (174). 63 BVerfGE 120, 56 (79 f.) (Vermittlungsausschuß); BVerfG, 2 BVR 758/07 vom 8. 12. 2009, Absatz-Nr. 77. Siehe auch BVerfGE 103, 332 (390 f.) (Naturschutzgesetz Schleswig-Holstein). 64 Siehe vor allem BVerfGE 44, 308 (313) (Beschlußfähigkeit) („Weist das vom Bundestag bei der Verabschiedung eines Gesetzes eingeschlagene Verfahren einen Verstoß gegen zwingendes Verfassungsrecht auf und beruht der Gesetzesbeschluß auf diesem Verstoß, so entbehrt das Gesetz der Gültigkeit.“). 65 Vgl. nur Bryde, JZ 1998, 115 (119 ff.); E. Klein, in: Depenheuer u. a. (Hrsg.), FS für Isensee, S. 169 (173 f. u. 178 f.); Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 21 ff.; Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20, Rn. 95; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 76 ff.; siehe auch B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (55 u. 63); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 76, Rn. 1a; kritisch jüngst auch Palm, NVwZ 2008, 633 (635).
V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren
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hierbei sowohl der benannte Maßstab als auch die gewählte Rechtfertigung. So treffe die Erwägung, bei fehlender Evidenz eines Verfassungsverstoßes spreche das Gebot der Rechtssicherheit für eine Geltungserhaltung des Gesetzes, da die Rechtspraxis in solchen Fällen regelmäßig von dessen Verfassungsmäßigkeit und damit Wirksamkeit ausgehe, auf Verfahrensfehler und inhaltliche Mängel gleichermaßen zu, vermöge daher aber auch keine Differenzierung ihrer Fehlerfolge zu rechtfertigen. 66 Die vergleichende Bezugnahme des Gerichts auf die Fehlerfolgen formell-rechtswidriger Verwaltungsakte verkenne schließlich den besonderen Charakter des Gesetzgebungsverfahrens als parlamentarisches Normsetzungsverfahren, welcher eine Gleichsetzung der Fehlerfolgen von Verwaltungsakt und Gesetz grundsätzlich unzulässig erscheinen lasse 67. 68 Trotz ihrer Nachhaltigkeit hat die an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgetragene Kritik keine eigenständigen dogmatischen Konzeptionen hervorzubringen vermocht. Neben denjenigen Stimmen, die dem Bundesverfassungsgericht in seinem Ansatz folgen 69, Fehler im Gesetzgebungsverfahren nur für den Fall ihrer Evidenz mit der Nichtigkeit des Gesetzes zu sanktionieren, sowie den Vertretern der sogenannten Vernichtbarkeitslehre, die schon das Nichtigkeitsdogma als solches in Frage stellen 70, gelangt der überwiegende Teil des Schrifttums 71 zur Feststellung der Nichtigkeit grundsätzlich auch verfahrensfehlerhafter Gesetze. Allerdings geschieht dies überwiegend in lediglich negativer Widerlegung des vom Bundesverfassungsgericht vertretenen Maßstabs 72, selte66 Bryde, JZ 1998, 115 (120); W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 77 f. 67 Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 23 u. 29 ff.; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 77 f. 68 Möglicherweise hat diese Kritik mit dazu beigetragen, daß das Gericht bei der Erneuerung seiner Rechtsprechung in der Entscheidung zum Umlaufverfahren der Bundesregierung beim Erlaß von Rechtsverordnungen auf eine Bezugnahme auf das Verwaltungsrecht verzichtet und sich allein auf den Gedanken der Rechtssicherheit gestützt hat, obwohl die Rechtsverordnung als Rechtssatz der Exekutive für eine derartige Parallele noch eher Anlaß gegeben hätte (BVerfGE 91, 148 (175) (Umlaufverfahren). Gleiches gilt im übrigen auch für die jüngste Bekräftigung seiner Rechsprechung für das formelle Gesetz (BVerfGE 120, 56 (79 f.) (Vermittlungsausschuß)). 69 So wohl etwa Schmidt-Jortzig, ZParl 1992, 582 (599); s. a. Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 321. 70 Vgl. die Nachweise in Fußnote 10. Ausführlich hierzu auch sogleich E. V. 2. a). 71 Gegen eine Ungleichbehandlung von formellem und materiellem Verfassungsverstoß insbesondere Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 29; Pestalozza, NJW 1983, 2081 (2083, Rn. 14); ders., in: Starck u. a. (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 1, S. 519 (537); Pohle, Die Verfassungswidrigerklärung von Gesetzen, S. 95 u. 119; Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20, Rn. 95. Kritisch auch B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (55 u. 63). Differenzierend Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, S. 198 ff.
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
ner in positiver, dann allerdings zumeist auf eine einzelne grundgesetzliche Verfahrensvorschrift beschränkter Begründung 73. Differenzierende Lösungsansätze finden sich kaum. 74 Zu erwähnen ist insoweit allerdings der Vorschlag von Bryde 75, die Nichtigkeit eines Gesetzes davon abhängig zu machen, ob sich der Fehler im Gesetzgebungsverfahren auf den Inhalt des Gesetzes habe auswirken können. Maßgebliches Kriterium soll demnach die hypothetische Kausalität von Verfahrensfehler und Verfahrensergebnis sein. 2. Die Nichtigkeit des Gesetzes als zutreffende Folge der Verletzung grundgesetzlicher Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren Es ist weder die Intention der vorliegenden Arbeit noch vermag sie es zu leisten, eine grundlegende Fehlerfolgenlehre für das formelle Gesetz zu entwickeln. Gleichwohl läßt sich einer Stellungnahme nicht entziehen. Hierbei soll allerdings auf einen (positiven) Nachweis der Nichtigkeitsfolge verzichtet und sich allein auf eine (negative) Widerlegung der Zulässigkeit zumindest einer Ungleichbehandlung von materiellem und formellem Verfassungsverstoß in ihrer Fehlerfolge konzentriert werden. Besondere Berücksichtigung soll hierbei die Qualität des Verfahrens als Instrument demokratischer Legitimation erfahren. a) Ausgangspunkt: Der Grundsatz von der ipso-iure-Nichtigkeit Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit der Frage nach der zutreffenden Fehlerfolge von Mängeln im Gesetzgebungsverfahren bildet der Grundsatz der ipso-iure-Nichtigkeit 76. Hiernach führt der Verfassungsverstoß einer gesetzlichen Regelung zu ihrer Unwirksamkeit, ipso iure und mit Wirkung ex tunc. 77 Keine Rolle spielt dabei, ob es sich um eine inhaltliche oder eine formelle Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz handelt. Die Berechtigung dieses traditionellen Nichtigkeitsdogmas wird im Schrifttum allerdings zunehmend bestritten. 78 Nach 72 So etwa Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 22 ff.; Pohle, Die Verfassungswidrigerklärung von Gesetzen, S. 95 u. 119. 73 Vgl. etwa zum parlamentarischen Öffentlichkeitsgebot (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 42, Rn. 28 m.w. N. A. A. Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, S. 203. 74 Von vorneherein nicht hierunter fallen solche Stimmen, die lediglich die Möglichkeit der Heilung eines Fehlers im Gesetzgebungsverfahrens besonders betonen, bezeichnet das Instrument der Heilung doch keine Fehlerfolge, sondern eine deren Bestimmung vorangehende Behebung der Rechtswidrigkeit. Vgl. auch oben E. IV. 75 Bryde, JZ 1998, 115 (120). 76 Vgl. die Nachweise in Fußnote 9. 77 Benda / Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 1251 f. 78 Vgl. zum Diskussionsstand Battis, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 165, Rn. 30 f.; M. Graßhof, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 78, Rn. 13;
V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren
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Ansicht zahlreicher Stimmen könne – wenn auch mit unterschiedlicher Begründung 79 – für den Fall eines Verfassungsverstoßes lediglich die Vernichtbarkeit der betroffenen Regelung, nicht jedoch ihre Nichtigkeit angenommen werden, lasse sich die Nichtigkeitsfolge doch weder mit dem geltenden Recht belegen, noch aus rechtstheoretischen Grundannahmen ableiten. Diese sogenannte Vernichtbarkeitslehre gelangt damit schon aus grundsätzlichen Erwägungen auch für die Verletzung grundgesetzlicher Verfahrensvorschriften nicht zum Ergebnis der Nichtigkeit des Gesetzes. Insoweit richtig ist die Feststellung, daß allein das positive Recht eine Antwort auf die Frage nach der zutreffenden Sanktion eines Verfassungsverstoßes geben kann 80. 81 Weiter ist zuzugestehen, daß das Grundgesetz selbst die Folge eines Verfassungsverstoßes nicht ausdrücklich regelt. 82 Auch im Wege der Verfassungsinterpretation wird man eine Nichtigkeitsfolge wohl nicht ohne weiteres als zwingend ermitteln können. 83 So verlangt insbesondere der Vorrang der Verfassung nicht unbedingt, den aufgetretenen Normwiderspruch durch Anordnung der Nichtigkeit des Gesetzes aufzulösen 84. 85 Den Bestimmungen der Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG dürfte vielmehr grundsätzlich auch ein System C. Hartmann, DVBl. 1997, 1264 f.; Stern, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 93, Rn. 271 ff.; jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Siehe auch Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 78 ff.; sowie jüngst Breuer, DVBl. 2008, 555 (560 ff.). 79 Vgl. die Nachweise bei C. Hartmann, DVBl. 1997, 1264 (1264 f.). Siehe auch Grzeszick, in: Maunz / Dürig u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 VI, Rn. 45; sowie jüngst den eigenständigen Ansatz Breuers, welcher die bloße Vernichtbarkeit verfassungswidriger Gesetze aus dem staatlichen Gewaltmonopol ableiten will (M. Breuer, DVBl. 2008, 555 (560 ff.)). 80 Vgl. Schick, JZ 1969, 371 (372). 81 Zum Verhältnis der – dem positivrechtlichen Vorrang der Verfassung vorausliegenden – rechtstheoretischen Grundannahmen eines Kollisions- und eines Rechtsgeltungsmodells zur Nichtigkeitsfolge ipso iure vgl. ausführlich Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 120 ff.; siehe auch C. Hartmann, DVBl. 1997, 1264 (1265 f.); Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 25 ff. 82 M. Graßhof, Die Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 84; Menzel, DVBl. 1997, 640 (643). Siehe auch Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 79 ff.; Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 56. Anders etwa im Verwaltungsrecht: Vgl. nur § 46 VwVfG oder die jüngste Regelung in § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz. 83 Vgl. jüngst M. Breuer, DVBl. 2008, 555 (556 f.). 84 Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2807); Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 27; Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 106 f.; siehe auch Schick, JZ 1969, 371 (372). A. A. Menzel, DVBl. 1997, 640 (644); siehe auch Pietzcker, AöR 101 (1976), 374 (381); C. Hartmann, DVBl. 1997, 1264 (1266). 85 Unter ergänzender Heranziehung der Artt. 19 Abs. 2, 79 Abs. 1 S. 1, 79 Abs. 3 und 146 GG wird in der wissenschaftlichen Diskussion insoweit auch der übergeordnete Gedanke einer „Unverbrüchlichkeit der Verfassung“ eingeführt. So etwa J. Ipsen,
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
verfassungsgerichtlicher Gesetzesvernichtbarkeit und konstitutiver Normaufhebung genügen. 86 Auch dem im Zentrum der Diskussion 87 um eine grundgesetzliche Begründung des Nichtigkeitsdogmas stehenden Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG läßt sich keine zweifelsfreie Aussage zur Sanktionierung verfassungswidriger Normen entnehmen. 88 Ratio des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG ist eine Monopolisierung der Verwerfungskompetenz für formelle Gesetze beim Bundesverfassungsgericht, damit die Regelung einer Kompetenzfrage. Zu der den materiellen Maßstab betreffenden Frage, ob das Gericht mit seiner Entscheidung lediglich deklaratorisch die von Anfang an bestehende Unwirksamkeit einer verfassungswidrigen Norm feststellt oder aber diese mit konstitutiver Wirkung vernichtet, schweigt die Vorschrift. 89 Nicht weiter führt schließlich auch die Bestimmung des Art. 123 Abs. 1 GG. 90 Zwar mag der ausdrücklich angeordneten Geltungsbeendigung verfassungswidrigen vorkonstitutionellen Rechts ein Bedürfnis nach besonderer Rechtfertigung bloßer Vernichtbarkeit nachkonstitutionellen verfassungswidrigen Rechts erst durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts entsprinRechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, S. 159 ff.; siehe auch C. Hartmann, DVBl. 1997, 1264 (1266). 86 Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2807); Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 28. Vgl. zu einer solchen Regelung Art. 140 Abs. 5 des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes: „Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem ein Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben wird, verpflichtet den Bundeskanzler oder den zuständigen Landeshauptmann zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung. Dies gilt sinngemäß für den Fall eines Ausspruches nach Abs. 4. Die Aufhebung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt. Diese Frist darf 18 Monate nicht überschreiten.“; siehe hierzu auch M. Breuer, DVBl. 2008, 555 (563 f.); Söhn, Anwendungspflicht oder Aussetzungspflicht bei festgestellter Verfassungswidrigkeit von Gesetzen?, S. 26 ff. 87 Vgl. Battis, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 165, Rn. 30; M. Graßhof, Die Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 80 ff. Ausführlich J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, S. 164 ff. 88 Wie hier M. Graßhof, Die Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 81 f.; C. Hartmann, DVBl. 1997, 1264 (1267); Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 54 f.; Menzel, DVBl. 1997, 640 (643 f.); Pietzcker, AöR 101 (1976), 374 (380); Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 103 ff. Für die Begründbarkeit der Nichtigkeitsfolge aus Art. 100 Abs. 1 GG hingegen J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, S. 164 ff.; Löwer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, § 70, Rn. 114; Schlaich / Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 379 ff. Für Ableitbarkeit bloßer Vernichtbarkeit andererseits Söhn, Anwendungspflicht oder Aussetzungspflicht bei festgestellter Verfassungswidrigkeit von Gesetzen?, S. 14 f. 89 Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 54 f.; Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 106. 90 Vgl. M. Graßhof, Die Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 82 f.; Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, § 20 Rn. 16; Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 101 f. m.w. N. Siehe auch Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 54 (Fn. 39).
V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren
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gen, 91 zwingend auszuschließen vermag sie letzteres jedoch nicht. Ähnliches gilt für den ebenfalls ins Feld geführten Art. 19 Abs. 4 GG 92, welcher mit der Eröffnung des Rechtswegs zwar eine prozessuale Garantie begründet, die aus einem Rechtsverstoß folgende Rechtsfolge effektiv durchsetzen zu können, zu der Frage, welches die durch den Richter anzuordnende Rechtsfolge ist, als Gegenstand der materiellen Rechtslage aber gerade keine Aussage trifft 93. 94 Auch wenn sich die Nichtigkeitsfolge eines Verfassungsverstoßes damit nicht als Verfassungsprinzip begründen läßt, 95 so läßt sie sich doch genauso wenig (grundgesetzlich) widerlegen 96. 97 Insofern wäre es primäre Aufgabe des (verfassungsändernden) Gesetzgebers, die Folgen eines Verfassungsverstoßes ausdrücklich zu regeln. 98 Wie auch immer man sich zwischen den Alternativen der Nichtigkeit und der Vernichtbarkeit entscheiden mag, zu der hier allein zu klärenden Frage nach der zutreffenden Sanktionierung eines Verfahrensfehlers verhalten sich die maßstabgebenden Prinzipien jedenfalls neutral. Eine Ungleichbehandlung von formellem und materiellem Verfassungsverstoß in ihrer Fehlerfolge läßt sich aus ihnen nicht ableiten.
91 So J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, S. 164. 92 Vgl. J. Pietzcker, AöR 101 (1976), 374 (381). 93 Vgl. Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2807); Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 107. 94 Zu – im Ergebnis ebenfalls nicht weiterführenden – Versuchen einer einfachgesetzlichen Herleitung des Nichtigkeitsdogmas aus dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz vgl. ausführlich M. Graßhof, Die Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 84 ff.; Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 107 ff. 95 Vgl. BVerfGE 103, 332 (390) (Naturschutzgesetz Schleswig-Holstein); Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2807); siehe auch W. Meyer, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 93, Rn. 39. A. A. Schlaich / Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 379. 96 Vielmehr dürfte sie durchaus auch einen „verfassungsrechtlichen Gehalt“ aufweisen. Vgl. BVerfGE 103, 332 (390) (Naturschutzgesetz Schleswig-Holstein); Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2807). 97 M. Graßhof, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 78, Rn. 13. 98 In diesem Sinne jüngst auch M. Breuer, DVBl. 2008, 555 (565). Mangels bisheriger grundgesetzlicher oder bundesverfassungsgesetzlicher Regelung hat sich das Bundesverfassungsgericht einer – im Hinblick auf die mit ihr einhergehende Funktionenverschiebung nicht unproblematischen – differenzierten Tenorierungspraxis im Wege der Rechtsfortbildung beholfen. Siehe hierzu unten E. V. 4.
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
b) Die mangelnde Rechtfertigung einer Privilegierung von formellen Verfassungsverstößen Keine Bevorzugung formeller Verfassungsverstöße vermögen auch die vom Bundesverfassungsgericht zur Begründung seiner Beschränkung der Nichtigkeitsfolge auf evidente Verfahrensfehler angestellten Erwägungen zu rechtfertigen. aa) Die Verfehltheit einer vergleichenden Bezugnahme auf das Verwaltungsverfahren Die vom Gericht gezogene Parallele zum Verwaltungsrecht, in welchem es ein allgemeiner Grundsatz sei, daß rechtswidrige Verwaltungsakte nur bei Evidenz des Rechtsfehlers nichtig seien, ruft in dreifacher Hinsicht Bedenken hervor. Zunächst verkennt ein solcher Vergleich den spezifischen Charakter und die besondere Qualität des Gesetzgebungsverfahrens. Als Normsetzungsverfahren unterscheidet es sich als parlamentarisches Verfahren zum einen im Gegenstand, zum anderen in Verfahrenssubjekt und Gestaltungsmacht in ganz erheblicher Weise vom Verwaltungsverfahren. Je geringer aber staatliches Entscheiden materiellrechtlich determiniert ist, desto mehr gewinnt das die Entscheidung vorbereitende Verfahren an Bedeutung und Qualität. Des weiteren übersieht eine derartige Bezugnahme, daß die Rechtsfolge rechtswidriger Verwaltungsakte im Verwaltungsrecht im Unterschied zum formellen Gesetz dualistisch ausgestaltet ist. 99 Neben der Nichtigkeit bleibt als vorrangige Sanktionsmöglichkeit die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes. Für formelle Gesetze führt eine Beschränkung der Nichtigkeitsfolge hingegen zur Sanktionslosigkeit aller übrigen Fälle eines Verfassungsverstoßes. Schließlich besteht auch hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfbarkeit ein wesentlicher Unterschied zwischen der Vereinbarkeit eines Verwaltungsaktes mit dem Gesetz und der eines Gesetzes mit der Verfassung. 100 Während das verwaltungsgerichtliche Anfechtungsrecht auf Grund seiner Funktion, eine abschließende und richtige Entscheidung zwischen den Parteien herbeizuführen, auch eine Beurteilung der Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers für das Entscheidungsergebnis ermöglicht, ist eine derartige Ausrichtung auf Ergebnisrichtigkeit der richterlichen Normenkontrolle fremd. Denn eine Beurteilung von Richtigkeit oder Unrichtigkeit staatlichen Entscheidens setzt immer dessen inhaltliche Ableitbarkeit aus der höherrangigen Norm, dessen materiellrechtliche Determiniertheit voraus. Eine solche ist jedoch im Verhältnis von Verfassung und Gesetz nicht gegeben. Gesetzgebung meint mehr als Verfassungsvollzug 101. 102 99 Vgl. Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 23; W.-R. Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, S. 77. 100 Vgl. hierzu Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 29 f.
V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren
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bb) Die Indifferenz des Rechtssicherheitsarguments gegenüber formellem und materiellem Verfassungsverstoß Auch das Argument, die Rechtssicherheit gebiete, für nicht offenkundige Verfahrensfehler von der Nichtigkeit des Gesetzes abzusehen, überzeugt nicht. Die Frage nach der Auflösung des Spannungsverhältnisses von Rechtssicherheit und Durchsetzung des verfassungsmäßigen Zustandes stellt sich grundsätzlich für jedes verfassungswidrige Gesetz, gleich, ob die Fehlerhaftigkeit formeller oder materieller Natur ist. 103 Für materielle Verfassungsverstöße sieht das Gericht jedoch – zu Recht – grundsätzlich nicht von der Nichtigkeit des Gesetzes ab. Es nimmt keine Differenzierung am Maßstab der Offenkundigkeit der Grundgesetzverletzung vor. Damit ist die Evidenz eines Grundgesetzverstoßes aber auch kein geeignetes Kriterium, eine Privilegierung gerade von Verfahrensmängeln zu rechtfertigen. 104 Es ließe sich wohl noch eher umgekehrt argumentieren, daß die Rechtspraxis im Zweifel doch noch eher die Offenkundigkeit einer Unvereinbarkeit mit dem ihr in der Regel bekannten höherrangigen materiellen Recht beurteilen wird können als die Rechtmäßigkeit eines ihr regelmäßig doch wohl eher unbekannten Entstehungsvorgangs. Schließlich bleibt unklar, wann im einzelnen die Evidenz eines Verfahrensfehlers angenommen werden soll. 105 Der Begriff der Evidenz liefert, auch wenn er in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits zahlreiche Verwendung – wenn auch in sachlichrechtlicher Hinsicht – gefunden hat, 106 für sich genommen nur einen unscharfen Abgrenzungsmaßstab.
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Vgl. oben A. I. Zur Bedeutung der Strukturverschiedenheit von Norm und Verwaltungsakt für ihre (unterschiedliche) Fehlerfolge vgl. auch Ossenbühl, NJW 1986, 2805 (2812). 103 Bryde, JZ 1998, 115 (120); siehe auch Pestalozza, in: Starck u. a. (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 1, S. 519 (537). Insoweit konsequent das Evidenzargument zu einer umfassenden Vertrauensschutzlehre für den Gesetzgeber fortenwickelnd jüngst Moes, StuW 2008, 27 ff. 104 Bryde, JZ 1998, 115 (120); vgl. auch Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 76, Rn. 1a. 105 Kritisch insoweit auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 60 f.; Moench, Verfassungswidriges Gesetz und Normenkontrolle, S. 88. Vgl. auch Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 177. 106 Vgl. hierzu Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 23 ff.; siehe auch Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 171 f. (insbesondere Fn. 127) mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 102
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
c) Die grundsätzliche Unzulässigkeit einer Ungleichbehandlung von formellem und materiellem Verfassungsverstoß Ein Absehen von der Sanktionierung nicht offenkundiger Verletzungen grundgesetzlicher Verfahrensvorschriften entbehrt damit aber nicht nur negativ einer überzeugenden Rechtfertigung. Die grundsätzliche Unzulässigkeit einer Ungleichbehandlung von Verfahrensfehler und materiellem Verfassungsverstoß in ihrer Fehlerfolge läßt sich vielmehr auch positiv begründen. Ein entsprechender Nachweis stützt sich dabei auf den eigenständigen Charakter des Verfahrensrechts gegenüber dem materiellen Recht im allgemeinen sowie dessen besonderer Ausprägung und Bedeutung für das Verfassungsverfahrensrecht im besonderen. aa) Der (potentiell) selbständige Zweck von Verfahrensvorschriften Das Gros der Ansätze, welche eine nur eingeschränkte Anordnung der Nichtigkeitsfolge für Mängel im Gesetzgebungsverfahren vertritt, scheint im Kern auf der mehr oder minder latenten Annahme der grundsätzlichen Relativität verfahrensrechtlicher Erfordernisse gegenüber dem materiellen Recht zu beruhen. So soll ein weder schwerer noch evidenter Verfahrensverstoß hinter dem materiellen Gebot der Rechtssicherheit zurückstehen, ein ohne Auswirkungen auf das inhaltliche Ergebnis bleibender Fehler im Verfahrensablauf ohne Folgen bleiben. Eine solche Sichtweise geht jedoch zu Unrecht von einer ausschließlich dienenden Funktion verfahrensrechtlicher Anforderungen aus und verkennt damit die heteroteleologische Struktur 107 zahlreicher Verfahrensvorschriften, wie sie auch in den grundgesetzlichen Mindestanforderungen an das Gesetzgebungsverfahren Ausdruck findet. Zwar ist es richtig, daß Verfahrensvorschriften in der Regel (auch) eine dienende Funktion zukommt. Sie gewährleisten eine gewisse Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit, Abgewogenheit und Dauerhaftigkeit, aber auch Verfassungsmäßigkeit staatlichen Entscheidens. 108 So ermöglichen etwa ein demokratisches Verfahren (Art. 20 Abs. 2 GG) im allgemeinen wie auch die Rechte des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG), der Grundsatz öffentlicher parlamentarischer Verhandlung (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) oder aber eine Regelung wie Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG im besonderen ein transparentes Abwägen von Pro und Contra unter Einbeziehung externen Sachverstandes und tragen damit zu Sachgerechtigkeit und Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes bei. Die genannten Bestimmungen verfolgen insoweit einen auf das inhaltliche Ergebnis gerichteten Zweck. Damit 107 Begriff nach Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 133. Siehe auch Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 27, Rn. 107. 108 Vgl. Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (711). Siehe auch oben A. II. 3. m.w. N.
V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren
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ist dieser auch einer Abwägung mit den zu verwirklichenden Grundsätzen des materiellen Rechts wie etwa der Rechtsstaatlichkeit zugänglich 109. Diese Abwägbarkeit darf allerdings nicht im Sinne einer grundsätzlichen Nachrangigkeit verfahrensrechtlicher Anforderungen gegenüber dem materiellen Recht mißverstanden werden. 110 Sie ist allein Ausdruck des instrumentellen Charakters einer einzelnen Verfahrensregelung. Daneben können Verfahrensvorschriften jedoch auch einen eigenständigen, ihnen selbst innewohnenden Zweck – einen Selbst-Zweck – verfolgen. 111 Sie erfahren ihre Legitimation dann bereits aus sich selbst. Ihre Beachtung erfüllt schon für sich genommen einen von Rechts wegen anerkannten Zweck. Als derart (zugleich) selbstzweckbehaftete Normen sind auch die grundgesetzlichen Mindestanforderungen an ein parlamentarisch-demokratisches Gesetzgebungsverfahren einzuordnen. 112 Neben ihrem Beitrag zu Sachgerechtigkeit und Verfassungsmäßigkeit 113 stellen sie in erster Linie die (formale) Legitimation des Inhalts gesetzgeberischer Entscheidungen sicher 114. 115 Das (Parlaments-)Gesetz erfährt seine inhaltliche Legitimation in einem komplexen wechselseitigen Rückkoppelungsprozeß von parlamentarischem Gesetzgeber und Staatsvolk. 116 Von entscheidender Bedeutung für Quantität und Qualität, mit welcher hierbei der Wille des Staatsvolkes in die gesetzgeberische Entscheidung einfließen kann, ist die Ausgestaltung des parlamentarischen Verfahrens. Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG garantiert dabei mit der Öffentlichkeit der parlamentarischen Verhandlung die strukturelle Grundvoraussetzung jedes kommunikativen Austausches zwischen Parlament und Staatsvolk. 117 Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG weist dem einzelnen Abgeordneten als Vertreter des ganzen Volkes wesentliche Mitwirkungsbefugnisse 109 Wenn man insoweit nicht sogar schon eine Verletzung der betroffenen Verfahrensvorschrift verneinen will, findet sich deren Zweck doch schließlich verwirklicht. 110 Zu einer in diesem Sinne fehlverstandenen „dienenden Funktion“ des Verfahrensrechts vgl. die Nachweise in A. II. 3., Fußnote 51. 111 Hill spricht von „selbständigen Verfahrensvorschriften“, Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 367. 112 Vgl. Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 125; in eine ähnliche Richtung wohl auch Palm, NVwZ 2008, 633 (635). 113 Zur verfassungssichernden Wirkung des Öffentlichkeitsprinzips vgl. etwa Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, S. 182 ff. Siehe auch oben A. II. 3. 114 Diese ist streng formal zu verstehen und meint keine „Richtigkeit“ gesetzgeberischer Entscheidungen. Insoweit zumindest ungenau ist es, wenn von der „Gewährleistung einer gewissen Güte und Gerechtigkeit“ (Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (711)) oder „Qualität der Entscheidung“ (Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 114) die Rede ist. Ausführlich hierzu auch oben A. II. 1. 115 Zur Legitimierung als (weiterem) Zweck von Verfahrensvorschriften vgl. Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 135 ff. Siehe auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 379. 116 Vgl. ausführlich hierzu oben A. II. 1.
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
in den parlamentarischen Beratungen zu. Zwar wird eine (partielle) Nichtbeachtung der genannten Bestimmungen in der Regel zu keinem völligen Legitimationsverlust des Gesetzes führen, schon allein deswegen nicht, weil sich die demokratische Legitimation eines Gesetzes aus vielfältigen, sich wechselseitig ergänzenden Strängen speist, zu denen neben der sachlich-inhaltlichen auch die institutionelle und personelle Legitimation zu zählen sind. 118 Ein Verlust an legitimatorischer Qualität wird gleichwohl nicht geleugnet werden können. Schließlich bezieht das Gesetz seine besondere Legitimation neben seinem Autor gerade auch aus der besonderen Qualität des Verfahrens, in dem es zustande kommt. 119 Weist jedoch die demokratische Qualität dieses Verfahrens ein Defizit auf, so geht damit auch ein Legitimationsverlust des betroffenen Gesetzes einher. Ein solches Legitimationsdefizit ist einer kompensierenden Abwägung mit materiellrechtlichen Gehalten von vornherein unzugänglich. Schließlich findet sich in ihm ein vom materiellen Recht losgelöster eigenständiger Gehalt des Verfahrensrechts unvollkommen verwirklicht. Das Verfahrensrecht beschränkt sich somit keinesfalls auf einen ausschließlich instrumentellen, dem materiellen Recht untergeordneten Charakter. Vielmehr können Verfahrensvorschriften in heteroteleogischen Strukturen durchaus auch einen eigenständigen, ihnen selbst innewohnenden Zweck verfolgen. Bleibt diese originäre Zielsetzung einer einzelnen Verfahrensregelung im konkreten Verfahrensablauf unverwirklicht, besteht jedoch kein Anlaß, diese Verfehlung eines legislativen Zwecks im Unterschied zum materiellen Rechtsverstoß sanktionslos zu lassen. 120 bb) Die vermutet eigenständige Legitimationsfunktion des Verfassungsverfahrensrechts Der eigenständige Charakter verfahrensrechtlicher Anforderungen gewinnt für das Verfassungsverfahrensrecht besondere Bedeutung. 121 Das Grundgesetz kon117 Zur Selbstzweckhaftigkeit des Öffentlichkeitspostulats siehe Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 125. 118 Zur wechselseitigen Ergänzung und Substituierbarkeit der einzelnen Formen demokratischer Legitimation bereits oben eingangs B. 119 E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 381; Bryde, JZ 1998, 115 (118); Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis der Gesetzgebung, S. 176 m.w. N. Siehe auch die weiteren Nachweise in A. II. 1., Fußnote 37. 120 Hill spricht insoweit von „absoluten Verfahrensfehlern“ (Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 372). Siehe auch Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, § 27, Rn. 107. 121 Eine Betonung des besonderen Ranges verletzten Verfassungsverfahrensrechts findet sich auch bei Schmidt-Jortzig, ZParl 1992, 582 (600).
V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren
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stituiert eine Rahmenordnung. 122 Es beschränkt sich dabei im wesentlichen auf die Begründung einer Zuständigkeits- und Verfahrensordnung, verzichtet hingegen weitestgehend auf inhaltliche Festlegungen. Letztere überantwortet es der demokratischen Gestaltungsmacht des parlamentarischen Gesetzgebers. Während diesem hierbei inhaltlich ein weiter, lediglich durch äußerste materielle Schranken begrenzter Spielraum eingeräumt ist, unterliegt das Verfahren, in welchem der parlamentarische Gesetzgeber seine Entscheidungen trifft, einer grundgesetzlichen Regelung. Je inhaltsoffener die materiellen Vorgaben der Verfassung sind, desto mehr Bedeutung kommt jedoch den formellen Bestimmungen zu, insbesondere den Vorschriften über das Verfahren zum Erlaß eines den materiellen Rahmen der Verfassung ausfüllenden Gesetzes. 123 Das Grundgesetz geht dabei ersichtlich davon aus, daß besonderer Rang und Legitimation des Parlamentsgesetzes neben seinem Urheber ganz wesentlich in dem Verfahren gründen, in welchem es zustande kommt. 124 Vor diesem Hintergrund erscheinen Verstöße gegen die grundgesetzlichen Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren aber gerade nicht als besonders leichte, sondern vielmehr als besonders ernst zu nehmende Verletzungen des Verfassungsrechts. 125 Zumindest eine nachsichtigere Sanktionierung gegenüber Verletzungen von – lediglich als äußerste inhaltliche Schranken fungierenden – materiellen Maßstäben läßt sich in Anbetracht dessen nicht rechtfertigen. 126 Zumal die Tatsache, daß sich das Grundgesetz auch bei der Ausgestaltung des parlamentarischen Verfahrens lediglich auf grundlegende Mindesterfordernisse 127 beschränkt, die Vermutung erlaubt, daß in diesen eine eigenständige Bedeutung und gewisse – legitimationsspendende – Erheblichkeit bereits mitgedacht ist 128. 129 Blieben Verletzungen dieser – we122
Vgl. ausführlich hierzu wie zum folgenden oben A. I. Vgl. Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 58; Schmidt-Jortzig, ZParl 1992, 582 (600). 124 Vgl. BVerfGE 120, 56 (78) (Vermittlungsausschuß); siehe auch Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 114 sowie die Nachweise in A. II. 1., Fußnote 37. 125 Vgl. Bryde, JZ 1998, 115 (120); ders., Verfassungsentwicklung, S. 326 f.; Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 111; Pestalozza, in: Starck u. a. (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 1, S. 519 (537); Schmidt-Jortzig, ZParl 1992, 582 (600); kritisch auch Pohle, Die Verfassungswidrigerklärung von Gesetzen, S. 94 ff. Siehe auch Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, 1969, S. 199. 126 E. Klein, in: Depenheuer u. a. (Hrsg.), FS für Isensee, S. 169 (174 u. 179). 127 Neben der abschließenden Regelung der Initiativberechtigten in Art. 76 Abs. 1 GG und der Notwendigkeit eines Beschlusses des Bundestages nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG sind dies lediglich die aus Art. 20 Abs. 2 i.V. m. Artt. 38 Abs. 1 S. 2 und 42 Abs. 1 S. 1 GG zu gewinnenden Minimalanforderungen an ein demokratisches Verfahren. 128 Vgl. BVerfGE 120, 56 (78) (Vermittlungsausschuß). 129 Die Bedeutung des fragmentarischen Charakters der grundgesetzlichen Bestimmungen über das Gesetzgebungsverfahren für die Beachtlichkeit von Verfahrensverstößen 123
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
sentlichen – grundgesetzlichen Verfahrensvorschriften sanktionslos, verlören sie zudem ganz erheblich von ihrer disziplinierenden Bedeutung in einem inhaltlich weitestgehend freien Gestaltungsprozeß. 130 Schließlich könnte eine konsequente Ahndung von Fehlern im Verfahren der Gesetzgebung bei gleichzeitiger Zurücknahme der materiellen Kontrolle ihres inhaltlichen Ergebnisses einen Weg aus dem in einer parlamentarischen Demokratie mit kompetenziell höchstentwickelter Verfassungsgerichtsbarkeit grundsätzlich angelegten Spannungsverhältnis 131 von Gesetzgebung und verfassungsgerichtlicher Kontrolle weisen. 132 d) Ergebnis Zutreffende Folge eines Verstoßes gegen grundgesetzliche Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren ist die Nichtigkeit des Gesetzes. Ein differenzierendes oder gar umfassendes Absehen von der Nichtigkeitsfolge bei Mängeln im Gesetzgebungsverfahren führte zu einer Ungleichbehandlung von grundgesetzlichem Verfahrensfehler und materiellem Verfassungsverstoß. Eine solche läßt sich jedoch weder rechtfertigen, noch überzeugt sie im grundsätzlichen. 133 Die den Verzicht auf die Anordnung der Nichtigkeitsfolge für Verfahrensfehler wohl maßgeblich tragende Annahme einer grundsätzlichen Unterordnung des Verfahrensrechts gegenüber dem materiellen Recht beruht auf einem Fehlverständnis von dessen – auch – dienender Funktion und verkennt dabei, daß Verfahrensvorschriften eine heteroteleologische Struktur aufweisen können, in welcher sie eine Eigenständigkeit gegenüber dem materiellen Recht gewinnen. So kommt Verfahrensregelungen wie Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 2 und 42 Abs. 1 S. 1 GG neben ihrer Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit gesetzgeberischer Entscheidungen fördernden Wirkung auch eine das inhaltliche Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens legitimierende Funktion zu. Der fragmentarische Charakter der grundgesetzlichen Bestimmungen über das Gesetzgebungsverfahren bei gleichzeitig weitestgehender materiell-verfassungsrechtlicher Offenheit betont auch Schulze-Fielitz, NVwZ 1983, 709 (712). Siehe auch Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, S. 199. 130 Vgl. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20, Rn. 95. 131 Vgl. nur die gleichlautenden Beiträge von Kirchhof und Ossenbühl in: Badura / Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 5 ff. u. S. 75 ff.; Ossenbühl, in: Badura / Dreier (Hrsg.), FS BVerfG, Bd. 1, S. 33 ff.; Starck, ebd., S. 1 (6 ff.). Siehe auch Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht. 132 In diesem Sinne Bryde, JZ 1998, 115 (120); ders., Verfassungsentwicklung, S. 327; Siehe auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 58. 133 So im Ergebnis insbesondere auch E. Klein, in: Depenheuer u. a. (Hrsg.), FS für Isensee, S. 169 (179); Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 29; Pestalozza, NJW 1983, 2081 (2083, Rn. 14); ders., in: Starck u. a. (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 1, S. 519 (537); Pohle, Die Verfassungswidrigerklärung von Gesetzen, S. 95 u. 119.
V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren
279
rechtfertigt es, in diesen eine originär legitimierende Funktion bereits als mitgedacht zu vermuten. Ihre Verletzung zieht daher ein Legitimationsdefizit des betroffenen Gesetzes nach sich. Hiermit findet sich aber – gleich dem materiellen Verfassungsverstoß – ein eigenständiger Rechtsgehalt unverwirklicht. Eine Ungleichbehandlung in der Fehlerfolge läßt sich damit nicht mehr rechtfertigen. Auch Fehler im Gesetzgebungsverfahren führen daher grundsätzlich zur Nichtigkeit des Gesetzes. 3. Reichweite der Nichtigkeit des Gesetzes Ist hiermit der Nachweis der Nichtigkeit grundsätzlich auch (bloß) verfahrensfehlerhafter Gesetze erbracht, ist damit noch nicht beantwortet, wie weit diese Unwirksamkeit reicht. Verfahrensfehler werden im Unterschied zum materiellen Verfassungsverstoß in der Regel das ganze, da in seiner Gesamtheit den Gegenstand der Beratungen im Bundestag bildende, Gesetz erfassen und damit auch zur Nichtigkeit des Gesetzes in toto führen. Die fehlerhafte Mitwirkung des Vermittlungsausschusses stellt insoweit allerdings eine Ausnahme dar. Gegenstand seines Einigungsvorschlags sind regelmäßig nur Teile des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses. Damit können jedoch auch nur diese verfahrensfehlerhaft sein. Als verfahrensfehlerhaft sind daher nur solche Bestimmungen des Gesetzes anzusehen, die unmittelbar auf einen unzulässigen Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zurückgehen. Damit ist aber grundsätzlich auch nur die einzelne auf einem derartigen Vorschlag beruhende Vorschrift nichtig. 134 Die nichtige Regelung kann allerdings ausnahmsweise die Nichtigkeit des gesamten Gesetzes nach sich ziehen, wenn sie mit den übrigen Bestimmungen des Gesetzes derart verknüpft ist, daß sie als untrennbare Einheit zu verstehen sind, die nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden kann. 135 Dies ist dann der Fall, wenn der nach Streichung der fehlerhaften Bestimmung verbleibende Gesetzestorso für sich genommen keinen Sinn mehr ergibt. 136 Bei Ermittlung einer dahingehenden Vorstellung des Gesetzgebers ist zwischen der Trennbarkeit von ihrerseits ebenfalls auf dem Vermittlungsvorschlag beruhenden Regelungen und den übrigen Bestimmungen des Gesetzes zu unterscheiden. Außerdem gilt es zu berücksichtigen, daß mit der Nichtigkeit einer unzulässigen Änderung des Gesetzesbeschlusses dessen ursprüngliche Fassung – mangels Zustimmung des Bundesrates – nicht wieder auflebt. Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber in der fehlerhaften Regelung einen untrennbaren Bestandteil des Vermittlungsvorschlags gesehen hat, können sich aus der Aussprache über den 134
Vgl. Köster, Stbg 2004, 251 (254). Ausführlich zum Grundsatz der Teilnichtigkeit und seinen Durchbrechungen bereits oben E. II. 2.; vgl. auch die Nachweise in Fußnote 17 und 18. 136 Benda / Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 1262. 135
280
E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
Einigungsvorschlag im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ergeben. Hier werden noch einmal Sinn und Nutzen einer Streichung der eine solche Aussprache gegenwärtig noch – verfassungswidrig 137 – verhindernden Regelung des § 10 Abs. 2 GOVA deutlich. Unschädlich ist insoweit allerdings der Nachweis, daß der Bundestag in Kenntnis der (Teil-)Nichtigkeit des Einigungsvorschlags diesem gar nicht erst zugestimmt hätte, bleiben Mängel in der Willensbildung von Mitgliedern der gesetzgebenden Organe im Interesse der Rechtssicherheit doch grundsätzlich unbeachtlich. 138 Läßt sich weder ein ausdrücklicher noch ein hypothetischer Wille des Gesetzgebers ermitteln, von der Unverzichtbarkeit der fehlerhaften Vorschrift auszugehen, ist im Zweifel die Nichtigkeit nur der die Vermittlungskompetenz konkret überschreitenden Regelung des Gesetzes anzunehmen. Die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen des Gesetzes bleibt unberührt. 4. Annex: Die abgestufte Tenorierungspraxis des Bundesverfassungsgerichts Von der materiellen Begründung der Nichtigkeitsfolge zu unterscheiden ist deren Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht. Diese besitzt – zumindest wenn man dem Grundsatz der ipso-iure-Nichtigkeit Verfassungsrang beimißt – lediglich deklaratorischen Charakter. 139 Gleichwohl hat es das Bundesverfassungsgericht unternommen, einen Kanon weitreichender Ausnahmen 140 zu entwickeln, in denen es von einer Anordnung der Nichtigkeit absieht und sich auf eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit oder eine Appellentscheidung 141 beschränkt. Hierzu zählen neben der Konstellation eines Gesetzes, für das dem 137
Vgl. ausführlich oben C. II. 3. c) dd). Vgl. hierzu die Nachweise in Fußnote 31. 139 Schlaich / Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 380; Stern, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 93, Rn. 271. Siehe auch Hein, Die Unvereinbarerklärung verfassungswidriger Gesetze durch das Bundesverfassungsgericht, S. 93; J. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, S. 151. 140 Vgl. die überblicksartigen Darstellungen bei Battis, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 165, Rn. 34 ff.; Benda / Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 1267 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Siehe auch die Untersuchungen der Tenorierungspraxis des Bundesverfassungsgerichts bei M. Graßhof, Die Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 96 ff.; Moench, Verfassungswidriges Gesetz und Normenkontrolle, S. 37 ff. u. 69 ff.; Pestalozza, in: Starck u. a. (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 1, S. 519 (523 ff. u. 540 ff.); Pohle, Die Verfassungswidrigerklärung von Gesetzen, S. 63 ff. 141 Zur Notwendigkeit einer strikten Unterscheidung von Appellentscheidung und Erklärung der Verfassungswidrigkeit und zur nicht unproblematischen Tendenz des Gerichts auf eine solche insbesondere in solchen Fällen zurückzugreifen, in denen es zwar von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt zu sein, die Rechtsfolgen der Nichtigoder Verfassungswidrigerklärung jedoch zu scheuen scheint, Benda / Klein, Verfassungs138
V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren
281
Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, dessen Verfassungswidrigkeit zu beseitigen 142 – wie etwa bei einem gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluß 143 oder einer erst auf Grund veränderter tatsächlicher Umstände 144 oder im Zusammenwirken mehrerer Einzelregelungen 145 eintretenden Verfassungswidrigkeit – und der Vornahme einer überraschenden Neuorientierung des Gerichts in der verfassungsrechtlichen Bewertung 146 auch der – für Fehlerhaftigkeiten im Gesetzgebungsverfahren strukturell wohl allein in Betracht zu ziehende 147 – Fall, daß es durch den Ausspruch der Nichtigkeit nicht zu einer Behebung, sondern sogar noch zu einer Vertiefung des verfassungswidrigen Zustand 148 – etwa durch Eintritt eines Rechtschaos 149 – kommt, was eine zumindest vorübergehende Fortgeltung des gegenwärtigen Rechtszustandes trotz seiner Mängel rechtfertige 150. Allerdings bestehen gegenüber dieser die Folgen eines Nichtigkeitsausspruchs derart generell und ohne Bezeichnung konkreter verfassungsrechtlicher Gehalte abwägenden Rechtsprechung erhebliche Bedenken 151. Schließlich bedarf jede Durchbrechung des Nichtigkeitsgrundsatzes auch ihrerseits einer grundgesetzlichen Rechtfertigung, etwa durch Schutz eines Rechtsguts von Verfassungsrang 152, zumindest dann, wenn man, wie es das Gericht wohl tut 153, von dessen Verfassungsrang ausgeht. Anderenfalls ist wohl nicht nur ein einfachgesetzlich kompeprozeßrecht, Rn. 1278 ff. u. Rn. 1281. Zu den Fallgruppen der Appellentscheidung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im einzelnen siehe M. Graßhof, Die Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 189 ff. 142 Vgl. etwa BVerfGE 28, 227 (242 f.) (Landwirtschaftliche Bodengewinne); BVerfGE 41, 399 (425 f.) (Wahlkampfkostenpauschale); BVerfGE 78, 350 (363) (§ 10b EStG); BVerfGE 87, 153 (178) (Grundfreibetrag); BVerfGE 99, 280 (298) (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfGE 110, 94 (138) (Spekulationssteuer); st. Rspr. 143 So etwa BVerfGE 99, 280 (298) (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfGE 105, 73 (133) (Pensionsbesteuerung). 144 Vgl. BVerfGE 61, 319 (352 f.) (Ehegattensplitting). 145 Vgl. BVerfGE 82, 60 (84) (Steuerfreies Existenzminimum). 146 BVerfGE 120, 56 (79 f.) (Vermittlungsausschuß). 147 Siehe aber auch BVerfGE 120, 56 (79 f.) (Vermittlungsausschuß). 148 BVerfGE 33, 303 (347) (numerus clausus I) („der der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde als der jetzige“) oder umgekehrt BVerfGE 4, 157, Ls. 4 (Saarstatut) („näher beim Grundgesetz“). 149 Vgl. BVerfGE 21, 12 (Allphasenumsatzsteuer). 150 BVerfGE 83, 130 (154) (Josephine Mutzenbacher). 151 Zur Kritik vgl. nur Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 182 ff., insbes. S. 193 ff. u. 210 ff.; J. Ipsen, JZ 1983, 41 ff.; Sachs, DÖV 1982, 23 ff. Siehe auch Battis, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, § 165, Rn. 40 ff. m.w.N.; kritisch differenzierend schließlich auch Blüggel, Unvereinbarerklärung statt Normkassation durch das Bundesverfassungsgericht, S. 128 ff. 152 Vgl. C. Hartmann, DVBl. 1997, 1264 (1268). Siehe hierzu auch M. Graßhof, Die Vollstreckung von Normenkontrollentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 161 ff. 153 Vgl. die Nachweise in Fußnote 9.
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E. Die Folgen einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz
tenzwidriges Handeln nach dem BVerfGG anzunehmen, sondern besteht auch die Gefahr einer das in einer parlamentarischen Demokratie mit ausgeprägter Verfassungsgerichtsbarkeit ohnehin schon angelegte Spannungsverhältnis noch einmal ganz erheblich verschärfenden Funktionenverschiebung zu Lasten des Gesetzgebers 154. Ungeachtet dieser grundsätzlichen Einwände dürfte die Zahl der Fälle, in denen auf Grund der anfänglichen Nichtigkeit eines verfahrensfehlerhaften Gesetzes tatsächlich ein rechtliches Vakuum eintritt, wegen des hiervon regelmäßig unberührten Fortbestandes des alten, vorher gültigen Rechts allerdings ohnehin eher gering sein 155.
VI. Zusammenfassung Mit einem Einigungsvorschlag, welcher den zulässigen Vermittlungsrahmen überschreitet, verläßt der Vermittlungsausschuß seine in Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG geregelte Kompetenz. Die hiervon betroffenen Regelungen des Vermittlungsvorschlags sind daher nichtig. Nichtigkeit des gesamten Einigungsvorschlags tritt hingegen nur ausnahmsweise ein, wenn sich die fehlerhafte Bestimmung nach Vorstellung des Vermittlungsausschusses als untrennbarer Bestandteil des Kompromißvorschlages in seiner Gesamtheit darstellt. Aus Perspektive des Bundestages stellt sich ein (teil)nichtiger Einigungsvorschlag als fehlerhafte Mitwirkung des Vermittlungsausschusses im Gesetzgebungsverfahren dar. Der Kompetenzverstoß des Vermittlungsausschusses wird so zu einem Fehler im Verfahren des Bundestages. Als fehlerhaft sind dabei ausschließlich diejenigen Bestimmungen des Gesetzes anzusehen, die unmittelbar auf dem unzulässigen Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses beruhen. Als Verfahrensfehler ist ein unzulässiger Einigungsvorschlag grundsätzlich auch einer Heilung zugänglich. Eine solche nicht zu leisten vermag dabei allerdings die Beschlußfassung des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG. Erforderlich ist vielmehr eine nach Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 4 GG zumindest für Zustimmungsgesetze mögliche nochmalige Anrufung des Vermittlungsausschusses, welche diesem Gelegenheit gibt, mit einem erneuten Einigungsvorschlag nunmehr innerhalb der zulässigen Grenzen des Vermittlungsrahmens zu verbleiben. Tritt keine Heilung ein, ist die verfahrensfehlerhaft zustande gekommene Bestimmung des Gesetzes als nichtig anzusehen. Die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes ist nur dann anzunehmen, wenn die fehlerhafte Vorschrift als untrennbarer Bestandteil der Gesamtregelung des Gesetzes angesehen werden muß. Eine Abstufung der Folge von Mängeln im Gesetzgebungsverfahren in Abhängigkeit von ihrer Evidenz, Schwere oder Kausalität für das inhaltliche Ergebnis, damit eine Privilegierung von Verfah154 Vgl. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 391 ff.; Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 182 ff. 155 So auch C. Hartmann, DVBl. 1997, 1264 (1268).
