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German Pages 624 [626] Year 2012
Beiträge zur historischen Theologie Herausgegeben von Albrecht Beutel
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Die Jeverschen Pastorenbekenntnisse 1548 anlässlich des Augsburger Interim Herausgegeben von Rolf Schäfer
Mohr Siebeck
Rolf Schäfer, geboren 1931; Theologiestudium in Tübingen, Göttingen und Zürich; 1960–1964 Stiftsrepetent in Tübingen, 1964–1971 Pfarrer in Täbingen (Württemberg), 1967 Habilitation für systematische Theologie Tübingen, 1971–1994 Oberkirchenrat in Oldenburg (Oldb.), 1974 außerplanmäßiger Professor Tübingen, 1994 Ruhestand.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort. e-ISBN 978-3-16-152132-4 ISBN 978-3-16-151910-9 ISSN 0340-6741 (Beiträge zur historischen Theologie) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von pagina in Tübingen gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
MEINER FRAU
Vorwort Wie erlebten Landpfarrer die Reformation? Waren sie in der Lage, deren Zielsetzung und Gedankengut zu verstehen und für sich selbst und ihre meist bäuerlichen Gemeinden umzusetzen? Die Reformation nahm zwar an den Universitäten, in den großen Städten und an den bedeutenden Fürstenhöfen ihren Anfang. Bei ihrer Ausdehnung über diese Zentren hinaus hatte sie es aber mit den viel größeren ländlichen Flächen zu tun, wo es darauf ankam, ob sie angenommen oder abgestoßen wurde. Die Herrschaft Jever im Nordwesten Deutschlands, die zu diesen ländlichen Gebieten gehörte, bietet eine bisher unbekannte Anschauung für die Rezeption der von Wittenberg ausgehenden Erneuerung der Kirche. Das kleine Territorium macht heute einen Teil des Landkreises Friesland aus, gehört zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg und hat sich im 19. Jahrhundert durch die neu gegründete Stadt Wilhelmshaven teilweise stark verändert. Im 16. Jahrhundert wies es aber eine ähnliche Struktur auf wie die angrenzenden Gebiete, so dass angenommen werden darf, dass in diesen analoge kirchliche Veränderungen stattgefunden haben. Die knapp zwei Dutzend Kirchspiele des Jeverlandes, in die wir durch die Bekenntnisse Einblick nehmen können, stehen also nicht nur für sich selbst, sondern für viele andere, von denen nichts überliefert ist. Bei der Darstellung der 1999 erstmals erschienenen Oldenburgischen Kirchengeschichte1 hatten sich die beteiligten Verfasser darüber verständigt, möglichst viele Quellen heranzuziehen. Es war mir damals durchaus bekannt, dass in der Bibliothek des Mariengymnasiums in Jever ein handschriftlicher Band mit Pastorenbekenntnissen aus dem Jahr 1548 aufbewahrt wird und dass diese Texte für die örtliche Annahme der Reformation von Bedeutung sind. Doch musste ich mich aus Zeitmangel zunächst auf die darüber vorhandene Sekundärliteratur beschränken und die Auswertung der Handschrift auf später verschieben. Inzwischen ist meine Beschäftigung mit diesen Texten soweit gediehen, dass ich ihr Ergebnis der Öffentlichkeit vorlegen kann. Die Edition macht die lateinischen und niederdeutschen Pastorenbekenntnisse zugänglich, 1 Schäfer, Rolf: Oldenburgische Kirchengeschichte, hg. in Gemeinschaft mit Joachim Kuropka, Reinhard Rittner, Heinrich Schmidt, Oldenburg 1999, 2. Auflage 2005.
VIII
Vorwort
wobei die parallel dazu abgedruckte gegliederte Übersetzung das Verständnis erleichtern soll. Meine Suche nach ähnlichen Quellenbeständen aus der Reformationszeit, die mir bei der Bearbeitung der Pastorenbekenntnisse hätten hilfreich sein können, blieb bisher erfolglos. Wohl gibt es zum Augsburger Interim 1548 eine schwer überschaubare Menge von gewichtigen zeitgenössischen Stellungnahmen bekannter Verfasser, die sich einzeln oder in Kommissionen geäußert haben. Dass aber in einem umgrenzten Territorium alle Pastoren ihre persönliche Auffassung vom Glauben und ihre Beurteilung des Interim schriftlich niederlegten und dass diese Texte vollständig erhalten blieben, scheint doch sehr selten, wenn nicht einzigartig zu sein. Das Jeverland lag am Rande des Reiches und erhob keinen Anspruch, den Verlauf der Reformation zu beeinflussen. Indessen ist es gerade so von Interesse zu beobachten, wie sich die Reformation im Selbstbewusstsein der Pastoren spiegelt. Dabei gehört zum Stand der Pastoren nicht nur die jüngere Generation, die dank der Förderung durch die bis heute unvergessene damalige Landesherrin Fräulein Maria (1500–1575) schon in Wittenberg bei Melanchthon und Luther studieren konnte, sondern auch die ältere, die ihre Kirchenvätertheologie von einer humanistisch bestimmten Artistenfakultät mitgebracht hatte. Zudem finden wir hier die gemeine(n) Pfarrherr(n) und Prediger, für die Luther seine Katechismen geschrieben hat, weil sie noch vor der Reformation ganz ohne Studium mit der einfachen praktischen Ausbildung des niederen Klerikers ins Amt gekommen waren, nun aber sich auf die neuen Anforderungen ihres Berufes einstellen mussten. Bei der Übersetzung der Texte, der Aufhellung der Hintergründe, der Anfertigung der historischen Karte und der Beschaffung der Archivalien und Bilder fand ich bereitwilligen Rat und vielfältige Hilfe bei Frau Gabriele Diekmann-Dröge (Oldenburg), Prof. Dr. Dietrich Hagen (Oldenburg), Prof. Dr. Thomas Kaufmann (Göttingen), Dr. Herbert Kipp (Bremen), Dr. Egbert Koolman (Oldenburg), Dr. Matthias Nistal (Oldenburg), Prof. Dr. Antje Sander (Jever) und Prof. Dr. Heinrich Schmidt (Oldenburg), denen ich hiermit meinen herzlichen Dank sage. Ebenso herzlich danke ich Prof. Dr. Albrecht Beutel (Münster) und dem Verlag Mohr Siebeck (Tübingen) für die Aufnahme der Textsammlung in die Beiträge zur historischen Theologie sowie der Verwertungsgesellschaft Wort (München) für den Druckkostenzuschuss. Oldenburg (Oldb.), im Juni 2012
Rolf Schäfer
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschichtliche Einführung . . . . . . . . . . . 1. Die Bekenntnisse der 21 jeverländischen Pastoren 2. Das Augsburger Interim von 1548 . . . . . . . 3. Die Reformation im Jeverland . . . . . . . . 4. Das Jeverland als Burgundisches Lehen . . . . . 5. Die Gefährdung des Jeverlandes durch das Interim 6. Der Zweck der Bekenntnisse . . . . . . . . 7. Das Ende der Gefahr . . . . . . . . . . . .
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3 3 5 7 9 11 16 20
Die Herrschaft Jever um 1548 und ihre Kirchspiele . . . . 1. Geografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Größe der Kirchspiele . . . . . . . . . . . . . 3. Die wirtschaftlichen Grundlagen der geistlichen Stellen 4. Die Ausbildung der Pastoren . . . . . . . . . . .
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22 22 23 24 26
Einleitung in die einzelnen Texte: Übersicht über das Leben und die Bekenntnisse der 21 Pastoren . .
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E 01. Gerhardus Wandscher (Jever) . . . . E 02. Jacobus Franckenberg (Jever) . . . . E 03. Michael Hamminck (Wiefels) . . . . E 04. Gherardus Jeger (Tettens) . . . . . . E 05. Ludolphus (Middoge) . . . . . . . E 06. Hermannus Heronis (Hohenkirchen) . E 07. Iko Mensen (Hohenstief oder St. Joost) E 08. Abel Sybrandi (Wiarden) . . . . . . E 09. Jacobus Theodorici (Oldorf) . . . . E 10. Cornelius Falconissa (Westrum) . . .
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X
Inhaltsverzeichnis
E 11. Petrus Kempis (Pakens) . . . . . . . . . . . E 12. Frerick Hilderßen (Waddewarden) . . . . . . . E 13. Memmo (Waddewarden) . . . . . . . . . . . E 14. Henricus Bernardus Tymmermann (Sillenstede) . . E 15. Ubbo (Sillenstede) . . . . . . . . . . . . . E 16. Martinus Fabricius (Cleverns) . . . . . . . . . E 17. Johannes Scroder (Sandel) . . . . . . . . . . E 18. Jacobus Drentwede (Schortens) . . . . . . . . E 19. Rodolphus Frisius (Schortens) . . . . . . . . . E 20. Minnerdt (Sande) . . . . . . . . . . . . . . E 21. Meynerdus Focken (Heppens) . . . . . . . . . E 22. Die Confessio jeverensis und Antonius Morenanus (Wüppels) . . . . . . . . . . . . . . . . Pluralität und Einheit in der jeverländischen Theologie
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. 79 . 82 . 85 . 86 . 89 . 91 . 94 . 96 . 102 . 105 . 107
. . . 111
. . . . . 121
1. Gesetz und Evangelium oder die evangelische Buße . . . . . 2. Der Wittenberger Typus der Theologie . . . . . . . . . 3. Reformatorische Kirchenvätertheologie . . . . . . . . . 4. Das Reformatorische in den jeverländischen Pfarrbekenntnissen
121 124 127 130
Die Handschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Zur Edition
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
1. Text (linke Seite) . . . . 2. Apparat zum Text . . . . 3. Übersetzung (rechte Seite) . 4. Apparat zur Übersetzung .
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Text und Übersetzung der Bekenntnisse . . . . . . . . . . . 143 01. Gerhardus Wandscher (Jever) . . . . 02. Jacobus Franckenberg (Jever) . . . . 03. Michael Hamminck Wiefels . . . . 04. Gherardus Jeger (Tettens) . . . . . 05. Ludolphus (Middoge) . . . . . . . 06. Hermannus Heronis (Hohenkirchen) . 07. Iko Mensen (Hohenstief oder St. Joost) 08. Abel Sybrandi (Wiarden) . . . . . . 09. Jacobus Theodorici (Oldorf) . . . . 10. Cornelius Falconissa (Westrum) . . .
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144 166 212 222 230 250 304 326 376 408
XI
Inhaltsverzeichnis
11. Petrus Kempis (Pakens) . . . . . . . . . 12. Frerick Hilderßen (Waddewarden) . . . . . 13. Memmo (Waddewarden) . . . . . . . . 14. Henricus Bernardus Tymmermann (Sillenstede) 15. Ubbo (Sillenstede) . . . . . . . . . . . 16. Martinus Fabricius (Cleverns) . . . . . . . 17. Johannes Scroder (Sandel) . . . . . . . . 18. Jacobus Drentwede (Schortens) . . . . . . 19. Rodolphus Frisius (Schortens) . . . . . . . 20. Minnerdt (Sande) . . . . . . . . . . . 21. Meynerdus Focken (Heppens) . . . . . . 22. Confessio jeverensis . . . . . . . . . . .
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448 454 458 460 470 476 484 486 492 504 506 522
Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 Abbildungen 1–14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Bibliografie
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Register 1. Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 2. Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 3. Themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610
Abkürzungen Die Abkürzungen der biblischen Bücher folgt RGG 4. Auflage A Apologie B BSLK CIC CR E HDThG Interim Kj Martens Meene MS OUB PG PL WA * **
eigenhändiges Manuskript; bei der Confessio jeverensis: 1. Exemplar Melanchthon, Apologia Confessionis Augustanae, BSLK 139–404. Abschrift durch Hermannus Heronis; bei der Confessio jeverensis: 2. Exemplar Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche Corpus iuris canonici hg. von Emil Friedberg Melanchthon, Philipp: Philippi Melanthonis Opera (Corpus Reformatorum) (vor der Ordnungszahl der Texte:) Einleitung Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte Mehlhausen, Joachim (Hg.): Das Augsburger Interim Konjektur Martens, Martin Bernhard: Jeversches Prediger-Gedächtnis Meene, Heinrich: Nachrichten Manuskript Oldenburgisches Urkundenbuch Migne, Jacques-Paul (Hg.): Patrologiae cursus completus. Series graeca Migne, Jacques-Paul (Hg.): Patrologiae cursus completus. Series latina. Luther, Martin: Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe) Anfang und Ende einer in den Text eingefügten Randbemerkung
Einleitung Das Augsburger Interim von 1548 brachte die friesische Herrschaft Jever, die sich seit fast zwei Jahrzehnten der Reformation angeschlossen hatte, in große Gefahr. Um ihr zu begegnen, erhielten alle Pastoren den Auftrag, ihre persönliche Stellungnahme zum christlichen Glauben generell und zum Interim im besonderen aufzuschreiben. So entstand als Spiegel der Pfarrerschaft eine – soweit bisher bekannt – einzigartige Sammlung von Pastorenbekenntnissen, die dank glücklicher Umstände nicht verloren ging.. Sie bietet nicht nur einen detaillierten Einblick in die damaligen kirchlichen Verhältnisse eines vorwiegend ländlichen Territoriums, sondern lässt neben den höher gebildeten Theologen, die eine Universität besucht haben, auch jene schlichten Pastoren zu Wort kommen, die zwar überall die Hauptträger des gottesdienstlichen Lebens waren, dank ihrer einfachen Vorbildung aber anderwärts kaum Texte hinterlassen haben und deswegen meist unsichtbar und unbeachtet blieben. Zur Erschließung dieser Pastorenbekenntnisse von 1548 und der wenig später entstandenen Confessio jeverensis sind einige historische und geografische Erläuterungen erforderlich. Die Geschichtliche Einführung umreißt deshalb die Situation, welche die kaiserliche Forderung, das Interim durchzuführen, in Jever antrifft. Die Herrschaft Jever um 1548 zu beschreiben und durch eine Karte zu veranschaulichen, dürfte angesichts der Randlage dieses Gebietes an der Nordseeküste willkommen sein, zumal die Namen der sonst unbekannten Kirchspiele öfter genannt werden müssen. Um in Form einer Einleitung in die einzelnen Texte eine Übersicht über das Leben und die Bekenntnisse der jeverländischen Pastoren zu gewinnen, wird das wenige Biografische, was in regionalgeschichtlichen Quellen greifbar ist, mitgeteilt und mit Form und Inhalt des jeweiligen Bekenntnisses verglichen. Um der Übersichtlichkeit willen werden den Texten und ihren Verfassern jeweils die Zahlen 01. bis 21. beigegeben1. Die Zahl 22. wird der Confessio jeverensis und ihrem vermutlichen Hauptautor Antonius Morenanus zugeordnet. Das vorgesetzte E verweist auf den entsprechenden 1 Die Reihenfolge der Namen wird durch die amtliche Abschrift der Bekenntnisse durch Hermannus Heronis vorgegeben, der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit an die Zählung der Kirchspiele durch die Jeversche Kanzlei anlehnt.
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Einleitung
Abschnitt in der Einleitung. Die Zahlen erleichtern zusammen mit den Buchstaben und Zahlen der in der Übersetzung eingeführten Gliederung die Querverweise. Pluralität und Einheit in der jeverländischen Theologie ist zwar angesichts der großen Verschiedenheit der Verfasser nicht leicht zu beschreiben, muss aber doch als eine vorläufige inhaltliche Zusammenfassung der Bekenntnisse versuchsweise angefügt werden. Der Abschnitt über Die Handschrift gibt eine Beschreibung der Quelle, die hier ediert wird, nämlich des Bandes der Bibliothek das Mariengymnasiums in Jever, in welchem die zeitgenössische Abschrift aller Bekenntnisse und die noch erhaltenen Originale zusammengebunden sind. Über Wiedergabe, Übersetzung und Anmerkungen geben die Bemerkungen Zur Edition Auskunft. Nach diesen Vorbereitungen folgen Text und Übersetzung der 21 Bekenntnisse und der Confessio jeverensis. Abbildungen, Bibliografie und Register schließen die Edition ab.
Geschichtliche Einführung 1. Die Bekenntnisse der 21 jeverländischen Pastoren Glaubensbekenntnisse von Landpfarrern werden selten zu Papier gebracht. Umso bemerkenswerter ist es deshalb, dass die nachstehend wiedergegebenen einundzwanzig Bekenntnisse überhaupt entstanden sind und über fast ein halbes Jahrtausend hinweg erhalten blieben. Ihre Existenz war nie ganz unbekannt. Hie und da haben Kenner1 der regionalen Kirchengeschichte sie hervorgeholt und für einzelne Themen auszuwerten gesucht. Dann aber wurde es wieder still um sie. Stammten sie doch weder von bekannten Verfassern noch aus einem geschichtsträchtigen Zentrum kirchlichen Geschehens. Auch haben sie wenig bewegt – weder in ihrem engeren Umkreis noch erst recht darüber hinaus. Sie bieten nur einen Einblick in die kleinen Verhältnisse, aus denen sie hervorgingen. Andererseits gilt im Protestantismus die Auffassung, dass die Kirche sich von der Gemeinde her aufbaut. Je näher eine Quelle dem religiösen Geschehen in einer Kirchengemeinde steht, desto lebhafter müsste sich eigentlich das Interesse der Kirchengeschichte darauf richten. Zwar geben die Bekenntnisse der Pastoren keinen direkten Einblick in den Glauben ihrer Gemeindemitglieder selbst, aber doch wenigstens einen Einblick in den Glauben derer, die ihnen am nächsten standen, nämlich der Prediger und Seelsorger, die in den zumeist dörflichen Kirchengemeinden tätig waren. Sie äußerten sich zwar jeweils auf dem Hintergrund ihrer Vorbildung, ließen aber doch immer wieder aufscheinen, welche Ziele sie in ihrer Gemeindearbeit verfolgten. Auf jeden Fall geben die Bekenntnisse darüber Auskunft, wie weit im Jahre 1548 – also drei Jahrzehnte nach dem Thesenanschlag und 16 Jahre nach der Einführung der Reformation in der Herrschaft Jever – die evangelische Lehre und der evangelische Gottesdienst Fuß gefasst haben.
1 Folgende Namen, deren Arbeiten in der Bibliografie aufgeführt werden, sind hier zu nennen: Meene, Martens, Hollmann, Schauenburg, Riemann, Sello, Hans Heinrich Harms, Hugo Harms, Trümper, Sprengler-Ruppenthal, Petri.
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Geschichtliche Einführung
Die Bekenntnisse waren auf Weisung der Obrigkeit entstanden. Diese wollte jedoch nicht nur im allgemeinen hören, welche Lehre ihre Pastoren auf der Kanzel verbreiten, sondern sie verlangte eine Stellungnahme zum Augsburger Interim vom 30. Juni 1548. Damit gehören die 21 Bekenntnisse in den Zusammenhang der Religionspolitik, mit der Kaiser Karl V. nach Luthers Tod den ihm verhassten Protestantismus endlich beseitigen und mit Hilfe des Interim das Reich kirchlich einigen wollte2. Es gibt keinen Mangel an Stellungnahmen von einzelnen Theologen oder Kommissionen zum Interim, die damals gedruckt wurden. Durch ihre weite Verbreitung im sog. Interimistischen Streit erzeugten sie eine intensive theologische Diskussion und sorgten damit für einen ersten Höhepunkt des innerevangelischen Prozesses der Konfessionalisierung3. Indessen können die Bekenntnisse der jeverländischen Pastoren nicht den Anspruch erheben, wirksam in diese damalige Auseinandersetzung eingegriffen zu haben, da sie ungedruckt und außerhalb des Jeverlandes völlig unbekannt geblieben sind. Zudem waren sie auf den kurzen Zeitraum der beiden letzten Monate des Jahres 1548 eingegrenzt, ohne von der weiteren Entwicklung der Streitfrage in den folgenden Jahren berührt zu sein. Was jedoch die jeverländischen Bekenntnisse auszeichnet, ist die Tatsache, dass sie innerhalb eines – wenn auch kleinen – Territoriums ein vollständiges Bild dafür bieten, was den Pastoren in Bezug auf ihren Glauben und ihr Verhältnis zum Interim persönlich wichtig war. Die Aufforderung zur Niederschrift wurde an alle Amtsträger ohne Rücksicht auf ihre Fähigkeiten und ihre Vorbildung gestellt und betraf damit nicht nur den Teil, der an einer Universität hatte studieren können, sondern auch die sonst meist unsichtbar bleibende Schicht der Geistlichen, die nur über die bescheidene Ausbildung zum niederen Klerus verfügten, wie sie im späten Mittelalter gebräuchlich war4. Über die theologische Stellungnahme hinaus wird die Bekenntnissammlung damit zu einem Spiegel der Bildung einer Pfarrerschaft. Für die Entstehung der Bekenntnissammlung sorgten besondere politische Umstände, von denen noch zu reden sein wird. Zudem ist es ein glücklicher Zufall, dass das Aktenbündel die Zeit von fast fünf Jahrhun2 Brandi, Kaiser Karl V. – Kaufmann, Geschichte der Reformation. – Rabe, Deutsche Geschichte. 3 Dingel, Reaktionen auf das Augsburger Interim. – Kaufmann, Das Ende der Reformation. – Schorn-Schütte: Das Interim 1548/50. 4 Klaus, Soziale Herkunft und theologische Bildung. – Kurze, Der niedere Klerus – Nieden, Die Erfindung des Theologen. – Oediger, Über die Bildung der Geistlichen im späten Mittelalter. – Overfield, University Studies – Schorn-Schütte, Evangelische Geistlichkeit in der Frühneuzeit.
2. Das Augsburger Interim von 1548
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derten ohne größere Einbußen überstanden hat. Die Bekenntnisse bieten ein reiches Material für Analysen in verschiedenen Richtungen, die in der Kürze von einem einzelnen nicht geleistet werden können. Deswegen ist es das Hauptziel dieser Ausgabe, den Text der Bekenntnisse für weitere Studien zugänglich zu machen. Die dem Text hinzugefügten Übersetzungen, Einleitungen, Quellennachweise und Interpretationen sind als vorläufige Hilfen für die Erschließung zu betrachten
2. Das Augsburger Interim von 1548 Kaiser Karl V. hatte am 24. April 1547 bei Mühlberg an der Elbe die entscheidende Schlacht gegen den Schmalkaldischen Bund, das Verteidigungsbündnis der protestantischen Stände, für sich entschieden. Der Sieg des Kaisers über die Protestanten gipfelte in der Gefangennahme der beiden Anführer des Schmalkaldischen Bundes: des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen und des Landgrafen Philipp von Hessen. Es wirkte auf die Protestanten tief deprimierend, dass Johann Friedrich nicht nur die Kurwürde und die im Kurkreis liegende Universität Wittenberg verlor, sondern am kaiserlichen Hof gefangen gehalten und bei dessen Reisen als lebende Trophäe umhergeführt wurde. Im Bewusstsein seiner Überlegenheit und um seinen Sieg auszunützen, ließ der Kaiser am 1. September 1547 in Augsburg einen Reichstag eröffnen, der wegen seiner militant antiprotestantischen Zielsetzung mit dem Namen des Geharnischten Reichstags in die Geschichte einging. Er dauerte ungewöhnlich lang und endete erst am 30. Juni 1548. Der mit diesem Datum versehene zusammenfassende Beschluss des Gremiums, der Reichstagsabschied, enthielt das sogenannte Interim, das dem Reichstag schon am 15. Mai 1548 vorgelegt worden war, jetzt aber zum Reichsgesetz erhoben wurde5. Unter Interim versteht man die Kirchenordnung, die der Kaiser von einer Theologenkommission hatte ausarbeiten lassen, um den Riss zwischen den reformatorischen und den altgläubigen Territorien zu beseitigen. Der Text, der in einer deutschen und in einer lateinischen Fassung gedruckt wurde, umfasst je nach Auflage etwa 60 bis 80 Seiten und enthält nach einer Vorrede 26 Kapitel, mit denen Lehre, Verfassung und Liturgie der protestantischen Gebiete fast ganz auf den Stand vor der Reformation zurückgedreht werden sollten6. 5 Rabe, Zur Entstehung des Augsburger Interims 1547/48. – Rabe, Zur Interimspolitik Karls V. 6 Mehlhausen, Das Augsburger Interim. – Die zweite Auflage dieser Ausgabe wird
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Geschichtliche Einführung
Der eigentliche Titel der Schrift lautet: Der Römischen Kaiserlichen Majestät Erklärung, wie es der Religion halben im heiligen Reich bis zum Austrag des gemeinen Concili gehalten werden soll. Schon die kaiserliche Kanzlei, die das Dokument versenden musste, kürzte in dem vom Kaiser selbst unterzeichneten Anschreiben den umständlichen Titel ab und bezeichnete den Text als Erklärung und Ordnung oder in Vorwegnahme der später allgemein üblichen Abkürzung als allgemeine Erklärung und die Ordnung eines Interims7. Das lateinische Adverb interim bedeutet inzwischen und wurde deshalb gewählt, weil das Gesetz befristet war und nur für die Zeit gelten sollte, bis das allgemeine Konzil eine endgültige Entscheidung aller strittigen Fragen getroffen hätte. Dieses Konzil war schon am 13. Dezember 1545 in Trient eröffnet worden, litt aber unter vielen Schwierigkeiten, so dass das Ergebnis nicht abzusehen war. Die Kapitel 1–8 des Interim beschreiben die christliche Lehre von Schöpfung, Sündenfall, Erlösung, Rechtfertigung und von den guten Werken, wobei im Gedankengang und bei den Einzelthemen das Bemühen der kaiserlichen Kommission erkennbar ist, reformatorische Anliegen aufzunehmen. Freilich war dies dadurch begrenzt, dass das Konzil in Trient schon am 13. Januar 1547 ein Rechtfertigungsdekret8 beschlossen hatte, das gegen die Reformation gerichtet war. Offen antireformatorisch geben sich im Interim sodann die Kapitel 9–13 über die Kirche und die Kapitel 14–21 über die Sakramente. In Steigerung dieser Tendenz verfügen die restlichen Kapitel die Wiedereinführung des Messopfers, der Heiligenanrufung und der Opfer für die Verstorbenen. Ein Entgegenkommen zeigt sich nur am Rande in der Übernahme der reformatorischen Forderung, dass beim Abendmahl die Gemeinde kommunizieren soll (Kapitel 25), und in den beiden Zugeständnissen, dass bis zu einem Konzilsentscheid die Priesterehe und der Laienkelch geduldet werden (Kapitel 26).
im folgenden herangezogen und unter Angabe von Kapitelnummer und Seitenzahl zitiert. 7 Dingel, Reaktionen 973, 9. 8 Denzinger/Hünermann, Kompendium § 1520–1583. – Die interimistische Erklärung zur Rechtfertigungslehre wäre eigentlich überflüssig gewesen, da das Konzil in dieser Sache schon entschieden hatte. Dass das Interim trotzdem Stellung nahm, diente wohl dem Zweck, durch entgegenkommende Formeln die wahre Stoßrichtung der folgenden Kapitel zu verschleiern.
3. Die Reformation im Jeverland
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3. Die Reformation im Jeverland Dass das Interim im Jeverland mit den Bekenntnissen der Pastoren eine besondere Reaktion hervorrief, liegt in der Spannung begründet, dass dieses Territorium einerseits geschlossen die Reformation in Lutherscher Prägung übernommen hatte, andererseits aber als Burgundisches Lehen sich vor der antiprotestantischen Politik Kaiser Karls V. in Acht nehmen musste. Zur Durchführung der Reformation9 war es im Jeverland auf folgendem Wege gekommen. 1511 starb Edo Wiemken der Jüngere, der edle Herr … zu Jever, Rüstringen, Östringen und Wangerland10. Mit starker Hand hatte er sein kleines Land zusammengeführt und zugleich gegen die Begehrlichkeit der Grafen von Ostfriesland geschützt, die meinten, ein Anrecht darauf zu haben. Diese verstärkten nun ihre Versuche, dieses Ziel zu erreichen, wobei sie gegen die minderjährigen und unerfahrenen Erben die üblichen Mittel – List und Zwang, nachbarliche Fürsorge und Heiratsangebote – einsetzten. Unter den erbberechtigten Geschwistern erwies sich als stärkste Persönlichkeit, die auch ihre Geschwister überlebte, das edele wolgeborne Froichen Maria, geborne dochter tho yeuer11, wie sie auf Niederdeutsch von ihrem Hauskaplan Jacobus Franckenberg untertänigst angeredet wurde. Heute nennt man in Jever diese letzte einheimische Herrscherin, die von 1500 bis 1575 lebte, mit der hochdeutschen Wortform Fräulein Maria, wobei zu beachten ist, dass mit dem mittlerweile ausgestorbenen Ehrentitel Froichen oder Fräulein ehemals eine unverheiratete adlige Frau gleich welchen Alters angeredet wurde. Unter der ostfriesischen Annexionspolitik hatte Fräulein Maria persönlich besonders zu leiden12. Zunächst wurde sie durch ein Heiratsversprechen hingehalten. Als der für sie bestimmte Graf Enno II. von Ostfriesland 1527 mit seinem Gefolge der Burg in Jever einen Besuch abstattete und freundlich empfangen wurde, entmachtete er im Handstreich die Besatzung und ließ sich als der neue Landesherr durch die Jeverländer huldigen. Fräulein Maria konnte zwar nach diesem Überfall weiter in der Burg wohnen, war aber ihres Erbes und ihrer Heiratsaussichten beraubt. Das Sagen hatte fortan der aus der ostfriesischen Oberschicht stammende 9
Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 212–219. 231–236. – Schäfer, Hamelmann und die Anfänge der Reformation im Jeverland. 10 So lautet sein Titel auf der Grabinschrift in der Stadtkirche Jever; vgl. Schönbohm, Die Stadtkirche zu Jever 8. 11 Abbildung 1. 12 Petri, Fräulein Maria von Jever. – Sander, Das Fräulein und die Renaissance: Maria von Jever 1500–1575.
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Geschichtliche Einführung
Boing von Oldersum (ca. 1500–1540), den Graf Enno als Drosten (militärischen Befehlshaber) in Jever einsetzte13. Für die religiöse Entwicklung des Jeverlandes war der Herrschaftswechsel insofern von grundlegender Bedeutung, als Ostfriesland sich um diese Zeit schon der Lutherschen Reformation geöffnet hatte und diese Bewegung nun auch auf das Jeverland übergriff. Der Pfarrer der Sendkirche St. Cyriakus in Jever, Henricus Kremer14, führte angeregt durch Luthers Schriften 1527 die deutsche Messe ein und folgte Luthers persönlichem Beispiel, indem er in den Ehestand trat. Er erhielt Unterstützung durch ostfriesische Pfarrer, die von der neuen Obrigkeit ins Land gerufen wurden. Es fanden sich jedoch auch sehr früh jeverländische Pastoren, die sich ihm anschlossen und in ihren Kirchen den Gottesdienst erneuerten. Im Jahr 1518 lebte von ihnen noch Pastor Gherardus Jeger in Tettens.15. Die ostfriesische Herrschaft über das Jeverland endete im Jahr 1531. Der Drost Boing von Oldersum kündigte nämlich dem Grafen Enno den Gehorsam auf, trat auf die Seite von Fräulein Maria, die er zu heiraten gedachte, und stellte so die Selbstständigkeit der Herrschaft Jever wieder her. Fräulein Maria war damit wieder Herrin ihres Landes. Die Leitung der Kanzlei übernahm der Rentmeister Remmer von Seediek16 (ca. 1490–1557). Der Jeverländer hatte in Rostock studiert und sich später zum Geistlichen weihen lassen. Er hatte gleich zu Beginn die Reformation unterstützt und es vermocht, die anfängliche Abneigung von Fräulein Maria gegen die Neuerungen von Pastor Kremer zu überwinden. Unterdessen hatte sich die Neuordnung so gefestigt, dass 1532 die Reformation für das ganze Jeverland durchgeführt wurde. Die obrigkeitliche Verfügung darüber blieb zwar nicht erhalten, wird aber in einem Mandat von 157417 mit den Worten zitiert, dass … in 42 Jahren in unserer Herrschaft Jever die Lehre des heiligen Evangeliums lauter, rein und klar ohne jeden Missbrauch unverfälscht gepredigt, die heiligen Sakramente nach der Einsetzung und Stiftung Christi gemäß und nach seinen Worten und Befehlen ausgeteilt werden … 13
Schmidt, Politische Geschichte Ostfrieslands 147–149. Henricus Kremer lautet seine eigenhändige Unterschrift, vgl. Trümper 1, 34: Foto einer Urkunde vom 26. Juli 1537, StAO Bestand 90 Doc. Jever. – Die verbreitete falsche Schreibung Kramer wurde durch Hamelmann verursacht, vgl. Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 147. 15 S. unten bei 04. Gherardus Jeger (Tettens). 16 Über ihn und seine Familie vgl. Salomon, Führungsschichten 19–30. 17 Sehling 1254: Nachdeme … in de twe und vertich jahr in unser herschaft Jehuer de lehre des hilligen evangeli lutter, rein und klar, ohn alle mißbruke unvorvelschet geprediget, de hilligen sacramenta nah der insittinge und stiftung Christi vor und nah sinen worte und bevehlich uthgedelt werden …. – Der Wortlaut und die exakte Zahlenangabe 42 lassen erkennen, dass das maßgebliche Reformationsmandat von 1532 im Jahre 1574 noch vorhanden war. 14
4. Das Jeverland als Burgundisches Lehen
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Das Zitat drückt aus, was sich in den 21 Pastorenbekenntnissen und der Confessio jeverensis im einzelnen belegen lässt: Nach dem Selbstbewusstsein der Handelnden (Obrigkeit, Pastoren und Gemeinde) ging es in der Reformation nicht um die Gründung einer neuen Kirche oder um die Wiederbelebung einer zeitweise erloschenen Kirche, sondern um die Reinigung der immerfort bestehenden einen Kirche von den Missbräuchen, die sich immer wieder einschleichen und an denen der Papst und neuerdings auch der Kaiser sich festklammern. Anders als die Täufer, die ohne Rücksicht auf die bisherige Kirchengeschichte aus der Bibel eine Kirche konstruieren wollten, hielten die Verantwortlichen im Jeverland im Sinne der Wittenberger Reformation an dem Ertrag der kirchlichen Vergangenheit fest, soweit er dem Evangelium nicht ausdrücklich widersprach: an der Struktur der Kirche mit Kirchspiel und Pfarramt, am Kirchengebäude und seiner Ausstattung mit den Prinzipalstücken der Kanzel, des Taufbeckens und des Altars als des Ortes der Eucharistie. Obwohl die entschlossene kaiserliche Forderung auf Einführung des Interim die Einsicht schärfte, dass mit der Reformation des Kirchenwesens eine schwerwiegende Entscheidung gefallen war, so blieb doch das Selbstbewusstsein der ungebrochenen Kontinuität mit der Kirche Christi und der Apostel unangetastet. Diese Selbstauffassung fühlte sich bestätigt durch die biblische Lehre als das maßgebliche Zeugnis des Anfangs, aber auch durch die Kirchenväter, bei denen nicht nur auf ihre Schriftauslegung, sondern auch auf ihre Zeitzeugenschaft im Lauf der Kirchengeschichte geachtet wurde. Für die Pastoren, die hinter der Confessio jeverensis standen, war es eine unentbehrliche Bestätigung der reformatorischen Lehre, dass sie sich nicht nur auf die Kirchenlehrer des Altertums – voran Augustinus – sondern auch auf spätere Kirchenväter wie etwa Bernardus von Clairvaux berufen konnten. Es ist kein Zufall, dass sich im Zentrum des Bekenntnisses bei den Themen Gesetz, Evangelium und Buße die Zitate von Ambrosius, Augustinus und Bernardus18 verdichten, weil gerade sie die reformatorische Auffassung bestätigen.
4. Das Jeverland als Burgundisches Lehen 1532 brachte jedoch nicht nur den abschließenden und offiziellen Übergang des Jeverlandes zur Reformation, sondern auch eine staatsrechtliche 18 Zum Doppelerlebnis von Anfechtung und Heil bei Bernardus als Analogie zu Gesetz und Evangelium vgl. Köpf, Religiöse Erfahrung 63–95; Schäfer, Kirchenleitung und religiöse Erfahrung 366–370.
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Veränderung, die zunächst dem Schutz des Landes diente, sich aber 16 Jahre später als gefährlich erweisen sollte. Da die Grafen von Ostfriesland sich mit dem Verlust ihrer Herrschaft über Jever nicht abfinden wollten, musste sich Fräulein Maria nach Verbündeten umsehen. Im Frühjahr 1532 trug sie ihre Herrschaft dem Haus Burgund zum Lehen auf19. Im Gegenzug belehnte Kaiser Karl V. als Herzog20 von Burgund,… von Brabant …Graf von Holland, Herr von Friesland am 12. April 1532 Fräulein Maria und ihre damals noch lebende Schwester Anna mit der Herrschaft Jever und versprach, sie gegen jede Gewalt und Unterdrückung zu beschirmen. Wenn auch die nachbarschaftlichen Fehden und Kleinkriege weiterhin ausgetragen wurden – im Jahre 1540 sogar mit dem für Fräulein Maria tragischen Ausgang, dass Boing von Oldersum bei einem Gefecht zu Tode kam und damit alle ihre dynastischen Pläne scheiterten – so war doch mit dem Lehnsverhältnis zum Kaiser das Jeverland gegen Ostfriesland gesichert. Andererseits geriet Fräulein Maria damit in gefährliche Nähe zu der Religionspolitik, die der Kaiser gerade in seinen burgundischen Erblanden unnachsichtig verfolgte. In Burgund regierte im Namen des Kaisers seine Schwester, die verwitwete Königin Maria von Ungarn21. Um ein gutes persönliches Verhältnis mit ihr zu pflegen, reiste Fräulein Maria mehrfach nach Brüssel. Dabei scheinen aber die kirchlichen Verhältnisse des Jeverlandes nicht offengelegt, sondern bewusst verschleiert worden zu sein. Einige zeitgenössische Schriftstücke lassen sogar erkennen, dass die kaiserlichen Beamten in Burgund das Jeverland für ein altgläubiges Territorium gehalten haben22. Am 14. April 1548 lässt Fräulein Maria beim kaiserlichen Statthalter in Groningen, Martin van Norden, der für sie im Sinne des Lehnsverhältnisses unmittelbar zuständig ist, brieflich anfragen, was sie mit einem Pastor machen solle, der Unkraut in ihrem Land säe. Der Brief selbst ist zwar nicht erhalten, wohl aber die Antwort23, aus der sich die Anfrage erschließen lässt. Martin van Norden berät Fräulein Maria arglos, indem er sie auf die gültigen päpstlichen und kaiserlichen Rechtsvorschriften und auf die vielen gedruckten Verfügungen gegen die Lutheraner, Sakramentaristen und andere verdammte Sekten hinweist, die versandt worden sind. 19
OUB 6, 647 (3). OUB 6, 647 (2). 21 Tamussino, Maria von Ungarn. 22 Ob die maßgeblichen Personen in Burgund tatsächlich ahnungslos waren oder ob sie ihre schützende Hand über Fräulein Maria hielten, muss vorläufig wegen des Mangels an einschlägigen Quellen offen bleiben. 23 OUB 6, 1124. 20
5. Die Gefährdung des Jeverlandes durch das Interim
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Dass Martin van Norden in Groningen das Jeverland kaum kannte, kam auch schon im Jahr zuvor in einem Brief zum Ausdruck, den er am 28. Mai 1547 an den Jeverschen Rentmeister Remmer von Seediek richtete. Er sucht den Rentmeister darüber zu beruhigen, dass das kaiserliche Heer am 23. Mai 1547 bei Drakenburg (nördlich von Nienburg an der Weser) eine Niederlage gegen ein Heer des Schmalkaldischen Bundes erlitten hatte, und drückt seine Gewissheit aus, dass das Jeverland deshalb keinen Schaden erleiden soll24. – Der kaiserliche Statthalter setzte voraus, dass man sich in Jever durch das siegreiche Heer der Schmalkaldener bedroht fühlte. In Wirklichkeit hatte die Schlacht von Drakenburg zur Folge, dass die kaiserlichen Truppen die protestantischen Territorien im Nordwesten Deutschlands (Bremen, Oldenburg, Jever, Ostfriesland) vorläufig in Ruhe ließen. Wie wenig über die jeverländischen kirchlichen Verhältnisse in der Umgebung des Lehnsherrn – wenigstens offiziell – bekannt war, unterstreicht schließlich die Tatsache, dass Remmer von Seediek, der die Reformation im Jeverland von Anfang an unterstützte und die Kirche von der herrschaftlichen Kanzlei aus leitete, vom Kaiser am 4. Juli 1549 für seine Verdienste in den Adelsstand erhoben wurde25.
5. Die Gefährdung des Jeverlandes durch das Interim Nach örtlicher Überlieferung wurde das Interim im August 1548 durch einen kaiserlichen Boten überbracht26. Das Begleitschreiben, das die Annahme forderte27, ist nicht erhalten geblieben. Dass vom Buch Interim sowohl die deutsche als auch die lateinische Fassung in jeweils etwa vier Exemplaren in Jever abgegeben wurden, ergibt sich aus den Bekenntnissen der Pastoren, von denen nur wenige Einblick in den Wortlaut nehmen konnten. Das Begleitschreiben der kaiserlichen Kanzlei an die einzelnen Stände des Reiches dürfte in den wesentlichen Punkten überall gleich gewesen 24
OUB 6, 1096. – Martin van Norden dürfte auch darüber in Unkenntnis gewesen sein, dass einer der Anführer des Schmalkaldischen Heeres – Graf Christoph von Oldenburg – ein Cousin von Fräulein Maria war. Dass sie mit diesem in gutem Einvernehmen stand, zeigt sich in dem Umstand, dass auf seine Empfehlung hin 22. Antonius Morenanus, der wegen des Interim seine Stelle in Wesel verloren hatte, in Wüppels angestellt wurde. Zu Graf Christoph von Oldenburg vgl. Schäfer, Graf Christoph in Rastede 66 . 25 Sello, Studien 37. – Trümper, Reformationsgeschichte 1, 64. 26 Riemann, Das Interim, 229; Riemann, Geschichte 2, 74. 27 Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 156 ..
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sein. So lautet der Befehl beispielsweise in dem an die Grafschaft Mansfeld gerichteten Schreiben (30. Juni 1548) folgendermaßen: Weil28 es denn unser Wille und unsere Absicht ist, dass diese Erklärung und Ordnung, insofern sie von den allgemeinen Ständen angenommen und bewilligt ist, also auch von jedermann gelebt und befolgt wird, befehlen wir Euch hiermit in diesem Sinne ernstlich und wollen, dass Ihr diese Ordnung – die wir Euch anliegend in lateinischer und deutscher Sprache ausgefertigt zuschicken – dort bei Euch überall in Eurer ganzen Grafschaft, Herrschaft und in Euren Gebieten wollt verkündigen lassen, vollziehen und für Eure Untertanen, Hintersassen und Verwandten mit allem Ernst verfügen … Im Falle dass ein Territorium die Reformation eingeführt hat, wird angeordnet, dass die Regierungen ihre Untertanen dazu bringen sollen, die kaiserliche Erklärung (das Interim) anzunehmen. Und29 wenn sich jemand dem widersetzen oder sperren würde, (dass Ihr) den- oder dieselben durch alle geeigneten Mittel und Wege dazu zwinget, damit sie dem Reichstagsabschied, wie oben gesagt, nachkommen und Folge leisten, und dass Ihr gegen den Ungehorsamen mit gebührender, ernstlicher Strafe vorgehet. War man in Jever bisher schon gegenüber der kaiserlichen Religionspolitik auf der Hut gewesen, so galt es nun, dem Ernstfall zu begegnen. Nach Hermann Hamelmann30, dessen Kirchengeschichte des wiedergeborenen Evangeliums in der Herrschaft Jever die Hauptquelle für die dargestellten Vorgänge ist, ließ Fräulein Maria durch Remmer von Seediek zunächst untertänigst antworten, dass sie das Buch Interim ihren Pastoren unterbreiten werde. Dieser Satz kann auf zwei Weisen gelesen werden. Setzt man beim Empfänger die Kenntnis voraus, dass die Reformation im Jeverland schon seit längerem durchgeführt ist, dann käme in ihm die Ankündigung von Fräulein Maria zum Ausdruck, sie wolle ihre Pastoren nach der Bereitschaft befragen, durch Annahme des Interim die Reformation rückgängig 28 Dingel, Reaktionen 973,22: Dieweil dann vnser will vnd maynung ist, das solcher erclerung vnd ordnung Jres Jnhalts, jnmassen die von gemainen Stenden angenomen vnd bewilligt, also auch von meniglich gelebt vnd nachgesetzt werde, demnach beuelhen wir Euch hiemit Ernstlich vnnd wellen, das Jr dieselb ordnung – so wir Euch hieneben in Lateinischer vnd Teutscher Sprach verferttigt zuschicken – daselbst bey Euch in all Ewer Graffschafft, Herrschafft vnd Gepieten allenthalben verkunden lassen, dieselb volnziehen vnd bey Ewern vnderthanen, hindersassen vnd verwandten mit allem Ernst verfuegen … 29 Dingel, Reaktionen 974, 16: vnd ob sich auch yemandts des widersetzen oder Sperren wurde, den- oder dieselben durch alle fueglich weg vnd Mittel dartzu haltet, das Sy demselben, wie obsteet, nachsetzen vnnd volg thuen vnd gegen den vngehorsamen mit gepurender, Ernstlicher Straff procedieret. 30 Hamelmann, Historia ecclesiastica renati euangelii in ditione Iheverensi, in: Hamelman, Pars prima F 2 v. Vgl. Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 156 .: ipsa submisse respondit per Romerum Zedichium se librum Interim proposituram esse suis pastoribus.
5. Die Gefährdung des Jeverlandes durch das Interim
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zu machen. Liest man den Satz dagegen unter der Voraussetzung, dass nach dem offiziellen Kenntnisstand Brüssels oder Groningens die Reformation das Jeverland noch nicht erreicht hat, dann wäre er so zu verstehen, dass Fräulein Maria ihre (altgläubigen) Geistlichen befragen wolle, ob sie bei den (ferne wohnenden) Protestanten mit einer Duldung des Laienkelchs und der Priesterehe einverstanden seien. Im letzteren Sinne dürfte es wohl die kaiserliche Kanzlei verstanden haben. Remmer von Seediek vermied es also in seiner Antwort, dem Empfänger mehr zu verraten, als er schon zu wissen meinte. Für Montag, den 12. November 1548, wurden die Pastoren aus dem ganzen Jeverland nach Jever ins Schloss bestellt. Die Mehrzahl von ihnen erschien. Nach Hamelmanns Bericht31 legte ihnen Fräulein Maria persönlich das Buch Interim im Namen der kaiserlichen Majestät zur Annahme vor, indem sie hinzusetzte, dass man der höchsten Obrigkeit gehorchen müsse, vollends jetzt, nachdem der ruhmreiche Sieger sich ganz Deutschland unterworfen habe und jenes unter Drohungen befehle. Hamelmann fügt hinzu, dass die Pastoren dies in Erwägung gezogen hätten. Was Hamelmann jedoch nicht wusste, sondern erst durch die Erwähnung in den Bekenntnissen deutlich wird, ist die Tatsache, dass die Versammlung vom 12. November ohne klares Ja oder Nein zum Interim endete. Um den Pastoren Bedenkzeit zu geben, gewährte Fräulein Maria ihnen eine Frist von drei Wochen, ordnete eine weitere Zusammenkunft an und gab durch den rechtskundigen Rat der Kanzlei, den Lizentiaten beider Rechte Martin Michaelis, den Pastoren den Auftrag mit nach Hause: Jeder Einzelne soll ein schriftliches Bekenntnis verfassen in Bezug auf: (1) das Interim, (2) die Glaubensartikel, (3) auf die Sakramente und (4) auf die herkömmlichen christlichen Zeremonien. So ungefähr müssen die vier Aufgaben gelautet haben, die den Pastoren von der Obrigkeit mündlich mitgegeben wurden. Am deutlichsten sind diese Aufgaben aus dem Bekenntnis von 02. Jacobus Franckenberg (Jever) zu erkennen, der sie fast gleichlautend in der Überschrift und im Widmungsbrief seines Bekenntnisses zitiert. Sie stimmen inhaltlich mit der kürzeren Form überein, die im Bekenntnis von 11. Petrus Kempis (Pakens) enthalten ist. Auch in mehreren anderen Bekenntnissen werden diese Aufgaben greifbar.
31 Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 156 . – Beim Bericht Hamelmanns ist zu beachten, dass er die beiden Versammlungen vom 12. 11. und 3. 12. 1548, die in mehreren Bekenntnissen erwähnt werden, zu einer einzigen zusammenzieht. Offenbar konnten seine Gewährsleute, die er um 1575 befragte, die drei Jahrzehnte zurückliegenden Vorgänge nicht mehr exakt auseinanderhalten.
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Geschichtliche Einführung
Die 4 obrigkeitlichen Aufgaben nach den Bekenntnissen von 02. Jacobus Franckenberg und 11. Petrus Kempis Jacobus Franckenberg (1) Jacobus Franckenberg (2) Petrus Kempis (1) a b
1. 2.
3. 4.
a b
1. 2.
3. 4.
eynem idern yn Sonderheyth Synes bedunckens ene schrifftlyke bekenthnisse tho stellen
dath eyn iczliker eyn Jderman insunderheit ene apenbarlyke bekenthnisse tho stellen
up dat vorgenanthe Jnterim alle artikel belangende darbeneuen de artikel des glouens
dat eyn jder Pastor vnn Vicarius schrifftlike antwordt vnn belydung hen stellen
up dat vthgegangene Interim vnde ander artikel der hylligen christhlyken lher vnd glouens vnd Sunderliken von den vnd der hylligen SacraSacramenten mente vnd gewonlyken olden myth sampth ethliken olChristhliken Ceremonien den christhliken Ceremonien
vp de reformation Interim
Jeder einzelne soll nach eigenem Urteil ein schriftliches Bekenntnis verfassen
dass ein jeder Pastor und Vikar eine schriftliche Antwort und Bekenntnis aufstellen
das sich auf alle Artikel des genannten Interim bezieht außerdem auf die Artikel des Glaubens
ein jeder – und zwar jeder für sich ein öffentliches Bekenntnis einreichen
auf das veröffentlichte Interim auf andere Artikel der heiligen christlichen Lehre und des Glaubens und besonders von den und der heiligen SakraSakramenten mente und den herkömmlichen al- samt einigen herkömmliten christlichen Zeremonien chen christlichen Zeremonien
myt sampt belyding synes Christliken gelouens vnn gebruck der Sacramenten vnn Ceremonien
auf die Kirchenordnung Interim samt dem Bekenntnis seines christlichen Glaubens und der Verwaltung der Sakramente und Zeremonien
Nach den sachlich übereinstimmenden Zeugnissen von Jacobus Franckenberg (Jever) und Petrus Kempis (Pakens) lauten die vier Aufgaben, die die Regierungsbeamten im Namen von Fräulein Maria bei der Versammlung in Jever am 12. November 1548 den Pastoren nach Hause mitgaben: (a) Jeder Einzelne soll bis zum 3. Dezember 1548 (b) ein schriftliches Bekenntnis verfassen in Bezug auf 1. das Interim, 2. die Glaubensartikel,
5. Die Gefährdung des Jeverlandes durch das Interim
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3. die Sakramente und 4. die Zeremonien. Die erste Aufgabe setzt eigentlich voraus, dass jeder der Pastoren ein Exemplar des Interim zum Studium mit nach Hause nehmen konnte. Dies war jedoch bei der kleinen Anzahl von Drucken, die dem kaiserlichen Schreiben beigefügt waren, nicht möglich. Hieraus erklärt sich, dass die Mehrzahl der Bekenntnisse keinen Bezug auf das Interim nimmt. Vermutlich konnte bei der Versammlung vom 12. November 1548 der Text des Interim nur summarisch bekannt gegeben werden. Im Bekenntnis des Vikars 08. Abel Sybrandi (1) hat sich eine lateinische Liste der Kapitelüberschriften des Interim erhalten, die sich so liest, als habe sie denjenigen, die keinen Einblick in den Text des Interim nehmen konnten, als Ersatz dienen sollen. Allerdings scheint diese Liste nicht schon bei der Versammlung vom 12. November 1548 ausgegeben worden zu sein, da sie nur bei wenigen Pastoren eine Rolle spielt. Vielleicht stammt die Liste von Abel Sybrandi selbst, der sie aus dem ihm zugänglichen lateinischen Exemplar des Interim zum eigenen Gebrauch ausgezogen und möglicherweise einigen seiner Kollegen zur Verfügung gestellt hat32. Am anberaumten Montag nach dem Ersten Adventssonntag, dem 3. Dezember 1548, fanden sich die Pastoren wieder in Jever ein. Diesmal war unter ihnen ein neues Gesicht: der eben aus Wesel am Niederrhein ins Jeverland geflüchtete gelehrte Augustiner-Eremit Antonius Morenanus33. Antonius stammte aus Mechelen, hatte in Löwen studiert, war dann Lesemeister im Augustinerkloster Wesel gewesen und hatte sich als Prediger an der Reformation der Stadt Wesel beteiligt. Da der Kaiser darauf drang, dass das Interim in Wesel ohne Abstriche angewandt wurde, musste Antonius die Stadt verlassen. Auf Vermittlung von Graf Christoph von Oldenburg fand er in Jever eine Zuflucht mit der Aussicht, im Frühjahr 1549 die vakante geistliche Stelle in Wüppels zu beziehen. Die jeverländischen Pastoren erfassten offenbar schnell, dass Antonius ihnen an theologischer, insbesondere patristischer Bildung und an Erfahrung im Umgang mit dem Interim weit voraus war. Sie wählten ihn zu ihrem Sprecher, der am 3. Dezember 1545 in ihrem Namen, wie Hamelmann berichtet, folgendes erklärte34: Christus habe gesagt, Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist; deshalb nämlich müsse man in zeitlichen Dingen dem Kaiser stets in allen Stücken gehorchen und ihm 32
Am Ende dieser Liste steht ein ablehnendes Urteil über das, was wir nicht wollen: Winkelmessen, Heiligenanrufung, Gelübde, Mönchtum und den Primat des Papstes. 33 Unten E 22. Confessio jeverensis und Antonius Morenanus. 34 Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 156 .
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geben, was ihm gehört. Aber in der Sache des Heils sei Gott zu geben, was sein ist, damit jener Spruch nicht ins Gegenteil verkehrt werde. Denn man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen. Nach Hamelmanns Bericht nahm dann die Versammlung folgenden weiteren Verlauf: Fräulein Maria ließ durch Remmer von Seediek antworten, dass ihr zwar die Antwort der Pastoren gefalle. Indessen wolle sie – da sie und ihre Länder35 nun einmal in der Hand des Kaisers seien – doch verhüten, dass aus solcher Nichtachtung des kaiserlichen Befehls irgend eine Gefahr erwüchse. Ob sie auch dies mit Gleichmut tragen würden? Da antwortete der größte Teil, sie befehlen die Sache dem Herrn Jesu und wollten eher was auch immer auf sich nehmen als im kleinsten unter Beleidigung Gottes den Menschen willfahren. Sie36 bewiesen sogleich, wie jenes kaiserliche Buch, das sog. Interim, Lehren enthalte, die mit dem Wort Gottes ganz unvereinbar sind. Der größere Teil verwarf deshalb das Buch.
6. Der Zweck der Bekenntnisse In der Jeverschen Kanzlei wurden die Bekenntnisse nicht nur archiviert, sondern auch erschlossen. Hermannus Heronis, Vikar in Hohenkirchen, erhielt den Auftrag, von den äußerlich sehr verschiedenen und teilweise schwer lesbaren Manuskripten der Pastoren eine Abschrift herzustellen. Offenbar empfahl er sich dafür durch seine klare – wahrscheinlich in Wittenberg erworbene – Humanistenhandschrift. Hermannus setzte seiner Abschrift ein sorgfältig gestaltetes Titelblatt37 voran. Es beginnt mit dem kurzen niederdeutschen Gesamttitel Wedder dat Interim, dem ein längerer lateinischer Titel folgt. Dieser lässt den polemischen Aspekt beiseite, indem er nur von den Bekenntnissen des Glaubens und der Lehre spricht, aber den Auftrag von Fräulein Maria und das Datum der Einreichung benennt. Indem Hermannus ferner erwähnt, dass er die Bekenntnisse gemäß der Reihenfolge der Pfarreien geordnet habe, deutet er an, dass er der Kanzlei nahesteht, da er nicht nur von ihr zu dieser Arbeit herangezogen wird, die Fachkenntnisse voraussetzt, sondern auch ihre Aktenordnung zu handhaben weiß38. In Stilisierung und Anordnung 35 Gemeint sind die drei Landesteile (früher: Gaue) Rüstringen, Östringen und Wangerland. 36 Die folgenden beiden Sätze beziehen sich offenkundig auf die am 3. Dezember schon mitgebrachten schriftlichen Bekenntnisse, die Hamelmann jedoch selbst nicht eingesehen haben dürfte. 37 Abbildung 2. 38 Noch 1783 bei Martens 5 . lauten Nummerierung und Reihenfolge der Kirchspiele fast gleich wie bei Hermannus.
6. Der Zweck der Bekenntnisse
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lässt Hermannus große Sorgfalt walten. Darüber hinaus gibt er mit seinem Gedicht Ad singulos (An die einzelnen Verfasser) nach humanistischer Gewohnheit ein specimen eruditionis und zeigt, dass er an der artistischen Fakultät der Wittenberger Universität sich auch mit der Poetik befasst hat. Wedder dat Interim
Gegen das Interim
Confeßiones fidei et doctrinae / requisitae / iußu et mandato nobilis et generosae principis Mariae dominae nostrae clementißimae / a quolibit suae ditionis verbi ministro
Glaubens- und Lehrbekenntnisse, eingefordert auf Befehl und Geheiß der edlen und hochherzigen Fürstin Maria, unserer allermildesten Herrin,
Exhibitae Anno 1548. die 3 Decembris Singulatim / ex mandato principis nostrae / in hasce chartas secundum ordinem Parochiarum transcriptae / opera Hermanni in Hochkercken Vicarij.
von jedem Diener des Wortes in ihrer Herrschaft, eingereicht am 3. Dezember 1548. Einzeln auf Geheiß unserer Fürstin auf diese Blätter fleißig gemäß der Ordnung der Pfarreien abgeschrieben durch Hermannus, Vikar in Hohenkirchen.
Ad singulos
An die einzelnen Verfasser
Nil tollo aut muto, sed quae exemplaria tradunt. Haec eadem scribo, similique etiam ordine pono. Et literis proprijs distinguo, et profero sensum. Vt tua non mea dicantur, quae haec charta recenset. Haec ita repperies, tua cum te agnoscere dices His vbi collatis add exemplaria dicta
Nichts lass ich weg oder ändere ich – was die Vorbilder liefern, das allein schreibe ich ab und wahre zugleich auch die Ordnung Und mit eigener Hand hol den Sinn ich pünktlich zu Tage, Dass dieses Buch nur das Deine, nicht aber Meines verzeichne. So wirst du’s finden und sagen, dass Deines du selbst anerkennest, wenn du die Vorbilder selbst mit diesen Blättern verglichen, wirst so mit eigenem Federzug diese sogleich unterschreiben Und wirst mit deinem eigenen Namen die Abschrift bezeugen.
Tu proprij calami scripto firmaueris ista, Atque tuo fueris testatus nomine scriptum.
Das Widmungsgedicht Ad singulos wirft durch seine bloße Existenz die Frage auf, welchen Sinn die Abschrift der Bekenntnisse gehabt hat. Wenn die Bekenntnissammlung in der Registratur der Kanzlei verschwinden soll, bedarf es keines Gedichtes. Sollen die Einzelnen, an die es gerichtet
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ist, davon Kenntnis nehmen, müssten sie die Bekenntnissammlung lesen können. Erwartete Hermannus, dass die Kanzlei durch Umlauf seiner Abschrift dafür sorgen würde? Offenbar gingen aber seine Hoffnungen noch weiter. Dass er sein eigenes Bekenntnis größtenteils in niederdeutscher Sprache verfasste, begründet er in seiner lateinischen Vorrede39 damit, dass es sowohl den Ungelehrten als auch den Gelehrten bekannt sein sollte. Mit anderen Worten: Hermannus rechnet mit dem Druck wenigstens seines Bekenntnisses oder auch der ganzen Sammlung, die durch sein Gedicht eingeleitet ist. Andere Pastoren erklären sich den obrigkeitlichen Auftrag zur Niederschrift ihres Bekenntnisses so, dass Fräulein Maria zu erfahren wünsche, was ihre Pastoren predigen. In einer Zeit, in der es im Jeverland weder ein förmliches Konsistorium noch eine Visitationsordnung gab, sahen sie in der Niederschrift und der Einreichung ihres Bekenntnisses eine kirchenleitende Maßnahme, mit der die Lehreinheit des Territoriums sichergestellt werden sollte. Antonius Morenanus, der gerade erst nach Jever gekommen war, fasst den Auftrag so auf, dass es für Fräulein Maria wichtig sei40, dass in dieser so gefährlichen Zeit in den Kirchen ihrer Herrschaft Gleichheit der Lehre besteht und bewahrt wird – zur Ehre des allmächtigen Gottes und zum Heil aller Seelen. Auch Jacobus Franckenberg, dem Zweiten Pfarrer von Jever und Hofkaplan von Fräulein Maria, geht es um dieses Ziel41: … damit eine Einheitlichkeit von christlicher Lehre und Leben einschließlich der Sakramente und Zeremonien in Ihrer Gnaden Land in allen Kirchen eingehalten werden kann. Nun wissen wir durch Hamelmann42, dass Fräulein Maria in der Tat schon vor 1548 der Ungleichheit des Gottesdienstes in ihrem Land hatte abhelfen wollen, indem sie Remmer von Seediek den Auftrag erteilte, eine Kirchenordnung zu verfassen. Als das Interim drohte, wurde diese Kirchenordnung überarbeitet, wobei neben Hermannus Heronis (Hohenkirchen) und Antonius Blome (Wiarden) auch Antonius Morenanus (anfangs in Jever, später in Wüppels) herangezogen wurde. Die Beteiligung des letzteren zeigt, dass diese Überarbeitung frühestens im Winter 1548/49 stattgefunden haben kann, da er vorher noch nicht im Lande war. Gedruckt wurde jedoch diese zweite Fassung so wenig wie die erste. 39 06. Hermannus Heronis (1) … cum haec Confessio (meo iuditio) nota eße debebat tam indoctis quam doctis … 40 Unten E 22. (Abschnitt 2)… ut in hoc tam periculoso tempore in Ecclesiis ditionis sue paritas doctrinae ecclesiae et habeatur et conservetur, ad dei omnipotentis gloriam et omnium animarum salutem. 41 02. Franckenberg (1). 42 Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 154 . – Zur Entstehungsgeschichte der Jeverschen Kirchenordnung vgl. Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 218 . 234.
6. Der Zweck der Bekenntnisse
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Dies erklärt sich leicht dadurch, dass die Veröffentlichung einer Jeverschen evangelischen Kirchenordnung gegenüber dem Lehnsherrn die mühsam aufrecht erhaltene Fassade eines altgläubigen Jeverlandes zerstört hätte. Aus der politischen Lage unmittelbar nach der Veröffentlichung des Interim ist es erklärlich, dass Fräulein Maria und ihre Räte keinen Augenblick an einen Druck der Pastorenbekenntnisse oder der wenig später entstandenen Confessio jeverensis43 dachten. Dann stellen sich aber verstärkt die Fragen: Warum wurden die Bekenntnisse überhaupt eingefordert? Warum wurden sie aufbewahrt? Warum ließ man sie aufwendig kopieren? Es ist nicht auszuschließen, dass Fräulein Maria und ihre Kanzlei sich an Hand der Bekenntnisse aller jeverländischen Pastoren davon überzeugen wollten, welche Lehre jeder einzelne von ihnen vertrat. Diese kirchenleitende Maßnahme bildete einen Ersatz für die Visitation, die bisher noch nicht stattgefunden hatte. Angesichts der aktuellen Gefahr, in der das Jeverland im Herbst 1548 durch das Interim geriet, erfuhr die Umfrage jedoch noch eine spezielle Zuspitzung. Fräulein Maria und ihre Beamten mussten die Auffassung ihrer Pastoren kennen, ehe sie über das weitere Vorgehen entschieden. Der passive Widerstand gegen das Interim wäre nicht möglich gewesen, wenn sich aus der Pfarrerschaft andere Stimmen erhoben hätten. Die Erschließung und Aufbewahrung diente vermutlich als Schutzmaßnahme für den Notfall44. Dieser wäre eingetreten, wenn kaiserliche Beamte Verdacht geschöpft hätten, dass im Jeverland doch mehr als nur ein vereinzelter lutherischer Pastor Unkraut gesät habe. Da der Kaiser in Burgund alle reformatorischen Bestrebungen unnachsichtig unterdrückte, hätte es auch für ein burgundisches Lehen gefährlich werden können. Wenn nun ein kaiserlicher Beamter die Mühe einer Reise nach Jever auf sich genommen und die kirchlichen Verhältnisse inspiziert hätte, dann hätte Fräulein Maria geltend machen können, dass sie zwar, wie untertänigst mitgeteilt, voll guten Willens das Interim ihren Pastoren vorgelegt habe, diese aber trotz ihres Drängens nicht bereit gewesen seien, es anzunehmen. Als Beweis hätte sie die Bekenntnisse vorlegen können, deren Lektüre auch für einen Fremden dank der vorzüglichen Handschrift des Vikars von Hohenkirchen leicht zu bewältigen gewesen wäre. Den Pastoren hätte dies freilich wenig genutzt. Es wäre das eingetreten, wovor Fräulein Maria die versammelten Pastoren am 3. Dezember 1548 durch Remmer von Seediek hatte warnen lassen. Sie selbst wäre zwar
43 44
Unten 22. Confessio jeverensis und Antonius Morenanus. Vgl. Petri, Fräulein Maria 81.
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Geschichtliche Einführung
auch in Gefahr geraten, hätte aber sich und ihre Herrschaft durch den Nachweis ihres fleißigen Bemühens retten können.
7. Das Ende der Gefahr Der Druck auf die protestantischen Territorien, mit dem der Kaiser die Glaubensspaltung im Reich endgültig zu beseitigen meinte, dauerte gerade vier Jahre. 1552 wurde die kaiserliche Politik durch den sog. Fürstenaufstand unter Anführung von Kurfürst Moritz von Sachsen durchkreuzt. Der daraufhin ausgehandelte Vertrag von Passau setzte das Interim außer Kraft45. Drei Jahre später gewährte der Reichstag im Augsburger Religionsfrieden den Evangelischen das Existenzrecht im Reich, soweit bei ihnen die Augsburgische Konfession von 1530 galt. Dieses nahe bevorstehende Ende der Bedrohung war jedoch nicht vorherzusehen. Vor allem dürfte es für Fräulein Maria und ihre Räte beunruhigend gewesen sein, dass der Kaiser gleich nach Abschluss des Geharnischten Reichstages nach Burgund reiste und sich die nächsten zwei Jahre hauptsächlich dort aufhielt46. Die Erhebung Remmers von Seediek in den Adelsstand wegen seiner Verdienste um Kaiser und Reich konnte auch keine Sicherheit bieten. Noch näher kam die Gefahr, als im Frühjahr 1550 der Sohn des Kaisers, der ihm später in Spanien und Burgund als König Philipp II. nachfolgen sollte, seine Erblande Burgund besuchte und sich huldigen ließ. Zwar kam Prinz Philipp nicht persönlich nach Jever, wohl aber erschienen dort Abgesandte des Kaisers, die den Prinzen vertraten. Am 31. März 155047 kündigte die Königin-Regentin Maria von Ungarn brieflich aus Brüssel an, dass drei kaiserliche Beamte nach Jever reisen werden – darunter Martin van Norden aus Groningen –, um die Huldigung für den Prinzen entgegenzunehmen. Dies geschah denn auch am 25. April 1550, wobei urkundlich48 festgehalten wurde, dass Fräulein Maria und ihre Untersassen, die Edlen und die Männer von Rüstringen, Östringen und Wangerland, auch Bürgermeister, Schöffen und Bürger zu Jever und andere Vögte und Deputierte der genannten Länder den Kommissaren für sich und alle Untertanen geschworen hätten, den Prinzen von Spanien nach dem Tode des Kaisers Karl V. als Landesfürsten und Lehnsherrn anzuerkennen. Offenbar ist es dabei gelungen, den Konfessionsstand des Jeverlandes vor den Abgesand45 46 47 48
Rabe, Deutsche Geschichte 436 . 439. Brandi 492. OUB 6, 1145. OUB 6, 1148 .
