Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen: Prozessuale Neuregelung des Gesamtschuldnerausgleichs im Baurecht [1 ed.] 9783428558667, 9783428158669

Die seit ihrer Etablierung durch das Grundsatzurteil des BGH seitens der Architekten kritisierte gesamtschuldnerische Ha

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German Pages 154 [155] Year 2020

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Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen: Prozessuale Neuregelung des Gesamtschuldnerausgleichs im Baurecht [1 ed.]
 9783428558667, 9783428158669

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Schriften zum Prozessrecht Band 260

Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen Prozessuale Neuregelung des Gesamtschuldnerausgleichs im Baurecht

Von Kathrin Spangenberg

Duncker & Humblot · Berlin

KATHRIN SPANGENBERG

Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen

Schriften zum Prozessrecht Band 260

Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen Prozessuale Neuregelung des Gesamtschuldnerausgleichs im Baurecht

Von Kathrin Spangenberg

Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahr 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-15866-9 (Print) ISBN 978-3-428-55866-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinem Mann und meinen Kindern

Vorwort Die vorliegende Studie wurde im April 2019 von der Fakultät für Rechts­ wissenschaften der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Bork, dessen umfassende und nie nachlassende Unterstützung für mich und meine Arbeit maß­ geblich zu meiner Motivation und Freude am Verfassen der Studie beigetragen hat. Zu Dank verpflichtet bin ich ebenso Prof. Dr. Kähler, dessen grundlegenden Gedanken zur streitgenössischen Erweiterungsklage mich bei der Themenfindung entscheidend inspiriert haben. Mein spezieller Dank gilt zudem dem Gleichstellungsreferat der Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Hamburg, welches es mir durch das ver­ gebene Stipendium ermöglicht hat, auch mit drei kleinen Kindern Freiräume für das wissenschaftliche Arbeiten zu schaffen. Mein besonderer Dank gilt schließlich Katja Zanabi, deren Freundschaft mir zu jeder Zeit eine große Hilfe war und bleibt. Hamburg, den 04.04.2020

Kathrin Spangenberg

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Materiell-rechtliche Grundlagen der prozessualen Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Gesamtschuldverhältnisse am Bau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Rechtsprechung des BGH zur gesamtschuldnerischen Haftung des bauüber­ wachenden Architekten und des ausführenden Bauunternehmens . . . . . . . . . 18 2. Kritik an der Rechtsprechung des BGH und Änderungen durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Geltendmachung in der baurechtlichen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 III. Ausgangsfall der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Kapitel 1

Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen als Drittwiderklage 27

A. Streitgenosse als „Dritter“ im Sinne der Drittwiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Die Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Die herrschende Literaturansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Die Ansicht Lükes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 IV. Die Ansicht Kählers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 V. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Die Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Die herrschende Literaturansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Die Ansicht Lükes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4. Die Ansicht Kählers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Der Inhalt des zwischen den gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen geltend gemachten Anspruchs und sein Bezug zum Hauptklagebegehren . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Doppelte Gesamtschuldnerschaft im Dreipersonenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . 37

10

Inhaltsverzeichnis 1. Streitgenössische Drittwiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Isolierte Drittwiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Befreiungsanspruch aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Thesen und Rechtsprechung zur Befreiungsklage aus § 426  BGB als Dritt­ widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Die Ansicht Schweer / Todorows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bb) Die Ansicht Damraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 cc) Urteil des OLG Köln vom 13. März 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 dd) Urteil des BGH zur isolierten Drittwiderklage bei einer werkvertrag­ lichen Leistungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Die Ansicht Schweer / Todorows . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (1) Beschränkung auf Konstellation des einzeln verklagten Gesamt­ schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (2) Vorliegen einer tatsächlichen und rechtlichen engen Verknüpfung 45 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Die Ansicht Damraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (1) Präjudizialität als besondere Form der Konnexität . . . . . . . . . . . . 46 (2) Erfordernis einer gesteigerten Konnexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 cc) OLG Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (1) Streitgenössische Drittwiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (a) Hauptgläubiger und Befreiungsschuldner als Streitgenossen nach § 60 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (b) Auseinandersetzung mit der Ansicht Kählers . . . . . . . . . . . . 50 (2) Isolierte Drittwiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 dd) BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Übertragung von Ansätzen in der Literatur zur Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage auf die Befreiungsklage aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Riehm / Bucher: Ableitung aus materiellem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 bb) Übertragung auf Befreiungsklage aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (1) Sinn und Zweck des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB . . . . . 53 (2) Prozessuale Möglichkeiten zur wirksamen Durchsetzung des Be­ freiungsanspruchs aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Inhaltsverzeichnis

11

(3) Erfordernis einer konnexen Gegenforderung . . . . . . . . . . . . . . . . 54 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Leifeld und Baumstark: Parteibezogene Konnexität . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Übertragung auf Befreiungsklage aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 57 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Mantzouranis: Ausschöpfung und Bereinigung des historischen Sachverhalts 58 aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Übertragung auf Befreiungsklage aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (1) Derselbe Klagegrund nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO . . . . . . . . . . . 60 (2) Erfordernis eines konnexen Gegenangriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 d) Uhlmannsiek: Personelle Verknüpfung und sachlicher Zusammenhang . . 62 aa) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 bb) Übertragung auf Befreiungsklage aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 63 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 C. Fazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Kapitel 2

Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen als streitgenössische Erweiterungsklage 68

A. Waffengleichheit als Hauptargument für die Zulässigkeit der streitgenössischen Er­ weiterungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 B. Regelungslücke in der ZPO: Abgrenzung der streitgenössischen Erweiterungsklage von der Garantieklage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Formelle Parteistellung des Erweiterungsbeklagten als taugliches Abgrenzungs­ merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Anwendungsbereich der Garantieklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Anwendungsbereich der Erweiterungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Überschneidung der Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Rechtfertigung der formellen Parteistellung des Erweiterungsbeklagten als Zuläs­ sigkeitsvoraussetzung für die Erweiterungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

12

Inhaltsverzeichnis 1. Dem Kläger wird kein Unbekannter aufgedrängt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Kein Unbeteiligter wird in Verfahren einbezogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Keine Regelungslücke mangels Abgrenzbarkeit der streitgenössischen Erweite­ rungsklage von der Garantieklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Kapitel 3



Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen als Prozessrechtsinstitut eigener Art („gesamtschuldnerische Befreiungsklage“) 77

A. Notwendigkeit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Sinn und Zweck des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Verhinderung der Vorleistung für internen Anteil des Befreiungsschuldners . 78 2. Pflicht zur Abwehr unbegründeter Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Prozessuale Möglichkeiten zur Durchsetzung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Rechtsprechung des BGH zur prozessualen Durchsetzung von Befreiungs­ ansprüchen bei streitiger Hauptforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Prozessrechtsinstitut eige­ ner Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Einfügen in das System der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Anspruch auf effektiven Rechtsschutz: Verwirklichung des materiellen Rechts als Ziel des Zivilverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Zweiparteienprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Wahrheitspflicht nach § 138 ZPO und widersprüchlicher Vortrag . . . . . . . . . 90 a) Bedingte Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage . . . . . . . 90 b) Möglichkeit widersprüchlichen Vortrags bei unbedingter Erhebung der ge­ samtschuldnerischen Befreiungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Inhaltsverzeichnis

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aa) Praktisches Bedürfnis der Parteien aufgrund der Unsicherheit des ­Beweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) Notwendigkeit eines Eventualverhältnisses bei widersprüchlichem Vor­ trag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 cc) Kein Vortrag wider besseres Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Vereinbarkeit mit den Prinzipien der §§ 147, 148, 263 ZPO . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Vereinbarkeit mit den Prinzipien der §§ 147, 148 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Vereinbarkeit mit den Prinzipien des § 263 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Die Interessen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Die Interessen des Befreiungsgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 2  Abs.  1  GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Schutz vor doppeltem Insolvenzrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Risiko der Insolvenz des Befreiungsgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Risiko der Insolvenz des Befreiungsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Die Interessen des Befreiungsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Interesse, nicht verklagt zu werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Bindung an Prozessergebnisse des Hauptverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Örtliche Zuständigkeit des Gerichts der Hauptklage für die Befreiungs­ klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Zuständigkeit nach §§ 12, 13, 17 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Zuständigkeit nach § 29 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 cc) Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO analog . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Zusam­ menhang mit der isolierten Drittwiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (2) Entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Zusam­ menhang mit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage . . . . . 105 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Die Interessen des Hauptgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Unverzögerte Durchführung des Hauptverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Belastung mit Insolvenzrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Wahrung der „Paschastellung“ nach § 421 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Abwägung der Parteiinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Konträre Interessen von Hauptgläubiger und Befreiungsgläubiger . . . . . 108

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Inhaltsverzeichnis aa) Verteilung der Insolvenzrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Schützenswertes Klägerinteresse an der unverzögerten Durchführung des Hauptverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (1) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (2) Auswirkung der besonderen Konzeption der Gesamtschuld auf die Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Konträre Interessen von Befreiungsschuldner und Befreiungsgläubiger . . 111 aa) Bindung an Prozessergebnisse des Hauptverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Zustimmung bei Erhebung der Befreiungsklage in der Berufungs­ instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 cc) Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

C. Abgrenzung zur Garantieklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 D. Prozessuale Folgefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Zurückbehaltungsrechte und Befreiungswiderklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Befreiungsklage des Befreiungsgläubigers und Zurückbehaltungsrecht des Befreiungsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Befreiungswiderklage des Befreiungsschuldners und Zurückbehaltungsrecht des Befreiungsgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Zusätzliche Streitverkündung im Hauptverfahren aufgrund Einzelwirkung nach § 425 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Prozessuale Trennung von Haupt- und Befreiungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Teilurteil nach § 301 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Prozesstrennung nach § 145 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 IV. Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 V. Exkurs: Anspruch auf Erstattung der Hauptverfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Kostenerstattung aus § 426 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Kostenerstattung aus § 100 Abs. 4 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Kostenerstattung aus Sekundäransprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

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E. Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Vollstreckung gegen Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Vollstreckung unter Gesamtschuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Vollstreckung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB als Handlungsvollstre­ ckung nach § 887 Abs. 1, Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Auswirkung der Zug-um-Zug-Verurteilung auf das Vollstreckungsverfahren unter Gesamtschuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Verhinderung der Vorleistung durch den Befreiungsgläubiger im Vollstre­ ckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Möglichkeit der Verbindung der Zwangsvollstreckungsverfahren im Außenund Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Ermächtigung zur Ersatzvornahme nach § 887 Abs. 1 ZPO trotz erfolgrei­ cher Vollstreckung gegen den Befreiungsgläubiger im Außenverhältnis . . 135 d) Klage auf Leistung des Interesses nach § 893 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 F. Auswirkung auf das selbstständige Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO . . . . . . . . . 139 I. Funktion des selbstständigen Beweisverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 II. Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III. Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

Zusammenfassung und Ausblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 A. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungen werden entsprechend Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 9. Auflage, Berlin / Boston 2018 sowie Duden, Konrad, Die deutsche Rechtschreibung, 27. Auflage, Berlin 2017 verwendet.

Einleitung Bauprozessen haftet der Ruf an, langwierig und teuer zu sein. Ein Bauprozess sei gar „die schlechteste Art, Baukonflikte zu lösen“1. Gleichwohl ziehen die meisten Betroffenen den Bauprozess einer alternativen Streitbeilegung vor.2 Die Nachteile, die ein langes und teures Verfahren mit sich bringt, potenzieren sich, wenn eine Partei zunächst das Ende des ersten Bauprozesses abwarten muss, nur um daraufhin einen zweiten Bauprozess mit ähnlichen Fragestellungen zu be­ ginnen. Genau diese Vorgehensweise ist jedoch die tägliche gerichtliche Praxis in Bezug auf den Gesamtschuldnerausgleich im Baurecht.3 Sie wird zu Recht als reformbedürftig angesehen.4 Mit der vorliegenden Arbeit werden Wege aufgezeigt, wie der prozessuale Ab­ lauf des Gesamtschuldnerausgleichs im Baurecht grundlegend umgestaltet werden kann.

A. Materiell-rechtliche Grundlagen der prozessualen Neuregelung Ausgangspunkt der Untersuchung einer prozessualen Neuregelung des Gesamt­ schuldnerausgleichs ist die materielle Rechtslage.

I. Gesamtschuldverhältnisse am Bau Will ein Bauherr ein Bauvorhaben realisieren, besteht eine mögliche Vorgehens­ weise darin5, zunächst einen Architekten mit der Planung des Bauwerks zu beauf­ tragen, sodann mit dessen Hilfe die einzelnen Gewerke an Bauunternehmen zu vergeben und die Ausführung der Bauarbeiten schließlich wiederum durch den Architekten überwachen zu lassen. Die vom Bauherrn jeweils separat beauftragten Vertragspartner sind in diesem Fall auf eine Zuarbeit der anderen Baubeteiligten 1

R. Schröder, NZBau 2008, S. 1. R. Schröder, NZBau 2008, S. 1. 3 Scheffelt, NJW 2018, S. 1510, 1514. 4 Kniffka, BauR 2005, S. 274, 291. 5 Der Bauherr könnte auch einen Generalunternehmer oder einen Generalübernehmer be­ auftragen. Zu den unterschiedlichen Unternehmereinsatzformen siehe Werner / Pastor, Kap. 5, Rn. 1314a ff. 2

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Einleitung  

angewiesen. Leistet ein Vertragspartner mangelhaft, wirkt sich dies häufig auf den Leistungsbereich eines anderen Vertragspartners aus. Da im Werkvertragsrecht den Auftragnehmer eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung trifft6, kann auf der Baustelle eine Vielzahl von Gesamtschuldverhältnissen7 entstehen. Als maßgebliches Beispiel für die vorliegende Untersuchung dient der „Stan­ dardhaftungsfall auf deutschen Baustellen“8: die gesamtschuldnerische Haftung zwischen dem bauüberwachenden Architekten und dem ausführenden Bauunter­ nehmen. 1. Rechtsprechung des BGH zur gesamtschuldnerischen Haftung des bauüberwachenden Architekten und des ausführenden Bauunternehmens Im Jahr 1965 hat der Große Senat für Zivilsachen am BGH9 eine Grundsatz­ entscheidung zur gesamtschuldnerischen Haftung des bauüberwachenden Archi­ tekten und des ausführenden Bauunternehmens getroffen: Der Architekt und das Bauunternehmen müssten trotz ihrer separaten Beauftragung beide gegenüber dem Bauherrn Leistungen erbringen, die im Ergebnis auf die „plangerechte und fehlerfreie Errichtung des Bauwerks“10 gerichtet seien. Aus der dafür notwendigen engen Zusammenarbeit ergebe sich eine „planmäßige rechtliche Zweckgemein­ schaft, wie sie in der bisherigen Rechtsprechung des BGH für die Annahme einer Gesamtschuld für notwendig erachtet worden ist“11. Bezogen auf die Primärleis­ tung stehe einer Gesamtschuld jedoch die Verschiedenartigkeit der geschuldeten Leistungen aus dem Architektenvertrag einerseits und dem Bauvertrag anderer­ seits entgegen. Die Erfüllung des einen Vertrags bewirke nicht die Erfüllung des anderen, weshalb hinsichtlich der Errichtung des Bauwerks eine Gesamtschuld nach § 421 BGB ausscheide. Entstünden jedoch Mängel am Bauwerk, weil das Bauunternehmen mangelhaft gearbeitet hat und der bauüberwachende Architekt12 dies hätte erkennen können und müssen, so bestehe in Bezug auf die Sekundärleistung eine rechtliche Zweck­ gemeinschaft, die zu einer Gesamtschuldnerschaft im Sinne des § 421 BGB führe: „Der Zweck dieser Gemeinschaft ist es, daß Architekt und Bauunternehmer jeder auf seine Art für die Beseitigung desselben Schadens einzustehen haben, den der 6

Knacke, BauR 1985, S. 270; Kniffka, BauR 2005, S. 274. Eine Übersicht über die möglichen Gesamtschuldverhältnisse am Bau findet sich bei Langen, NZBau 2015, S. 2, 3 ff., 71 ff. 8 Langen, NZBau 2015, S. 71, 73. 9 BGH NJW 1965, 1175. 10 BGH NJW 1965, 1175. 11 BGH NJW 1965, 1175. 12 Zu Einzelheiten der Pflichtverletzung des Architekten aufgrund mangelhafter Bauüber­ wachung vgl. Werner / Pastor, Kap. 8, Rn. 2011–2029. 7

A. Materiell-rechtliche Grundlagen der prozessualen Neuregelung

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Bauherr dadurch erlitten hat, daß jeder von ihnen seine vertraglich geschuldeten Pflichten mangelhaft erfüllt hat. Der Bauherr kann sich nach seinem Belieben an den einen oder den anderen halten. Er kann aber die Leistung nur einmal fordern. Die Leistung des einen befreit auch den anderen. Derjenige, der geleistet hat, kann nach Maßgabe des § 426 BGB von dem anderen Ausgleichung verlangen. In wel­ chem Umfang der andere auszugleichen verpflichtet ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Insbesondere ist nach § 254 BGB zu berücksichtigen, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder von dem anderen verursacht worden ist“13. Der Annahme einer Gesamtschuld stehe dabei nicht entgegen, dass dem Bauunternehmen gegebenenfalls – anders als dem Architekten14 – noch ein Recht zur Nachbesserung zustehen könne. Denn der Mangelbeseitigungsanspruch des Bauherrn gegen das Bauunternehmen könne in einen Schadensersatzanspruch übergehen, weshalb eine Gesamtschuld nach § 421 BGB bejaht werden könne.15 2. Kritik an der Rechtsprechung des BGH und Änderungen durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts Von Stimmen in der Literatur wird dem BGH vorgeworfen, dass es aufgrund sei­ ner „sehr gläubigerfreundlichen Rechtsprechung“16 zu einer „exzessiven Auswei­ tung der Gesamtschuld“17 gekommen sei. Andere Autoren bezeichnen das Urteil als „Sündenfall“18 und die Konsequenzen daraus als „Fluch“19 für den Berufsstand der Architekten. Denn im Gegensatz zum Bauunternehmen ist der Architekt stan­ desrechtlich20 zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet, die ihm im Fall einer Inanspruchnahme durch den Bauherrn aufgrund von Pflichtver­ letzungen aus dem Architektenvertrag beistehen und ihn von begründeten Ansprü­ chen befreien muss. Die Einstandspflicht eines solventen Schuldners führt in der Praxis dazu, dass der Bauherr bei einer vermuteten Gesamtschuld zwischen dem Architekten und dem Bauunternehmen stets – und teilweise auch nur – den Archi­ tekten gerichtlich in Anspruch nimmt, auch wenn das Bauunternehmen den Man­ gel hauptverantwortlich verursacht hat. Wird das Bauunternehmen insolvent, muss die Haftpflichtversicherung des Architekten sämtliche berechtigten Schadens­ ersatzforderungen des Bauherrn ohne die Möglichkeit eines späteren Ausgleichs 13

BGH NJW 1965, 1175, 1176. Im Fall der fehlerhaften Bauüberwachung hat sich die mangelhafte Architektenleistung im Bauwerk verkörpert und eine Nachbesserung scheidet aus. Der Architekt schuldet von vornherein „nur“ Schadensersatz nach § 635 BGB a. F. bzw. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB, vgl. BGH NJW 2018, 1463, 1468; NJW 2000, 133, 134. Zur Haftung des Architekten aufgrund von Bau­ überwachungsfehlern siehe auch Korbion / Mantscheff / Vygen-Korbion, § 34 Rn. 294. 15 BGH NJW 1965, 1175, 1177. 16 Langen, NZBau 2015, S. 2, 3. 17 Tomic, FS Jochem, S. 325, 326. 18 Preussner, BauR 2014, S. 751, 756. 19 Scholtissek, NZBau 2007, S. 767. 20 Beispielsweise gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 5 des Hamburgischen Architektengesetzes. 14

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Einleitung  

erfüllen. Die Haftpflichtversicherung des Architekten fungiert in diesem Fall un­ beabsichtigt als „Ausfallhaftung“21 zugunsten des Bauherrn. Auch aufgrund zunehmender kritischer Stimmen in der Literatur22 standen bei den Beratungen über das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts sodann die mittlerweile ein halbes Jahrhundert alten Grundsätze des BGH in rechtsdogmati­ scher und in rechtspolitischer Hinsicht zur Diskussion.23 Am Ende dieser Diskussion wurde in Bezug auf die gesamtschuldnerische Haftung zwischen dem bauüberwachenden Architekten und dem ausführenden Bauunternehmen eine Minimallösung in Form des neuen § 650t BGB gefunden. Darin sieht das Gesetz nunmehr eine subsidiäre Haftung des bauüberwachenden Architekten vor, aufgrund derer der Architekt seine Leistung verweigern kann, so­ lange der Bauherr dem Bauunternehmen nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt hat. Der Gesetzgeber will so im Gesamtschuldverhält­ nis einen „Vorrang der Nacherfüllung“24 installieren und damit eine „vorschnelle Inanspruchnahme des Architekten“25 verhindern. Hat der Bauherr dem Bauunter­ nehmen erfolglos eine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt oder ist diese Frist – etwa wegen einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Nachbes­ serung durch das Bauunternehmen – entbehrlich, entfällt die subsidiäre Haftung des Architekten. Seine gesamtschuldnerische Haftung mit dem Bauunternehmen richtet sich dann nach den „alten“ Grundsätzen des BGH.26

II. Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB Aufgrund der Vielzahl von Gesamtschuldverhältnissen kommt dem Gesamt­ schuldnerausgleich nach § 426 BGB im Baurecht eine herausragende Bedeutung zu.27 Nach welcher der drei Anspruchsgrundlagen des § 426 BGB sich der Aus­ 21

Tomic, FS Jochem, S. 325, 327. Preussner, BauR 2014, S. 751, 758; Reichert, BauR 2014, S. 626, 634. 23 Zum Folgenden vgl. Langen, NZBau 2015, S. 71, 73 ff. 24 Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, BTDrucks 18/8486, S. 24, 70. 25 Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, BTDrucks 18/8486, S. 24, 71. 26 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Reform des Bauvertrags­ rechts, BTDrucks 18/8486, S. 24, 71: „Eine Abschaffung der gesamtschuldnerischen Haftung ist abzulehnen, da diese Lösung ausschließlich zu Lasten des Bestellers und hier insbesondere der Verbraucher ginge, die eine anderweitige Absicherung ihrer Ansprüche vertraglich im Zweifel nicht durchsetzen können. Der Besteller würde beim Wegfall der gesamtschuldneri­ schen Haftung außerdem prozessual benachteiligt, da er dann eine Schadensaufteilung zwi­ schen den am Bau Beteiligten vorzunehmen hätte, um diese einzeln zu verklagen. Eine solche Schadensaufteilung korrekt vorzunehmen, dürfte dem Besteller selbst mit sachverständiger Unterstützung nicht immer gelingen“. 27 Kniffka, BauR 2005, S. 274. 22

A. Materiell-rechtliche Grundlagen der prozessualen Neuregelung

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gleich richtet, ist abhängig davon, ob ein Gesamtschuldner den Hauptgläubiger bereits befriedigt hat oder nicht.28 Eine Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen29 setzt eine an­ hängige Klage des Hauptgläubigers gegen einen oder mehrere Gesamtschuldner voraus. Da in diesem Stadium noch keine Leistung an den Hauptgläubiger erfolgt ist, ist zwischen den Gesamtschuldnern der Anspruch aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB vor Leistung an den Hauptgläubiger maßgeblich. 1. Anspruchsinhalt Nach den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch hatte der Gesetzgeber bei Schaffung des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB die Vorstellung, dass die Gesamtschuldner „von vornherein mit der Begründung des Gesamtschuldverhältnisses als in einem inneren Schuldverhältnisse stehend anzusehen sind, das sie verpflichtet, so zu handeln, daß es überhaupt zu einem Regresse nicht kommt“30. Dieser gesetzgeberischen Vorstellung entspricht die Definition des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, die der BGH – unter Verweis auf ein Urteil des Reichs­ gerichts31 – in ständiger Rechtsprechung32 anwendet: „Jeder mithaftende Gesamt­ schuldner kann schon vor seiner eigenen Leistung an den Gläubiger von den an­ deren Gesamtschuldnern verlangen, daß sie ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitwirken und dadurch so handeln, daß es später nicht mehr zu einem Ausgleich im Wege des Rückgriffs gem. § 426 Abs. 2 BGB zu kommen braucht“. Aus der Mitwirkungspflicht ergebe sich ein Befreiungsan­ spruch im Innenverhältnis unter den Gesamtschuldnern: „Nimmt der Gläubiger wegen seiner fälligen Forderung einen der Gesamtschuldner in Anspruch, so kann dieser von den Mitschuldnern verlangen, ihn von der Verbindlichkeit in der Höhe zu befreien, die der jeweiligen internen Ausgleichspflicht entspricht“33. Der Be­ freiungsanspruch bestehe „schon vor gerichtlicher Feststellung der Gemeinschafts­ verpflichtung und der inneren Beteiligungsquote“34.

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MüKo-BGB-Bydlinski, § 426 Rn. 1. Gesamtschuldner sind einfache Streitgenossen gemäß § 59 ZPO, vgl. Zöller-Althammer, § 59 Rn.  5; Stein / Jonas-Bork, § 59 Rn. 3; MüKo-ZPO-Schultes, § 59 Rn. 8. 30 Mugdan, S. 93. Nach Meier ist es hingegen zweifelhaft, ob „die Vorstellung einer pflich­ tenbegründenden Schuldgemeinschaft unter den Gesamtschuldnern tatsächlich den Absichten des historischen Gesetzgebers entsprach“, vgl. HkK-BGB-Meier, §§ 420–432/I, Rn. 158 f. 31 RGZ 79, 288, 290. 32 BGH NJW 1958, 497; NJW 1962, 1678, 1680; NJW 1981, 1666, 1667; NJW 1986, 978, 979; NJW 1986, 3131, 3132; NJW 1987, 374, 376; NJW 1994, 2231, 2232; NJW 2003, 828, 829; NJW-RR 2006, 1718; NJW-RR 2008, 256, 257; NJW 2010, 60, 61; NZG 2017, 753, 754. 33 BGH NJW 1994, 2231, 2232. 34 BGH NJW 1962, 1678, 1680. 29

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Einleitung  

Die ganz herrschende Meinung in der Literatur35 ordnet den Anspruch aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB vor Zahlung an den Hauptgläubiger ebenfalls als Befreiungs­ anspruch36 ein. Gegen eine Einordnung als Befreiungsanspruch stellt sich insbesondere Meier37. Nach der Ansicht Meiers handelt es sich bei dem Anspruch aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB dogmatisch – wenn überhaupt38 – um einen bloßen Mitwirkungsanspruch. Denn ein „‚echter‘“39 Befreiungsanspruch zeichne sich dadurch aus, dass der Befreiungs­ gläubiger vom Befreiungsschuldner die Befreiung von der eigenen Verbindlich­ keit – also der des Befreiungsgläubigers – gegenüber dem Hauptgläubiger verlangen könne. Bei einem Gesamtschuldverhältnis sei hingegen der Befreiungsschuldner verpflichtet, seine Verbindlichkeit gegenüber dem Hauptgläubiger zu erfüllen, wodurch mittelbar über die Wirkung des § 422 BGB auch der Befreiungsgläubi­ ger anteilig befreit werde: „Der sogenannte Befreiungsanspruch ist also (will man ihn überhaupt anerkennen) lediglich ein Mitwirkungsanspruch, der durch antei­ lige Leistung an den Gläubiger oder durch Hinterlegung erfüllt werden kann“40. Meier ist zuzugeben, dass bei dem Anspruch aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB im Gegensatz zu anderen Befreiungsansprüchen41 die Besonderheit besteht, dass der Befreiungsschuldner die Befreiung des Befreiungsgläubigers herbeiführt, indem er die gegen ihn selbst gerichtete Forderung des Hauptgläubigers erfüllt. Der geschul­ dete Erfolg – die (anteilige) Befreiung42 des Gläubigers – ist hingegen der gleiche. Bei einem Befreiungsanspruch obliegt dem Befreiungsschuldner die Entscheidung,

35 Bischof, ZIP 1984, S. 1444, 1445; Bischoff, ZZP 120 (2007), S. 237, 249; MüKo-BGBBydlinski, § 426 Rn. 71; Soergel-Gebauer, § 426 Rn. 15; BeckOK BGB-Gehrlein, § 426 Rn. 3; Görmer, S. 15; Palandt-Grüneberg, § 426 Rn. 4; Kapellhoff, NJW  2014, S. 2775; Knacke, BauR  185, S. 270, 274; Kniffka, BauR  2005, S. 274, 276; Mayer, ZfPW  2015, S. 226, 228; Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 226; Rimmelspacher, JR 1976, S. 89; Scheffelt, NJW 2018, S. 1510, 1513; Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 2072; Jauernig-Stürner, § 426 Rn. 14; Zahn, ZfBR 2007, S. 627. 36 Die Bezeichnung als Befreiungsanspruch ist gleichbedeutend mit derjenigen als Freistel­ lungsanspruch. Die diesbezügliche Wortwahl ist sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur uneinheitlich, vgl. hierzu Görmer, S. 4 f. 37 Zum Folgenden vgl. Meier, S. 630 ff.; zustimmend Staudinger-Looschelders, § 426 BGB Rn. 95. 38 Meier bezweifelt grundsätzlich, ob ein Mitwirkungsanspruch allein aufgrund eines Ge­ samtschuldverhältnisses entstehen kann und kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer notwen­ digen Abwägung der Interessen des ausgleichsberechtigten und des ausgleichsverpflichteten Gesamtschuldners das Bestehen eines Mitwirkungsanspruchs vom Stadium des Zugriffs des Hauptgläubigers abhängt, vgl. Meier, S. 631, 639. 39 Meier, S. 631. 40 Meier, S. 632. 41 Etwa einem schadensersatzrechtlichen Befreiungsanspruch aus §§ 280, 249  S.  1  BGB oder einem Befreiungsanspruch in Folge eines Auftrags aus §§ 670, 257 S. 1 BGB. 42 Die strittige Frage, ob dem Befreiungsgläubiger aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB auch ein An­ spruch gegen den Befreiungsschuldner auf Abwehr unbegründeter Forderungen des Haupt­ gläubigers zusteht, wird an späterer Stelle erörtert.

A. Materiell-rechtliche Grundlagen der prozessualen Neuregelung

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auf welche Art und Weise er den Befreiungserfolg herbeiführt.43 Deshalb steht die Besonderheit des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, dass der Befreiungsschuld­ ner die Befreiung durch Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeit gegenüber dem Hauptgläubiger herbeiführt, im Ergebnis einer Einordnung als Befreiungsanspruch nicht entgegen. Selbst Meier räumt ein: „Materiellrechtlich mögen daher nur we­ nige Unterschiede zwischen einem Befreiungs- und einem aus der Gesamtschuld folgenden Mitwirkungsanspruch bestehen“44. 2. Geltendmachung in der baurechtlichen Praxis Der Befreiungsanspruch aus § 426  BGB45 führt in der Baurechtspraxis ein Schattendasein.46 Er wird „praktisch nicht geltend gemacht“47. Gründe hierfür sind sowohl auf materiell-rechtlicher als auch auf prozessualer Ebene zu verorten. So stellt beispielsweise Muthorst fest: „Im Schrifttum erhält der Befreiungsan­ spruch noch immer nicht die Aufmerksamkeit, die er aufgrund der besonderen, sich aus seinem Inhalt ergebenden dogmatischen Schwierigkeiten an sich verdient. Sein Inhalt und seine Rechtsfolgen sind aber bislang nur in Grundzügen geklärt“48. Nach der Ansicht Schmidts49 stellt sich insbesondere bei einer noch unsicheren Hauptforderung die „schwierige“ Frage, ob und wie sich die Befreiung von einer Schuld geltend machen lässt, die eventuell gar nicht existiert. In prozessualer Hinsicht besteht für den Befreiungsgläubiger das Problem der Unzulänglichkeit der in der ZPO geregelten Möglichkeiten zur Drittbeteiligung im Zivilverfahren, wobei „Dritter“ in diesem Fall der Befreiungsschuldner ist. Denn die im Fall einer Inanspruchnahme durch den Hauptgläubiger mögliche Streit­verkündung des Befreiungsgläubigers gegenüber dem Befreiungsschuld­ ner gemäß § 72 ZPO führt zwar zu einer Interventionswirkung nach § 68 ZPO, nicht jedoch zu einer vollstreckbaren Titulierung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB.50 Auf einen solchen vollstreckbaren Titel ist der Befreiungsgläubiger 43 Neben der Erfüllung der Hauptforderung kann der Befreiungsschuldner die Hauptfor­ derung beispielsweise auch durch eine Aufrechnung zum Erlöschen bringen oder mit dem Hauptgläubiger eine Schuldübernahme vereinbaren, vgl. hierzu Görmer, S. 23; Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 227 ff. 44 Meier, S. 631. Nach Meier wirkt sich der Unterschied zwischen der Annahme eines Mit­ wirkungs- oder Befreiungsanspruchs maßgeblich auf der Vollstreckungsebene aus. Die Voll­ streckung des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB wird in einem gesonderten Kapitel be­ handelt. 45 Im Folgenden wird der Befreiungsanspruch aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB zur besseren Les­ barkeit kurz als Befreiungsanspruch aus § 426 BGB bezeichnet. 46 Knacke, BauR 1985, S. 270, 274. 47 Kniffka, BauR 2005, S. 274, 276. 48 Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 213. 49 Schmidt, JuS 2008, S. 283, 285. 50 Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004.

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Einleitung  

zur wirk­samen Durchsetzung seines Befreiungsanspruchs indes angewiesen. Denn muss der Befreiungsgläubiger aufgrund einer Verurteilung im Außenverhältnis den Hauptgläubiger befriedigen, bevor er seinen Befreiungsanspruch gegen den Be­ freiungsschuldner im Innenverhältnis durchsetzen konnte, wird die Erfüllung des Befreiungsanspruchs nach § 275 BGB unmöglich.51 Da nach Ansicht des BGH52 der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB nur mittels einer (nicht vollstreckbaren) Feststellungsklage geltend gemacht werden kann, solange die Hauptforderung nicht feststeht, kann der Befreiungsgläubiger auch durch eine separate Klageerhebung gegen den Befreiungsschuldner eine wirksame Durchsetzung seines Befreiungs­ anspruchs nicht sicherstellen. Der Befreiungsgläubiger sieht sich derzeit mit verschiedenen Hürden bei der Geltendmachung seines Befreiungsanspruchs konfrontiert. Erschwerend kommt hinzu, dass der vorrangig in Anspruch genommene Gesamtschuldner nach der Rechtsprechung des BGH53 für die Kosten des Prozesses mit dem Hauptgläubiger regelmäßig keinen (anteiligen) Ersatz von seinem Mitschuldner verlangen kann. Für den nicht in Anspruch genommenen Gesamtschuldner besteht somit keiner­ lei Anreiz, freiwillig an einer Befriedigung des Hauptgläubigers mitzuwirken.54 Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den Befreiungsanspruch aus § 426 BGB stär­ ker in den Fokus der baurechtlichen Praxis zu rücken.

III. Ausgangsfall der Untersuchung Als Ausgangsfall der Untersuchung dient folgender Sachverhalt55: Der Bauherr will ein Einfamilienhaus errichten lassen. Der vom Bauherrn beauftragte Architekt schuldet auch die Bauüberwachung56. Zudem hat der Bauherr ein Bauunternehmen mit Trockenbauarbeiten beauftragt, die unter anderem den Einbau einer Dampf­ sperre unterhalb der Dachisolierung beinhalten. Nach Fertigstellung des Hauses stellt der Bauherr Feuchtigkeitsschäden in der Dachkonstruktion fest. Nach Ansicht des Bauherrn sind die Mängel auf undichte Abdichtungen der Dampfsperrbahnen zurückzuführen. Der Bauherr hat das Bauunternehmen innerhalb angemessener Frist erfolglos57 zur Nachbesserung aufgefordert. Der Bauherr will die Mängel be­ seitigen lassen, wofür laut einem eingeholten Privatgutachten Mangelbeseitigungs­ kosten in Höhe von 10.000,00 EUR anfallen. 51

Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 236. BGH NJW 1991, 634. 53 BGH NJW 2003, 2980, 2981 m. w. N. 54 Scheffelt, NJW 2018, S. 1510, 1516. 55 Stark vereinfachter Sachverhalt nach OLG Köln NZBau 2013, 375. 56 Leistungsphase 8 gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 8, Abs. 4 HOAI i. V. m. Anlage 10.1. 57 Die gesetzliche Neuregelung der subsidiären Haftung des Architekten gemäß § 650t BGB ist aufgrund der fruchtlosen angemessenen Fristsetzung des Bauherrn gegenüber dem Bau­ unternehmen für den Ausgangsfall nicht von Belang. 52

A. Materiell-rechtliche Grundlagen der prozessualen Neuregelung

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Der Bauherr („Hauptgläubiger“) reicht gegen den Architekten und das Bauunter­ nehmen als Gesamtschuldner58 eine Klage („Hauptverfahren“ bzw. „Hauptklage“) ein, gerichtet auf eine Vorschusszahlung in Höhe der erforderlichen Mangelbesei­ tigungskosten von 10.000,00 EUR.59 Der Architekt bezweifelt das Vorliegen eines Mangels und seine diesbezüg­ liche Haftung. Wenn der klägerische Vortrag jedoch zutrifft, ist der Architekt der Ansicht, im Innenverhältnis mit dem gesamtschuldnerisch haftenden Bauunter­ nehmen für den Schaden allenfalls mit einer Quote von 30 % verantwortlich zu sein. Der Architekt und das Bauunternehmen verkünden sich im Hauptverfahren gegenseitig den Streit. Der Architekt („Befreiungsgläubiger“) will zudem bereits im anhängigen Haupt­ verfahren auf Grundlage des § 426 BGB gegenüber dem Bauunternehmen („Be­ freiungsschuldner“) eine Befreiung in Höhe von 7.000,00 EUR von der Schadens­ ersatzforderung des Bauherrn geltend machen.60 In der Abwandlung des Ausgangsfalls erhebt der Bauherr allein gegen den Architekten eine Schadensersatzklage, welcher wiederum im Rahmen des Haupt­ verfahrens seinen Befreiungsanspruch gegen das Bauunternehmen geltend machen will.

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Der nachfolgenden Untersuchung wird ein Gesamtschuldverhältnis mit zwei Gesamt­ schuldnern zugrunde gelegt, zwischen denen keine vertragliche Beziehung besteht. 59 Mit Urteil vom 22.2.2018 hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung, dass der Bestel­ ler eines mangelhaften Bau- bzw. Architektenwerks seinen Schadensersatzanspruch statt der Leistung an der Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten bemessen kann, aufgegeben. Will der Besteller den Mangel nicht beseitigen lassen, ist der Schadensersatzanspruch nun­ mehr unter Zugrundelegung einer Vermögensbilanz anhand der Differenzhypothese zu ermit­ teln. Will der Bauherr hingegen – wie im Ausgangsfall – den Mangel beseitigen lassen, kann er vom Bauunternehmen nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB einen Vorschuss für die erforderlichen Mangelbeseitigungskosten verlangen. Dies gilt auch, wenn der Bauherr vom Bauunternehmen bereits Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB verlangt hat, weil § 281 Abs. 4 BGB die Geltendmachung eines Vorschussanspruchs nicht ausschließt. Gegen den Architekten hat der Bauherr – sofern er den Mangel beseitigen will – nach §§ 634 Nr. 4, 280  BGB einen Schadensersatzanspruch auf Vorschusszahlung in Höhe der erforderlichen Mangelbeseitigungskosten. Die Vorschusszahlung, für welche der Architekt und das Bau­ unternehmen gesamtschuldnerisch haften, ist zweckgebunden. Der Bauherr muss nach Man­ gelbeseitigung die entstandenen Kosten gegenüber dem Architekten und dem Bauunternehmen abrechnen, vgl. BGH NJW 2018, 1463 ff. 60 Haftet ein Gesamtschuldner im Innenverhältnis nicht ausnahmsweise allein, ist jeder Befreiungsschuldner zugleich auch ein Befreiungsgläubiger. Die materiell-rechtlichen und prozessualen Folgen dessen werden in einem gesonderten Kapitel behandelt.

26

Einleitung  

B. Gang der Untersuchung Aufgrund der Unzulänglichkeit der für den Befreiungsgläubiger bestehenden prozessualen Möglichkeiten zur Durchsetzung seines Befreiungsanspruchs aus § 426  BGB wurden in jüngerer Zeit in der Literatur zwei Thesen zu der Frage aufgestellt, ob und wie der beklagte Architekt im Ausgangsfall bzw. in dessen Abwandlung im Rahmen des anhängigen Hauptverfahrens seinen Befreiungsan­ spruch gegen das Bauunternehmen geltend machen kann. Schweer / Todorow61 und Damrau62 vertreten die Ansicht, dass ein Befreiungs­ gläubiger seinen Befreiungsanspruch aus § 426 BGB mittels einer isolierten Dritt­ widerklage gegen den nicht verklagten Befreiungsschuldner geltend machen kann. Kähler63 hingegen plädiert für die Zulassung des Rechtsinstituts der sogenannten streitgenössischen Erweiterungsklage, mittels welcher in analoger Anwendung des § 263 ZPO ein verklagter Streitgenosse im Rahmen des Hauptverfahrens gegen einen weiteren verklagten Streitgenossen Ansprüche geltend machen kann. Die Untersuchung wird zeigen, dass beide Thesen abzulehnen sind aus Gründen, die jeweils im Zusammenhang mit der einzelnen These erläutert werden. Anschließend wird als eigene These dargelegt, wie im Ausgangsfall das Pro­ blem des Befreiungsgläubigers in Bezug auf die wirksame Durchsetzung seines Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB durch Anerkennung der gesamtschuldneri­ schen Befreiungsklage als Prozessrechtsinstitut eigener Art gelöst werden kann.

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Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004, 3010. Damrau, ZErb 2009, S. 145, 148 f. 63 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 497. 62

Kapitel 1

Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen als Drittwiderklage Die These der Zulässigkeit einer Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen in Form einer Drittwiderklage ist sowohl hinsichtlich der möglichen Parteien des Verfahrens als auch hinsichtlich des Inhalts des geltend gemachten Anspruchs und dessen Bezug zur Hauptklage zu untersuchen.

A. Streitgenosse als „Dritter“ im Sinne der Drittwiderklage Bei einer gemeinsamen Inanspruchnahme der gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen sind beide Gesamtschuldner als Beklagte Partei des anhängigen Hauptverfahrens. Bereits diese Parteistellung könnte der Zulässigkeit einer Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen in Form einer Drittwider­ klage entgegenstehen.

I. Die Rechtsprechung des BGH In seinem Urteil vom 12. Oktober 19951 hatte der BGH über die Frage zu ent­ scheiden, ob eine Drittwiderklage zulässigerweise gegen den bereits als Streithelfer der Beklagten am Prozess Beteiligten gerichtet werden kann. Nach den Urteils­ gründen ist „Dritter im Sinne einer parteierweiternden2 Widerklage […] jede Person, die weder Kläger noch Beklagter des anhängigen Verfahrens ist“. Eine Begründung oder Erläuterung dieser Definition führt der BGH nicht an. Auch die seitens des BGH in seinem Urteil insofern zitierte Literatur3 liefert keine weiteren Erkenntnisse. Die Zulässigkeit der Drittwiderklage bejahte der BGH sodann auf

1

BGH NJW 1996, 196. Der BGH hat die Definition sowohl im Zusammenhang mit einer streitgenössischen – NJW 1996, 196 – als auch mit einer isolierten – NJW 2014, 1670, 1671 – Drittwiderklage ge­ braucht. 3 Stein / Jonas-Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 33 Rn. 29; Schilken, in: MünchKomm-ZPO, § 67 Rdnr. 2. 2

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

Grundlage seiner vorstehenden Definition mangels Parteistellung4 des Streithel­ fers. Seine Definition hat der BGH jüngst5 noch einmal bestätigt. Geht der Hauptgläubiger nur gegen einen Gesamtschuldner vor, kann nach der Definition des BGH der bislang unbeteiligte Gesamtschuldner Dritter im Sinne einer Drittwiderklage sein. Ob ein mitverklagter Streitgenosse Dritter im Sinne der Drittwiderklage sein kann, hat der BGH bisher nicht ausdrücklich entschieden. Diese Frage dürfte der BGH jedoch unter Verweis auf seine Definition aufgrund der Parteistellung des Streitgenossen verneinen.6

II. Die herrschende Literaturansicht Nach der herrschenden Meinung in der Literatur7 kann ein Streitgenosse keine Drittwiderklage gegen den eigenen Streitgenossen erheben. Eine Begründung für diese Ansicht wird überwiegend nicht angeführt. Vollkommer 8 stellt darauf ab, dass keine „‚parteierweiternde‘“ Widerklage vorliege, weil bei einer Klage unter Streitgenossen keine „‚neue‘“ Partei hinzutrete.9

4

Stein / Jonas-Jacoby, § 67 Rn. 1. BGH NJW  2014, 1670, 1671, wobei der BGH die Zulässigkeit der Drittwiderklage in diesem Fall im Ergebnis verneinte, nachdem er festgestellt hatte, dass ein Streithelfer grund­ sätzlich Dritter im Sinne einer Drittwiderklage sein kann. 6 So OLG Köln NZBau 2013, 375, 379, das einen mitverklagten Streitgenossen nicht als Dritten im Sinne einer Drittwiderklage ansieht und dabei auf BGH NJW 1996, 196 verweist. 7 Baumbach / L auterbach / Albers / Hartmann, Anh. § 253 Rn. 4; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 97 Rn. 30; Prütting / Gehrlein-Wern, § 33 Rn. 11; Stein / Jonas-Roth, § 33 Rn. 40; SaengerBendtsen, § 33 Rn. 16; Thomas / P utzo-Hüßtege, § 33 Rn. 9; Wieczorek / Schütze-Smid / Hartmann, § 33 Rn. 112. 8 Zöller31-Vollkommer, § 33 Rn. 22a; gleichwohl befürwortet Vollkommer die These Käh­ lers zur Zulässigkeit einer Erweiterungsklage unter Streitgenossen, vgl. Zöller31-Vollkommer, § 33 Rn. 22a, vor § 50 Rn. 1. 9 In der 32., neu bearbeiteten Auflage des Zöller übernimmt Schultzky die Ansicht Voll­ kommers wie folgt: „Ebenso ist es möglich, die Widerklage auch gegen Streitgenossen auf ders. Parteiseite zu richten (LG Freiburg VersR 91, 1431; Damrau ZErb 2009, 145; Kähler ZZP 123 [2010], 473; aA StJ / Roth Rn 40; RSchwab / Gottwald § 96 Rn 2, 29); es handelt sich um keinen Fall der ‚parteierweiternden‘ Widerklage, weil keine ‚neue‘ Partei in das Verf hineingezogen wird. Eine isolierte ‚Widerklage‘ gegen einen Streitgenossen auf ders Parteiseite ist hingegen unzulässig (s § 263 Rn 4).“, vgl. Zöller-Schultzky, § 33 Rn. 21. Die unveränderte Übernahme der Ausführungen Vollkommers, mit denen Vollkommer die Drittwiderklage von der von ihm befürworteten Erweiterungsklage abgrenzt (Zöller31-Vollkommer, § 33 Rn. 22a, vor § 50 Rn. 1), unter die geänderte Überschrift „Parteien“ und die – insoweit kommentarlos – anschließende Übernahme der Gegenmeinung Gregers, der eine Erweiterungsklage unter Streitgenossen ab­ lehnt (Zöller-Greger, § 263 Rn. 4), führen dazu, dass die Kommentierung Schultzkys in ihrer jetzigen Form widersprüchlich ist und Schultzkys eigene Ansicht zum Streitstand unklar bleibt. Zudem geht die Zitierung Damraus fehl, weil nach Ansicht Damraus eine Drittwider­ klage gegen den mitverklagten Streitgenossen gerade nicht zulässig sein soll, vgl. Damrau, ZErb 2009, S. 145, 150. 5

A. Streitgenosse als „Dritter“ im Sinne der Drittwiderklage 

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III. Die Ansicht Lükes Lüke sieht den Konsens über die Unzulässigkeit einer Klage gegen den eigenen Streitgenossen im herrschenden Verständnis des Zweiparteiensystems begründet.10 Obwohl die herrschende Meinung dies nicht ausdrücklich so formuliere, beziehe sie das Zweiparteiensystem „wohl auf den Prozess als Ganzes“11. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, „daß alle beteiligten Parteien eines Verfahrens entweder einer (einheitlichen) Kläger- oder Beklagtenseite zugeordnet werden können“12. Da bei einer Klage unter Streitgenossen diese sowohl dem Kläger als auch unter­ einander als Gegner gegenüberstünden, sei eine solche Klage mit dem Zweipar­ teiensystem nach herrschendem Verständnis unvereinbar.13 Hingegen ist nach Ansicht Lükes das Zweiparteiensystem lediglich auf das je­ weilige Prozessrechtsverhältnis zu beziehen.14 Deshalb stelle eine Klage unter Streitgenossen keinen Verstoß gegen das Zweiparteiensystem dar, weil sich die Streitgenossen allein im untereinander begründeten Prozessrechtsverhältnis als Kläger und Beklagter gegenüberstünden und das jeweilige Prozessrechtsverhältnis der Streitgenossen zum Kläger hiervon losgelöst zu betrachten sei.15

IV. Die Ansicht Kählers Kähler ordnet die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen auf Innenausgleich nicht als Drittwiderklage, sondern als streitgenössische Erwei­ terungsklage ein, weil diese Klage weder dem Kläger noch dem ursprünglichen Klagebegehren entgegengesetzt sei.16 Nach Kähler sind jedoch auch Konstellatio­ nen denkbar, in denen eine solche Entgegensetzung gegeben ist, es also zu einer Widerklage / Drittwiderklage17 unter Streitgenossen kommt.18 Bestehe beispiels­ weise im Dreipersonenverhältnis zwischen Bauherr, Handwerker und Architekt eine Gesamtschuldnerschaft des Handwerkers und Architekten gegenüber dem Bauherrn sowie des Architekten und Bauherrn gegenüber dem Handwerker und klage der Handwerker gegen den Architekten und den Bauherrn als Gesamtschuld­ 10

Lüke, S. 432. Lüke, S. 430. 12 Lüke, S. 432. 13 Lüke, S. 432. 14 Lüke, S. 433. 15 Lüke, S. 435, Fn. 65. 16 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 484. 17 Kähler verwendet zunächst nur den Begriff der Widerklage gegen den Streitgenossen, spricht später jedoch auch von der Drittwiderklage gegen den bzw. unter Streitgenossen, vgl. Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 482 f. 18 Diese Differenzierung Kählers zwischen einer Widerklage und einer Erweiterungsklage gegen den Streitgenossen wird in Zöller31-Vollkommer, § 33 Rn. 22a nicht vollständig wieder­ gegeben. 11

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

ner, könne der Bauherr gegen den Handwerker Widerklage erheben. In diesem Fall sei auch die Klage des Bauherrn gegen den Architekten, der gesamtschuldnerisch mit dem Handwerker hafte, der ursprünglichen Klage entgegengesetzt.19 Sei eine solche Entgegensetzung gegeben (liege also die typische Situation einer streitge­ nössischen oder isolierten20 Drittwiderklage vor), soll nach Kähler die Drittwider­ klage auch gegen den eigenen Streitgenossen gerichtet werden können, weil keine Gründe gegen die Zulässigkeit einer solchen Klage ersichtlich seien.21 Anderenfalls käme es vielmehr zu einer Besserstellung des mitverklagten Streit­ genossen, der – im Gegensatz zu einem nicht mitverklagten Streitgenossen – im anhängigen Verfahren nicht vom bereits verklagten Streitgenossen in Anspruch genommen werden könne. Diese Besserstellung sei jedoch argumentativ nicht zu rechtfertigen. Insbesondere habe der Beklagte und potenzielle Widerkläger keinen Einfluss darauf, mit wem er in Streitgenossenschaft durch den Kläger in Anspruch genommen werde. Der Umfang der Widerklagebefugnis des Beklagten dürfe je­ doch nicht von einer Entscheidung des Klägers abhängen. Zudem bestünde die Gefahr der Zersplitterung von Verfahren und der Widersprüchlichkeit von Ent­ scheidungen, sofern die Drittwiderklage gegen den eigenen Streitgenossen in den beschriebenen Fällen nicht zugelassen werde.