VI. Zusammenfassung
283
rensfehlern gegenüber materiellen Verfassungsverstößen in ihrer Fehlerfolge läßt sich nicht rechtfertigen, vor allem aber verkennt sie den eigenständigen Charakter des Verfahrensrechts, welcher in den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren als Kern der grundgesetzlichen Rahmenordnung eine herausragende – wenigstens vermutete – legitimationsspendende Bedeutung gewinnt.
Zweiter Teil
Die Bewährung des Vermittlungsausschusses im Steuergesetzgebungsverfahren Im zweiten Teil der Arbeit soll der entwickelte zweistufige Prüfungsmaßstab einer praktischen Bewährungsprobe unterzogen und die danach vier möglichen Konstellationen der Wahrung oder Überschreitung der Vermittlungskompetenz aufgezeigt werden. Die beispielhaft gewählten Vorschriften entspringen dabei ausschließlich dem Steuerrecht. Dies ist der besonderen praktischen Relevanz des Vermittlungsverfahrens für die Steuergesetzgebung geschuldet 1, welche nicht zuletzt Ausdruck in der Tatsache findet, daß Gegenstand der bisherigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses ausschließlich steuergesetzliche 2 – zumindest aber finanzgesetzliche 3 – Regelungen waren 4. Ihrerseits begründet liegt diese besondere Bedeutung des Vermittlungsverfahrens für die Steuergesetzgebung in der – von Reformbemühungen bislang unberührt gebliebenen – Regelung der Ertrags- und Gesetzgebungskompetenz für die Steuern in der Finanzverfassung. 5 Art. 105 GG weist dem Bund die (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz auch für solche Steuern zu, deren Erträge ganz oder zum Teil den Ländern oder den Gemeinden 1
Vgl. B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (36 f.); Greite, NWB Fach 3, 10967 (10971); Mellinghoff, DStR 2003, Beihefter 3, 1 (6 f.). 2 So betraf das Urteil vom 7. Dezember 1999 die einkommensteuerrechtliche Beschränkung der Absetzbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG (BVerfGE 101, 297), der jüngste Beschluß des Gerichts vom 15. Januar 2008 die Streichung der umwandlungsteuerrechtlichen Regelung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 (BVerfGE 120, 56 (73 ff.) (Vermittlungsausschuß). 3 So hatten sowohl das „Wohnungsfürsorge“-Urteil (BVerfGE 72, 175) als auch der „Fehlbelegungsabgabe“-Beschluß (BVerfGE 78, 249) Vorschriften zum Gegenstand, welche durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz geändert worden waren. Siehe auch jüngst BVerfG, 2 BVR 758/07 vom 8. 12. 2009. 4 Siehe auch die große Zahl der Anrufungen des Vermittlungsausschusses zu Gesetzesbeschlüssen aus dem Geschäftsbereich der Finanzen in der nach Geschäftsbereichen unterscheidenden Übersicht bei Koggel, Die Tätigkeit des Vermittlungsausschusses in der fünfzehnten Wahlperiode des Deutschen Bundestages, Bundesanzeiger Nr. 18a vom 26. Januar 2006, S. 10. 5 Vgl. B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (36).
2. Teil: Der Vermittlungsausschuß im Steuergesetzgebungsverfahren
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zufließen, macht dies allerdings von der Zustimmung des Bundesrates abhängig. Da dies jedoch für nahezu alle wesentlichen Steuern der Fall ist 6, führt dies dazu, daß der Bundesrat seine Funktion als Interessenvertretung der Länder im steuerlichen Gesetzgebungsverfahren mit besonderer Nachdrücklichkeit wahrnimmt. Eine Verlagerung in die Verhandlungen des Vermittlungsausschusses wird hierbei vor allem dadurch gefördert, daß die in solchen Fällen zumeist sehr umfangreiche Stellungnahme des Bundesrates mit einer Bezeichnung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung als „besonders eilbedürftig“ (Art. 76 Abs. 2 S. 4 GG) zusammenfällt, was eine Berücksichtigung der Änderungsvorschläge des Bundesrates bereits in den parlamentarischen Beratungen praktisch nahezu unmöglich macht. 7 Zugleich besteht für steuergesetzliche Regelungen aber auch ein besonderes praktisches Bedürfnis für eine strikte Wahrung der Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses, sieht sich eine Verwirklichung des aufgezeigten Prüfungsmaßstabes anderseits jedoch auch vor besondere Herausforderungen gestellt. So sehen sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Vermittlungsausschuß bei der Steuergesetzgebung in besonderer Zuspitzung dem organisatorischen Apparat und Wissen der Exekutive in Gestalt des Bundesfinanzministers mit seiner Steuerabteilung sowie einiger Länderfinanzminister mit entsprechend leistungsfähiger Steuerverwaltung gegenüber 8. 9 Der Sicherung der (formalen) Mitwirkungsrechte der Abgeordneten kommt damit besondere Bedeutung zu. Anderseits bereitet die Bestimmung des als inhaltlichem Anknüpfungspunkt der Anrufungs- und Verfahrenlegitimation eines Regelungsvorschlages des Vermittlungsausschusses fungierenden einzelnen Normzwecks bei Steuergesetzen besondere Schwierigkeiten, soll sie sich nicht mit dem jedem Steuergesetz innewohnenden übergeordneten Finanzierungszweck in der Maßstabslosigkeit verlieren 10. Mit der jeder steuerrechtlichen Vorschrift eige6
So insbesondere für die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer (Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG), die Gewerbesteuer (Art. 106 Abs. 6 S. 1 GG), aber auch die Erbschaftsteuer (Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG). 7 Vgl. hierzu B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (37); Greite, NWB Fach 3, 10967 (10971). 8 Vgl. Greite, a. a. O. 9 Die damit fehlende fachliche Augenhöhe erfährt noch einmal eine Verschärfung, wenn wichtige Steuergesetze – wie in der jüngeren Staatspraxis immer häufiger zu beobachten – erst kurz vor Jahresende und damit unter immensem Zeitdruck verabschiedet werden („Dezember-Gesetzgebung“). Ein anschauliches Beispiel bietet hierfür das Haushaltsbegleitgesetz 2004. Ausführlich hierzu unten G. 10 Kritisch hierzu BVerfGE 120, 56 (76) (Vermittlungsausschuß) („So genügt etwa die bloße Formulierung eines Finanzierungszwecks nicht, über das Vermittlungsverfahren belastende steuerrechtliche Regelungen einzuführen.“). Siehe auch die bereits in der 37. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 7. Juli 1952 geäußerten Bedenken des Vorsitzenden („Die Fortsetzung dieser Übung [gemeint ist die Berücksichtigung auch von Bestimmungen, die in einem sachlichen oder rechtlichen Zusammenhang mit den in der Anrufung angesprochenen Bestimmungen stehen; Anm. des Verf.] im vorliegenden Falle
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2. Teil: Der Vermittlungsausschuß im Steuergesetzgebungsverfahren
nen Ertragswirkung zeitigt schließlich auch die Nichtigkeitsfolge der auf einem unzulässigen Einigungsvorschlag beruhenden gesetzlichen Regelung besondere Konsequenzen.
sei deswegen ungewöhnlich schwierig, weil bei einem Finanzgesetz wie dem vorliegenden jede Veränderung einer Einnahmebestimmung theoretisch alle übrigen Einnahmeund Ausgabebestimmungen in die Behandlung einbeziehe. Es sei sicherlich unzweckmäßig, diese theoretische Folge praktisch uneingeschränkt zu ziehen, da auf diese Weise alte im Bundestag durch Mehrheitsbeschluß ausgetragene Streitfälle wieder auflebten.“ (Kurzprotokoll I/37, S. 6)).
F. Art. 3 Nr. 6 lit. a des Steuervergünstigungsabbaugesetzes als Beispiel für die gegebene Anrufungs- und Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags Als Beispiel für die gegebene Anrufungs- und Verfahrenslegitimation eines Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses soll die Vorschrift des § 37 Abs. 2a KStG in der Fassung des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (StVergAbG) vom 16. Mai 2003 1 – KStG 2002 – dienen. 2
I. Gegenstand der Regelung des § 37 Abs. 2a KStG 2002 § 37 Abs. 2a KStG 2002 regelt die Beschränkung der Anrechenbarkeit von Körperschaftsteuerguthaben aus Zeiten des Anrechnungsverfahrens. Mit dem Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren verlor die Körperschaftsteuer ihren „Vorauszahlungscharakter“. Sie führte nunmehr zu einer Definitivbesteuerung der Körperschaften, findet doch eine Anrechnung der Körperschaftsteuer auf Ebene des Anteilseigners nicht mehr statt. Die Definitivbelastung von im Zeitpunkt des Systemwechsels bereits vorhandenen Altrücklagen sollte allerdings nach §§ 36 ff. KStG auf 30% begrenzt werden. Dies machte Übergangsbestimmungen erforderlich, welche das Schicksal des bereits aufgelaufenen Körperschaftsteuerguthabens regelten. Hierzu wurde 1/6 des letztmals zum 31. 12. 2000 ermittelten, mit 40% vorbelasteten Eigenkapitals als Körperschaftsteuerguthaben festgestellt (§ 37 Abs. 1 KStG). Bei künftigen ordentlichen Gewinnausschüttungen sollte die Gesellschaft aus diesem Guthaben bis zu dessen Verbrauch – längstens aber bis zum Ablauf eines 15-jährigen Übergangszeitraums – 1/6 des Ausschüttungsbetrags auf die von ihr im Jahr des Abflusses 1
BGBl I 2003, 660. In diese Fallgruppe ist auch die Vorschrift des § 370a AO i. d. F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (StBAG) vom 23. 7. 2002 (BGBl I 2002, 2715) einzuordnen. Zur Diskussion um die Wahrung der Vermittlungskompetenz durch § 370a AO vgl. nur Gast-de Haan, DStR 2003, 12 ff.; Wisser, DStR 2003, 1191 ff.; s. a. Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 294 ff.; zur – ebenso streitigen – materiellen Vereinbarkeit von § 370a AO mit dem strafgesetzlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) siehe nur BGH, NJW 2004, 2990 ff.; BGH, NJW 2005, 374 ff. mit Besprechung Hild / Albrecht, NJW 2005, 336 ff. 2
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F. Art. 3 Nr. 6 lit. a des Steuervergünstigungsabbaugesetzes
zu entrichtende Körperschaftsteuer gutgeschrieben erhalten (§ 37 Abs. 2 KStG). Haushaltspolitisch ging der Gesetzgeber dabei wohl von der Vorstellung aus, die hieraus resultierenden Körperschaftsteuerminderungen über den gesamten Übergangszeitraum von 15 Jahren verteilt bewältigen zu müssen. Dies stellte sich allerdings als Trugschluß heraus. Bereits im letzten Jahr der Geltung des Anrechnungsverfahrens kam es zu erheblichen Realisierungen von Körperschaftsteuerguthaben. In der Folge brach das Körperschaftsteueraufkommen regelrecht ein. Ziel der Regelung des § 37 Abs. 2a KStG 2002 3 ist es, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Die durch die Verrechnung von Körperschaftsteuerguthaben aus der Zeit des Anrechnungsverfahrens bedingten Auswirkungen auf das Körperschaftsteueraufkommen sollen vorhersehbar und berechenbar werden, damit wieder zu dessen Verstetigung beigetragen. 4 Hierzu ordnet § 37 Abs. 2a KStG 2002 zum einen an, die Realisierung bestehender Körperschaftsteuerguthaben vom 11. April 2003 bis zum 1. Januar 2006 vollständig auszusetzen (Nr. 1). Die öffentlichen Haushalte sollen so zumindest vorübergehend entlastet werden. Zum anderen bestimmt die Vorschrift für den Zeitraum nach dem 31. Dezember 2005 eine zusätzliche Höchstgrenze für Körperschaftsteuerminderungen nach § 37 Abs. 2 KStG (Nr. 2). Durch die Wahl eines sich am jeweils verbleibenden Körperschaftsteuerguthaben orientierenden Maßstabes soll hierbei eine gleichmäßige Verteilung von dessen Anrechnung über den gesamten 15-jährigen Übergangszeitraum sichergestellt werden.
II. Das Gesetzgebungsverfahren zum Steuervergünstigungsabbaugesetz Das Gesetzgebungsverfahren zu § 37 Abs. 2a KStG 2002 beruhte auf gleichlautenden Gesetzentwürfen der Bundesregierung vom 28. November 2002 5 sowie der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 2. Dezember 2002 6 3 Im Wortlaut lautet § 37 Abs. 2a KStG: „(2a) Die Minderung ist begrenzt − für Gewinnausschüttungen, die nach dem 11. April 2003 und vor dem 1. Januar 2006 erfolgen, jeweils auf 0 Euro; − für Gewinnausschüttungen, die nach dem 31. Dezember 2005 erfolgen auf den Betrag, der auf das Wirtschaftsjahr der Gewinnausschüttung entfällt, wenn das auf den Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres festgestellte Körperschaftsteuerguthaben gleichmäßig auf die einschließlich des Wirtschaftsjahrs der Gewinnausschüttung verbleibenden Wirtschaftsjahre verteilt wird, für die nach Absatz 2 Satz 3 eine Körperschaftsteuerminderung in Betracht kommt.“ 4 Siehe auch die Darstellungen von Regelungsgehalt und Funktionsweise des § 37 Abs. 2a KStG bei Birk / Desens, StuW 2004, 97 (97 f.); dies., DB 2003, 1644 (1644 f.); Streck / Binnewies, DB 2003, 1133 f.; Wiese / Klass, GmbHR 2003, 557 (558 f.). 5 BR-Drs. 866/02. 6 BT-Drs. 15/119.
II. Gesetzgebungsverfahren zum Steuervergünstigungsabbaugesetz
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für ein Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (StVergAbG). Ziel des Gesetzesvorhabens war es, durch einen „umfassenden und durchgreifenden Abbau von Subventionen und einer dementsprechenden Verbreiterung der Einnahmebasis“ eine „nachhaltige Haushaltskonsolidierung“ zu erreichen. 7 Durch Beseitigung des entstandenen Dickichts von Steuervergünstigungen sollte Akzeptanzverlusten entgegengewirkt, Steuergerechtigkeit und Steuertransparenz erhöht und den öffentlichen Haushalten die notwendigen Einnahmen zur Finanzierung ihrer Aufgaben verschafft werden. 8 Hieran sollten sich alle gesellschaftlichen Gruppen angemessen beteiligen. 9 Neben Änderungen zahlreicher anderer Gesetze sah der Gesetzentwurf hierzu in Artikel 3 Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes vor, zu welchen auch eine Neufassung des § 37 Abs. 2 KStG zählte. Die mit Gewinnausschüttungen einhergehende Minderung des aus der Umstellung vom Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren verbleibenden Körperschaftsteuerguthabens sollte zum einen auf 1/7 des Betrags der Gewinnausschüttungen beschränkt, zum anderen nach oben auf die Hälfte der für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Körperschaftsteuer begrenzt werden. 10 Mit der Senkung der Höchstgrenze 7
BR-Drs. 866/02, S. 1; wortgleich BT-Drs. 15/119, S. 1. BR-Drs. 866/02, S. 37; wortgleich BT-Drs. 15/119, S. 21. 9 BR-Drs. 866/02, S. 37; wortgleich BT-Drs. 15/119, S. 21. 10 Im Wortlaut sollte § 37 Abs. 2 KStG n.F. lauten: „(2) Das Körperschaftsteuerguthaben mindert sich bei Gewinnausschüttungen, die in den folgenden Wirtschaftsjahren erfolgen und die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruhen. Die Minderung beträgt 1/7 der Gewinnausschüttungen, höchstens aber die Hälfte der festgesetzten Körperschaftsteuer des Veranlagungszeitraums, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Gewinnausschüttung erfolgt. Die Begrenzung auf die Hälfte der festgesetzten Körperschaftsteuer ist nicht vorzunehmen in dem Veranlagungszeitraum, in dem das 15. Wirtschaftsjahr endet, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, auf dessen Schluss nach Absatz 1 das Körperschaftsteuerguthaben ermittelt wird. Festgesetzte Körperschaftsteuer ist die für den Veranlagungszeitraum festgesetzte Körperschaftsteuer vor Berücksichtigung von Minderungs- und Erhöhungsbeträgen. Änderungen der Körperschaftsteuerfestsetzung führen nicht zu einer Änderung des Minderungsbetrags, wenn − das Körperschaftsteuerguthaben weiter für die Minderung ausreicht und − der bisherige Minderungsbetrag nach Absatz 3 bescheinigt worden ist. Die Körperschaftsteuer des Veranlagungszeitraums, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Gewinnausschüttung erfolgt, mindert sich bis zum Verbrauch des Körperschaftsteuerguthabens um diesen Betrag, letztmalig in dem Veranlagungszeitraum, in dem das 15. Wirtschaftsjahr endet, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, auf dessen Schluss nach Absatz 1 das Körperschaftsteuerguthaben ermittelt wird. Das verbleibende Körperschaftsteuerguthaben der jeweiligen Wirtschaftsjahre, letztmals auf den Schluss des 14. Wirtschaftsjahrs, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, auf dessen Schluss nach Absatz 1 das Körperschaftsteuerguthaben ermittelt wird, fortzuschreiben und gesondert festzustellen. § 27 Abs. 2 gilt entsprechend.“ (BR-Drs. 866/02, S. 17 f.; wortgleich BT-Drs. 15/119, S. 11). 8
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für Minderungen des Körperschaftsteuerguthabens von zuvor 1/6 auf nun 1/7 der ordentlichen Gewinnausschüttungen, vor allem aber mit der gleichzeitigen Deckelung auf maximal die Hälfte der für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Körperschaftsteuer sollte erheblichen Auswirkungen der Abwicklung von Altguthaben auf das Körperschaftsteueraufkommen entgegengewirkt und eine Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens herbeigeführt werden. 11 Der Bundesrat äußerte sich in seiner Stellungnahme nach Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG ablehnend zum Gesetzentwurf. 12 Eine nähere Auseinandersetzung speziell mit der beabsichtigten Neufassung des § 37 Abs. 2 KStG findet in den größtenteils allgemein gehaltenen Ablehnungsgründen nicht statt. Gleiches gilt für die Gegenäußerung der Bundesregierung. 13 Nach Überweisung der Gesetzesvorlage in die Ausschüsse 14 nahm die weitere Abwicklung der aus dem Anrechnungsverfahren entstandenen Körperschaftsteuerguthaben in den Beratungen des Finanzausschusses schließlich breiten Raum ein. 15 Neben einem Vorschlag der Fraktion der CDU / CSU, zugunsten von Holdinggesellschaften bei der Begrenzung des Minderungsbetrages auf eine Anknüpfung an die festgesetzte Körperschaftsteuer zu verzichten, da diese regelmäßig ausschließlich über Dividendengutschriften, nicht jedoch über eine eigene Steuerschuld verfügten, so daß sie von vornherein von einer Geltendmachung des Minderungsguthabens ausgeschlossen seien, stand ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen im Mittelpunkt der Diskussion. Dieser sah vor, von einer Begrenzung der Verrechenbarkeit auf die Hälfte der im jeweiligen Veranlagungszeitraum anfallenden Steuerschuld abzusehen und diese durch die Anordnung einer zeitlich gestreckten linearen Realisierbarkeit des Körperschaftsteuerguthabens zu ersetzen. Die Fraktion der CDU / CSU verwies darauf, daß eine derartige zeitliche Streckung der Realisierbarkeit des Körperschafsteuerguthabens Unternehmen mit hohen Körperschaftsteuerzahlungen benachteilige. Die Koalitionsfraktionen betonten hingegen die administrativen Vorteile der Änderung sowie deren wesentlichen Beitrag zu einer Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens. Schließlich beschloß der Finanzausschuß mehrheitlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU / CSU, dem Bundestag eine Änderung des geplanten § 37 Abs. 2 KStG n.F. dahingehend vor11
BR-Drs. 866/02, S. 69; gleichlautend BT-Drs. 15/119, S. 44. Beschluß des Bundesrates in seiner 784. Sitzung am 20. Dezember 2002, BRDrs. 866/02 (Beschluß); gleichlautend BT-Drs. 15/287, S. 6 ff. 13 Vgl. die Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 15. Januar 2003, BTDrs. 15/312. 14 Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 19. Sitzung am 16. Januar 2003, Plenarprotokoll 15/19, S. 1500C. 15 Vgl. den Bericht des Finanzausschusses vom 20. Februar 2002, BT-Drs. 15/481, S. 9. 12
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zuschlagen, die Beschränkung der Minderung des Körperschaftsteuerguthabens in Abhängigkeit von der Höhe der Gewinnausschüttungen wie bisher bei einem 1/6 zu belassen, die jährliche Realisierbarkeit des Körperschaftsteuerguthabens im Übergangszeitraum jedoch auf 1/14 des am 31. Dezember 2002 verbleibenden Körperschaftsteuerguthabens zu beschränken. 16 Obwohl die Oppositionsfraktionen ihre bereits in den Ausschußberatungen vorgebrachten Bedenken gegenüber der (erneuten) Änderung des § 37 Abs. 2 KStG n.F. in zweiter und dritter Beratung bekräftigten, 17 nahm der Bundestag das Steuervergünstigungsabbaugesetz einschließlich der vom Finanzausschuß vorgeschlagenen Änderung des § 37 Abs. 2 KStG n.F. schließlich ohne weitere Änderungen an. 18 Der Bundesrat verweigerte dem Gesetz in der vom Bundestag verabschiedeten Form die Zustimmung. 19 In der Begründung der ablehnenden Position des Bundesrates findet die Neuregelung des § 37 Abs. 2 KStG keine Erwähnung. Die Bundesregierung beschloß daraufhin, den Vermittlungsausschuß zum Steuervergünstigungsabbaugesetz anzurufen. 20 Gegenstand des Einberufungsverlangens bildete das ganze Gesetz. Beschränkungen des Vermittlungsgegenstandes oder konkrete Änderungsvorschläge nahm die Bundesregierung nicht vor. Der Vermittlungsausschuß schlug in seiner Beschlußempfehlung schließlich die bis heute fortgeltende Änderung des § 37 Abs. 2 KStG n.F. und Einfügung eines neuen § 37 Abs. 2a KStG vor, 21 welche sodann auch die Zustimmung von Bundestag 22 und Bundesrat 23 fanden.
16 Im Wortlaut lautete der Änderungsvorschlag des Finanzausschusses: „(2) Die Körperschaftsteuer des Veranlagungszeitraums, in dem das Wirtschaftsjahr endet, in dem Gewinnausschüttungen erfolgen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß beruhen, mindert sich um 1/6 dieser Gewinnausschüttungen. Die Minderung ist begrenzt auf 1/14 des am 31. Dezember 2002 verbleibenden Körperschaftsteuerguthabens. Sie kann letztmalig in dem Veranlagungszeitraum in Anspruch genommen werden, in dem das 14. nach dem 31. Dezember 2002 endende Wirtschaftsjahr endet. Das am 31. Dezember 2002 verbleibende Körperschaftsteuerguthaben ist gesondert festzustellen.“ (Beschlußempfehlung des Finanzausschusses vom 19. 02. 2003, BT-Drs. 15/480. S. 28 f.). 17 Siehe etwa Abg. Hans Michelbach, Plenarprotokoll 15/29 vom 21. 02. 2003, S. 2237C. 18 Beschluß des Deutschen Bundestages vom 21. Februar 2003, Plenarprotokoll 15/29, S. 2253D f. u. 2248C. 19 Beschluß des Bundesrates in seiner 786. Sitzung am 14. März 2003, BR-Drs. 120/ 03 (Beschluß). 20 Vgl. die Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 17. März 2003, BT-Drs. 15/ 612. 21 Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 10. April 2003, BT-Drs. 15/ 841, S. 2.
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III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum Das Zustandekommen der Vorschrift des § 37 Abs. 2a KStG 2002 hat in Rechtsprechung und Schrifttum zu einer Debatte über ihre formelle Verfassungsmäßigkeit geführt. 1. Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 8. 11. 2006 – I R 69, 70/05 So hatte der Bundesfinanzhof am 8. November 2006 über die Verfassungsmäßigkeit von § 37 Abs. 2a KStG 2002 zu entscheiden. 24 Neben der Vereinbarkeit mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) 25, dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) 26 und dem grundgesetzlichen Rückwirkungsverbot 27 stand hierbei die Frage im Mittelpunkt, inwieweit der Vermittlungsausschuß mit seinem Einigungsvorschlag zu § 37 Abs. 2a KStG 2002 seine Kompetenz überschritten haben könnte 28. In enger Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner „Arbeitszimmer“-Entscheidung entwickelten Maßstäbe kam der Bundesfinanzhof dabei zu dem Ergebnis, daß der Vorschlag des Vermittlungsausschusses für § 37 Abs. 2a KStG 2002 von seinem Vermittlungsauftrag gedeckt gewesen sei. Der Antrag der Bundesregierung auf Einberufung des Vermittlungsausschusses zum Steuervergünstigungsabbaugesetz sei inhaltlich nicht eingeschränkt gewesen. 29 Der Vermittlungsausschuß habe daher sämtliche Regelungsalternativen vorschlagen dürfen, welche von dem den Gesetzentwürfen zugrunde liegenden Anliegen einer Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens getragen wurden. Er sei dabei nicht gehalten gewesen, sich auf eine Auswahl zwischen den schon vorliegenden Regelungsentwürfen zu beschränken. 30 Auch habe er nicht nur untergeordnete Modifikationen in Detailfragen vornehmen dürfen. Aufgabe sei vielmehr gewesen, umfassend nach einer Lösung zu suchen, die einerseits der Gefährdung des Steueraufkommens durch die Ausschüttungspolitik der Unternehmen entgegen22 Beschluß des Deutschen Bundestages vom 11. April 2003, Plenarprotokoll 15/41, S. 3374C. 23 Beschluß des Bundesrates in seiner 787. Sitzung am 11. April 2003, BR-Drs. 253/ 03 (Beschluß). 24 BFHE 215, 491. 25 BFHE 215, 491 (498 ff.). 26 BFH, a. a. O. (501 ff.). 27 BFH, a. a. O. (504 ff.). 28 BFH, a. a. O. (496 ff.). 29 BFH, a. a. O. (498). 30 Ebd.
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum
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wirkte und andererseits versprach, von allen beteiligten Gesetzgebungsorganen akzeptiert zu werden. 31 Im Ergebnis habe sich der Vorschlag des Vermittlungsausschusses für § 37 Abs. 2a KStG 2002 nicht nur in einem inhaltlichen Sachzusammenhang mit dem Gesetzesbeschluß des Bundestages bewegt, sondern sei auch vom gesetzgeberischen Ziel einer Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens getragen gewesen. Der Vermittlungsausschuß habe dabei zwar methodisch einen anderen Weg als zuvor die Bundesregierung und der Finanzausschuß des Bundestages eingeschlagen, dies sei jedoch von seiner Befugnis, Alternativvorschläge entwickeln zu dürfen, gedeckt gewesen. 32 2. Kritik im Schrifttum Auch im Schrifttum hat das Zustandekommen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes eine Diskussion über die formelle Verfassungsmäßigkeit des § 37 Abs. 2a KStG 2002 ausgelöst. 33 Das Meinungsbild stellt sich hier allerdings ein wenig anders dar. Neben denjenigen Stimmen, die dem Bundesfinanzhof darin folgen, daß der Vorschlag des Vermittlungsausschusses für ein Körperschaftsteuermoratorium zulässig gewesen sei, da er in inhaltlichem Sachzusammenhang zu den Gegenständen des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses gestanden habe, 34 werden gegenüber dem Zustandekommen des § 37 Abs. 2a KStG 2002 auch „verfassungsrechtliche Bedenken“ 35 angemeldet oder aber gar ein „Verstoß gegen das Demokratieprinzip in Gestalt des Parlamentsvorbehalts (Art. 20 Abs. 3, Art. 76 Abs. 1 GG)“ festgestellt 36, sei das vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagene Körperschaftsteuermoratorium doch im Vermittlungsverfahren völlig neu in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden, ohne zuvor Gegenstand einer parlamentarischen Diskussion im Bundestag gewesen zu sein.
31
Ebd. Ebd. 33 Zu den ebenfalls geäußerten materiell-verfassungsrechtlichen Bedenken – insbesondere zur Vereinbarkeit mit der grundgesetzlichen Eigentumgsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) – vgl. statt vieler Birk / Desens, StuW 2004, 97 ff.; dies., DB 2003, 1644 ff.; Streck / Binnewies, DB 2002, 1956 ff. 34 Thurmayr, in: Hermann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Jahresband 2004, § 37 KStG, Anm. J 03 – 4; siehe auch Heger, jurisPR-SteuerR 11/2007, Anm. 5. 35 Wiese / Klass, GmbHR 2003, 557 (559). Kritisch auch Binnewies, GmbHR 2007, 216 (216). 36 Streck / Binnewies, DB 2003, 1133 (1134). 32
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IV. Stellungnahme: Wahrung der Vermittlungskompetenz durch § 37 Abs. 2a KStG 2002 Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses wahrte die Schranken der Vermittlungskompetenz, wenn er über eine Anrufungs- und Verfahrenslegitimation verfügte. 1. Anrufungslegitimation des § 37 Abs. 2a KStG 2002 § 37 Abs. 2a KStG bedurfte damit zunächst einer Anrufungslegitimation. Die Anrufungslegitimation eines Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses ist gegeben, wenn er sich innerhalb des durch das Anrufungsbegehren für jegliche Vermittlungsbemühungen gesetzten äußeren inhaltlichen Rahmens bewegt. 37 Letzterer ergibt sich dabei zum einen aus der grundsätzlichen Bezüglichkeit jedes Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages, zum anderen aus den vom Anrufungsorgan formulierten Anrufungsgründen. Der Anrufungsbeschluß der Bundesregierung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz bezog sich auf das gesamte Gesetz. Er enthielt weder Einschränkungen des Vermittlungsgegenstandes, noch formulierte die Bundesregierung konkrete Änderungsvorschläge. Der zulässige Rahmen für Vermittlungsvorschläge wurde damit allein durch die Bezugnahme des Anrufungsbegehrens auf den ursprünglichen Gesetzesbeschluß bestimmt. Ein offenes Anrufungsbegehren wie dasjenige der Bundesregierung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz eröffnet dabei einen denkbar weiten Vermittlungsspielraum. 38 Erlaubt sind sämtliche Änderungen und Ergänzungen des Gesetzesbeschlusses, welche vom Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Vorlage getragen werden. Der dem Vermittlungsausschuß eröffnete Spielraum ist dabei strukturell von der Möglichkeit einer Wahl des Mittels zur Verwirklichung eines vorgegebenen Zwecks geprägt. Ziel der gleichlautenden Gesetzentwürfe der Bundesregierung und der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Steuervergünstigungsabbaugesetz war, durch „umfassenden und durchgreifenden Abbau von Subventionen und einer dementsprechenden Verbreiterung der Einnahmebasis“ eine „nachhaltige Haushaltskonsolidierung“ herbeizuführen. 39 Die beabsichtigte Neufassung des § 37 Abs. 2 KStG n.F. sollte hierzu mit einer „Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens“ 40 einen wichtigen Beitrag leisten.
37
Vgl. ausführlich oben D. V. 1. Ausführlich zum offenen Anrufungsbegehren oben D. V. 1. a) bb) (2). 39 Vgl. BR-Drs. 866/02, S. 1; wortgleich BT-Drs. 15/119, S. 1. 40 Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 37 Abs. 2 KStG n.F., BR-Drs. 866/02, S. 69; gleichlautend BT-Drs. 15/119, S. 44. 38
IV. Stellungnahme
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Auch die vom Vermittlungsausschuß schließlich vorgeschlagene (erneute) Änderung des § 37a Abs. 2 KStG n.F. und Einfügung eines neuen § 37 Abs. 2a KStG verfolgten das Ziel, einer Gefährdung des Körperschaftsteueraufkommens durch unvorhersehbare und unberechenbare Realisierungen von Körperschaftsteuerguthaben aus der Zeit des Anrechnungsverfahrens entgegenzuwirken, dienten damit einer Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens. Mit dem in § 37 Abs. 2a KStG 2002 vorgesehenen auf nahezu drei Jahre befristeten Moratorium sowie der Anordnung einer über den gesamten Übergangszeitraum gleichmäßig verteilten Verrechnung von Altguthaben wählte der Vermittlungsausschuß lediglich ein anderes methodisches Instrument 41 auf dem Weg zur haushaltspolitischen Kalkulierbarkeit. 42 § 37 Abs. 2a KStG verblieb damit innerhalb des durch das offene Anrufungsbegehren der Bundesregierung mit dem ursprünglichen Gesetzeszweck einer Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens beschriebenen äußeren sachgegenständlichen Rahmens. Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für § 37 Abs. 2a KStG verfügte somit über die erforderliche Anrufungslegitimation. 2. Verfahrenslegitimation des § 37 Abs. 2a KStG 2002 Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses für § 37 Abs. 2a KStG bedurfte des weiteren der Legitimation durch das vorangegangene Verfahren im Bundestag. 43 Denn die Regelung eines Einigungsvorschlags hat nur dann eine demokratischen Mindestanforderungen genügende parlamentarische Willensbildung erfahren, wenn ihr Regelungszweck bereits in den vorausgegangenen Beratungen im Bundestag plenarförmlich und bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten vorgezeichnet war. Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzhofs 44 reicht hingegen ein bloßer Sachzusammenhang mit dem Gesetzesbeschluß des Bundestags nicht aus. 41
So zu Recht BFHE 215, 491 (498). Allerdings dienen weder die ursprünglich vorgesehene Neufassung des § 37 Abs. 2 KStG noch der später verabschiedete § 37 Abs. 2a KStG 2002 dem im Allgemeinen Teil der Begründung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz so betonten Ziel der Haushaltkonsolidierung durch „umfassenden und durchgreifenden Abbau von Subventionen“ unter angemessener Beteiligung aller gesellschaftlicher Gruppen (vgl. BR-Drs. 866/02, S. 1 u. 37 f.), sondern werden vielmehr allein von kurzfristigen fiskalpolitischen Überlegungen getragen, welche sich jedoch gerade materiell-verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gebot der Steuergerechtigkeit ausgesetzt sehen (siehe nur Birk / Desens, StuW 2004, 97 ff.; dies., DB 2003, 1644 ff.; Streck / Binnewies, DB 2002, 1956 ff.). 43 Vgl. hierzu wie zum folgenden oben D. V. 2. 44 So wohl BFHE 215, 491 (498). Noch deutlicher in diesem Sinne die Vorinstanz FG Rheinland-Pfalz, EFG 2005, 1473 (1475). Siehe auch Thurmayr, in: Hermann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Jahresband 2004, § 37 KStG, Anm. J 03 – 4. 42
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a) Plenarförmliche Vorzeichnung des Regelungszwecks des § 37 Abs. 2a KStG 2002 Plenarförmlich ist der Zweck einer Regelung des Vermittlungsvorschlags in den vorangegangenen Verhandlungen des Bundestages zutage getreten, wenn er in öffentlicher Sitzung des Plenums in schriftlicher und hinreichend konkreter, die ernsthafte Absicht unmittelbaren gesetzgeberischen Tätigwerdens vermittelnder Form Ausdruck gefunden hat. 45 Dem genügen nach geltendem Geschäftsordnungsrecht grundsätzlich jedenfalls Gesetzentwürfe (§ 75 Abs. 1 lit. a GOBT) sowie die Beschlußempfehlungen und Berichte der Ausschüsse (§ 75 Abs. 2 lit. a GOBT). Die formale Einordnung in eine der beiden Kategorien befreit allerdings nicht von der Notwendigkeit, zu untersuchen, ob die Voraussetzungen einer verbindlichen und hinreichend präzisen Formulierung eines konkreten Regelungsziels im Einzelfall auch tatsächlich erfüllt sind. Allgemein gehaltene politische Absichtserklärungen oder Appelle genügen diesem Erfordernis jedenfalls nicht. § 37 Abs. 2a KStG 2002 verfolgt das Ziel, dem durch die Realisierung von aus der Zeit des Anrechnungsverfahrens stammenden Körperschaftsteuerguthaben in nicht vorhergesehenem Ausmaß bedingten Einbruch des Körperschaftsteueraufkommens entgegenzuwirken und diesem damit wieder zu einer gewissen Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit zu verhelfen. Hierzu ordnet § 37 Abs. 2a KStG 2002 zum einen eine befristete Aussetzung jeglicher Anrechenbarkeit von Altguthaben auf die zu zahlende Körperschafteuer für fast drei Jahre an (Nr. 1). Dies soll zu einer kurzfristigen und zumindest vorübergehenden Entlastung der öffentlichen Haushalte beitragen. Zum anderen deckelt die Vorschrift für die Folgezeit den auf die Körperschafteuer jährlich anrechenbaren Betrag in Abhängigkeit von der Restlaufzeit des Übergangszeitraums sowie der Höhe des verbleibenden Körperschaftsteuerguthabens und stellt so eine gleichmäßige Verteilung der Verrechnung der Körperschaftsteuerguthaben aus der Zeit des Anrechnungsverfahrens über den gesamten Übergangszeitraum von 15 Jahren 46 sicher (Nr. 2). Der übergeordnete Zweck des § 37 Abs. 2a KStG 2002 findet sich bereits in den ursprünglichen Gesetzentwürfen von Bundesregierung und Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für einen § 37 Abs. 2 KStG n.F. wieder. Auch die hierbei vorgesehene Senkung der Höchstgrenze für die Anrechenbarkeit von Körperschaftsteuerguthaben von 1/6 auf 1/7 des Betrages der jährlichen Gewinnausschüttungen sowie deren Beschränkung auf maximal die Hälfte der für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Körperschaftsteuer sollte zu einer Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens beitragen. Zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennbar waren allerdings die späteren Teilziele des § 37 Abs. 2a KStG 45 46
Vgl. oben D. V. 2. b) bb). Unter Einbeziehung des dreijährigen Moratoriums auf 18 Jahre.
IV. Stellungnahme
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2002, dieses durch ein befristetes Moratorium sowie die Sicherstellung einer gleichmäßigen Verteilung der Anrechnung von Altguthaben über den gesamten Übergangszeitraum zu erreichen. Insoweit nicht weiter führt die Stellungnahme des Bundesrates. 47 Gleiches gilt für den Bericht des Finanzausschusses. 48 Zwar findet sich in diesem auch ein Änderungsantrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur beabsichtigten Neufassung des § 37 Abs. 2 KStG nachgezeichnet, in welchem erstmals der Gedanke auftaucht, eine Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens durch eine zeitliche Streckung der Anrechenbarkeit bestehender Körperschaftsteuerguthaben über den gesamten Übergangszeitraum zu erreichen. Die gesetzestextliche Fassung des vom Finanzausschuß schließlich verabschiedeten Orientierungswechsels weg von einer Begrenzung der Verrechenbarkeit des Körperschaftsteuerguthabens in Abhängigkeit von der jährlich zu ermittelnden Gewinnausschüttung und Körperschaftsteuer hin zur Bestimmung einer Höchstgrenze in Abhängigkeit von Gesamtbetrag des Guthabens und Gesamtlaufzeit des Übergangszeitraums findet sich erst in den Beschlußempfehlungen des Ausschusses. Auch § 37 Abs. 2a Nr. 2 KStG 2002 verfolgt das Ziel, eine Kalkulierbarkeit des Körperschaftsteueraufkommens durch eine zeitliche Streckung der Anrechnung von Altguthaben herbeizuführen. Die Vorschrift wählt insoweit lediglich einen anderen methodischen Weg, wenn sie im Unterschied zur Beschlußempfehlung des Finanzausschusses auf eine abstrakt-lineare Festlegung der Anrechenbarkeit in Höhe von 1/14 des Gesamtguthabens zu Beginn des Übergangszeitraums verzichtet und sich stattdessen für eine dynamisch-gleichmäßige Verteilung in Abhängigkeit von dem im einzelnen Veranlagungszeitraum konkret verbleibenden Restguthaben entscheidet. Offen bleibt damit allein die plenarförmliche Vorzeichnung des Regelungszwecks des § 37 Abs. 2a Nr. 1 KStG 2002, durch eine vorübergehende Ausset47 Zur grundsätzlichen Möglichkeit plenarförmlicher Vorzeichnung durch eine Stellungnahme des Bundesrates nach Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG siehe oben D. V. 2. b) bb) (2) (b). 48 Die grundsätzliche Möglichkeit der Vorzeichnung eines Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses durch einen Ausschußbericht (vgl. hierzu oben D.V.2.b)bb)(2)(c)) verkennt für § 370a AO hingegen Gast-de Haan, DStR 2003, 12 (13); insoweit zurecht dagegen Wisser, DStR 2003, 1191 (1193); a. A. soweit ersichtlich allein Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 298. Zumal der Bericht des Finanzausschusses die – später aufgegriffenen – Änderungsvorschläge der Fraktionen CDU / CSU und FDP zu § 370a AO einschließlich deren Begründung bereits mit einer derartigen Genauigkeit wiedergibt, daß sich eine gesetzestextliche Fassung erübrigt (vgl. Bericht des Finanzausschusses vom 24. 04. 2002, BT-Drs. 14/8887, S. 23 f.). Allerdings ruft das Vorgehen des Finanzausschusses grundsätzliche Bedenken in anderer Hinsicht hervor. Die erhebliche Erweiterung des Regelungsgegenstandes des ursprünglichen „Entwurfes eines Fünften Gesetzes zur Änderung (lediglich) des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes“ (BT-Drs. 14/8286) wirft die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit dem aus Art. 76 Abs. 1 GG folgenden Verbot der Denaturierung von Gesetzesvorlagen auf.
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F. Art. 3 Nr. 6 lit. a des Steuervergünstigungsabbaugesetzes
zung der Anrechenbarkeit von Altguthaben auf die Körperschaftsteuer zu einer kurzfristigen Erholung der öffentlichen Haushalte beizutragen. 49 Sie findet sich so weder im ursprünglichen Gesetzentwurf noch in den Beschlußempfehlungen des Finanzausschusses angelegt. Allerdings wird man wohl annehmen können, daß sich der Vermittlungsausschuß insoweit noch in dem ihm auf Grund des dynamisch-politischen Charakters des Vermittlungsverfahrens zustehenden Beurteilungsspielraum 50 bewegt hat. Mit einer lediglich vorübergehenden Aussetzung der Anrechenbarkeit von Körperschaftsteuerguthaben dürfte er seine Einschätzungsprärogative bei der Bestimmung des Regelungszwecks, hinsichtlich dessen im Bundestag eine plenarförmliche Vorzeichnung stattgefunden haben muß, (noch) nicht überschritten haben. Zumal übergeordnetes Ziel des Steuervergünstigungsabbaugesetzes neben dem konkreten Zweck des § 37 Abs. 2 KStG n.F., Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des Körperschaftsteueraufkommens wiederherzustellen, gerade das einer Haushaltskonsolidierung war. 51 Im Ergebnis haben damit sowohl der übergeordnete Zweck des § 37 Abs. 2a KStG 2002 als auch die in seinen einzelnen Nummern verwirklichten Teilziele in den vorangegangenen Verhandlungen im Plenum des Deutschen Bundestages eine hinreichende parlamentarische Vorzeichnung erfahren. b) Bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten Die Vorhersehbarkeit eines Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses bereits in den Plenumsberatungen des Bundestages gewährleistet sein Entstehen in parlamentarischer Öffentlichkeit. Den Mitwirkungsrechten des Abgeordneten ist damit jedoch erst unvollkommen genüge getan. Diese verlangen nicht nur die Erkennbarkeit einer späteren gesetzlichen Regelung, damit sich der Abgeordnete hinsichtlich ihrer überhaupt einen Willen bilden kann. Sie garantieren vielmehr auch, daß er seine hierbei entwickelten Änderungsvorschläge und Anregungen sodann auch in den parlamentarischen Willensbildungsprozeß mit einfließen lassen kann. Für die Gewährleistung inhaltlich gestaltender Teilhabe ist dabei die Möglichkeit des einzelnen Abgeordneten ausreichend, seine Vorstellungen in das Gesetzgebungsverfahren mit einbringen zu können. 52 Irrelevant ist, ob er von ihr auch tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Die tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten ist hierbei jedenfalls dann gegeben, wenn die Durchführung der Beratungen im Bundestag den Vorgaben 49 Hierauf zielt im Schwerpunkt denn auch die Kritik von Streck / Binnewies, DB 2003, 1133 (1134). 50 Vgl. hierzu wie zum folgenden oben D. V. 3. 51 Vgl. BR-Drs. 866/02, S. 1; wortgleich BT-Drs. 15/119, S. 1. 52 Vgl. oben D. V. 2. c) aa).
V. Ergebnis
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der Geschäftsordnung entspricht. 53 Insoweit sind hinsichtlich der Verhandlungen über das Steuervergünstigungsabbaugesetz keine Mängel erkennbar. Zwar wurde das Gesetz in erster Lesung im vereinfachten Verfahren ohne Debatte unmittelbar an die Ausschüsse überwiesen. 54 Eine Aussprache bildet in erster Beratung allerdings ohnehin die Ausnahme und findet nur auf Vorschlag des Ältestenrates oder Verlangen einer Fraktion statt (§ 79 S. 1 GOBT). Auch dann sind jedoch Sachanträge ausgeschlossen (§ 79 S. 3 GOBT). Intensiv debattiert wurde die Frage, wie der durch die unvorhergesehene Realisierung von Altguthaben ausgelösten Gefährdung des Körperschaftsteueraufkommens zu begegnen sei, in den Beratungen des Finanzausschusses. 55 Im Mittelpunkt stand hierbei die Diskussion von Vor- und Nachteilen, welche mit einer gesetzlich angeordneten Streckung der Anrechenbarkeit der Körperschaftsteuerguthaben über den gesamten Übergangszeitraum einhergingen. Unter Berücksichtigung der lediglich vorbereitenden Funktion der Ausschüsse (§§ 54 Abs. 1 S. 1, 62 Abs. 1 S. 2 GOBT) und der grundsätzlichen Repräsentationsfunktion des Plenums ist darüber hinaus jedoch zumindest auch ein Minimum an Mitwirkungsrechten der an der an den Ausschußberatungen eines Gesetzentwurfs nicht beteiligten Abgeordneten im Plenum zu verlangen. 56 Hierzu bestand in zweiter und dritter Beratung des Steuervergünstigungsabbaugesetzes nicht nur Gelegenheit, von ihr wurde – insbesondere zu der vom Finanzausschuß vorgeschlagenen Änderung des § 37 Abs. 2 KStG n.F. 57 – auch tatsächlich Gebrauch gemacht. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses für § 37 Abs. 2a KStG 2002 hatte in den vorangegangenen Beratungen des Bundestages somit eine plenarförmliche Vorzeichnung bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten erfahren. Er besaß damit die notwendige Verfahrenlegitimation.
V. Ergebnis Der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für § 37 Abs. 2a KStG 2002 wahrte die Grenzen der Vermittlungskompetenz. Der Regelungsvorschlag verfügte sowohl über eine Anrufungslegitimation als auch über eine Verfahrenslegitimation. Er verblieb innerhalb des durch das offene Anrufungsbegehren der Bundesregierung mit dem Ziel einer Verstetigung des Körperschaftsteuerguthabens gesetzten weiten sachgegenständlichen Rahmens und hatte mit dem 53
Hierzu ausführlich oben D. V. 2. c) bb). Vgl. BT-Plenarprotokoll 15/19 vom 16. 01. 2003, S. 1500C. 55 Vgl. den Bericht des Finanzausschusses vom 20. 02. 2002, BT-Drs. 15/481, S. 9. 56 Vgl. oben D. V. 2. c) aa). 57 Siehe nur die Rede des Abg. Hans Michelbach, Plenarprotokoll 15/29 vom 21. 02. 2003, S. 2237C. 54
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F. Art. 3 Nr. 6 lit. a des Steuervergünstigungsabbaugesetzes
ursprünglichem Gesetzentwurf, vor allem aber der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu § 37 Abs. 2 KStG n.F. eine plenarförmliche Vorzeichnung bei im geschäftsordnungskonformen Verfahren bestehender tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten erfahren. § 37 Abs. 2a KStG 2002 ist daher wirksam zustande gekommen. 58
58 Zu materiell-verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Wirksamkeit von § 37 Abs. 2a KStG vgl. BFHE 215, 491 (498 ff.) und die Nachweise aus dem Schrifttum in Fußnote 33.