7. Das Ende der Gefahr
21
ten so weit zu verbergen, dass sich daraus keine negativen Folgerungen ergaben. Ob man in Jever den Passauer Vertrag 155249 und den Augsburger Religionsfrieden 1555 gleich als Ende der Gefahr gewertet hat, ist nicht bekannt. Wenn auch die Bedrohung durch das Interim beseitigt war, so verblieb doch die Lehnsabhängigkeit von Burgund, das Kaiser Karl V. an Philipp II. von Spanien weitervererbte. Es dauerte noch bis 1562, dass sich das Jeverland durch eine gedruckte Kirchenordnung aus der Deckung hervorwagte. Remmer von Seediek, der bis dahin die jeverländische Kirche geleitet und nach außen ihre Tarnung betrieben hatte, war nämlich 1557 gestorben. Nach einem kurzen Versuch, das Jeversche Kirchenwesen weiterhin nebenbei durch die herrschaftliche Kanzlei verwalten zu lassen, wurde denn doch endlich ein eigenes Superintendentenamt geschaffen und mit dem aus dem Lande Hadeln berufenen Magister Petrus Rodtbart besetzt. Dieser erhielt den Auftrag, die Remmersche Kirchenordnung, die ja schon einmal überarbeitet worden war, zu korrigieren und durchzusehen50. Der Druck erfolgte in Wittenberg, was wohl als Indiz dafür gewertet werden kann, dass auch zwei Jahre nach Melanchthons Tod dessen Ansehen im Jeverland noch nicht gelitten hatte. Auf die Bekenntnisse der Pastoren und auf die Confessio jeverensis kommt die Rodtbartsche Kirchenordnung nicht zurück.
49
Drecoll, Der Passauer Vertrag. Kerkenordeninge, wo ydt mit christliker lere, rekinge der sacrament, ordination der dener des hilligen evangelii, ordendentliken ceremonien yn den kercken, visitation unde scholen van der eddelen unde wolgebarn Maria, gebaren dochter unde freuchen to Jheuer, Rustringen, Ostringen unde Wangerlande etc. underdanen schal geholden werden. Upt nye corrigert unde aversehen dorch M. Petrum Rodtbart. Gedrücket to Wittemberch dorch Laurentz Schwenck. 1562. – Abgedruckt in: Sehling, 1225–1245. 50
Die Herrschaft Jever um 1548 und ihre Kirchspiele 1. Geografie Da die Pastoren, die ihre Bekenntnisse aufgezeichnet haben, überwiegend in ländlichen Gemeinden angestellt waren, ist es angebracht, die dabei vorkommenden Ortsnamen durch eine Kartenskizze zu veranschaulichen. Diese illustriert außerdem die Randlage des Territoriums1. Die größte Ausdehnung der Herrschaft Jever betrug – von der zugehörigen Insel Wangerooge abgesehen – von Norden (Minsen) nach Süden (Sande) ca. 25 km, von West (Sandel) nach Ost (Heppens) ca. 20 km. Wegen der Fruchtbarkeit seiner Marschböden war das Territorium recht wohlhabend. Gemäß friesischer Tradition kam der Küstenhandel als weitere Quelle des Wohlstands hinzu. Der 1536 zur Stadt erhobene Marktflecken Jever lag auch selbst an einem bei Pakens ins Meer mündenden Sieltief, das mit Lastkähnen befahren werden konnte (heute: Hooksieler Tief). Die großen Sturmfluten des Mittelalters hatten das Jeverland fast zur Insel gemacht. Im Westen wurde die Mündung des kleinen Flusses Harle zu einem gewaltigen Trichter erweitert (Harlebucht). Im Osten hatte das Meer sich längs des Flüsschens Jade tief ins Landinnere hineingefressen, den Jadebusen ausgehöhlt und sich südlich des Jeverlands als sog. Schwarzes Brack nach Westen vorgearbeitet. Dabei wurde eine erhebliche Anzahl von Dörfern auf die Dauer vom Wasser verschlungen. Von dem Jeverschen Anteil am ehemaligen Land (Gau) Rüstringen blieben zunächst nur die Kirchspiele Sande, Neuende und Heppens übrig. Im Süden und Westen grenzt das Jeverland direkt an Ostfriesland. Wer zu Lande irgendwohin reisen wollte, musste diese Grenze überqueren. Im Osten hatte sich die aus den drei Kirchspielen Accum, Fedderwarden und Sengwarden bestehende Herrlichkeit Inn- und Kniphausen unter ostfriesische Lehensherrschaft begeben und behauptete sich so gegen die Vereinnahmung durch Jever. Da das Verhältnis zu Ostfriesland häufig gespannt war, wich der Personen- und Warenverkehr auf den Wasserweg aus. 1
Abbildung 3.
2. Größe der Kirchspiele
23
Im Laufe der Neuzeit wurde die Fläche des Jeverlands durch die Eindeichung der Harlebucht und des Schwarzen Bracks sowie durch die Landgewinnung entlang der Jade erweitert. Die größte Veränderung vollzog sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Gründung von Wilhelmshaven, in dem Neuende und Heppens aufgingen.
2. Größe der Kirchspiele Die Einwohnerzahl der Herrschaft Jever wird für das 16. Jahrhundert auf insgesamt ca. 11.000 geschätzt2. Genauere Zahlen fehlen sowohl für die Herrschaft im Ganzen als auch für die einzelnen Kirchspiele. Trotzdem lohnt es sich, über die Größe der einzelnen Kirchspiele nachzudenken, um eine ungefähre Vorstellung zu erhalten, in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen die Verfasser der Bekenntnisse lebten. Grundlage dafür ist die erste Volkszählung, die 1791 stattgefunden hat und exakte Zahlen liefert3. Obwohl zwischen 1548 und 1791 fast zweieinhalb Jahrhunderte liegen, in denen die Kirchspiele sich ungleichmäßig entwickelt haben könnten, erlauben es doch die Zahlen, wenigstens von der Größenordnung der Kirchspiele eine Vorstellung zu gewinnen. Die nachfolgende Schätzung beruht darauf, dass 1791 die Gesamtzahl der Bevölkerung sich auf 14.581 beläuft. Die für das 16. Jahrhundert geschätzte Gesamtzahl von 11.000 Einwohnern macht davon 75,5 % aus. Errechnet man diesen Prozentsatz auch für die Seelenzahl der Kirchspiele, dann ergibt sich daraus die ungefähre Größe der jeweiligen Kirchengemeinde, in der die Verfasser der Bekenntnisse leben, für die sie arbeiten und durch die sie ihren Lebensunterhalt finden. Die anschließende Ortsliste, die in Spalte 1 der Nummerierung der Bekenntnisse folgt, führt in Spalte 2 die entsprechenden 15 Kirchspiele auf, in denen die 21 Pastoren tätig waren. Spalte 3 gibt für die Kirchspiele das Ergebnis der Zählung von 1791 wieder und errechnet daraus in Spalte 4 die ungefähre Seelenzahl von 1548. Spalte 5 und 6 geben die Anzahl der geistlichen Stellen vor und nach der Reformation wieder4.
2
Rogowski, Verfassung 28. Hinrichs, Daten zur Bevölkerungsgeschichte. 4 Für die Zeit vor der Reformation: Goens, Einziehung 71–73; für die Zeit nach der Reformation liegt die Liste von Meene zugrunde. Die beiden Pfarrstellen in Hohenkirchen und Neuende, die Fräulein Maria zur Besoldung ihrer Kanzleibeamten Martin Michaelis und Remmer von Seediek vergeben hatte, sind in der Aufstellung nicht berücksichtigt. 3
24
Die Herrschaft Jever um 1548 und ihre Kirchspiele
Die Liste enthält auch die Zahlen für die Kirchspiele, aus denen kein Bekenntnis vorliegt. Wüppels, Minsen und Neuende waren Ende 1548 unbesetzt. Wangerooge, das möglicherweise besetzt war, konnte wohl nicht rechtzeitig reagieren. 1. Lfd. Nummer
01. 03. 04. 05. 06. 07. 08. 09. 10. 11. 12. 14. 16. 17. 18. 20. 21. 22.
2. Kirchspiel
und 02. Jever Wiefels Tettens Middoge Hohenkirchen Hohenstief Wiarden Oldorf Westrum Pakens und 13. Waddewarden und 15. Sillenstede Cleverns Sandel und 19. Schortens vppen Sande Heppens Wüppels Minsen (vakant) Neuende (vakant) Wangerooge
insgesamt
3. Seelenzahl 1791
4. Seelenzahl errechnet für das 16. Jh.
5. Zahl der Stellen vor der Reformation
6. Zahl der Stellen nach der Reformation
2.786 252 1.141 292 1.514 279 619 302 116 641 690 712 412 258 1.130 784 298 350 793 1.037
2.103 190 861 220 1.143 211 467 228 88 484 521 538 311 195 853 592 225 264 599 783
6 1 2 1 5 1 3 2 1 1 3 3 3 1 4 1 1 2 3 2
3 1 1 1 2 1 2 1 1 1 2 2 1 1 2 1 1 1 2 2
175
132
1
1
ca. 11.000
47
30
14.581
3. Die wirtschaftlichen Grundlagen der geistlichen Stellen Was den Lebensunterhalt angeht, kann man davon ausgehen, dass wie sonst in Deutschland die vom Pastor selbst geführte Landwirtschaft in der Regel die Lebensgrundlage bildete. Im Kirchspiel Jever kannte man auch nach der Reformation noch die vier Vikarswarfen5, d. h. die zum Schutz vor Hochwasser auf künstlich erhöhtem Gelände errichteten und land-
5
Goens, Kirche 24.
3. Die wirtschaftlichen Grundlagen der geistlichen Stellen
25
wirtschaftlich genutzten Hofgebäude, die von den ehemals in Jever tätigen Messpriestern bewohnt und bewirtschaftet worden waren. Der Pfarrhof6 oder die Vikarie entsprach dem ortsüblichen Bauernhaus und bot Raum für die Familie, das Gesinde, das Vieh und die Vorräte. Zum Ertrag aus der eigenen Landwirtschaft kamen für den Geistlichen noch die Einkünfte aus Stiftungen und Schenkungen aller Art, die oft den Memorien gedient hatten, aber auch nach der Reformation als Rechtstitel aufrecht erhalten wurden. Ferner bezogen die Pastoren noch Gebühren für Amtshandlungen (Stolgebühren) und Anteile des Zehnten. Man kann sich leicht vorstellen, dass das Einkommen der Geistlichen umso geringer ausfiel, je kleiner das Kirchspiel war. Dass 10. Cornelius Falconissa in Westrum als dem kleinsten Kirchspiel mit der Armut kämpfen musste, bestätigt sich aus seinen Briefen. Hinzu kommt, dass es sich bei Westrum gar nicht um eine alte, gut ausgestattete Pfarrstelle handelte, sondern um eine Kapelle, für deren Bedienung vor der Reformation ein gering besoldeter Vikar angestellt gewesen war. In ähnlichen, wirtschaftlich beschränkten Verhältnissen dürften auch 03. Michael Hamminck in Wiefels, 05. Ludolphus in Middoge, 07. Iko Mensen in Hohenstief (St. Joost) und 21. Meynerd Focken in Heppens gelebt haben, deren Kapellen unter den wenig geordneten Verhältnissen der Jahre nach 1527 allmählich in den Status von Pfarrkirchen hineinwuchsen. Auf der andern Seite der Einkommensskala standen die alten großen Kirchspiele, voran die Sendkirchen Jever und Hohenkirchen, aber auch Tettens, Waddewarden, Sillenstede Schortens und Minsen. Die reichliche Ausstattung mit Pfarrgütern fällt besonders bei Hohenkirchen ins Auge. Die dortige Pfarrstelle verwendete Fräulein Maria, nachdem Pfarrer Lambertus Stephanus 1545 gestorben war, für die Besoldung des 1546 aus Bremen in die Jeversche Kanzlei berufenen Juristen, den Licentiaten beider Rechte Martin Michaelis, während die geistliche Versorgung ganz auf den Schultern des ersten Vikars von Hohenkirchen, 06. Hermannuns Heronis, lag7.
6
Abbildung 4 zeigt den Pfarrhof in Schortens. Die Besoldung von Kanzleibeamten durch Verleihung von geistlichen Stellen war nichts Neues. Vor Martin Michaelis wurde schon Remmer von Seediek mit der Pfarrstelle von Neuende belehnt: OUB 636. 7
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Die Herrschaft Jever um 1548 und ihre Kirchspiele
4. Die Ausbildung der Pastoren Vor der Reformation lebte der niedere Weltklerus ebenso wie nach der Reformation der größte Teil der Prediger im ländlichen Bereich als Bauern unter Bauern. Der in Oldenburg als Prediger und Prinzenlehrer wirkende gelehrte Augustinereremit Johannes Schiphover (geboren 1463, gestorben nach 1521), dem die wirtschaftlichen Grundlagen der ländlichen Pfründen offenbar persönlich fremd waren, zeichnet für das 15. Jahrhundert für die kirchlichen Zustände auf dem Land ein drastisches Bild. Nach seiner Meinung ist der von der Bildung wenig berührte Pfarrklerus kaum imstande, das Requiem fehlerfrei zu singen. Trotzdem greife er in seiner Eselhaftigkeit (in sua asineitate) wie ein gehörnter Ochse die Gelehrten an (nämlich die Augustiner der Oldenburger Terminei). Wie aber können sie predigen, wenn sie auf die Wissenschaft keine Mühe verwenden? Oder welchen Nutzen schafft seinen Hörern ein ungebildeter Priester, der die Bibel nicht kennt? Doch in unseren Zeiten, in welchen so wie der Pöbel auch der Priester sich verhält, lehnen die elenden Priester das Bibelstudium ab, schöpfen statt aus der Bibel aus dem Becher und betrinken sich täglich. Die Bischöfe sollten ein Einsehen haben, die solche Idioten und Dummköpfe zu den Würden des Priesteramts erheben und die den Unerfahrenen die Sorge für die Herde Christi anvertrauen. Sie sitzen in den Hinterzimmern mit ihren Zechgenossen, frönen bei Spiel und Gelagen dem Müßiggang. Keine Gottesfurcht ist vor ihren Augen. Dem Namen nach sind sie Priester, dem Benehmen nach aber Esel. Von der tiefen Wahrheit der Bibel haben sie keine Ahnung, verachten das Lernen, können lateinisch weder sprechen noch schreiben und haben kaum gelernt, die Evangelien für das Volk auszulegen. Wer außer dem, der es selbst erfahren hat, könnte glauben, wie viel Irrtümer, Geschwätz und Ketzereien sie dem Volk bei der Predigt in der Kirche vortragen? Statt Bücher (pro libris) schaffen sie sich Kinder (liberos) an, statt des Studiums lieben sie ihre Konkubinen.8
8 Schiphower bei Meibom 2, 171: Quomodo autem praedicabunt, qui literis operam non dederunt? aut quam in praedicando indoctus sacerdos utilitatem auditoribus suis afferre poterit, qui scripturas nescit verum temporibus nostris in quibus est sicut populus, ita et sacerdos, studium scripturarum miserrimi sacerdotes abjiciunt, pro libris scripturam calices exhauriunt et cotidie se inebriant. Viderint episcopi, qui tales idiotas et inscios ad sacerdotii dignitatem promovent, qui imperitis curam ovium Christi commendant. Sedent in insidiis cum potatoribus in tabernis, ludis et commessationibus vacant, non est timor Dei ante oculos eorum. Nomine sacerdotes sunt, conversatione asini nihil penitus de scripturis intelligunt discere contemnunt et latina lingua loqui vel scribere nesciunt vix in vulgari exponere Evangelia didicerunt. Quantos errores, fabulas et haereses in ecclesiis praedicando populis enuncient quis nisi expertus credere posset? Pro libris liberos sibi comparant, pro studio concubinas amant.
4. Die Ausbildung der Pastoren
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Bei allen Übertreibungen dürfte Schiphower darin Recht haben, dass im Spätmittelalter der in herkömmlicher Weise ausgebildete niedere Kleriker nur einen schmalen Zugang zu den lateinischen Texten der Liturgie und der Bibel gehabt haben dürfte. Der übliche Weg zum geistlichen Amt, wie man ihgn sich auch für die zahlreichen Messpriesterstellen im Jeverland vorstellen darf, verlief so, dass ein begabter Knabe in der Lateinschule oder im Einzelunterricht so viel Latein lernte, dass er die Messliturgie und die Schriftlesungen verstehen konnte. Als Lehrling eines Pfarrers, in dessen Haus er wohnte, nahm er dann an dessen Leben und Wirken teil, indem er ihn als Famulus in Haus und Landwirtschaft sowie als Helfer (Ministrant) bei den liturgischen Vollzügen begleitete und unterstützte. Erwies er sich als anstellig und geschickt, konnte er mit ca. 25 Jahren zum Priester geweiht und auf eine freie Stelle z. B. als Messpriester oder Vikar berufen werden. Dass die Pfarrer und ihre Vikare vor der Reformation nicht im Zölibat lebten, dürfte die Regel gewesen sein. 06. Hermannus Heronis wurde um 1520 als Priesterkind im Pfarrhaus von Accum (Herrschaft Inn- und Kniphausen) geboren, ohne dass ihm daraus Nachteile erwuchsen. Auch bei 05. Ludolphus von Middoge weist alles darauf hin, dass sich schon vor der Reformation eine Art Pfarrersdynastie gebildet hatte. Für den Bettelmönch Schiphower sind die Frauen, die für die Geistlichen schon aus wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich waren, lediglich Konkubinen. Wahrscheinlich handelte es sich aber nicht um Konkubinate, sondern um notariell abgeschlossene Ehen, die dann nach der Einführung der Reformation auch kirchlich eingesegnet wurden9. Die einfache, herkömmliche Art der Ausbildung dürften unter den Verfassern der Bekenntnisse auf jeden Fall Vikar 13. Memmo (Waddewarden) und Vikar 15. Ubbo (Sillenstede) durchlaufen haben. Ihre theologische Kompetenz erstreckte sich zwar auf die grundsätzliche Entscheidung, dass sie sich der Reformation angeschlossen hatten. Die Begründung dafür konnten sie aber selbst entweder gar nicht oder nur mit Mühe formulieren. 03. Michael Hamminck (Wiefels) rettet sich in die unkommentierte Abschrift unanfechtbarer Zitate aus Schriften Luthers und Melanchthons. Bei der nun folgenden Übersicht über das Leben der Pastoren wird das Augenmerk darauf zu richten sein, welche Vorbildung bei jedem einzelnen wahrzunehmen ist, sei es, dass es dazu Nachrichten gibt, sei es, dass dies aus dem jeweiligen Bekenntnis im Vergleich zu den anderen mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit erschlossen werden kann. 9 Ein solcher Fall lag bei den Eltern von Hermann Hamelmann vor; vgl. Schäfer, Hermann Hamelmann (1526–1595), 28.
Einleitung in die einzelnen Texte: Übersicht über das Leben und die Bekenntnisse der Pastoren E 01. Gerhardus Wandscher (Jever) 1. Biografisches Gerhardus Ieuerensis Pastor: so gibt Hermannus Heronis die Namensform wieder, unter der Gerhardus Wandscher der Obrigkeit sein Bekenntnis einreichte. Das Fehlen des Familiennamens weist darauf hin, dass er selbst damit rechnet, wie andere Geistliche des Jeverlandes Herr Gerhard angeredet zu werden.1 Die früheste Erwähnung seines Namens findet sich in einer Beglaubigung aus dem Jahr 15272. Im Jahr 1538 unterzeichnete er mit her Gerth Wantscher ein von ihm selbst ausgefertigtes Notariatsinstrument, wobei er seine Stellung als Pastor in Wiefels angibt3. Da Wiefels um jene Zeit wahrscheinlich keine selbstständige Pfarre war, Gerhardus Wandscher aber 1537 mit Hinrich Kremer zusammen als Pastor in Jever erwähnt wird4, versorgte er wohl von einer Vikarie in Jever aus das nahebei gelegene Dorf Wiefels. Wandscher muss also schon längere Jahre neben dem Pfarrer Hinrich Kremer, der die Reformation 1527 in Jever eingeführt hatte5, tätig gewesen sein, ehe er nach dessen Tod 1540 selbst die Jeversche Pfarrstelle übernahm. Seine Stellung als Notar und seine Erfahrung in Rechtsgeschäften empfahlen ihn wohl auch dafür, vor und nach 1540 im Auftrag der Kanzlei politische Verhandlungen zu führen. Die Tatsache, dass er bei der Datierung seiner Notariatsinstrumente jeweils die Regierungsjahre des Papstes angab, ist kein Anzeichen altgläubiger Gesinnung, 1
In den etwa zwei Dutzend Urkunden, die seinen Namen enthalten (Nummern dieser Urkunden in:OUB Register s. v. „Jever, Stadt, Kirche, Pastoren“ S. 545), finden sich unterschiedliche Schreibweisen von Titel und Namen: her, Er – Gerhard bzw. Gerhardus oder Gerardus, Gert, Gerth, Geert, Gerdt – Wandscher, Wantscher, Wantscherer. 2 OUB 6, 162. 3 OUB 6, 901. 4 OUB 6, 860. 5 Zur Reformation in Jever s. Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 212–219.
E 01. Gerhardus Wandscher (Jever)
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sondern erklärt sich daraus, dass er den Titel eines päpstlichen Notars führte6, was wiederum einen Hinweis darauf enthält, dass Wandscher den Titel zu einer Zeit erworben hatte, als Jever von der Reformation noch unberührt war. Wandscher starb 15497. So viel wir über die Rechtsgeschäfte lesen, so wenig ist über den Pastor überliefert. Immerhin lässt sich aus einer Zeile eines Lobgedichts des Hofdichters Johannes Winkel auf den Jeverschen Hof erschließen, was seine Zeitgenossen an Gerhardus bemerkenswert fanden. In einer Apostrophe an ihn heißt es: Pastor et alti soni sermone Gerharde diserte …8 „Gerhard, du Hirt, mit erhobener Stimme, beredt in der Predigt!“
Winkel greift offenbar drei Umstände heraus, die für Herrn Gerhardus charakteristisch sind. Dieser geht als Hirte mit geistlicher Autorität seiner Herde voran. Auf der Kanzel redet er laut und vernehmlich. Zugleich sind seine Predigten rhetorisch überzeugend und verständlich. Aus einer Urkunde9 aus dem Jahr 1549 erfahren wir beiläufig seinen Wahlspruch: Dimidium plus toto, d. h. Die Hälfte [gilt mir] mehr als das Ganze. Diese Devise stammt aus dem Lehrgedicht Werke und Tage (40) des griechischen Dichters Hesiod. Vermutlich hat Gerhardus den Spruch nicht aus der griechischen Fassung des Gedichtes entnommen, da sein Bekenntnis keinen Hinweis darauf enthält, dass ihm das Griechische vertraut gewesen wäre. Doch auch dann, wenn er aus einer lateinischen Übersetzung oder einer Sprichwörtersammlung geschöpft hat, muss er den Kontext zur Kenntnis genommen haben, ohne den der Spruch weder ganz verständlich ist noch seinen ethischen Sinn verrät noch auch im Blick auf die Tätigkeit eines mit Erbschaftsangelegenheiten befassten Notars durchsichtig wird. Hesiod erzählt nämlich, dass er bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung den größeren Teil des Erbes seinem verschwenderischen Bruder überlassen musste, er aber mit der ihm verbliebenen Hälfte dank Fleiß und guter Verwaltung schließlich mehr besaß, als das Ganze früher ausgemacht hatte10. Gerhardus Wandscher kann sich gewandt und ohne Mühe lateinisch ausdrücken. Dies weist darauf hin, dass er eine Universität besucht hat. Er führt zwar keinen akademischen Titel, hat also das Studium an der artis6
OUB 6, 1138. – Lönnecker, Notare 84. 90. 92. 101 . Meene 96. 8 Petri 101 9 OUB 6, 1138. 10 Wie beliebt der Spruch war, geht auch aus Melanchthons ausführlicher Erklärung hervor, CR 18, 197 . 7
30
Einleitung in die einzelnen Texte
tischen Fakultät nicht mit dem Magistergrad abgeschlossen, aber doch wohl wenigstens das Trivium durchlaufen. Da im Rahmen der Grammatik unter dem Einfluss des Humanismus auch die Poesie der Antike behandelt wurde, könnte er dort neben anderen Dichtern Hesiod kennengelernt haben. Humanistischen Einfluss deuten auch einzelne Begriffe an wie conditor (statt creator) oder sacer (statt sanctus). In seinem Bekenntnis bejaht Gerhardus zwar grundsätzlich die Reformation, beruft sich aber nicht auf die Schriften der Reformatoren, sondern stützt sich auf die Bibel und auf die Kirchenväter. Bei den neutestamentlichen Zitaten benutzt er neben der Vulgata auch die lateinische Übersetzung des Erasmus. Auch dies weist darauf hin, dass er den Zugang zur Theologie humanistischen Lehrern verdankt. 2. Überblick über das Bekenntnis (1) Glaubensbekenntnis (2) Abendmahl (a) Einsetzung (b) Frucht (c) Gewissheit (d) Das Wort als Quelle des Lebens in der Schöpfung (e) Das Wort als Rettung des Sünders (f) Das Wort in Fleisch und Blut Jesu anwesend (g) Das ewige Leben im eigenen Fleisch (h) Die Durchdringung des menschlichen Fleisches mit der Fülle des Lebens bei der Inkarnation (i) Das Fleisch Christi und die Kirche als der Leib Christi (k) Die Austeilung des Leibes Christi im Symbol für die Gläubigen (l) Die Kirchenväter über die unsichtbare Sache in den sichtbaren Zeichen (m) Das Konzil von Nizäa über die Teilhabe am Göttlichen (3) Predigt des Wortes (a) Gottes Lehre durch seine Diener (b) Gottes Freiheit und die Wirkung des Wortes (Prädestination) (c) Augustinus über die innere Wirkung von Wort und Sakrament 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Gerhardus verfasst sein Bekenntnis in lateinischer Sprache, nimmt also keine Rücksicht darauf, dass es für Fräulein Maria lesbar sein müsste. Möglicherweise suchte er aber ihre politische Absicht zu unterstützen, indem er das nizänische Credo, das ja auch Bestandteil des Reichsrechts
E 01. Gerhardus Wandscher (Jever)
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und der Messliturgie war, für Fremde lesbar an den Anfang seines Bekenntnisses stellte. Diese Absicht wurde faktisch noch dadurch unterstützt, dass in der Abschrift dieses Zeugnis des ranghöchsten Pfarrers der Residenz die Bekenntnissammlung des ganzen Jeverlandes insgesamt eröffnete. Bei der Paraphrase des Nizänums (1), ergänzt durch Begriffe aus dem Chalcedonense, fügt Gerhardus jeweils Hinweise auf die zurückgewiesenen altkirchlichen und zeitgenössischen Häresien bei. Er nimmt sich dabei vermutlich das Augsburgische Bekenntnis (1530) zum Vorbild, das auch die eigene Rechtgläubigkeit durch die Verwerfung der klassischen Häresien unterstreicht. Dabei bedient er sich wahrscheinlich einer noch zu identifizierenden Quelle, da er selbst kaum über die kirchenhistorischen Kenntnisse verfügte, um die häresiologischen Kommentare zu den Bekenntnissätzen selbst zu verfassen. Von den vier Themen, zu denen die Kanzlei die Bekenntnisse der Pastoren eingefordert wurden, war damit das erste (Bekenntnis) abgehandelt, indem dabei zugleich das dritte Thema (Artikel des Glaubens) berücksichtigt wurde. Die in der zweiten Aufgabe eingeforderten Bezüge zum Interim lässt Gerhardus ganz beiseite, denn es hat den Anschein, dass er gar kein Exemplar davon zur Verfügung hatte. Beim zweiten Thema – den Sakramenten – beschränkt sich Gerhardus auf das Abendmahl (2), das er freilich sehr ausführlich behandelt, da es den Mittelpunkt seiner Theologie bildet. Bei der Deutung des Abendmahls folgt er den Spuren der Kirchenväter: Christus hat bei der Inkarnation das sterbliche Fleisch der Menschen angezogen und dieses durch seine Gottheit unsterblich gemacht. Wenn wir nun dieses Fleisch im Abendmahl essen, dann wird unser Leib ebenfalls unsterblich. Beim wunderbaren Tausch mit Christus werden wir vor der Verdammnis bewahrt und mit der Gerechtigkeit beschenkt. Davon hören wir zwar auch im Wort, doch ist dort wenig davon zu sehen. Beim Abendmahl aber verbirgt sich Christus nicht im Unsichtbaren, sondern bietet sich sichtbar zur Teilhabe dar. Ja, indem er unser Fleisch ernährt und durchdringt, sehen wir sogar im eigenen Fleisch das Leben. Statt der Taufe behandelt Gerhardus parallel zum Abendmahl die Predigt des Wortes (3) und geht damit über das von der Obrigkeit Geforderte hinaus. Das Wort, das äußerlich gehört wird, entfaltet seine Kraft erst dann, wenn Gott mit seiner innerlichen Wirksamkeit dazukommt. Dahinter steht Augustins Prädestinationslehre. Gerhardus scheut folgerichtig auch nicht vor der spiritualistischen Konsequenz zurück, dass der Geist den Menschen sogar ohne das äußere Mittel (Wort oder Sakrament) heiligen kann.
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Einleitung in die einzelnen Texte
Einzelne Gedanken erinnern an Luther, so etwa der wunderbare Tausch an den fröhlichen Wechsel im Freiheitstraktat11. Auch die physische Vermittlung des ewigen Lebens durch den unsterblichen Leib Christi im Abendmahl wurde samt der Berufung auf Irenäus durch Luther in der Schrift Dass diese Worte Christi (Das ist mein Leib etc) noch fest stehen wider die Schwarmgeister. 152712 durchaus vertreten, ohne dass dies freilich in der reformatorischen Abendmahlslehre zum Zentrum geworden wäre. Die Gewissheit der Rechtfertigung tritt bei Gerhardus gegenüber der Unsterblichkeit in den Hintergrund und wird nicht an das Kelchwort, sondern an den unsterblich gemachten eigenen Leib des Kommunikanten geknüpft. Die wahren Autoritäten seiner Theologie sind nicht Luther und Melanchthon, sondern die Kirchenväter. Anders als die melanchthonisch geprägten Kollegen wie Franckenberg oder Hermannus Heronis vertritt Gerhardus einen älteren Lehrtypus. Allerdings unterliegt es keinem Zweifel, dass er die Reformation bejaht. An keiner Stelle nähert er sich den Forderungen des Interim an. Gerechtigkeit und ewiges Leben bleiben auch bei ihm ein reines Geschenk, das nicht durch die Liebe bedingt ist. Und beim Abendmahl fehlt jede Spur, dass es als Messopfer verstanden werden könnte13. An der von Hinrich Kremer 1527 in Jever eingerichteten Deutschen Messe, die wir aus der Pakenser Messe von Petrus Kempis kennen, hat Gerhardus, der damals unter Kremer Dienst tat, offenbar faktisch nichts auszusetzen. Warum Gerhardus die vierte obrigkeitliche Aufgabe (Stellungnahme zu den herkömmlichen christlichen Zeremonien) auf sich beruhen ließ, ist nicht ganz durchsichtig. Vielleicht wollte er der kaiserlichen Forderung der Wiedereinführung des Messkanons nicht allzu offenkundig widersprechen. Möglicherweise hielt er es auch für überflüssig, den obrigkeitlichen Personen die ihnen bekannten Zeremonien der Pfarrkirche zu schildern. Auffällig ist höchstens dies, dass Wandscher eine symbolische Interpretation des Brotbrechens nicht von vorneherein ablehnt, sondern sie mit der Realpräsenz kombiniert, indem durch die Spendung des Symbols die Sache selbst gespendet und ausgeteilt wird. Ob hier – wie parallel dazu in der spiritualistischen Auffassung von der Wirkung des Wortes – ein Einfluss Zwinglis vorliegt, muss dahingestellt bleiben. 11
Luther WA 7, 55. Luther WA 23, 64–283, wo es z. B. in Anknüpfung an Irenäus heißt: …das unser Leib solle auch ewiglich leben von derselben ewigen Speise des Leibs Christi, den er leiblich isset (253). 13 Die ehemals in der Jeverschen Pfarrkirche angebotenen Ablässe werden nicht mehr erwähnt. Allerdings dürften sie an Umfang und Bedeutung erheblich bescheidener gewesen sein als bei den vergleichbaren Niederkirchen des Bistums Hildesheim; vgl. Thalmann, Ablassüberlieferung 186–204. 12
E 02. Jacobus Franckenberg (Jever)
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E 02. Jacobus Franckenberg (Jever) 1. Biografisches Franckenberg kennzeichnet seine Stellung in Jever im Laufe seines Bekenntnisses mit drei Begriffen: Prediger, Vikar und Kaplan. Mit der Amtsbezeichnung Prediger, die durch die Reformation den Begriff des Priesters ablöst, betont er, dass er den Schwerpunkt seines geistlichen Berufs nicht mehr allein am Altar sieht, wo früher das Messopfer dargebracht wurde, sondern vor allem auf der Kanzel bei der Vermittlung des Evangeliums. Vikar bezieht sich auf den Titel, dem Franckenberg seinen Lebensunterhalt verdankt, nämlich eine der alten Vikarspfründen an der Pfarrkirche St. Cyriakus. Kaplan schließlich bedeutet, dass Frankenberg nicht nur als Prediger unter Pfarrer Gerhard Wandscher an der Pfarrkirche tätig war, sondern zugleich für den Gottesdienst in der Schlosskapelle zu sorgen hatte14. Wann und wo Jacobus Franckenberg geboren wurde und wo er seine Ausbildung empfing, ist unbekannt. Seiner Namensform nach scheint er nicht aus dem Jeverland zu stammen. Die Gewandtheit, mit der er sich durch die Themen des Interim bewegt, die Sicherheit in Interpretation und Widerlegung und die Darstellung der eigenen, durch Melanchthon geformten Position lässt auf den ersten Blick ein Universitätsstudium vermuten, was sich aber bei genauerem Zusehen nicht bestätigt. Jacobus Franckenberg spricht wohl von Hause aus niederdeutsch, wobei allerdings bemerkenswert ist, dass er die Formen von Dativ und Akkusativ wie im Hochdeutschen unterscheidet. Martens15 nennt ihn der Fräulein Mariä Kaplan von 1540 bis 1558 und weiß von ihm zu berichten: Hat sein weitläufiges Glaubensbekänntniß wider das Interim in deutscher Sprache übergeben, und ist ein sehr arbeitsamer und aufrichtiger Mann gewesen. Wichtige Einzelheiten für Franckenbergs Biographie erfahren wir auch aus Hamelmanns jeverländischer Reformationsgeschichte. Nach dem Tode von Pfarrer Gerhardus Wandscher 1549 rückte nicht etwa Franckenberg nach, sondern Georg Risenbeck aus Bevergern (bei Rheine) wurde auf die Pfarrstelle Jever berufen. Von ihm sagt Martens16: Hat zwar rein gelehret, aber die Sacramenta nach der Einsetzung nicht administriren wollen, wobei Hamelmann17 noch den Grund kennt: Risenbeck fürchtete, die 14
Anfänglich zumindest wohnte er auch im Schloss und wurde dort verköstigt, vgl. Sello, Östringen 250. Wo sich um das Jahr 1548 im Jeverschen Schloß die Kapelle befand, ist angesichts der vielen späteren Umbauten nicht mehr erkennbar. 15 Martens 38. 16 Martens 32. 17 Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 177.
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Pfründe zu verlieren, die er in seiner altgläubigen Heimat innehatte. Da die Bürger der Stadt Jever sich über diese eigenmächtige Einschränkung seiner Amtsführung beklagten, wurde Risenbeck abgesetzt. Für Franckenberg bedeutete dies jedoch eine Vermehrung der Amtspflichten, denn Hamelmann schließt seinen Bericht mit dem Satz: So hat Franckenberg nach jenem – und [vorher] mit ihm [nämlich von 1549 an] – viele Jahre lang die Last der Kirche bis zum Jahre des Herrn 1558 allein getragen – ein gläubiger und tüchtiger Mann. Remmer von Seediek, der bis zu seinem Tode 1557 faktisch die Aufgaben des Superintendenten der Herrschaft Jever versah, hätte Jacobus Franckenberg nach Gerhardus Wandschers Tod oder nach Risenbecks Weggang auf die Pfarrstelle berufen können, was er jedoch nicht wollte oder konnte. Unter Remmers Nachfolger Sidonius Popken wiederholte sich der Vorgang, indem Franckenberg noch einmal übergangen wurde. Denn 1558 wurde Magister Petrus Rodtbart aus Hadeln auf die Pfarrstelle in Jever berufen und zusätzlich mit dem Amt des Inspektors oder Superintendenten betraut. Es überrascht deswegen nicht, dass Jacobus Franckenberg 1558 einer auswärtigen Berufung folgte, indem er schließlich zum Superattendenten der gesamten Herrschaft [Kniphausen] und Pastor in der Gemeinde Accum berufen wurde18. Die kleine, nur aus drei Dörfern bestehende Herrschaft Inn- und Kniphausen lebte in beständigem Zwist mit der angrenzenden Herrschaft Jever. Frankenbergs Übergang zum politischen Gegner weist darauf hin, dass sein Stellenwechsel nicht konfliktfrei verlief19. Die für uns noch fassbaren Kränkungen, die Franckenberg einstecken musste, liegen zwar zeitlich nach 1548. Indessen zeigen einige Formulierungen des Bekenntnisses, dass sein Verfasser auch schon vorher recht empfindlich reagierte und an der Seite seines weltläufigen Vorgesetzten Gerhardus Wandscher und unter den Hörern seiner Predigten in St. Cyriakus und in der Schlosskapelle bereits erniedrigende Erfahrungen gesammelt hat. Was für sich allein als rhetorische Bescheidenheitsformel gelten könnte, offenbart dann doch zugleich auch eine persönliche Resignation20. Gleich im Widmungsbrief gibt Franckenberg sich als der Unverstän18
Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 180. Vielleicht bezieht sich das schwer verständliche Distichon des Jeverschen Hofdichters Johannes Winkel (Petri, Fräulein Maria 106) auf den Abschied des ehemals ins Jeverland eingewanderten Einzelgängers: Elegiacum ad Jacobum Frankenberg. Tinctus fonte sacro verpus, domitus lupus, erro / Mounachos, ingenium perdere raro solent. (Elegisches Gedicht an Jakob Franckenberg: Ein getaufter Jude, ein gezähmter Wolf, und ein pilgernder Mönch pflegen selten ihre angeborene Natur zu verlieren), d. h. wer einwandert, der wandert auch wieder aus. 20 Hamelmann erfuhr bei seinen Erkundigungen noch in der zweiten Hälfte der 19
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digste, will aber trotzdem sein Bekenntnis nach seinem geringen Verständnis aufschreiben, doch solle niemand daran gebunden sein, da es auch den meisten, die ja scharfsinniger sind als er, nicht gefallen werde. Die daran sich anschließende Besprechung und Widerlegung des Interim ist dann zwar ganz sachlich gehalten, legt selbstbewusst die reformatorische Lehre dar und zieht ohne Scheu die Konsequenzen für das kirchliche Leben. Am Schluss (14) jedoch kehrt die resignative Stimmung unverhüllt zurück. Die für die Stoßrichtung des Interim wichtigen Themen wie Ölung, Genugtuung oder Zeremonien will er wieder Verständigeren, als er es sei, überlassen. Es ist auch nicht viel daran gelegen – nämlich an dem, was er dazu schreiben könnte. Denn ich weiß doch sehr wohl, dass es viele sein werden, die dieses mein einfaches Bekenntnis nicht besonders beachten werden. Das schadet auch nichts, denn es soll und muss so sein: Was arme Gesellen machen und aufstellen, das wird immer verachtet21. Denn es steht ihnen auch nicht wohl an, die Kleider sind ihnen zu dünn wie den armen Fischern, den Aposteln. Aber wiewohl das verächtlich ist vor der Welt, so wird es dennoch Christus zu seiner Zeit gefallen. Es ist also geradezu ein Beweis für die Richtigkeit seiner Verkündigung des Evangeliums, dass man ihn als seinen Träger verachtet. Seine Zuversicht auf die Rehabilitierung durch Christus ist umso lebendiger, als er sich bewusst ist, in den letzten Zeiten (11 f, 13 a), d. h. in Erwartung des in Kürze eintretenden Jüngsten Gerichts zu leben. Wenn Pastor Gerhardus Wandscher mit Verhandlungen, mit diplomatischen Missionen im Auftrag der herrschaftlichen Kanzlei oder mit der Erledigung seiner Notariatsgeschäfte befasst war, konnte er seine gottesdienstlichen und seelsorgerlichen Verpflichtungen ohne weiteres auf seinen Untergebenen abwälzen. So scheint es in Jever geradezu selbstverständlich geworden zu sein, möglichst viel Arbeit auf Franckenbergs Schultern zu legen und ihn auszunützen, ohne dass deswegen sein Ansehen gestiegen wäre. Als dies sich dann unter Wandschers Nachfolger fortsetzte und auch die darauf folgende Vakanz Franckenberg keine Chance bot, auf die Pfarrstelle berufen zu werden, zog er wohl die Konsequenz und verließ Jever. Welches war der Grund für die Zurücksetzung? Mangelnder Fleiß in der praktischen Amtsführung kann es nicht gewesen sein. Machten ihm Bildungslücken zu schaffen? Sein Bekenntnis wird, was den Umfang angeht, nur durch das von Hermannus Heronis übertroffen, mit dem es auch inhaltlich am ehesten verglichen werden kann. Punkt für Punkt wird siebziger Jahre, dass Jacobus Franckenberg gegen Ende seiner Jeverschen Amtszeit müde geworden war; Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 181. 21 Möglicherweise war Jacobus Franckenberg auch darüber enttäuscht, dass man ihm keines der eingetroffenen Exemplare des Interim anvertraut hatte.
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die in der Rechtfertigungslehre zentrierte reformatorische Position dargelegt, biblisch begründet, praktisch angewandt und gegen die altgläubigen Angriffe verteidigt. An Hinweisen auf theologische Literatur wird Jacobus Franckenberg von keinem seiner Amtsbrüder übertroffen. Indessen sind es gerade die von ihm benutzten Bücher, die den Grund seiner Zurücksetzung enthüllen: Es finden sich darunter kaum solche in lateinischer Sprache. Zwar waren ihm offenbar die lateinischen Loci theologici Melanchthons in der zwischen 1535 bis 1541 erschienen Fassung zugänglich. Als eigentliches Arbeitsbuch diente ihm jedoch die 1538 (oder später) herausgekommene deutsche Übersetzung dieser Loci aus der Feder von Justus Jonas. Daraus ist zu schließen, dass Jacobus Franckenberg weder einen Zugang zu den Kenntnissen und Fertigkeiten noch die Teilhabe an dem Selbstbewusstsein noch die Hochschätzung der Zeitgenossen besessen hat, die durch das Studium an einer Universität und durch die Beherrschung des Lateinischen eröffnet wurden22. Er brachte es in Hamelmanns Beurteilung nur bis zum vir fidelis et probus, also zu eine gläubigen und tüchtigen Mann. Ein solcher konnte wohl einzelne Stellen aus Melanchthons lateinischen Loci zitieren und das eine oder andere Vulgata-Zitat einstreuen. Der universitär vorgebildete Pastor dagegen vermochte, sich lateinisch auszudrücken, und bewegte sich in dieser Sprache gewandt und sicher23. Ihm wurde dann von Hamelmann das Prädikat doctus24 (gelehrt) oder gar eruditus25 (gebildet) zuerkannt. Zwar besaß 18. Jacobus Drentwede in Schortens auch nur die Vorbildung des niederen Klerikers, hatte aber in den Jahren vor 1548 keine Schwierigkeiten, diese Pfarrstelle in einem der größten Kirchspiele des Jeverlandes einzunehmen. Nach 1548 war dies anders. Der in gleicher Weise vorgebildete Jacobus Franckenberg war zwar strebsamer, belesener und gebildeter als der Pfarrer von Schortens, doch gab es für ihn auf die Dauer im Jeverland, das im Blick auf die Pfarrerausbildung das höhere Gymnasium und die Universität anstrebte26, keinen Platz.
22 In meinem vorläufigen Überblick – Schäfer, Das Interim 43 – hatte ich bei Franckenberg noch einen Universitätsbesuch vermutet. Die eingehendere Analyse des Bekenntnisses hat dies nicht bestätigt. 23 Es wäre ihm nicht unterlaufen, carnadilen statt Cardinelen zu schreiben (5 b). 24 Hinricus Kremer (Jever), Hajo Ulrichs (Neuende), Gherardus Jeger (Tettens), Lambertus Stephanus (Hohenkirchen), Antonius Morenanus (Wüppels), M. Petrus Rodtbart; Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 150. 154. 158. – Jacobus Franckenberg erhebt auch selbst nicht den Anspruch, zu den hoegelarden zu gehören, s. (6 d). 25 Remmer von Seediek, Hermannus Heronis (Hohenkirchen); Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 148. 154. 26 Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 233.
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Dass Franckenberg verheiratet war, wird durch das Fazit seiner Ausführungen über die Ehe nahegelegt (13 d): Darum sollen sich die Diener des göttlichen Wortes im Ehestand finden lassen, da es Gottes Ordnung ist und durch den Apostel Paulus beschrieben und bezeugt wird. 2. Überblick über das Bekenntnis (1) (2) (3) (4)
Überschrift Widmungsbrief Schöpfung, Fall, Erbsünde, Erlösung (Interim 1–3) Kirche (Interim 9.) (a) Die eine Versammlung aus Guten und Bösen (b) Die zwei Kirchen (c) Die wahre, allgemeine, unsichtbare Kirche und ihre Kennzeichen (d) Das Haupt der Kirche ist Christus, nicht der Papst. (5) Bischöfe (Interim 13) (a) Die Aufgabe der Bischöfe (b) Der Amtsmissbrauch der gegenwärtigen Päpste und Bischöfe (6) Sakramente (Interim 14) (a) Zeichen und Wort (b) Vier Auffassungen: Scholastik, Zwingli, Wiedertäufer, rechte Lehre (c) Grund der Einsetzung der Sakramente: die menschliche Schwachheit (d) Anzahl der Sakramente (7) Taufe (Interim 15) (a) Taufe als Zeichen der Annahme durch Gott (b) Die Einmaligkeit von Beschneidung und Taufe (c) Gegen die Wiedertäufer (8) Abendmahl (Interim 18) (a) Das Abendmahl als Vergebung der Sünden (b) Christi wahrer Leib und wahres Blut als Pfand (9) Absolution (Interim 17) (a) Absolution als Stimme des Evangeliums (b) Absolution im Vaterunser (c) Zeichen der erlangten Absolution (d) Schriftzeugnisse zur Absolution (10) Buße (Interim 17) (a) Zwei Teile: Buße und Glaube (b) Erster Teil: Reue (c) Zweiter Teil: Glaube
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(11) Beichte (Interim 17) (a) Beichte und Genugtuung in der Alten Kirche (b) Keine Aufzählung einzelner Sünden (c) Beichtpflicht vor der Kommunion (d) Zuspruch der Vergebung an jeden einzelnen (e) Das Wort „Beichte“ in der Bibel (f) Reue auch für Mächtige nötig (12) Messe (Interim 22) (a) Die rechte öffentliche Messe der Gemeinde (b) Entstehung der verkehrten Winkelmessen (c) Austeilung der Sündenvergebung im Abendmahl (13) Ehe (Interim 21.26) (a) Zölibat und Unzucht (b) Der Ehestand von Gott gestiftet und geschützt (c) Die Obrigkeit zum Schutz der Ehe verpflichtet (14) Weitere Artikel (Interim 16. 19. 17. 20. 26) (15) Schluss
3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Franckenberg schrieb sein Bekenntnis nicht in Latein, das er nicht genügend beherrschte, sondern in niederdeutscher Sprache – wohl auch deshalb, damit Fräulein Maria es lesen konnte. Das Fehlen wörtlicher Zitate aus dem Interim weist darauf hin, dass ihm bei Entwurf und Niederschrift anscheinend kein Exemplar langfristig zur Verfügung stand, sondern nur ein Verzeichnis der Kapitelüberschriften, wie es sich auch im Bekenntnis von 08. Abel Sybrandi (Wiarden) erhalten hat. Die Überschrift (1) referiert die Aufgabe: ein schriftliches Bekenntnis, das sich erstens auf alle Artikel des Interim bezieht, zweitens auf die Artikel des Glaubens, drittens auf die Sakramente und viertens auf die Zeremonien. Ziel soll die Einheitlichkeit der Lehre und der Liturgie im Jeverland sein. Der Abschnitt endet mit dem Datum 10. Dezember 1548, also eine Woche nach der zweiten Versammlung der Pastoren, bei der das Bekenntnis hätte abgegeben werden sollen. Jacobus Franckenberg war also im Verzug. Dieser Abschnitt (1), der gerade ein Blatt des Manuskripts einnimmt, ist als letztes Stück des Bekenntnisses entstanden und dem Widmungsbrief (2) vorangestellt worden. Der Widmungsbrief an Fräulein Maria (2) beginnt mit der Aufgabe, dankt Fräulein Maria für ihre Sorge für die Kirche, erinnert an eine frühere Eingabe der Prediger betreffend Maßnahmen zur Vereinheitlichung von Lehre, Sakramentsverwaltung und Zeremonien in allen Kirchen des
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Jeverlandes27. Trotzdem will Jacobus Franckenberg sich auch für seine Person äußern. In Anlehnung an das Bedenken aufs Interim der Wittenberger Theologen vom 16. Juni 154828 hat Franckenberg (3) an den Kapiteln 1–3 des Interim nichts auszusetzen, faktisch durch Stillschweigen auch nichts an den Kapiteln 4–8. Letzteres lässt vermuten, dass Franckenberg das Bedenken während des Schreibens nicht in Händen hatte, weil er sonst dessen Kritik an den Kapiteln 4, 6 und 7 nicht übergangen hätte. Zu den Themen Kirche und Kennzeichen der Kirche (4) äußert sich Franckenberg in enger Anlehnung an Melanchthons Loci, und zwar sowohl bei der Auslegung des Dritten Glaubensartikels mit der Definition der Kirche aus Guten und Bösen als auch und bei der Unterscheidung einer guten und einer bösen Kirche. Die wahre allgemeine Kirche ist unsichtbar, hat aber als Kennzeichen die reine Lehre des Evangeliums und den rechten Gebrauch der Sakramente. Das Haupt der Kirche ist Christus, nicht der Papst, da Christus keinen Stellvertreter braucht. Deshalb ist die wahre Aufgabe der Bischöfe, Gesetz und Evangelium zu predigen, während der Papst und die Seinen ihr Amt missbrauchen und sich weltliche Ämter anmaßen. In der allgemeinen Sakramentslehre (6) lehnt sich Franckenberg an Melanchthon an. Grund für die Einsetzung von Sakramenten ist die menschliche Schwachheit. Auch wenn Hochgelehrte sieben oder acht Sakramente erwägen und obwohl auch sonst noch viele menschlichen Werke mit Verheißungen verbunden sind, werden im Evangelium doch nur drei Sakramente eingesetzt: Taufe, Abendmahl und Absolution. Die Taufe (7) als erstes Sakrament ist Zeichen der Annahme durch Gott, das wie die Beschneidung nicht wiederholt, aber wie diese nach Gottes Befehl auch Kindern gespendet wird29 (gegen die Wiedertäufer). Das Abendmahl (8) setzt voraus, dass Christus für uns am Kreuz starb und uns vom Zorn Gottes erlöst hat. Im Mahl selbst gibt Christus seinen Leib und sein Blut zur Vergebung der Sünden, wobei Leib und Blut das Pfand dieses seines Testamentes sind.
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Diese und vielleicht weitere gleichartige Eingaben führten wohl dazu, dass Remmer von Seediek von Fräulein Maria den Auftrag erhielt, eine Kirchenordnung zu verfassen (Hamelmann 10 HS und Dr). Franckenberg war offenbar enttäuscht, dass er nicht daran beteiligt wurde. 28 Dingel, Reaktionen 60 . 29 Während Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 471 nur von der immersio (Untertauchung) spricht (Melanchthon, Loci verdeudscht 173 r: jnn das wasser getaucht), setzt Franckenberg die Besprengung (aspersio) hinzu, was darauf hinweist, dass in Jever die letztere geübt worden ist.
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Die Absolution (9) als drittes Sakrament und Kernstück der Buße spendet Vergebung, ist ins Vaterunser gelegt und so für jeden unmittelbar zugänglich, zeigt sich in der Vergebungsbereitschaft und wird durch Bibelworte überreich bezeugt. Die Buße (10) als Ort der Absolution setzt sich aus Reue und Glaube zusammen. Die Beichte (11) wird in der vorreformatorischen, mit der Genugtuung verbundenen Praxis aus der altkirchlichen Bußübung erklärt. Die bisher übliche Aufzählung aller einzelnen Sünden lehnt Franckenberg ab. Die Beichte ist aber nötig vor der Zulassung zum Abendmahl, als Zuspruch der Vergebung an den einzelnen und um ihrer biblischen Begründung willen. Die seelsorgerliche Pflicht besteht darin, die Bußfertigkeit des Kommunikanten zu prüfen, damit der Sakramentsempfang nicht zum Gericht, sondern zum ewigen Leben führt. Franckenberg war zwar kein Hofprediger in dem Sinne, wie dieses Amt sich später an größeren Höfen ausbilden sollte. Trotzdem scheint er schon mit den typischen Problemen dieses Amtes zu tun gehabt zu haben, wenn er bei den Mächtigsten dieser Welt, die ebenso ohne Gottesfurcht sind wie die unvernünftigen Tiere mangelnde Bußfertigkeit beklagt und verlangt, dass sie die Ermahnungen eines armen einfachen Menschen beachten (11 f). Im Rückgriff auf den Abschnitt über das Abendmahl (8) wird der Gegensatz zur Messe (Interim 22) geklärt (12). Indessen sollte man die Messe nicht gänzlich abschaffen, sondern wie in der alten Kirche sonntags mit Gemeindekommunion halten, auf diese Weise die Gotteslästerung der Privatmesse beseitigen und mit dem Abendmahl die Sündenvergebung austeilen. Das Thema Ehe geht auf Interim 21 ein (13), wo sie unter die Sakramente eingereiht wird, und auf Interim 26, wo sich das Zugeständnis der Priesterehe findet, welche bis zu einer generellen Konzilsentscheidung geduldet werden soll. Der Missstand besteht darin, dass der Zölibat zur Unzucht führt. Die Ehe ist von Gott selbst gestiftet und steht unter dem Schutz der Obrigkeit. Da wahre Keuschheit gerade in der Ehe zu finden ist, sollen die Prediger verheiratet sein. Eigentlich müssten noch weitere Kapitel des Interim behandelt werden (Konfirmation, Ölung, Genugtuung, Priesterweihe, Zeremonien), doch bleibt dies Verständigeren überlassen. Die um eine Woche verspätete Abgabe zeigt freilich, dass für diese weiteren Themen keine Zeit mehr blieb. Im abschließenden Brief an Fräulein Maria stellt Franckenberg resigniert fest, dass es unwichtig ist, was arme Gesellen wie er vorbringen. Was die Literatur zum Interim angeht, die Franckenberg zur Verfügung steht, so ist es verwunderlich, dass er offensichtlich über kein gedrucktes Exemplar des Interim verfügt. Obwohl er als Schlosskaplan sich in nächster räumlicher Nähe zur Kanzlei befindet, scheint er wenig Verbindung zu
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Lic. Martin Michaelis und zu Remmer von Seediek gehabt zu haben. Um die erste Aufgabe zu lösen (das Bekenntnis, das sich auf alle Artikel des genannten Interims bezieht) muss er sich mit einer Liste der Kapitelüberschriften des Interim begnügen. Im übrigen äußert sich Franckenberg zu den vom Interim vorgegebenen Themen, indem er aus den Büchern schöpft, die ihn als Autodidakten begleiten: aus dem Augsburgischen Bekenntnis, aus Melanchthons Apologie, aus dessen Loci theologici von 1535, die Justus Jonas übersetzt und 1538 hat drucken lassen, und aus der Catechesis puerilis. Im Unterschied zu Gerhard Wandscher läßt Franckenberg die Kirchenväter fast ganz beiseite. Die biblischen Zitate entnimmt er der von Bugenhagen herausgegebenen niederdeutschen Bibelübersetzung, deren ausgiebige Benutzung darauf schließen lässt, dass er selbst ein Exemplar davon besitzt.
E 03. Michael Hamminck (Wiefels) 1. Biografisches Martens lässt Hamminck bei der Aufzählung der Pastoren von Wiefels30 als den zweiten auf Gerhardus Wandscher folgen: Michael Hanmick [!] 1542 hat 1548 über das Interim geurtheilet und zwar in lateinischer Sprache.31 Mit der Jahreszahl 1542 denkt Martens vielleicht an den Amtsantritt Hammincks in Wiefels. Unzutreffend ist aber, dass Hamminck ein Urteil über das Interim gefällt habe, da er in seinem Bekenntnis darüber kein Wort verliert. Schauenburg deutet dieses Schweigen als Sympathie, stellt Hamminck neben 21. Meynerdus Focken (Heppens) und meint aus ihren Bekenntnissen zu erkennen, dass sie mit dem Interim liebäugelten.32 Riemann, der Schauenburgs Sicht übernimmt33, geht noch weiter. Den Vorwurf mangelnden Glaubensmutes verstärkt er durch die Behauptung, Hamminck habe sich entschieden, dass man, den Zeitumständen nachgebend, das Interim annehmen könne.34 Eine Quelle gibt Riemann nicht an. Im Bekenntnis Hammincks findet sich nichts dergleichen. Wie Hamminck in Wirklichkeit dachte, ist daraus zu entnehmen, dass er sein Bekenntnis zu Christus und seine Stellungnahme zur allgemeinen Sakramentslehre sowie zu Abendmahl und Taufe wörtlich von Luther 30 31 32 33 34
Bau- und Kunstdenkmäler 298–301. Martens 43. Schauenburg, Beiträge 30. Riemann, Das Interim 233. Riemann, Geschichte 2, 80. – Ähnlich Petri 79.
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und Melanchthon abschrieb. Auf seine konkrete Amtsführung oder auf die Verhältnisse in Wiefels lassen sich also aus seinem Bekenntnis keine Rückschlüsse ziehen. Nur mit einem Thema ging er über die obrigkeitlichen Aufgabe hinaus: in seinen Ausführungen über die Kindertaufe. Da er aber auch diese aus Melanchthons Loci schöpfte, sind sie höchstens ein Anzeichen dafür, dass ihm die Widerlegung der Täuferpolemik wichtig war, ohne dass wir erfahren, ob und unter welchen Umständen er mit Täufern zu tun hatte.35 Wenn ein Rückschluss aus dem Bekenntnis auf Hammincks Person gezogen werden soll, kann es eigentlich nur um die Frage seiner Vorbildung gehen. Die obrigkeitliche Aufgabe, sein Bekenntnis aufzuschreiben, das sich auf die Artikel des Interim und auf die Artikel des Glaubensbekenntisses bezieht und sich auf die Sakramente und die Zeremonien erstreckt, war für Hamminck sichtlich eine Überforderung. Das Interim lässt er ganz beiseite und über die Gefährlichkeit der Zeremonien (Interim 26) schweigt er ebenfalls. Dies lässt darauf schließen, dass er nicht über die Sicherheit und Gewandtheit verfügte, die das Studium der Rhetorik innerhalb des Triviums zu vermitteln pflegte: ein Thema zu erfassen, dazu einen Text zu entwerfen (inventio), Beweise beizubringen und Gegenbeweise zu widerlegen. Er greift auch nicht zu dem nahe liegenden Notbehelf, Bibelzitate aneinanderzureihen, um damit seine Auffassung zu erläutern und zu befestigen. Offenbar fühlt er sich so wenig sicher, dass er gleich bei den höchsten Autoritäten der reformatorischen Theologie nach Texten sucht, um sie zu kopieren. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehört Hamminck zu den jeverländischen Geistlichen, die noch ohne Studium an der artistischen Fakultät einer Universität und auch ohne die Ausbildung im Trivium an einem Gymnasium ins Amt gekommen sind. Vermutlich hat er eine Lateinschule besucht, um anschließend bei einem älteren Geistlichen in die Lehre zu gehen. Er versteht die lateinischen Texte, die er benutzt, denn er verkürzt sie ohne grammatische Fehler. Auch seine Handschrift und die dabei verwandten Kürzel zeigen, dass er Übung besitzt. Auf die Zugehörigkeit Hammincks zur älteren Generation weisen auch zwei inhaltliche Einzelheiten seines Bekenntnisses hin. Dass Hamminck seinen Glauben an Christus mit einem Zitat aus Luthers Freiheitstraktat von 1520 zu Papier bringt, ist 1548 nicht selbstverständlich. In einem theologischen Umfeld, das durch Melanchthons Loci von 1535 bestimmt ist und in welchem auch Hamminck selbst sich bewegt, nimmt sich Lu35 Die von Schauenburg, Die Täuferbewegung 23 Anm. 43, zitierten Sätze Hammincks beruhen nicht auf einer in Wiefels gesammelten Erfahrung, sonder stammen aus Melanchthons Loci 1535, CR 21, 472.
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thers Lehre vom fröhlichen Wechsel ähnlich wie bei Gerhardus Wandscher fremd und altmodisch aus. Ein noch älteres Inventarstück begegnet gleich am Anfang von Hammincks Bekenntnis, wo er Maria als perpetua virgo bezeichnet und damit eine Formel benutzt, die in der vorreformatorischen Marienfrömmigkeit zu Hause ist und sich auch bei anderen älteren jeverländischen Geistlichen mit einfacher Vorbildung findet. Wie man es im Jeverland grundsätzlich mit der Beschäftigung älterer Geistlicher gehalten hat, ist uns unbekannt. Es gibt aber Hinweise dafür, dass sie in ihren Stellen verbleiben konnten, wenn sie zur reformatorischen Predigt bereit waren. Vielleicht war Hamminck wie Wandscher zur Zeit von Pfarrer Kremer einer der Jeverschen Vikare, der dann nach dem Tode Kremers und der Berufung Wandschers auf die Pfarrstelle die Versorgung von Wiefels übernahm. Dem entspricht auch, dass Hamminck sich nicht als Pfarrer oder Pastor (Inhaber der Pfarrpfründe) bezeichnet, freilich auch nicht als Vikar, sondern mit einem nicht festgelegten, etwas schwebenden Begriff als Diener des göttlichen Wortes in Wiefels. 2. Überblick über das Bekenntnis (1) Glaubensbekenntnis (a) Der eine Gott in drei Personen (b) Christus, das Wort Gottes (2) Glaube und Gerechtigkeit (3) Priester und Opfer (4) Abendmahl (5) Taufe (6) Kindertaufe 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Hamminck hat offenbar weder ein Exemplar des Interim noch eine Liste von dessen Kapitelüberschriften zur Verfügung. Von den vier Aufgaben und vom Interim, das den Pastoren bei der ersten Versammlung am 13. November 1548 summarisch vorgestellt wurde, nahm er wohl nur eine ungefähre Erinnerung mit nach Hause. Deshalb lässt er auch die erste, von Magister Michaelis gestellte Aufgabe beiseite: ein Bekenntnis zu verfassen, das sich auf alle Artikel des Interim bezieht. Er greift gleich zur zweiten Aufgabe: die Artikel des Glaubens. Er skizziert die Trinitätslehre (1 a) und fügt einen christologischen Abschnitt (1 b) an, den er aus Luthers Freiheitstraktat von 1520 abschreibt. Um die Lehre vom heiligen Geist nicht zu übergehen, zitiert er die Beschreibung des Glaubens aus Luthers Vorrede zum Römerbrief, die ihm in der latei-
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nischen Übersetzung von Justus Jonas36 zugänglich ist. Wenn auch die Namen Luther und Jonas ungenannt bleiben, so muss Hamminck sich doch bewusst gewesen sein, dass dieser Text das Wesen der reformatorischen Rechtfertigungslehre enthielt. Zur Beantwortung der dritten Aufgabe (Stellungnahme zu den Sakramenten) wird die neutestamentliche Lehre von Opfer und Priestertum thetisch angesprochen, womit implizit die Messopferlehre abgelehnt wird. In den Darlegungen zu Abendmahl, Taufe und Kindertaufe identifiziert sich Hamminck mit Melanchthon, dessen Loci theologici (1535) er wörtlich übernimmt. Nicht mehr geäußert hat sich Hamminck zur vierten Aufgabe (Stellungnahme zu den Zeremonien). Vielleicht war die Zeit zu kurz. Vielleicht war es auch eine Überforderung, ohne eine Textvorlage, der er hätte entlanggehen können, sich zum Inhalt des komplexen Kapitels 26 des Interims zu äußern (Messliturgie einschließlich des Messkanons, Gewänder, Vigilien, Totengedenken, Fronleichnamsfest, Aufbewahrung und Anbetung des Sakraments). Das Fehlen einer Beantwortung dieser vierten Frage hat wohl die irrige Meinung verursacht, Hamminck habe mit dem Interim geliebäugelt oder seine Annahme in Erwägung gezogen.
E 04. Gherardus Jeger (Tettens) 1. Biografisches Pastor Gherardus Jeger – oder Herr Gert, wie er damals angeredet wurde, – war seit 1523 Inhaber der Pfarrstelle an St. Martin in Tettens37, wenn er nicht schon vorher als Vikar neben seinem Vorgänger Alvericus (gest. 1523) einen Nebenaltar als Messpriester bedient hatte. Sein Geburtsjahr kennen wir nicht. Es haben sich – beginnend 1523 – mehrere von ihm unterzeichnete Urkunden erhalten38. 1540 wurde er sogar von der Jeverschen Kanzlei zu außenpolitischen Verhandlungen mit der benachbarten Herrschaft Esens und mit Ostfriesland herangezogen. Er gehörte also um diese Zeit zu den älteren, angesehenen Geistlichen, die man gerne mit Rechtsgeschäften beauftragte. Das Bekenntnis Jegers ist zu drei Fünfteln in Niederdeutsch, zu zwei Fünfteln in Latein verfasst. Er wechselt gewandt – manchmal im selben Satz – zwischen den beiden Sprachen hin und her, hatte also wohl eine 36
Praefatio methodica totivs scripturae in Epistolam Pauli ad Romanos, e uernacula Martini Lutheri in latinum versa per Iustum Ionam, 1524. 37 Bau- und Kunstdenkmäler 272–277; Kroesen / Steensma, Kirchen 74. 134 . 187. 38 OUB 6,521.683.771.901.977.988.