V. Stellungnahme Die Rechtsprechung des BGH und die Ansichten in der Literatur sind unterschied­ lich zu bewerten. 1. Die Rechtsprechung des BGH Die Definition des BGH – „Dritter im Sinne einer parteierweiternden Wider­ klage ist jede Person, die weder Kläger noch Beklagter des anhängigen Verfahrens ist“22 – basiert auf dem Begriff der „parteierweiternden Widerklage“23. Parteien im Urteilsverfahren sind entweder Kläger oder Beklagte.24 Eine Erweiterung der

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Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 477 f. Zu einer isolierten Drittwiderklage komme es, wenn der Bauherr mit seiner Forderung gegen den Handwerker aufrechnen und zudem den Architekten widerklagend in Anspruch nehmen würde, vgl. Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 481. 21 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 479 ff.; zustimmend Braun, Kap. 35, S. 551. 22 BGH NJW 1996, 196. 23 Den Begriff der parteierweiternden Widerklage verwendete der BGH erstmals in den Gründen seines Urteils vom 20. Mai 1981, NJW 1981, 2642, 2643. Dies verkennt Ackermann, der den Begriff der parteierweiternden Widerklage als reine „Wortschöpfung“ der Literatur darstellt, vgl. Ackermann, S. 21. 24 Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 40 Rn. 30. 20

A. Streitgenosse als „Dritter“ im Sinne der Drittwiderklage 

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Parteien setzt voraus, dass der Dritte nicht bereits Kläger oder Beklagter ist.25 Mit seiner Definition schafft der BGH für die Drittwiderklage ein Zulässigkeitskrite­ rium26, das allein auf die (fehlende) Parteistellung des Dritten abstellt. Für die Fallgestaltung der Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitge­ nossen ergibt sich daraus Folgendes: Nimmt der Kläger nur einen Gesamtschuld­ ner in Anspruch, könnte dieser gegen den bislang unbeteiligten Gesamtschuldner grundsätzlich eine Drittwiderklage erheben.27 Nimmt der Kläger jedoch beide Ge­ samtschuldner in Anspruch, schiede eine solche Drittwiderklage aufgrund der bei­ derseitigen Parteistellung aus. Das Erfordernis einer Parteierweiterung führt somit dazu, dass der Kläger durch seine Klageerhebung bestimmen kann, gegen welchen Dritten der Beklagte eine Drittwiderklage erheben oder nicht erheben kann.28 Be­ reits die bloße Parteistellung eines Prozessbeteiligten hat die Unzulässigkeit einer gegen ihn gerichteten Drittwiderklage zur Folge. Eine Rechtfertigung hierfür ist nicht offensichtlich. Das Erfordernis der Parteierweiterung als Zulässigkeitskrite­ rium einer Drittwiderklage bedarf der näheren Untersuchung. Hierzu ist die prozessuale Situation der Drittwiderklage mit derjenigen einer nachträglichen subjektiven Klagenhäufung auf Beklagtenseite zu vergleichen. Denn der BGH stuft die in einer nachträglichen subjektiven Klagenhäufung lie­ gende Parteierweiterung als Klageänderung29 ein und prüft auf Grundlage dessen auch die Zulässigkeit der Drittwiderklage „unter den Voraussetzungen der als Kla­ geänderung behandelten Parteierweiterung“30. Der Prüfungsumfang scheint auf den ersten Blick der gleiche zu sein. Übertragen auf den Fall der nachträglichen subjektiven Klagenhäufung müsste die Definition des BGH zur Drittwiderklage demnach umformuliert werden in: Eine nachträgliche subjektive Klagenhäufung ist gegen jede Person zulässig, die weder Kläger noch Beklagter des anhängigen Verfahrens ist. Das Problem dieser Definition kann anhand des Falls einer kombinierten ur­ sprünglichen aktiven und passiven Streitgenossenschaft verdeutlicht werden: A und B verklagen gemeinsam C und D, wobei A zunächst nur gegen C vorgeht, während B sogleich C und D in Anspruch nimmt.31 Im Laufe des Verfahrens will 25

Stein / Jonas-Roth, § 263 Rn. 40. Vgl. OLG Köln NZBau 2013, 375, 379, das sich in seiner Zulässigkeitsprüfung auf das Urteil des BGH NJW 1996, 196 bezieht. 27 Die Zulässigkeitsprüfung bleibt hier auf die möglichen Parteien einer Drittwiderklage beschränkt. 28 Vgl. Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 479, der insofern von einer „unverhofften Immuni­ tät“ des Beklagten spricht, die er durch die ursprüngliche Klage erlangt. 29 BGH NJW 1976, 239, 240; NJW 1996, 196, 197. 30 BGH NJW 2001, 460, 461; zur Kritik an dieser Klageänderungstheorie siehe Putzo, NJW 1964, 500, der die Zulässigkeit des Klagebegehrens auf Grundlage der §§ 59, 60 ZPO prüft. 31 Die seitens des BGH NJW 1992, 981 geforderte Voraussetzung, „daß die ‚als Streitgenos­ sen‘ in Anspruch genommenen Personen zumindest einem gemeinschaftlichen Gegner gegen­ überstehen“, ist für die aktiven Streitgenossen A und B sowie für die passiven Streit­genossen C und D erfüllt. 26

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

A sodann auch gegen D Ansprüche geltend machen. Bei Anwendung der vorste­ henden Definition stünde die Parteistellung des D als Beklagter der nachträglichen subjektiven Klagenhäufung durch A entgegen. Gründe für die Unzulässigkeit der nachträglichen subjektiven Klagenhäufung durch A sind jedoch nicht ersichtlich. Bei einer Streitgenossenschaft werden meh­ rere unabhängige Prozessrechtsverhältnisse zu einem einheitlichen Verfahren zu­ sammengefasst32, in dem jeder Streitgenosse Partei wird33. Ein Streitgenosse wird dadurch auch im Verhältnis zu einem Kläger oder einem Beklagten Partei, zu dem kein Prozessrechtsverhältnis besteht. So kommt es zu einer „Parteieigenschaft kraft äußerer Verbindung der Verfahren“, die allein der Vereinheitlichung des Verfah­ rens dient. Die Prozessbeteiligten können sie nicht verhindern. Der Umstand der Parteieigenschaft kraft äußerer Verbindung der Verfahren ist jedoch kein Grund für die Unzulässigkeit der nachträglichen subjektiven Klagenhäufung durch A. Ins­ besondere macht es hinsichtlich der Voraussetzungen und der Wirkung einer Streit­ genossenschaft keinen Unterschied, ob diese ursprünglich oder nachträglich be­ gründet wurde.34 Die Möglichkeit der nachträglichen subjektiven Klagenhäufung dient der Prozessökonomie.35 Das Erfordernis einer Parteierweiterung als Zuläs­ sigkeitskriterium würde jedoch zu gegenläufigen36 Ergebnissen führen, weil nicht in jeder nachträglichen subjektiven Klagenhäufung auch eine Parteierweiterung liegt. Die Parteieigenschaft eines Beklagten steht der Zulässigkeit einer nachträg­ lichen subjektiven Klagenhäufung im Ergebnis nicht entgegen. Diese Frage wird –  soweit ersichtlich  – in Literatur und Rechtsprechung nicht thematisiert. Hierzu gibt der Begriff der nachträglichen subjektiven Klagenhäufung auch keinen An­ lass, weil die Parteierweiterung kein Bestandteil davon ist.37 Im Gegensatz dazu steht der Begriff der parteierweiternden Widerklage. Eine parteierweiternde Widerklage in Form einer Klage unter Streitgenossen ist nach der Definition des BGH unzulässig, weil die Streitgenossen im Verhältnis unterei­ nander bereits Parteien des Verfahrens sind. Doch auch bei gemeinsam verklagten Streitgenossen kommt es – wie im vorstehenden Beispielsfall zur nachträglichen subjektiven Klagenhäufung – im Verhältnis der Streitgenossen untereinander zu einer Parteieigenschaft kraft äußerer Verbindung der Verfahren. Der Unterschied zum vorangegangenen Beispielsfall besteht – bezogen auf die Parteieigenschaft – lediglich darin, dass bei einer Klage unter Streitgenossen die Streitgenossen bereits Partei „im selben Lager“, nämlich auf Beklagtenseite sind. Dieser Unterschied rechtfertigt indes keine andere Beurteilung, weil es nach der Definition des BGH 32

Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 48 Rn. 12. Stein / Jonas-Bork, vor § 59-§ 63 Rn. 1. 34 Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 42 Rn. 21 sowie § 48 Rn. 2; Stein / Jonas-Bork, vor § 59–§ 63 Rn. 6; Zöller-Greger, § 263 Rn. 21. 35 Stein / Jonas-Roth, § 263 Rn. 67. 36 A müsste einen neuen Prozess gegen D anstrengen. 37 Es wird nicht etwa von einer nachträglichen parteierweiternden Klagenhäufung ge­ sprochen. 33

A. Streitgenosse als „Dritter“ im Sinne der Drittwiderklage 

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allein auf die Parteistellung des Dritten als solche und nicht auf seine Stellung als Kläger oder Beklagter im Verfahren ankommt. Die vergleichende Untersuchung mit der nachträglichen subjektiven Klagenhäufung zeigt, dass das Erfordernis einer Parteierweiterung als Zulässigkeitskriterium einer Drittwiderklage inhalt­ lich nicht gerechtfertigt ist. Im Ergebnis ist das Zulässigkeitskriterium der Parteierweiterung auf den Ge­ brauch des Begriffs der parteierweiternden Widerklage zurückzuführen. Dieser Begriff hat sich durch den Umstand gebildet38 und gefestigt39, dass dem BGH seit seiner Grundsatzentscheidung am 17. Oktober  196340 nur solche Fälle zur Ent­ scheidung vorlagen, in denen die Drittwiderklage (neben dem Kläger oder isoliert) gegen41 eine Person gerichtet wurde, die bisher nicht Partei des Verfahrens war42. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Ausnahmefälle denkbar sind, in denen sich die Klage gegen eine Partei des Verfahrens richtet. Würden diese Klagen allein aufgrund der fehlenden Parteierweiterung als unzulässig abgewiesen, verkäme das Erfordernis der Parteierweiterung mangels inhaltlicher Rechtfertigung zum Selbstzweck. Bei Anerkennung eines Ausnahmefalls stellt sich die Frage, ob die Klage als Widerklage oder als Drittwiderklage zu bezeichnen ist. Für den Begriff der Wider­ klage spricht, dass die Klage im Rahmen des anhängigen Prozesses erhoben wird, sich aber nicht gegen einen außenstehenden Dritten richtet. Gegen den Begriff der Widerklage spricht, dass er nach der ZPO – wenn auch nicht ausdrücklich defi­ niert – ein Prozessrechtsinstitut beschreibt, das die Erhebung einer Klage durch den Beklagten als Widerkläger gegen den Kläger als Widerbeklagten zum Inhalt hat43. Vorzugswürdig ist daher der Begriff der Drittwiderklage. Zwar richtet sich die Klage nicht gegen einen bisher am Prozess unbeteiligten Dritten. Jedoch rich­ tet sie sich gegen einen Dritten in dem Sinne, dass sie nicht – wie bei der Wider­ klage – gegen den Kläger gerichtet ist. Ein Ausnahmefall im vorbeschriebenen Sinne wurde durch das LG Freiburg44 wie folgt entschieden: Die Unfallbeteiligten A und B waren bei derselben Versiche­ rung haftpflichtversichert. A erhob eine Schadensersatzklage gegen B sowie – auf Grundlage des Direktanspruchs aus § 115 VVG – gegen die Haftpflichtversiche­ 38

BGH NJW 1981, 2642, 2643. BGH NJW 1996, 196; NJW 2007, 1753, 1754; NJW-RR 2008, 1516; NJW 2011, 460, 461; NJW 2014, 1670, 1671. 40 BGH NJW 1964, 44. 41 Lediglich in seinem Urteil vom 8. März 1972, MDR 1972, 600 musste sich der BGH mit einer Widerklage durch Dritte auseinandersetzen, deren Zulässigkeit er verneinte. 42 BGH NJW 1966, 1028; NJW 1971, 466; NJW 1975, 1228; NJW 1977, 1637; NJW 1981, 2642; NJW 1984, 2104; NJW 1987, 3138; NJW-RR 1990, 1265; NJW 1991, 2838; NJW 1992, 982; NJW 1993, 2120; NJW 1996, 196; NJW 2000, 1871; NJW 2001, 2094; NJW 2007, 1753; NJW 2008, 2852; NJW-RR 2008, 1516; NJW 2011, 460; NJW 2014, 1670. 43 Stein / Jonas-Roth, § 33 Rn. 1. 44 LG Freiburg VersR 1991, 1431, 1432. 39

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

rung. Daraufhin erhob B eine auf Schadensersatz gerichtete Widerklage gegen A sowie – ebenfalls auf Grundlage des § 115 VVG – gegen die Haftpflichtversiche­ rung, also den eigenen Streitgenossen. Diese Drittwiderklage, in den Urteilsgrün­ den als Widerklage bezeichnet, erachtete das LG Freiburg aufgrund der Beson­ derheit des Falls für zulässig. Die Entscheidung ist in die Fallgruppe „Doppelte Gesamtschuldnerschaft in einem Dreipersonenverhältnis“ einzuordnen: A und die Haftpflichtversicherung hafteten gegenüber B, zugleich hafteten B und die Haft­ pflichtversicherung gegenüber A. Die Konstellation einer Drittwiderklage ohne Parteierweiterung kann sich zu­ dem aus dem Ausgangsfall dieser Untersuchung ergeben. Der Ausgangsfall ist der Fallgruppe „Befreiungsklage aus § 426 BGB“ zuzuordnen. Die Konstellationen der doppelten Gesamtschuldnerschaft in einem Dreiperso­ nenverhältnis sowie der Befreiungsklage aus § 426 BGB sind somit – bezogen auf die Fragestellung der Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen – Beispiele für den Ausnahmefall einer Drittwiderklage ohne Parteierweiterung. Eine solche Drittwiderklage ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil sie sich gegen eine Partei des anhängigen Verfahrens richtet. 2. Die herrschende Literaturansicht Die herrschende Literaturansicht begründet ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Klage unter Streitgenossen überwiegend nicht.45 Zu vermuten ist, dass hier –  wie bei Vollkommer 46 – der Prüfung maßgeblich der Begriff der parteierweitern­ den Widerklage zugrunde gelegt wird. Daher kann auf die Stellungnahme zur Rechtsprechung des BGH verwiesen werden. 3. Die Ansicht Lükes Lüke ist im Ergebnis darin zuzustimmen, dass sich die Klage unter Streitge­ nossen in das Zweiparteiensystem einfügt. Jedoch sind das von Lüke dargestellte Verständnis der herrschenden Literaturmeinung des Zweiparteiensystems sowie seine Schlussfolgerungen hierzu noch etwas differenzierter zu betrachten. Lüke geht davon aus, dass die herrschende Literaturmeinung das Zweiparteien­ system nicht – wie er – auf das jeweilige Prozessrechtsverhältnis, sondern auf den „Prozess als Ganzes“ beziehe.47 Diese Annahme ist jedoch mit dem Umstand, 45

Baumbach / L auterbach / Albers / Hartmann, Anh.  § 253 Rn. 4; Prütting / Gehrlein-Wern, § 33 Rn.  11; Stein / Jonas-Roth, § 33 Rn. 40; Saenger-Bendtsen, § 33 Rn. 16; Rosenberg / ​Schwab / ​ Gottwald, § 97 Rn. 30; Thomas / P utzo-Hüßtege, § 33 Rn. 9. 46 Zöller31-Vollkommer, § 33 Rn. 22a. 47 Lüke, S. 430.

A. Streitgenosse als „Dritter“ im Sinne der Drittwiderklage 

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dass sich nach der herrschenden Meinung die Streitgenossenschaft ohne Weite­ res in das Zweiparteiensystem einfügt48, nicht in Einklang zu bringen. So stellt etwa Althammer fest: „Ein Prozessverhältnis besteht stets aus 2 Personen. Klagen daher Streitgenossen oder wird gegen Streitgenossen geklagt, so liegen ebenso viele Prozessrechtsverhältnisse vor“49. Weth formuliert ausführlicher: „Mehr als zwei Parteien sind im Zivilprozess nicht möglich. Wohl können auf jeder Par­ teiseite mehrere Personen beteiligt sein. Es liegt dann Streitgenossenschaft vor (§§ 59–63). Aber auch in diesem Fall treten sich nur zwei Parteien gegenüber, weil jeder Streitgenosse in einem eigenen Prozessrechtsverhältnis zum Gegner steht und die mehreren Prozesse nur zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung verbunden sind; es liegen also mehrere Parallelprozesse vor“50. Diese Ausführun­ gen zur Streitgenossenschaft zeigen, dass die herrschende Literaturmeinung das Zweiparteiensystem nur auf die jeweiligen Prozessrechtsverhältnisse als „Spiegel­ bilder der inter partes geführten Streitigkeiten und der grundsätzlich inter partes wirkenden Rechtskraft der von den Parteien beantragten Urteile“51 und nicht auf den Prozess als Ganzes bezieht. Lediglich Roth zieht darüber hinaus folgende Schlussfolgerung: „Gleichwohl haben die jeweiligen Streitgenossen dieselbe Parteirolle, so daß es zwischen ih­ nen keine weitere ‚Polarisierung‘ geben kann“52. Demnach würde eine Klage unter Streitgenossen gegen das Zweiparteiensystem verstoßen. Die Schlussfolgerung Roths ist jedoch nicht vom „Strukturprinzip“53 des Zweiparteiensystems gedeckt. Dies wird anhand einer Abgrenzung des Zweiparteiensystems vom Mehrpartei­ enprozess deutlich. Ein Mehrparteienprozess setzt voraus, dass ein Dritter Partei des Rechtsstreits wird, ohne dabei dem Lager des Klägers oder des Beklagten an­ zugehören54. Damit entsteht „ein Streit um Rechtspositionen, der mehr als zwei Gegnerschaftsverhältnisse ausbildet“55. Hingegen spiegelt das Zweiparteiensys­ tem die vom materiellen Recht (§ 194 BGB) vorgegebene „Polarisierung“56 zwi­ schen Kläger und Beklagtem wider: Der Vorteil der einen Partei bedeutet zwin­ gend den Nachteil der anderen.57 Dritte können – auch hinsichtlich des gleichen Streitgegenstands  – als Partei in dieses Zweiparteiensystem nicht eindringen, sondern allenfalls ein weiteres Verfahren anstrengen und eine Verbindung nach 48

Zöller-Althammer, vor  § 50 Rn. 1; Saenger-Bendtsen, § 50 Rn. 1; Stein / Jonas-Jacoby, vor § 50 Rn. 26; MüKo-ZPO-Lindacher, Vorbemerkung zu § 50 Rn. 9; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 40 Rn. 26; Schmidt, Mehrseitige Gestaltungsprozesse, S. 35; Wieczorek / SchützeSchulze, vor § 50 Rn. 7 f.; Musielak / Voit-Weth, § 50 Rn. 5. 49 Zöller-Althammer, vor § 50 Rn. 1. 50 Musielak / Voit-Weth, § 50 Rn. 5. 51 Schmidt, Mehrseitige Gestaltungsprozesse, S. 35. 52 Roth, FS Großfeld, S. 915, 917. 53 Bruns, § 1 Rn. 3b. 54 Zöller-Althammer, vor § 50 Rn. 1. 55 Wieczorek / Schütze-Mansel, vor § 64 Rn. 29. 56 Schilken, § 4 Rn. 72. 57 Bruns, § 1 Rn. 3b.

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

§ 147 ZPO anregen.58 Der Bezug des Zweiparteiensystems auf das jeweilige Pro­ zessrechtsverhältnis führt dazu, dass jedes einzelne Prozessrechtsverhältnis in sich abgeschlossen ist. Dann kann anhand des Zweiparteiensystems jedoch nicht hergeleitet werden, dass Streitgenossen untereinander kein Prozessrechtsverhältnis begründen können. Denn entgegen den Ausführungen Roths haben Streitgenos­ sen im Verfahren nicht „dieselbe Parteirolle“59, sondern die gleiche Parteirolle in voneinander unabhängig zu betrachtenden Prozessrechtsverhältnissen. Die Klage unter Streitgenossen führt nicht zu einem Mehrparteienprozess, weil sich das neue Klagebegehren nicht auf ein bestehendes Prozessrechtsverhältnis des anhängigen Verfahrens bezieht. Das anhängige Verfahren wird vielmehr um ein weiteres Pro­ zessrechtsverhältnis ergänzt.60 4. Die Ansicht Kählers Kähler ist darin zuzustimmen, dass kein Grund dafür besteht, bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen einer zulässigen – isolierten oder streitgenössischen – Drittwiderklage, diese allein aufgrund der Parteistellung des Streitgenossen nicht zuzulassen. Kähler greift in seinem Beispielsfall auf die Konstellation einer doppelten Ge­ samtschuldnerschaft in einem Dreipersonenverhältnis zurück.61 Diese Konstellation beschreibt einen Ausnahmefall einer Drittwiderklage ohne Parteierweiterung.

VI. Fazit Der BGH62 und die Literatur63 verwenden die Begriffe der parteierweiternden Widerklage und der Drittwiderklage synonym. Allein hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass eine Klage gegen den eigenen Streitgenossen in kei­ nem Fall als zulässige Drittwiderklage erhoben werden kann. Denn es existieren Ausnahmefälle einer Drittwiderklage ohne Parteierweiterung, beispielsweise die Drittwiderklage bei doppelter Gesamtschuldnerschaft in einem Dreipersonenver­ hältnis oder auf Befreiung aus § 426 BGB. Diese Drittwiderklagen sind mit dem

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Grunsky / Jacoby, 9. Kap. Rn. 356. Roth, FS Großfeld, S. 915, 917. 60 Zu diesem Ergebnis im Zusammenhang mit der Drittwiderklage vgl. Uhlmannsiek, S. 61; a. A. Roth, wonach das Zweiparteiensystem durch eine Drittwiderklage „gesprengt“ werde, vgl. Roth, FS Beys, S. 1353, 1354. 61 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 477 f. 62 BGH NJW 1981, 2642, 2643; NJW 1996, 196; NJW 2007, 1753, 1754; NJW-RR 2008, 1516; NJW 2011, 460, 461; NJW 2014, 1670, 1671. 63 Stein / Jonas-Roth, § 33 Rn. 40; Zöller-Schultzky, § 33 Rn. 24; Wieczorek / Schütze-Smid  / ​ Hartmann, § 33 Überschrift vor Rn. 101. 59

B. Der Inhalt des zwischen den Streitgenossen geltend gemachten Anspruchs 

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Zweiparteiensystem vereinbar, weil das anhängige Verfahren um ein weiteres Pro­ zessrechtsverhältnis ergänzt wird. Die Untersuchung hat gezeigt, dass ein mitverklagter Streitgenosse Dritter im Sinne einer Drittwiderklage sein kann. Dies bedeutet zunächst jedoch lediglich, dass eine Drittwiderklage nicht bereits deshalb unzulässig ist, weil sie gegen den eigenen Streitgenossen gerichtet wird. Ob eine Drittwiderklage gegen den eigenen Streitgenossen im Übrigen zuzulassen ist, hängt maßgeblich vom Inhalt des geltend gemachten Anspruchs und seinem Bezug zum ursprünglichen Klagebegehren ab.

B. Der Inhalt des zwischen den gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen geltend gemachten Anspruchs und sein Bezug zum Hauptklagebegehren Nach den möglichen Parteien einer Drittwiderklage ist weiter der Inhalt des zwischen den gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen geltend gemachten Anspruchs und sein Bezug zum Hauptklagebegehren zu untersuchen. Hier ist zwischen den Ausnahmefällen einer Drittwiderklage ohne Parteierwei­ terung – der doppelten Gesamtschuldnerschaft im Dreipersonenverhältnis und der Befreiungsklage aus § 426 BGB – zu unterscheiden.

I. Doppelte Gesamtschuldnerschaft im Dreipersonenverhältnis Im Fall des LG Freiburg64 bestehen aufgrund des Verkehrsunfalls im Dreiperso­ nenverhältnis zwei Gesamtschuldnerschaften, nämlich des B und der Haftpflicht­ versicherung gegenüber A sowie des A und der Haftpflichtversicherung gegen­ über B. Aufgrund des Vorliegens zweier Gesamtschuldverhältnisse hat B gegenüber der Haftpflichtversicherung zum einen als Hauptgläubiger auf der Grundlage des § 115 VVG einen auf Schadensersatz gerichteten Direktanspruch im Außenverhält­ nis (mit der Rechtsfolge des § 421 BGB) und zum anderen als Befreiungsgläubiger im Innenverhältnis einen Befreiungsanspruch aus § 426 BGB. Im Fall des LG Freiburg macht B mit der Drittwiderklage gegen die Haftpflicht­ versicherung nur den Schadensersatzanspruch aus dem Außenverhältnis geltend. Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Das Klagebegehren des B ist unter der Prämisse zu untersuchen, dass ein Streit­ genosse Dritter im Sinne der Drittwiderklage sein kann.

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LG Freiburg VersR 1991, 1431.

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

1. Streitgenössische Drittwiderklage Die auf Schadensersatz gerichtete Drittwiderklage des Beklagten B gegen die Haftpflichtversicherung kann als streitgenössische Drittwiderklage zulässig sein. Der BGH lässt in ständiger Rechtsprechung eine konnexe streitgenössische Drittwiderklage zu, wenn zwischen dem Kläger und dem Drittwiderbeklagten eine Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO besteht und die Voraussetzungen einer Klageänderung nach § 263 ZPO – also Zustimmung des Drittwiderbeklagten oder Sachdienlichkeit – vorliegen.65 Aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung des A und seiner Haftpflichtver­ sicherung liegen die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft nach § 59 ZPO vor. Die Verhandlung der auf demselben Schadensereignis wie die Klage beruhen­ den – und damit konnexen66 – Drittwiderklage ist auch sachdienlich. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Schadensersatzklage des B gegen die Haftpflichtversicherung als streitgenössische Drittwiderklage zuzulassen.67 2. Isolierte Drittwiderklage Der Fall des LG Freiburg kann dahingehend abgewandelt werden, dass der Be­ klagte B mit seinem Schadensersatzanspruch gegenüber A die Aufrechnung er­ klärt und gegen die Haftpflichtversicherung eine auf Schadensersatz gerichtete Drittwiderklage erhebt. Die Drittwiderklage des B könnte nach der Rechtsprechung des BGH als iso­ lierte Drittwiderklage zulässig sein.68 Die prozessuale Situation ist mit derjenigen einer Zedentenwiderklage vergleichbar. Zur Zedentenwiderklage führt der BGH aus: „Dieser Fall ist nicht anders zu behandeln, als wenn der Auftraggeber die Forderung der Hilfsaufrechnung zum Gegenstand einer Widerklage gegen den Zessionar machen würde. In diesem Fall wäre die gleichzeitig gegen den Zedenten 65

BGH NJW 1964, 44, 45; NJW 1966, 1028; NJW 1971, 466; NJW 1975, 1228; NJW 1977, 1637, 1638; NJW 1981, 2642; NJW 1987, 3138; NJW 1991, 2838; NJW 1996, 196. Zudem muss das Prozessgericht für den Drittwiderbeklagten örtlich zuständig sein. Die Fragen der örtlichen Zuständigkeit werden hier nicht weiter vertieft, vgl. zum Streitstand Beck, WRP 2011, S. 414, 417 f. 66 Zöller-Schultzky, § 33 Rn. 4. 67 Diejenigen Stimmen in der Literatur, die die Zulässigkeit einer streitgenössischen Dritt­ widerklage an den §§ 59, 60  ZPO bzw. § 147  ZPO messen, gelangen in der beschriebenen Konstellation ebenfalls zur Zulässigkeit der streitgenössischen Drittwiderklage. 68 Eine solche Zulässigkeit legt Kähler seinen Ausführungen ohne Weiteres zugrunde, vgl. Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 482. Da die Konstellation einer doppelten Gesamtschuldner­ schaft in einem Dreipersonenverhältnis jedoch durch den BGH bisher noch nicht entschieden wurde und nach der Rechtsprechung des BGH eine isolierte Drittwiderklage grundsätzlich unzulässig ist, bedarf die Zulässigkeitsprüfung der näheren Erläuterung.

B. Der Inhalt des zwischen den Streitgenossen geltend gemachten Anspruchs 

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erhobene Drittwiderklage zulässig. Allein der Umstand, dass der Auftraggeber aus materiell-rechtlichen Gründen seinen Angriff gegen den Zessionar nicht mit einer Widerklage, sondern nur im Wege der Hilfsaufrechnung führen kann, rechtfertigt es nicht, die Drittwiderklage für unzulässig zu halten“69. In dem abgewandelten Fall des LG Freiburg ist es B – anders als im Fall der Zedentenwiderklage – zwar materiell-rechtlich möglich, seinen Anspruch gegen A anstelle der Aufrechnungserklärung im Wege einer Widerklage geltend zu machen. Jedoch besteht für B kein Zwang zur Erhebung einer Widerklage70, weil dies mit dem Grundsatz der Dispositionsfreiheit71 der Parteien nicht zu vereinbaren wäre. Der Umstand, dass B gegenüber A die Aufrechnung erklärt, anstatt eine Wider­ klage zu erheben, darf daher nicht zur Unzulässigkeit der Drittwiderklage gegen die Haftpflichtversicherung führen.72 Die Abwandlung des Beispielsfalls stellt somit nach den durch den BGH zur Zedentenwiderklage aufgestellten Grundsätzen eine zulässige Form der isolierten Drittwiderklage dar. In Anlehnung an den Begriff der Zedentenwiderklage ist sie als „Gesamtschuldnerwiderklage“ zu bezeichnen. 3. Fazit Die durch das LG Freiburg entschiedene Drittwiderklage ist der –  praktisch seltenen – Fallkonstellation der doppelten Gesamtschuldnerschaft in einem Drei­ personenverhältnis zuzuordnen. Dabei besteht die Besonderheit, dass sich die Dritt­ widerklage zwar gegen den eigenen gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen richtet, mit ihr aber kein Anspruch aus dem Innenverhältnis der Gesamtschuld­ nerschaft geltend gemacht wird, sondern ein Anspruch aus dem Außenverhältnis bezogen auf die weitere, zweite Gesamtschuldnerschaft. Unter der Prämisse, dass eine Drittwiderklage auch gegen den eigenen Streit­ genossen gerichtet werden kann, ist ihre Zulässigkeit nach den durch den BGH zur streitgenössischen Drittwiderklage aufgestellten Grundsätzen zu bejahen. Erklärt in einer Abwandlung des Falls ein beklagter Streitgenosse gegenüber dem Klä­ ger die Aufrechnung, kann der beklagte Streitgenosse gegen den weiteren Streit­ genossen eine auf Schadensersatz gerichtete isolierte Drittwiderklage erheben (Gesamtschuldnerwiderklage). 69

BGH NJW 2001, 2094. Hau, ZZP 117 (2004), S. 31, 38; Stein / Jonas-Roth, § 33 Rn. 7. Hingegen sieht beispiels­ weise das US-amerikanische Recht in bestimmten Fällen einen Zwang zur Widerklage­ erhebung vor („compulsory counterclaim“), vgl. Hau, ZZP 117 (2004), S. 31, 45 f. und Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 384. 71 BGH NJW 1995, 1223, 1224. 72 Da die Aufrechnung an die Stelle der – möglichen – Widerklage tritt, bezeichnet Baum­ stark die Drittwiderklage in diesem Fall nicht als isolierte Drittwiderklage, sondern als Dritt­ widerklage mit „Prothese“, vgl. Baumstark, S. 102. 70

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

II. Befreiungsanspruch aus § 426 BGB Die Konstellation einer Befreiungsklage aus § 426 BGB liegt dem Ausgangsfall dieser Untersuchung zugrunde. Ob im Ausgangsfall der Architekt seinen Befreiungsanspruch aus § 426 BGB gegen das Bauunternehmen zulässigerweise mittels einer Drittwiderklage geltend machen kann, ist in der Literatur und in der Rechtsprechung umstritten. 1. Thesen und Rechtsprechung zur Befreiungsklage aus § 426 BGB als Drittwiderklage In der Literatur existieren zwei Thesen zur Erhebung einer Befreiungsklage aus § 426  BGB in Form einer Drittwiderklage. In der Rechtsprechung haben sich das OLG Köln und in einem ähnlich gelagerten Fall der BGH mit der Frage auseinandergesetzt. a) Inhalt Vor einer Bewertung werden die vorhandenen Thesen und die insofern ergan­ gene Rechtsprechung inhaltlich dargestellt. aa) Die Ansicht Schweer / Todorows Schweer / Todorow73 haben die prozessuale Durchsetzung74 von Befreiungsan­ sprüchen bei streitiger Hauptforderung untersucht.75 Die Autoren beschränken ihre Ausführungen auf die Konstellation der Abwandlung des Ausgangsfalls, in der nur einer der beiden Gesamtschuldner durch den Hauptgläubiger in Anspruch genommen wird. Die Grundkonstellation des Ausgangsfalls lassen sie unerwähnt. Schweer / Todorow diskutieren zunächst, welche prozessualen Möglichkeiten zur Durchsetzung eines Befreiungsanspruchs bestehen. Die Erhebung einer Leistungs­ klage auf Befreiung parallel zum Prozess der ursprünglichen Inanspruchnahme sei nach der Rechtsprechung des BGH unzulässig. Die zulässige Erhebung einer Klage auf Feststellung der Befreiungsverpflichtung führe nicht zum benötigten Vollstre­ 73

Zum Folgendem vgl. Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004–3011. In einem zuvor veröffentlichten Aufsatz haben sich Schweer / Todorow mit den materiell­ rechtlichen Problemen von Befreiungsansprüchen bei streitiger Hauptforderung auseinander­ gesetzt, vgl. NJW 2013, S. 2072–2077. 75 Die Autoren haben zwischen Befreiungsansprüchen entstanden aus Vertrag, Schadens­ ersatz und Gesamtschuld unterschieden. An dieser Stelle werden nur die Ausführungen zu letzteren dargestellt. 74

B. Der Inhalt des zwischen den Streitgenossen geltend gemachten Anspruchs 

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ckungstitel. Eine Klage auf künftige Befreiung nach § 259 ZPO sei zwar zulässig, doch bestehe aufgrund der möglichen Zuständigkeit unterschiedlicher Gerichte die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen und zudem sei es wahrscheinlich, dass das Verfahren auf künftige Befreiung durch das Gericht wegen Vorgreiflich­ keit des ursprünglichen Prozesses der Inanspruchnahme des Gesamtschuldners bis zu dessen Erledigung nach § 148 ZPO ausgesetzt werde. Da der Befreiungsgläubiger anderenfalls ein „doppeltes“76 Insolvenzrisiko trage, sei der prozessual effizienteste Weg zur Durchsetzung des Befreiungsanspruchs die Erhebung einer isolierten Drittwiderklage gegen den Befreiungsschuldner im Rahmen des anhängigen Hauptverfahrens. Für dieses Vorgehen spreche ins­ besondere die Prozessökonomie, weshalb es nach den durch den BGH zur iso­ lierten Drittwiderklage entwickelten Grundsätzen zulässig sei. Eine tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung bestehe deshalb, weil mit der Drittwiderklage die Befreiung von genau denjenigen Ansprüchen begehrt werde, die Gegenstand der anhängigen Klage seien. Dem stehe nicht entgegen, dass dem Befreiungsan­ spruch ein gesetzliches Schuldverhältnis als selbstständiges Rechtsverhältnis zu­ grunde liege. Nach der Rechtsprechung des BGH müssten die Streitgegenstände von Klage und Drittwiderklage nicht deckungsgleich sein, vielmehr dürfe mit der Drittwiderklage neuer Streitstoff in den Prozess eingeführt werden. Auch die je­ weiligen Parteiinteressen stünden der Zulässigkeit nicht entgegen. Insbesondere sei der Kläger nicht in schutzwürdigen Interessen verletzt, weil die das Innenver­ hältnis der Gesamtschuldner betreffenden Tatfragen in Bauprozessen ohnehin re­ gelmäßig Gegenstand von Sachverständigengutachten seien und eine Überfrach­ tung des Prozesses daher nicht zu befürchten sei. Im Übrigen sei der Kläger durch die Möglichkeiten einer Abtrennung nach § 145 ZPO oder eines Teilurteils nach § 301 ZPO vor der Verschleppung des Klagverfahrens aufgrund der Drittwider­ klage ausreichend geschützt. bb) Die Ansicht Damraus Auch Damrau77 hat die Möglichkeit einer Klage unter Gesamtschuldnern auf Befreiung aus § 426 BGB untersucht.78 Dabei hat er sich ebenfalls auf die Konstel­ lation der Abwandlung des Ausgangsfalls beschränkt, mit der Begründung, dass der eigene Streitgenosse kein Drittwiderbeklagter sein könne. Richte sich die Be­ freiungsklage jedoch gegen einen bisher unbeteiligten Gesamtschuldner, sei dies nach der Rechtsprechung des BGH als isolierte Drittwiderklage zuzulassen. Denn nach dem BGH sei eine isolierte Drittwiderklage ausnahmsweise zulässig, wenn sie 76

Schweer / Todorow, NJW 2013, S.  3004. Zum Folgenden vgl. Damrau, ZErb 2009, S. 145, 148 f. 78 Der Untersuchung lag der Beispielsfall zugrunde, dass ein einzelner durch den Pflicht­ teilsberechtigten in Anspruch genommener Miterbe gegen die übrigen Miterben im Haupt­ verfahren seinen Befreiungsanspruch aus § 426 BGB geltend machen will. 77

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

prozessökonomisch und sachdienlich sei, was eine tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung des geltend gemachten Anspruchs mit dem ursprünglichen Klage­ begehren voraussetze. Bei einer Befreiungsklage aus § 426 BGB sei aufgrund der Vorgreiflichkeit der Hauptklage für die Befreiungsklage eine solche tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung gegeben. cc) Urteil des OLG Köln vom 13. März 2013 Dem OLG Köln79 lag der als Ausgangsfall der Untersuchung beschriebene Sachverhalt vor, jedoch mit der weiteren Besonderheit, dass der Architekt neben der Drittwiderklage gegen das Bauunternehmen auf Befreiung von der Hauptfor­ derung des Bauherrn auch eine Widerklage gegen den Bauherrn auf Rückzahlung vorläufig geleisteter Mangelbeseitigungskosten erhoben hatte. In seiner Zulässigkeitsprüfung der Drittwiderklage gegen das Bauunternehmen bezieht sich das OLG Köln zunächst auf die Definition des BGH80, wonach ein Beklagter nicht Dritter im Sinne einer Drittwiderklage sein könne, und verweist auf die herrschende Meinung in der Literatur, die eine Drittwiderklage gegen den eigenen Streitgenossen ausschließe. Entgegen der herrschenden Meinung halte nur Kähler die Widerklage unter Streitgenossen bei Vorliegen der Voraussetzungen einer streitgenössischen Dritt­ widerklage analog § 263 ZPO für zulässig. Da aber auch Kähler in diesem Fall eine Streitgenossenschaft zwischen den Widerbeklagten verlange, könne der Streit dahinstehen, weil zwischen dem widerbeklagten Bauherrn und dem drittwider­ beklagten Bauunternehmen mangels Gleichartigkeit der Ansprüche keine Streit­ genossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO bestehe. Die widerklagend geltend gemachten Ansprüche schlössen sich vielmehr gegenseitig aus. Die Befreiungsklage gegen das Bauunternehmen könne auch nicht als isolierte Drittwiderklage zugelassen werden, weil die insofern notwendige tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung mit dem ursprünglichen Klagebegehren fehle. Denn der widerklagend geltend gemachte Anspruch beruhe auf einem selbstständigen Rechtsverhältnis, das allein im Innenverhältnis unter den Gesamtschuldnern be­ stehe. Einer Zulässigkeit der Befreiungsklage stünden zudem die schutzwürdigen Interessen des Klägers auf eine nicht verzögerte Durchführung seines Klage­ verfahrens entgegen. Diesbezüglich mache es keinen Unterschied, ob der Kläger seine Klage nur gegen einen oder gegen beide Gesamtschuldner gerichtet habe. Auf die Ausführungen Kählers zur Zulässigkeit einer Befreiungsklage aus § 426  BGB in Form einer streitgenössischen Erweiterungsklage geht das OLG Köln nicht ein. 79 80

Zum Folgenden vgl. OLG Köln NZBau 2013, 375. BGH NJW 1996, 196.

B. Der Inhalt des zwischen den Streitgenossen geltend gemachten Anspruchs 

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dd) Urteil des BGH zur isolierten Drittwiderklage bei einer werkvertraglichen Leistungskette Der BGH hatte bislang noch nicht über die Zulässigkeit einer Befreiungsklage aus § 426 BGB in Form einer Drittwiderklage zu entscheiden. Jedoch lag dem BGH81 im Jahr 2013 ein Fall einer isolierten Drittwiderklage bei einer werkvertraglichen Leistungskette zur Entscheidung vor. Aufgrund der teilweisen Überschneidung der Rechtsfragen in der Zulässigkeitsprüfung kann dieses Urteil vergleichend herangezogen werden. Nach dem zu entscheidenden Sachverhalt hatte die klagende Bauherrin die be­ klagte Generalplanerin mit Architektenleistungen beauftragt und verlangte nun­ mehr Schadensersatz wegen angeblicher Planungs- und Überwachungsmängel. Die Beklagte hatte ihrerseits diverse Fachplaner unterbeauftragt, die nach einer entsprechenden Streitverkündung dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten bei­ getreten waren. Sodann erhob die Beklagte gegenüber den Fachplanern Drittwider­ klage und begehrte von ihnen die Befreiung von den klageweise gegen sie geltend gemachten Schadensersatzansprüchen der Bauherrin. In den Urteilsgründen verwies der BGH zunächst auf seine ständige Recht­ sprechung82 zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der isolierten Drittwiderklage. Nur ausnahmsweise könne auch mit der isolierten Drittwiderklage das prozess­ ökonomische Ziel der Widerklage erreicht werden, eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen über einen einheitlichen Lebenssachverhalt und die damit einhergehende Gefahr sich widersprechender Entscheidungen zu ver­ meiden. Maßgeblich hierfür sei die tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung der Gegenstände von Klage und Drittwiderklage. In der Konstellation der werk­ vertraglichen Leistungskette sei die Voraussetzung einer tatsächlichen und recht­ lichen engen Verknüpfung von Klage- und Drittwiderklageforderung nicht erfüllt, weil beide Forderungen auf unterschiedlichen Vertragsverhältnissen beruhten und somit nicht dieselben rechtlichen Verhältnisse vorlägen. Allein die Tatsache, dass der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch durch mangelhafte Leistungen der Drittwiderbeklagten begründet sein könnte und das Vorliegen von Mängeln sowie die Verantwortlichkeit hierfür in einem Sachverständigengutachten gemeinsam geklärt werden könnten, stelle „keine ausreichende enge Verknüpfung der verschiedenen Klagegegenstände her“83. Zudem stünden im Fall einer isolierten Drittwiderklage gegen einen Nachunter­ nehmer aufgrund einer werkvertraglichen Leistungskette der Zulässigkeit die „schutzwürdigen Interessen des Bauherrn entgegen. Zwar soll durch das Rechts­ 81

Zum Folgenden vgl. BGH NJW 2014, 1670 f. BGH NJW 1971, 466; NJW 1984, 2104; NJW 2001, 2094; NJW 2007, 1753; NJW 2008, 2852; NJW 2011, 460, 461. 83 BGH NJW 2014, 1670, 1671. 82

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

institut der Widerklage die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden werden. Es ist jedoch im Regelfall mit prozesswirtschaftlichen Erwä­ gungen nicht zu vereinbaren, den Rechtsstreit des Bauherrn mit der Klärung von Fragen zu belasten, die für den Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Generalplaner bzw. Generalunternehmer nicht von Belang sind (vgl. OLG Köln, NZBau 2013, S. 375; anders Boldt, BauR 2013, S. 287, 299)“84. Das Interesse des Bauherrn an einer nicht verzögerten Durchführung des von ihm angestrengten Prozesses überwiege schließlich auch das möglicherweise größere Insolvenzrisiko der beklagten Generalplanerin, wenn diese gegen die unterbeauftragten Fachplaner erst in einem späteren Prozess einen Titel erlangen könne.85 b) Bewertung Die verschiedenen Thesen zur Zulässigkeit der Befreiungsklage aus § 426 BGB in Form einer Drittwiderklage sind zu bewerten. aa) Die Ansicht Schweer / Todorows Schweer / Todorow86 plädieren für die Zulässigkeit einer Befreiungsklage als isolierte Drittwiderklage und stützen ihre Begründung maßgeblich auf die Recht­ sprechung des BGH. (1) Beschränkung auf Konstellation des einzeln verklagten Gesamtschuldners Die Autoren haben sich in ihrer Untersuchung allein mit der Konstellation des einzeln verklagten Gesamtschuldners auseinandergesetzt, ohne diese Beschrän­ kung weiter zu begründen. Die Beschränkung mag auf den Umstand zurückzu­ führen sein, dass die Autoren auch die prozessuale Durchsetzung von vertrag­ lichen und schadensersatzrechtlichen Befreiungsansprüchen untersucht haben und in der Regel nur bei Befreiungsansprüchen aufgrund eines Gesamtschuld­ verhältnisses eine gemeinsame Inanspruchnahme von Befreiungsgläubiger und Befreiungsschuldner durch den Kläger möglich ist. Aufgrund ihrer Beschrän­ kung konnten die Autoren jedoch auch den Streit darüber, ob ein mitverklagter Streitgenosse Dritter im Sinne einer Drittwiderklage sein kann, unerwähnt dahin­ stehen lassen.