G. Art. 1 Nr. 2a des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 als Beispiel für die fehlende Anrufungs- und gegebene Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags Ein Beispiel für die fehlende Anrufungs-, jedoch gegebene Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags bietet § 4 Abs. 4a EStG in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom 22. Dezember 1999 1 – EStG 1999 –. 2
I. Gegenstand der Regelung des § 4 Abs. 4a EStG 1999 § 4 Abs. 4a EStG 1999 beschränkt die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen als Betriebsausgaben. 3 Sinn und Zweck der Regelung ist es, zu verhindern, daß Schuldzinsen für Darlehen steuerlich zum Abzug gebracht werden können, die zwar formal der betrieblichen Sphäre zuzuordnen sind, indes wirtschaftlich allein zur Finanzierung von Entnahmen aufgenommen und so letztlich privaten Zwecken zugeführt werden. 4 In ihrer ursprünglichen Fassung geht die Vorschrift zurück auf das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 5. Mit der Neuregelung der Berücksichtigung von Schuldzinsen als Betriebsausgaben sollte 1
BGBl I 1999, 2601. Hier einzuordnen sind auch die Bestimmungen des § 54 Abs. 9 S. 1 KStG i. d. F. des StBereinG 1999 (BGBl. I 1999, 2601) (vgl. hierzu FG Münster, EFG 2005, 1225 (1228 f.); unterdessen vorgelegt an das BVerfG durch Beschluß des BFH vom 27. 08. 2008 – I R 33/ 05, BFH / NV 2009, 89 ff.; siehe auch Goebel / Eilinghoff, DStZ 2008, 311 ff.; dies, Ubg 2009, 43 ff.; Haritz / Pellens, GmbHR 2009, 160 f.) und des § 5 Abs. 1 Satz 4 ErbStG i. d. F. des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310) (vgl. hierzu BFH, BFH / NV 2006, 948 (949 f.); hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde durch Nichtannahme zur Entscheidung gemäß §§ 93a, 93b BVerfGG erledigt, BVerfG, Az. 1 BvR 887/06). 3 Ausführlich zur Regelung des § 4 Abs. 4a EStG Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, mit zahlreichen weiteren Literaturnachweisen. 4 Seiler, a. a. O., Rn. Ea 20. 5 Steuerentlastungsgesetz vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402 (403). In seiner ursprünglichen Fassung lautete § 4 Abs. 4a EStG: „(4a) Für die Berücksichtigung von Schuldzinsen als Betriebsausgaben gilt folgendes: 1. 1Unterhält der Steuerpflichtige ein Konto, insbesondere bei einem Kreditinstitut, über das betriebliche und private Zahlungsvorgänge abgewickelt werden, ist nur der durch 2
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G. Art. 1 Nr. 2a des Steuerbereinigungsgesetzes 1999
die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs 6 korrigiert werden, die es ermöglichte, mittels Gestaltung über das sogenannte Zweikontenmodell planmäßig Betriebseinnahmen anzusammeln, diese für private Zwecke zu entnehmen, den sodann auf betrieblicher Ebene entstandenen Finanzierungsbedarf durch Fremdmittel auszugleichen und die hierauf anfallenden Schuldzinsen als Betriebsausgaben zum Abzug zu bringen. 7 § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 beruhte dabei auf dem Konzept, daß Entnahmen nur bei Liquiditätsüberschüssen des Betriebs ohne steuerliche Auswirkungen auf den betrieblichen Schuldzinsenabzug bleiben. Entnimmt der Steuerpflichtige hingegen aus seinem Betrieb Geldmittel für private Zwecke, obwohl es an der erforderlichen Liquidität fehlt und die Entnahmen deshalb nur durch Kreditaufnahme finanziert werden können, sind die hierauf entfallenden Schuldzinsen nicht betrieblich veranlaßt und damit auch nicht abziehbar. Im folgenden begegnete die Vorschrift jedoch insbesondere wegen ihrer wirtschaftlichen Folgen und befürchteten mangelnden Vollziehbarkeit ganz erheblicher Kritik 8. Das Steuerbereinigungsgesetz 1999 versuchte mit einer Neufassung der Vorschrift, ihre wirtschaftlichen Auswirkungen abzumilbetrieblich veranlasste Zahlungsvorgänge entstehende Sollsaldo maßgebend. 2Insoweit gelten die Regelungen in Nummer 2 entsprechend. 2. 1Unterhält der Steuerpflichtige für die Abwicklung des betrieblichen Zahlungsverkehrs mehrere Konten, insbesondere bei Kreditinstituten, sind deren Bestände zusammenzufassen. 2Ist der zusammengefaßte Bestand negativ und erhöht sich der Negativbetrag durch eine Entnahme, sind die hierauf nach der Zinsstaffelmethode entfallenden Schuldzinsen keine Betriebsausgaben. 3Entsprechendes gilt, soweit durch die Entnahme der zusammengefasste Kontobestand negativ wird. 4Erhöht sich der Negativbetrag auf Grund einer in zeitlichem Zusammenhang erfolgten Entnahme und einer Betriebsausgabe, gilt die Betriebsausgabe als zuerst erfolgt. 5Sind die zusammengefassten Kontobestände positiv und bewirkt der Steuerpflichtige die Entnahme durch Vergrößerung eines Sollsaldos eines der Konten, sind die hierauf entfallenden Schuldzinsen keine Betriebsausgaben. 6 Betriebseinnahmen berühren die sich nach den vorstehenden Sätzen ergebende Zuordnung der Schuldzinsen zu den privat veranlassten Ausgaben nicht. 7Die vorstehenden Sätze gelten sinngemäß auch für Darlehensverbindlichkeiten, soweit sie zum Zwecke der Umschuldung eines negativen Kontenbestandes eingegangen sind. 3. 1Werden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens entnommen, können die für deren Anschaffung, Herstellung oder Erhaltung nach dem Zeitpunkt der Entnahme aufgewandten Schuldzinsen nicht mehr als Betriebsausgaben abgezogen werden. 2Entsprechendes gilt, wenn Wirtschaftsgüter veräußert werden und der Veräußerungserlös entnommen wird, sowie im Falle der Veräußerung im Sinne des § 16. 4. 1Die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach der Zinsstaffelmethode kann unterbleiben, wenn die Schuldzinsen der nach den Nummern 1 und 2 maßgebenden Konten insgesamt nicht mehr als 8 000 Deutsche Mark betragen. 2Die Schuldzinsen sind in diesem Fall zu 50 vom Hundert nicht als Betriebsausgaben abziehbar.“ 6 Vgl. BFHE 184, 7 (14 ff.). 7 So die Begründung des Gesetzentwurfs für ein Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 vom 9. November 1998, BT-Drs. 14/23, S. 169. 8 Vgl. die umfassenden Nachweise bei Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 7 (Fn. 6).
II. Gesetzgebungsverfahren zum Steuerbereinigungsgesetz 1999
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dern und vor allem ihre praktische Handhabbarkeit zu verbessern. Hierzu wurde unter anderem der liquiditäts- durch einen kapitalbezogenen Maßstab zur Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs von Schuldzinsen ersetzt. Dabei soll eine Fremdfinanzierung für sogenannte Überentnahmen unwiderleglich vermutet werden. Überentnahmen sind hierbei Entnahmen, welche weder in der Rücknahme früherer Einlagen noch in der Auskehrung erzielter Gewinne bestehen und damit den jeweiligen Bestand an Eigenkapital übersteigen. 9
II. Das Gesetzgebungsverfahren zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 Das Gesetzgebungsverfahren, welches schließlich auch zur Regelung des § 4 Abs. 4a EStG 1999 führte, ging auf gleichlautende Entwürfe der Bundesregierung 10 und der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11 für ein Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999 – StBereinG 1999) vom 27. August 1999 zurück. Zielsetzung des Gesetzesvorhabens war unter anderem die praxis- und zielkonforme Fortentwicklung verschiedener Maßnahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002. 12 Der Gesetzentwurf sah hierzu in Artikel 1 auch Änderungen des Einkommensteuergesetzes vor. Eine Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG fand sich nicht darunter. Der Bundesrat schlug in seiner Stellungnahme zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 eine Ergänzung des Gesetzentwurfs um eine Neuregelung des § 4
9 Im Wortlaut lautet § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StBereinG 1999: „(4a) Schuldzinsen sind nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Entnahmen und Einlagen, die in den letzten drei Monaten eines Wirtschaftsjahres getätigt werden, sind nicht zu berücksichtigen, soweit sie in der Summe in den nächsten drei Monaten des Folgejahres wieder rückgängig gemacht werden. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit sechs vom Hundert der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt. Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 4 000 Deutsche Mark verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen. Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt unberührt. Die Sätze 1 bis 6 sind bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen.“ 10 BR-Drs. 475/99. 11 BT-Drs. 14/1514. 12 BR-Drs. 475/99, S. 1; gleichlautend BT-Drs. 14/1514, S. 1.
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G. Art. 1 Nr. 2a des Steuerbereinigungsgesetzes 1999
Abs. 4a EStG vor. 13 Unter Beibehaltung der konzeptionellen Ausrichtung auf entnehmbare Liquiditätsüberschüsse sollte die vorgeschlagene Änderung des § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 die Vorschrift in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen abmildern und in ihrer praktischen Handhabbarkeit verbessern. 14 Hierzu sah die Neufassung des Bundesrates eine konsequente Durchführung der zusammengefaßten Betrachtung von Konten mit betrieblichen Zahlungsvorgängen, insbesondere unter Einbeziehung von Kassenkonten, vor und empfahl eine Streichung der zwingenden und taggenauen Aufteilung der Schuldzinsen „nach der Zinszahlenstaffelmethode“ in Nr. 2 S. 2. Die übrigen Modifikationen betrafen Folgeänderungen, waren redaktioneller Natur oder dienten der Klarstellung. 15 Ein Antrag der Länder Bayern und Thüringen, § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 auf Grund seiner wirtschaftlichen Folgen und Komplexität vollständig zu streichen 16, hatte im Bundesrat zuvor keine Mehrheit gefunden. 17 Die Bundesregierung sicherte in ihrer Gegenäußerung zu, den Änderungsvorschlag des Bundesrates für § 4 Abs. 4a EStG n.F. zu prüfen. 18 Nach Überweisung des Gesetzentwurfs an die Ausschüsse 19 kam es im Finanzausschuß zu einer intensiven und kontroversen Auseinandersetzung mit einer Empfehlung der Koalitionsfraktionen, die mit dem Steuerentlastungsgesetz 13
Nr. 2 der Stellungnahme des Bundesrates vom 24. September 1999, BR-Drs. 475/99, S. 2 ff. 14 BR-Drs. 475/99, S. 3. 15 Im Wortlaut sollte § 4 Abs. 4a EStG nach dem Vorschlag des Bundesrates durch Artikel 1 Nr. 2a – neu – StBereinG 1999 wie folgt gefaßt werden: „(4a) Unterhält der Steuerpflichtige ein Konto, über das betriebliche und private Zahlungsvorgänge abgewickelt werden, und entsteht oder erhöht sich ein Sollsaldo aus einem privaten Zahlungsvorgang, zum Beispiel auf Grund einer Entnahme, sind die hierauf entfallenden Schuldzinsen keine Betriebsausgaben. Unterhält der Steuerpflichtige für die Abwicklung betrieblicher Zahlungsvorgänge mehrere Konten, sind für die Anwendung von Satz 1 die Konten zusammenzufassen; Kassen und Scheckkonten gehören zu den Konten. Entsteht oder erhöht sich der Sollsaldo auf Grund eines in zeitlichem Zusammenhang erfolgten privaten Zahlungsvorgangs und eines betrieblichen Zahlungsvorgangs, gilt der betriebliche Zahlungsvorgang als zuerst erfolgt. Betriebseinnahmen, die zu einer Verminderung der Schuldzinsen führen, sind vorrangig dem betrieblich veranlassten Teil des Sollsaldos zuzurechnen. Die vorstehenden Sätze gelten sinngemäß auch für Darlehensverbindlichkeiten, soweit sie zum Zwecke der Umschuldung eines Sollsaldos eingegangen werden.“ (BR-Drs. 475/99 (Beschluß), S. 2). 16 Antrag der Länder Bayern und Thüringen vom 23. September 1999, BR-Drs. 475/ 5/99. 17 Vgl. 742. Sitzung des Bundesrates am 24. September 1999, Plenarprotokoll 742, S. 330D. 18 Vgl. die Unterrichtung der Bundesregierung vom 6. Oktober 1999, BT-Drs. 14/ 1720. 19 Beschluß des Deutschen Bundestages am 7. Oktober 1999, Plenarprotokoll 14/61, S. 5419D u. 5420C.
II. Gesetzgebungsverfahren zum Steuerbereinigungsgesetz 1999
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1999/2000/2002 eingeführte Regelung zur eingeschränkten Berücksichtigung von Schuldzinsen als Betriebsausgaben in § 4 Abs. 4a EStG zu modifizieren. 20 Der Änderungsvorschlag sah vor, Kassenkonten einschließlich Schecks in die zusammengefaßte Betrachtung der Konten mit einzubeziehen, die Sonderregelung in § 4 Abs. 4a Nr. 2 S. 5 EStG zu streichen, auf die zwingende Anwendung der Zinszahlenstaffelmethode zu verzichten sowie die Bagatellregelung in Nummer 4 aufzuheben. Die Fraktionen CDU / CSU und FDP kritisierten die vorgesehene Regelung nachdrücklich. Die vorgeschlagene Lösung bringe keine akzeptable Regelung der Berücksichtigung von Schuldzinsen als Betriebsausgaben. Auch nach ihrer Modifizierung bleibe die Vorschrift auf Grund ihrer Kompliziertheit nicht handhabbar. Im Ergebnis komme sie einem Verbot von Privatentnahmen bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen gleich. Dies benachteilige vor allem den Mittelstand, da dieser regelmäßig die Rechtsform der Personengesellschaft wähle. Da die der Privatentnahme vergleichbare Zahlung von Geschäftsführergehältern bei Kapitalgesellschaften unschädlich sei, trete zudem eine Ungleichbehandlung gegenüber Kapitalgesellschaften auf. Die Koalitionsfraktionen wiesen die Kritik zurück. Sie entgegneten, eine Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs bei durch Privatentnahmen entstandenen Schuldzinsen sei aus Gründen der Steuergerechtigkeit unumgänglich, frühere Gestaltungsmöglichkeiten nicht länger hinnehmbar. In der Praxis habe sich die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 zugegebenermaßen als schwer handhabbar herausgestellt. Die nun vorgeschlagene Lösung berücksichtige jedoch diese Schwierigkeiten, insbesondere durch einen Verzicht auf die zwingende Anwendung der Zinsstaffelmethode. Im Grundsatz nehme die von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagene Regelung den Vorschlag in der Stellungnahme des Bundesrates auf. Es sei davon auszugehen, daß der Bundesrat als Vertretung der die Steuergesetze ausführenden Länder die Erfordernisse der Praxis bei der Erarbeitung der Regelung berücksichtigt habe. Die unbestreitbar verbleibende Komplexität der Regelung müsse im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung hingenommen werden. Schließlich wurde die von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagene Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG 21 vom 20
Vgl. den Bericht des Finanzausschusses vom 11. November 1999, BT-Drs. 14/2070,
S. 9 f. 21
Beschlußempfehlung des Finanzausschusses vom 10. November 1999, BT-Drs. 14/ 2035, S. 11. § 4 Abs. 4a EStG sollte hiernach folgende Fassung erhalten: „(4a) Unterhält der Steuerpflichtige ein Konto, über das betriebliche und private Zahlungsvorgänge abgewickelt werden, und entsteht oder erhöht sich ein Sollsaldo durch einen privaten Zahlungsvorgang, sind die hierfür anfallenden Schuldzinsen keine Betriebsausgaben. Unterhält er daneben für die Abwicklung betrieblicher Zahlungsvorgänge weitere Konten, sind für die Anwendung von Satz 1 die Konten zusammenzufassen; Bestände von betrieblichen Zahlungsmitteln und deren Veränderungen sind einzubeziehen. Entsteht oder erhöht sich der Sollsaldo auf Grund eines in zeitlichem Zusammenhang erfolgten privaten Zahlungsvorgangs und eines betrieblichen Zahlungsvorgangs, gilt der
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G. Art. 1 Nr. 2a des Steuerbereinigungsgesetzes 1999
Finanzausschuß mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen. 22 Ein Antrag der CDU / CSU-Fraktion (im Ausschuß), auf eine Beschränkung der steuerlichen Berücksichtigung von Schuldzinsen als Betriebsausgaben vollständig zu verzichten und insoweit den Rechtszustand vor dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wiederherzustellen, hatte zuvor keine Mehrheit gefunden. 23 Die vom Finanzausschuß empfohlene Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG wurde vom Bundestag ohne weitere Änderungen mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1999 verabschiedet. 24 Der Bundesrat rief daraufhin den Vermittlungsausschuß zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 an. 25 Gegenstand des Einberufungsverlangens waren nur einzelne Nummern des Artikels 1 StBereinG 1999, welche ausschließlich die Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen betrafen. 26 Die in Artikel 1 Nr. 2a vorgesehene Änderung des § 4 Abs. 4a EStG fand keine Erwähnung. Dem Anrufungsbegehren lagen ein gleichlautender Antrag des Landes Sachsen 27 und eine Empfehlung des Finanzausschusses 28 zugrunde. 29 Eine Empfehlung des Wirtschaftsausschusses 30, den Vermittlungsausschuß umfassend und hierbei insbesondere auch zur Neufassung des Schuldzinsenabzugs in § 4 Abs. 4a EStG anzurufen, hatte im Bundesrat zuvor keine Mehrheit gefunden 31.
betriebliche Zahlungsvorgang als zuerst erfolgt. Betriebseinnahmen, die zu einer Verminderung der Schuldzinsen führen, sind vorrangig dem betrieblich veranlassten Teil des Sollsaldos zuzurechnen. Die vorstehenden Sätze gelten sinngemäß auch für Darlehensverbindlichkeiten, soweit durch sie ein Sollsaldo umgeschuldet wird.“. 22 Vgl. den Bericht des Finanzausschusses vom 11. November 1999, BT-Drs. 14/2070, S. 10. 23 Ebd. 24 Vgl. Beschluß des Deutschen Bundestages am 12. November 1999, Plenarprotokoll 14/70, S. 6335D-6336A u. 6399C-D. 25 Beschluß des Bundesrates in seiner 745. Sitzung am 26. November 1999, Plenarprotokoll 745, S. 437B. 26 Vgl. Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat am 26. November 1999, BR-Drs. 636/99(Beschluß). 27 Antrag des Freistaates Sachsen vom 24. November 1999, BR-Drs. 636/2/99. 28 Nr. 3 der Empfehlungen der Ausschüsse vom 16. November 1999, BR-Drs. 636/2/ 99, S. 4. 29 Vgl. die 745. Sitzung des Bundesrates am 26. November 1999, Plenarprotokoll 745, S. 437B. 30 Nr. 1 der Empfehlungen der Ausschüsse vom 16. November 1999, BR-Drs. 636/2/ 99, S. 2. 31 Vgl. die 745. Sitzung des Bundesrates am 26. November 1999, Plenarprotokoll 745, S. 437B.
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum
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Der Vermittlungsausschuß schlug schließlich nach kontroverser Debatte 32 die im wesentlichen bis heute fortgeltende Fassung des § 4 Abs. 4a EStG vor. 33 Diese erlangte sodann auch die Zustimmung von Bundestag 34 und Bundesrat 35.
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum An der weitgehend überraschenden Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG als Ergebnis eines Vermittlungsverfahrens hat sich in Rechtsprechung und Schrifttum eine Diskussion über die Frage entzündet, ob der Vermittlungsausschuß hiermit seine Kompetenz überschritten haben könnte. 1. Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 21. 9. 2005 – X R 47/03 Der Bundesfinanzhof hatte sich in einem Urteil vom 21. 9. 2005 mit der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a EStG 1999 auseinanderzusetzen. 36 Neben der Vereinbarkeit mit dem grundgesetzlichen Rückwirkungsverbot 37 stand hierbei die Frage im Mittelpunkt, ob der Vermittlungsausschuß mit seinem Einigungsvorschlag für § 4 Abs. 4a EStG 1999 den zulässigen Vermittlungsrahmen verlassen hatte 38. In enger Anlehnung an die vom Bundesverfassungsgericht in seiner „Arbeitszimmer“-Entscheidung 39 entwickelten Maßstäbe kam der Bundesfinanzhof zu dem Ergebnis, daß der Vermittlungsvorschlag für § 4 Abs. 4a EStG 1999 das Demokratieprinzip in Gestalt des Parlamentsvorbehalts (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 76 Abs. 1 GG) nicht verletzt habe 40. Zwar habe sich die Anrufung des Vermittlungsausschusses nur auf einzelne Nummern des Art. 1 StBereinG 1999 bezogen, zu denen ersichtlich nicht die in Nummer 2a vorgesehene Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG gezählt habe. Der Gegenstand des Vermittlungsverfahrens könne jedoch nicht nur durch den Anrufungsbeschluß des Bundesrates bestimmt 32 Vgl. nur die Kritik des Abg. Friederich Merz, Protokoll der 2. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 15. Dezember 1999, S. 31. 33 Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 15. Dezember 1999, BTDrs. 14/2380, S. 2. 34 Beschluß des Deutschen Bundestages am 16. Dezember 1999, Plenarprotokoll 14/ 79, S. 7291B. 35 Beschluß des Bundesrates in seiner 746. Sitzung am 17. Dezember 1999, Plenarprotokoll 746, S. 485A. 36 BFHE 211, 227 (231 ff.). 37 BFH, a. a. O. (233 f.). 38 BFH, a. a. O. (231 ff.). 39 BVerfGE 101, 297 (306 ff.) (Arbeitszimmer). 40 BFHE 211, 227 (231).
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G. Art. 1 Nr. 2a des Steuerbereinigungsgesetzes 1999
werden. 41 Zwar habe sich eine deutliche Umgrenzung des Vermittlungsauftrages in der Regel aus einer präzisen Fassung des Anrufungsbegehrens zu ergeben, sie könne aber auch aus den Kontroversen in der parlamentarischen Debatte und zwischen Bundestag und Bundesrat erschlossen werden. 42 Der Rahmen des Vermittlungsverfahrens werde dann durch die in das Gesetzgebungsverfahren eingeführten Anträge und Stellungnahmen bestimmt, 43 zu welchen auch Stellungnahmen des Bundesrates gehörten 44. Denn auch im Anrufungsbegehren ausgeklammerte Punkte könnten bereits auf einem Kompromiß beruhen, der durch das weitere Verfahren im Vermittlungsausschuß tangiert und wieder hinfällig werden könne. 45 Zunächst zurückgestellte Meinungsunterschiede zu bereits als geklärt geltenden Punkten könnten so wieder aufleben. Hiernach habe es in Bezug auf § 4 Abs. 4a EStG schon vor Anrufung des Vermittlungsausschusses Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat gegeben. 46 So hätten die Länder Bayern und Thüringen im Bundesrat im ersten Durchgang den Antrag eingebracht, § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 ersatzlos zu streichen. Der Bundesrat habe in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 eine Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG vorgeschlagen. Schließlich habe der Finanzausschuß versucht, den Bedenken des Bundesrates durch eine Modifizierung des § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 Rechnung zu tragen. Der Einigungsvorschlag habe sich damit innerhalb der bisherigen Auffassungsunterscheide im Parlament und der bisherigen Gegenläufigkeit zwischen Bundestag und Bundesrat bewegt. Der Vermittlungsausschuß habe die ihm von Verfassungs wegen gezogenen Grenzen nicht überschritten. 47 2. Zustimmung im Schrifttum Abgesehen von wenigen Stimmen, die allerdings wohl vor allem grundsätzliche Kritik gegenüber einer zu großzügigen Ziehung der Grenzen der Vermittlungskompetenz – insbesondere im Hinblick auf die gesetzgeberische Qualität – anmelden 48, kommt der ganz überwiegende Teil des Schrifttums wie der 41 BFH, a. a. O. (233). Siehe aber nun für § 54 Abs. 9 S. 1 KStG i. d. F. des StBereinG 1999 BFH / NV 2009, 89 (91 f.). 42 BFH, a. a. O. (232). In Deutlichkeit bekräftigt durch BFH / NV 2006, 948 (949) („Ohne Bedeutung ist (...), daß die Frage (...) im Anrufungsbegehren des Bundesrates (...) nicht erwähnt wurde.“). 43 BFH, a. a. O. (233). 44 BFH, a. a. O. (232). 45 Ebd. 46 Ebd. 47 Ebd. 48 Paus, FR 2006, 412 (412 f.). Siehe aber auch Söffing, BB 2008, 417 (424).
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum
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Bundesfinanzhof zu dem Ergebnis, daß der Vermittlungsausschuß mit dem Einigungsvorschlag für § 4 Abs. 4a EStG 1999 seine Kompetenz nicht überschritten habe 49. Zwar sei der Vermittlungsausschuß in seinen Beschlußempfehlungen grundsätzlich auf den durch das Anrufungsbegehren umgrenzten Vermittlungsgegenstand begrenzt. 50 Auch sei die vorgesehene Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG ausweislich der genauen Formulierung des Anrufungsbeschlusses durch den Bundesrat zugegebenermaßen nicht unmittelbarer Gegenstand des Einberufungsverlangens gewesen 51. Die Vorschrift habe jedoch mittelbar zum Vermittlungsgegenstand gehört. Sie habe in einem Sachzusammenhang mit dem parlamentarischen Beratungsgegenstand gestanden. 52 Zudem könne bei einem Gesetzesvorhaben wie dem Steuerbereinigungsgesetz 1999 nicht ausgeschlossen werden, daß die Beseitigung von Meinungsverschiedenheiten in einem Punkt unverzichtbarer Bestandteil eines Kompromisses zur Verabschiedung des gesamten Gesetzgebungsvorhabens gewesen sei, daß weitere Verfahren im Vermittlungsverfahren einen solchen Kompromiß jedoch wieder hinfällig werden lassen könnte und zurückgestellte Meinungsunterschiede zu dem vermeintlich geklärten Punkt wieder zu Tage treten könnten. 53 Schließlich und vor allem sei § 4 Abs. 4a EStG 1999 aber im Gesetzgebungsverfahren in hinreichendem Maße durch umfangreiche Kontroversen in der parlamentarischen Debatte und die Meinungsunterschiede zwischen Bundestag und Bundesrat vorgezeichnet gewesen. 54 So habe der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zum ursprünglichen Gesetzentwurf eine Änderung von § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/ 2000/2002 vorgeschlagen. 55 Der Finanzausschuß habe den Änderungsvorschlag des Bundesrates sodann mit geringfügigen Abweichungen aufgenommen. Dem 49
Vgl. vor allem Schallmoser, FR 2001, 509 (510 f.); Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 200 f.; Wendt, in: Kirchhof u. a. (Hrsg.), FS für Raupach, S. 195 (197 f.); ders., FR 2000, 417 (422 f.). Siehe auch Jakob, DStR 2000, 101 (103); Prinz, FR 2000, 134 (135); a. A. soweit ersichtlich allein Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 285 ff. 50 Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 200. 51 Schallmoser, FR 2001, 509 (510); Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 201; Wendt, in: Kirchhof u. a. (Hrsg.), FS für Raupach; ders., FR 2000, 417 (423). 52 Vgl. Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 200. 53 Wendt, in: Kirchhof u. a. (Hrsg.), FS für Raupach, S. 195 (198); ders., FR 2000, 417 (423). 54 Schallmoser, FR 2001, 509 (510 f.); Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 201. 55 Schallmoser, FR 2001, 509 (510 f.); Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 201.
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G. Art. 1 Nr. 2a des Steuerbereinigungsgesetzes 1999
sei jedoch eine intensive und kontroverse Auseinandersetzung in den Beratungen des Ausschusses vorausgegangen. 56 Schließlich habe der Wirtschaftsausschuß des Bundesrates eine Anrufung des Vermittlungsausschusses ausdrücklich auch zu § 4 Abs. 4a EStG empfohlen. 57 Erwähnung findet schließlich auch ein Antrag der Länder Bayern und Thüringen im ersten Durchgang des Bundesrates, die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 gänzlich zu streichen. 58 In Anbetracht dessen bestünden gegenüber der vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen konzeptionellen Neuausrichtung des § 4 Abs. 4a EStG keine Bedenken. Das Wesen von Kompromißverhandlungen werde durch die Suche nach einer Lösung Non-A / Non-B bestimmt, welche einen Ausweg aus den sich unvereinbar gegenüberstehenden Positionen zweier Seiten ermöglichen solle. Beschränkt werde diese Suche allein durch das zu verwirklichende Regelungsziel. 59 Nicht vorgegeben sei hingegen der Weg, der hiebei einzuschlagen sei. Ziel des § 4 Abs. 4a EStG sei die Ausgrenzung von Schuldzinsen, die wirtschaftlich nicht auf Betriebsausgaben, sondern auf einer Entnahme von Fremdkapital beruhten. 60 Dieser Sinn und Zweck der Vorschrift bleibe jedoch unberührt, wenn der Vermittlungsausschuß mit der Ersetzung einer liquiditäts- durch eine kapitalbezogene Funktionsweise hierzu lediglich einen anderen Weg vorschlage. 61
IV. Stellungnahme: Überschreitung der Vermittlungskompetenz durch § 4 Abs. 4a EStG 1999 Entgegen der Ansicht von Bundesfinanzhof und Schrifttum war der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für § 4 Abs. 4a EStG 1999 unzulässig. Er verfügte zwar über die notwendige Legitimation durch das vorangegangene parlamentarische Verfahren im Bundestag. Er entbehrte aber einer Legitimation durch das Anrufungsbegehren des Bundesrates.
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Schallmoser, FR 2001, 509 (510 f.); Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 201. 57 Seiler, a. a. O.; Wendt, FR 2000, 417 (424). 58 Schallmoser, FR 2001, 509 (510 f.); Wendt, FR 2000, 417 (424). 59 Wendt, a. a. O. (422). 60 Wendt, a. a. O. (422 f.). 61 Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 201; Wendt, FR 2000, 417 (423).
IV. Stellungnahme
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1. Fehlende Anrufungslegitimation des § 4 Abs. 4a EStG 1999 a) Beschränkung des Anrufungsbegehrens zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 auf Fragen der Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen Ein Vermittlungsvorschlag besitzt die erforderliche Anrufungslegitimation, wenn er den gegenständlichen Rahmen des Anrufungsbegehrens wahrt. Die inhaltlichen Grenzen des Anrufungsbegehrens ergeben sich hierbei aus der Fassung des Anrufungsbegehrens. Während ein sich auf eine Bezugnahme auf den Gesetzesbeschluß beschränkendes offenes Anrufungsbegehren zu sämtlichen Vermittlungsvorschlägen ermächtigt, welche vom Regelungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage als äußerster Schranke jeglicher Vermittlungsbemühungen getragen werden, kann das anrufende Organ den Vermittlungsausschuß auch auf Änderungen und Ergänzungen einzelner Vorschriften beschränken. Der Bundesrat hatte die Einberufung des Vermittlungsausschusses zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 ausweislich der eindeutigen Formulierung des Anrufungsbeschlusses ausschließlich zu einzelnen Nummern des Art. 1 StBereinG 1999 verlangt. 62 Diese betrafen ausnahmslos die Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen. Die in Art. 1 Nr. 2a StBereinG 1999 geregelte Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG fand hingegen gerade keine Erwähnung. Auf Grund der unmißverständlichen Formulierung des Anrufungsbegehrens war der Vermittlungsausschuß daher auch nur zu solchen Regelungsvorschlägen befugt, welche die in den vom Bundesrat bezeichneten Nummern des Art. 1 StBereinG 1999 geregelten Fragen der Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen zum Gegenstand hatten. Eine Empfehlung für eine Änderung des in der vom Bundesrat ausdrücklich nicht erwähnten Nummer 2a des Art. 1 StBereinG 1999 neu geregelten Schuldzinsenabzugs bewegte sich außerhalb des durch das Anrufungsbegehren gesetzten äußeren Vermittlungsrahmens und war damit unzulässig. 63 b) Unzulässigkeit der Einbeziehung von Gegenständen jenseits des Anrufungsbegehrens Die gleichwohl von Bundesfinanzhof und Teilen des Schrifttums vorgenommene Einbeziehung von Gegenständen auch jenseits des Anrufungsbegehrens überzeugt nicht. Zumal beide eingangs ihrer Ausführung einhellig anerkennen, daß der Vermittlungsausschuß in seinen Beschlußempfehlungen grundsätzlich auf den durch das Anrufungsbegehren umgrenzten Vermittlungsgegenstand be-
62 Vgl. die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat am 26. November 1999, BR-Drs. 636/99(Beschluß). 63 Insoweit zumindest erhebliche Zweifel Söffing, BB 2008, 417 (424).
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G. Art. 1 Nr. 2a des Steuerbereinigungsgesetzes 1999
grenzt sei. 64 Die sodann jedoch in alternativer Interpretation des Verhältnisses von Anrufungs- und Verfahrenslegitimation vorgenommene Ausweitung des Vermittlungsgegenstandes verkennt die Funktion des Anrufungsbegehrens und nimmt dem Kriterium der Anrufungslegitimation jeden eigenständigen Bedeutungsgehalt. Zwar mag es in der Tat vorkommen, daß die Beratungen im Vermittlungsausschuß einen Gang nehmen, der auch vom Einberufungsverlangen explizit ausgeklammerte, ihrerseits bereits auf einem Kompromiß beruhende Teile des Gesetzesbeschlusses wieder in Frage stellt, zumindest aber berührt. So waren auch der Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG in ihrer ursprünglichen Fassung erhebliche Meinungsverschiedenheiten insbesondere zwischen Bundestag und Bundesrat vorausgegangen. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs 65 ist diese Überlegung jedoch nicht geeignet, eine (nachträgliche) Einbeziehung derartiger Gegenstände in die Vermittlungsmasse zu rechtfertigen. Das anrufende Organ hat mit der Formulierung seines Anrufungsbegehrens deutlich gemacht, daß es nicht gewillt ist, hiervon betroffene Vorschriften wieder zur Disposition zu stellen und erneut zu diskutieren. So hat der Bundesrat in seinem Anrufungsbeschluß zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 bewußt von einer Erwähnung des § 4 Abs. 4a EStG abgesehen und die Neufassung des Schuldzinsenabzugs damit nicht zum Vermittlungsgegenstand gemacht. Sinn und Zweck inhaltlicher Bindung an das Anrufungsbegehren ist aber, sicherzustellen, daß die durch das anrufende Organ formulierten äußersten Grenzen jedes Kompromisses eingehalten werden. 66 Anrufungslegitimation und Verfahrenslegitimation stellen kumulativ zu erfüllende Erfordernisse dar. Ihr alternatives Verständnis nähme in der Berücksichtigung von jenseits des Anrufungsbegehrens liegenden Gegenständen nicht nur dem Anrufungsbegehren jeden eigenständigen (inhaltlichen) Gehalt. Es erlaubte hingegen für innerhalb des Anrufungsbegehrens verbleibende Gegenstände die Einbeziehung von solchen Inhalten, die zuvor keine demokratischen Mindestanforderungen genügende parlamentarische Willensbildung erfahren haben. Wünscht ein anderes (anrufungsberechtigtes) Organ eine Ausdehnung des Vermittlungsgegenstandes so steht ihm hierfür – zumindest für Zustimmungsgesetze – die Möglichkeit offen, den Vermittlungsausschuß selbst auch noch einmal anzurufen und in der Formulierung des Anrufungsbegehrens den zulässigen Vermittlungsrahmen zu erweitern. 67 Hiervon haben für das Steuerbereinigungsgesetz 1999 weder Bundestag noch Bundesregierung Gebrauch gemacht. 64 Vgl. BFHE 211, 227 (232); Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 200. 65 BFHE 211, 227 (233). Siehe auch Wendt, in: Kirchhof u. a. (Hrsg.), FS für Raupach, S. 195 (198); ders., FR 2000, 417 (423). 66 Vgl. oben D. IV. 3. b) aa) (3) und D. 4. sowie D. V. 1. b) aa) (3). 67 Bei gleichzeitiger Anrufung des Vermittlungsausschusses durch mehrere Organe ist der zulässige Vermittlungsrahmen additiv zu bestimmen. Siehe oben D. V. 1. a) aa) (1).
IV. Stellungnahme
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c) Fehlender Konkretisierungsbedarf des Anrufungsbegehrens zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 Schließlich bedurfte das Anrufungsbegehren des Bundesrates zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 angesichts seiner unmißverständlichen Formulierung auch keiner weitergehenden Präzisierung. Der Ansatz, weitere Inhalte in das Anrufungsbegehren des Bundesrates zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 gleichsam einer Konkretisierung hineinzulesen, trägt nicht. Fehl geht dabei insbesondere der Verweis auf eine Beschlußempfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates, die Einberufung des Vermittlungsausschusses auch zur Neuregelung des Schuldzinsenabzugs in § 4 Abs. 4a EStG zu verlangen. Zwar bedarf die Bestimmung der inhaltlichen Schranken eines Anrufungsbegehrens immer auch der Auslegung. In ganz besonderem Maße gilt dies für offen gefaßte Anrufungsbegehren, welche sich ausschließlich auf eine Bezeichnung des Gesetzesbeschlusses beschränken. Hierbei ist es möglich, daß sich das anrufende Organ einer lediglich beispielhaften Nennung von – aus seiner Sicht besonders bedeutsamen – Vorschriften des Gesetzesbeschlusses bedient, ohne daß dieser Aufzählung abschließender Charakter für die Bestimmung des Vermittlungsgegenstandes zukommen soll. Die Einberufung des Vermittlungsausschusses wird „insbesondere“ zu namentlich erwähnten Bestimmungen des Gesetzesbeschlusses verlangt. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist jedoch der Anrufungsbeschluß selbst. Weitere Bekundungen des anrufenden Organs dürfen zur Ermittlung des genauen Anrufungswillens nur dann ergänzend herangezogen werden, wenn sich die Formulierung des Anrufungsbegehrens selbst als wenig aussagekräftig erweisen sollte. 68 Voraussetzung ist, daß überhaupt ein Konkretisierungsbedarf besteht. Hervorgehobene Bedeutung kommt dabei den dem Anrufungsbeschluß vorangegangenen Beratungen des anrufenden Organs zu. Das Einberufungsverlangen des Bundesrates zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 beschränkte sich eindeutig auf einzelne, ausschließlich die Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen betreffende Nummern des Art. 1 StBereinG 1999. Seine Formulierung ließ keinen Interpretationsspielraum. Ein offenes Anrufungsbegehren bei lediglich exemplarischer Nennung einzelner Vorschriften von besonderer Relevanz lag nicht vor. 69 Damit bestand aber auch kein Bedarf für eine ergänzende Hinzuziehung weiterer Parlamentsmaterialien.
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Vgl. oben D. V. 1. b) bb). Die zu Unrecht angenommene Möglichkeit einer weiteren Konkretisierung des Anrufungsbegehrens zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 scheint denn auch einem Missverständnis von Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dessen „Arbeitszimmer“Entscheidung zu entspringen, welche sich ausschließlich der genaueren Bestimmung des Inhaltes von offenen Anrufungsbegehren widmen („soweit ein Anrufungsbegehren allein durch die Benennung des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetzes gekennzeichnet ist ...“ (BVerfGE 101, 297 (307 f.)). Vgl. BFHE 211, 227 (232). 69
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d) Verfehltheit der Einbeziehung der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates Die Bezugnahme auf die Empfehlung des Wirtschaftsausschusses 70, den Vermittlungsausschuß umfassend zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 und dabei insbesondere auch zur vorgesehenen Neuregelung des Schuldzinsenabzugs anzurufen, überzeugt auch aus einem weiteren Grunde nicht. Abgesehen davon, daß die Beschlußempfehlung des Wirtschaftsausschusses im Bundesrat gerade keine Mehrheit gefunden hatte, sich vielmehr im Gegenteil argumentieren ließe, der Bundesrat habe sich bewußt gegen eine offene Anrufung und Einbeziehung der Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG entschieden, begegnet die Berücksichtigung der Empfehlung eines Ausschusses des Bundesrates zur genaueren Bestimmung des Inhaltes eines Anrufungsbegehrens grundsätzlichen Bedenken. Bei einer Ausschußempfehlung handelt es sich nicht um eine Willensbekundung des Bundesrats(plenums) als anrufendem Organ. Dieser Einwand gewinnt noch einmal Gewicht, wenn man berücksichtigt, daß den Ausschüssen im Bundesrat auf Grund ihrer Zusammensetzung keine den Bundestagsausschüssen vergleichbare repräsentative Funktion gegenüber dem Plenum zukommt. So sind die Länder im Bundesrat in jedem Ausschuß mit je einem Mitglied vertreten (§ 11 Abs. 2 GOBR) und verfügen auch nur über je eine Stimme (§ 42 Abs. 2 GOBR). Damit sind die Stimmenverhältnisse im Plenum, welche eine typisierende Gewichtung in Abhängigkeit von der Bevölkerungsstärke des einzelnen Landes vorsehen (Art. 51 Abs. 2 GG), in den Ausschußberatungen nicht abgebildet. Angesichts der divergierenden Mehrheitsverhältnisse ist die Tatsache, daß eine Empfehlung eines Ausschusses im Plenum des Bundesrates keine Mehrheit findet, kein weiter verwunderlicher Umstand. Bei der Einbeziehung von Ausschußempfehlungen zur weiteren Konkretisierung eines Anrufungsbeschlusses des Bundesrates ist daher grundsätzliche Vorsicht geboten. 71 e) Ergebnis Das Anrufungsbegehren des Bundesrates zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 erstreckte sich nur auf einzelne Nummern des Art. 1 StBereinG 1999, welche 70
Vgl. Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 201; Wendt, FR 2000, 417 (423). 71 Erwägenswert scheint sie allein für den Fall, daß auf Grund des besonderen Abstimmungsverfahrens des Bundesrates bei der Einberufung des Vermittlungsausschusses (vgl. § 31 GOBR; siehe auch oben D. V. 1. a) bb) (2) sowie D. V. 1. c) cc), Fußnote 344) zwar eine Mehrheit für die Anrufung des Gremiums gestimmt, jedoch keine der inhaltlichen Präzisierungen durch Ausschussempfehlungen oder Anträge der Länder eine Mehrheit gefunden hat. Zur genaueren Umgrenzung des Anrufungsgegenstandes eines so zustande gekommenen offenen Anrufungsbegehrens des Bundesrates läßt sich ein Rückgriff wohl auch auf die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates rechtfertigen.
IV. Stellungnahme
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ausschließlich die Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen betrafen. Kein Gegenstand des Einberufungsverlangens war hingegen die in Art. 1 Nr. 2a StBereinG 1999 geregelte Neufassung des Schuldzinsenabzugs in § 4 Abs. 4a EStG. Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für § 4 Abs. 4a EStG 1999 überschritt damit die inhaltlichen Grenzen des Anrufungsbegehrens. 72 2. Verfahrenslegitimation des § 4 Abs. 4a EStG 1999 Auch wenn die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses für § 4 Abs. 4a EStG 1999 damit bereits wegen ihres Überschreitens des Anrufungsbegehrens unzulässig war, soll untersucht werden, ob sie nicht doch wenigstens über die notwendige Legitimation durch das vorangegangene Verfahren im Bundestag verfügte. Ein Einigungsvorschlag besitzt die erforderliche Verfahrenslegitimation, wenn er in den vorausgegangenen Beratungen des Bundestages eine den Mindestanforderungen aus Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 2 und 42 Abs. 1 S. 1 GG genügende parlamentarisch-demokratische Willensbildung erfahren hat. 73 Dies ist der Fall, wenn der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses in den Verhandlungen des Bundestages plenarförmlich und bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten vorgezeichnet war. a) Plenarförmliche Vorzeichnung des Regelungszwecks des § 4 Abs. 4a EStG 1999 Die Tatsache allein, daß der Regelungsgegenstand Anlaß für Meinungsunterschiede zwischen Bundestag und Bundesrat gab und zu umfangreichen Kontroversen in der parlamentarischen Debatte führte, genügt hierfür (noch) nicht. 74 Erforderlich ist vielmehr, daß der konkrete Regelungszweck der vom Vermittlungs72 Gleiches gilt daher auch für die ebenfalls auf den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 zurückgehende Vorschrift des § 54 Abs. 9 S. 1 KStG 1999 (BT-Drs. 14/2380, S. 3). Auch die durch sie in ihrem zeitlichen Anwendungsbereich erweiterte Regelung des § 23 Abs. 2 S. 5 KStG hatte im Anrufungsbeschluß des Bundesrates keine Erwähnung gefunden (vgl. BFH / NV 2009, 89 (91 f.); siehe hierzu auch die Nachweise in Fußnote 2). Entsprechend findet schließlich auch die Bestimmung des § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG i.d.F des StMBG im Einberufungsverlangen des Bundesrates zum Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz keine Erwähnung in den zur Präzisierung der Anrufungsgründe in der Anlage angefügten und wohl abschließend zu verstehenden Empfehlungen seiner Ausschüsse und Landesanträge (vgl. die Unterrichtung des Bundesrates über die Anrufung des Vermittlungsausschusses vom 29. 1. 1993, BT-Drs. 12/6267). Siehe hierzu auch die Nachweise in Fußnote 2. 73 Vgl. ausführlich oben D. V. 2. 74 So aber – etwas ungenau – BFHE 211, 227 (233); Schallmoser, FR 2001, 509 (510 f.).
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ausschuß vorgeschlagenen Änderung bereits in den Beratungen des Bundestages vorhersehbar war. Voraussetzung ist eine hinreichende inhaltliche Genauigkeit. § 4 Abs. 4a EStG 1999 sollte die erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 abfedern und zu deren verbesserter Handhabbarkeit in der Praxis beitragen. Hierzu sah die Vorschrift unter anderem einen Übergang von der ursprünglich liquiditäts- zu einer nunmehr kapitalorientierten Funktionsweise der Beschränkung des Schuldzinsenabzugs vor. Förmlich hatte die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG 1999 im vorangegangenen parlamentarischen Verfahren eine Vorzeichnung in vielfältiger Weise erfahren. Das Spektrum reichte hierbei von einer Beibehaltung der Regelung des § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 über deren grundlegende Umgestaltung bis hin zu deren ersatzloser Streichung. Die gleichlautenden Gesetzentwürfe von Bundesregierung und Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Steuerbereinigungsgesetz 1999 sahen eine Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG zwar nicht vor. Schon die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf schlug jedoch eine Änderung der Vorschrift in gesetzestextlicher Fassung – wenn auch noch unter Beibehaltung der konzeptionellen Ausrichtung auf entnehmbare Liquiditätsüberschüsse – vor 75. 76 Anliegen war eine Abmilderung der materiellen Auswirkungen und Verbesserung der praktischen Handhabbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 4a EStG. Im Unterschied zur Stellungnahme des Bundesrates, welche den Abgeordneten des Bundestages als Bundestagsdrucksache vorlag, 77 kann zum Nachweis einer plenarförmlichen Vorzeichnung des § 4 Abs. 4a EStG 1999 nicht abgestellt werden auf den Antrag der Länder Bayern und Thüringen im ersten Durchgang des Bundesrates, § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 völlig aufzuheben. 78 Als (ausschließliche) Bundesratsdrucksache unterliegt ein Antrag im Bundesrat nicht dem Verteilungsgebot des § 77 Abs. 1 GOBT und ist daher auch nicht geeignet, Plenarförmlichkeit im Sinne des Bundestages herzustellen. Aufgegriffen wurde der Änderungsvorschlag des Bundesrates für eine Neufassung des Schuldzinsen75 Ähnlich verhält es sich mit dem Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG i. d. F. des StMBG. Auch dessen Regelungsziel hatte in einer vom Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf vorgeschlagenen Einfügung eines neuen Absatzes 3 in § 5 ErbStG eine hinreichende plenarförmliche Vorzeichnung erfahren (vgl. Unterrichtung der Bundesregierung über die Stellungnahme des Bundesrates vom 21. 10. 1993, BT-Drs. 12/5940, S. 16 f.). Siehe hierzu auch BFH, BFH / NV 2006, 948 (949). 76 Zur grundsätzlichen Eignung von Stellungnahmen des Bundesrates für eine plenarförmliche Vorzeichnung des konkreten Regelungszwecks eines Vermittlungsvorschlags siehe oben D. V. 2. b) bb) (2) (b). 77 Vgl. Anlage 2 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27. September 1999, BT-Drs. 14/1655, S. 4 ff. 78 So aber Schallmoser, FR 2001, 509 (510); Wendt, FR 2000, 417 (423).
IV. Stellungnahme
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abzugs in § 4 Abs. 4a EStG in den Beratungen des Finanzausschusses. Ein – auch im Bericht des Finanzausschusses nachgezeichneter – Antrag der CDU / CSUFraktion, auf eine Einschränkung der steuerlichen Berücksichtigung von Schuldzinsen als Betriebsausgaben völlig zu verzichten und insoweit den Rechtszustand vor dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wiederherzustellen, hatte hierbei keine Mehrheit gefunden. Nach intensiver und kontroverser Debatte beschloß der Finanzausschuß schließlich, dem Bundestag eine Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 zu empfehlen, welcher im wesentlichen die vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vorgeschlagenen Änderungen zugrunde lagen. Nicht (mehr) als Beleg für Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich einer Änderung des § 4 Abs. 4a EStG herangezogen werden kann hingegen die (erst) im zweiten Durchgang des Bundesrates geäußerte Empfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates, den Vermittlungsausschuß auch zur Neuregelung des Schuldzinsenabzugs anzurufen. 79 Äußerungen im zweiten Durchgang des Bundesrates sind bereits auf Grund ihres Zeitpunktes untauglich, zur plenarförmlichen Vorzeichnung eines Regelungszwecks im bereits abgeschlossenen Verfahren des Bundestages beizutragen. 80 Eine Änderung des § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 war plenarförmlich somit zum einen in der Stellungnahme des Bundesrates, zum anderen in Bericht und Beschlußempfehlung des Finanzausschusses vorgezeichnet und wurde schließlich auch vom Bundestag beschlossen. Inhaltlich getragen wurden sämtliche Überlegungen für eine Neuregelung des Schuldzinsenabzuges von dem gemeinsamen Ziel, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vorschrift abzumildern und zu ihrer besseren praktischen Handhabbarkeit beizutragen. Mit der konzeptionellen Neuausrichtung von einer liquiditäts- zu einer kapitalorientierten Funktionsweise der Beschränkung des Abzugs von Schuldzinsen als Betriebsausgaben schlug der Vermittlungsausschuß insoweit lediglich einen anderen methodischen Weg vor. 81 Sinn und Zweck der Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG blieben hiervon völlig unberührt. Zumal der Vermittlungsausschuß nach dem Verlauf des parlamentarischen Verfahrens mit dem entsprechenden Antrag der CDU / CSU-Fraktion im Finanzausschuß im Äußersten auch dazu befugt gewesen wäre, eine ersatzlose Streichung des § 4 Abs. 4a EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 vorzuschlagen. Daß der Wechsel von einer liquiditäts- zu einer kapitalorientierten Beschränkung des Schuldzinsenabzugs hierbei wohl zugleich in enger Anlehnung an einen extern erarbeiteten Vor79
So aber Wendt, a. a. O. Vgl. Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (329). 81 Die Beschlußempfehlung für § 54 Abs. 9 S. 1 KStG i. d. F. des StBereinG 1999 läßt den Inhalt der schon vom Bundestag beschlossenen Regelung des § 23 Abs. 2 S. 5 KStG 1999 sogar völlig unberührt und ordnet zur Lückenschließung lediglich ihre Geltung bereits ab dem VZ 1999 an. Vgl. hierzu FG Münster, EFG 2005, 1225 (1229); anhängiges Verfahren beim BFH – I R 33/05. 80
318
G. Art. 1 Nr. 2a des Steuerbereinigungsgesetzes 1999
schlag des Deutschen Steuerberaterverbandes 82 erfolgte 83, bleibt unschädlich. 84 Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses besaß jedenfalls auch die erforderliche inhaltliche parlamentarische Vorzeichnung. b) Bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten Weitere Voraussetzung für die Annahme der Verfahrenslegitimation eines Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses ist, daß der einzelne Abgeordnete im parlamentarischen Verfahren die tatsächliche Möglichkeit besaß, den in den Beratungen vorgezeichneten Regelungszweck – einer späteren Empfehlung des Vermittlungsausschusses – zu erörtern, Regelungsalternativen vorzustellen und hierfür Mehrheiten zu suchen. Die tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit der Abgeordneten ist jedenfalls bei einer geschäftsordnungskonformen Durchführung der Verhandlungen im Bundestag gegeben. 85 Für Verletzungen geschäftsordnungsrechtlicher Vorgaben liegen beim Verfahren zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 keine Anhaltspunkte vor. Der Regelungszweck der späteren Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG war mit der Stellungnahme des Bundesrates vielmehr schon in der ersten Beratung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 und damit bereits in einem sehr frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens bekannt. In den Beratungen des Finanzausschusses kam es schließlich auch tatsächlich zu einer kontroversen und intensiven Debatte über eine Neuregelung des Schuldzinsenabzugs. c) Ergebnis Das Regelungsziel der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses für § 4 Abs. 4a EStG 1999 war somit im Verfahren des Bundestages inhaltlich und förmlich bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des Abgeordneten vorgezeichnet. Der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 verfügte insoweit daher über die notwendige Legitimation durch eine parlamentarisch-demokratische Willensbildung.