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Lateinschule durchlaufen. Dass er eine Universität besucht hat, ist wahrscheinlich. Die kunstvoll aufgebaute Eingangsperiode ist ohne den Hintergrund der Rhetorik kaum denkbar. In den niederdeutschen Partien zitiert Jeger die Bugenhagen-Bibel, in den lateinischen die Vulgata. In den ersten zwei Jahren seines Pfarramts wurde das einzigartige, den Raum der Kirche beherrschende spätgotische Tabernakel erbaut, in welchem jeweils nach der Messfeier die geweihten Hostien aufbewahrt und zur Anbetung ausgesetzt wurden. Nach Hamelmann gehörte Jeger dann zu den ersten Geistlichen, die dem Jeverschen Pastor Kremer in der Verkündigung des Evangeliums folgten, und zwar wie es in der Hamburger Handschrift noch genauer als im Druck heißt: sofort (statim)39. Danach hätte Jeger die Reformation in Tettens schon gegen Ende der Zwanzigerjahre eingeführt. So ist anzunehmen, dass das prächtige Tabernakel schon wenige Jahre nach seiner Fertigstellung nicht mehr im Sinne seiner ursprünglichen Bestimmung verwandt wurde40. Folgerichtig wendet Jeger sich in seinem Bekenntnis dagegen, dass das Interim aus dem Leib Christi einen Abgott machen, d. h. ihn zur Verehrung aussetzen will. Jeger starb 1550, also zwei Jahre nach der Ausarbeitung seines Bekenntnisses. 2. Überblick über das Bekenntnis (1) Stellungnahme zum Interim (a) Das Interim lehrt die Werkgerechtigkeit gegen die heilige Schrift.
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Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 175. In einer Zeit, die sich eine Anbetung der Hostie nicht mehr vorstellen konnte, deutete man das Sakramentshäuschen als Monument (Baudenkmäler 5, 276). Die Phantasie spann dazu eine Legende aus den beiden dortigen Inschriften, die vom Tode von Pastor Alvericus und von der Stiftung des Häuptlings Omme von Middoge handelten, und kombinierte sie mit den Bildern vom Martyrium des Thomas von Canterbury, die im Altarretabel dargestellt sind. Danach soll Omme den Pfarrer Alvericus von Middoge in der Kirche ermordet haben, weil dieser mit der Predigt begonnen habe, ehe Omme anwesend war. Das von Omme gestiftete Sakramentshäuschen habe danach der Sühne gedient (Strackerjan, Aberglaube 2, 409 .). – Diese Legende entstand offenkundig in protestantischer Zeit, in der nicht mehr das Messopfer, sondern die Predigt als Mittelpunkt des Gottesdienstes empfunden wurde. Pastor Alvericus von Tettens, den die Legende nach Middoge setzt, starb jedoch keines gewaltsamen, sondern am 24. 10. 1523 eines natürlichen Todes, bei dessen Nahen er zwei Tage zuvor (22. 10. 1523) sein Testament machte und darin einen Betrag to deme sacramenteshuse (OUB 6, 520) bestimmte. Der Grund, warum Omme sich der Stiftung von Pastor Alvericus anschloss, dürfte in der spätmittelalterlichen allgemeinen Sorge um das Seelenheil gelegen haben. 40
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(2) (3) (4) (5)
Einleitung in die einzelnen Texte
(b) Gott beschützt uns gegen das tückische Interim. (c) Kompromisse sind gefährlich. Glaube und Rechtfertigung Taufe und Kindertaufe Herrenmahl Absolution
3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Jegers Bekenntnis zerfällt deutlich in zwei Teile. Der erste Teil umfasst die Stellungnahme zum Interim im Ganzen (1) und beantwortet damit die erste Aufgabe der Kanzlei. Offensichtlich steht ihm der Text des Interim nicht zur Verfügung. Statt dessen benutzt er die 1548 in Magdeburg gedruckte Schrift des Superintendenten Caspar Aquila von Saalfeld Wider den spöttischen Lügner vnd vnuerschempten verleumbder M. Islebium Agricolam. Nötige verantwortung / vnd Ernstliche warnung / Wider das Interim. Apologia. Diese Streitschrift orientiert sich weder an den Kapiteln des Interim noch ist sie um eine sachliche Auseinandersetzung bemüht. Vielmehr polemisiert sie in scharfem Ton gegen den Lutherschüler Johann Agricola, der zu den Verfassern des Interim gehörte, und gegen seine Behauptung, Aquila sei mit dem Interim wohl zufrieden. An Zitaten verwendet Aquila nur das, was seine Polemik unterstreicht. Jegers Grundlage für eine Stellungnahme zum Interim ist somit sehr schmal. Es bleibt nicht aus, dass er sich durch die Emotionen Aquilas beeinflussen lässt. Trotzdem gelingt es ihm, sein Bekenntnis gegen das Interim soweit zu konzentrieren, dass die Rechtfertigung den Maßstab bildet. Jeger wertet diese Beurteilung wohl als Erledigung der ersten Aufgabe der Kanzlei, die von jedem Geistlichen ein Glaubensbekenntnis in Bezug auf das Interim fordert. In einem zweiten Anlauf schickt Jeger sich an, die zweite und dritte Aufgabe der Kanzlei zu lösen, nämlich seinen Glauben (2) bzw. die Sakramente Taufe (3), Herrenmahl (4) und Absolution oder Buße (5) zu behandeln. Seine biblisch begründete Positionen sind zwar klar, aber so knapp, dass die Zeitnot zu spüren ist. Auf die vierte Aufgabe (Zeremonien) geht Jeger nicht mehr ein. Angesichts des eindrucksvollen Sakramentshäuschens, das früher unmittelbar vor dem Altar stand, verdienen die Ausführungen zum Herrenmahl besondere Aufmerksamkeit. Jeger verwirft die Transsubstantiationslehre, die für die Aussetzung der Hostie zur Anbetung notwendige Voraussetzung ist. Er besteht auf der stiftungsmäßigen Gestaltung des Herrenmahls, bei der die Gegenwart des Leibes Christi gewährleistet ist distributione et praesenti exhibitione (durch das Austeilen und gegenwärtige Dar-
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bieten). Daraus folgt, dass die Hostie nur während der Austeilung an die Kommunizierenden der Leib Christi ist, aber nicht aufbewahrt und verehrt werden kann. Im Blick auf die ursprüngliche Bestimmung des Sakramentshäuschens ist die Absage an die spätmittelalterliche Frömmigkeit an Schärfe kaum zu überbieten, wenn Jeger das verfluchte Interim beschuldigt, aus dem Brot einen Abgott zu machen.
E 05. Ludolphus (Middoge) 1. Biografisches Middoge41 war im 15. Jahrhundert noch keine selbständige Pfarrei, sondern eine zu Tettens gehörige Kapelle. Diese scheint mit der Reformation allmählich in den Status der Kirche eines selbständigen Kirchspiels hineingewachsen zu sein, was freilich erst 1687 sicher nachgewiesen ist42. Immerhin vermeidet es Ludolphus, sich als Pastor zu bezeichnen. Ludolphus führt bei Martens43 die Liste der Amtsträger von Middoge an. Martens nennt aber weder Vaters- noch Familiennamen noch das Alter, wohl aber das Ende der Amtszeit 1562, was vermutlich zugleich das Todesjahr gewesen ist, da von einem Stellenwechsel nichts überliefert ist. Indessen finden sich noch weitere Spuren, die zusätzliche Informationen enthalten. Nach Martens44 war im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts die Erste Pfarrstelle in Tettens besetzt mit Edzardus Ludolphi, von Middog gebürtig …. Starb 1600 den 6. May. Edzardus Ludolphi war also wahrscheinlich ein Sohn des 1548 in Middoge wirkenden Herrn Ludolphus, wobei die Namensform beim Sohn ein Hinweis darauf ist, dass in der Familie als zweiter Name nicht ein Familienname, sondern nach friesischer Sitte der Vatersname gebräuchlich war. Dies vorausgesetzt erlaubt die Pastorenliste von Middoge einen weiteren Schritt. Martens45 führt dort als Prediger an: 3. Rudolphus Etzardi, 1603 ordiniret. Starb 1636 im April. Die Stelle in Middoge und der Vatersname legen es nahe, was vom Alter her sehr wohl möglich ist, dass dieser Rudolphus Etzardi ein Sohn des Edzardus Ludolphi von Tettens und damit ein Enkel des Verfassers des Bekenntnisses Ludolphus von Middoge gewesen ist. Dass der Name Edzard als Vorname vorkommt, könnte daher rühren, dass er in der Familie gebräuchlich war. Vielleicht hat Herr Lu41 42 43 44 45
Bau- und Kunstdenkmäler 230. Sello, Die territoriale Entwickelung 42. Martens 54. Martens 48. Martens 55.
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Einleitung in die einzelnen Texte
dolphus ihn schon als Vatersnamen getragen. In einer Urkunde aus dem Jahr 151546 wird nämlich ein her Edzert vicarius in Tettens genannt. Da der Name Edzard im Jeverland nicht sehr häufig ist und die spätmittelalterlichen Geistlichen in der Regel weder zölibatär noch kinderlos lebten, könnte es sein, dass her Edzert vicarius der Vater unseres Ludolphus gewesen ist, der damit Ludolphus Edzardi geheißen hätte. Bei aller Unsicherheit, die durch die lückenhafte Überlieferung bedingt ist, wäre folgender Stammbaum denkbar: her Edzert vicarius in Tettens, bezeugt 1515; Ludolphus [Edzardi] in Middoge, Bekenntnis 1548, gest. 1562; Edzardus Ludolphi, Pfarrer in Tettens, gest. 1600; Rudolphus Edzardi, ordiniert 1603, Pfarrer in Middoge, gest. 1636.
Für die Lebensdaten des Verfassers des Bekenntnisses Ludolphus folgt aus diesem hypothetischen Stammbaum, dass er wahrscheinlich um 1500 als Priestersohn in Tettens geboren und aufgewachsen ist. Möglicherweise konnte er als Famulus seines Vaters sich das nötige Wissen für seine Amtsführung aneignen. Ob Ludolphus eine Universität besucht hat, kann man zwar nicht sicher ausschließen. Indessen zeigt doch seine Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis, dass er keinen Anspruch auf selbständiges Durchdringen der dargestellten Materie erhebt47. Ähnlichkeiten der Bekenntnistexte lassen auch auf ein engeres Verhältnis mit 04. Gherardus Jeger schließen, der seit mindestens 1523 Pfarrer in Tettens war; auffällig ist insbesondere die wahrscheinlich gemeinsame Benutzung der Streitschrift von Caspar Aquila Wider den spöttischen Lügner. 2. Überblick über das Bekenntnis (1) Zum Interim (a) Keine Zustimmung (b) Entscheidung für Christus, gegen den Greuel der Verwüstung (c) Gegen pompöse Zeremonien und das Messopfer (2) Schöpfung und Fall des Menschen (Interim 1 und 2) (3) Erlösung und Rechtfertigung (Interim 3–6) (4) Liebe und gute Werke (Interim 7) (5) Kirche (Interim 9–13)
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OUB 6,482. Dass sich bei seiner Behandlung des Abendmahls (10 b) das griechisch geschriebene Wort koinvni a findet, ist kein Gegenargument, da er bei 06. Hermannus Heronis an der entsprechenden Stelle (17 a) die Umschrift kinonia gelesen hat. Wie er selbst dieses Wort schrieb, lässt sich nicht mehr feststellen, da seine Handschrift verloren ist. 47
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(6) Taufe (Interim 15) (a) Taufe und Vergebung (b) Kindertaufe (7) Abendmahl (Interim 18) (a) Rechter Gebrauch (b) Missbrauch (c) Christi selbstbestimmte Gegenwart (8) Buße und Absolution (Interim 17) (9) Firmung, heilige Ölung, Priesterweihe (Interim 16.18.20) (10) Messe (Interim 22) (a) Die Gotteslästerung des Messopfers (b) Abendmahl als gemeinschaftliches Gedächtnismahl (11) Heiligendienst (Interim 23) (a) Keine Wiedereinführung der Heiligenanrufung (b) Abgötterei im Interim (c) Christus der einzige Fürsprecher (d) Die richtige Verehrung der lieben Heiligen (12) Schlusswunsch 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Ludolphus konnte von mindestens drei Texten Gebrauch machen: von der deutschen Version des Interim, in die er wohl durch 06. Hermannus Heronis Einblick erhielt, von dessen Bekenntnis und von der Streitschrift Kaspar Aquilas Wider den spöttischen Lügner. Er beginnt (1) mit einer summarischen Verurteilung des Interims im grobianistischen Stil Aquilas: Obwohl das Interim (a) mit Gottes Wort geschminkt ist, treibt es Abgötterei. Aber wir entscheiden uns gegen den apokalyptischen Greuel der Verwüstung (b) und lassen uns auch durch den Pomp der gotteslästerlichen Zeremonien nicht verführen (c). Einen neuen Ton schlägt Ludolphus in den folgenden Abschnitten an, wo er (1 am Schluss und 2) die Lehre des Interim von Schöpfung und Fall als fein und recht lobt, wobei auf dem Weg über Hermannus die Beurteilung Melanchthons recht vnd vnstrefflich durchdringt48. Die Rechtfertigungslehre (3) wird gleichfalls zunächst ohne Polemik dargelegt. Erst die zugespitzte Behauptung, dass es einen Glauben ohne Früchte gebe (Interim 7), ruft die zornige Beurteilung als Gotteslästerung hervor (4). Beim Übergang zur Lehre von der Kirche (5) benutzt Ludolphus zwar den Sprachgebrauch des Interim von der Versammlung aller Christglaubigen. Aber ihr Haupt ist nicht der Papst, der vielmehr das Reich des An48
06. Hermannus Heronis (3); Dingel, Reaktionen 60, 18.
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Einleitung in die einzelnen Texte
tichristen regiert, sondern Christus allein mit dem Mittel des Worts. Deswegen gibt es auch weder eine auf die Person zielende Nachfolgeregelung noch ein Recht auf Schriftauslegung. (6) Bei der Taufe gibt Ludolphus (a) eine generelle biblische Begründung, (b) eine spezielle in Bezug auf die Kindertaufe, beide Male ohne Polemik gegen das Interim. Von jetzt an folgt Ludolphus immer deutlicher der Disposition und dem Wortlaut des Bekenntnisses von Hermannus Heronis. Dies ist bei der Besprechung des Abendmahls (7) der Fall: sowohl was (a) den rechten Gebrauch angeht, als auch (b) bei der Zurückweisung des Interim (Würdigkeit durch vorherige Reinigung, Transsubstantiation als naturkundliche Kategorie) sowie (c) bei der positiven Darlegung (freie Selbstbindung Christi durch sein Wort). Beim Sakrament der Buße beschränkt sich Ludolphus wieder unpolemisch auf die positive Lehre (8), weist aber die vom Interim geltend gemachte Sakramentalität von Firmung, Ölung und Priesterweihe (9) desto heftiger zurück. Ähnlich behandelt er das Thema Messe (10) sowohl bei der Verwerfung des Messopfers (a) als auch bei der positiven Darstellung des Abendmahls als eines Gemeinschaftsmahles (b). Bei der Ablehnung des Heiligendienstes (11, a-c; zu Interim 23) übernimmt Ludolphus ebenfalls Anregungen von Hermannus Heronis, geht aber über diesen hinaus, indem er im Sinne von Confessio Augustana 21 darauf Wert legt, dass wir die lieben Heiligen in Ehren halten. Ein Grund dafür ist: Denn sie lieben uns und freuen sich herzlich über unsere Frömmigkeit und Seligkeit. Vielleicht ist dies ein Hinweis darauf, dass er noch deutliche Erinnerungen an eine Amtsführung in vorreformatorischer Zeit besaß49. Mit einem kurzen Schlusswunsch (12) aus Aquilas Streitschrift bricht Ludolphus seine Besprechung des Interim ab. Möglicherweise fehlte ihm die Zeit, die in dem summarischen Eingangsabschnitt (1) schon gestreiften Einzelthemen aus den Schlusskapiteln des Interim noch einmal aufzunehmen.
49 Dies stimmt auch damit überein, dass ihm der Wortlaut des Messkanons noch geläufig ist (10 a).
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E 06. Hermannus Heronis (Hohenkirchen) 1. Biografisches Hermannus Heronis in Hochkercken Vicarius unterschreibt der Verfasser seine lateinische Vorrede, mit der er sein Bekenntnis einleitet. Das niederdeutsch verfasste Bekenntnis selbst beschließt er mit einer Anrede an Fräulein Maria in derselben Sprache und unterzeichnet entsprechend: Hermannus tho Hochkerckenn Vicarius. Im September 1577 nimmt er das Bergische Buch50 nach Hamelmanns brieflichem Bericht an Martin Chemnitz51 als Hermannus Accumensis an. Diese Namensform verwendet Hamelmann auch in seiner Jeverländischen Reformationsgeschichte52 und im Oldenburgisch Chronicon53. Aus den Namensformen ergibt sich, dass Hermannus aus Accum (Herrschaft Kniphausen) stammt und dass sein Vater Hero hieß. Dieser siegelt in einem Kaufvertrag von 1535 als her Hero tho Ackum54 und bezeichnet sich in einer Urkunde 154055 noch deutlicher als Her Hero Menckens, pastoer tho Ackum. Aus der letzteren Urkunde erfahren wir neben seinem Vatersnamen Menno zugleich etwas über seine Vermögensverhältnisse, nämlich dass er dem Jeverschen Drosten Boing von Oldersum 200 Emder Gulden leihen konnte56. Hermannus stammte also nicht direkt aus der kleinen Herrschaft Jever, sondern aus der angrenzenden Herrschaft Inn- und Kniphausen. Er war ein Priesterkind. Nach friesischer Sitte setzte er seinem Namen entweder den Geburtsort oder den Vatersnamen hinzu, wie schon sein Vater Hero seinerseits den Namen wiederum seines Vaters (Menno oder Mencken) beifügen konnte. Hermannus erhielt von seinem Vater offenbar eine gute Ausbildung. Ob er darüber hinaus eine Lateinschule besucht hat, ist nicht überliefert. 1539 ließ er sich in Wittenberg als Hermannus, Accumensis Phrysius immatrikulieren57. Dieses Faktum wirft zugleich ein Licht auf das Elternhaus. Da die Herrschaft Kniphausen sich der Reformation nicht früher als das Jeverland angeschlossen haben dürfte, war Hermannus um 1520 oder ganz kurz danach noch in einem altgläubigen Pfarrhaus geboren worden, das jedoch nicht altgläubig blieb. Denn der Vater war offenkundig bereit, 50 51 52 53 54 55 56 57
Vgl. BSLK Seite XXXIX f. Leuckfeld 120 Anm. Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 177 . 186.189. 422. OUB 6, 782. OUB 6, 1002. OUB 6, 1011 Seite 428. Sichart 201.
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seinem herangewachsenen Sohn das Studium in Wittenberg zu gestatten und wahrscheinlich – auch angesichts seiner finanziellen Möglichkeiten – zu bezahlen. Wie lange Hermannus in Wittenberg blieb, ist unbekannt. Da er keinen akademischen Grad mit nach Hause brachte, ist er wohl über das Trivium nicht hinausgekommen, hat aber im Rahmen des artistischen Sprachenstudiums sich nicht nur seine bewundernswert klare Humanistenhandschrift angeeignet, von der die Jeversche Kanzlei für die Bekenntnissammlung 1548 Gebrauch machen sollte, sondern auch ein gehöriges Maß von Theologie, das er aus den biblischen Vorlesungen Melanchthons und seiner Schüler mitnahm. Nach der Überlieferung hat er auch bei Luther Vorlesungen gehört. Eine Vorlesung über die Loci theologici bot Melanchthon zu Hermannus’ Studienzeit nicht an58. Ersatz dafür leistete aber das gedruckte Lehrbuch dieses Titels, das wohl schon den Studenten bei den exegetischen Kollegs und erst recht den Pfarrer im praktischen Amt begleitete. Wir wissen nicht, wann Hermannus aus Wittenberg zurückkehrte. Hamelmann erzeugt in der Druckfassung seiner Reformationsgeschichte59 den Eindruck, dass Hermannus sein Amt in Hohenkirchen60 1548 als Nachfolger von Pfarrer Lambert Jever (Lambertus Stephanus) angetreten habe. In Wirklichkeit war Hermannus schon Anfang des Jahres 1546 tätig, als Lambert Jever noch lebte. Hermannus musste also eine der Vikarsstellen in Hohenkirchen eingenommen haben. Er konnte dann aber nach dem Tode Lamberts nicht in die Pfarrstelle aufrücken, da Fräulein Maria diese für die Besoldung des aus Bremen berufenen Juristen Lic. Martin Michaelis verwendete. Da dieser als nomineller Pfarrer von Hohenkirchen in der Jeverschen Kanzlei beschäftigt war und deshalb die geistlichen Pflichten seiner Pfründe nicht erfüllen konnte, hatte Hermannus, der sich weiterhin korrekt des Titels Vicarius bediente, faktisch das Pfarramt zu führen. Hamelmann lernte Hermannus persönlich kennen, als das Jeverland 1575 an den oldenburgischen Grafen Johann VII. fiel und Hamelmann nach Jever entsandt wurde, um das dortige Kirchenwesen zu ordnen. Er zog Hermannus als Mitglied des Konsistoriums heran, um 1576 die Gespräche mit den reformiert gesonnenen Pastoren und mit den Wiedertäufern zu führen61. Im Verlaufe seiner historischen Erkundungen erfuhr er auch, dass Hermannus schon zu Beginn seiner Amtszeit einen erheblichen Einfluss auf die Jeversche Kirchenordnung ausgeübt hatte. 58 59 60 61
Nieden, Die Erfindung des Theologen 51. Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 177. Bau- und Kunstdenkmäler 219–229. – Kroesen / Steensma, Kirchen 10. Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 276–278.
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Nach Hamelmanns handschriftlichem Konzept der Jeverländischen Reformationsgeschichte62 sorgte nämlich Fräulein Maria um die Mitte der Vierzigerjahre dafür, dass Remmer von Seediek zum Zweck der Vereinheitlichung der gottesdienstlichen Zeremonien in den Kirchen der Herrschaft eine Kirchenordnung verfasste. Als dann 1547 nach der Niederlage der evangelischen Fürsten ein Eingreifen des Kaisers zu befürchten war, ließ Fräulein Maria an Anton von Mecheln und Hermann von Accum durch Remmer den Auftrag überbringen, dass die beiden über die Kirchenordnung etwas nachdenken und eine solche gemäß dem Rat Remmers verfassen sollten63. Der Zweck dieser Redaktion bestand offenkundig darin, die Remmersche Kirchenordnung so zu redigieren, dass sie dem Lehensherrn Karl V. und seinen Beamten vorgezeigt werden konnte. Dass dafür Antonius von Mecheln (22. Antonius Morenanus) herangezogen wurde, ist ohne weiteres verständlich: Er war wegen des Interims aus Wesel vertrieben worden und verfügte über einschlägige Erfahrungen. Dass jedoch auch an Hermannus Heronis der Auftrag zur Redaktion der Kirchenordnung erging, beruhte nicht auf Erfahrungen mit dem Interim, da er seit 1546 unbehelligt in Hohenkirchen im reformatorischen Sinne wirken konnte64, sondern offenkundig auf dem Zutrauen, das er als der wolgelarde und vir doctus auf Grund seines Studiums in Wittenberg bei der Jeverschen Kanzlei von Anfang an genoss. Ein Zeichen dieser Wertschätzung war auch, dass die Kanzlei ihn mit der Reinschrift der am 3. Dezember 1548 eingesammelten Bekenntnisse beauftragte, was angesichts des Inhalts der lateinischen und der niederdeutschen Texte nicht als Schreiberarbeit eingestuft werden darf, sondern theologische Kompetenz voraussetzte. Als nach dem Tode Remmers von Seediek (1557) das Superintendentenamt durch die Berufung von Magister Petrus Rodtbart aus dem Land Hadeln aufgewertet wurde, der die Kirchenordnung erneut redigierte und 1562 in Wittenberg drucken ließ, wurde in Jever endlich ein Konsistorium eingerichtet, dem neben Antonius Morenanus auch Hermannus an62
Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 178. Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 154 . 64 Hermannus ist also nicht erst gleichzeitig mit 22. Antonius Morenanus 1548 angestellt worden, wie auf seiner Grabplatte zu lesen ist und wie es die Druckfassung Hamelmanns nahelegt (154), sondern 1546 oder sogar noch früher. Danach ist auch meine Darstellung der Vorgänge (Hamelmann und die Anfänge 142) zu korrigieren. Hamelmanns Druckfassung hat auch noch eine weitere Unklarheit erzeugt, indem sie die beiden Stufen der Entstehung der Kirchenordnung – die Remmersche Regulierung der Zeremonien und die frühestens im Winter 1548/49 erfolgte Redaktion – ineinanderschob und daraus einen einzigen Vorgang machte. Dadurch wurde die frühere Remmersche Kirchenordnung unsichtbar. 63
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gehörte65. Als Hamelmann 1576 das Kolloquium mit den Jeverschen Pastoren durchführte, die die neu eingeführte Oldenburgische Kirchenordnung nicht annehmen wollten, hatte auch Hermannus Sitz und Stimme in der Kommission, welche die Entscheidung zu treffen hatte66. Hermannus starb am 15. Januar 1579. Bei Meene sind die Inschriften von Epitaph und Grabplatte in der St. Sixtus und Sinicius-Kirche in Hohenkirchen festgehalten67. Auf ersterem steht: Anno 1579 die 15. Januarii Dominus Hermannus Accumensis ecclesiae Hohenkirchensis per 30 annos fidelis minister, in Christo placide obdormivit. (Am 15. Januar 1579 entschlief im Frieden Herr Hermannus von Accum, der dreißig Jahre lang der treue Diener der Kirche in Hohenkirchen war). Die Grabinschrift lautet: Hermannus Accumensis, vocatus Vicarius Hohenkirch[ensis] Anno 1548 postea Pastor per 30 annos. Obiit Anno 1579 die 15. Januarii (Hermannus von Accum, 1548 als Vikar nach Hohenkirchen berufen, anschließend 30 Jahre lang Pastor, starb am 15. Januar 1579). 2. Überblick über das Bekenntnis (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8)
Vorrede Zum Interim im allgemeinen Schöpfung und Sündenfall (Interim 1.2) Erlösung (Interim 3) Rechtfertigung aus Glauben nach der Bibel Rechtfertigung ohne Glauben nach dem Interim (Interim 4) Rechtfertigung durch Werke (Interim 7) Kirche (Interim 9–13) (a) Kirche aus Gläubigen und Ungläubigen (b) Die wahre und die heuchlerische Kirche (c) Von der Gabe der Schriftauslegung (Interim 11) (d) Das Papsttum (Interim 13) (9) Sakrament (Interim 14) (10) Taufe (Interim 15) (11) Kindertaufe (Interim 15) (a) Widerlegung er Wiedertäufer (b) Kindertaufe nicht verboten, sondern befohlen (c) Sündenvergebung auch bei Kindern notwendig
65
Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 186. Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 188. 67 Meene 123. – Als Jahr des Dienstantritts, der 1546 oder früher stattgefunden hat, rechnet das Epitaph fälschlich mit 1549, die Grabinschrift mit 1548. 66
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(d) Kindertaufe in der ältesten Kirche (e) Widerlegung der Einwände gegen die Kindertaufe (f) Schlussfolgerung (12) Abendmahl (Interim 18) (a) Abendmahl und Vergebung (b) Das Abendmahl und der Dienst der Liebe (c) Würdiger und unwürdiger Genuss (d) Keine Wandlung der Substanz (e) Christi Gegenwart gemäß seinem Wort (f) Keine Zuwendung an Lebende oder Tote (Interim 24) (13) Buße und Absolution (Interim 17) (a) Absolution als Sündenvergebung (b) Keine Genugtuung und keine vollständige Aufzählung der Sünden (c) Nur drei eigentliche Sakramente (14) Firmung und Ölung (Interim 16.19) (a) Keine Bindung des heiligen Geistes an Firmung und Ölung (b) Ja zur Konfirmation als Befestigung im Bekenntnis (c) Firmung und Ölung von Menschen erfunden (15) Priesterweihe (Interim 20) (16) Ehe (Interim 21) (a) Die Ehe von Gott gestiftet zur Erhaltung des Menschengeschlechts und zur Vermeidung von Unzucht (b) Priesterehe (c) Lösung des Ehebandes bei Scheidung wegen Unzucht (17) Messe (Interim 22.24) (a) Das Abendmahl nach Christi Einsetzung (b) Die Opfermesse nach dem Interim (18) Heiligendienst (Interim 23) (a) Fürbitte der Heiligen nach dem Interim (b) Christus der alleinige Fürsprecher (c) Verfälschter Schriftbeweis im Interim (d) Christus der einzige Heiland und Nothelfer (19) Totengedächtnis (Interim 24) (20) Zeremonien (Interim 26) (a) Zeremonien bei Taufe und Messe (b) Fahnen, Bilder, Gewänder (c) Nebengottesdienste und Feste (d) Fasten (e) Zugeständnisse des Interim: Priesterehe und Abendmahl in beiderlei Gestalt
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(f) Grundsatz (21) Ergebnis (22) Schlussanrede an Fräulein Maria 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses In seiner kurzen lateinischen Vorrede (1), die wohl zugleich als specimen eruditionis zu werten ist, befolgt Hermannus die rhetorischen Regeln, die für ein Exordium gelten, und verwendet die dafür empfohlenen Argumente. Er begründet seine Rede mit der Aufforderung der Fürstin und somit durch die ihm auferlegte Pflicht (argumentum ab officio), sein Bekenntnis aufzuschreiben. Er unterstreicht seine Bescheidenheit gleich zweimal, um das Wohlwollen der Leser zu gewinnen (captatio benevolentiae). Niemand erwarte von ihm eine lange Deklamation oder einen vollständigeren Bericht – mit andern Worten: er will es kurz machen. Und außerdem gibt es Gelehrtere als ihn, die das Interim entlarven können. Allerdings wird diese rhetorische Bescheidenheit durch ein anspruchsvolles Ziel aufgewogen, mit dem Hermannus begründet, warum er das folgende Bekenntnis nicht lateinisch, sondern deutsch schreibt. Eine eher äußerliche Ursache besteht darin, dass ihm ein deutschsprachiges Exemplar des Interim vorliegt, aus dem er ins Niederdeutsche übersetzt zitiert. Der eigentliche Grund liegt aber in dem ehrgeizigen Bestreben, dass sein Bekenntnis sowohl den Ungelehrten als auch den Gelehrten bekannt sein sollte. Hermannus kann damit nichts anderes gemeint haben, als dass sein Bekenntnis gedruckt und damit sowohl den Geistlichen als auch den Gemeindegliedern in die Hand gegeben werden soll. Da die Obrigkeit ihn an der Redaktion der Remmerschen Kirchenordnung beteiligte und jede Kirchenordnung durch die Darstellung der Lehre eröffnet wurde, musste auch im Jeverland für ein eigenes Lehrcorpus gesorgt werden. Indessen war es die Politik von Fräulein Maria und ihrer Kanzlei, die längst geschehene Reformation nach außen hin möglichst unsichtbar zu machen. Eine Veröffentlichung des Bekenntnisses kam deshalb nicht in Frage. Hermannus musste sich damit begnügen, dass sein Bekenntnis mit den andern zusammen zwar sorgfältig aufbewahrt wurde, aber während der vier Jahre, in denen das Interim aktuell war, in der Schublade ruhte. Nach 1552 wiederum konnten seine Darlegungen als erledigt gelten, da sie sich zu häufig auf das mittlerweile außer Kraft gesetzte Interim bezogen. Seine Ausführungen in niederdeutscher Sprache beginnt Hermannus mit einer Feststellung Vom Interim im allgemeinen (2), indem er als Hauptsatz (propositio oder status) formuliert, dass er das Interim in keiner Weise
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annehmen wolle und auch – in einer Apostrophe an seine Leser – jedem davon abrate. Diesen Hauptsatz führt Hermannus nun am Interim durch, indem er dessen Aufbau entlanggeht und die einzelnen Kapitel rezensiert. Dies fällt nicht grundsätzlich polemisch aus. Manchmal setzt Hermannus mit einer Darstellung der reformatorischen Lehre ein, um dann die Aussagen des Interims daran zu messen. In anderen Fällen – so besonders bei der Lehre von der Kindertaufe – könnte er sich mit der Feststellung der Übereinstimmung begnügen, geht dann aber trotzdem ins einzelne. Auch wenn Hermannus dem Interim grundsätzlich den Vorwurf macht, dem Antichrist zu dienen, lässt er doch – dem Bedenken Melanchthons68 und seiner Wittenberger Kollegen folgend – das, was recht vnd vnstrefflich ist, gelten, so etwa wenn das Interim in den ersten beiden Kapiteln die Lehre von der Schöpfung und vom Sündenfall ausbreitet (3). Auch bei der Erlösung durch Christus (4) scheint noch eine Zustimmung zu den Formulierungen des Interim möglich zu sein. Dann jedoch trennen sich die Wege. Nach der biblischen Lehre wird nur der Glaube dieser Erlösung teilhaftig (5), während das Interim sie der Liebe beilegt und den Glauben zurückstellt (6). Aufs ganze gesehen wird die Gerechtigkeit den Werken zugeschrieben. Aber auch wenn man die Rechtfertigungslehre des Interim wohlwollend, d. h. im evangelischen Sinn auslegt, bleibt doch ein innerer Widerspruch zu den Kapiteln 22 bis 26 bestehen (7). Mit der Lehre von der Kirche beginnt ein neues Thema (8), bei dem Hermannus zunächst zustimmend auf das Bild von der gemischten Kirche eingeht (a), um dann desto polemischer Melanchthons Lehre von den zwei Kirchen gegen die Papstkirche zu wenden (b). Die wahre Kirche besitzt durchaus die Gabe der Schriftauslegung, aber nur, insoweit die Schrift selbst der letzte Maßstab bleibt (c). Die Gewalt eines obersten Bischofs war im Altertum unbekannt (d). Nach der allgemeinen Sakramentslehre (9) folgt die wenig kontroverse Besprechung der Taufe (10) und eine gegen die Wiedertäufer gewandte Abhandlung über die Kindertaufe (11). Angesichts des Interim wäre sie unnötig. Vielleicht hat aber Hermannus sich von der Verbreitung seines gedruckten Bekenntnisses eine Wirkung unter den jeverländischen Ungelehrten versprochen, die für wiedertäuferische Gedanken zugänglich waren. Beim Abendmahl (12) bietet das Interim wieder reichlich Konfliktstoff. Hermannus setzt jedoch mit der positiven evangelischen Lehre von Vergebung (a), Liebe (b) und würdigem Genuss (c) ein, verwirft die Transsubstantiationslehre (d), die Sakramentsanbetung (e) und die Zuwendung an Lebende und Tote (f). Bei der Buße (13) als drittem evangelischem Sakrament bejaht Hermannus die Absolution als Sündenver68
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gebung (a), verwirft aber die Satisfaktion und die früher zur Bedingung gemachte vollständige Aufzählung der einzelnen Sünden (b). Mit Taufe, Abendmahl und Buße sind die drei wahren Sakramente erfasst, wie sie durch die Augsburgische Konfession und durch Melanchthons Loci vorgegeben sind. Bei den vier umstrittenen Sakramenten ist Hermannus’ Urteil differenziert, weil er zwar ihren Sakramentscharakter ablehnt, die mit ihnen gemeinte Sache selbst aber durchaus akzeptiert: bei der Firmung (14 b, Konfirmation) die Festigung des jungen Volks im Bekenntnis, bei der Ölung (c) die Pflege des Kranken und der Fürbitte für ihn, bei der Priesterweihe (15) die Übergabe des Amtes nach der Sitte der Apostel und bei der Ehe (16) den von Gott gestifteten Stand, der weit über allen geistlichen Orden steht und in dem sich auch die Bischöfe und Priester finden lassen sollten. Der letzte Teil des Bekenntnisses geht auf die Zeremonien ein. Mit ihnen macht das Interim alles rückgängig, was es in den Eingangskapiteln an biblischer Rechtfertigungslehre zugestanden hat. Bei der Messe (17) pocht das Interim auf den unveränderten Gebrauch des Kanons und damit auf die Darbringung des unblutigen Opfers Christi durch den Priester. Hermannus macht dagegen geltend, dass Christus das einmalige und einzige Opfer für uns dargebracht hat und dass auf keine Weise diese Gotteslästerung, Abgötterei und der teuflische Missbrauch der papistischen Messe wieder eingerichtet werden darf. Der Anrufung und Fürbitte der Heiligen (18) setzt Hermannus den einzigen Heiland entgegen, der allein der Nothelfer ist. Das Gedächtnis der in Christo Verstorbenen (19), die angeblich im Fegefeuer noch gereinigt werden müssen, verschafft nur den abgöttischen Messknechten Geld. Schließlich geht Hermannus dem themenreichen Kapitel 26 des Interim entlang, in welchem die zum großen Teil unbiblischen Zeremonien (20) einzeln besprochen werden: (a) zeremonielle Vorschriften bei den Sakramenten; (b) Fahnen, Bilder und Gewänder; (c) Feste; (d) Fastengebote. Anhangsweise betont Hermannus die beiden Zugeständnisse des Interim an die Protestanten (Priesterehe und beiderlei Gestalt beim Abendmahl) als unverzichtbar (e) und formuliert abschließend den Grundsatz (f): Die Zeremonien sollen die Gemeinde erbauen und bessern helfen und um guter Ordnung willen gehalten werden. Andernfalls ist es nicht nötig, sie einzurichten und zu halten. In der Conclusio (21) fällt Hermannus sein abschließendes Urteil in sachlicher und persönlicher Hinsicht. Sachlich läuft das Interim großenteils der biblischen Lehre zuwider und ist deswegen abzulehnen. Persönlich ist Hermannus bereit, die Folgen aus dieser Ablehnung (Ausweisung oder gar Tod) zu tragen.
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In seiner Schlussrede an Fräulein Maria (22) blickt Hermannus auf sein Bekenntnis zurück, das sowohl die Lehre widerspiegelt, die er in seinem Dienst als Pastor vertritt, als auch die Ablehnung des Interim enthält, und bittet um gnädige Annahme. An Literatur benutzt Hermannus außer dem deutschen Exemplar des Interim hauptsächlich Schriften Melanchthons (Apologie, Loci theologici 1535, Bedencken aufs Interim 1548). Bei den meisten Bibelzitaten folgt er der Bugenhagen-Bibel. Was die kirchlichen Gebräuche in Hohenkirchen angeht, lässt sich aus den Andeutungen des Bekenntnisses folgende erschließen: Keine Wiedereinführung von Fahnen, Vortragekreuzen und Heiligenbildern; keine Änderung der Priesterkleidung; Gesang, aber keine Heiligenanrufung; Bibelauslegung statt Horen; ehrliches Begräbnis statt Vigilien und Seelmessen; keine Feste, die in Schwelgerei ausarten (z. B. Patronatsfest).
E 07. Iko Mensen (Hohenstief oder St. Joost) 1. Biografisches In Hohenstief (heute: St. Joost) gab es ursprünglich nur eine zu Hohenkirchen gehörige Kapelle, die St. Jodocus geweiht war69. Durch die spätmittelalterlichen Sturmfluteinbrüche lag sie vermutlich längere Zeit außerhalb der Deiche70. Nach der Eindeichung des zugehörigen Gebiets wurde die Kapelle 1542 zur Pfarrkirche erhoben. Iko Mensen gilt als der erste Pfarrer, von dem aber weder Herkunft noch Lebensdaten bekannt sind. Die Namensform spricht für friesische Herkunft. Nach örtlicher Überlieferung wurde er [Herr] Icke angeredet. Immerhin verrät der Duktus seines Bekenntnisses, dass Iko Mensen eine humanistische Bildung genossen und wahrscheinlich an einer Universität studiert hat. Er benutzt sehr viele lateinische Kürzel, wie sie bei Mitschriften angewendet wurden. Das Griechische scheint ihm zugänglich gewesen zu sein, da er beim Abendmahl die vom Interim (18/89) gebrauchte latinisierte Wortform eucharistiae richtig mit EyÆxarhstiÂae (mit korrekt gesetztem Spiritus und Akzent, Itazismus sowie lateinischer Endung) wiedergibt. Die Besprechung des Interim erinnert an den unter Humanisten gepflegten Briefstil, bei dem in kurzen Sätzen oft starke Kontraste aufeinandertreffen, und der Verfasser viel dafür tut, seine überlegene Sicht der behandelten Materie zu betonen. Auch das Terenz-Zitat 69 70
Bau- und Kunstdenkmäler 270 . Goens, Einziehung 72 Anm. 23.
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oder Wendungen wie Optimus Maximus Deus sprechen für ein humanistisches Stilempfinden. Quelle der Bibelzitate ist für ihn häufig die Vulgata. Im Neuen Testament benutzt er aber auch die lateinische Übersetzung von Erasmus. 2. Überblick über das Bekenntnis (A) Erster Teil: Bekenntnis (1) Rechtfertigung durch den Glauben (2) Wort Gottes (3) Abendmahl (4) Taufe und Kindertaufe (5) Nachtrag: Gute Werke (B) Zweiter Teil: Stellungnahme zum Interim (1) Schöpfung und Fall (Interim 1 und 2) (2) Erlösung (Interim 3) (3) Rechtfertigung und Glaube (Interim 5) (4) Rechtfertigung und freier Wille (Interim 6) (5) Gute Werke (Interim 7) (6) Glaube an die Vergebung (Interim 8) (7) Kirche (Interim 9) (8) Kennzeichen der Kirche (Interim 10) (9) Kirchengewalt (Interim 11) (10) Amt (Interim 12) (11) Papst (Interim 13) (12) Sakrament (Interim 14) (13) Taufe (Interim 15) (14) Firmung (Interim 16) (15) Buße und Beichte (Interim 17) (16) Abendmahl (Interim 18) (17) Letzte Ölung (Interim 19) (18) Ordination (Interim 20) (19) Ehe (Interim 21) (20) Messopfer (Interim 22) (21) Heiligendienst und Totengedächtnis (Interim 23.24) (22) Zeremonien (Interim 26) 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Ikos Bekenntnis zerfällt deutlich in zwei ganz unterschiedliche Teile. Teil (A) bringt auf einem Blatt das reformatorische Bekenntnis zur Rechtfer-
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tigung durch den Glauben (1), die durch das Wort Gottes (2), das Abendmahl (3) und die Taufe (4) begründet wird. Die feierliche Unterschrift Iko mensen Diuini verbi concionator schließt seine Darlegungen ab, wie wenn den Anforderungen der Kanzlei damit Genüge getan wäre. Allerdings fügt Iko doch noch in einer Art von Postskript eine Ergänzung zum Thema Gute Werke (5) an, um die böswillige Vermutung zu verhindern, als schlösse er diese aus. Teil (B) setzt dann völlig neu ein. Um den Bruch zu mildern, fügt Hermannus Heronis, der sich in seiner Abschrift sonst bedingungslos an die Manuskripte hält, zur Erklärung für den Leser die Überschrift ein: Nouus tractatus qui est locupletior. Auf 13 Blättern geht Iko nun die Kapitel der lateinischen Fassung des Interim in ihrer Reihenfolge fast vollständig durch, greift sich in der Regel eine Spitzenformulierung heraus und nimmt zu ihr meist kritisch, gelegentlich auch zustimmend Stellung. Die Verschiedenheit der beiden Teile ist vor allem dadurch bedingt, dass Iko im ersten Teil (A) nur eine ungefähre Vorstellung hat von dem, was im Interim steht. Er befindet sich hier auf dem Informationsstand, den die jeverländischen Pastoren nach ihrer Versammlung vom 12. November besessen haben dürften. Jedoch nach der Niederschrift von (A) kam Iko in den Besitz eines lateinischen Exemplars des Interim. Außerdem stand ihm Melanchthons Bedenken aufs Interim vom 16. Juni 1548 zur Verfügung. Dank dieser breiteren Grundlage konnte er den zweiten, ausführlicheren Traktat (B) ausarbeiten. Während Iko in A aus den vier Aufgaben der Kanzlei nur die Sakramente herausgreift, folgt er in B den Kapitelüberschriften des lateinischen Exemplars des Interim. Er kennt aber nicht nur die Überschriften, wie sie in der Liste von Abel Sybrandi enthalten sind, sondern hat, wie die Zitate ausweisen, den gesamten Text vor sich. Dabei ist es merkwürdig, dass er genau wie in der Liste Abels das wichtige Kapitel 4 De iustificatione überschlägt. Vielleicht benutzt er die Liste als Inhaltsverzeichnis. Der Ausfall von Kapitel 4 ist daraus erklärlich, dass auch die beiden folgenden Kapitel des Interim von der Rechtfertigung handeln und dass weder in den Drucken des Interim noch in der Liste bei Abel Sybrandi die Kapitel gezählt sind.
E 08. Abel Sybrandi (Wiarden) 1. Biografisches Abel unterzeichnet sein lateinisch geschriebenes Bekenntnis mit Abel Sybrandi, Vicarius Wierdenn, nahm also Anfang Dezember 1548 an der Kirche
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St. Cosmas und Damian in Wiarden71 nur die zweite Stelle ein. Pfarrer war offenbar noch Antonius Blome, der nach Hamelmann72 um diese Zeit mit 22. Antonius Morenanus und 06. Hermannus Heronis zusammen die Remmersche Kirchenordnung redigierte. Nach Meene73 starb Blome noch 1548, woraus sich erklärt, dass von ihm kein Bekenntnis vorliegt. Martens74, der aus Abels Bekenntnis seine Selbstbezeichnung als Vicarius entnommen hat, stellt ihn deshalb an den Anfang der Liste der Unterprediger, bemerkt aber, dass er von anderen unter die Oberprediger gesetzt worden sei. Mit den anderen dürfte Meene gemeint sein, da dieser Sibet Sibrandi auf Blome folgen lässt75. Der nächste Oberprediger Theophilus Carbo tritt nach Meene sein Amt 1564 an. Daraus ist zu schließen, dass Abel, der wohl mit dem von Meene erwähnten Sibet Sibrandi identisch ist, das Pfarramt in Wiarden von 1548 bis zu seinem Tod 1564 innegehabt haben dürfte. Abel Sybrandi ist wohl auch mit Albertus Sibrandus gleichzusetzen, der von Hamelmann unter den gelehrten Pastoren genannt ist, die auf Kosten von Fräulein Maria an der Universität Wittenberg studiert hatten.76 Ein Studium in Wittenberg noch zu Luthers Lebzeiten würde nicht nur erklären, wie Abel sich die formale Geschicklichkeit beim kritischen Umgang mit dem Text des Interim erwerben konnte, sondern auch woher bei ihm die von Melanchthon abweichende Anlehnung an Luthers Gesetzesund Sakramentslehre stammt.
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Bau- und Kunstdenkmäler 290–297. – Kroesen / Stensma, Kirchen 61.154–156. Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 178. 73 Meene 125. 74 Martens 75. 75 Meene 125. 76 Abels Name wird bei Hamelmann zu Albert, bei Meene zu dem in Friesland geläufigeren Sibet, bei Martens und Ramsauer zu Sibel abgewandelt. Über seinen Wirkungsort entsteht dadurch eine Unklarheit, dass Hamelmann ihn dem Kirchspiel Sandel zuweist (Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 186). Obwohl Meene (125) Sibet Sibrandi als Oberprediger in Wiarden kennt, folgt er zusätzlich (109) der Notiz bei Hamelmann und setzt Albertus Sibrandus als ersten auf die Sandeler Pastorenliste, wo er ihm eine Äußerung zum Interim zuschreibt, obwohl er 17. Johannes Scroder als zweiten in der Liste führt und auch über dessen Bekenntnis Bescheid weiß. Die von Hamelmann veranlasste Verdoppelung von Abel/Sibet wird von Martens (75. 147) weitergeführt, der neben dem Unterprediger Sibet Sibrandi in Wiarden die Liste von Sandel mit Albertus Sibrandus eröffnet. Klarheit kommt in diese verwirrte Überlieferung nur dadurch, dass man Hamelmanns Zuweisung Abels an Sandel als ein Versehen wertet. 72
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2. Überblick über das Bekenntnis (1) Umschlagblatt mit den Titeln der Artikel des Interim (2) Artikel, die dem Glauben nicht widersprechen (Interim 1–3.5) (3) Erbsünde bei Kindern (a) Erbsünde ohne Zustimmung (b) Schuld und Strafe als Erbe (4) Erbsünde bei Ungläubigen (5) Erbsünde bei Glaubenden (6) Wegen der Erbsünde keine Rechtfertigung aus Werken (7) Zweifacher Gebrauch des Gesetzes (8) Die verdammende Kraft des Gesetzes (9) Evangelium (10) Die seligmachende Kraft des Evangeliums (11) Rechtfertigung (Interim 6) (12) Gute Werke als Folge des Glaubens (13) Liebe und gute Werke (Interim 7) (14) Vertrauen auf Gottes Wort (Interim 8) (15) Kirche (Interim 9) (16) Kennzeichen der Kirche (Interim 10) (17) Kirchengewalt (Interim 11) (a) Schriftauslegung als Gabe des Geistes (b) Keine Irrtumslosigkeit der Kirche (c) Keine Dunkelheit der Schrift (18) Zahl der Sakramente (Interim 14) (19) Die Sakramente Taufe und Herrenmahl (Interim 15 und 18) (20) Ordination (Interim 20) (18) Firmung und Ölsalbung (Interim 16 und 19) (22) Der Götzendienst des Messopfers (Interim 22) (a) Messopfer um des Geldes willen (b) Abendmahl als Gedenken an das einmalige Opfer Christi (c) Erster Einwand: Tägliche Anwendung von Christi Opfer (d) Zweiter Einwand: Wiederholte Opfer im Gesetz weisen auf das Messopfer voraus (e) Sinn des Herrenmahls (23) Buße und Absolution (Interim 17) (24) Kindertaufe (a) Notwendigkeit der Kindertaufe (b) Vergebung der Sünde der Unwissenheit (c) Kinderglaube (25) Überpflichtige Werke (Interim 7)
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(26) Kein Heiligendienst (Interim 23) (a) Unvollkommenheit der Heiligen (b) Erster Einwand: Himmlische Vollendung der Heiligen (c) Zweiter Einwand: Wirksamere Besänftigung des Vaters durch viele Fürsprecher (d) Ein Mittler (27) Fegefeuer (Interim 24) (a) Fegefeuer unbiblisch (b) Keine Sündenvergebung ohne Erlass der Strafe (c) Erster Einwand: Aarons Opfer Numeri 17 (d) Zweiter Einwand: Fürbitte für Verstorbene bei Judas Makkabäus (28) Sabbat (a) Sabbatgesetz im Alten Testament (b) Durch Christus aufgehoben (c) Keine Rückkehr zum alten Gesetz (d) Feiertagsheiligung um des Gottesdienstes willen (29) Die Zeremonien und ihre beschränkte Wirkung (Interim 26) (a) Zeremonien im Alten Testament (b) Zeremonien zur Zeit der Apostel (c) Zeremonien bei den Sakramenten (d) Zeremonien als nützliche Verstehenshilfen 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Nach den ersten drei Blättern von Abels Bekenntnis (258. 260. 259) ist das nicht zum fortlaufenden Text passende Blatt 261 eingeschoben. Es war ursprünglich quer gefaltet und diente so vermutlich als Umschlag für die übrigen Blätter. Auf der Außenseite finden sich fortlaufend die Überschriften der Kapitel des Interim in seiner lateinischen Ausgabe (1). Möglicherweise diente ein solches Verzeichnis den Pastoren, die wegen der Knappheit kein gedrucktes Exemplar des Interim bekommen konnten, als Anhalt für die verlangte Stellungnahme zu allen Artikeln des Interim. Ein Nachsatz, der möglicherweise auch eine obrigkeitliche Vorgabe oder das Ergebnis einer Meinungsbildung der Pastoren darstellt, verwirft die Privatmesse, die Heiligenanrufung, die Klöster, die Gelübde und den Primat des Papstes. Vielleicht spiegelt das Blatt den Informationsstand der Pastoren bei der ersten Versammlung in Jever am 12. November 1548 wider. Eigentlich hätte Abel ein solches Verzeichnis nicht benötigt, da sein Bekenntnis erkennen lässt, dass er Einblick in ein lateinisches Exemplar des Interim nehmen konnte. Trotzdem scheint das Verzeichnis seine Spur darin hinterlassen zu haben, dass Abel das 4. Kapitel De iustificatione gleich-
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falls überschlägt. Ein solches Versehen konnte sich umso leichter einschleichen, als sowohl in den Drucken des Interim wie auch in der Überschriftenliste die Kapitel des Interim nicht nummeriert sind. Abels Bekenntnis in Bezug auf das Interim beginnt (2) mit der Zustimmung zu dessen Kapiteln 1, 2, 3 und 5, kritisiert aber die Lehre von der eingegebenen Gerechtigkeit, weil die angeborene Erbsünde die Vollkommenheit hindert. Formal fällt auf, dass Abel vor der weiteren Beurteilung des Interim zunächst eine eigene theologische Grundlegung einschaltet. Sie wird durch eine eigentümlich gestaltete Lehre von der Erbsünde eröffnet, die an drei Gruppen von Menschen nachgewiesen wird: an Kindern (3), an Ungläubigen (4) und an Glaubenden (5). Überall ist der Erbsünde wegen eine Rechtfertigung durch Werke unmöglich (6). Die Aufteilung in die drei Gruppen ist aber deswegen notwendig, weil die Zueignung oder Verweigerung des Heils jeweils verschieden verläuft. Was die Erbsünde bei Kindern angeht (3), bereitet Abel seine Stellungnahme zur Kindertaufe vor (24). Bei der Erbsünde im Falle der Ungläubigen (4) wird nachgewiesen, dass sie nicht nur aus einem Mangel an der ursprünglichen Gerechtigkeit besteht, sondern aus einem bösen Antrieb, der schlechte Früchte erzeugt. Die Glaubenden (5) schließlich wehren sich zwar gegen diesen Antrieb, scheitern aber immer wieder. Abel schließt sich hierbei Luthers Interpretation von Röm 7 an und versteht dieses Kapitel als Schilderung des Kampfes zwischen Gut und Böse im Glaubenden. Damit ist für ihn zugleich der Nachweis vorbereitet, dass auch die Heiligen nichts durch ihre Werke für uns Sünder tun können (26). Ehe jedoch diese Folgerungen im Duktus der vom Interim angeschnittenen Themen gezogen werden, vervollständigt Abel seine theologische Grundlegung im Sinne der Wittenberger Theologie. Der Aufweis der Sünden erfolgt durch das Gesetz, bei dem – nach Luther – kurz das officium proprium und das officium civile, nicht aber der Dritte Gebrauch (tertium officium) angesprochen wird, den Melanchthon77 über Luther hinaus entwickelt hat (7). Das Gesetz verdammt den Sünder in seinem eigentlichen oder geistlichen Gebrauch (8). Wer so vorbereitet ist, kann das Evangelium (9) verstehen und seine selig machende Kraft erfahren (10), die Gott allein durch die Rechtfertigung (11) hervorbringt, indem der Mensch von ganzem Herzen an Gottes Barmherzigkeit glaubt und, ohne etwas durch Werke hinzufügen zu wollen, sich auf seine Zusage verlässt. Gleichwohl bringt dieser Glaube aus dankbarer Liebe zu Gott gute Werke hervor (12). 77
Loci 1535 CR 21, 405 .
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Damit hat Abel den Kern der Rechtfertigung aus Glauben so dargestellt, dass damit die eigentliche sacra res facta klar erfasst ist. Dieser Begriff kommt zwar erst später bei der Sakramentslehre explizit vor, wird aber hier der Sache nach gebildet. Zugleich hat Abel damit das gedankliche Werkzeug bereitgelegt, mit dem er nicht nur die Rechtfertigungslehre des Interim (13.14), sondern auch dessen Lehre von der Kirche, den Sakramenten und den Zeremonien beurteilen und widerlegen kann. Wie im Interim beginnt Abel anschließend mit der Lehre von der Kirche (15) einen neuen Zusammenhang. Erstens, die Kirche ist nicht nur in Rom beim Papst, sondern überall. Zweitens ist sie eine Versammlung, die mit Christus verbunden ist und durch ihn von der Sünde befreit wird. Als Kennzeichen der Kirche (16) bejaht Abel mit Interim 10 die heilsame Lehre und den rechten Gebrauch der Sakramente, lässt aber den Nachdruck auf die Einheit und die durch die Sukzession gesicherte Apostolizität beiseite und fügt statt dessen als drittes Kennzeichen das gute Leben der Prediger hinzu. Die Vollmacht der Kirche zur Schriftauslegung (17) wird abgelehnt, wobei die herkömmliche Siebenzahl der Sakramente (18) als Beweis für die Schriftferne des Papsttums dient. Als Sakramente anerkennt Abel – mit Luther und gegen Melanchthon – nur Taufe und Herrenmahl (19). Dagegen werden Ordination (20), Firmung und Ölsalbung ausdrücklich abgelehnt (21). Das Messopfer (22) erhält einen eigenen polemischen Abschnitt: Beim Herrenmahl wird nichts geopfert, in der Prozession herumgetragen oder angebetet, sondern des einmaligen Opfers Christi gedacht. Abel definiert das Sakrament als ein signum sacrae rei factae (Zeichen des heiligen Geschehens). Die Buße (23) gehört für Abel nicht dazu. Auch die Absolution ist kein Sakrament. Zwar ist Buße als Schmerz über die Sünde eine Voraussetzung des Glaubens und die Absolution geschieht auf Grund einer von Gott verliehenen Vollmacht. Dagegen gilt die Definition für die Taufe. Sie ist ein signum salutis, ein Zeichen der Zugehörigkeit zum Reich Gottes. Abel benutzt diese Definition als Argument gegen die altgläubige Sakramentslehre, zugleich aber auch für die Begründung der Kindertaufe (24). Bei der Frage nach dem Glauben der Kinder (24 c) tut sich Abel schwer; er scheint sich hier mit den einschlägigen Äußerungen Luthers auseinanderzusetzen, die er freilich nicht endgültig beurteilen will. Die Unmöglichkeit überpflichtiger Werke (25) dient der Bestreitung der Anrufung der Heiligen (26)78. 78
Der heute im Landesmuseum Oldenburg aufbewahrte Reliquienschrein aus Wiarden (Kroesen / Steensma, Kirchen 1534–155) stand damals mit seinen zahlreichen Heiligendarstellungen mit Sicherheit noch im Altarraum der St. Cosmas- und Damiani-Kirche und bildete einen anschaulichen Hintergrund für Abels Auffassung.
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Obwohl das Interim den Begriff des Fegefeuers (purgatorium) meidet und die Sache höchstens damit anspricht, dass die Abgeschiedenen nicht ausreichend gereinigt (emundati et purgati) sein könnten und deshalb auf die memoria angewiesen sind (Interim 24/129; 26/139), widmet Abel diesem Thema einen langen Abschnitt (27). Sein Interesse ist dabei nicht deutlich erkennbar, könnte aber darin bestehen, dass er in der Gemeinde mit dieser Frage noch zu tun hat. Einen eigenen Abschnitt erhält auch der Sabbat (28), obwohl das Interim im Kapitel über die Zeremonien die Feiertagsfrage nur als eine unter vielen anspricht79. Im übrigen waren die Zeremonien im Alten und Neuen Testament ehemals notwendig, sind es aber heute nicht mehr, es sei denn um die Ehrfurcht vor den Sakramenten auszudrücken. Wenn es jedoch um die Kraft der Sakramente geht – so versteht Abel die Wendung in der Überschrift: de usu sacramentorum – so sind die Zeremonien zwar nicht schädlich, haben aber keine sakramentale Wirkung. Diese gleichmütige Beurteilung zeigt, dass im Jeverland über die Adiaphora noch kein Streit zu merken ist. Über die Gestaltung des kirchlichen Lebens in Wiarden kann man Abels Bekenntnis entnehmen, dass die Reformation nach Wittenberger Vorbild vollständig durchgeführt ist. Dass die Buße nicht als Sakrament gewertet wird, dürfte in der Praxis kaum hervorgetreten sein, da Abel bei der Einzelbeichte – die er ohne Zweifel wie im Jeverland auch sonst gebräuchlich bei der Zulassung zum Abendmahl verlangt – die Handauflegung übt (29 d). Allerdings zielt diese Argumentation gegen die Sakramentalität der Buße nicht nur auf die Altgläubigen, sondern auch auf Melanchthon, der die Dreizahl der Sakramente vertritt und damit das Jeverland stark beeinflusst. Die gründliche Besprechung der Kindertaufe (24) und des Feiertagsgebotes (28) könnten darauf hinweisen, dass Abel sich täuferischer Einflüsse zu erwehren hatte und dass es für ihn schwierig war, in der Gemeinde eine neue Sonn- und Feiertagssitte zu begründen. Auch die verhältnismäßig langen Ausführungen zum Messopfer (22) und zum Fegefeuer (27) könnten als Indiz für ein Nachwirken der altgläubigen Frömmigkeit gewertet werden.
E 09. Jacobus Theodorici (Oldorf) 1. Biografisches Auf dem quer gefalteten Blatt Seite 448 des Manuskripts, das offenbar dem Bekenntnis als Umschlag diente, steht als eigenhändiger Titel Haec 79
Interim 26/137.139: horae canonicae an Sonntagen; Interim 26/139: dominica dies.
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sunt testimonia fidei et doctrinae Jacobi pastoris oldorpiae etc. Am Ende von Teil (A), der das eigentliche Bekenntnis umfasst, lautet die Unterschrift: Jacobus theodorici Pastor oldorpius. Jacobus führt also keinen Familiennamen, sondern den Namen seines Vaters Theodoricus80, der im Jeverland mehrfach vorkommt, so dass eine Zuordnung zu einer Familie schwierig ist. Auch das Geburtsjahr kennen wir nicht. Das Bekenntnis zeigt, dass Jacobus mit dem Lateinischen keine Mühe hat und sich gewandt ausdrücken kann. Er bewegt sich sicher im reformatorischen Gedankengut, liebt logische Beweise und zitiert gerne und ausführlich die Bibel und die Kirchenväter. Ohne ein Studium ist dies alles nicht denkbar. Die Schwierigkeit beim Umgang mit griechischen Fremdwörtern (chatolica statt catholica, praedobaptisma statt paedobaptisma, tezaurus statt thesaurus) lässt aber erkennen, dass ihm das Griechische nicht vertraut ist. Vermutlich währte sein Aufenthalt an einer artistischen Fakultät nur kurz. Das Jahr seines Amtsantritts in Oldorf81 ergibt sich aus der Nachricht, dass dort bis 1548 noch ein Pastor Hinrich tätig war82. Das im 15. Jahrhundert belegte Vikariat bestand inzwischen angesichts der Kleinheit der Gemeinde mit Sicherheit nicht mehr. Jacobus könnte also im Herbst 1548 in Oldorf Pfarrer geworden sein. Da sein Nachfolger 19. Rodolphus Frisius (ursprünglich Vikar in Schortens) im Jahr 1576 die Hamelmannsche Kirchenordnung als Pastor von Oldorf unterschrieb, endete spätestens in diesem Jahr der Dienst von Jacobus. Daraus lässt sich schließen, dass er sein Bekenntnis als noch relativ junger Mann geschrieben hat. Jacobus war bei der ersten Versammlung der Bischöfe, d. h. der Pastoren des Jeverlandes am 12. November nicht anwesend. Bei dieser Formulierung übernimmt er den Sprachgebrauch der Augsburgischen Konfession, die in Art. 2883 von der Identität des Pfarramts mit dem Bischofsamt ausgeht. An der zweiten Versammlung (3. Dezember) dagegen hat er offenbar teilgenommen und nach Ausweis von Datum und Unterschrift an diesem Tag den Teil A seines Bekenntnisses abgegeben. Anschließend scheint er den Teil (B) verfasst, mit Jahresangabe und Unterschrift gezeichnet und nachträglich eingereicht zu haben. 80 Ähnlich ist die Namensform, die Remmer von Seediek gebraucht: Reymarus Theodorici OUB 6, 518. – 1521 studierte in Wittenberg Theodoricus Henrici de Geffer (Album 108; nicht bei Sichart), der altersmäßig der Vater von Jacobus gewesen sein könnte. Auch die Verwandtschaft mit dem Pfarrer und Notar Theodericus Kremer, Pfarrer und Notar in Wiarden, ist in Erwägung zu ziehen; vgl. Lönnecker, Notare 96. 81 Bau- und Kunstdenkmäler 234–238. 82 Goens, Kirche 73. 83 BSLK 129, 13 .; 29 .
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Beim späteren Ordnen der Einzelblätter wurde das letzte Blatt von Teil (A) (Seite 447) an den Schluss von Teil (B) gelegt, so dass auch die Blattzählung in Unordnung geriet. 2. Überblick über das Bekenntnis (A) Bekenntnis (1) Brief an die Beamten der Kanzlei (Anfang) (2) Gott (3) Erschaffung des Menschen und Sündenfall (4) Verheißungen im Alten Testament (5) Gesetz (6) Christus (7) Glaube, Geist, Liebe und Gerechtigkeit (8) Gute Werke (9) Gericht (10) Ewiges Leben (11) Brief an die Beamten der Kanzlei (Schluss) (B) Stellungnahme zum Interim (12) Kirche (Interim 9) (13) Kennzeichen der Kirche (Interim 10) (14) Wahre und gemischte Kirche (Interim 9) (15) Sakramente (Interim 14) (a) Sichtbare Form der unsichtbaren Gnade (b) Drei Sakramente (c) Zeichen und Wort (16) Taufe (Interim 15) (a) Wasser und Wort (b) Sündenvergebung (c) Geistverleihung (d) Bruch des Taufbundes durch Rückfall in die Sünde (e) Vollendung der Taufe im Reich Gottes (17) Kindertaufe (a) Einwände der Wiedertäufer (b) Der Glaube der Kinder (erster logischer Beweis für die Kindertaufe) (c) Allgemeines Taufgebot (d) Kindertaufe bei den Aposteln (e) Die Universalität der Verheißung (zweiter Logischer Beweis für die Kindertaufe) (f) Beweis aus dem Alten Testament (g) Kindersegnung
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(18) Schlüssel der Kirche (Interim 17) (a) Die drei Schlüssel der Kirche (b) Geordnete Predigt des Evangeliums (erster Schlüssel) (c) Sakramentsverwaltung: Taufe und Buße (zweiter und dritter Schlüssel) (19) Abendmahl (Interim 18) (a) Wahrer Leib und wahres Blut Christi (b) Stärkung für das christliche Leben in Zeit und Ewigkeit (c) Christus als Gastgeber (d) Eucharistie kein gutes Werk, sondern Geschenk der Vergebung (e) Häufigkeit des Abendmahls (f) Würdigkeit und Unwürdigkeit beim Abendmahl 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Jacobus hatte zunächst offenbar keine Möglichkeit, sich ausführlich mit dem Interim auseinanderzusetzen. Auch besaß er nicht die Informationen, die bei der ersten Pastorenversammlung am 12. November 1548 in Jever gegeben worden waren. Trotzdem versucht er, der Aufforderung der Kanzlei nachzukommen, indem er von den vier gestellten Aufgaben die zweite angeht und (A) das Bekenntnis seines Glaubens und seiner Predigt vorlegt. Bei der Versammlung vom 3. Dezember 1548 erhielt Jacobus offenbar eine genauere Vorstellung sowohl vom Interim als auch von den Aufgaben, die die Kanzlei den Pastoren aufgegeben hatte, so dass er sich erneut an die Arbeit machte und den Teil (B) so zeitig ablieferte, dass Hermannus Heronis ihn bei der Abschrift noch berücksichtigen konnte. Ein Exemplar des Interim stand ihm wohl auch jetzt nicht zur Verfügung, wohl aber eine Liste der Kapitelüberschriften. Dieser zweite Teil (B) lässt sich als Äußerung zum Interim im Sinne der ersten Aufgabe verstehen, wobei aber auch die dritte Aufgabe mit einer ausführlichen Sakramentslehre berücksichtigt wird. Die vierte Aufgabe betreffend die Zeremonien kommt implizit darin zum Zuge, dass bei der Taufe und beim Abendmahl liturgische Einzelheiten mitgeteilt werden. Das Bekenntnis seines Glaubens und die theologischen Leitgedanken seiner Predigt (A) gibt Jacobus nicht durch eine Paraphrase der altkirchlichen Texte, sondern durch die kurze Darlegung der reformatorischen Soteriologie, die er durch Hinweise auf Bibelstellen84 begründet: Gott (2), 84 Meist zitiert Jacobus nur die Versanfänge mit Stellenangabe. Im Alten Testament folgt er im allgemeinen der Vulgata. Im Neuen Testament nimmt er auch Erasmus hinzu.