84

BGH NJW 2014, 1670, 1671. BGH NJW 2014, 1670, 1671. 86 Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004, 3007 ff. 85

B. Der Inhalt des zwischen den Streitgenossen geltend gemachten Anspruchs 

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(2) Vorliegen einer tatsächlichen und rechtlichen engen Verknüpfung Schweer / Todorow beziehen sich bei der Begründung ihrer These auf die Recht­ sprechung des BGH und argumentieren, dass der Streitgegenstand einer Be­ freiungsklage gegen den Befreiungsschuldner tatsächlich und rechtlich eng mit demjenigen der Schadensersatzklage gegen den Befreiungsschuldner im Außen­ verhältnis verknüpft sei, weil gerade die Befreiung von den klageweise geltend gemachten Ansprüchen verlangt werde. Dass dem Befreiungsanspruch ein eigen­ ständiges Rechtsverhältnis zugrunde liege, stehe einer engen Verknüpfung im Sinne der Rechtsprechung des BGH nicht entgegen. Diese These hat der BGH87 in seinem Urteil zur Unzulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage bei einer werkvertraglichen Leistungskette widerlegt. Das Urteil des BGH kann trotz bestehender rechtlicher Unterschiede zwischen einer Werkvertragskette und einem Gesamtschuldverhältnis auf die Argumenta­ tion Schweer / Todorows übertragen werden. Eine Werkvertragskette beruht auf dem Entschluss bzw. Geschäftsmodell des Hauptunternehmers, einen Dritten zur Erbringung der seinerseits gegenüber dem Bauherrn geschuldeten Leistungen zu beauftragten. Der Bauherr ist an diesem neu entstehenden Vertragsverhältnis nicht beteiligt. Das Gesamtschuldverhältnis hingegen beinhaltet nicht nur die Ver­ bindung zwischen dem Architekten und dem Bauunternehmen im Innenverhält­ nis, sondern auch die jeweilige Verbindung zwischen dem Architekten und dem Bauunternehmen mit dem Bauherrn im Außenverhältnis.88 So kommt es zu einer „Zusammenfassung mehrerer selbständiger Schuldverhältnisse“89. Anders als im Fall der Werkvertragskette ist der Bauherr Beteiligter des Gesamtschuldverhält­ nisses. Jedoch büßen die einzelnen Rechtsverhältnisse im Außenverhältnis auf­ grund der Zusammenfassung durch das Gesamtschuldverhältnis nicht ihre Selbst­ ständigkeit ein.90 Der Schadensersatzklage des Bauherrn gegen den Architekten liegt als Rechts­ verhältnis im Außenverhältnis der Architektenvertrag zugrunde. Der Befreiungs­ klage des Architekten gegen das Bauunternehmen aus § 426 BGB liegt ein gesetz­ liches Rechtsverhältnis91 im Innenverhältnis zugrunde, an dem der Bauherr nicht beteiligt ist.92

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BGH NJW 2014, 1670, 1671. Schwedhelm, Kap. 5.2, S. 119; Staudinger-Looschelders, § 421 Rn. 4; Tomic, FS Jochem, S. 325, 329. 89 Staudinger-Looschelders, § 421 Rn. 4. 90 Palandt-Grüneberg, § 425 Rn. 1; Soergel-Gebauer, § 421 Rn. 6. 91 Palandt-Grüneberg, § 426 Rn. 1. 92 MüKo-BGB-Bydlinsky, § 426 Rn. 14. 88

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

Im Ergebnis beruhen die Befreiungsklage im Innenverhältnis und die Schadens­ ersatzklage im Außenverhältnis daher nicht auf denselben rechtlichen Verhält­ nissen im Sinne der Rechtsprechung des BGH zur isolierten Drittwiderklage.93 (3) Zwischenergebnis Der Ansatz Schweer / Todorows, die sich zur Begründung ihrer These der Zu­ lässigkeit einer Befreiungsklage aus § 426 BGB in Form der isolierten Drittwider­ klage auf die Rechtsprechung des BGH gestützt haben, wurde durch den BGH94 in seinem Urteil zur Unzulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage bei einer werk­ vertraglichen Leistungskette abgelehnt. bb) Die Ansicht Damraus Auch Damrau ist der Ansicht, dass eine Befreiungsklage aus § 426 BGB, ge­ messen an den Maßstäben des BGH, als isolierte Drittwiderklage zulässig ist. (1) Präjudizialität als besondere Form der Konnexität Damrau sieht die nach der Rechtsprechung des BGH notwendige tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung zwischen der Hauptklage und der Befreiungs­ klage darin, dass „die Dritt-Widerklage nur erfolgreich sein kann, wenn die Klage erfolgreich ist“95. Ob die Präjudizialität eines Rechtsverhältnisses für ein anderes Rechtsverhält­ nis gleichzeitig eine Konnexität zwischen den Rechtsverhältnissen im Sinne des § 33 ZPO begründet, wird – soweit ersichtlich – in der Literatur nicht diskutiert. Hingegen wird in den Zivilprozessordnungen Österreichs, Estlands, Lettlands, Litauens und Sloweniens im Zusammenhang mit der klassischen Widerklage die Präjudizialität als Unterform der Konnexität explizit aufgeführt.96 Der BGH97 hat in einer Entscheidung die Präjudizialität als Form der Konnexi­ tät im Sinne des § 33 ZPO anerkannt. So führt er im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit einer Widerklage in Form des Urkundenprozesses gegen eine „ordentliche“ Klage aus: „Ferner vermindert eine Verbindung die bei getrennten Prozessen bestehende Gefahr widersprechender Entscheidungen (vgl. BGHZ 40, 93 So auch Mayer, ZfPW 2015, S. 226, 248. Gleiches gilt für den Fall der gemeinsam ver­ klagten Gesamtschuldner, den Schweer / Todorow nicht untersucht haben. 94 BGH NJW 2014, 1670. 95 Damrau, ZErb 2009, S. 145, 149. 96 Okońska, S. 96. 97 BGH NJW 2002, 751.

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S. 185, 188 = NJW 1964, S. 44 = LM § 33 ZPO Nr. 6 m. w. Nachw.). Dies zeigt sich im gegebenen Fall in besonderem Maße. Die Klageanträge betreffen Vorfragen, die für die Begründetheit der Widerklage präjudiziell sind (vgl. § 256 Abs. 2 ZPO). Deshalb entspräche es bei ursprünglich getrennten Prozessen über die Klage und die Urkundenklage der Bekl. der Prozessökonomie, die Verfahren zur Vermeidung einer Entscheidungsdivergenz – jedenfalls nach Übergang in das Nachverfahren – gem. § 147 ZPO zu verbinden. Eine Verbindung wäre der stattdessen in Betracht kommenden Aussetzung des Nachverfahrens nach § 148 ZPO vorzuziehen. Be­ stehen derartige Interessen nicht, weil es an einem sachlichen Zusammenhang zwischen beiden Ansprüchen fehlt, so kann das Gericht die Urkundenwiderklage nach § 145 Abs. 2 ZPO abtrennen“98. Die Präjudizialität eines Rechtsverhältnisses für ein anderes Rechtsverhältnis begründet somit gleichzeitig eine Konnexität zwischen den Rechtsverhältnissen im Sinne des § 33 ZPO. (2) Erfordernis einer gesteigerten Konnexität Gleichwohl wird auch die These Damraus durch das Urteil des BGH99 zur Un­ zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage bei einer werkvertraglichen Leis­ tungskette widerlegt. Denn der BGH verlangt im Rahmen der Zulässigkeit der isolierten Drittwieder­ klage eine „gesteigerte“100 Konnexität in Form einer tatsächlichen und rechtlichen engen Verknüpfung der Gegenstände von Klage und Drittwiderklage. Die Prä­ judizialität des Hauptverfahrens für die Befreiungsklage stellt nach Ansicht des BGH jedoch „keine ausreichende enge Verknüpfung der verschiedenen Klage­ gegenstände her“101. (3) Zwischenergebnis Die These Damraus zur Zulässigkeit der Befreiungsklage aus § 426  BGB in Form der isolierten Drittwiderklage wurde durch das Urteil des BGH102 zur Un­ zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage bei einer werkvertraglichen Leistungs­ kette widerlegt. Zwar begründet die Präjudizialität des Hauptklageanspruchs für den Befreiungsanspruch aus § 426 BGB eine Konnexität zwischen den Ansprü­ chen im Sinne des § 33 ZPO. Die Präjudizialität begründet jedoch keine derartige 98

BGH NJW 2002, 751, 753. BGH NJW 2014, 1670. 100 Zöller-Schultzky, § 33 Rn. 26. 101 BGH NJW 2014, 1670, 1671. 102 BGH NJW 2014, 1670. 99

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung der Gegenstände der Klagen, wie sie der BGH im Rahmen der ausnahmsweisen Zulässigkeit der isolierten Dritt­ widerklage verlangt. cc) OLG Köln Das OLG Köln hat die durch den Architekten gegen das Bauunternehmen er­ hobene Befreiungsklage aus § 426 BGB sowohl als streitgenössische als auch als isolierte Drittwiderklage geprüft. (1) Streitgenössische Drittwiderklage Die Prüfung der durch den Architekten gegen das Bauunternehmen erhobenen Befreiungsklage aus § 426 BGB als streitgenössische Drittwiderklage wirft ver­ schiedene Fragen auf. (a) Hauptgläubiger und Befreiungsschuldner als Streitgenossen nach § 60 ZPO Dem Fall des OLG  Köln lag die Besonderheit zugrunde, dass der Architekt neben der Befreiungsklage aus § 426 BGB gegen das Bauunternehmen auch eine Widerklage gegen den Bauherrn auf Rückzahlung vorläufig gezahlter Mangel­ beseitigungskosten erhoben hatte. Diese Konstellation unterscheidet sich vom Fall des LG Freiburg103 insoweit, als dass im Fall des LG Freiburg der Beklagte B in seiner Rechtsstellung als Haupt­ gläubiger die ihm gegenüber gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen (A und die Haftpflichtversicherung) gemeinsam in Anspruch genommen hat, und zwar A mittels einer Widerklage und die Haftpflichtversicherung mittels einer Drittwider­ klage. Gegenstand der Widerklage und der Drittwiderklage war jeweils ein An­ spruch aus dem Außenverhältnis. Im Fall des OLG  Köln macht der beklagte Architekt gegen den Bauherrn widerklagend einen Rückzahlungsanspruch aus dem Außenverhältnis und gegen das Bauunternehmen drittwiderklagend einen Befreiungsanspruch aus dem Innenverhältnis geltend. Während im Fall des LG  Freiburg eine Streitgenossenschaft zwischen dem Wider­beklagten A und der drittwiderbeklagten Haftpflichtversicherung aufgrund deren gesamtschuldnerischen Haftung gegenüber B unproblematisch gegeben war, ist im Fall des OLG Köln eine Streitgenossenschaft zwischen dem im Außenver­

103

LG Freiburg VersR 1991, 1431.

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hältnis widerbeklagten Bauherrn und dem im Innenverhältnis drittwiderbeklagten Bauunternehmen fragwürdig. Das OLG Köln hat die Möglichkeit einer Verbindung der Klagen nach § 60 ZPO verneint. Denn der Architekt mache gegen den Bauherrn und das Bauunternehmen „zwei unterschiedliche Ansprüche aus unterschiedlichem und nicht gleichartigem Rechtsgrund geltend“104, die sich zudem gegenseitig ausschlössen. Dieser Ansicht des OLG Köln ist zunächst entgegenzuhalten, dass auch bei Al­ ternativansprüchen eine Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO möglich ist105. Auch die Tatsache, dass der Architekt gegen den Bauherrn einen Anspruch aus dem Außenverhältnis und gegen das Bauunternehmen einen Anspruch aus dem Innen­ verhältnis der Gesamtschuldnerschaft geltend macht, schließt die Anwendbarkeit des § 60 ZPO nicht von vornherein aus. § 60 ZPO setzt voraus, dass die Ansprü­ che gleichartig sind und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen, wobei die Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.106 Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine Gleichartigkeit nach § 60 ZPO – der als Vorschrift der Zweckmäßigkeit weit auszulegen ist – jedoch auch bei unterschiedlichen Rechtsgründen vorliegen, wenn die Ansprüche „in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen läßt“107. Der innere sachliche Zusammenhang zwischen dem Rückzahlungsanspruch im Außenverhältnis und dem Befreiungsanspruch im Innenverhältnis könnte sich aus der (teilweisen) Präjudizialität des Außenverhältnisses für das Innenverhältnis ergeben. Ob eine Präjudizialität eine Gleichartigkeit im Sinne des § 60 ZPO be­ gründen kann, wird – soweit ersichtlich – in der Literatur nicht diskutiert. Gegen eine solche Annahme spricht insbesondere, dass sie zu einer Überschneidung der Anwendungsbereiche der Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO und der Streitver­ kündung nach § 72 ZPO führen würde. Im Ergebnis hat das OLG Köln die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft zwischen dem widerbeklagten Bauherrn und dem drittwiderbeklagten Bauunter­ nehmen zu Recht abgelehnt.

104

OLG Köln NZBau 2013, 375, 379. RGZ 85, 248, 252; BAG NZA  1997, 901, 902; Stein / Jonas-Bork, § 60 Rn. 3; MüKoZPO-Schultes, § 60 Rn. 2. 106 Stein / Jonas-Bork, § 60 Rn. 2. 107 BGH NJW-RR 1991, 381. 105

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

(b) Auseinandersetzung mit der Ansicht Kählers In seinem Urteil setzt sich das OLG Köln108 mit den Ausführungen Kählers109 zur Widerklage und Erweiterungsklage unter Streitgenossen auseinander. Jedoch offenbart sich ein Missverständnis des Gerichts, wenn es – in vermeint­ licher Anlehnung an Kähler – die Befreiungsklage aus § 426 BGB unter den Vo­ raussetzungen einer streitgenössischen Drittwiderklage prüft und zu deren Unzu­ lässigkeit mangels einer Streitgenossenschaft zwischen dem klagenden Bauherrn und dem drittwiderbeklagten Bauunternehmen kommt. Denn nach Kähler110 soll der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB mangels Vor­ liegens eines dem Hauptklageantrag entgegengesetzten Anspruchs gerade nicht im Wege einer Drittwiderklage geltend gemacht werden können, sondern nur mittels einer streitgenössischen Erweiterungsklage. Auf die Frage der Zulässigkeit der von Kähler vorgeschlagenen streitgenössi­ schen Erweiterungsklage geht das OLG Köln in seinem Urteil nicht ein. (2) Isolierte Drittwiderklage Das OLG Köln hat die Rechtsprechung des BGH zur ausnahmsweisen Zuläs­ sigkeit einer isolierten Drittwiderklage so ausgelegt, dass aufgrund des Vorliegens unterschiedlicher Rechtsverhältnisse die notwendige tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung der Schadensersatzklage des Bauherrn gegen den Architekten mit der Befreiungsklage des Architekten gegen das Bauunternehmen nicht besteht. Der BGH hat das OLG Köln bestätigt.111 (3) Zwischenergebnis Das Urteil des OLG Köln stimmt im Ergebnis mit der Rechtsprechung des BGH zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der isolierten Drittwiderklage überein. Obwohl sich das Gericht ausweislich seiner Urteilsbegründung mit den Aus­ führungen Kählers zur streitgenössischen Erweiterungsklage auseinandergesetzt hat, hat es diese nicht auf den zu entscheidenden Fall übertragen.

108

OLG Köln NZBau 2013, 375, 379. Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473. 110 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 484. 111 BGH NJW 2014, 1670, 1671. 109

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dd) BGH Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH112 ist eine isolierte Drittwiderklage nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Gegenstände der Klage und der Dritt­ widerklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind. Da der BGH diese Zulässigkeitsvoraussetzung nicht dogmatisch hergeleitet hat, ist abgesehen von der Konstellation der Zedentenwiderklage113 unklar, in welchen Fallgruppen der BGH noch eine tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung für gegeben erachtet. Bei einer werkvertraglichen Leistungskette soll nach Ansicht des BGH jeden­ falls keine tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung zwischen der Schadens­ ersatzklage des Bauherrn gegen den Hauptauftragnehmer und der Befreiungsklage des Hauptauftragnehmers gegen den Nachunternehmer vorliegen. c) Zwischenergebnis Die Stimmen in der Literatur, die eine Zulässigkeit der Befreiungsklage aus § 426 BGB als isolierte Drittwiderklage fordern, haben sich in ihrer Begründung maßgeblich auf die Rechtsprechung des BGH zur isolierten Drittwiderklage gestützt. Der BGH hat in seinem Urteil zur isolierten Drittwiderklage bei einer werkver­ traglichen Leistungskette klargestellt, dass eine tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung der Gegenstände von Klage und Drittwiderklage bei unterschiedli­ chen Vertragsverhältnissen ausscheidet. Diese Rechtsprechung kann auf den Fall der Befreiungsklage aus § 426 BGB übertragen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Befreiungsklage aus § 426  BGB nicht als isolierte Drittwiderklage im Rahmen des Hauptverfahrens zuzulassen. 2. Übertragung von Ansätzen in der Literatur zur Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage auf die Befreiungsklage aus § 426 BGB In der Literatur wird die Herleitung des Rechtsinstituts der isolierten Drittwi­ derklage durch den BGH seit jeher kritisiert, weil der BGH anstelle einer dogma­ tischen Begründung die Prozessökonomie in den Vordergrund stelle.114 Daher wur­ 112 BGH NJW 1971, 466; NJW 1984, 2104; NJW 2001, 2094; NJW 2007, 1753; NJW 2008, 2852; NJW 2011, 460, 461. 113 Die Rechtsprechung des BGH zur Zedentenwiderklage wird seit dem Urteil aus dem Jahr 2010, in welchem der BGH den Gerichtsstand des § 33 ZPO für die Zedentenwiderklage für anwendbar erklärt hat, als konsolidiert angesehen, vgl. Dauner-Lieb, FS Schilken, S. 223, 229. 114 Putzo, NJW 1964, S. 500.

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

den verschiedene Ansätze entwickelt, um allgemeingültige Zulässigkeitskriterien für eine isolierte Drittwiderklage dogmatisch zu begründen. Zur Überprüfung der These, ob eine Befreiungsklage aus § 426 BGB als isolierte Drittwiderklage erhoben werden kann, werden die Ansätze aus der Literatur auf die Konstellation der Befreiungsklage aus § 426 BGB übertragen. Dabei werden nicht sämtliche in der Literatur vorhandenen Ansätze dargestellt115, sondern nur solche mit Relevanz für die vorliegende Untersuchung. a) Riehm / Bucher: Ableitung aus materiellem Recht Riehm / Bucher116 haben bei ihrer Untersuchung der Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage den Fokus auf das materielle Recht gerichtet. aa) Inhalt Die Autoren sind der Ansicht, dass eine isolierte Drittwiderklage „nach Maß­ gabe des § 147 ZPO“117 grundsätzlich zulässig sei. Dabei sei die Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage118 getrennt von der Frage zu beurteilen, ob auf eine sol­ che Klage auch die Privilegien der Widerklage anzuwenden seien, was auf Grund­ lage der dogmatischen Herleitung aus § 147 ZPO grundsätzlich zu verneinen sei. Einen Sonderfall stelle jedoch die Zedentenwiderklage dar: Hier folge die grund­ sätzliche Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage aus den materiell-rechtlichen Wertungen des Abtretungsrechts. Die dem Abtretungsrecht zugrunde liegende Konzeption, dass der Schuldner durch die Abtretung nicht schlechter gestellt wer­ den dürfe, könne nur dann praktisch umgesetzt werden, wenn sie sich auch auf prozessualer Ebene widerspiegele. Dafür sei es nicht ausreichend, dass der vom Zessionar in Anspruch genommene Beklagte im Prozess gegenüber dem Zessionar nach § 406 BGB die Aufrechnung erklären oder nach § 404 BGB ein Zurückbe­ haltungsrecht geltend machen könne. Vielmehr müsse der Beklagte grundsätzlich auch gegen den Zedenten eine isolierte Drittwiderklage erheben dürfen, weil der 115 Eine Zusammenfassung der Literaturstimmen findet sich bei Uhlmannsiek, S. 120 ff. (Stand 1995) sowie bei Baumstark, S. 111 ff. (Stand 2008). 116 Zum Folgenden vgl. Riehm / Bucher, ZZP 123 (2010), S. 347–361 sowie in verkürzter Form weitgehend inhaltsgleich Riehm, JZ 2007, S. 1001–1004. 117 Also bei Vorliegen eines rechtlichen Zusammenhangs zur Klage und einer Ermessens­ entscheidung des Gerichts, dass die Drittwiderklage nicht missbräuchlich oder unzweckmäßig sei, sowie eines bestehenden Gerichtsstands des Drittwiderbeklagten beim Gericht der Klage, vgl. Riehm / Bucher, ZZP 123 (2010), S. 347, 354. 118 Erst in der abschließenden Zusammenfassung ihrer Untersuchung weisen die Autoren darauf hin, dass es sich bei dogmatisch auf § 147 ZPO gestützten Klagen „genau genommen“ nicht um isolierte Drittwiderklagen, „sondern lediglich um hinzuverbundene selbständige Verfahren“ handele, vgl. Riehm / Bucher, ZZP 123 (2010), S. 347, 361.

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Zedent ihm andernfalls durch die Abtretung die „Privilegien der Widerklage rau­ ben“119 könne, was als Vertrag zu Lasten Dritter unzulässig sei. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nach § 147 ZPO führten diese Erwägungen dazu, dass im Fall einer Zedentenwiderklage ein „intendiertes Ermessen“120 des Gerichts vorliege und eine Zedentenwiderklage durch das Gericht somit regelmäßig zuzulassen und nur in Ausnahmefällen nicht zuzulassen sei. Eine konsequente Durchsetzung des ab­ tretungsrechtlichen Schlechterstellungsverbots auf prozessualer Ebene bedeute zu­ dem, dass sämtliche Widerklageprivilegien, die dem Charakter der Widerklage als Gegenangriff dienten, bei Erhebung einer Zedentenwiderklage anwendbar seien. Demnach müssten der privilegierte Gerichtsstand nach § 33 ZPO sowie die Privi­ legierungen im Kostenrecht (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GKG und § 110 Abs. 2 Nr. 4 ZPO) bei Erhebung einer Zedentenwiderklage Anwendung finden. bb) Übertragung auf Befreiungsklage aus § 426 BGB Die Ansichten Riehm / Buchers zur Ableitung der Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage aus dem materiellen Recht sind auf die Konstellation der Be­ freiungsklage aus § 426 BGB zu übertragen. (1) Sinn und Zweck des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH121 kann „[j]eder mithaftende Ge­ samtschuldner […] schon vor seiner eigenen Leistung an den Gläubiger von den anderen Gesamtschuldnern verlangen, daß sie ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitwirken und dadurch so handeln, daß es später nicht mehr zu einem Ausgleich im Wege des Rückgriffs gem. § 426 Abs. 2 BGB zu kommen braucht. Nimmt der Gläubiger wegen seiner fälligen Forderung einen der Gesamtschuldner in Anspruch, so kann dieser von den Mitschuldnern verlan­ gen, ihn von der Verbindlichkeit in der Höhe zu befreien, die der jeweiligen inter­ nen Ausgleichspflicht entspricht“122. Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB soll demnach verhindern, dass es zu einem Innenregress unter den Gesamtschuldnern kommt.

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Riehm / Bucher, ZZP 123 (2010), S. 347, 356. Riehm / Bucher, ZZP 123 (2010), S. 347, 356. 121 BGH NJW 1958, 497; NJW 1962, 1678, 1680; NJW 1981, 1666, 1667; NJW 1986, 978, 979; NJW 1986, 3131, 3132; NJW 1987, 374, 376; NJW 1994, 2231, 2232; NJW 2003, 828, 829; NJW-RR 2006, 1718; NJW-RR 2008, 256, 257; NJW 2010, 60, 61. 122 BGH NJW 1994, 2231, 2232. 120

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(2) Prozessuale Möglichkeiten zur wirksamen Durchsetzung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB Eine wirksame Durchsetzung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB setzt vo­ raus, dass der Befreiungsgläubiger ihn rechtzeitig – also spätestens gleichzeitig mit einer Verurteilung zur Leistung an den Hauptgläubiger – vollstreckbar titulieren lassen kann. Denn muss der Befreiungsgläubiger aufgrund eines Titels im Außen­ verhältnis den Hauptgläubiger befriedigen, wird die Erfüllung des Befreiungsan­ spruchs nach § 275 BGB unmöglich.123 Nach der Rechtsprechung des BGH124 kann ein Befreiungsanspruch nur mittels einer (nicht vollstreckbaren) Feststellungsklage geltend gemacht werden, solange die Hauptforderung nicht feststeht. Diese Rechtsprechung kann dazu führen, dass der Befreiungsanspruch aus § 426  BGB prozessual nicht wirksam durchgesetzt werden kann.125 (3) Erfordernis einer konnexen Gegenforderung Neben der Frage, ob der abtretungsrechtliche Schuldnerschutz prozessual wirk­ sam umgesetzt werden kann, gehen Riehm / Bucher auch auf das Verhältnis des in der der Zedentenwiderklage geltend gemachten Anspruchs zum ursprünglichen Klageanspruch ein. So führen die Autoren aus: „Die konsequente Fortführung dieses Rechtsgedan­ kens auf prozessualer Ebene bedeutet, dass dem Schuldner auch die praktische Möglichkeit zur Durchsetzung dieser – im Zeitpunkt der Abtretung bestehenden – Gegenforderungen erhalten bleiben muss. Über die Möglichkeit der Prozessauf­ rechnung und der Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten hinaus erfor­ dert dies aber auch die Erhaltung der Möglichkeit, konnexe Gegenforderungen in einer prozessual privilegierten Weise, d. h. im Wege der Widerklage geltend zu machen“126. Die Autoren setzen somit die Geltendmachung einer konnexen Gegenforderung voraus. Die Untersuchung hat ergeben, dass sich eine Konnexität im Sinne des § 33 ZPO zwischen dem Anspruch aus dem Außenverhältnis und dem Befreiungs­ anspruch im Innenverhältnis aus einer Vorgreiflichkeit des ersteren für den letzten ergibt. Gleichwohl stellt der Befreiungsanspruch des Architekten gegen das Bau­ 123

Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 236. BGH NJW 1991, 634. 125 Die prozessualen Möglichkeiten zur Durchsetzung von Befreiungsansprüchen sind in der Rechtsprechung und der Literatur umstritten und bedürfen einer umfassenden Erörterung. Mangels Entscheidungserheblichkeit an vorliegender Stelle wird die Frage hier nicht weiter vertieft. 126 Riehm / Bucher, ZZP 123 (2010), S. 347, 356. 124

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unternehmen im Innenverhältnis keinen Gegenanspruch zum Schadensersatzan­ spruch des Bauherrn gegen den Architekten im Außenverhältnis dar. Denn eine solche Entgegensetzung kann weder aus der Stellung der Parteien noch aus dem Inhalt der jeweiligen Klagebegehren abgeleitet werden. cc) Zwischenergebnis Riehm / Bucher leiten die Sonderstellung der Zedentenwiderklage maßgeblich aus dem abtretungsrechtlichen Schuldnerschutz ab, dessen Inhalt prozessual wirk­ sam durchgesetzt werden müsse. Auch bei dem Befreiungsanspruch aus § 426 BGB besteht die Besonderheit, dass sein Inhalt möglicherweise nicht wirksam prozes­ sual umgesetzt werden kann. Trotz möglicher Unzulänglichkeiten bei der prozessualen Durchsetzung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB wäre nach der Ansicht Riehm / Buchers eine Befreiungsklage im Ergebnis gleichwohl nicht zwingend127 als isolierte Drittwider­ klage zuzulassen, weil der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB dem Hauptklage­ begehren nicht entgegengesetzt ist. b) Leifeld und Baumstark: Parteibezogene Konnexität Leifeld und Baumstark heben im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der isolier­ ten Drittwiderklage das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Drittwiderbe­ klagten hervor. aa) Inhalt Leifeld128, der sich in seinen Ausführungen maßgeblich auf die Untersuchun­ gen Baumstarks129 bezieht, betont die Bedeutung des Charakters der Widerklage als Gegenangriff für die Ermittlung fester Zulässigkeitskriterien für die isolierte Drittwiderklage. Denn diesen Charakter der Widerklage habe der Gesetzgeber im Sinn gehabt, als er unter Aufgabe des in §§ 12 ff. ZPO übernommenen Grund­ satzes actor sequitur forum rei den besonderen Gerichtsstand der Widerklage in § 33 ZPO geschaffen habe. Der ebenfalls seitens des Gesetzgebers bedachte Aspekt der Prozessökonomie sei hingegen zur Herleitung fester Zulässigkeitskriterien der 127

Nach Riehm / Bucher wäre weiter zu prüfen, ob die Befreiungsklage mit der Hauptklage nach § 147 ZPO verbunden werden könnte, allerdings ohne die Annahme eines intendierten Ermessens des Gerichts. Die Möglichkeit der Verbindung der Verfahren im Außen- und In­ nenverhältnis nach § 147 ZPO wird an späterer Stelle erörtert. 128 Zum Folgenden vgl. Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509 ff. 129 Baumstark, passim.

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isolierten Drittwiderklage untauglich, wenngleich die aufzustellenden Zulässig­ keitskriterien diesen Zweck nicht konterkarieren dürften. Leifeld geht davon aus, dass auch bei einer isolierten Drittwiderklage der „Cha­ rakter der Widerklage als Gegenangriff zumindest wertungsmäßig gewahrt“130 bleibe, wenn zwischen dem Kläger und dem Drittwiderbeklagten eine besondere Verbindung bestehe, die es erlaube, den Angriff des Klägers gegen den Beklagten mit einem Angriff des Drittwiderbeklagten gegen den Beklagten gleichzusetzen. Diese besondere Verbindung zwischen Kläger und Drittwiderbeklagtem  – von Leifeld als „parteibezogene Konnexität“ bezeichnet – könne als Zulässigkeitskri­ terium für die isolierte Drittwiderklage herangezogen werden. Ob eine parteibezo­ gene Konnexität vorliege, lasse sich anhand folgender Anhaltspunkte feststellen: (1) Gemeinsame Vermögensposition oder Rechtsverhältnis: Bestehe zwischen dem Kläger und dem Drittwiderbeklagten eine gemeinsame Vermögensposition (z. B. Miteigentümerschaft nach §§ 1008 ff. BGB) oder ein Rechtsverhältnis (z. B. im Fall einer Abtretung), könne dies ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Angriff des Klägers dem Drittwiderbeklagten zugerechnet werden könne. (2) Aufspaltung eines Zwei- in ein Dreipersonenverhältnis: Anhand dieses Prüfungspunk­ tes solle die „rechtliche Besonderheit“131 des Sachverhaltes gewürdigt werden, nämlich die Frage, ob und wie ein ursprüngliches Zweipersonenverhältnis in ein Dreipersonenverhältnis aufgespalten wurde. (3) Verantwortlichkeit für die Aufspaltung: Ein weiterer Anhaltspunkt für eine Zurechnung des klägerischen An­ griffs sei die (Mit-)Verantwortlichkeit des Drittwiderbeklagten für die Aufspaltung des ursprünglichen Zweipersonenverhältnisses, beispielsweise die Abtretung der Forderung durch den Zedenten oder die Ermächtigung des Klägers zur Prozess­ führung durch den Rechtsinhaber. Ein Fehlen der Verantwortung führe hingegen nicht zur Unzulässigkeit der isolierten Drittwiderklage, weil sich die Aufspaltung auch aus dem materiellen oder dem prozessualen Recht (z. B. Einzelklagebefugnis nach § 1011 BGB) ergeben könne. (4) Materiell-rechtliche Wertung: Schließlich könne sich die besondere Verbindung zwischen Kläger und Drittwiderbeklagtem auch aus dem materiellen Recht ergeben. Bei diesem Prüfungspunkt bezieht sich Leifeld auf die Ausführungen Riehm / Buchers132 zur Zedentenwiderklage, wo­ bei er den Anwendungsbereich nicht auf das Abtretungsrecht beschränken will: „Lassen sich materiell-rechtliche Wertungen finden, wonach im Interesse des Schuldners Aufspaltungen einer einheitlichen Vermögensposition oder eines ein­ heitlichen Rechtsverhältnisses nicht zu dessen Lasten gehen sollen, spricht das auf prozessualer Ebene für eine ausreichend enge Verknüpfung zwischen Kläger und Drittem“133.

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Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509, 517. Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509, 519. 132 Riehm / Bucher, ZZP 123 (2010), S. 347 ff. 133 Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509, 521. 131

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Komme eine wertende Entscheidung zu dem Ergebnis, dass eine parteibezogene Konnexität vorliege, so seien eine isolierte Drittwiderklage ausnahmsweise zuzu­ lassen und § 33 ZPO analog anzuwenden. bb) Übertragung auf Befreiungsklage aus § 426 BGB Nach Leifeld liegt eine parteibezogene Konnexität vor, wenn zwischen dem Kläger und dem Drittwiderbeklagten eine besondere Verbindung besteht, die es erlaubt, den Angriff des Klägers gegen den Beklagten mit einem Angriff des Drittwiderbeklagten gegen den Beklagten gleichzusetzen. Indizien für eine par­ teibezogene Konnexität könnten eine gemeinsame Vermögensposition oder ein gemeinsames Rechtsverhältnis, die Aufspaltung eines Zweipersonenverhältnisses in ein Dreipersonenverhältnis, die Verantwortlichkeit für die Aufspaltung und materiell-rechtliche Wertungen sein. Zwar besteht zwischen dem Bauherrn als Kläger und dem Bauunternehmen als möglichem Drittwiderbeklagten ein Rechtsverhältnis in Form eines Bauvertrags. Dieses Rechtsverhältnis führt jedoch nicht zu einer Gleichsetzung des Angriffs des Bauherrn (der Schadensersatzklage) gegen den Architekten mit einem Angriff des Bauunternehmens gegen den Architekten. Denn anders als in Leifelds Beispiel134 des einer abgetretenen Forderung zugrunde liegenden Vertrags, der zwischen dem Kläger und dem Zedenten geschlossen wurde, weist der Bauvertrag tatsächlich und rechtlich keinen Zusammenhang mit der Schadensersatzklage des Bauherrn aus dem Architektenvertrag auf. Zudem kommt es auch nicht – wie im Fall einer Abtretung – zu einer nachträglichen Aufspaltung eines Zweipersonenverhältnisses in ein Dreipersonenverhältnis, weil aufgrund der jeweils separaten Beauftragung des Architekten und des Bauunternehmens durch den Bauherrn von vornherein ein Dreipersonenverhältnis besteht. Hinsichtlich seines letzten Indizes der materiell-rechtlichen Wertung bezieht sich Leifeld auf die These Riehm / Buchers135, die er allgemein über das Abtre­ tungsrecht hinaus anwenden will, sofern die materiell-rechtliche Wertung ergebe, dass im „Interesse des Schuldners Aufspaltungen einer einheitlichen Vermögens­ position oder eines einheitlichen Rechtsverhältnisses nicht zu dessen Lasten gehen sollen“136. Diese Einschränkung geht darauf zurück, dass nach Leifeld auch im Rahmen der isolierten Drittwiderklage der Charakter der Widerklage als Gegen­ angriff gewahrt werden müsse.137 Die materiell-rechtliche Wertung, dass durch den Befreiungsanspruch aus § 426 BGB ein Innenregress unter den Gesamtschuldnern verhindert werden soll, ist nach Leifelds Ansicht demnach nicht ausreichend für 134

Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509, 518. Riehm / Bucher, ZZP 123 (2010), S. 347, 356. 136 Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509, 521. 137 Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509, 517. 135

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

die Begründung einer parteibezogenen Konnexität zwischen dem Kläger und dem Befreiungsschuldner als Drittwiderbeklagtem. cc) Zwischenergebnis Nach der These Leifelds zur parteibezogenen Konnexität als Zulässigkeits­ voraussetzung der isolierten Drittwiderklage kann eine Befreiungsklage aus § 426  BGB im Ergebnis nicht in Form der isolierten Drittwiderklage erhoben werden.138 c) Mantzouranis: Ausschöpfung und Bereinigung des historischen Sachverhalts Mantzouranis139 hat die Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage unter dem Aspekt des historischen Sachverhalts der Klagebegehren geprüft. aa) Inhalt Der Autor legt seinen Ausführungen die Frage nach der Zulässigkeit der in der Schaffung des Instituts der Drittwiderklage liegenden richterlichen Rechtsfortbil­ dung zugrunde. Seiner Ansicht nach setzt eine zulässige richterliche Rechtsfort­ bildung einen „Legitimationsgrund“140 voraus, der dem System der ZPO zu ent­ nehmen sei. Denn so sei sichergestellt, dass das neue Rechtsinstitut nicht zu einem Bruch mit dem bestehenden System führe. Der Autor untersucht zunächst die Regelungen der ZPO zur Streitgenossenschaft und zur Widerklage. In beiden Fällen enthalte die ZPO eine Privilegierung in der gerichtlichen Zuständigkeit, nämlich in § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für die (eigentli­ che141) Streitgenossenschaft und in § 33 ZPO für die konnexe Widerklage. Aus der Privilegierung könne der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber in beiden Fällen die Ausschöpfung des historischen Sachverhalts innerhalb eines Verfahrens ermöglichen wolle. Diese der ZPO zu entnehmende Wertung sei Teil des Rechts 138 Für dieses Ergebnis macht es keinen Unterschied, ob die ursprüngliche Klage nur gegen einen oder gegen beide Gesamtschuldner gerichtet war. 139 Zum Folgenden vgl. Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375 ff. 140 Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375. 141 Das gemeine Recht habe nur die eigentliche Streitgenossenschaft akzeptiert, wie sie heute in § 59 ZPO geregelt sei. Der Reichsgesetzgeber habe die uneigentliche Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO hinzugefügt, unter Aufrechterhaltung der gemeinrechtlichen Regel zur Bestim­ mung eines gemeinsamen Gerichtsstands (§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), die jedoch als Privileg der eigentlichen Streitgenossenschaft angelegt gewesen sei, vgl. Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 386 f.

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beider Parteien auf ein faires und effektives Verfahren, wie es das Grundgesetz vorsehe. Denn dieses Recht beinhalte, dass „sämtliche Streitigkeiten, die aus einem Lebensvorgang entspringen, vor demselben Gericht verhandelt und entschieden werden“142. Da das Recht auf effektiven Rechtsschutz auch durch Zeitablauf kon­ terkariert werden könne, kommt der Autor zu dem Schluss: „Das Verfahren muss in objektiver wie in subjektiver Hinsicht einen so weiten Umfang haben, dass die einmalige Rechtsschutzgewähr effektiv ist“143. Für die streitgenössische Drittwiderklage bedeute dies, dass hierin eine zulässige richterliche Rechtsfortbildung liege. Denn mit ihren beiden Komponenten – der Streitgenossenschaft und der konnexen144 Drittwiderklage  – diene sie der Aus­ schöpfung und Bereinigung des historischen Sachverhalts und setze so das ver­ fassungsrechtliche Gebot eines fairen und effektiven Verfahrens um. Zur Überprüfung, ob der Legitimationsgrund der Ausschöpfung des histori­ schen Sachverhalts auch bei der isolierten Drittwiderklage fruchtbar gemacht werden kann, bildet der Autor verschiedene Fallbeispiele, von denen für die vor­ liegende Untersuchung nur die Konstellation der Zedentenwiderklage relevant ist. Für den Fall der Zedentenwiderklage bemüht Mantzouranis die „materiell-rechts­ freundliche Auslegung des Prozessgesetzes“145, um ein Auseinanderfallen von synallagmatischen Leistungen zu verhindern. Isolierte Drittwiderklagen gegen den Zedenten seien zuzulassen, wenn sie aus dem gleichen Grund im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wie die ursprüngliche Klage des Zessionars resultierten. Denn der historische Sachverhalt diene nicht allein der Individualisierung des Klage­antrags, sondern grenze auch den Streitgegenstand in tatsächlicher Hinsicht ab. In diesem so abgesteckten Rahmen sei eine konnexe isolierte Drittwiderklage des Beklagten zur Aufklärung des historischen Sachverhalts zuzulassen. Mantzouranis kommt zu dem Ergebnis, dass in den beispielhaft dargestellten Fällen die isolierte Drittwiderklage eine zulässige richterliche Rechtsfortbildung darstelle. Er konstatiert jedoch auch, dass bisher noch keine festen Zulässigkeits­ kriterien für die Drittwiderklage entwickelt wurden und hält abschließend fest: „Das neue Verständnis der Drittwiderklage als Mittel zur Ausschöpfung des his­ torischen Sachverhalts kann zur Bestimmung ihrer Subjekte beitragen. Denn die Frage, ob eine Drittwiderklage zulässig ist, beurteilt sich nicht nach flüchtigen prozessökonomischen Erwägungen, sondern grundsätzlich danach, ob der Dritte an dem klagebegründenden historischen Sachverhalt derart beteiligt ist, dass man

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Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 388. Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 388. 144 Nach Mantzouranis erstreckt sich die zulässige richterliche Rechtsfortbildung nur auf konnexe streitgenössische Drittwiderklagen. Die Rechtsprechung hingegen verlange – jeden­ falls nicht explizit – keine Konnexität, sondern prüfe diesen Gesichtspunkt allenfalls im Rah­ men der Sachdienlichkeit, vgl. Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 390. 145 Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 397. 143

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

davon ausgehen kann, dass Drittwiderklage und Hauptklage denselben Klagegrund (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) haben“146. bb) Übertragung auf Befreiungsklage aus § 426 BGB Mantzouranis betont den Sinn und Zweck der isolierten Drittwiderklage zur endgültigen und erschöpfenden Bereinigung des historischen Sachverhalts im an­ hängigen Verfahren. Dieser Ansatz ist auf die Konstellation der Befreiungsklage aus § 426 BGB zu übertragen. (1) Derselbe Klagegrund nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Während der BGH147 in seinem Urteil zum Nachunternehmerregress allein auf die rechtlichen Verhältnisse abstellt, die bei der Hauptklage und der isolierten Drittwiderklage dieselben sein müssten, rückt Mantzouranis zunächst den histo­ rischen Sachverhalt und damit die tatsächlichen Verhältnisse in den Vordergrund. Danach ist zu untersuchen, ob bei einer gesamtschuldnerischen Haftung des Architekten und des Bauunternehmens der Schadensersatzklage des Bauherrn gegen den Architekten derselbe Lebenssachverhalt – also Klagegrund im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO148 – zugrunde liegt wie der Befreiungsklage des Archi­ tekten gegen das Bauunternehmen. Nimmt der Bauherr den Architekten auf Schadensersatz aufgrund einer man­ gelhaften Bauüberwachung in Anspruch, trägt er als Lebenssachverhalt regelmä­ ßig den Abschluss und den Inhalt des Architektenvertrags, die Umstände der dem Architekten vorgeworfenen Pflichtverletzung sowie den Umfang des infolge der Pflichtverletzung entstandenen Schadens vor. Der Bauherr muss also bereits im Rahmen des Hauptverfahrens auf Sachverhaltsebene darlegen, dass die Leistun­ gen des Bauunternehmens mangelhaft waren und ihm ein Schaden entstanden ist, weil der Architekt die Mangelhaftigkeit der Leistungen während der Bauausfüh­ rung nicht erkannt und gerügt hat.149 Die Pflichtverletzungen des Bauunterneh­ mens und des Architekten, die im Ergebnis die Gesamtschuld nach § 421 BGB begründen, sind damit bereits Bestandteil des Klagegrundes der Schadensersatz­ 146

Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 399. BGH NJW 2014, 1670, 1671. 148 Zöller-Vollkommer, Einleitung Rn. 83. 149 Anders ist dies im Fall von Planungsfehlern des Architekten. Zwar ist auch hier eine Gesamtschuld zwischen dem Architekten und dem Bauunternehmen möglich, wenn das Bau­ unternehmen den Planungsfehler hätte erkennen können und den Bauherrn nicht darauf hin­ gewiesen hat, vgl. BGH NJW 1963, 653. Die Pflichtverletzung des Bauunternehmens ist jedoch im Rahmen der Schadensersatzklage des Bauherrn gegen den Architekten nicht relevant, vgl. Kniffka, BauR 2005, S. 274, 290. 147

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klage des Bauherrn gegen den Architekten. Im Rahmen der Befreiungsklage des Architekten gegen das Bauunternehmen aus § 426  BGB trägt der Architekt als Lebenssachverhalt die beiderseitige Beauftragung durch den Bauherrn sowie die jeweiligen Pflichtverletzungen vor, die zu dem seitens des Bauherrn geltend ge­ machten Schaden geführt haben.150 Denn das Vorliegen einer Gesamtschuld nach § 421 BGB ist die einzige Tatbestandsvoraussetzung des Befreiungsanspruchs aus § 426  BGB.151 Auf Sachverhaltsebene spielt es dabei keine Rolle, dass der Um­ fang der Befreiungsverpflichtung noch klärungsbedürftig ist. Denn die Auftei­ lung der Haftungsquoten im Innenverhältnis zwischen dem Architekten und dem Bauunternehmen richtet sich nach § 254 BGB.152 Maßgeblich sind die jeweiligen Verursachungsbeiträge für den Schaden.153 Die relevanten Tatsachen für den nach § 254 BGB zu bestimmenden Umfang der Befreiungsverpflichtung ergeben sich demnach aus den bereits dargestellten jeweiligen Pflichtverletzungen, sodass kein zusätzlicher Sachvortrag notwendig ist. Die Haftungsverteilung im Innenverhält­ nis erfolgt sodann nach tatrichterlicher Würdigung der Verursachungsbeiträge für den Schaden durch das Gericht.154 Im Ausgangsfall liegt somit der Schadensersatzklage des Bauherrn gegen den Architekten und der Befreiungsklage des Architekten gegen das Bauunternehmen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde.155 Da Mantzouranis allein auf die tatsächli­ chen Gründe abstellt, ist es für den Autor – im Gegensatz zur Ansicht des BGH156 – unerheblich, dass trotz des einheitlichen Lebenssachverhalts zwei unterschiedliche Rechtsverhältnisse vorliegen. (2) Erfordernis eines konnexen Gegenangriffs Gleichwohl ist zweifelhaft, ob Mantzouranis eine Befreiungsklage aus § 426 BGB als isolierte Drittwiderklage zulassen würde. Denn entgegen der Formulierung in der abschließenden Zusammenfassung seiner Untersuchungsergebnisse157 scheint Mantzouranis nicht nur eine Identität der Klagegründe, sondern auch einen wei­ teren rechtlichen Zusammenhang zwischen dem Hauptverfahren und der isolier­ ten Drittwiderklage zu fordern. So stellt er fest: „Die Festlegung des tatsächlichen Rahmens des Hauptprozesses ermöglicht gleichzeitig den konnexen Gegenangriff des Beklagten im Wege einer (Dritt-)Widerklage“158. 150

Kniffka, BauR 2005, S. 274, 276. Palandt-Grüneberg, § 426 Rn. 2; Staudinger-Looschelders, § 426 Rn. 9. 152 BGH NJW 1965, 1175, 1177. 153 BGH NJW 1969, 653, 654. 154 BGH NJW 1969, 653, 654; Kniffka, BauR 2005, S. 274, 277. 155 Dies gilt auch für den Fall der gemeinsamen Inanspruchnahme der Gesamtschuldner durch den Bauherrn. 156 BGH NJW 2014, 1670, 1671. 157 Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 399. 158 Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 398. 151

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Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

Die Befreiungsklage des Architekten gegen das Bauunternehmen aus § 426 BGB stellt jedoch keinen Gegenangriff gegen die Schadensersatzklage des Bauherrn gegen den Architekten dar. cc) Zwischenergebnis Im Ausgangsfall stützen sich die Befreiungsklage des Architekten gegen das Bauunternehmen aus § 426 BGB und die Schadensersatzklage des Bauherrn gegen den Architekten auf denselben Lebenssachverhalt und damit Klagegrund im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Obwohl Mantzouranis mehrfach das Recht der Parteien betont, alle Streitigkei­ ten aus einem einheitlichen Sachverhalt in einem anhängigen Verfahren umfassend und abschließend klären zu lassen159, wäre nach dem Autor eine Befreiungsklage aus § 426 BGB im Ergebnis mangels eines Gegenangriffs in Bezug auf die Haupt­ klage nicht als isolierte Drittwiderklage zuzulassen. d) Uhlmannsiek: Personelle Verknüpfung und sachlicher Zusammenhang Uhlmannsiek160 verzichtet im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der isolierten Drittwiderklage auf einen rechtlichen Zusammenhang mit der Hauptklage. aa) Inhalt Der Autor sieht den Zweck der isolierten Drittwiderklage in einer umfassen­ den Streitbeilegung und fordert für ihre Zulässigkeit zunächst – in Anlehnung an Schröder161 – eine personelle Verknüpfung der Parteien dergestalt, dass eine der Parteien162 der Drittwiderklage gleichfalls Partei der Hauptklage ist. Darüber hin­ aus müsse der Streitgegenstand der Drittwiderklage mit demjenigen der Klage in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Denn Ziel sei es, eine einheitliche Ent­ scheidung über denselben Sachverhalt herbeizuführen. Zur Bestimmung des sachli­ chen Zusammenhangs solle maßgeblich auf die Zweckmäßigkeit der gemeinschaft­ lichen Verhandlung beider Klagen abgestellt werden. Kein Zulässigkeitskriterium sei hingegen das Vorliegen eines rechtlichen Zusammenhangs zwischen Klage und Drittwiderklage.