82
Vgl. hierzu Pasch, DStZ 2000, 117 ff. Siehe auch die Mitteilung des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. zum Steuerbereinigungsgesetz 1999, Stbg 2000, 2 f. 83 Vgl. die dahingehenden Äußerungen des Abg. Joachim Poß, die Korrekturen des § 4 Abs. 4a EStG seien unter anderem „infolge der Kritik von Verbänden“ erfolgt, Protokoll der 2. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 15. Dezember 1999, S. 32. 84 So zutreffend Seiler, in: Kirchhof / Söhn / Mellinghoff (Hrsg.), Einkommensteuergesetz, § 4 Abs. 4a, Rn. Ea 201. 85 Vgl. ausführlich oben D. V. 2. c) bb).
V. Ergebnis
319
V. Ergebnis Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für § 4 Abs. 4a EStG 1999 besaß zwar die erforderliche Verfahrenslegitimation, entbehrte jedoch der notwendigen Anrufungslegitimation. Das Regelungsziel des § 4 Abs. 4a EStG 1999 hatte in der Stellungnahme des Bundesrates zum ursprünglichen Gesetzentwurf und den Beschlußempfehlungen des Finanzausschusses eine hinreichende plenarförmliche Vorzeichnung in den Beratungen des Bundestages und bei geschäftsordnungskonformem Verlauf unter tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des Abgeordneten erfahren. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses verließ allerdings den inhaltlichen Rahmen des Anrufungsbegehrens des Bundesrates, welches sich ausdrücklich auf Fragen der Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen beschränkt hatte. Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für § 4 Abs. 4a EStG 1999 war daher unzulässig. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG 1999 ist als auf einem unzulässigen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses beruhend nichtig.
H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 als Beispiel für die gegebene Anrufungs- und fehlende Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags Exemplarisch für einen Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses, der zwar über eine Legitimation durch das Anrufungsbegehren, nicht aber über eine solche durch das vorangegangene Verfahren im Bundestag verfügt, ist die Vorschrift des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (HBeglG 2004) vom 29. Dezember 2003 1. 2
I. Gegenstand der Regelung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 Nach § 1 Abs. 1 BierStG 1993 ist für hergestelltes Bier Biersteuer zu entrichten. Der Steuertarif ergibt sich aus § 2 BierStG 1993. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 BierStG 1993 beträgt die Biersteuer 0,787 Euro je Grad Plato. Grad Plato bezeichnet dabei den Stammwürzegehalt des Bieres in Gramm je 100 Gramm Bier (§ 2 Abs. 1 S. 3 BierStG 1993). Abweichend hiervon sieht § 2 Abs. 2 BierStG 1993 einen ermäßigten Steuersatz für Bier aus unabhängigen Brauereien (§ 2 Abs. 3 BierStG 1993) mit einer Gesamtjahreserzeugung von weniger als 200.000 Hektolitern vor. 3 Zweck der dort geregelten Staffelung der Biersteuersätze in Abhängigkeit von der Höhe des Bierausstoßes – sogenannte „Mengenstaffel“ – ist der Schutz mittelständischer Brauereien. Durch Art. 15 HBeglG 2004 wurden 1
BGBl I 2003, S. 3076. Ein weiteres Beispiel bildet die Regelung des § 58a AufenthG i. d. F. des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl I 2004, S. 1950 (hierzu Erbslöh, NVwZ 2007, 155 ff.). Zu weiteren auf dem Einigungsvorschlag zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 beruhenden Beispielen siehe unten H. V. 3 Im Wortlaut lautete § 2 Abs. 2 BierStG 1993 i. d. F. des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, S. 2150 (2158)) auszugsweise: „(2) 1Abweichend von Absatz 1 ermäßigt sich der Steuersatz für im Brauverfahren hergestelltes Bier aus unabhängigen Brauereien mit einer Gesamtjahreserzeugung von weniger als 200.000 hl Bier in Stufen von 1.000 zu 1.000 hl gleichmäßig – auf 75 vom Hundert bei einer Jahreserzeugung von 40.000 hl, – auf 70 vom Hundert bei einer Jahreserzeugung von 20.000 hl, – auf 60 vom Hundert bei einer Jahreserzeugung von 10.000 hl und – auf 50 vom Hundert bei einer Jahreserzeugung von 5.000 hl. 2
II. Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004
321
diese ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 BierStG 1993 erstmals – um 12 % – erhöht. 4
II. Das Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 Das Haushaltsbegleitgesetz 2004 geht auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15. August 2003 5 zurück. Gegenstand der Initiative war die Umsetzung wesentlicher Elemente des Haushaltsstabilisierungskonzeptes 2004 der Bundesregierung sowie das Vorziehen der dritten Steuerentlastungsstufe von 2004 auf 2005. Das Haushaltsstabilisierungskonzept zielte in erster Linie auf eine nachhaltige Begrenzung der konsumtiven Staatsausgaben und einen verstärkten Subventionsabbau. 6 Hierzu sah der Gesetzentwurf unter anderem den Wegfall der Eigenheimzulage, eine Senkung der Entfernungspauschale für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die Streichung der Halbjahresregelung bei Absetzungen für Abnutzungen und eine Rückführung der Vergütung der Mineralölsteuer für in der Land- und Forstwirtschaft verwandten Dieselkraftstoff vor. 7 Darüber hinaus zeigte sich die Bundesregierung in der Begründung ihres Gesetzentwurfs offen für weitere Vorschläge der Länder hinsichtlich anderer Maßnahmen zum Subventionsabbau und bot den Ländern eine weitergehende Zusammenarbeit beim Abbau von Steuervergünstigungen an. Hierzu würde der Bund seine Vorschläge „auf der Basis der Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück“ machen, welche zu diesem Zeitpunkt allerdings noch gar nicht vorlagen. 8 Eine Änderung des Biersteuergesetzes 1993 sah der Gesetzentwurf nicht vor. (...) 4Unter 5.000 hl bleibt der ermäßigte Steuersatz von 50 vom Hundert unverändert. (...)“. 4 In der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 lautet § 2 Abs. 2 BierStG 1993 nunmehr: „(2) 1Abweichend von Absatz 1 ermäßigt sich der Steuersatz für im Brauverfahren hergestelltes Bier aus unabhängigen Brauereien mit einer Gesamtjahreserzeugung von weniger als 200.000 hl Bier in Stufen von 1.000 zu 1.000 hl gleichmäßig ab 1. Januar 2004 – auf 84,0 vom Hundert bei einer Jahreserzeugung von 40.000 hl, – auf 78,4 vom Hundert bei einer Jahreserzeugung von 20.000 hl, – auf 67,2 vom Hundert bei einer Jahreserzeugung von 10.000 hl und – auf 56,0 vom Hundert bei einer Jahreserzeugung von 5.000 hl. (...) 4Unter 5.000 hl bleibt der ermäßigte Steuersatz von 56 vom Hundert unverändert. (...)“. 5 BR-Drs. 652/03. 6 BR-Drs. 652/03, S. 1 u. 21 f. 7 BR-Drs. 652/03, S. 2 u. 22 f. 8 BR-Drs. 652/03, S. 24.
322
H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
Der Bundesrat lehnte in seiner Stellungnahme vom 26. September 2003 den Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 ab. 9 In seiner Begründung bemängelte er den Abbau von Förderungssystemen und anderer begründeter steuerlicher Erleichterungen durch wahllosen Eingriff in bestehende Gesetze 10 und kritisierte das Fehlen einer soliden Gegenfinanzierung der geplanten Steuersenkungen 11. Eine Erhöhung der Biersteuer wurde nicht thematisiert. In der vorangegangenen Plenardebatte war allerdings vereinzelt auf die – noch ungewissen – Ergebnisse der Arbeitsgruppe Koch / Steinbrück Bezug genommen worden. 12 In ihrer Gegenäußerung bekräftigte die Bundesregierung noch einmal ihre Absicht zur Verwirklichung eines dringend notwendigen Abbaus von Steuervergünstigungen und betonte, daß es sich bei den im Haushaltsbegleitgesetz 2004 vorgesehenen Maßnahmen lediglich um ein unverzichtbares Mindestmaß handle. 13 Noch ehe die Stellungnahme des Bundesrates vorlag, war der Gesetzentwurf am 8. September 2003 von der Bundesregierung als „besonders eilbedürftig“ gemäß Art. 76 Abs. 2 S. 4 GG 14 dem Bundestag zugeleitet worden 15. In der ersten Beratung des Gesetzentwurfs fanden die erwarteten Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück wiederholt in allgemeiner Form Erwähnung 16. Der Gesetzentwurf wurde sodann an die Ausschüsse, unter Federführung 9 Stellungnahme des Bundesrates vom 26. September 2003, BR-Drs. 652/03 (Beschluß). 10 Nr. 2 der Stellungnahme des Bundesrates vom 26. September 2003, BR-Drs. 652/03 (Beschluß), S. 2. 11 Nr. 3 Stellungnahme des Bundesrates vom 26. September 2003, BR-Drs. 652/03 (Beschluß), S. 2. 12 So bekräftigte Bundesminister Hans Eichel die Absicht der Bundesregierung, Steuersubventionen auch ab 2005 konsequent weiter abbauen zu wollen (791. Sitzung des Bundesrates am 26. September 2003, Plenarprotokoll 791, S. 285C). Der Bayerische Staatsminister der Finanzen Prof. Dr. Kurt Faltlhauser kritisierte hingegen, daß die Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück im Bundeshaushalt bereits Berücksichtigung in einer Höhe von 1,2 Milliarden Euro fänden, ohne daß deren Arbeitsergebnisse überhaupt schon vorlägen, und sprach insofern von „Luftbuchungen“ und einer „Haushaltsaufstellung auf dem Prinzip Hoffnung“ (a. a. O., S. 290C). 13 Unterrichtung der Bundesregierung vom. 1. Oktober 2003, BT-Drs. 15/1639, S. 2. 14 Vgl. BR-Drs. 652/03. 15 BT-Drs. 15/1502. 16 Bundesminister Hans Eichel bot dem Bundesrat Gespräche über einen weiteren Abbau steuerlicher Subventionen ab 2005 an, der über das, was die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück seinen Erwartungen nach voraussichtlich vorlegen würden, hinausgehen müsse (58. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. September 2003, Plenarprotokoll 15/58, S. 4862A). Der Abg. Walter Schöler äußerte die Erwartung eines weiteren Abbaus von Steuervergünstigungen und Subventionen auf der Grundlage der Ankündigung der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück und kündigte „ein Paket von Maßnahmen (an), das in den nächsten Wochen vor Verabschiedung des Haushaltes beraten und die zweite
II. Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004
323
des Haushaltsausschusses, überwiesen. 17 Der Haushaltsausschuß führte in seiner 27. Sitzung am 8. Oktober 2003 eine öffentliche Anhörung zum Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 durch. 18 Das unterdessen am 30. September 2003 von den Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück vorgelegte Konzept „Subventionsabbau im Konsens“ 19, welches erstmals auch eine Erhöhung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 BierStG 1993 vorsah 20, war nicht Gegenstand der Anhörung, wurde jedoch verschiedentlich am Rande erwähnt 21. Förmlich zum Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens wurde das „Koch / Steinbrück-Papier“ in der 28. Sitzung des Haushaltsausschusses am 15. Oktober 2003. Die Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) hatten „das KochSteinbrück-Papier persönlich in die Beratungen zum Haushaltsbegleitgesetz eingeführt und dem Vorsitzenden formal mit der Bitte überreicht (...), es per Umdruck allen Abgeordneten zur Kenntnis zu geben.“ 22 Das Papier wurde sodann als Ausschußdrucksache 15/8/852 verteilt. Eine Diskussion zu Einzelheiten des Vorschlags, insbesondere zur vorgesehenen Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 fand nicht statt. Die Koalitionsfraktionen begrüßten jedoch die Vorstellung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ durch die beiden Landesminister und erinnerten daran, daß für die Initiative im Haushaltsentwurf 2004 bereits eine Platzhalterposition ausgewiesen sei. Sie gaben daher der Erwartung Ausdruck, daß die von den Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück vorgeschlagene Liste der Steuersubventionskürzungen auch „eins zu eins“ umgesetzt würde. 23 Die Fraktion der und dritte Lesung hier im Parlament erreichen“ werde (a. a. O., S. 4887C). Dr. Günter Rexrodt, MdB, meldete schließlich Zweifel an, ob die „Arbeitsgruppe Koch Steinbrück überhaupt etwas Konkretes“ liefern werde (a. a. O., S. 4878B). 17 Beschluß des Deutschen Bundestages am 9. September 2003, Plenarprotokoll 15/58, S. 4903B-C. 18 Vgl. Stenographisches Protokoll der 27. Sitzung des Haushaltsausschusses am 8. Oktober 2003, Protokoll Nr. 15/27. 19 Subventionsabbau im Konsens – Der Vorschlag der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück, 2003; abrufbar auf den Seiten der Hessischen Staatskanzlei unter http://www.stk.hessen.de/ (Stand: 4. Oktober 2008). 20 Subventionsabbau im Konsens – Der Vorschlag der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück, S. 21 (Nr. 27) sowie im Anhang, S. 15 (Nr. 27). Die vorgeschlagene Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 sah allerdings eine Anhebung der gestaffelten Steuersätze um 12 % noch in drei Schritten vor. 21 So betonte der Abg. Walter Schöler die positive Resonanz der Koch / SteinbrückInitiative und erinnerte daran, daß für diese im Haushalt 2004 bereits eine Platzhalterfunktion i.H.v. rund 1,2 Milliarden Euro vorgesehen sei, daher ein großes Interesse bestünde, daß diese Liste von Subventionskürzungen auch umgesetzt würde (Stenographisches Protokoll der 27. Sitzung des Haushaltsausschusses am 8. Oktober 2003, Protokoll-Nr. 15/27, S. 8). Siehe auch die Äußerungen der Abg. Dr. Michael Meister (a. a. O., S. 23) und Franziska Eichstädt-Bohlig (a. a. O., S. 26) sowie der Sachverständigen Lefarth (a. a. O., S. 29) und Ondracek (a. a. O., S. 38). 22 Bericht des Haushaltsausschusses vom 16. Oktober 2003, BT-Drs. 15/1751, S. 4. 23 Bericht des Haushaltsausschusses vom 16. Oktober 2003, BT-Drs. 15/1751, S. 3.
324
H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
CDU / CSU hingegen bemängelte, daß für zahlreiche zum Haushaltssicherungskonzept der Bundesregierung gehörende Maßnahmen noch keine gesetzliche Regelung vorgelegt worden sei. Zu diesen zählten auch die Vorschläge zum Subventionsabbau der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück. 24 Die Fraktionen von CDU / CSU und FDP legten daher Wert darauf, daß die Kurzvorstellungen der Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück zum Subventionsabbau durch die beiden anwesenden Landesminister aus NordrheinWestfalen und Hessen keine Einbringung in das parlamentarische Verfahren darstellten, zumal beide Minister auf die Frage, ob es sich dabei um eine Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf handle, dieses ausdrücklich nicht bestätigt hätten. 25 Ein Antrag der Fraktion CDU / CSU, die Bundesregierung dazu aufzufordern, umgehend die inhaltliche Ausgestaltung der angekündigten gesetzlichen Regelungen zur Umsetzung der Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück im parlamentarischen Verfahren offen zu legen, fand im Ausschuß jedoch keine Mehrheit. 26 In der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003 fanden sich schließlich weder die im „Koch / SteinbrückPapier“ vorgeschlagenen Subventionskürzungen im allgemeinen noch eine Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 im besonderen wieder. 27 Die zweite und dritte Beratung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 fanden am 17. Oktober 2003 statt. 28 Gegenstand der Aussprache war insbesondere der Abbau von Steuervergünstigungen. Im Mittelpunkt standen hierbei die im Gesetzentwurf vorgesehenen Subventionsstreichungen. Vereinzelt wurden jedoch auch die Vorschläge zum Subventionsabbau der Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen erwähnt, allerdings ohne daß hierbei auf einzelne Punkte eingegangen wurde. 29 Die Abgeordneten der Fraktion der CDU / CSU erneuerten ihren bereits in den Beratungen des Haushaltsausschusses gestellten Entschließungsantrag, die Bundesregierung dazu aufzufordern, umgehend die inhaltliche Ausgestaltung der angekündigten gesetzlichen Regelungen zur Umsetzung der Vorschläge der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Stein24
Bericht des Haushaltsausschusses vom 16. Oktober 2003, BT-Drs. 15/1751, S. 5. Ebd. 26 Vgl. den Bericht des Haushaltsausschusses vom 16. Oktober 2003, BT-Drs. 15/ 1751, S. 5. 27 Vgl. die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003, BTDrs. 15/1750. 28 Vgl. die 67. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. Oktober 2003, Plenarprotokoll 15/67, S. 5759A ff. 29 Bundesminister Hans Eichel unterstrich die Notwendigkeit eines Abbaus von Steuervergünstigungen und wie in diesem Zusammenhang auch auf die Initiative der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück hin (67. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. Oktober 2003, Plenarprotokoll 15/67, S. 5762D f.). Die Abg. Anja Hajduk betonte, daß die Vorschläge der Initiative notwendig seien, jedoch noch nicht ausreichten (a. a. O., S. 5770D). 25
II. Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004
325
brück im parlamentarischen Verfahren offen zu legen, 30 fanden hierfür jedoch auch im Plenum keine Mehrheit 31. Gleiches gilt für einen Entschließungsantrag der Abgeordneten der Fraktion der FDP, sämtliche Subventionen linear um 20 Prozent zu kürzen 32. 33 Der Gesetzentwurf wurde schließlich in der unveränderten Fassung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. 34 Die Abgeordneten Kampeter (CDU / CSU) und Fricke (FDP) gaben zur Abstimmung nach § 31 GOBT eine Erklärung zu Protokoll 35, in der sie nachdrücklich der Auffassung widersprachen, die Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück seien mit ihrer Kurzvorstellung durch die Landesminister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) in der 28. Sitzung des Haushaltsausschusses wirksam in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden und damit möglicher Gegenstand zukünftiger Verhandlungen im Vermittlungsausschuß. Sie sähen durch ein derartiges Vorgehen ihre Rechte als Abgeordnete verletzt. Die vom Bundesverfassungsgericht in der „Arbeitszimmer“-Entscheidung aufgestellten Anforderungen an eine Einbeziehung in einen Vermittlungsvorschlag seien nicht erfüllt. Dem Bundesrat hätte es freigestanden, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen. Zudem hätten die Landesminister auf Nachfrage erklärt, daß sich ihre Vorschläge nicht auf das Haushaltsbegleitgesetz bezögen. Der Bundesrat beschloß daraufhin, den Vermittlungsausschuß zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 mit dem Ziel anzurufen, erstens das Gesetz grundlegend zu überarbeiten und zweitens hierbei die Vorschläge der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück zum Abbau von Steuervergünstigungen mit einzubeziehen. 36 Dem Anrufungsbegehren lagen dabei gleichlautende Beschlußempfehlungen des Finanz- und Wirtschaftsausschusses des Bundesrates zugrunde. 37 In der vorangegangenen Plenardebatte wurde betont, daß das „Koch / Steinbrück-Papier“ wirksam in die Beratungen des Deutschen Bundestages eingeführt worden
30
Entschließungsantrag vom 15. Oktober 2003, BT-Drs. 15/1752, S. 3. Vgl. Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 67. Sitzung am 17. Oktober 2003, Plenarprotokoll 15/67, S. 5783C. 32 Entschließungsantrag vom 16. Oktober 2003, BT-Drs. 15/1753, S. 4. 33 Vgl. Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 67. Sitzung am 17. Oktober 2003, Plenarprotokoll 15/67, S. 5787D. 34 Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 67. Sitzung am 17. Oktober 2003, Plenarprotokoll 15/67, S. 5783B u. 5784D. 35 Anlage 10 zu Plenarprotokoll 15/67, S. 5832D. 36 Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat vom 7. November 2003, BR-Drs. 729/03 (Beschluß). 37 Vgl. die Ziff. 2 und 3 der Empfehlungen der Ausschüsse zum Haushaltsbegleitgesetz 2004, BR-Drs. 729/1/03. 31
326
H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
sei und daher auch zulässiger Gegenstand der Verhandlungen des Vermittlungsausschusses sein könne. 38 Der Vermittlungsausschuß bezog sodann in seinen Beschlußempfehlungen zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 weitreichend die im „Koch / Steinbrück-Papier“ vorgesehenen Kürzungen von Steuersubventionen ein und schlug hierbei unter anderem in Art. 8a erstmals auch die bis heute fortgeltende Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 39 vor 40. Der Bundestag stimmte der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses unter Verzicht auf eine Berichterstattung und Aussprache zu. 41 In der Anlage wurden allerdings mehrere Erklärungen nach § 31 GOBT zu Protokoll gegeben. So gab der Abg. Schmidt (SPD) fünf Protokollerklärungen der Bundesregierung während der abschließenden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses wieder, deren vierte sich mit der Umsetzung der „Koch / Steinbrück-Vorschläge“ – allerdings ausschließlich im Bereich der Finanzhilfen – befaßte. 42 Mehrere Abgeordnete der Fraktion der SPD erklärten, daß eine rechtzeitige und umfassende Information jedes einzelnen Abgeordneten über den Einigungsvorschlag nicht gewährleistet gewesen sei und hierdurch eine verantwortliche Entscheidung unmöglich geworden sei. 43 Die Abgeordneten Fricke (FDP) und Kampeter (CDU / CSU) erneuerten ihre bereits in der dritten Beratung des Gesetzentwurfs geäußerte Kritik am Zustandekommen des Gesetzes. 44 Es erscheine äußerst bedenklich, wenn wesentliche Entscheidungen im Vermittlungsausschuß und nicht im Rahmen einer ordentlichen Debatte im Plenum des Deutschen Bundestages getroffen würden. Dies gelte namentlich für diejenigen auf dem „Koch / Steinbrück-Papier“ beruhenden Subventionskürzungen, welche erstmals im Vermittlungsverfahren eingebracht worden seien. Die 38 So ausdrücklich Staatsminister Jochen Riebel (Hessen) in der 793. Sitzung des Bundesrates am 7. November 2003, Plenarprotokoll 793, S. 423B. Siehe auch die Bezugnahmen auf das „Koch-Steinbrück-Papier“ von Minister Dr. Ralf Stegner (SchleswigHolstein), der zu der Einschätzung gelangt, das Papier sei in Teilen weniger als das, was bereits die Bundesregierung vorgeschlagen habe, biete jedoch einen vernünftigen Ansatz für einen umfassenden Subventionsabbau (a. a. O., S. 421A), und Bundesminister Hans Eichel, der den Vorschlag der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück noch einmal ausdrücklich begrüßte und für das Vermittlungsverfahren bereits eine Kombination der von der Bundesregierung im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen zum Subventionsabbau und der Vorschläge des „Koch / Steinbrück-Papiers“ in Aussicht stellte (a. a. O., S. 427A-C). 39 Siehe Fußnote 4. 40 Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 16. Dezember 2003, BTDrs. 15/2261, S. 8. 41 Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 84. Sitzung am 19. Dezember 2003, Plenarprotokoll 15/84, S. 7375D. 42 Anlage 2 zu Plenarprotokoll 15/67, S. 7439C-D. 43 Anlage 3 zu Plenarprotokoll 15/67, S. 7440A-C. 44 Anlage 4 zu Plenarprotokoll 15/67, S. 7440D-7441B.
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum
327
Grenzen der Befugnisse des Vermittlungsausschusses seien damit überschritten worden. Ein derart mangelhaftes Verfahren führe zudem zu handwerklichen Fehlern, welche in Anbetracht der Bedeutung der gefällten Entscheidungen nur als hoch riskant bezeichnet werden könnten. Die Abgeordnete Piltz (FDP) schloß sich dieser Bewertung an. 45 Schließlich nahm auch der Bundesrat den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses an. 46
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum Das Zustandekommen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 hat in Rechtsprechung und Schrifttum eine Diskussion zu der Frage ausgelöst, inwiefern die Einbeziehung des sogenannten „Koch-Steinbück-Papiers“ durch den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 überhaupt zulässig war. 47 1. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 7. 11. 2007 – 2 BvR 412, 2491/04 Zwei von der Erhöhung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 BierStG 1993 betroffene mittelständische Brauereien hatten hierbei gegen Art. 15 HBeglG 2004 Verfassungsbeschwerden erhoben. 48 Sie sahen sich in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, da der Vermittlungsausschuß mit seinem Regelungsvorschlag für Art. 15 HBeglG
45
Anlage 5 zu Plenarprotokoll 15/67, S. 7441B-D. Beschluß des Bundesrates in seiner 795. Sitzung am 19. Dezember 2003, Plenarprotokoll 795, S. 503C; BR-Drs. 937/03 (Beschluß). 47 Die Finanzverwaltung sah sich angesichts der Vielzahl der in der Folge gegen das Haushaltsbegleitgesetz 2004 erhobenen Einwendungen sogar gezwungen, dessen verfassungsmäßiges Zustandekommen eigens in einem BMF-Schreiben zu bekräftigten und die Zurückweisung jeglicher das formell verfassungswidrige Zustandekommen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 geltend machender Einsprüche anzuordnen (BMF-Schreiben vom 12. 3. 2004 – IV D 2 – S 0338 – 13/04 –, BStBl I 2004, S. 362). Die zwischenzeitlich angesichts einer – sogleich zu schildernden – anhängigen Verfassungsbeschwerde nur noch vorläufig erfolgte Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich der Anwendung der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 geänderten Vorschriften (BMF-Schreiben vom 8. 4. 2005 – IV A 7 – S 0338 – 27/05, BStBl I 2005, 609; Neufassung durch BMF-Schreiben vom 27. 6. 2005 – IV A 7 – S 0338 – 54/05, Anlage, Nr. 8, BStBl I 2005, 794) wurde mit deren Nichtannahme durch das Bundesverfassungsgericht unterdessen wieder aufgehoben (BMF-Schreiben vom 10. 3. 2008 – IV A 4 – S 0338/07/0003 –, BStBl I 2008, 463). Siehe hierzu auch unten H. V. 48 BVerfG, 2 BvR 412/04 und 2 BvR 2491/04 vom 7. 11. 2007. 46
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H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
2004 seine Kompetenz überschritten habe und die Vorschrift daher formell verfassungswidrig zustande gekommen sei. 49 Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerden jedoch nicht zur Entscheidung an. 50 Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, daß die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt seien. Die Annahme zur Entscheidung sei weder zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt, noch komme ihr grundsätzliche Bedeutung zu, da die Verfassungsbeschwerden unzulässig seien. 51 Es fehle an der unmittelbaren Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen durch die Bestimmung des Art. 15 HBeglG 2004. 52 § 2 Abs. 2 BierStG 1993 i. d. F. des Art. 15 HBeglG 2004 setze mit einem Steuerbescheid oder einer einem solchen gleichgesetzten Steueranmeldung des Betroffenen rechtsnotwendig und nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen besonderen Vollzugsakt voraus. Zudem werde die Biersteuer für Bier, das einem ermäßigten Steuersatz unterliege, nach der Jahreserzeugung des Vorjahres vorläufig festgesetzt. Um diese Festsetzung zu ermöglichen, habe der Inhaber des Steuerlagers aber zuvor eine Steuererklärung abzugeben. Die Voraussetzungen, ausnahmsweise trotz des Erfordernisses eines Vollzugsaktes die unmittelbare Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen durch die angegriffene Norm zu bejahen, lägen nicht vor, da die Vorschrift des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 i. d. F. des HBeglG 2004 nicht bereits vor konkreten Vollzugsakten zu später nicht mehr revidierbaren Dispositionen veranlasse. 53 Mit der Nichtannahme der gegen Art. 15 HBeglG 2004 erhobenen Verfassungsbeschwerden hatte das Gericht keine Gelegenheit, Stellung zu der Frage zu nehmen, ob der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für Art. 15 HBeglG 2004 die Grenzen der Vermittlungskompetenz wahrte. 54 2. Meinungsbild im Schrifttum Im Schrifttum fällt das Meinungsbild zu der Frage, ob der Vermittlungsausschuß mit der Einbeziehung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ im Gesetzgebungs-
49
BVerfG a. a. O., Absatz-Nr. 14 ff. BVerfG a. a. O., Absatz-Nr. 20. 51 Ebd. 52 BVerfG a. a. O., Absatz-Nr. 23 ff. 53 BVerfG a. a. O., Absatz-Nr. 32. 54 Vgl. hierzu jedoch jüngst BVerfG, 2 BVR 758/07 vom 8. 12. 2009. Siehe aber auch den Beschluß des FG Düsseldorf vom 28. 2. 2005, in welchem es ernstliche Zweifel am formell verfassungsgemäßen Zustandekommen des Art. 15 des HBeglG 2004 äußert (FG Düsseldorf, Beschluß vom 28. 2. 2005 – 4 V 410/05 A, FGReport 2005, 40). 50
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum
329
verfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 seine Befugnisse überschritten hat, geteilt aus. a) Mehrheitsansicht: Formell verfassungswidriges Zustandekommen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 Der ganz überwiegende Teil des Schrifttums geht hierbei von der Unzulässigkeit der auf dem „Koch / Steinbrück-Papier“ basierenden Ergänzungsvorschläge des Vermittlungsausschusses zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 aus. Mit der Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 durch Art. 15 HBeglG 2004 im besonderen setzten sich hierbei Huber / Fröhlich 55 auseinander. Huber / Fröhlich sind dabei der Ansicht, daß die Einbeziehung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ durch das Anrufungsbegehren des Bundesrates zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 – jedenfalls für sich genommen – kein taugliches Instrument gewesen sei, den zulässigen Vermittlungsrahmen zu erweitern. 56 Maßgeblich sei vielmehr, ob eine Änderung des Biersteuergesetzes 1993 bereits vor Beschlußfasssung des Bundestages am 17. Oktober 2003 Gegenstand der parlamentarischen Debatte gewesen sei. Das „Koch / Steinbrück-Papier“ sei jedoch nie in das Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 eingeführt worden. 57 Dies sei weder mit dem in der Begründung des ursprünglichen Gesetzentwurfs enthaltenen, den förmlichen Voraussetzungen einer Gesetzesinitiative nicht genügenden pauschalen Hinweis auf zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vorliegende künftige Ergebnisse der „Arbeitsgruppe Koch / Steinbrück“ geschehen, noch vermöchten dies entsprechende Bezugnahmen einzelner Redebeiträge in der ersten Lesung zu leisten. 58 Auch die Vorstellung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ durch die Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) in der 28. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003 sei nicht geeignet gewesen, zu dessen wirksamer Einbeziehung in das Gesetzgebungsverfahren zu führen. 59 Zwar besäßen Vertreter des Bundesrates nach Art. 43 Abs. 2 GG Zutritt zu allen Sitzungen der Ausschüsse und müssten jederzeit gehört werden. Über ein eigenständiges Antragsrecht verfügten sie hierbei allerdings gerade nicht. Ihre Befugnisse beschränkten sich vielmehr auf Meinungsbeiträge und umfaßten nicht das Recht auf Mitgestaltung des Beratungs- und Entscheidungsgegenstandes. Zudem genügte das als Ausschußdrucksache verteilte „Koch / Steinbrück-Papier“ nicht den Anforderungen an eine den Vermittlungsgegenstand vorzeichnende „Stellungnahme“. Es entbehrte einer hinreichend konkreten Fassung, der sich die Absicht konkreter 55 56 57 58 59
Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 ff. Huber / Fröhlich, a. a. O. (329). Huber / Fröhlich, a. a. O. (330). Ebd. Ebd.
330
H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
gesetzgeberischer Schritte entnehmen hätte lassen. 60 Des weiteren sei durch die Tatsache, daß das „Koch / Steinbrück-Papier“ in der Beschlußvorlage des Haushaltsausschusses keine Rolle gespielt habe, und durch den bloßen Abdruck als Ausschußdrucksache nicht gewährleistet gewesen, daß auch alle Abgeordneten die Möglichkeit zur Kenntnisnahme von den Inhalten des Papiers besessen und darüber eine parlamentarische Debatte hätten anstrengen können. 61 Zum einen sei die Möglichkeit der nicht im Haushaltsausschuß vertretenen Abgeordneten mit Blick auf §§ 16, 69 Abs. 2 GOBT allenfalls eine theoretische gewesen. Zum anderen hätten angesichts des Fehlens der Vorstellung des „Koch / SteinbrückPapiers“ auf der Tagesordnung, seines Umfangs sowie seiner mangelnden gesetzestechnischen Fassung nicht einmal die Mitglieder des Ausschusses selbst die Gelegenheit gehabt, den beachtlichen Inhalt des Papiers, geschweige denn eine Änderung des Biersteuergesetzes im speziellen, zu erkennen. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß im Entwurf des Bundeshaushalts 2004 bereits ein Platzhalter für das Papier vorgesehen war und die Beratungen im Bundestag darauf mehrfach Bezug genommen hätten, sei doch zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar gewesen, ob und in welchem Umfang die in dem Papier vorgesehenen Vorschläge auch tatsächlich umgesetzt werden würden. 62 Schließlich sei auch die übergeordnete Zielsetzung des Entwurfs zum Haushaltsbegleitgesetz 2004, Steuersubventionen abbauen zu wollen, nicht geeignet gewesen, eine Änderung des Biersteuergesetzes hinreichend bestimmt vorzuzeichnen. 63 Auch diejenigen Stellungnahmen, die sich nicht auf die Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 durch Art. 15 HBeglG, sondern auf einzelne andere auf das „Koch / Steinbrück-Papier“ zurückgehende Änderungen – insbesondere des Erbschaftsteuergesetzes 64 – beziehen oder aber sich mit der Einbeziehung des Konzeptes in den Vermittlungsvorschlag zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 als solchem auseinandersetzen, kommen – mit größtenteils ähnlicher Begründung – ganz überwiegend zu dem Ergebnis, daß der Vermittlungsausschuß insoweit seine Kompetenz überschritten habe. 65 60
Huber / Fröhlich, a. a. O. (331). Ebd. 62 Ebd. 63 Ebd. 64 So etwa Halaczinsky, ErbStB 2004, 142 f.; Höninger / Levedag, FR 2004, 739 ff.; W. G. Leisner, NJW 2004, 1129 ff.; ders., DStR 2004, 804 ff. Siehe auch Halaczinsky, ErbStB 2004, 37 (38). 65 Vgl. Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 300 ff.; Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats des Fachbereichs Steuern der Ernst&Young AG zum Zustandekommen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, BB 2004, 695 ff.; Höninger / Levedag, FR 2004, 739 ff.; Höreth / Zipfel / Schiegl, ZSteu 2004, 56 ff.; Köster, Stbg 2004, 251ff.; W. G. Leisner, NJW 2004, 1129 ff.; ders., DStR 2004, 804 ff.; Wendt, FR 2004, 209 ff. Zumindest Zweifel am formell verfassungsgemäßen Zustandekommen 61
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum
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b) Minderheitsansicht: Formell verfassungsgemäßes Zustandekommen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 Allein Schenke 66 kommt, soweit ersichtlich 67, zu dem Ergebnis, daß die auf dem „Koch / Steinbrück-Papier“ beruhenden Änderungsvorschläge des Vermittlungsausschusses zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 zulässig gewesen seien. Der Vermittlungsausschuß sei zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 ausdrücklich mit dem Ziel angerufen worden, die Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück für einen Subventionsabbau mit in eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes einzubeziehen. Wenn der Vermittlungsausschuß dem nachgekommen sei, habe er sich im Rahmen seines Vermittlungsauftrages gehalten und keine eigenständige Gesetzesinitiative entfaltet. 68 Der Vermittlungsvorschlag habe sich zudem innerhalb eines inhaltlichen Sachzusammenhangs mit dem Gesetzesbeschluß bewegt. 69 Dieser sei sehr weit zu verstehen und werde für das Haushaltsbegleitgesetz 2004 durch das bereits in der ursprünglichen Gesetzesinitiative zum Ausdruck kommende Ziel eines verstärkten Subventionsabbaus bestimmt. Das Konzept der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück sei aber auch tatsächlich Gegenstand der parlamentarischen Debatte gewesen. 70 So sei das „Koch / Steinbrück-Papier“ von zwei Landesregierungen im federführenden Haushaltsausschuß „ausdrücklich im Zusammenhang mit den Gesetzesberatungen eingeführt“ und von diesem „zustimmend aufgenommen“ worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei klar gewesen, daß der Bundesrat seine Zustimmung zum Gesetzentwurf von einer Umsetzung dieser Vorschläge abhängig machen würde. Daß dies auch im Bundestag so aufgenommen wurde, verdeutliche die von den Abgeordneten Kampeter und Fricke anläßlich der Schlußabstimmung abgegebene Protokollerklärung, mit der diese einer derartigen Erweiterung des Vermittlungsrahmens ausdrücklich widersprachen. Schließlich sei das „Koch / Steinbrück-Konzept“ auch in zweiter und dritter Lesung des Gesetzes im Plenum diskutiert worden. Dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses könne auch nicht der Vorwurf fehlender Öffentlichkeitsbeteiligung gemacht werden, sei das „Koch / Steinbrück-Konzept“ doch „allgemein bekannt, in der Tagespresse breit diskutiert (...) und im Internet frei zugänglich“ gewesen. 71 Da sich die von den Abgeordneten Kampeter und Fricke in ihrer ersten Protokollerklärung vorgetrades Haushaltsbegleitgesetzes 2004 anmeldend Halaczinsky, ErbStB 2004, 142 f.; ders., ErbStB 2004, 37 (38); Schiffers, GmbHR 2004, 69 (70 f.); Wachter, DB 2004, 31 (32); ders., ZErb 2008, 171. Siehe auch Gutike, BB 2005, 190 f.; Messner, AktStR 2004, 370 (372 f.). 66 R. Schenke, FR 2004, 638 ff. 67 Siehe aber auch Wieland, jurisPR-SteuerR 13/2004, Anm. 3. 68 R. Schenke, FR 2004, 638 (641 f.). 69 R. Schenke, a. a. O. (642). 70 Ebd. 71 R. Schenke, a. a. O. (643).
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H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
gene Feststellung, daß die Landesvertreter in den Beratungen des Haushaltsausschusses eine Erklärung abgegeben hätten, wonach sich ihre Vorschläge nicht auf den vorliegenden Gesetzentwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 bezögen, anhand des Berichtes des Haushaltsausschusses nicht zweifelsfrei verifizieren lasse, könne gegenwärtig auch keine Verletzung der Rechte der Abgeordneten durch die Einbeziehung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ in den Vermittlungsvorschlag zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 angenommen werden. 72
IV. Stellungnahme: Überschreitung der Vermittlungskompetenz durch die Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für eine Erhöhung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 war zulässig, wenn der Vermittlungsausschuß hierbei über die notwendige Legitimation durch das Anrufungsbegehren des Bundesrates und die vorangegangenen Beratungen im Bundestag verfügte. 1. Anrufungslegitimation der Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 Ein Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses besitzt die notwendige Anrufungslegitimation, wenn er innerhalb des durch das Anrufungsbegehren gesetzten gegenständlichen Rahmens verbleibt. Letzterer wird hierbei durch die grundsätzliche Bezüglichkeit jedes Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß und die vom anrufenden Organ formulierten Einschränkungen bestimmt. Der Bundesrat verlangte die Einberufung des Vermittlungsausschusses zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 mit dem Ziel, „das Gesetz grundlegend zu überarbeiten“. Einschränkungen nahm der Bundesrat hierbei nicht vor. Damit lag dem Vermittlungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 ein offenes Anrufungsbegehren zugrunde. Gegenstand der Verhandlungen im Vermittlungsausschuß war das Haushaltsbegleitgesetz 2004 in seiner Gänze. Der Vermittlungsrahmen wurde dabei gegenständlich durch das Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage eines verstärkten Abbaus von Steuersubventionen begrenzt. Zulässig waren sämtliche Regelungsvorschläge, welche von dieser übergeordneten Zielsetzung getragen wurden. Der vom Bundesrat in Nummer 2 seiner Anrufungsgründe vorgenommenen Ergänzung, bei der grundlegenden Überarbeitung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 „die Vorschläge der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück zum Abbau von Steuervergünstigungen und Fi72
Ebd.
IV. Stellungnahme
333
nanzhilfen einzubeziehen“, kam daher keine eigenständige, den Vermittlungsrahmen inhaltlich erweiternde Bedeutung zu. 73 Sie diente allein der Präzisierung des inhaltlichen Standpunkts des Bundesrates im gegenständlich offenen Rahmen einer grundlegenden Überarbeitung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, gab insoweit die Richtung vor. Die in Art. 15 HBeglG 2004 vorgesehene Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 bewegte sich innerhalb des zulässigen gegenständlichen Rahmens des Anrufungsbegehrens zum Haushaltsbegleitgesetz 2004. 74 Die in § 2 Abs. 2 BierStG 1993 geregelten ermäßigten Steuersätze dienen dem Schutz mittelständischer Brauereien. Sie ordnen hierzu eine Durchbrechung der gleichmäßigen, an die Produktionsmenge als Ausdruck vermuteter Leistungsfähigkeit anknüpfenden Besteuerung an, stellen damit aber eine „Steuersubvention“ dar. Die Anhebung der Steuersätze durch Art. 15 HBeglG 2004 wurde daher vom Ziel des ursprünglichen Entwurfs eines Haushaltsbegleitgesetz 2004, verstärkt Steuersubventionen abbauen zu wollen, erfaßt. Auch war ihre zwölfprozentige Erhöhung im Sinne der Nummer 2 des Anrufungsbegehrens des Bundesrates im „Koch / Steinbrück-Papier“ – wenn auch nicht in einem Schritt, sondern noch in drei Stufen zu je vier Prozent – ausdrücklich vorgesehen 75. 2. Fehlende Verfahrenslegitimation der Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 Die in Art. 15 HBeglG 2004 geregelte Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 besaß die erforderliche Verfahrenslegitimation, wenn ihr Regelungszweck in den vorangegangenen Beratungen des Entwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 im Bundestag plenarförmlich und bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten vorgezeichnet war 76. a) Plenarförmliche Vorzeichnung der Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 Plenarförmlich ist der Regelungszweck der einzelnen Bestimmung eines Einigungsvorschlags zutage getreten, wenn er zum einen in der Öffentlichkeit der Plenardebatte des Bundestages, zum anderen in schriftlicher und hinreichend konkreter, die Absicht unmittelbaren gesetzgeberischen Tätigwerdens noch im 73 Sie bewegte sich damit auch innerhalb des aus Art. 76 Abs. 1 GG folgenden äußersten zulässigen Rahmens jedes Gesetzgebungsverfahrens. 74 Köster, Stbg 2004, 251 (253). 75 Vgl. Subventionsabbau im Konsens – Der Vorschlag der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück, S. 21 (Nr. 27) sowie im Anhang, S. 15 (Nr. 27). 76 Vgl. ausführlich oben D. V. 2.
334
H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
selben Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck bringender Form vorlag. 77 Der einzelnen Vorlage muß sich dabei die verbindliche und hinreichend genaue Formulierung eines konkreten Regelungsziels entnehmen lassen. Zukunftsgerichtete Absichtserklärungen, allgemeinpolitische Programme oder bloße Appelle erfüllen diese Voraussetzung nicht. aa) Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 15. August 2003 Als taugliches Instrument für eine Vorzeichnung der späteren Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 kommt hierbei zunächst der ursprüngliche Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 der Bundesregierung vom 15. August 2003 in Betracht. Der ursprüngliche Gesetzentwurf eignet sich regelmäßig für eine plenarförmliche Vorzeichnung der späteren Regelung eines Vermittlungsvorschlags. Als Gesetzesvorlage erreicht dieser unmittelbar das Plenum (§ 75 Abs. 1 lit. a GOBT). Auch eine Gesetzesvorlage unterliegt hierbei allerdings den an die plenarförmliche Vorzeichnung eines Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses zu stellenden Mindestanforderungen im einzelnen. So können Inhalte des Gesetzentwurfs nur dann in einem Einigungsvorschlag Berücksichtigung finden, wenn sie mit hinreichender Genauigkeit einen einzelnen Regelungszweck erkennen lassen. Unproblematisch erfüllt wird diese Voraussetzung in der Regel vom Gesetzestext, dem Gesetzentwurf im engeren Sinne, nicht unbedingt hingegen von seiner Begründung. Über in letzterer enthaltene Absichterklärungen oder Verweise auf weitere Vorhaben können daher auch nicht ohne weiteres zusätzliche, über den eigentlich Textvorschlag hinausreichende Inhalte in die Vermittlungsmasse mit einbezogen werden. Dies gilt erst recht für den Fall, daß deren Gegenstand nicht einmal bestimmbar ist. Der Textentwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 sah keine Änderungen des Biersteuergesetzes 1993 vor. Entgegen insoweit zumindest mißverständlicher Äußerungen in den Debatten von Bundestag 78 und Bundesrat 79 enthielt der Gesetzentwurf auch keinen „Platzhalter“ 80 für das eine Anhebung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 vorsehende 81 „Koch / Stein77
Siehe oben D. V. 2. b) bb) (1). Vgl. die Abg. Walter Schöler und Dr. Günter Rexrodt in der 58. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 9. September 2003, Plenarprotokoll 15/58, S. 4887C u. 4878B. 79 Siehe etwa den bayerischen Staatsminister der Finanzen Prof. Dr. Kurt Faltlhauser in der 791. Sitzung des Bundesrates vom 26. September 2003, Plenarprotokoll 791, S. 290C. 80 Abg. Walter Schöler in der 27. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 8. Oktober 2003, Protokoll-Nr. 15/27, S. 8. 81 Vgl. Subventionsabbau im Konsens – Der Vorschlag der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück, S. 21 (Nr. 27) sowie im Anhang, S. 15 (Nr. 27). 78
IV. Stellungnahme
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brück-Papier“. Ein solcher war lediglich in dem – mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 in erstem Durchgang und erster Lesung gemeinsam beratenen 82 – Entwurf eines Haushaltsgesetzes 2004 vorgesehen. Entsprechende Bezugnahmen in der parlamentarischen Auseinandersetzung betrafen daher ausschließlich das Haushaltsgesetz 2004. Abgesehen von der schon grundsätzlich fehlenden Eignung eines derart unbestimmten Platzhalters „Koch / Steinbrück-Papier“ zur Vorzeichnung eines konkreten Regelungszwecks – aber auch der Fragwürdigkeit einer derart auf zukünftigen Erwartungen fußenden Haushaltsaufstellung 83 – kam dieser als Gegenstand der Beratungen des Entwurfes eines Haushaltsgesetzes 2004, damit eines anderen Gesetzgebungsverfahrens aber schon von vorneherein für eine inhaltlich-formale Vorzeichnung der Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 in den Beratungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 nicht in Betracht. Allerdings findet sich auch im Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 ein – wenn auch versteckter – Hinweis auf das „Koch / Steinbrück-Papier“. Dort äußert die Bundesregierung unter Nummer 7 des Allgemeinen Teils der Begründung („Auswirkungen auf Länder und Gemeinden“ (sic!)) 84 ihre Bereitschaft, „für weitere Vorschläge der Länder insbesondere hinsichtlich anderer Maßnahmen zum Subventionsabbau offen“ zu sein, und bietet „den Ländern eine weitergehende Zusammenarbeit beim Abbau von Steuervergünstigungen“ an. Weiter heißt es, „auf der Basis der Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück, die im Sommer dieses Jahres vorgelegt werden sollen, werde der Bund seine Vorschläge hierzu machen“. Auch dieser Hinweis auf die erwarteten Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück genügte jedoch weder den inhaltlichen noch den formalen Anforderungen an die Vorzeichnung eines konkreten Regelungszwecks. Einem bloßen Verweis auf die künftigen „Arbeitsergebnisse der Arbeitsgruppe der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück“ läßt sich weder Ob noch Wie der konkreten Kürzung eines einzelnen Subventionstatbestandes wie des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 entnehmen. 85 Beides war in Anbetracht der Tatsache, daß das Konzept der beiden Ministerpräsidenten zum Zeitpunkt der Gesetzesvorlage noch gar nicht existierte, nicht einmal – und schon gar nicht gesetzestextlich – bestimmbar. Daneben läßt die gewählte Formulierung – angesichts der (noch) fehlenden Existenz des Papiers wenig überraschend – schon die Absicht eines unmittelbaren 82 Vgl. die Tagesordnungen der 791. Sitzung des Bundesrates vom 26. September 2003 (Plenarprotokoll 791, S. I) sowie der 58. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 9. September 2003 (Plenarprotokoll 15/58, S. I). 83 Vgl. die Kritik des Bayerischen Staatsminister der Finanzen Prof. Dr. Kurt Faltlhauser im ersten Durchgang im Bundesrat (791. Sitzung des Bundesrates vom 26. September 2003, Plenarprotokoll 791, S. 290C („Luftbuchungen“ und „Haushaltsaufstellung auf dem Prinzip Hoffnung“)). 84 BR-Drs. 652/03, S. 24 f. 85 Vgl. Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (330).