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Schöpfung und Sündenfall (3), die alttestamentliche Verheißung (4), das zwischenzeitlich erlassene Gesetz (5) und die Austeilung der Gnade durch Christus (6). Der Glaube rechtfertigt, bringt den Geist mit sich (7) und sorgt für gute Werke (8). Gericht (9) und ewiges Leben (10) beschließen den heilsgeschichtlichen Aufriss. Obwohl die Abschnitte (3) bis (8) faktisch eine Stellungnahme zum Interim bieten, gibt es doch keinen Hinweis, dass Jacobus dessen Eingangskapitel vor Augen hat. Auf diesen Aufriss der reformatorischen Theologie stützt er sich auch bei der Darlegung seiner Beurteilung des Interim (B), die mit der Lehre von der Kirche einsetzt, um dann zu den Sakramenten überzugehen. Hier zitiert er nicht nur die Bibel, sondern nun auch auffällig häufig die Kirchenväter. Dies geschieht gleich bei der Lehre von der Kirche (12) und ihren Kennzeichen (13). Die Kirche ist gemischt (14) aus den lebendigen Gliedern der wahren Kirche einerseits und aus den Ungläubigen, Verderbten, Häretikern und Sektierern andererseits, die beim Jüngsten Gericht ausgeschieden werden. Wie das Interim geht auch Jacobus von der Kirchenlehre zur Sakramentslehre über. Das Sakrament definiert er mit Augustinus als Zeichen einer heiligen Sache (sacrae rei signum) (15). Im Unterschied zu anderen biblischen Verknüpfungen von Zeichen und Verheißung gelten als christliche Sakramente nur diejenigen, die ausdrücklich eingesetzt sind und bei denen die Sündenvergebung verheißen wird. Aus dieser Definition ergeben sich wie bei Melanchthon (CR 21, 470) drei Sakramente: Taufe, Altarsakrament und Lossprechung von der Sünde. Die Taufe (16) nimmt die Sünde weg und gebiert den Menschen neu aus dem heiligen Geist. Sie ist heilsnotwendig (e). Besonders am Herzen dabei liegt Jacobus die Begründung der Kindertaufe (17). Sie bildet keinen Streitpunkt mit dem Interim, kann aber als Indiz verstanden werden, dass Jacobus in seiner Gemeinde versuchen musste, Taufgesinnte in die Kirche zurückzuführen. Als ersten Beweis (b) baut er nach den Regeln der philosophischen Dialektik aus biblischem Stoff einen logischen Schluss auf, mit dem er die täuferische Bestreitung des Kinderglaubens bündig widerlegt. Auf das Notwendige reduziert lautet der Syllogismus85 folgendermaßen: 85
Um die Stringenz der logischen Schlussfolgerung zu erhärten, fügt Jacobus noch hinzu, dass sie dem Schema Darii folgt. Bei diesem Fachbegriff aus dem logischen Schulbetrieb kommt es nicht auf die Wortbedeutung an, sondern auf die Vokale in den drei Silben. Der Vokal a bezeichnet einen allgemeinen bejahenden Satz, der Vokal i einen partikularen bejahenden Satz. Der oben nach dem Schema Darii ausgeführte Syllogismus besteht demnach aus einem allgemeinen bejahenden Obersatz, einem partikularen bejahenden Untersatz (da nicht alle Kinder Subjekt sind, sondern nur die zu
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Einleitung in die einzelnen Texte
Obersatz:
Alle Gott Gefallenden sind Glaubende. (Grund: Hebr 11, 6) Untersatz: Die zu Christus gebrachten Kinder sind Gott Gefallende (Grund: Mk 10, 14) Schlussfolgerung: Die zu Christus gebrachten Kinder sind Glaubende.
Damit ist bewiesen, dass kleine Kinder glauben können. Ein zweiter Beweis (c) folgt aus der Universalität des Taufbefehls Mt 28, 19, ein dritter (d) aus dem apostolischen Alter der Kindertaufe. Ein vierter Beweis (e) erhält wieder die Form des Syllogismus und lautet im Kern so: Obersatz: Alle, die die Gnadenverheißung empfangen, sind zu taufen. Untersatz: Kinder empfangen die Gnadenverheißung. Schlussfolgerung: Kinder sind zu taufen.
Einen fünften Beweis (f) leitet Jacobus aus der Typologie der alttestamentlichen Beschneidung ab, einen sechsten (g) aus der Kindersegnung (Mk 10, 13–16). Dass Jacobus die Taufe nachträglich unter die Schlüssel der Kirche einordnet, geht wohl auf Artikel 28 der Augsburgischen Konfession86 zurück (a). Danach ist die Predigt des Evangeliums der erste Schlüssel (b), die Taufe der zweite, Beichte und Buße der dritte (c). Als letztes Thema behandelt Jacobus das Altarsakrament (19). Dass der wahre Leib und das wahre Blut Christi unter Brot und Wein gereicht werden (a), ist für ihn so selbstverständlich, dass die anderen Auffassungen schon gar nicht mehr erwähnt werden, ebenso dass das Altarsakrament als Speise zum ewigen Leben dient (b). Christus selbst ist der Gastgeber (c). Durch die Teilnahme wird nicht etwa ein verdienstliches Werk verrichtet, sondern die Sündenvergebung empfangen (d). Trotzdem sollte man sich gedrängt fühlen, häufig zu kommunizieren (e). Unwürdige sind vom Abendmahl fernzuhalten (f). Deswegen lässt Jacobus niemanden zu, ohne zuvor in der Beichte nach dem Verständnis der Eucharistie, nach dem Sündenbewusstsein und nach dem Vergebungsglauben gefragt zu haben. Eine Polemik gegen das Messopfer fehlt, da sie offenbar gar nicht mehr erforderlich ist.
Christus gebrachten) und einer wiederum partikularen bejahenden Schlussfolgerung. – Melanchthon, Erotemata dialectices CR 13, 606 . – Reisch, Margarita Lib. 2, Tract. 4, Cap. 5. 86 BSLK 121, 12–17.
E 10. Cornelius Falconissa (Westrum)
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E 10. Cornelius Falconissa (Westrum) 1. Biografisches Cornelius tho westrum87 bezeichnet sich der Verfasser des Bekenntnisses selbst. Für sein Amt benutzt er das ungewöhnliche Wort Seher, das er dem Alten Testament entnommen hat, wo die ältesten und geehrtesten Propheten diesen Titel führen. Der pathetische Stil des Sehers durch Gottes Gnade zu Westrum (Überschrift und 5 b) wie Cornelius sein Amt versteht, war sicherlich nicht auf das schriftliche Bekenntnis beschränkt, sondern prägte wohl auch seine Predigt. Hauptquelle war für ihn die Bibel, aus der er sein prophetisches Selbstbewusstsein schöpft und die er deshalb auch weitläufig zitiert. In zwei an die Jeversche Obrigkeit gerichteten Briefen88, die sich erhalten haben, nennt er sich Cornelius Falconissa, pastor tho Westrum. Ob Falconissa ein Familienname oder ein friesischer Vatersname ist, lässt sich mangels weiterer Nachrichten schwer entscheiden. Für letzteres könnte die Tatsache sprechen, dass Cornelius im Laufe seines Bekenntnisses Menno Simons als Menno Simonissen (5 c) apostrophiert89. Analog wäre dann Cornelius der Sohn des Falco, lat. Falconis oder Falconissa. Dass das Gewicht auf Cornelius liegt, zeigt noch die Liste von Meene, der den zweiten Namen offenbar ebenso wenig kennt wie Martens90. Herkunft und Geburtsjahr von Cornelius Falconissa sind unbekannt. Meene und Martens wissen von ihm auch nur, dass er sich 1548 zum Interim geäußert hat. Da in Westrum für 1534 noch die Tätigkeit eines Pastor Johann belegt ist91, kann Cornelius erst danach das Amt aufgenommen haben. Dies wiederum scheint erst nach 1540 stattgefunden zu haben, da einer der beiden erwähnten Briefe, in dem Cornelius sich bald nach seinem Stellenantritt über das zu geringe Pfarrstelleneinkommen beklagt, zwar undatiert ist, aber nicht vor 1540 geschrieben worden sein kann92. Gestorben ist Cornelius im Winter 1548/49 bald nach der Niederschrift seines Bekenntnisses. Hermannus Heronis bemerkt nämlich am Ende seiner Abschrift: Hic obiit extremum diem antequam haec scripta perfice87
Bau- und Kunstdenkmäler 289 . OUB 6, 1024. 1095. 89 Eine ähnliche Namensform findet sich bei dem Häuptling von Reepsholt Isbrand Rodolfissone; Salomon, Schortens 30. 90 Meene 131; Martens 102. 91 OUB 6, 754. 92 Der Brief OUB 6, 1024 setzt den Tod Boings von Oldersum November 1540 voraus. 88
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rentur (Dieser starb am letzten Tage, bevor diese Schriften vollendet wurden). Da das Bekenntnis selbst noch feierlich und förmlich abgeschlossen worden ist, kann mit diese Schriften nur die Sammlung der Abschriften gemeint sein. Diese Abschriften müssen aber noch im Winter 1548/49 angefertigt worden sein, da Hermannus in einer weiteren Bemerkung die Vakanz des benachbarten Wüppels festhält, das jedoch spätestens im Frühjahr 1549 durch 22. Antonius Morenanus besetzt wurde. Die beiden erwähnten Briefe, die sich erhalten haben, werfen weitere kleine Schlaglichter auf Cornelius. Der Brief an Fräulein Maria vom Jahresende 154093 bittet angesichts der Kärglichkeit des Pfarrstelleneinkommens um Unterstützung. Da Cornelius in Erfahrung gebracht hat, dass von dem Drosten des Jeverlandes, Boing von Oldersum, kirchliche Grundstücke veräußert worden waren, beantragt er deren Rückgabe. Er appelliert dabei an die Fürsorgepflicht von Fräulein Maria: nademael unse gnedige frouchen Marien nicht allene unse here is, men ock mit uns dersulvigen kappel kappelfrouwe und huishere is (da unsere gnädige Fräulein Maria nicht allein unsere weltliche Obrigkeit ist, sondern auch für uns Patronin und Hausherrin dieser Kapelle ist). Aus dem zweiten Schriftstück vom 5. Mai 154794 geht hervor, dass die Ehefrau von Cornelius in Jever ein Haus besitzt, das aber baufällig ist. Da das Geld zur Wiederherstellung fehlt, will er es verkaufen. Beide Briefe haben zum Hintergrund, dass der Pfarrer der kleinen Gemeinde Westrum, die offenbar bis vor kurzem den Status einer Kapelle besaß, nur über eine sehr kleine Pfründe verfügt. Alle weiteren Informationen müssen aus dem Bekenntnis erschlossen werden. Zwar gibt es dort keine biografischen Exkurse, wohl aber Andeutungen sowie einige stilistische und theologische Eigentümlichkeiten, die auf die sonst unbekannte Lebensgeschichte hinweisen. Stilistisch fällt das ungewöhnliche Pathos auf, das durch eingeschaltete Gebete (Suspirien), Anreden und Appelle, Wiederholungen und Ausrufe, Gesprächsszenen mit Rede und Gegenrede und eindringlichen Ermahnungen an eine leidenschaftlich vorgetragene Predigt erinnert. Von Luthers biblischem Schreib- und Predigtstil ist Cornelius freilich ebenso weit entfernt wie von der klar aufgebauten Rede der Melanchthonschule. Inhaltlich stechen besonders zwei homiletische Stilmittel ins Auge, die in den Bekenntnissen sonst nicht belegt sind: das Akrostichon (4) zum Begriff JNTERJM und die (6) allegorische Auslegung der Susanna-Geschichte aus der Vulgatafassung des Buches Daniel. All dies zusammen legt die Frage nahe, ob Cornelius seine Ausbildung noch vor seiner Zuwendung zur Reformation erhalten hat, was auch (6 e) 93 94
OUB 6, 1024. OUB 6, 1095.
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die Verwendung von Legenden erklären würde, die ihn wider Willen immer noch beeindrucken. Zwar lässt Cornelius durchblicken, dass ihm das Lateinische nicht fremd ist. Außer gelegentlich eingestreuten Begriffen für rhetorische Figuren deutet aber nichts auf ein artistisches Studium hin. Kirchenväterzitate stehen ihm gleichfalls nicht zu Gebote. Sein Denken ist durch fleißiges und wohl langjähriges Bibelstudium bestimmt, wobei er sich hauptsächlich auf die niederdeutsche Ausgabe von Bugenhagen stützt. Die Eigenständigkeit des Denkstils kommt umso stärker zur Geltung, als Cornelius sein umfängliches Bekenntnis offenbar in kürzester Zeit zu Papier gebracht hat. Seine Selbstständigkeit unterstreicht er inhaltlich durch eine deutliche – und für das Jeverland überraschende – Distanzierung von der Autorität Luthers in der Abendmahlslehre (6 f). Auch Luthers Polemik lehnt er ab (6 e). Dies heißt nicht, dass Cornelius gegenüber dem altgläubigen Gottesdienst Sympathie zeigte. Vielmehr verwirft er ausdrücklich das Interim (3 h). Auch läuft seine Abendmahlslehre dem Inhalt nach schließlich auf die Position Luthers hinaus. Dass er jedoch mit Luther selbst ebenso wenig anfangen kann wie mit dessen Gegner Ökolampad, hängt wohl mit seinem uns unbekannten Herkunftsort zusammen, wo es offenbar keinen Einfluss aus Wittenberg gab. Außerdem beseelt ihn ein Selbstständigkeitsstreben, das ihm nur die Unterordnung unter Christus erlaubt. Die stilistische und inhaltliche Besonderheit bündelt sich bei Cornelius darin, dass er sich im Bekenntnis weder altgläubig als Priester noch reformatorisch als Prediger, sondern in alttestamentlich-prophetischem Pathos als Seher bezeichnet95. Zugleich beansprucht er in seinem Verhältnis zu Fräulein Maria und ihren Räten die Autorität, wie sie (2 d) der Hohepriester Hilkia 2Kön 22 gegenüber König Josia geltend gemacht hatte. Mit diesem singulären und übersteigerten Amtsbewusstsein, das zwar nicht im Inhalt, wohl aber in der Form an manche Täuferführer erinnert, steht er im Jeverland allein. Aller Wahrscheinlichkeit nach hängen diese Besonderheiten mit seiner Herkunft zusammen. Er betet für Fräulein Maria mit Worten des Magnifikat, dass Gott große Dinge an ihr tue wie an der Mutter Gottes und fährt fort (2 c): Und das gönne ich niemandem lieber denn Ihrer Gnaden, unter der ich nun lebe als unter meiner Beschützerin der Frommen und Röm 13, 4 als einer Rächerin der Bösen, als einer Dienerin Gottes. Dies klingt so, als habe Cornelius im Jeverland eine Zuflucht gefunden, nachdem er aus seiner 95
Dass auch Johann Bokelson von Leiden, der König des Münsterschen Täuferreichs, sich den Titel Seher zulegte, ist für Cornelius eine Gotteslästerung (6 h am Ende), aber nicht grundsätzlich, sondern nur weil die Täufer zum Schwert gegriffen haben.
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früheren Heimat vertrieben (6 k) worden war. Wenn er beim Thema Abendmahl die Streitsucht der theologischen Gelehrten (Doktoren) geißelt, beklagt er (6 d), dass einer den andern lästert, wo der eine den andern anzeigt bei den Fürsten, um ihn zu vertreiben und zu verjagen, was ihn immer noch in Angst und Bedrängnis bringt. Bei der allegorischen Auslegung der Susannageschichte stehen die Alten jeweils für die Vertreter von falscher Lehre, so etwa für den Papst. Wenn Cornelius schreibt (6 d): Ich habe dem Allerältesten geantwortet und mich losgesagt, dann ist dies eine Andeutung, dass er sich im Streit vom Papsttum getrennt hat. Da dies im Jeverland nicht stattgefunden haben kann, fragt sich, woher Cornelius dann gekommen sein könnte. Bei der Susanna-Allegorese, wo er die Irrlehren über das Abendmahl durchgeht, fällt auf, dass er sich lange bei den Täufern niederländischer Herkunft96 aufhält (Menno Simons, David Joris, Johann von Leiden, Batenburg), während er Karlstadt und Zwingli nicht zu kennen scheint. Deshalb stellt sich die Frage, ob er nicht als Glaubensflüchtling nach seiner Absage an das Papsttum der kaiserlichen Ketzerverfolgung in den Niederlanden ausweichen musste. 2. Überblick über das Bekenntnis (1) Vorangeschickte Bescheidenheitsformel (2) Widmungsbrief an Fräulein Maria und ihre Beamten (a) Anrede und Segen (b) Fräulein Maria hat wie König Josia begonnen, den Gottesdienst zu reinigen (c) Gebet für Fräulein Maria, dass sie es vollenden möge. (d) Der rechte Gottesdienst nach dem geänderten Testament (3) Der rechte Gottesdienst (a) Dreifacher Gottesdienst: am eigenen Leib, am Nächsten, durch das Lobopfer (b) Dieser Gottesdienst ist Christi Testament. (c) Christi Gottesdienst hat den mosaischen Gottesdienst aufgehoben. (d) Wunsch nach Änderung des Gottesdienstes (e) Ironischer Einschub: Untreue Christi? (f) Strafe für Zusätze zum Gottesdienst (Aarons Söhne) (g) Strafe für angemaßtes Amt (Rotte Korach) (h) Antwort auf das abgöttische Interim (4) Der Buchtitel JNTERJM als Akrostichon gedeutet
96 Einzelne niederländische Wörter weisen auch in diese Richtung, so etwa yst (juist) für recht (3 h) oder wetholders für Ratsherren (4).
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(5) Kindertaufe (a) Geborene müssen wiedergeboren werden. (b) Nichts hindert die Kindertaufe. (c) Gegen Menno Simons (6) Herrenmahl (a) Allegorische Auslegung der Geschichte der Susanna (1) (b) Die Weltweisen (c) Die Streithähne (d) Die christlichen Doktoren (Susanna 2) (e) Der Papst und seine Oblatenwunder (Susanna 3) (f) Luther und Ökolampad (Susanna 4 und 5) (g) Täufer: Menno Simons, David Joris (Susanna 6 und 7) (h) Johann von Leiden und das Täuferreich in Münster (Susanna 8) (i) Batenburg (Susanna 9) (k) Der Geist gibt die rechte Deutung des Abendmahls (l) Abendmahlsworte sind verhüllt. (m) Hoffentlich genügt den Beamten Christi Antwort. (n) Christi Gegenwart im Abendmahl (o) Das Gedächtnis der Wunder Christi (7) Nachwort an die Beamten 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Das einzige Buch, das Cornelius mit Sicherheit nicht nur benutzt hat, sondern in dem er sich zu Hause fühlt, ist die Bibel, die er in der von Bugenhagen herausgegebenen niederdeutschen Fassung ausführlich zitiert. Dagegen hat Cornelius offenkundig weder ein Exemplar des Interim noch auch nur die Liste der Kapitelüberschriften zur Verfügung. Allerdings scheint er den Auftrag der Kanzlei mit den vier Fragen vor Augen zu haben. Insgesamt kommt er dem obrigkeitlichen Auftrag dadurch nach, dass er ein umfangreiches Bekenntnis verfasst. Darin behandelt er zur Beantwortung der ersten Frage das Interim, indem er es einerseits mit scharfen Worten als Ganzes verwirft, andererseits aber in seltsamem Gegensatz dazu mit Hilfe des gekünstelten Akrostichons aus dem Namen JNTERJM die reformatorische Rechtfertigungslehre entwickelt. Auch zu den Sakramenten im Sinne der dritten Frage äußert er sich weitläufig. Wahrscheinlich hat ihn die Frage nach den Zeremonien (vierte Frage) dazu angeregt, dem Zusammenhang von Gesetz und Gottesdienst nachzugehen. Es fehlt nur die Antwort auf die dritte Frage nach den Glaubensartikeln. Was den Gottesdienst anbetrifft, scheinen die tragenden Gedanken, die freilich immer wieder in Gefahr geraten, durch die langen Bibelzitate aus
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der Richtung zu laufen, in folgendem zu bestehen. Im Widmungsbrief (2) wird Fräulein Maria gelobt, weil sie die Reinigung des Gottesdienstes angefangen hat und damit dem Testament Christi ähnlich Genüge getan hat, wie König Josia zu seiner Zeit dem Alten Testament. Zwar hat Christus (3 c) im Namen Gottes den Gottesdienst des Mose verändert, der auch von Gott war. Kein Mensch aber – auch der Kaiser nicht – hat das Recht, den von Gottes Sohn eingeführten Gottesdienst zu verändern. Deshalb will Cornelius das Interim nicht annehmen (3 h): Es ist tausendmal schlimmer als das Götzenbild Nebukadnezars (Dan 3). Ganz neu setzt Cornelius (4) mit der reformatorischen Rechtfertigungslehre ein, die er nicht etwa im Gegensatz zum Interim entwickelt, sondern aus den Buchstaben dieses Begriffs selbst, wozu ihm die in der akrostichischen Auslegung erlaubte Willkür jede Freiheit gewährt. Die Erzählung Joh 11, 49–52 von dem Hohepriester, der gegen seinen Willen die Wahrheit prophezeit, muss als Begründung dafür dienen, dass das Interim im Widerspruch zu seinem Inhalt die reformatorische Rechtfertigungspredigt verteidigt. Denn als Akrostichon ausgelegt bedeutet INTERIM: Justi Non Timebunt Exclamare Redemptorem Justitiam Meam, d. h. Die Gerechten werden sich nicht fürchten, zu verkündigen die Erlösung, meine Gerechtigkeit. Bei seinem Bekenntnis zum (5) Sakrament der Taufe beschränkt sich Cornelius auf das Thema Kindertaufe. Er verteidigt sie vor allem gegen Menno Simons, wobei er sein Hauptargument aus Joh 3, 5 schöpft: Weil die kleinen Kinder geboren sind und ihnen nach Mt 18, 3 das Reich Gottes gehört, müssen sie auch aus Wasser und Geist wiedergeboren, d. h. getauft werden. Den abschließenden und längsten Teil seines Bekenntnisses widmet Cornelius dem Herrenmahl. Umständlich und pathetisch entfaltet er seine Meinung mit Hilfe einer allegorischen Auslegung der Susanna-Geschichte aus der Vulgatafassung des Buches Daniel. Cornelius selbst sieht sich als Susanna, die von den unterschiedlichsten Alten bedrängt wird: Sie wollen mit Susanna buhlen, d. h. sie wollen Cornelius ihre jeweils eigene Lehre aufnötigen. Susanna aber wehrt sie alle ab: die Weisen dieser Welt, die Gelehrten der Christen (die scholastischen Theologen), den Papst, aber auch Luther und eine Reihe von niederländischen Täufern, bei denen offen bleibt, ob sie zum Herrenmahl überhaupt Stellung bezogen haben. Nachdem die Weisheit der Menschen erschöpft ist, wendet sich Cornelius an den Geist und schließlich an Christus selbst. Dort findet er die letzte Antwort (6 l), nämlich dass nach Joh 6, 68 die Worte des Nachtmahls Worte des Lebens sind. Mit diesem Bekenntnis des Petrus war Jesus zufrieden, sodass die Jeverschen Beamten eigentlich auch damit zufrieden sein müssten.
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In einer neuen Wendung des Gedankens fragt Cornelius die Beamten, ob sie hören wollten, dass im Abendmahl Christus anwesend sei. Dabei argumentiert er so: Entweder ist Christus selbst im Herrenmahl anwesend oder das Herrenmahl gilt dem Gedächtnis des Abwesenden. Er entscheidet sich für das erstere. Allerdings dient das Herrenmahl auch einem Gedächtnis, aber eigentlich nicht dem Gedächtnis Christi, der ja selbst anwesend ist, sondern nach Ps 111, 4 dem Gedächtnis seiner Wunder. Wenn man den Gegensatz von Luther und Zwingli zum Maßstab nimmt – wobei dahingestellt bleiben kann, wieweit Zwingli im Jeverland bekannt war –, dann steht Cornelius faktisch auf der Seite Luthers.
E 11. Petrus Kempis (Pakens) 1. Biografisches Von Petrus Kempis in Pakens97 weiß man nur, was er im Bekenntnis selbst erwähnt. Ob sich der zweite Name vom Herkunftsort oder vom Beruf des Vaters (Kämpe, Kriegsmann) herleitet, oder ob es ein Familienname ist, muss offenbleiben. Petrus Kempis hält es für unnötig, im Sinne der zweiten und der vierten obrigkeitlichen Aufgabe seinen Glauben darzulegen und über die Zeremonien Auskunft zu geben, da er über vier Jahre hinweg in Jever den gekreuzigten Christus gepredigt und gemäß dessen Einsetzung Sakramente und Zeremonien verwaltet hat. All dies ist also in Jever hinreichend bekannt. Der Vorgänger von Petrus Kempis hieß nach Meenes Liste98 Everhardus, über den dann weiter gesagt wird: Er ist der erste, welcher nach Abschaffung des papstthums, das Evangelium hieselbst gepredigt. Liegt nächst dem Chor begraben. Da die Reformation im Jeverland 1532 eingeführt wurde, muss Everhardus in den Dreißigerjahren tätig gewesen sein. Andererseits lebte Petrus Kempis nach Martens99 noch mindestens bis 1584. Berechnet man die Dienstzeit eines Pfarrers mit vier bis viereinhalb Jahrzehnten, dann kann Petrus Kempis wohl nicht viel früher als Anfang der Vierzigerjahre sein Amt in Pakens angetreten haben. Auf jeden Fall gehört er zur Zeit der Abfassung seines Bekenntnisses zur jüngeren Generation. Eigenartig und im Jeverland ungewöhnlich ist es, dass Petrus Kempis nur wenige Bibelzitate bringt und auch diese nicht aus der von Bugen97 98 99
Bau- und Kunstdenkmäler 239–241. Meene 133. Martens 116.
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hagen herausgegebenen niederdeutschen Bibel schöpft. Der Vulgata entnimmt er das lateinische Zitat Ps 119, 46, wobei er den Psalter auf evangelische Weise zählt. Beim Neuen Testament zitiert Petrus Kempis offenbar aus der hochdeutschen Luther-Bibel mit nachträglicher Angleichung an das Niederdeutsche. Die lateinischen Einsprengsel zeigen zwar, dass Petrus Kempis mit dieser Sprache bekannt ist. Da er offenbar ein lateinisches Exemplar des Interim eingesehen hat, ist seine Beteuerung (2), dass er das Interim mit Bedacht gelesen und sehr wohl verstanden habe, auch im Blick auf das Latein ernst zu nehmen. Dasselbe gilt für die Benutzung sowohl der Apologia Confessionis Augsburgicae als auch der Loci theologici Melanchthons, quos ego semper mecum confero (die ich meinerseits immer heranziehe – oder muss man übersetzen: die ich immer bei mir trage?) Allerdings gibt es von beiden Büchern auch im Jeverland deutsche Übersetzungen. Den Besuch einer Lateinschule darf man Petrus Kempis zutrauen. Für ein Studium an einer artistischen Fakultät gibt es keinen Hinweis. 2. Überblick über das Bekenntnis (1) Der obrigkeitliche Auftrag und die kirchliche Einheit (2) Das Interim ist widersprüchlich und damit als Kirchenordnung ungeeignet. (3) Aus vierjähriger Amtsführung in Jever sind Predigtweise und Amtsführung bekannt. (4) Gottesdienstordnung (Pakenser Messe oder besser: Jeversche Messe) 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Petrus Kempis war bei der Versammlung der jeverländischen Pastoren am 12. November 1548 in Jever gegenwärtig (1) und hat von dort die vier Aufgaben mitgenommen, die den Pastoren gestellt worden sind: Jeder Pastor soll auf die Interim genannte Kirchenordnung ein schriftliches Bekenntnis aufstellen, sowie etwas über seinen Glauben, über die Sakramente und über die Zeremonien sagen. Bemerkenswert ist nun, dass Petrus Kempis das Interim als Reformation bezeichnet, d. h. als Kirchenordnung, sich aber vor deren Beurteilung grundsätzlich dazu äußert, dass eine solche um der Einheit des Kirchenwesens willen notwendig ist. Freilich fehlt sie bisher im Jeverland. Er schließt sich damit denjenigen an, die das Interim zum Anlass nehmen, sich über diesen Mangel zu beklagen. Unter dieser Voraussetzung prüft Petrus Kempis (2) das Interim im Sinne der ersten Aufgabe, ob es als Kirchenordnung für das Jeverland
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tauglich wäre, kommt aber zu einem negativen Ergebnis. Es dient nicht der Ehre Gottes, sondern nur der Gotteslästerung. Offenbar hat er das Bedenken Melanchthons100 zur Kenntnis genommen und stellt nun mit diesem die Widersprüche in der Rechtfertigungslehre fest. Eigentlich käme nun die zweite obrigkeitliche Aufgabe an die Reihe: das Bekenntnis des Glaubens. Am Ende von Abschnitt (1) hatte sich Petrus Kempis dazu bereit erklärt, findet nun aber (3), dass dies angesichts seiner allen Lesern in Erinnerung gebliebenen vierjährigen Amtsführung in Jever überflüssig ist. Damit betrachtet er auch die weiteren obrigkeitlichen Fragen nach den Sakramenten und den Zeremonien als beantwortet. Falls dies nicht ausreichen sollte, verweist er auf die Apologie und auf Melanchthons Loci communes. Freilich gibt er im letzten Abschnitt (4) doch noch ein gewichtiges Beispiel für die Zeremonien, nämlich die Liturgie des sonntäglichen Gottesdienstes, wie er ihn hält. Diese sog. Pakenser Messe ist jedoch nicht nur für die Kirche in Pakens und ihren Pfarrer bedeutsam, sondern für die Reformation im Jeverland insgesamt. Denn wie er im voraufgehenden Abschnitt (3) betonte, hat er diese Liturgie aus der Jeverschen Stadtkirche übernommen, da er als Vikar in Jever sich ja liturgisch dem Pastor unterordnen musste. Man müsste eigentlich von einer Jeverschen Messe sprechen. Sie scheint somit die durch Hinrich Kremer vollzogene Messreform von 1527 widerzuspiegeln. Man könnte fragen, warum Petrus Kempis die in Jever wohlbekannte Liturgie hier noch einmal im einzelnen beschreibt. Vielleicht betrachtet er dies angesichts der eingerissenen Uneinheitlichkeit der Gottesdienste im Jeverland als besonders wichtig, dass man in den Dorfkirchen zu der ursprünglichen und maßgebenden Liturgie zurückkehrt, zumal sie im wesentlichen Luthers Deutscher Messe (1526) entspricht101. Psalm lateinisch pro tempore (bei Luther Lied oder deutscher Psalm) Kyrie Gloria (fehlt bei Luther) Kollektengebet Epistellesung Gradualgesang: Psalm oder Sequenz pro tempore [bei Luther deutsches Lied] Evangelium Glaubensbekenntnis
100 101
Dingel, Reaktionen 59–75. Luther, WA 19, 80–102.
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Predigt Präfation lateinisch oder deutsch [fehlt bei Luther] Sanktus Vaterunser Einsetzungsworte Chor: Agnus Kommunion Kollektengebet Segen Entlassung Beim Vergleich mit Luthers Deutscher Messe fallen die lateinischen Stücke ins Auge, wie sie Luther102 nur in stedten da man Schulen hat beibehalten wollte. Für den Gottesdienst in Jever traf dies sicherlich zu, kaum jedoch auf die kleine Gemeinde Pakens. Der Fortgang des Gottesdienstes mit der Präfation nach der Predigt steht unter dem Vorbehalt so dar Communicanten synt. Aus dieser Wendung ist zu erschließen, dass der Kommunion die Beichte vorhergeht, so dass der Pfarrer weiß, ob und wie viele Gemeindeglieder an den Altar treten wollen und welche Anzahl von Hostien und wie viel Wein bereitzustellen ist. Auch diese Beichtpflicht dürfte Petrus Kempis aus Jever mitgebracht haben. Zwar äußert sich der dortige Pfarrer 01. Gerhardus Wandscher nicht dazu, wohl aber 02. Jacobus Franckenberg (11 c).
E 12. Frerick Hilderßen (Waddewarden) 1. Biografisches Im Vergleich zu den spärlichen Informationen bei anderen jeverländischen Pastoren kennen wir im Fall von Frerick Hilderßen, Pfarrer in Waddewarden103, wenigstens einige feste Daten, die uns ein Bild von seinem beruflichen Werdegang vermitteln. Diese Daten sind von ihm nicht zuletzt deshalb tradiert worden, weil zwei seiner Söhne durch ihr ungewöhnliches Schicksal im Gedächtnis geblieben sind. Der ältere, Edo Hildericus (1533–1599)104, wurde nach seinen Studien in Rostock und Wit102
Luther, WA 19, 80. Bau- und Kunstdenkmäler 278–285. – Kroesen / Steensma, Kirchen 30. 104 Eine ausführliche Lebensbeschreibung von ihm gibt Enno Schönbohm, Edo Hildericus von Jever, in: Antje Sander (Hg.), Das Fräulein und die Renaissance. Maria von Jever 1500–1575, Oldenburg 2000, 191–208. Dort 193 und 199 die Angaben über die Familie. 103
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tenberg, wo er sich besonders an Melanchthon und dessen Schülerkreis angeschlossen hatte, schließlich Professor für Theologie in Altdorf. Der jüngere Sohn Christopher folgte dem Vater im Waddewarder Pfarramt und kam 1575 auf tragische Weise ums Leben. Der Verfasser des Bekenntnisses Frerick Hilderßen wurde um 1495 in Esens (Ostfriesland) geboren. Mit 18 Jahren bezog er die Universität Rostock, wo er sich am 29. November 1513 als Fredericus Helderici de Ezensz immatrikulierte105. Die verschiedenartigen Namensformen erklären sich also aus der Tatsache, dass der Vater Helder oder Hilder hieß. In der Rostocker Matrikel steht deshalb der Vatersname im Genetiv. Im Bekenntnis entspricht dem die niederdeutsche Form Hilderßen. Erst in der nächsten Generation bei Edo Hildericus ist aus dem latinisierten Vatersnamen des Vaters ein fester Familienname geworden. Für das Jahr 1516 vermerkt die Universitätsmatrikel für Fridericus Hilderzen die Promotion zum Baccalaureus artium106. Mit diesem Grad wurde in der Regel das Trivium abgeschlossen. Das Fehlen des Magistertitels weist darauf hin, dass Frerick sein Studium nach der damaligen Gewohnheit mit dem Baccalaureus beendete. Vermutlich kehrte er daraufhin in seine Heimat zurück, um dort nach einigen Jahren praktischer Tätigkeit als Famulus bei einem Pastor die Priesterweihe zu erhalten und eine Vikarie zu versehen. Erst im Jahre 1523 begegnet er uns wieder als Pfarrer an der St. Johannes-Kirche in Waddewarden, an der in vorreformatorischer Zeit neben dem Pfarrer zwei Vikare den Altardienst versahen. Eine Reihe von Urkunden aus den Jahren 1533 bis 1549107 zeigen uns, dass Frerick als päpstlicher Notar und als Zeuge oft herangezogen und offenbar sehr geschätzt wurde. Wann Frerick in Waddewarden den Gottesdienst reformiert hat, ist nicht bekannt. Ein Echo darauf ist wohl die Feststellung seines Vikars 13. Memmo, dass er als Mitarbeiter der Waddewarder Kirche gleichfalls mit dabei gewesen sei. Den ihm vertrauten Vulgatatext der Bibel benutzt Frerick weiterhin. Bei den niederdeutschen Bibelzitaten hält er sich meistens an die Bugenhagen-Bibel. Sein Grabstein in der Kirche trägt die Inschrift: Anno Domini 1564 die 18. Januarii obiit Frerich Hillersen, huius ecclesiae pastor ac publicus apostolica autoritate notarius. Requiescat in pace! (Im Jahre des Herrn 1564 am 18. Januar starb Frerick Hilderßen, Pastor dieser Kirche und öffentlicher Notar päpstlichen Rechts. Er ruhe in Frieden!) 105
Hofmeister, Die Matrikel der Universität Rostock, 2, 55. – Lönnecker, Notare 84. 90. 92. 96. 106 Hofmeister, Die Matrikel der Universität Rostock, 2,67. 107 OUB 6, 698. 758. 759. 1027. 1039. 1131. 1133.
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Einleitung in die einzelnen Texte
2. Überblick über das Bekenntnis (1) Glaubensbekenntnis (a) Glaube an den dreieinigen Gott (b) Anrufung Gottes allein durch den Mittler Christus (2) Taufe und Kindertaufe (a) Heilsnotwendigkeit der Taufe (b) Kindertaufe (3) Abendmahl (a) Einsetzung (b) Erlösung durch Vereinigung mit Christus (c) Zeichen der Gnade und Anreiz zur Liebe 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Frerick gibt den obrigkeitlichen Auftrag ziemlich genau wieder: Ein jeder soll sich über den Glauben (2. Aufgabe) und die Sakramente (3. Aufgabe) äußern, wobei er im Zusammenhang des Abendmahls auch die Zeremonien (4.Aufgabe) streift. Das Interim freilich erwähnt er nicht ausdrücklich, widerspricht ihm aber sachlich an jedem Punkt. Es ist nicht erkennbar, ob er in den Text des Interim Einblick genommen hat. Die knappe Art, sich auszudrücken, scheint die Haltung älterer, angesehener und geschäftserfahrener Geistlicher einzunehmen, die sich vorbehalten, sich auf das zu beschränken, was sie als wichtig ansehen. Nach einer summarischen Äußerung (1) zur Trinität in Anlehnung an das Nizänum (a) geht Frerick zu dem für ihn Wesentlichen über: (b) Der Vater ist nicht durch Heilige anzurufen, sondern durch Christus, denn nicht die Messe, sondern Christus ist das Opfer für uns. Das Thema Heiligenanrufung ist auf dem Hintergrund zu sehen, dass Frericks Kirche Johannes dem Täufer geweiht war, dessen Rolle als Fürbitter der Gemeinde in der Halbkuppel der Apsis über dem Altar mit dem Fresko des bekannten Deesis-Bildes bisher stets vor Augen stand108. Das Thema Messopfer ist in Waddewarden dadurch gegenwärtig, dass im Laufe des Spätmittelalters durch Messstiftungen zum Hauptaltar noch zwei Nebenaltäre hinzugekommen sind, an denen zwei Vikare109 zugunsten der Stifter das Messopfer darbrachten. Da es im Jeverland keinen Bildersturm gab, hatte bis 1548 wohl auch niemand diese Nebenaltäre angetastet. Einer der Vikare, Herr Memmo, tat auch weiterhin Dienst an der St. Johanneskirche 108
Kroesen / Steensma, Kirchen 28–30, wobei der Regenbogenthron Christi nicht aus dem Friedensbogen von Gen 9, 13, sondern aus dem Richtstuhl Christi von Apk 4, 2f. abzuleiten ist. 109 Goens, Einziehung 72.
E 13. Memmo (Waddewarden)
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– allerdings nicht als Messpriester, sondern als Zweiter Prediger. Die Abschaffung sowohl der Heiligenanrufung als auch des Messopfers muss die Frömmigkeit der Gemeinde stark verändert haben, so dass es erklärlich ist, warum Frerick sie in den Mittelpunkt seines Bekenntnisses stellt. Bei der Besprechung der Sakramente macht die Taufe (2) den Anfang. Wichtig ist für Frerick (a) die aus den Evangelien bewiesene Heilsnotwendigkeit, die (b) gegen die Wiedertäufer auch bei der Frage der Kindertaufe geltend zu machen ist. Nachdem beim Abendmahl (3) die Stiftung durch Christus (a) mittels der agendarischen Einsetzungsworte belegt ist, erläutert Frerick die Bedeutung. Sie besteht (b) in der Wohltat der gnädigen Erlösung durch Christus. Dass Christus den Glauben in uns weckt, wird zwar auch durch die ausdrückliche Sündenvergebung im Kelchwort begründet, vorher jedoch schon und zwar hauptsächlich durch die Eingliederung in Christus mittels der Gabe seines Leibes. Dahinter steht offensichtlich die mehr an den Kirchenvätern als an der Wittenberger Theologie orientierte Deutung des Abendmahls. Dies schließt jedoch für Frerick (c) ein symbolisches Verständnis nicht aus, indem das Abendmahl Zeichen ist sowohl für Christi Wohltat als auch für die Aufforderung zu Werken der Liebe, die Christi Glieder einander erzeigen sollen. Im Schlusssatz bezeugt Frerick, dass er in der Amtsführung mit seinem Vikar Memmo übereinstimmt.
E 13. Memmo (Waddewarden) Von den beiden Vikarien, die in Waddewarden vor der Reformation bestanden, wurde eine aufgehoben110, während die andere besetzt blieb und nach den neuen kirchenrechtlichen Rahmenbedingungen allmählich in die zweite Predigerstelle umgewandelt wurde. Martens111 registriert Memmo dementsprechend als ersten in der Liste der Waddewarder Unterprediger. Er weiß von ihm nur, dass er zur Zeit der Reformation in Waddewarden wirkte. Dies findet wohl auch Anhalt an Memmos Formulierung, er sei gleichfalls mit dabei gewesen. Denn dies muss sich auf ein bestimmtes vergangenes Ereignis beziehen, das wahrscheinlich in der reformatorischen Erneuerung des Gottesdienstes mit Abschaffung von Messopfer und Heiligendienst besteht. Martens unterschätzt indessen das Bekenntnis Memmos, wenn er meint: Hat 1548 wegen des Interims des Pastors Frerich Hilderssen Glaubensbekänntnis nur unterschrieben. (113) Denn 110 111
Goens, Einziehung 72. Martens 113.
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Einleitung in die einzelnen Texte
so kurz Memmos Äußerung ist, so bestimmt identifiziert er sich mit dem Glauben und der Erkenntnis des ersten Predigers, 12. Frerick Hilderßen, sowie mit der Reformation des Gottesdienstes und teilt dies dem Rentmeister Remmer von Seediek selbstbewusst mit. Gleichwohl geht aus der Kürze de Bekenntnisses hervor, dass Memmo im Unterschied zu den rhetorisch gebildeten Kollegen wenig auf schriftliche Darlegungen erpicht ist. Er gehört sicherlich zu den älteren Geistlichen, die in vorreformatorischer Zeit eine praktische Lehre durchlaufen haben. Offenbar konnte er nach der Priesterweihe in Waddewarden eine Vikarie übernehmen, um als Messpriester tätig zuwerden. Da er die spätestens 1532 durchgeführte Reformation bejahte, konnte er seine Stelle behalten. Seine Unterordnung unter den Pastor drückt Vikar Memmo so aus, dass bei allem Bildungsunterschied eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erkennbar wird, wie sie auch im Schlusssatz des Bekenntnisses von 12. Frerick Hilderßen zur Geltung kommt.
E 14. Henricus Bernardus Tymmermann (Sillenstede) 1. Biografisches Henricus Bernardus Tymmermann kann frühestens 1535 Pfarrer in Sillenstede geworden sein, da dort bis zu diesem Jahr noch ein Herr Greleff nachweisbar ist112. Da es in Sillenstede, wie es die Ziborien der Nebenaltäre zeigen, vor der Reformation mindestens zwei Vikarien gegeben hat, könnte Tymmermann vor seiner Ernennung zum Pfarrer schon Vikar gewesen sein113. Sein Nachfolger Eilardus Röver ist ihm nach Martens114 im Jahr 1573 gefolgt. Es ist jedoch angesichts der Tatsache, dass Tymmermann verglichen mit seinem Vorgänger Greleff in den Urkunden kaum erwähnt wird, sehr fraglich, ob er im gesamten Zeitraum die Pfarrstelle innegehabt hat. Von den sonstigen Lebensdaten und von seiner Herkunft ist so gut wie nichts bekannt. Auffällig ist an seinem Namen, dass er sich in seinem Bekenntnis abweichend vom friesischen Brauch mit zwei Vornamen und einen festen Familiennamen bezeichnet. Dies schloss zwar nicht aus, dass man von ihm als here Henrik pastor sprach115, deutet aber doch auf auswärtige Herkunft hin. Eine sprachliche Besonderheit ist bei ihm, dass sich 112 113 114 115
OUB 6, 783. Bau- und Kunstdenkmäler 263–269. – Kroesen / Steensma, Kirchen 10. 49. Martens 118. OUB 6, 1114 Seite 482.
E 14. Henricus Bernardus Tymmermann (Sillenstede)
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die Verschiebung des Konsonanten G zum J auch im Lateinischen bemerkbar macht: orienalis statt originalis, oder umgekehrt: obdormigemus statt obdormiemus. Die von Tymmermann betont herausgekehrte philosophische Bildung und die Fähigkeit, die zur Erläuterung der Schöpfung herangezogenen spätscholastischen Gedankengänge (1 b) in flüssigem Latein auszudrücken, lassen darauf schließen, dass er an einer Universität zumindest einen Teil des artistischen Studiums durchlaufen hat, wobei dieses aber von Melanchthons Universitätsreform offenbar noch nicht berührt war. Die Vermutung, dass dieses Studium schon einige Zeit zurückliegt und Tymmermann zu den älteren Geistlichen des Jeverlands zählte, wird dadurch noch gestützt, dass er offenbar gewohnt ist, sich auf das Corpus Iuris Canonici zu berufen, und die Kenntnis der dortigen Bestimmungen auch von seinen Lesern erwartet, so dass er sich bei den zitierten Belegstellen nach altem Brauch mit den jeweiligen Satzanfängen begnügen kann. Aus der vorreformatorischen Frömmigkeit wirken bei ihm wie bei anderen älteren Geistlichen die mariologischen Gedanken zur ewigen Jungfrauschaft Mariae nach, nur dass sie bei ihm durch das artistische Studium naturwissenschaftlich angereichert sind. Die biblischen Belege entnimmt Tymmermann der Vulgata, passt sie aber häufig durch kleine Änderungen dem Kontext an. 2. Überblick über das Bekenntnis (A) Glaubensbekenntnis (1) Erster Artikel (a) Schöpfer des Himmels (b) Schöpfer der Materie (Erde) und der Formen (c) Urstand und Sündenfall 2. Zweiter Artikel (a) Christus, Sohn Gottes, der zweite Adam (b) Christus, Sohn der immer jungfräulichen Maria (c) Christus, für uns gelitten (d) Christus, auferstanden und erhöht (e) Christus unser Richter (3) Dritter Artikel (a) Heiliger Geist (b) Kirche und Tempel (c) Sündenvergebung und Taufe (d) Ewiges Leben und ewige Verdammnis
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Einleitung in die einzelnen Texte
(B) Sakramente (4) Taufe und Kindertaufe (a) Taufe durch die Trinität (b) Kindertaufe (c) Gültigkeit der Taufe (d) Notwendigkeit von Glaube und Taufe (5) Abendmahl (a) Einsetzung (b) Zeichen und Pfand der Sündenvergebung (c) Bedeutung des Kelches 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Ohne weitere Einleitung beginnt Tymmermann mit der Beantwortung (A) der zweiten Frage nach seinem Glaubensbekenntnis, um sich dann (B) der dritten Frage nach den Sakramenten zuzuwenden. Die erste Frage nach dem Interim übergeht er stillschweigend, ebenso die vierte nach den Zeremonien. Vermutlich stand ihm weder ein Exemplar des Interim noch eine Liste von dessen Kapitelüberschriften zur Verfügung Aus seinem Schweigen sollte man jedoch nicht auf Sympathie für das Interim schließen, da er dessen Zielrichtung ablehnt. Tymmermann neigt dazu, die Sätze seines Bekenntnisses, die er in Anlehnung an Nizänum, Apostolikum und Athanasianum anordnet, wissenschaftlich anzureichern und mit Schriftworten zu begründen. Bei der Schöpfungslehre (1 a) nimmt er sowohl biblische wie auch aristotelische Anregungen auf, indem er die unterschiedliche Helligkeit der Planeten und Sterne mit Paulus 1Kor 15, 41 sowie mit der philosophischen Lehre von den accidentalischen Formen erläutert. Mit Hilfe der Lehre von materia und forma deutet er (b) die Zusammensetzung des Menschen, der aus Erde und der vernünftigen Seele zuerst in Reinheit gebildet war, dann aber (c) durch das Begehren sich selbst und sein Geschlecht verdarb. Der daraus resultierende Zorn Gottes konnte nur durch den zweiten Adam aufgehoben werden, der (2 a) in Jesus Christus, dem Sohne Gottes erschienen ist. Er ist (b) zugleich Mensch, der durch die bleibend jungfräuliche Maria geboren wurde. Ihre Unberührtheit wird nicht nur durch die traditionelle allegorische Auslegung des brennenden Dornbuschs, des Stabes Aarons und des verschlossenen Tempeltors beim Propheten Hesekiel begründet, sondern auch durch die naturgeschichtliche Analogie des Geierweibchens, mit der schon der Kirchenlehrer Ambrosius argumentiert und die Jungfrauengeburt bewiesen hat. Kreuz (c), Auferstehung (d) und Wiederkunft zum Gericht (e) veranschaulicht Tymmermann durch aneinandergereihte Bibelworte.
E 15. Ubbo (Sillenstede)
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Beim dritten Artikel erläutert er den heiligen Geist (3 a) nur durch zwei johanneische Stellen. Für die christliche Kirche (b) zieht er eine Kette von Bibelstellen zum Wort Tempel heran (c), die sich so lesen, als seien sie aus einer Konkordanz entnommen116. Seine eigene Auffassung vom Wesen der Kirche bleibt freilich unklar. Durch Sündenvergebung und Taufe (c) wird der zweite Teil des Bekenntnisses vorbereitet, durch den doppelten Ausgang der Heilsgeschichte der erste Teil abgeschlossen. Der zweite Teil über (B) die Sakramente behandelt unter mehrfacher Heranziehung des kanonischen Rechts (4) Taufe und Kindertaufe sowie (5) das Abendmahl, deren beider Sinn die Sündenvergebung ist. Die Verbindung zwischen Altarsakrament und Vergebung wird aber nicht durch das Kelchwort geschlagen, sondern gemäß Joh 6, 53 auf den Spuren der Kirchenväter durch das Essen und Trinken von Leib und Blut Christi, wodurch die Erlösung, der Glaube und die Liebe vermittelt werden. Bei der Lehre vom Altarsakrament117 fehlen alle Elemente, die auf ein Messopfer oder auf eine Verdienstlichkeit hinweisen könnten. Auch bei der Deutung des Abendmahls im Sinne der Kirchenväter wird betont, dass die Sünden umsonst wegen Christus vergeben werden (5 b).
E 15. Ubbo (Sillenstede) 1. Biografisches Von Vikar Ubbo ist außer seinem Bekenntnis nichts überliefert. Sein friesischer Name weist darauf hin, dass er aus der Nähe stammt. Die beiden Ziborien an der Ostwand der Kirche118 machen heute noch anschaulich, dass vor der Reformation neben dem Pfarrer zwei Vikare den Messdienst verrichteten. Von diesen beiden Stellen blieb nur die eine erhalten, die Ubbo innehatte und die nach der Reformation dem Unterhalt des Unterpredigers diente, der zunächst noch den Titel des Vicarius führte. Die Entlehnung einzelner Gedanken aus dem Bekenntnis von Pastor 14. Tymmermann lässt ein ähnliches Verhältnis erkennen, wie es zwischen 12. Frerick Hilderßen und Vikar 13. Memmo in Waddewarden bestand. Ubbo hat jedoch den Ehrgeiz, selbst etwas niederzuschreiben. Dies führt ihn freilich an die Grenzen seiner Möglichkeiten. An der Disposition, mit 116
Auf ähnliche Weise scheinen die Ausführungen über den Begriff Kelch (5 c) entstanden zu sein. 117 Beim Kelch (5 c) liegt ihm viel daran, daß calix nicht wie sonst in der Bibel ein tödliches Übel bedeutet, sondern das Blut Christi. Dabei fließt ihm gemäß der mittelalterlichen Konkomitanzlehre neben sanguis auch corpus in die Feder. 118 Kroesen / Steensma, Kirchen 49.
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der Ubbo sich an Tymmermann anlehnt, und aus der ungelenken Darstellung der einzelnen Themen ist zu ersehen, dass Ubbo nur über die einfache Ausbildung des vorreformatorischen niederen Klerus verfügt. Ubbo entschuldigt sich im Einleitungsschreiben wegen einer Verzögerung, wobei nicht ganz deutlich ist, ob er dadurch die Kürze seines Bekenntnisses oder eine verspätete Abgabe begründet. Als Ursache der Verzögerung führt er die Seelsorge bei Kranken und Sterbenden an, was insoweit bemerkenswert ist, als diese Aufgabe des geistlichen Amtes in den übrigen Bekenntnissen nicht thematisiert wird, obwohl sie in der Praxis sicherlich überall vorkam. 2. Überblick über das Bekenntnis (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9)
Einleitungsbrief und captatio benevolentiae Glaube an den Schöpfer der Welt Erschaffung der Engel und des Menschen Sündenfall Versöhnung durch Jesus Christus, das Mensch gewordene göttliche Wort Jesu Taufe, Sakrament der Taufe, Kindertaufe Abendmahl Kreuzigung, Auferstehung, Wiederkunft Schluss des Glaubensbekenntnisses
3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Ubbo beschränkt sich wie Pastor Tymmermann auf die zweite und die dritte Aufgabe, die den Pastoren und Vikaren auferlegt wurden: Er stellt die Artikel seines Glaubens dar (2–5; 8) und fügt dem christologischen Abschnitt (5) die Sakramente Taufe (6) und Abendmahl (7) bei. Das Interim (erste Aufgabe) ist ihm ebenso unbekannt wie Pastor 14. Tymmermann. Auch die Zeremonien (vierte Aufgabe) macht er nicht zum Thema. Beim Schöpfungsglauben (2.3) lässt er sich durch das Apostolikum und die beiden Anfangskapitel der Genesis leiten, fügt aber vor der Erschaffung des Menschen den Fall der Engel ein. Bei der Erlösung durch Christus (5) ist ihm die immerwährende Jungfrauschaft Mariae wichtig. Die Sakramente Taufe (6) und Abendmahl (7) behandelt er nur ganz kurz. Bei der Taufe vergisst er nicht die Kindertaufe, obwohl er die Wiedertäufer nicht erwähnt. Dass er Brot und Wein beim Abendmahl nur als gedechtniß des liues vnn blodes vnses Heren Jesu Christi wertet, ist wohl kaum durch Zwinglianische Vorlieben begründet, da die einschlägigen Kontroversen
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im Jeverland um 1548 noch keine Rolle spielen. Wichtiger scheint Ubbo zu sein, dass Abraham, Isaak und Jakob das Abendmahl durch den Glauben gegessen haben, wie sie auch schon im Abschnitt über die Erlösung (5) auf Christus gehofft haben. Dahinter stehen wohl – wie auch bei seiner Mariologie – Gedankengänge, die ihn schon in vorreformatorischer Zeit bewegt hatten. Indessen gibt es trotz dieser mittelalterlichen Anklänge keinen Zweifel, dass Ubbo fest auf dem Boden der Reformation steht. Beim Abendmahl liegt ihm am Bund und am Gedächtnis, während jeder Gedanke an das Messopfer verschwunden ist. Und wenn es um Hilfe, Trost und Zuversicht geht, dann ist Christus allein sein Fürsprecher, nicht jedoch Maria, an deren immerwährender Jungfräulichkeit er nach wie vor nicht zweifelt, oder sonst ein verstorbener Heiliger (9).
E 16. Martin Fabricius (Cleverns) 1. Biografisches Im Spätmittelalter wirkten an der – wahrscheinlich Petrus und dem Heiligen Kreuz geweihten – Kirche in Cleverns119 drei Geistliche, deren Pfründen jedoch bald nach der Reformation auf die Pfarrstelle zusammengezogen wurden. An die Vikare erinnert nur noch der Lettner, der der Aufstellung von zwei Nebenaltären diente, von denen einer dem süßen Namen Jesu geweiht war120. Martin Fabricius wird schon 1540 erwähnt und zwar als Magister121. Der Ort seines Studiums ist nicht bekannt. Immerhin ist er, wenn man von dem ganz anders gelagerten Fall des 22. Antonius Morenanus absieht, der einzige der jeverländischen Pastoren, der diesen akademischen Grad erworben hat. Da für 1533 noch sein Vorgänger, heer Henric pastoer to Cleverens, belegt ist122, muss Fabricius zwischen 1533 und 1540 sein Amt angetreten haben. Da Martin Fabricius anders als im Jeverland üblich neben dem Vornamen einen festen Familiennamen trägt, scheint er von außen gekommen zu sein. Dies trifft sich mit der Tatsache, dass er in seinem Bekenntnis niederländische Wörter gebraucht. Die Bibelzitate schöpft er aus der Bugenhagen-Bibel. 119 Bau- und Kunstdenkmäler 208–212. – Krumwiede, Die mittelalterlichen Kirchen- und Altarpatrozinien 36. – Kroesen / Steensma, Kirchen 10.167. 120 OUB 6, 376. 121 Goens, Kirche 71. 122 OUB 6, 698 Nr. 9.
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Der Magistertitel zeigt, dass Fabricius an einer artistischen Fakultät nicht nur gehört, sondern dass er Trivium und Quadrivium ganz durchlaufen und erfolgreich abgeschlossen hat. In seinem Bekenntnis kommt das Studium in dem Umstand zur Geltung, dass er dort die dialektische Methodus, mit der Begriffe und Gegenstände wissenschaftlich durchgemustert werden, in etwas abgewandelter Form (quid, causa, finis, partes, quomodo o. ä.) auf das Abendmahl anwendet mit dem Ziel, es verständlich und erschöpfend zu behandeln. 2. Überblick über das Bekenntnis (1) Brief an Fräulein Maria (Anfang) (2) Abendmahl. Einleitung und Gliederung in sieben Teile (I-VII) (3) Ausführung in Abänderung der Gliederung (a) Was Christus, das Haupt, befohlen hat (VII) (b) Warum Christus Brot und Wein gegeben hat (V) (c) Wozu das Brot gegeben und warum es Leib Christi genannt wird (VI) (d) Warum Christus seinen Leib unter Brot und sein Blut unter Wein gegeben hat (V) (e) Wie das Abendmahl Christi gehalten wird (II) (f) Was Christus uns damit gegeben hat (III) (g) Wie Christus uns das Sakrament empfangen lässt (Würdigkeit) (IV) (h) Was das Abendmahl für uns bedeutet (I) (4) Brief an Fräulein Maria (Schluss) 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Martin Fabricius umrahmt sein Bekenntnis mit einem Widmungsbrief an Fräulein Maria und ihre Beamten (1. 4), beschränkt sich aber bei der Aufgabenliste auf das Sakrament des Abendmahls. Er ist sich bewusst, dass er noch viel mehr hätte schreiben müssen, entschuldigt indessen diese Unterlassung sowie auch mögliche Missgriffe mit Krankheit (4). Wichtig wäre ihm noch die Taufe gewesen, weil er die Aufgabe sieht, die Wiedertäufer zu bekämpfen (4) und weil er an ihrem Beispiel besonders gut erklären kann, was ein Sakrament ist (3 b). Als theologische Gewährsleute dienen ihm dabei die Kirchenväter (Cyprianus, Johannes Chrysostomus, Augustinus und Bernardus von Clairvaux). Luther dagegen oder Melanchthon zieht er nicht heran. Inhaltlich beschäftigt ihn mehr die Frage, wie und warum Leib und Blut Christi unter Brot und Wein verborgen sind (3 d), so dass das Essen den Christen in den Leib Christi eingliedert (3 h), während die Vergebung ganz zurücktritt.
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Die kurze Frist bis zur Abgabe des Bekenntnisses und möglicherweise auch die Krankheit haben wohl die Folge, dass Martin Fabricius seine ursprünglich geplante Disposition (2) anschließend in der Ausführung stark abändert. Trotzdem sind die üblichen dialektischen Loci, auf die in Klammern hingewiesen wird, auch unter dem niederdeutschen Text (3) noch erkennbar. Allerdings konnte Fabricius den Abschnitt (2) nicht mehr darauf abstimmen. Durch die römischen Zahlen ist angedeutet, wie die Reihenfolge anfangs wohl geplant war. Am Schluss (3 h) bedauert Fabricius die Abweichung von Plan und Ausführung. Fabricius beginnt (3 a) mit der Frage nach dem Prinzip, das er in der Einsetzung durch Christus sieht, klärt dann (3 b) die Ursache (cur warum) der Einsetzung und sucht dabei mit Hilfe von Kirchenväterzitaten am Beispiel der Taufe das Verhältnis von sinnlichem Zeichen und geistlicher Gabe zu klären. Dass das äußerliche Zeichen (Brot) den Namen der geistlichen Gabe (Leib Christi) annimmt (3 c), führt Fabricius in die Nähe von Luthers Lehre von der Synekdoche123, wobei er sich aber dessen wohl kaum bewusst war. Auf jeden Fall aber ist es nicht das Ziel (finis), dass der Leib Christi in kysten casten oder kerken eingeschlossen werden will, womit die Aufbewahrung und Anbetung der geweihten Hostie abgelehnt wird. Das Brot wird Leib Christi genannt, damit unserem Glauben der Leib Christi gegeben werde. Mit Augustinus (3 d) begründet Fabricius in Fortsetzung des vorletzten Abschnitts (3 b), dass uns wegen unserer Krankheit das Sakrament unter Brot und Wein gegeben wird. Er vergleicht (3 e) das von Jesus geleitete Mahl mit dem, was er uns befohlen hat, beantwortet also die Frage nach dem Wie (quomodo) der Austeilung mit Paulus 1Kor 11, 23–25. Auf den Spuren von Augustinus geht er (3 f) auf die Frage ein, was (quid) die Christen im Sakrament gemäß dem geistlichen Verständnis empfangen. Vom Wie der Austeilung ist das Wie (quomodo) des Empfangs zu unterscheiden, was sich nach der Würdigkeit (3 g) in Lebensführung und Glauben bemisst. Wichtig ist für die Kommunikanten vor allem, was das Abendmahl für sie geistlich bedeutet (3 h). Mit den beiden letzten Abschnitten werden die Fragen formuliert, wie sie beim Beichtgespräch vor der Zulassung zum Abendmahl gestellt werden müssen. Dass Fabricius die Bedeutung des Abendmahls zusammenfassend in der Erneuerung des Todes Christi und in der Teilhabe am Leib Christi sieht, lässt deutlich erkennen, wie wenig er sich von den Formulierungen der Wittenberger Theologie leiten lässt. Mit ersterem meint er zwar sicherlich nicht eine unblutige Wiederholung des Opfers Christi, sondern die Erneuerung von dessen Gedächtnis, da jeder Anklang an ein verdienstliches 123
Luther, Vom Abendmahl Christi 1528, WA 26, 444.
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Messopfer fehlt. Aber seine Formulierung zeigt doch eine Unempfindlichkeit gegenüber den einschlägigen Streitfragen, mit denen die Wittenberger Theologen befasst sind. Etwas anders steht es bei der Teilhabe am Leib Christi, die Fabricius mit den Kirchenvätern betont. Sie hat wenigstens bei Luther einen Anhalt, wird aber unter dem Einfluss der Wittenberger Schultheologie zunehmend an den Rand gedrängt. Vom Interim schweigt Fabricius. Ob er wegen seiner Krankheit die Versammlung der Pastoren im nahegelegenen Jever am 12. November 1548 nicht besuchen konnte und deswegen vom Interim nichts oder nicht viel wusste, muss offenbleiben. Vielleicht ist auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Fabricius sich nicht festlegen will, falls Fräulein Maria und ihre Ratgeber sich trotz der Mehrheitsmeinung der Pastoren zur Annahme des Interim entschließt. Der Satz im Schlussabschnitt des Widmungsbriefes (4) lässt sich so verstehen, dass Martin Fabricius die theologische Entscheidung der Regierung anheimstellt: … wozu da der würdige und hochgelehrte Rat meines gnädigen Fräulein übereinkommt und beschließt, damit stimme ich überein, von ihren Beschlüssen nicht abzugehen bis in den Tod. Falls er tatsächlich aus den Niederlanden kam und im Jeverland Zuflucht fand, ist es verständlich, dass er die glücklich gefundene Anstellung nicht mehr aufs Spiel setzen wollte.