159

Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 389. Zum Folgenden vgl. Uhlmannsiek, S. 153 f. 161 J. Schröder, AcP 164 (1964), S. 517, 534. 162 J. Schröder geht von der Möglichkeit einer Drittwiderklage durch einen bisher unbetei­ ligten Dritten aus, vgl. J. Schröder, AcP 164 (1964), S. 517, 534. 160

B. Der Inhalt des zwischen den Streitgenossen geltend gemachten Anspruchs 

63

Sei eine isolierte Drittwiderklage aufgrund einer persönlichen Verknüpfung und eines sachlichen Zusammenhangs mit der Hauptklage zuzulassen, müsse in einem weiteren Schritt geprüft werden, ob die Privilegien der Widerklage auf die Klageerhebung anwendbar seien.163 bb) Übertragung auf Befreiungsklage aus § 426 BGB Mit der Forderung nach einer personellen Verknüpfung und einem sachlichen Zusammenhang im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung verzichtet Uhlmannsiek164 auf einen rechtlichen Zusammenhang zwischen der Hauptklage und der isolierten Drittwiderklage. Nach diesem weiten Verständnis wäre im Ausgangsfall die Befreiungsklage des Architekten gegen das Bauunternehmen als isolierte Drittwiderklage zuzulassen, weil beide Klagen auf demselben Sachverhalt beruhen. In einem weiteren Schritt wäre nach Uhlmannsiek165 zu prüfen, ob die Privilegien der Widerklage auf die Befreiungsklage anwendbar sind. cc) Zwischenergebnis Nach Uhlmannsiek ist im Ausgangsfall die Befreiungsklage des Architekten gegen das Bauunternehmen als isolierte Drittwiderklage zuzulassen. 3. Stellungnahme Die Untersuchung hat gezeigt, dass einige Kriterien, die in der Literatur für die Begründung der Zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage herangezogen werden, auch auf die Befreiungsklage aus § 426 BGB übertragen werden können. So beruhen Hauptklage und Befreiungsklage im Ausgangsfall auf demselben Klagegrund nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, woraus sich das Recht der Parteien auf eine umfassende Klärung des anhängigen streitigen Lebenssachverhalts er­ geben kann. Die materiell-rechtliche Betrachtung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB hat ergeben, dass das Ziel der Verhinderung eines Regresses im Innen­ verhältnis unter den Gesamtschuldnern möglicherweise prozessual nicht gesichert umgesetzt werden kann. Diese Gründe sprechen jedoch zunächst einmal nur dafür, dass das prozessuale Vorgehen einer Befreiungsklage des Befreiungsgläubigers gegen den Befreiungs­ 163

Uhlmannsiek, S. 163. Zum Folgenden vgl. Uhlmannsiek, S. 153 f. 165 Uhlmannsiek, S. 163. 164

64

Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

schuldner im Rahmen der Hauptklage überhaupt möglich sein sollte. Vorgenannte Gründe können hingegen nicht rechtfertigen, dass dieses prozessuale Vorgehen gerade in Form einer isolierten Drittwiderklage zulässig sein sollte. Denn weder das Beruhen auf demselben Lebenssachverhalt noch die unzulänglichen prozessua­ len Mittel zur praktischen Durchsetzung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB begründen einen Zusammenhang zwischen den Klagen dergestalt, dass die Be­ freiungsklage im Rahmen der Hauptklage als isolierte Drittwiderklage zuzulas­ sen ist. Die Notwendigkeit und der Inhalt des Zusammenhangs zwischen der Haupt­ klage und der isolierten Drittwiderklage ergeben sich daraus, dass die isolierte Drittwiderklage auf dem Institut der Widerklage beruht. Zwar stellt sie eine „besonders gravierende Abweichung vom Normalfall“166 dar, weil sie nicht – zu­ mindest auch – gegen den Kläger gerichtet ist. Gleichwohl ist die isolierte Dritt­ widerklage ein Unterfall der Widerklage.167 Die Widerklage ermöglicht dem Be­ klagten im anhängigen Verfahren einen Gegenangriff gegen den Kläger.168 Diese Funktion als Gegenangriff muss auch im Rahmen der isolierten Drittwiderklage erhalten bleiben.169 Da jedoch der ursprüngliche Angriff in Form der Klage vom Kläger ausging und sich die isolierte Drittwiderklage gegen einen Dritten richtet, muss eine besondere Konstellation vorliegen, in der der Angriff des Klägers – also die Klage und der darin geltend gemachte Anspruch – dem Drittwiderbeklagten zugerechnet werden kann.170 Denn nur in diesem Fall stellt die isolierte Drittwider­ klage gegen den Drittwiderbeklagten einen Gegenangriff gegen den Angriff des Klägers dar. Wann eine solche besondere Konstellation vorliegt, wird in der Literatur unter­ schiedlich hergeleitet. Einige Autoren stellen auf die Rechtsprechung des BGH zur tatsächlichen und rechtlichen engen Verknüpfung der Klagen ab und bezeichnen diese Anforderung als „gesteigerte“171 bzw. „qualifizierte“172 Konnexität. Andere fordern das Vorliegen einer „parteibezogenen Konnexität“173 oder einen „konnexen Gegenangriff“174. Wieder andere fordern, „dass es die materiell-rechtliche Rechts­ 166

Dauner-Lieb, FS Schilken, S. 223, 224. Baumstark, S. 197; Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509, 510; a. A. Fellner, MDR 2011, S. 146; Putzo, Festgabe BGH, S. 149 f. 168 Baumbach / L auterbach / Albers / Hartmann, Anh. § 253 Rn. 5; Beck, WRP 2011, S. 414; Braun, § 34, S. 537; Dauner-Lieb, FS Schilken, S. 223, 224; Hau, ZZP 117 (2004), S. 31; L ­ uckey, MDR 2002, S. 743; Ott, S. 19; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 97 Rn. 7; Zöller-Schultzky, § 33 Rn. 10. 169 Baumstark, S. 148 ff.; Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509, 517; a. A: Beck, WRP 2011, S. 414, 415. 170 Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509, 517. 171 Stein / Jonas-Roth, § 33 Rn. 48. 172 Zöller-Schultzky, § 33 Rn. 26. 173 Leifeld, ZZP 126 (2013), S. 509, 517, der insofern die ausführliche Untersuchung Baum­ starks zusammenfasst, vgl. Baumstark, S. 147–195. 174 Mantzouranis, ZZP 127 (2014), S. 375, 398. 167

B. Der Inhalt des zwischen den Streitgenossen geltend gemachten Anspruchs 

65

beziehung im Verhältnis zum Dritten, insbesondere die mit der Klage oder Ver­ teidigungsmitteln in rechtlichem Zusammenhang stehenden Gegenansprüche mit sich bringen, dass auch dem Dritten die Prozessführung am Ort der Klage zu­ gemutet werden kann“175. Im Zusammenhang mit der Zedentenwiderklage wird darauf abgestellt, dass dem Beklagten nach den materiell-rechtlichen Wertungen des Abtretungsrechts die Möglichkeit erhalten bleiben müsse, „konnexe Gegen­ forderungen in einer prozessual privilegierten Weise, d. h. im Wege der Wider­ klage geltend zu machen“176. Nach einer weiteren Auffassung müssen die in der Klage und Drittwiderklage geltend gemachten Ansprüche einen Zusammenhang im Sinne des § 273 BGB aufweisen.177 Trotz der Unterschiede in den Herleitungen ist nahezu allen Ansätzen gemein, dass im Ergebnis die Funktion der Widerklage als Gegenangriff auch im Rahmen der isolierten Drittwiderklagen gewahrt wird. Hingegen hebt Uhlmannsiek den Zweck der Widerklage zur Vermeidung „einer unterschiedlichen Bewertung des­ selben Sachverhalts in getrennten Prozessen“178 hervor, und will – bei einer per­ sonellen Verknüpfung  – eine isolierte Widerklage bereits bei einem sachlichen Zusammenhang zur Hauptklage auch ohne weiteren rechtlichen Zusammenhang zulassen. Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht, weil damit die Funktion der Wi­ derklage als Gegenangriff im Rahmen der isolierten Drittwiderklage gänzlich aufgegeben wird. Die Befreiungsklage gegen den Befreiungsschuldner stellt keinen Gegenangriff des Befreiungsgläubigers gegen die Klage des Hauptgläubigers dar. Denn mit der Befreiungsklage macht der Befreiungsgläubiger einen Anspruch aus dem Innen­ verhältnis der Gesamtschuldner geltend, der inhaltlich weder dem ursprünglichen Klagebegehren noch dem Hauptgläubiger selbst entgegengesetzt ist. Insofern macht es keinen Unterschied, ob der Hauptgläubiger nur einen oder beide Gesamtschuld­ ner verklagt hat. Eine Befreiungsklage aus § 426 BGB kann damit nicht im Rahmen der anhän­ gigen Hauptklage in Form einer isolierten Drittwiderklage erhoben werden.

III. Zwischenergebnis Diejenigen Autoren, welche die Zulässigkeit einer Befreiungsklage aus § 426 BGB in Form einer isolierten Drittwiderklage befürworten, haben sich zur Begründung ihrer Thesen auf die Rechtsprechung des BGH zur isolierten Drittwiderklage beru­

175

Zöller31-Vollkommer, § 33 Rn. 24. Riehm, JZ 2007, S. 1001, 1002; Riehm / Bucher, ZZP 123 (2010), S. 347, 356. 177 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 484; Pfuhl, NJOZ 2015, S. 521, 524; Segger, NZBau 2017, S. 397, 398. 178 Uhlmannsiek, S. 154. 176

66

Kap. 1: Die Klage als Drittwiderklage

fen. Der BGH hat im Zusammenhang mit einer isolierten Drittwiderklage aufgrund einer werkvertraglichen Leistungskette klargestellt, dass eine tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung der Klagen bei unterschiedlichen zugrundeliegenden Rechtsverhältnissen nicht gegeben ist. Im Fall einer als isolierten Drittwiderklage erhobenen Befreiungsklage aus § 426 BGB würde sich der BGH voraussichtlich auf diese Rechtsprechung beziehen. Bei einer Übertragung des weiter vorhandenen wissenschaftlichen Diskurses zur Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage auf die Fallkonstellation der Be­ freiungsklage aus § 426 BGB zeigt sich, dass einzelne Kriterien, die in der Litera­ tur zur Begründung der Zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage herangezogen werden, auch auf die Konstellation der Befreiungsklage zutreffen. Die Ableitung des Rechtsinstituts der isolierten Drittwiderklage aus demjenigen der Widerklage führt jedoch dazu, dass im Rahmen einer isolierten Drittwiderklage nur solche Ansprüche geltend gemacht werden können, die wertungsmäßig einen Gegenan­ griff gegen die ursprüngliche Klage bzw. den Hauptkläger darstellen. Mit einer Befreiungsklage aus § 426 BGB macht der beklagte Gesamtschuldner hingegen einen Anspruch aus dem Innenverhältnis der Gesamtschuldner geltend, der inhalt­ lich weder der Hauptklage noch dem Hauptgläubiger entgegengesetzt ist.

C. Fazit  Die Untersuchung der Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenos­ sen in Form einer Drittwiderklage hat ergeben, dass ein Streitgenosse Dritter im Sinne der Drittwiderklage sein kann. Dies bedeutet jedoch zunächst nur, dass eine Drittwiderklage nicht bereits deshalb unzulässig ist, weil sie sich gegen den eige­ nen Streitgenossen richtet. Maßgeblich für die Zulässigkeit der Drittwiderklage ist der Bezug des darin geltend gemachten Anspruchs zum Hauptklagebegehren. Bei der Fallkonstellation einer doppelten Gesamtschuldnerschaft in einem Drei­ personenverhältnis besteht die Besonderheit, dass sich die Drittwiderklage zwar gegen den eigenen gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen richtet, mit ihr aber kein Anspruch aus dem Innenverhältnis der Gesamtschuldnerschaft geltend gemacht wird, sondern ein Anspruch aus dem Außenverhältnis bezogen auf die weitere, zweite Gesamtschuldnerschaft. Deshalb kann in dieser Fallkonstellation auf Grundlage der Rechtsprechung des BGH ausnahmsweise eine – streitgenössi­ sche oder auch isolierte – Drittwiderklage gegen den eigenen gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen zulässig sein. Im Ausgangsfall der Untersuchung kann der vom Bauherrn auf Schadensersatz verklagte Architekt seinen im Innenverhältnis bestehenden Befreiungsanspruch aus § 426 BGB gegen das Bauunternehmen hingegen nicht mittels einer isolier­ ten Drittwiderklage geltend machen. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt in diesem Fall aufgrund der unterschiedlichen Rechtsverhältnisse keine tatsächliche

C. Fazit  

67

und rechtliche enge Verknüpfung der Gegenstände der Haupt- und der Befreiungs­ klage vor. Auch bei einer vorzugswürdigen dogmatischen Zulässigkeitsprüfung auf Grundlage der Funktion der Widerklage als Gegenangriff scheidet eine Befreiungs­ klage aus § 426 BGB als isolierte Drittwiderklage mangels Entgegensetzung des Befreiungsanspruchs zum Hauptklagebegehren aus.

Kapitel 2

Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen als streitgenössische Erweiterungsklage Will ein beklagter Streitgenosse gegen den weiteren Streitgenossen einen An­ spruch geltend machen, der dem Hauptkläger bzw. der Hauptklage nicht entgegen­ gesetzt ist, scheidet die Erhebung einer isolierten Drittwiderklage aus. Nach Kähler soll das Klagebegehren des Streitgenossen gleichwohl in Form einer streitgenössischen Erweiterungsklage1 zuzulassen sein, mit der „ein Beklag­ ter gegen einen anderen Beklagten innerhalb eines bereits anhängigen Pro­ zesses eine neue Klage (‚Erweiterung‘)“2 erhebt. Einen Anwendungsfall der Erweiterungs­k lage sieht Kähler in der Geltendmachung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB.3

A. Waffengleichheit als Hauptargument für die Zulässigkeit der streitgenössischen Erweiterungsklage Als Hauptargument für die Zulässigkeit der Erweiterungsklage in analoger Anwendung des § 263  ZPO führt Kähler die notwendige Waffengleichheit der Parteien an.

I. Inhalt Nach Kähler4 ist die Zulassung der Erweiterungsklage notwendig, um die Waf­ fengleichheit der Parteien – als Ausdruck des im Prozessrecht unmittelbar gelten­ den Art. 3 GG – zu gewährleisten. Der Gleichheitssatz nach Art. 3 GG gebiete, eine Klageform, die dem Kläger offenstehe, auch dem Beklagten zuzugestehen. Für den Kläger bestehe nach §§ 59, 60 ZPO die Möglichkeit, mehrere Personen gemeinsam in Anspruch zu nehmen. Da diese Handlungsmöglichkeit auch für den Beklagten interessant sein könne, sei 1 Im Folgenden wird die streitgenössische Erweiterungsklage kurz als Erweiterungsklage bezeichnet. 2 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 487. 3 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 495. 4 Zum Folgenden vgl. Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 490 f.

A. Waffengleichheit als Hauptargument für die Erweiterungsklage

69

nicht ersichtlich, „warum es ihm verwehrt sein soll, die mit der Klage zusammen­ hängenden Anträge gegen die anderen Parteien zu stellen“5. Könne der Kläger nach § 263 ZPO ein anhängiges Verfahren ändern, müsse dies auch für den Beklag­ ten gelten. Die prozessualen Handlungsmöglichkeiten der Parteien dürften nicht davon abhängen, welche der Parteien zuerst Klage einreicht, weil die Reihenfolge der Klageerhebung ein „gleichheitswidriges Kriterium“6 sei.

II. Stellungnahme Zur Überprüfung der Einhaltung des Gleichheitssatzes nach Art. 3  GG ver­ gleicht Kähler die prozessualen Handlungsmöglichkeiten der Parteien in Bezug auf die Frage, gegen wen die jeweilige Partei eine Klage richten kann. Nach der Recht­ sprechung des BVerfG verbietet der Gleichheitssatz, „daß wesentlich Gleiches un­ gleich, nicht dagegen, daß wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich behandelt wird“7. Die Anwendung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG setzt somit voraus, dass die Stellung des Klägers im Verfahren derjenigen des Beklagten wesentlich gleich ist. Vor Klageerhebung ist der Kläger aufgrund des formellen Parteibegriffs hin­ sichtlich der Frage, gegen wen er die Klage richten will und wen er dadurch zur Partei des Verfahrens bestimmt, vollkommen ungebunden.8 Da der Beklagte überhaupt erst durch die Klageerhebung in seine Rolle gekommen ist und diese Rolle sowie die des Klägers im anhängigen Verfahren bereits festgelegt sind, ist die Stellung des Beklagten nicht wesentlich gleich derjenigen des Klägers vor Klageerhebung, in der der Kläger noch frei über die Parteirollen bestimmen kann. Als Vergleichsgrundlage für die Prüfung des Gleichheitssatzes kann daher allenfalls die Situation des Klägers nach Klageerhebung dienen.9 Die Voraus­ setzungen, unter denen der Kläger eine gewillkürte Parteiänderung vornehmen kann, sind strittig. Während die herrschende Lehre hierin ein prozessuales Institut eigener Art sieht, behandelt sie der BGH als Klageänderung.10 Nach dem BGH sind demnach in analoger Anwendung des § 263 ZPO die Einwilligung des Be­ klagten bzw. die Sachdienlichkeit sowie das Vorliegen einer Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO zu prüfen.11 5

Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 490. Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 491. 7 BVerfG NJW 1951, 877, 878; weiter führt das BVerfG aus: „Der Gleichheitssatz ist ver­ letzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sach­ lich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß“. 8 Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 40 Rn. 1 f. 9 Zu dieser Argumentation im Zusammenhang mit der Drittwiderklage vgl. Baumstark, S. 43. 10 Zum Streitstand siehe Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 42 Rn. 16 ff. 11 BGH NJW 1976, 239, 240; NJW 1993, 3072, 3073. 6

70

Kap. 2: Die Klage als streitgenössische Erweiterungsklage

Kähler will in Anlehnung hieran dem Beklagten zugestehen, unter den Voraus­ setzungen einer analogen Anwendung des § 263 ZPO eine weitere Person in das Verfahren einzubeziehen. Dem könnte entgegengehalten werden, dass damit der Beklagte dem Kläger, der die Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO einhalten muss, nicht nur gleichgestellt, sondern ihm gegenüber sogar bessergestellt wird und eine solche Besserstellung nicht mit Art. 3 GG zu rechtfertigen ist. Dieser Einwand ver­ mag jedoch nicht zu überzeugen, weil die Anforderungen an die in §§ 59, 60 ZPO geforderte Gleichartigkeit mit denjenigen an die nach § 263 ZPO verlangte Sach­ dienlichkeit weitestgehend übereinstimmen.12 Das Argument der Waffengleichheit kann demnach zur Begründung der Zuläs­ sigkeit der Erweiterungsklage herangezogen werden.

B. Regelungslücke in der ZPO: Abgrenzung der streitgenössischen Erweiterungsklage von der Garantieklage  Nach Kähler besteht die für eine analoge Anwendung des § 263 ZPO notwen­ dige Regelungslücke, weil die Konstellation der Erweiterungsklage durch die ZPO weder positiv noch negativ geregelt wird. Der Regelungslücke stehe insbesondere nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der ZPO die Übernahme des Instituts der Garantieklage nach französischem Vorbild13 diskutiert und abgelehnt habe.14 Denn der Anwendungsbereich der Erweiterungsklage könne von demjeni­ gen der Garantieklage15 klar abgegrenzt werden.

I. Formelle Parteistellung des Erweiterungsbeklagten als taugliches Abgrenzungsmerkmal Kähler beschränkt den Anwendungsbereich der Erweiterungsklage auf die Kon­ stellation der ursprünglichen gemeinsamen Inanspruchnahme der Streitgenossen durch den Kläger. Aus der formellen Parteistellung des Erweiterungsbeklagten ergebe sich das maßgebliche Abgrenzungsmerkmal zu der durch den historischen Gesetzgeber abgelehnten Garantieklage. Denn von der Konstellation der Garantie­ klage seien nur solche Klagen umfasst, die sich gegen einen bislang am Verfahren Unbeteiligten richteten.16 12

Zöller-Schultzky, § 33 Rn. 25. Heute geregelt in Art. 331 Abs. 1 des Nouvelle Code de Procédure Civile („ncpc“). 14 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 489 f. 15 In der folgenden Untersuchung bezieht sich der Begriff der Garantieklage stets auf die­ jenige nach französischem Vorbild gem. Art. 331 Abs. 1 ncpc. 16 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 490. 13

B. Regelungslücke in der ZPO 

71

1. Anwendungsbereich der Garantieklage Durch die Garantieklage kann der Beklagte Ansprüche, die er gegen einen Drit­ ten auf Gewährleistung oder Schadloshaltung zu haben glaubt, bereits im Rahmen des Hauptverfahrens klageweise geltend machen.17 Der Anwendungsbereich der Garantieklage entspricht demjenigen der Streitverkündung nach § 72 ZPO.18 Der Hauptanwendungsfall der Garantieklage ist die Geltendmachung von An­ sprüchen „im Zusammenhang mit Verträgen, sofern ein Dritter in irgendeiner Form für den Leistungserfolg einstehen muss“19. In den Anwendungsbereich der Garan­ tieklage fallen zudem Ausgleichsansprüche aus einem Gesamtschuldverhältnis.20 2. Anwendungsbereich der Erweiterungsklage Nach Kähler kommt es zu einer Erweiterungsklage, wenn „ein Beklagter gegen einen anderen Beklagten innerhalb eines bereits anhängigen Prozesses eine neue Klage (‚Erweiterung‘)“21 erhebt und darin einen dem Klageanspruch nicht ent­ gegengesetzten Anspruch geltend macht. Der Anwendungsbereich der Erweiterungsklage wird somit durch die formelle Parteistellung des Erweiterungsbeklagten und die fehlende Entgegensetzung des geltend gemachten Anspruchs zum Klageanspruch bestimmt. 3. Überschneidung der Anwendungsbereiche Im Hauptanwendungsfall der Garantieklage – der Geltendmachung von Gewähr­ leistungsansprüchen aus Vertragsketten – ist der Nachunternehmer als Garantie­ beklagter in der Regel nicht Partei des Hauptverfahrens, weil der Hauptgläubiger keine eigenen Ansprüche gegen ihn hat. Im Fall von Vertragsketten kommt es somit nicht zur Überschneidung der Anwendungsbereiche der Garantieklage und der Erweiterungsklage. Hingegen kann bei einem Innenausgleich unter Gesamtschuldnern im Fall der gemeinsamen Inanspruchnahme der Gesamtschuldner durch den Hauptgläubiger der „Sonderfall“22 eintreten, dass ein beklagter Streitgenosse eine Garantieklage

17

Zu den materiellen Voraussetzungen der Garantieklage vgl. Ackermann, S. 72 ff. Bericht zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstre­ ckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BTDrucks VI/1973, S. 73. 19 Ackermann, S. 73. 20 Ackermann, S. 73; Schober, S. 130. 21 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 487. 22 Reinmüller, IPRax 1998, S. 460, 461. 18

72

Kap. 2: Die Klage als streitgenössische Erweiterungsklage

gegen den mitverklagten Streitgenossen erhebt23. Bei der materiell-rechtlichen Ausgangslage des Gesamtschuldnerausgleichs ergibt sich somit eine Überschnei­ dung der Anwendungsbereiche der Garantie- und der Erweiterungsklage. 4. Zwischenergebnis Die formelle Parteistellung des Erweiterungsbeklagten dient nicht generell einer klaren Abgrenzung der Erweiterungsklage zur Garantieklage. Insbesondere bei der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen unter Gesamtschuldnern ist es möglich, dass der Garantiebeklagte bereits formell Partei des anhängigen Verfahrens ist. In diesem Fall ist die formelle Parteistellung des Erweiterungsbe­ klagten kein taugliches Merkmal zur Abgrenzung der Erweiterungsklage von der Garantieklage.

II. Rechtfertigung der formellen Parteistellung des Erweiterungsbeklagten als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erweiterungsklage Weiter ist zu untersuchen, inwiefern die formelle Parteistellung des Erweite­ rungsbeklagten als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erweiterungsklage inhalt­ lich gerechtfertigt ist. Die durch das Erfordernis der formellen Parteistellung des Erweiterungs­ beklagten vorgenommene Beschränkung des Anwendungsbereichs der Erweite­ rungsklage wird von Kähler nicht begründet. Daher bleibt zu untersuchen, welche Argumente der Autor auf den Umstand der gemeinsamen Inanspruchnahme der Streitgenossen durch den Kläger stützt. 1. Dem Kläger wird kein Unbekannter aufgedrängt Unter Bezugnahme auf die gemeinsame Inanspruchnahme der Streitgenossen stellt Kähler fest, dass dem Kläger dadurch nicht die Auseinandersetzung mit einem Unbekannten aufgedrängt werde.24 Denn „[d]ass mehrere Parteien am Ver­ fahren beteiligt sind, beruht auf seiner Entscheidung. Lediglich der Umfang der Auseinandersetzung erweitert sich“25.

23

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. November 1996 – 3 W 124/96 –, juris; Reinmüller, IPRax 1998, S. 460, 461. 24 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 488. 25 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 488.

B. Regelungslücke in der ZPO 

73

Vor dem Hintergrund des Hauptinteresses des Klägers – seine Klage soll durch die Erhebung einer Erweiterungsklage nicht verzögert werden – ist dieses Argu­ ment jedoch zu kurz gegriffen. Denn eine Verzögerung der Hauptklage kommt dadurch zustande, dass durch die Erweiterungsklage ein von der Hauptklage ver­ schiedenes neues Prozessrechtsverhältnis begründet wird. Der Umfang dieses unabhängigen Prozessrechtsverhältnisses richtet sich maßgeblich nach dem In­ halt der Erweiterungsklage, weil davon die zu klärenden Rechtsfragen und die mög­licherweise notwendige Aufklärung streitigen Sachverhalts (gegebenenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens) abhängen. Der Umfang der Erweiterungsklage und die mit ihrer Erhebung einhergehende Verzögerung der Hauptklage sind jedoch unabhängig davon, ob der Erweiterungsbeklagte bereits Partei der Hauptklage war oder nicht. Das Argument Kählers, dass aufgrund der bestehenden Parteistellung des Er­ weiterungsbeklagten dem Kläger keine Auseinandersetzung mit einem Unbekann­ ten aufgedrängt werde, ist somit nicht geeignet, die Beschränkung des Anwen­ dungsbereichs der Erweiterungsklage auf gemeinsam verklagte Streitgenossen zu rechtfertigen. 2. Kein Unbeteiligter wird in Verfahren einbezogen Nach Kähler ergeben sich aufgrund der ursprünglichen Beteiligung beider Streit­ genossen am Verfahren auch Vorteile für den Erweiterungsbeklagten. So entstünden etwa im Vergleich zu einer Drittwiderklage keine Probleme wegen des späteren Eintritts des Beklagten in das Verfahren.26 Aufgrund seiner Parteistellung im anhängigen Verfahren sei für den Erweiterungsbeklagten die Erweiterungsklage nicht nachteilig im Vergleich zu einer separat gegen ihn ge­ richteten Klage.27 Tritt ein Unbeteiligter in ein bereits fortgeschrittenes Verfahren ein, stellen sich die Fragen der Verwertung bereits gewonnener Beweise sowie der Zumutbarkeit des möglichen Verlusts eines Instanzenzuges. Zu einem solchen Eintritt kommt es etwa bei einer Parteierweiterung aufgrund einer nachträglichen subjektiven Klagenhäufung sowie bei einer Drittwiderklage, die im Laufe des anhängigen Verfahrens erhoben wird. Der BGH, der die Drittwiderklage mit der Parteierwei­ terung gleichsetzt28, hat Grundsätze zum Schutz des Dritten in diesen Situationen aufgestellt. So ist bei einer Parteierweiterung oder Erhebung der Drittwiderklage in der Berufungsinstanz eine Zustimmung des Beklagten oder dessen rechtsmiss­

26

Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 492. Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 490. 28 BGH NJW 1996, 196. 27

74

Kap. 2: Die Klage als streitgenössische Erweiterungsklage

bräuchliche Verweigerung erforderlich.29 Beeinträchtigt die Verwertung gewon­ nener Beweise den Dritten in seiner Verteidigung, steht ihm das Recht zu, die Er­ gänzung oder Wiederholung der Beweisaufnahme zu verlangen.30 Somit ist es bereits Teil der zivilprozessualen Praxis, dass ein zunächst Unbe­ teiligter Partei eines fortgeschrittenen Rechtsstreits wird. Die von der Rechtspre­ chung entwickelten Grundsätze zum Schutz der Interessen dieser Partei können auch auf die Erweiterungsklage übertragen werden. Der Umstand des nachträg­ lichen Eintritts des Erweiterungsbeklagten rechtfertigt im Ergebnis nicht die Be­ schränkung des Anwendungsbereichs der Erweiterungsklage auf gemeinsam ver­ klagte Streitgenossen. 3. Zwischenergebnis Kähler führt keine Gründe an, welche die formelle Parteistellung des Erweite­ rungsbeklagten als Zulässigkeitsvoraussetzung der Erweiterungsklage inhaltlich rechtfertigen. Allein der Kläger entscheidet, ob er einen oder beide Gesamtschuldner verklagt. Wendet man Kählers Hauptargument der Waffengleichheit auf diese Konstellation an, ist es nicht gerechtfertigt, dem beklagten Gesamtschuldner in letzterem Fall andere prozessuale Handlungsmöglichkeiten zuzugestehen als im ersten. Im Ergebnis ist Kählers Herleitung des Rechtsinstituts der Erweiterungsklage in dieser Hinsicht widersprüchlich. Wird seine Argumentation der Waffengleich­ heit stringent zu Ende geführt, muss eine Erweiterungsklage gegen den eigenen Streitgenossen auch dann zulässig sein, wenn der Kläger nur einen der möglichen Streitgenossen in Anspruch genommen hat.

III. Keine Regelungslücke mangels Abgrenzbarkeit der streitgenössischen Erweiterungsklage von der Garantieklage Kähler nutzt die Voraussetzung der formellen Parteistellung des Erweiterungs­ beklagten zur Abgrenzung der Erweiterungsklage von der Garantieklage und be­ gründet so eine Regelungslücke der ZPO hinsichtlich einer prozessualen Konstel­ lation, die durch die Erweiterungsklage in analoger Anwendung des § 263 ZPO gelöst werde.31 Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass die von Kähler geforderte Voraus­ setzung der formellen Parteistellung des Erweiterungsbeklagten in Bezug auf 29

Saenger-Saenger, § 263 Rn. 21. BGH NJW 1996, 196, 197. 31 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 489 f. 30

C. Fazit 

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den Gesamtschuldnerausgleich kein taugliches Abgrenzungsmerkmal und zudem auch insgesamt inhaltlich nicht gerechtfertigt ist. Entfällt die Voraussetzung der formellen Parteistellung des Erweiterungsbeklagten, umfasst das von Kähler vor­ geschlagene Rechtsinstitut der Erweiterungsklage vollständig den Anwendungs­ bereich der Garantieklage. Bei fehlender Abgrenzbarkeit der Erweiterungsklage von der Garantieklage be­ steht die von Kähler angeführte Regelungslücke in der ZPO nicht. So hat sich der deutsche Gesetzgeber auch nach der Ablehnung der Garantieklage in der Begrün­ dung des ZPO-Entwurfs32 mehrfach gegen die Möglichkeit einer Garantieklage vor deutschen Gerichten ausgesprochen. Im Zusammenhang mit dem EuGVÜ hat die Bundesrepublik Deutschland vor dessen Ratifizierung in Art. 6 Nr. 2 EuGVÜ einen Vorbehalt durchgesetzt, der den besonderen Gerichtsstand der Garantieklage im deutschen Recht ausnahm. Der Sachverständigenbericht zum EuGVÜ hatte in­ sofern zur Garantieklage festgestellt, dass diese mit den Normen des deutschen Zivilprozesses nicht vereinbar sei.33 Dieser Vorbehalt aus Art. 6 Nr. 2 EuGVÜ ent­ spricht nach Übernahme in Art. 65 Abs. 1 lit. a VO 44/2001 und erneuter Über­ nahme in Art. 65 Abs. 1 S. 1 VO 1215/2012 der heutigen Rechtslage. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist nicht die Frage, ob gute Gründe dafürsprächen, die Garantieklage in das deutsche Recht zu übernehmen.34 An die­ ser Stelle bleibt einzig festzuhalten, dass sich nach dem historischen Gesetzgeber auch der aktuelle Gesetzgeber eindeutig dazu entschieden hat, das Rechtsinstitut der Garantieklage nicht in das deutsche Rechtssystem einzuführen. Für das Rechts­ institut der Erweiterungsklage, das im Ergebnis von demjenigen der Garantieklage nicht überzeugend abgrenzbar ist, besteht somit keine Regelungslücke in der ZPO.

C. Fazit Nach dem von Kähler vorgeschlagenen Rechtsinstitut der Erweiterungsklage sollen gemeinsam verklagte Streitgenossen im Rahmen des Hauptprozesses sol­ che Ansprüche gegeneinander geltend machen können, die dem Kläger bzw. der Hauptklage nicht entgegengesetzt sind. Dogmatisch leitet Kähler die Zulässigkeit der Erweiterungsklage aus einer analogen Anwendung des § 263 ZPO ab. Die für die Analogie notwendige Rege­ lungslücke begründet Kähler mit der Abgrenzung der Erweiterungsklage von der Garantieklage, die er aus der formellen Parteistellung des Erweiterungsbeklagten herleitet. Da die Zulässigkeitsvoraussetzung der formellen Parteistellung inhalt­ lich nicht zu rechtfertigen ist, lässt sich jedoch die Erweiterungsklage nicht über­ 32

Hahn, S. 183 f. Bericht zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstre­ ckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BTDrucks VI/1973, S. 73. 34 Für eine Einführung der Garantieklage in das deutsche Recht plädiert Schober, passim. 33

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Kap. 2: Die Klage als streitgenössische Erweiterungsklage

zeugend von der Garantieklage, deren Übernahme in die ZPO der Gesetzgeber ausdrücklich ablehnt, abgrenzen. Das von Kähler vorgeschlagene Rechtsinstitut der Erweiterungsklage kann im Ergebnis nicht zur prozessualen Geltendmachung von Ansprüchen unter gesamt­ schuldnerisch haftenden Streitgenossen herangezogen werden.

Kapitel 3

Die Klage unter gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen als Prozessrechtsinstitut eigener Art („gesamtschuldnerische Befreiungsklage“) Die Untersuchung hat gezeigt, dass im Ausgangsfall die Befreiungsklage des Architekten gegen das Bauunternehmen weder als isolierte Drittwiderklage noch als streitgenössische Erweiterungsklage erhoben werden kann. Die Befreiungsklage des Architekten könnte als Prozessrechtsinstitut eigener Art zuzulassen sein.

A. Notwendigkeit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage Eine Klage, mit der ein vom Hauptgläubiger in Anspruch genommener Gesamt­ schuldner im Rahmen des Hauptverfahrens von seinem Mitschuldner Befreiung von der Hauptforderung in Höhe des internen Anteils des Mitschuldners verlangen kann („gesamtschuldnerische Befreiungsklage“), ist im Gesetz nicht vorgesehen und bislang auch von der Rechtsprechung nicht anerkannt. Die Notwendigkeit einer solchen gesamtschuldnerische Befreiungsklage ist zu untersuchen.

I. Sinn und Zweck des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB Der Sinn und Zweck des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB ergibt sich aus einer näheren Betrachtung der Konzeption der Gesamtschuld, also dem Zusam­ menhang der Rechte und Pflichten im Außenverhältnis gemäß § 421  BGB mit denjenigen im Innenverhältnis gemäß § 426 BGB.1

1

Zum Folgenden vgl. Meier, S. 606 f.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

1. Verhinderung der Vorleistung für internen Anteil des Befreiungsschuldners Nach § 421 BGB liegt es in der Willkür des Hauptgläubigers2, welchen Gesamt­ schuldner er in Anspruch nimmt. Damit sich diese Willkür nicht in der internen Verteilung unter den Gesamtschuldnern manifestiert, sieht § 426 BGB verschiedene Ausgleichsmechanismen vor. Die in § 426 BGB geregelten Regressmöglichkeiten nach Zahlung an den Haupt­ gläubiger verhindern, dass der Hauptgläubiger darüber entscheidet, bei welchem Gesamtschuldner die endgültige Vermögenseinbuße verbleibt. Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB setzt hingegen noch vor der (vorüber­ gehenden) Vermögensbelastung des in Anspruch genommenen Gesamtschuldners an. Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB soll verhindern, dass der in Anspruch genommene Gesamtschuldner überhaupt über seinen internen Anteil hinaus vor­ leisten muss. Denn aus dem Innenverhältnis ergibt sich für keinen Gesamtschuld­ ner die Pflicht, für den internen Anteil seines Mitschuldners in Vorleistung zu tre­ ten.3 Die Verhinderung der Vorleistung ist insofern ein „privilegierter Regress“4. Er rechtfertigt sich aus dem Gedanken, dass der Hauptgläubiger jeden Gesamt­ schuldner dazu zwingen kann, die anteiligen Verbindlichkeiten der Mitschuldner zu zahlen.5 Diese Gefahr, welcher ab Begründung des Gesamtschuldverhältnisses jeder einzelne Gesamtschuldner unwillentlich ausgesetzt ist und welche so die Gesamtschuldner zu einer Schicksalsgemeinschaft verbindet, führt im Innenver­ hältnis unter den Gesamtschuldnern zu einer „Pflichtenverstärkung“6. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass bei einer willentlich vereinbarten Gesamt­ schuld  – wie etwa bei der beauftragten Schuldmitübernahme7  – ein Anspruch unter den Gesamtschuldnern auf Verhinderung der Vorleistung zumindest nicht aus § 426 BGB besteht. Für das Innenverhältnis unter den Gesamtschuldnern sind dann die vertraglichen Vereinbarungen maßgeblich.8

2

„Der Gläubiger ist gewissermaßen ein juristischer Pascha.“, vgl. Heck, § 76, 4a, S. 234. BGH NJW-RR 1987, 1294, 1295; Soergel-Gebauer, § 426 Rn. 15. 4 Meier, S. 607. 5 Nach Meier soll das Argument der Gläubigerwillkür jedoch keine allgemeingültige Recht­ fertigung für die Begründung eines Mitwirkungsanspruchs sein, vgl. Meier, S. 607. 6 MüKo-BGB-Bydlinski, § 426 Rn. 12. 7 Meier, S. 340. 8 Meier, S. 342. Gleiches gilt für den Fall, dass zwischen den Gesamtschuldnern andere vertragliche Vereinbarungen bestehen. 3

A. Notwendigkeit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage 

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2. Pflicht zur Abwehr unbegründeter Ansprüche Mit seinem „Glasfassaden-Urteil“9 aus dem Jahr 2008 hat der BGH eine rege Diskussion zu der Frage ausgelöst, ob der Befreiungsschuldner auf der Grundlage des § 426 BGB auch verpflichtet ist, unbegründete Forderungen des Hauptgläu­ bigers vom Befreiungsgläubiger abzuwehren. Ein solcher Anspruchsinhalt wird von Mayer als „Abwehrkomponente“ eines Befreiungsanspruchs bezeichnet.10 Nach der Ansicht des BGH umfasst bei § 426 BGB „die Pflicht zur Befreiung […] nicht nur die Verpflichtung, begründete Ansprüche zu erfüllen, sondern auch die Verpflichtung, unbegründete Ansprüche von dem Befreiungsgläubiger abzuweh­ ren. Der Gefahr, eine unbegründete Forderung zu erfüllen oder sich wegen einer begründeten Forderung mit einer Klage überziehen zu lassen, soll der Freizustel­ lende nach dem Sinn der Befreiung gerade enthoben werden (BGH, NJW 2002, 2382 = ZIP 2002, 1299; NJW  1983, 1729 [1730], jeweils für den vertraglichen Befreiungsanspruch)“11. Der BGH verweist in den Urteilsgründen ausdrücklich auf seine Rechtsprechung12, nach welcher bei vertraglich vereinbarten Befreiungs­ ansprüchen das Risiko der Inanspruchnahme durch den Hauptgläubiger auf den Befreiungsschuldner übertragen wird. Die Annahme einer Abwehrpflicht unbegründeter Ansprüche aufgrund einer Gleichsetzung des Befreiungsanspruchs aus § 426  BGB mit vertraglich verein­ barten Befreiungsansprüchen wurde in der Literatur13 zu Recht kritisiert. Denn dem Befreiungsanspruch aus § 426 BGB liegt ein gesetzliches Schuldverhältnis zugrunde, welches ohne die Forderung im Außenverhältnis nicht existiert.14 Da im Fall eines unbegründeten Anspruchs des Hauptgläubigers kein Befreiungsan­ spruch aus § 426 BGB gegeben ist, kann im Ergebnis aus § 426 BGB auch nicht die Pflicht des Befreiungsschuldners abgeleitet werden, unbegründete Ansprüche vom Befreiungsgläubiger abzuwehren.15 3. Zwischenergebnis Der Sinn und Zweck des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB liegt einzig da­ rin, eine Vorleistung des durch den Hauptgläubiger in Anspruch genommenen Be­ freiungsgläubigers für den internen Anteil des Befreiungsschuldners zu verhindern. 9

BGH NJW-RR 2008, 256. Mayer, ZfPW 2015, S. 226, 233. 11 BGH NJW-RR 2008, 256, 258. 12 BGH NJW 1970, 1594, 1595; NJW 1983, 1729, 1730; NJW 2002, 2382; NJW-RR 2011, 479, 480; vgl. dazu auch Görmer, S. 21 und Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 2072, 2073. 13 MüKo-BGB-Bydlinski, § 426 Rn. 73; Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 220, 226; Schmidt, JuS 2008, S. 283, 285; Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 2072, 2075; Zahn, ZfBR 2007, S. 627, 631; a. A. Mayer, ZfPW 2015, S. 231, 232. 14 Keine „Putativ-Gesamtschuld“, vgl. Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 2072, 2075. 15 Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 226. 10

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

II. Prozessuale Möglichkeiten zur Durchsetzung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage ist als Prozessrechtsinstitut eigener Art nur dann notwendig, wenn der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB nicht in anderer Art und Weise16 prozessual wirksam durchgesetzt werden kann. Die Fall­ gestaltung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage setzt voraus, dass die Hauptforderung zwischen dem Hauptgläubiger und dem Befreiungsgläubiger streitig ist. Die prozessualen Möglichkeiten zur Durchsetzung von Befreiungsansprüchen bei streitiger Hauptforderung sind in der Rechtsprechung und in der Literatur umstritten. 1. Rechtsprechung des BGH zur prozessualen Durchsetzung von Befreiungsansprüchen bei streitiger Hauptforderung Die Rechtsprechung des BGH zur prozessualen Durchsetzung von Befreiungs­ ansprüchen ist überwiegend zum schadensersatzrechtlichen Befreiungsanspruch aus § 249 S. 1 BGB ergangen. Inhaltlich kann sie auf den Befreiungsanspruch aus § 426 BGB übertragen werden.17 a) Inhalt Der BGH war zunächst mit der Frage konfrontiert, ob ein auf Geldzahlung ge­ richteter Befreiungsanspruch mittels einer Leistungsklage geltend gemacht werden kann, obwohl er der Höhe nach (noch) nicht bezifferbar ist. Hierzu stellte der BGH grundsätzlich fest: „Eine Verurteilung zur Befreiung entbehrt, wenn sie keinerlei Anhalt über den Umfang der Verbindlichkeit enthält, von der freigestellt werden soll, regelmäßig der erforderlichen Bestimmtheit (§ 253 II Nr. 2 ZPO), weil sie ohne nur in einem zusätzlichen Rechtsstreit zu erreichende Konkretisierung nicht voll­ streckbar sein würde“18. Im Jahr 198119 hatte der BGH über ein Befreiungsbegehren zu entscheiden, dem ein Betriebshaftpflichtvertrag zugrunde lag. In den Urteilsgründen wies der BGH auf die haftpflichtversicherungsrechtliche Besonderheit hin, dass der Ver­ 16

Die Untersuchung hat bereits ergeben, dass der Anspruch aus § 426 BGB nicht mittels einer isolierten Drittwiderklage und auch nicht mittels einer streitgenössischen Erweiterungs­ klage geltend gemacht werden kann. 17 Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004, 3005. 18 BGH NJW 1980, 1450; inhaltsgleich aber verkürzt in NJW 1981, 1318 sowie in NJW 1990, 1366, 1377. 19 BGH NJW 1981, 870, 871.