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H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
gesetzgeberischen Tätigwerdens vermissen, wenn davon die Rede ist, der Bund „werde“ Vorschläge „auf der Basis“ der Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück machen. Die Wahl des Futurs spricht für eine Realisierung erst in einem zukünftigen Gesetzentwurf, die Relativierung der Bezugnahme nicht unbedingt für eine Verwirklichung der Vorschläge „eins zu eins“. Eine gesetzliche Umsetzung des in seinen Inhalten zu diesem Zeitpunkt zudem noch völlig offenen „Koch / Steinbrück-Papiers“ jedenfalls noch im laufenden Verfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 war weder Abgeordneten noch Öffentlichkeit erkennbar. Schließlich vermochte auch die übergeordnete Zielsetzung des Gesetzentwurfs, verstärkt Steuersubventionen abbauen zu wollen, in ihrer Allgemeinheit nicht, den konkreten Zweck der Kürzung eines einzelnen Subventionstatbestandes wie des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 vorzuzeichnen. 86 bb) 28. Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages vom 15. Oktober 2003 Mit den fehlenden Aussagen der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung zum „Koch / Steinbrück-Papier“ sowie den im lediglich Mündlichen wie Abstrakten verbleibenden Bezugnahmen vereinzelter Redebeiträge im ersten Durchgang des Bundesrates und in der ersten Lesung des Bundestages rückt die 28. Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 15. Oktober 2003 in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dort wurde das „Koch / Steinbrück-Papier“ von den Ministern Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) erstmals nach seiner öffentlichen Präsentation am 30. September 2003 87 auch im Bundestag vorgestellt. Das Papier sah hierbei auch eine Erhöhung der in § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 geregelten Steuersätze vor. 88 Eine Vorzeichnung möglicher Regelungsgegenstände eines späteren Vermittlungsvorschlags scheint dabei in dreifacher Weise möglich. Sie könnte zum einen durch die Vorstellung des Konzeptes selbst, zum anderen durch die Verteilung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ in der Ausschußdrucksache 15/8/852 oder schließlich durch die Beschlußempfehlung und den die Vorgänge im Ausschuß nachzeichnenden Bericht des Haushaltsausschusses erfolgt sein. Zunächst stellt sich allerdings die Frage, inwieweit das Vorgehen der beiden Landesminister überhaupt zulässig war. 86 Vgl. Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (744); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331). A. A. allein R. Schenke, FR 2004, 638 (642). 87 Vgl. die gemeinsame Presseinformation „Größtes Programm zum Subventionsabbau in der deutschen Nachkriegsgeschichte“ der Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Hessen vom 30. September 2003. 88 Vgl. Subventionsabbau im Konsens – Der Vorschlag der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück, S. 21 (Nr. 27) sowie im Anhang, S. 15 (Nr. 27).
IV. Stellungnahme
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(1) Vorüberlegung: Zulässigkeit des Vorgehens der Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) Nach Art. 43 Abs. 2 GG haben Mitglieder des Bundesrates und ihre Beauftragten Zutritt zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse und müssen jederzeit gehört werden. 89 Aus dem Anhörungsrecht folgt unzweifelhaft die Befugnis, im Plenum und in den Ausschüssen des Bundestages jederzeit das Wort ergreifen zu können. 90 Die Landesminister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) waren somit befugt, an der 28. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003 zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 teilzunehmen und sich anläßlich dessen auch zu äußern. Allerdings sind die Vertreter des Bundesrates in der Ausübung ihres Rederechts aus Art. 43 Abs. 2 S. 2 GG auf Meinungsbeiträge beschränkt. 91 Nicht befugt sind sie hingegen zu einer aktiven Mitgestaltung des Beratungs- und Entscheidungsgegenstandes. 92 Sie besitzen daher auch kein Antragsrecht. 93 Eine Befugnis zu einer über das Instrument bloßer Information 94 hinausreichenden maßgeblichen Einflußnahme auf den parlamentarischen Entscheidungsprozeß findet sich in Art. 43 Abs. 2 S. 2 GG weder ausdrücklich geregelt 95, noch besteht für eine weitere Gelegenheit des Bundesrates zu einer förmlichen Stellungnahme ein Bedürfnis 96. Die Möglichkeiten des Bundesrates, förmlich auf den Beratungsgegenstand des parlamentarischen (Gesetzgebungs-)Verfahrens Einfluß nehmen zu können, sind mit dem Geset89
Ausführlich zum Zutritts- und Anhörungsrecht von Regierungsvertretern in den Ausschüssen des Bundestages Fauser, Die Stellung der Regierungsmitglieder und ihrer Vertreter im Parlament, S. 52 ff. 90 Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 43, Rn. 60; Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 43, Rn. 12; M. Schröder, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 43, Rn. 87. 91 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 43, Rn. 23. 92 Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 43, Rn. 60; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 43, Rn. 23; Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, S. 95 m.w. N. 93 Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 43, Rn. 60; Dicke, in: Umbach / Clemens (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, Art. 43, Rn. 34; Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 43, Rn. 12; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 43, Rn. 23; M. Schröder, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 43, Rn. 88; Versteyl, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, Art. 43, Rn. 36. 94 Zur Eröffnung der Möglichkeit einer „Einflußnahme durch Information“ im Wege des Art. 43 Abs. 2 S. 2 GG vgl. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, Art. 43, Rn. 21. 95 M. Schröder, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 43, Rn. 88. 96 Versteyl, in: von Münch / Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, Art. 43, Rn. 36.
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H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
zesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG) und der Befugnis zur Stellungnahme bei Vorlagen der Bundesregierung (Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG) abschließend geregelt. Der Eröffnung weiterer Möglichkeiten einer Stellungnahme des Bundesrates steht der abschließend förmliche Charakter der Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren entgegen. Auch ließe sie eine „Suprematie des Bundesrates“ über den parlamentarischen Beratungsverlauf befürchten. 97 Die Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) durften daher über den Inhalt des „Koch / Steinbrück-Papiers“ informieren, nicht jedoch diesen förmlich zum Gegenstand der Beratungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 machen. (2) Vorstellung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ durch die beiden Landesminister Mit der Beschränkung auf eine zulässige Information war die Vorstellung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ durch die Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) aber auch grundsätzlich ungeeignet, eine Vorzeichnung möglicher Regelungsgegenstände eines späteren Vermittlungsvorschlags zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 zu leisten. 98 Entweder war die Vorstellung des Konzeptes – bei Annahme der Intention der beiden Minister, auf diesem Wege in Vorbereitung möglicher späterer Verhandlungen im Vermittlungsausschuß eine Erweiterung des Regelungsgegenstandes der Beratungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 herbeizuführen – wegen Überschreitung des Art. 43 Abs. 2 S. 2 GG von vorneherein unzulässig oder aber sie entbehrte – als bloße Informationsveranstaltung – der für eine Regelungsvorzeichnung notwendigen Absicht unmittelbaren gesetzgeberischen Tätigwerdens. In keinem Fall mußten die Abgeordneten jedenfalls von einer Umsetzung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ noch im Verfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 ausgehen. 99 Im Ergebnis spricht hierbei einiges für die Annahme, daß die Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) mit der Vorstellung des „Koch / SteinbrückPapiers“ das Ziel verfolgten, dessen Inhalte in die parlamentarischen Beratungen zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 „ein(zu)bringen“ 100, in der Annahme, diese so später zum Gegenstand der Verhandlungen im Vermittlungsausschuß machen zu können. Auf den ersten Blick scheint einer solchen Annahme zwar die im Bericht des Haushaltsausschusses wiedergegebene Feststellung der Fraktionen 97 So M. Schröder, in: Dolzer (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 43, Rn. 88. 98 Kritisch auch Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (330). 99 So im Ergebnis auch Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (742 f.); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331). 100 So expressis verbis der Minister Dieckmann (NRW) in der 28. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003, Kurzprotokoll Nr. 15/28, S. 46.
IV. Stellungnahme
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CDU / CSU und FDP 101 sowie die von den Abgeordneten Kampeter und Fricke zur Abstimmung über das Haushaltsbegleitgesetz 2004 abgegebene Erklärung 102 entgegen zu stehen. In beiden heißt es, die Landesminister hätten auf die Frage, ob sich ihre Vorschläge (bereits) auf den vorliegenden Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 bezögen, erklärt, daß dies nicht der Fall sei. Ein Blick in das Protokoll der 28. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003 jedoch erhellt, daß die Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) es zwar vermieden, ausdrücklich von einer förmlichen Stellungnahme des Bundesrates zum vorliegenden Gesetzentwurf zu sprechen, den anwesenden Mitglieder des Ausschusses jedoch unzweifelhaft deutlich geworden sein mußte, daß das „Koch / Steinbrück-Papier“ zum Gegenstand des Verfahrens zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 gemacht werden sollte. So entgegnete der Minister Dieckmann (NRW) auf die Frage des Abgeordneten Fricke, „ob die Ministerpräsidenten ihre Vorschläge als Stellungnahme zum Haushaltsbegleitgesetz oder aber als eigenen Vorschlag ansehen würden“ 103, die Vorschläge seien „Teil des Gesetzgebungsverfahrens“ und stellten „keine Absage an den Gesetzentwurf der Bundesregierung“ sondern „vielmehr eine Ergänzung“ dar. Minister Riebel (Hessen) ergänzte, „es sei klar, daß vieles im Vermittlungsausschuß landen werde“, und daher „nicht ganz dumm, wenn man sich verfassungsrechtlich vorstelle, daß die Vorschläge in den Beratungen des Vermittlungsausschusses einbezogen würden“. Insoweit sei dies „ein intellektueller Beitrag zu den Beratungen des Deutschen Bundestages im Haushaltsausschuß zum Haushaltsbegleitgesetz“, welcher mit der Bitte des Ministers Dieckmann an den Vorsitzenden, das „Koch / Steinbrück-Papier“ allen Abgeordneten zur Verfügung zu stellen, „formalisiert“ werde. Minister Riebel bekräftigte im zweiten Durchgang im Bundesrat noch einmal seine im Haushaltsausschuß getätigten Ausführungen und betonte, das „Koch / SteinbrückPapier“ sei in die Beratungen des Bundestages eingeführt worden und könne deshalb auch Gegenstand der Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 sein 104. Daß diese Intention der Vorstellung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ in den Beratungen des Haushaltsausschusses auch den Mitgliedern des Ausschusses nicht verborgen blieb, zeigt die Tatsache, daß in der betreffenden Sitzung massive verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber einem solchen Vorgehen geäußert wurden. 105 Dies belegt, daß die Absicht der 101
Bericht des Haushaltsausschusses vom 16. Oktober 2003, BT-Drs. 15/1751, S. 5. Erklärung nach § 31 GOBT der Abgeordneten Steffen Kampeter (CDU(CSU) und Otto Fricke (FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004, Anlage 10 zu Plenarprotokoll 15/67, S. 5832D. 103 28. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003, Kurzprotokoll Nr. 15/28, S. 48. 104 Staatsminister Jochen Riebel (Hessen) in der 793. Sitzung des Bundesrates vom 7. November 2003, Plenarprotokoll 793, S. 423B. 105 So bemerkte der Abgeordnete Kampeter, er habe „Probleme, dieses Verfahren zu akzeptieren, da hier versucht werde, die Gesetzgebung in den Vermittlungsausschuss zu 102
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H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
beiden Landesminister, das „Koch / Steinbrück-Papier“ über den Umweg der Ausschußberatungen als weiteren Gegenstand in das Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 einzuführen, nicht nur unmißverständlich zutage getreten war, sondern auch von den Abgeordneten so verstanden wurde. Eine bewußte Täuschung der Abgeordneten im Haushaltsausschuß 106 kann damit nicht festgestellt werden. Allerdings hatten die Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) damit ihre Redebefugnis aus Art. 43 Abs. 2 S. 2 GG überschritten. Die Inhalte des „Koch / Steinbrück-Papiers“ waren auf diese Weise nicht zulässiger Gegenstand der Beratungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 geworden. Sie waren deshalb nicht geeignet, Regelungsvorschläge eines späteren Vermittlungsvorschlags zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 vorzuzeichnen. Darüber hinaus scheitert eine Vorzeichnung der späteren Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 durch die Vorstellung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ in den Beratungen des Haushaltsausschusses in jedem Falle bereits an deren Mündlichkeit. (3) Ausschußdrucksache 15/8/852 Anders könnte es sich daher möglicherweise mit der auf Bitte beider Minister veranlaßten Verteilung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ in der Ausschußdrucksache 15/8/852 verhalten. Die Ausschußdrucksache 15/8/852 gibt in Kopie den vollständigen und detaillierten Inhalt des „Koch / Steinbrück-Papiers“ – ergänzt um einige Übersichten sowie eine Presseinformation zur Vorstellung des Papiers – wieder. Im Unterschied zur lediglich mündlichen Vorstellung des Papiers durch die Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) genügte sie damit immerhin dem Schriftlichkeitsgebot. Auch ließen sich ihr – wenn auch nicht in
verlagern“ (Kurzprotokoll Nr. 15/28, S. 47), „offensichtlich solle darauf abgezielt werden, die Abgeordneten in einem parlamentarischen Prozeß nicht zu beteiligen“ (a. a. O., S. 48). Der Abgeordnete Fricke schloss sich den Bedenken des Abgeordneten Kampeter an und meldete Zweifel an der Vereinbarkeit eines solchen Vorgehens mit den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 7. Dezember 1999 aufgestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben an (a. a. O., S. 48). Der Abgeordnete Fromme entgegnete auf die Anmerkung des Ministers Riebel (Hessen) „das Recht eines Abgeordneten (werde) am Ende des Vermittlungsverfahrens, wenn es zur abermaligen Entscheidung des Deutschen Bundestages komme, zwar auf die Frage Ja oder Nein verkürzt, jedoch nicht auf Null gestellt“ (a. a. O., S. 48), für ihn bestehe „ein qualitativer Unterschied, ob er nur Ja oder Nein sagen könne oder aber ob eine Gesetzesinitiative inhaltlich beraten werde“ (a. a. O., S. 49). Der Vorsitzende schloss die Debatte schließlich mit der Bemerkung, die Erfahrung habe gezeigt, daß es, „wenn zwei Minister von CDU und SPD in den Ausschuss kämen, (...) auf(zu)passen“ gelte „wie eine „alte Katze“ (a. a. O., S. 49). 106 So noch – in Unkenntnis des Ausschußprotokolls – die Befürchtung von R. Schenke, FR 2004, 638 (643)). Sie stellte in der bisherigen Parlamentsgeschichte wohl auch einen einmaligen – die Rechte der Abgeordneten in gröbster Weise verletzenden – Vorgang dar.
IV. Stellungnahme
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Gesetzesform, so doch mit hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit 107 – Gegenstand und Ausmaß konkreter Änderungen einzelner Subventionstatbestände entnehmen, zu denen neben zahlreichen anderen auch die Regelung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 zählte 108. 109 Jedoch setzt sich die Unzulässigkeit der von einer unmittelbaren legislativen Absicht getragenen Vorstellung des „Koch / SteinbrückPapiers“ durch die Minister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) auch in der Ausschußdrucksache fort. Die Abgeordneten des Ausschusses mußten daher nicht davon ausgehen, daß es sich bei den Inhalten der Drucksachen um einen Regelungsgegenstand des laufenden Verfahrens zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 handelte. Schließlich stand einer plenarförmlichen Vorzeichnung in jedem Fall die fehlende Öffentlichkeit der Drucksache entgegen. Drucksachen der Ausschüsse sind in Entsprechung zu den Protokollen frühestens mit der Verkündung des betreffenden Gesetzes einsehbar. 110 Drucksachen des Haushaltsausschusses sind hierbei regelmäßig mit einem Vermerk „Nur zur dienstlichen Verwendung“ versehen und damit sogar erst mit Ablauf der nachfolgenden Wahlperiode öffentlich zugänglich 111. Damit erreichten die Inhalte des „Koch / Steinbrück-Papiers“ im Verfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 auf diesem Wege aber weder den Abgeordneten im Plenum 112 noch die Öffentlichkeit. 113
107 Die Übersichten der von den Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück für eine Kürzung vorgeschlagenen steuerlichen Subventionstatbestände geben für jede einzelne Vorschrift Aufschluß über den genauen Gegenstand der steuerlichen Regelung, das bisherige Subventionsvolumen, das zur Reduzierung gewählte Instrument sowie die durch die Kürzung für jede der drei Stufen erwarteten Mehreinnahmen. 108 Subventionsabbau im Konsens – Der Vorschlag der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück, S. 21 (Nr. 27) sowie im Anhang, S. 15 (Nr. 27) = Ausschußdrucksache 15/8/852, S. 23 u. 79. 109 A. A. Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (743 f.); Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331). 110 Nr. III. i.V. m. Nr. I. 1. der Richtlinien über die Behandlung der Ausschußprotokolle; abgedruckt bei Roll, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 73 Anhang. 111 Vgl. Nr. III. i.V. m. Nr. I. 2. der Richtlinien über die Behandlung der Ausschußprotokolle. 112 Wollte man insoweit das Recht jedes Abgeordneten auf Akteneinsicht (§ 16 Abs. 1 S. 1 GOBT) und Zutritt zu den Beratungen der Ausschüsse (§ 69 Abs. 2 S. 1 GOBT) genügen lassen, verblasste die tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten zu einer allenfalls theoretischen; kritisch auch Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331). Auch dann fehlte es jedoch weiterhin an der notwendigen Öffentlichkeit einer Regelungsvorzeichnung. Siehe hierzu auch oben D. V. 2. b) bb) (1) (a). 113 Öffentlich zugänglich sind die Ausschußdrucksache 15/8/852 sowie das Protokoll zur 28. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003 erst mit Ablauf der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages (voraussichtlich) im Herbst 2009.
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H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
(4) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses Schließlich könnte eine Vorzeichnung konkreter Regelungsinhalte im Zusammenhang mit der Vorstellung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ durch die Beschlußempfehlung und den Bericht des Haushaltsausschusses stattgefunden haben. Im Unterschied zu den Protokollen und Drucksachen der Ausschüsse erblicken die Beschlußempfehlungen und Berichte der Ausschüsse das Licht der Plenaröffentlichkeit. So lagen den Abgeordneten in zweiter und dritter Beratung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 auch die Beschlußempfehlung und der Bericht des Haushaltsausschusses vor. Während hierbei die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zum „Koch / Steinbrück-Papier“ schwieg und keine der in diesem vorgeschlagenen Subventionskürzungen mit aufnahm, findet sich im Bericht des Ausschusses zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 die Vorstellung und Verteilung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ in der 28. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 15. Oktober 2003 nachgezeichnet. Konkrete Inhalte des Papiers lassen sich dem Bericht dabei allerdings nicht entnehmen. Der einzelne für eine Kürzung vorgeschlagene steuerliche Subventionstatbestand wie § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 erreichte daher auch auf diesem Wege weder Plenum noch Öffentlichkeit. 114 Hiergegen läßt sich auch nicht einwenden, das „Koch / Steinbrück-Papier“ sei allgemein bekannt, in den Medien ausgiebig erörtert und im Internet für jedermann frei zugänglich gewesen. 115 Eine solche Argumentationsweise verkennt die strenge Förmlichkeit, welche das Gesetzgebungsverfahren prägt. Es genügt den Anforderungen einer Transparenz und Mitwirkung sichernden Förmlichkeit nicht, wenn sich der Regelungsgegenstand des parlamentarischen Entscheidungsprozesses mit Hilfe des Internet bestimmen läßt. Eine parlamentarisch-demokratische Willensbildung verlangt das Zutagetreten ihres Gegenstandes im Ort der Entscheidung, das meint im Plenum des Deutschen Bundestages. Dies ist für die einzelne im „Koch / Steinbrück-Papier“ aufgeführte Subventionsregelung mit dem Bericht des Haushaltsausschusses aber nicht geschehen. Auch ließ sich dem Bericht nicht entnehmen, daß mit einer gesetzlichen Umsetzung der Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück bereits im Verfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 zu rechnen gewesen wäre. Beides – mangelnde inhaltliche Bestimmtheit wie auch nicht erkennbare unmittelbare Verwirklichungsabsicht – fanden Niederschlag in einem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU / CSU vom 15. Oktober 2003, in welchem diese verlangte, „umgehend die inhaltliche Ausgestaltung der angekündigten gesetzlichen Regelungen (...) zur Umsetzung der Vorschläge der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück im parlamentarischen Verfahren offen zu legen“ 116.
114 115 116
Wendt, FR 2004, 209 (211). So aber R. Schenke, FR 2004, 638 (643). BT-Drs. 15/1752, S. 3.
IV. Stellungnahme
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Die Wahl des sich auf Grund des Zeitpunktes seiner Beschlußfassung 117 regelmäßig erst auf künftige Gesetzesvorhaben beziehenden Instruments des Entschließungsantrags zeigt, daß auch die Abgeordneten des Bundestages nicht von einer Umsetzung der Inhalte des „Koch / Steinbrück-Papiers“ noch im Verfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 ausgingen. cc) Weiterer Beratungsverlauf Hieran änderten auch einzelne – zum einen lediglich mündliche, zum anderen ausschließlich auf die Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück als solche, nicht jedoch den einzelnen Subventionstatbestand Bezug nehmende – Beiträge in zweiter und dritter Beratung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 nichts. Gleiches gilt schließlich auch für einen Antrag der FDP-Fraktion vom 16. Oktober 2003 118. Auch dieser war nicht geeignet, die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagene Änderung des § 2 Abs. 2 BierStG 1993 vorzuzeichnen. Als Entschließungsantrag zu einem Gesetzentwurf wurde über ihn erst nach der Schlußabstimmung über das Haushaltsbegleitgesetz 2004 Beschluß gefaßt (§ 88 Abs. 1 S. 1 GOBT). 119 Er zielte deshalb von vorneherein erst auf ein künftiges gesetzgeberisches Tätigwerden. Damit fehlte es aber auch ihm an der Absicht einer unmittelbaren, bereits auf die Beratungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 gerichteten inhaltlich gestaltenden Einflußnahme. Dies spiegelt sich auch in dem – für einen Entschließungsantrag typischen – mangelnden Konkretisierungsgrad wider. So vermochte die unter Nummer 3 des Antrags geforderte lineare Kürzung „sämtliche(r) Subventionen und staatlichen Zuwendungen um 20 Prozent“ in ihrer Abstraktheit nicht mit hinreichender Bestimmtheit die konkrete Anhebung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 BierStG 1993 vorzuzeichnen. 120 Die in Art. 15 HBeglG 2004 vorgesehene Anhebung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 hatte damit in den parlamentarischen Beratungen des Haushaltsbegleitgesetz 2004 insbesondere weder im Gesetzentwurf noch in den Verhandlungen des Haushaltsausschusses eine – hinreichend bestimmte, die Absicht unmittelbaren gesetzgeberischen Tätigwerdens zu erkennen gebende, öffentliche – plenarförmliche Vorzeichnung erfahren. 121 117
Vgl. § 88 Abs. 1 S. 1 GOBT. Siehe auch sogleich H. IV. 2. a) cc). BT-Drs. 15/1753. 119 Vgl. Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 67. Sitzung am 17. Oktober 2003, Plenarprotokoll 15/67, S. 5787D. 120 Vgl. Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331). 121 So auch Huber / Fröhlich, a. a. O. (330 ff.); Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (742 ff.); Köster, Stbg 2004, 251 (253); W. G. Leisner, NJW 2004, 1129 (1131); Schiffers, GmbHR 2004, 69 (71). 118
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H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
b) Bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten Auch im Hinblick auf eine tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten bestehen Vorbehalte gegenüber den auf das „Koch / Steinbrück-Papier“ zurückgehenden Regelungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses. Diese reichen hierbei über die bereits fehlende Erkennbarkeit der einzelnen im „Koch / Steinbrück-Papier“ genannten Bestimmung in den Plenarberatungen und die mangelnde Ersichtlichkeit einer Umsetzung schon im Verfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 122 hinaus. Zwar genügten die Beratungen des Haushaltbegleitgesetz 2004 – soweit ersichtlich – den Anforderungen der Geschäftsordnung. Damit ist grundsätzlich auch von einer tatsächlichen Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten auszugehen 123. Bedenken weckt allerdings der zeitlich knappe Vorlauf, mit dem die Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses den Abgeordneten vor der erneuten Beschlußfassung des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG zugingen. So erreichte die Beschlußvorlage die Abgeordneten nach Angaben der Abgeordneten Pau erst um 20.45 Uhr des Vorabends der 84. Sitzung des Bundestages vom 19. Dezember 2003. 124 Dem einzelnen Abgeordneten verblieben damit bis zum Sitzungsbeginn 125 gerade einmal 12 Stunden, um sich mit einer umfangreichen wie komplexen Beschlußvorlage vertraut zu machen, die in wesentlichen Teilen auf einem 120 Seiten starken und unter Rückgriff auf die Kapazitäten zweier leistungsstarker Länderfinanzverwaltungen zustande gekommenen Konzept beruhte, welches Änderungen zahlreicher steuerlicher Subventionstatbestände in verschiedensten Gesetzen vorsah. Angesichts eines derartigen Zusammentreffens von Zeitknappheit, Umfang und Komplexität scheint eine nachhaltige Willensbildung und verantwortungsvolle Entscheidung des einzelnen Abgeordneten nahezu unmöglich. Daß dieser Umstand auch von den Abgeordneten kritisch wahrgenommen wurde, belegt der Antrag der Abgeordneten Pau und Lötzsch 126, die Beratung der Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 von der Tagesordnung der 84. Sitzung des Deutschen Bundestages abzusetzen und um eine Woche zu verschieben 127. Der Antrag wurde allerdings mit der Begrün122 Betonung dieses Aspektes der Gefährdung der Mitwirkungsrechte der Abgeordneten bei Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (331). 123 Vgl. ausführlich oben D. V. 2. c) bb). 124 Vgl. die Abg. Pau in der 84. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 19. Dezember 2003, Plenarprotokoll 15/84, S. 7359B. 125 Sitzungsbeginn der 84. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 19. Dezember 2003 war 9.00 Uhr. Vgl. Plenarprotokoll 15/84, S. 7359A. 126 Vgl. 84. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 19. Dezember 2003, Plenarprotokoll 15/84, S. 7359A. 127 Vgl. die Abg. Pau in der 84. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 19. Dezember 2003, Plenarprotokoll 15/84, S. 7359D.
IV. Stellungnahme
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dung 128, die Inhalte des Gesetzentwurfs seien zum einen bereits spätestens seit dem 17. Oktober 2003 bekannt gewesen, zum anderen verlange § 10 Abs. 1 S. 1 GOVA, daß ein Vermittlungsvorschlag unverzüglich auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen sei, abgelehnt. 129 Bedenken gegenüber einer derartigen Vorgehensweise finden sich auch in einer zur Abstimmung abgegebenen Erklärung mehrerer Abgeordneter der Fraktion der SPD, in welcher diese kritisch feststellten, daß eine rechtzeitige und umfassende Information jedes einzelnen Abgeordneten über die Abstimmungsgrundlage nicht möglich gewesen sei, und mahnend darauf hinwiesen, daß ein solches Verfahren nicht zur Regel werden dürfe, da sonst verantwortliche Entscheidungen im Deutschen Bundestag nicht mehr möglich seien. 130 Diese Verfahrensweise bei der Beschlußfassung des Bundestages über die Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 verdeutlicht die Notwendigkeit einer geschäftsordnungsrechtlichen Fristenregelung (auch) 131 für die erneute Beschlußfassung des Bundestages über einen Einigungsvorschlag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG. Nur die Festlegung einer Mindestfrist zwischen Verteilung und Beschlußfassung über einen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses gewährleistet für den einzelnen Abgeordneten die tatsächliche Möglichkeit einer Willensbildung und sichert so eine verantwortliche Entscheidung. 132 c) Ergebnis Die in Art. 15 HBeglG 2004 geregelte Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 war weder in den Beratungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 im Bundestag vorgezeichnet noch genügte sie den Anforderungen an eine tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten. Ihr fehlte es daher an der erforderlichen Legitimation durch ein Verfahren im Bundestag.
128 Vgl. den Abg. Schmidt in der 84. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 19. Dezember 2003, Plenarprotokoll 15/84, S. 7359D – 7360A. 129 Beschluß des Deutschen Bundestages in der 84. Sitzung vom 19. Dezember 2003, Plenarprotokoll 15/84, S. 7360A. 130 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Elke Ferner u. a. zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Haushaltsbegleitgesetz, Anlage 3 zu Plenarprotokoll 15/67, S. 7440A-C. 131 Eine Mindestfrist für die Aufnahme von Beratungen nach Verteilung einer Drucksache findet sich bereits in § 78 Abs. 5 GOBT für die erste Beratung sowie in den § 81 Abs. 1 S. 2 und § 84 S. 1 lit. b GOBT für die zweite und dritte Beratung. Für die Ausschußberatungen trifft § 61 Abs. 1 S. 2 GOBT eine vergleichbare Regelung. Siehe hierzu auch oben D. V. 2. c) bb) (4). 132 Vgl. hierzu oben C. II. 3. c) ee).
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H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
3. Ergebnis Die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses für Art. 15 HBeglG 2004 wahrte den mit „ein(em) verstärkte(n) Subventionsabbau“ als Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage weiten gegenständlichen Rahmen des Anrufungsbegehrens. Sie entbehrte allerdings einer Legitimation durch die vorangegangenen parlamentarischen Beratungen im Bundestag. Der Vermittlungsausschuß überschritt deshalb mit dem Vorschlag für eine Anhebung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 seine Kompetenz. § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 i. d. F. des Art. 15 HBeglG 2004 sind daher nichtig. 133
V. Annex: Übertragbarkeit auf weitere Vorschriften des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 Mit dem Ursprung zahlreicher weiterer Regelungen des Einigungsvorschlags zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 im „Koch / Steinbrück-Papier“ stellt sich die Frage nach der Annahme einer Kompetenzüberschreitung auch für diese Vorschriften. Diskutiert wird die formelle Verfassungswidrigkeit zahlreicher weiterer Änderungen des Einkommensteuergesetzes, des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes, des Körperschaftsteuer-, des Gewerbesteuer- und des Umsatzsteuergesetzes. 134 Zwischenzeitlich wurde die Einkommensteuer gar hinsichtlich sämtlicher durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 geänderter Vorschriften nur noch vorläufig festgesetzt. 135 Als potentiell formell verfassungswidrig kommen hierbei zunächst alle (auch) im „Koch / Steinbrück-Papier“ für eine Kürzung vorgeschlagenen Vorschriften in Betracht. 136 Auszunehmen sind sodann allerdings all jene Änderungsvorschläge 133 So auch Huber / Fröhlich, DÖV 2005, 322 (332). Zum gleichen Ergebnis für andere auf der Einbeziehung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ beruhende Bestimmungen des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 kommen Höninger / Levedag, FR 2004, 739 (747 f.); Köster, Stbg 2004, 251 (254). Vgl. hierzu auch jüngst BVerfG, 2 BVR 758/07 vom 8. 12. 2009. 134 Vgl. Halaczinsky, ErbStB 2004, 142 f.; ders., ErbStB 2004, 37 (37 f.); Höninger / Levedag, FR 2004, 739 ff.; Höreth / Zipfe / Schiegl, ZSteu 2004, 56 (58 ff.); Köster, Stbg 2004, 251 (254); W. G. Leisner, NJW 2004, 1129 ff.; ders., DStR 2004, 804 ff.; Messner, AktStR 2004, 370 (371); R. Schenke, FR 2004, 638 ff.; Schiffers, GmbHR 2004, 69 (70); Wachter, DB 2004, 31 f.; Wendt, FR 2004, 209 (211 f.). 135 BMF-Schreiben vom 8. 4. 2005 – IV A 7 – S 0338 – 27/05, BStBl I 2005, 609 (neugefaßt durch BMF-Schreiben vom 27. 6. 2005 – IV A 7 – S 0338 – 54/05, Anlage, Nr. 8, BStBl I 2005, 794); unterdessen aufgehoben durch BMF-Schreiben vom 10. 3. 2008 – IV A 4 – S 0338/07/0003 –, BStBl I 2008, 463. 136 Köster, Stbg 2004, 251 (254).
V. Annex
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des Vermittlungsausschusses, welche Subventionstatbestände betreffen, die bereits Gegenstand des ursprünglichen Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetz 2004 gewesen sind. 137 Hierzu zählen namentlich die Änderungen des Eigenheimzulagegesetzes, des Wohnungsbau-Prämiengesetzes und die (weitere) Absenkung der Entfernungspauschale. Auch für die hiervon betroffenen Regelungen ist gleichwohl für jeden Einzelfall gesondert zu untersuchen, ob den Anforderungen an eine hinreichende plenarförmliche Vorzeichnung in den vorangegangenen Beratungen im Bundestag auch tatsächlich genügt wurde. Die verbleibenden, auf die Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück zurückgehenden Regelungsvorschläge des Vermittlungsausschusses wahrten zwar den mit einem „verstärkten Subventionsabbau“ weiten gegenständlichen Rahmen des Anrufungsbegehrens und besaßen daher die erforderliche Anrufungslegitimation. Mit dem fehlenden plenarförmlichen Zutagetreten der einzelnen im „Koch / SteinbrückPapier“ für eine Kürzung vorgeschlagenen Subventionsregelung entbehrten sie jedoch – wie die in Art. 15 HBeglG 2004 vorgesehene Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 – der notwendigen Legitimation durch ein Verfahren im Bundestag. Auch mit ihnen überschritt der Vermittlungsausschuß seine Kompetenz. Sie sind daher formell verfassungswidrig zustande gekommen und damit nichtig. Allerdings gilt es für die einzelne Vorschrift zu prüfen, ob sie nicht durch eine weitere Änderung mittlerweile eine formell verfassungsgemäße Aufnahme in den Willen des Gesetzgebers erfahren hat. 138 137
Köster, Stbg 2004, 251 (254). Im Ergebnis sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt hiernach folgende, weder bereits im ursprünglichen Gesetzentwurf noch im Gesetzesbeschluß vorgezeichnete, auf das „Koch / Steinbrück-Papier“ zurückgehende und in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 fortgeltende steuerliche Vorschriften als formell verfassungswidrig und damit nichtig anzusehen: – aus dem Einkommensteuergesetz: § 3 Nr. 34 EStG (Streichung der Steuerfreiheit bei Arbeitgeberzuschüssen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte), § 3 Nr. 38 EStG (Kürzung des Freibetrages für Sachprämien), § 4 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 EStG (Reduzierung des Betriebsausgabenabzugs bei Geschenken an Geschäftsfreunde), § 4 Abs. 5 Nr. 2 S. 1 EStG (Senkung des Betriebsausgabenabzugs bei Bewirtungskosten), § 5a Abs. 3 EStG (Tonnagebesteuerung), § 7 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 lit. b EStG (Senkung der Abschreibungssätze für zu Wohnzwecken dienende Gebäude), § 7h Abs. 1 S. 1 und 3 EStG (Reduzierung der erhöhten Absetzung bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen), § 7i Abs. 1 S. 1 und 5 EStG (Erhöhte Absetzung bei Baudenkmälern), § 8 Abs. 2 S. 9 EStG (Reduzierung der Freigrenze für Sachbezüge), § 8 Abs. 3 S. 2 EStG (Reduzierung des Rabattfreibetrages), § 9a S. 1 Nr. 1 EStG (Kürzung des Arbeitnehmerpauschbetrages), § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b S. 2 EStG (Kürzung der Abzugsfähigkeit von Lebensversicherungsbeiträgen), § 10f Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 EStG (Absenkung der prozentualen Steuerbegünstigung für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmäler), § 10g Abs. 1 S. 1 EStG (Absenkung der prozentualen Steuerbegünstigung für schutzwürdige Kulturgüter), § 16 Abs. 4 S. 1 und 3 EStG (Senkung des Betriebsveräußerungsfreibetrag), § 17 Abs. 3 S. 1 und 2 EStG (Senkung des Freibetrags für Veräußerungsgewinne), § 19a Abs. 1 EStG (Senkung des Freibetrags für Sachbezüge in Form von Vermögensbe138
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H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004
teiligungen), § 21 Abs. 2 EStG (Anhebung des Prozentsatzes für verbilligte Vermietung), § 37a Abs. 1 S. 3 EStG (Anhebung des Pauschsteuersatzes für Einkommensteuer durch Dritte für bestimmte Prämien); – aus dem Körperschaftsteuergesetz: § 25 Abs. 1 S. 1 KStG (Freibetrag für Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften); – aus dem Gewerbesteuergesetz: § 11 Abs. 3 GewStG (Steuermesszahl und Steuermessbetrag); – aus dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz: § 13a Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ErbStG (Freibetrag beim Erwerb von Betriebsvermögen), § 19a Abs. 4 S. 3 ErbStG (Tarifbegrenzung beim Erwerb von Betriebsvermögen); – aus dem Stromsteuergesetz: § 9 Abs. 2 StromStG (Steuerbegünstigung für Strom für den Fahrbetrieb im Schienenbahnverkehr); – aus dem Fünften Vermögensbildungsgesetz: § 13 Abs. 2 VermBG (ArbeitnehmerSparzulage).
J. Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform als Beispiel für die fehlende Anrufungs- und Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags Beispielhaft für einen weder über eine Anrufungslegitimation noch über eine Verfahrenslegitimation verfügenden Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses ist schließlich die Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vom 29. Oktober 1997 1. 2
I. Gegenstand der Regelung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 Das Umwandlungssteuergesetz 1995 modifizierte die gesetzlichen Regelungen des Ertragsteuerrechts, um mit der Gewährleistung der Steuerneutralität von Umwandlungen steuerliche Hemmnisse bei der Umstrukturierung von Unternehmen abzubauen. Gegenstand des Dritten Teils des Umwandlungssteuergesetzes 1995 (§§ 11 – 13) war die steuerliche Behandlung von Verschmelzungen oder Vermögensübertragungen (Vollübertragungen) auf eine andere Körperschaft. Grundgedanke war, die übernehmende Körperschaft steuerrechtlich so zu stellen, als ob sie den übertragenen Geschäftsbetrieb von Anfang an selbst ausgeübt hätte. Auf diese Weise sollte die Aufdeckung stiller Reserven vermieden und – unter 1
BGBl I 1997, S. 2590. Weitere Beispiele für diese Fallgruppe bieten – neben weiteren auf die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform zurückgehenden Regelungen wie § 4 Abs. 5, § 4 Abs. 6 S. 2, § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1995 (vgl. hierzu die Nachweise in Fußnote 61) und § 8 Abs. 4 KStG 1996 (siehe hierzu den Vorlagebeschluß des Bundesfinanzhofs vom 6. September 2006 (BFHE 214, 424); zwischenzeitlich nach Zurücknahme der Revision aufgehoben durch Beschluß des BFH vom 29. 4. 2008 – I R 25/06; siehe aber auch BFH / NV 2009, 500) – die Vorschriften des § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG i. d. F. des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. 12. 2003, BGBl I 2003, S. 3022 (hierzu Decker, NVwZ 2004, 826 ff.; siehe auch Redeker, ZRP 2004, 160 (163)) sowie des § 1 Abs. 2 S. 3 AEG i. d. F. des Dritten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005, BGBl. I 2005, S. 1138 (hierzu Elsner, N&R 2006, 53 ff.). 2
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J. Art. 3 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
bestimmten Voraussetzungen – die Fortführung eines steuerlichen Verlustabzugs ermöglicht werden (§ 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1995). § 12 UmwStG 1995 regelte hierbei die Auswirkungen auf den Gewinn der übernehmenden Körperschaft. 3 Dabei stellte § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG 1995 die Erfolgneutralität auch von solchen Verschmelzungen sicher, bei denen die übernehmende Körperschaft Anteilseignerin der übertragenden Körperschaft war, die Beteiligung an der übertragenden Körperschaft daher mit der Umwandlung untergegangen und an deren Stelle das Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft getreten ist. 4 Hierzu ordnete § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG 1995 an, daß bei der Ermittlung des Gewinns der übernehmenden Körperschaft ein Gewinn oder Verlust in Höhe des Unterschieds zwischen dem Buchwert der Anteile und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, außer Ansatz bleibt. Die hiermit gewährleistete grundsätzliche Steuerneutralität von Übernahmegewinnen 3
In seiner ursprünglichen Fassung lautete § 12 UmwStG 1995 auszugsweise: „(1) 1Für die Übernahme der übergegangenen Wirtschaftsgüter gilt § 4 Abs. 1 entsprechend. 2Beim Vermögensübergang von einer steuerfreien auf eine steuerpflichtige Körperschaft sind die übergegangenen Wirtschaftsgüter abweichend von § 4 Abs. 1 mit dem Teilwert anzusetzen. (2) 1Bei der Ermittlung des Gewinns der übernehmenden Körperschaft bleibt ein Gewinn oder ein Verlust in Höhe des Unterschieds zwischen dem Buchwert der Anteile (§ 4 Abs. 4 Satz 2) und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, außer Ansatz. 2Übersteigen die tatsächlichen Anschaffungskosten den Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft, so ist der Unterschiedsbetrag dem Gewinn der übernehmenden Körperschaft hinzuzurechnen; die Zuwendungen an Unterstützungskassen rechnen zu den tatsächlichen Anschaffungskosten. 3Die Hinzurechnung unterbleibt, soweit eine Gewinnminderung, die sich durch den Ansatz der Anteile mit dem niedrigeren Teilwert ergeben hat, nach § 50c des Einkommensteuergesetzes nicht anerkannt worden ist. 4Die Hinzurechnung darf den nach § 11 Abs. 2 ermittelten Wert des übernommenen Vermögens, vermindert um den Buchwert der Anteile, nicht übersteigen. 5 Sind der übernehmenden Körperschaft an dem steuerlichen Übertragungsstichtag nicht alle Anteile an der übertragenden Körperschaft zuzurechnen, so tritt bei der Anwendung des Satzes 3 an die Stelle des Werts des übernommenen Vermögens der Teil dieses Werts, der dem Verhältnis des Nennbetrags der Anteile der übernehmenden Körperschaft zu dem Nennbetrag aller Anteile an der übertragenden Körperschaft entspricht. (3) 1Die übernehmende Körperschaft tritt bezüglich der Absetzungen für Abnutzung, der erhöhten Absetzungen, der Sonderabschreibungen, der Inanspruchnahme einer Bewertungsfreiheit oder eines Bewertungsabschlags, der den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklagen sowie der Anwendung der Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes sowie der Frist im Sinne des § 5 Abs. 2 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. 2Das gilt auch für einen verbleibenden Verlustabzug im Sinne des § 10d Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes unter der Voraussetzung, daß die übertragende Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt der Eintragung des Vermögensübergangs im Handelsregister noch nicht eingestellt hatte. (...)“. 4 Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Umwandlungssteuerrechts vom 24. Februar 1994, BT-Drs. 12/6885, S. 21.
II. Gesetzgebungsverfahren zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
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und Übernahmeverlusten erfuhr jedoch eine Relativierung. Für den Fall, daß die tatsächlichen Anschaffungskosten den Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft überstiegen, bestimmte § 12 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 UmwStG 1995, daß der Unterschiedsbetrag dem Gewinn der übernehmenden Körperschaft hinzuzurechnen war. Diesen Hinzurechnungsbetrag beschränkte die Vorschrift des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 wiederum auf den nach § 11 Abs. 2 UmwStG 1995 ermittelten Wert des übernommenen Vermögens, vermindert um den Buchwert der Anteile. Mit Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform beschloß der Gesetzgeber die Aufhebung der Regelung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995. Hintergrund war wohl die unter bestimmten Voraussetzungen bestehende Möglichkeit einer doppelten Verlustnutzung durch denselben Steuerpflichtigen. 5 So wirkte sich bei der Verschmelzung einer Tochter- auf ihre Muttergesellschaft der Verlust der Tochtergesellschaft auf Ebene der Muttergesellschaft zum einen in Gestalt der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung gewinnmindernd aus, zum anderen ermöglichte es der Übergang der nicht verbrauchten Verluste, diese ein zweites Mal zu nutzen. 6 Die vorherige Teilwertabschreibung mußte hierbei nicht durch eine Hinzurechnung gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 UmwStG 1995 rückgängig gemacht werden, weil Satz 4 bestimmte, daß der Hinzurechungsbetrag den Teilwert des übergehenden Betriebsvermögens nicht übersteigen darf. Das Umwandlungssteuergesetz wurde zwischenzeitlich durch Artikel 6 des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006 7 – bedingt nicht zuletzt durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben der Verschmelzungsrichtlinie 8 und der Fusionsrichtlinie 9 – grundlegend reformiert und durch ein neues Umwandlungssteuergesetz 2006 (UmwStG 2006) abgelöst.
II. Das Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform Das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform geht auf einen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU / CSU und FDP für ein Jahressteuergesetz 5
Vgl. Dötsch, DB 1997, 2090 (2093); Prinz, FR 1997, 881 (888). Vgl. BFHE 196, 232 (236). Siehe auch Tz. 12.07 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen, IV B 7-S 1978 – 21/98 vom 25. März 1998, BStBl I, S. 268. 7 BGBl I 2006, S. 2782. 8 Richtlinie 2005/56/EG v. 26. 10. 2005, ABl. EU Nr. L 310/1 ff.; umgesetzt durch Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 25. April 2007, BGBl I 2007, S. 542. Ausführlich R. Frenzel, Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften. 9 Richtlinie 90/434/EWG v. 23. 7. 1990, ABl. EG Nr. L 225/1 ff.; geändert durch Richtlinie 2005/19/EG v. 17. 2. 2005, ABl. EU Nr. L 58/19 ff. 6
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J. Art. 3 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
1996 vom 27. März 1995 10 zurück. Ziele des Gesetzesvorhabens waren die Steuerfreistellung des Existenzminimums entsprechend den Vorgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 25. September 1992, die Fortführung der Unternehmensteuerreform in einer dritten Stufe, Maßnahmen zum Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaft in den neuen Ländern sowie eine Vereinfachung des Steuerrechts und des Besteuerungsverfahrens durch gezielte Einzelmaßnahmen. 11 Schwerpunkt der Gesetzesinitiative bildete dabei eine Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und Senkung der Gewerbeertragsteuer verbunden mit einem vollen Ausgleich für die Gemeinden durch Beteiligung der Gemeinden am Umsatzsteueraufkommen. Art. 6 des Gesetzentwurfs sah auch Änderungen des Umwandlungsteuergesetzes vor. 12 Diese betrafen allerdings ausschließlich dessen Achten Teil und Anlage. Die Vorschrift des § 12 UmwStG 1995 wurde durch die vorgeschlagenen Änderungen nicht berührt. Schließlich schlug der Gesetzentwurf vor, § 50c EStG um einen Absatz 11 zu ergänzen. 13 Hierdurch sollten Gestaltungsmodelle unterbunden werden, die dadurch gekennzeichnet waren, daß der Erwerber von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die vor der Anteilsveräußerung ihren Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert hatte, eine spätere Ausschüttung steuerpflichtiger Kapitalerträge durch ausschüttungsbedingte Gewinnminderungen wie einen niedrigeren Veräußerungserlös oder Teilwertabschreibungen neutralisieren konnte und die von der Kapitalgesellschaft an den Erwerber ausgeschütteten thesaurierten offenen Reserven insbesondere in den Fällen, in denen auch die Anteilsveräußerung beim Veräußerer nicht nach § 23 oder § 17 EStG steuerpflichtig war, letztlich unbesteuert blieben. 14 Der Gesetzentwurf wurde in erster Lesung gemeinsam mit einem Antrag von Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Soziale und gerechte Einkommensteuerreform 1996“ 15 und einem Entwurf der Fraktionen der CDU / CSU und FDP für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, durch welches die verfassungsrechtliche Grundlage für eine Beteiligung der Gemeinden am Umsatzsteueraufkommen geschaffen werden sollte 16, beraten. 17 Eine Änderung des Umwandlungssteuergesetzes war weder Gegenstand der parlamentarischen Debatte noch der genannten Gesetzentwürfe oder des erwähnten Antrags 10
BT-Drs. 13/901. Vgl. BT-Drs. 13/901, S. 1 f. u. 123 ff. 12 BT-Drs. 13/901, S. 78 f. 13 BT-Drs. 13/901, S. 14. 14 Vgl. BT-Drs. 13/901, S. 139 f. 15 Antrag der Abgeordneten Christine Scheel u. a. und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 28. März 1995, BT-Drs. 13/936. 16 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. März 1995, BTDrs. 13/900. 17 Vgl. die Tagesordnung der 32. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 31. März 1995, Plenarprotokoll 13/32, S. II. 11
II. Gesetzgebungsverfahren zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
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der Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Schließlich wurde die gemeinsame Überweisung aller drei Vorlagen an die Ausschüsse beschlossen. Der mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen inhaltsgleiche Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Bundesregierung 18 wurde hingegen erst am 16. April 1995 in erster Lesung beraten 19. Auch das aus diesem später hervorgegangene Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 20 vom 18. Dezember 1995 21 enthielt Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995. Diese betrafen die Vorschriften der § 5 Abs. 3, § 22 Abs. 4 und § 24 Abs. 4 UmwStG 1995. 22 Der für den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Koalitionsfraktionen federführende Finanzausschuß schlug in seiner ersten Beschlußempfehlung am 31. Mai 1995 weitreichende Änderungen des Gesetzentwurfs vor. 23 Der Ausschuß empfahl unter anderem, die dritte Stufe der Unternehmensteuerreform – unter dem Vorbehalt einer späteren Beschlußfassung 24 – vom Gesetzentwurf abzukoppeln. 25 Übrig blieb damit nur ein Teil des ursprünglichen Gesetzentwurfs. Die in Art. 1 Nr. 43 vorgesehene Einfügung eines neuen § 50c Abs. 11 EStG fand sich im verbleibenden Gesetzentwurf nicht mehr wieder. 26 Die enthaltenen Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995 wurden hingegen – ergänzt um eine Änderung des § 24 Abs. 2 UmwStG 1995 und einen neuen § 25a UmwStG 1995 – in den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 übernommen 27. Die vorgeschlagenen Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes wurden weder in der zweiten noch in der dritten Beratung des Gesetzentwurfs thematisiert. Schließlich wurde der Gesetzentwurf in der Ausschußfassung vom Bundestag beschlossen. 28 Nach erneuten Änderungen in einem Vermittlungs18
BR-Drs. 171/95. Vgl. die 33. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 26. April 1995, Plenarprotokoll 13/33, S. 2585D. 20 Vgl. Ziff. 1 der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetz 1996 (der Bundesregierung) vom 22. November 1995, BT-Drs. 13/ 3084, S. 3. 21 BGBl I 1995, S. 1959. 22 BGBl I 1995, S. 1959 (1963). 23 Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 31. Mai 1995, BT-Drs. 13/1558, S. 15 ff. 24 Ziff. 1 lit. a der ersten Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 31. Mai 1995, BT-Drs. 13/1558, S. 13. 25 Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 31. Mai 1995, BT-Drs. 13/1558, S. 7 (2. Spiegelstrich). 26 Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 31. Mai 1995, BT-Drs. 13/1558, S. 31. 27 Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 31. Mai 1995, BT-Drs. 13/1558, S. 93 ff. 28 Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 42. Sitzung vom 2. Juni 1995, Plenarprotokoll 13/42, S. 3410C u. 3412A. 19
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J. Art. 3 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
verfahren trat das Jahressteuergesetz 1996 am 12. Oktober 1995 in Kraft. 29 Die Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes entsprachen hierbei im wesentlichen der Ausschußfassung. 30 In einer zweiten Beschlußempfehlung nahm der Finanzausschuß im Februar 1997 den nicht verabschiedeten Teil des Entwurfs der Fraktionen der CDU / CSU und FDP für ein Jahressteuergesetz 1996 wieder auf und schlug zur Verwirklichung der dritten Stufe der Unternehmensteuerreform die Verabschiedung eines Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vor. 31 Gegenstand des Gesetzentwurfs waren Entlastungen bei der Gewerbesteuer 32 und die Schaffung eines Ausgleichs für die hiermit einhergehenden Aufkommensverluste der Gemeinden durch deren Beteiligung am Umsatzsteueraufkommen 33. Unter den zur Kompensation des zu erwartenden Sinkens des Umsatzsteueranteils des Bundes und der Länder vorgeschlagenen Regelungen fanden sich keine Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes. Solche waren auch nicht Gegenstand der Beratungen im Finanzausschuß gewesen. 34 In der folgenden zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform wurden vorrangig die Folgeprobleme diskutiert, die mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer einhergingen. Änderungen des Umwandlungssteuerrechts wurden nicht thematisiert. Schließlich wurde der Gesetzentwurf in der Ausschußfassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen durch den Bundestag angenommen. 35 Der Bundesrat versagte dem Gesetz am 25. April 1997 seine Zustimmung. 36 Eine von den Ländern Thüringen, Berlin und Sachsen beantragte Anrufung des Vermittlungsausschusses 37 fand im Bundesrat keine Mehrheit. 38 Daraufhin verlangte die Bundesregierung am 28. April 1997 „zu dem vom Deutschen Bundestag am 28. Februar 1997 verabschiedeten Gesetz zur Fort29
BGBl I 1995, S. 1250. Vgl. BGBl I 1995, S. 1250 (1388 f.). 31 Ziff. 1 der zweiten Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 19. Februar 1997, BT-Drs. 13/7000, S. 4 sowie 5 ff. 32 Zweite Beschlußempfehlung und zweiter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 19. Februar 1997, BT-Drs. 13/7000, S. 5 ff. 33 Zweite Beschlußempfehlung und zweiter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 19. Februar 1997, BT-Drs. 13/7000, S. 10 ff. 34 Vgl. Zweite Beschlußempfehlung und zweiter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 19. Februar 1997, BT-Drs. 13/7000, S. 14 ff. 35 Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 161. Sitzung vom 28. Februar 1997, Plenarprotokoll 13/161, S. 14528A ff. 36 Beschluß des Bundesrates in seiner 711. Sitzung vom 25. April 1997, Plenarprotokoll 711, S. 136D. 37 Vgl. BR-Drs. 221/2/97, 221/4/97 und 221/5/97. 38 Vgl. Beschluß des Bundesrates in seiner 711. Sitzung vom 25. April 1997, Plenarprotokoll 711, S. 136C-D. 30
II. Gesetzgebungsverfahren zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
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setzung der Unternehmensteuerreform“ die Einberufung des Vermittlungsausschusses. 39 Anrufungsgründe wurden keine angeführt. Der Vermittlungsausschuß schlug in seinem Einigungsvorschlag vom 4. August 1997 in einem neuen Artikel 3 (Änderung des Umwandlungssteuergesetzes) unter Nr. 4 lit. a schließlich auch die Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 vor 40, welche vom Bundestag am 5. August 1997 ohne Aussprache angenommen wurde 41 und am 5. September 1997 auch die Zustimmung des Bundesrates fand 42. Unterdessen hatte der Bundestag in den zum Vermittlungsverfahren zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform zeitlich parallel verlaufenden Beratungen des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1998 43, zu welchem der Vermittlungsausschuß von der Bundesregierung am 4. Juli 1995 ebenfalls – erstmals – angerufen wurde 44, auf Vorschlag des Finanzausschusses 45 am 26. Juni 1997 eine Entschließung gefaßt 46, mit welcher er die Bundesregierung bat, „Möglichkeiten einer gesetzlichen Einschränkung der Verlustberücksichtigung in Umwandlungsfällen zu prüfen“. Am 29. Oktober 1997 wurde das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform ausgefertigt und am 31. Oktober 1997 im Bundesgesetzblatt verkündet 47. Durch Art. 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 48 wurde der ursprüngliche zeitliche Anwendungsbereich der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 für Umwandlungsvorgänge, welche nach dem 31. Dezember 1996 wirksam wurden, nachträglich auf solche beschränkt, für welche die Eintragung ins Handelsregister nach dem 5. August 1997 beantragt worden ist. 39
Vgl. die Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 28. April 1997, BT-Drs. 13/
7579. 40
Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vom 4. August 1997, BT-Drs. 13/8325, S. 4. 41 Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 186. Sitzung vom 5. August 1997, Plenarprotokoll 13/186, S. 16860B. Eine zur Abstimmung nach § 31 GOBT abgegebene Erklärung des Abgeordneten Bernd Reuter u. a. (alle SPD) betraf ausschließlich den erzielten Kompromiß zur Kompensation der durch die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer bedingten Einnahmeverluste für die Kommunen, Plenarprotokoll 13/186, Anlage 2, S. 16864A und C. 42 Beschluß des Bundesrates in seiner 715. Sitzung vom 5. September 1997, Plenarprotokoll 715, S. 333A. 43 BT-Drs. 13/7242, 13/7775. 44 Vgl. die Unterrichtung der Bundesregierung vom 7. Juli 1995, BT-Drs. 13/8178. 45 Ziff. 2 lit. b der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1998 vom 24. Juni 1997, BT-Drs. 13/8020, S. 3. 46 Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 184. Sitzung vom 26. Juni 1997, Plenarprotokoll 13/184, S. 16587A. 47 BGBl I 1997, S. 2590. 48 BGBl I 1997, S. 3121 (3222).