E 17. Johannes Scroder (Sandel) 1. Biografisches Die St. Jacobus geweihte Kirche in Sandel124 gilt zwar als eine der alten Pfarrkirchen des Jeverlandes (Östringen), hat aber im 12. Jahrhundert durch die Ausgliederung von Schortens und später durch die Sturmfluteinbrüche in der Harlebucht einen großen Teil ihres ursprünglichen Pfarrsprengels verloren. Für das kirchliche Leben bedeutet dies, dass es in Sandel neben der Pfarrstelle keine weiteren Pfründen gab. Johannes Scroder war also in Sandel als selbstständiger Pfarrer allein tätig.125 124
Bau- und Kunstdenkmäler 247–249. Hamelmann nennt unter den gelehrten und gebildeten Pastoren, die auf Kosten von Fräulein Maria in Wittenberg studiert hatten, Albertus Sibrandus pastor in Sandel (F6r). Meene (108) und Martens (47) übernehmen diese Information von Hamelmann und lassen Albertus Sibrandus dem Johannes Scroder vorangehen, wobei Meene bemerkt, dass ersterer gleichfalls wegen des Buches interim seine Gedanken habe eröffnen müssen. Es ist jedoch unmöglich, dass es 1548 in Sandel zwei Pastoren nebeneinander gegeben hat. Als Verfasser eines Bekenntnisses kommt in Sandel, wo es nur die eine Pfründe gab, neben Scroder niemand sonst infrage. Hamelmann hatte wahrscheinlich von Abel 125
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Außer der Herkunftsangabe van Osenbrugge ist über Johannes Scroder nichts bekannt. Es muss auch offenbleiben, warum er von Osnabrück ins Jeverland gekommen ist. 1547 musste Bischof Franz von Waldeck seinen Versuch abbrechen, das Hochstift Osnabrück der Reformation zuzuführen und in ein weltliches Fürstentum umzuwandeln; zudem war er 1548 gezwungen, das Interim durchzuführen126. Ob Johannes Scroder in diesem Zusammenhang seine Pfarrstelle in Osnabrück verloren hat und im Jeverland Zuflucht fand, muss offen bleiben. Die Kürze des Bekenntnisses und die Beschränkung auf die Beichtfragen lässt vermuten, dass Johannes Scroder nicht über Kenntnisse aus einem Universitätsstudium verfügt127. 2. Überblick über das Bekenntnis (1) Bekenntnis zu Melanchthons Loci communes, zur Augsburgischen Konfession und zur Beichtpflicht (2) Drei Beichtfragen, die vor der Zulassung zum Abendmahl zu beantworten sind. (a) Erste Beichtfrage nach dem Sündenbewusstsein (b) Zweite Beichtfrage nach Christus, der die Sünde gesühnt und die Gerechtigkeit erworben hat. (c) Dritte Beichtfrage nach Christus als dem einzigen Mittler und Retter
Sibrandi gehört, der 1548 Vikar (2. Geistlicher) in Wiarden war und dort sein Bekenntnis niedergeschrieben hat. Auf ihn trifft auch die Beschreibung als gelehrt und gebildet zu. – Belegt ist, dass ein her Bruno im Jahr1533 pastoer to Sandel (OUB 6, 698, Ziffer 9) war. Es wäre allerdings bei der Häufigkeit des Namens Sibrandus nicht unmöglich, dass im Zeitraum zwischen 1534 und 1547 ein Geistlicher ähnlichen Namens die Pfarrstelle in Sandel innehatte, so dass es zu der Verwechslung kommen konnte. 126 Krumwiede, Kirchengeschichte Niedersachsens 1, 154. – Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 220–224. 127 Dass Johannes Scroder sich an Melanchthons Loci communes hält, ist nicht als Beleg für ein Studium an der Universität zu werten. In der von Hermann Bonnus verfassten Kirchenordnung für die Landkirchen des Stifts Osnabrück (1543) wird zwar den Pfarrern, die zweifellos in der Mehrzahl nur die ältere Form der Ausbildung genossen haben, der Besitz von Melanchthons Loci communes vorgeschrieben. Es bleibt aber offen, ob die lateinische oder die deutsche Ausgabe gemeint ist: Kaster / Steinwascher: 450 Jahre Reformation in Osnabrück 214.
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3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Verglichen mit den vier Fragen, die den Pastoren vorgelegt wurden, antwortet Abschnitt (1) auf die zweite Frage nach dem Glaubensbekenntnis nur ganz summarisch durch die Benennung der Bücher, an die Johannes Scroder sich hält: Melanchthons Loci Communes und die Augsburgische Konfession. Die drei Beichtfragen können als Teilantwort auf die vierte Frage nach den Zeremonien verstanden werden. Auf die erste und die dritte Frage nach dem Interim und den Sakramenten geht Johannes Scroder gar nicht ein. Es ist auch nicht erkennbar, ob er in den Wortlaut des Interim Einblick nehmen konnte128. (2) Die drei Fragen, die er beim Beichtverhör vor der Kommunion zu stellen pflegt, sind Johannes Scroder so wichtig, dass er sie als einzige Illustration des Inhaltes seines Glaubens nacheinander aufführt. Er fragt dabei nicht nach dem Sakramentsverständnis, sondern nur nach dem Sündenbewusstsein (2 a) und nach der Gewissheit der Vergebung durch Christus (2 b). Die dritte Frage (2 c) deckt sich weitgehend mit der zweiten, präzisiert sie aber durch den Ausschluss der Werkgerechtigkeit und des Vertrauens auf die creatur, womit offensichtlich die Heiligen gemeint sind. Alle drei Fragen sind stilistisch so überlegt gegliedert und präzise gefasst, dass sie vermutlich die agendarische Form wiedergeben, die Johannes Scroder im Beichtstuhl zwar benutzt, aber kaum selbst formuliert hat.
E 18. Jacobus Drentwede (Schortens) 1. Biografisches Der Familienname leitet sich wahrscheinlich von dem zwischen Bremen und Diepholz gelegenen Dorf Drentwede her. Für 1466 ist für Hasbergen (heute Stadtteil von Delmenhorst) ein Köter (Kleinbauer, Tagelöhner) dieses Namens nachweisbar. Darin könnte ein Hinweis auf die Familie liegen, aus der Jacobus Drentwede stammt129. Obwohl von ihm kein Geburtsdatum überliefert ist, kann man angesichts seines weiteren Lebensganges annehmen, dass er um 1500 oder kurz davor geboren wurde. Nach der Ausbildung, wie sie für den niederen Klerus üblich war, erhielt Drentwede in vorreformatorischer Zeit zu128
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die anschließend besprochenen Beichtfragen durch den entsprechenden Abschnitt des Interims (Interim 18/86.88) veranlasst worden sind. 129 Asche, Drentwett 10 .; OUB 4, 420.
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nächst eine geistliche Pfründe (wahrscheinlich als Messpriester) an der Marienwallfahrtskirche in Wardenburg130. 1527 stand er als Kaplan – und zugleich wohl auch als Privatsekretär – im Dienste der Gräfin-Witwe Anna von Oldenburg131. Er muss in diesem Jahr miterlebt haben, wie der Stiftsgeistliche und Leutpriester Walter Renzelmann an der St. LambertiKirche in Oldenburg eine lutherische Messreform versuchte, dann aber auf Betreiben der Kanoniker durch Gräfin Anna aus Oldenburg entfernt wurde132. Wann Drentwede auf die Pfarrstelle in Schortens133 berufen wurde, ist unbekannt134. Er starb am 14. Juni 1564 in Schortens135. Es gibt von Drentwede zwei Bildnisse. Die dem Schlossmuseum in Jever gehörige Kopie eines kleinen ovalen Reliefs zeigt sein Brustbild und damit seine Gesichtszüge136. Das Bildnis stammt von Drentwedes Sohn Balduin (1545–1629), der nach Augsburg auswanderte und dort zum Stammvater der Medailleur- und Goldschmiedefamile Drentwett wurde. Das zweite Bildnis ist ein überlebensgroßes Relief auf der Grabplatte aus Sandstein, die ursprünglich das Grab Drentwedes im Altarraum der St. Stephanus-Kirche abgedeckt hatte. Heute ist sie aufrecht an der inneren Ostwand des Chores der Kirche befestigt. Durch die langjährige Benutzung als Bodenplatte wurde die Physiognomie des Toten stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Relief stellt Drentwede in Lebensgröße und vollem Ornat dar137. Das Pfarrhaus in Schortens, das aus dem 16. Jahrhundert stammte und möglicherweise schon von Drentwede bewohnt wurde, fiel im Jahr 1900 dem Abriss zum Opfer. Doch gibt es noch ein altes Foto, das immerhin die Größe des Anwesens und damit eine Vorstellung vom Umfang der durch Drentwede betriebenen Landwirtschaft vermittelt138.
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Ramsauer 244. OUB 3, 420. 132 Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 205 . 133 Bau- und Kunstdenkmäler 250–255. – Kroesen / Steensma, Kirchen 72.169. 134 Das von Ramsauer 193.244 genannte Jahr 1538 ist lediglich daraus erschlossen, dass in diesem Jahr bei der Münsterschen Fehde die Wallfahrtskapelle in Wardenburg zerstört wurde. Außerdem bleibt bei Ramsauer die Tätigkeit Drentwedes im Dienst von Gräfin Anna 1527 unberücksichtigt. 135 Die Inschrift auf seiner Grabplatte lautet: Dominus Iacobvs Drentwe pastor ecclesiae Schortensis et Wardenborgensis obiit diem svvm pridie Viti martyris 1564 Qviescat anima eivs in pace (Herr Jacobus Drentwede, Pfarrer der Schortenser und der Wardenburger Kirche, starb am Vortag des Märtyrers Vitus 1564. Seine Seele ruhe im Frieden). 136 Sander (Hrsg,), Das Fräulein und die Renaissance 168. – Abbildung 6. 137 Nöldeke, Der Schortenser Altar 17; Asche, Drentwett 14. – Abbildung 7. 138 Abbildung 8. 131
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Einleitung in die einzelnen Texte
Dass Drentwede dem Interim gewogen gewesen sei, hat Hamelmann wohl bei seinen Erkundungen in den Jahren 1575 und 1576 im Jeverland erfahren, so dass er in seiner Reformationsgeschichte des Jeverlands schreibt: In besonderer Weise indessen – mehr als andere – begünstigte Jacobus Drentwede, Pastor in Schortens, den interimistischen Aberglauben139. Meene140 äußert sich widersprüchlich. Einerseits folgt er Hamelmann: Dieser war dem Buche interim, da es den Jeveranern publiciret worden, sehr gewogen. Andererseits stellt er im nächsten Satz fest, dass Drentwede noch in der Zeit seiner Tätigkeit in Wardenburg nach dem Vorbild des Oldenburger Reformators Ummius die gereinigte Lehre aus Gottes Wort vorgetragen habe. Martens141 wiederholt diesen Widerspruch, ohne ihn zu erklären. Da Drentwede 1527 im Dienst von Gräfin Anna stand, die die Reformen von Renzelmann und Ummius in Oldenburg bekämpfte, hat er selbst um diese Zeit schwerlich die gereinigte Lehre vertreten. Es muss also offen bleiben, wann Drentwede sich der Reformation angeschlossen hat. Wie er jedoch 1548 zur Reformation stand und wie sich der Widerspruch bei Meene und Martens um diese Zeit ausnimmt, lässt sich aus seinem Bekenntnis mit hinreichender Deutlichkeit erkennen. Drentwede tut sich quantitativ und qualitativ schwer mit dem Schreiben. Mit lateinischen Einsprengseln bringt er gerade 4 ½ niederdeutsche Seiten zuwege142. Übung im Entwerfen thematischer Texte, wie man es schon in der obersten Klasse der Lateinschule lernte, hatte Drentwede offenkundig nie erworben, so dass er seine Sätze zwar mit Würde und mit einem gewissen Pathos, aber doch zugleich stockend und hölzern vorträgt. Die Rechtschreibung wirkt durch die übermäßige Vermehrung der Konsonanten gekünstelt. Nirgendwo verrät Drentwede, dass er theologische Zusammenhänge nach dem Vorbild von Melanchthons populären Lehrschriften aufschlüsseln und wiedergeben könnte. Auch sucht er nicht die Anlehnung an die Kirchenväter. Drentwede gehört offenbar zu jenen Geistlichen, die nach dem Muster des spätmittelalterlichen niederen Klerus ausgebildet worden sind. Um so mehr verdient es Beachtung, dass Drentwede sich an wichtigen Punkten seines Bekenntnisses an Luthers Katechismen festhält. Luther hatte den Kleinen Katechismus gerade auch für die gemeine Pfarrherr und Prediger geschrieben, d. h. für die ungelehrten und ohne Studium ins Amt gekommenen Geistlichen, weil leider viel Pfarrherr fast ungeschickt und un139 140 141 142
Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 159. Meene 109 . Martens 125. 06. Hermannus Heronis legte mehr als das Siebenfache vor.
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tüchtig sind zu lehren143, d. h. zu predigen. Luther berücksichtigt dabei, dass die notdürftig für den Messdienst vorgebildeten niederen Kleriker, die sich der Reformation anschlossen, eine handfeste Anleitung benötigten, mit der sie ihr verstreutes Wissen ordnen konnten und eine Struktur für ihre Predigt und ihren Unterricht an die Hand bekamen. Luthers Absicht lief nicht ins Leere, sondern stieß auf Widerhall. Jacobus Drentwede in Schortens bietet ein anschauliches Beispiel, wie diese Adressaten von Luthers Katechismen Gebrauch gemacht haben. An Drentwedes reformatorischer Einstellung kann also kein Zweifel bestehen144 Nun könnte es aber sein, dass Drentwede zwar nicht durch sein Glaubensbekenntnis, wohl aber durch sein praktisches Verhalten Anlass gab, ihn zu den Befürwortern des Interim zu zählen. Hamelmann145 berichtet von einigen wenigen Pastoren, die sich dem Kaiser und Fräulein Maria willfährig erzeigt hätten. Diese zogen eine weiße Stola an, wenn sie sich zur Predigt und zur Verwaltung der Sakramente anschickten … Aus dem Bekenntnis ist zu Fragen der liturgischen Gewänder nichts zu entnehmen. Auf das 26. Kapitel des Interims Von den ceremonien und gebrauch der sacramenten geht Drentwede nicht ein und äußert sich deshalb auch weder zustimmend noch ablehnend gegen den Satz Die … priesterclaider … soll man in den kirchen halten146. Vermutlich stand ihm auch gar kein Exemplar des Interim zur Verfügung, dessen Wortlaut er hätte entlanggehen können. Um zu klären, was es mit der weißen Stola auf sich hat, sollte man nicht an den Adiaphoristischen Streit denken, bei dem es um die Frage ging, ob der Gebrauch des mittelalterlichen Chorrocks ein Bekenntnisakt sei. Von diesem Streit ist im Jeverland Ende des Jahres 1548 noch nichts zu merken. Dies schließt nicht aus, dass man später im Jeverland die Frontstellung des Adiaphoristischen Streits mit den Bekenntnissen der 21 Pastoren vermischte. Dies konnte umso leichter geschehen, als Drentwede sich auf seiner Grabplatte im Chorrock abbilden ließ. Gehörte Drentwede also zu den Pastoren, die dem Kaiser zuliebe den schwarzen Gelehrtenmantel der Wittenberger abgelegt und bei Predigt und Sakramentsverwaltung den weißen Chorrock angelegt haben? Diesen Schluss sollte man nicht vorschnell ziehen. Erstens, Drentwede hat wohl wie die andern jeverländischen Pastoren aus Gründen der Sparsamkeit die bisherige Amtskleidung weitergetragen. 143
BSLK 501, 4.16 und Anm. 1. – Gleichbedeutend mit der Bezeichnung der gemeinen Pfarrherrn ist die der einfältigen Pfarrherrn, für die das Traubüchlein bestimmt ist BSLK 528. 144 Meine Beurteilung Drentwedes in der Oldenburgischen Kirchengeschichte 229, beruhte noch auf der Sekundärliteratur und ist zu korrigieren. 145 Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 159. 146 Interim 26/136.
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Einleitung in die einzelnen Texte
Analog schreibt die Confessio Jeverensis, die sicherlich schon während des Adiaphoristischen Streits oder sogar nach ihm verfasst wurde, bei der Verwaltung des Herrenmahls sogar die Kasel vor147. Zweitens, Hamelmann berichtet ausdrücklich, dass die jeverländischen Geistlichen, die im Sinne des Interim dem Kaiser und Fräulein Maria gefallen wollten, zur Predigt und Sakramentsverwaltung eine weiße Stola angelegt hätten. Hamelmann spricht nicht von einem weißen Chorrock. Da er lange genug als altgläubiger Priester tätig war, kannte er sich in Fragen der liturgischen Gewänder aus und konnte einen Chorrock von einer Stola unterscheiden148. Auf Drentwedes Grabplatte fehlt aber jede Andeutung einer Stola. Trotzdem kann Hamelmann so verstanden werden, dass Drentwede zu denen gehörte, die zu Ende des Jahres 1548 ihre Stola wieder hervorholten. Hamelmann sagt es zwar nicht ausdrücklich, legt es aber dadurch nahe, dass er Drentwedes Begünstigung des Interim unmittelbar an den Satz über die weiße Stola anschloss. Vielleicht leistete auch Drentwedes Bildnis auf der Grabplatte zu einer späteren Zeit, in der der Chorrock in Abgang gekommen war, der Deutung Vorschub, dass Drentwedes Sympathie für das Interim sich mit der Rückkehr zu den alten Gewändern verband. Einen Hinweis zur Lösung der Frage enthält vielleicht Hamelmanns Bemerkung, dass das Anlegen der alten Gewänder auf der Willfährigkeit nicht nur gegenüber dem Kaiser, sondern auch gegenüber Fräulein Maria beruhte. Möglicherweise wollte Drentwede seiner bedrängten Herrin helfen, vor einem unvermuteten Brüsseler Visitator wenigstens in Schortens den Anschein des altgläubigen Kirchenwesens zu erwecken.
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S. unten 22. (33). Der Chorrock ist ein langes, faltenreiches Leinengewand, das über dem wärmenden Pelz ungegürtet getragen wurde (superpelliceum, rochettum). Auf Drentwedes Grabplatte ist der Chorrock deutlich zu erkennen. Die Ärmel sind oben aufgeschlitzt, so dass die Arme nach vorne durch die Schlitze aus dem Chorrock hinausgeschoben werden und die Hände unbehindert bleiben. Die funktionslosen überlangen Ärmel hängen hinter den Armen nach unten und enden unterhalb des Saumes des Chorrocks. Vgl. Braun, Die liturgische Gewandung 126.145, Bild 60. – Paul Drews, Der evangelische Geistliche 38 . – Die Stola dagegen war auch um die Mitte des 16. Jahrhunderts ähnlich wie heute ein etwa 10 cm breiter und knapp 3 m langer Stoffstreifen, der über Nacken und Schultern gelegt mit beiden Enden über die Brust nach unten hing und dem Amtsträger bei der Weihe überreicht worden war; Braun, Die liturgische Gewandung 562 . 595–599. 148
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2. Überblick über das Bekenntnis (1) (2) (3) (4)
Einleitung Trinität Der Erste Glaubensartikel Der Zweite Glaubensartikel (a) Christus wahrer Gott und wahrer Mensch (b) Erlösung durch den Tod Christi (Hauptartikel) (c) Keine Genugtuung durch Werke (5) Der Dritte Glaubensartikel (6) Kirche (7) Kennzeichen der Kirche (8) Taufe als Sakrament (9) Altarsakrament (10) Schluss 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Drentwede beschränkt sich in seinem Bekenntnis auf die zweite und dritte obrigkeitliche Aufgabe: das Glaubensbekenntnis (2–7) und die Sakramente (8–9). Den Inhalt des Interim, auf das er hätte sein Bekenntnis beziehen sollen, streift er nur beim Thema Kirche. Er fängt mit der Dreifaltigkeit an, deren drei Personen er die Tätigkeiten der Schöpfung, der Erlösung und der Heiligung zuweist, wobei er Formeln von Luthers Kleinem und Großem Katechismus in starker Vereinfachung verwendet. Beim Zweiten Artikel (4) legt er Wert auf die Zweinaturenlehre (a), erklärt aber die Erlösung durch das Leiden Christi zum Hauptartikel (b), aus dem er dann die Ablehnung der Werkgerechtigkeit herleitet (c). Der Dritte Artikel (5) enthält auch die Lehre von der Kirche, die als Versammlung der gläubigen Christen (6) definiert wird, kenntlich am Wort Gottes und den zwei Sakramenten Taufe und Abendmahl, wie sie aus Luthers Katechismen zu entnehmen sind. Den personalen Charakter der Kirche beweist Drentwede auf ungewöhnliche Art mit der Vulgataversion von Num 20, 4, wo der Begriff ecclesia auf das Gottesvolk angewandt wird. Die Heranziehung dieser entlegenen Bibelstelle ist jedoch kein Anzeichen einer altgläubigen Auffassung von der Kirche, sondern umgekehrt der Beweis, dass die christliche Kirche nicht … die römische Kirche sei. Von einer Messopferfrömmigkeit fehlt jede Spur, was bei einem Geistlichen bemerkenswert ist, der seine Berufslaufbahn als Messpriester an einem Marienwallfahrtsort begonnen hatte. Hamelmanns Satz, dass Drentwede den interimistischen Aberglauben begünstigt habe, trifft nach der näheren Analyse seines schriftlichen Be-
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Einleitung in die einzelnen Texte
kenntnisses nicht zu, sondern beruht offenbar auf dem Ruf, in dem er drei Jahrzehnte später in der Jeverschen Erinnerung stand. Drentwede bejaht ausdrücklich die Erlösung rein aus Gnaden ohne die Werke, die Kirche als personale Versammlung der gläubigen Christen und die Beschränkung der Sakramente auf Taufe und Abendmahl. Sein Bekenntnis, das Luthers Kleinem Katechismus folgt, stimmt eher mit der bei Meene und Martens festgehaltenen Information überein, dass Drentwede die gereinigte Lehre aus Gottes Wort vorgetragen habe.
E 19. Rodolphus Frisius (Schortens) 1. Biografisches Da149 der Verfasser im Manuskript seinen Namen nicht selbst geschrieben hat, setzte ihn Hermannus Heronis über die offizielle Abschrift: Rodolphus Frisius apud Schortenses Vicarius. Zwar vereinfachen ihn Spätere zu Rudolfus. Da aber die Abschrift es mit den Namensformen genau nimmt, wird ihr auch hier zu folgen sein. Über die Herkunft von Rodolphus ist nichts bekannt. Dass er sich mit zweitem Namen Frisius nennt, erscheint für einen Jeverländer selbstverständlich und damit überflüssig zu sein, zumal sein Sohn sich wieder nach friesischer Sitte Edo Rudolphi nennt150. Daraus ist zu erschließen, dass bei Rodolphus der zweite Name noch kein Familienname ist. Vielleicht hat Rodolphus den Zunamen Frisius von auswärts mitgebracht, wo die Herkunftsbezeichnung – etwa in Universitätsmatrikeln – gebräuchlich war und einen guten Sinn hatte. Was seine Lebenszeit angeht, gibt es zwei feste Daten: das Bekenntnis von 1548 und die Unterschrift unter die Hamelmannsche Kirchenordnung 1576. Letztere leistete er aber nicht mehr in Schortens, sondern als Pastor von Oldorf151. In Oldorf wurde der erwähnte Sohn Edo Rudolphi152, der 1557 in Schortens geboren wurde und 1640 in Oldorf starb, im Jahre 1585 sein Nachfolger. Hieraus ergibt sich wieder, dass Rodolphus mindestens bis 1557 in Schortens tätig war. Meene153 führt ihn nicht nur als Vikar (Unterprediger) von Schortens auf, sondern setzt ihn auch hinter 18. Jacobus Drentwede mit dem Eintrag Rudolph Frisius. 1566. unter die 149
Zum Bekenntnis von Rodolphus Frisius vgl. Petri, Fräulein Maria von Jever, 1994, 112–120. 150 Ramsauer 168. 151 Feustking, Historia colloquii Jeverensis 36. 152 Ramsauer 168. 153 Meene 110.112.
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Oberprediger. Da Drentwede 1564 starb, wäre es seltsam zugegangen, wenn Rodolphus ihm nicht gleich, sondern erst nach zwei Jahren nachgefolgt wäre. Die Jahreszahl 1566 dürfte deshalb eher den Übergang nach Oldorf bezeichnen, der freilich weder bei Meene noch bei Martens vermerkt ist.154 Es bleibt also unsicher, in welchem Jahr Rodolphus das Oldorfer Pfarramt übernommen hat. Wenn indessen sein Sohn Edo Rudolphi 1585 seine Nachfolge antrat, ist dies wohl auch das Todesjahr von Rodolphus Frisius. Daraus folgt, dass er zu dem Zeitpunkt, zu dem er als Vikar von Schortens 37 Jahre zuvor sein Bekenntnis abgelegt hatte, noch ein relativ junger Mann gewesen sein musste. Sein Humanistenlatein und sein solides theologisches Urteilsvermögen machen es wahrscheinlich, dass er an einer Universität das artistische Studium mindestens teilweise absolviert hat. Nach dem feierlichen Bekenntnis zur Wittenbergischen Kirche (11) kann dieses Studium nur dort stattgefunden haben. Wie weit er sich mit dem Griechischen bekannt gemacht hat, wird nicht ganz deutlich. Das Neue Testament zitiert er meist nach der Vulgata, lehnt sich aber gelegentlich – z. B. bei dem Zitat Mt 7, 15 . (4 b) – an die Übersetzung des Erasmus an, die er wohl auf Grund des parallel abgedruckten griechischen Textes abändert. Andererseits zeigt das aus dieser Stelle entnommene zweimalige speudoprophetis, dass ihm das griechische Alphabet nicht ganz vertraut ist. Anders als in Sillenstede und in Waddewarden scheint in Schortens zwischen Pastor und Vikar keine engere Zusammenarbeit zu bestehen. Angesichts des Bildungsgefälles zwischen dem jungen, humanistisch versierten und begeisterten Draufgänger, der eben von der Universität gekommen war, und dem bedächtigen, altgedienten Geistlichen, der wegen der Mängel seiner traditionellen Ausbildung desto mehr um seine Würde besorgt sein musste, war die Unterordnung des Vikars unter den Pastor ohne Zweifel schwierig. Immerhin taten sie noch weitere 16 Jahre nebeneinander Dienst an derselben Kirche. 2. Übersicht über das Bekenntnis (A) Einleitung (1) Fräulein Maria wünscht zu erfahren, was ihrem Volk gepredigt wird. (2) Bekenntnis zu Christus (3) Einteilung des folgenden 154 Goens, Die Kirche 74 erwähnt eine in Schortens ausgefertigte, aber sonst nicht näher bezeichnete Urkunde, in der Rodolphus 1565 als Zeuge genannt wird.
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(B) Interim (4) Das Interim des Antichristen (a) Die Gotteslästerung des Interim (b) Ankündigung und Verbot durch die heilige Schrift (c) Dogma des Antichrists (5) Rechtfertigung erst katholisch, dann pelagianisch (6) Gottlose Zeremonien sollen wieder eingeführt werden. (7) Interim vom Antichrist verfasst (8) Der Buchtitel Interim (C) Bekenntnis (9) Heilige Schrift (10) Bekenntnisschriften (11) Die wahre katholische Lehre der Wittenbergischen Kirche 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses In der Einleitung (A) reflektiert Rodolphus zunächst darüber, (1) welchen Zweck Fräulein Maria mit ihrer Forderung an die Pastoren verfolgt, ein Bekenntnis ihrer Lehre niederzuschreiben. Da das Interim von Gelehrten wie Melanchthon und Aquila längst widerlegt ist, muss der Zweck ein anderer sein: Die Fürstin will die Lehre ihrer Pastoren prüfen. Diese hat (2) ihr Zentrum in Bekenntnis zu Christus. Daraus ergibt sich (3) die Einteilung des Weiteren: die Verurteilung des Interim und ein abschließendes Bekenntnis. Trotz des gefassten Tons der anschließenden Beurteilung des Interim (B) zeigt sich sehr schnell, dass Rodolphus mit Luther in der apokalyptischen Diagnose seiner Zeit übereinstimmt. Die Naherwartung wird noch verstärkt, weil der von Paulus für die Endzeit vorausgesagte Antichrist sich nun im Interim offenbart hat (4). Das Interim (a) lästert Gott, (b) wie es die Bibel voraussagt, (c) indem es die Lüge statt des Evangeliums verkündigt. Deren Zentrum besteht (5) in der Verfälschung der Rechtferigungsbotschaft, die nicht nur in der Lehre von der iustitia inhaerens besteht, sondern auch (6) durch die Zeremonien (Heiligenanrufung, Opfermessen für die Verstorbenen) in die Praxis umgesetzt wird. Das Interim ist (7) vom Antichrist verfasst. Der Titel des Buches (8) – interim als ein Adverb der Zeit, das auf einen kurzen Zeitraum hindeutet – legt dafür unfreiwillig Zeugnis ab, da ja dem Antichrist nur eine kurze Zeitlang Macht gegeben ist. Den Abschluss bildet das auf ein besonderes Blatt geschriebene Bekenntnis (C) zu den Grundlagen: (9) zur heiligen Schrift als dem unfehlbaren Wort Gottes, (10) zu den drei altkirchlichen Bekenntnissen, die später das Konkordienbuch eröffnen werden, und (11) die Bindung an die Witten-
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bergische Kirche, die in der Augsburgischen Konfession sich als die wahre katholische Kirche erweist.
E 20. Minnerdt (Sande) 1. Biografisches Rüstringen gehört zu den von den spätmittelalterlichen Sturmfluten am schwersten getroffenen Landschaften. Mehrere Kirchspiele versanken für immer im Jadebusen, andere wurden durch neu entstehende Wasserdurchbrüche zu Inseln gemacht und erst im 16. Jahrhundert wieder durch Eindeichung mit Festland verbunden. Zu letzteren gehörte das Kirchspiel St. Magnus uppen Sande155. An ihm war von 1531 bis mindestens 1538 Herr Hemmo up den Sande tätig, der sich selbstbewusst Prediger (predicant) nannte und damit die Zugehörigkeit seiner Gemeinde zur Reformation unterstrich156. Auf ihn folgte Johann Caspar Grosser, von dem Meene sagt: …ist heimlich davon gegangen, und Hussitischer Feldprediger geworden. 1540 bezeugt eine Unterschrift, dass ihm Er Meynert pastor up dem Sande inzwischen nachgefolgt ist157. Wie lange Minnerdt oder Mynnerdt (wie er sich selbst abwechselnd schreibt) über 1548 hinaus an St. Magnus gewirkt hat, ist undeutlich. Spätestens 1576 hat Johann Wandscherer (Wantscher) die Pfarrstelle inne und leistet die Unterschrift unter der Hamelmannschen Kirchenordnung158. Der Duktus des Bekenntnisses zeigt, dass Mynnerdt seine Ausbildung noch in der Weise erhalten hat, wie es vor der Reformation für den niederen Klerus üblich war. Dafür spricht auch, dass er sich nicht wie sein Vorvorgänger als predikant, sondern als prester (1) bezeichnet und dass ihm die mariologische Formel als Schlusspunkt seines Glaubensbekenntnisses (2) ganz selbstverständlich in die Feder fließt. An der reformatorischen Ausrichtung seines Glaubensbekenntnisses kann trotzdem kein Zweifel aufkommen. Auch zitiert er Bibelstellen nach Bugenhagens Ausgabe.
155 156 157 158
Bau- und Kunstdenkmäler 242–246. OUB 6, 620.833.869; Meene 115. OUB 6, 988. Feustking, Historia colloquii Jeverensis 36.
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Einleitung in die einzelnen Texte
2. Überblick über das Bekenntnis (1) (2) (3) (4)
Brief an Fräulein Maria Glaubensbekenntnis Abendmahl Taufe (a) Einsetzung der Taufe als Bad der Wiedergeburt (b) Kindertaufe (c) Bekenntnis und Anathema
3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Minnerdt hält sein Glaubensbekenntnis kurz. In dem einleitenden Brief an Fräulein Maria (1) äußert er seine Bereitschaft zum Gehorsam, nennt aber als Bedingung die Schriftgemäßheit und hofft, dass Fräulein Maria den Pastoren nichts anderes auferlegen werde, was nach dem Zusammenhang nur heißen kann: nichts, was Gottes Wort widerspricht. Freilich ist fraglich, ob Minnerdt das Interim, dessen ausdrückliche Nennung er vermeidet, überhaupt näher kennen gelernt hat. Im folgenden Abschnitt (2), in welchem das eigentliche Glaubensbekenntnis beginnt, behandelt Minnerdt kurz die Schöpfung, den Sündenfall und die gnädige Sendung des Sohnes. Dessen Barmherzigkeit (3), die zum Kreuzestod führt, bringt die Sündenvergebung, die durch das Abendmahl vermittelt wird. Sündenvergebung ist auch das Wichtigste an der Taufe (4), die uns als Bad der Wiedergeburt von der Erbsünde reinigt (a). In der Taufe schließt Gott auch mit den Kindern einen Bund (b), der seinen Typus an der alttestamentlichen Beschneidung hat. Vor seiner Schlussunterschrift fügt Minnerdt (c) seinem Bekenntnis noch ein feierliches Anathema gegen alle Wiedertäufer und Sakramentsschänder ein, wobei er offen lässt, wen er mit letzterem meint. Die Bindung an die Schrift (1) und die Sündenvergebung als Ziel des Abendmahls (3) einerseits, die Abwesenheit einer Lehre vom Messopfer oder von guten Werken andererseits machen deutlich, dass Minnerdt die Reformation bejaht.
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E 21. Meynerdus Focken (Heppens) 1. Biografisches Über die Herkunft des Pfarrers von Heppens159 Meynerdus, der seinem eigenen den Namen des Vaters Focko hinzufügt, ist nur bekannt, dass er aus Jever oder dem Jeverland stammt. Meene160 erwähnt nur seinen Namen Meinhardus Focken und setzt ihn in der Liste der Heppenser Pastoren an die Spitze. Martens161 berichtet: War auch ein guter Landmesser, und starb 1568. Danach besaß Meynerdus Kenntnisse im Fach Geometrie, einer der sieben freien Künste, die man sich im Rahmen des Quadriviums einer Artistenfakultät aneignen konnte. Bei der Rückgewinnung von Land nach Sturmfluten oder bei Neueindeichungen waren Landvermessungen zur Klärung von Besitzverhältnissen unentbehrlich162. Der Universitätsbesuch von Meynerdus ist belegt: Er hat sich 1520 gemeinsam mit Henricus Kremer, dem künftigen Reformator Jevers, in die Matrikel der Universität Rostock mit Namen und Herkunft Meynerdus, Gheveren in Frisia eingeschrieben163. Meynerdus dürfte also ähnlich wie Kremer nach der Rückkehr aus Rostock um die Mitte der Zwanzigerjahre zum Priester geweiht worden sein und eine Pfründe übernommen haben. Seit 1534 ist seine Tätigkeit als Pfarrer in Heppens belegt164. Er übernahm zwar – vermutlich mit dem Übergang des Jeverlandes zum reformatorischen Gottesdienst 1532 – die wichtigsten Elemente der Reformation, behielt aber daneben manches bei, was er sich zur Zeit seines Studiums angeeignet hatte. Wie wenig grundsätzlich er dies nahm, kommt in seinem Schriftgebrauch zum Vorschein. Er besitzt und benutzt offenkundig die Bugenhagen-Bibel, wandelt aber die Zitate daraus um des Kontextes willen oft ein wenig ab. Vorbehaltlich einer vollständigen Untersuchung, die hier nicht geleistet werden kann, scheint er gelegentlich eine eigene Übersetzung aus der Vulgata zu geben. Die örtliche Überlieferung weiß von ihm zu berichten, dass er als einziger Pastor im Jeverland noch in friesischer Sprache gepredigt habe. Dies stimmt mit dem konservativen Duktus seines Bekenntnisses überein. 159
Bau- und Kunstdenkmäler 311–313. Meene 118. 161 Martens 141. 162 Reinhardt, Landschafts- und Siedlungsgeschichte im Kirchspiel Heppens 20; Reinhardt, Küstenentwicklung 59–61. 163 Sichart 201. 164 Goens, Kirche 72. – In Heppens scheint es nur eine einzige geistliche Stelle gegeben zu haben, Goens, Einziehung 73. 160
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2. Überblick über das Bekenntnis (1) Die Erschaffung des Menschen und sein freier Wille (Interim 1) (a) Urstand (b) Freier Wille (2) Der Mensch und sein freier Wille nach dem Sündenfall (Interim 2) (3) Ursache und Aufhebung der Erbsünde (a) Ursache der Erbsünde (b) Wesen der Erbsünde (c) Beseitigung der Erbsünde durch die Taufe (4) Gerechtigkeit vor Gott (Interim 6) (a) Gerechtigkeit durch Christus (b) Gerechtigkeit durch den Glauben (5) Kirche (Interim 9) (6) Autorität der Kirche (Interim 11) (a) Die mündliche Überlieferung (b) Die heilige Schrift (c) Verfälschung der Überlieferung und der Schrift durch den Teufel (d) Wahre Schriften (e) Wahre Auslegung (7) Das Sakrament im allgemeinen (Interim 14) (8) Amt (Interim 20) (9) Taufe (Interim 15) (a) Einsetzung und Wesen der Taufe (b) Wirkung der Taufe (c) Kindertaufe (10) Abendmahl (Interim 18) (a) Transsubstantiation (b) Leibliche und geistliche Vereinigung mit Christus, Vergebung und sittliche Kraft 11. Buße und Beichte (Interim 17) 12. Sakrament der Ehe (Interim 21) (a) Einsetzung (b) Verbot der Ehescheidung 13. Abschließende Erklärung 3. Form und Inhalt des Bekenntnisses Die Disposition zeigt deutlich, dass Meynerdus das Interim gekannt hat. Wie die wörtlichen Anklänge zeigen, lag ihm die deutsche Fassung vor. Er folgt ihr, indem er in den Abschnitten (1) bis (4) aus den soteriologischen Kapiteln 1–8 des Interim schöpft, mit (5) und (6) zur Lehre von der
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Kirche übergeht (Interim 9 und 11) und dann in Auswahl und eigener Reihenfolge die Sakramente behandelt. Beim traditionellen Bild von Urstand und Sündenfall ist für Meynerdus die Rolle der Freiheit besonders wichtig. Im Urstand verfügte der Mensch über einen freien Willen; durch den Fall und die Herrschaft der Erbsünde verlor er ihn so vollständig, dass er gute Werke nicht einmal anfangen konnte. Durch die Gnade erlangt er die Freiheit wieder. Die Rechtfertigung schreibt Meynerdus allein Christus und dem Glauben zu, so jedoch, dass der heilige Geist das Gemüt des Menschen zu Gott hin bewegt. Forensische und effektive Rechtfertigung werden zwar noch nicht unterschieden, insofern Glaube und Geist ineinander liegen. Doch gelten Liebe und gute Werke bei Meynerdus nicht wie beim Interim als Bedingung für die Rechtfertigung. Bei der Lehre von der Kirche (5) stellt Meynerdus alle Elemente der Hierarchie zurück, indem er die biblischen Belege häuft, die die Kirche als Verband von Personen definieren. Dies hat auch Auswirkungen auf die Autorität der Kirche (6), die bei der Festlegung des biblischen Kanons und der Auslegung wirksam wird: Sie liegt nicht bei einer einzelnen Person, sondern bei der Kirche im ganzen. In der Sakramentslehre (7–12) scheint Meynerdus auf den ersten Blick vorreformatorisch zu denken. Wenn er aber unter die Altgläubigen zu zählen wäre, dann müsste man erklären, warum er von den sieben Sakramenten, die damals jedem Geistlichen geläufig waren und auch im Interim vollständig behandelt werden, die Letzte Ölung und die Firmung beiseite lässt. Die Lösung besteht wohl darin, dass Meynerdus sich Luthers strengen Sakramentsbegriff mit dem Zusammenwirken von Einsetzungswort Christi und Element (Wasser bzw. Brot und Wein) nicht angeeignet hat, sondern wie Melanchthon bei der Buße vor allem nach der Legitimierung durch Christus fragt. Hinzu kommt, dass bei Meynerdus im Sakramentsbegriff das Merkmal des Gnadenmittels fehlt. Sakramente sind Kenn- und Wahrzeichen sowie Losungen der Kirche (7), die Gott verordnet hat. Da nun die Eheschließung (12), wie Luthers Traubüchlein zeigt, als Amtshandlung in der Nähe der von Luther ähnlich geregelten Taufe steht (Taufbüchlein), ist die Belassung der von Gott verordneten Ehe in der Liste der Sakramente wahrscheinlicher als ihre Streichung. Ähnlich dürfte es sich mit der Ordination (8) verhalten, deren Handhabung für das Jeverland um 1548 uns zwar aus Mangel an Belegen unbekannt ist, die aber in irgend einer Form stattgefunden haben muss und wahrscheinlich wie in Wittenberg vor 1535 in die Einführung eingebettet war. Da im Jeverland die Leitung des Kirchenwesens durch den Erzbischof von Bremen und durch das Bremer Domkapitel schon seit Jahren erloschen war, war es die
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Kanzlei in Jever und insbesondere der Rentmeister Remmer von Seediek, der als geweihter Geistlicher die faktischen Aufgaben eines Bischofs oder Superintendenten erfüllte und in der Zeit bis zu seinem Tode 1557 die Einführung der Geistlichen wahrnahm. Ob nun Sakrament oder nur Kasualhandlung – für Heppens ist Meynerdus’ Bekenntnis geradezu ein Beleg dafür, dass außer Taufe, Abendmahl und Beichte auch die Eheschließung und die Ordination (im Rahmen der Einführung) kirchlich begangen wurden. Dabei muss man sich immer vor Augen halten, dass so kurz nach der Reformation eines Territoriums noch keine neuen Agenden vorlagen, so dass man die alten, notdürftig geänderten weiterhin benutzen musste. Dass Letzte Ölung und Firmung in der Sakramentsliste fehlen, ist ein Indiz dafür, dass Meynerdus die altgläubige Lehre von der Siebenzahl der Sakramente aufgegeben hat. Die Letzte Ölung wird zwar im Neuen Testament erwähnt, aber es fehlt ihr das Merkmal der göttlichen Einsetzung. Dasselbe gilt für die Firmung. Da diese vom Bremer Erzbischof oder einem seiner Weihbischöfe vollzogen werden musste, dürfte sie im abgelegenen Jeverland und noch dazu im schwer erreichbaren Rüstringen selten vorgenommen worden sein, so dass sie nicht zu den regelmäßig wiederkehrenden Amtshandlungen gehörte. Von den fünf Sakramenten verletzt indessen eines bei seiner näheren Beschreibung den reformatorischen Konsens: das Sakrament des Leibes und Blutes Christi (10), wo Meynerdus ausdrücklich an der Transsubstantiationslehre festhält. Brot und Wein werden in Leib und Blut Christi verwandeelt, verlieren ihr natürliches Wesen (ihre Substanz) und behalten nur ihre Gestalt (ihre Akzidentien) (10 a). Meynerdus zieht aber daraus nicht die Konsequenz, dass man die Hostie in der Prozession umtragen oder im Sakramentshäuschen anbeten kann. Sondern das Sakrament wird in beiderlei Gestalt ausgeteilt und hat den Sinn, die Kommunikanten leiblich und geistlich mit Christus zu vereinen. Dadurch wird einerseits der alte Adam gedämpft; andererseits ist das Sakrament ein Pfand der Vergebung und des ewigen Lebens. Jeder Gedanke an ein verdienstliches Messopfer fehlt. Während die jüngeren Prediger des Jeverlandes sich Melanchthon anschließen, verharrt Meynerdus bei seiner an den Kirchenvätern orientierten Sakramentsauffassung, steht aber deshalb nicht außerhalb des Konsens der älteren jeverländischen Geistlichen.
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E 22. Die Confessio jeverensis und Antonius Morenanus (Wüppels) 1. Wer ist der Verfasser der Confessio jeverensis? Den 21 Bekenntnissen, die die jeverländischen Pastoren je für sich der Kanzlei eingereicht hatten, wurden schon früh außer der vollständigen Abschrift (durch Hermannus Heronis) noch weitere Texte beigelegt, deren Zusammenhang jedoch mit der Interimskrise nicht eindeutig ist. Im 19. Jahrhundert wurden diese weiteren Texte dann durch den Buchbinder dem Corpus der Pastorenbekenntnisse dauerhaft angefügt. Der wichtigste dieser Texte ist die undatierte Confessio jeverensis, die in dem Sammelband gleich zweimal, von verschiedenen Händen geschrieben, vertreten ist (S. 454–477 und 478–499). Schon Ludwig Schauenburg beschäftigte sich im Zusammenhang seiner 1888 erschienenen Untersuchung Die Täuferbewegung in der Grafschaft Oldenburg-Delmenhorst und der Herrschaft Jever zur Zeit der Reformation mit dem Text der Confessio jeverensis. Außer den beiden Exemplaren unseres Sammelbandes stand ihm dafür eine dritte Handschrift zur Verfügung, die er im Staatsarchiv Oldenburg einsehen konnte. Er schreibt darüber165: Wann und von wem dieses in der jeverländischen Gymnasialbibliothek und auch im Oldenburgischen Staatsarchiv aufbewahrte interessante Schriftstück verfasst sei, ob es Remmer oder Martin Michaelis … verfasst hat, oder Anton von Mecheln, Pastor zu Wüppels, dessen Schriftzüge das im Oldenburgischen Archiv aufbewahrte Stück zeigt, oder ob, was mir wahrscheinlicher [ist], es das gemeinsame Werk der jeverschen Pastoren [war] und A. v. Mecheln (kam 1849 nach Wüppels) nur die letzte Hand daran legte, … darüber fehlt aller sichere Anhalt. An dieser Notiz ist wichtig, dass Schauenburg bei der im Staatsarchiv befindlichen Confessio jeverensis die Identität der Handschrift mit der Handschrift von Antonius Morenanus bezeugt. Nach Schauenburg befasste sich Georg Sello, der von 1889 an das Staatsarchiv leitete, mit den Jeverschen Bekenntnissen. Er fertigte ein Inhaltsverzeichnis des Sammelbandes des Mariengymnasiums an, bei dem er die Pastoren in alphabetischer Ordnung aufführt und die Seitenzahlen ihrer Bekenntnisse jeweils in der Abschrift und im Original auflistet. Dabei vermerkt er auch die Fälle, bei denen das Original nicht mit den andern zusammen in den Jeverschen Sammelband gelangt ist, sondern separat mit anderen Reformationsakten der Jeverschen Kanzlei nach Oldenburg verbracht und dort im Staatsarchiv unter der Signatur Aa Jever Abt A tit XV aufbewahrt wurde. Unter dieser Signatur waren beispiels165
Schauenburg, Täuferbewegung 32 Anm. 50.
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weise nicht nur die Originale der Bekenntnisse von 05. Ludolphus (Middoge) und 16. Martinus Fabricius (Cleverns) zu finden, die im Sammelband fehlen, sondern auch eine Handschrift von Antonius Morenanus, die Sello166 mit folgenden Worten beschreibt: Morenanus, Anton, wurde 1549 aus Wesel vertrieben, kam darauf nach Wüppels, legte seine Confessio nachträglich ab. Aus Sellos Notiz ist zu erschließen, dass das nachträglich eingereichte persönliche Bekenntnis mit dem humanistischen Gelehrtennamen Antonius Morenanus unterzeichnet war. Es unterscheidet sich offenkundig von der Confessio jeverensis, die keinen Verfassernamen trägt und im Wir-Stil formuliert ist. Über die Herkunft der Confessio jeverensis äußerte sich auch Friedrich Wilhelm Riemann in seinem 1900 erschienenen Aufsatz Das Interim und die Herrschaft Jever167. Er fußt zunächst auf den Erkenntnissen Schauenburgs und kennt auch das Inhaltsverzeichnis Sellos, hat aber die im Staatsarchiv Oldenburg liegenden Aktenstücke zunächst nicht selbst eingesehen (Seite 276 und Anmerkung 1 und Seite 279.). Fünf Jahre später ging Riemann im zweiten Band seiner Geschichte des Jeverlandes168 noch einmal auf die Confessio jeverensis ein, brachte aber für die Entstehung des Dokuments insofern eine neue Tatsache bei, dass er inzwischen die oben genannten Jeverschen Akten aus tit XV durchgemustert hat und dort außer der Confessio jeverensis auch das in Sellos Verzeichnis aufgeführte persönliche Bekenntnis des Antonius Morenanus fand. Da dessen Eingangssatz, den er wörtlich mitteilt169 in der Confessio jeverensis nicht vorkommt, handelt es sich um zwei verschiedene Texte. Auf Grund des Augenscheins bekräftigt Riemann das Urteil Schauenburgs, dass die Handschrift der Confessio jeverensis in tit. XV mit der Handschrift anderer Dokumente, die von Antonius Morenanus stammen, identisch ist. Leider lassen sich die Handschriften, die in tit. XV abgelegt waren, nicht mehr überprüfen, da dieser ganze Bestand bei Kriegsende verbrannt ist. Dies musste schon Hans-Joachim Trümper in seiner Arbeit Aus der Reformationsgeschichte der Herrschaft Jever170, feststellen. Er gibt zwar den 166 Im handschriftlichen Inhaltsverzeichnis (teilweise unterstrichen). Die Vertreibung aus Wesel fand im November 1548, der Einzug in Wüppels im Frühjahr 1549 statt. 167 In: Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte 5, 1900, 223–280. 168 1905/06 in Fortsetzungen erschienen im Jeverschen Wochenblatt, anschließend in maschinenschriftlicher Fassung eingestellt in die Landesbibliothek Oldenburg, Signatur Gesch IX b – 808: 2). 169 Geschichte des Jeverlandes 82; unten 115f. 170 Hans-Joachim Trümper, Aus der Reformationsgeschichte der Herrschaft Jever 2, 68.
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Text der Confessio jeverensis wieder, muss sich aber mit den Abschriften in unserem Sammelband begnügen171. Nimmt man alle Informationen zur Überlieferung der Confessio jeverensis zusammen, dann ergibt sich zwar nicht zwingend, dass Antonius der alleinige Verfasser ist. Es spricht jedoch vieles dafür, dass auch bei einer möglichen Mehrzahl von Verfassern gerade ihm eine wichtige Rolle zugekommen sein musste. Die von seiner Hand gefertigte (verlorene) Reinschrift läßt den Schluss zu, dass er einen erheblichen Anteil daran hatte und dass er ihr inhaltlich zustimmte. 2. Biografisches zu Antonius Morenanus Urkundlich wird Antonius172 erstmals bezeugt durch die Matrikel der Universität Löwen173, wo er sich am Beginn seines Studiums am 18. August 1529 mit folgenden Angaben eintragen lässt: Anthonius filius Rumoldi Keldermann de Mechlinia. Über das Geburtsjahr gibt es keine Nachricht. Man wird aber nicht fehlgehen, wenn es mit 1510 oder wenig später angesetzt wird. Über das Ende des Studiums ist nichts überliefert. Von einem Magistertitel wäre sicherlich etwas bekannt, wenn Antonius ihn erworben hätte. Nimmt man an, dass sich in der Confessio jeverensis seine Bildung widerspiegelt, dann hat er sich in einer stark vom Humanismus durchdrungenen artistischen Fakultät bewegt, deren Beziehung zur Antike durch das Studium der Bibel und der Kirchenväter bestimmt war. Unwahrscheinlich ist dagegen, dass er an der theologischen Fakultät weiterstudiert hat, da sich von Sentenzenkommentaren oder von theologischen Summen nichts niedergeschlagen hat. Die Sentenzen des Petrus Lombardus werden – wohl im Sinne einer Sammlung von Kirchenväterzitaten – unkommentiert ein einziges Mal herangezogen (25 b). Nach dem Studium kehrte Antonius in seine Vaterstadt Mechelen zurück, um dort in das Kloster der Augustiner-Eremiten einzutreten. Von seiner dortigen Wirksamkeit ist bekannt, dass er sich der Theologie der Wittenberger Reformatoren angeschlossen und dies auch öffentlich gemacht hat. Denn zu dem oben erwähnten verlorenen Oldenburger Ak171
Trümper 2, 69–112. Antonius Morenanus wird herkömmlich als einer der belgischen Sieben gezählt, die der Ketzerverfolgung in den Niederlanden hatten weichen müssen; Goens Einziehung 10 Anm. 11. – Alle Informationen über Antonius Morenanus vor seiner Ankunft im Jeverland sind im folgenden entnommen aus: Herbert Kipp, „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes“. Landstädtische Reformation und Rats-Konfessionalisierung in Wesel (1520–1600), Bielefeld 2004. 173 Schillings, Matricule de l’universite´ de Louvain, 4, 23 Nr. 99. 172
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tenbestand tit. XV gehörten auch zwei Predigten 1536 gehalten vor dem Clerus in Mecheln174, die offenbar als Beweis für seine reformatorische Haltung aufbewahrt wurden. Da jedoch Kaiser Karl V. in seinen burgundischen Stammlanden die Anhänger der Reformation nicht duldete, musste Antonius sein Kloster und seine Vaterstadt verlassen. Er fand (spätestens 1540) Zuflucht in der zum Herzogtum Cleve gehörigen Stadt Wesel, wo er wieder dem Konvent der Augustiner-Eremiten angehörte. Im Kloster bekleidete er das Amt des Lesemeisters, d. h. des Leiters der theologischen Studien. Hier scheint er seine Kenntnis der Kirchenväter weiter vertieft und seine theologische Bildung auf einen Stand gebracht zu haben, der ihn allen späteren jeverländischen Amtsträgern überlegen machte. Sehr schnell wurde er jedoch in Wesel in die konfessionellen Auseinandersetzungen verwickelt. Der Rat der Stadt, der die Reformation begünstigte, erzwang seine Wahl zum Prior des Klosters. Da der Konvent gespalten war und die Altgläubigen überwogen, konnte Antonius sich nur zeitweise durchsetzen. Er griff jedoch tatkräftig in die kirchlichen Verhältnisse ein, indem er 1540 in der Stadtkirche Wesel bei der Austeilung des Abendmahls in beiderlei Gestalt mitwirkte. 1543 wurde er vom Rat als Prediger an der Stadtkirche angestellt. Freilich musste er fünf Jahre später, als die Klevische Regierung auf Grund des kaiserlichen Drucks im September 1548 das Interim durchsetzte, aus Wesel weichen. Ende November hatte er die Stadt schon verlassen, so dass seine Bezüge nicht mehr ihm selbst, sondern seiner Ehefrau ausbezahlt wurden175. Graf Christoph von Oldenburg176, der für reformatorisch gesonnene Humanisten immer ein offenes Ohr hatte, empfahl ihn seiner Cousine Fräulein Maria, die ihm im Winter 1548/49 die vakante geistliche Stelle in Wüppels177 verlieh. Vor seinem Einzug in Wüppels hielt er sich wohl in Jever auf, wo er am 3. Dezember 1548 an der zweiten Versammlung der jeverländischen Pastoren als ihr Sprecher teilnahm178. Der Familienname Kelderman blieb im Jeverland unbekannt. In Wesel ist er in der Form Cheldermans belegt. Der Humanistenname Antonius Morenanus oder Moreanus begegnet in den Weseler Jahren etwas abwei174
Goens, Einziehung 10 Anm. 11. Kipp, Trachtet am ersten 158 Anm. 522. 176 Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 177. 177 Bau- und Kunstdenkmäler 302–305. – Kroesen / Steensma, Kirchen 40.75. – Dass Antonius die Stelle in Wüppels nicht sofort angetreten hat, ist aus der Bemerkung von Hermannus Heronis am Ende der Abschrift des Bekenntnisses von 10. Cornelius Falconissa zu entnehmen. 178 Siehe oben Geschichtliche Einführung, Abschnitt 5. 175
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chend als Morenaris oder Morenaw179. Zur Herkunft oder Bedeutung dieses Namens hat sich Antonius selbst nicht geäußert. Die Vermutung180 liegt aber nahe, dass er als Humanist an den Namen des gallischen Stammes der Morini anknüpft, die nach Caesars Bellum Gallicum181 in der Nähe von Mechelen zu suchen sind und auch in Vergils Aeneis vorkommen182. Als Hamelmann 1575 zur Neuordnung des Kirchenwesens nach Jever kam, war Antonius im Jahr zuvor verstorben (Karfreitag 9. April 1574). Hamelmann lernte ihn also nicht mehr selbst kennen, wohl aber seinen Schwiegersohn und Nachfolger in Wüppels, den er in seiner Jeverschen Reformationsgeschichte als Gewährsmann mit dem Namen Johann Sartorius anführt, der aber in Wirklichkeit Johann Lieffeldt hieß. Ihn scheint Hamelmann nach den Erinnerungen seines Schwiegervaters befragt zu haben, so dass er eine stark erweiterte Erzählung von den Vorgängen am 3. Dezember 1548 in die Druckfassung seiner Jeverländischen Reformationsgeschichte aufnehmen konnte183. Danach erklärte Antonius Morenanus im Namen der jeverländischen Pastoren: Christus habe gesagt, [Mt 22, 21] „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“; deshalb müsse man in zeitlichen Dingen dem Kaiser stets in allen Stücken gehorchen und ihm geben, was ihm gehört. Aber in der Sache des Heils sei Gott zu geben, was sein ist, damit jener Spruch nicht ins Gegenteil verkehrt werde. Denn [Apg 5, 29] man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen. Es ist erstaunlich, dass Antonius innerhalb der wenigen Tage oder Wochen seit seiner Ankunft in Jever sich die Anerkennung der jeverländischen Pastoren erwerben konnte. Kurz darauf reichte er selbst sein persönliches Bekenntnis ein, dessen Anfangssätze dank der Kopie durch Riemann sich erhalten haben: Quoniam generosa ac gratiosa domina nostra, ut olim a reliquis pastoribus ita nunc quoque et a me fidei mee confessionem postulat, libenter hanc dabo, ut debeo, et laudandum in primis hoc Gratiosae dominae nostrae studium, quo significat sua quoque referre ac interesse, ut in hoc tam periculoso tempore in Ecclesiis ditionis sue 179
Kipp, Trachtet am ersten 465. Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Dr. Kipp, Bremen. 181 Caesar, Bellum Gallicum 2, 4, 9. 182 Am Ende des 8. Buches der Aeneis erzählt Vergil, dass der Held als Geschenk seiner Mutter Venus eine durch Vulcanus geschaffene Rüstung erhält. Auf dem Schild sind die künftigen Taten und Schicksale der Römer abgebildet. Den abschließenden Höhepunkt der kunstvollen Bilderfolge zeigt Julius Caesar, vor dem die besiegten Völker vorüberziehen, u. a. die im Mündungsgebiet des Rheins wohnhaften Gallierstämme: extremique hominum Morini (und vom Ende der Welt die Moriner) Aeneis 8, 727. 183 Vgl. das Verhältnis von handschriftlichem Entwurf und Druckfassung in: Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 179 . 180
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paritas doctrinae ecclesiae et habeatur et conservetur, ad dei omnipotentis gloriam et omnium animarum salutem Da unsere großmütige und gnädige Herrin – wie ehemals von den anderen Pastoren, so auch jetzt von mir – das Bekenntnis meines Glaubens verlangt, werde ich dies pflichtschuldigst gerne geben. Und vor allem ist dieses Bemühen unserer gnädigen Herrin zu loben, mit dem sie kundtut, dass auch ihr wichtig ist und daran liegt, dass in dieser so gefährlichen Zeit in den Kirchen ihrer Herrschaft Gleichheit der Lehre besteht und bewahrt wird – zur Ehre des allmächtigen Gottes und zum Heil aller Seelen. Aus dem ersten Satz geht klar hervor, dass Antonius an der Versammlung der Pastoren am 12. November 1548, bei der diese ehemals (olim) mit der Aufzeichnung ihrer Bekenntnisse beauftragt wurden, nicht teilgenommen hat, denn er hat diesen Auftrag erst jetzt (nunc) erhalten. Im zweiten Satz schreibt Antonius der Herrin des Jeverlands ein Interesse zu, das auch andere bewegt: die Gleichheit der Lehre im Jeverland. Es ist nicht verwunderlich, dass Antonius in Jever sofort zur Redaktion der Remmerschen Kirchenordnung herangezogen wurde. Dabei handelte es sich zwar nicht um ein Bekenntnis im strengen Sinn wie die Confessio jeverensis, sondern um den Vorläufer der Kirchenordnung von 1562. Indessen lassen sich Kirchenordnung und Bekenntnis nicht streng voneinander trennen. Wie von allen reformatorischen Kirchenordnungen wesentliche Teile der Lehre geregelt werden, so greifen auch die Bekenntnisse in Ordnungsfragen ein. Dies gilt auch für das Jeverland. Die Confessio jeverensis zieht an vielen Punkten praktische Konsequenzen für das kirchliche Leben. Es liegt in dieser Linie, dass Antonius den Auftrag für die Mitwirkung bei der Redaktion der Jeverschen Kirchenordnung auch so versteht, dass eine Einheit des jeverländischen Kirchenwesens in Ordnung und Lehre hergestellt werden soll. Aus diesem Bestreben dürfte die Confessio jeverensis entstanden sein. Als nach Remmers Tod Mag. Petrus Rodtbart aus Hadeln 1558 zum Superintendenten berufen wurde, errichtete man zugleich ein Konsistorium, zu dessen Mitgliedern neben Hermannus Heronis auch Antonius Morenanus berufen wurde184. 3. Überblick über die Confessio jeverensis (A) Eingang (1) Biblische Grundsätze
184
Schäfer, Hamelmanns Reformationsgeschichte 186.
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(2) Titel (3) Erläuterung des Titels (B) Kirche (4) Wesen der Kirche (5) Gemischte Kirche (a) Gläubige und Heuchler (b) Gute und schlechte Kirchendiener (C) Sünde und Rechtfertigung (6) Erbsünde (7) Rechtfertigung (8) Rechtfertigender Glaube (9) Glaube als Gabe Gottes (10) Christliche Gerechtigkeit (11) Gute Werke (12) Freier Wille (a) Freiheit in weltlichen Dingen (b) Keine Freiheit in geistlichen Dingen (D) Predigt von Gesetz und Evangelium (13) Gesetz (14) Heilige zugleich Sünder (15) Evangelium (a) Heilung der aufgedeckten Schwachheit (b) Gnade (16) Unterscheidung von Gesetz und Evangelium (E) Sakrament (17) Sakrament allgemein (18) Taufe (19) Kindertaufe (20) Abendmahl (21) Beiderlei Gestalt (22) Buße (23) Beichte und Absolution (24) Wiederaufnahme rückfälliger Sünder (25) Sakrament und Opfer (a) Sakrament (b) Sühnopfer (c) Dankopfer (26) Amt der Schlüssel: Evangeliumspredigt und Exkommunikation (a) Erste Fassung (b) Zweite Fassung
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(F) Kirchliches Amt (27) Berufung zum Amt (28) Pflicht der Gemeinde gegenüber dem Amt (a) Gehorsam (b) Unterhalt (G) Ehe und weltliche Obrigkeit (29) Ehe (30) Weltliche Obrigkeit (H) Abgrenzung gegen das Interim (31) Heiligendienst (32) Zeremonien im allgemeinen (33) Zeremonien bei der Messe (34) Gottesdienstliche Gleichförmigkeit (I) Schluss (35) Augsburgisches Bekenntnis und Apologie als Maßstab der Lehre 4. Form und Inhalt der Confessio jeverensis Die Unterteilung in 35 Abschnitte macht die Zäsuren im Text deutlich, wo jeweils auf die Überschrift in der Regel der Bekenntnissatz folgt, der anschließend durch Schriftzitate begründet und durch Worte der Kirchenväter als kirchlich und katholisch ausgewiesen wird. Die mit Großbuchstaben gekennzeichneten Gruppenüberschriften sollen auf unschwer erkennbare thematische Zusammengehörigkeit mehrerer Abschnitte hinweisen. Der feierliche Eingang des Dokuments (A) besteht aus den vier biblischen Grundsätzen (1) – zwei aus dem Munde Jesu, einer von Paulus und einer von der apokalyptischen Himmelsstimme –, auf die der sorgfältig formulierte Titel der Bekenntnisschrift (2) folgt: Das Dokument stellt den katholischen und apostolischen Glauben dar. Dieser wird aus der Quelle des Augsburgischen Bekenntnisses und seiner Apologie geschöpft, durch die Bibel bewiesen und mit dem Zeugnis der Kirchenväter bekräftigt, woraus sich dann auch der Aufbau der Abschnitte ergibt. Aus der Erläuterung des Titels (3) wird ersichtlich, dass eingebettet in das Augsburgische Bekenntnis und seine Apologie auch die drei altkirchlichen Bekenntnisse bejaht werden. Verworfen werden die der heiligen Schrift widersprechenden Irrlehren, die auch hier mit dem apokalyptischen terminus technicus der Lüge185 gekennzeichnet werden. Umgekehrt sind die früheren und gegenwärtigen heiligen Lehrer, die schriftgemäß lehren, umso willkommener. 185
Vgl. das Bekenntnis von 19. Rodolphus Frisius (8).
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Überraschend ist nun der Einstieg in das erste große Sachthema: nicht Schöpfungsglaube oder Urstand, sondern die Lehre von der Kirche (B). Dies unterscheidet die Confessio jeverensis von den meisten reformatorischen Bekenntnissen und auch vom Interim, welche die Kirchenlehre der Rechtfertigungslehre nachordnen. Auch wird die Beschreibung der Kirche nicht aus dem Glaubensbekenntnis entfaltet, sondern aus den pragmatisch argumentierenden Artikeln 7 und 8 des Augsburgischen Bekenntnisses (4), bei denen der Nachdruck auf der für Menschen unentwirrbaren Vermischung von Glaubenden und Nichtglaubenden (5) und auf dem augustinischen Grundsatz liegt, dass diese Vermischung auch beim Klerus nicht vermeidbar ist. Möglicherweise liegt die Voranstellung der Lehre von der Kirche in der Tradition begründet, die Antonius aus Burgund mitgebracht hatte, der sich zwar im allgemeinen an die Wittenberger Reformation anschloss, aber sie eben doch auch abwandelte. Umso mehr kommt in den beiden folgenden soteriologischen Themengruppen die Wittenberger Theologie zum Zuge. Im Menschen (C), der zwischen Heil und Unheil steht, regiert zuerst die Sünde (6), dann aber durch die Rechtfertigung (7) der Glaube (8–10), der wiederum ethisch wirksam wird (11). Als Augustiner lässt Antonius nicht außer acht, dass der Glaube ein Geschenk Gottes (9) ist und dass der Wille in geistlichen Dingen unfrei ist (12), obwohl unter den vermittelnden Formeln die späteren Kämpfe um die Prädestination noch kaum zu erahnen sind. Die Mittel, welche diese Rechtfertigung herbeiführen (D), sind Gesetz (13) und Evangelium (15), die auch für die Gerechtfertigten in ihrer Unterscheidung gültig bleiben (14.16). Auf das Gnadenmittel des Wortes folgt die Themengruppe des Sakraments (E), das als Begriff (17) und in seiner melanchthonischen Ausformung wie in der Confessio Augustana in der Dreizahl als Taufe, Abendmahl und Buße (18–24) behandelt wird. Weil das Interim auf dem Messopfer besteht, ist der Unterschied von Sakrament und Sacrificium (Sühnopfer) zu klären (25). Anhangsweise führt das Amt der Schlüssel (26) die Einheit der Predigt des Evangeliums und der Gewährung bzw. Verweigerung der Buße vor Augen, wobei eine kürzere (a) und eine längere Fassung (b) – vielleicht im Drang der Geschäfte – nebeneinander stehen geblieben sind. Mit der Lehre vom kirchlichen Amt (F) kehrt die Aufmerksamkeit wieder zur Ekklesiologie zurück, indem die Berufung zum Amt (27) und die Pflichten der Gemeinde gegenüber dem Amt (28) herausgegriffen werden. Die Strittigkeit der Priesterehe motiviert zu einem Einschub (G) über die Ehe generell (29), dem ein Abschnitt über die weltliche Obrigkeit (30) angehängt wird, welche gut melanchthonisch nicht nur für die zweite Tafel des Gesetzes, sondern auch für die erste sorgt.