A. Notwendigkeit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage 

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sicherungsnehmer von der Haftpflichtversicherung nicht die Befriedigung des Haftpflichtgläubigers verlangen könne. Denn dem Haftpflichtversicherer stehe die Erfüllung der Ansprüche frei, solange diese nicht nach § 156 Abs. 2 VVG a. F. rechtskräftig festgestellt worden seien. Da eine Leistungsklage auf Befreiung von der Haftpflichtverbindlichkeit gleichbedeutend mit einer Klage auf Befriedigung des Haftpflichtgläubigers sei, setze eine solche Leistungsklage die rechtskräftige Feststellung der seitens des Haftpflichtgläubigers geltend gemachten Ansprüche voraus. Ohne eine solche rechtskräftige Feststellung käme nur eine Feststellungs­ klage auf Gewährung des Versicherungsschutzes in Betracht. Eine dogmatische Begründung dafür, weshalb eine Leistungsklage in einem solchen Fall unzulässig (nicht etwa unbegründet) und „richtigerweise“20 eine Feststellungsklage zu er­ heben sei, führte der BGH nicht an. Er konnte sie im Ergebnis auch offenlassen, weil der Klageantrag bereits aus einem anderen Grund zu unbestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO war. Im Jahr 1991 fällte der BGH21 sodann seine „Leitentscheidung“22 zur prozes­ sualen Durchsetzung von Befreiungsansprüchen bei streitiger Hauptforderung. Die klagende Schiffseigentümerin machte gegen die beklagte Frachtführerin einen schadensersatzrechtlichen Befreiungsanspruch aus §§ 826, 249 S. 1 BGB mittels einer Leistungsklage geltend. Hintergrund war, dass die Klägerin ihrerseits in Singapur von den Abnehmern der (verloren gegangenen) Schiffsfracht auf Scha­ densersatz in Anspruch genommen wurde. Während das Verfahren in Singapur noch rechtshängig war und die Klägerin sich gegen ihre dortige In­anspruchnahme verteidigte, begehrte sie in Deutschland von der Beklagten bereits Befreiung von den rechtshängigen Forderungen. In ihrem Klageantrag hatte die Klägerin auf Grundlage des in Singapur anhängigen Verfahrens die Verbindlichkeiten, von denen sie Befreiung begehrte, dem Grunde nach bestimmt und in der Höhe konkret beziffert angegeben. Obwohl der Sachverhalt keinerlei Bezug zum Haft­ pflichtversicherungsrecht aufwies, nahm der BGH Bezug auf das Urteil aus dem Jahr 1981 und führte aus: „Denn es steht, was Voraussetzung für eine Klage auf Befreiung von einer Verbindlichkeit wäre (BGH NJW 1981, Seite 870 = LM Allg. HaftpflichtVersBed. Nr. 13), nicht fest, ob überhaupt und gegebenenfalls inwie­ weit diese Ansprüche der Firmen H und L begründet sind (vgl. auch unten zu B. II. 4. b) aa)). Eine Verurteilung der Beklagten, die sie im Ergebnis zur Befriedi­ gung dieser Ansprüche ohne deren Klärung zwingen würde, kann nicht in Betracht kommen“23. Dogmatisch leitete der BGH die Unzulässigkeit der Leistungsklage aus der Unbestimmtheit des Klageantrags gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ab. Ob­ wohl die Klägerin die Verbindlichkeiten, von denen sie Befreiung begehrte, dem Grunde und der Höhe nach bestimmbar angegeben habe, fehle es mangels Fest­ stehens der Verbindlichkeiten „an einer vollstreckungsfähigen Kennzeichnung 20

BGH NJW 1981, 870, 871. BGH NJW 1991, 634. 22 Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 2072, 2074. 23 BGH NJW 1991, 634, 635. 21

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

der Ansprüche“24. Da es der Klägerin aber erkennbar nur darum gehe, dass die Beklagte im Fall einer Verurteilung der Klägerin in Singapur einzustehen habe, sei in diesem Fall eine Feststellungsklage zu erheben. Bei „der Feststellungsklage spielt die Frage der Vollstreckungsfähigkeit als Kriterium für die hinreichende Bestimmtheit des Klageantrages von vornherein keine Rolle. Feststellung der Verpflichtung zur Befreiung kann somit auch bei noch offenen Schäden und erst drohender Inanspruchnahme begehrt werden“25. Eine Auslegung des mit einer Leistungsklage verfolgten Befreiungsbegehrens als Feststellungsbegehren werde deshalb „vielfach angebracht“26 sein. Seine Leitentscheidung hat der BGH in späteren Entscheidungen bestätigt.27 b) Stellungnahme Dem BGH ist zunächst darin zuzustimmen, dass eine Leistungsklage auf Be­ freiung von einer Verbindlichkeit voraussetzt, dass der Befreiungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach bestimmbar angegeben ist. Der durch den BGH28 in seiner Leitentscheidung im Jahr 1991 vorgenommenen Übertragung der haftpflichtversicherungsrechtlichen Besonderheiten auf scha­ densersatzrechtliche Befreiungsansprüche kann jedoch nicht gefolgt werden. So ist zunächst zu beachten, dass der BGH in seiner Ausgangsentscheidung29 zum Haftpflichtversicherungsrecht die dogmatische Begründung der Unzulässigkeit einer Leistungsklage auf Befreiung im Fall des nicht rechtskräftigen Feststehens der Hauptforderung offen gelassen hat. Bauer30 begründet die Unzulässigkeit der Leistungsklage auch in diesem Fall mit der Unbestimmtheit des Klageantrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Hintergrund der Entscheidung des BGH dürfte jedoch vielmehr die Besonderheit gewesen sein, dass der Versicherungsnehmer keinen Anspruch gegen den Versicherer auf Befriedigung des Haftpflichtgläubigers hat, sondern dem Versicherer ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Erfüllung seiner vertragsgemäßen Leistungspflichten zusteht31. Aufgrund dieser Besonderheit des Haftpflichtversicherungsrechts dürfte das Ermessen des Versicherers ausnahms­ weise dazu führen, dass eine Leistungsklage des Versicherungsnehmers auf Be­ freiung, die mit einer Befriedigung des Haftpflichtgläubigers gleichzusetzen ist, nicht die statthafte Klageart ist.32 24

BGH NJW 1991, 634, 635. BGH NJW 1991, 634, 635. 26 BGH NJW 1991, 634, 635. 27 BGH NJW 2001, 155, 156; NJW 2007, 1809, 1811. 28 BGH NJW 1991, 634, 635. 29 BGH NJW 1981, 870, 871. 30 Bauer, NJW 2015, S. 1329. 31 Prölss / Martin-Lücke, § 100 Rn. 2. 32 So im Ergebnis wohl auch Zöller-Greger, vor § 253 Rn. 3. 25

A. Notwendigkeit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage 

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Bei einem schadensersatzrechtlichen Befreiungsanspruch kommt es – anders als bei § 156 Abs. 2 VVG a. F. – auf eine vorherige rechtskräftige Feststellung der Hauptforderung nicht an und dem Befreiungsgläubiger steht auch kein Ermessen hinsichtlich der Erfüllung seiner Leistungspflicht zu. Es ist daher kein Grund da­ für ersichtlich – und wird seitens des BGH in seiner Leitentscheidung33 auch nicht angeführt –, weshalb die haftpflichtversicherungsrechtlichen Besonderheiten auf schadensersatzrechtliche Befreiungsansprüche übertragen werden sollten. Das Be­ stehen der Hauptforderung ist eine Anspruchsvoraussetzung des schadensersatz­ rechtlichen Befreiungsanspruchs34, die im Rahmen der Begründetheit einer Be­ freiungsklage zu prüfen ist. Das Bestehen der Hauptforderung ist hingegen keine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Leistungsklage auf Befreiung. Wenn der BGH35 darauf abstellt, dass es „nicht in Betracht kommen könne“, den beklagten Befreiungsschuldner zu einer Befriedigung von Ansprüchen „ohne deren Klä­ rung“ zu zwingen, ist dem entgegenzuhalten, dass der BGH die Berechtigung der Ansprüche als Anspruchsvoraussetzung selbst hätte prüfen können und müssen. Sofern die Ansprüche bereits – wie in dem zu entscheidenden Fall – Gegenstand eines rechtsanhängigen Gerichtsverfahrens zwischen dem Hauptgläubiger und dem Befreiungsgläubiger sind, besteht die Möglichkeit der Aussetzung des Ver­ fahrens nach § 148 ZPO.36 Des Weiteren ist auch die durch den BGH in seiner Leitentscheidung vorgenom­ mene Auslegung des Leistungsantrags als Feststellungsantrag zu kritisieren. Vo­ raussetzung der Auslegung eines Klageantrags ist dessen Unbestimmtheit.37 Ein Klageantrag, in dem der Befreiungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach be­ stimmbar angegeben ist, genügt jedoch den Anforderungen an die Bestimmtheit, die der BGH in seiner Rechtsprechung38 hierzu aufstellt. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass der BGH in seiner Leitent­ scheidung zur prozessualen Durchsetzung von Befreiungsansprüchen bei streitiger Hauptforderung zu Unrecht haftpflichtversicherungsrechtliche Besonderheiten auf schadensersatzrechtliche Befreiungsansprüche übertragen und damit die Frage des Bestehens der Hauptforderung ungerechtfertigterweise als Zulässigkeitsvoraus­ setzung einer Leistungsklage auf Befreiung eingestuft hat. Die Auslegung eines 33

BGH NJW 1991, 634, 635. BGH NJW-RR 1987, 43, 44; NJW 1988, 3013, 3015. 35 BGH NJW 1991, 634, 635. 36 Die Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO ist auch aufgrund eines im Ausland an­ hängigen Prozesses möglich, vgl. MüKo-ZPO-Fritsche, § 148 Rn. 5. 37 Stein / Jonas-Roth, § 253 Rn. 50. 38 Vgl. nur BGH NJW 2003, 668, 669: „Daran gemessen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Ri­ siko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH, NJW 1999, Seite 954, m. w. Nachw.)“. 34

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

Leistungsantrags auf Befreiung als Feststellungantrag verstößt zudem gegen die Bindung an die Parteianträge nach § 308 Abs. 1 BGB, wenn die Hauptforderung dem Grunde und der Höhe nach bestimmbar angegeben ist. 2. Literatur In der Literatur werden die Möglichkeiten zur prozessualen Durchsetzung von Befreiungsansprüchen bei strittiger Hauptforderung unterschiedlich beurteilt. a) Inhalt Rimmelspacher39, Bischof40 und Görmer41 hatten sich noch vor der Leitentschei­ dung des BGH aus dem Jahr 1991 mit der Frage der prozessualen Durchsetzung von Befreiungsansprüchen auseinandergesetzt. Nach Rimmelspacher kann eine Befreiungsklage stets als Leistungsklage erhoben werden, unabhängig davon, ob die Hauptforderung bereits fällig oder der Höhe nach bezifferbar bzw. anderweitig bestimmbar ist. Maßgeblich sei allein die „nicht zu leugnende Fälligkeit des Be­ freiungsanspruchs“42. Die rechtlichen Fragestellungen, die sich durch die fehlende Fälligkeit bzw. Bestimmbarkeit der Hauptforderung ergeben, seien im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zu lösen.43 Bischof hat sich dieser Meinung Rimmelspa­ chers angeschlossen und kommt zu dem Ergebnis: „Die fehlende Fälligkeit oder die noch fehlende Bestimmtheit der Hauptforderung hat lediglich zur Konsequenz, daß dem Schuldner auf Antrag zu gestatten ist, den Befreiungsanspruch vorläu­ fig durch Sicherheitsleistung abzuwenden“44. Görmer hingegen berücksichtigt die Rechtsprechung des BGH45 zum Erfordernis der Bestimmtheit des Klageantrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und differenziert zwischen einer (nur) nicht fälligen und einer nicht bezifferbaren bzw. nicht bestimmbaren Hauptforderung. Im ersten Fall der Belastung mit einer noch nicht fälligen Verbindlichkeit sei der Befreiungs­ gläubiger bereits der Gefahr einer späteren Inanspruchnahme ausgesetzt und habe deshalb ein Rechtsschutzinteresse an einer Leistungsklage. Allerdings müsse dem Befreiungsschuldner die Möglichkeit einer vorläufigen Sicherheitsleistung anstelle einer Befreiung eingeräumt werden.46 Sei die Hauptforderung jedoch der Höhe nach (noch) nicht bestimm- bzw. bezifferbar, sei eine Leistungsklage auf Befreiung 39

Rimmelspacher, JR 1976, S. 89. Bischof, ZIP 1984, S. 1444. 41 Görmer, S. 69 ff. 42 Rimmelspacher, JR 1976, S. 89. 43 Rimmelspacher, JR 1976, S. 89, 90. 44 Bischof, ZIP 1984, S. 1444, 1448. Die Urteile des BGH in NJW 1980, 1450 sowie in NJW 1981, 1318 lässt Bischof unerwähnt. 45 BGH NJW 1980, 1450; NJW 1981, 1318; NJW 1990, 1366, 1377. 46 Görmer, S. 100. 40

A. Notwendigkeit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage 

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mangels Bestimmtheit des Klageantrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, wobei eine Umdeutung in eine Feststellungsklage in Betracht komme.47 Im Jahr 2007 hat Bischoff 48 die prozessualen Probleme des Befreiungsanspruchs untersucht. Nach Bischoff ist eine Leistungsklage auf Befreiung immer dann „un­ problematisch“ 49 statthaft, wenn der Befreiungsgläubiger die Höhe der Haupt­ forderung genau beziffern kann. Bei einer unbestimmten Hauptforderung sei in Anlehnung an Rimmelspacher ebenfalls eine Leistungsklage zuzulassen. Die aus der Unbestimmtheit resultierenden Probleme seien im Vollstreckungsverfahren zu lösen.50 Auf das durch den BGH in seiner Leitentscheidung von 1991 aufgestellte Erfordernis des Feststehens der Hauptforderung geht Bischoff nicht ein. Hingegen greift Zahn51 die Leitentscheidung des BGH kritiklos auf und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Leistungsklage auf Befreiung unzulässig sei, wenn „die Ersatzpflicht des Befreiungsgläubigers noch nicht endgültig feststeht und der Befreiungsgläubiger erreichen will, dass der Befreiungsschuldner einzustehen hat, falls sich die Ansprüche des Drittgläubigers als berechtigt erweisen“52. Auch Schweer / Todorow53 gehen auf der Grundlage der Leitentscheidung des BGH davon aus, dass im Fall der Abwehr der eigenen Inanspruchnahme die Hauptforderung nicht feststehe und der Befreiungsgläubiger lediglich eine Fest­ stellungsklage anstelle einer Leistungsklage auf Befreiung erheben könne. Neben einer Feststellungsklage sei mangels Fälligkeit des Befreiungsanspruchs54 zudem eine Klage auf künftige Befreiung nach § 259 ZPO möglich, aus Gründen der Pro­ zessökonomie solle die Befreiungsklage jedoch als isolierte Drittwiderklage im Rahmen des anhängigen Hauptverfahrens erhoben werden können.55 Hingegen ist Mayer56 der Ansicht, dass nach der Rechtsprechung des BGH eine Leistungsklage auf Befreiung bei Bestimmbarkeit der Hauptforderung zulässig sei, weil der BGH in seiner Leitentscheidung die Unzulässigkeit der Leistungsklage allein mit der fehlenden Bestimmbarkeit begründet habe.

47

Görmer, S. 78, 96 f. Bischoff, ZZP 120 (2007), S. 237. 49 Bischoff, ZZP 120 (2007), S. 237, 240. 50 Bischoff, ZZP 120 (2007), S. 237, 241. 51 Zahn, ZfBR 2007, S. 627. 52 Zahn, ZfBR 2007, S. 627, 633. 53 Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 2072, 2074. 54 Vgl. Schweer / Todorow NJW 2013, S. 3004, 3005: „Der BGH hat den Umstand, dass der Befreiungskläger sich selbst noch gegen die eigene Inanspruchnahme zur Wehr setzt, nur pro­ zessrechtlich ausgewertet (Feststellungs- statt Leistungsklage). Materiell-rechtlich dürfte es an der Fälligkeit des Befreiungsanspruchs fehlen“. 55 Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004, 3006. 56 Mayer, ZfPW 2015, S. 226, 246. 48

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

b) Stellungnahme Für eine Beurteilung der dargestellten Literaturmeinungen muss zwischen zwei Eigenschaften der Hauptforderung unterschieden werden. Zum einen geht es um die Bestimmbarkeit der Hauptforderung, die sich bei einer auf Geldleistung gerichteten Verbindlichkeit in ihrer Bezifferbarkeit ausdrückt.57 Hier geht es darum, die Hauptforderung im Klageantrag so genau zu umschreiben, dass aus einem entsprechenden Tenor ohne Weiteres vollstreckt werden kann.58 Zum anderen geht es um das Feststehen der Hauptforderung, also die Frage nach ihrer materiell-rechtlichen Begründetheit. Ist das Feststehen der Hauptforderung zwischen den Parteien streitig, kann ihre materiell-rechtliche Begründetheit nur durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt werden. Im ersten Fall der fehlenden Bestimm- bzw. Bezifferbarkeit der Hauptforderung ist Görmer59 darin zuzustimmen, dass eine Leistungsklage auf Befreiung wegen fehlender Bestimmtheit des Klageantrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig ist. Die Gegenmeinung, die auch in diesen Fällen eine Leistungsklage zulassen will und damit die rechtlichen Fragen in das Vollstreckungsverfahren verlagert, verkennt, dass nach dem System der ZPO die inhaltliche Prüfung des materiell-rechtlichen Anspruchs im Erkenntnisverfahren zu erfolgen hat.60 Im Fall der fehlenden Be­ stimm- bzw. Bezifferbarkeit der Hauptforderung ist jedoch eine Umdeutung des Leistungsantrags in einen Feststellungsantrag möglich.61 Hinsichtlich des zweiten Aspekts des Feststehens der Forderung hat die Unter­ suchung ergeben, dass der BGH zu Unrecht haftpflichtversicherungsrechtliche Besonderheiten auf schadensersatzrechtliche Befreiungsansprüche übertragen hat. Gegen Zahn und Schweer / Todorow ist insofern einzuwenden, dass sie die Recht­ sprechung des BGH übernommen haben, ohne den Hintergrund und die inhalt­ liche Richtigkeit der Leitentscheidung des BGH näher zu untersuchen. Hingegen scheint Mayer die Aspekte der Bestimm- bzw. Bezifferbarkeit der Hauptforderung einerseits und des Feststehens der Hauptforderung andererseits vermischt zu haben. 3. Zwischenergebnis Eine Leistungsklage auf Befreiung von einer Verbindlichkeit ist – abgesehen von Fallgestaltungen mit Bezug zum Haftpflichtversicherungsrecht – immer dann zu­ lässig, wenn die Hauptforderung im Klageantrag vollstreckungsfähig angegeben werden kann. Macht der Befreiungsgläubiger einen Befreiungsanspruch von einer 57

Stein / Jonas-Roth, § 253 Rn. 37. BGH NJW 2001, 155, 156. 59 Görmer, S. 78, 96 f. 60 Brox / Walker, Rn. 5; Görmer, S. 88. 61 Stein / Jonas-Roth, § 253 Rn. 50. 58

A. Notwendigkeit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage 

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Geldverbindlichkeit geltend, ist eine Leistungsklage mithin immer zulässig, wenn der Befreiungsgläubiger die Hauptforderung beziffern kann. Die materiell-recht­ liche Begründetheit der Hauptforderung ist für die Zulässigkeit der Leistungsklage nicht relevant. Doch auch bei Annahme der Zulässigkeit einer Leistungsklage auf Befreiung im Fall der Bezifferbarkeit der Hauptforderung kann diese Leistungsklage nur paral­ lel zu einem gegen den Befreiungsgläubiger anhängigen Hauptverfahren geführt werden. In diesem Fall ist jedoch ungewiss, ob eine Titulierung des Befreiungs­ anspruchs im Innenverhältnis zeitlich vor oder gleichzeitig mit derjenigen des An­ spruchs im Außenverhältnis erfolgt.62 Der Befreiungsgläubiger hat demnach auch mit einer Leistungsklage auf Be­ freiung parallel zum Hauptverfahren kein prozessuales Instrument, das eine recht­ zeitige Titulierung seines Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB sicherstellt.

III. Zwischenergebnis Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB soll nach seinem Sinn und Zweck eine Vorleistung des durch den Hauptgläubiger in Anspruch genommenen Befreiungs­ gläubigers für den internen Anteil des Befreiungsschuldners verhindern. Dieses Ziel kann der Befreiungsgläubiger nur erreichen, wenn er seinen Befreiungsan­ spruch aus § 426 BGB rechtzeitig, also spätestens gleichzeitig mit dem Anspruch aus dem Außenverhältnis titulieren lassen kann.63 Denn bei einer vorzeitigen Titu­ lierung des Anspruchs aus dem Außenverhältnis muss der Befreiungsgläubiger –  notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung – die Forderung des Hauptgläubigers vollständig befriedigen und damit den auf den Befreiungsschuldner entfallenden internen Anteil vorleisten. Hat der Hauptgläubiger im Außenverhältnis bereits eine Klage gegen den Be­ freiungsgläubiger eingereicht, kann der Befreiungsgläubiger eine parallele Leis­ tungsklage auf Befreiung gegen den Befreiungsschuldner erheben. Eine solche parallele Leistungsklage stellt jedoch die rechtzeitige Titulierung des Befreiungs­ anspruchs aus § 426 BGB nicht sicher. Aus der Abhängigkeit der Realisierung des Sinns und Zwecks des Befreiungs­ anspruchs aus § 426 BGB von der Rechtzeitigkeit seiner Titulierung ergibt sich die Notwendigkeit einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage im Rahmen des Hauptverfahrens.

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Sofern nicht zufällig die Voraussetzungen des § 147 ZPO vorliegen. Dies gilt für das Erkenntnisverfahren. Wie der Sinn und Zweck des § 426 BGB im Voll­ streckungsverfahren realisiert werden kann, wird in einem gesonderten Kapitel erörtert. 63

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Prozessrechtsinstitut eigener Art Dogmatisch kann die gesamtschuldnerische Befreiungsklage als Prozessrechts­ institut eigener Art aufzufassen sein. Der dogmatischen Herleitung sind diejenigen Prüfungsschritte zugrunde zu legen, welche von de Boor64 in Bezug auf die gewillkürte Parteiänderung als Pro­ zessrechtsinstitut eigener Art entwickelt wurden: „Wegen der fehlenden gesetz­ lichen Regelung müsse die bestehende Gesetzeslücke nach allgemeinen prozes­ sualen Grundsätzen und sonstigen Wertungen der ZPO ausgefüllt werden, wobei insbesondere die in den §§ 91a, 263, 265, 269 ZPO ausgedrückten Prinzipien und die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen seien“65.

I. Einfügen in das System der ZPO Die Anerkennung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Rechtsinstitut eigener Art setzt voraus, dass sie sich in das System der ZPO einfügt. 1. Anspruch auf effektiven Rechtsschutz: Verwirklichung des materiellen Rechts als Ziel des Zivilverfahrens Im Zivilverfahren hat nach der Rechtsprechung des BVerfG66 jede Partei einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz hat Auswirkung auf die Auslegung bestehender Verfahrensvorschriften: „Verfahrensvorschriften sind nicht Selbst­ zweck. Sie dienen letztlich der Wahrung der materiellen Rechte der Prozeßbetei­ ligten. In Zweifelsfällen sind sie daher – wenn irgend vertretbar – so auszulegen, daß sie eine Entscheidung über die materielle Rechtslage ermöglichen und nicht verhindern“67. Die Bedeutung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz für das Zivilverfahren beschränkt sich jedoch nicht auf eine Auslegungsregel für be­ stehende Verfahrensvorschriften. Aus dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz leitet sich vielmehr eine übergeordnete Wertung ab, die sich in der grundlegenden 64

de Boor, S. 100 ff.; zustimmend: MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 263 Rn. 67; Zöller-­ Greger, § 263 Rn. 3; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 42 Rn. 20; Stein / Jonas-Roth, § 263 Rn. 48; Saenger-Saenger, § 263 Rn. 17. 65 Stein / Jonas-Roth, § 263 Rn. 48. 66 BVerfG NJW 1981, 39, 41; NJW  1989, 1985; NJW  1992, 1672; NJW  1993, 1635; NJW 1995, 3173; NJW 2007, 3118, 3119. 67 BFH NJW 1974, 1582, 1583; BSG NJW 1975, 1380, 1383; BGH NJW 1979, 658, 659; NJW 2016, 1517, 1519; NJW 2018, 2497, 2498.

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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Konzeption und dem Sinn und Zweck des Zivilverfahrens ausdrückt: „Denn das Zivilverfahren hat die Verwirklichung des materiellen Rechts zum Ziel“68. Die Verwirklichung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB setzt im Erkennt­ nisverfahren eine Titulierung spätestens mit der Titulierung der Hauptforderung im Außenverhältnis voraus. Erhebt der Hauptgläubiger gegen den Befreiungsgläu­ biger im Außenverhältnis eine Klage, muss dem Befreiungsgläubiger verfahrens­ rechtlich die Möglichkeit eingeräumt werden, seinen Befreiungsanspruch gegen den Befreiungsschuldner ebenfalls spätestens zum Zeitpunkt der Titulierung der Hauptforderung titulieren zu lassen. Denn der Gleichlauf der Titulierung des Anspruchs aus dem Außenverhältnis mit demjenigen aus dem Innenverhältnis lässt sich in diesem Fall nur dadurch erreichen, dass über beide Ansprüche innerhalb desselben Verfahrens entschieden wird. Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage dient dem Ziel der Verwirklichung des materiellen Rechts und fügt sich damit im Grundsatz in das System der ZPO ein.69 2. Zweiparteienprinzip Im Zivilverfahren gilt das Zweiparteienprinzip, wonach an dem Verfahren nur zwei Parteien – der Kläger und der Beklagte – beteiligt sein können.70 Die herr­ schende Meinung in der Literatur bezieht das Zweiparteienprinzip dabei nicht auf das gesamte Verfahren, sondern lediglich auf das jeweilige Prozessrechtsverhält­ nis.71 Denn nur mit einem solchen Verständnis des Zweiparteienprinzips lässt sich dessen Vereinbarkeit mit den Vorschriften über die Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO in Einklang bringen. Durch die Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage wird das bestehende Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Hauptgläubiger und dem Be­ freiungsgläubiger nicht beeinflusst. Vielmehr entsteht ein vom bestehenden Pro­ zessrechtsverhältnis getrennt zu beurteilendes neues Prozessrechtsverhältnis zwi­ schen dem Befreiungsgläubiger und dem Befreiungsschuldner. Das anhängige Verfahren wird um ein weiteres Prozessrechtsverhältnis ergänzt. Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage verstößt demnach nicht gegen das im Zivilverfahren geltende Zweiparteienprinzip. 68

BGH NJW 2018, 2497, 2498. Dieses Ergebnis ist unabhängig davon, ob der Hauptgläubiger die ursprüngliche Klage nur gegen einen oder gegen beide Gesamtschuldner gerichtet hat. 70 Musielak / Voit-Weth, § 50 Rn. 5. 71 Zöller-Althammer, vor  § 50 Rn. 1; Saenger-Bendtsen, § 50 Rn. 1; Stein / Jonas-Jacoby, vor § 50 Rn. 26; MüKo-ZPO-Lindacher, Vorbemerkung zu § 50 Rn. 9; Rosenberg / Schwab / ​ Gottwald, § 40 Rn. 26; Schmidt, Mehrseitige Gestaltungsprozesse, S. 35; Wieczorek / SchützeSchulze, vor § 50 Rn. 7 f.; Musielak / Voit-Weth, § 50 Rn. 5; a. A. Lüke, S. 430. 69

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

3. Wahrheitspflicht nach § 138 ZPO und widersprüchlicher Vortrag Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB setzt ein Gesamtschuldverhältnis und damit die Haftung sowohl des Befreiungsgläubigers als auch des Befreiungsschuld­ ners gegenüber dem Hauptgläubiger voraus. Der Erfolg einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage hängt deshalb – unter anderem72 – vom Erfolg des Hauptverfahrens gegen den Befreiungsgläubiger ab. Im Rahmen des Hauptverfahrens wird der Befreiungsgläubiger oftmals den kläge­ rischen Vortrag zum Grund und zur Höhe der Hauptforderung bestreiten. Erhebt der Befreiungsgläubiger gleichzeitig eine gesamtschuldnerische Befreiungsklage gegen den Befreiungsschuldner, um seinen Befreiungsanspruch im Fall der eige­ nen Verurteilung rechtzeitig titulieren lassen zu können, behauptet er – innerhalb desselben Verfahrens – im Außenverhältnis das Nichtbestehen derjenigen Forde­ rung, die er im Innenverhältnis als Tatbestandsvoraussetzung seines Befreiungs­ anspruchs als bestehend darlegen muss. Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage könnte aus diesem Grund mit dem im Zivilverfahren nach § 138 Abs. 1 ZPO geltenden Gebot der Wahrheitspflicht unvereinbar sein. a) Bedingte Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage Nach der Rechtsprechung des BGH73 verstößt eine Partei trotz widersprüch­ lichen Vortrags innerhalb desselben Verfahrens dann nicht gegen ihre Wahrheits­ pflicht, wenn sie ihren Vortrag in Form eines Haupt- und Hilfsantrags in ein Eventualverhältnis74 stellt und zudem nicht von der Unwahrheit des einen oder des anderen Vortrags überzeugt ist. Damit stellt sich die Frage, ob der Befreiungsgläubiger die gesamtschuldnerische Befreiungsklage unter der Bedingung erheben kann, dass sein Antrag im Hauptver­ fahren auf Abweisung der Hauptklage keinen Erfolg hat. In diesem Fall stünden der Antrag des Befreiungsgläubigers auf Abweisung der Hauptklage und die Erhebung der Befreiungsklage in einem Eventualverhältnis75, sodass eine Übertragung der eingangs zitierten Rechtsprechung des BGH in Betracht käme.

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Weitere Anspruchsvoraussetzung ist die Haftung des Befreiungsschuldners gegenüber dem Hauptgläubiger. 73 BGH NJW 1985, 1841, 1842; NJW 1995, 2843, 2846; NJW 2014, 3315; vgl. dazu auch MüKo-ZPO-Fritsche, § 138 Rn. 11, 12. 74 Zur Definition des Eventualverhältnisses vgl. Kion, S. 19: „Ein solches liegt vor, wenn von einer Partei zwischen mehreren Prozeßhandlungen ein Abhängigkeitsverhältnis in der Weise geschaffen wird, daß eine Prozeßhandlung nur für den Fall eines bestimmten positiven oder negativen Ergebnisses einer anderen Prozeßhandlung zur Geltung kommen soll“. 75 MüKo-ZPO-Patzina, § 33 Rn. 24.

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Klageerhebung als der das Verfahren einleitende Akt „streng bedingungsfeindlich, weil die Existenz eines Prozess­ rechtsverhältnisses zwischen den Parteien nicht ungewiss sein darf (vgl. Stein / ​ Jonas / ​Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 253 Rdnr. 3)“76. Obwohl die Widerklage eine von der rechtshängigen Klage zu trennende selbst­ ständige Klage darstellt, lässt der BGH77 eine bedingte Erhebung der Widerklage bei Bestehen eines Eventualverhältnisses78 zwischen dem Antrag des Beklagten auf Klageabweisung und der Erhebung der Widerklage zu.79 Die vom Beklagten im Rahmen der Widerklageerhebung aufgestellte Bedingung sei in diesem Fall innerprozessual.80 Hingegen sei die bedingte Erhebung einer Drittwiderklage un­ zulässig, „[d]enn es ist keinem Prozessgegner zuzumuten, sich auf ein Verfahren einzulassen, bei dem die Möglichkeit besteht, dass es sich wieder in ein recht­liches Nichts auflöst (Stein-Jonas / Leipold, ZPO, 21. Aufl., Vorb. § 128 Rdnr. 208; vgl. auch Zöller / Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 33 Rdnr. 27)“81. Im Fall einer beding­ ten Drittwiderklageerhebung liegt nach dem BGH somit eine unzulässige außer­ prozessuale Bedingung vor. Gleichwohl will Kähler82 die bedingte Erhebung einer Erweiterungsklage zulas­ sen. Obwohl zwischen dem Erweiterungskläger und dem Erweiterungsbeklagten zuvor kein Prozessrechtsverhältnis bestanden habe, sei die Bedingung innerpro­ zessual, „sofern man nicht jeden Streitgenossen so behandelt, ‚als ob er nur allein mit dem Gegner prozessieren würde‘“. Aufgrund der Streitgenossenschaft habe zwischen dem Erweiterungskläger und dem Erweiterungsbeklagten bereits ein „prozessuales Näheverhältnis“ bestanden. Da der Erweiterungsbeklagte jedenfalls unbedingt durch den Hauptgläubiger verklagt sei, sei ihm die durch die bedingte Erhebung einer Erweiterungsklage entstehende Ungewissheit zuzumuten. Diese Ansicht Kählers überzeugt nicht, weil sie gegen den Grundsatz des Zwei­ parteienprinzips verstößt. Grundlage einer innerprozessualen Bedingung kann danach nur ein bestehendes Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien sein. Auch wenn im Fall einer bedingten Widerklageerhebung ein neues, weiteres Pro­ zessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten hinzutritt, steht dieses neue Prozessrechtsverhältnis in einem Eventualverhältnis zu einem bereits 76

BGH NJW 2007, 913, 914; siehe hierzu auch Musielak / Voit-Foerste, § 253 Rn. 29; Zöl­ ler-Greger, § 253 Rn. 2. 77 Grundlegend BGH NJW 1996, 2306, 2307 f. 78 Unerheblich ist, ob das Eventualverhältnis echt – das Bestehen des mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs hängt vom Bestehen des Hauptklagebegehren ab – oder unecht –  das Bestehen des Widerklageanspruchs hängt nicht vom Bestehen des Hauptklageanspruchs ab, die Widerklage wird gleichwohl unter der Bedingung gestellt, dass die Hauptklage be­ gründet bzw. unbegründet ist – ist. 79 MüKo-ZPO-Patzina, § 33 Rn. 24. 80 BGH NJW 1996, 2306, 2307. 81 BGH NJW 2001, 2094, 2095. 82 Zum Folgenden vgl. Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 493.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

existierenden Prozessrechtsverhältnis derselben Parteien. Dieser Umstand kann die Annahme einer innerprozessualen Bedingung rechtfertigen. Im Fall der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage besteht – wie auch bei der Erweiterungsklage  – vor Klageerhebung kein Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Befreiungsgläubiger und dem Befreiungsschuldner. Eine bedingte Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage ist somit mangels einer zulässigen innerprozessualen Bedingung nicht möglich. b) Möglichkeit widersprüchlichen Vortrags bei unbedingter Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage Auch wenn die bedingte Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungs­ klage ausscheidet, kann deren Erhebung gleichwohl mit dem Gebot der Wahrheits­ pflicht der Parteien nach § 138 ZPO vereinbar sein. aa) Praktisches Bedürfnis der Parteien aufgrund der Unsicherheit des Beweises Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine Partei „für denselben Antrag in Eventualstellung verschiedene Begründungen […] geben, auch wenn sie einander widersprechen. Das entspricht namentlich wegen der Unsicherheit des Beweises einem unabweislichen praktischen Bedürfnis und ist allgemein anerkannt (vgl. Stein / Jonas / Schönke, ZPO 17. Aufl. § 260 Anm. II B 2 β; RGZ 144, Seite 71)“83. Das praktische Bedürfnis der Parteien aufgrund der Unsicherheit des Beweises führt nach dem BGH sogar dazu, dass „[e]inander ausschließende Ansprüche mit sich widersprechenden Begründungen […] in verschiedenen Verfahren (z. B. Zivil­ prozeß und Verfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) gleichzeitig geltend gemacht werden [können], sofern dadurch die Wahrheitspflicht nicht verletzt wird“84. Die Gefahr sich widersprechender Ent­ scheidungen müsse dabei in Kauf genommen werden.85 Das Argument des praktischen Bedürfnisses der Parteien, aufgrund der Un­ sicherheit des Beweises unterschiedliche und gegebenenfalls widersprüchliche Begründungen vortragen zu können, kann uneingeschränkt auf die prozessuale Situation des Befreiungsgläubigers übertragen werden. Denn der Befreiungsgläu­ biger sieht sich als „Person in der Mitte“86 mit der Situation konfrontiert, dass er

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BGH MDR 1959, 834. BGH MDR 1959, 834. 85 BGH MDR 1959, 834. 86 Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004. 84

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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seitens des Hauptgläubigers verklagt wird und bereits in einem Zeitpunkt, in dem das Bestehen der Hauptforderung noch ungeklärt ist, eine Befreiungsklage gegen den Befreiungsschuldner erheben muss, um für den Fall der eigenen Verurteilung seinen Befreiungsanspruch rechtzeitig titulieren lassen zu können. Im Zusammenhang mit dem Ausgangsfall dieser Untersuchung ist zu beachten, dass in einem Bauprozess, der Baumängel und die Haftung der Baubeteiligten hierfür zum Gegenstand hat, regelmäßig ein Sachverständigengutachten einge­ holt werden muss. Unter anderem deshalb kommt Kniffka zu dem Schluss, dass „gerade in Bausachen die Haftungsfrage vor einer abschließenden gerichtlichen Klärung häufig unklar [ist]“87. Vor einer abschließenden gerichtlichen Klärung besteht für den Befreiungsgläu­ biger somit häufig88 die seitens des BGH angeführte Unsicherheit des Beweises sowohl im Außenverhältnis zum Hauptgläubiger als auch im Innenverhältnis zum Befreiungsschuldner. Aufgrund seiner prozessualen Stellung als Person in der Mitte besteht für den Befreiungsgläubiger nach den Maßstäben des BGH im Er­ gebnis ein praktisches Bedürfnis nach einem widersprüchlichen Vortrag innerhalb des Befreiungsverfahrens im Verhältnis zu seinem Vortrag im Hauptverfahren. bb) Notwendigkeit eines Eventualverhältnisses bei widersprüchlichem Vortrag Trägt eine Partei widersprüchlich vor, muss sie nach der Rechtsprechung des BGH ihren Vortrag in ein Eventualverhältnis setzen, weil ein widersprüchlicher Vortrag nicht „als ein einheitliches Vorbringen geltend gemacht werden“89 kann. Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass eine gesamtschuldnerische Befrei­ ungsklage nicht unter der Bedingung erhoben werden kann, dass die Hauptforde­ rung gegen den Befreiungsgläubiger begründet ist. Der Befreiungsgläubiger kann seinen Vortrag im Hauptverfahren und seinen Vortrag im Befreiungsverfahren nicht in ein Eventualverhältnis setzen. Damit stellt sich die Frage, ob dem Befreiungsgläubiger  – obwohl ein anzu­ erkennendes praktisches Bedürfnis dazu besteht – die Möglichkeit widersprüch­ lichen Vortrags deshalb verwehrt ist, weil eine bedingte Erhebung der gesamt­ schuldnerischen Befreiungsklage prozessual unzulässig ist. Ein solches Ergebnis würde der besonderen prozessualen Zwangslage des Be­ freiungsgläubigers indes nicht gerecht. Erhebt der Hauptgläubiger gegen den Be­ freiungsgläubiger im Außenverhältnis eine Klage, kann der Befreiungsgläubiger 87

Kniffka, BauR 2005, S. 274, 279. Der Fall, dass der Befreiungsgläubiger vom Bestehen der Hauptforderung überzeugt ist, wird nachstehend erörtert. 89 BGH NJW 1956, 631. 88

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

nur durch eine gleichzeitige Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungs­ klage im Innenverhältnis seinen Befreiungsanspruch aus § 426 BGB realisieren. Dabei ist dem Befreiungsgläubiger von vornherein bewusst, dass er in jedem Fall in einem der beiden Verfahren unterliegen wird. Wenn es nach der Rechtsprechung des BGH aber zulässig ist, dass eine Partei „[e]inander ausschließende Ansprü­ che mit sich widersprechenden Begründungen […] in verschiedenen Verfahren (z. B. Zivilprozeß und Verfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) gleichzeitig geltend“90 macht und sich daraus erge­ bende widersprechende Entscheidungen hingenommen werden müssen, so muss auch in der Konstellation der Befreiungsklage widersprüchlicher Vortrag zulässig sein. Denn bei der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage im Rahmen des Haupt­ verfahrens besteht – im Gegensatz zur Erhebung zweier selbstständiger Verfah­ ren mit sich ausschließenden Ansprüchen – keine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen. Die besondere prozessuale Zwangslage des Befreiungsgläubigers und der Ver­ gleich mit der seitens des BGH als zulässig erachteten Möglichkeit der Geltendma­ chung sich ausschließender Ansprüche in verschiedenen Verfahren recht­fertigen es im Ergebnis, im Rahmen einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage wider­ sprüchlichen Vortrag des Befreiungsgläubigers zuzulassen, obwohl er diesen Vor­ trag nicht in ein Eventualverhältnis setzen kann. cc) Kein Vortrag wider besseres Wissen Die Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung stehen unter der Prämisse, dass der Befreiungsgläubiger nicht unter Verstoß gegen § 138  ZPO „wider besseres Wissen“91 vorträgt. Wider besseres Wissen trägt eine Partei dann vor, wenn sie von der Unwahr­ heit des Vortrags überzeugt ist. Hingegen braucht eine Partei nicht von der Wahr­ heit ihres Vortrags überzeugt zu sein, um die Wahrheitspflicht aus § 138 ZPO zu erfüllen.92 In diesem Zusammenhang kann erneut die Feststellung Kniffkas bemüht werden, dass „gerade in Bausachen die Haftungsfrage vor einer abschließenden gericht­ lichen Klärung häufig unklar [ist]“93. Ist die Haftung des Befreiungsgläubigers gegenüber dem Hauptgläubiger unklar und ist der Befreiungsgläubiger weder vom Bestehen noch vom Nichtbestehen seiner Haftung überzeugt, trägt der Befreiungs­ gläubiger weder im Hauptverfahren, in dem er die eigene Haftung bestreitet, noch

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BGH MDR 1959, 834. MüKo-ZPO-Fritsche, § 138 Rn. 2. 92 MüKo-ZPO-Fritsche, § 138 Rn. 2. 93 Kniffka, BauR 2005, S. 274, 279. 91

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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im Befreiungsverfahren, in dem er die eigene Haftung als Tatbestandsvorausset­ zung des Befreiungsanspruchs zugrunde legen muss, wider besseres Wissen vor.94 Ist der Befreiungsgläubiger hingegen von der eigenen Haftung gegenüber dem Hauptgläubiger überzeugt, darf er dessen Vortrag zur Hauptforderung nicht wi­ der besseres Wissen bestreiten. Umgekehrt darf der – vermeintliche – Befreiungs­ gläubiger keine gesamtschuldnerische Befreiungsklage erheben, wenn er davon überzeugt ist, dass der Anspruch des Hauptgläubigers und damit ein Gesamt­ schuldverhältnis mit dem – vermeintlichen – Befreiungsschuldner nicht bestehen.95 dd) Zwischenergebnis Der Befreiungsgläubiger kann im Rahmen des Hauptverfahrens den Vortrag des Klägers bestreiten und gleichzeitig unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags eine unbedingte Befreiungsklage gegen den Befreiungsschuldner erhe­ ben, solange er in keinem der beiden Verfahren wider besseres Wissen vorträgt. c) Zwischenergebnis Eine bedingte Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage ist mangels einer innerprozessualen Bedingung unzulässig. Doch auch bei einer unbedingten Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage darf der Befreiungsgläubi­ ger aufgrund seiner besonderen prozessualen Zwangslage im Hauptverfahren und im Befreiungsverfahren widersprüchlich vortragen, solange er nicht von der Un­ wahrheit des einen oder des anderen Vortrags überzeugt ist. Das Prozessrechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage ist mit der Wahrheitspflicht der Parteien nach § 138 ZPO vereinbar. 4. Vereinbarkeit mit den Prinzipien der §§ 147, 148, 263 ZPO Bei der Überprüfung der Vereinbarkeit der gesamtschuldnerischen Befreiungs­ klage mit dem System der ZPO müssen des Weiteren „diejenigen Normen der ZPO berücksichtigt werden, die wenigstens Teilregelungen der typischerweise auftau­ chenden Interessenkonflikte enthalten“96. 94 So im Ergebnis auch Kappelhoff, NJW  2014, S. 2775, 2776 und Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004, 3010. 95 Der Befreiungsgläubiger kann freilich entgegen seiner subjektiven Überzeugung im Hauptverfahren verurteilt werden. Gleichwohl würde er mit einer – vorsorglichen – Erhebung einer Befreiungsklage gegen seine Wahrheitspflicht aus § 138 ZPO verstoßen. Prozesstaktische Erwägungen können einen solchen Verstoß nicht rechtfertigen, vgl. OLG Köln MDR 2005, 168. 96 Vgl. Stein / Jonas-Roth, § 263, Rn. 43 zum Parteiwechsel.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

a) Vereinbarkeit mit den Prinzipien der §§ 147, 148 ZPO Da mit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage „Zugriffs- und Ausgleichs­ prozess“97 miteinander verbunden werden, muss sie mit den Prinzipien der §§ 147, 148 ZPO vereinbar sein. Nach § 147 ZPO ist eine Verbindung von Prozessen möglich, wenn die jeweils geltend gemachten Ansprüche in einem rechtlichen Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. Zur inhaltlichen Bestimmung des Begriffs des rechtlichen Zusammenhangs wird gemeinhin auf den rechtlichen Zusammenhang im Sinne des § 33 ZPO verwiesen.98 Das Hauptverfahren ist für das Befreiungsverfahren teilweise präjudiziell. Diese Präjudizialität begründet eine Konnexität im Sinne des § 33 ZPO99, weshalb das Hauptverfahren mit dem Befreiungsverfahren nach § 147 ZPO verbunden werden kann. Nach § 148 ZPO besteht für das Gericht die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens im Fall der Vorgreiflichkeit einer Entscheidung in einem anderweiti­ gen Verfahren. Da das Hauptverfahren für das Befreiungsverfahren vorgreiflich ist, stellt sich die Frage, ob die gesamtschuldnerische Befreiungsklage mit der Re­ gelung des § 148 ZPO vereinbar ist. Denn nach § 148 ZPO könnte das Befreiungs­ verfahren bis zur Entscheidung über das Hauptverfahren ausgesetzt werden, was im Gegensatz zu einer Verbindung der Verfahren steht. Eine Aussetzung nach § 148 ZPO ist jedoch unzulässig, sofern eine Verbindung des anhängigen Verfah­ rens mit dem vorgreiflichen Verfahren nach § 147 ZPO möglich ist.100 Im Ergebnis ist die gesamtschuldnerische Befreiungsklage mit den Prinzipien der §§ 147, 148 ZPO vereinbar. b) Vereinbarkeit mit den Prinzipien des § 263 ZPO Nach § 263 ZPO ist die Änderung einer rechtshängigen Klage von der Zustim­ mung des Beklagten bzw. von einer Sachdienlichkeitserklärung des Gerichts ab­ hängig. Durch die Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage wird das rechtshängige Hauptverfahren inhaltlich nicht beeinflusst. Vielmehr entsteht zwischen dem Befreiungsgläubiger und dem Befreiungsschuldner ein neues Pro­ zessrechtsverhältnis, an dem der Hauptgläubiger nicht beteiligt ist. Eine unmittel­ bare Anwendbarkeit des § 263 ZPO scheidet damit aus.

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Meier, S. 636. Zöller-Greger, § 147 Rn. 3; MüKo-ZPO-Fritsche, § 147 Rn. 5; Musielak / Voit-Stadler, § 147 Rn. 2. 99 BGH NJW 2002, 751, 753. 100 BGH NJW 2002, 751, 753; Zöller-Greger, § 148 Rn. 9. 98

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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Hatte der Hauptgläubiger das Hauptverfahren nur gegen einen Gesamtschuldner gerichtet und erhebt dieser eine gesamtschuldnerische Befreiungsklage, tritt mit dem Befreiungsschuldner eine neue Partei in das Verfahren ein. Im vergleichba­ ren Fall der Drittwiderklage lässt der BGH101 die Parteierweiterung nur unter den Voraussetzungen einer Klageänderung in analoger Anwendung des § 263 ZPO zu. Diese Klageänderungstheorie des BGH wird jedoch von der herrschenden Lehre102 zu Recht als „nicht folgerichtig und widerspruchsvoll“103 abgelehnt. Die analoge Anwendung des § 263  ZPO auf die gesamtschuldnerische Befreiungsklage auf Grundlage der Klageänderungstheorie des BGH scheidet demnach aus.  Jedoch müssen die durch Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage berührten Interessen der Parteien – losgelöst von der Regelung des § 263 ZPO – umfassend berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden. 5. Zwischenergebnis Mit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage wird das Ziel des Zivilver­ fahrens verfolgt, das materielle Recht zu verwirklichen. Sie ist sowohl mit dem Zweiparteienprinzip als auch mit der Wahrheitspflicht der Parteien nach § 138 ZPO sowie den Prinzipien der §§ 147, 148 ZPO vereinbar. § 263 ZPO ist nicht entspre­ chend anwendbar. Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage fügt sich insgesamt in das System der ZPO ein.

II. Die Interessen der Parteien Die Zulässigkeit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Prozessrechts­ institut eigener Art setzt voraus, dass durch ihre Erhebung keine Partei ungerecht­ fertigt in ihren schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt wird. Zur Beurteilung dessen sind die Interessen aller Parteien darzustellen und gegen­ einander abzuwägen. 1. Die Interessen des Befreiungsgläubigers Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage dient verschiedenen Interessen des Befreiungsgläubigers. 101

Grundlegend BGH NJW 1964, 44, 45. MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 263 Rn. 67; Zöller-Greger, § 263 Rn. 3; Putzo, NJW 1964, S. 500; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 42 Rn. 20; Stein / Jonas-Roth, § 263 Rn. 48. 103 Putzo, Festgabe BGH, S. 149, 152.