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J. Art. 3 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum 1. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 1. 2008 – 2 BvL 12/01 Auf Grund einer Normenkontrollvorlage des Bundesfinanzhofes 49 hatte das Bundesverfassungsgericht über die formelle Verfassungsmäßigkeit der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform zu entscheiden. 50 Das Gericht kam hierbei zu dem Ergebnis, daß der Vermittlungsausschuß mit seiner Beschlußempfehlung zur Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 die Grenzen seiner Kompetenz überschritten habe. 51 Die Vorschrift sei nicht Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat gewesen. 52 Der Vermittlungsausschuß habe daher mit Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform die Aufhebung einer Vorschrift vorgeschlagen, ohne daß diese oder aber zumindest eine thematisch verwandte Regelung Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens gewesen wäre. 53 Das so zustande gekommene Gesetz verstoße wegen der hiermit unterbundenen Möglichkeit der parlamentarischen Beratung gegen das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG, das in Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG normierte Prinzip der Öffentlichkeit der parlamentarischen Debatte sowie die Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG. 54 Zwar habe die Bundesregierung die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit einem sogenannten offenen Anrufungsbegehren verlangt. Jedoch seien Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 auch aus dem Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht ersichtlich. So hätten zwar der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU / CSU und FDP zum Jahressteuergesetz 1996 vom 27. März 1995 und die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses vom 31. Mai 1995 Bezüge zum Umwandlungssteuerrecht aufgewiesen. 55 Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen hätten für die umwandlungssteuerrechtliche Behandlung der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften allerdings keine Relevanz besessen. Zudem seien sie nach der Spaltung des Gesetzgebungsverfahrens bereits mit dem Jahressteuergesetz 1996 und dem Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 49
BFHE 196, 232 (238 ff.). Anders noch FG Baden-Württemberg, EFG 1999, 864 (871 f.). 50 BVerfGE 120, 56 (73 ff.) (Vermittlungsausschuß). 51 Ausführlich zu dem der Entscheidung zugrunde liegende materiellen Maßstab bereits oben D. III. 1. a) dd). 52 BVerfGE 120, 56 (77) (Vermittlungsausschuß). 53 BVerfG, a. a. O. (78). 54 Ebd. 55 Vgl. BVerfG, a. a. O. (77).
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum
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1996 abschließend geregelt worden. Darüber hinausgehend seien Änderungen des Umwandlungssteuerrechts in der parlamentarischen Debatte nicht thematisiert worden. Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat hätten schließlich auch nicht hinsichtlich der – mit § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 möglicherweise auf Grund ihres inhaltlichen Zusammenhangs einen einheitlichen Regelungsgegenstand bildenden – Einfügung des § 50c Abs. 11 EStG bestanden. 56 Zwar habe der ursprüngliche Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz 1996 die Einfügung eines § 50c Abs. 11 EStG vorgesehen. Mit der Abkoppelung der dritten Stufe der Unternehmensteuerreform im Finanzausschuß des Bundestages sei dieser Vorschlag jedoch aus dem zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform führenden Gesetzgebungsverfahren herausgenommen worden. Der Finanzausschuß habe insoweit ausdrücklich festgestellt, daß die „Regelungen zur Rückabwicklung verdeckter Gewinnausschüttungen und zur Nichtanerkennung von ausschüttungsbedingten Gewinnminderungen beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften derzeit nicht weiterverfolgt“ würden. Die Einfügung des § 50c Abs. 11 EStG sei damit genauso wenig Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten gewesen wie die Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995. Dem Prinzip der parlamentarischen Öffentlichkeit und den Rechten des Abgeordneten sei schließlich auch nicht durch die Entschließung des Bundestages vom 26. Juni 1997 im Verfahren zum Steuerreformgesetz 1998 Genüge getan worden, in der die Bundesregierung aufgefordert wurde, die gesetzliche Einschränkung der Verlustberücksichtigung in Umwandlungsfällen zu prüfen. 57 Diese Entschließung könne eine parlamentarische Beratung der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 schon allein deshalb nicht leisten, weil sie erst nach Einberufung des Vermittlungsausschusses gefaßt worden sei. Damit habe sie aber schon zeitlich nicht zu dem Material gehört, auf welches der Vermittlungsausschuß bei seiner Kompromißbildung habe zurückgreifen dürfen. Maßgeblich für dessen Bestimmung sei allein das konkrete Gesetzgebungsverfahren. Trotz des festgestellten Verfassungsverstoßes geht das Gericht von der Fortgeltung des Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform aus. Für eine Nichtigerklärung fehle es an der nötigen Evidenz des Verfahrensverstoßes. 58 Ein Mangel im Gesetzgebungsverfahren führe mit Rücksicht auf die Rechtssicherheit nur dann zur Nichtigkeit des Gesetzes, wenn er evident sei. Dies sei für den Vorschlag des Vermittlungsausschusses für eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 jedoch nicht der Fall gewesen. Das Bundesverfassungsgericht habe die Maßstäbe, an denen gemessen das eingeschlagene Gesetzgebungsverfahren als verfassungswidrig anzusehen sei, erst 56 57 58
Vgl. BVerfG, a. a. O. (78). Vgl. ebd. Vgl. BVerfG, a. a. O. (79 f.).
358
J. Art. 3 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
in seinem Urteil vom 7. Dezember 1999 59 und damit nach Abschluß des zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform führenden Verfahrens konkretisiert. In den vorangegangenen Entscheidungen des Gerichts sei die Frage nach Umfang und Grenzen des Vermittlungsausschusses noch offen gelassen worden, die Maßstäbe zulässiger Vermittlungstätigkeit noch unbestimmt geblieben. Die Überschreitung der dem Vermittlungsausschuß von Verfassungs wegen gesetzten Grenzen ließ sich daher erst unter Heranziehung der im Urteil vom 7. Dezember 1999 entwickelten Maßstäbe feststellen, auf die sich der Gesetzgeber im Jahr 1997 aber noch nicht habe einstellen können. Hinzu komme, daß der zeitliche Anwendungsbereich der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 nochmals modifiziert wurde. Auf diesem Wege habe der Gesetzgeber aber auch die damit verbundene inhaltliche Änderung verfahrensrechtlich unbeanstandet in seinen Willen aufgenommen. 2. Übereinstimmung im Schrifttum Im Schrifttum wurden bereits früh Stimmen laut, die vom Vermittlungsausschuß in seinen Beschlußempfehlungen zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vorgeschlagene Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 sei formell verfassungswidrig zustande gekommen 60. 61 Der spätere Vorlagebeschluß des Bundesfinanzhofs 62 wurde daher auch nachdrücklich begrüßt. 63 59
BVerfGE 101, 297 (Arbeitszimmer). B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (44 f.); Hübner / Schaden, DStR 1999, 2093 ff.; nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dieser zustimmend Palm, NVwZ 2008, 633 ff.; s. a. Desens, NJW 2008, 2892 ff.; a. A. soweit ersichtlich allein Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, S. 279 ff. 61 Diskutiert wurde hierbei die formelle Verfassungswidrigkeit auch weiterer auf die Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform zurückgehender Änderungen der § 4 Abs. 5, § 4 Abs. 6 S. 2, § 5 Abs. 2 und § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 und des § 8 Abs. 4 KStG (siehe Dieterlen / Schaden, DStR 2001, 254 (254); Erkens / Zeiss, DB 2001, 245f.; B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (38 f.); Heimann / Frey, GmbHR 2001, 171 (173); Hübner / Schaden, DStR 1999, 2093 (2098); Wisniewski / Haritz, GmbHR 2001, 212 (213); Zugmaier, FR 2002, 164; ders., FR 2001, 250 (251); für § 4 Abs. 5 und 6 UmwStG nunmehr im Anschluß an BVerfGE 120, 56 entscheiden durch BFE 221, 121 (128 f.)), vereinzelt auch der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG (vgl. B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (39); Heimann / Frey, GmbHR 2001, 171 (173); nunmehr – im Anschluß an BVerfG vom 15. 1. 2008 – 2 BvL 12/01 – entschieden durch FG Köln vom 24. 4. 2008 – 6 K 2488/06, Rn. 40) sowie der Einfügung des § 50c Abs. 1 EStG (Rosenthal, NJW 1998, 1105 ff. Vgl. auch Erkens / Zeiss, DB 2001, 245f.; B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (39); Heimann / Frey, GmbHR 2001, 171 (173)). 60
III. Würdigung in Rechtsprechung und Schrifttum
359
Zur Begründung heißt es im Schrifttum, die Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes seien kein zulässiger Gegenstand des Vermittlungsverfahrens zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform gewesen. 64 Der Vermittlungsausschuß habe sich insoweit ein ihm nicht zustehendes Gesetzesinitiativrecht angemaßt. 65 Auch verletzten die Vorschläge das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG, die aus Art. 38 GG abgeleiteten Abgeordnetenrechte sowie die Öffentlichkeit des parlamentarischen Verfahrens. 66 Hieran vermöge auch der vom Finanzausschuß in seiner Beschlußempfehlung vom 24. Juni 1997 im Verfahren zum Steuerreformgesetz 1998 vorgeschlagene Entschließungsantrag des Bundestages, die Bundesregierung zu bitten, Möglichkeiten einer gesetzlichen Einschränkung der Verlustberücksichtigung in Umwandlungsfällen zu prüfen, nichts zu ändern. Die Einbeziehung von Gegenständen anderer als des zur Anrufung des Vermittlungsausschusses führenden Gesetzgebungsverfahrens in den Einigungsvorschlag sei grundsätzlich unzulässig. 67 Allerdings komme es hierauf schon gar nicht an, da besagter Entschließungsantrag bereits der inhaltlichen Bestimmtheit entbehrte, die vorgeschlagenen Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes mit hinreichender Konkretheit vorzuzeichnen. Es sei nicht einmal ansatzweise zu erkennen gewesen, welcher Art die Einschränkungen der bestehenden Verlustnutzungsmöglichkeiten sein sollten. 68 Im Unterschied zum Bundesverfassungsgericht nimmt das Schrifttum als Konsequenz der Kompetenzüberschreitung des Vermittlungsausschusses die Nichtigkeit der hiervon betroffenen Vorschriften an. 69
62
BFHE 196, 232. Vgl. Dieterlen / Schaden, DStR 2001, 254 f.; Zugmaier, FR 2002, 164. Siehe auch bereits zur vorangegangenen Beitrittsaufforderung des Bundesfinanzhofs an das Bundesministerium der Finanzen (BFH, Beschluß vom 29. 11. 2000 – I R 38/99, DStR 2001, 253 ff.) Heimann / Frey, GmbHR 2001, 171 (172 ff.); Wisniewski / Haritz, GmbHR 2001, 212 (212 f.); Zugmaier, FR 2001, 250 f. 64 Hübner / Schaden, DStR 1999, 2093 (2096). 65 Hübner / Schaden, a. a. O. 66 Hübner / Schaden, a. a. O. (2097). 67 B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (44). 68 B. Fischer, a. a. O. (45). 69 Heimann / Frey, GmbHR 2001, 171 (174); Hübner / Schaden, DStR 1999, 2093 (2098); Zugmaier, FR 2001, 250 (251). In dezidierter Abgrenzung von der „Evidenz“Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (50 ff.). Kritisch auch Palm, NVwZ 2008, 633 (635). 63
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J. Art. 3 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
IV. Stellungnahme: Überschreitung der Vermittlungskompetenz durch die Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 Die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses für eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform war zulässig, wenn sie die erforderliche Anrufungs- und Verfahrenslegitimation besaß. 1. Fehlende Anrufungslegitimation der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 Über die erforderliche Anrufungslegitimation verfügt ein Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses, wenn er innerhalb des durch das Anrufungsbegehren eröffneten gegenständlichen Rahmens verbleibt. 70 Dieser wird zum einen durch die grundsätzliche Bezüglichkeit jedes Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages, zum anderen durch die vom anrufenden Organ formulierten Einschränkungen bestimmt. Die Bundesregierung hatte die Einberufung des Vermittlungsausschusses „zu dem vom Deutschen Bundestag am 28. Februar 1997 verabschiedeten Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform“ verlangt. Sie hatte hierbei weder Gründe benannt, noch Einschränkungen vorgenommen oder eine Maximalforderung beschrieben. Den Verhandlungen im Vermittlungsausschuß zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform lag damit ein offenes Anrufungsbegehren zugrunde. Zulässig waren sämtliche Regelungsvorschläge, welche von der Summe der Einzelzwecke der vorgesehenen Vorschriften oder – vereinfacht – vom Gesetzgebungsziel des ursprünglichen Gesetzentwurfs getragen wurden. Für die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagene Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG war weder das eine noch das andere der Fall. Der Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Fraktionen der CDU / CSU und FDP hatte weder eine Streichung noch eine sonstige Änderung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 vorgesehen. Zwar enthielt der Gesetzentwurf auch Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes. Diese betrafen mit dessen Achten Teil und Anlage jedoch weder die Verschmelzung oder Vermögensübertragung auf eine andere Körperschaft im allgemeinen noch die Unterbindung einer hierbei unter bestimmten Voraussetzungen bestehenden doppelten Verlustnutzungsmöglichkeit im besonderen. Eine Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 wurde schließlich auch nicht von den Zielen der ursprünglichen Gesetzesvorlage getragen. Diese werden dabei nicht durch den jedem Steuergesetz innewohnenden bloßen Finanzierungszweck, sondern durch die konkreten Zielformulierungen 70
Vgl. oben D. V. 1.
IV. Stellungnahme
361
des einzelnen Gesetzentwurfs bestimmt. Die Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG diente jedoch weder den – allerdings ohnehin bereits mit dem Jahressteuergesetz 1996 beschlossenen 71 – Anliegen einer Steuerfreistellung des Existenzminimums und des Aufbaus einer leistungsfähigen Wirtschaft in den neuen Ländern, noch der Steuervereinfachung. Auch wurde sie nicht von dem Anliegen einer Fortsetzung der Unternehmensteuerreform getragen. Gegenstand einer Unternehmensteuerreform bildet kein zu sämtlichen Änderungen des gesamten Unternehmensteuerrechts berechtigendes Abstraktum. Zielsetzung und Reichweite einer konkreten Reform des Unternehmensteuerrechts werden vielmehr durch deren einzelne Regelungsvorschläge beschrieben. Im Zentrum der Reformüberlegungen des Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 1996 wie auch des späteren Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform stand hierbei die Gewerbesteuer, welche im internationalen Vergleich eine Sonderbelastung der deutschen Wirtschaft darstelle, die zur Vermeidung steuerlich bedingter Wettbewerbsverzerrungen deutlich gesenkt werden müsse. 72 Korrekturen des Umwandlungssteuerrechts zur Unterbindung einer unter bestimmten Voraussetzungen bestehenden doppelten Verlustnutzungsmöglichkeit bei Verschmelzungen auf eine andere Körperschaft dürften von dem hiermit eröffneten gegenständlichen Rahmen, aber auch den vorgeschlagenen Gegenfinanzierungsmaßnahmen 73 nicht mehr erfaßt werden. 74
71 Vgl. Art. 1 Nr. 27 sowie die Artt. 17 und 18 des Jahressteuergesetzes 1996, BGBl I 1995, S. 1250 (1259 bzw. 1390 ff.). Insofern böte es sich daher auch an, sich im Falle der Spaltung einer Gesetzesvorlage bei der Bestimmung des aus der Bezugnahme des Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß folgenden gegenständlichen Rahmens von vorneherein auf die Zielsetzung desjenigen Teils zu beschränken, welcher in dem der Anrufung zugrunde liegenden Gesetzesbeschluß eine Fortsetzung gefunden hat. 72 Vgl. den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Fraktionen der CDU / CSU und FDP vom 27. März 1995, BT-Drs. 13/901, S. 124 sowie die Zweite Beschlußempfehlung und den Zweiten Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 19. Februar 1997, BT-Drs. 13/7000, S. 19. 73 Vgl. den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Fraktionen der CDU / CSU und FDP vom 27. März 1995, BT-Drs. 13/901, S. 125. 74 Ähnlich verhält es sich mit § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG i. d. F. des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. 12. 2003 (BGBl I 2003, S. 3022). Auch hier lag der Beschlußempfehlung ein offenes Anrufungsbegehren zugrunde (vgl. BT-Drs. 15/1995). Der ursprüngliche Gesetzentwurf hatte Änderungen des Sozialgerichtsgesetzes, geschweige denn eine Änderung des Rechtswegs für Sozialhilfestreitigkeiten allerdings nicht vorgesehen (vgl. BT-Drs. 15/1514). Die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu dem später zur Regelung des § 1 Abs. 2 S. 3 AEG führenden Dritten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005 (BGBl. I 2005, S. 1138) beschränkte sich hingegen bereits von vorneherein auf die Einrichtung einer Regulierungsbehörde zur Überwachung der Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zur öffentlichen Eisenbahninfrastruktur (vgl. BT-Drs. 15/4634).
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Damit verließ die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagene Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 den äußeren inhaltlichen Rahmen des Anrufungsbegehrens. Sie entbehrte der Anrufungslegitimation. 2. Fehlende Verfahrenslegitimation der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 Auch für den Fall einer großzügigeren Bestimmung des durch das offene Anrufungsbegehren mit dem Anliegen einer Fortsetzung der Unternehmensteuerreform eröffneten gegenständlichen Rahmens entbehrte der Vorschlag des Vermittlungsausschusses für eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 jedenfalls der notwendigen Verfahrenslegitimation. Die erforderliche Legitimation durch ein Verfahren im Bundestag besitzt ein Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses, wenn er in den vorangegangenen Beratungen des Gesetzentwurfs im Bundestag plenarförmlich und bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten vorgezeichnet war. 75 a) Plenarförmliche Vorzeichnung Plenarförmlich ist ein Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses vorgezeichnet, wenn sein Regelungszweck in den vorangegangenen Beratungen im Plenum des Bundestages mit hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit und in einer die Absicht unmittelbaren gesetzgeberischen Tätigwerdens vermittelnden Form zutage getreten ist. 76 Der Vermittlungsausschuß ist hierbei auf Inhalte der Beratungen desjenigen Gesetzentwurfes beschränkt, zu welchem er angerufen wurde. 77 Die Einbeziehung von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren ist ihm verwehrt. aa) Vorüberlegung: Bestimmung des Rahmens der Beratungen des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform Die Unübersichtlichkeit der Beratungen zum Jahressteuergesetz 1996, in deren Verlauf aus anfänglich einem inhaltsgleichen Entwurf der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung schließlich drei verschiedene Gesetze hervorgingen, erfordert es, sich zunächst des genauen Verfahrensrahmens zu vergewissern, innerhalb dessen Regelungen des Vermittlungsvorschlags zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform überhaupt zulässigerweise eine plenarförmliche Vorzeichnung erfahren haben können, verdeutlicht hierbei zugleich in 75 76 77
Vgl. oben D. V. 2. Vgl. oben D. V. 2. b) bb) (1). Vgl. oben D. V. 2. a).
IV. Stellungnahme
363
besonderer Anschaulichkeit die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Beschränkung des Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses auf Gegenstände allein des konkret vorangegangenen Verfahrens zur Wahrung von Verantwortlichkeit und Förmlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens. Die Beratungen des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform fanden ihren Ausgangspunkt im Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Fraktionen CDU / CSU und FDP vom 27. März 1995 78, wurden im weiteren durch dessen gemeinsame Beratung 79 mit weiteren Vorlagen in erster Lesung im Plenum, sodann in den Ausschüssen bestimmt, um schließlich nach der auf Vorschlag des Finanzausschusses vorgenommenen Spaltung des Gesetzesvorhabens mit dessen zweiter Beschlußempfehlung zum Jahressteuergesetz 1996 für ein Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vom 19. Februar 1997 80 eine Fortsetzung zu erfahren. Für eine Vorzeichnung von Regelungsgegenständen des Vermittlungsvorschlags zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform von vorneherein aus scheiden daher der umwandlungssteuerrechtliche Bezüge aufweisende und schließlich zum Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 führende Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Bundesregierung vom 31. März 1995 81 sowie die in das Jahressteuergesetz 1996 mündende erste Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Koalitionsfraktionen vom 31. Mai 1995 82. Beide waren nicht Gegenstand der Beratungen des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform, als Inhalt eines anderen Gesetzgebungsverfahrens einer Berücksichtigung im Vermittlungsvorschlag damit grundsätzlich entzogen. bb) Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Fraktionen CDU / CSU und FDP vom 27. März 1995 Als Vorlage mit umwandlungssteuerrechtlichem Bezug bleibt in den Beratungen des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform allein der ursprüngliche Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 der Fraktionen der CDU / CSU und FDP. Der ursprüngliche Gesetzentwurf eignet sich regelmäßig für die plenarförmliche Vorzeichnung späterer Regelungen eines Vermittlungsvorschlags. 83 Als Gesetzesvorlage erreichen seine Inhalte unmittelbar das Plenum 78
BT-Drs. 13/901. Vgl. die Tagesordnung der 32. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 31. März 1995, Plenarprotokoll 13/32, S. II. 80 Zweite Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 19. Februar 1997, BT-Drs. 13/7000. 81 BR-Drs. 171/95. 82 Erste Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 31. Mai 1995, BT-Drs. 13/1558. 83 Siehe oben D. V. 2. b) bb) (2) (a) (aa). 79
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J. Art. 3 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
(§ 75 Abs. 1 lit. a GOBT). Allerdings unterliegt auch eine Gesetzesvorlage den einzelnen an die plenarförmliche Vorzeichnung späterer Regelungsvorschläge des Vermittlungsausschusses zu stellenden Mindestanforderungen. So können Gegenstände des Gesetzentwurfs nur dann Berücksichtigung in einem Einigungsvorschlag finden, wenn sie mit hinreichender Genauigkeit einen einzelnen Regelungszweck erkennen lassen. Unproblematisch erfüllt wird diese Voraussetzung in der Regel vom Gesetzestext, dem Gesetzentwurf im engeren Sinne. Dieser sah für das Jahressteuergesetz 1996 unter anderem auch Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995 sowie die Einfügung eines neuen § 50c EStG vor. Beide Regelungsvorschläge waren allerdings nicht geeignet, die spätere Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG vorzuzeichnen. 84 Die im Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 enthaltenen Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995 hatten ausschließlich dessen Achten Teil sowie dessen Anlage zum Gegenstand. Berührungspunkte mit der umwandlungssteuerrechtlichen Behandlung der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften im allgemeinen oder gar der dabei erfolgenden Berücksichtigung von Verlusten im besonderen finden sich keine. Änderungen allein des gleichen Gesetzes genügen dem Erfordernis einer plenarförmlichen Vorzeichnung jedoch nicht. Erforderlich ist, daß die einzelne Änderung in den Plenarberatungen erkennbar geworden ist. Dies war mit den im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995 für eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 aber nicht geschehen. Zudem hatten die genannten Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995 nach der Spaltung des Gesetzgebungsverfahrens mit dem Jahressteuergesetz 1996 und dem Jahressteuer-Ergänzungsgesetz 1996 bereits eine abschließende Regelung erfahren. Mit weitergehenden Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes war daher nicht mehr zu rechnen. Gleiches gilt für die im Gesetzentwurf vorgesehene Einfügung eines neuen § 50c EStG 85. Zwar war auch diese auf die Verhinderung mißbräuchlicher Gestaltungen infolge vorangegangener Teilwertabschreibungen gerichtet. Diese standen allerdings in einem gänzlich anderen Zusammenhang und wiesen keinerlei Bezug zu jenen Mißbrauchsgefahren auf, denen mittels der Änderung von § 12 Abs. 2 UmwStG 1995 begegnet werden sollte. 86 84
BVerfGE 120, 56 (77 f.) (Vermittlungsausschuß). Entgegen Rosenthal war hiermit – ungeachtet der Verlautbarung des Finanzausschusses, „die Regelungen zur Rückabwicklung verdeckter Gewinnausschüttungen und zur Nichtanerkennung von ausschüttungsbedingten Gewinnminderungen beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften derzeit“ weiterzuverfolgen (vgl. den zweiten Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996 vom 19. Februar 1997, BT-Drs. 13/7000, S. 15) – auch den Anforderungen an eine Verfahrenlegitimation des späteren Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses für einen neuen § 50c EStG genüge getan (Rosenthal, NJW 1998, 1105 ff.). 86 Vgl. BFHE 196, 232 (240). 85
IV. Stellungnahme
365
Schließlich genügte auch der sämtliche Regelungsvorschläge zur aufkommensneutralen Gegenfinanzierung der Gewerbesteuerreform tragende allgemeine Finanzierungszweck in seiner Abstraktheit nicht, die konkrete Änderung einer einzelnen Vorschrift wie die Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 mit hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit vorzuzeichnen. Keine Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995 mehr sah schließlich der vom Finanzausschuß in seiner zweiten Beschlußempfehlung zum Jahressteuergesetz 1996 empfohlene Entwurf eines Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vor. cc) Entschließung des Bundestages in den Beratungen des Steuerreformgesetzes 1998 vom 26. Juni 1997 In zeitlicher Überschneidung mit seinen Verhandlungen des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform 87 wurde der Vermittlungsausschuß am 4. Juli 1997 auch zum Steuerreformgesetz 1998 angerufen 88. Mit der Schlußabstimmung zum Steuerreformgesetz 1998 hatte der Bundestag am 26. Juni 1997 auf Empfehlung des Finanzausschusses eine Entschließung verabschiedet 89, die Bundesregierung zu bitten, „Möglichkeiten einer gesetzlichen Einschränkung der Verlustberücksichtigung in Umwandlungsfällen zu prüfen“ 90. Zumindest für einen Monat lagen dem Vermittlungsausschuß damit beide Gesetzesbeschlüsse gleichzeitig vor und wurden in denselben Sitzungen beraten 91. Dies läßt vermuten, daß Anlaß für den Vorschlag des Vermittlungsausschusses, § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 zu streichen, eben jene Entschließung gewesen ist. 92 Gleichwohl war auch die Entschließung des Bundestages vom 26. Juni 1997 nicht geeignet, eine Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 vorzuzeichnen. 93 Zwar betraf sie inhaltlich genau jene Gestaltungsmöglichkeiten, welche schließlich auch das Motiv für die Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 bildeten. Als Gegenstand der Beratungen des Steuerreformgesetzes 1998, damit jedoch eines anderen 87 Die Einberufung wurde durch die Bundesregierung am 28. April 1997 verlangt (BT-Drs. 13/7579), die Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform erfolgten am 4. August 1997 (BT-Drs. 13/ 8325). 88 Vgl. die Unterrichtung der Bundesregierung vom 7. Juli 1997, BT-Drs. 13/8178. 89 Vgl. Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 184. Sitzung vom 26. Juni 1997, Plenarprotokoll 13/184, S. 16587A. 90 Ziff. 2 lit. b der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1998 vom 24. Juni 1997, BT-Drs. 13/8020, S. 3. 91 Vgl. Protokoll der 21. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 30. Juli 1997, S. 2. 92 Vgl. die in diese Richtung weisenden Ausführungen des Abg. Carl-Ludwig Thiele in den Beratungen des Vermittlungsausschusses, Protokoll der 21. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 30. Juli 1997, S. 28. 93 BVerfGE 120, 56 (79) (Vermittlungsausschuß); B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (44 f.).
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J. Art. 3 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
Gesetzgebungsverfahrens, war sie von vornherein kein taugliches Instrument für die Vorzeichnung einer Regelung in den Beratungen des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform. 94 Auch bei gleichzeitigem Vorliegen der betroffenen Gesetzesbeschlüsse in den Verhandlungen des Vermittlungsausschusses würde eine Einbeziehung von Gegenständen anderer Verfahren Verantwortlichkeiten verschleiern und die strenge Förmlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens untergraben. 95 In seiner für eine – regelmäßig zukunftsgerichtete – Entschließung typischen Unbestimmtheit entbehrte der Beschluß darüber hinaus des erforderlichen Konkretisierungsgrades für die Vorzeichnung einer Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995. 96 Einzelne Maßnahmen und konkrete Regelungsinhalte ließen sich der Entschließung jedenfalls nicht entnehmen. dd) Ergebnis Die Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 hatte in den Beratungen des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform im Bundestag keine hinreichend bestimmte Vorzeichnung erfahren. 97 b) Bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten Mit der fehlenden Erkennbarkeit einer Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 war den Abgeordneten insoweit auch von vornherein jede Mitwirkungsmöglichkeit genommen. Darüber hinausreichende Mißachtungen der eine tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten in den Verhandlungen des Bundestages grundsätzlich gewährleistenden Vorgaben der Geschäftsordnung 98 sind nicht ersichtlich.
94 Dies verkennt das FG Baden-Württemberg, wenn es hierauf gestützt die Verfassungsmäßigkeit der den zeitlichen Anwendungsbereich der Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995 regelnden Vorschrift des § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 i. d. F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform bejaht (EFG 2000, 1425 (1425 f.)). 95 Vgl. ausführlich oben D. V. 2. a) cc). 96 So auch B. Fischer, in: Nationale und internationale Dimensionen des Steuerrechts, S. 27 (45). 97 Damit findet Bestätigung, was im Ergebnis bereits mit der fehlenden Anrufungslegitimation der Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 logisch vorgegeben war: Eine Regelung, die wegen Überschreitung eines offenen Anrufungsbegehrens – damit des äußersten, aus Art. 76 Abs. 1 GG folgenden inhaltlichen Rahmens jedes Gesetzgebungsverfahrens – kein zulässiger Gegenstand des Verfahrens sein kann, kann in diesem auch nicht (zulässig) vorgezeichnet sein. 98 Hierzu ausführlich oben D. V. 2. c) bb).
IV. Stellungnahme
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3. Fehlerfolge: Nichtigkeit der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 Der Vermittlungsvorschlag für eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 entbehrte damit sowohl einer Anrufungs- als auch einer Verfahrenslegitimation. Die auf dieser Empfehlung beruhende Aufhebung der Vorschrift durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform ist daher nichtig. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, für Mängel im Gesetzgebungsverfahren bei fehlender Evidenz von der Nichtigkeitsfolge abzusehen, überzeugt weder grundsätzlich noch in ihrem konkreten Nachweis fehlender Evidenz der Unzulässigkeit des Vorschlags für eine Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 im Verfahren zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform. In ihrer Begründung verkennt sie die Indifferenz des Evidenzarguments gegenüber formellem und materiellem Verfassungsverstoß 99, in ihrem Ergebnis die in ihrer Sanktionsbewehrung materiellen Rechtsgehalten gleichzustellende Legitimationsfunktion grundgesetzlicher (Mindest-)Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren 100. So kam die Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform nahezu unter Ausschluß der Öffentlichkeit und eines Mindestmaßes an Mitwirkungsrechten der Abgeordneten zustande, verletzte damit jedoch Kerngehalte des Demokratieprinzips. Auch Fehler im Gesetzgebungsverfahren führen daher grundsätzlich zur Nichtigkeit des Gesetzes. 101 Seinen Nachweis fehlender Evidenz der formellen Verfassungswidrigkeit einer Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 im Verfahren zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform stützt das Gericht darauf, daß die für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit maßgeblichen Kriterien erst mit der „Arbeitszimmer“-Entscheidung vom 7. Dezember 1999, damit aber erst nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform erkennbar gewesen seien, da die vorangegangenen Entscheidungen zu den Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses noch offen und unbestimmt gewesen seien und die erheblichen Maßstäbe im Ungefähren gelassen hätten. Damit rechtfertigt das Gericht sein Absehen von einer Nichtigerklärung des Art. 3 Nr. 4 lit. 1 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform im Ergebnis aber nicht – wie üblicherweise für diese Fallgruppe – mit einer überraschenden Neuorientierung in der verfassungsrechtlichen Bewertung, sondern mit einem früheren Unterlassen. Denn hätte das Gericht die mit den vorangegangenen Entscheidungen gebotene Gelegenheit genutzt, einen verbindlichen 99
Siehe oben E. V. 2. b) bb). Vgl. Palm, NVwZ 2008, 633 (635); ausführlich oben E. V. 2. c). 101 Ausführlich hierzu oben E. V.
100
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grundgesetzlichen Maßstab für die Bestimmung der Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses aufzuzeigen, wäre die Unzulässigkeit des Vorschlags für eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 im Verfahren zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform bereits evident gewesen und hätte zu dessen Nichtigkeit geführt. Ein derart auf ein Entziehen eigener Verantwortlichkeit gestütztes Absehen von der grundgesetzlich grundsätzlich gebotenen Nichtigerklärung eines verfassungswidrigen Gesetzes 102 weckt erhebliche Bedenken. 103 Tragender Gedanke der – auf Grund ihrer Durchbrechung des grundgesetzlichen Nichtigkeitsdogmas schon als solche nicht unproblematischen 104 – Evidenz-Rechtsprechung ist, den Gesetzgeber vor einer Nichtigerklärung zu verschonen, wenn ihm die Verfassungswidrigkeit seines Tuns infolge der bisher fehlenden oder anderslautenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht erkennbar war, nicht jedoch die Abwendung von Folgen, welche allein darauf beruhen, daß sich das Gericht in früheren Entscheidungen einer abschließenden Beantwortung der gegenständlichen verfassungsrechtlichen Frage entzogen hat. Schließlich hat die formelle Verfassungswidrigkeit des Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform auch keine Heilung erfahren. Heilung bezeichnet die nachträgliche Behebung eines Fehlers durch die fehlerfreie Wiederholung des ursprünglich fehlerhaften (Teil-)Aktes mit der Folge, daß dieser als nunmehr – von Beginn an – rechtmäßig aufrecht erhalten werden kann 105. Die Heilung einer auf einem unzulässigen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses beruhenden Verfahrensfehlerhaftigkeit eines Gesetzes kann damit aber auch nur durch einen – mit dessen neuerlicher Anrufung ermöglichten – erneuten und den Vermittlungsrahmen diesmal wahrenden Einigungsvorschlag erfolgen. 106 Hierzu ist es im Verfahren zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform nicht gekommen. 107 Damit bleibt es im Ergebnis bei der eingangs festgestellten Unwirksamkeit der Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform.
102
Ausführlich hierzu oben E. II. 1. und E. V. 2. a). Kritisch auch Gosch, BFH-PR 2008, 232 (232) („Verkehrte Welt des Vertrauensschutzes!“); a. A. Schürmann, EWiR 2008, 399 (400). 104 Vgl. zur Kritik oben E. V. 2. b). A. A. Moes, welcher den Ansatz des Bundesverfassungsgerichts sogar zu einer umfassenden Vertrauensschutzlehre für den Gesetzgeber fortentwickelt sehen möchte (Moes, StuW 2008, 27 ff.). 105 Vgl. die Nachweise in E. IV. 1., Fußnote 42. 106 Vgl. oben E. IV. 107 Zu der von einer Heilung noch im selben Gesetzgebungsverfahren zu unterscheidenden Möglichkeit einer späteren rückwirkenden Änderung der betroffenen Vorschrift in einem erneuten Gesetzgebungsverfahren siehe sogleich J. V. 103
V. Keine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995
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V. Keine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung Die nachträgliche Modifizierung des zeitlichen Anwendungsbereiches der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG durch Art. 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung 108 könnte allerdings dazu geführt haben, daß die Unwirksamkeit des Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform ohne praktische Konsequenzen blieb. 109 Art. 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 änderte Absatz 3 der den zeitlichen Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes 1995 regelnden Vorschrift des § 27 UmwStG 1995 dahingehend, daß neben weiteren durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform geänderten Bestimmungen auch „§ 12 Abs. 2 [...] erstmals auf Umwandlungsvorgänge anzuwenden (sei), deren Eintragung im Handelsregister nach dem 5. August 1997 beantragt worden“ ist. Hierbei bezog sich der Gesetzgeber explizit auf die Änderungen der genannten Vorschriften „durch Artikel 3 des Gesetzes vom 29. Oktober 1997“. 110 Mit dieser ausdrücklichen Bezugnahme hat sich der Gesetzgeber implizit auch den Gegenstand der Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995 durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform zu eigen gemacht. Die Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 durch Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform hat auf diesem Wege erneut Aufnahme in den Willen des Gesetzgebers gefunden. Unwirksam bliebe hiernach die Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 allein für Umwandlungsvorgänge bereits nach dem 31. Dezember 1996 111. Diese sollten durch Art. 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung allerdings gerade ohnehin von der Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 ausgenommen werden. 108
BGBl I 1997, S. 2590. Vgl. BVerfGE 120, 56 (80 f.) (Vermittlungsausschuß). 110 Hierin liegt der maßgebliche Unterschied zur erneuten Änderung der ebenfalls auf einer unzulässigen Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform beruhenden Vorschrift des § 8 Abs. 4 KStG 1999 durch Art. 4 Nr. 2 des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, S. 3794), für welche der Bundesfinanzhof in seinem Vorlagebeschluß wegen fehlender Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers zurecht keine rückwirkende „Heilung“ annehmen will (vgl. BFHE 214 (424 (429 f.); anders die Einschätzung von Wilk, EFG 2008, 824). 111 Vgl. § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 i. d. F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vom 29. Oktober 1997, BGBl 1997, S. 2590 (2592). 109
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J. Art. 3 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform
Die in ihrer praktischen Konsequenz damit einer Heilung vergleichbare rückwirkende Verschiebung des zeitlichen Anwendungsbereiches der Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem rechtstaatlichen Rückwirkungsverbot. 112 Mit ihrer Datierung auf den 5. August 1997, dem Tag der Beschlußfassung des Bundestages über die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagene Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995, wahrte sie den für dispositionsbezogene Änderungen des Steuerrechts geltenden frühesten zulässigen Stichtag des Gesetzesbeschlusses des Bundestages 113. 114 Allerdings beruhte der erst nachträglich auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses eingefügte 115 Artikel 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung seinerseits auch auf einer unzulässigen Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses. Die vorgesehene Änderung des in § 27 Abs. 3 UmwStG 1995 geregelten zeitlichen Anwendungsbereichs umwandlungs-steuergesetzlicher Vorschriften wahrte weder den gegenständlichen beschränkten Rahmen des Anrufungsbegehrens des Bundesrates 116, noch hatte sie in den vorangegangenen Beratungen im Bundestag eine Vorzeichnung erfahren. Mit dem eng begrenzten Zweck des ursprünglichen Gesetzentwurfs 117, den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung mit einem durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer finanzierten zusätzlichen Bundeszuschuß zu senken, verließ Artikel 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines 112
Vgl. FG Baden-Württemberg, EFG 2000, 1425 (1426); so auch Palm, NVwZ 2008, 633 (635). Für § 4 Abs. 5 und 6 UmwStG 1995 i. d. F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vgl. BFHE 221, 121 (125 ff.). 113 Speziell für einen Änderungsbeschluß nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG BVerfGE 95, 64 (88) (Mietpreisbindung). Allgemein auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages abstellend BVerfGE 13, 261 (273) (Rückwirkende Steuern); BVerfGE 43, 291 (392) (numerus clausus II); BVerfGE 97, 67 (79) (Schiffbauverträge); st. Rspr. Ausführlich Werder, Dispositionsschutz bei der Änderung von Steuergesetzen zwischen Rückwirkungsverbot und Kontinuitätsgebot. 114 Möglicherweise bildete dies sogar gerade das Motiv für die Änderung des § 27 Abs. 3 UmwStG 1995. Die Tatsache, daß diese erst nachträglich auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses am 10. Dezember 1997 (BT-Drs. 13/9419, S. 3) und damit exakt eine Woche nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrauensschutz bei der Streichung dispositionsbezogener steuergesetzlicher Subventionstatbestände am 3. Dezember 1997 (BVerfGE 97, 67 (Schiffbauverträge)) eingefügt wurde, läßt einen solchen Zusammenhang zumindest vermuten. 115 Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 10. Dezember 1997, BT-Drs. 13/9419, S. 3. 116 Vgl. die Unterrichtung des Bundesrates über die Anrufung des Vermittlungsausschusses vom 2. Dezember 1997, BT-Drs. 13/9327. 117 Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung der Fraktionen der CDU / CSU und F.D.P. vom 7. Oktober 1997, BT-Drs. 13/8704, S. 1.
V. Keine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995
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zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung sogar den äußeren gegenständlichen Rahmen des Verfahrens. Auch Art. 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung war daher formell verfassungswidrig zustande gekommen und damit nichtig. Im Ergebnis läßt sich eine Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 damit auch nicht durch Art. 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung mit Wirkung für Umwandlungsvorgänge nach dem 5. August 1997 feststellen. 118
118
A. A. wohl BVerfGE 120, 56 (80 f.) (Vermittlungsausschuß).
K. Erweiterung der Vermittlungskompetenz durch Verfahren – Stärkung und Steigerung der Qualität des parlamentarischen Verfahrens im Bundestag Mochte eingangs der Arbeit anläßlich des Nachweises der Eigenschaft des Vermittlungsausschusses als Verfassungsorgan noch die Skepsis gegenüber einer zu weit gehenden institutionellen Stärkung des Gremiums namentlich im Verhältnis zum Parlament überwogen haben 1, gehen am Ende aus der Untersuchung als gestärkte Organe der Bundestag und der einzelne Abgeordnete hervor. Mit dem kumulativen Erfordernis einer Anrufungs- und Verfahrenslegitimation jedes Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses ist eine reale Erweiterung des zulässigen Vermittlungsrahmens allein im parlamentarischen Verfahren des Bundestages möglich. Ein in der Praxis als Reaktion auf die strikte Bindung des Vermittlungsausschusses an den gegenständlichen Rahmen des Anrufungsbegehrens wohl zu befürchtendes und – da zulässig 2 – auch nicht zu vermeidendes verstärktes Gebrauchmachen von der Möglichkeit eines auf jegliche inhaltlichen Beschränkungen verzichtenden, offenen Anrufungsbegehrens mag zwar geeignet sein, den im konkreten Verfahren maximal eröffneten Vermittlungsrahmen voll auszuschöpfen, darüber, wie weit jener ausfällt, entscheiden jedoch allein Breite und Tiefe der vorangegangenen Beratungen im Bundestag. Was nicht Inhalt der Verhandlungen im Parlament gewesen ist, kann auch auf diesem Wege nicht zum Gegenstand von Beratungen im Vermittlungsausschuß gemacht werden. Zu einer verbesserten Einhaltung des sich hieraus ergebenden zulässigen Vermittlungsrahmens in der Praxis dürfte eine konsequente bundesverfassungsgerichtliche Anordnung der grundsätzlichen Nichtigkeitsfolge von Verfassungsverstößen auch für Fehler im Gesetzgebungsverfahren beitragen. Das Erfordernis der Legitimation – auch – eines Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses durch eine (bereits erfolgte) parlamentarische Willensbildung holt gesetzgeberisches Entscheiden aber nicht nur räumlich aus der Vertraulichkeit eines „Essen(s) beim Italiener in einer kleinen Gruppe“ 3 zurück 1
Zur fehlenden Berechtigung solcher Bedenken bereits oben B. I. 2. b). Vgl. oben D. V. 1. a) bb) (2). 3 So das freimütige Bekenntnis des Vorsitzenden Ersten Bürgermeisters Ortwin Runde in den Verhandlungen zum Steuerbereinigungsgesetz 1999, welche, obgleich sich zuvor in einer verfahrenen Situation befindend, sodann recht zügig zum Abschluß gebracht werden konnten (Protokoll der 2. Sitzung des Vermittlungsausschusses vom 15. Dezember 1999, 2
K. Erweiterung der Vermittlungskompetenz durch Verfahren
373
in das Licht öffentlicher parlamentarischer Verhandlung als originärer „Entscheidungsmitte“ 4 der repräsentativen Demokratie und stellt damit die demokratische Legitimation des auf einen Vermittlungsvorschlag zurückgehenden Gesetzes sicher. Mit der anzunehmenden Ausstrahlungswirkung ihrer inhaltlichen und förmlichen Anforderungen an die Vorzeichnung eines späteren Vermittlungsvorschlages dürfte sie in der politischen Praxis auch zu einer Steigerung der Qualität der Gesetzesberatungen im Bundestag führen und hiermit einen Legitimationsgewinn für das Gesetz als solches mit sich bringen. Schließlich können Inhalte des parlamentarischen Verfahrens nur dann zulässiger Gegenstand eines Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses werden, wenn sie (plenar-) förmlich und hinreichend konkret einen einzelnen Normzweck erkennen lassen. Dies zwingt etwa den Bundesrat, sich bereits bei der Wahrnehmung seiner Befugnis zur Stellungnahme bei Vorlagen der Bundesregierung (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG) umfassend und nachhaltig seiner inhaltlichen Position zu vergewissern und etwaigen Änderungsvorschlägen mit der erforderlichen Bestimmtheit – bestenfalls in gesetzestextlicher Fassung – Ausdruck zu verleihen 5, möchte er sich die Möglichkeit offen halten, auf diese im Rahmen eines etwaigen Vermittlungsverfahrens zurückkommen zu können, und die ihm insoweit begrenzt eingeräumte Gelegenheit zur inhaltlich gestaltenden Einflußnahme auf das Gesetzgebungsverfahren wahren. Daneben dürfte auch die bereits jetzt zu beobachtende und zu begrüßende zunehmende Praxis 6 der Oppositionsfraktionen, auch ihre politischen Vorstellungen unbeschadet der geringen Erfolgsaussichten vermehrt in der Form eines ausformulierten Gesetzentwurfes in die Beratungen des Bundestages einzubringen, weiteren Vorschub erhalten. Eine auf diese Weise – inhaltlich wie förmlich – zielgerichtete Intensivierung der parlamentarischen Auseinandersetzung sichert die Förmlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens und gibt der Sorgfalt den Vorzug vor der Schnelligkeit. Schließlich und vor allem aber stärkt sie die Stellung des Abgeordneten. Diesem wird der Regelungsgegenstand in den vorgeschlagenen Lösungsalternativen wieder verstärkt erkennbar. Eine reflektierte und verantwortliche Abgeordnetenentscheidung wird so wieder möglich. Diese sollte mit der geschäftsordnungsrechtlichen Regelung einer Begründungspflicht für Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses und der Festlegung einer Mindestfrist zwischen ihrer S. 49). Siehe auch die hieran anschließende Äußerung des Abg. Heribert Blens („(...) in der kleinen Runde, in der wir hier zusammensaßen, haben wir praktisch über alle Punkte Einigkeit erzielt.“; a. a. O., S. 49). 4 Bild nach Kirchhof, siehe etwa P. Kirchhof, in: Brenner / Huber / Möstl (Hrsg.), FS für Badura, S. 237 (242). 5 Zur grundsätzlichen Eignung einer Stellungnahme des Bundesrates für die Vorzeichnung eines Regelungszwecks des späteren Vermittlungsvorschlages siehe oben D. V. 2. b) bb) (2) (b). 6 Vgl. die Nachweise bei Masing, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, Art. 76, Rn. 19.