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Klang bisher schon zwischen den Zeilen die Verteidigung der reformatorischen Position gegen das Interim an, so wird dies nun zum Thema (H). Die Anrufung der Heiligen186 wird auf Grund von Confessio Augustana 21 verworfen (31). Besondere Aufmerksamkeit erfordern die Zeremonien, mit denen das Interim alle Zugeständnisse an den evangelischen Rechtfertigungsglauben rückgängig macht187. Auf die Klassifizierung der verschiedenen Zeremonien (32) folgt die Anwendung der gefundenen Regeln auf die evangelische Messe (33), bei der folgende Einzelheiten auffallen: Sie wird mit der Gemeinde begangen, die sich mit deutschen Gesängen beteiligt, wobei um der Schüler willen auch lateinische Stücke weiter gepflegt werden; die Zulassung zur Kommunion setzt die Einzelbeichte voraus; die Feierlichkeit des Messgottesdienstes wird dadurch unterstrichen, dass die Liturgen weiterhin die Kasel tragen. Abgeschafft jedoch ist und bleibt der mittelalterliche Wortlaut des Hochgebets und damit das Verständnis der Messe als Opfer und ihre Zuwendung an (lebende und verstorbene) Personen. Während in einem Territorium die Gleichheit der Lehre gegeben sein sollte, kann bei den Zeremonien (Liturgie) im Blick auf Orte und Personen auch Verschiedenheit ertragen werden (34). Dieses Urteil steht wohl im Zusammenhang mit der vor kurzem vorgenommenen Redaktion der Remmerschen Kirchenordnung. Das Schlusswort (35) verweist auf das Augsburgische Bekenntnis und Melanchthons Apologie als Grundlage der Confessio jeverensis und als Garanten dafür, dass ihre Lehre tatsächlich die Lehre der allgemeinen (katholischen) und apostolischen Kirche ist. Damit wird der altgläubige Vorwurf zurückgewiesen, dass die Reformation ketzerisch sei. Wie die Kirchenväterzitate unterstreichen, beanspruchen die evangelischen Bekenntnisse, die eigentlichen Träger der Katholizität und der Apostolizität zu sein, zu denen die Kirche zurückkehren muss. So verstehen sich auch die Verfasser der Confessio jeverensis. Von einer Rezeption der Confessio jeverensis durch die Jeversche Kanzlei oder durch eine Versammlung der Pastoren ist nichts bekannt. Wie adie Bekenntnisse der einzelnen Pastoren wurde sie aufbewahrt, aber nicht veröffentlicht.
186 187
Interim 23/123. Interim 26/135.
Pluralität und Einheit in der jeverländischen Theologie 1. Gesetz und Evangelium oder die evangelische Buße Das in den Pastorenbekenntnissen von 1548 meistzitierte Buch ist die sog. Bugenhagen-Bibel, die 1533 erstmals erschienen war unter dem Titel: De Biblie vth der vthlegginge Doctoris Martini Luthers yn dyth düdesche vlitich vthgesettet / mit sundergen vnderrichtingen / als men seen mach. Jnn der Keyserliken Stadt Lübeck by Ludowich Dietz gedrücket. MDXXXIII. Dem Neuen Testament geht ein eigenes Titelblatt voraus, wobei hier Bugenhagen als Autor der Erklärungen besonders genannt wird: Dat Nye Testament. Martini Luthers. Mit Nyen Summarien edder kortem vorstande vp ein yder Capittel / dorch Johannem Bugenhagen Pomern. MDXXXIII 1. Lässt schon der Wortlaut der beiden Titelblätter vermuten, dass die Benutzer dieser Übersetzung der Wittenbergischen Reformation und insbesondere Martin Luther zu folgen bereit sind, so verdient erst recht der auf beiden Titelblättern identische Bildschmuck Beachtung: Erhard Altdorfers Holzschnitt Gesetz und Gnade2. Diesem Holzschnitt liegt ein Entwurf Lukas Cranachs d. Ä. zugrunde, in welchem das Zentrum des evangelischen Glaubens durch ein Andachtsbild dargestellt wird, das damit den gesamten Inhalt der Bibel im Kern erfasst. Der andächtige Betrachter des Holzschnitts identifiziert sich mit Adam, dem Menschen schlechthin, der unten in der Mitte am Fuße des Baumes sitzt. Mit der Haltung seines Körpers ist der Mensch nach links gewandt, wobei das Händeringen des Büßers besonders auffällt. Diese verzweifelte Geste wird hervorgerufen durch das, was dort zu sehen ist: durch die 1
Die Bibel nach der Auslegung Doktor Martin Luthers in dieses [d. h. Nieder-]Deutsche fleißig übersetzt mit besonderen Anweisungen, wie man sehen kann. In der kaiserlichen Stadt Lübeck bei Ludwig Dietz gedruckt 1533. – Das Neue Testament Martin Luthers. Mit neuen Zusammenfassungen oder kurzer Erklärung für jedes Kapitel durch Johann Bugenhagen, Pommer 1533. – Die Untersuchung der Spuren von Bugenhagens Summarien und Randerklärungen in den Bekenntnissen der jeverländischen Pastoren konnte noch nicht in Angriff genommen werden. 2 Abbildung 13. – Schiller, Ikonographie 2, 175 und Abbildung 538. – Reinitzer, Gesetz und Evangelium 1, 58 .; 2, 57 (Abbildung 37). – Mühlen, Die Bibel und ihr Titelblatt, Würzburg 2001, 33–36 und Abbildung 9.
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Pluralität und Einheit in der jeverländischen Theologie
Herrschaft der von Adam her vererbten Sünde, durch das verdammende Urteil des göttlichen Gesetzes und durch den Tod, der dem Menschen bevorsteht. Trotz dieser Anfechtung von links wendet nun aber der Mensch seine Augen schon nach rechts. Denn der Prophet Jesaja und Johannes der Täufer als Prediger des Evangeliums weisen ihn auf die gleichfalls von Gott kommende Gnade hin, die ihn durch Inkarnation, Kreuzigung und Auferstehung Christi von aller Anfechtung durch Sünde, Gesetz und Tod erlösen wird. Die Kopfhaltung des Menschen macht den Augenblick sichtbar, in welchem die Entscheidung für das Evangelium fällt. Im Mienenspiel kommt die Erlösung zum Ausdruck. Mit dieser Wendung von der linken zur rechten Bildhälfte ist die evangelische Buße beschrieben. Sie wird zunächst als Anfechtung durch das Gesetz erlebt, schlägt dann aber dank der Verkündigung des Evangeliums in Glauben und Trost um. Aus dieser grundlegenden Doppelerfahrung heraus wird (1) die gesamte biblische und kirchliche Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zur Wiederkunft Christi mittels der Hervorhebung ihrer zentralen Themen durchsichtig und sinnvoll, (2) ergibt sich daraus das Wesen und die Organisation der Kirche, des Gottesdienstes (einschließlich der Sakramente) und des geistlichen Amtes und (3) folgen hieraus die Abgrenzungen gegen das altgläubige Kirchenwesen, das im Jeverland des Jahres 1548 noch lebhaft in Erinnerung stand und nun durch das Interim wieder die Zukunft bedrohte. Aus der evangelischen Praxis der Buße folgt unmittelbar eine Neugestaltung des ganzen Lebens. In der reformatorischen Theologie trug dieses ethische Kapitel die missverständliche Überschrift Gute Werke, missverständlich deshalb, weil damit in der vorreformatorischen und in der reformatorischen Praxis verschiedene Dinge gemeint waren. Im altgläubigen Kontext verstand man im Jeverland unter guten Werken besonderes die frommen Bemühungen, die dem Seelenheil dienten, wie beispielsweise die in den Testamenten oft belegten Messstiftungen zugunsten des Stifters selbst, der damit die drohende Reinigung im Fegefeuer durch Erfüllung der kirchlichen Vorschriften zu verkürzen suchte. In Altdorfers Holzschnitt werden diese Frömmigkeitswerke allegorisch dadurch bewertet, dass der Baum auf der linken Seite dürre und unfruchtbare Äste aufweist. Wer indessen an das Evangelium glaubt, fürchtet weder Hölle noch Fegefeuer, sondern ist von überschwänglichem Dank bewegt, aus dem heraus er freudig den Willen Gottes tun kann. Dies wird wiederum allegorisch durch die Belaubung und die Früchte des Baumes in der rechten Bildhälfte zum Ausdruck gebracht: Der Glaubende widmet sich den guten Werken nicht mehr in Sorge um sein Seelenheil durch Erfüllung kirchlicher Vorschriften, sondern indem er aus der Erfahrung der göttlichen
1. Gesetz und Evangelium oder die evangelische Buße
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Liebe die Kraft empfängt, die Liebe im Alltag an den Nächsten weiterzugeben. Bei der Mehrheit der 21 Pastoren bildet die Buße den sachlichen Mittelpunkt ihrer Bekenntnisse. Allerdings schlägt dies nicht immer auf die Disposition durch, weil diese noch durch andere Elemente mitbestimmt wird. Erstens, der obrigkeitliche Auftrag verlangte eine Stellungnahme zum Interim. Wer von den Pastoren ein Druckexemplar des Interim oder wenigstens die Liste der Überschriften zur Verfügung hatte, schloss sich bei der schriftlichen Darlegung seines Bekenntnisses in erster Linie den Kapiteln des Interim an. Erst innerhalb dieses Rahmens bestimmte dann die innere Struktur der evangelischen Buße die Argumentation. Dadurch kommt es zu Wiederholungen oder auch Auslassungen, die aber die Grundgedanken nicht unsichtbar machen. Zweitens, die Mehrzahl der Bekenntnisse bejaht die Kindertaufe und beweist ihre Notwendigkeit. Diese Thematisierung der Kindertaufe ist weder um der Lehre von der Buße willen erforderlich noch durch das Interim veranlasst. Nahegelegt wird sie vielmehr durch die offenkundige Tatsache, dass in mehreren Gemeinden des Jeverlandes Mennoniten auftauchen, die aus Ostfriesland ins Jeverland eingewandert sind und den Pastoren zu schaffen machen. Da die Gegner der Kindertaufe auf die Bibel pochen, müssen sie durch biblische, dogmatische und kirchengeschichtliche Argumente widerlegt werden. Die evangelische Buße, die durch Gesetz (Gericht) und Evangelium (Gnade) das Wesen des Glaubens und der Kirche umschreibt, wird von zwei Dritteln der Pastoren in ihren Bekenntnissen zur Geltung gebracht. Daneben vertritt eine Minderheit eine von den Kirchenvätern bestimmte Theologie, die vor allem das Abendmahl ins Zentrum stellt und in der Teilhabe an der Gottmenschheit Christi das Erlösende erfasst. Beide Typen der Theologie bilden dazu hin noch Varianten aus. Ungeachtet ihrer Verschiedenheit ziehen sie jedoch mit der Einrichtung des evangelischen Abendmahls als Ort der gnädigen Vergebung die gleiche Folgerung. Deshalb ist zwischen ihren Vertretern eine praktische Zusammenarbeit möglich, und zwar auch dann, wenn unterschiedlich gesinnte Prediger an einer Kirche tätig sind. Freilich blieb die Verschiedenheit der Typen und Varianten auch damals schon nicht unbemerkt, so dass sich der Wunsch an die Oberfläche drängte, die Obrigkeit möge doch für die Einheit der Lehre sorgen. Im folgenden wird der Versuch unternommen, die beiden Haupttypen in ihrem jeweils wichtigsten Vertreter zu erfassen, denen beidemale Varianten an die Seite gestellt werden.
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Pluralität und Einheit in der jeverländischen Theologie
2. Der Wittenberger Typus der Theologie Es deutet – vielleicht mit einer Ausnahme – nichts darauf hin, dass man im Jeverland des Jahres 1548 eine Differenz zwischen Luther und Melanchthon bemerkt hätte. Nicht einmal der Zahlenunterschied bei den Sakramenten vermochte das einheitliche Bild von der Wittenbergischen Kirche3 zu stören. Die Polemik der Gnesiolutheraner gegen Melanchthon und seine Beteiligung am sog. Leipziger Interim sollte sein Ansehen erst in der Zukunft beeinträchtigen. In den Bekenntnissen steht die Autorität Melanchthons unangefochten im Vordergrund. Zwar wurde Luther sicherlich im Vergleich mit ihm ebenso hoch oder auch noch höher geschätzt, aber er wurde – von seiner durch Bugenhagen vermittelten Bibelübersetzung abgesehen – bei weitem nicht so intensiv gelesen. Von Melanchthon stammten die wichtigsten Lehrschriften, an denen sich die gelehrten oder auch weniger gelehrten Prediger orientieren konnten. Hinzu kommt, dass die in Wittenberg studierenden Jeverländer (06. Hermannus Heronis, 19. Rodolphus Frisius) im Studienbetrieb der artistischen Fakultät mehr mit Melanchthon und seinen dort lehrenden Schülern zu tun hatten als mit Luther. Sicherlich besuchten sie auch dessen Vorlesungen, Predigten und vielleicht auch Disputationen, ordneten aber das dort Gehörte den Kategorien zu, die sie aus den pädagogisch unübertroffenen Lehrschriften Melanchthons zogen. Unter den von Wittenberg her geprägten Pastoren steht 06. Hermannus Heronis an erster Stelle. Der Pfarrer – wenn auch der Pfründe nach nur Vikar – von Hohenkirchen hatte neun Jahre zuvor in Wittenberg studiert und entweder von Melanchthon selbst oder dessen Kreis seine theologische Konzeption nach Hause zurückgebracht. Sie liegt auch seinem Bekenntnis zugrunde. Den Sündenfall und die Folge des ewigen Verlorenseins schildert Hermannus mit den Worten des Interim, dessen oberdeutsche Wendungen er ins Niederdeutsche übersetzt (3). Durch die Sendung Christi, in welcher der göttlichen Gerechtigkeit Genugtuung geschah, wird die Erlösung möglich (4), welcher der Mensch allein durch den Glauben teilhaftig wird (5). Der Glaube ist das lebendige Vertrauen auf Gott, woraus die Liebe und alle andere Tugenden fließen (6). An späterer Stelle wird er innerhalb der Sakramentslehre auf das Sakrament der Absolution und auf die beiden Teile der christlichen Buße zurückkommen: wahrhaftes Bekennen und Bereuen der Sünde und Glaube (13 a). Die zentrale Stellung des Glaubens bestimmt auch das Wesen der Kirche: Sie ist die Versammlung der wahren Gläubigen und wird an dem Wort und 3
19. Rodolphus Frisius (11).
2. Der Wittenberger Typus der Theologie
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an dem rechten Gebrauch der Sakramente erkannt (8 a). Allein in ihr gibt es Sündenvergebung. Allerdings ist sie eine gemischte Kirche, in der es neben den rechtschaffenen auch falsche Glieder gibt (8 a). Ja, es existiert sogar neben der wahren Kirche eine heuchlerische Kirche, die die wahre Kirche verfolgt (8 b). Mit Melanchthon zählt Hermannus drei Sakramente: heilige Zeichen, die auf das Wort gegründet sind und durch die Gott uns um Christi willen zu Gnaden annimmt (9). Neben der Buße bewährt sich dies in der Taufe: sie wirkt in uns Vergebung der Sünden (10). Auch das Abendmahl dient vor allem … der Vergebung der Sünden (12 a). Von dieser klaren, durch die Bibel begründeten Vorstellung von Erlösung und Kirche ausgehend zerpflückt Hermannus die unbiblischen Forderungen und Vorstellungen des Interim: die Rechtfertigung durch die Liebe (7), die heuchlerische Kirche, die die Kirche der Vergebung verfolgt (8 b); die Meinung, dass das Altarsakrament ex opere operato wirke (12 a) oder dass es nach der Wandlung (transsubstantiatio) anzubeten sei (12 d) oder dass es als Opfer Lebenden oder Toten zugewandt werden könne (12 f) oder zur Erlösung der Seelen zu vollziehen sei (17 b). Dem Vertrauen auf die Fürbitte der Heiligen setzt Hermannus entgegen, dass wir außer dem Sohne Gottes keine anderen Mittler oder Nothelfer benötigen (18). In der Aufforderung des Interims zum Totengedächtnis (19) sieht Hermannus eine Bestätigung der Lehre vom Fegefeuer, die in direktem Widerspruch zum Artikel von der Rechtfertigung steht. Mit besonderer Wachsamkeit durchmustert Hermannus das 26. Kapitel des Interims, wo eine Reihe plausibler Zeremonien sich entweder als unnötig erweist oder aber direkt dem Missbrauch Vorschub leistet (20). Im Widerspruch nicht unmittelbar zum Rechtfertigungsglauben, wohl aber zur Bibel und auch zur ältesten Kirchengeschichte steht der Anspruch der römischen Kirche auf das Recht der Schriftauslegung (8 c) und auf den Primat des Papstes (8 d) sowie das Verbot der Priesterehe (16 b). Dem systematischen Aufriss des Bekenntnisses von Hermannus Heronis lassen sich eine Reihe weiterer Bekenntnisse zuordnen und verstehen, die demselben Typus angehören. Mit Hermannus eng verbunden zeigt sich 05. Ludolphus (Middoge), der offenbar das Bekenntnis des Hermannus einsehen und auswerten konnte. Mit in diesen engeren Kreis gehört 04. Gherardus Jeger (Tettens), dessen Verbindung mit Ludolphus u. a. in der gemeinsamen Benutzung der Streitschrift von Caspar Aquila Wider den spöttischen Lügner zum Vorschein kommt. Als Mitreformator des Jeverlandes in erster Stunde muss Gherardus Jeger den Melanchthonschen Grundriss seiner Theologie nicht beweisen. Dass er ihn teilt, zeigt neben der Zentralstellung der Rechtfertigungslehre (1 a; 2) die Dreizahl der Sakramente (3–5).
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Die Verehrung, die 02. Jacobus Franckenberg (Jever) dem hochgelehrten teuren … Mann Philippus Melanchthon zollt, kommt in seinem Bekenntnis auf Schritt und Tritt zum Vorschein, wobei die Verdeutschung der mittleren Form der Loci theologici durch Justus Jonas dem fleißigen Autodidakten die Voraussetzungen verschafften, sich auch als Vikar und armer Geselle auf dem Feld der Theologie sicher zu bewegen. Weniger sicher mutet das Bekenntnis des anderen Jeverschen Vikars 03. Michael Hamminck (Wiefels) an, der als Diener des Wortes die Gemeinde Wiefels versorgte. Sein Bekenntnis gibt er auf lateinisch, weil er sich lateinischer Texte von Luther und Melanchthon bedient, die sich durch Unangreifbarkeit auszeichneten. Die Auswahl dieser Texte, die er ohne Zweifel verstanden hat, gibt gleichwohl genügend Zeugnis davon, dass er auf die Wittenberger Theologen vertraute. Dem Melanchthonschen Typus der Theologie gehört sodann auch 09. Jacobus Theodorici (Oldorf) an. Drei Eigenarten zeichnen ihn vor andern aus. Erstens argumentiert er gerne – und mehr als die anderen von Melanchthon geprägten Theologen – mit Belegstellen aus den Kirchenvätern. Zweitens bildet er im Anschluss an Confessio Augustana 28 eine eigenständige Lehre von den drei Schlüsseln der Kirche aus: Predigt, Taufe und Buße (18), wobei Taufe und Buße bei ihm mit der Eucharistie zusammen als Sakramente zählen. Drittens macht er in der Auseinandersetzung mit den Mennoniten ausführlich Gebrauch von seinen logischen Kenntnissen, die er sich beim Studium der Dialektik innerhalb des Triviums erworben hat. Humanistische Bildung ist auch bei seinem nordöstlichen Nachbarn 07. Iko Mensen (Hohenstief oder St. Joost) zu finden. Seine Rezension des Interim hält sich eng an dessen Text, wobei er Melanchthons Bedenken aufs Interim heranzieht. Allzu genaue Festlegungen vermeidet er allerdings durch das stilistische Kunstmittel, die Aufstellungen des Interims zunächst einmal zu loben, um sie dann desto gründlicher zu verwerfen. 19. Rodolphus Frisius (Schortens) schließlich erweist sich nach dem Inhalt seines in Latein geschriebenen Bekenntnisses und nach dessen guter sprachlicher Form als Melanchthonschüler. Außerdem steht er treu zur Lehre der Wittenbergischen Kirche, in der er die Lehre der katholischen Kirche erkennt (11). Den direkt oder indirekt durch Melanchthon geprägten Pastoren sind noch zwei hinzuzufügen, bei denen ein direkter Einfluss Luthers festzustellen ist. Freilich sind die beiden sowohl den zuvor genannten als auch einander ziemlich ungleich. 08. Abel Sybrandi (Wiarden) hat zwar in Wittenberg studiert, sich aber dort nicht nur an Melanchthon gehalten, sondern offenbar auch Luthers Theologie näher kennengelernt. Dies hinterlässt seine Spuren darin, dass er nur zwei Sakramente zählt (19) und die
3. Reformatorische Kirchenvätertheologie
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Lehre vom zwiefachen Brauch des Gesetzes referiert (7). Obwohl es kaum vorstellbar ist, dass Abel die Differenz zwischen den beiden Reformatoren nicht bemerkt haben könnte, übergeht er dieses Problem mit Schweigen. Auf ganz andere Weise partizipiert 18. Iacobus Drentwede in Schortens an Luthers Theologie. Er gehört zu den älteren Geistlichen, die nur eine bescheidene Vorbildung genossen hatten, erreichte es aber, auf die gut dotierte Pfarrstelle in Schortens berufen zu werden. Wie andere einfältige Pfarrherrn hielt er sich zur Klärung seiner Gedanken und zur Formulierung seines Bekenntnisses an den Kleinen und den Großen Katechismus, welche Luther nicht nur für Schulmeister oder Hausväter im allgemeinen, sondern insbesondere auch für Geistliche wie ihn geschrieben und veröffentlicht hat. Überwiegend zum Wittenberger Typus kann man schließlich noch folgende drei Bekenntnisse von Pastoren zählen, die nicht über ein Universitätsstudium verfügten. 11. Petrus Kempis (Pakens) verweist ausdrücklich auf Melanchthons Apologie und Loci communes (2), ähnlich 17. Johannes Scroder (Sandel) auf Melanchthons Loci und die Augsburgische Konfession. Weniger Merkmale bietet das kurze Bekenntnis von 20. Minnerdt (Sande). Es hält sich aber mit seiner Auffassung von Sünde und Gnade in den Grenzen der Vorstellung von der evangelischen Buße.
3. Reformatorische Kirchenvätertheologie Die 1527 vollzogene Reformation der Jeverschen Pfarrkirche St. Cyriacus war in erster Linie an der von Wittenberg ausgehenden Bewegung orientiert. Pfarrer Hinrich Kremer ersetzte die mittelalterliche Messe durch Luthers Deutsche Messe, was sich noch in der sog. Pakenser Messe im Bekenntnis von 11. Petrus Kempis niederschlägt. Auch Remmer von Seediek, der von Anfang an die Richtung des jeverländischen Kirchenwesens bestimmte, ließ sich durch Luther leiten, indem er Kremers Gottesdienstreform verteidigte und seine nach Luthers Vorbild vollzogene Eheschließung guthieß. Der Katalog seiner Bibliothek belegt, dass er auf die Verfügbarkeit wichtiger Werke Luthers und Melanchthons achtete.4 So wichtig für Remmer die Schriften der Reformatoren waren, so fällt doch zugleich sein Bemühen um die Kirchenväter auf. In seiner nicht nur für ihn selbst, sondern auch für andere Benutzer verfügbaren Bibliothek schaffte er die 1541–43 bei Froben in Basel erschienene Augustinus4 Heinen / Koolman, Die Bibliothek des Remmer von Seediek, 245–258. – Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 214 .
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Pluralität und Einheit in der jeverländischen Theologie
Ausgabe an, ebenso die 1524–26 beim selben Verleger gedruckte Hieronymus-Ausgabe. Darin kommt wohl die humanistische Studienatmosphäre zutage, die er selbst in vorreformatorischer Zeit um 1512 als Student an der artistischen Fakultät in Rostock kennengelernt hatte. Es ist also kein Zufall, dass neben der mehrheitlich vertretenen Wittenberger Konzeption von Glaube und Kirche eine andere Auffassung weiter bestand, die zwar die praktischen Konsequenzen der Reformation bejahte, aber aus einem geistlichen Erleben herrührte, das nicht direkt durch Melanchthons Schriften, sondern eher an den Kirchenvätern orientiert war. Am deutlichsten vertritt diese Theologie der Jeversche Pfarrer 01. Gerhardus Wandscher, der 1540 die Nachfolge von Hinrich Kremer angetreten hatte und 1549 starb. Gerhardus Wandscher legt sein Bekenntnis in lateinischer Sprache vor. Dadurch geht er bei den Bibelzitaten von vorneherein der Entscheidung aus dem Weg, welche Übersetzung er wählen soll. Er belässt es in der Regel beim Vulgatatext, scheint aber mitunter auch bei Erasmus nachgeschlagen zu haben5. Er beginnt gemäß dem obrigkeitlichen Auftrag mit seinem Glaubensbekenntnis (1), das er ausdrücklich katholisch und orthodox nennt. Er gibt darin den Text des Nizänums wieder, der mit christologischen Formeln des Konzils von Chalkedon angereichert ist und bei dem den einzelnen Wendungen parenthetisch die jeweils betroffenen Häretiker und ihre abzulehnenden verkehrten Meinungen beigefügt sind. Der zweite Artikel gerät dadurch zu einer überlangen Periode, die ein gelehrtes und imponierendes Verzeichnis der altkirchlichen Ketzergeschichte repräsentiert. In die Gegenwart reicht das Verzeichnis nur insofern hinein, als die Wiedertäufer einzelne Häresien erneuern und sich dadurch ins Unrecht setzen. Ohne Umweg über eine Buß- oder Rechtfertigungslehre oder über eine Lehre von der Kirche springt Gerhardus Wandscher unmittelbar in sein Bekenntnis vom Herrenmahl hinein, wo offenbar sein Herz schlägt. Er vertritt die Realpräsenz von Leib und Blut Christi in Brot und Wein in der Weise, dass wir beim Essen und Trinken mit Christus so eng verwachsen, dass wir seinem Leib eingefügt werden. Dadurch teilt Christus mit uns seine Unsterblichkeit, seine Kraft, seinen Reichtum und – was schließlich ebenfalls unterstrichen wird – seine Gerechtigkeit (2 b). Schon in der Schöpfung verlieh Christus den Geschöpfen den Lebensgeist (2 d). Nach dessen Verlust im Sündenfall brachte Christi Inkarnation die Unsterblichkeit zurück (2 h), wobei sich der Fromme sogar dadurch trösten kann, dass er nach der Kommunion das ewige Leben an seinem eigenen Fleisch findet (2 g). Biblische Grundlage für Gerhardus ist die 5
So bei dem Zitat von 1Kor 14, 24 . (3 a).
3. Reformatorische Kirchenvätertheologie
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Rede Christi vom Brot des Lebens (Joh 6, 48), die ohne Einschränkung auf das Abendmahl hin ausgedeutet wird (2 f). Mit Zitaten der Kirchenväter, voran der bekannten Stelle aus Irenäus, belegt Gerhardus seine Meinung (2 l). Dabei zeigt er sich auf der Höhe seiner Zeit, dass er zur Stützung seiner Auffassung zwei (vermeintliche) Canones des Konzils von Nizäa zitiert, die als soeben wiederentdeckt galten (2 m). Seiner realistischen Lehre vom Essen und Trinken des Leibes und Blutes Christi fügt Gerhardus ein Bekenntnis von der Predigt des Wortes hinzu, ohne die beiden Komplexe mit einander zu verbinden oder gar auszugleichen (3 a). Auf den Spuren von Augustinus reflektiert er über das Verhältnis von äußerer und innerer Heiligung (3 b.c), wobei er mit Augustinus – sicherlich ungewollt – die doppelte Prädestination streift. Wie sich aus der von 11. Petrus Kempis bezeugten Pakenser oder besser: Jeverschen Messe ergibt, hatte der Jeversche Reformator Hinrich Kremer an der Pfarrkirche St. Cyriakus Luthers Deutsche Messe eingeführt. Als Vikar unter Kremer hat Gerhardus daran nichts geändert. Dies war auch für ihn nicht nötig, da für seine Abendmahlsfrömmigkeit auch in Luthers Deutscher Messe mit der dermunge oder consecration6 der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Gegenwart Christi in Brot und Wein gegeben war. Dass Gerhardus darauf eine Soteriologie aufbaute, bei der die Kommunion in einer Art Vergottung mündet, aus der sich wiederum Seligkeit, Rechtfertigung und gute Werke ableiten lassen, bedeutet keine Rückkehr zur altgläubigen Frömmigkeit, da deren Anknüpfungspunkte in der Messliturgie (Opfergebete) samt der daraus folgenden Ablasspraxis abgeschafft bleiben. Das friedliche Nebeneinander der Abendmahlslehre Melanchthons, die unmittelbar auf die Sündenvergebung abzielt, mit der Vorstellung von der Eingliederung in Christus oder mit der durch Joh 6 nahegelegten Lehre der Kirchenväter findet sich mitunter in den Gedanken eines und desselben Verfassers. Dies ist bei 12. Frerick Hilderßen (Waddewarden) der Fall (3), dem sich sein 13. Vikar Memmo summarisch anschließt, aber auch bei 14. Henricus Bernardus Tymmermann (Sillenstede) (5 b). Tymmermann hat offenkundig an einer vom Wittenberger Einfluss noch unberührten Universität studiert und zur Ausgestaltung seines Bekenntnisses sowohl in den mitgebrachten artistischen Wissensvorrat gegriffen als auch erkennen lassen, dass er sich im kanonischen Recht zu bewegen weiß. Ob der an seiner Seite wirkende Vikar 15. Ubbo das lateinische Bekenntnis seines Pastors kannte oder verstand, bleibt unklar. Wahrscheinlich hat er durch längere Zusammenarbeit einiges – beispielsweise im Verständnis der Schöpfung (2) – von ihm übernommen. – Den Pastoren, die aus den 6
Luther WA 19, 97. 99.
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Schriften der Kirchenväter schöpfen, ist auch 16. Martin Fabricius (Cleverns) zuzuordnen. Sein Artistikstudium gibt ihm die Mittel an die Hand, seinen Hauptgegenstand in philosophisch geregelter Weise mit Hilfe einer dialektischen Methodus zu befragen. Wie bei Gerhardus Wandscher ist Hauptgegenstand das Abendmahl im Sinne der Kirchenväter. Dieser Gruppe kann auch 21. Meynerdus Focken (Heppens) zugezählt werden. Sein Bekenntnis, das der Form nach dem Interim entlanggeht, ist in seinem Gehalt mit den anderen schwer vergleichbar. Einerseits anerkennt er die Gerechtigkeit allein durch den Glauben (4). Andererseits sieht er im Abendmahl nicht nur ein gewisses Pfand der Vergebung der Sünde, sondern kraft der Transsubstantiation eine Vereinigung mit Christus, indem wir werden ein Bein von seinem Bein und ein Fleisch aus einem Fleisch, woraus die Vergebung der Sünde, die Kraft zum Guten und die Gewissheit des ewigen Lebens folgen (10 b). Ein Einzelgänger unter den jeverländischen Pastoren ist 10. Cornelius Falconissa (Westrum), der sich als Seher oder Prophet fühlt und deshalb keiner der beiden Gruppen zugeordnet werden kann. Allerdings ist er mit beiden in der Ablehnung des Interim einig und berührt sich in seiner Abendmahlslehre inhaltlich mit der Wittenberger Auffassung.
4. Das Reformatorische in den jeverländischen Pfarrerbekenntnissen Nimmt man die Abendmahlslehre zum Ausgangspunkt, dann lassen sich – wie gezeigt – 13 Pastoren der Wittenberger Theologie zuordnen, während sich 7 Pastoren an die Kirchenväter halten. Diese sachliche Differenz ist zweifellos schon von den Zeitgenossen empfunden worden, hat aber offenkundig weder die Einheit des jeverländischen Kirchenwesens noch seine Zugehörigkeit zur Reformation infrage gestellt. Als wichtigster Beleg dafür kann die Abendmahlslehre der 22. Confessio jeverensis (20) gelten. Einerseits zielt in ihr das Abendmahl auf den Glauben, der die Vergebung der Sünden, die Gerechtigkeit und die Hoffnung auf das ewige Leben mit sich bringt. Andererseits steht unter den Kirchenväterzitaten, die den Sinn der Einsetzungsworte erläutern, das Irenäus-Wort, das die Auferstehungshoffnung auf das Essen der himmlischen Materie gründet. Die Grenze zwischen der Reformation und dem altgläubigen Kirchenwesen liegt im Jeverland nicht zwischen der Wittenberger und der Kirchenväter-Theologie, sondern zwischen diesen beiden einerseits und dem vom Interim geforderten Gottesdienst andererseits. Das Interim wollte wieder einführen, was im Jeverland mit erstaunlicher Geschwindigkeit
4. Das Reformatorische in den jeverländischen Pfarrerbekenntnissen
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und Gründlichkeit abgeschafft worden war: das im Messopfer zentrierte System von Ablass und guten Werken. Da dem Jeverland ein Bildersturm erspart geblieben war, ließ man in den meisten Kirchen noch für längere Zeit die Nebenaltäre dort stehen, wo die Messpriester ehemals die Opfermessen zugunsten der armen Seelen im Fegefeuer gelesen hatten. In Tettens erinnert das Sakramentshäuschen bis zum heutigen Tag an das fromme Werk der Hostienanbetung, obwohl diese schon wenige Jahre nach der Errichtung dieses Tabernakels eingestellt wurde. Die Ablässe, die in der Jeverschen St. Cyriacus-Kirche zu haben waren, wollte niemand mehr erwerben. Innerhalb von fünf Jahren – zwischen 1527 und 1532 – war trotz anfänglicher Widerstände der Gottesdienst im Sinne des Evangeliums so gründlich reformiert und in den folgenden 16 Jahren so fest eingerichtet worden, dass weder die Kanzlei noch einer der 21 Pastoren zum alten Zustand zurückkehren wollte. Auch gibt es kein Anzeichen einer Unzufriedenheit der Gemeindeglieder darüber, dass die über Generationen hinweg teuer bezahlten und eigentlich für immer geltenden Anrechte auf Opfermessen zugunsten Lebender und Toter ersatzlos gestrichen waren. Es ist erstaunlich, daß diese Enteignung von den Gliedern der Gemeinden offenbar ohne Protest hingenommen wurde. Die Enteignung war im Jeverland auch im Rückgang der geistlichen Stellen unübersehbar, die innerhalb kürzester Zeit von 47 um ein Drittel auf 30 sanken. Dabei hatte die Entlassung oder Streichung wahrscheinlich sogar überwiegend Landeskinder betroffen, da diese üblicherweise bei Stiftung von Meßpriesterstellen in erster Linie bedacht worden waren und oft auch der Schicht der Stifter entstammten. Allem Anschein nach blieb der Protest gegen die wirtschaftlichen und personellen Folgen der Reformation deswegen aus, weil die tröstliche Antwort der Reformation auf die Gerichtsangst überzeugender war als die der Papstkirche. Offenbar konnte das abgestufte Heilssystem, das im Laufe des Mittelalters zu einer beeindruckenden Komplexität und Größe herangewachsen war, die völlige Heilsgewißheit weniger vermitteln als die reformatorische Botschaft, die auf dem Grund der Bibel dem Sünder Gnade und Seligkeit allein durch den Glauben zusprach und ihn dadurch von allen Gerichtsängsten befreite. Was Erhard Altdorfer im Anschluss an Lukas Cranach auf dem Titelblatt der Bugenhagen-Bibel zum Ausdruck gebracht hatte, war in kurzer Zeit im Gottesdienst angekommen. Der Schrecken des Gesetzes, die Angst vor dem göttlichen Gericht und die Reue über die Sünde blieben auch weiterhin als erster Teil der Buße feste Bestandteile des Glaubenslebens. Sie wurden sogar durch die in den Bekenntnissen immer wieder zutage tretenden Erwartung des baldigen Anbruchs des Jüngsten Tages
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Pluralität und Einheit in der jeverländischen Theologie
noch massiv verstärkt. Aber man beantwortete sie nicht mehr mit den von der Kirche empfohlenen guten Werken (Opfermessen, Stiftungen, Wallfahrten), deren Erfolg ungewiss blieb, sondern hielt sich an die bedingungslose, endgültige und heilsame Antwort im göttlichen Gnadenhandeln von Inkarnation, Kreuz und Auferstehung. Im Gottesdienst hatten Predigt und Sakramentsverwaltung die Aufgabe, diese Antwort zu übermitteln und damit den Vorgang der evangelischen Buße zu vollenden. Wie die Bekenntnisse der 21 Pastoren illustrieren, dürften auch ihre Predigten höchst unterschiedlich gewesen sein. Einig waren sie sich jedoch in dem Kernbereich der reformatorischen Theologie, die heute gerne mit der Formel des vierfachen Allein als Wesensbestimmung des Reformatorischen geltend gemacht wird. Dass die Verkündigung allein durch die heilige Schrift bestimmt werden darf, zeigt sich in der Selbstverständlichkeit des Schriftbeweises, zu dem auch gehört, dass die Kirchenväter als zuverlässige Interpreten der Bibel gegen das vorreformatorische Kirchenwesen und die Scholastik um Rat gefragt wurden. Aus der Schrift ergibt sich, dass nicht die Heiligen anzurufen sind, sondern allein Christus, der von Gott als Mittler gesandt ist und durch sein Heilswerk alles vollbringt, was zur Seligkeit notwendig ist. Die Aneignung des Heils geschieht nicht durch gute Werke, sondern allein durch den Glauben, d. h. durch das Vertrauen auf Gott, weil es allein durch die Gnade gewährt wird. Die sprachlichen Verschiedenheiten, die unterschiedlichen theologischen Ansätze und das mannigfache Beiwerk, mit dem Predigten auch damals ausgeschmückt worden sind, mag von den Kanzeln aus die Einheit im reformatorischen Grundanliegen nicht hinreichend klar gemacht haben. Vom Altar her jedoch war diese Klarheit gewährleistet. Pastor Hinrich Kremer hatte 1527 in Jever dadurch die Reformation eingeführt, dass er die gebräuchliche lateinische Opfermesse durch die Liturgie ersetzte, die Luther kurz zuvor als Deutsche Messe veröffentlicht hatte. Dies bedeutete mehr als eine sprachliche Änderung und auch mehr als eine Vereinfachung der Liturgie. Vielmehr erfolgte damit nichts Geringeres als (1) die Abschaffung des Messopfers als eines guten Werks und (2) die Wiederentdeckung des Abendmahls mit Kommunion von Brot und Kelch als tröstlicher Vollzug der Vergebung bei jedem einzelnen Christen. Da in der Deutschen Messe die zentralen Opfergebete des sog. Messkanons gestrichen waren, konnte das Abendmahl auch durch die Gemeinde nicht mehr als Opfer verstanden werden. Dafür wurden nun die Einsetzungsworte nicht mehr leise und lateinisch geflüstert, sondern als Verkündigung in den Mittelpunkt gestellt und laut in der Volkssprache rezitiert. Zudem wurde der Gemeinde nicht nur das Brot als Leib Christi, sondern auch der bisher verweigerte Kelch ausgeteilt, bei dessen Einsetzungswort es ausdrücklich heißt, dass das Blut vergossen wird zur Vergebung der Sünde.
4. Das Reformatorische in den jeverländischen Pfarrerbekenntnissen
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Wie die Änderung der Abendmahlsliturgie im einzelnen bewerkstelligt wurde, ist nicht überliefert. Eine gedruckte Abendmahlsagende brachte im Jeverland erst die Rodtbartsche Kirchenordnung von 15627. Vorher hielten sich die Pastoren wohl an Luthers Deutsche Messe oder an auswärtige Kirchenordnungen. Es scheint aber auch vorgekommen zu sein, dass sie ihr bisheriges lateinisches Messbuch weiterhin benutzten und sich auf eingelegten Blättern die wichtigsten liturgischen Stücke in niederdeutscher Sprache bereitlegten. Zwar nicht im Jeverland, wohl aber im nahegelegenen Oldenburg findet sich dafür ein erhellendes Beispiel. 1511 hatte die Erzdiözese Bremen, zu der auch das Jeverland gehörte, für ihre Kirchen ein neues Messbuch drucken lassen. In der Stadt Oldenburg blieben davon drei Exemplare8 erhalten, die aus dem Buchbestand des Kanonikerstifts an der St. Lamberti-Kirche stammen, welche zugleich die Pfarrkirche der Stadt war. In einem dieser Exemplare ist vom zeitgenössischen Buchbinder ein Zettel mit eingebunden worden, auf dem sich in sorgfältiger Schrift, die den Lettern des Messbuches nachgestaltet ist, die ins Niederdeutsche übersetzten Einsetzungsworte finden.9 Dieser zufällig erhalten gebliebene Zettel ist ein sprechendes Zeugnis für den praktischen Vollzug des Bruches mit dem herkömmlichen Messopferdienst, der einer evangelischen Abendmahlsfrömmigkeit weichen musste. So oder ähnlich darf man sich wohl auch die Einführung des reformatorischen Gottesdienstes im Jeverland vorstellen. Die niederdeutsch verkündigten Stiftungsworte des Abendmahls waren nicht mehr das geflüsterte lateinische Wandlungswort, mit dem der Priester unter Anrufung der Heiligen das aus Brot zum Gottessohn gewordene Opfer dem Vater darbrachte und den Lebenden und Toten zuwandte, sondern das Evangelium von der Vergebung allein aus Gnaden, das mit Erhard Altdorfer angeschaut wird im Mensch gewordenen Gottessohn, der sich damals ein für alle Mal am Kreuz geopfert sowie an Ostern den Tod besiegt hat und nun im Abendmahl seinen Leib und sein Blut samt der Vergebung jedem einzelnen mit verständlichen Worten mitteilt.
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Sehling 1239–1242. Missale Straßburg 1511. – Landesbibliothek Oldenburg, Signatur Theol V B b 44, 44 a und 44 b. Das eingeheftete Blatt findet sich in dem zuletzt genannten Buch. Abbildung 14. 9 Jn der nacht do de heer Jhesus vorraden waerdt. nam dat brodt. sede danck syne¯ vader. brack yd vnd gaf yd synen jüngeren. vnd sprack Nemet hen vnnd eteth. dath ys myn lyf dath vor jw gegheuen werth Dath doeth tho myner gedechtenysse – Des gelyken ock nem he den kelck. sede danck syne¯ vader. vnnd gaf en synen Jungeren. vnd sprack Nemet hen vnde drynket vth dusse¯ alle Dath ys de kelck des nyen testamentes yn myne¯ blode dat vor Ju vnd vor vele vorgaten werth tho vorgeuynge der sunde Also vaken gy dath doen. so doeth yd tho myner gedechtenysse 8
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Pluralität und Einheit in der jeverländischen Theologie
Auf Grund der reformatorischen Neuordnung des Abendmahls konnte das Gnadenhandeln Gottes so verstanden werden, dass mit Leib und Blut Christi die Vergebung ausgeteilt wird, welche die Hoffnung auf das ewige Leben mit sich führt, oder so, dass der Glaubende im Herrenmahl als ein Glied in den unvergänglichen Leib Christi eingefügt und damit auch der Vergebung teilhaftig wird. 1548 wurden diese beiden Varianten noch nicht als Gegensatz, sondern wohl eher als geistlicher Reichtum empfunden.
Die Handschrift Die 21 Bekenntnisse der jeverländischen Pastoren und die Confessio jeverensis werden in der Bibliothek des Mariengymnasiums in Jever in einem Sammelband mit der Signatur XI C b 1 aufbewahrt. Dieser Band enthält noch einige weitere, meist anonyme Stücke, die noch nicht identifiziert sind, mit den Bekenntnissen der Pastoren jedoch offensichtlich nichts zu tun haben. Sie bleiben in der Edition außer Betracht, müssen aber hier erwähnt werden, weil sie die Seitenzählung des Sammelbandes mitbestimmen. Im folgenden werden die in dem Band zusammengehefteten Einzelhandschriften soweit beschrieben, dass die Seitenzählung verständlich wird, die beim Abdruck der Texte in eckigen Klammern steht. Diese Beschreibung ersetzt nicht eine spätere kodikologische Untersuchung, die aus der genauen Analyse der von den Verfassern benutzten Papiere, der Beschädigungen und ihrer Reparaturen, der Spuren früherer Einbände und der jetzigen Anordnung der Bekenntnisse innerhalb des Sammelbandes möglicherweise noch weitere Erkenntnisse ziehen könnte. Die Seiten des Bandes wurden erst im 19. Jahrhundert mit Bleistift (von Seite I bis III und 1 bis 499) durchgezählt. Dies geschah spätestens 1888, dem Erscheinungsjahr der Schrift von Ludwig Schauenburg über Die Täuferbewegung, wo diese Seitenzahlen den Belegen beigefügt sind. Die Seitenzahlen setzen voraus, dass die Manuskripte schon in einem festen Einband vereinigt sind. Bei der Durchnummerierung der Seiten blieben die unbeschriebenen Seiten meist unbeachtet, so dass streckenweise ungerade Seitenzahlen links und gerade Seitenzahlen rechts zu finden sind. Die Seitenzahlen der Manuskripte oder Manuskriptteile, bei denen dies der Fall ist, werden in der folgenden Aufstellung mit * gekennzeichnet. Da die Schreiber der Bekenntnisse die Seiten aus Sparsamkeit oft sehr dicht füllten und auf freie Ränder verzichteten, verschwanden beim Binden häufig am inneren Rand die äußersten Buchstaben, und zwar auf den linken Seiten die letzten der Zeile, auf den rechten Seiten die ersten. Zur Vervollständigung der Wörter wurden die unsichtbar gewordenen Buchstaben der Originale aus der Abschrift des Hermannus Heronis ergänzt und kursiv gesetzt. Wenn beim Fehlen des Originals die Abschrift als
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Die Handschrift
einzig noch vorhandener Textzeuge ergänzt werden muss, wird die Konjektur in eckige Klammer gesetzt. Vom Buchbinder sind zusammengehörige Teile von Einzelmanuskripten nicht immer erkannt und deshalb an verschiedenen Stelle eingeordnet worden, was sich als Unregelmäßigkeit bei der Seitenzählung auswirkt. Um auch diesen Sachverhalt wenigstens summarisch nachvollziehbar zu machen, werden im folgenden die einzelnen Bestandteile des Bandes aufgeführt. Auf das leere und ungezählte Vorsatzblatt folgt zunächst auf liniertem Papier ohne Seitenzahl das von Georg Sello angelegte alphabetische Verzeichnis der Pastoren und ihrer Bekenntnisse (Rückseite leer und ungezählt), sodann die leere Seite I (mit leerer und ungezählter Rückseite). Die stark verschmutzte, ehemals beschädigte und reparierte Seite II, die vermutlich eine Zeitlang als Umschlag des noch nicht gebundenen Papierstapels gedient hatte, trägt den wohl aus dem 18. Jahrhundert stammenden Gesamttitel Der Prediger In Jewerlandt Bedencken Unndt Confession wieder dass Interim (Rückseite leer und ungezählt). Anschließend beginnt auf Seite III und von Seite 1 bis 196 die Abschrift aller 21 Einzelbekenntnisse durch Hermannus Heronis. Die Abschrift besteht aus 5 Lagen mit jeweils ca. 10 bis 12 Bogen (Maß der Seite: 29,5 x 19 cm). Das starke und feste Papier dieser Abschrift bestimmt das Format des ganzen Bandes. Die auf teilweise dünnerem Papier mit kleinerem Format geschriebenen einzelnen Originalhandschriften fügte der Buchbinder der vorangestellten Abschrift so an, dass er sie lagenweise abwechselnd nach oben und nach unten schob und die Verdickung des Bandes in der Mitte, wo die Hefte sich überlappen, in Kauf nahm. Die Confessio jeverensis am Ende des Bandes entspricht im Papierformat wieder dem Anfang. Die Abschrift wird auf dem ersten Blatt eröffnet mit Seite III, die den von Hermannus Heronis geschriebenen Titel des 16. Jahrhunderts Wedder dat Interim und das Widmungsgedicht an die Pastoren Ad singulos enthält. (Rückseite leer und ungezählt). Auf dem zweiten Blatt beginnt dann mit Seite 1 die normale Seitenzählung. Bei der vierten Lage, bestehend aus 10 Blättern mit 40 Seiten ist Seite 151 dreimal gezählt, so dass in dieser Edition die Seiten 151 a, 151 b und 151 c unterschieden werden. Nach Seite 196 bleiben die restlichen 10 Seiten der fünften Lage leer und ungezählt. Da die Edition die Texte in der Reihenfolge der Abschrift von Hermannus Heronis bringt, wird der Inhalt der 196 Seiten durch die eingefügten kursiven Seitenzahlen im einzelnen nachvollziehbar.
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Seite 197 (Rückseite leer und ungezählt) enthält ein zufällig in den Band geratenes Aktenstück aus dem Jahr 15171. Mit Seite 198* beginnen die erhalten gebliebenen Originalhandschriften der Pastoren, die in mehr oder minder zufälliger Reihenfolge der Abschrift von Hermannus Heronis beigelegt und später gebunden wurden. Um sie leichter aufzufinden, wird ihren Namen die Kennziffer beigegeben, die ihren Platz in der Abschrift von Hermannus Heronis angibt. 198*–210*: 07. Iko Menßen (Hohenstief oder St. Joost), 2 mal 2 Bögen kleineren Formats (20,5 x 15,5 cm); von den 16 Seiten die letzten 3 leer und ungezählt. Anfang des Bekenntnisses s. Seite 277–278. 211–215: 18. Jacobus Drentwede (Schortens), 2 Bögen (20 x 14 cm); von den 8 Seiten die letzten 3 leer und ungezählt. 216*–229*: 21. Meynerdus Focken (Heppens), 2 mal 2 Bögen (20 x 14 cm); von den 16 Seiten die ersten 2 leer und ungezählt. 230*–243*: Anonyme Schrift I (nicht ediert). 244*–245*: Anonyme Schrift II (nicht ediert); 1 Bogen (14,5 x 9,5 cm); von den 4 Seiten die letzten 2 leer und ungezählt, aber so um die Seiten 246*–257* gelegt, dass sie auf diese folgen; 246*–257*: 03. Michael Hamminck (Wiefels), 3 Bogen (14,5 x 9,5 cm); es folgen ungezählt die beiden leeren Seiten des Bogens mit der Anonymen Schrift II (vgl. S. 244 f.*). 258*–276: 08. Abel Sybrandi (Wiarden). Seite 258*–261*: 1 Bogen (28,5 x 20 cm), 2 mal gefaltet, diente wohl als Umschlag für das übrige Manuskript. – Dann folgt Seite 262*–276, wobei die Rückseite von Seite 272* leer und ungezählt bleibt. 277f.: 07. Iko Menßen (Hohenstief oder St. Joost), ein Blatt (mit der Fortsetzung von Seite 198*–210*) und ein Bogen (29,5 x 20 cm) mit 4 leeren, ungezählten Seiten, die vielleicht als Umschlag des ganzen Bekenntnisses dienten, wobei auf der dritten Seite noch einmal der Name des Absenders genannt wird: Iko Pastor Jnn Honsdep. 279f.: 20. Mynnerdt (Sande), ein Einzelblatt (29 x 20 cm). 281–288: 16. Martin Fabricius (Cleverns), 3 Bogen (29 x 19 cm), letzte 4 Seiten leer und ungezählt. 289–342: 02. Jacobus Franckenberg (Jever), 4 Lagen mit je 2 Bogen, 1 Lage mit 3 Bogen, von denen das letzte Blatt abgeschnitten ist, 1 Lage mit 3 Bogen (20,5 x 14 cm) 343–351: 19. Rodolphus Frisius (Schortens), 3 Bogen (20 x 14 cm); davon die ersten beiden Seiten sowie die letzte Seite leer und ungezählt. 1 Entscheidung über Einnahmen im Kirchspiel Schortens OUB 6, 490. – Heinrich Schmidt in: Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 112f.
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352*: 17. Johannes Scroder (Sandel), 1 Bogen (28 x 20 cm), letzte 3 Seiten leer und ungezählt. 353–421: 10. Cornelius Falconissa (Westrum), 1 Bogen (19 x 14 cm), von dem die letzten drei Seiten leer und ungezählt sind, wobei die zweite Hälfte dieses Bogens ursprünglich wohl als Umschlag der folgenden 17 Bogen diente. 422*–434*: 21. Meynerdus Focken (Heppens), 4 Bogen (19 x 14 cm), letzte 3 Seiten leer und ungezählt. 435–448: 09. Jacobus Theodorici (Oldorf), 4 Bogen (29,5 x 20 cm), letzte 2 Seiten leer und ungezählt (ursprünglich wohl als Umschlag nach vorne gefaltet). 449–453: Dat Bedenckent der Pastornn in Wangerlandt nach gemeiner deliberation schrifftlick gestelt Anno [15]56 den 10. Decembris (geschrieben durch Hermannus Heronis, nicht ediert). Die Rückseite der letzten Seite 453 ist unbeschrieben und ungezählt. 454*–477: Confessio jeverensis Erste Handschrift (A): (29,5 x 20 cm) 1 Blatt als Seite 454* vorangestellt (Rückseite leer und ungezählt); dann 6 Bogen (Rückseite von Seite 477 leer und ungezählt). 478*–499: Confessio jeverensis Zweite Handschrift (B) (29,5 x 20 cm). Der erste Bogen dient als Umschlag für die folgenden. Von Seite 478* ist die Rückseite 479* leer. Danach 5 Bogen (29,5 x 20,5 cm), nach Seite 499* folgt die zweite Hälfte des Umschlagbogens mit 2 leeren, ungezählten Seiten.
Zur Edition 1. Text (linke Seite) Der jeweils auf der linken Seite abgedruckte lateinische oder niederdeutsche Text folgt (soweit erhalten) dem eigenhändigen Manuskript A des jeweiligen Verfassers oder (falls A verloren ging) der Abschrift B durch Hermannus Heronis. Bei der Schreibung der Namen der Verfasser folgt die Edition dem Text. Die Texte werden buchstabengetreu wiedergegeben (also auch e für ae, y für ij, ß für ss). Großbuchstaben werden nur dort gesetzt, wo sie eindeutig als solche erkennbar sind. Randglossen (meist Bibelstellen) werden an nächstgelegener sinnvoller Stelle in den laufenden Text eingefügt. Dabei bezeichnet * den Anfang, ** das Ende der Randglosse. Die Seitenzahlen der eigenhändigen Manuskripte A werden recte, die Seitenzahlen der Abschrift von Hermannus Heronis B kursiv in eckigen Klammern in den laufenden Text eingefügt. Satzzeichen (Punkt, Komma, Virgel sowie Kolon bei Bibelstellenangaben) und Absätze werden unverändert wiedergegeben. Wenn kettenartig aneinandergehängte Bibelzitate jeweils mit einem hängenden Einzug beginnen, wird dieser mit einem senkrechten Strich bezeichnet. Die beim Einbinden im Falz verschwundenen Einzelbuchstaben, Wortteile oder Wörter werden bei Texten nach A stillschweigend aus B ergänzt und dabei kursiv gesetzt, bei B als Konjektur in eckige Klammern gestellt. Die von den einzelnen Verfassern in unterschiedlicher Häufigkeit angewandten Abkürzungen werden aufgelöst (außer bei den Bezeichnungen der biblischen Bücher). Wenn im Niederdeutschen zweifelhaft ist, ob die Endung e¯ beim Artikel oder Adjektiv als em oder en (Dativ oder Akkusativ) aufzulösen ist, wird sie als Abkürzung belassen.
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Zur Edition
2. Apparat zum Text Soweit das Originalmanuskript A erhalten geblieben ist, werden die Unterschiede zu B im textkritischen Apparat notiert, wenn sie sich auf den Sinn auswirken oder wenn B eine notwendige Korrektur von A enthält. Streichungen und offenkundige Versehen werden nicht mitgeteilt. Gelegentlich tritt eine Konjektur Kj an die Stelle von A und B. Im textkritischen Apparat stammen die kursiv gesetzten Angaben vom Hg.
3. Übersetzung (rechte Seite) Zur Erleichterung des Verständnisses und zur Vereinfachung der Verweise wird durch den Hg. eine dem Sinn folgende Gliederung mit Überschriften in anderer Schrifttype (Gill) und mit einer in runde Klammern gesetzten Zählung eingeführt. Dem Sinn entsprechend werden manchmal gegenüber A bzw. B Absätze aufgehoben oder neu gebildet. Bibelstellen werden in Anführungszeichen „ “ gesetzt, Zitate aus dem Interim, aus den Kirchenvätern oder aus reformatorischen Schriften in Anführungszeichen » «. Die nähere Bezeichnung der Bibelstelle wird in der Übersetzung dem Zitat jeweils vorangestellt. Wenn bei A oder B das biblische Buch und die Kapitelzahl benannt sind, wird die Verszahl hinzugefügt. Fehlt bei A bzw. B die Stellenangabe, wird sie in eckiger Klammer vom Hg. ergänzt. Wenn der niederdeutsche Text Stellen aus der deutschen Fassung des Interim zitiert, dann werden diese zur besseren Information in der originalen (frühneuhochdeutschen) Fassung wiedergegeben.
4. Apparat zur Übersetzung Der Sachapparat (Nachweis von Zitaten, kurze biografische Angaben, Hinweise auf weiterführende Literatur) erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Nicht alle Zitate und Anspielungen konnten in der zur Verfügung stehenden Zeit identifiziert werden, zumal sie oft ungenau wiedergegeben sind. Kirchenväterzitate werden in PG und PL nachgewiesen, da deren Band- und Spaltenzahlen in der Regel auch in moderneren Ausgaben enthalten sind. Es bedarf weiterer Untersuchung, welche Ausgaben in den einzelnen Bekenntnissen benutzt worden sind. Stellenangaben beziehen sich auf den Anfang des jeweiligen Zitats.
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Verweise auf Quellen und Literatur werden in Kurzform angeführt, so jedoch dass sie leicht im Literaturverzeichnis oder im Abkürzungsverzeichnis zu finden sind.
Text und Übersetzung der Bekenntnisse
01. Gerhardus Wandscher (Jever) [1] Gerhardus Ieuerensis Pastor. Confeßio fidei catholica et orthodoxa. Credo in vnum deum patrem omnipotentem, conditorem omnium. Et in Iesum Christum dominum nostrum, verum et viuum veri et viui Dei filium. (contra Photinum, Eunomium, Basilidem, Paulum Samosatenum, et eorum similes: Qui partim initium filij ex virgine matre, partim purum hominem fuiße mentiti sunt) Genitum ab aeterno de substantia patris, ideo et coequalem siue consubstantialem patri. (contra Arrium et suae fecis homines, qui filium patri dißimile aßeruit). Per quem omnia facta sunt. Qui propter nos homines, et propter nostram salutem incarnatus et verus homo factus est. (contra Martionem, Cerdonem et Manicheum eorumque sequaces, qui Christum phantasma non verum corpus aßumpsiße perhibent) constans anima rationali et vera carne nostra (rursus contra
2 A verloren, nur als Abschrift (B) erhalten. 6 Eunomium Kj Eumenium B 1
Dieser erste Abschnitt folgt paraphrasierend dem Wortlaut des nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses (Nizänum) BSLK 26 f., in den christologischen Sätzen erweitert durch Wendungen aus dem Beschluss des Konzils von Chalkedon von 451, Dekrete 1, 86. Außerdem werden parenthetisch, ähnlich wie in mehreren Artikeln der Confessio Augustana, die Häresien benannt, gegen die sich die Bekenntnissätze richten. Vermutlich lehnt sich Gerhardus einer Vorlage an, die noch nicht identifiziert werden konnte. 2 Zu conditor (statt creator) s. Kohls, Erasmus 2, 106, Anm. 311. 3 Photinus, Bischof von Sirmium in Pannonien, gest. 376, lehrte einen strengen Monotheismus, dessentwegen er eine ewige Zeugung des Sohnes ablehnte. 4 Eunomius, Bischof in Kappadozien, 325–396, stellte die Ähnlichkeit Christi mit Gott in Abrede. 5 Basilides, gnostisches Schulhaupt in Alexandrien zur Zeit des Kaisers Hadrian (117–138), lehrte nach Irenäus, Adversus haereses 1, 24, 4, PG 7, 676 f., dass der Vater den Nous (Einsicht, Verstand, Ratschluss) erzeugte, der als körperlose Kraft auf Erden erschien.
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01. Gerhardus Wandscher (Jever) Gerhardus, Pastor von Jever (1) Glaubensbekenntnis
Katholisches und orthodoxes Glaubensbekenntnis Ich1 glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer2 aller Dinge. Und an Jesus Christus, unsern Herrn, den wahren und lebendigen Sohn des wahren und lebendigen Gottes gegen Photinus3, Eunomius4, Basilides5, Paulus6 von Samosata und ihresgleichen, die zum Teil erdichteten, dass der Sohn seinen eigentlichen Ursprung aus der Jungfrau Maria genommen habe, zum Teil dass er ein bloßer Mensch gewesen sei; von Ewigkeit geboren aus dem Wesen des Vaters und deshalb gleichartig und gleichen Wesens mit dem Vater gegen Arius7 und die Leute seines Schlages, der behauptete, der Sohn sei dem Vater unähnlich; durch den alle Dinge gemacht sind; der wegen uns Menschen und wegen unseres Heils ins Fleisch gekommen und wahrer Mensch geworden ist gegen Marcion8, Cerdo9 und Manichaeus10 und ihre Jünger, die meinen, dass Christus als Geistwesen nicht einen wahren Leib angenommen habe; 6
Paul von Samosata, gest. nach 272, sah in Christus nur einen Menschen, dem der heilige Geist einwohnte. 7 Arius, Priester in Alexandrien, gest. ca. 336, lehrte die Geschöpflichkeit Christi und wurde deshalb vom Konzil von Nizäa 325 verurteilt (Brief der Synode von Nizäa an die Ägypter Dekrete 1, 16 f.). 8 Marcion, ca. 85 bis ca. 160, trat um 144 aus der römischen Gemeinde aus und gründete mit großem Erfolg eine eigene Kirche. In seinem dualistischen System schrieb er die Schöpfung einem untergeordneten Gott zu, während sich der wahre gute Gott erst durch Christus offenbart habe, der nur zum Schein die menschliche Natur annahm. 9 Cerdo, um 140 christlicher Lehrer (auch Marcions) in Rom. Nach Irenäus, Adversus haereses 1, 27, 1, PG 7, 687 B, lehrte er, dass der Gott des Alten Testaments nicht der Vater Jesu Christi sei. 10 Gemeint ist Mani, 216–276, der in Mesopotamien die dualistische Religion der Manichäer begründete. Nach Mani stammt Christus aus dem Lichtreich und wurde nur scheinbar Mensch.
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Arrium, qui ipsum habere verbum pro anima dixit) quam neque de coelo secum tulit (ut Valentinus finxit) neque corpus aereum et carnem sydeream, quam ab elementis sibi in aere contraxerit, et per virginem tamquam aqua per canalem transierit (vt Apelles commentus est, et cum Apelle et Valentino hostes vere carnis Christi Anabaptistae hodie comminiscuntur) sed cooperante spiritu sancto ex carnis substantia intemeratae virginis Mariae aßumpsit, homo vtique perfectus et verus, sicut verus et perfectus deus, manens in duabus substantiis siue naturis (contra Eutychen, qui Christo vnicam duntaxat naturam ex diuina et humana compositam constituit) non naturis inter se commixtis vel conuersis, sed societate et modo quodam ineffabili in vnam personam inseparabilem vnitis (contra Nestorium qui volens vitare charybdim Eutychis incidit in Scyllam. Confitebatur enim duas naturas in Christo perfectas, sed et duas fecit personas, nega[2]batque verbum carni vnitum in eandem personam, verum tantummodo inhabitaße. Vnde et Mariam virginem dei matrem falso nominari contendebat. Item contra Apollinarium, qui exponens hanc diui Euangelistae sententiam, Verbum caro factum est, dicebat. Verbum transmutatum est in carnem: quod etiam Anabaptistarum quidam nostra aetate garriunt.) Non enim duos Christos aut filios confitemur, sed verum deum et verum hominem vnum filium, traditum quidem in morte ob peccata nostra, et resuscitatum propter iustificationem nostri, aßumptumque in coelos, sedere ad dexteram patris. inde venturum cum claritate ad sumen-
11 Valentinus, ca. 120–160, wurde in Alexandria ausgebildet und wirkte später als Lehrer in der römischen Gemeinde. Er gilt als Begründer der Valentinianischen Gnosis, die sowohl die Schöpfung als auch Christus als Emanationen des transzendenten Gottes deutete (Irenäus, Adversus haereses 1, 11, 1, PG 7,559–564). 12 Irenäus, Adversus haereses 1, 7, 2; 3, 11, 3, PG 7, 514 A; 881 C. 13 Apelles, gest. nach 180, lebte in Alexandrien und Rom, Schüler Marcions. Ihm wird die Lehre zugeschrieben, Christus habe einen Leib aus dem Stoff der Gestirne getragen. 14 Der Spiritualist und Täufer Melchior Hoffmann, ca. 1500–1543, wirkte u. a. 1530–1533 in Ostfriesland. Er vertrat die Vorstellung vom himmlischen Fleisch Christi, das nicht von der Jungfrau Maria stamme. Auch die im Jeverland ansässigen Mennoniten halten pro paradoxo / das Christus sollte von Marien der Jungfrawen Menschliche Natur genommen [haben] (so Hermannus Heronis beim Verhör der Täufer am 13./14. Februar 1574 bei Hamelmann, Ein öffentlich … Gesprech A 7 v; vgl. Schauenburg, Täuferbewegung 37; Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 278). 15 Eutyches, gest. nach 454, Abt in Konstantinopel, wurde wegen seines Bekenntnisses, dass in Christus nur eine Natur gewesen sei, als Häretiker verurteilt.
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bestehend aus einer vernünftigen Seele und unserem wahren Fleisch wieder gegen Arius, der sagte, dass er anstatt der Seele das göttliche Wort habe, das er nicht vom Himmel mit sich brachte wie Valentinus11 phantasierte noch einen Luftleib noch ein Sternenfleisch, das er sich in der Luft aus den dortigen Elementen zusammengesammelt hätte, wobei er durch die Jungfrau wie das Wasser12 durch eine Röhre hindurchgegangen sei (wie Apelles13 es sich erdachte, und wie es heute mit Apelles und Valentinus die Wiedertäufer14 als Feinde des wahren Fleisches Christi zusammenlügen; sondern das er unter Mitwirkung des heiligen Geistes aus dem Wesen des Fleisches der unbefleckten Jungfrau Maria angenommen hat, ein in jeder Hinsicht vollkommener und wahrer Mensch, so wie er auch ein wahrer und vollkommener Gott ist, der in zwei Wesenheiten oder Naturen verbleibt gegen Eutyches15, der für Christus nur eine Natur aufstellte, die aus göttlicher und menschlicher Natur zusammengesetzt sei; Naturen, die nicht unter einander vermischt oder ineinander verwandelt sind, sondern die in einer Gemeinschaft und einer gewissen unaussprechlichen Weise zu einer unteilbaren Person geeint sind gegen Nestorius16, der die Charybdis des Eutyches vermeiden wollte und in die Scylla fiel: er bekannte sich zwar zu den zwei vollkommenen Naturen in Christus, machte aber daraus zwei Personen, und verneinte, dass das Wort mit dem Fleisch in einer Person vereinigt sei, vielmehr habe es nur darin gewohnt; deshalb ereiferte er sich, dass die Jungfrau Maria zu Unrecht Mutter Gottes genannt werde; ferner gegen Apollinaris17, der diesen Satz des heiligen Evangelisten [Joh 1, 14] „Das Wort ward Fleisch“ so auslegte: das Wort wurde ins Fleisch verwandelt – was auch in unserer Zeit einige der Wiedertäufer daherplappern; wir bekennen nicht zwei Christi oder Söhne, sondern den wahren Gott und wahren Menschen als den einen Sohn, und zwar [Röm 4, 25] „in den Tod dahingegeben wegen unserer Sünden und auferweckt wegen unserer Rechtfertigung“, aufgefahren in den Himmel, sitzend zur Rechten des Vaters, von woher er in Herrlichkeit kommen wird, um die Heiligen in 16 Nestorius, ca. 381–451, Bischof von Konstantinopel 428–431, wurde durch das Konzil von Ephesus 431 abgesetzt, weil er es ablehnte, Maria als Gottesgebärerin anzuerkennen. 17 Apollinaris von Laodizea, ca. 315 bis ca. 392, wird die Lehre zugeschrieben, in Christus wohne eine einzige, fleischgewordene Natur des göttlichen Logos.