102

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

a) Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG Das Interesse des Befreiungsgläubigers besteht darin, seinen materiell-recht­ lichen Befreiungsanspruch aus § 426 BGB prozessual gesichert verwirklichen zu können. Kann der Befreiungsgläubiger seinen Befreiungsanspruch aus § 426 BGB nicht rechtzeitig titulieren lassen und muss er aufgrund einer Verurteilung im Außenverhältnis den Hauptgläubiger befriedigen, wird die Erfüllung des Be­ freiungsanspruchs aus § 426 BGB nach § 275 BGB unmöglich.104 Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage dient somit der Verwirklichung des materiell-rechtlichen Anspruchs des Befreiungsgläubigers und damit seinem An­ spruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. b) Schutz vor doppeltem Insolvenzrisiko Inwiefern die Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage den Be­ freiungsgläubiger vor einem „doppelten“105 Insolvenzrisiko schützt, ist differen­ ziert zu betrachten. aa) Risiko der Insolvenz des Befreiungsgläubigers Durch die Verhinderung einer Vorleistung bleibt der Befreiungsgläubiger vor dem „Liquiditätsnachteil“106 bewahrt, in Höhe des Anteils des Befreiungsschuld­ ners eigene Mittel zur Befriedigung des Hauptgläubigers aufwenden und diese sodann im Innenregress einfordern zu müssen. Einhergehend mit dem Liquidi­ tätsnachteil besteht das Risiko der Insolvenz des Befreiungsgläubigers, sofern der Hauptgläubiger aus dem Titel des Hauptverfahrens vollstreckt und der Be­ freiungsgläubiger hierdurch zahlungsunfähig wird.107 Durch die gesamtschuldne­ rische Befreiungsklage wird der Befreiungsgläubiger vor einem vorübergehenden Liquiditätsnachteil und dem damit einhergehenden Risiko der eigenen Insolvenz geschützt. bb) Risiko der Insolvenz des Befreiungsschuldners Ob der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB dem Befreiungsgläubiger im Ver­ gleich zu den Regressansprüchen aus § 426 BGB nach Zahlung an den Hauptgläu­ 104

Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 236. Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004. 106 Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004. 107 Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004. 105

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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biger einen effektiveren Schutz vor dem Insolvenzrisiko des Befreiungsschuldners gewährt, ist in der Literatur umstritten. Muthorst108 sieht in Bezug auf die Belastung des Befreiungsgläubigers mit dem Insolvenzrisiko des Befreiungsschuldners keinen Unterschied zwischen dem Be­ freiungsanspruch vor Zahlung an den Hauptgläubiger und dem Regressanspruch nach Zahlung an den Hauptgläubiger. Denn „[e]s ist bei jedem Befreiungsanspruch das Risiko des Befreiungsgläubigers, in der Insolvenz des Befreiungsschuldners teilweise auszufallen“109. Schweer / Todorow hingegen gehen von einem „verlängerten“110 Insolvenzrisiko aus, wenn der Befreiungsgläubiger seinen Befreiungsanspruch nicht gleichzeitig mit dem Anspruch im Hauptverfahren titulieren lassen könne und auf einen separa­ ten Regressprozess nach Abschluss des Hauptverfahrens angewiesen sei. Nach An­ sicht dieser Autoren haftet dem Innenregress nach Zahlung an den Hauptgläubiger ein größeres Risiko hinsichtlich einer Insolvenz des Befreiungsschuldners an als dem Befreiungsanspruch. Der BGH111 hat die Richtigkeit der These Schweer / Tod­ orows ausdrücklich dahinstehen lassen. Muthorst ist zunächst zuzugeben, dass bei einer anfänglichen Zahlungsunfä­ higkeit des Befreiungsschuldners der Befreiungsanspruch aus § 426  BGB nicht werthaltiger ist als ein Regressanspruch aus § 426  BGB nach Zahlung an den Hauptgläubiger. Ist der Befreiungsschuldner jedoch anfangs solvent, erhöht sich das Risiko seiner Zahlungsunfähigkeit, wenn der Befreiungsgläubiger zunächst das rechtskräftige Urteil im Hauptverfahren abwarten muss, bevor er seinen An­ spruch gegen den Befreiungsschuldner durchsetzen kann. Schweer / Todorow ist demnach darin zuzustimmen, dass die Geltendmachung eines Regressanspruchs aus § 426 BGB gegen den Mitschuldner nach Abschluss des Hauptverfahrens aufgrund der längeren Zeitspanne bis zur Titulierung des Anspruchs ein höheres Risiko hinsichtlich der Insolvenz des Befreiungsschuld­ ners birgt als die Geltendmachung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB im Rahmen des Hauptverfahrens. c) Zwischenergebnis Mit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage wird das Recht des Be­ freiungsgläubigers auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 2  Abs.  1  GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG gewahrt. Ihre Erhebung verringert zudem sowohl das Risiko

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Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 240. Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 240. 110 Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004, 3007. 111 BGH NJW 2014, 1670, 1671. 109

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

der Insolvenz des Befreiungsgläubigers als auch das Risiko in Bezug auf eine In­ solvenz des Befreiungsschuldners. 2. Die Interessen des Befreiungsschuldners Die Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage berührt verschie­ dene Interessen des Befreiungsschuldners. a) Interesse, nicht verklagt zu werden Das Interesse des Befreiungsschuldners, nicht verklagt zu werden, ist grund­ sätzlich nicht schützenswert. Denn dem Befreiungsgläubiger steht es offen, eine vom Hauptverfahren separate Befreiungsklage gegen den Befreiungsschuldner zu erheben, in welcher der Befreiungsschuldner seine Beklagtenstellung eben­ falls akzeptieren muss.112 Nach der herrschenden Meinung in der Literatur bedarf deshalb auch eine Parteierweiterung in erster Instanz nicht der Zustimmung des neuen Beklagten.113 Besonderheiten gelten hingegen bei der Erhebung der Befreiungsklage in der Berufungsinstanz. In dem Fall führt die Erhebung der Befreiungsklage dazu, dass der Befreiungsschuldner eine Tatsacheninstanz im Verhältnis zum Befreiungsgläu­ biger verliert, was sein Recht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG einschränkt114. Dies ist im Rahmen der Interessenabwä­ gung zu berücksichtigen. b) Bindung an Prozessergebnisse des Hauptverfahrens Richtet der Hauptgläubiger die Hauptklage nur gegen einen Gesamtschuldner und erhebt der Befreiungsgläubiger die gesamtschuldnerische Befreiungsklage in einem Zeitpunkt, in dem das Hauptverfahren bereits vorangeschritten ist, stellt sich die Frage nach einer Interessenbeeinträchtigung des Befreiungsschuldners aufgrund einer möglichen Bindung an die Prozessergebnisse des Hauptverfahrens. Streitgegenstand des Hauptverfahrens ist die Haftung des Befreiungsgläubigers gegenüber dem Hauptgläubiger im Außenverhältnis dem Grunde und der Höhe nach. In der Abwandlung des Ausgangsfalls wird im Hauptverfahren regelmä­ ßig ein Sachverständigengutachten zu den tatsächlichen Fragen eingeholt, ob ein 112

Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004, 3007. de Boor, S.  109; Musielak / Voit-Foerste, § 263 Rn. 23; Zöller-Greger, § 263 Rn. 21; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 42 Rn. 21; Stein / Jonas-Roth, § 263 Rn. 71. 114 Zuck, NJW 2013, S. 1132. 113

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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Mangel am Bauwerk vorliegt, der Mangel auf einen Bauüberwachungsfehler des Architekten zurückzuführen ist und wie hoch die erforderlichen Mangelbeseiti­ gungskosten sind.115 Die Feststellungen, die der Sachverständige im Hauptver­ fahren in Bezug auf das Vorliegen eines Mangels und die Höhe der erforderlichen Mangelbeseitigungskosten trifft, sind auch im Rechtsverhältnis zwischen dem Befreiungsgläubiger und dem bisher unbeteiligten Befreiungsschuldner relevant. Eine Bindung an die bisherigen Prozessergebnisse des Hauptverfahrens kann die Interessen des Befreiungsschuldners beeinträchtigen und ist daher im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. c) Örtliche Zuständigkeit des Gerichts der Hauptklage für die Befreiungsklage Der historische Gesetzgeber führte zur Ablehnung der Übernahme der Garantie­ klage in die ZPO unter anderem aus, dass diese „den allgemein geltenden Grund­ sätzen über den Gerichtsstand durch die Verpflichtung des Regressbeklagten, dem Gerichtsstande des Klägers zu folgen, widerstreitet“116. Da auch die gesamtschuldnerische Befreiungsklage zwingend am Gericht der Hauptklage erhoben werden muss, ist deren Vereinbarkeit mit den allgemein gel­ tenden Grundsätzen über den Gerichtsstand zu untersuchen. aa) Zuständigkeit nach §§ 12, 13, 17 ZPO Für den Befreiungsanspruch aus § 426 BGB gilt grundsätzlich der allgemeine Gerichtsstand am Wohn- bzw. Firmensitz des Befreiungsschuldners nach §§ 12, 13, 17 ZPO.117 § 12 ZPO soll als Regelung mit Gerechtigkeitsgehalt den Beklagten davor beschützen, einen Rechtsstreit, in den er unfreiwillig hineingezogen wurde, vor einem auswärtigen Gericht austragen zu müssen.118 Ist das Gericht der Hauptklage –  zufällig  – nach § 12  ZPO auch für die Be­ freiungsklage zuständig, werden in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit keine Interessen des Befreiungsschuldners beeinträchtigt.

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Werner / Pastor, Kap. 1, Rn. 54 f. Hahn, S. 183. 117 Kniffka, BauR 2005, S. 274, 288. 118 Zöller-Schultzky, § 12 Rn. 2. 116

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

bb) Zuständigkeit nach § 29 ZPO Entgegen der Ansicht Kählers119 ist jedoch – auch bei einer gemeinsamen In­ anspruchnahme des Befreiungsgläubigers und des Befreiungsschuldners durch den Hauptgläubiger – die Zuständigkeit des Gerichts der Hauptklage für die Be­ freiungsklage auf der Grundlage der §§ 12, 13, 17 ZPO nicht der Regelfall. So hat gerade in Bausachen der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO eine herausragende Bedeutung.120 Denn nach einer Grundsatzent­ scheidung des BGH121 ist der Ort des Bauwerks regelmäßig der Erfüllungsort für die gegenseitigen Verpflichtungen aus einem Bauvertrag. Dies gilt nach einem weiteren Urteil des BGH122 gleichermaßen für die gegenseitigen Verpflichtungen aus einem Architektenvertrag, sofern dieser Leistungen der Planung und der Bau­ aufsicht beinhaltet. Im Ausgangsfall der Untersuchung kann demnach der Bauherr den Architekten und das Bauunternehmen am Ort des Bauwerks als besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts verklagen. Liegt der Firmensitz des Bauunternehmens nicht am Ort des Bauwerks, scheidet eine Zuständigkeit des Gerichts der Hauptklage für die Be­ freiungsklage nach §§ 12, 17 ZPO aus.  Das Gericht der Hauptklage könnte jedoch nach § 29 ZPO für die Befreiungs­ klage zuständig sein. Nach der Ansicht Kniffkas123 soll der besondere Gerichts­ stand des Erfüllungsorts auch für den Befreiungsanspruch aus § 426 BGB gelten. Dem stehe zunächst nicht entgegen, dass § 29  ZPO eine Streitigkeit aus einem Vertragsverhältnis voraussetze und der Befreiungsanspruch aus § 426  BGB aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis resultiere. Denn in der Rechtsprechung sei anerkannt, dass § 29  ZPO auch einen besonderen Gerichtsstand bei bestimm­ ten vertragsähnlichen gesetzlichen Sonderbeziehungen begründen könne, etwa beim Anspruch gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht, dem Anspruch aus culpa in contrahendo und bei Schuldverhältnissen aus einseitigen Leistungsver­ sprechen. Diesen vertragsähnlichen gesetzlichen Sonderbeziehungen könne das Innen­verhältnis unter Gesamtschuldnern gleichgesetzt werden, was die Anwend­ barkeit des § 29 ZPO für den Befreiungsanspruch aus § 426 BGB rechtfertige. Sei das Gesamtschuldverhältnis aufgrund von Verpflichtungen der Gesamtschuldner aus Bau- bzw. Architektenverträgen entstanden, so sei der Erfüllungsort des Be­ freiungsanspruchs im Sinne des § 269 BGB der Ort des Bauwerks. Dies ergebe

119 Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 497. Auf Grundlage dieser Ansicht kommt Kähler zu dem Schluss, dass bei der streitgenössischen Erweiterungsklage die örtliche Zuständigkeit regelmäßig unproblematisch ist. 120 Kniffka / Koeble-Sacher, 14. Teil, Rn. 4. 121 BGH NJW 1986, 935. 122 BGH NJW 2001, 1936, 1937. 123 Zum Folgenden vgl. Kniffka, BauR 2005, S. 274, 288.

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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sich aus den gleichen rechtlichen und praktischen Erwägungen, die der BGH124 zur Annahme des Orts des Bauwerks als Erfüllungsort für die gegenseitigen Ver­ pflichtungen aus einem Bau- bzw. Architektenvertrag angestellt habe.125 Den Ausführungen Kniffkas ist zuzustimmen. Die Annahme des Orts des Bau­ werks als Erfüllungsort für den Befreiungsanspruch aus § 426 BGB aufgrund der Natur des Schuldverhältnisses im Sinne des § 269 BGB wird insbesondere durch die gerichtlich zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen des Befreiungsanspruchs aus § 426  BGB bestätigt. Denn Voraussetzung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB ist ein Gesamtschuldverhältnis, also – im Ausgangsfall – die Haftung sowohl des Bauunternehmens als auch des Architekten aufgrund von Mängeln am Bau- bzw. Architektenwerk. Sodann muss anhand von § 254 BGB der jeweilige Umfang der Schadensverursachung durch die Parteien bestimmt werden. Grund­ lage sämtlicher Prüfungsschritte ist die Beurteilung des Bauwerks, sodass es in diesem Fall der Natur des Innenausgleichs unter den Gesamtschuldnern entspricht, als Erfüllungsort den Ort des Bauwerks anzunehmen. Ist das Gericht am Ort des Bauwerks für die Hauptklage zuständig, besteht im Ergebnis über § 29 ZPO ebenfalls eine Zuständigkeit für die gesamtschuldnerische Befreiungsklage. In Bausachen wird daher oftmals die Zuständigkeit des Gerichts am Ort des Bauwerks nach § 29 ZPO sowohl für die Hauptklage als auch für die Befreiungsklage angenommen werden können. Interessen des Befreiungsschuld­ ners werden dadurch nicht beeinträchtigt. cc) Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO analog Jedoch sind auch Fälle denkbar, in denen die Belegenheit des für die Hauptklage zuständigen Gerichts weder mit dem Firmensitz des Befreiungsschuldners noch mit dem Ort des Bauwerks übereinstimmt und damit eine Zuständigkeit des Ge­ richts der Hauptklage für die Befreiungsklage nach §§ 12, 17 ZPO bzw. § 29 ZPO ausscheidet.126 In diesen Fällen könnte erwogen werden, über § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO analog die Zuständigkeit des Gerichts der Hauptklage für die Befreiungsklage gerichtlich bestimmen zu lassen.

124

BGH NJW 1986, 935. Auf Grundlage dieser Überlegungen plädiert Kniffka für die Schaffung eines ausschließ­ lichen Gerichtsstands des Baustellenorts, vgl. Kniffka, BauR 2005, S. 274, 291. 126 Etwa wenn der Bauherr mit beiden Vertragspartnern eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen hat, wonach für Klagen aus dem Vertrag das Gericht am Firmensitz des Bauherrn zuständig ist. 125

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

(1) Entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Zusammenhang mit der isolierten Drittwiderklage Die analoge Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist insbesondere im Zu­ sammenhang mit der isolierten Drittwiderklage diskutiert worden. Denn die Ge­ richte sahen sich mit dem Problem konfrontiert, dass der BGH zwar in einzelnen Fallgruppen eine isolierte Drittwiderklage für ausnahmsweise zulässig erachtete, er aber gleichzeitig die Anwendung des Gerichtsstands des § 33 ZPO ablehnte127. Nachdem der BGH128 im Fall einer streitgenössischen Drittwiderklage eine Ge­ richtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zugelassen hatte, wurde eine solche Gerichtsstandsbestimmung auch im Zusammenhang mit der isolierten Drittwiderklage diskutiert. In einer Grundsatzentscheidung lehnte der BGH129 sodann die Möglichkeit einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Fall einer isolier­ ten Drittwiderklage ab. Da die Einschränkung der §§ 12 ff. ZPO durch § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Prozessökonomie gerechtfertigt sei, setze eine Anwendbarkeit auf die Drittwiderklage das Vorliegen einer ver­ gleichbaren Lage, also eine Widerklage gegen mehrere Streitgenossen, voraus. Hieran fehle es bei der isolierten Drittwiderklage. Zudem habe eine Gerichts­ standsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stets die Bestimmung des Gerichts der anhängigen Klage und damit vielfach des Gerichts am allgemeinen Wohn­ sitz des Beklagten und Widerklägers zur Folge. Dies sei mit den Wertungen der §§ 12 ff.  ZPO selbst bei einem sachlichen Zusammenhang zwischen Klage und isolierter Drittwiderklage nicht zu vereinen. Das OLG München130 hingegen erachtete eine Gerichtsstandsbestimmung in analoger Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bei einer isolierten Drittwider­ klage für zulässig.131 Wenn der BGH in bestimmten Fällen die Zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage aus Gründen der Prozessökonomie anerkenne, dürfe die Möglichkeit zur Erhebung der isolierten Drittwiderklage nicht von dem Zufall abhängen, dass beim Gerichtsstand der Klage zugleich ein solcher für die Dritt­ widerklage bestehe. In einem weiteren Verfahren einer isolierten Drittwiderklage, in dem das OLG München132 erneut eine Gerichtsstandsbestimmung in entspre­ chender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vornehmen wollte, legte das OLG die Sache sodann nach § 36 Abs. 3 ZPO dem BGH zur Entscheidung vor. 127

Nur in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung hatte der BGH die Anwendbarkeit des § 33 ZPO auf eine streitgenössische Drittwiderklage bejaht, vgl. BGH NJW 1966, 1028, später jedoch betont, an dieser Entscheidung nicht weiter festzuhalten, vgl. BGH NJW 1991, 2838. 128 BGH NJW 1991, 2838. 129 Zum Folgenden vgl. BGH NJW 1992, 982. 130 OLG München NJW 2009, 2609, 2610. 131 Trotz einer Abweichung zur Rechtsprechung des BGH sah das OLG München in diesem Fall von einer Vorlage an den BGH nach § 36 Abs. 3 ZPO ab. 132 OLG München, Beschluss vom 1. Juni 2010 – 34 AR 64/10 –, juris.

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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Der BGH133 lehnte eine Gerichtsstandsbestimmung in entsprechender Anwen­ dung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nunmehr aufgrund der fehlenden Praktikabilität der Lösung ab, weil „regelmäßig eine gerichtliche Bestimmung des zuständigen Gerichts erforderlich wäre, obwohl nur die Bestimmung des Gerichts der Klage als zuständiges Gericht auch für die Drittwiderklage in Betracht kommt“. Er erachtete es jedoch für notwendig, einen Gerichtsstand für die isolierte Drittwiderklage am Gerichtsstand der anhängigen Klage zu schaffen, weil anderenfalls seine Recht­ sprechung zur ausnahmsweisen Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage in einer Vielzahl von Fällen ins Leere liefe. Deshalb vollzog der BGH eine „Kehrtwende“134 in seiner Rechtsprechung und erklärte den besonderen Gerichtsstand des § 33 ZPO –  jedenfalls im Fall der Zedentenwiderklage  – für entsprechend anwendbar. Der Meinungsstreit um eine Gerichtsstandsbestimmung in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat damit in Bezug auf die isolierte Drittwiderklage an Bedeutung verloren.135 (2) Entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Zusammenhang mit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage Hat der Befreiungsschuldner am Gericht der Hauptklage keinen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand, besteht das gleiche Problem, welches der BGH im Fall der isolierten Drittwiderklage über eine entsprechende Anwendung des § 33 ZPO gelöst hat: Das Rechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungs­ klage würde ins Leere laufen. Die Gesetzeslücke ist daher durch die entsprechende Anwendung einer bestehen­ den Regelung über den Gerichtsstand zu schließen. Denkbar wäre insofern eine analoge Anwendung des Art. 8 Nr. 2 Brüssel Ia-VO136, der einen Gerichtsstand für Befreiungsklagen beim Gericht des Hauptverfahrens vorsieht und damit sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit regelt137. Einer analogen Anwendung des Art. 8 Nr. 2 Brüssel Ia-VO steht jedoch entgegen, dass nach Art. 65 i. V. m. Art. 76 Abs. 1 lit. b und Art. 76 Abs. 2 Brüssel Ia-VO der Gerichtsstand des Art. 8 Nr. 2 Brüssel Ia-VO mit unmittelbarer Wir­ kung138 für das deutsche Recht explizit ausgeschlossen ist.139 133

BGH NJW 2011, 460, 461. Beck, WRP 2011, S. 414. 135 Zöller-Schultzky, § 33 Rn. 25. 136 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. De­ zember 2012 (ABl. EU Nr. L 351/1) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. 137 Musielak / Voit-Stadler, Art. 8 EuGVVO n. F. Rn. 6. 138 Musielak / Voit-Stadler, Vorbemerkung Verordnung (EU) Nr. 1215/2010 – EuGVVO n. F. Rn. 8. 139 Musielak / Voit-Stadler, Art. 8 EuGVVO n. F. Rn. 6. 134

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

Aufgrund der Präjudizialität der Hauptklage für die Befreiungsklage könnte eine Herleitung des Gerichtsstands für eine gesamtschuldnerische Befreiungsklage aus dem besonderen Gerichtsstand der Widerklage nach § 33  ZPO in Betracht kommen. Dies würde allerdings eine doppelt analoge Anwendung des § 33 ZPO voraus­setzen, weil sich die Befreiungsklage zum einen nicht gegen den Kläger des anhängigen Verfahrens richtet und mit ihr zum anderen auch kein Gegenanspruch im Sinne des § 33 ZPO geltend gemacht wird. Vorzugswürdig erscheint daher eine Gerichtsstandsbestimmung in – einfacher – entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, die dazu führt, dass stets das Gericht der Hauptklage als zuständiges Gericht für die gesamtschuldnerische Befreiungsklage bestimmt wird. Eine solche Gerichtsstandsbestimmung beeinträchtigt das Interesse des Be­ freiungsschuldners, nach §§ 12 ff.  ZPO nur an seinem allgemeinen Wohn- bzw. Firmensitz verklagt werden zu können. Diese Interessenbeeinträchtigung ist im Rahmen der Abwägung der Parteiinteressen zu berücksichtigen. d) Zwischenergebnis Erhebt der Befreiungsgläubiger eine gesamtschuldnerische Befreiungsklage in der Berufungsinstanz des Hauptverfahrens, wird hierdurch das Interesse des Be­ freiungsschuldners an der Wahrung seiner Rechtsmittelinstanzen im Verhältnis zum Befreiungsgläubiger beeinträchtigt. Des Weiteren besteht die Gefahr einer Benachteiligung des Befreiungsschuld­ ners, sofern er an bisherige Prozessergebnisse des Hauptverfahrens gebunden wird, obwohl er an der Beweisaufnahme nicht beteiligt war. Besteht für den Befreiungsschuldner am Gericht der Hauptklage kein allgemei­ ner oder besondere Gerichtsstand, wird durch eine Gerichtsstandsbestimmung in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sein Interesse beeinträch­ tigt, nur an dem allgemeinen Gerichtsstand des Wohn- bzw. Firmensitzes verklagt werden zu können. 3. Die Interessen des Hauptgläubigers Die Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage im Rahmen des Hauptverfahrens hat Auswirkung auf verschiedene Interessen des Hauptgläubigers.

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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a) Unverzögerte Durchführung des Hauptverfahrens Das vornehmliche Interesse des Hauptgläubigers besteht in einer unverzöger­ ten Durchführung des Hauptverfahrens zur Durchsetzung seines Anspruchs im Außenverhältnis und damit der Wahrung seines Anspruchs auf effektiven Rechts­ schutz nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. b) Belastung mit Insolvenzrisiken Verlängert sich die Dauer des Hauptverfahrens und damit der Zeitraum, bis der Hauptgläubiger seine Forderung gegen den beklagten Befreiungsgläubiger durch­ setzen kann, verlängert sich der Liquiditätsnachteil des Hauptgläubigers, wodurch sich sein eigenes Insolvenzrisiko erhöht. Im Hauptverfahren trägt der Hauptgläubiger zudem das Insolvenzrisiko des be­ klagten Befreiungsgläubigers. Eine Verlängerung des Hauptverfahrens führt somit auch zu einer Verlängerung der Belastung mit diesem Insolvenzrisiko. c) Wahrung der „Paschastellung“ nach § 421 BGB Nach der Konzeption der Gesamtschuld kann der Hauptgläubiger nach § 421 BGB willkürlich darüber entscheiden, welchen Gesamtschuldner er in welchem Umfang in Anspruch nimmt. Diese materiell-rechtliche „Paschastellung“140 des Hauptgläubigers im Außen­ verhältnis wird durch die prozessuale Möglichkeit der Erhebung einer gesamt­ schuldnerischen Befreiungsklage im Innenverhältnis nicht beeinträchtigt. Denn materiell-rechtlich sind das Außenverhältnis und das Innenverhältnis strikt von­ einander getrennt.141 Dem Befreiungsgläubiger stehen gegen den Hauptgläubiger keinerlei Einwendungen oder Einreden aufgrund des Innenverhältnisses zu seinem Mitschuldner zu. Auch bei Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage bleibt die materiell-rechtliche „Paschastellung“ des Hauptgläubigers gewahrt. d) Zwischenergebnis Die Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage im Rahmen des Hauptverfahrens beeinträchtigt vornehmlich das Interesse des Hauptgläubigers an einer unverzögerten Durchführung des Hauptverfahrens. Inhaltlich wirkt sich die gesamtschuldnerische Befreiungsklage auf das Hauptverfahren nicht aus. 140 141

Heck, § 76, 4a, S. 234. MüKo-BGB-Bydlinski, § 426 Rn. 14.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

4. Abwägung der Parteiinteressen Die Interessen der Parteien sind gegeneinander abzuwägen. a) Konträre Interessen von Hauptgläubiger und Befreiungsgläubiger Das Interesse des Hauptgläubigers an einer unverzögerten Durchführung des Hauptverfahrens widerstreitet dem Interesse des Befreiungsgläubigers an der Rea­ lisierung seines Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB. aa) Verteilung der Insolvenzrisiken Nach der Ansicht Schweer / Todorows142 überwiegt das Interesse des Befreiungs­ gläubigers, nicht durch einen erst später zu führenden Regressprozess mit einem verlängerten Insolvenzrisiko des Befreiungsschuldners belastet zu werden, das Interesse des Hauptgläubigers an einer unverzögerten Durchführung des Haupt­ verfahrens. Dabei lassen die Autoren jedoch unberücksichtigt, dass bei einer Ver­ zögerung des Hauptverfahrens durch die gesamtschuldnerische Befreiungsklage auch der Hauptgläubiger mit einem verlängerten Insolvenzrisiko des Befreiungs­ gläubigers belastet wird. Allein die Belastung des Befreiungsgläubigers mit dem verlängerten Insolvenz­ risiko des Befreiungsschuldners führt somit nicht zu einer Interessenabwägung zugunsten des Befreiungsgläubigers. bb) Schützenswertes Klägerinteresse an der unverzögerten Durchführung des Hauptverfahrens Das Hauptverfahren dient dem Hauptgläubiger zur Durchsetzung seines materiellrechtlichen Anspruchs gegen den Befreiungsgläubiger im Außenverhältnis. (1) Rechtsprechung Der BGH143 hat im Jahr 2013 entschieden, dass ein seitens des Bauherrn auf Schadensersatz verklagter Generalplaner keine isolierte Drittwiderklage gegen seinen Subplaner auf Befreiung von den Ansprüchen des Bauherrn erheben kann. In den Urteilsgründen führte der BGH unter anderem aus: „Es ist jedoch im Regel­ 142 143

Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004, 3007. BGH NJW 2014, 1670.

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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fall mit prozesswirtschaftlichen Erwägungen nicht zu vereinbaren, den Rechtsstreit des Bauherrn mit der Klärung von Fragen zu belasten, die für den Schadensersatz­ anspruch des Bauherrn gegen den Generalplaner bzw. Generalunternehmer nicht von Belang sind (vgl. OLG Köln, NZBau 2013, Seite 375; anders Boldt, BauR 2013, Seite 287, 299)“144. Das OLG Köln, auf dessen Entscheidung der BGH in seinen Urteilsgründen Bezug nimmt, hatte zuvor ausgeführt: „Die Zulassung der Widerklage auf Durch­ führung des Gesamtschuldnerausgleichs gegen den Mitbeklagten ist auch nicht grundsätzlich prozessökonomisch und sinnvoll, sondern widerspricht regelmäßig schutzwürdigen Interessen des klagenden Bauherrn. Dieser ist an der Auseinan­ dersetzung der verklagten Gesamtschuldner im Innenverhältnis nicht beteiligt“145. Insofern mache es keinen Unterschied, ob der Bauherr zunächst nur den Archi­ tekten oder beide Gesamtschuldner gemeinsam verklagt habe.146 Beide Gerichte kommen im Rahmen der Abwägung der Parteiinteressen zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Hauptgläubigers an einer unverzögerten Durchführung des Hauptverfahrens das Interesse des Befreiungsgläubigers an der Durchsetzung seines Befreiungsanspruchs überwiegt. Zur Begründung füh­ ren die Gerichte jeweils an, dass der Kläger an dem der isolierten Drittwiderklage zugrunde liegenden Rechtsverhältnis  – im Fall des BGH am Rechtsverhältnis zwischen Haupt- und Nachunternehmer und im Fall des OLG Köln am Rechts­ verhältnis unter den Gesamtschuldnern – nicht beteiligt sei und deshalb eine Ver­ zögerung seines Verfahrens aufgrund der Erhebung der isolierten Drittwiderklage nicht hinnehmen müsse. (2) Auswirkung der besonderen Konzeption der Gesamtschuld auf die Interessenabwägung In dem vom BGH entschiedenen Fall einer werkvertraglichen Leistungskette, in dem es zum Geschäftsmodell und damit zum Risikobereich des Hauptunter­ nehmers gehört, beauftragte Leistungen durch einen Nachunternehmer ausführen zu lassen, ist das Ergebnis der Interessenabwägung zutreffend.147 Das OLG  Köln hat im Rahmen seiner Abwägung der Parteiinteressen hin­ gegen die besondere Konzeption der Gesamtschuld zu wenig berücksichtigt. Zwar ist dem OLG Köln zunächst zuzugeben, dass bei einem Gesamtschuldverhältnis strikt zwischen dem Außen- und dem Innenverhältnis zu trennen und der Haupt­ 144

BGH NJW 2014, 1670, 1671. OLG Köln NZBau 2013, 375, 379. 146 OLG Köln NZBau 2013, 375, 379. 147 Schmidt, JuS 2014, S. 751, 752; a. A. Boldt, die bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Streitverkündung nach § 72 ZPO auch eine isolierte Drittwiderklage gegen den Streitverkün­ dungsempfänger zulassen will, vgl. Boldt, BauR 2013, S. 287, 294 ff. 145

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

gläubiger nicht am Innenverhältnis der Gesamtschuldner beteiligt ist. Nach der Konzeption der Gesamtschuld besteht jedoch nach § 421 BGB nur deshalb eine unbeschränkte Außenhaftung eines jeden Gesamtschuldners auch für die Anteile seiner Mitschuldner, weil die Gesamtschuldner im Innenverhältnis nach § 426 BGB zur Mitwirkung an der Befriedigung des Hauptgläubigers bzw. zum Ausgleich nach Befriedigung des Hauptgläubigers verpflichtet sind.148 Trotz der strikten Trennung von Außen- und Innenverhältnis besteht somit eine konzeptionelle Abhängigkeit der Regelungen in §§ 421, 426 BGB. Nach der seitens des OLG Köln vorgenommenen Abwägung führt die Bevor­ zugung des Interesses des Hauptgläubigers an einer unverzögerten Durchsetzung seines Anspruchs aus dem Außenverhältnis dazu, dass dem beklagten Befreiungs­ gläubiger die Geltendmachung seines Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB unmög­ lich wird. Die Bevorzugung der Interessen des Hauptgläubigers wirkt sich unmit­ telbar auf den materiell-rechtlichen Anspruch des Befreiungsgläubigers und damit auch auf den Anspruch des Befreiungsgläubigers auf effektiven Rechtsschutz aus. Umgekehrt würde sich bei einer Zulassung der gesamtschuldnerischen Befreiungs­ klage zwar das Hauptverfahren verzögern, der materiell-rechtliche Anspruch des Hauptgläubigers im Außenverhältnis bliebe inhaltlich jedoch unverändert. Die aus der Interessenabwägung des OLG Köln folgende Benachteiligung des Befreiungsgläubigers ist mit der Konzeption der Gesamtschuld nicht vereinbar. Diese Konzeption, wonach der Anspruch aus § 426 BGB ein „Korrektiv“149 bzw. ein „notwendiges Korrelat“150 zur Rechtsfolgenregelung des § 421 BGB darstellt, muss sich vielmehr auch auf prozessualer Ebene widerspiegeln. Bei Berücksichtigung dessen ist es dem Hauptgläubiger auf prozessualer Ebene zumutbar, dass innerhalb des Hauptverfahrens zur Durchsetzung seines Anspruchs im Außenverhältnis, für den eine unbeschränkte Außenhaftung der Gesamtschuld­ ner nach § 421 BGB besteht, der beklagte Befreiungsgläubiger seinen Mitschuldner aus § 426 BGB auf Befreiung in Anspruch nimmt. Zwar hat der vormalige Be­ freiungsgläubiger nach Zahlung an den Hauptgläubiger Ausgleichsansprüche gegen seine Mitschuldner nach § 426 Abs. 1 BGB und § 426 Abs. 2 BGB. Das Bestehen dieser Ausgleichsansprüche rechtfertigt es aber nicht, dem Befreiungsgläubiger die Realisierung seines Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB, der eine Vorleistung gerade verhindern soll, auf prozessualer Ebene zu versagen.

148

Ehmann, S. 99; Soergel-Gebauer, § 426 Rn. 1; BeckOK BGB-Gehrlein, § 426 Rn. 1; Schwedhelm, S. 120. 149 BeckOK BGB-Gehrlein, § 426 Rn. 1. 150 Ehmann, S. 99.

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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cc) Zwischenergebnis Bei der Abwägung der Parteiinteressen ist die konzeptionelle Abhängigkeit der Rechtsfolge des § 421 BGB mit dem Befreiungsanspruch aus § 426 BGB zu berücksichtigen. Dies führt im Ausgangsfall151 dazu, dass es dem Bauherrn als „materiell-rechtli­ chem Pascha“ auf prozessualer Ebene zugemutet werden kann, dass sich das Haupt­ verfahren durch Erhebung der Befreiungsklage verzögert. Denn andernfalls besteht die Gefahr, dass dem Architekten die Geltendmachung seines Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB gegen das Bauunternehmen nach § 275 BGB unmöglich wird. b) Konträre Interessen von Befreiungsschuldner und Befreiungsgläubiger Bei Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage stehen die Inter­ essen des Befreiungsschuldners in verschiedenen Punkten den Interessen des Be­ freiungsgläubigers entgegen. aa) Bindung an Prozessergebnisse des Hauptverfahrens Dem Interesse des Befreiungsgläubigers, eine Befreiungsklage gegen den Be­ freiungsschuldner auch dann erheben zu können, wenn das Hauptverfahren bereits vorangeschritten ist, steht das Interesse des Befreiungsschuldners gegenüber, nicht an Ergebnisse eines Prozesses gebunden zu sein, auf den er bisher keinen Einfluss nehmen konnte. Diese Interessenlage ist vergleichbar mit derjenigen bei einer nachträglichen subjektiven Klagenhäufung. Hier ist sowohl in der Rechtsprechung152 als auch in der herrschenden Lehre153 anerkannt, dass die Ergebnisse einer durchgeführten Beweisaufnahme grundsätzlich verwertbar bleiben, dem neuen Beklagten jedoch ein Recht auf Ergänzung oder Wiederholung einer bereits durchgeführten Beweis­ aufnahme eingeräumt werden muss. In Bausachen ist das Ergebnis des regelmäßig einzuholenden Sachverständi­ gengutachtens von wesentlicher Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens. Zur Wahrung der Interessen des Befreiungsschuldners ist es daher notwendig, ihm in entsprechender Anwendung des § 411 a ZPO zu ermöglichen, zu dem Gutachten 151

Sowohl in der Grundkonstellation als auch in der Abwandlung. Freilich mit der Begründung, dass unter Anwendung des § 263 ZPO der Beklagte zuge­ stimmt bzw. das Gericht die Parteiänderung für sachdienlich erklärt hat, vgl. BGH NJW 1996, 196, 197. 153 Zöller-Greger, § 263 Rn. 21; Rosenberg / Schwab / Gottwald, § 42 Rn. 27; Stein / Jonas-Roth, § 263 Rn. 71; a. A.: Musielak / Voit-Foerste, § 263 Rn. 27. 152

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

nach § 411 Abs. 4 ZPO Stellung zu nehmen und Nachfragen zu stellen sowie das Ergebnis des Gutachtens in einer mündlichen Verhandlung – mit der Möglichkeit der mündlichen Erläuterung durch den Sachverständigen nach §§ 402, 397 ZPO154 – zu erörtern155. Zudem muss das Gericht gegebenenfalls nach § 398 Abs. 1 ZPO die erneute Anhörung eines Zeugen anordnen.156 Bei Beachtung der vorgenannten Einschränkungen ergibt die Abwägung der Parteiinteressen, dass eine Bindung des Befreiungsschuldners an bisherige Prozess­ergebnisse des Hauptverfahrens ihn nicht in schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt. bb) Zustimmung bei Erhebung der Befreiungsklage in der Berufungsinstanz Erhebt der Befreiungsgläubiger die Befreiungsklage erst in der Berufungsins­ tanz des Hauptverfahrens, steht das Interesse des Befreiungsgläubigers an einer wirksamen Durchsetzung seines Befreiungsanspruchs dem Interesse des Be­ freiungsschuldners entgegen, in seinem Verhältnis zum Befreiungsgläubiger eine in der ZPO vorgesehene Tatsacheninstanz durchlaufen zu können. Beide Par­ teien können sich insofern auf ihren Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG berufen. Eine uneingeschränkte Zulassung der Befreiungsklage in der Berufungs­instanz würde zu einer einseitigen Beeinträchtigung des Anspruchs auf effektiven Rechts­ schutz auf Seiten des Befreiungsschuldners führen. Eine Rechtfertigung für eine solche einseitige Belastung ist nicht ersichtlich. Die Möglichkeit des beklagten Be­ freiungsschuldners zur Ausschöpfung seiner in der ZPO vorgesehenen Rechte darf nicht von der Willkür des klagenden Befreiungsgläubigers abhängen. Aus Sicht des Befreiungsschuldners sind seine Interessen dann gewahrt, wenn die Zulässigkeit der Erhebung der Befreiungsklage in der Berufungsinstanz seiner Zustimmung bedarf.157 Da der Befreiungsschuldner jedoch regelmäßig eine solche Zustimmung verweigern wird, würde ein uneingeschränktes Zustimmungs­erfordernis die Inter­ essen des Befreiungsgläubigers an der wirksamen Durchsetzung seines Befreiungs­ anspruchs gänzlich unberücksichtigt lassen. Deshalb ist davon auszugehen, dass eine Zustimmung des Befreiungsschuldners zur Erhebung der Befreiungsklage in der Berufungsinstanz dann entbehrlich ist, wenn ihre Verweigerung rechtsmiss­ bräuchlich erfolgt.

154

Zöller-Greger, § 411 Rn. 4; Musielak / Voit-Huber, § 411 Rn. 7; MüKo-ZPO-Zimmermann, § 411 Rn. 11. 155 Zöller-Greger, § 411 a Rn. 4. 156 Zöller-Greger, § 263 Rn. 21. 157 Zum Folgenden vgl. de Boor, S. 109 f.

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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Dieser von de Boor entwickelten Lösung zum Parteiwechsel in der Berufungs­ instanz hat sich der BGH158 angeschlossen. Zur rechtsmissbräuchlichen Verweige­ rung der Zustimmung hat der BGH festgestellt: „Das Erfordernis der Zustimmung zum Parteiwechsel soll dem Schutz der Partei dienen, die in einem fortgeschrit­ tenen Verfahrensstadium in einen Prozeß hineingezogen wird. Die Verweigerung der Zustimmung ist somit immer dann rechtsmißbräuchlich, wenn ein schutzwür­ diges Interesse des neuen Beklagten an der Weigerung nicht anzuerkennen und ihm nach der gesamten Sachlage zuzumuten ist, in den bereits im Berufungsrechtszug schwebenden Rechtsstreit einzutreten“159. Hat der Hauptgläubiger die Hauptklage gegen beide Gesamtschuldner gerich­ tet, ist nach den vorstehenden Grundsätzen des BGH davon auszugehen, dass eine Verweigerung des Befreiungsschuldners zur Zustimmung der Erhebung der Be­ freiungsklage in der Berufungsinstanz regelmäßig rechtsmissbräuchlich und damit unerheblich ist. Denn als Partei der ersten Instanz des Hauptverfahrens wird der Befreiungsschuldner durch die Erhebung der Befreiungsklage in der Berufungs­ instanz durch den Befreiungsgläubiger nicht in einen neuen, fortgeschrittenen Prozess hineingezogen. Hat der Hauptgläubiger die Hauptklage hingegen nur gegen einen Gesamtschuld­ ner gerichtet, hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Verweigerung des Befreiungsschuldners zur Erhebung der Befreiungsklage in der Berufungsin­ stanz des Hauptverfahrens rechtsmissbräuchlich ist oder nicht. cc) Örtliche Zuständigkeit Besteht für den Befreiungsschuldner am Gericht des Hauptverfahrens kein all­ gemeiner oder besondere Gerichtsstand nach §§ 12 ff. ZPO bzw. § 29 ZPO, könnte die Zuständigkeit des Gerichts der Hauptklage für die Befreiungsklage durch eine Gerichtsstandsbestimmung in entsprechender Anwendung des § 36  Abs.  1 Nr. 3 ZPO begründet werden. Eine solche Gerichtsstandsbestimmung beeinträch­ tigt das Interesse des Befreiungsschuldners, nur an seinem allgemeinen Gerichts­ stand verklagt werden zu können. Dem Interesse des Beklagten an der Beibehaltung seines allgemeinen Gerichts­ stands steht der Anspruch des Befreiungsgläubigers auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG gegenüber. Nach der Rechtsprechung des BGH160 dient das Zivilverfahren der Verwirk­ lichung des materiellen Rechts. Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB kann nur 158

BGH NJW 1956, 1598, 1599; NJW 1987, 1946, 1947; NJW 1997, 2885, 2886; Nagel, S. 41; Putzo, Festgabe BGH, S. 149, 152. 159 BGH NJW 1987, 1946, 1947. 160 BGH NJW 2018, 2497, 2498.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

dann sicher verwirklicht werden, wenn er in Abhängigkeit mit dem Hauptverfah­ ren prozessual durchgesetzt werden kann, was neben der Zulässigkeit der gesamt­ schuldnerischen Befreiungsklage einen Gerichtsstand des Befreiungsschuldners am Gericht der Hauptklage voraussetzt. Besteht insofern kein allgemeiner oder be­ sonderer Gerichtsstand des Befreiungsschuldners, gebietet der Anspruch des Be­ freiungsgläubigers auf effektiven Rechtsschutz, dass das Gericht der Hauptklage gleichwohl für die Befreiungsklage als zuständiges Gericht bestimmt werden kann. Eine Abweichung vom allgemeinen Gerichtsstand ist dem Befreiungsschuldner im speziellen Fall der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage aufgrund der Ab­ hängigkeit der Verwirklichung des materiell-rechtlichen Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB von der Rechtzeitigkeit seiner prozessualen Umsetzung zuzumuten. Nach den bestehenden Regelungen der ZPO kann eine Zuständigkeit des Gerichts der Hauptklage für die Befreiungsklage am ehesten durch die „Notlösung“ einer entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erreicht werden. Die Kritik des BGH161 an der fehlenden Praktikabilität dieser Lösung, bei welcher das Ge­ richt der Hauptklage als zu bestimmendes Gericht bereits vorgegeben ist, ist zwar berechtigt. Jedoch ist dieser Umstand hinzunehmen, weil nur so der Anspruch des Befreiungsgläubigers auf effektiven Rechtsschutz gewahrt werden kann. Für Bausachen, die in der Praxis den Großteil der Gesamtschuldnerschaften ausmachen162, kann und sollte das Problem durch die Umsetzung des Vorschlags Kniffkas163 gelöst werden, für alle Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zu einem Bau­ werk einen ausschließlichen Gerichtsstand am Ort des Bauwerks einzuführen. Da dieser Gerichtsstand losgelöst vom allgemeinen Gerichtsstand des Befreiungs­ gläubigers ist, würde damit auch der maßgebliche Kritikpunkt des historischen Gesetzgebers164 sowie des BGH165 entfallen, dass dem Beklagten nach der Wer­ tung der §§ 12 ff. ZPO eine Klage am Gerichtsstand des Klägers nicht zugemutet werden kann. dd) Zwischenergebnis Die Abwägung der Interessen des Befreiungsschuldners gegen diejenigen des Befreiungsgläubigers hat ergeben, dass der Befreiungsschuldner an bisherige Be­ weisergebnisse im Hauptverfahren gebunden ist, ihm allerdings die Möglichkeit einer nachträglichen Stellungnahme zu diesen Ergebnissen zugestanden werden muss. § 398 Abs. 1 ZPO und § 411 a ZPO sind entsprechend anzuwenden. Die Erhe­ bung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage in der Berufungsinstanz bedarf 161

BGH NJW 2011, 460, 461. Scheffelt, NJW 2018, S. 1510, 1511. 163 Kniffka, BauR 2005, S. 274, 291. 164 Hahn, S. 183. 165 BGH NJW 1992, 982. 162

B. Herleitung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage  

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der Zustimmung des Befreiungsschuldners, sofern die Verweigerung der Zustim­ mung nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt. Hat der Befreiungsschuldner beim Ge­ richt der Hauptklage keinen allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand, kann das Gericht der Hauptklage in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO durch das nächsthöhere Gericht als zuständiges Gericht für die Befreiungsklage bestimmt werden. Diese Notlösung sollte in Bausachen durch die Schaffung eines ausschließlichen Gerichtsstands am Ort des Bauwerks für alle bauwerksbezogenen Ansprüche ersetzt werden. 5. Zwischenergebnis Die Abwägung der Parteiinteressen hat ergeben, dass durch die Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage keine Partei ungerechtfertigt in ihren schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt wird.

III. Fazit Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage ist als Prozessrechtsinstitut eigener Art zuzulassen, unabhängig davon, ob der Hauptgläubiger nur einen oder beide Gesamtschuldner gerichtlich in Anspruch genommen hat. Mit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage wird das Problem des notwen­ digen Zusammenhangs zwischen „Zugriffs- und Ausgleichsprozess“166 im Gesamt­ schuldverhältnis auf prozessualer Ebene gelöst. Diese prozessuale Lösung birgt eine größere Praktikabilität und Rechtssicherheit als die von Meier vorgeschlagene materiell-rechtliche Lösung. Meier macht – um den Interessen aller Beteiligten gerecht zu werden  – das materiell-rechtliche Bestehen eines Mitwirkungsan­ spruchs aus § 426 BGB vom Stadium des Gläubigerzugriffs abhängig.167 In dem Fall, dass der Hauptgläubiger den Befreiungsgläubiger allein oder gemeinsam mit dem Befreiungsschuldner in Anspruch nimmt und noch kein Urteil vorliegt, will Meier168 dem Befreiungsgläubiger einen klagbaren Mitwirkungsanspruch aus § 426 BGB verwehren: „Ein solcher Rechtsstreit ohne Beteiligung des Gläubigers erscheint nur dann tolerabel, wenn der Gläubiger zuvor zumindest gegen einen der Gesamtschuldner ein rechtskräftiges Urteil erstritten hat, weil dann die Leis­ tungspflicht zumindest eines Gesamtschuldners unter Beteiligung des Gläubigers geklärt worden ist“169. Diese Bedenken Meiers können jedoch durch eine Verhand­ lung des Anspruchs im Außenverhältnis und des Befreiungsanspruchs im Innen­ verhältnis in einem einheitlichen Verfahren ausgeräumt werden. 166

Meier, S. 636. Meier, S. 633. 168 Zum Folgenden vgl. Meier, S. 635 ff. 169 Meier, S. 636. 167

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

Durch das Prozessrechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage wird die materiell-rechtliche Konzeption des Gesamtschuldverhältnisses auf pro­ zessualer Ebene fortgeführt und durch die Bündelung des Haupt- und Befreiungs­ verfahrens vermieden, dass ein Gericht „über fremde und unsichere Rechtsverhält­ nisse entscheiden muss“170.