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K. Erweiterung der Vermittlungskompetenz durch Verfahren
Vorlage und Behandlung durch den Bundestag eine Absicherung auch für die erneute Beschlußfassung des Bundestages über einen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses im Verfahrensabschnitt nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG erfahren. Konsequent zu Ende gedacht, ist es gerade diese, die Regelungsalternativen bereits frühzeitig und umfassend zutage treten lassende, damit einer inhaltlichtaktischen Instrumentalisierung des Vermittlungsverfahrens von vornherein den Boden entziehende Intensivierung des parlamentarischen Verfahrens, welche den Weg zu einer wirklich effizienten Gesetzgebung weist. Schließlich ist ein Gesetzgebungsverfahren gerade dann als besonders effizient anzusehen, wenn es einen zusätzlichen Verfahrensabschnitt wie den des Vermittlungsverfahrens entbehrlich macht. Kommt es doch einmal zu einer Anrufung des Vermittlungsausschusses, hat dieser die Aufgabe des (mittelbaren) Garanten eines demokratischen Verfahrens. Zur Kunst des gegenwärtig politisch Möglichen 7 tritt die Verantwortlichkeit für das im Konkreten demokratisch Zulässige.
7
Vgl. P. Kirchhof, NJW 2001, 1332 (1333).
Zusammenfassung in 100 Thesen A. Demokratische Legitimation des Gesetzes im Verfahren I. Die Verfassung als Rahmenordnung
1. Die Verfassung begründet eine Rahmenordnung. Als solche beschränkt sie sich darauf, den inhaltlichen Rahmen und das Verfahren für den politischen Handlungs- und Entscheidungsprozeß festzulegen. Mit dem weitgehenden Verzicht, inhaltliche Lösungen gesellschaftlicher Probleme normativ vorauszubestimmen, gewinnen ihre Regelungen über das Verfahren, in welchem diese anzugehen und zu bewältigen sind, eine hervorgehobene Bedeutung. Die Verfassung wird so zu einer Verfahrensordnung. II. Verfahren als Instrument demokratischer Legitimation
2. Innerhalb des durch die Kompetenzordnung gesetzten Rahmens ereignet sich inhaltliche Legitimation in einem permanenten Rückkoppelungsprozeß zwischen Staatsvolk als Träger und Staatsorganen als Ausübenden der Staatsgewalt. Für Quantität und Qualität dieses Kommunikationsprozesses von besonderer Bedeutung ist das Verfahren, in dem staatliche Entscheidungen zustande kommen. Dessen Ausgestaltung bestimmt, in welchem Umfang und welcher Qualität der Wille des Staatsvolkes in das Ergebnis konkreter Kompetenzausübung einfließen kann. Eine in diesem Sinne verstandene Legitimation durch Verfahren beschränkt sich nicht auf den Nachweis faktischer Akzeptanz, läßt sich auch nicht allein auf das kodifizierte Verfahrensrecht reduzieren, sondern meint einen verfahrensgeleiteten Repräsentations- und Legitimationsprozeß, bei dem auf der Brücke (rechtlich) konsentierter demokratischer Verfahrensmaßstäbe der in einem dynamischen Prozeß aktualisierte – tatsächliche – Wille des Staatsvolkes aufgenommen und dem Ergebnis staatlichen Handelns legitimationsspendend zugeführt wird. 3. Je weiter und offener der Kompetenzrahmen eines staatlichen Organs gefaßt ist, desto mehr gewinnt die legitimierende Wirkung des Verfahrens an Bedeutung. Besondere Relevanz kommt ihr im materiell lediglich durch den äußeren Rahmen der Verfassung beschränkten Gesetzgebungsverfahren zu. Die besondere Legitimation des Gesetzes beruht daher neben seinem Urheber ganz wesentlich auf der besonderen Qualität des Verfahrens, in dem es zustande kommt.
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4. Ungeachtet ihrer verfahrensabhängig variierenden Qualität bleibt eine Legitimation durch Verfahren immer nur eine formale. Sie gewährleistet die formale Ableitbarkeit staatlichen Handelns vom Willen des Staatsvolkes, nicht dagegen eine materielle Verwirklichung des Gemeinwohls. Allein die Tatsache, daß eine Entscheidung von einer demokratisch legitimierten Institution in einem transparenten Verfahren und unter Verwirklichung des Mehrheitsprinzips getroffen wurde, bietet für sich genommen keine materielle Richtigkeitsgewähr. Vielmehr liegt dem Gedanken einer legitimierenden Wirkung des Verfahrens sogar gerade der bewußte Verzicht auf einen materiellen Gerechtigkeitsanspruch zugrunde. Erhöbe man einen solchen, bräche die Brücke konsentierter demokratischer Verfahrensgrundsätze, welche die Zurechnung staatlichen Entscheidens auf den Willen des Staatsvolkes in seiner Gesamtheit überhaupt erst trägt, zusammen. 5. Dem Verfahrensrecht kommt in einem verfahrensgeleiteten Legitimationsprozeß die Funktion eines Trägers und Garanten effektiver Einflußnahme des Staatsvolkes auf das Staatshandeln zu. In dieser, das Ergebnis staatlichen Handelns formal legitimierenden Funktion verfolgen Verfahrensvorschriften einen eigenständigen Zweck. Daneben können Verfahrensbestimmungen auch geeignet sein, eine „gewisse inhaltliche Güte“ staatlichen Entscheidens zu garantieren, nicht im Sinne materieller Richtigkeit, wohl aber eines gewissen Maßes an Sachgerechtigkeit, Folgerichtigkeit und Verfassungsmäßigkeit. Dann verwirklicht das Verfahrensrecht keinen ihm bereits selbst innewohnenden Zweck, sondern ist auf die Herstellung eines sachgerechten und rechtmäßigen Ergebnisses gerichtet. Insoweit kann von einer „dienenden Funktion“ des Verfahrensrechts gesprochen werden. III. Der Vermittlungsausschuß als Instrument legislativer Effizienz
6. Die Konstituierung des Vermittlungsausschusses stärkt wesentlich die Position des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren. Im Vermittlungsverfahren erlangen die Mitglieder des Bundesrates in Abweichung von dessen grundsätzlich ausschließlich negativen Mitwirkungsbefugnissen ausnahmsweise die Möglichkeit, inhaltlich-gestaltend Einfluß zu nehmen. 7. Die Einrichtung des Vermittlungsausschusses ist keine zwingende Konsequenz der Notwendigkeit, eine Paralysierung der Gesetzgebung durch fortgesetzte Ausübung des Vetorechtes durch den Bundesrat zu vermeiden, sondern stellt sich als ein mögliches Instrument dar. Es erscheint daher treffender, vom Vermittlungsausschuß nicht als institutioneller, sondern als institutionalisierter Konsequenz der Beteiligung des Bundesrates am Gesetzgebungsverfahren des Bundes zu sprechen. 8. Das im Gesetzgebungsverfahren des Bundes strukturell angelegte Spannungsverhältnis von parlamentarischer Demokratie und Bundesstaatlichkeit er-
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fährt eine Verschärfung, wenn durch die Institution des Vermittlungsausschusses mit der Einräumung inhaltlich-gestaltender Befugnisse an den Bundesrat eine Aufwertung des föderalen Elements im Gesetzgebungsverfahren einhergeht. 9. Rechtfertigender Gedanke der Institution des Vermittlungsausschusses ist der einer effizienten Gesetzgebung. Das Vermittlungsverfahren ist als eine weitere Möglichkeit, das Gesetzgebungsziel noch auf der Grundlage des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens zu verwirklichen, zur Alternative eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens zu verstehen. 10. Durch Erwägungen einer legislativen (Beschleunigungs-)Effizienz gerechtfertigt sind nur solche Einschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens, welche sich bei einer vergleichenden Betrachtung der Alternativen eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens als quantitativer Art darstellen, nicht hingegen solche qualitativer Art. Schließlich meint Effizienz die Herstellung eines – qualitativ – gleichwertigen Ergebnisses unter geringerem (Verfahrens-)Aufwand. Gestützt wird dieses Ergebnis durch die mit Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG übereinstimmende Begriffswahl des Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG („Beschluß fassen“) sowie eine vergleichende Parallele zu der die Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens im Verteidigungsfall regelnden Vorschrift des Art. 115d GG. 11. Als quantitativ sind allein jene Modifikationen des Gesetzgebungsverfahrens zu verstehen, welche sich als ausschließlich quantitativer Art darstellen. Dies dürfte insbesondere für die Nichtberücksichtigung von über die grundgesetzlichen Anforderungen hinausreichenden Erfordernissen des Geschäftsordnungsrechts gelten. Qualitative Einschränkungen sind dagegen solche, welche zu einem Unterschreiten der aus Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1, 42 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 S. 1 GG folgenden grundgesetzlichen Mindestanforderungen an ein demokratisch-parlamentarisches Verfahren führen. Schließlich beruht die (legitimatorische) Qualität und damit Gleich-Wertigkeit eines Gesetzes auf der demokratischen Qualität des zu seiner Verabschiedung führenden Verfahrens. IV. Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses im Spannungsfeld von demokratischer Legitimation und legislativer Effizienz
12. Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, dem Bundestag einen (Einigungs-)Vorschlag für einen Gesetzesbeschluß machen zu können, bewegt sich im Spannungsfeld von demokratischer Legitimation des Gesetzes im Verfahren und legislativer Effizienz als tragendem Gedanken des Vermittlungsverfahrens. Während erstere maßgeblich auf der besonderen Qualität des Gesetzgebungsverfahrens beruht, drängt letztere im politisch-dynamischen Charakter des Vermittlungsverfahrens gerade auf eine Befreiung von verfahrensrechtlichen Bindungen. Beide Anliegen lassen sich miteinander zum Ausgleich bringen. Maßstab bildet die von vornherein nur begrenzte Rechtfertigungswirkung des das Vermittlungs-
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verfahren tragenden Gedankens legislativer Effizienz, welcher zwar quantitative Einschränkungen des Gesetzgebungsverfahrens, nicht jedoch ein Unterschreiten der die demokratische Legitimation des Gesetzes gewährleistenden grundgesetzlichen Mindestanforderungen an die parlamentarische Willensbildung zu rechtfertigen vermag. Erster Teil
Der Vermittlungsausschuß im Gesetzgebungsverfahren B. Der Legitimationszusammenhang der Vermittlungskompetenz: Die demokratische Legitimation des Vermittlungsausschusses I. Funktionelle und institutionelle Legitimation des Vermittlungsausschusses
13. Der Vermittlungsausschuß ist ein Organ der Gesetzgebung. Zwar setzt er sich personell auf Grund seiner paritätischen Struktur zur Hälfte aus Mitgliedern des Bundesrates und damit Vertretern der Exekutive zusammen. An seiner funktionellen Einordnung als Organ der Legislative vermag dies allerdings nichts zu ändern. 14. Der Vermittlungsausschuß ist als Verfassungsorgan zu qualifizieren. Das Grundgesetz behält ihm in Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG das Recht vor, darüber zu entscheiden, ob er einen Einigungsvorschlag macht, sowie diesen gegebenenfalls zu formulieren. Der Vermittlungsausschuß erfüllt insoweit unabhängig und eigenverantwortlich eine ihm eigens durch die Verfassung übertragene Aufgabe. 15. Mit der Bejahung organschaftlicher Selbständigkeit des Vermittlungsausschusses geht eine strukturell-institutionelle Stärkung des Bundestages einher. Die Zuweisung von Gesetzgebungs- und Vermittlungskompetenz an verschiedene Organe erleichtert eine saubere Abgrenzung und läßt eine Wahrung der Kompetenzgrenzen in der Staatspraxis wahrscheinlicher erscheinen. Bei seinem erneuten Beschluß nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG befindet der Bundestag eigenverantwortlich über den Vorschlag eines anderen Organs. Der Vermittlungsausschuß sieht sich gezwungen, den Bundestag zu überzeugen. Ein solches Erfordernis fördert Transparenz, gewährleistet Richtigkeit und sichert Verfassungsmäßigkeit. II. Personelle Legitimation der Mitglieder des Vermittlungsausschusses
16. Nach Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG können Bundestag und Bundesrat nur als solche legitimierte Mitglieder ihres Organs zu ordentlichen Mitgliedern des Vermittlungsausschusses bestellen. Entgegen § 11 Abs. 2 GOBR ist eine Vertretung der Mitglieder des Bundesrates durch ein anderes Mitglied der jeweiligen Lan-
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desregierung oder einen Beauftragten, welche nicht Mitglied des Bundesrates sind, ausgeschlossen. Problematisch ist die Praxis des Vermittlungsausschusses, auf die förmliche Einsetzung von Unterausschüssen zu verzichten und die Vorbereitung des Einigungsvorschlages in gänzlich informelle Beratungsgremien zu verlagern. Ein auf diese Art und Weise zustande gekommener Einigungsvorschlag entbehrt der Legitimation. 17. Die paritätische Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses ist grundgesetzlich geboten. Die Funktion des Vermittlungsverfahrens, einen Kompromiß zwischen unterschiedlichen Positionen von Bundestag und Bundesrat zu erzielen, verlangt zwingend eine gleiche Zahl von Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates. 18. Der Vermittlungsausschuß ist ein ständiges Organ. Er wird mit Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG unmittelbar durch die Verfassung, nicht aber durch die GOVA oder eine einzelne Anrufung konstituiert. 19. Der Annahme einer Geltung des Grundsatzes der Diskontinuität für den Vermittlungsausschuß kann nicht gefolgt werden. Treffender ist es, von einer Ausstrahlungswirkung dieses Grundsatzes auf den Vermittlungsausschuß zu sprechen. 20. Art. 77 Abs. 2 S. 2 GG begründet eine Pflicht, die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses in der Gemeinsamen Geschäftsordnung von Bundestag und Bundesrat für den Vermittlungsausschuß zu regeln. Die gegenwärtigen autonomen Festlegungen durch Bundestag und Bundesrat sind verfassungswidrig. Bundestag und Bundesrat sind dazu aufgerufen, ihrer Regelungspflicht nachzukommen und die Gemeinsame Geschäftsordnung entsprechend zu ergänzen. Zwingend ist hierbei eine Regelung, wie die in beiden Organen existierenden politischen Stärkeverhältnisse abzubilden sind, nicht dagegen des bei der Bestellung der einzelnen Ausschußmitglieder zur Anwendung kommenden Verfahrens. 21. Die Besetzung des Vermittlungsausschusses durch den Bundestag unterliegt dem Repräsentationsprinzip. Sie hat die politischen Stärkeverhältnisse im Plenum widerzuspiegeln. Dabei sind unabhängig vom Status als Fraktion oder Gruppe sämtliche Zusammenschlüsse von Abgeordneten zu berücksichtigen, auf die bei der Zahl von sechzehn zu besetzenden Sitzen und unter Zugrundelegung des gewählten Zählverfahrens zumindest ein Mandat entfällt. Unberücksichtigt bleibenden Gruppierungen kann ein Grundmandat eingeräumt werden. Korrekturen zur Sicherstellung einer Abbildung der „Regierungsmehrheit“ sind hingegen unzulässig. Dem Bundestag verbleibt, über das zur Anwendung kommende Zählverfahren zu entscheiden. 22. Die herausgehobene Aufgabe des Vermittlungsausschusses gebietet die Legitimation seiner Zusammensetzung durch einen Akt, der dem Bundestag als Repräsentativorgan des Volkes in seiner Gesamtheit zugerechnet werden kann.
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Die ständige Praxis des Bundestages, die von ihm in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder durch Wahl des Plenums gemäß § 54 Abs. 2, § 89, § 12 S. 2 GOBT zu bestellen, ist daher verfassungsrechtlich zwingend. 23. Die Zusammensetzung der vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder hat dem Grundsatz der Ländergleichheit zu genügen. Die gegenwärtige Praxis des Bundesrates, für jedes Land ein Mitglied zu entsenden, ist damit bei der aktuellen Größe des Vermittlungsausschusses verfassungsrechtlich zwingend. 24. Die Bestellung der vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuß entsandten Mitglieder nach § 11 Abs. 4 S. 1 GOBR, wonach eine Benennung durch die jeweilige Landesregierung erfolgt, die diese dem Präsidenten des Bundesrates anzuzeigen hat, ist verfassungswidrig. Die von der Entsendung ausgehende (personelle) demokratisch legitimierende Wirkung für den Vermittlungsausschuß als eigenständigem Verfassungsorgan verlangt einen Berufungsakt, der sich dem Bundesrat als Ganzem zurechnen läßt. Dem wird nur ein Beschluß des Plenums gerecht. Die Geschäftsordnung des Bundesrates bedarf einer Ergänzung, die den qualitativen Unterschied zwischen der Besetzung seiner Ausschüsse und der Entsendung von Mitgliedern in den Vermittlungsausschuß verfahrensrechtlich nachvollzieht. III. Sachlich-inhaltliche Legitimation des Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses
25. Eine pauschalierende Bezugnahme auf eine Zusammenschau der § 3 S. 3 und §§ 5, 6 GOVA bietet keine ausreichende Rechtsgrundlage für die praktizierte umfassende Vertraulichkeit des Verfahrens im Vermittlungsausschuß. Der zeitlich befristete Verschluß der Sitzungsprotokolle entbehrt einer normativen Grundlage. 26. Der Vermittlungsausschuß unterliegt dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie. Die einzelnen Elemente der Vertraulichkeit seines Verfahrens (Ausschluß der Sitzungsöffentlichkeit, eingeschränkte Berichterstattungsöffentlichkeit, befristeter Verschluß der Sitzungsprotokolle) lassen sich je für sich zur Wahrung seiner Funktionsfähigkeit rechtfertigen, nicht jedoch in ihrem Zusammenwirken. Die Schwere der Beeinträchtigung der nachfolgenden Beschlußfassung des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG, die eine bewußte und reflektierte Entscheidung des Abgeordneten unmöglich macht, verlangt eine Rücknahme des Ausschlusses der Öffentlichkeit im Verfahren des Vermittlungsausschuß auf ein zu rechtfertigendes Maß. Als Lösung bietet sich an, die Berichterstattung einem Schriftformerfordernis und einer Begründungspflicht zu unterwerfen, sowie den Abgeordneten die Möglichkeit zu einer vertraulichen Einsichtnahme in die Sitzungsprotokolle zu gewähren.
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27. Das Vermittlungsverfahren weicht in dem Gedanken, einen weitestgehenden politischen Konsens herzustellen, vom demokratischen Grundsatz der Mehrheitsentscheidung ab. Dies gefährdet sachliche Entscheidungsqualität und verhindert im Zusammenwirken mit der Nichtöffentlichkeit seiner Beratungen klare Verantwortlichkeiten. Die Abweichung vom Mehrheitsprinzip tritt allerdings ausschließlich auf institutioneller Ebene ein, erfaßt hingegen nicht das Verfahren im Vermittlungsausschuß, für welches das einfache Mehrheitserfordernis des § 8 GOVA gilt. 28. § 8 GOVA läßt sich aus grammatischen wie systematischen Gründen ausschließlich im Sinne einer Anwesenheitsmehrheit verstehen. Die hiervon abweichende ständige Praxis, eine Abstimmungsmehrheit ausreichen zu lassen, verletzt Geschäftsordnungsrecht. Es empfiehlt sich, § 8 GOVA im Sinne der ständig praktizierten Abstimmungsmehrheit neu zu fassen. Als Vorbild kann die Formulierung des Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG dienen. 29. Beschlußfassungen über Einigungsvorschläge zu verfassungsändernden Gesetzen bedürfen mangels Eigenschaft einer gesetzgeberischen Schlußabstimmung keiner qualifizierten Mehrheit nach Art. 79 Abs. 2 GG. 30. Die Offenheit der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses für die Möglichkeit sogenannter „unechter“ Einigungsvorschläge verkennt nicht den Vermittlungsgedanken, sondern ist folgerichtiger Ausdruck der Entscheidung des Art. 77 Abs. 2 GG für eine Vermittlung im Wege institutionell verselbständigter Mehrheitsentscheidung.
C. Der verfahrenssystematische Zusammenhang der Vermittlungskompetenz: Das Gesetz als Ergebnis eines einheitlichen Verfahrens des Bundestages I. Vorfrage: Das Verhältnis von Kompetenz und Verfahren
31. Die Kompetenz weist einer staatlichen Organisationseinheit einen Gegenstand hoheitlichen Handelns zur Wahrnehmung zu. Synonym wird auch von Zuständigkeit gesprochen. Nicht gleichgesetzt werden darf die Kompetenz mit den ihr vorausgehenden und nachfolgenden Kategorien der Aufgabe und der Befugnis. 32. Im Unterschied zur Kategorie der Kompetenz hat der Begriff des Verfahrens keine allgemein anerkannte begriffliche Klärung erfahren. Eine umfassende rechtswissenschaftliche Theorie vom Verfahren existiert nicht. Schließt man (ausschließlich) faktische Verfahrensverständnisse im Bemühen um einen Begriff des Verfahrens im rechtlichen Sinne aus, läßt sich das Verfahren als eine Mehrzahl zweckmäßig und planvoll geordneter Handlungen definieren, die von einer hierzu ermächtigten staatlichen Organisationseinheit – unter möglicher
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Einbeziehung weiterer Beteiligter – durchzuführend auf ein gemeinsames Ziel gerichtet sind, welches eine mehr oder minder förmliche Entscheidung darstellt, die die Gestaltung oder Feststellung von Rechten, Pflichten oder Rechtslagen zum Gegenstand hat. 33. Kompetenz und Verfahren begegnen sich im wechselseitigen Zusammenwirken von personell-organisatorischer und sachlich-inhaltlicher Legitimation in der Kompetenzvorschrift. Während die Kompetenznorm in ihrer abstrakten Zuweisung eines Sachgegenstandes einen äußeren Rahmen inhaltlicher Legitimation begründet, gewährleistet das Verfahren die Legitimation der konkreten Kompetenzwahrnehmung eines staatlichen Organs innerhalb dieses Rahmens. Im Verständnis einer über das Gebot demokratischer Legitimation hergestellten Verbindung von Kompetenz und Verfahren bezeichnet das Verfahren damit die konkrete Ausübung der einzelnen Kompetenz eines Organs. 34. Bei der Beteiligung mehrerer Organe an einem Verfahren stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Kompetenz und Verfahren nicht erneut, sondern ist das Verhältnis mehrerer Verfahren zueinander zu klären. Dabei sind zwei Grundkonstellationen denkbar. Zunächst kommt eine Verknüpfung der Verfahren mehrerer Organe dergestalt in Betracht, daß diese inhaltlich abgestimmt zeitlich gestreckt aufeinander folgen. Insofern kann von einem „gestuften“ Verfahren gesprochen werden. Als weitere Möglichkeit, die Verfahren mehrerer Organe zu verknüpfen, ist denkbar, daß einem der Verfahren eine übergeordnete Funktion zukommt, und die Verfahren der anderen Organe mit ihrem Ergebnis in dieses – einheitliche – Verfahren münden. Kennzeichen des übergeordnet einheitlichen Verfahrens im Unterschied zu einer Sequenz von Verfahren ist, daß sich das abschließende Ergebnis als einzig außenwirksames (Verfahrens-)Ziel der ausschließlichen und einheitlichen Wahrnehmung einer Kompetenz eines Organs darstellt. II. Die Struktur und Systematik des Gesetzgebungsverfahrens
35. Die Frist für die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat beträgt sowohl für Einspruchs-, als auch für Zustimmungsgesetze drei Wochen und beginnt mit Eingang des Gesetzesbeschlusses zu laufen. Dies folgt aus den insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG sowie Sinn und Zweck sowohl der Fristenregelung als auch des Vermittlungsverfahrens, auf eine Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens hinzuwirken. 36. Eine Anrufung des Vermittlungsausschusses im Falle nicht erteilter Zustimmung des Bundesrates setzt voraus, daß sich abzeichnet, daß das Gesetz den Bundesrat (in dieser Form) nicht passieren wird. Eine Anrufung durch Bundestag und Bundesregierung ist daher erst zulässig, wenn der Bundesrat bereits ausdrücklich seine Zustimmung verweigert hat oder der Wille des Bundesra-
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tes, die Zustimmung nicht zu erteilen, anderweitig unmißverständlich deutlich geworden ist. 37. Eine Frist, innerhalb derer eine Anrufung des Vermittlungsausschusses durch Bundestag oder Bundesregierung zu erfolgen hat, ist nicht geregelt. Die für den Bundesrat geltende dreiwöchige Frist des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG ist nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar. Zur Vermeidung eines endlosen Schwebezustandes, der es Bundestag und Bundesregierung ermöglichte, Gesetzesvorhaben taktierend zu einem beliebigen Zeitpunkt fortzusetzen, ist allerdings zu verlangen, daß Bundestag und Bundesregierung nach Nichterteilung der Zustimmung durch den Bundesrat – damit spätestens nach Ablauf der hierfür in Art. 77 Abs. 2a GG angeordneten „angemessenen Frist“ – ihrerseits in angemessener Frist über eine Einberufung des Vermittlungsausschusses zu entscheiden haben. Bei der Bestimmung, wann eine Frist „angemessen“ ist, mag man die Drei-Wochen-Frist des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG vergleichend mit heranziehen können. 38. Aus der Funktion des Vermittlungsverfahrens, einer effizienten Gesetzgebung zu dienen, folgt, daß der Bundestag im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ausschließlich über die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlags entscheiden kann. Über den Einigungsvorschlag hinausreichende (nachträgliche) Änderungen sind nicht möglich. § 10 Abs. 2 S. 1 GOVA vollzieht diese bereits grundgesetzlich vorgegebene Ratifikationslage auf Geschäftsordnungsebene lediglich nach. 39. Mit der Reduzierung der Entscheidung des Bundestags auf eine (unveränderte) Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlages geht zugleich eine Beschränkung des zulässigen Verfahrensgegenstandes auf Materien einher, welche bereits Inhalt von Beratungen im Bundestag gewesen sind. Dies folgt aus der strukturell bedingten Unmöglichkeit einer (umfassenden) Gesetzeswillensbildung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG und der fehlenden Rechtfertigung des Verzichts auf eine solche durch den das Vermittlungsverfahren tragenden Gedanken legislativer Effizienz. 40. Die dem Vermittlungsausschuß in § 10 Abs. 3 S. 1 GOVA eingeräumte Möglichkeit, im Falle mehrerer Änderungen des Gesetzesbeschlusses zu bestimmen, daß über diese im Bundestag gemeinsam abzustimmen ist, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie erfährt ihre Rechtfertigung aus dem das Vermittlungsverfahren tragenden Gedanken legislativer Effizienz. 41. Der Bundestag ist an die in § 10 GOVA geregelten Vorgaben für die Behandlung von Einigungsvorschlägen im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG gebunden. Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses besitzt neben ihrem Charakter als innenwirksamer, die Organisation und das Verfahren des Vermittlungsausschusses regelnder Geschäftsordnung die Qualität einer Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesrat. Kraft Verweises in § 90 GOBT
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erlangt § 10 GOVA hierbei Bindungswirkung auch im Innenverhältnis des Bundestages. 42. Das in § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA geregelte Debattenverbot, welches für das Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG eine parlamentarische Erörterung des Einigungsvorschlags ausschließt, wird als qualitative Einschränkung des Gesetzgebungsverfahrens nicht durch den Gedanken legislativer Effizienz gerechtfertigt. Eine beim alleinigen Blick auf den Wortlaut mögliche verfassungskonforme Auslegung scheidet auf Grund des eindeutigen Willens des Normurhebers aus. § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA ist daher wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) und die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) unwirksam. 43. Neben einer Streichung des in § 10 Abs. 2 S. 2 GOVA vorgesehenen Debattenverbotes empfiehlt sich zur weiteren Sicherung einer reflektierten Abgeordnetenentscheidung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG die Festlegung einer Mindestfrist zwischen der Zuleitung des Einigungsvorschlags durch den Vermittlungsausschuß und der folgenden Abstimmung im Bundestag. III. Das Gesetzgebungsverfahren als ein einheitliches Verfahren des Bundestages
44. Das Gesetzgebungsverfahren ist als übergeordnet einheitliches Verfahren des Bundestages zu verstehen. Das Gesetz stellt sich als das Ergebnis einer Kompetenzwahrnehmung des Bundestages dar. Diesem ist das Gesetz auf der Grundlage seiner Debatte zurechenbar, von ihm ist es als das Ergebnis seines parlamentarischen Verfahrens zu verantworten, in seinem Verfahren erfährt es die erforderliche (inhaltliche) Legitimation. Anderen Organen sind im Gesetzgebungsverfahren lediglich Mitwirkungsrechte eingeräumt. Im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG wird der Bundestag nicht auf Grund neuer oder aber anderer Kompetenz tätig. Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG sichert vielmehr die bereits aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG folgende Kompetenz des Bundestages und relativiert insoweit allein die grundsätzliche Unverrückbarkeit von Gesetzesbeschlüssen, welches dem Bundestag die Möglichkeit eröffnet, seinen ursprünglichen Gesetzesbeschluß im Umfang der vom Einigungsvorschlag vorgesehenen Änderungen noch in demselben Gesetzgebungsverfahren zu korrigieren.
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D. Die (verfahrenslegitimatorischen) Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses I. Der fragmentarische Charakter der Regelung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG
45. Das Grundgesetz regelt die Kompetenz des Vermittlungsausschusses lediglich fragmentarisch. Eine ausdrückliche Bestimmung, welche Gegenstände der Vermittlungsausschuß bei seinem Einigungsvorschlag mit einbeziehen darf, sucht man vergebens. Führt man die Sätze 1 und 5 des Art. 77 Abs. 2 GG zusammen, beschränkt sich der Textbefund auf die Aussage, daß ein zur gemeinsamen Beratung von Vorlagen gebildeter Ausschuß eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vorschlagen kann. II. Die Staatspraxis
46. Der Vermittlungsausschuß interpretiert seine Kompetenz weit. Gesetzesbeschluß und Anrufungsbegehren bilden die Divergenzpositionen, beschreiben jedoch nicht den darüber hinausreichenden Dispositionsrahmen. Ergänzungen des Gesetzesbeschlusses sind seiner Ansicht nach zulässig, wenn sie in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Anrufungsbegehren stehen. Keine Voraussetzung ist, daß der innerhalb dieses sachlichen Zusammenhangs gefundene Kompromißvorschlag bereits Gegenstand eines Verfahrens im Bundestag gewesen ist. III. Stand der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum
47. Nach den beiden jüngeren Entscheidungen zu den Grenzen der Vermittlungskompetenz läßt sich als nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts wohl gefestigt festhalten, daß der Vermittlungsausschuß sich kein Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG) anmaßen dürfe, daß er seine Legitimation nur im Rahmen des Anrufungsbegehrens erfahre, die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG), das Gebot parlamentarischer Öffentlichkeit (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) sowie die aus dem demokratischen Prinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) folgenden Mindestanforderungen an ein parlamentarisches Verfahren zu wahren habe und nicht zu einer Funktionenverschiebung zugunsten des Bundesrates führen dürfe. Aus einer Zusammenschau dieser grundgesetzlichen Maßstäbe folge das Gebot, daß ein Einigungsvorschlag innerhalb des Anrufungsbegehrens und des ihm zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens verbleiben müsse. Eine Vorzeichnung des Regelungsgegenstandes eines Vermittlungsvorschlags könne dabei durch Anträge und Stellungnahmen der Abgeordneten, des Bundesrates oder – im Falle einer Regierungsvorlage – auch der Bundesregierung erfolgen.
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Damit ist der Bereich dessen, was als bundesverfassungsgerichtlich geklärt gelten kann, aber auch schon verlassen. Bereits die Frage, ob ein Einigungsvorschlag sich sowohl innerhalb des Anrufungsbegehrens zu bewegen habe, als auch im Gesetzgebungsverfahren inhaltlich und formal vorgezeichnet sein müsse, muß als ungeklärt gelten. Des weiteren harrt der Klärung, ob für die Bestimmung des inhaltlichen Rahmens des Anrufungsbegehrens der konkret-individuelle Zweck der einzelnen Norm oder das übergeordnete allgemein-politische Ziel eines Gesetzesvorhabens maßgeblich ist. Auch nicht weiter konkretisiert hat das Gericht, wann genau ein Einigungsvorschlag im Verfahren des Bundestages inhaltlich und formal vorgezeichnet ist. Schließlich wartet die Frage, ob letzteres nur im konkret vorangegangenen „jeweiligen“ oder aber auch in einem anderen Gesetzgebungsverfahren erfolgen kann, auf eine abschließende Antwort. 48. Im Schrifttum offenbart sich zu den Grenzen der Vermittlungskompetenz ein weites Spektrum vertretener Ansichten. Bereits die maßstabbildenden grundgesetzlichen Prinzipien sind umstritten. Die Bandbreite reicht von einer Betonung der Funktion des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 GG, des Beschlußmonopols des Bundestages für Gesetze (Art. 77 Abs. 1 und Abs. 2 S. 5 GG) und des begrenzten Kreises der Gesetzesinitiativberechtigten in Art. 76 Abs. 1 GG über das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG), das Öffentlichkeitsgebot (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) und die Mitwirkungsrechte des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) bis hin zur Funktionenverteilung zwischen Bundestag und Bundesrat und dem Prinzip der Verfassungsorgantreue. Allein das Fehlen eines Gesetzesinitiativrechts des Vermittlungsausschusses nach Art. 76 Abs. 1 GG sowie einer Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 77 Abs. 1 und Abs. 2 S. 5 GG scheinen unbestritten. Im Ergebnis werden Ansätze vertreten, welche von einem vom unverzichtbarem Erfordernis einer parlamentarischen Willensbildung getragenen kumulativen Gebot des Verbleibens eines Einigungsvorschlags im jeweils eng verstandenen Rahmen des Anrufungsbegehrens und des konkret vorangegangenen Gesetzgebungsverfahrens bis hin zu einer unter eindringlicher Betonung der Funktion des Vermittlungsausschusses als Organ politischer Kompromißsuche begründeten Verneinung nahezu jeglicher Justitiabilität der Grenzen der Vermittlungskompetenz reichen. IV. Grundgesetzliche Maßstäbe
49. Bereits der Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG enthält wichtige Hinweise auf die strukturelle Begrenztheit der Vermittlungskompetenz. Die Formulierung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG, der von einem „für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildete(n) Ausschuß“ spricht, liefert bereits ein Indiz dafür, daß der Vermittlungsausschuß bei seinen Empfehlungen auf solche Materien beschränkt ist, die Gegenstand des Anrufungsbegehrens sind und damit „vorliegen“. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG,
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der für den Fall, daß der Einigungsvorschlag eine Änderung des Gesetzesbeschlusses vorsieht, eine „erneute“ Beschlußfassung des Bundestages anordnet. Als „erneut“ kann eine Beschlußfassung aber nur bezeichnet werden, wenn ihr Inhalt – zumindest thematisch – schon einmal zuvor Gegenstand einer Abstimmung im Bundestag gewesen ist. Andererseits erscheinen „Beratungen“ und eine nochmalige Beschlußfassung nur dann sinnvoll, wenn sie in ihrem Abschluß zumindest irgendeine Änderung ermöglichen. Die grammatikalische Interpretation des Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG zeichnet damit eine grundsätzliche, für Änderungen lediglich in begrenztem Umfang offene Rückbindung des Vermittlungsrahmens an den Gegenstand des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens vor. 50. Die historische Einordnung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG liefert keine für die Bestimmung der Grenzen der Kompetenz des Vermittlungsausschusses weiterführenden Hinweise. Ein vergleichbares Vorläuferorgan, welches für den Vermittlungsausschuß als Vorbild hätte dienen können, hat es in Deutschland bis 1949 nicht gegeben. Zu keinem anderen Ergebnis führt auch die Betrachtung der Entstehungsgeschichte des Art. 77 Abs. 2 GG. Die Motive, welche zum Vorschlag der Einrichtung eines „aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates gebildeten Ausschusses zur gemeinsamen Beratung von Vorlagen“ geführt haben, liegen im Dunkeln. 51. Eine erste, wenn auch nur äußerste, kompetentielle Schranke der Kompetenz des Vermittlungsausschusses folgt aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG. Der Vermittlungsausschuß übt keine Gesetzgebungsbefugnis aus. Sein Einigungsvorschlag erlangt keinerlei Außenwirksamkeit. Er besitzt lediglich empfehlenden Charakter. Eine Bindung des Vermittlungsausschusses an den Gesetzesbeschluß des Bundestages kann aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG hingegen nicht herausgelesen werden, ist es doch gerade Ziel des Vermittlungsverfahrens, eine Änderung dieses Beschlusses zu ermöglichen. 52. Aus der Regelung des Gesetzesinitiativrechts in Art. 76 Abs. 1 GG lassen sich zweierlei Schranken für die Kompetenz des Vermittlungsausschusses gewinnen. Zum einen darf ein Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses nicht zu einer Denaturierung der dem Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden Gesetzesinitiative führen. Zum anderen stellt jede Kompetenzüberschreitung des Vermittlungsausschusses – ein entsprechend großzügiges Verständnis der Rechtsnatur einer Gesetzesinitiative vorausgesetzt – die nach Art. 76 Abs. 1 GG unzulässige Anmaßung eines Gesetzesinitiativrechts dar. Das Verbot einer Denaturierung von Gesetzesvorlagen dürfte als Grenze der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses allerdings eher von geringer praktischer Relevanz sein, wird es doch durch die Bezugnahme des Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß überlagert, welcher seinerseits der Schranke des Art. 76 Abs. 1 GG unterliegt. 53. Eine weitere Schranke für Einigungsvorschläge des Vermittlungsausschusses bildet der durch das Einberufungsverlangen durch das anrufende Organ ge-
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setzte inhaltliche Rahmen. Der Vermittlungsausschuß berät nach Art. 77 Abs. 2 S. 1 GG über „Vorlagen“. Damit kann er aber auch Einigungsvorschläge nur zu solchen Gegenständen machen, die vorliegen, somit Gegenstand des Anrufungsbegehrens sind. Hierin findet der Gedanke Ausdruck, daß es das anrufende Organ ist, welches am besten beurteilen kann, in welchen (inhaltlichen) Grenzen eine Einigung aus seiner Sicht überhaupt möglich erscheint. 54. Kein weiterführender Maßstab für die Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz ist der Grundsatz der Verfassungsorgantreue. Zwar beansprucht dieser auf Grund dessen Verfassungsorganeigenschaft grundsätzlich auch Geltung für den Vermittlungsausschuß. Das Prinzip der Verfassungsorgantreue bildet jedoch einen Maßstab der Kompetenzwahrnehmung und nicht der Kompetenzabgrenzung, setzt letztere damit aber als bereits gegeben voraus. 55. Die grundgesetzliche Funktionenverteilung zwischen Bundestag und Bundesrat liefert keinen tauglichen Maßstab für eine nähere Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz. Im Vermittlungsverfahren ist mit der Möglichkeit einer inhaltlich gestaltenden Einflußnahme eine Stärkung des Bundesrates grundgesetzlich gewollt angelegt. Über die Frage, in welchem Umfang eine solche von Verfassungs wegen beabsichtigt ist, entscheidet damit nicht das Abstraktum eines „grundgesetzlichen Funktionengefüges zwischen Bundestag und Bundesrat“, sondern – mangels ausdrücklicher Regelung – die systematische Zusammenschau mit anderen, dieses Funktionengefüge überhaupt erst begründenden Bestimmungen. 56. Schließlich enthält auch das Demokratieprinzip in kompetentieller Hinsicht keine über die bereits aufgezeigten Maßstäbe hinausreichende Aussage. Der kompetentielle Gehalt des Demokratieprinzips erschöpft sich – in Verbindung der Elemente personeller und sachlich-inhaltlicher Legitimation gleich eines Scharniers – im abstrakten Erfordernis, daß das Handeln jedes Staatsorgans innerhalb des ihm zur Wahrnehmung zugewiesenen gegenständlichen Rahmens zu verbleiben hat. Auf die Frage, wie weit dieser Rahmen für das einzelne Organ reicht, gibt es keine Antwort. Diese ist der einzelnen Kompetenzregelung überlassen. 57. Führt man die im Wege systematischer Einbeziehung grundgesetzlicher Kompetenzvorschriften ermittelten Maßstäbe für eine Bestimmung der Grenzen der Vermittlungskompetenz zusammen, so empfängt der Vermittlungsausschuß seine äußere sachgegenständliche Legitimation durch das Einberufungsverlangen des anrufenden Organs nach Art. 77 Abs. 2 S. 1 oder S. 4 GG, in dessen Bezüglichkeit auf Teile oder die Gesamtheit des Gesetzesbeschlusses des Bundestages er nur solche Änderungen in seinen Einigungsvorschlag mit aufnehmen darf, welche nicht zu einer Denaturierung der die äußerste inhaltliche Schranke jedes Gesetzgebungsverfahrens bildenden ursprünglichen Gesetzesinitiative führen.
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58. Der Vermittlungsausschuß ist verpflichtet, die einzelnen Bestimmungen seines Kompromißvorschlags daraufhin zu überprüfen, ob sie bereits Gegenstand einer den grundgesetzlichen Mindestanforderungen genügenden demokratischen Willensbildung im Bundestag gewesen sind. Dies folgt aus der grundsätzlichen Beschränkung des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG auf Inhalte, hinsichtlich derer ein Willensbildungsprozeß im Bundestag bereits stattgefunden hat. Nur Regelungen, welche diese Voraussetzung erfüllen, haben die aus der besonderen Qualität des parlamentarischen Verfahrens resultierende erforderliche demokratische Legitimation erfahren. Diese Annahme gilt unabhängig von der geschäftsordnungsrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG. 59. Die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Regelungen müssen im Falle ihrer Annahme durch den Bundestag als unter Wahrung der Rechte des Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren zustandegekommen angesehen werden können. 60. Des weiteren müssen die einzelnen Bestimmungen eines Einigungsvorschlags in der Öffentlichkeit parlamentarischer Beratungen gründen. Eine ausschließlich in der Nichtöffentlichkeit der Beratungen im Vermittlungsausschuß entstandene Regelung entbehrte wesentlicher demokratischer Legitimation. 61. Schließlich haben die im Einigungsvorschlag vorgesehenen Änderungen des Gesetzesbeschlusses dem demokratischen Prinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) zu genügen. Die verfahrensbezogene Dimension des demokratischen Prinzips besitzt allerdings keinen über seine Konkretisierungen in den Mitwirkungsrechten des Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) und des Gebotes parlamentarischer Öffentlichkeit (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) hinausreichende Gehalt. 62. Als Ergebnis systematischer Einbeziehung grundgesetzlicher Verfahrensvorschriften bei der Ermittlung der Grenzen der Vermittlungskompetenz läßt sich festhalten, daß der Vermittlungsausschuß auf Grund der strukturellen Unmöglichkeit einer Gesetzeswillensbildung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG nur solche Inhalte in seinen Einigungsvorschlag aufnehmen darf, hinsichtlich derer bereits eine den Mindestanforderungen der Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG genügende demokratisch-parlamentarische Willensbildung im Bundestag stattgefunden hat. Während aus der systematischen Heranziehung grundgesetzlicher Kompetenzvorschriften eine Schranke des Einigungsvorschlags aus Perspektive des Anrufungsorgans folgt, bestimmt die systematische Einbeziehung grundgesetzlicher Verfahrensregelungen einen äußeren Rahmen aus Sicht des Parlaments. 63. Die in systematisch-teleologischer Auslegung des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG ermittelten Maßstäbe eines Verbleibens innerhalb des Anrufungsbegehrens und einer Wahrung der Mindestanforderungen an eine demokratisch-parlamentarische Willensbildung stehen in keinerlei Wechselbeziehung zueinander.