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dos sanctos in vitae aeternae et promißorum coelestium consortium, et prophanos adiudicandos igni perpetuo, facta vtriusque partis resuscitatione et bonorum et malorum. Credimus et in spiritum sanctum, eiusdem eßentiae, potestatis et gloriae cum patre et filio, a quibus procedit, Qui locutus est per prophetas. et vnam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam, in qua omnes sancti gratuito huius opera sanctificantur. Credimus vnum baptisma in remissionem peccatorum quo et in sanctam ecclesiasticae communionis aggregationem non minus infantes quam adulti acceptamur (contra furorem Anabaptistarum, qui eos ab hoc sacro lauacro abercent) collato in nomine patris et filii et spiritus sancti. Haec est catholicae fidei inprimis vtriusque in Christo naturae orthodoxa confeßio, quae vna ac sola simplicitate et puritate sua facile propellit omnem erroris et haeresum caliginem et nebulam. Haec confeßio syncere et illibate custodita est ab initio a sanctis et electis dei omnibus. haec quoque toties ab haereticis impetita victrix tamen semper perstitit inuicta. Habuit enim semper propugnatores et fortißimos, et in sacris exercitatißimos viros apticos, et ecclesiae catholicae vigilantißimos pastores, quorum cathalogum altius repetere longum eßet. [3] Confeßio de coena dominica. Quando dominus noster Iesus Christus in vltima coena verba promißionis sacro suo ore protulit dicens. Accipite hoc est corpus meum quod pro vobis traditur. Corpus ergo quod semel oblatum est in salutem nostram iubemur a domino accipere et manducare, vt dum nos videtur huius fieri participes viuificae illius mortis virtutem vigere nunc in nobis certo confidamus. Vnde et calicem testamentum vocat in suo sanguine. Testamentum enim quod sanguine suo semel sanciuit quodammodo reuocat, quantum ad fidei nostrae confirmationem attinet, quoties sacrum illum sanguinem bibendum nobis porrigit.
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der Gemeinschaft des ewigen Lebens und der verheißenen himmlischen Freuden zu vollenden, die Gottlosen zum ewigen Feuer zu verurteilen, nachdem die Auferstehung beider – der Guten und der Bösen – geschehen ist. Wir glauben auch an den heiligen Geist, gleichen Wesens, gleicher Macht und Herrlichkeit mit dem Vater und dem Sohn, aus denen er hervorgeht, der gesprochen hat durch die Propheten; und an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, in der durch sein Werk alle Heiligen aus Gnaden geheiligt werden. Wir glauben an die eine Taufe zur Vergebung der Sünden, durch die wir – die Kinder nicht weniger als die Erwachsenen – auch in die heilige Versammlung der kirchlichen Gemeinschaft aufgenommen werden gegen die Raserei der Wiedertäufer18, die sie von diesem heiligen Bad ausschließen wollen; gespendet im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Dies ist das rechtgläubige Bekenntnis des katholischen Glaubens, insbesondere an die zwei Naturen in Christus, welches [Bekenntnis] mit seiner einen und alleinigen Einfachheit und Reinheit leicht alle Rauchund Nebelschwaden des Irrtums und der Irrlehren austreibt. Dieses Bekenntnis wurde von allen Heiligen und Auserwählten Gottes von Anfang an rein und unbefleckt bewahrt. Unüberwindlich blieb es immer als Sieger bestehen, so oft es auch von den Häretikern angegriffen wurde. Es hatte nämlich immer [auf seiner Seite] sowohl die kraftvollsten Vorkämpfer als auch in geistlichen Dingen die erfahrensten Fachleute als auch die wachsamsten Pastoren der katholischen Kirche, deren Liste weiter aufzuzählen zu lang wäre. (2) Abendmahl (a) Einsetzung
Bekenntnis vom Herrenmahl. – Als unser Herr Jesus Christus beim letzten Mahl mit seinem heiligen Mund die Verheißungsworte verkündete und sprach [Mt 26, 26; 1Kor 11, 24]: „Nehmet, das ist mein Leib, der für euch dahingegeben wird,“ da wird uns also vom Herrn geboten, seinen Leib, der für unser Heil einmal geopfert wird, zu nehmen und zu essen, damit wir, indem wir dessen sichtbar teilhaftig werden, fest glauben, dass die belebende Kraft seines Todes nun in uns wirke. Deshalb nennt er auch [1Kor 11, 25] den „Kelch das Testament in seinem Blut“ – ein Testament nämlich, welches er mit seinem Blut einmalig in Geltung gesetzt hat und in gewisser Weise wieder aufruft, soweit es die Befestigung unseres Glaubens betrifft, sooft er jenes heilige Blut uns zum Trank reicht. 18
Zu Menno Simons vgl. unten bei 10. Cornelius Falconissa (5 c).
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Propterea magnum consolationis fructum piae animae ex hoc Sacramento haurire possunt, quia illic testimonium habent Christum sic nobis coadunatum, sic nos illi virißim insertos esse, adeoque in vnum corpus cum ipso coaluiße, vt quidquid ipsius est nostrum vocare liceat. Hinc sequitur vt nobis secure spondere audeamus vitam aeternam nostram esse, cuius ipse est haeres, nec regnum coelorum, quo ipse iam ingreßus est, nobis non magis poße excidere quam ipsi. rursum nos peccatis nostris non poße damnari, quamdiu ipse non damnatur, cum ea sibi imputari voluerit, ac si sua eßent. Haec est mirifica commutatio, qua pro immensa sua benignitate nobiscum vsus est, quia filius hominis nobiscum factus est, vt nos filios dei faceret, suo descensu in terras nobis ascensum in coelos pararet. ipse accepta nostra mortalitate immortalitatem nobis conferret, necnon nostra suscepta imbecillitate, vt sua nos virtute confirmaret, quia nostra in se recepta paupertate, vt suam in nos opulentiam transferret, Item non minus iniusticiae nostrae mole grauatus vt sua iusticia nos indueret. Horum omnium adeo solidam habemus in hoc Sacramento testificationem, vt certo tenendum sit vere nobis exhiberi, non secus ac si Christus ipse panis aspectui nostro obijceretur, ac manibus attrectaretur. Hoc enim [4] verbum nec mentiri nec illudere potest. accipite, edite, bibite, hoc est corpus meum quod pro vobis traditur. hic est sanguis meus qui pro vobis effunditur in remissionem peccatorum. Et iubet accipere significat nostrum esse, quod manducare iubet, significat unam substantiam nobiscum fieri. quod de corpore praedicat pro nobis esse traditum, de sanguine pro nobis esse fusum: in eo docet vtrumque et corpus et sanguinem non tam suum esse quam nostrum: quia vtrumque non suo commodo sed in salutem nostram et sumpsit et posuit. Et ideo cumprimis obseruandum est potißimam et pene totam sacramenti vim et energiam in his verbis sitam esse, quod pro vobis traditur, qui pro vobis effunditur. Alioqui non magnopere referret corpus et sanguinem domini nunc distribui, nisi in redemptionem et salutem nostram semel fuißent tradita. Quare sententiae meae summam breuissime exponam.
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Die folgende Interpretation des Abendmahls lehnt sich an die Kirchenväter an, z. B. Irenäus Adversus haereses 4, 18, 5; 5, 2, 2 f., PG 7, 1027–1029; 1124–1128, wird aber durch Gedanken eingeleitet, die an den fröhlichen Wechsel in Luthers Freiheitstraktat (WA 7, 25 f.) und an die Wirkung des Abendmahls in Luthers Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi 1519 (WA 2, 748 f.) erinnern.
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(b) Frucht
Deswegen19 können fromme Seelen aus diesem Sakrament viel Frucht des Trostes ernten, weil sie daraus das Zeugnis empfangen, dass Christus so mit uns geeint sei und wir ihm Mann für Mann so eingefügt und so sehr mit ihm zu einem Körper verwachsen sind, dass alles, was ihm gehört, auch unser genannt werden darf. Hieraus folgt, dass wir uns als sicher zu versprechen wagen, dass das ewige Leben, dessen Erbe er ist, auch unser sei, und dass das Himmelreich, in das er selbst schon eingegangen ist, uns genauso wenig verloren gehen kann wie ihm selbst; wiederum dass wir durch unsere Sünden nicht verdammt werden können, so lang er nicht verdammt wird, da er sie ja sich anrechnen lässt, wie wenn sie die seinen wären. Dies ist der wunderbare Tausch, den er aus unermesslicher Güte mit uns vorgenommen hat, weil er mit uns ein Menschenkind geworden ist: damit er uns zu Kindern Gottes mache, durch seine Herabkunft auf die Erde uns die Auffahrt in den Himmel bereite, er durch Annahme unserer Sterblichkeit uns die Unsterblichkeit bringe, und dass er nach Annahme unserer Schwäche uns durch seine Kraft bestärke. Deshalb hat er sich unsere Armut angeeignet, damit er uns seinen Reichtum zuleite, und wurde schließlich nicht weniger mit der Last unserer Ungerechtigkeit beschwert, damit er uns mit seiner Gerechtigkeit bekleide. (c) Gewissheit
Von diesem allem haben wir in diesem Sakrament eine so zuverlässige Bezeugung, dass es als gewiss festzustellen ist, dass es uns wahrhaftig angeboten wird, nicht anders, als wenn Christus selbst als Brot unserem Blick entgegenträte und [1Joh 1, 1] mit Händen betastet würde. Dieses Wort nämlich kann weder lügen noch trügen [Mt 26, 26–28; 1Kor 11, 24]: „Nehmet, esset, trinket! Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Und er befiehlt zu „nehmen“: dies bedeutet, dass er unser ist. Dass er zu „essen“ befiehlt, bedeutet, dass er mit uns ein Wesen wird. Was er vom „Leib“ predigt, dass er für uns gegeben sei, vom „Blut“, dass es für uns vergossen sei, damit lehrt er, dass beide, sein Leib und sein Blut, nicht so sehr ihm gehören als vielmehr uns, weil er beides nicht zu seinem Nutzen, sondern zu unserem Heil annahm und einsetzte. Und deswegen ist vor allem zu beachten, dass die wichtigste, ja fast die ganze Kraft und Wirksamkeit des Sakraments in diesen Worten enthalten ist [Lk 22, 19 f.] „der für euch gegeben wird“, „das für euch vergossen wird“. Sonst würde es nicht viel bedeuten, dass Leib und Blut Christi jetzt ausgeteilt werden, wenn sie nicht ein für alle Male für unsere Erlösung und unser Heil hingegeben worden wären. Deshalb will ich die Zusammenfassung meiner Meinung kurz darlegen.
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01. Gerhardus Wandscher (Jever)
Primum omnium e scripturis docemur Christum ab initio viuificum illud patris verbum fuiße vitae fontem et originem, vnde omnia vt viuerent spiritum acceperunt. Quare Ioannes nunc sermonem vitae nuncupat 1. Io. 1. nunc in ipso vitam fuiße scribit Io. 1. significans illum etiam in creaturas omnes influentem, vim inspirandi et viuendi eis instillaße. Idem Ioannes tamen postea subijcit manifestatam tunc demum vitam cum aßumpta nostra carne filius dei se visendum oculis, manibusque palpandum praebuit. Nam etsi prius virtutem quoque suam in creaturas diffundebat, quia tamen homo per peccatum adeo abalienatus communionem vitae perdidißet mortem sibi vndique imminentem cernebat. Vt tandem spem immortalitatis homo reciperet, in diuini verbi communionem recipere eum oportebat. Quantulam enim fiduciam inde concipias? si dei quidem verbum, a quo remotißimus sis, vitae plenitudinem in se continere audias in te autem ipso, ac circumquaque nihil nisi mortem contempleris. At vero vbi fons ille vitae habitare in carne nostra coepit, iam non procul nobis absconditus latet, sed coram se participandum exhi[5]bet. Quin et ipsam carnem, quam induit, nobis viuificam reddidit, vt eius participatione ad immortalitatem pascamur. Ego inquit sum panis vitae, qui de coelo descendi. iterum. Et panis quem ego dabo, caro mea est, quam ego dabo pro mundi vita. Quibus verbis docet, non modo se vitam esse, quatenus verbum dei aeternum est, quod ad nos de coelo descendit, sed descendendo vim diuinam in carnem quem induit diffudiße, vt inde ad nos vitae communicatio promanaret. Hinc et illae sententiae consequuntur. quod caro eius vere est cibus et sanguis eius vere est potus, quibus alimentis in vitam aeternam fideles pascuntur. In hoc ergo pijs eximia consolatio est sita, quia vitam aeternam in propria carne nunc reperiunt. Sic enim non modo facili aditu ad eam penetrant, sed habent sibi obuiam et expositam, si modo cordis sinum aperiant, quo potentem amplexentur et obtineant.
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(2 d–g)
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(d) Das Wort als Quelle des Lebens in der Schöpfung
Als erstes von allem werden wir aus der heiligen Schrift belehrt, dass Christus von Anfang an jenes lebendig machende Wort des Vaters als Quelle und Ursprung des Lebens war, woher alles den Geist empfing, damit es lebe. Deshalb nennt ihn Johannes 1Joh 1, 1 bald das Wort des Lebens, bald schreibt er Joh 1, 4, dass in ihm das Leben war, um darauf hinzuweisen, dass er, indem er in alle Kreaturen einfließt, ihnen die Kraft des Atmens und des Lebens eingeträufelt hat. (e) Das Wort als Rettung des Sünders
Johannes setzt freilich später dasselbe hinzu [1Joh 1, 1 f.], dass das Leben dann schließlich erschienen sei, indem der Sohn Gottes, nachdem er unser Fleisch angenommen hatte, sich unseren Augen zum Beschauen und unseren Händen zum Betasten darbot. Denn obwohl er zuerst auch seine Kraft in die Kreaturen einfließen ließ, so sah sich doch der Mensch, da er durch die Sünde ganz entfremdet die Teilhabe am Leben verloren hatte, von allen Seiten vom Tode bedroht. Damit der Mensch trotzdem wieder Hoffnung auf Unsterblichkeit schöpfen könnte, war es nötig, ihn in die Teilhabe am göttlichen Wort aufzunehmen. (f) Das Wort in Fleisch und Blut Jesu anwesend
Wie bitter wenig Zuversicht indessen kannst du hieraus entnehmen, wenn du Gottes Wort, von dem du weit entfernt bist, zwar hörst, dass es die Fülle des Lebens enthalte, in dir selbst aber und rings um dich herum nichts siehst außer dem Tod? Doch wo nun der Quell des Lebens anfing, in unserem Fleisch zu wohnen, verbirgt er sich nicht ferne von uns als Unsichtbarer, sondern bietet sich vor aller Augen zur Teilhabe dar. Ja, er gab uns sogar ebendasselbe Fleisch, das er anzog, als Lebensspender zurück, damit wir durch die Teilhabe daran zur Unsterblichkeit ernährt würden. Er spricht [Joh 6, 48.51]: „Ich bin das Brot des Lebens, der ich vom Himmel herabgekommen bin.“ Wiederum spricht er [Joh 6, 52] „Und das Brot, das ich gebe, ist mein Fleisch, das ich gebe für das Leben der Welt.“ In diesen Worten lehrt er, dass er nicht nur das Leben sei, insofern er das ewige Wort Gottes ist, das zu uns vom Himmel herabstieg, sondern dass er beim Herabsteigen die göttliche Kraft in das Fleisch, das er anzog, ausgegossen habe, damit die Teilhabe am Leben von dort zu uns weiterfließe. Von dort aus folgen auch jene Sätze [Joh 6, 55], dass sein Fleisch die wahre Speise und sein Blut der wahre Trank ist, durch welche Nahrung die Glaubenden zum ewigen Leben ernährt werden. (g) Das ewige Leben im eigenen Fleisch
Darin liegt auch für die Frommen ein starker Trost, weil sie nun im eigenen Fleisch das ewige Leben finden. So dringen sie nicht nur durch einen leichten Zugang zu diesem vor, sondern es liegt offen und greifbar
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01. Gerhardus Wandscher (Jever)
Etsi autem tantam virtutem a se ipsa non habet Christi caro, vt nos viuificet, quae et prima sua conditione mortalitati obnoxio fuit, et nunc immortalitate perdita per sese non viuit, iure ideo viuifica dicitur, quia vitae plenitudine perfusa est, quam ad nos transmitteret. In quem sensum illud Christi dictum Cirillus interpretatus est super 5. capitulum Ioannis. Sicut pater vitam in semetipso, ita dedit filio vitam habere in semetipso. Illic enim proprie de suis dotibus dißerit, non quas ab initio apud patrem poßidebat, sed quibus ornatus fuit in ea ipsa carne in qua apparuit. Proinde in sua quoque humanitate vitae plenitudinem habitare ostendit. vt quisquis carni suae ac sanguini participarit vitae participatione simul fruatur. Iam quis non videt communicationem carnis et sanguinis Christi esse neceßariam omnibus, qui ad coelestem vitam aspirant. Huc spectant illae Apostoli sententiae. Ecclesiam esse corpus Christi et eius complementum. ipsum vero esse caput, ex quo totum corpus coaugmentatur et compactum per commißuras [6] incrementum corporis facit. Eph. 1 et 4. Corpora nostra esse membra Christi 1. Cor. 6. Quae omnia etiam aliter fieri non poße intelligimus, quin Christus totus corpore et spiritu nobis adhaereat. Sed arctissimam illam societatem qua eius carni copulamur illustriori adhuc eloquio clarificauit, cum dixit, nos esse membra corporis eius, ex ossibus eius et ex carne eius. Tandem per admirationem magis quam explicationem exclamauit Apostolus, magnum inquit Sacramentum, voluit rem inexplicabilem admirari magis quam verbis exprimere. Talem corporis et sanguinis sui communicationem dominus in sacra coena testificatur et exhibit, adeoque offert omnibus, qui ad spirituale illud conuiuium accumbunt, quamquam a fidelibus solis cum fructu percipitur, qui tantam benignitatem vera fide animique gratitudine suscipiunt. Qua ratione dixit Apostolus 1 Cor. 10 Panem quem frangimus communicationem esse corporis, calicem cui verbo scilicet et oratione benedicimus sanguinis communicationem esse. Nec est quod obijciat quispiam
20 Cyrillus, Bischof von Alexandrien (gest. 444), Expositio in Joannis Evangelium 2, 8 zu Joh 5, 26 f., PG 73, 382 f. 21 Vgl. Luther, Dass diese Worte (Das ist mein Leib etc) noch fest stehen wider die Schwarmgeister 1527, WA 23, 255, 16: … das unser leib solle auch ewiglich leben von der selbigen ewigen speise des leibs christi, den er leiblich isset …
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vor ihnen, wenn sie nur das Gefäß ihres Herzens öffnen, mit dem sie den Mächtigen umfasst haben und empfangen. (h) Die Durchdringung des menschlichen Fleisches mit der Fülle des Lebens bei der Inkarnation
Obwohl nun aber das Fleisch Christi aus sich selbst keine so große Kraft hat, dass es uns belebte, welches doch auch dank seiner ersten Herkunft der Sterblichkeit unterworfen war und nun nach dem Verlust der Unsterblichkeit nicht mehr durch sich selbst lebt, wird es doch mit Recht lebensspendend genannt, weil es von der Fülle des Lebens durchdrungen ist, die es zu uns weiterleiten soll. In diesem Sinne hat Cyrillus20 (Über das 5. Kapitel des Johannes) jenes Wort Christi ausgelegt [Joh 5, 26]: „Wie der Vater das Leben hat in sich selbst, so gab er auch dem Sohn das Leben zu haben in sich selbst.“ Dort handelt er eigentlich von seinen Gaben – nicht von denen, die er von Anfang an beim Vater besaß, sondern mit denen er ausgestattet war in eben dem Fleisch, in welchem er erschien. Demgemäß zeigt er, dass auch in seiner Menschheit die Fülle des Lebens wohnt, damit jeder, der an seinem Fleisch und Blut teilhat, zugleich auch die Anteilhabe am Leben genießt21. (i) Das Fleisch Christi und die Kirche als Leib Christi
Wer sieht nicht schon hier, dass die Teilhabe am Fleisch und Blut Christi für alle nötig ist, die zum himmlischen Leben hinstreben? Dahin sind diese Sätze des Apostels gerichtet Eph 1, 22 f.; 4, 15 f., die Kirche sei der Leib Christi und seine Ergänzung. Er selbst aber sei das Haupt, aus dem der ganze Leib gefördert wird, und bewirke ein nach dem Maße zusammengefügtes Wachstum des Leibes. 1Kor 6, 15: Unsere Leiber seien die Glieder Christi. Dies alles kann nach unserem Verständnis nicht anders geschehen, als dass Christus ganz mit Leib und Geist uns anhängt. Aber jene engste Gemeinschaft, durch die wir mit seinem Fleisch verbunden werden, macht er mit einem noch klareren Ausspruch deutlich, indem er sagt [Eph 5, 30], wir seien „Glieder seines Leibes“, [Gen 2, 23] von seinem Gebein und von seinem Fleisch. Doch schließlich mehr aus Bewunderung als zur Erklärung rief der Apostel aus [Eph 5, 30.32]: „Das Geheimnis ist groß!“ Er wollte die unerklärbare Sache eher bewundernd verehren als mit Worten ausdrücken. (k) Austeilung des Leibes Christi als Symbol
Eine solche Teilhabe an seinem Leib und Blut bezeugt und spendet der Herr im heiligen Mahl, und bietet sie allen an, die jenem geistlichen Festgelage beiwohnen, obgleich es nur von den Gläubigen fruchtbar aufgenommen wird, die eine so große Güte mit wahrem Glauben und Dankbarkeit des Herzens empfangen. Deshalb sagt der Apostel 1Kor 10, 16, das Brot, das wir brechen, sei die Gemeinschaft des Leibes, der Kelch,
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figuratam esse locutionem, qua rei signatae nomen signo defertur. Fatendum sane existimo, fractionem panis esse symbolum, non rem ipsam. Verum hoc posito, a symboli tamen exhibitione rem ipsam exhiberi et tradi recte colligimus. Nisi enim quis fallacem vocare deum audeat aut volet, vt inane symbolum praestitißet, quod nemo cordatus vero audeat dicere. Itaque per fractionem panis dominus corporis sui participationem vere repraesentat et offert. minime dubium esse debet, quod vere praestet et exhibeat. Atque omnino ista pijs tenenda est regula, vt quoties symbola vident a domino instituta et sibi tradita, illi rei virtutem adesse et vere sibi tradi nullatenus dubitent ac sibi persuadeant. Quorsum enim dominus corporis sui symbolum tibi in manum porrigat, nisi et de corporis sanguinisque sui participationem te certiorem faciat? et si verum est praeberi nobis signum visibile ad obsignandam inuisi[7]bilis rei donationem, accepto corporis symbolo, non minus etiam verum ipsum corpus nobis dari certo confidamus. Dicendum igitur quod semper in ecclesia receptum fuit et hodie docent, quicumque recte sentiunt, Sacrosanctum eucharistiae mysterium constare duabus rebus, ex signo visibili, et re significata inuisibili, siue vt Ireneus dicit, ex re terrena et coelesti. Propterea finiuit Augustinus, Sacramentum esse sacrae rei signum, et inuisibilis gratiae visibile signum, et visibile verbum. Verbi gratia. In baptismo visibile et terrenum est aqua, inuisibile et coelestis res est regeneratio et adoptio in coetum filiorum Dei. In Eucharistia visibile et terrenum est panis et vinum, inuisibilis et coelestis res est corpus et sanguis domini Iesu traditum et effusus pro nobis, adeoque vera corporis et sanguinis Christi communio, et per hunc parta salus et peccatorum condonatio. Hae vero res ab ipso domino nobis gratis conferuntur, recipiuntur autem in animam per fidem, at Sacramentis vt signis visibilibus repraesentantur, exhibentur offerunturque sensibus. et hoc propter imbecillitatem nostram. Propterea pulchre sacer Chrisostomus homilia in Matthäum 83. Si tu inquit incorporeus eßes, nuda tibi haec omnia
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Irenaeus, Adversus haereses 4, 18, 5, PG 7, 1029 A. – Vgl. Luther, Dass diese Worte (Das ist mein Leib etc) noch fest stehen wider die Schwarmgeister 1527, WA 23, 229, 33 f. 23 Augustinus, De civitate dei 10, 5, PL 41, 282; vgl. CIC d 2 c 32 De consecratione (Friedberg 1, 1324 und Apparat). 24 Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3, PL 35, 282.
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welchen wir mit Wort und Gebet segnen, sei die Gemeinschaft des Blutes. Und niemand wende ein, das sei eine bildliche Redeweise, weil der Begriff der bezeichneten Sache auf das Zeichen übertragen wird. Meiner Meinung nach ist zwar zuzugestehen, das Brechen des Brotes sei ein Symbol, nicht die Sache selbst. Aber dies vorausgesetzt, schließen wir doch mit gutem Recht, dass durch die Spendung des Symbols die Sache selbst gespendet und ausgeteilt wird, außer es wagt jemand, Gott betrügerisch zu nennen, oder will, dass er ein nutzloses Symbol vorgestellt habe – was jedoch kein Verständiger zu behaupten wagen dürfte. Durch das Brechen des Brotes stellt der Herr deshalb wahrhaftig die Teilhabe an seinem Leibe dar und bietet sie an. Es darf nicht im mindesten zweifelhaft sein, dass er ihn zeigt und anbietet. Aber überall ist von den Frommen die Regel zu beachten, dass sie, so oft sie die vom Herrn eingesetzten und ihnen überlieferten Symbole sehen, niemals daran zweifeln, sondern überzeugt sind, dass jener Sache eine Kraft einwohne und ihnen wahrhaft weitergegeben werde. Wozu gibt denn der Herr dir das Symbol seines Leibes in die Hand, wenn er dich nicht der Teilhabe an seinem Leib und Blut gewisser machen wollte? Und wenn es wahr ist, dass uns das sichtbare Zeichen dargeboten wird, damit uns hierdurch die Übergabe der unsichtbaren Sache bezeichnet wird, so vertrauen wir fest darauf, dass uns, indem wir das Symbol des Leibes empfangen, nicht weniger auch der wahre Leib selbst gegeben wird. (l) Die Kirchenväter über die unsichtbare Sache in den sichtbaren Zeichen
Daher ist zu sagen, was in der Kirche immer galt und was auch heute die Rechtgläubigen lehren, dass das hochheilige Geheimnis der Eucharistie aus zwei Dingen besteht: aus dem sichtbaren Zeichen und aus der bezeichneten unsichtbaren Sache, oder wie Irenäus22 sagt, »aus der irdischen und aus der himmlischen Sache«. Deshalb definierte Augustinus23, das Sakrament sei das Zeichen einer heiligen Sache, und das sichtbare Zeichen einer unsichtbaren Gnade, und »ein24 sichtbares Wort«. So besteht beispielsweise bei der Taufe das Sichtbare und Irdische im Wasser, die unsichtbare und himmlische Sache dagegen ist die Wiedergeburt und die Aufnahme in die Gemeinschaft der Kinder Gottes. Das Sichtbare und Irdische in der Eucharistie ist Brot und Wein, die unsichtbare und himmlische Sache ist der Leib und das Blut Christi, hingegeben und vergossen für uns, und damit die wahre Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi und das dadurch geschaffene Heil und die Vergebung der Sünden. Diese Sachen werden uns vom Herrn umsonst übergeben, werden aber in der Seele durch den Glauben angenommen, aber in den Sakramenten als sichtbare Zeichen vor Augen gestellt, gezeigt und den Sinnen dargeboten – und dies wegen unserer Schwäche.
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tradidißet signa, quia autem corpori coniuncta est anima tua, in rebus sensibilibus, ea quae mente percipiuntur tradidit. Proinde sancti animum suum non intendunt in rem propositam visibilem et terrenam, sed hunc eleuant a visibilibus ad res inuisibiles, hoc est, coelestes. Egregie etiam Augustinus libro de doctrina Christiana 3. cap. 9. loquens de Sacramentis Christianorum. Pauca inquit pro multis eaque factu facillima et intellectu augustißima et obseruatione castißima, ipse dominus et Apostolica tradidit disciplina, sicuti est Baptismi Sacramentum, et celebratio corporis et sanguinis Domini. quem vnusquisque cum percipit, quo referantur imbutus agnoscit, vt ea non carnali seruitute, sed spiritali potius libertate veneretur. Vt [8] autem litteram sequi et signa pro rebus, quae scilicet significantur accipere, seruilis infirmitatis est, ita signa inutiliter interpretari, male vagantis erroris est. Hactenus Augustinus. Caeterum quid in hoc Augustini testimonio sit litteram sequi, item quod carnalis seruitus siue seruilis infirmitas et spiritalis libertas, conijcere licet ex quinto capitulo eiusdem Augustini libri. Rursus Ambrosius super 11. capitulo 1. Corinthorum. Ostendit inquit Paulus Corinthijs, ministerium Eucharistiae inter coenandum celebratum, coenam non esse. Medicina enim spiritualis quam cum reuerentia degustata purificat deuotum. Memoria redemptionis nostrae est, vt redemptoris memores, maiora ab eo consequi mereamur: quia enim morte domini liberati sumus, huius rei memores in edendo et potando carnem et sanguinem domini, quae pro nobis oblata sunt significamus, nouum testamentum in hoc consecuti, quod est noua lex, quem obedientem sibi tradit coelestibus regnis. Nam et Moses accepto sanguine vituli in patera aspersit filios Israhel, dicens, hoc est testamentum quod mandauit ad vos deus. hoc figura fuit testamenti quod dominus nouum appellauit per prophetas, vt illud vetus sit quod Moses tradidit. Testamentum ergo sanguine constitutum est, quia beneficij diuini sanguis testis est, in cuius typum nos calicem mysticum sanguis, ad tuitionem corporis et animae nostrae percipimus,
25 Johannes Chrysostomus, 90 Homilien zu Mt, 82. (83.) Predigt Kapitel 4 zu Mt 26, 26–28, PG 58, 743. 26 Augustinus, De doctrina christiana 3, 9, 13, PL 34, 71. 27 Augustinus, De doctrina christiana 3, 5, 9, PL 34, 68 f. 28 Ambrosiaster zu 1Kor 11, PL 17, 242 f.
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Deshalb sagt der heilige Chrysostomus25 schön in der 83. Predigt über Matthäus: »Wärest du körperlos, hätte er dir alle diese Zeichen ohne Einkleidung übergeben. Weil aber deine Seele mit dem Körper verbunden ist, hat er dir das, was mit dem Geist aufgenommen wird, in sinnlichen Dingen übergeben.« Deswegen richten die Heiligen ihren Geist nicht auf die sichtbare und irdische Sache, die vor ihnen liegt, sondern erheben ihn von den sichtbaren zu den unsichtbaren, d. h. himmlischen Dingen. Vorzüglich sagt auch Augustinus26 im 3. Buch über die christliche Lehre, Kapitel 9, über die Sakramente der Christen: »Wenige nur statt vieler, und diese leicht auszuführen, ehrfürchtig zu begreifen, fromm zu befolgen haben der Herr und die apostolische Lehre sie überliefert, wie es das Sakrament der Taufe ist und die Feier des Leibes und Blutes des Herrn, welche jeder, indem er sie wahrnimmt, durch den Unterricht weiß, worauf sie sich beziehen, so dass sie nicht in fleischlicher Knechtschaft, sondern viel eher in geistlicher Freiheit verehrt werden. Wie es aber knechtische Schwäche ist, dem Buchstaben zu folgen und die Zeichen zu ergreifen anstatt der Sache, die sie bedeuten, so ist es die Eigenheit des ziellos herumschweifenden Irrtums, die Zeichen nutzlos auszulegen.« Soweit Augustinus. Was übrigens in diesem Zeugnis Augustinus’ »dem Buchstaben folgen«, ebenso was »fleischliche Knechtschaft« oder »knechtische Schwäche« und was »geistliche Freiheit« ist, lässt sich aus dem 5. Kapitel27 eben dieses Buches von Augustinus entnehmen. Wiederum sagt Ambrosius28 über das 11. Kapitel des 1. Korintherbriefs: »Paulus zeigt den Korinthern, dass es kein Herrenmahl ist, wenn man die Liturgie der Eucharistie während des Essens zelebriert. Die geistliche Medizin nämlich, welche mit Ehrfurcht eingenommen wird, reinigt den Frommen. Das Gedächtnis unserer Erlösung ist, dass wir des Erlösers eingedenk noch Größeres von ihm zu empfangen verdienen, weil wir nämlich durch den Tod des Herrn befreit sind. Im Gedenken daran, durch das Essen und Trinken des Fleisches und des Blutes des Herrn, welche für uns geopfert sind, drücken wir aus, das Neue Testament darin empfangen zu haben, welches das neue Gesetz ist, das den ihm Gehorsamen in die himmlische Herrschaft bringt. Denn auch Mose [Ex 24, 5 f. 8], nachdem er in der Schale das Blut des Kalbs empfangen hatte, besprengte die Kinder Israel mit den Worten: Das ist das Testament, das Gott für euch geboten hat. Dies war die Figur des Testaments, welches der Herr durch die Propheten als neues ankündigte, damit jenes das alte sei, das Mose überliefert hat. Das Testament wird durch Blut errichtet, weil das Blut der Zeuge der göttlichen Wohltat ist. Nach seinem Vorbild empfangen wir den mystischen Kelch des Blutes zur Bewahrung unseres Leibes und unserer Seele, weil das Blut des Herrn unser Blut erlöste, d. h. den ganzen
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quia sanguis domini sanguinem nostrum redemit. id est, totum hominem saluum fecit. caro enim saluatoris pro salute corporis, sanguis vero pro anima nostra effusus est. Haec Ambrosius. Hoc ipsum hoc modo praescribunt duo canones sacri Niceni concilij quorum alter de sancto baptismo, alter de diuina mensa siue mysterio corporis et sanguinis Christi, conscriptus. Prior canon hic est. Baptisma nostrum non sensibilibus oculis sed mentalibus consyderandum est. Aquam vides, et consydera in aquis velut in arcano diuinam vim absconsam esse. nos enim spiritu sancto et igni baptizari sacra tradunt eloquia etc [9] Posterior hic est. Iterum etiam hic in diuina mensa, ne humiliter intenti simus ad propositum panem et poculum, sed exaltata mente fide consyderemus. situm esse in sancta illa mensa, agnum dei tollentem peccata mundi, qui non victimarum more a sacerdotibus sacrificatur, et pretiosum illius corpus et sanguinem vere sumentes, nos credere, haec esse nostrae resurrectionis symbola. Nam propter hoc non multum accipimus, sed parum, vt sciamus, quod haec non satietati sed sanctimonio seruiant. Hoc modo confitemur de praedicatione Verbi. Primo. Deum ipsum vere et proprie docere, intus fidem dare, in corde inuisibiliter confirmare et sanctificare, verbum autem et Sacramenta foris visibiliter. Quo nomine ministri Verbi appellantur a Paulo Dei cooperarij, veluti per quos ille peccata remittit, homines ad se conuertit, consolat, iudicat. Huc enim pertinent consequentia scripturarum testimonia: quorum remiseritis peccata, remittuntur. Item mitto te ad gentes vt aperias oculos eorum, vt conuertantur a tenebris ad lucem, a potestate Satanae ad deum viuum, vt accipiant remissionem peccatorum Act. 20. Ita scribitur de Ioanne Baptista Ipse praecedet ante eum in spiritu et virtute Heliae, vt conuertat corda patrum in filios, et inobedientes ad prudentiam iustorum, vt paret domino
4 concilij Kj consilij B 29
Die beiden von Gerhardus zitierten Stellen finden sich nicht unter den 20 Canones des Ökumenischen Konzils von Nizäa (325), wohl aber in der anonymen Schrift Syntagma des Konzils von Nizäa (Buch 2, Kapitel 30), die einem Verfasser namens Gelasius von Kyzikos zugeschrieben wurde; PG 85, 1315 D und 1318 A. Dieses Werk wurde zwar erstmals 1599 gedruckt (Günther Christian Hansen in: Anonyme Kirchengeschichte Seite XXXVIII f.). Doch benutzte Heinrich Bullinger die beiden Stellen zu Taufe und Abendmahl schon 1539 in der Schrift: De origine erroris, vermutlich übernommen aus dem 1530 in Basel erschienenen Druck: Johannes Oecolampadius, Qvid de evcharistia veteres tvm Graeci, tum Latini senserint, Dialogus (Heinrich Bullinger, Schriften Band 1, Zürich 2004, Seite 308 Anm. 49). Den Hinweis auf das Syntagma und auf Bullinger verdanke ich Herrn lic. theol. Rainer Henrich, Winterthur.
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Menschen heilte. Das Fleisch des Heilands wurde für das Heil unseres Leibes [getötet], sein Blut aber für unsere Seele vergossen.« Soweit Ambrosius. (m) Das Konzil von Nizäa über die Teilhabe am Göttlichen
Dasselbe schreiben gleicherweise zwei Canones des heiligen Konzils von Nizäa29 vor, von denen der eine von der heiligen Taufe, der andere vom göttlichen Mahl oder dem Geheimnis des Leibes und Blutes Christi verfasst ist. Der erste Kanon ist dieser: »Unsere Taufe ist nicht mit sinnlichen, sondern mit geistigen Augen zu betrachten. Du siehst das Wasser, aber beachte, dass im Wasser gleichsam im Geheimnis die göttliche Kraft verborgen ist. Die Worte der heiligen Schrift überliefern uns, dass wir [Lk 3, 16] „mit dem heiligen Geist und mit Feuer“ getauft werden.« Der zweite30 ist dieser. »Wiederum, seien wir auch hier am heiligen Tisch nicht in niedriger Gesinnung nur erpicht auf das vorgesetzte Brot und den Kelch, sondern betrachten mit feierlichem Bewusstsein im Glauben, dass auf jenem heiligen Tisch das Lamm Gottes liegt, welches der Welt Sünde trägt, das nicht nach Art der Opfertiere von Priestern dargebracht wird, und dass wir, indem wir seinen kostbaren Leib und sein Blut wahrhaftig genießen, zugleich glauben, dass dies die Zeichen unserer Auferstehung sind. Denn deswegen empfangen wir nicht viel, sondern nur ein weniges, damit wir wissen, dass dies nicht der Sättigung, sondern der Heiligung dient.« (3) Predigt des Wortes (a) Gottes Lehre durch seine Diener
Auf folgende Weise legen wir das Bekenntnis ab von der Predigt des Wortes. Erstens, dass es Gott selbst ist, der wahrhaftig und eigentlich lehrt, innerlich den Glauben gibt, uns im Herzen unsichtbar befestigt und heiligt, das Wort und die Sakramente aber äußerlich sichtbar gibt. In diesem Sinne werden die Diener des Wortes von Paulus [1Kor 3, 9; 1Thess 3, 2] „Gottes Mitarbeiter“ genannt, durch die er beispielsweise selbst die Sünden vergibt, die Menschen zu sich bekehrt, sie tröstet und richtet. Hierher gehören nämlich folgende Schriftzeugnisse [Joh 20, 23]: „Welchen ihr die Sünden vergebet, denen sind sie vergeben.“ Ferner Apg 26, 17 f.: „Ich sende dich zu den Völkern, dass du ihre Augen öffnest, dass sie sich von der Finsternis zum Licht bekehren, von der Gewalt des Satans zu dem lebendigen Gott, damit sie die Vergebung der Sünden empfangen.“ Über Johannes den Täufer wird so geschrieben [Lk 1,17]: „Er wird ihm vorangehen im Geist und in der Kraft Elias, zu bekehren die Herzen der Väter zu den Kindern und die Ungehorsamen zu der Klugheit der Ge30
Syntagma des Konzils von Nizäa, PG 85, 1318 A.
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plebem perfectam. Iterum 1. Cor. 14. Si, inquit Apostolus, prophetetis omnes et ingrediatur indoctus, arguitur ab omnibus, dijudicatur ab omnibus, et sic occulta cordis eius manifesta fiunt. Quibus testimonijs audimus magna et diuina tribui Ecclesiae ministris. Verum ea omnia ita sunt intelligenda, vt virtus et efficacia omnis soli domino, ministerium autem ministris tantum tribuatur. Certißimum enim est hanc diuinam virtutem nulli omnino creaturae alligari, sed libera Dei dignatione dispensari ijs, quibus, quantum et quando et per quos dominus vult. Certißimum item est omnia ea quae sub sensu veniunt, hoc est aures percellunt et oculos perstringunt [10] nihil efficere per se, nisi interior ac divina vis accedat, quae hominis pectus transuerberet, capiat, teneat et transformet. Hoc ipsum de hoc negotio disputauit irrefragabilis Ecclesiae doctor Augustinus de cuius fide numquam dubitatum est in Ecclesia post retractationem. cuius haec bina asscribo testimonia. Primum testimonium extat tractatu in Ioannem 26, in cap Ioan. 6. et est huiusmodi. Omnes regni illius docibiles Dei erunt, non ab hominibus audient; etsi ab hominibus audiunt, tamen quod intelligunt intus datur, intus coruscat, intus reuelatur. Quid faciunt homines forinsecus annunciantes? quid facio modo ego cum loquor? strepitum verborum ingero auribus vestris, nisi ergo reuelet ille qui intus est, quid dico aut quid loquor? Exterior cultor arboris, interior est creator, qui plantat et qui rigat, extrinsecus operatur. hoc facimus nos. neque qui plantat est aliquid, neque qui rigat, sed qui incrementum dat dominus. hoc est, erunt omnes docibiles deo. Posterius habetur Questionum libro 3. in Leuiticum quest. 83. ac negotium et efficaciam Sacramentorum explicat, quemadmodum superius exposuit vim verbi. Est tamen huiusmodi. Aduertendum est quoties dicit. Ego dominus sanctifico eum, loqui de sacerdote, cum etiam hoc Mosi dixerit. Et sanctificabis eum. Quomodo ergo et Moses sanctificat et dominus? Non enim Moses pro domino, sed Moses visibilibus Sacramentis
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Augustinus Retractationum libri duo, PL 32, 583–656. Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 26, 7 zu Joh 6, 45, PL 35, 1609 f. Augustinus, Quaestiones in Heptateuchum 3, 84 zu Lev 21,15, PL 34, 712 f.
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(3 a.b.c)
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rechten, zuzurichten dem Herrn ein vollkommenes Volk.“ Wiederum spricht der Apostel 1Kor 14, 24 f.: „Wenn ihr alle prophetisch redet, und es käme ein Unkundiger herein, dann wird er von allen geprüft und von allen überführt, und so wird offenbar, was in seinem Herzen verborgen ist.“ In diesen Zeugnissen hören wir, dass den Dienern der Kirche große und heilige Dinge zugeschrieben werden. (b) Gottes Freiheit und die innere Wirkung des Worts (Prädestination)
Aber dies alles ist so zu verstehen, dass die ganze Kraft und Wirksamkeit allein dem Herrn, den Dienern aber nur der Dienst zukommt. Denn es ist vollkommen gewiss, dass diese göttliche Kraft sich überhaupt nicht an eine Kreatur binden lässt, sondern als freie Würde denen ausgeteilt wird, bei welchen – wie viel und wann und durch wen auch immer – Gott es will. Vollkommen gewiss ist auch, dass alles, was den Sinnen begegnet, d. h. was auf die Ohren trifft oder in die Augen fällt, durch sich selbst nichts bewirkt, wenn nicht eine innere und göttliche Kraft hinzutritt, welche die Brust des Menschen durchsticht, erfasst, hält und verwandelt. Eben dieses erörterte in diesem Zusammenhang der unwiderlegbare Lehrer der Kirche Augustinus, dessen Glaube nach seinen Retractationes31 in der Kirche niemals bezweifelt wurde. Von ihm füge ich hier zwei Zeugnisse bei. (c) Augustinus über die innere Wirkung von Wort und Sakrament
Das erste Zeugnis findet sich im Traktat 2632 über Johannes zum Johannesevangelium Kapitel 6 und lautet so [Joh 6, 45]: »„Alle, die zu jenem Reich gehören, werden von Gott gelehrt sein.“ Sie werden nichts von Menschen hören; und auch wenn sie von Menschen hören, dann wird ihnen doch das, was sie verstehen, innen gegeben, innen entzündet, innen offenbart. Was machen die Menschen, wenn sie äußerlich etwas verkündigen? Was mache nur ich selbst, wenn ich etwas sage? Bloßen Schall von Worten schaffe ich in eure Ohren hinein, wenn nicht der, welcher innen ist, offenbart, was ich spreche oder sage. Außen ist der Baumwart, innen der Schöpfer. Wer pflanzt und gießt, arbeitet außen; das tun wir. [1Kor 3,7:] „Aber weder der pflanzt, ist etwas, noch der gießt, sondern der Herr, der das Wachstum gibt“. Dies bedeutet [Joh 6, 45]: „Alle werden von Gott gelehrt sein.“« Das zweite33 Zeugnis findet sich im 3. Buch der Fragen zum Buch Leviticus Frage 83, und entwickelt Werk und Wirkung der Sakramente, wie das erste die Kraft des Wortes erklärt hat. Nämlich folgendermaßen. »Es ist zu beachten: So oft er sagt [Lev 21, 23]: „Ich, der Herr, heilige ihn“, spricht er vom Priester, da er dies auch zu Mose sagte [Ex 30, 30]: „Du sollst ihn heiligen.“ Auf welche Weise heiligt nun sowohl Mose als auch der Herr? Es heiligt nicht Mose an der Stelle des Herrn, sondern
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01. Gerhardus Wandscher (Jever)
per ministerium suum, dominus invisibili gratia per spiritum sanctum ubi est totus fructus etiam visibilium Sacramentorum. Nam sine ista sanctificatione invisibilis gratiae, visibilia Sacramenta quid prosunt? Hactenus Augustini testimonia. Sequitur in eodem loco quod huc quoque pertinet. Merito, inquit Augustinus quaeritur Vtrum etiam ista inuisibilis sanctificatio, sine visibilibus Sacramentis pariter nihil prosit. quod utique absurdum est. Tollerabilius enim quisque dixerit, sine illis istam non esse, quam si fuerit non prodesse, cum in ista sit omnis vtilitas eorum. sed etiam hoc, quod sine illis ista esse non poßit, quomodo recte dicatur intuendum est. Nihil quippe profuit Simoni Mago [11] visibilis Baptismus, cui sanctificatio inuisibilis defuit, sed quibus ista inuisibilis quidem affuit, profuit, etiam visibilia Sacramenta perceperunt spiritualiter baptizati. Nec tamen Moses qui visibiliter sacerdotes sanctificabat, vbi fuerit ipse ipsis sacrificiis vel deo sanctificatus, ostenditur, inuisibiliter autem sanctificationem negare quis audeat? cuius tanta gratia prominebat? Hoc et de Ioanne Baptista dici potest, prius enim baptizator quam baptizatus apparuit. Vnde eum sanctificatum nequaquam negare poßumus, id tamen in eo factum visibiliter non inuenimus, antequam ad ministerium baptizandi veniret. Hoc de latrone illo cui secum crucifixo dominus ait, hodie mecum eris in paradiso. neque enim sine sanctificatione inuisibili tanta foelicitate donatus est. Proinde colligetur inuisibilem sanctificationem quibusdam adfuiße et profuiße sine visibilibus Sacramentis. quae pro temporum diuersitate mutata sunt, vt alia tunc fuerint, alia modo sint. Visibilem vero sanctificationem, quae fieret per visibilia Sacramenta sine ista inuisibili poße adeße non poße prodeße. Nec tamen ideo Sacramentum visibile contemnendum est. Nam contemptor eius inuisibiliter sanctificari nullo modo potest. Hinc est quod Cornelius et qui cum eo erant, cum iam inuisibiliter infuso sancto spiritu sanctificati apparerent, baptizati tamen sunt, nec superflua iudicata est visibilis sanctificatio, quam inuisibilis iam praeceßerat. Haec omnia Augustini sunt etc.
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Mose in seinem Dienst mittels der sichtbaren Sakramente, der Herr aber mittels der unsichtbaren Gnade durch den heiligen Geist, worin die ganze Frucht liegt auch der sichtbaren Sakramente. Denn was nützen die sichtbaren Sakramente ohne jene Heiligung durch die unsichtbare Gnade?« – Soweit die Zeugnisse des Augustinus. Es folgt an der gleichen Stelle, was auch dieses Thema betrifft. »Mit Recht«, sagt Augustinus34, »wird gefragt, ob gleicherweise auch jene unsichtbare Heiligung ohne die sichtbaren Sakramente nicht nütze. Dies ist in jeder Weise widersinnig. Erträglicher könnte einer sagen, dass ohne diese [äußeren] jene [innere] nicht sei, als es wäre: nicht nütze. Denn in jener [inneren] liegt der ganze Nutzen dieser [äußeren]. Aber auch dies, dass ohne jene diese nicht sein könne, ist daraufhin anzusehen, in welcher Weise es zu Recht gesagt wird. Simon dem Magier, dem die unsichtbare Heiligung fehlte, nützte die sichtbare Taufe nichts [Apg 8, 13]; aber bei denen jene unsichtbare da war, nützte sie. [Apg 8, 16 f.:] Die geistlich Getauften empfingen auch die sichtbaren Sakramente. Aber auch von Mose, der die Priester sichtbar heiligte, ist nicht bekannt, wo er selbst für die Opfer und für Gott geheiligt worden war. Wer aber wagte, ihm, dessen übergroße Gnade hervorragt, die unsichtbare Heiligung zu bestreiten? Dies kann auch von Johannes dem Täufer gesagt werden. Er trat früher als Täufer denn als Getaufter in Erscheinung. Von daher können wir in keiner Weise verneinen, dass er geheiligt war. Freilich können wir nichts finden, was an ihm sichtbar vollzogen worden wäre, bevor er zum Amt des Taufens kam. So auch bei jenem Schächer, der mit dem Herrn gekreuzigt war und zu dem er sprach [Lk 23, 43]: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Denn mit solcher Seligkeit wurde er nämlich nicht ohne unsichtbare Heiligung beschenkt. Folglich ist zu schließen, dass bei einigen die unsichtbare Heiligung vorhanden war und nützte ohne die sichtbaren Sakramente. Dies hat sich nach der Verschiedenheit der Zeiten geändert, so dass, was damals auf jene Weise galt, jetzt eben auf andere gilt. Die sichtbare Heiligung aber, welche durch sichtbare Sakramente geschieht, kann ohne jene unsichtbare da sein, kann aber nicht nützen. Doch ist das sichtbare Sakrament deswegen nicht zu verachten. Denn sein Verächter kann auf keinen Fall unsichtbar geheiligt werden. Daher kommt es, dass Cornelius [Apg 10, 47 f.] und die mit ihm waren, obwohl sie schon durch den unsichtbar eingegossenen heiligen Geist geheiligt erschienen, trotzdem getauft wurden. Und die sichtbare Heiligung, der die unsichtbare schon vorangegangen war, wurde nicht als überflüssig beurteilt.« Dies alles sind Augustinus’ Worte. 34
Augustinus ebd.
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02. Jakobus Franckenberg (Jever) [289 12] Confessio edder bekenthnisse Iacobi franckenbergs predicanth tho yeuer up dat Interim So allen pastorn vnn vicarien ys vorgestelth von dem edelm wolgebornen froichen froichen Maria, geborne dochter tho yeuer Orer genaden drosten, Canczler, lanthrichter, Magistern Martinum, eyne¯ idern yn Sonderheyth Synes bedunckens ene schrifftlyke bekenthnisse tho stellen up dat vorgenanthe Jnterim alle artikel belangende darbeneuen de artikel des glouens vnd Sunderliken von den Sacramenten vnd gewonlyken olden Christhliken Ceremonien Dar by eyn Jderman gedencke tho blyuen vnd bekandth wesen wyll vor gade vnde der werlth, darmede ene enicheyth Christhliker lher, vnd leuendes myth sampth, den sacramenten vnd Ceremonien yn orer genaden lande yn allen kercken mochte geholden werden Den x decembris Anno xlviij per Jacobum vicarium [290] Dem edelen wolgebornen Froichenn, Froichen Maria wünsche Ick vnderdaniger Iacobus Franckenberg, dorch Iesum christum heylandt, vorstandth wyssheyth geluck heyll tho enem gelucksalygen regemente sundheyth des lyues, langen leuendes wol der guder, vnd dorch christum, na dyssem leuen dath euige ryke Edele wolgeborne Froichen, Na deme ywe genade Jungsth, dorch ywer genaden drosten, Canczler lanthrichter, magistern marten an seggen lathen, allen pastorn vnd vicarien, whu dath eyn iczliker yn myddeler tydt solde jwen genaden, up dat vthgegangene Interim vnde ander artikel der hylligen christhlyken lher vnd glouens vnd der hylligen Sacramente, myth sampth ethliken olden christhliken Ceremonien ene apenbarlyke bekenthnisse eyn Jderman insunderheit ywer genaden tho stellen scholde, So ys mynes erachtens, dem almechtigen gade, dorch Christum synen leuen sone [13] voll daruhor tho dancken, dath goth de vader dorch christum jwe genade dorch den hylligen geysth, jwer genaden herte vorluchtet vnd angerort hefft dat ywe genade vor vns alle sorgfellich ys, welckes ene dogenth ys der ouericheyth ock hoger Smucketh vnd Czyreth den gulden stucke Sammeth vnde Syde Ouersth wahwoll vns, alse den denern des wordes von [291] rechte wol behorth hadde vorlangsth ywer genaden 2 6 14 16 17 18 25
A und B erhalten. eine¯ A; einer B Den … vicarium fehlt B Christum A, B folgt vnsen geluck A, B folgt vnde wol A woluarth B apenbarlyke A apentlike B
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02. Jacobus Franckenberg (Jever) (1) Überschrift
Konfession oder Bekenntnis des Jacobus Franckenberg, Predigers zu Jever, betreffend das Interim, das allen Pastoren und Vikaren bekannt gegeben wurde von der edlen, wohlgeborenen Fräulein35, Fräulein Maria, geborener Tochter zu Jever, und von Magister Martinus36, Ihrer Gnaden Drost, Kanzler und Landrichter: Jeder einzelne soll nach eigenem Urteil ein schriftliches Bekenntnis verfassen, das sich auf alle Artikel des genannten Interim bezieht, außerdem auf die Artikel des Glaubens und besonders auf die Sakramente und auf die herkömmlichen alten christlichen Zeremonien, bei denen jeder bleiben und zu denen er vor Gott und der Welt sich bekennen will, damit eine Einheitlichkeit von christlicher Lehre und Leben einschließlich der Sakramente und Zeremonien in Ihrer Gnaden Land in allen Kirchen eingehalten werden kann. Den 10. Dezember 1548 durch Vikar Jacobus (2) Widmungsbrief
Der edlen, wohlgeborenen Fräulein, Fräulein Maria, wünsche ich untertäniger Jacobus Franckenberg durch den Heiland Jesus Christus Verstand, Weisheit, Glück und Heil für eine glückliche Regierung, Gesundheit des Leibes, langes Leben, gesegnete Güter und nach diesem Leben durch Christus das ewige Reich. Edle, wohlgeborene Fräulein! Nachdem Euer Gnaden vor kurzem37 durch Euer Gnaden Drosten, Kanzler und Landrichter Magister Marten allen Pastoren und Vikaren haben ansagen lassen, dass unmittelbar darauf ein jeder – und zwar jeder für sich – auf das veröffentlichte Interim und auf andere Artikel der heiligen christlichen Lehre und des Glaubens und der heiligen Sakramente samt einigen alten christlichen Zeremonien ein öffentliches Bekenntnis Euer Gnaden einreichen sollte, so ist meines Erachtens dem allmächtigen Gott durch Christus seinen lieben Sohn viel dafür zu danken, dass Gott der Vater durch Christus bei Euer Gnaden durch den heiligen Geist Euer Gnaden Herz erleuchtet und angerührt hat, dass Euer Gnaden für uns alle Sorge trägt. Dies ist eine Tugend der Obrigkeit und schmückt und ziert sie mehr als Gold, Samt und Seide. Aber wiewohl uns als Dienern des Wortes schon längst von Rechts wegen gebührt hätte, dies Euer Gnaden samt Euer Gnaden Untertanen zu bedenken zu geben, vorzustellen und anzumahnen, damit in Euer Gnaden 35
Der Adelstitel Fräulein wird im Kontext teils als Femininum, teils als Neutrum aufgenommen. Die Übersetzung schließt sich ersterem an. 36 Lizentiat beider Rechte Martin Michaelis. 37 Gemeint ist die Versammlung der Pastoren in Jever am 12. November 1548.
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myth sampth ywer genaden vnderdanen, Solckes tho bedenckende vnd vorthostellende, vnde tho vormanende, darmede yn ywer genaden lande ene enicheyth der Christliken lher, Sacramente Ceremonien yn allen kercken mochte eyndrechtthyglick geholden werden. Ouersth nhu ick alse de vnvorstendigsthe hebbe nicht wollen vnderwegen lathen, Sonder, vnderdaniglick myth allem gehorsam ywer genaden beffhell vnde geboth nha tho kamen vnd ywer genaden vor my vnde myne person, ywer genaden up dath Jnterim vnn andere artikel des hylligen christhliken glouens vnd Sacramente myth sampth den Ceremonien ene apenbarlike bekenthnisse edder Confession na myne¯ geringen vorstande, up dat aller eynvoldigsthe, dar stellen, Nicht dath yemandth dar an scholde gebunden syn, Sunder eyn Jderman mag vor sick suluen Synes egen vorstandes vnd guthdunckens vor sick uth der schrifft ene egene voruathen, wenthe ick weth doch woll dath myne simpel Confession, der mesten parth nicht gefallen werth, van den de se better vnde scherper wethen tho maken, darvmb bydde Ick ywer genaden alse myn genedyge wolgeborne Froichen vnderdanigklich ywer genaden wolde Mynen geringen vorstand vnd arbeit nicht thom ergesten edder in vngenaden ansehen, vnd So ick yn etthliken artikeln [292] Tho vell edder tho wenich gedan edder geyrreth hadde, alse ick nicht vorhape, So wyll ick my gern myth der schrifft vnderwysen lathen van den de ydt better wethen etc hyr mede beuele Ick ywer genaden yn denn wyllen vnd macht gades dorch christum Iesum Synen leuen Sone myth gelucksaligem regeringe ywer genaden landth vnde lude etc Jwer genaden vnderdaniger Cappellan Jacobus Franckenberg vicarius yn yeuer [293 14] Thom erstenn alse me lysth Jm Jnterim Jm anfhang des boykkes van des mynschen Schoppinge vnd vhon Synem vhall, vhon der erffsunde, vnde erloßinge dorch christum, ysß guth vnde vnstrafflick, alse me den daglykes lereth yn der hylligen Christhliken vorsamlinge wu den genochsam gehorth ys vnde gehordt werdt etc Von der kercken Von der kercken wyl Ick mynes deles dar uan seggen alse ym hylligen christhliken glouen de hyllige geysth dorch de apostel gelerth vnd alle
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(2.3.4 a)
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Lande eine Einheit der christlichen Lehre, der Sakramente und der Zeremonien in allen Kirchen einträchtig gehalten werden können, so habe ich jedoch als der Unverständigste es nun nicht unterlassen wollen, mit allem Gehorsam Euer Gnaden Befehl und Gebot untertänig nachzukommen und Euer Gnaden für mich und meine Person, Euer Gnaden zum Interim und andern Artikeln des heiligen christlichen Glaubens und zu den Sakramenten samt den Zeremonien ein öffentliches Bekenntnis oder eine Konfession nach meinem geringen Verständnis auf das Allereinfachste aufzustellen. Nicht dass jemand daran gebunden sein sollte! Sondern jedermann mag für sich selbst nach eigenem Verständnis und Gutdünken aus der heiligen Schrift für sich eine eigene Konfession verfassen. Denn ich weiß wohl, dass meine einfache Konfession dem größten Teil derer nicht gefallen wird, die sie besser und scharfsinniger zu verfassen wissen. Darum bitte ich Euer Gnaden als meine gnädige wohlgebeorene Fräulein untertänig, Euer Gnaden wolle mein geringes Verständnis und Werk nicht unwillig oder in Ungnaden ansehen. Und wenn ich in etlichen Artikeln zu viel oder zu wenig getan oder geirrt hätte, wie ich nicht hoffe, so will ich mich gerne mit der heiligen Schrift von denen unterweisen lassen, die es besser wissen. Hiermit befehle ich Euer Gnaden dem Willen und der Macht Gottes, durch Christus Jesus, seinen lieben Sohn, für eine glückselige Regierung von Euer Gnaden Land und Leuten. Euer Gnaden untertäniger Kaplan Jacobus Franckenberg, Vikar in Jever (3) Schöpfung, Fall, Erbsünde, Erlösung (Interim 1–3)
Zum ersten, was man im Interim am Anfang38 des Buches liest von der Erschaffung des Menschen und von seinem Fall, von der Erbsünde und der Erlösung durch Christus, ist gut und unsträflich, wie man es jedoch täglich in der heiligen christlichen Versammlung lehrt und wie man es mithin genügend gehört hat und weiterhin hören wird. (4) Kirche (Interim 9 f.) (a) Die eine Versammlung aus Guten und Bösen
Von der Kirche. – Von der Kirche will ich zu meinem Teil das sagen: Wie im heiligen christlichen Glaubensbekenntnis der heilige Geist durch die 38
Bei 08. Abel Sybrandi (1) lauten die Überschriften der ersten drei Kapitel des Interim: De conditione hominis ante lapsum (Interim 1/36); De conditione hominis lapsi (Interim 2/38); De redemptione per christum dominum nostrum (Interim 3/40). Dazu Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 60, 17 f.: Der anfangk des Buchs von des menschen schöpffung vnd fahl, von der Erbsündt vnd erlösung durch Christum ist recht vnd vnstrefflich.
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christen bekandt hebben von der apostel tydth her nach bekennen dar wy bekennen Ick gloue ene hyllige Christhlike kercke ene gemenschop der hylligen, dath ys Jdth ys ene vorsamlinge aller der yenen, welckere dorch dath euangelium vnde yn dem namen christi bekennen vnde Sinth nicht apenbar vorbanneth jn welckerer vorsamlinge Synth ane vndersched, gude vnd bhose alse de [294] parabola im euangelio Matt: 13. Secht van dem nette dat ynth mher geworpen allerley gadung viscke mede vangeth bose vnd gude alse ock Johannes de doper vorgeliketh de kercke enem dhennen edder deel, up welcker wetthe vnd kaff ys matt: 3: lucae 3 Ouersth ydth werden vns yn der Schrifft twyerley kercken angetekenth ene gude vnde bhose De bose vnde huchlersche kercke ys welckere alle tydt de warhafftige kercke vorvolgeth, alse Cayn den abel gene: 4 vnde de joden de propheten, alse de konick achab vnn Iesebel den eliam, 3 regum 19 darna alle propheten von den ioden vnn christum myth sampth allen apostelen. Desse kercke heth de koniglike prophete ene kercke der gothlosen vnde de Esaias 29 vnde christus matthei 15 Segen dyth volck naheth sick tho my myth orem munde, vnd ereth my myth synen lippen, ouersth ohr herte [295] ys vherne van my, ouersth se denen my vorgeues, de wyle se solcke lere lheren, de nichtes anders alse mynschen lher vnde geboth Synth, Desse kercke kann men vor ogen seen wenthe [15] alle ore wercke vnde gades densthe, dar mede se menen gade tho denen, ys men ene vthwendyge gestalth vnde larue der rechten kercken, vnde ydel mynscken lher yn de stede der gothliken lher up gerichtet, wor mede se goth allene mith dem mundth vnde lippen ane alle adfect vnde glouen des herten denen, alse ock Christus secht matt 23 alle ohre wercke dhon se, dat se van den mynschen gesehen werden Der haluen gloue Ick nicht dath de romysche kercke, de hyllige christhlike kercke ys, alse sick rhomen, wente Se vollnbringeth alles, dath de propheten vnde christus suluen vns vorkundygen Joannis am: 15: Se werden yw yn den ban dhon, vnde dar tho doden, vnde vor hapen nach se dhon gade eyn wolgefallen dar an, he secht nicht ghy [296] werden se yn den bhan dhon Sunder he secht se werden yw yn den bhan dhon vnd doden, dat bewyseth de romische kercke, vnd hupe genochsam, wenthe se konnen ya de rechte rene lher christi des hylligen euangelij nicht lyden,
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Apostel gelehrt und alle Christen bekannt haben und von der Apostel Zeit her noch bekennen, so bekennen wir da auch: »Ich39 glaube eine heilige, christliche Kirche, eine Gemeinschaft der Heiligen.« Das heißt: Es40 gibt eine Versammlung all derjenigen, welche sich zum Evangelium und zum Namen Christi bekennen und nicht öffentlich gebannt sind. In dieser Versammlung sind ohne Unterschied Gute und Böse, wie das Gleichnis im Evangelium Mt 13, 47 f. sagt von dem Netz, womit man, wenn es ins Meer geworfen wird, alle Arten von Fischen fängt, böse und gute. Wie auch Johannes der Täufer Mt 3, 12; Lk 3, 17 die Kirche mit einer Tenne oder Diele vergleicht, auf der Weizen und Spreu liegt. (b) Die zwei Kirchen
Aber es werden uns in der Schrift zweierlei Kirchen angezeigt: eine gute und eine böse.41 Die böse und heuchlerische Kirche ist die, welche zu aller Zeit die wahre Kirche verfolgt, wie Gen 4, 8 Kain den Abel und die Juden die Propheten, wie 1Kön 19, 1–3 König Ahab und Isebel den Elia; und wie darnach alle Propheten und Christus samt den Aposteln von den Juden verfolgt werden. Diese Kirche heißt der königliche Prophet [Ps 26, 4 f.] eine Kirche der Gottlosen. Und Jesaja 29, 13 und Christus Mt 15, 8 f. sagen: „Das Volk nahet sich zu mir mit ihrem Mund und ehret mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir. Aber sie dienen mir vergebens, da sie solche Lehre lehren, die nichts anderes als Lehre und Gebote von Menschen sind.“ Diese Kirche kann man vor Augen sehen, denn alle ihre Werke und Gottesdienste, womit sie Gott zu dienen meinen, sind nur eine äußerliche Gestalt und Larve der rechten Kirche, und an der Stelle der göttlichen Lehre ist reine Menschenlehre aufgestellt, womit sie Gott allein mit dem Mund und den Lippen ohne alle Neigung und Glauben des Herzens dienen, wie auch Christus sagt Mt 23, 5: „Alle ihre Werke tun sie, damit sie von den Menschen gesehen werden.“ Deshalb glaube ich nicht, dass die römischen Kirche die heilige christliche Kirche ist, wie sie sich rühmen, denn sie führen alles aus, was die Propheten und Christus selbst uns ansagen. Joh 16, 2: „Sie werden euch in den Bann tun und überdies töten, und hoffen noch, dass sie Gott einen Gefallen damit tun.“ Er sagt nicht: Ihr werdet sie in den Bann tun, sondern er sagt: „Sie werden euch in den Bann tun und töten“. Das weist genügend deutlich auf die römische Kirche und ihren Haufen hin, denn sie können ja die rechte, reine Lehre Christi des heiligen Evangeliums 39 40 41
Apostolikum 3. Artikel, BSLK 21, 19–21. Vgl. Melanchthon, Loci verdeudscht 218 r. v; vgl. Loci 1535, CR 21, 505 f. Vgl. Melanchthon; Loci verdeudscht 219 v.; vgl. Loci 1535, CR 21, 506 f.