C. Abgrenzung zur Garantieklage Aus der materiell-rechtlichen Konzeption des Gesamtschuldverhältnisses ergibt sich zugleich der Grund für die prozessuale Privilegierung des Befreiungsan­ spruchs aus § 426 BGB. Ein solcher Grund ist notwendig, weil andernfalls der Schluss naheliegt, dass eine Befreiungsklage – gleich aus welchem Rechtsgrund – im Rahmen des Hauptver­ fahrens zulässig sein müsste, um dem Befreiungsgläubiger die wirksame Durchset­ zung seines Befreiungsanspruchs zu ermöglichen. Da ein Befreiungsanspruch ein Anspruch auf Schadloshaltung im Sinne des § 72 ZPO ist171, würde diese Annahme zu Abgrenzungsproblemen in Bezug auf den Anwendungsbereich der Garantie­ klage führen. Die Abwägung der Parteiinteressen hat ergeben, dass der Hauptgläubiger es im Fall des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB hinnehmen muss, dass der beklagte Befreiungsgläubiger im Rahmen des Hauptverfahrens eine gesamtschuldnerische Befreiungsklage erhebt. Denn nur so wird die Konzeption der Gesamtschuld, wonach der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB ein „Korrektiv“172 bzw. ein „not­ wendiges Korrelat“173 zur Rechtsfolgenregelung des § 421 BGB darstellt, auf pro­ zessualer Ebene widergespiegelt. Bei anderen Befreiungsansprüchen fällt die Abwägung der Parteiinteressen hingegen zugunsten des Hauptgläubigers aus. So steht beispielsweise bei einem schadensersatzrechtlichen Befreiungsanspruch aus § 249  S.  1  BGB oder einem Befreiungsanspruch aus § 257  S.  1  BGB als Ausprägung eines Aufwendungs­ ersatzanspruchs der Anspruch des Hauptgläubigers im Außenverhältnis in keiner konzeptionellen Abhängigkeit zum Befreiungsanspruch des Befreiungsgläubigers im Innenverhältnis. Deshalb kann es dem Hauptgläubiger in diesem Fall auch nicht zugemutet werden, dass sich das Hauptverfahren durch Erhebung einer Be­ freiungsklage verzögert.174

170

Meier, S. 638. Güntner, S. 201. 172 BeckOK BGB-Gehrlein, § 426 Rn. 1. 173 Ehmann, S. 99. 174 A. A. Boldt, BauR 2013, S. 287, 294 ff. 171

D. Prozessuale Folgefragen 

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Das Prozessrechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage kann im Ergebnis nicht auf andere Befreiungsansprüche übertragen werden. Im Gegensatz zur Erweiterungsklage ergeben sich daher keine Abgrenzungsprobleme zur vom deutschen Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnten Garantieklage.

D. Prozessuale Folgefragen Bei Anerkennung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Rechtsinstitut eigener Art ergeben sich diverse prozessuale Folgefragen.

I. Zurückbehaltungsrechte und Befreiungswiderklage Gestaltet sich die Haftungsverteilung im Innenverhältnis unter den Gesamt­ schuldnern nicht ausnahmsweise im Verhältnis 0 % zu 100 %, ist jeder Befreiungs­ gläubiger zugleich auch Befreiungsschuldner und umgekehrt. Dieser Umstand wirkt sich auf die prozessualen Handlungsmöglichkeiten der Parteien im Rahmen der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage aus. 1. Befreiungsklage des Befreiungsgläubigers und Zurückbehaltungsrecht des Befreiungsschuldners Im Ausgangsfall der Untersuchung verklagt der Bauherr den Architekten und das Bauunternehmen als Gesamtschuldner auf Schadensersatz. Im Innenverhältnis haften der Architekt zu 30 % und das Bauunternehmen zu 70 %.175 Sowohl der Architekt als auch das Bauunternehmen können gegen den jeweils anderen eine gesamtschuldnerische Befreiungsklage erheben. Hier soll davon aus­ gegangen werden, dass zuerst der Architekt eine gesamtschuldnerische Befreiungs­ klage gegen das Bauunternehmen einreicht. Nach der Rechtsprechung176 und der herrschenden Meinung in der Literatur177 begründet der Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB unter den Voraussetzungen des § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht. Das Bauunternehmen kann somit seinerseits dem klageweise geltend gemachten 175

Die Ermittlung der richtigen Quote im Innenverhältnis vor Erhebung der Befreiungs­ klage ist in der Praxis freilich problematisch. Die größte Rechtssicherheit können die Par­ teien durch ein vorgeschaltetes selbstständiges Beweisverfahren erreichen. Inwiefern sich die Anerkennung des Prozessrechtsinstituts der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage auf die Aus­gestaltung der §§ 485 ff. ZPO auswirkt, wird in einem gesonderten Kapitel erörtert. 176 BGH NJW 1981, 1666, 1668; OLG Celle OLGZ 1970, 357, 359; OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 1087, 1088. 177 BeckOK BGB-Gehrlein, § 426 Rn. 3; Palandt-Grüneberg, § 426 Rn. 5; Staudinger-Looschelders, § 426 Rn. 99; Jauernig-Stürner, § 426 Rn. 14; a. A. Meier, S. 637.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

Befreiungsanspruch des Architekten in Höhe von 70 % der Hauptforderung einen Befreiungsanspruch in Höhe von 30 % der Hauptforderung in Form eines Zurück­ behaltungsrechts entgegenhalten.178 Beide Befreiungsansprüche entstammen dem Innenverhältnis unter den Gesamtschuldnern als demselben rechtlichen Verhältnis im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB. Der Umstand, dass sich der Befreiungsanspruch des Bauunternehmens auf einen geringeren Anteil an der Hauptforderung bezieht, schließt die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nicht aus.179 Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts durch das Bauunternehmen führt nach § 274 Abs. 1 BGB dazu, dass auf die Befreiungsklage des Architekten – das Bestehen beider Befreiungsansprüche vorausgesetzt – ein Zug-um-Zug-Urteil ergeht. Danach wird das Bauunternehmen verurteilt, den Architekten in Höhe von 70 % der Hauptforderung des Bauherrn zu befreien, Zug um Zug gegen eine Be­ freiung durch den Architekten in Höhe von 30 % der Hauptforderung des Bauherrn. Eine solche Zug-um-Zug-Verurteilung im Rahmen der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage hat insbesondere Auswirkung auf der Vollstreckungsebene.180 2. Befreiungswiderklage des Befreiungsschuldners und Zurückbehaltungsrecht des Befreiungsgläubigers Im Ausgangsfall hat das Bauunternehmen neben der Einrede des Zurückbe­ haltungsrechts zudem die Möglichkeit, zur aktiven Geltendmachung seines Be­ freiungsanspruchs eine Befreiungswiderklage gegen den Architekten zu erheben. Die Befreiungswiderklage ist in diesem Fall eine klassische Widerklage im Sinne des § 33 ZPO, weshalb die Rechtsprechung des BGH181 zur Eventualwiderklage auf sie übertragen werden kann. Das Bauunternehmen kann demnach die Erhebung seiner Befreiungswiderklage gegen den Architekten unter die zulässige innerpro­ zessuale Bedingung182 stellen, dass sein Antrag auf Abweisung der Befreiungsklage des Architekten abgewiesen wird. Erhebt das Bauunternehmen eine  – hilfsweise  – Befreiungswiderklage, kann wiederum der Architekt sein Zurückbehaltungsrecht aufgrund seines Befreiungs­ anspruchs gegen das Bauunternehmen einredeweise entgegenhalten, sodass in diesem Fall nach § 274 Abs. 1 BGB auch im Rahmen der Befreiungswiderklage 178

Da der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB mit der Begründung des Gesamtschuldverhält­ nisses und unabhängig von der Geltendmachung der Hauptforderung durch den Hauptgläubiger im Außenverhältnis entsteht, kann das Bauunternehmen dem Befreiungsanspruch des Archi­ tekten auch dann ein Zurückbehaltungsrecht entgegensetzen, wenn der Bauherr – wie in der Abwandlung des Ausgangsfalls – die Hauptklage allein gegen den Architekten erhebt. 179 BeckOK BGB-Lorenz, § 273 Rn. 37. 180 Die Besonderheiten im Vollstreckungsverfahren werden an späterer Stelle erörtert. 181 Grundlegend BGH NJW 1996, 2306, 2307 f. 182 BGH NJW 1996, 2306, 2307.

D. Prozessuale Folgefragen 

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ein Zug-um-Zug-Urteil ergeht. Danach wird der Architekt verurteilt, das Bauunter­ nehmen in Höhe von 30 % der Hauptforderung des Bauherrn zu befreien, Zug um Zug gegen eine Befreiung durch das Bauunternehmen in Höhe von 70 % der Hauptforderung des Bauherrn. 3. Zwischenergebnis Bei einer quotalen Haftung im Innenverhältnis können die Gesamtschuldner im Rahmen der Hauptklage untereinander eine Befreiungsklage bzw. eine Befreiungs­ widerklage erheben.183 Machen die Gesamtschuldner die jeweils gegenseitig be­ stehenden Zurückbehaltungsrechte nach § 273 BGB einredeweise geltend, ergeht sowohl auf die Befreiungsklage als auch auf die Befreiungswiderklage hin eine Zug-um-Zug-Verurteilung nach § 274 Abs. 1 BGB.

II. Zusätzliche Streitverkündung im Hauptverfahren aufgrund Einzelwirkung nach § 425 Abs. 2 BGB Erhebt der Befreiungsgläubiger gegen den Befreiungsschuldner eine gesamt­ schuldnerische Befreiungsklage, stellt sich die Frage, ob der Befreiungsgläubiger dem Befreiungsschuldner zusätzlich noch im Rahmen des Hauptverfahrens den Streit verkünden muss. Nach § 425 Abs. 2 BGB entfaltet ein im Außenverhältnis gegenüber einem Ge­ samtschuldner ergangenes Urteil keine Rechtskraft gegenüber dem weiteren Ge­ samtschuldner. Die Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage hat auf die Einzelwirkung keine Auswirkung. Denn die Verbindung der Verfahren im Innen- und Außenverhältnis zu einem einheitlichen Verfahren führt nicht zu einer Rechtskrafterstreckung der im Außenverhältnis ergangenen Entscheidung auf die Parteien des Innenverhältnisses. Die Folgen der Einzelwirkung des § 425 Abs. 2 BGB stellte bereits das Reichs­ gericht184 in seinem „Treibjagd-Urteil“ eindrücklich dar: Der Kläger, dessen Auge bei einer Treibjagd durch einen Schrotschuss verletzt worden war, nahm vier der an der Treibjagd beteiligten Schützen als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in An­ spruch. Das Landgericht wies die Klage gegen alle vier Beklagten ab, wobei dieses Urteil nur gegen die Beklagten zu 1 und 2 rechtskräftig wurde. Der Beklagte zu 3 wurde durch das Berufungsgericht zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.185 183 Dies gilt unabhängig davon, ob der Hauptgläubiger die Hauptklage gegen einen oder beide Gesamtschuldner gerichtet hat. 184 RGZ 69, 422; vgl. hierzu Staudinger-Looschelders, § 426 Rn. 21 f. 185 Der Ausgang des Verfahrens gegen den Beklagten zu 4 ist der Sachverhaltsdarstellung des Reichsgerichts nicht zu entnehmen.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

Der Beklagte zu 3 erfüllte die Schadensersatzforderung und erhob sodann gegen die vormaligen Beklagten zu 1 und 2 seinerseits Klage und verlangte Ausgleich nach § 426 Abs. 1 BGB. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, gab das Berufungsgericht ihr in vollem Umfang statt. Das Reichsgericht wies die hier­ gegen eingelegte Revision der Beklagten unter anderem mit folgender Begründung ab: „Die Frage, ob und wieweit ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB besteht oder nicht, ist in dem Streite über diesen Anspruch lediglich nach der in diesem Prozesse zu ermittelnden materiellen Rechtslage zu entscheiden. Wenn in dem früheren Prozesse einer der vom Gläubiger Belangten zu Unrecht als Gesamt­ schuldner verurteilt worden ist, so ist diese formelle Tatsache in seinem Verhält­ nisse zu dem mitverurteilten Schuldner rechtlich ohne Bedeutung. Und ebenso kommt im umgekehrten Falle eines vorangegangenen freisprechenden Urteils ohne Rücksicht hierauf das sachlich und objektiv bestehende Gesamtschuldverhältnis für den Ausgleichanspruch in Betracht“186. Der Befreiungsgläubiger muss demnach dem Befreiungsschuldner zusätzlich zur gesamtschuldnerischen Befreiungsklage nach § 72 ZPO den Streit verkünden, um den Befreiungsschuldner über die Interventionswirkung des § 68 ZPO an den Ausgang des Hauptverfahrens zu binden. Die Notwendigkeit einer zusätzlichen Streitverkündung besteht ebenso bei einer gemeinsamen Inanspruchnahme der Ge­ samtschuldner durch den Hauptgläubiger, weil auch der Umstand der Inanspruch­ nahme als Streitgenossen keine Auswirkung auf die Einzelwirkung der Urteile im Außenverhältnis hat.187

III. Prozessuale Trennung von Haupt- und Befreiungsverfahren Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB kann nur dann gesichert durchgesetzt werden, wenn er spätestens gemeinsam mit dem Anspruch im Außenverhältnis tituliert wird. Zu untersuchen gilt, ob nach Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungs­ klage das Befreiungsverfahren gleichwohl vom Hauptverfahren prozessual getrennt werden kann. 1. Teilurteil nach § 301 ZPO Eine solche Trennung würde durch Erlass eines Teilurteils nach § 301 ZPO bei bestehender Entscheidungsreife im Hauptverfahren herbeigeführt.

186 187

RGZ 69, 422, 426 f. Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 239.

D. Prozessuale Folgefragen 

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Bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Teilurteils nach § 301 ZPO ist jedoch zu beachten, dass das Hauptverfahren für die Befreiungsklage teilweise präjudiziell ist.188 Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH189 und der herrschenden Mei­ nung in der Literatur190 ist eine – ungeschriebene – Voraussetzung des § 301 ZPO, dass bei Erlass eines Teilurteils die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestehe dabei insbesondere im Fall von Präjudizialität, wenn also das Teilurteil von einer Rechts­ frage abhänge, die auch für das weitere Verfahren relevant sei.191 Da der Anspruch im Außenverhältnis und der Befreiungsanspruch teilweise von denselben Vorfragen abhängen – dem Bestehen eines Mangels, der Haftung des Befreiungsgläubigers sowie dem Umfang der erforderlichen Mangelbeseiti­ gungskosten –, ist der Erlass eines Teilurteils nach der Rechtsprechung des BGH sowie der herrschenden Meinung in der Literatur ausgeschlossen. Auch die Min­ dermeinung192, nach deren Ansicht im Fall einer Präjudizialität bzw. anderwei­ tigen materiell-rechtlichen Abhängigkeit der geltend gemachten Ansprüche die notwendige Entscheidungsreife für ein Teilurteil nach § 301 ZPO fehlt, kommt zu demselben Schluss. Erhebt der Befreiungsgläubiger im Rahmen des Hauptverfahrens eine gesamt­ schuldnerische Befreiungsklage, ist der Erlass eines Teilurteils nach § 301 ZPO über den Anspruch des Hauptverfahrens aufgrund der Präjudizialität des Haupt­ verfahrens für das Befreiungsverfahren im Ergebnis ausgeschlossen. 2. Prozesstrennung nach § 145 ZPO Nach § 145 ZPO kann das Gericht die getrennte Verhandlung mehrerer in einem Verfahren geltend gemachter Ansprüche anordnen, sofern sachliche Gründe dies rechtfertigen. Im Gegensatz zu § 301 ZPO schließt die Gefahr widersprüchlicher Entscheidun­ gen eine Prozesstrennung nach § 145 Abs. 1 ZPO nicht aus.193 Die Anordnung einer 188

Diese Problematik scheinen Schweer / Todorow übersehen zu haben, wenn sie feststellen: „Falls die Klage vor der Drittwiderklage entscheidungsreif ist, ist der Kläger durch das obliga­ torische Teilurteil nach § 301 ZPO geschützt.“, vgl. Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3007, 3008. 189 BGH NJW 1989, 2821, 2822; NJW 1992, 511; NJW 1997, 1709, 1710; NJW 2001, 155; NJW-RR 2003, 303, 304; NJW 2004, 1452; NJW-RR 2009, 494, 495; NJW-RR 2011, 189, 191; NJW-RR 2012, 849, 850; 190 Zöller-Feskorn, § 301 Rn. 12; Saenger-Saenger, § 301 Rn. 6; a. A.: MüKo-ZPO-Musielak, § 301 Rn. 15; de Lousanoff, S. 85 f.; vermittelnd: Stein / Jonas-Althammer, § 426 Rn. 14. 191 Vgl. nur BGH NJW-RR 2014, 1298 m. w. N.; Stein / Jonas-Althammer, § 426 Rn. 14; Zöl­ ler-Feskorn, § 301 Rn. 9, 12; Saenger-Saenger, § 301 Rn. 6. 192 de Lousanoff, S. 85 f.; MüKo-ZPO-Musielak, § 301 Rn. 15. 193 BGH NJW 2003, 2386, 2387; BauR 2011, 720, 721; Stein / Jonas-Althammer, § 145 Rn. 1; MüKo-ZPO-Fritsche, § 145 Rn. 2; Zöller-Greger, § 145 Rn. 4.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

Prozesstrennung liegt allerdings im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.194 Im Zusammenhang mit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage wird das Gericht daher zu beachten haben, dass dem Befreiungsgläubiger die Geltendma­ chung seines Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB unmöglich wird, wenn er ihn nicht spätestens gleichzeitig mit dem Anspruch im Außenverhältnis titulieren las­ sen kann und den titulierten Anspruch im Außenverhältnis erfüllen muss. Mit der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage wird die materiell-rechtliche Konzeption der Gesamtschuld auf prozessualer Ebene umgesetzt. Daraus ergibt sich eine Ver­ gleichbarkeit mit dem Ansatz Riehm / Buchers195, die aufgrund einer notwendigen Umsetzung der materiell-rechtlichen Wertung des Abtretungsrechts auf prozes­ sualer Ebene davon ausgehen, dass im Rahmen der Verfahrensverbindung nach § 147  ZPO ein „intendiertes Ermessen“ des Gerichts vorliegt und deshalb eine Zedentenwiderklage grundsätzlich zuzulassen ist. Gleichermaßen kann bei der ge­ samtschuldnerischen Befreiungsklage im Rahmen des § 145 ZPO ein intendiertes Ermessen des Gerichts dahingehend angenommen werden, keine Verfahrenstren­ nung anzuordnen. Eine gleichwohl erfolgende Trennung der Verfahren stellt dann einen Ermessensfehler des Gerichts dar196, sofern nicht besondere Gründe – etwa eine rechtsmissbräuchliche Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage mit dem Ziel der Prozessverschleppung – vorliegen. 3. Zwischenergebnis Einer prozessualen Trennung von Haupt- und Befreiungsverfahren durch Erlass eines Teilurteils nach § 301 ZPO steht die Präjudizialität des Hauptverfahrens für das Befreiungsverfahren entgegen. Eine Prozesstrennung nach § 145 ZPO ist zwar auch bei materiell-rechtlicher Abhängigkeit der geltend gemachten Ansprüche möglich. Jedoch spricht der Sinn der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage dafür, ein intendiertes Ermessen des Gerichts dahingehend anzunehmen, dass das Befreiungsverfahren nicht vom Hauptverfahren abgetrennt werden darf. Dies gilt nicht, sofern die gesamtschuld­ nerische Befreiungsklage rechtsmissbräuchlich mit dem Ziel der Prozessverschlep­ pung erhoben wurde.

194

Zöller-Greger, § 145 Rn. 5. Riehm / Bucher, ZZP 123 (2010), S. 347, 356. 196 Da die Anordnung eines Trennungsbeschlusses nach § 145 ZPO nicht rechtsmittelfähig ist, kann der Ermessensfehler jedoch erst im Berufungsverfahren geltend gemacht werden, vgl. Zöller-Greger, § 145 Rn. 6a. 195

D. Prozessuale Folgefragen 

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IV. Berufung Erhebt der Befreiungsgläubiger eine gesamtschuldnerische Befreiungsklage, werden die Klagen im Außen- und Innenverhältnis zu einem Verfahren verbun­ den. Am Ende dieses Verfahrens entscheidet das Gericht über die Ansprüche im Außen- und Innenverhältnis gemeinsam in einem Urteil. Gegen dieses Urteil ist nach § 511 Abs. 1 ZPO das Rechtsmittel der Berufung statthaft. Welche Partei durch das Urteil beschwert ist, muss für das Innen- und Außenverhältnis jeweils gesondert ermittelt werden. Hat das Gericht im Ausgangsfall der Schadensersatzklage des Bauherrn gegen den Architekten und der Befreiungsklage des Architekten gegen das Bauunterneh­ men stattgegeben, sind im Außenverhältnis der Architekt und im Innenverhältnis das Bauunternehmen beschwert. Beide Parteien können das Urteil jeweils nur in Bezug auf das Rechtsverhältnis, aus dem sich ihre Beschwer ergibt, angreifen. Hat der Architekt dem Bauunternehmen im Hauptverfahren der ersten Instanz jedoch den Streit verkündet und ist das Bauunternehmen dem Verfahren auf Seiten des Architekten beigetreten, ist das Bauunternehmen als Nebenintervenient berechtigt, auch gegen das im Außenverhältnis ergangene Urteil Berufung einzulegen.197 Hat das Gericht die Schadensersatzklage des Bauherrn und die Befreiungsklage des Architekten abgewiesen, ist der Architekt beschwert, obwohl er mangels einer gegen ihn ausgeurteilten Hauptforderung des Bauherrn durch das Urteil im Er­ gebnis nicht belastet ist. Denn maßgeblich ist insofern die formelle Beschwer198, die sich aus der Abweisung seines Klageantrags im Befreiungsverfahren ergibt. Legen die jeweils beschwerten Parteien sowohl gegen die im Innenverhältnis als auch gegen die im Außenverhältnis ergangene Entscheidung Berufung ein, kommt es zu einem einheitlichen Berufungsverfahren. Legt hingegen eine beschwerte Par­ tei kein Rechtsmittel ein und wird beispielsweise das Urteil nur in Bezug auf das Außenverhältnis rechtskräftig, besteht die Gefahr, dass es im Berufungsverfahren zu sich widersprechenden Entscheidungen kommt.199 Dies ist jedoch keine spezifi­ sche Folge des Prozessrechtsinstituts der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage, sondern auf das Prozessverhalten einer oder mehrerer Parteien zurückzuführen.

197

Musielak / Voit-Weth, § 67 Rn. 4. Musielak / Voit-Rimmelspacher, vor § 511 Rn. 16. 199 Hierzu kommt es in folgender Konstellation des Ausgangsfalls: Das Gericht gibt in erster Instanz der Schadensersatzklage und der Befreiungsklage statt, der Architekt hatte dem Bau­ unternehmen im Hauptverfahren nicht den Streit verkündet. Lässt der Architekt das Urteil im Außenverhältnis gegen sich rechtskräftig werden, während das Bauunternehmen gegen das Urteil im Innenverhältnis Berufung einlegt, kann das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass ein Befreiungsanspruch mangels Begründetheit der Hauptforderung nicht ge­ geben ist. Denn im Berufungsverfahren über das Innenverhältnis sind in diesem Fall weder die Parteien noch das Gericht an die rechtskräftige erstinstanzliche Entscheidung im Außen­ verhältnis gebunden. 198

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

V. Exkurs: Anspruch auf Erstattung der Hauptverfahrenskosten Der Befreiungsgläubiger muss sich im Rahmen des Hauptverfahrens gegen die Hauptklage verteidigen und zugleich eine gesamtschuldnerische Befreiungsklage gegen den Befreiungsgläubiger erheben, um seinen möglicherweise bestehenden Befreiungsanspruch rechtzeitig titulieren und damit wirksam durchsetzen zu können. Da eine bedingte Erhebung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage un­ zulässig ist und ihre Begründetheit von derjenigen der Hauptklage abhängt, ist für den Befreiungsgläubiger das Unterliegen in einem der beiden Prozesse vorher­ bestimmt. Sind sowohl die Haupt- als auch die Befreiungsklage begründet, stellt sich die Frage, ob der Befreiungsgläubiger vom Befreiungsschuldner diejenigen Kosten (anteilig) ersetzt verlangen kann, die ihm aufgrund des Unterliegens im Hauptverfahren200 entstanden sind.201 1. Kostenerstattung aus § 426 BGB Zunächst könnte erwogen werden, ob der Anspruch des Befreiungsgläubigers aus § 426 BGB auf Befreiung von der Hauptschuld auch die im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Hauptschuld entstandenen Prozesskosten umfasst. Nach übereinstimmender Ansicht in der Literatur202 und in der Rechtsprechung203 stellt § 426 BGB jedoch keine Anspruchsgrundlage für die Erstattung von Pro­ zesskosten dar. Bei einer alleinigen Haftung des Befreiungsgläubigers für die Prozesskosten seien die Voraussetzungen des § 426 BGB nicht erfüllt.204 Da nach § 421 BGB jeder Gesamtschuldner nach außen uneingeschränkt hafte, liege ein verlorener Prozess im Außenverhältnis in seinem eigenen Risikobereich.205

200 Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung wird bei der Kosten­ entscheidung nicht zwischen den Kosten des Hauptverfahrens und des Befreiungsverfahrens unterschieden. 201 Wäre ein solcher Kostenerstattungsanspruch gegen den Befreiungsschuldner gegeben, könnte der Befreiungsgläubiger ihn im Rahmen der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage mit einen zusätzlichen Feststellungs- bzw. Freistellungsantrag geltend machen. 202 MüKo-BGB-Bydlinski, § 426 Rn. 24; Palandt-Grüneberg, § 426 Rn. 6; Kniffka, BauR 2005, S. 274, 279; Staudinger-Looschelders, § 426 Rn. 45; Scheffelt, NJW 2018, S. 1510, 1511; Jauernig-Stürner, § 426 Rn. 14. 203 BGH NJW 1971, 884, 885; NJW 1974, 693, 694; OLG Neustadt NJW 1963, 494. 204 OLG Neustadt NJW 1963, 494. 205 BGH NJW 2003, 2980, 2981.

D. Prozessuale Folgefragen 

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2. Kostenerstattung aus § 100 Abs. 4 ZPO Richtet der Hauptgläubiger die Hauptklage gegen beide Gesamtschuldner, wer­ den diese bei einem Obsiegen des Hauptgläubigers nach § 100 Abs. 4 ZPO zur Tragung der Kosten als Gesamtschuldner verurteilt. Die Verurteilung nach § 100 Abs. 4 ZPO führt jedoch nicht dazu, dass der für die Prozesskosten in Anspruch genommene Gesamtschuldner nunmehr auf Grund­ lage des § 426 BGB vom Mitschuldner Befreiung bzw. Ausgleich in Höhe der auf dessen Anteil entfallenden Prozesskosten verlangen kann. Denn die Regelung des § 100 Abs. 4 ZPO dient nach der Rechtsprechung des BGH206 vorrangig dem Schutz des Hauptgläubigers. Für das Innenverhältnis unter den Gesamtschuldnern gelte, „daß ihr Zusammenschluß zu einer (einfachen) Streitgenossenschaft zufällig ist. Diese Zusammenfassung kann deshalb an dem Grundsatz nichts ändern, daß die Kosten der (erfolglosen) Abwehr des Gläubiger­ zugriffs den Betroffenen allein angehen und jedenfalls nicht Gegenstand der für den Hauptanspruch geltenden gesamtschuldnerischen Haftung sind“207. Beim Aus­ gleich unter den Gesamtschuldnern nach § 100 Abs. 4 ZPO finde deshalb regel­ mäßig die Kopfteilregelung des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB Anwendung. 3. Kostenerstattung aus Sekundäransprüchen Ein Anspruch des Befreiungsgläubigers auf Erstattung der Prozesskosten des Hauptverfahrens könnte sich aus Sekundäransprüchen aufgrund von Leistungs­ störungen im Innenverhältnis unter den Gesamtschuldnern ergeben. a) Rechtsprechung des BGH Der Grundsatz der Unausgleichbarkeit der Prozesskosten auf Grundlage des § 426  BGB schließt nach der Rechtsprechung des BGH nicht aus, dass dem in Anspruch genommenen Gesamtschuldner ein verschuldensabhängiger Schadens­ ersatzanspruch gegen seinen Mitschuldner auf Prozesskostenerstattung zustehen kann, „wenn dieser den vom Gläubiger in erster Linie in Anspruch Genommenen durch Verweigerung oder verzögerliche Erfüllung seiner Pflicht zur anteiligen Befriedigung des Gläubigers gezwungen hat, ein ungünstiges Prozessrisiko ein­ zugehen oder gar sich einer offensichtlich berechtigten Klage auszusetzen“208. Der BGH hat seit diesem Urteil aus dem Jahr 1971 aber weder präzisiert, welche kon­ kreten inhaltlichen Anforderungen an die vorzitierten Voraussetzungen zu stellen 206

BGH NJW 1974, 693, 694. BGH NJW 1974, 693, 694. 208 BGH NJW 1971, 884, 885. 207

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

sind, noch aus welcher Anspruchsgrundlage der mögliche Erstattungsanspruch herzuleiten ist.209 Der BGH hat bislang  – soweit ersichtlich  – in keiner Entscheidung dem Be­ freiungsgläubiger auf der Grundlage eines Sekundäranspruchs eine Erstattung von Prozesskosten des Hauptverfahrens zugesprochen.210 b) Literatur Nach Kniffka211 kommt – im Anschluss an Knacke212 – eine Erstattung der Kos­ ten des Vorprozesses als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB in Betracht.213 Indem der Befreiungsschuldner seiner Befreiungspflicht nicht recht­ zeitig nachgekommen sei, sei dem Befreiungsgläubiger ein Schaden in Form der durch einen höheren Streitwert entstandenen Prozesskosten entstanden. Allerdings könne sich der Befreiungsschuldner nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB von dem Ver­ schuldensvorwurf entlasten, etwa wenn er „auf Grund sachverständiger Beratung der Auffassung sein durfte, daß er nicht oder nur in geringem Umfang für den Mangel haftet“214. Liege ein Verschulden des Befreiungsschuldners vor, müsse weiter geprüft werden, ob dem Befreiungsgläubiger ein Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB entgegengehalten werden müsse. Ein solcher Einwand sei aller­ dings in den Fällen ausgeschlossen, in denen für den Befreiungsgläubiger eine Notwendigkeit zur Klärung seiner Haftung im Außenverhältnis bestand, was in Bausachen der Regelfall sei. Scheffelt215 geht davon aus, dass ein Kostenerstattungsanspruch als Schadens­ ersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB besteht.216 Obwohl der Rechtsstreit im Außenverhältnis auf der Entscheidung des Befreiungsgläubigers beruhe, sei die Verletzung der Mitwirkungspflicht kausal für die in Höhe des Haf­ tungsanteils des Befreiungsschuldners entstandenen Prozesskosten. Insofern seien die für die sog. Herausforderungsfälle entwickelten Grundsätze der psychischen Kausalität heranzuziehen. Abzustellen sei weiter auf die aus Sicht des Befreiungs­ gläubigers zu beurteilende Notwendigkeit des Rechtsstreits mit dem Hauptgläu­ biger. Eine Entlastung des Befreiungsschuldners nach § 280  Abs.  1  S.  2  BGB scheitere regelmäßig daran, dass ihm unrichtige Auskünfte von sachverständigen Beratern über § 278 BGB zuzurechnen sein.

209

Scheffelt, NJW 2018, S. 1510, 1512. Meier, S. 615. 211 Zum Folgenden vgl. Kniffka, BauR 2005, S. 274, 279. 212 Knacke, BauR 1985, S. 270, 275. 213 Ebenso MüKo-BGB-Bydlinski, § 426 Rn. 71. 214 Kniffka, BauR 2005, S. 274, 279. 215 Zum Folgenden vgl. Scheffelt, NJW 2018, S. 1510, 1514 f. 216 Ebenso Staudinger-Looschelders, § 426 Rn. 100. 210

D. Prozessuale Folgefragen 

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Nach Meier217 soll der Befreiungsgläubiger die Prozesskosten des Hauptverfah­ rens nicht auf Grundlage von Sekundäransprüchen gegenüber dem Befreiungs­ schuldner geltend machen können. Bei einer Geltendmachung als Verzugsschaden sei zu beachten, dass die Ungewissheit über die Haftungsverteilung im Innenver­ hältnis ein Vertretenmüssen des Befreiungsschuldners und damit einen Verzug ausschließen könne. Zudem bestehe hinsichtlich der Prozesskosten des Hauptver­ fahrens keine Kausalität zwischen der Verletzung der Mitwirkungspflicht und dem entstandenen Schaden, weil der Befreiungsgläubiger die Entscheidung zur Führung des Hauptverfahrens getroffen habe. c) Stellungnahme Scheffelt ist entgegenzuhalten, dass ein Schaden, der allein aufgrund einer ver­ zögerten Leistung des Schuldners entstanden ist, nur über die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB als Verzugsschaden und nicht als Schaden neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden kann.218 Die von Scheffelt zitierten Fundstellen219 beziehen sich demnach auch sämtlich auf Fälle einer Pflichtverletzung in Form einer Schlechtleistung. Da die Prozess­ kosten des Hauptverfahrens nur aufgrund einer verzögerten Erfüllung der Be­ freiungspflicht des Befreiungsschuldners entstanden sein können, scheidet deren Geltendmachung auf der Grundlage eines Schadensersatzes neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB aus. Kniffka220 erachtet die Kosten des Vorprozesses unter bestimmten Umständen als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB für erstattungsfähig. Je­ doch hat Kniffka in seinen Ausführungen die Problematik unbeachtet gelassen, dass nach der Rechtsprechung221 und der herrschenden Meinung in der Literatur222 der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB begründet. Beruft sich der Befreiungsschuldner auf sein Zurückbehaltungsrecht, bevor der Befreiungsgläubiger ihn in Verzug gesetzt hat, ist ein Verzug und damit die Geltendmachung von Prozesskosten als Verzugsschaden ausgeschlossen, so­ fern der Befreiungsgläubiger nach § 273 Abs. 3 BGB die Ausübung des Zurück­ behaltungsrechts nicht durch Sicherheitsleistung abwendet. Erfolgt die Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht erst nach Verzugseintritt, bleibt der Verzug be­

217

Zum Folgenden vgl. Meier, S. 614 f. Palandt-Grüneberg, § 280 Rn. 13; BeckOK BGB-Lorenz, § 280 Rn. 17; Jauernig-Stadler, § 280 Rn. 9. 219 Scheffelt, NJW 2018, S. 1510, 1514, Fn. 33. 220 Kniffka, BauR 2005, S. 274, 279. 221 BGH NJW 1981, 1666, 1668; OLG Celle OLGZ 1970, 357, 359; OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 1087 1088. 222 BeckOK BGB-Gehrlein, § 426 Rn. 3; Palandt-Grüneberg, § 426 Rn. 5; Staudinger-Looschelders, § 426 Rn. 99; Jauernig-Stürner, § 426 Rn. 14; a. A. Meier, S. 637. 218

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

stehen223, weshalb der Befreiungsgläubiger dann grundsätzlich die Prozesskosten als Verzugsschaden verlangen könnte. Allerdings sind die Einwände Meiers224 hinsichtlich der fehlenden Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Befreiungsschuldners aufgrund der verzöger­ ten Erfüllung der Befreiungspflicht und dem auf Seiten des Befreiungsgläubigers entstandenen Schaden in Form der höheren Prozesskosten berechtigt. Denn der Befreiungsgläubiger wird den Rechtsstreit mit dem Hauptgläubiger regelmäßig deshalb führen, weil er das Nichtbestehen seiner eigenen nach § 421 BGB unbe­ schränkten Haftung im Außenverhältnis für möglich hält. Scheffelts225 Verweis auf die Grundsätze der psychischen Kausalität im Zusammenhang mit den Her­ ausforderungsfällen ist in diesem Fall nicht überzeugend. Im Ergebnis ist die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Befreiungs­ schuldners aufgrund der verzögerten Erfüllung der Befreiungspflicht und dem auf Seiten des Befreiungsgläubigers entstandenen Schaden in Form erhöhter Prozess­ kosten abzulehnen. 4. Fazit Der Befreiungsgläubiger hat bei Begründetheit von Haupt- und Befreiungsklage keinen Anspruch gegen den Befreiungsschuldner auf (anteilige)  Erstattung der Kosten, die ihm aufgrund seines Unterliegens im Hauptverfahren entstanden sind.

E. Zwangsvollstreckungsverfahren Hat der Hauptgläubiger den Befreiungsgläubiger und dieser wiederum den Be­ freiungsschuldner erfolgreich in Anspruch genommen, liegen zwei – gegebenen­ falls zunächst vorläufig – vollstreckbare Titel vor. Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB soll eine Vorleistung des willkürlich durch den Hauptgläubiger in Anspruch genommenen Gesamtschuldners für den internen Anteil seines Mitschuldners verhindern. Im Erkenntnisverfahren wird dieses Ziel durch die Anerkennung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Prozessrechtsinstitut eigener Art erreicht. Die Frage, ob und wie das Ziel der Verhinderung einer Vorleistung für den inter­ nen Anteil des Mitschuldners auch im Vollstreckungsverfahren realisiert werden kann, ist bisher – soweit ersichtlich – in der Literatur noch nicht erörtert worden. Die vorliegende Untersuchung hat ihren Schwerpunkt in der Ausgestaltung des 223

MüKo-BGB-Ernst, § 286 Rn. 29. Meier, S. 616. 225 Scheffelt, NJW 2018, S. 1510, 1514. 224

E. Zwangsvollstreckungsverfahren 

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Erkenntnisverfahrens. Fragen des Zwangsvollstreckungsverfahrens werden daher nur in Grundzügen dargestellt.

I. Vollstreckung gegen Gesamtschuldner Im Ausgangsfall hat der Bauherr seine Klage auf Schadensersatz gegen den Architekten und das Bauunternehmen als gesamtschuldnerisch haftende Streit­ genossen gerichtet. Ist die Klage erfolgreich, werden die Streitgenossen als Ge­ samtschuldner dazu verurteilt, eine bestimmte Summe an den Bauherrn zu zahlen. Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach den Regeln über die Zwangsvollstre­ ckung wegen Geldforderungen gemäß den §§ 802 a ff. ZPO. Der Bauherr kann gleichzeitige Vollstreckungsverfahren gegen den Architekten und das Bauunternehmen einleiten und zwar jeweils in Höhe des gesamten ausge­ urteilten Betrages. Hierzu kann er, sofern notwendig, nach § 733 ZPO die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils beantragen.226 Gegen eine Überpfändung können sich der Architekt bzw. das Bauunternehmen nur mittels einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO wehren.

II. Vollstreckung unter Gesamtschuldnern Die Vollstreckung eines Befreiungsanspruchs aus § 426  BGB unter Gesamt­ schuldnern wirft verschiedene Fragen auf. 1. Vollstreckung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB als Handlungsvollstreckung nach § 887 Abs. 1, Abs. 2 ZPO Bereits die grundlegende Frage, ob sich die Vollstreckung eines Befreiungsan­ spruchs aus § 426 BGB nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gem. §§ 802 a ff. ZPO oder zur Erwirkung einer Handlung nach §§ 887 ff. ZPO richtet, ist in der Rechtsprechung und in der Literatur umstritten. a) Rechtsprechung des BGH In einer Grundsatzentscheidung zur Vollstreckung eines Befreiungsanspruchs von einer Geldschuld argumentierte der BGH227, dass der Befreiungsgläubiger keine Zahlung an sich zur Weiterleitung an den Hauptgläubiger unter Auferlegung 226 227

Zöller-Seibel, § 733 Rn. 8. BGH NJW 1957, 1514, 1515.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

der Übermittlungsrisiken des § 270  BGB dulden müsse, sondern vielmehr vom Befreiungsschuldner eine Zahlung an den Hauptgläubiger verlangen228 könne. Aus diesem Grund gehe die Vollstreckung eines Befreiungsanspruchs „auch nicht schlechthin auf Beitreibung des Betrages der Verbindlichkeit. Sie richtet sich nach den Vorschriften zur Erwirkung einer Handlung. Anzuwenden ist § 887 ZPO. Da­ bei ist Abs. 2 dieser Bestimmung zu beachten. § 888 ZPO ist nicht anzuwenden, weil die geschuldete Handlung auch von einem Dritten vorgenommen werden kann“229. Dem folgend nimmt der BGH230 in ständiger Rechtsprechung an, dass die Voll­ streckung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB nach § 887 ZPO erfolgt. So könne der Befreiungsgläubiger über § 887 Abs. 2 ZPO den Befreiungsschuldner zu einer Vorschusszahlung an sich zwingen, obwohl er – der Befreiungsgläubiger – selbst seinen Anteil an den Hauptgläubiger noch nicht entrichtet habe. Eine solche Zahlungspflicht des Befreiungsschuldners an den Befreiungsgläubiger vor dessen eigener Leistung an den Hauptgläubiger sei zwar nicht Inhalt des Anspruchs aus § 426  BGB, im Ergebnis jedoch als „Besonderheit des Vollstreckungsrechts“231 hinzunehmen. b) Literatur Die herrschende Meinung232 folgt der Ansicht des BGH, wonach für den Be­ freiungsanspruch des § 426 BGB die Regelungen der Handlungsvollstreckung nach § 887 Abs. 1, Abs. 2 ZPO anwendbar sind. Denn ein Anspruch auf Befreiung von einer Geldschuld könne nicht mit einer Geldforderung gleichgesetzt werden.233 Hingegen will eine Mindermeinung234 im Fall eines Befreiungsanspruchs von einer Geldschuld die Regeln über die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderun­ gen nach §§ 802 a ff. ZPO anwenden. 228

Die Formulierung des BGH ist an dieser Stelle ungenau. Denn die Entscheidung, auf welche Art und Weise der Befreiungsschuldner die Befreiung herbeiführt –  beispielsweise durch Erfüllung, durch Aufrechnung oder durch Vereinbarung einer Schuldübernahme mit dem Hauptgläubiger – obliegt dem Befreiungsschuldner, vgl. Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 227 ff. 229 BGH NJW 1957, 1514, 1515. 230 BGH NJW 1958, 497; NJW 1983, 2438, 2439; NJW 1986, 978. 231 BGH NJW 1958, 497. 232 Stein / Jonas-Bartels, § 887 Rn. 17; Bischof, ZIP 1985, S. 1444, 1445; MüKo-BGB-Bydlinski, § 426 Rn. 71; Brox / Walker, Rn. 1069; Soergel-Gebauer, § 426 Rn. 15; BeckOK BGBGehrlein, § 426 Rn. 3; Gerhardt, S. 14 f.; Görmer, S. 135; MüKo-ZPO-Gruber, § 887 Rn. 4; Palandt-Grüneberg, § 426 Rn. 5; Staudinger-Looschelders, § 426 Rn. 97; Rimmelspacher, JR 1976, S. 89, 90; Zöller-Seibel, § 887 Rn. 3; Stein / Jonas-Würdinger, vor § 803 Rn. 6; a. A. Baur / Stürner / Bruns, Rn. 27.03. 233 Stein / Jonas-Bartels, § 887 Rn. 17. 234 Baur / Stürner / Bruns, Rn. 27.03 m. w. N.