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Sie bedingen einander nicht, verhalten sich vielmehr neutral zueinander. Einigungsvorschläge des Vermittlungsausschusses haben daher beiden Kriterien gleichermaßen zu genügen. Den legitimatorischen Gehalt beider Kriterien aufnehmend bedarf die einzelne Regelung eines Einigungsvorschlags damit einer Anrufungslegitimation und einer Verfahrenslegitimation. V. Zweistufige Prüfung der Vereinbarkeit eines Einigungsvorschlags mit dem Grundgesetz
64. Voraussetzung der sachgegenständliche Bindungswirkung eines Anrufungsbegehrens ist, daß es den materiellen Anforderungen des Grundgesetzes genügt. Während der Bundesrat bei der Formulierung seines Anrufungsbegehrens keinerlei inhaltlichen Beschränkungen unterliegt, ist es Bundestag und Bundesregierung vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens lediglich benommen, die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem – praktisch allerdings ohnehin unwahrscheinlichen – Ziel einer Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zu verlangen. 65. Anrufungen des Vermittlungsausschusses zur Klärung ausschließlich von (Verfassungs-)Rechtsfragen sind unzulässig. Dies folgt aus Aufgabe und Funktion des Gremiums. Ihm kommt weder die Funktion einer Schiedsinstanz zu, noch besitzt er einen allgemeinen gutachterlichen Auftrag. Seine Aufgabe ist auf die Herbeiführung eines politischen Kompromisses beschränkt. Hiervon unberührt bleibt die Kompetenz des Vermittlungsausschusses, von Amts wegen als Voraussetzung für sein Tätigwerden die Zulässigkeit und Wirksamkeit seiner Anrufung zu prüfen. 66. Eine sich auf die Bezeichnung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes beschränkende sogenannte offene Anrufung des Vermittlungsausschusses ist zulässig. Ein Konkretisierungsgebot läßt sich verfassungsrechtlich nicht begründen. Auch erscheint es wenig praxistauglich, führt es doch nur zu einer Verlagerung des Problems auf die Folgefrage, wann ein Anrufungsbegehren als hinreichend konkret eingestuft werden kann. Der zulässige Vermittlungsrahmen bleibt auch im Falle einer offenen Anrufung anhand der Bezugnahme auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages zumindest bestimmbar. 67. Der durch das Anrufungsbegehren im Einzelfall konkret eröffnete sachgegenständliche Rahmen folgt aus der grundsätzlichen Bezüglichkeit jedes Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages sowie die vom anrufenden Organ formulierten Einschränkungen, Änderungen, Ergänzungen oder (inhaltlichen) Bedingungen. 68. Der mit der grundsätzlichen Bezüglichkeit jedes Anrufungsbegehrens auf den Gesetzesbeschluß des Bundestages eingeräumte gegenständliche Rahmen wird durch das Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage, im Falle
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einer auf einzelne Bestimmungen beschränkten Anrufung durch den Regelungszweck der einzelnen Norm bestimmt. Dies stellt zugleich die Wahrung des aus Art. 76 Abs. 1 GG folgenden Denaturierungsverbots als äußerster Schranke jedes Gesetzgebungsverfahrens sicher. 69. Die vom anrufenden Organ vorgenommenen Einschränkungen dieses äußersten gegenständlichen Rahmens sind durch Auslegung zu ermitteln. Eine allgemeingültige Formel existiert hierbei nicht. Einstieg, zugleich aber auch Schwerpunkt der Ermittlung des genauen Willens des anrufenden Organs bildet der Anrufungsbeschluß. Nur für den Fall, daß sich dieser als wenig ergiebig erweisen sollte, können ergänzend weitere, nach außen zutage getretene Bekundungen des anrufenden Organs mit herangezogen werden. Verbleibt auch nach ergänzender Heranziehung vorangegangener Willensbekundungen des anrufenden Organs noch ein Auslegungsspielraum, ist im Zweifel – insoweit dann doch wieder grundgesetzlich abstrakt – im Sinne effektiver Kompromißsuche der die Einigungsmöglichkeiten erweiternden und so die Erfolgsaussichten des Vermittlungsverfahrens zumindest strukturell erhöhenden Auslegung der Vorzug zu geben. 70. Eine offene Anrufung des Vermittlungsausschusses ermöglicht sämtlich Änderungen, Ergänzungen und Streichungen der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften, die vom Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage getragen werden. 71. Änderungen und Ergänzungen des Gesetzesbeschlusses sind zulässig, wenn sie sich innerhalb des Gesetzgebungsziels der ursprünglichen Vorlage bewegen, im Falle einer auf eine einzelne oder mehrere Vorschriften beschränkten Anrufung, deren Regelungsziel beibehalten. Daneben ist für den Einzelfall zu prüfen, ob ein vom anrufenden Organ vorgetragener konkreter Änderungsvorschlag lediglich als mögliches – wenn auch bevorzugtes – Vermittlungsergebnis oder aber als zwingender Bestandteil eines Einigungsvorschlages zu verstehen ist, bei dessen Nichtverwirklichung die Kompromißbereitschaft des anrufenden Organs umfassend entfällt. 72. Auch für den Fall, daß der Bundesrat eine Aufhebung des Gesetzesbeschlusses verlangt, ist durch Auslegung des einzelnen Anrufungsbegehrens zu ermitteln, ob mit der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses lediglich eine Maximalforderung aufgestellt wird, die (zumindest) Änderungen des Gesetzesbeschlusses gleichsam als Minus mit einschließt, oder aber dem Vermittlungsausschuß einzig die Möglichkeit verbleibt, den Gesetzesbeschluß zu bestätigen oder zu beseitigen. Entgegen vertretener Ansicht kann nicht losgelöst vom Einzelfall geschlossen werden, ein Aufhebungsbegehren beinhalte in jedem Fall zumindest die Befugnis zur Änderung und Beseitigung nur einzelner Vorschriften. 73. Grundsätzlich ist der Vermittlungsausschuß auch zu Berichtigungen des Gesetzesbeschlusses befugt. Die Unzulässigkeit der Anrufung des Vermittlungs-
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ausschusses zur Klärung einer Rechtsfrage steht solchen aus Anlaß seiner Anrufung vorgenommenen Korrekturen nicht entgegen. Diese haben allerdings, wie jeder Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses, innerhalb des gegenständlichen Rahmens des Anrufungsbegehrens zu verbleiben. 74. In einem zweiten Schritt gilt es die Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags zu untersuchen. Die einzelne Regelung des Vermittlungsvorschlags hat dabei eine den grundgesetzlichen Mindestanforderungen genügende parlamentarisch-demokratische Willensbildung erfahren, wenn ihr konkreter Regelungszweck plenarförmlich und bei tatsächlicher Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten in den vorangegangenen Beratungen der zur Anrufung des Vermittlungsausschusses führenden Gesetzesvorlage im Bundestag vorgezeichnet ist. 75. Die Vorzeichnung eines Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses kann ausschließlich in den Beratungen der ursprünglichen, der Anrufung des Vermittlungsausschusses zugrunde liegenden Gesetzesvorlage erfolgen. Die Einbeziehung von Gegenständen anderer Gesetzgebungsverfahren ist unzulässig. Sie setzte sich über das Verständnis des Gesetzgebungsverfahrens als konkreter, ihren Ausgangspunkt in einer einzelnen Gesetzesvorlage nehmenden und in ihrem Ergebnis das einzelne Gesetz legitimierenden Wahrnehmung der Gesetzgebungsbefugnis durch den Bundestag hinweg. Darüber hinaus führte sie zu einer Verschleierung von Verantwortlichkeiten und träte in Widerspruch zu den Grundsätzen der Kompetenzklarheit und der förmlichen Strenge des Gesetzgebungsverfahrens. Schließlich verkürzte sie das Recht des Gesetzesinitianten der anderen Vorlage, seinen Entwurf noch bis zur Beschlußfassung zurückziehen zu können (Art. 76 Abs. 1 GG). 76. Inhaltlich muß in den vorangegangenen Beratungen des Bundestages in Anknüpfung an die final-gestaltende Funktion des Gesetzgebungsverfahrens der konkrete Normzweck der einzelnen Regelung eines Einigungsvorschlags vorgezeichnet sein. Ausschließlich an den Gesetzesbeschluß des Bundestages anknüpfende Ansätze vermögen eine eigenständige Verfahrenslegitimation der im Vermittlungsvorschlag gerade zum Ausdruck kommenden Abweichung vom Gesetzesbeschluß nicht zu begründen. Andererseits erscheint ein darüber hinausreichendes Erfordernis, welches die Textidentität des Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses mit der vorangegangenen parlamentarischen Debatte erörterten Regelungsalternative verlangt, wenig zweckmäßig, nähme es dem Vermittlungsausschuß doch jede Möglichkeit flexibel-gestaltender Kompromißsuche. 77. Plenarförmlich ist das Regelungsziel einer einzelnen Bestimmung des Vermittlungsvorschlages zutage getreten, wenn es in öffentlicher Debatte des Plenums in schriftlicher und hinreichend bestimmter, die Ernsthaftigkeit unmittelbaren gesetzgeberischen Tätigwerdens vermittelnder Form vorlag. Formal wer-
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den diese Voraussetzungen nach geltendem Geschäftsordnungsrecht regelmäßig von Gesetzentwürfen (§ 75 Abs. 1 lit. a GOBT), Stellungnahmen des Bundesrates, den Beschlußempfehlungen und Berichten der Ausschüsse (§ 75 Abs. 2 lit. a GOBT) und Änderungsanträgen (§ 75 Abs. 2 lit. b GOBT) erfüllt. In Ausnahmefällen kann dies auch auf (einfache) Anträge (§ 75 Abs. 1 lit. d GOBT) und Unterrichtungen durch die Bundesregierung (§ 75 Abs. 1 lit. e GOBT) zutreffen. Eine Einordnung unter eine dieser Vorlagen befreit jedoch nicht davon, für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen, ob und inwieweit sich der einzelnen Vorlage die verbindliche und hinreichend präzise Formulierung eines konkreten Regelungsziels entnehmen läßt. Allgemeine politische Programme, Thesen oder Appelle genügen dieser Anforderung jedenfalls nicht. 78. Das Erfordernis einer tatsächlichen Mitwirkungsmöglichkeit des Abgeordneten verlangt, daß der einzelne Abgeordnete hinsichtlich des bereits in den vorangegangenen Plenarberatungen des Bundestages zutage getretenen späteren Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses die Möglichkeit besaß, von seinen Mitwirkungsrechten Gebrauch zu machen. Diese Mitwirkungsmöglichkeit darf nicht als eine nur theoretische verstanden werden. Sie muß im konkreten Gesetzgebungsverfahren tatsächlich bestanden haben. Hierbei wird man ein über die Mitwirkung in den Ausschüssen hinausreichendes Mindestmaß an Mitwirkungsrechten auch im Plenum als grundgesetzlich geboten ansehen müssen. 79. Die tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten ist im geltenden Geschäftsordnungsrecht verwirklicht. Jedenfalls bei geschäftsordnungskonformer Durchführung der Beratungen im Bundestag ist eine tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des Abgeordneten gewährleistet. Als verfassungsrechtlich zwingend erweisen sich hierbei die Mitteilung der Tagesordnung (§ 20 GOBT), die Verteilung von Vorlagen (§ 77 Abs. 1 GOBT), die Begründung von Gesetzentwürfen (§ 76 Abs. 2 GOBT), die Wahrung von Mindestfristen zur Entscheidungsfindung sowie das Rede- sowie das Antragsrecht. 80. Der dynamische Charakter des Vermittlungsverfahrens als Vorgang politischer Kompromißsuche sperrt sich gegen eine allzu strikte Maßstäblichkeit und drängt auf einen gewissen Spielraum und ein bestimmtes Maß an Flexibilität. Diesem praktischen Bedürfnis kann durch Einräumung eines Beurteilungsspielraumes Rechnung getragen werden. Als Anknüpfungspunkte bieten sich für das Kriterium der Anrufungslegitimation die Bestimmung des Gesetzgebungsziels der ursprünglichen Gesetzesvorlage, für das Kriterium der Verfahrenslegitimation die Benennung des Normzwecks der einzelnen Regelung eines Vermittlungsvorschlags, der im konkreten Verfahren im Bundestag eine plenarförmliche Vorzeichnung erfahren haben muß, an. Bei der Ermittlung dieser beiden – ohnehin schwerlich eindeutigen – Größen ist dem Vermittlungsausschuß eine Einschätzungsprärogative zuzugestehen. Dabei kann an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Anerkennung eines Beurteilungsspielraumes
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des Gesetzgebers bei Prognoseentscheidungen und deren Übertragung auf politische Entscheidungen der Exekutive von weitreichender Bedeutung angeknüpft werden. Auch das Handeln des Vermittlungsausschusses besitzt originär politischen Charakter.
E. Die Folge einer Überschreitung der Vermittlungskompetenz I. Unklarheit über die Fehlerfolge in Rechtsprechung und Schrifttum
81. Über die Frage, welche Fehlerfolge eine Überschreitung der Vermittlungskompetenz nach sich zieht, herrscht in Rechtsprechung und Schrifttum Unklarheit. II. Die Nichtigkeit eines Einigungsvorschlags wegen Verstoßes gegen die Kompetenzvorschrift des Art. 77 Abs. 2 S. 1 und 5 GG
82. Ein die Grenzen der Vermittlungskompetenz verletzender Einigungsvorschlag ist nichtig. Grundsätzlich ist hierbei nur die einzelne den zulässigen Vermittlungsrahmen überschreitende Regelung des Vermittlungsvorschlags als unwirksam anzusehen. Die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen bleibt hiervon regelmäßig unberührt. Gesamtnichtig ist ein Einigungsvorschlag nur dann, wenn sich im Einzelfall der Nachweis erbringen läßt, daß die betroffene Regelung nach Vorstellung des Vemittlungsausschusses als untrennbarer Bestandteil des Kompromißvorschlages in seiner Gesamtheit zu verstehen ist. Letzterem kann der Vermittlungsausschuß neben der Anordnung einer gesonderten Abstimmung (§ 10 Abs. 3 S. 1 GOVA) im Rahmen der Berichterstattung (§ 10 Abs. 1 S. 2 GOVA) Ausdruck verleihen. III. Der nichtige Einigungsvorschlag als Fehler im Gesetzgebungsverfahren
83. Kompetenzverstoß und Verfahrensfehler stehen in einem organbezogenen Ausschließlichkeitsverhältnis. Dies schließt allerdings nicht aus, daß sich in komplexen Verfahrensstrukturen unter Beteiligung mehrerer Organe die Kompetenzüberschreitung des einen Organs als Verfahrensfehler im Verfahren des anderen Organs darstellen kann. 84. Der (teil-)nichtige Einigungsvorschlag stellt eine fehlerhafte Mitwirkung des Vermittlungsausschusses im Gesetzgebungsverfahren dar. Der Kompetenzverstoß des Vermittlungsausschusses wird so zu einem Fehler im Verfahren des Bundestages.
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85. Als verfahrensfehlerhaft zustandegekommen sind allein diejenigen Bestimmungen des Gesetzes anzusehen, welche auf einer vom Bundestag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG beschlossenen unzulässigen Regelung des Einigungsvorschlags beruhen. Der Beschluß des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG und der Zustimmungsbeschluß des Bundesrates nach Art. 77 Abs. 2a GG werden hierbei nicht dadurch in ihrer Gesamtheit fehlerhaft, daß Bundestag oder Bundesrat in Kenntnis der teilweisen Unwirksamkeit des Einigungsvorschlages Vermittlungsvorschlag ihre Zustimmung verweigert hätten. Mängel in der Willensbildung der Mitglieder der Gesetzgebungsorgane sind im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich rechtlich irrelevant. IV. Die Möglichkeit einer Heilung durch erneute Anrufung des Vermittlungsausschusses
86. Die (erneute) Beschlußfassung des Bundestages über den Vermittlungsvorschlag ist nicht geeignet, eine Heilung des Verfahrensfehlers „(teil-)nichtiger Einigungsvorschlag“ herbeizuführen. Der Bundestag vermag mit der Annahme eines Einigungsvorschlags nicht dessen Verfassungswidrigkeit zu beheben. Das Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ist mit seiner grundgesetzlich vorgegebenen Beschränkung auf die Annahme oder Ablehnung eines Einigungsvorschlages nicht geeignet, eine demokratischen Mindestanforderungen genügende parlamentarische Willensbildung nachholend zu verwirklichen. 87. Anders verhält es sich mit der Möglichkeit einer erneuten Anrufung des Vermittlungsausschusses. Diese eröffnet dem Vermittlungsausschuss die Möglichkeit, seine fehlerhafte Mitwirkung zu wiederholen. Mit seinem erneuten Einigungsvorschlag kann er nunmehr sowohl im Rahmen des Anrufungsbegehrens verbleiben als auch nur solche Regelungen empfehlen, hinsichtlich derer eine demokratischen Mindestanforderungen genügende Willensbildung des Bundestages bereits stattgefunden hat. V. Die Folge von Fehlern im Gesetzgebungsverfahren
88. Eine gefestigte Dogmatik der Folgen von Verfahrensfehlern existiert für das formelle Gesetz nicht. Das Bundesverfassungsgericht nimmt in einigen wenigen, sich zudem nicht widerspruchsfrei in seine übrige Rechtsprechung einfügenden Entscheidungen an, daß Fehler im Gesetzgebungsverfahren nur dann zur Nichtigkeit eines Gesetzes führen, wenn sie evident sind. Das Schrifttum folgt entweder der Auffassung des Gerichts oder aber gelangt in entschiedener negativer Abgrenzung zur umfassenden Nichtigkeit auch verfahrensfehlerhafter Gesetze. Eigenständige Ansätze finden sich kaum. 89. Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit der Frage nach der zutreffenden Fehlerfolge von Mängeln im Gesetzgebungsverfahren ist der Grundsatz
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von der ipso-iure-Nichtigkeit. Diesem kommt zwar kein Verfassungsrang zu. Genauso wenig läßt er sich jedoch grundgesetzlich widerlegen. Für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von formellem und materiellem Verfassungsverstoß liefert er jedenfalls keine Anhaltspunkte. 90. Die vom Bundesverfassungsgericht zur Begründung der Beschränkung der Nichtigkeitsfolge auf offenkundige Verfahrensfehler angeführten Erwägungen vermögen nicht zu überzeugen. Die vergleichende Bezugnahme auf das Verwaltungsverfahren verkennt den spezifischen Charakter des Gesetzgebungsverfahrens als parlamentarischem Normsetzungsverfahren, übersieht, daß die Rechtsfolge rechtswidriger Verwaltungsakte mit der vorrangigen Sanktionsmöglichkeit der Aufhebbarkeit im Unterschied zum formellen Gesetz dualistisch ausgestaltet ist, und läßt die sich ganz wesentlich unterscheidende gerichtliche Überprüfbarkeit von Verwaltungsakt und Gesetz unberücksichtigt. Das Argument der Rechtssicherheit erweist sich gegenüber der Unterscheidung von formellem und materiellem Verfassungsverstoß indifferent. Die Frage nach der Auflösung des Spannungsverhältnisses von Rechtssicherheit und Durchsetzung des verfassungsmäßigen Zustandes stellt sich für jedes verfassungswidrige Gesetz, gleich, ob der Grundgesetzverstoß materieller oder formeller Natur ist. Die Evidenz eines Verfassungsverstoßes ist damit kein geeignetes Kriterium, eine Privilegierung von Verfahrensmängeln zu rechtfertigen. 91. Das Verfahrensrecht unterliegt keiner grundsätzlichen Relativität gegenüber dem materiellen Recht. Verfahrensvorschriften können neben ihrer „dienenden Funktion“ auch eine heteroteleologische Struktur aufweisen, in welcher sie einen eigenständigen, ihnen selbst innewohnenden Zweck verfolgen. So kommt den verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen aus Artt. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 S. 2 und 42 Abs. 1 S. 1 GG neben ihrer Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit gesetzgeberischen Entscheidens fördernden Wirkung eine das Gesetz als Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens inhaltlich legitimierende Funktion zu. Findet sich dieser vom materiellen Recht losgelöste eigenständige Gehalt einer Verfahrensvorschrift unverwirklicht, besteht kein Anlaß, diese Verfehlung eines legislativen Zwecks im Unterschied zum materiellen Rechtsverstoß sanktionslos zu lassen. 92. Der eigenständige Charakter verfahrensrechtlicher Anforderungen gewinnt im Verfassungsverfahrensrecht besondere Bedeutung. Der fragmentarische Charakter der grundgesetzlichen Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren bei gleichzeitig weitestgehender materiell-verfassungsrechtlicher Offenheit rechtfertigt es, in diesen eine originär legitimationsspendende Funktion als bereits mitgedacht zu vermuten. Ihre Verletzung zieht regelmäßig ein Legitimationsdefizit des betroffenen Gesetzes nach sich. Eine Ungleichbehandlung von formellem und materiellem Verfassungsverstoß in ihrer Fehlerfolge läßt sich damit nicht (mehr) rechtfertigen. Auch Fehler im Gesetzgebungsverfahren führen daher grundsätzlich zur Nichtigkeit des Gesetzes.
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93. Nichtig ist grundsätzlich nur die einzelne, auf einem unzulässigen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses beruhende Vorschrift. Ausnahmsweise kann die nichtige Regelung die Unwirksamkeit des gesamten Gesetzes nach sich ziehen, wenn sie mit den übrigen Bestimmungen des Gesetzes derart verknüpft ist, daß sie als untrennbare Einheit zu verstehen sind, die nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden kann. Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber in der fehlerhaften Regelung einen untrennbaren Bestandteil des Vermittlungsvorschlags gesehen hat, können sich aus der Aussprache über den Einigungsvorschlag im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GG ergeben. Insoweit unschädlich ist allerdings der Nachweis, daß der Bundestag in Kenntnis der (Teil-)Nichtigkeit des Einigungsvorschlags diesem gar nicht erst zugestimmt hätte, bleiben Mängel in der Willensbildung von Mitgliedern der gesetzgebenden Organe im Interesse der Rechtssicherheit doch grundsätzlich unbeachtlich. Zweiter Teil
Die Bewährung des Vermittlungsausschusses im Steuergesetzgebungsverfahren F. Art. 3 Nr. 6 lit. a des Steuervergünstigungsabbaugesetzes als Beispiel für die gegebene Anrufungs- und Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags 94. Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für § 37 Abs. 2a KStG 2002 verfügte sowohl über eine Anrufungs- als auch über eine Verfahrenslegitimation. Die Vorschrift blieb innerhalb des mit dem offenen Anrufungsbegehren der Bundesregierung eröffneten weiten gegenständlichen Rahmens einer Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens. Das in § 37 Abs. 2a KStG 2002 geregelte Körperschaftsteuermoratorium hatte mit den bereits im ursprünglichen Gesetzentwurf und der Beschlußempfehlung des Finanzausschusses vorgesehenen Neuregelungen der Beschränkung der Anrechenbarkeit von Körperschaftsteuerguthaben aus Zeiten des Anrechnungsverfahrens eine hinreichende plenarförmliche Vorzeichnung in den Beratungen im Bundestag erfahren. Bei geschäftsordnungskonformem Verlauf des parlamentarischen Verfahrens war die tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des Abgeordneten gewährleistet. Der Vermittlungsvorschlag für § 37 Abs. 2a KStG 2002 wahrte damit die Grenzen der Vermittlungskompetenz. § 37 Abs. 2a KStG 2002 ist wirksam zustande gekommen.
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G. Art. 1 Nr. 2a des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 als Beispiel für die fehlende Anrufungs- und gegebene Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags 95. Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für § 4 Abs. 4a EStG 1999 besaß die notwendige Verfahrenslegitimation, entbehrte jedoch der erforderlichen Anrufungslegitimation. Das Regelungsziel des § 4 Abs. 4a EStG 1999 hatte mit den in der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf und den Beschlußempfehlungen des Finanzausschusses vorgesehenen Neufassungen des Schuldzinsenabzugs eine hinreichende plenarförmliche Vorzeichnung in den Beratungen des Bundestages erfahren. Bei geschäftsordnungskonformem Verlauf war auch eine tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeit des einzelnen Abgeordneten gegeben. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses verließ jedoch den inhaltlichen Rahmen des Anrufungsbegehrens des Bundesrates, welches sich ausdrücklich auf einzelne, ausschließlich die Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen betreffende Nummern des Art. 1 StBereinG 1999 beschränkte, zu welchen die in Nr. 2a vorgesehene Neuregelung der Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs von Schuldzinsen nicht gehörte. Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für § 4 Abs. 4a EStG 1999 war daher unzulässig. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG 1999 ist, da auf einem unzulässigen Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses beruhend, nichtig.
H. Art. 15 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 als Beispiel für die gegebene Anrufungs- und fehlende Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags 96. Der Regelungsvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 für eine Erhöhung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 war durch das Anrufungsbegehren, nicht aber durch die vorangegangenen Beratungen im Bundestag legitimiert. Die in Art. 15 HBeglG 2004 vorgesehene Änderung des § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 wahrte den mit dem Gesetzgebungsziel der ursprünglichen Gesetzesvorlage auf Grund des offenen Anrufungsbegehrens des Bundesrates weiten gegenständlichen Rahmen eines verstärkten steuerlichen Subventionsabbaus. Sie hatte in den vorangegangenen Beratungen im Bundestag aber keine hinreichende plenarförmliche Vorzeichnung erfahren und war unter Verletzung der Mitwirkungsrechte der Abgeordneten zustandegekommen. Weder die im ursprünglichen Gesetzentwurf enthaltene Absichtsbekundung einer künftigen Umsetzung der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vorliegenden Ergebnisse der „Arbeitsgruppe Koch / Steinbrück“, noch die nur mündliche, zudem ihre Redebefugnis aus Art. 43 Abs. 2 S. 2 GG übersteigende, Vorstellung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ durch die Landesminister Dieckmann (NRW) und Riebel (Hessen) in den Beratungen des
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Haushaltsausschusses und dessen anschließende Verteilung als nichtöffentliche Ausschußdrucksache 15/8/852, noch der das „Koch / Steinbrück-Papier“ lediglich als solches erwähnende, nicht jedoch dessen konkrete Inhalte benennende Ausschußbericht oder der unbestimmte sowie ohnehin erst auf ein zukünftiges gesetzgeberisches Tätigwerden gerichtete Entschließungsantrag der FDP-Fraktion für einen umfassenden Subventionsabbau waren geeignet, den Gegenstand des einzelnen im „Koch-Steinbück-Papier“ für eine Kürzung vorgeschlagenen steuerlichen Subventionstatbestandes in der Öffentlichkeit des Plenums bei unmittelbarer Verwirklichungsabsicht zutage treten zu lassen. Die nur zwölf Stunden vor Sitzungsbeginn erfolgende Zustellung der umfangreichen wie komplexen Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses nahm dem einzelnen Abgeordneten zudem die Möglichkeit zu einer verantwortlichen Entscheidung bei der Abstimmung des Bundestages über den Einigungsvorschlag nach Art. 77 Abs. 2 S. 5 GG. Der Vermittlungsausschuß überschritt daher mit dem Vorschlag für eine Anhebung der ermäßigten Steuersätze in § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 seine Kompetenz. § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG 1993 i. d. F. des Art. 15 HBeglG 2004 sind somit nichtig. 97. Auch die weiteren auf der Einbeziehung des „Koch / Steinbrück-Papiers“ in das Haushaltsbegleitgesetz 2004 beruhenden Änderungen von Steuergesetzen, welche weder im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgezeichnet waren noch durch eine weitere Änderung formell verfassungsgemäßen Eingang in den Willen des Gesetzgebers gefunden haben, sind formell verfassungswidrig zustandegekommen und damit nichtig.
J. Art. 3 Nr. 4 lit. a des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform als Beispiel für die fehlende Anrufungsund Verfahrenslegitimation eines Einigungsvorschlags 98. Der Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 verfügte weder über die notwendige Anrufungs- noch Verfahrenslegitimation. Die Empfehlung für eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 verließ den mit dem offenen Anrufungsbegehren des Bundesrates eröffneten gegenständlichen Rahmen einer grundlegenden Reform der Gewerbesteuer. Darüber hinaus hatte eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 auch in den vorangegangenen Beratungen im Bundestag keine hinreichende plenarförmliche Vorzeichnung erfahren. Bezüge zum Umwandlungssteuerrecht wies allein der ursprüngliche Entwurf für ein Jahressteuergesetz 1996 der Koalitionsfraktionen auf. Die vorgesehenen Änderungen betrafen jedoch ausschließlich den Achten Teil sowie Anlage des Umwandlungssteuergesetzes 1995 und waren damit nicht geeignet, eine Aufhebung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 vorzuzeichnen. Gleiches gilt für die mit der Schlußabstimmung über das Steuerreformgesetz 1998 gefaßte Entschließung des Bundestages,
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Zusammenfassung in 100 Thesen
die Bundesregierung zu bitten, Möglichkeiten einer gesetzlichen Einschränkung der Verlustberücksichtigung in Umwandlungsfällen zu prüfen. Als Gegenstand eines anderen Gesetzgebungsverfahrens schied diese von vorneherein für eine plenarförmliche Vorzeichnung von Regelungsgegenständen in den Beratungen zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform aus. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses für eine Streichung des § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 im Verfahren zum Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform verließ damit den zulässigen Vermittlungsrahmen und ist daher nichtig. 99. § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 wurde auch nicht nachträglich und inzident durch die in Artikel 4 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehene nachträgliche Modifizierung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Änderungen des Umwandlungssteuergesetzes 1995 durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform aufgehoben. Diese beruhte ihrerseits gleichermaßen auf einem unzulässigen Vermittlungsvorschlag.
K. Erweiterung der Vermittlungskompetenz durch Verfahren – Stärkung und Steigerung der Qualität des parlamentarischen Verfahrens im Bundestag 100. Als gestärktes Organ gehen aus der Untersuchung der Bundestag und der einzelne Abgeordnete hervor. Mit dem kumulativen Erfordernis einer Anrufungsund Verfahrenslegitimation des Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses ist eine reale Erweiterung des zulässigen Vermittlungsrahmens allein im parlamentarischen Verfahren des Bundestages möglich. Das Erfordernis einer Legitimation des Regelungsvorschlags des Vermittlungsausschusses durch eine – bereits erfolgte – parlamentarische Willensbildung holt gesetzgeberisches Entscheiden dabei nicht nur räumlich in das Parlament zurück und stellt damit die demokratische Legitimation auch des auf einen Vermittlungsvorschlag beuhenden Gesetzes sicher. In der anzunehmenden Vorwirkung der inhaltlichen und förmlichen (Mindest-)Anforderungen an die Vorzeichnung des Regelungszwecks eines späteren Vermittlungsvorschlages dürfte sie in der politischen Praxis auch zu einer Steigerung der Qualität der Gesetzesberatungen im Bundestag beitragen, damit jedoch einen Legitimationsgewinn für das Gesetz überhaupt mit sich bringen.
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Sachwortverzeichnis Abberufung 66 (Fn. 83) Abgabenordnung, § 370a AO 287 (Fn. 2), 297 (Fn. 48) Abgeordneter, Rechte 184 ff., 243 ff., 344 f. Abstimmung – Bundesrat 215 (Fn. 336), 217 (Fn. 343), 314 (Fn. 71) – einheitliche Abstimmung 135 f. – Vermittlungsausschuß 106 ff. siehe auch Schlußabstimmung Ad-hoc-Gremium 66 Allgemeines Eisenbahngesetz, § 1 Abs. 2 S. 3 AEG 349 (Fn. 2), 361 (Fn. 74) Änderung – Einigungsvorschlag (Unmöglichkeit) 128 ff., 183 – Gesetzesbeschluß 216, s. a. 213 ff. – Gesetzesvorlage (Grenzen) 175 f., 209 ff. Änderungsantrag – plenarförmliche Vorzeichnung eines Einigungsvorschlags 238 f. – Verfahren nach Art. 77Abs. 2 S. 5 GG 128 ff., 137 f., 183 Änderungsvorschlag siehe Einigungsvorschlag Anrufung – Bundesrat 36, 38 f., 125 ff., 203, 214 – Bundesregierung 36, 125 ff., 198 ff. – Bundestag 36, 38, 125 ff., 195 ff. – erneute Anrufung 142 – gleichzeitige Anrufung 125 (einschl. Fn. 53), 197 f. – hilfsweise Anrufung 201 (Fn. 267)
– mehrfache Anrufung 126 (einschl. Fn. 57), 197 f. – Statistik 36 (Fn. 56), 66 (Fn. 55), 284 (Fn. 4) (Steuergesetzgebung) siehe auch Anrufungsberechtigte, Anrufungsfrist Anrufungsbegehren – Änderung des Gesetzesbeschlusses 216 – Aufhebung des Gesetzesbeschlusses 216 ff. – Auslegung 213 ff. – Begründung 202 ff. – Berichtigung des Gesetzesbeschlusses 218 ff. – Bestimmtheit 202 ff. – Ergänzung des Gesetzesbeschlusses 216 – Gegenstand 204 ff. – Rechtsfrage 200 ff. – Zulässigkeit 194 ff. siehe auch offenes Anrufungsbegehren Anrufungsberechtigung 36, 125 ff. Anrufungsfrist 125 ff. Anrufungsgegenstand siehe Anrufungsbegehren Anrufungsgründe, Bundesrat 203, 214, 217 (Fn. 343), 311 siehe auch Anrufungsbegehren Anrufungslegitimation – Begriff 193 – Begründung 172 ff., 190 ff. – Konkretisierung 194 ff., v. a. 204 ff. – Verhältnis zur Verfahrenslegitimation 192 f.
Sachwortverzeichnis Anrufungsorgane 36 Anwesenheitsrecht (Vermittlungsausschuß) 63 Artikelgesetz – Bestimmung des Anrufungsbegehrens 148, 206 (einschl. Fn. 298) – einheitliche Abstimmung 136 – Nichtigkeit (Reichweite) 257 Aufenthaltsgesetz, § 58a AufenthG 320 (Fn. 2) Aufhebung des Gesetzesbeschlusses 216 ff. Aufteilung (eines Gesetzes) 216 (einschl. Fn. 338) Ausscheiden, Bundesrat 69 (einschl. Fn. 98) Ausschußberatungen (Bundestag) – erneute Beschlußfassung 137 (Fn. 108) – Nichtöffentlichkeit 100 (Fn. 254), 223 (einschl. Fn. 371) siehe auch Zutrittsrecht Beraten (einer Gesetzesvorlage) 123 f., 184 ff. Berichte und Beschlußempfehlungen der Ausschüsse – Bundesrat 214 f., 314 – Bundestag 102, 238, 297, 342 f., Berichterstattung (Verhandlungen im Vermittlungsausschuß) 94 f., 101 Berichtigung des Gesetzesbeschlusses 218 ff. Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses siehe Einigungsvorschlag Beschlußfähigkeit (Vermittlungsausschuß) 58, 106 (Fn. 280) Beschlußfassung – Bundesrat 214, 235 (Fn. 425) – Bundesregierung 235 (Fn. 425) – Bundestag 230, 241
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– Vermittlungsausschuß 58, 106 (Fn. 280), 107 f. siehe auch erneute Beschlußfassung Besetzung siehe Zusammensetzung Bestätigung des Gesetzesbeschlusses 202, 213 f., 218 (einschl. Fn. 348) 221 Bestimmtheit – Anrufungsbegehren 202 ff., 217 (Fn. 342) – plenarförmliche Vorzeichnung 232 f., 239, 246, 340 f. Bundesrat – Anrufungsberechtigung 36, 125 – Anrufungsfrist 125 – Anrufungspraxis 36 (Fn. 56), 202 (einschl. Fn. 272) – Beschlußfassung 214, 235 (Fn. 425) – Besetzung der Ausschüsse 214 f., 314 – Besetzung des Vermittlungsausschusses 88 ff. – Entsendungsverfahren (Vermittlungsausschuß) 91 f. – institutionelle Rechtfertigung 41 ff. – Legislativbefugnisse / Stellung als Gesetzgebungsorgan 37 ff. – zulässige Anrufungsbegehren 195 (Fn. 226) siehe auch Stellungnahmen des Bundesrates Bundesregierung – Anrufungsfrist 125 ff. – Anrufungspraxis 202 (einschl. Fn. 274) – Beschlußfassung 235 (Fn. 425) – Erklärung 138 – zulässige Anrufungsbegehren 198 ff. siehe auch Unterrichtungen der Bundesregierung Bundesstaatsprinzip – Aussage / Gehalt 41 ff. – Verhältnis zum Demokratieprinzip 41 ff., v. a. 43 f.
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Sachwortverzeichnis
Bundestag – Anrufungsfrist 125 ff. – Besetzung des Vermittlungsausschusses 75 ff. – Entsendungsverfahren (Vermittlungsausschuß) 75 f., 87 f. – erneute Beschlussfassung 128 ff., 182 ff. – Gesetzesberatungen (Lesungen) 123, 242 ff. – Gesetzgebungsverfahren 122 ff., 143 f. – zentrales Gesetzgebungsorgan 143 f. (einschl. Fn. 134) – zulässige Anrufungsbegehren 195 ff. siehe auch Ausschußberatungen Commission mixte paritaire 39 (Fn. 71), 40 (Fn. 74), 65 (Fn. 79) Conference Committees 39 (Fn. 71), 106 (Fn. 279), 168 f. Debattenverbot – Begriff und Praxis 137 f. – Verfassungsmäßigkeit 139 f. Demokratieprinzip – Abwägungsfähigkeit (fehlende) 43 f. – demokratische Legitimation 50 f. – kompetentieller Gehalt 181 f. – verfahrensrechtliche Dimension 185 f. Denaturierungsverbot siehe Gesetzesinitiativrecht Diskontinuität 66 ff. Dispositionsrahmen siehe Vermittlungskompetenz Effizienz, legislative – Begriff 45 f., 170 f. – (eingeschränkte) Rechtfertigungswirkung 46 f., 99, 100 ff., 129 ff., 134 f., 136, 139 f., 171, 182 ff. – Herleitung 37 ff., v. a. 45 ff.
Einberufungsverlangen siehe Anrufungsbegehren Einigungsvorschlag – Begründungserfordernis 103 – (Mindest-)Frist für erneute Beschlußfassung 141 f. siehe auch unechter Einigungsvorschlag Einkommensteuergesetz – §§ 3 Nr. 34 u. Nr. 38 EStG 347 (Fn. 138) – § 4 Abs. 4a EStG 301 ff. – § 4 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 EStG u. Abs. 5 Nr. 2 S. 1 EStG 347 (Fn. 138) – § 5a Abs. 3 EStG 347 (Fn. 138) – § 7 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 lit. b EStG 347 (Fn. 138) – § 7h Abs. 1 S. 1 und 3 EStG 347 (Fn. 138) – § 7i Abs. 1 S. 1 und 5 EStG 347 (Fn. 138) – § 8 Abs. 2 S. 9 u. Abs. 3 S. 2 EStG 347 (Fn. 138) – § 9a S. 1 Nr. 1 EStG 347 (Fn. 138) – § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b S. 2 EStG 347 (Fn. 138) – § 10f Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 S. 1 EStG 347 (Fn. 138) – § 10g Abs. 1 S. 1 EStG 347 (Fn. 138) – § 16 Abs. 4 S. 1 und 3 EStG 347 (Fn. 138) – § 17 Abs. 3 S. 1 und 2 EStG 347 (Fn. 138) – § 19a Abs. 1 EStG 347 (Fn. 138) – § 21 Abs. 2 EStG 347 (Fn. 138) – § 37a Abs. 1 S. 3 EStG 348 (Fn. 138) Einschätzungsprärogative (des Vermittlungsausschusses) 246 f. Einspruchsgesetz 36 ff., 70 f., 195 (Fn. 226), 201 (Fn. 267) Einzelabstimmung 135 f. (einschl. Fn. 106)
Sachwortverzeichnis Empfehlungen des Juristischen Ausschusses der Ministerpräsidenten 110 Entparlamentarisierung 47, 59 Entscheidungskompetenz, fehlende 56 ff. Entschließungsanträge 239, 343, 365 Entsendungsverfahren (Vermittlungsausschuß) – Bundesrat 91 f. – Bundestag (Staatspraxis) 75 f. – Bundestag (verfassungsrechtliche Vorgabe) 87 f. Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz – § 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG 301 (Fn. 2), 315 (Fn. 72), 316 (Fn. 75) – § 13a Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ErbStG 348 (Fn. 138) – § 19a Abs. 4 S. 3 ErbStG 348 (Fn. 138) Ergänzung des Gesetzesbeschlusses 213 ff., 216 Erklärung – erneute Beschlußfassung 138 – nach § 31 Abs. 1 S. 1 GOBT 325 f., 339, 345, 355 siehe auch Debattenverbot erneute Beschlußfassung 128 ff., 182 ff. Europäischer Vermittlungsausschuß 39 (Fn. 71) Evidenz (eines Verfahrensfehlers) – Kritik 273 – Rechtsprechung des BverfG 265 f. Fehlerfolge – Kompetenzverstoß 255 – Verfahrensfehler 268 ff., v. a. 274 ff. siehe auch Nichtigkeit Folgeänderung 219 Fünferausschuß 169 f. Frist – Anrufungsfrist 125 ff. – erneute Beschlussfassung 141 f.
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Funktionsgefüge zwischen Bundestag und Bundesrat 180 f. Gemeinsamer Ausschuß 79 Gemeinwohl 31 (Fn. 32), 32 f., 115 f. Gerechtigkeit 32 f., 34, 274 f. (einschl. Fn. 114) Geschäftsführer des Vermittlungsausschusses 147 (Fn. 3) Geschäftsordnung des Bundesrates – § 11 GOBR 63, 74, 91 f., 214, 314 – § 31 GOBR 203, 214 (Fn. 336), 217 (Fn. 343) – Entsendungsverfahren (Vermittlungsausschuß) 91 f. Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT) – § 62 Abs. 1 S. 2 GOBT 210 f. – § 90 GOBT 138 f. – Entsendungsverfahren (Vermittlungsausschuß) 87 f. – Reformüberlegungen 103 f., 141 f. siehe auch Geschäftsordnungsautonomie – Regelung der Gesetzesberatungen (Lesungen) 124, 242 ff. Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses (GOVA) – § 8 GOVA 106 ff. – § 10 Abs. 2 GOVA 137 ff. – § 10 Abs. 3 S. 1 GOVA 135 f. – Aufhebung und Änderung 68 – Bindungswirkung (Bundestag) 138 f. – Entstehung 110 (Fn. 297) – Rechtsnatur 139 – Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses 71 ff. siehe auch Geschäftsordnungsautonomie Geschäftsordnungsautonomie – Bundestag 68 (Fn. 95), 74, 86 (einschl. Fn. 184), 87, 136
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Sachwortverzeichnis
– Vermittlungsausschuß 55 f. Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform 349 ff. Gesetzentwurf – anderes Gesetzgebungsverfahren 224 f. – Anforderungen 232, 233 f. – Begründung 243 – Bezeichnung 175 (Fn. 136) – plenarförmliche Vorzeichnung eines Einigungsvorschlags 233 ff., 296 ff., 334 ff., 363 f. – Rücknahme 225 Gesetzesinitiative siehe Gesetzentwurf, Gesetzesvorlage Gesetzesinitiativrecht – Berechtigte 173 – Bundesregierung (Statistik) 199 (Fn. 255) – Denaturierungsverbot 175 f., 209 – Inhalt 173 – Schranke der Vermittlungskompetenz 174 ff., 209 ff. Gesetzesverweise (Umstellung) 219 Gesetzesvorlage siehe Gesetzentwurf Gesetzeswillensbildung 132 ff., 182 ff., s. a. 30 ff., 92 ff., 99, 139 f., 144 Gesetzgebungsbefugnis 55 (Fn. 33), 56, 108, 127, 143, 172, 224, 250 Gesetzgebungseffizienz siehe Effizienz, legislative Gesetzgebungskompetenz 61 f., 164 (Fn. 88), 284 Gesetzgebungsverfahren – Abgrenzung / Begriff 224 – geschäftsordnungsrechtliche Ausgestaltung 124, 242 ff. – Legitimationswirkung 30, 32, 276 ff. – Nichteinbeziehbarkeit von anderen Gesetzgebungsverfahren 224 ff. – Verfahren des Bundestages 143 f.
Gesetzgebungsziel 40, 44, 45, 112, 170 f., 197 f., 199, 204 ff., 209 ff., 212 f., 214, 216, 332 f., 360 f. Gewerbesteuergesetz, § 11 Abs. 3 GewStG 348 (Fn. 138) Gruppe (§ 10 Abs. 4 GOBT) 81 ff., 83 ff. Haushaltsbegleitgesetz 2004 – Verfahren 321 f. – Verfassungsmäßigkeit 332 ff. Heilung – Begriff 262 – Überschreitung der Vermittlungskompetenz 262 ff. Initiativrecht siehe Gesetzesinitiativrecht Irrtum parlamentarischer Willensbildung (Unbeachtlichkeit) 258, 261 Koch / Steinbrück-Papier – Allgemeines 323 – Vorstellung im Bundestag 323 f., 336 ff. siehe auch Haushaltsbegleitgesetz 2004 Kompetenz – Begriff 114 f. – Verhältnis zum Verfahren 118 ff., 259 siehe auch Vermittlungskompetenz Kompetenzverstoß – Begriff 259 – Fehlerfolge 255 Körperschaftsteuergesetz – § 8 Abs. 4 KStG 349 (Fn. 2), 359 (61) – § 25 Abs. 1 S. 1 KStG 348 (Fn. 138) – § 37 Abs. 2a KStG 287 ff. – § 54 Abs. 9 S. 1 KStG 301 (Fn. 2), 315 (Fn. 72), 317 (Fn. 81) Kurzprotokolle siehe Sitzungsprotokolle Ländergleichheit – Begriff 89 (Fn. 197) – Maßstab 89 ff.
Sachwortverzeichnis Legitimation – demokratische Legitimation 50 f. – funktionelle Legitimation 51 – inhaltliche Legitimation 30 ff., 92 ff., 274 ff. – personelle Legitimation 62 – Verhältnis mehrerer Legitimationsstränge 50 f., 93, 181 f. (Fn. 173) siehe auch Anrufungslegitimation, Verfahrenslegitimation Legitimation durch Verfahren – Begriff 31 (einschl. Fn. 32) – Begründung 30 ff., 275 ff. – Reichweite 32 f. Lesung siehe Bundestag Mehrheit – Abstimmungsmehrheit 107 f. – Anwesenheitsmehrheit 107 f. – einfache Mehrheit 108, 111 – Zweidrittelmehrheit 108 f. Mehrheitsprinzip – Rechtfertigung 34, 104 ff. – Verhältnis zum Spiegelbildlichkeitsprinzip 81 – Vermittlungsverfahren 106 ff. 110 f. Minderheitenschutz 83 ff. Ministerialbeamte 63 f. Mitgliederwechsel (Vermittlungsausschuß) 66 (Fn. 83) Mitgliederzahl (Vermittlungsausschuß) 63 f. (einschl. Fn. 74), 82 (Fn. 156 und 158), 83 f. Mitgliedschaft (Vermittlungsausschuß) 63 f. Nichtigkeit – Fehlerfolge im Gesetzgebungsverfahren 264 ff., v. a. 268 ff. – Folge eines Kompetenzverstoß 255 – Nichtigkeitsdogma 255, 268 ff. – Teilnichtigkeit 256 ff., 279 f.
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– Vernichtbarkeitslehre 267 f., 268 f. Nichtöffentlichkeit (Verhandlungen im Vermittlungsausschuß) – Rechtfertigung und Staatspraxis 95 f. – Reformansatz 103 f. – Verfassungsmäßigkeit 98 ff. offenes Anrufungsbegehren – Begriff 202 – eröffneter Vermittlungsrahmen 216, 294, 309, 332 f. – Praxis 198, 203 – Zulässigkeit 202 ff. Öffentlichkeit – Berichterstattungsöffentlichkeit 101 – Grundsatz 96 f. – Sitzungsöffentlichkeit 101 siehe auch Nichtöffentlichkeit Paritätische Zusammensetzung (Vermittlungsausschuß) 64 f. Parlamentarischer Rat 169 f. Plenarförmlichkeit – Begriff 229 ff. – Konkretisierung 232 f., 233 ff. Protokolle siehe Sitzungsprotokolle Ratifizierungslage – Bundesrat 124 – Bundestag 128 f., 132 Rechtsfrage 202 ff. Regelungsziel 211 ff., 216, 218, 220 f., 227 f., 232 ff., 237, 238 f., 246, 315 f. Regierungserklärung 138 Repräsentationsprinzip 77 f., 79 f. siehe auch Spiegelbildlichkeitsgrundsatz Rückwirkungsverbot 219 f., 370 Sachzusammenhang – Begrifflichkeit 158 (einschl. Fn. 63), 166, 193
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Sachwortverzeichnis
– Konkretisierung 205 f., 208, 210 f., 227 – Schrifttum 160 ff. – Staatspraxis 147 f. Schlußabstimmung – Allgemeines 124 – Gegenstand 136 (106) – (qualifiziertes) Mehrheitserfordernis 108 – Willensbildung 231 Schriftlichkeitserfordernis 103 Schuldzinsenabzug 301 ff. Sitzungsöffentlichkeit siehe Öffentlichkeit Sitzungsprotokolle (Vermittlungsausschuß) – Einsicht (Bundesverfassungsgericht) 102 – Freigabe 101 f. – Verschluß 101 f. Sitzverteilung siehe Zusammensetzung Sozialgerichtsgesetz, § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG 349 (Fn. 2), 361 (Fn. 74) Spiegelbildlichkeitsgrundsatz – Begriff 79 (Fn. 131) – Begründung 77 f. – Berechnungsverfahren 82 – Korrekturen 83 ff. – Vermittlungsausschuß 78 ff. Staatengleichheit siehe Ländergleichheit Staatsvolk als Bezugsgröße demokratischer Legitimation 30, 31 (Fn. 34), 42 (einschl. Fn. 84) Ständiges Organ 66, 68 Stellungnahme des Bundesrates – legislatives Gestaltungsinstrument 37f., 40 – plenarförmliche Vorzeichnung eines Einigungsvorschlags 235 ff. Stellvertretung (Vermittlungsausschuß) 63 Steuerbereinigungsgesetz 1999 301 ff.
Steuergesetzgebung 284 ff. Steuerreformgesetz 1998 365 f. Steuervergünstigungsabbaugesetz 287 ff. Stimmenthaltung 107 Tagesordnung 242, 330, 344 f. Teilnichtigkeit siehe Nichtigkeit Umwandlungssteuergesetz – § 4 Abs. 5 und Abs. 6 S. 2 UmwStG 1995 349 (Fn. 2), 359 (Fn. 61) – § 12 Abs. 2 S. 4 UmwStG 1995 349 ff. – § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1995 349 (Fn. 2) – § 27 UmwStG 1995 369 Unabhängigkeit siehe Weisungsunabhängigkeit unechter Einigungsvorschlag 109 ff. Unterausschuß (des Vermittlungsausschusses) 63 f. Unterrichtungen der Bundesregierung 235 f., 239 f. Unverrückbarkeit parlamentarischer Beschlüsse – Durchbrechung im Vermittlungsverfahren 57, 128, 130 f., 144, 172 – Grundsatz 131, 172, 196 ff. Verfahren – Begriff 115 ff. – gestuftes Verfahren 120 f. – Legitimationswirkung 30 ff., 275 ff. – übergeordnet-einheitliches Verfahren 121 f. – Verhältnis zur Kompetenz 118 ff. siehe auch Gesetzgebungsverfahren, Verfahrensrecht Verfahren im Vermittlungsausschuß, Begriff 95 (Fn. 226) Verfahrensfehler – Abgrenzung zum Kompetenzverstoß 259
Sachwortverzeichnis – Fehlerfolge 268 ff., v. a. 274 ff. Verfahrenslegitimation – Begriff 192 f. – Begründung 182 ff. – Konkretisierung 221 ff. – Verhältnis zur Anrufungslegitimation 192 f. Verfahrensrecht – Abgrenzung zum Verfahrensbegriff 31, 115 f. – Funktion 33 ff. – Zweck 274 ff. Verfassung – fragmentarischer Charakter 29 – Funktion 27 ff., 276 f. – Rahmenordnung 27 ff. – Verfahrensordnung 30, 276 ff. Verfassungsänderndes Gesetz, Mehrheitserfordernis im Vermittlungsverfahren 108 f. Verfassungsgerichtsbarkeit, Verhältnis zur Gesetzgebung 28 (Fn. 13), 278, 282 Verfassungsorgan – Begriff 53 f. – Vermittlungsausschuß 52 ff. Verfassungsorgantreue 177 ff. Verfassungswirklichkeit 60 Verhandeln (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG) 124, 133, 176 Vermittlungsausschuß – Aufgabe 35 f. – Funktion 37 ff., 45 ff. – Geschäftsordnung siehe Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses – historische Vorläufer 39 (Fn. 71), 168 f. – Kompetenz siehe Vermittlungskompetenz – rechtsvergleichende Bezüge 39 (Fn. 71), 65 (Fn. 79), 106 (279), 168 f. – Verfassungsorganeigenschaft 52 ff.
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– Verhandlungen 127 f., s. a. 92 ff. – Zusammensetzung 75 ff. Vermittlungsgegenstand siehe Anrufungsbegehren Vermittlungskompetenz – Gegenstand 56 ff., 127 f., 130 f. – Grenzen 146 ff., 192 ff., 194 ff., 247 ff. – Überschreitung 254 ff. Vermittlungsverfahren 125 ff. Vermittlungsvorschlag siehe Einigungsvorschlag Vernichtbarkeitslehre siehe Nichtigkeit Vertraulichkeit siehe Nichtöffentlichkeit Vetobefugnis (des Bundesrates) 37, 40, 41 f., 124, 181 Wahlperiode (Ablauf) siehe Diskontinuität weißes Blatt, Theorie 127 (Fn. 66), 177 Weisungsunabhängigkeit 57 f., 80 Willensbildung siehe Gesetzeswillensbildung Zählverfahren 73 (Fn. 109), 76, 82 f., 86 Zitierrecht 97 Zusammensetzung, Ausschüsse des Bundesrates 91 (Fn. 205), 214 f. Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses – Mitglieder des Bundesrates 88 ff. – Mitglieder des Bundestages 75 ff. – Mitgliederzahl 63 f. (einschl. Fn. 74), 82 (Fn. 156 und 158), 83 f. – Paritätische Besetzung 64 f. – Regelungsort 71 ff., v. a. 74 – Verkleinerung (Zulässigkeit) 82 (Fn. 158), 91 siehe auch Entsendungsverfahren Zustimmungsgesetz – Allgemeines 36 (Fn. 58), 124 – Anrufungsfristen 125 f.
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Sachwortverzeichnis
– Aufhebungsbegehren des Bundesrates 195 (Fn. 226) – Heilung eines unzulässigen Einigungsvorschlags 264 – hilfsweise Anrufung 201 (Fn. 267) – mehrfache Anrufung 126, 142
– Vermittlungsverfahren 36, 38, 125 – Zustimmungsbedürftigkeit 37 (einschl. Fn. 61) Zutrittsrecht (Bundestag), Mitglieder des Bundesrates 337 ff. Zweidrittelmehrheit siehe Mehrheit