E. Zwangsvollstreckungsverfahren 

131

Schließlich tritt auch Meier235 der Rechtsprechung des BGH und der herrschen­ den Ansicht entgegen. Nach Ansicht Meiers handelt es sich bei dem Anspruch aus § 426 BGB nicht um einen Befreiungsanspruch, weil der Gläubiger lediglich einen Anspruch auf Mitwirkung an der Befriedigung des Hauptgläubigers habe und nur durch die Erfüllungswirkung des § 422 BGB mittelbar eine Befreiung ein­ trete. Der sich aus § 426 BGB ergebende Mitwirkungsanspruch könne jedoch nicht nach § 887 Abs. 1, Abs. 2 ZPO vollstreckt werden, weil eine solche Vollstreckung es dem Kläger ermögliche, „vom Beklagten eine Geldsumme zu erlangen, die er zum eigenen Freiwerden einsetzt, ohne dass der Beklagte sicher sein kann, ob die Geldsumme auch seiner Befreiung zugutekommt“236. Nach welchen Regelun­ gen der Mitwirkungsanspruch stattdessen vollstreckt werden soll, führt Meier nicht aus. c) Stellungnahme Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB ist auf die Mitwirkung an der Befriedi­ gung des Hauptgläubigers gerichtet, wodurch mittelbar eine Befreiung aller wei­ teren Gesamtschuldner eintritt. Auf welche Weise der Befreiungsschuldner seine Mitwirkungsverpflichtung erfüllt, liegt – auch wenn er den Befreiungsgläubiger von einer Geldschuld befreien muss – in seinem Ermessen.237 Demnach hat die Vollstreckung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB über die Erwirkung einer Handlung nach den §§ 883 ff. ZPO zu erfolgen. Richtet sich der Anspruch auf die Befreiung von einer Geldschuld, ist die Handlung vertretbar und damit grundsätz­ lich nach § 887 Abs. 1, Abs. 2 ZPO vollstreckbar. Im Zusammenhang mit der Vorschussanordnung nach § 887 Abs. 2 ZPO muss jedoch die Besonderheit des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB berücksichtigt werden, die in der eigenen Haftung des Befreiungsschuldners gegenüber dem Hauptgläubiger besteht und folgende Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme in sich birgt: Hat der Bauherr einen Titel gegen beide Gesamtschuldner erwirkt und der Architekt zudem erfolgreich seinen Befreiungsanspruch gegen das Bau­ unternehmen geltend gemacht, können sowohl der Bauherr (nach §§ 802 a ff. ZPO) als auch der Architekt (nach § 887  ZPO) gegen das Bauunternehmen ein Voll­ streckungsverfahren einleiten. Ist der Architekt mit seinem Ermächtigungs- und Vorschussantrag schneller als der Bauherr, ordnet das Gericht nach § 887 Abs. 1, Abs. 2 ZPO eine Vorschusszahlung des Bauunternehmens an den Architekten in Höhe von 70 % der Hauptforderung an. Zahlt das Bauunternehmen daraufhin an den Architekten, würde diese Zahlung jedoch im Rahmen des seitens des Bauherrn gegen das Bauunternehmen angestrengten Vollstreckungsverfahrens nicht berück­ sichtigt. Denn eine Zahlung an den Architekten stellt keine Einwendung dar, die 235

Zum Folgenden siehe Meier, S. 631 f. Meier, S. 632. 237 Brox / Walker, Rn. 1069. 236

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

den titulierten Anspruch des Bauherrn im Außenverhältnis betrifft. Das Bauunter­ nehmen würde in unzumutbarer Weise der Gefahr einer doppelten Inanspruch­ nahme ausgesetzt. Im Rahmen der Vorschussanordnung nach § 887 Abs. 2 ZPO muss daher sichergestellt werden, dass der Befreiungsschuldner den Vorschuss nur in einer Art und Weise zu leisten hat, die er dem Hauptgläubiger im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO entgegenhalten kann. Zur Lösung dieses Problems kann im Grundsatz der Vorschlag Langes 238 heran­gezogen werden. Danach „sollte das Prozeßgericht 1. Instanz bei einem Be­ freiungsanspruch die Vorschußleistung auch in der Weise anordnen können, daß der Vorschußpflichtige bei Geldleistungspflicht an den Gläubiger den Vorschuß nur zugunsten des Gläubigers und des Vorschußberechtigten hinterlegen muß und zur Rücknahme berechtigt sein soll, wenn er selbst leistet“239. Den Ansatz Langes hält auch Meier für „erwägenswert“240. Jedoch wird die Hinterlegung, um sie als Erfüllungseinwand nach § 767 ZPO anführen zu können, lediglich zugunsten des Hauptgläubigers zu erfolgen haben.241 Auf die Erfüllungswirkung einer solchen Hinterlegung kann sich über § 422  BGB sodann auch der Befreiungsgläubiger gegenüber dem Hauptgläubiger berufen.242 2. Auswirkung der Zug-um-Zug-Verurteilung auf das Vollstreckungsverfahren unter Gesamtschuldnern Haftet im Innenverhältnis nicht ausnahmsweise ein Gesamtschuldner allein, stehen den Gesamtschuldnern aus ihren gegenseitigen Befreiungsansprüchen Zurückbehaltungsrechte aus § 273  BGB zu, deren Geltendmachung im gesamt­ schuldnerischen Befreiungsverfahren nach § 274 Abs. 1 BGB zu einer Zug-umZug-Verurteilung führt. Das für das Ermächtigungs- und Vorschussverfahren nach § 887 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zuständige Prozessgericht der ersten Instanz muss dann zusätzlich § 765 ZPO beachten. Danach kann der Befreiungsgläubiger seinen Befreiungsanspruch nur vollstrecken, wenn er selbst seinen internen Anteil zur Befriedigung des Haupt­ gläubigers geleistet hat und dies durch eine zuzustellende öffentliche oder öffent­ lich beglaubigte Urkunde243 nachweist, die Befriedigung des Hauptgläubigers zwischen den Parteien unstreitig ist244 oder sie sich aus dem Akteninhalt ergibt245. 238

Lange, NJW 1958, S. 497. Lange, NJW 1958, S. 497. 240 Meier, S. 337. 241 Zöller-Herget, § 767 Rn. 12. 242 Muthorst, AcP 209 (2009), S. 212, 230. 243 Etwa durch Vorlage einer notariell beglaubigten Quittung, die der Befreiungsgläubiger bei Zahlung an den Hauptgläubiger nach § 368 S. 2 BGB verlangen kann, vgl. Brox / Walker, Rn. 173. 244 Brox / Walker, Rn. 173. 245 Zöller-Seibel, § 765 Rn. 3. 239

E. Zwangsvollstreckungsverfahren 

133

Hingegen scheidet der in § 765  ZPO ebenfalls vorgesehene Nachweis des An­ nahmeverzuges des Befreiungsschuldners durch Vorlage einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde aus. Ein Annahmeverzug nach § 293 BGB setzt eine Leistungspflicht voraus, deren Erfüllung eine Mitwirkung des Gläubigers er­ fordert.246 Die Erfüllung eines Anspruchs auf Befreiung von der Forderung eines Dritten erfüllt diese Voraussetzung nicht. Denn die Befreiungswirkung wird im Verhältnis zwischen dem Befreiungsschuldner und dem Hauptgläubiger ohne ein notwendiges Zutun des Befreiungsgläubigers hergestellt. Bei der insoweit ver­ gleichbaren Leistung an einen Dritten nach § 328 BGB ist ein Gläubigerverzug ebenfalls ausgeschlossen.247 Hat der Hauptgläubiger beide Gesamtschuldner in Anspruch genommen und ha­ ben diese untereinander eine Befreiungsklage bzw. Befreiungswiderklage erhoben, führen die hinsichtlich der Befreiungsansprüche ergangenen Zug-um-Zug-Urteile somit im besten Fall dazu, dass beide Gesamtschuldner ihren jeweiligen internen Anteil an den Hauptgläubiger sofort leisten, weil dies Vollstreckungsvoraussetzung nach § 765 ZPO ist. Damit erfolgt eine vollständige Befriedigung des Hauptgläubi­ gers, ohne dass einer der Gesamtschuldner hinsichtlich des internen Anteils seines Mitschuldners in Vorleistung treten musste. 3. Verhinderung der Vorleistung durch den Befreiungsgläubiger im Vollstreckungsverfahren Auf der Vollstreckungsebene stellt sich die Frage, ob und wie eine wirksame Vollstreckung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB und damit eine Verhinde­ rung der Vorleistung eines Gesamtschuldners für den internen Anteil seines Mit­ schuldners erreicht werden können. a) Problemaufriss Hat im Ausgangsfall das Gericht der Schadensersatzklage und der Befreiungs­ klage stattgegeben, ist das Urteil nach § 704 ZPO ein Vollstreckungstitel zuguns­ ten des Bauherrn im Außenverhältnis und zugunsten des Architekten im Innen­ verhältnis. Auf Grundlage dieser beiden Titel werden zwei voneinander getrennte Vollstreckungsverfahren – durch den Bauherrn gegen den Architekten bzw. durch den Architekten gegen das Bauunternehmen – eingeleitet. Indem das Prozessrechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage die gleichzeitige Titulierung der Ansprüche im Außen- und Innenverhältnis sicher­ stellt, erhält der Architekt die Möglichkeit, seinen Befreiungsanspruch im Innen­ 246 247

MüKo-BGB-Ernst, § 293 Rn. 3; Palandt-Grüneberg, § 293 Rn. 2. MüKo-BGB-Ernst, § 293 Rn. 3.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

verhältnis gegen das Bauunternehmen zu vollstrecken, bevor der Bauherr gegen ihn den Schadensersatzanspruch im Außenverhältnis vollstreckt. Jedoch ist es ebenso möglich, dass die Vollstreckungsmaßnahmen des Bauherrn gegen den Architekten schneller zum Erfolg führen als diejenigen des Architekten gegen das Bauunter­ nehmen. Der Architekt muss dann in Vorleistung für den internen Anteil des Bau­ unternehmens treten und eine Vollstreckung des titulierten Befreiungs­anspruchs aus § 426 BGB könnte ausgeschlossen sein. b) Möglichkeit der Verbindung der Zwangsvollstreckungsverfahren im Außen- und Innenverhältnis Im Erkenntnisverfahren kann die Klage im Außenverhältnis über das Prozess­ rechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage mit der Befreiungsklage im Innenverhältnis zu einem einheitlichen Verfahren verbunden werden. Die Verfahrensregeln über die Zwangsvollstreckung sehen eine Verbindung verschiedener Vollstreckungsverfahren hingegen nicht vor. Das Vollstreckungs­ verfahren beschränkt sich auf die im Vollstreckungstitel angegebenen Parteien, den Vollstreckungsgläubiger und den Vollstreckungsschuldner.248 Erschwerend kommt hinzu, dass für die Verfahren unterschiedliche Vollstreckungsorgane zu­ ständig sein können. Betreibt der Bauherr gegen den Architekten aufgrund seiner Schadensersatzforderung eine Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen, ist gemäß § 808 ZPO der Gerichtsvollzieher zuständig. Will der Bauherr Ansprüche des Architekten gegen Dritte pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, so muss er dies gemäß § 828 ZPO beim Amtsgericht als Vollstreckungsgericht be­ antragen. Der Architekt muss zur Vollstreckung des Befreiungsanspruchs gegen das Bauunternehmen beim Prozessgericht der ersten Instanz einen Ermächtigungsund Vorschussbeschluss nach § 887 Abs. 1, Abs. 2 ZPO beantragen. Eine Verbindung des Vollstreckungsverfahrens des Bauherrn gegen den Archi­ tekten mit demjenigen des Architekten gegen das Bauunternehmen zur Schaffung einer (zeitlichen) Abhängigkeit der jeweils durchzuführenden Vollstreckungsmaß­ nahmen scheidet aus. Der Umstand des Bestehens eines titulierten Befreiungsan­ spruchs im Innenverhältnis ist für das Vollstreckungsverfahren im Außenverhält­ nis irrelevant. Der Architekt kann aufgrund seines titulierten Befreiungsanspruchs im Innenverhältnis gegen das Vollstreckungsverfahren im Außenverhältnis keine Vollstreckungsgegenklage nach § 767  ZPO oder Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung nach § 766 ZPO erheben. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens im Außenverhältnis kann der Archi­ tekt im Ergebnis nicht verhindern, dass der Bauherr seinen Schadensersatzanspruch gegen ihn vollstreckt, bevor er seinen Befreiungsanspruch gegen das Bauunterneh­ 248

Brox / Walker, Rn. 30 f.

E. Zwangsvollstreckungsverfahren 

135

men im Innenverhältnis vollstreckt hat. Ein Schutz der Interessen des Architekten kann nur im Innenverhältnis und damit im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens gegen das Bauunternehmen erreicht werden. c) Ermächtigung zur Ersatzvornahme nach § 887 Abs. 1 ZPO trotz erfolgreicher Vollstreckung gegen den Befreiungsgläubiger im Außenverhältnis Nach § 887 Abs. 1 ZPO wird der Befreiungsgläubiger als Vollstreckungsgläubi­ ger nach Anhörung des Befreiungsschuldners durch Beschluss ermächtigt, seine Befreiung von der Forderung des Hauptgläubigers auf Kosten des Befreiungs­ schuldners durch einen Dritten vornehmen zu lassen oder – in analoger Anwendung des § 887 Abs. 1 ZPO249 – selbst vorzunehmen250. Die Ersatzvornahmekosten kann der Vollstreckungsgläubiger als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO gegen den Vollstreckungsschuldner geltend machen.251 Nach § 887  Abs.  2  ZPO kann der Befreiungsgläubiger zusätzlich die Anordnung einer Vorschussleistung für die Ersatzvornahmekosten durch den Befreiungsschuldner beantragen.252 Der beantragten Anordnung könnte jedoch entgegenstehen, dass die Hauptfor­ derung aufgrund der erfolgreichen Vollstreckung durch den Hauptgläubiger erfüllt und eine Ersatzvornahme dadurch hinfällig geworden ist. Im Jahr 2006 hatte der BGH253 einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem die Vollstreckungsschuldnerinnen (Halterin und zugleich Fahrerin des Unfallfahr­ zeugs sowie deren Haftpflichtversicherung) den Vollstreckungsgläubiger (Un­ fallgeschädigter) von Mietwagenkosten zu befreien hatten. Der Befreiungsan­ spruch war in einem Umfang von 2.013,69 EUR rechtskräftig festgestellt worden. Nachdem die Vollstreckungsschuldnerinnen die Hauptgläubigerin in Höhe von 872,00 EUR nur teilweise befriedigt hatten, hat der Vollstreckungsschuldner einen weiteren Teil der Hauptforderung in Höhe von 670,00 EUR selbst an die Haupt­ gläubigerin entrichtet. Später stellte der Vollstreckungsgläubiger einen Antrag auf Ermächtigung zur Selbstvornahme nach § 887 Abs. 1 ZPO sowie auf Vorschuss­ zahlung nach § 887 Abs. 2 ZPO in Höhe von 1.141,69 EUR. Der BGH bestätigte die Entscheidung des Beschwerdegerichts, das die Vollstreckungsschuldnerinnen als Gesamtschuldner verurteilt hatte, dem Vollstreckungsgläubiger die durch die 249

BGH NJW 1995, 3189, 3190. Das Gericht kann in den Beschluss nach § 887 Abs. 1 ZPO die Ersatzvornahme durch einen Dritten und die Selbstvorname durch den Vollstreckungsgläubiger alternativ aufführen, vgl. MüKo-ZPO-Gruber, § 887 Rn. 26. 251 Stein / Jonas-Bartels, § 887 Rn. 44. 252 Im Fall des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB darf die Vorschussleistung jedoch nur in Form einer Hinterlegung des geforderten Betrages zugunsten des Hauptgläubigers angeordnet werden. 253 BGH NJW 2007, 213. 250

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

Ersatzvornahme entstehenden Kosten in Höhe von lediglich 471,69 EUR voraus­ zuzahlen. Zur Begründung führte der BGH aus, dass ein Vollstreckungsgläubiger, „der die dem Schuldner obliegende vertretbare Handlung – wie hier die Befreiung von einer Zahlungsverpflichtung (vgl. BGH, NJW 1958, 497; NJW 1983, 2438 [2439]) – in eigener Person oder durch von ihm beauftragte Dritte vorgenommen hat“254 und dadurch „das insoweit vorgesehene Verfahren nicht einhält, sondern die Anspruchserfüllung selbst herbeiführt“255, die entstandenen Kosten nicht nach­ träglich im Vollstreckungsverfahren geltend machen kann. Anders als im Sachverhalt des BGH hat der Architekt als Vollstreckungsgläu­ biger das in § 887 ZPO vorgesehene Verfahren eingehalten und die Anspruchs­ erfüllung nicht selbstständig herbeigeführt. Er hat sie im Gegenteil sogar verwei­ gert, weshalb der Bauherr Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet hat. Die zwangsweise Durchsetzung des Anspruchs durch den Bauherrn kann dem Architekten nicht wie eine eigenständige willentliche Erfüllung der Hauptforde­ rung entgegengehalten werden. Doch auch wenn die Befriedigung des Bauherrn nicht auf eine willentliche Handlung des Architekten zurückzuführen ist, führt sie gleichwohl dazu, dass die Befreiung des Architekten von der Forderung des Bauherrn unmöglich wird. Die Unmöglichkeit der Leistung ist im Verfahren nach § 887 ZPO zu berücksichtigen.256 Kommt somit der Bauherr mit seinen Vollstreckungsmaßnahmen im Außenver­ hältnis schneller zum Erfolg als der Architekt im Innenverhältnis, wäre der unver­ änderte Antrag des Architekten auf Erlass eines Ermächtigungs- und Vorschussbe­ schlusses nach § 887 ZPO wegen Unmöglichkeit der Befreiung abzulehnen.257 Da § 891 S. 3 ZPO für die Kostenentscheidung § 91 a ZPO für entsprechend anwend­ bar erklärt, wären in diesem Fall eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien bzw. eine einseitige Erledigungserklärung258 des Architekten denkbar. d) Klage auf Leistung des Interesses nach § 893 ZPO Nach § 893 ZPO bleibt das Recht des Architekten, der gegen das Bauunterneh­ men einen nach § 887 ZPO zu vollstreckenden Titel erwirkt hat, zur Geltendma­ chung eines Schadensersatzanspruchs wegen der Nichterfüllung der Befreiungsver­ pflichtung unberührt.259 Die Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch ergibt sich insofern nicht aus § 893 ZPO, sondern aus dem materiellen Recht.260

254

BGH NJW 2007, 213, 214. BGH NJW 2007, 213, 214. 256 Stein / Jonas-Bartels, § 887 Rn. 23; MüKo-ZPO-Gruber, § 887 Rn. 21. 257 Stein / Jonas-Bartels, § 887 Rn. 23. 258 MüKo-ZPO-Gruber, § 891 Rn. 5. 259 Baur / Stürner / Bruns, Rn. 39.2. 260 Stein / Jonas-Bartels, § 893 Rn. 1; Zöller-Seibel, § 893 Rn. 1. 255

E. Zwangsvollstreckungsverfahren 

137

Nach § 893 Abs. 2 ZPO muss der Architekt eine entsprechende Klage beim Pro­ zessgericht der ersten Instanz erheben. Bei einer Befriedigung des Bauherrn im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Architekten wird die Erfüllung seines Befreiungsanspruchs gegen das Bau­ unternehmen nach § 275 BGB unmöglich. Nach §§ 275 Abs. 3, 283, 280 Abs. 1 BGB kann der Architekt gegen das Bauunternehmen Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn das Bauunternehmen die Nichterfüllung des Befreiungs­ anspruchs zu vertreten hat und das die Unmöglichkeit der Leistung begründende Ereignis – die Vollstreckung des Bauherrn gegen den Architekten – eine adäquate Folge der Nichterfüllung des Befreiungsanspruchs durch das Bauunternehmen war. Das Vertretenmüssen der Nichterfüllung des Befreiungsanspruchs durch das Bau­ unternehmen wird nach § 280 Abs. 1 BGB vermutet. Dem Vertretenmüssen steht nicht entgegen, dass das Bauunternehmen eventuell rechtsirrtümlich von einer geringeren internen Haftung ausgeht.261 Im Gegensatz zu der strittigen Frage, ob die Prozesskosten des Befreiungsgläu­ bigers im Außenverhältnis eine adäquate Folge der Nichterfüllung des Befreiungs­ anspruchs im Innenverhältnis darstellen262, kann die Kausalität zwischen der Un­ möglichkeit der Erfüllung des Befreiungsanspruchs aufgrund einer Vollstreckung des Hauptgläubigers gegen den Befreiungsgläubiger im Außenverhältnis und der Nichterfüllung des Befreiungsanspruchs durch den Befreiungsschuldner im Innen­ verhältnis bejaht werden. Denn dem Befreiungsgläubiger kann nicht vorgeworfen werden, dass die Unmöglichkeit der Erfüllung des Befreiungsanspruchs auf sein eigenes willentliches Verhalten gegenüber dem Hauptgläubiger zurückzuführen ist. Der Befreiungsgläubiger hat eine willentliche Befriedigung des Hauptgläubigers, die zu einer Unmöglichkeit der Erfüllung des Befreiungsanspruchs führt, gerade verweigert. Befreit der Befreiungsschuldner den Befreiungsgläubiger nicht von der Forderung des Hauptgläubigers, so stellt eine zwangsweise Durchsetzung des An­ spruchs durch den Hauptgläubiger gegen den Befreiungsgläubiger eine adäquate Folge dieses Verhaltens dar. Wird die Erfüllung des Befreiungsanspruchs aufgrund einer Vollstreckung durch den Bauherrn unmöglich, kann der Architekt auf Grundlage des § 893 ZPO eine erfolgreiche Klage gegen das Bauunternehmen auf Schadensersatz gemäß §§ 275 Abs. 3, 283 BGB erheben. Der auszugleichende Schaden besteht in der tat­ sächlichen Vermögensminderung des Architekten in Höhe des internen Anteils des Bauunternehmens. Ausschließlich zuständig für diese Klage ist nach §§ 893 Abs. 2, 802 ZPO das Prozessgericht der ersten Instanz.

261

Nach Meier soll hingegen eine Unklarheit über die interne Haftungsverteilung einem Vertretenmüssen entgegenstehen, vgl. Meier, S. 614. 262 Dafür sprechen sich aus Scheffelt, NJW 2018, S. 1510, 1514 und Kniffka, BauR 2005, S. 274, 279; dagegen Meier, S. 615.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

Hat der Architekt bei dem Prozessgericht der ersten Instanz bereits ein Verfah­ ren nach § 887 ZPO eingeleitet, ist die Möglichkeit einer Umstellung des früheren Antrags in Betracht zu ziehen. Wird eine klageweise geltend gemachte Forderung während des Verfahrens unmöglich und fordert der Gläubiger nunmehr Schadens­ ersatz statt der Leistung, stellt dies gemäß § 264 Nr. 3 ZPO keine Änderung der anhängigen Klage dar.263 Aufgrund der Vergleichbarkeit der Rechtslage und einer fehlenden Regelung im Vollstreckungsverfahrensrecht ist § 264 Nr. 3 ZPO auf die Verfahren vor dem Prozessgericht der ersten Instanz nach § 887 ZPO bzw. § 893 ZPO entsprechend anzuwenden: Hat der Befreiungsgläubiger beim Prozessgericht der ersten Instanz nach § 887 Abs. 1, Abs. 2 ZPO den Erlass eines Ermächtigungsund Vorschussbeschlusses beantragt und tritt während des Verfahrens aufgrund einer erfolgreichen Vollstreckung gegen den Befreiungsgläubiger eine Unmög­ lichkeit der Erfüllung des Befreiungsanspruchs ein, kann der Befreiungsgläubiger demnach im anhängigen Verfahren seinen ursprünglichen Antrag ändern und nun­ mehr gemäß § 893 ZPO i. V. m. §§ 275 Abs. 3, 283 BGB Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung erheben. e) Zwischenergebnis Der Befreiungsgläubiger kann und muss nach Abschluss des Erkenntnisverfah­ rens gegen den Befreiungsschuldner umgehend den Erlass eines Ermächtigungsund Vorschussbeschlusses nach § 887  Abs.  1, Abs. 2  ZPO beantragen, um eine Vollstreckung des Befreiungsanspruchs im Innenverhältnis vor dem Schadens­ ersatzanspruch im Außenverhältnis zu erreichen und damit eine Vorleistung für den Anteil seines Mitschuldners zu verhindern. Kommt es während des Ver­ fahrens nach § 887 ZPO zu einer erfolgreichen Vollstreckung im Außenverhält­ nis, kann der Befreiungsgläubiger seinen Antrag in analoger Anwendung des § 264 Nr. 3 ZPO auf eine Klage nach § 893 ZPO umstellen und nunmehr Schadens­ ersatz wegen Nichterfüllung in Höhe des internen Anteils des Mitschuldners gel­ tend machen.

III. Fazit Auf Vollstreckungsebene ist keine Verfahrensgestaltung möglich, mit der eine Vorleistung des Befreiungsgläubigers für den Anteil des Befreiungsschuldners in jedem Fall verhindert werden kann. Dies spricht jedoch nicht gegen das Prozessrechtsinstitut der gesamtschuldne­ rischen Befreiungsklage. Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage führt im Er­

263

MüKo-ZPO-Becker-Eberhard, § 264 Rn. 32; Zöller-Greger, § 264 Rn. 5.

F. Auswirkung auf das selbstständige Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO  

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kenntnisverfahren zu einer gleichzeitigen Titulierung der Ansprüche im Außenund Innenverhältnis. Hierdurch wird es dem Befreiungsgläubiger ermöglicht, nach § 887  ZPO eine Vollstreckung seines Befreiungsanspruchs im Innenverhältnis vor einer Vollstreckung des gegen ihn gerichteten Anspruchs des Hauptgläubiger im Außenverhältnis zu erreichen und so eine Vorleistung für den Anteil des Be­ freiungsschuldners endgültig zu verhindern. Erfolgt hingegen die Vollstreckung im Außenverhältnis schneller als diejenige im Innenverhältnis und wird dadurch die Erfüllung des Befreiungsanspruchs un­ möglich, kann der Befreiungsgläubiger im Wege des § 893 BGB auf Grundlage seines titulierten Befreiungsanspruchs Schadensersatz wegen Nichterfüllung gel­ tend machen. Der Befreiungsgläubiger erhält damit umgehend nach einer erfolg­ reichen Vollstreckung des Hauptgläubigers einen Zahlungstitel gegen den Be­ freiungsschuldner in Höhe dessen internen Anteils. Der Befreiungsgläubiger muss nicht – wie es ohne die gesamtschuldnerische Befreiungsklage der Fall wäre – nach Tilgung der Hauptschuld einen neuen Regressprozess gegen den Mitschuldner anstrengen. Obwohl auf Vollstreckungsebene eine Vorleistung durch den Befreiungsgläu­ biger für den Anteil des Befreiungsschuldners nicht verhindert werden kann, führt das Prozessrechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage dazu, dass der Befreiungsgläubiger jedenfalls unmittelbar nach einer –  zwangsweise herbeigeführten – Befriedigung des Hauptgläubigers einen Titel gegen den Be­ freiungsschuldner auf Leistung des auf den Befreiungsschuldner entfallenden Anteils erhält. Auf Grundlage der bestehenden Verfahrensvorschriften des Voll­ streckungsrechts stellt dieses Ergebnis den bestmöglichen Schutz der Interessen des Befreiungsgläubigers nach § 426 BGB dar.

F. Auswirkung auf das selbstständige Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO Die Anerkennung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Prozess­ rechtsinstitut eigener Art wirkt sich auch auf die Ausgestaltung des selbstständi­ gen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO aus, welches im Baurecht eine große praktische Relevanz hat264.

264

Die Möglichkeit, nach § 485 Abs. 2 ZPO vor Anhängigkeit eines Rechtsstreits und ohne Zustimmung des Gegners ein selbstständiges Beweisverfahren einzuleiten, wurde ausweis­ lich der Gesetzesbegründung insbesondere auch zur Vermeidung von Bauprozessen (Punkte­ sachen) eingeführt, vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks 11/3621, S. 20, 23.

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

I. Funktion des selbstständigen Beweisverfahrens Das selbstständige Beweisverfahren dient einer vorprozessualen gerichtlichen Beweisaufnahme und soll in der Ausgestaltung des § 485 Abs. 2 ZPO Gerichts­ verfahren vermeiden, in denen überwiegend tatsächliche Fragen zu klären sind.265 Kommt es gleichwohl zu einem Hauptverfahren, soll dieses auf Grundlage der bereits gewonnenen Beweise (§ 493  ZPO) beschleunigt durchgeführt werden können.266

II. Parteien Damit das selbstständige Beweisverfahren seinen Zweck zur Vermeidung bzw. Vereinfachung und Beschleunigung des Hauptverfahrens erreichen kann, müssen sämtliche Parteien eines möglichen Hauptverfahrens bereits am Beweisverfahren als Parteien beteiligt sein.267 Die Anerkennung des Prozessrechtsinstituts der ge­ samtschuldnerischen Befreiungsklage führt zu einer Verbindung des Rechtsstreits im Außenverhältnis mit demjenigen im Innenverhältnis zu einem einheitlichen Verfahren. Die Parteien haben in verschiedenen Prozessrechtsverhältnissen ver­ schiedene Parteirollen inne. Die Parteirollen des möglichen Hauptverfahrens müs­ sen sich auch im vorgeschalteten selbstständigen Beweisverfahren wiederfinden. Die §§ 485 ff. ZPO sehen den Antragsteller sowie den Antragsgegner als Parteien des selbstständigen Beweisverfahrens vor, wobei sich der Antrag auch auf meh­ rere Gegner erstrecken kann.268 Der Antragsgegner ist berechtigt, Gegenanträge zu stellen, über die im Fall ihrer Zulässigkeit ebenfalls Beweis erhoben werden muss.269 Nach der Rechtsprechung des BGH270 und der herrschenden Ansicht in der Literatur271 können die Parteien des selbstständigen Beweisverfahrens einem Dritten nach Maßgabe des § 72 ZPO den Streit verkünden. Jedoch dürfen Fragen, die nur im Verhältnis zwischen einer Partei und einem Streitverkündungsemp­ fänger relevant sind, nicht Gegenstand der Beweisaufnahme sein.272 Sowohl die Antragstellung als auch die Streitverkündung im selbstständigen Beweisverfahren führen nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB bzw. nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB zur Hem­ mung der Verjährung der streitigen Ansprüche.

265

Stein / Jonas-Berger, § 485 Rn. 1; MüKo-ZPO-Schreiber, § 485 Rn. 1. MüKo-ZPO-Schreiber, § 493 Rn. 1. 267 Werner / Pastor, Kap. 1, Rn. 39. 268 Stein / Jonas-Berger, § 487 Rn. 2. 269 Zöller-Herget, § 485 Rn. 3; Kniffka, BauR 2005, S. 274, 290. 270 BGH NJW 1997, 859; NJW 2015, 559. 271 Stein / Jonas-Berger, § 487 Rn. 7; Zöller-Herget, § 487 Rn. 3; Musielak / Voit-Huber, § 487 Rn. 2; a. A. MüKo-ZPO-Schreiber, § 485 Rn. 37; Werner / Pastor, Kap. 1, Rn. 48. 272 OLG Hamm, NJW 2009, 1009; Stein / Jonas-Berger, § 487 Rn. 8. 266

F. Auswirkung auf das selbstständige Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO  

141

Im Ausgangsfall der Untersuchung kann der Bauherr gegen den Architekten und das Bauunternehmen ein selbstständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 BGB einleiten, um über den Zustand des Bauwerks, die Ursache eventueller Baumängel sowie die erforderlichen Mangelbeseitigungskosten ein Sachverständigengutachten einholen zu lassen. Nach der derzeitigen Praxis würden sich der Architekt und das Bauunternehmen gegenseitig den Streit verkünden, um für einen nachfolgenden Regressprozess die Interventionswirkung des § 68 ZPO herbeizuführen. Gegen­ stand des anhängigen selbstständigen Beweisverfahrens wären jedoch allein Fra­ gen, die das jeweilige Außenverhältnis zum Bauherrn betreffen. Fragen zum In­ nenverhältnis unter den Gesamtschuldnern, insbesondere hinsichtlich der internen Haftungsquote, dürften die Antragsgegner nicht stellen und der Sachverständige nicht beantworten.273 Zur Klärung der Fragen im Innenverhältnis müssten die Ge­ samtschuldner vielmehr ein neues selbstständiges Beweisverfahren einleiten.274 Diese derzeitige Praxis ändert sich bei Anerkennung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Prozessrechtsinstitut eigener Art wie folgt: Leitet der Bauherr gegen den Architekten und das Bauunternehmen ein selbstständiges Beweisver­ fahren ein, sind beide Gesamtschuldner zunächst Antragsgegner. Die Gesamt­ schuldner sind jedoch auch berechtigt, untereinander Beweisanträge betreffend das Innenverhältnis zu stellen.275 Der Gesamtschuldner, der zuerst einen solchen Antrag stellt, erhält zusätzlich die Parteirolle des „Innenantragstellers“276, der Geg­ ner wird folglich zusätzlich als „Innenantragsgegner“ bezeichnet und darf seiner­ seits Gegenanträge gegen den Innenantragsteller stellen.277 Denkbar ist auch, dass der Architekt ein selbstständiges Beweisverfahren gegen den Bauherrn und das Bauunternehmen als Antragsgegner einleitet. Der Bauherr kann in diesem Fall in der zusätzlichen Parteirolle des „Außenantragstellers“278 einen eigenen Antrag gegen das Bauunternehmen als „Außenantragsgegner“ stellen. Hinsichtlich der Antragstellung ist die Besonderheit zu beachten, dass der Be­ freiungsgläubiger im Rahmen einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage wi­ dersprüchlich vortragen muss. Dem Befreiungsgläubiger muss demnach auch im selbstständigen Beweisverfahren – unter Beachtung seiner Wahrheitspflicht nach § 138 ZPO – eine widersprüchliche Antragstellung im Verhältnis zum Hauptgläu­ biger bzw. zum Befreiungsschuldner erlaubt sein. 273

Kniffka, BauR 2005, S. 274, 290. Stein / Jonas-Berger, § 487 Rn. 8; Musielak / Voit-Huber, § 487 Rn. 2; Kniffka, BauR 2005, S. 274, 291. 275 Aufgrund der im Hauptverfahren geltenden Einzelwirkung nach § 425 Abs. 2 BGB müs­ sen sich die Gesamtschuldner gleichwohl zusätzlich gegenseitig den Streit verkünden. 276 Die Bezeichnung verdeutlicht, dass sich der Antrag auf das Innenverhältnis unter den beteiligten Gesamtschuldnern bezieht. 277 Dies gilt gleichsam für den Fall, dass der Bauherr das selbstständige Beweisverfahren allein gegen den Architekten eingeleitet hat. Das Bauunternehmen erhält dann die Parteirolle des Innenantraggegners. 278 Die Bezeichnung verdeutlicht, dass sich der Antrag auf das Außenverhältnis zu einem der beteiligten Gesamtschuldner bezieht. 274

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

III. Beweisaufnahme Im Fall des § 485 Abs. 2 ZPO folgt die Beweisaufnahme nach § 492 Abs. 1 ZPO den Vorschriften über den Sachverständigenbeweis gemäß den §§ 402 ff. ZPO. Die Parteien haben insbesondere nach § 411 Abs. 4 ZPO das Recht zur Stellungnahme zum Gutachten und zur Formulierung von Ergänzungsfragen sowie das Recht auf eine persönliche Befragung des Sachverständigen nach § 411 Abs. 3 ZPO. Dabei ist erneut zu berücksichtigen, dass der Befreiungsgläubiger im Innen- und Außen­ verhältnis widersprüchlich Stellung nehmen bzw. widersprüchliche Ergänzungs­ fragen an den Sachverständigen stellen darf. Folgt dem selbstständigen Beweisverfahren ein Hauptverfahren, ist das Gut­ achten nach § 493  ZPO gleich einem im Hauptverfahren erhobenen Beweis zu behandeln.

IV. Kosten Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens sind Kosten des Hauptverfah­ rens und damit auch Gegenstand des dortigen Kostenfestsetzungsverfahrens.279 Während die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens nicht von der Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses abhängig ist, ordnet das Gericht hinsichtlich der Auslagen, also der Kosten für Sachverständige und Zeugen, die Zahlung eines Vorschusses nach § 17 Abs. 1 S. 1 GKG an.280 Vorschusspflichtig ist – unabhängig von der Frage der Beweislastverteilung – diejenige Partei, de­ ren Antrag die auslagenverbundene Beweiserhebung veranlasst hat, also im Fall von Gegenanträgen der Antragsgegner281 bzw. in Bezug auf Anträge betreffend das Innenverhältnis der Innenantragsteller oder im Fall von Gegenanträgen der Innenantragsgegner.

V. Fazit Die Anerkennung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Prozess­ rechtsinstitut eigener Art wirkt sich auf die Gestaltung des selbstständigen Be­ weisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO aus. Leitet der Hauptgläubiger zur Feststellung von Tatsachen betreffend das Außenverhältnis ein selbstständiges Beweisverfahren gegen einen oder mehrere Gesamtschuldner ein, können die Gesamtschuldner im Rahmen des gleichen Beweisverfahrens auch Anträge zur Feststellung von Tatsa­ chen in Bezug auf das Innenverhältnis, also insbesondere hinsichtlich der internen 279

Werner / Pastor, Kap. 1, Rn. 123. Werner / Pastor, Kap. 1, Rn. 82. 281 OLG Köln NJW-RR 2009, 1365. 280

G. Fazit 

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Haftungsverteilung, stellen. Die Gesamtschuldner erhalten dann die (zusätzliche) Rolle des Innenantragstellers bzw. Innenantraggegners und sind vorschusspflichtig für die Kosten der von ihnen veranlassten Beweiserhebung. Die gleichzeitige sachverständige Feststellung des Vorliegens von Baumän­ geln, der jeweiligen Verursachungsbeiträge sowie der erforderlichen Mangel­ beseitigungskosten für das Außen- und Innenverhältnis bringt zwei grundlegende Vorteile mit sich. So erhöht sich aufgrund der Feststellungen zur internen Haf­ tungsverteilung die Wahrscheinlichkeit, dass die Parteien in einem nach § 492 Abs. 3 ZPO anzusetzenden Erörterungstermin einen umfassenden Vergleich ab­ schließen. Kommt es hingegen zum Hauptverfahren, kann der Befreiungsgläubiger zur Bestimmung der Höhe des einzuklagenden Befreiungsanspruchs auf das nach § 493 ZPO auch im Hauptverfahren geltende Gutachten des selbstständigen Be­ weisverfahrens zurückgreifen und dadurch sein Prozesskostenrisiko im Rahmen der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage minimieren.

G. Fazit Das Prozessrechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage ist not­ wendig, um dem Befreiungsgläubiger die wirksame Durchsetzung seines Be­ freiungsanspruchs aus § 426 BGB gegen den Befreiungsschuldner zu ermöglichen. Dogmatisch ist die gesamtschuldnerische Befreiungsklage als Prozessrechtsinstitut eigener Art einzuordnen und von der Garantieklage abgrenzbar. Die Anerkennung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Prozess­ rechtsinstitut eigener Art wirkt sich auf die Verfahrensgestaltung durch die Par­ teien bzw. durch das Gericht aus. Der beklagte Befreiungsschuldner kann gegen den Befreiungsgläubiger eine Befreiungswiderklage erheben. Die gegenseitig be­ stehenden Zurückbehaltungsrechte führen im Fall ihrer Geltendmachung durch den Befreiungsgläubiger bzw. den Befreiungsschuldner zu einer entsprechenden Zug-um-Zug-Verurteilung. Das Gericht hat zu beachten, dass der Erlass eines Teil­ urteils nach § 301 ZPO über den im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruch wegen der Vorgreiflichkeit des Hauptverfahrens für das Befreiungsverfahren un­ zulässig ist. Aufgrund des Sinns der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage, die rechtzeitige Titulierung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB zu gewährleisten, stellt eine Anordnung der Trennung des Haupt- und des Befreiungsverfahrens nach § 145 ZPO regelmäßig einen gerichtlichen Ermessensfehler dar. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung muss der Befreiungsschuldner vor der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme geschützt werden. Das Gericht hat zu­ dem die Besonderheiten der Vollstreckung aus einem Zug-um-Zug-Urteil zu be­ rücksichtigen. Auf Seiten des Befreiungsgläubigers besteht die Möglichkeit zur Beantragung eines Ermächtigungs- und Vorschussbeschlusses nach § 887 Abs. 1, Abs. 2  ZPO sowie –  im Fall einer vorherigen Vollstreckung des Anspruchs im

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Kap. 3: Die Klage als Prozessrechtsinstitut eigener Art

Außenverhältnis durch den Hauptgläubiger – zur Erhebung einer Klage auf Leis­ tung des Interesses nach § 893 ZPO. Hinsichtlich des selbstständigen Beweisverfahrens gemäß der §§ 485 ff. ZPO ist zu beachten, dass sich die Parteien und Parteirollen eines möglichen Hauptverfah­ rens bereits im selbstständigen Beweisverfahren wiederfinden müssen. Dies führt in einem vom Hauptgläubiger angestrengten selbstständigen Beweisverfahren zu einem Beweisantragsrecht des Befreiungsgläubigers gegen den Befreiungsschuld­ ner auch in Bezug auf Tatsachen, die das Innenverhältnis der Gesamtschuldner betreffen.

Zusammenfassung und Ausblick  Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst und ein Ausblick auf die mögliche Entwicklung des Gesamtschuldnerausgleichs im Baurecht gegeben.

A. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse Der Befreiungsanspruch aus § 426 BGB soll einen Innenregress unter den Ge­ samtschuldnern verhindern. De lege lata steht dem Befreiungsgläubiger jedoch bei einer gerichtlichen Inanspruchnahme durch den Hauptgläubiger kein prozessuales Instrument zur Verfügung, den Befreiungsanspruch aus § 426 BGB gegen den Be­ freiungsschuldner gesichert, also spätestens gleichzeitig1 mit dem Anspruch des Hauptgläubigers im Außenverhältnis, durchzusetzen. Die in der Literatur2 vertretene These, dass eine Befreiungsklage aus § 426 BGB im Rahmen des Hauptverfahrens als isolierte Drittwiderklage geltend gemacht werden kann, hat sich nicht bestätigt. Dogmatisch steht dem Ansatz entgegen, dass auch im Rahmen der isolierten Drittwiderklage das Wesen der Widerklage als Gegenangriff gewahrt werden muss.  Der im Innenverhältnis unter den Ge­ samtschuldnern geltend gemachte Befreiungsanspruch aus § 426 BGB ist hingegen weder dem Hauptgläubiger noch dem mit der Hauptklage geltend gemachten An­ spruch aus dem Außenverhältnis entgegengesetzt. Gemessen an der Rechtspre­ chung des BGH zur ausnahmsweisen Zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage besteht keine tatsächliche und rechtliche enge Verknüpfung des Gegenstands der Befreiungsklage aus § 426 BGB mit demjenigen der Hauptklage, weil den jeweili­ gen Klagebegehren unterschiedliche Rechtsverhältnisse zugrunde liegen.3 Von der Konstellation der Befreiungsklage aus § 426  BGB ist diejenige der doppelten Gesamtschuldnerschaft in einem Dreipersonenverhältnis4 zu unter­ scheiden. In dieser besonderen (und praktisch seltenen) Konstellation erhebt der beklagte Streitgenosse zwar eine Klage gegen seinen gesamtschuldnerisch haf­ 1

Die Erfüllung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB wird nach § 275 BGB unmöglich, wenn der Befreiungsgläubiger den Hauptgläubiger aufgrund einer vorherigen Titulierung des Anspruchs im Außenverhältnis befriedigen muss. 2 Damrau, ZErb 2009, S. 145, 148 ff.; Schweer / Todorow, NJW 2013, S. 3004, 3006 ff. 3 Zur insoweit vergleichbaren Konstellation der werkvertraglichen Leistungskette vgl. BGH NJW 2014, 1670. 4 Fallgestaltung bei LG Freiburg VersR 1991, 1431.

146

Zusammenfassung und Ausblick  

tenden Streitgenossen, macht darin aber keinen Befreiungsanspruch aus dem In­ nenverhältnis der Gesamtschuldnerschaft geltend. In diesem Fall kann die Klage gegen den gesamtschuldnerisch haftenden Streitgenossen als – streitgenössische oder isolierte – Drittwiderklage zulässig sein. Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der zu verklagende Streitgenosse bereits Partei des anhän­ gigen Verfahrens ist. Denn eine Parteierweiterung ist – entgegen der Definition des BGH5 – keine inhaltlich gerechtfertigte Zulässigkeitsvoraussetzung der Dritt­ widerklage. Auch die These Kählers6, dass ein beklagter Streitgenosse im Rahmen des Hauptverfahrens in analoger Anwendung des § 236 ZPO mittels einer streitgenös­ sischen Erweiterungsklage gegen den ebenfalls verklagten Streitgenossen einen (Befreiungs-)Anspruch geltend machen kann, der dem Hauptkläger bzw. dem Hauptklagebegehren nicht entgegensetzt ist, hat sich nicht bestätigt. Da die von Kähler postulierte Zulässigkeitsvoraussetzung der formellen Parteistellung des Erweiterungsbeklagten nicht überzeugend begründbar ist, entfällt das einzige Ab­ grenzungsmerkmal der streitgenössischen Erweiterungsklage zur Garantieklage. Weil sowohl der historische als auch der aktuelle Gesetzgeber die Übernahme der Garantieklage in die ZPO ausdrücklich abgelehnt haben, besteht die für eine ana­ loge Anwendung des § 263 ZPO notwendige Regelungslücke nicht. Im Ergebnis ist eine Klage, mit welcher ein vom Hauptgläubiger in Anspruch genommener Befreiungsgläubiger im Rahmen des Hauptverfahrens gegen den –  gleichfalls verklagten oder bislang unbeteiligten  – Befreiungsschuldner seinen Befreiungsanspruch aus § 426 BGB geltend macht, als Prozessrechtsinstitut eige­ ner Art zuzulassen („gesamtschuldnerische Befreiungsklage“). Mit der gesamt­ schuldnerischen Befreiungsklage wird die materiell-rechtliche Konzeption der Gesamtschuld auf die prozessuale Ebene übertragen. Sie wahrt den Anspruch des Befreiungsgläubigers auf effektiven Rechtsschutz und erfüllt den Zweck des Zi­ vilverfahrens, das materielle Recht zu verwirklichen. Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage ist sowohl mit dem Zweiparteienprinzip als auch mit der Wahr­ heitspflicht der Parteien nach § 138 ZPO sowie mit den Prinzipien über die Ver­ fahrensverbindung und Verfahrenstrennung gemäß den §§ 147, 148 ZPO vereinbar. § 263 ZPO ist nicht entsprechend anwendbar. Durch die Anerkennung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Pro­ zessrechtsinstitut eigener Art wird keine Partei ungerechtfertigt in ihren schutz­ würdigen Interessen beeinträchtigt. Hat der Befreiungsschuldner bei dem Gericht der Hauptklage keinen allgemeinen oder besonderen (§ 29 ZPO) Gerichtsstand, ist das Gericht der Hauptklage in analoger Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als zuständiges Gericht für die Befreiungsklage zu bestimmen. Eine solche Gerichts­ standsbestimmung ist dem Befreiungsschuldner ausnahmsweise zuzumuten, weil 5 6

BGH NJW 1996, 196; NJW 2014, 1670, 1671. Kähler, ZZP 123 (2010), S. 473, 489 ff.

B. Ausblick

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andernfalls das Recht des Befreiungsgläubigers auf effektiven Rechtsschutz nicht gewahrt werden kann. Der Hauptgläubiger muss eine Verzögerung des Haupt­ verfahrens aufgrund der Erhebung einer gesamtschuldnerischen Befreiungsklage hinnehmen. Dies folgt aus der besonderen Konzeption der Gesamtschuld, die in § 421 BGB nur deshalb eine unbeschränkte Haftung der Gesamtschuldner für die internen Anteile der Mitschuldner vorsieht, weil die Gesamtschuldner im Innen­ verhältnis nach § 426 BGB Befreiungs- und Ausgleichsansprüche haben. Die kon­ zeptionelle Abhängigkeit der Privilegierung des Hauptgläubigers in § 421  BGB von dem Befreiungsanspruch des Befreiungsgläubigers aus § 426 BGB führt im Rahmen der Abwägung der Parteiinteressen dazu, dass dem Hauptgläubiger eine Verzögerung des Hauptverfahrens aufgrund der Erhebung einer gesamtschuldne­ rischen Befreiungsklage zugemutet werden kann. Daraus folgt zugleich, dass das Prozessrechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage nicht auf andere Befreiungsansprüche übertragen werden kann. Abgrenzungsschwierigkeiten zur Garantieklage bestehen nicht. Die gesamtschuldnerische Befreiungsklage bewirkt eine gleichzeitige Titulie­ rung der Ansprüche im Außen- und Innenverhältnis. Mangels einer möglichen Verbindung verschiedener Vollstreckungsverfahren kann auf Vollstreckungsebene nicht verhindert werden, dass der Hauptgläubiger seinen Anspruch gegen den Be­ freiungsgläubiger aus dem Außenverhältnis vollstreckt, bevor der Befreiungsgläu­ biger seinen Befreiungsanspruch aus dem Innenverhältnis vollstreckt hat. In diesem Fall ist der Befreiungsgläubiger durch die Möglichkeit einer Klage auf Leistung des Interesses nach § 893 ZPO geschützt. Die Anerkennung der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage als Prozess­ rechtsinstitut eigener Art hat schließlich auch Auswirkung auf die Ausgestaltung des selbstständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO. Hat der Hauptgläubi­ ger gegen den Befreiungsgläubiger ein selbstständiges Beweisverfahren zur Fest­ stellung von Tatsachen betreffend das Außenverhältnis eingeleitet, kann der Be­ freiungsgläubiger im gleichen Verfahren Anträge gegen den Befreiungsschuldner zur Feststellung von Tatsachen betreffend das Innenverhältnis stellen.

B. Ausblick Bei den Beratungen über das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts standen die Grundsätze der gesamtschuldnerischen Haftung des bauüberwachenden Archi­ tekten und des ausführenden Bauunternehmens zur Diskussion.7 Obwohl der Ge­ setzgeber eingeräumt hat, dass es aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung zu einer „wirtschaftlich stärken Belastung der Architekten“ und damit zu einem „Un­

7

Langen, NZBau 2015, S. 71, 73 ff.

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Zusammenfassung und Ausblick  

gleichgewicht“ kommt, das „beseitigt, zumindest aber reduziert“ werden muss8, hat er an der gesamtschuldnerischen Haftung festgehalten. Denn eine Abschaffung der gesamtschuldnerischen Haftung ginge allein zu Lasten des Bestellers und würde diesen prozessual benachteiligen, weil er dann eine Schadensaufteilung zwischen den Baubeteiligten vornehmen müsste.9 Das Prozessrechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage entspricht der gesetzgeberischen Vorstellung. Denn durch die prozessuale Privilegierung des Befreiungsanspruchs aus § 426 BGB wird die Stellung des Architekten gestärkt, ohne dass die materiell-rechtlichen Grundsätze der gesamtschuldnerischen Haf­ tung aufgegeben werden. Der Umstand, dass durch die Erhebung einer gesamtschuldnerischen Be­ freiungsklage das anhängige Bauverfahren (noch) komplexer wird, steht der Zulässigkeit einer solchen Klage nicht entgegen, sondern spiegelt lediglich die Komplexität des Lebenssachverhalts bei Errichtung eines Bauwerks wider. Letz­ terer Punkt hat den Gesetzgeber bereits veranlasst, an den Landesgerichten nach § 72 a S. 1 Nr. 2 GVG spezialisierte Kammern bzw. an den Oberlandesgerichten nach § 119 a S. 1 Nr. 2 GVG spezialisierte Senate für Bausachen einzurichten. Das Prozessrechtsinstitut der gesamtschuldnerischen Befreiungsklage ermöglicht es den spezialisierten Richtern, einen streitigen Bausachverhalt umfassend und ab­ schließend innerhalb eines Verfahrens zu klären. Damit in Bausachen die Zulässigkeit der gesamtschuldnerischen Befreiungs­ klage in bestimmten Fällen10 nicht von der Notlösung einer Gerichtsstandsbe­ stimmung in analoger Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO abhängt, sollte der Gesetzgeber dem Vorschlag Kniffkas11 folgen und für alle Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zu einem Bauwerk einen ausschließlichen Gerichtsstand am Ort des Bauwerks installieren.

8 Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, BTDrucks 18/8486, S. 24, 70 f. 9 Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, BTDrucks 18/8486, S. 24, 71. 10 Am Gericht der Hauptklage ist für den Befreiungsschuldner weder ein allgemeiner noch einen besonderer (§ 29 ZPO) Gerichtsstand begründet. 11 Kniffka, BauR 2005, S. 274, 291.

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Sachwortregister Befreiungsanspruch  20 ff., 40 ff., 77 ff., 98 ff. Drittwiderklage  27 ff., 40 ff., 69, 73, 91, 104 f., 108 f.

Prozesstrennung   121 ff. Prozessuale Durchsetzung  40, 55, 80 ff. Prozessverbindung  46 ff., 96 Regelungslücke  70 ff., 146

Effektiver Rechtsschutz  59, 88 f., 98 ff., 110, 112 ff. Erweiterungsklage  28 f., 50, 69 ff., 91 Garantieklage  70 ff., 101, 116 f. Gerichtsstand  55, 75, 101 ff., 113 ff., 146 Gesamtschuldverhältnis  18 ff., 37, 44 f., 71, 90, 95, 102 f.,116, 120 Insolvenzrisiko  41, 44, 98 f., 107 f. Klagegrund  60 ff. Konnexität  46 f., 54 ff., 64, 96 Kostenerstattung  124 ff. Leistungsklage  40, 80 ff. Leistungskette  43 ff., 66, 109 Parteiinteressen  41, 106, 108 ff., 147

Selbständiges Beweisverfahren  117, 139 ff. Streitgenossenschaft  31 f., 35, 38, 42, 49 f., 58 f., 89, 91, 125 Streitverkündung  23, 43, 49, 71, 109, 119 f. Teilurteil  41, 120 f., 143 Vorleistungspflicht  78 f., 87, 98, 110, 128, 133 f., 138 f. Waffengleichheit  68 ff., 74 Wahrheitspflicht  90 ff., 141, 146 Zwangsvollstreckung   83, 87, 128 ff. Zweiparteienprinzip  89, 97, 146 Zug-um-Zug-Verurteilung  118 f., 132 f., 143 Zurückbehaltungsrecht  52, 54, 117 ff., 127, 132