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02. Jakobus Franckenberg (Jever)
Sunder dhon yn den bhan alle de yenen, de dath euangelium predyken vnde horen, vnd dar an glouen, vnde latens nach by dem bhanne nicht blyuen Sonder doden vorfolgen, morden, myt vhur vnd water vnd allerley plage, wormede se konnen vnd mogen, darmede se mochten de rene lher des eungelij vnderdrucken, vnd syn dar tho noch So driste, vnd vorschameth dat se de ynsettinge christi des hochwerdygen auenth mals, vor andern, vnn upheuen geroueth vnde gestalen hebben den armen christen vnd vorsaken de Krafft des lydens christhij, vnd schryuen de vorgeuinge der sunde ohren vhulen stynckenden wercken tho, welckere vorgeuinge der sunde men allene vns ys vorworffen vnd erlangth dorch christus doeth vnde bloth vorgetenth [297] Nicht allene hebben se dysse ynsettinge christi vor anderth, Sunder alle ordinge gades thorethen, vnde darbeneuen vorbaden vnd Synth euen de suluigen daruan paulus secht in der ersten epistel tho Timotheo am verden capitel vnd Jn der anderen epistel tho timotheo in druden capitel dath yde warheyth gade Sy Jwmer loff genochsam am dagee ys etc [16] De rechte warhafftige kercke ys de vorsamlinge aller louigen vnde hylligen, de warhafftigen an christum glouen, vnde dorch den geysth christi gehylligeth Synth, von desser kercke Secht de hyllige paulus 1 timo. 3: capitel de kercke ys eyn pyler vnde grunth vheste der warheyth, Ja se ys ene geweldyge koningynge, welcke ock de porten der helle nicht auer weldygen konnen noch mogen, matthei. 16 capitel Desse kercke heth Catholica, dath ys ene gemene kercke, wente se ys an nene stede, an nene persone up erden, an nene sunderlyken Ceremonien edder an yenich vthwendich dinck gebunden. [298] Sunder darynne steydt de enicheyt der kercken, dath de christen vnde hylligen, wo se hen vnde wedder yn der werlth wanen, der lhere des euangelij haluen van christo Iesu eyns Synth alse paulus Secht, ephe: 4 eyn goth, ein christus, ene dope, eyn Sacramenth etc Desse kercke beschrifft ock vorder Sankt paulus tho den ephesern am 5. capitel myth dyssen worden Christus hefft de gemene geleueth, vnde hefft sick suluesth vor se gegeuen, up dat he se hylligede, vnde hefft se gereynyget dorch dath waterbadt ym worde, up dat he sick suluest tho rychtede ene gemene de herlick Sy, de nicht hebbe enige flecke edder makel edder sus ychtes wath Sunder dat se hyllig vnde vnstrafflick Sy etc dysse kercke 16 Jwmer A Jo mar B 32 he folgt Sick suluest vor se gegeuen, up dat he A 42 Da innerhalb des Messkanons die Einsetzungsworte vom Priester nur geflüstert wurden, blieb der Gemeinde der Sinn des Geschehens am Altar dunkel, vor allem die Zusage der Vergebung im Kelchwort und die Bedeutung der Elevation.
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nicht leiden, sondern tun alle diejenigen in den Bann, die das Evangelium predigen und hören und daran glauben, und lassen es bei dem Bann noch nicht bewenden, sondern töten, verfolgen, morden mit Feuer und Wasser und allen möglichen Plagen, womit sie nur können und vermögen, damit sie die reine Lehre des Evangeliums unterdrücken können, und dazu sind sie noch so dreist und schändlich, dass sie Christi Einsetzung des hochwürdigen Abendmahls vor den andern und das Emporheben [die Elevation] den armen Christen geraubt und gestohlen haben42 und ihnen die Kraft des Leidens Christi versagen, und die Vergebung der Sünde ihren faulen, stinkenden Werken zuschreiben, welche Vergebung der Sünden uns doch allein erworben und erlangt ist durch Christi Tod und Blutvergießen. Sie haben nicht allein diese Einsetzung Christi verändert, sondern alle Ordnungen Gottes zerrissen und dazu noch verboten, und sind eben dieselben, von denen Paulus sagt in der ersten Epistel an Timotheus im vierten Kapitel und in der zweiten Epistel an Timotheus im dritten Kapitel 1Tim 4, 1–5; 2Tim 3, 1–9, dass jede Wahrheit – Gott sei immerdar Lob! – genügend am Tage ist. (c) Die wahre, allgemeine, unsichtbare Kirche und ihre Kennzeichen
Die43 rechte wahrhaftige Kirche ist die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen, die wahrhaft an Christus glauben und durch den Geist Christi geheiligt sind. Von dieser Kirche sagt der heilige Paulus 1Tim 3, 15: „Die Kirche ist ein Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit.“ Ja, sie ist eine gewaltige Königin, welche auch Mt 16, 18 „die Pforten der Hölle nicht überwältigen“ können. Diese Kirche heißt »katholisch«44, d. h. eine allgemeine Kirche, denn sie ist an keine Stätte, an keine Person auf Erden, an keine besonderen Zeremonien oder an irgend ein äußerliches Ding gebunden. Sondern die Einheit der Kirche besteht darin, dass die Christen und Heiligen, wo sie auch hier oder dort in der Welt wohnen, wegen der Lehre des Evangeliums von Christus Jesus eins sind, wie Paulus sagt Eph 4, 4–6: Ein Gott, ein Christus, eine Taufe, ein Sakrament. Diese Kirche beschreibt Sankt Paulus auch weiterhin mit diesen Worten Eph 5, 25–27: „Christus hat die Gemeinde geliebt und hat sich selbst für sie gegeben, damit er sie heiligte, und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, damit er sich selbst eine Gemeinde zurichtete, die herrlich sei , die weder einen einzigen Flecken noch Makel noch sonst irgend etwas habe, sonderen heilig und unsträflich sei.“ Diese Kirche sieht 43 Die folgenden 2 Absätze in Anlehnung an Melanchthon, Loci verdeudscht 218 v – 219 r; Loci 1535, CR 21, 506. 44 Nizänum BSLK 26, 7; Apostolikum BSLK 21, 20.
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sueth me nicht vor ogen, Sonder wy gloue vnde bekennen se ym artikel des glouens Ick gloue ene hyllige gemene christlyke kercke, ene gemenschop der hylligen Se hefft ock ohre gewysse vthwendige [299] teken dar by men se erkenth Nomlyken dysse, de rene lher des euangelij von Jesu christo, vnde den rechten gebruck der hylligen Sacramente, vnde de absolucion, dath ys vorgeuinge der sunde, welcker se gebrucketht ym predyg ampthe vnd yn der vorreykinge der hylligen Sacramente Christus Iesus de Sone gades ys allene dath houeth der christhliken kercken, vnde nicht de pauesth tho rhom nach yenich mynscke, he behoueth nenes stad holders wu sick de pauesth [17] rometh, he sy ein stad halder christi, Christus wyl allene Syne hyllige christhlike gemene dorch Synen hylligen geysth regeren na dem male he ohr houeth ys alse paulus Ephe: 1: Secht, de vader hefft en thom houede gesettet der gemene Collo. 1: he ys dath houeth synes lyues Nomlyken der Christhlyken gemene, dat ys aller christen, de vor vns gewesen, ithondes Synth, Nach vns kamen werden 1 Cor. 12 gelick alse tho der tydt der sinthfloth nen mynscke konde by dem leuen blyuen gene: 7 de buthen der archa noe waren, also kan Ithondes ock nemandes buthen der christhliken [300] kercken nene vorgeuinge der sunde krygen nach erlangen, vnd ock kan nemandt Salick werden he sy den ledmate christi Jn der hylligen kercke den yn syner vorsamlinge ys allene de vorgeuinge matt 18 Ionis 20 etc Von den bisschoppen Eyn bischop sall syn eyn predyger, alse syn ampth mede brengeth, alse alle, olde bischoppe von der apostel tydt an gedan hebben, alse me den listh yn allen olden hystorien, welcke, hyr tho lanck tho vortellende synth, alse ock de hyllige paulus 1 timo: 3: tito. 1 se nometh, darumb ys van den olden veders erffunden dat eyn bischop hefft gedragen enen hodt myt thween spyssen, vnde thwe bendell achter dar an, Thom teken, dat he schal predygen, bothe vnde vorgeuinge der Sunde dorch christum vns vorworuen alse de propheten, Ioannes de doper, christus paulus vnde alle apostel gedan hebben Alse ick am andern yn der bote werde anteken vnde daruon seggen: alse de [Prophete] Malachias: 2: Secht de lippen des presters
6 sunde Kj sude A sunden B 15 ithondes Synth A vnn B 45
Apostolikum 3. Artikel, erweitert durch Begriffe aus dem Nizänum BSLK 21, 19–21; 27, 7 f.. 46 Vgl. Interim 10/64; in der Themenliste bei 08. Abel Sybrandi (1) De notis et signis ecclesie vere.
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man nicht vor Augen, sondern wir glauben und bekennen sie im Artikel45 des Glaubens: »Ich glaube die eine, heilige, allgemeine, christliche Kirche, eine Gemeinschaft der Heiligen.« Sie46 hat auch ihre gewissen äußerlichen Zeichen, daran man sie erkennt, nämlich diese: die reine Lehre des Evangeliums von Jesus Christus und den rechten Gebrauch der heiligen Sakramente und die Absolution, d. h. Vergebung der Sünde, welche sie anwendet im Predigtamt und in der Darreichung der heiligen Sakramente. (d) Das Haupt der Kirche ist Christus, nicht der Papst.
Christus Jesus, der Sohn Gottes, ist allein das Haupt der christlichen Kirche, und nicht der Papst in Rom noch sonst irgend ein Mensch. Er bedarf keines Statthalters, als der sich der Papst rühmt, dass er ein Statthalter Christi sei. Christus will allein seine heilige christliche Gemeinde durch seinen heiligen Geist regieren, gemäß dem er ihr Haupt ist, wie Paulus Eph 1, 22 sagt: „Der Vater hat ihn zum Haupt der Gemeinde gesetzt“; Kol 1, 18: „Er ist das Haupt seines Leibes“, nämlich 1Kor 12, 12–14 der christlichen Gemeinde, d. h. aller Christen, die vor uns waren, die jetzt sind und nach uns kommen werden. Gleich wie Gen 7, 23 zu der Zeit der Sintflut keiner der Menschen am Leben bleiben konnte, die außerhalb der Arche Noahs waren, so kann auch jetzt niemand außerhalb der christlichen Kirche Vergebung der Sünde kriegen oder erlangen, und es kann auch niemand selig werden, er sei denn ein Glied Christi in der heiligen Kirche. Mt 18, 18; Joh 20, 23 In seiner Versammlung nämlich ist allein Vergebung. (5) Bischöfe (Interim 13) (a) Die Aufgabe der Bischöfe
Von den Bischöfen. Ein Bischof soll ein Prediger sein, wie es sein Amt mitbringt, wie es alle alten Bischöfe von der Apostel Zeit an gehalten haben, wie man es nämlich in allen alten Geschichtsbüchern liest (was hier zu erzählen zu weit führen würde) und wie auch der heilige Paulus 1Tim 3, 2; Tit 1, 9 sie beschreibt. Darum findet man bei den alten Vätern, dass ein Bischof einen Hut47 mit zwei Spitzen und mit zwei Bändern getragen habe, die hinten daran befestigt sind zum Zeichen, dass er Buße und Vergebung der Sünde, die uns durch Christus erworben ist, predigen soll, wie es die Propheten, Johannes der Täufer, Christus, Paulus und alle Apostel getan haben, wie ich es im zweiten Abschnitt von der Buße48 anzeigen und besprechen werde. Wie der Prophet Maleachi 2, 7 sagt: 47
Bei der Segnung und Aufsetzung der Mitra deutet das seit dem 13. Jahrhundert gebrauchte Gebet die beiden Spitzen (Hörner) als die beiden Testamente; Sirch, Der Ursprung der bischöflichen Mitra 41. 48 S. unten (10 c).
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bewaren de erkenthnisse, vnde uth synen munde, sal me soken dat gesette gades alse christus suluen Secht im euangelio [301] Matt 13. Eyn Jder schrifftgelerde thom hemmelryke gelerth ys gelick enem husvader de uth syne¯ schatte Nye vnd olth heruor drecht, dath hebben gedan de olden vnde dar up solcke vnde der geliken worde [18] wol achte gehath, alse up de lippen des mundes dar van de prophete secht, der thwe Sinth, vnde up dath Nye vnd olde daruan christus secht Dat olde ys dath gesette, dath Nye dath euangelium, dar uth de olden vor ordenth de bischops hode myth thwen spyssen, welcke thwe spyssen, der hode beduden, de thwe lippen des mundes, vnde dat olde vnd nye tho ener gedechtnisse ores amptes, dat se flytich schollen waken Ouer de herde christj myth lheren vnde predinge, de bothe vnde dath euangelium, alse bauen vormeldeth de propheten joannes de doper christus myth sampth Synen aposteln nach den aposteln de olden bischoppe gedan hebben Ouersth de duuel hefft dorch den papesth vnde syne gehulpen, ledmate, vnde der styffte, vnde monke secten, Sweffell vnde peck dar yn geworpen myth Syner valsken up gerichteder mynschen lher vnde gades denste de goth nicht befalen nach vorordenth heffth vnde lathen also vharen de rechte gerechigheyt de vor gade gelth vnd vns geapenbart dorch dath euangelium, vnde gedencken ore egene [302] gerechtigkeyth up tho richten alse paulus thon romern am ersten capitel billich secht dat se yn orem dichtende ydell geworden vnd ohr vnvorstendyge herte ys vordusterth, do se sick vor klock vnde wyß helden synth se tho narren geworden vnde hebben vorwandelth de herlicheyt des vnvorgenckliken gades yn ein belde gelick den vorgenckliken mynscken, Also sal goth de mynschlyke wysheyth lathen anlopen, dath se Sick vorwandelen dorch ore valse lher, dath uth pauesten carnadilen bischopen, papen, moncken werden valse lherers, viende christi, gelyck alse uth lucifer dem schonen engel ys geworden eyn erschrecklick duuel, Esai. 14 capitel Vnn vmb der hoffarth wyllen ys uth dem hemel gestorteth apocalipsis. 12: also hefft Sick de pauesth myth bischoppen vorwandelt vnd Synth geworden vorvolgers der warheyth viende der renene lhere des hy[lligen] euangelij, Morders christi vnde Syner christen, vnder enem hylligen schyne wenthe se ghan her yn schapes kledernn vnde geuen grothe hyllicheyth vhor vnn vorstellen sick yn enen engel des lichtes alse paulus secht 2 Corin: 11: capitel vorbargen also ohre gyfft vnd schalckheyt vnder den hylligen vthwendygen schyne darvon Christus [19] thrweliken warneth matt 7. [303] Wenthe se vordern 4 8 27 32
syne¯ A synen B; synem Bugenhagen vor ordenth de A vorordende B carnadilen A Cardinelen B hy[lligen] A H. B
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„Die Lippen des Priesters bewahren die Erkenntnisse, und aus seinem Munde soll man suchen das Gesetz Gottes.“ Und wie Christus selbst sagt im Evangelium Mt 13, 52: „Ein jeder Schriftgelehrte, zum Himmelreich gelehrt, ist gleich einem Hausvater, der aus seinem Schatze Neues und Altes hervorzieht.“ Das haben die Alten getan und dabei auf solche und ähnliche Worte gut acht gegeben, wie auf „die Lippen des Mundes“, wovon der Prophet sagt, deren zweie sind, und auf das „Neue und Alte“, von dem Christus spricht: Das Alte ist das Gesetz, das Neue das Evangelium. Daraus haben die Alten die Vorschrift entnommen, dass die Bischofshüte mit zwei Spitzen versehen sein sollen, welche zwei Spitzen der Hüte die zwei Lippen des Mundes bedeuten und das Alte und Neue eine Erinnerung an ihr Amt sei: dass sie fleißig wachen sollen über die Herde Christi mit Lehren und Predigen, nämlich die Buße und das Evangelium, wie es gemäß obiger Beschreibung die Propheten, Johannes der Täufer, Christus mitsamt seinen Aposteln und nach den Aposteln die alten Bischöfe getan haben. (b) Der Amtsmissbrauch der gegenwärtigen Päpste und Bischöfe
Aber der Teufel hat durch den Papst und seine Gehilfen, seine Glieder und die Stifte und Mönchssekten Schwefel und Pech hineingeworfen mit seiner falschen, von ihm aufgerichteten Menschenlehre und mit Gottesdiensten, die Gott weder befohlen noch verordnet hat. Und sie lassen so die rechte Gerechtigkeit fahren, die vor Gott gilt und uns durch das Evangelium offenbart ist, und gedenken, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, wie Paulus Röm 1, 21–23 mit Recht sagt: Dass sie „in ihrem Denken töricht geworden sind und ihr unverständiges Herz verdüstert ist; da sie sich für klug und weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild gleich den vergänglichen Menschen verwandelt.“ So wird Gott die menschliche Weisheit auflaufen lassen, dass sie sich durch ihre falsche Lehre verwandeln, so dass aus Päpsten, Kardinälen, Bischöfen, Pfaffen und Mönchen falsche Lehrer und Feinde Christi werden. So wie Jes 14, 12 aus Luzifer, dem schönen Engel, ein schrecklicher Teufel geworden ist und Apk 12, 9 um der Hoffart willen aus dem Himmel gestürzt wurde, so hat sich der Papst mit den Bischöfen verwandelt und sind Verfolger der Wahrheit geworden, Feinde der reinen Lehre des heiligen Evangeliums, Mörder Christi und seiner Christen unter einem Heiligenschein. Denn [Mt 7, 15] sie kommen daher in Schafskleidern und geben große Heiligkeit vor und verstellen sich, wie Paulus 2Kor 11, 14 sagt, als einen Engel des Lichts,
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mher des duuels ryke dan dat ryke christi, Na dem male se nicht dath euangelion predygen, Sonder vell mer vorfolgen vnde lastern, Vnd laten ore ampth vallen vnde nemen sick anderer ampthe an, de en godt nicht befalen hefft wenthe christus vnse heylandt, gyfft Synen apostelen eyn ander latin up, dar na se Sick holden scholth alse he secht Mar. 10 ghy wethen dath de werthliken forsten herscken, vnde de mechtigen manck en, hebben gewalth, auersth so schal ydt manck yw nicht syn Sunder wol manck yw wyll groth werden, de schal ywe dener syn, vnde woll manck yw wyll de vornemesthe wesen de schal aller knecht syn, wenthe ock des mynschen sone ys nicht gekamen dath he sick denen lathe, Sonder dat he dene, Alse den ock de leue apostel Sankt peter lerth yn der ersten epistel am: 5 capitel weydeth de herde christi de by yw ys, welckeren beffell he van christo suluen enthpffangen hefft Jonis am lesten capitel vnde nodigeth se nicht, sunder frywyllig, vnde herscheth nicht auer se alse weren se yw erffgueth, alse ock paulus 1. Corin 4 wy wyllen nicht heren wesen auer ywen louen, darumb secht he vorder [304] Daruor holde vns yderman Nomlyken vor christus dener vnd husholders auer de gehemmelicheyth gades etc Ouersth myth der korthe daruan tho seggen So leth de pauesth myth den Synen Syn ampth vallen vnde nemen andere an vnde lathen andere vor sick miße holden, oras singen vnde beden, vigilias mortuorum singen Ouersth eyn ander werth vor se nicht yn de helle vharen Sunder se suluen mothen dar hen varen tho orem forsten vnd hern, vnde se werdt de flock bedrepen, vnde werden em nicht enthlopen psal 106 aperta est terra etc deglutiuit Datan etc operuit super congregationem abyram. Nume: 16 Descenderuntque viuj in infernum. Vorvmb schollen de hylligen lude yn de helle vharen hebben se doch hyllige kleder an vnde hebben kappen vnde platten Ja wen se ore ampth nicht dryuen vnde foren na gades befell vnd worde So helpen se ock ore hylligen kleder kappen vnde platten nicht Also wenick de thwee sons aarons Leuitici 10 nadab vnd abihu [20] ore hylgen presterliken kleyder vnd wyjnge nicht en halp, de doch von gade gebaden worden tho maken vnde tho prestern tho wien do se fremd vhur vor den herren brachten vnd rockerden darmede, dar fhor dat vuyr [305] vhom heren vnde vortheerde se, vel mher werth vnse papisten ore grothe hyllige kledinge kappen vnd
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werden A syn B syn A wesen B syn B, fehlt A 106 Kj 1006 A 1. & 6. B etc A et B
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verbergen also ihr Gift und ihre Bosheit unter den heiligen äußerlichen Schein, vor dem Christus Mt 7, 15 treulich warnt. Denn sie fördern mehr des Teufels Reich als das Reich Christi, zumal sie das Evangelium nicht predigen, sondern vielmehr verfolgen und lästern, und ihr Amt vernachlässigen und sich andere Ämter anmaßen, die Gott ihnen nicht befohlen hat. Denn Christus, unser Heiland, gibt seinen Aposteln ein ander Latein auf, woran sie sich halten sollten, indem er Mk 10, 42–45 sagt: „Ihr wisst, dass die weltlichen Fürsten herrschen und die Mächtigen unter ihnen Gewalt haben. Aber so soll es unter euch nicht sein. Sondern wer unter euch will groß werden, der soll euer Diener sein, und wer unter euch der Vornehmste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene.“ So nämlich lehrt auch der liebe Apostel Sankt Petrus 1Petr 5, 2: „Weidet die Herde Christi, die bei euch ist“ – welchen Befehl er Joh 21, 15–17 von Christus selbst empfangen hat – „und nötiget sie nicht, sondern freiwillig; und herrschet nicht über sie“, als wären sie euer Erbteil, wie auch Paulus [2Kor 1, 24] sagt: „Wir wollen nicht Herren sein über euern Glauben“, darum sagt er weiter 1Kor 4,1: „Dafür halte uns jedermann, nämlich für Christi Diener und Haushalter über die Geheimnisse Gottes.“ Aber um in Kürze davon zu reden: So vernachlässigt der Papst mit den Seinen sein Amt und sie maßen sich andere Ämter an und lassen andere für sich Messe halten, Horen singen und beten und die Abendgebete für die Toten halten. Aber in die Hölle wird für sie kein anderer fahren, sondern sie müssen selbst dahin fahren zu ihrem Fürsten und Herrn, und der Fluch wird sie einholen, und sie werden ihm nicht entlaufen. Ps 106, 17: „Die Erde tat sich auf und verschlang Dathan und deckte zu die Rotte Abirams.“ Num 16, 33: „Und sie fuhren hinunter in die Hölle lebendig.“ Warum sollen die heiligen Leute in die Hölle fahren? Tragen sie doch geistliche Kleidung und haben Kapuzen und Tonsuren! Ja, wenn sie ihr Amt nicht wahrnehmen und nach Gottes Gebot und Wort führen, dann helfen ihnen auch ihre geistlichen Gewänder, Kapuzen und Tonsuren nichts. So wenig, ja gar nichts halfen Lev 10, 1 f. den beiden Söhnen Aarons, Nadab und Abihu, ihre heiligen priesterlichen Kleider und Weihen, deren Anfertigung ebenso wie die Priesterweihe doch [Ex 28] von Gott geboten worden war, als sie fremdes Feuer vor den Herrn brachten
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platten ock nicht helpen wenthe se syn von gade nicht vor ordenth Na dem male yene nicht gehulpen hebben de he vor ordenth hadde, wen se fremeth vhur werden vor den heren dregen, wente goth kans nicht lyden (alse danne dhon). fremeth vhur dath ys wen me nicht prediget gades wordt, wath goth nicht beuolen hefft vnde predygeth mynscken lher vnde richteth orden vnde secten an alse de papisten gedan hebben darvmb werden se ock oren lon enthpffangen wo se sick nicht bekeren werden Wenthe se hebben ore ampth vallen lathen vnde nemen sick des werthliken ampthes an dath en goth nicht beualen hefft darvmb wath nemand kan effte wyl straffen, dath werth goth straffen, alle de uprorischen de yn eyn fremdt ampth tasten sunder befell, alse den de erschrecklike historia betuget numerj am: 16: capitel: roma: 13: etc Von den Sacramenten So bekenne Ick dat, dat Sacramenth ys eyn vthwendich tekenth der gothliken tho sagen welcker goth yngesetteth hefft, dar gehoren auersth thwe stucke tho, alse dath [306] Elemente effte vthwendyge teken vnde dath wordt alse augustinus secht accedat verbum ad elementum tunc fit sacramentum. Nu synth vornemlick veerley opinion vnn menyge van den sacramenten De erste, de scholastici, dat ys, de scholer lheren dat de yenen, de der sacramente gebruken, allene uth dem gedanen vthwendygen wercke, ex opere operato, wen schon, dat herte nicht dar by ys rechtuerdich werden, desse phariseische lhere schal me vth der christhlyken kercken myth ganßem ernste vththoraden, wente se ys strackes wedder dath euangelion, vnde wedder den glouen, wente solcke huchler leren, dath de mynscke rechtverdig werde, allene, dorch dat werck, vnde dorch den gebruck der ceremonien, wen se schon nicht glouen, Ja wen [21] se schon nen guth herte edder glouen edder andacht hebben, allene dat he nicht obicem vnde verhynderinge geue, dat ys dat he nicht ym vorsate sy, ene dothlike sunde tho dohnn 7 10 21 23 26
nicht B, fehlt A alle A alse B De A I. De B herte B, fehlt A wedder A, fehlt B 49
Diese Definition wörtlich nach Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 467: Est enim proprie sacramentum signum divinae promissionis a Deo institutum. Dagegen Melanchthon, Loci verdeudscht 167 v: Denn das wort Sacrament heist ein eusserlich zeichen / welchs Gott hat geben und eingesetzt /
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und damit räucherten. [Lev 10, 2:] „Da fuhr das Feuer aus vom Herrn und verzehrte sie.“ Sehr viel mehr wird unseren Papisten ihre prächtige heilige Kleidung, Kapuzen und Tonsuren auch nicht helfen – denn sie sind nicht von Gott geboten, da ja nicht einmal jene geholfen haben, die er doch geboten hatte – wenn sie fremdes Feuer vor den Herrn tragen. Denn Gott kann fremdes Feuer nicht leiden (wie sie es dann tun) d. h. wenn man nicht Gottes Wort, sondern das predigt, was Gott nicht befohlen hat, und predigt Menschenlehre und gründet Orden und Sekten, wie es die Papisten gemacht haben. Darum werden sie auch ihren Lohn empfangen, wenn sie sich nicht bekehren. Denn sie haben ihr Amt vernachlässigt und maßen sich ein weltliches Amt an, mit dem Gott sie nicht beauftragt hat. Darum wird, was niemand strafen kann oder will, Gott selbst strafen: alle die Aufrührer, die ohne Befehl in ein fremdes Amt greifen, wie nämlich die schreckliche Geschichte bezeugt Num 16 [Aufruhr und Untergang der Rotte Korah]; Röm 13, 1 f. (6) Sakramente (Interim 14) (a) Zeichen und Wort
Von den Sakramenten. – So bekenne ich, dass49 das Sakrament ein äußerliches Zeichen der göttlichen Zusagen ist, welches Gott eingesetzt hat. Dazu gehören aber zwei Stücke, nämlich das Element oder äußerliche Zeichen, und das Wort, wie Augustinus50 sagt: »Das Wort tritt zum Element hinzu, dann wird daraus ein Sakrament.« (b) Vier Auffassungen: Scholastik, Zwingli, Wiedertäufer, rechte Lehre
Nun gibt es vor allem viererlei51 Auffassung und Meinung über die Sakramente. Die Erste. Die Scholastiker, d. h. die Schultheologen lehren, dass diejenigen, die die Sakramente empfangen, allein durch das äußerlich getane Werk – ex52 opere operato [durch das vollzogene Werk] – gerechtfertigt werden, auch wenn das Herz nicht dabei ist. Diese pharisäische Lehre soll man aus der christlichen Kirche mit ganzem Ernst ausrotten, denn sie wendet sich direkt gegen das Evangelium und gegen den Glauben. Denn solche Heuchler lehren, dass der Mensch gerechtfertigt werde allein durch das Werk und durch den Gebrauch der Zeremonien, obschon sie nicht glauben. Ja, wenn sie schon kein gutes Herz oder Glauben oder Andacht haben, dann genügt allein schon, dass einer keinen Riegel oder Hindernis setzt, d. h. dass er nicht vorsätzlich eine Todsünde begeht.
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Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3, PL 35, 1840. Die folgenden 4 Absätze nach Melanchthon, Loci verdeudscht 167 v – 169 r; vgl. Melanchthon, Loci 1535 CR 21, 467 f. 52 Vgl. BSLK 68 Anm. 3. 51
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De anderen seggen, dath de Sacramenta nicht teken sinth des gothliken genedygen wyllen yegen vns, Sonder allene vthwendige kenne teken vnd losinge, dar by men gades volck kenne, vor den anderen heyden wo men de moncke by der kledinge vor anderen mynscken kenth [307] De drudden alse Sunderliken de wedder dopers, vnde de valsen secten seggen, dat de Sacramenta allene teken guder wercke synth, alse sy de dope eyn teken, dat de christen yn der werlth sick mothen yn dopen lathen allerley grothe vhare vnde vorfolginge dragen vnde lyden, vnde dath beduth, dath men water auer se gueth Also ock dat Sacramente des auenthmals Sy eyn teken der broderliken christhliken leue vnde enicheyt, wenthe by allen volckern, ys, myth eyn ander ethen vnde dryncken eyn teken der frunthschop leue vnde enicheyth, desse opinion vnn menynge synth ock tho vorwerpen, wente se lheren nicht den rechten gebruck der sacramente. De veerde menynge, ys de rechte grundt, nomliken desse, dat, de Sacramente des nyen testamentes, vornemlick, darumme von christo Jngesetteth synth, dat se schollen teken syn, des gothlyken wyllens yegen vns dat se dar vor ogen sthan, vnde vns erjnnern, vnd vormanen, der gothliken tho sage, welckere ym euangelio gepredygeth werth tho glouende, Also who nhu dat wordt eyn vthwendich instrumente ys, dar dorch de hyllige geysth wercket vnde krefftig ys wo Sankt paulus roma. 1: antekenth, dath euangelion ys ene krafft gades, etc also wercketh [308] ock de hyllige geysth dorch uthwendige teken wen wy ydt ym glouen entfangen, wente de vthwendyge teken, synth darumme gegeuen vnd vor de ogen gestalth, dath se schollen wedder vnse Swackheyth, den gelouen, ym herten stercken, gelick, wo vns dath wordt bewageth thom glouen Nhu ys von noden dat me thom ersten wethe worvmb Christus de Sacramenta hefft ingesetteth ehr men van den Sacramenten handele [22] Darvmme hefft se christus ingesetteth vmme vnser Swackheyth wyllen, wente dath mynschlike herte, ys na dem val ade, veel tho Swack, dat ydt allene den blothen worden glouen scholde, dar Vmme hefft Christus vnser Swackheyt tho helpen, de tekene, dem worde angeheffteth up dat wy beyde, dorch dat teken vnde wordt, den tho sagen gades glouen konden wenthe also secht augustinus, vor der sunde sach de mynsche goth,
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De A II. De B De A III. De B De A IIII. De B teken A, folgt wen wy ydt ym glouen enthpffangen, wente [de] vthwendygen teken A
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Die Zweiten53 sagen, dass die Sakramente nicht Zeichen des göttlichen gnädigen Willens gegen uns sind, sondern allein äußerliche Kennzeichen und Losungen, an denen man Gottes Volk erkennt, im Unterschied zu den anderen, den Heiden, wie man die Mönche an der Kleidung von anderen Menschen unterscheidet. Die Dritten, wie besonders die Wiedertäufer und die falschen Sekten, sagen, dass die Sakramente allein Zeichen guter Werke sind. So sei die Taufe ein Zeichen, dass die Christen in der Welt sich in vielerlei große Gefahr eintauchen lassen und Verfolgung tragen und leiden müssen. Und dies bedeute es, dass man Wasser über sie gießt. So sei auch das Sakrament des Abendmahls ein Zeichen der brüderlichen, christlichen Liebe und Einigkeit54. Denn bei allen Völkern ist das miteinander Essen und Trinken ein Zeichen von Freundschaft, Liebe und Einigkeit. Diese Auffassung und Meinungen sind ebenfalls zu verwerfen. Denn sie lehren nicht den rechten Gebrauch der Sakramente. Die vierte Meinung gibt den rechten Sachverhalt wieder, nämlich den, dass die Sakramente des Neuen Testaments vornehmlich dazu von Christus eingesetzt sind, dass sie Zeichen des göttlichen Willens gegen uns sein sollen, dass sie da vor Augen stehen und uns erinnern und ermahnen, der göttlichen Zusage zu glauben, welche im Evangelium gepredigt wird. Also wie nun das Wort ein äußerliches Instrument ist, durch das der heilige Geist wirkt und kräftig ist, wie Sankt Paulus Röm 1, 16 anzeigt: „Das Evangelium ist eine Kraft Gottes usw.“, so wirkt der heilige Geist auch durch äußerliche Zeichen, wenn wir sie im Glauben empfangen. Denn die äußerlichen Zeichen sind dazu gegeben und vor Augen gestellt, dass sie den Glauben im Herzen angesichts unserer Schwachheit auf die gleiche Weise stärken sollen, wie uns das Wort zum Glauben bewegt. (c) Grund der Einsetzung der Sakramente: die menschliche Schwachheit
Nun ist es nötig, dass man zum ersten wisse, warum Christus die Sakramente eingesetzt hat, bevor man von den [einzelnen] Sakramenten handle. Christus hat sie nämlich um unserer Schwachheit willen eingesetzt. Denn das menschliche Herz ist nach Adams Fall viel zu schwach, als dass es alleine den bloßen Worten glauben könnte. Darum hat Christus, um unserer Schwachheit aufzuhelfen, dem Wort die Zeichen angeheftet, damit wir sowohl durch das Zeichen als auch durch das Wort den Zusagen 53 Zur Beurteilung von Zwingli und Oecolampadius vgl. Luther, Dass diese Worte (Das ist mein Leib etc) noch fest stehen wider die Schwarmgeister 1527, WA 23, 269,, 19–22; dazu Otto Ritschl, Dogmengeschichte des Protestantismus 3, 107. – Vgl. auch Interim 14/72. 54 Gemeint ist Menno Simons, vgl. unten bei 10. Cornelius Falconissa (5 c).
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erkende en, vnde vorthrwede om, Na dem valle kan de mynscke godt nicht erkennen nach begrypen em werde den dorch myddel gehulpen, vnd dat geschueth, dorch dat wordth gades des [309] hylligen euangelij vnde Sacramente de darynne vns von christo synth yngesetteth, wenthe who dath wordt kumpth thom elementhe, so werdt daruth eyn Sacramenth Nhu scholde me anteken wo vel Sacramenta wheren, Ouersth dath wyll ick yn myner person den hoegelarden vnde vorstendygern befhelen tho setten den tall Jck wyll by der sympeln eynvoldygen leer, des hylligen euangelij blyuen vnd my nicht bekummern edder anfechten lathen effte orer Souen edder achte Syn Wen wy alle de wercke, welckere ene gothlike thosage hebben edder den gothliken thosagen angehechteth syn, Sacramenta heten vnde nomen wolle, So kan men woll vell Sacramenta vortellen, alse dath gebeth ys eyn sacramenth, wenthe ydt ys eyn Christhlick vnd gothlick werck vnde hefft gancz trossthlyke tho sage wente christus secht an velen orden vnde sunderliken Jonis 16: allenth wath ghy werden den vader bydden yn myne¯ namen dath werdt he yw geuen, Also synth ock bedroffnisse, dat kruicze, de almissen ock sacramenta, wente dysse werck hebben angehefftede herlike tho sagen gades wente christus secht luce: 6: geueth so werdt yw [310] gegeuen, Item dorch vell droffniße mothe wy ynth ryke der hemmel ghaen matt: 5: acto: 14: Jn der gestalth synth de standth der ouericheyth, ock de de echtestadt Sacramenta wente ydt synth vthwendyge stende de goth myth Synem worde vnde thosagen gesmucketh vnde geczyreth hefft, wen wy ouersth de Ceremonien yn dem euangelio yngesetteth, vnde de vthwendygen teken, de dar gegeuen vnde angehechtheth synth, an dene gothliken thosage van der vorgeuinge der sunde, Sacramenta nomen edder heten, So wollen wy vell sacramenta tho hopen bringen Ouersth de hoegelerde dure man, vnd andere mher pi[23]lippus melancthon, Secht also Jn synem catechismo dath dar dry sacramenta Syn, alse Nomliken dath Sacrament der dope, dath Sacramenth des altars vnde de absolucio 4 10 15 17 27 30
de A, fehlt B blyuen B, fehlt A vnd gothlick A, fehlt B myne¯ A B thosage B, fehlt A pilippus melancthon A Philippus Melanthon B 55
Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3 zu Joh 15, 3, PL 35, 1840. In der Themenliste unten bei 08. Abel Sybrandi (1) ist den sieben Sakramenten das sacrificium missae angefügt. 56
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Gottes glauben könnten. Denn so sagt Augustinus: Vor der Sünde sah der Mensch Gott, erkannte ihn und vertraute ihm. Nach dem Fall kann der Mensch Gott weder erkennen noch begreifen, es sei denn, dass ihm durch Mittel geholfen werde, und das geschieht durch das Wort Gottes des heiligen Evangeliums und die Sakramente, die uns darin von Christus eingesetzt sind. Denn55 »wie das Wort kommt zum Element, so wird daraus ein Sakrament.« (d) Anzahl der Sakramente
Nun sollte man darlegen, wie viele Sakramente es gibt. Aber das will ich für meine Person den Hochgelehrten und Verständigeren überlassen, die Zahl festzusetzen. Ich will bei der schlichten und einfachen Lehre des heiligen Evangeliums bleiben und mich nicht davon bekümmern oder beunruhigen lassen, ob es ihrer sieben oder acht56 seien. Wenn57 wir alle die Werke, welche eine göttliche Zusage haben oder denen göttliche Zusagen angeheftet sind, Sakramente heißen und nennen wollen, so kann man wohl viele Sakramente aufzählen. So ist das Gebet ein Sakrament. Denn es ist ein christliches und göttliches Werk und hat eine überaus tröstliche Zusage, denn Christus sagt an vielen Stellen und vor allem Joh 16, 23: „Alles, was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, das wird er euch geben.“ So sind auch Betrübnisse, das Kreuz, die Almosen gleichfalls Sakramente, denn diesen Werken sind herrliche Zusagen Gottes angeheftet, denn Christus sagt Luk 6, 38: „Gebet, so wird euch gegeben!“ Ebenso Mt 5, 10; Apg 14, 22: Durch viel Trübsal müssen wir ins Himmelreich gehen. In dieser Weise sind der Stand der Obrigkeit und auch der Ehestand Sakramente. Denn es sind äußerliche Stände, die Gott mit seinem Wort und seinen Zusagen geschmückt und ausgezeichnet hat. Wenn wir aber die im Evangelium eingesetzten Zeremonien und die äußerlichen Zeichen, die da gegeben und an die göttlichen Zusage von der Vergebung der Sünde angeheftet sind, Sakramente nennen oder heißen, so wollen wir viele Sakramente zusammenbringen. Aber der hochgelehrte, teure und in vielen anderen Dingen ausgezeichnete Mann, Philippus Melanchthon sagt in seinem Katechismus58, dass es drei Sakramente gebe, nämlich das Sakrament der Taufe, das Sakrament des Altars und die Absolution. 57
Die beiden folgenden Absätze nach Melanchthon, Loci verdeudscht 170 r – 171 v; Melanchthon, Loci1535, CR 21, 470. 58 Melanchthon, Catechesis puerilis 1543, Supplementa Melanchthoniana 5/1, 311; vgl. CR 23, 183; Melanchthon, Loci verdeudscht 171 v, wo als furnemste Sacrament genannt werden: Tauff / Abendmal des Herrn / Absolutio; Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 505 f.
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Van der dope De dope ys eyn vthwendich teken edder ceremonia von christo yngesetteth, Nomlyken dat wy gewasschen vnde gerenigeth werden, dorch dath water vnde den hylligen geysth, vnd von gade tho genaden angenamen, dyth vthwendyge teken vnde Sygill ys ene gothlike tho sage [311] Jm Nyen testamente bewysen vns dysse worde christi dar he secht Mar: 16: wol dar gloueth vnde gedofft werd de werdt salich werden, darvmb wen wy gedofft werden, So werdt gelick dysse tho sage an vnse lyff geschreuen vnde gemaleth Na dem male Solcke vthwendyge teken, ock dar beneuen ore geysthlike bedudinge hebben So beduth de hyllige dope, bothe vnde vorgeuinge der sunden dorch christum edde wu Santh paulus secht tito: 3: dorch dath badt der weddergeburth vnd vor Nyeinge des hylligen geystes, den he richklyken uthgeghaten hefft auer vns dorch Iesum christum vnsen heylandt, Christus ock Joannis: 3: de nye geborth dorch dath water vnde den hylligen geysth etc den dath wy yn dath water geducketh, edder myth water begaten werden tekenth an, dat de olde adam vnde sunde yn vns gedodeth moth werden welcker geschuth in den engsten, wen dat gewethen edder Consciencie erschricketh de sunde, gades vrtheyll vnde thorn erkenth vnd voleth Dath wy auersth wedder uth dem water getagen Syn bedudeth, dath wy nhu gewasschen vnd vornyeth, dorch dath water vnde denn hylligen geysth, vnde syn yn [312] eyn Nye leuen vnder dath hyllige euangelion, welcker vns lerth eyn Christhlick leuen vhoren, Jn welkerem, wy vorwachten yn der hopinge ym glouen, eyn Nye euige gerechtigheyth vnde euiges leuen, welcker vns christus vorworffen hefft edder de vader vns schencketh luther vmb sus vth genaden, darvmb dath wy an synen leuen sone glouen vnde syne Jnsettinge vnde beffell nicht vor acht hebben etc [24] Den rechten gebruck der dope, de teken an, Zwe dinck, alse nomliken thom ersten dath vthwendyge teken, vnd thom anderen, de tho sage, wol dar gloueth vnde gedofft werdt, de wert Salich werden Jtem de wordt welcker men gebruketh yn der dope Ick dope dy ym namen des vaders des Sons, vnde des hylligen geystes, dat ys dorch dyth vthwendyge teken make Ick enen bundt myth dy, vnde tuge dat du goth vorsanth bysth, vnde van gade angenamen bysth, welcker ys godt de vader, de son, vnd de hyllige geyst, de vader auersth nympth dy an umb des Sons wyllen, 9 10 29 32 35
vnde gemaleth A, fehlt B beneuen A, B folgt ock teken Kj keken A teken vns B ym A yn den B angenamen B angemamen A
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(7) Taufe (Interim 15) (a) Taufe als Zeichen der Annahme durch Gott
Von59 der Taufe. – Die Taufe ist ein von Christus eingesetztes äußerliches Zeichen oder Zeremonie, nämlich dass wir durch das Wasser und den heiligen Geist gewaschen und gereinigt und von Gott in Gnaden angenommen werden. Dieses äußerliche Zeichen und Siegel ist eine göttliche Zusage. Dies beweisen uns im Neuen Testament diese Worte Christi, da er sagt Mk 16, 16: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ Darum wird diese Zusage, wenn wir getauft werden, gleichsam auf unseren Leib geschrieben und gemalt. Nachdem solche äußerlichen Zeichen auch ihre geistliche Bedeutung neben sich haben, so bedeutet die heilige Taufe Buße und Vergebung der Sünden durch Christus, oder wie Sankt Paulus sagt Tit 3, 5 f.: „Durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland.“ Auch sagt Christus Joh 3, 5: „Die neue Geburt durch das Wasser und den heiligen Geist usw.“ Aber dass wir in das Wasser getaucht oder mit Wasser übergossen werden, zeigt an, dass der alte Adam und die Sünde in uns getötet werden muß. Dies geschieht in den Ängsten, wenn das Gewissen oder die Konszienz erschrickt, die Sünde und Gottes Urteil und Zorn erkennt und fühlt. Dass wir aber wieder aus dem Wasser gezogen sind, bedeutet, dass wir nun durch das Wasser und den heiligen Geist gewaschen und erneuert und in einem neuen Leben unter dem heiligen Evangelium sind, welches uns ein christliches Leben führen lehrt. In diesem erwarten wir in der Hoffnung im Glauben eine neue, ewige Gerechtigkeit und ein ewiges Leben, welche uns Christus erworben hat oder der Vater uns schenkt ganz umsonst aus Gnade, weil wir an seinen lieben Sohn glauben und seine Einsetzung und sein Gebot nicht verachtet haben. Den rechten Vollzug der Taufe zeigen zwei Dinge an: zum ersten nämlich das äußerliche Zeichen, und zum andern die Verheißung [Mk 16, 16]: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“ sowie die Worte, die man in der Taufe anwendet [Mt 28, 19]: Ich taufe dich „im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“, d. h. durch dieses äußere Zeichen mache ich einen Bund mit dir und bezeuge, dass du mit Gott versöhnt und von Gott angenommen bist. Dieser ist Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Der Vater aber nimmt dich um des Sohnes willen an und sagt dir den heiligen Geist zu, durch den er dich erneuern, lebendig machen, trösten und heiligen will. Also liegen in den Worten 59 Der folgende Abschnitt (a) in Anlehnung an Melanchthon, Loci verdeudscht 173 r.v; Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 471.
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vnde Secht dy tho den hylligen geysth, dar dorch he dy vor nyen, leuendich maken trosten, vnn hylligen wyll. [313] Also Syndt yn den worden hoe herlike hyllige, trosthlike, gades tho sagen, vnde de summa des ganczen euangelij So ys Nhu dath de rechte gebruck der hylligen dope, vnse gancz leuen lanck dath wy, dar dorch sollen gewyss syn dath goth vns vorsoneth ys vnde sick vor Sonen wyll lathen, vnde Sunde vorgeuen dorch christum, vnde dath he de dope tho enem teken vnd Siegel, dysses bundes dar gestelth hefft, den wen wy gelick her nach, dorch de Swackheyth, des fleschs ouer yleth werden vnde yn sunde vallen So blifft doch de gothlyke bunth Feste vnde vnbewechlick stan, allen mynscken de sick weddervmb dar tho myth rechten glouen, wenden, da trosth soken vnde Sick weddervmb bettern So werden wy de frucht vnde krafft der dope ywmer mher vnde better vorstan, So wy de worde, der trosthliken, gothliken, tho sagen, vlythich bethrachten, vnsen glouen, dar an ouen vnd vns dar mede yn allerley anfechtthynge in dodes noden, wedder den duuel vnde sunde stercken, vnde gelick alse de besnydinge ym olden testamenth ein euich teken gewesen, dath ener sick [314] nicht mher hefft sollen lathen besniden eyn mall, Mochte we seggen Js de besnydunge eyn euich bunth teken gewesen worvmme ys se denne upgehauen, vnde de dope Jn de stede yn gesettheth dorch christum. Also do goth [25] wolde Sick ym olden testamenthe vthvorwelen eyn sonderlick volck, da gaff he en eyn bunth teken alse de besnydinge de Scholde waren beth up christum Do auersth christus quam, do hefft he de dope yn de stede der besnidinge yn Syner hylligen christhliken samlinge geordenth vnd ys men allene dat teken alse de besnidinge upgehauen vnn nicht de bundt edder tho sage Darvmb do sick yn der besnydynge vnder dem gesette hebben geholden an den bundt vnde an de tho sage, de Syn euen also woll christen, alse wy, de wy de dope ym nyen testamenthe enthpffangen up de tho sage Darvmb wol eyn mall besneden was, Sick nicht mher besnyden leth Also woll eyn mall gedofft, Soll nicht wedervmb gedofft werden [315] Vnd Solckes uth dyssem grundth de gewyslick recht vnde bestendig ys Alse dath ander geboth lereth, dath men gades Name nicht myssebruken sall ock weddervmb den rechten gebruck des namens nicht lestern sall Nhu vorwerpen de wedder doper De erste dope vnde spreken, Jdth Sy de name gades vorgeues vnnutthlick vnde felslick vnd vnrecht, auer de klenen kynder angeropen, dat ys ya den namen gades lesttern vnde schenden vnd vneren na dem male ydt doch Christi befell ys Darvmb de 3 fehlt B 14 ywmer mher B jo mer
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hohe, herrliche, heilige, tröstliche Zusagen Gottes und die Zusammenfassung des ganzen Evangeliums. So ist nun das die rechte Anwendung der heiligen Taufe während unseres ganzen Lebens, dass wir durch sie gewiss seien, dass Gott mit uns versöhnt ist und sich versöhnen lassen und uns durch Christus die Sünde vergeben will, und dass er die Taufe zu einem Zeichen und Siegel dieses Bundes hingestellt hat. Denn wenngleich wir hernach durch die Schwachheit des Fleisches übereilt werden und in Sünde fallen, so bleibt doch der göttliche Bund fest und unbeweglich bestehen für alle Menschen, die sich wieder mit rechtem Glauben zu ihm hinwenden, dort Trost suchen und sich wieder bessern. So werden wir die Frucht und Kraft der Taufe immer mehr und besser verstehen, wenn wir die Worte der tröstlichen göttlichen Zusagen fleißig betrachten, unsern Glauben daran üben und uns damit in aller Anfechtung, in Todesnöten, gegen den Teufel und die Sünde stärken. (b) Die Einmaligkeit von Beschneidung und Taufe
Und gleich wie nun die Beschneidung im Alten Testament ein ewiges Zeichen gewesen ist, so dass einer sich nicht öfter als einmal beschneiden lassen sollte, so können wir doch fragen: Wenn die Beschneidung ein ewiges Bundeszeichen gewesen ist, warum wurde sie dann aufgehoben und an ihrer Stelle durch Christus die Taufe eingesetzt? Als Gott sich im Alten Testament ein besonderes Volk auserwählen wollte, da gab er ihnen als Bundeszeichen die Beschneidung, die bis auf Christus währen sollte. Als aber Christus kam, da hat er in seiner heiligen christlichen Versammlung anstelle der Beschneidung die Taufe angeordnet. Doch es ist nur das Zeichen, nämlich die Beschneidung, aufgehoben, nicht aber der Bund oder die Verheißung. Darum sind diejenigen, die in der Beschneidung unter dem Gesetz sich an den Bund und die Verheißung gehalten haben, eben sowohl Christen wie wir, die wir im Neuen Testament auf die Verheißung hin die Taufe empfangen. Wer also einmal beschnitten war und sich nicht mehr beschneiden ließ, ebenso soll, wer einmal getauft ist, nicht wiederum getauft werden, und das aus eben diesem Grund, der gewiss recht ist und Bestand hat. (c) Gegen die Wiedertäufer
Wie nun das zweite Gebot lehrt, dass man Gottes Namen nicht missbrauchen soll, so soll man wiederum den rechten Gebrauch des Namens nicht lästern. Nun verwerfen die Wiedertäufer60 die erste Taufe und sa60
Vgl. Menno Simons, Fundament 20: daerom sullen alle Kinderdoopers weten / hoe dat haren Kinder-doop niet alleen niet en reynight noch en heylight / maer datse geheel ende al afgodisch / sonder belofte / verderffelick ende tegen des Heeren woordt is (Darum sollen alle Kindertäufer wissen, dass ihre Kindertaufe weder reinigt noch heiligt, sondern dass sie ganz und gar abgöttisch, ohne Glauben, verderblich und gegen des Herren Wort ist).
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wedder doper enen erschrecklyken bosen erdhom vnde lasthringe gothlykens namens vhoren, dar vns goth genadiglick vor behoden wolde daruan mher woll wher tho schryuen von der dope Joannis baptistae vnde der apostell, vnd anderen argumenten der wedder doper de ick Ithondes vmb der korthe wyllen moth vnderwegen lathen beth up eyn ander mall Von dem auenthmal des heren Dath auenthmall vnses herren christi ys [316] Eyn Sacramenth von christo suluest yngesettet, Jn welckerem he vns vnder dem brode vnd wyne, Synen warhafftigen lyff vnde bloth tho ethende vnde drinckende [26] gyfft, up dath, So wy denn worden syner godtlyken thosage, vor yw gegeuen vnn vorgathen, glouen, So erlange wy vor geuinge der sunde Dewyle Nhu christus de einige euige Sone gades, Sick gegen synen hemmellischen vader bewylligeth vnn vnderfhangen hefft, vns armen vorlarnen sunders, tho erlosen vnde tho erkopen, van dem euigen dode, dar warth Christus vnse here dem vader gehorsam philipp: 2, capitel quam tho vns her aff yn dyssen yamerdall, wart mynscke gebharen van ener renen Junckfrowen Esa: 7: matt: 1: luc[e] 1. vnde gaff sick suluesth vor vns wyllichlick yn den doedt, vorpendede syn lyff vnde leuenth vmme vnsenth wyllen, vp dath he auersth Solcke auerswencklyke leue de he tho vns hefft genochsam erthogen vnde bewysen mochte ginck he wyl[317]lick, dar hen, yn den dodt starff vor vns am Krucze, vnde vorgoth vor vns syn vnschuldich bloth Ehe den he auersth Solck lyden vnde steruenth vor vns erlede richtede he yn synem auenthmal thouorn, tho syner lesten hennefarth eyn testamenth up darynne he vns beschedede, vorgeuing aller sunde, dath wy, dorch syn lydenth vnde steruenth schollen syn kynder vnd eruen gades, vnde de euige salichheyth gerechtigheyth dorch den glouen an christum er eruen Vp dat nhu Sodane testamente krefftig worde vnd, wy vns solckes erues gewysslick an nemen mochten vnd vns alse vnse gueth tho egen Do schenckede vns Christus ym auenthmale Synen waren lichnam vnde Syn ware bloth, gaff vns den suluygen tho enem sekeren pande, vnde bestedygede Sodane testamente, myth Synem vnschuldygem dode, Darvmb ys dyth Sacramenthe welcker Christus suluesth gestiffteth, vnd myth vns upgerichteth hefft, vnde also dar auer gestoruen, tho ener sekern bestedinge [318] dath vns sodan dhure hoge schat tho geegenth vnde geschencketh worde vnde dar dorch de euigen hemmelischen guder erlan1 lasthringe B folgt des 61 Zum Abendmahl als Testament s. Luther, Ein Sermon von dem neuen Testament, das ist von der heyligen Messe 1520 WA 6, 353 ff.; zum Begriff Pfand vgl. Melanchthon, Loci verdeudscht 180 v; Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 477.
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gen, es werde der Name Gottes vergebens, unnützlich, fälschlich und zu Unrecht über die kleinen Kinder angerufen. Aber dies heißt ja den Namen Gottes lästern und schänden und verunehren. Nachdem es doch Christi Befehl ist, sind die Wiedertäufer deshalb in einem schrecklichen, bösen Irrtum und in einer Lästerung des göttlichen Namens befangen, wovor uns Gott gnädig behüten wolle. Davon wäre wohl mehr zu schreiben: von der Taufe Johannes des Täufers und der Apostel und von anderen Argumenten der Wiedertäufer, die ich jetzt um der Kürze willen bis auf eine andere Gelegenheit beiseite lassen muss. (8) Abendmahl (Interim 18) (a) Das Abendmahl als Vergebung der Sünden
Von dem Abendmahl des Herrn. – Das Abendmahl unseres Herrn Christi ist ein Sakrament, das Christus selbst eingesetzt hat, in welchem er uns unter dem Brot und Wein seinen wahren Leib und sein wahres Blut zu essen und zu trinken gibt, damit wir, wenn wir den Worten seiner göttlichen Zusage glauben [1Kor 11, 24; Mt 26, 28]: „für euch gegeben und vergossen“, Vergebung der Sünde erlangen. Da nun Christus, der eine, ewige Sohn Gottes, gegenüber seinem himmlischen Vater eingewilligt und es auf sich genommen hat, uns arme verlorene Sünder zu erlösen und von dem ewigen Tode zu erkaufen, da wurde Christus, unser Herr Phil 2, 8 dem Vater gehorsam, kam zu uns herab in dieses Jammertal, wurde als Mensch geboren Jes 7, 14; Mt 1, 23; Luk 1, 27 von einer reinen Jungfrau, gab sich willig selbst für uns in den Tod, und verpfändete Leib und Leben um unseretwillen. Damit er aber eine so überschwengliche Liebe, die er zu uns trug, genug erzeigen und beweisen könnte, ging er willig dahin in den Tod, starb für uns am Kreuz und vergoss für uns sein unschuldiges Blut. (b) Christi wahrer Leib und wahres Blut als Pfand
Ehe er aber ein solches Leiden und Sterben für uns erlitte, stellte er zuvor in seinem Abendmahl zu seinem letzten Hingang ein Testament61 auf, darin er uns Vergebung aller Sünden verfügte, dass wir durch sein Leiden und Sterben Kinder und Erben Gottes sein und die ewige Seligkeit und Gerechtigkeit durch den Glauben an Christum ererben sollten. Damit nun dieses Testament in Kraft träte und wir uns dieses Erbes gewisslich annehmen und uns als unser Gut aneignen könnten, da schenkte uns Christus im Abendmahl seinen wahren Leib und sein wahres Blut, gab uns dieselben als ein sicheres Pfand und bestätigte dieses Testament mit seinem unschuldigen Tod. Darum dient dieses Sakrament, welches Christus selbst gestiftet und für uns eingerichtet hat und so darüber gestorben ist, zu einer sicheren Bestätigung, dass uns dieser teure, kostbare Schatz zugeeignet und geschenkt
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geden, dat erue enthpffangen vnde de herliken posseßion Jn nemen, de vns christus bescheden vnd yn synem testamente vth gedelet hefft, vth krafft Synes lydens vnn steruens. So ys nhu ersthlick by dessem Sacramente flithych war thonemen, wath vns Christus de here hyr schencketh, vnn gyfft Nomliken Synen wharen lichnam vnde syn ware bloth, wenthe wy schollen vngethwyffelth [27] glouen, dath vnses herren Christi lyff, vnde bloth, warhafftichlick Jm nachtmall Christi Iegenwerdich sy vnde werth vns myth dem Sichtbaren dyngen, alse brode vnde wyne, dath vn Sichtbare lyff vnde bloth vnses heren christi dar gereketh, vnd enthpffangen, Na lude Syner worde, alse he secht matt 26 mar. 14, luce, 22, 1 Corin. 11: Dath ys Myn lyff, dath ys Myn Bloth, Darvmb schollen wy vns nicht bekummernn edder vnderstan myth vnser egenen wysheit [319] vnd vorstande, Solcke grothe heymlicheyden gades, wo dath tho ghan moge erforschen dath dar de warhafftige lichnam vnd bloth christi dar syn schal, Jdth ys dem mynscken tho hoe, ydt ys eyn werck gades, wy konnen dath nicht afflangen, Jdth moth gegloueth syn, wente ydt ys vnsichtig, Wyll nhu de mynsche Ichtes wath daruan hebben, So moth me glouen dem heren christo de warhafftig ys, de enyge warheyt suluen, Jonis 14, wenthe so de mynscke dath nicht glouen kan edder wyll, vhell wenyger werdt de mynsche glouen konnen, dath Christus von ener renen Junckfrowen gebharen Sy, de sulue mynsche kan ock nicht glouen, dath en christus vorloseth hefft von dode, duuel, helle, Sunde, von dem thorne gades, darvmb he vns synen lichnam vnde Syn bloth, Solcker Syner vordenste tho enem waren teken vnd panthschyllinck Synes lydens darby tho denckende, beth dath he wedderkamen werdt, Eyn solck mynsche Kan ock nycht glouen yn den ersten artikel des glouens, dath godt alweldich sy, Sunder logen straffeth yn allen saken goth wen he ock rede secht, he gloue an goth den vader vnd son vnde hylligen geysth vnd an dath euangelio, So ys syn, doch valss wen [320] he nicht glouen kan edder wyll, dat goth dath vormoge, dath sy, war liff vnn bloth christj Jm auenthmale etc Von der absolucio De absolucio ys nicht ene stemme des gesettes Sunder ydt ys ene stemme des euangelij edder Jdt ys ene gewysse vorsekeringe, dat dy dyne Sunde vorgeuen synth, vnde dat dy godt vmme Christus wyllen, wyll gnedig vnde barmherthig syn, wente also Secht Christus [28] Matth 18 wath ghy 10 15 17 18 31
alse he secht A, fehlt B dem A den B gegloueth A gelouet B me A he B auenthmale A, B folgt sy
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worden sei und wir dadurch die ewigen, himmlischen Güter erlangten, das Erbe empfangen und den herrlichen Besitz einnehmen, den uns Christus durch die Kraft seines Leidens und Sterbens verfügt und in seinem Testament ausgeteilt hat. So ist nun bei diesem Sakrament zuerst einmal sorgfältig wahrzunehmen, was uns Christus, der Herr, hier schenkt und gibt, nämlich seinen wahren Leib und sein wahres Blut. Denn wir sollen glauben, ohne daran zu zweifeln, dass Leib und Blut unseres Herren Christi wahrhaft im Nachtmahl Christi gegenwärtig seien und dass uns mit den sichtbaren Dingen, nämlich Brot und Wein, das Unsichtbare, nämlich Leib und Blut unseres Herren Christi, dargereicht und von uns so empfangen werden, wie seine Worte lauten, wie er denn sagt Mt 26, 26–28; Mk 14, 22–24; Lk 22, 19 f.; 1Kor 11, 23–25: „Das ist mein Leib, das ist mein Blut.“ Darum sollen wir uns keinen Kummer machen oder uns herausnehmen, mit unserer eigenen Weisheit und Verstand solche großen Geheimnisse Gottes zu erforschen, wie das zugehen könne, dass der wahre Leib Christi und das Blut Christi darin sein soll. Es ist für den Menschen zu hoch, es ist ein Werk Gottes, wir können dies nicht begreifen, es muss geglaubt werden, denn es ist unsichtbar. Will nun der Mensch etwas davon haben, so muss man dem Herrn Christus glauben, der wahrhaftig, ja die eine Wahrheit selbst ist Joh 14, 6. Denn wenn der Mensch das nicht glauben kann oder will, um wie viel weniger wird der Mensch glauben können, dass Christus von einer reinen Jungfrau geboren sei. Dieser Mensch kann auch nicht glauben, dass Christus ihn erlöst hat von Tod, Teufel, Hölle, Sünde und von dem Zorn Gottes, wofür er uns seinen Leib und sein Blut als ein gültiges Zeichen und einen Pfandschilling dieser seiner Verdienste [gab], um dieses seines Leidens dabei zu gedenken, bis dass er wiederkommen wird. Ein solcher Mensch kann auch nicht glauben an den ersten Artikel des Glaubensbekenntnisses, dass Gott allmächtig sei, sondern zeiht Gott in allen Dingen der Lüge. Wenn er auch geradezu sagt, er glaube an Gott, den Vater und den Sohn und den heiligen Geist und an das Evangelium, so ist sein [Glaube] doch falsch, wenn er nicht glauben kann oder will, dass Gott das vermöge, dass im Abendmahl wahrer Leib und Blut Christi sei. (9) Absolution (Interim 17) (a) Absolution als Stimme des Evangeliums
Von der Absolution. – Die Absolution ist nicht eine Stimme des Gesetzes, sondern sie ist eine Stimme des Evangeliums; oder sie ist eine gewisse Versicherung, dass dir deine Sünden vergeben sind und dass Gott dir um Christi willen gnädig und barmherzig sein will. Denn so sagt Christus Mt 18, 18: „Was ihr auf Erden lösen werdet, das soll auch im Himmel los sein,
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up erden uplosen werden dath schall ock ym hemmel upgeloset syn vnde allenth wath ghy up erden binden werden, dath schall ock ym hemmel gebunden Syn, vnd yn Joannis am 20 welckeren ghy de sunde vorgeuen, den synth se vorgeuen, vnde welckeren ghy se beholden, den Synth se beholden Darvmb hefft ock Christus de absolucio yn dat vader vnse gelecht vnde enen schonen throsth gestelleth, welcken eyn yder by sick Suluesth, dorch den glouen bekamen kan vnde ene gude versekeringe dar an gehangen, dath wen wy godth vmme vorgeuinge der sunde bydden, dath wy se gewyslick erlangen sollen, wen wy anders vnsem nechsten, de wedder vns gehandelth hefft, ock vorgeuen matt am 6 vnn am 18 Eccle: 28 [321] wente dat sall dat teken syn der absolucio dath wen wy yn vnsem herten befhynden dath wy nenen grul tho vnsem nechsten hebben, vnd em van herten alles vorgeuen hebben, So schollen wy darby gewyss syn dath vns goth schon ym hemmel vnse sunde vorgeuen hefft, dath also de Christhlike absolucio allenthaluen tho soken vnde tho erlangen ys, yn allen vnsen noden, up dath also de hemmel yderman apen sta, vnde de genade gades eyn yder erlangen moge, wo he kump, he sy, rick, arm, kranck etc wenthe godth ys myth synem worde allenthaluen, vnde sluth vns darmede den hemmel up, vnde nympth, de sunde van vns vnd maketh vns tho kyndern gades Tho Solckem auersth bruketh he mannigcherley myddel, wente he wyll nicht dath Jemandt vorlaren werde, Sunder dat eyn yderman tho erkenthnisse der warheyth kame, genese vnde Salich werde, dorch christum Synen leuen sone, welcken he tho enem genaden stole vorgestelth hefft, tho deme eyn Jderman tho flucht hebben sall, genade erlangen, vnde dorch en, enen frolyken sekeren tho ganck hebben tho dem vader, darvmb synth vns ock yn der hylligen schrifft, yn dem hylligen genaden ryken euangelio vel trosthliker sprocke angetekenth vnd angebaden [322] vnde vorgeholden, wol nhu solcke throsthlyke sprocke ergrypeth ym glouen, vnn den gothlyken tho sagen, vnde gades worde gloueth, de ys schon fry, quidt, leddich vnde loss van allen sunden, alse volgen [29] Jonis 3 also hefft goth de werlth geleueth dath he synen Sone gaff, up dath alle de an en louen nicht vorlaren werden, Sonder dat euige leuenth hebben 1 Timo. 1: dath ys yo gewysslick whar vnn eyn durbar werdich wordt dath Christus Iesus gekamen ys yn de werlth de Sunder salich tho maken 1 Timo: 2: ydt ys eyn goth vnde meddeler thwysken goth vnde 3 9 18 26
vnd yn A Item B der sunde fehlt B eyn yder A jderman B eyn A, fehlt B
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und alles, was ihr auf Erden binden werdet, das soll auch im Himmel gebunden sein“, und Joh 20, 23: „Welchen ihr die Sünden vergebet, denen sind sie vergeben, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ (b) Absolution im Vaterunser
Darum hat auch Christus Mt 6, 12 die Absolution in das Vaterunser gelegt und einen schönen Trost aufgestellt, welchen ein jeder bei sich selbst durch den Glauben bekommen kann, und ein gutes Versprechen daran gehängt, dass, wenn wir Gott um Vergebung der Sünde bitten, wir sie gewiss erlangen sollen, wenn wir andererseits Mt 18, 35; Sir 28, 2 unserem Nächsten, der gegen uns gehandelt hat, auch vergeben. (c) Zeichen der erlangten Absolution
Denn62 das soll das Zeichen der Absolution sein: Wenn wir in unserem Herzen feststellen, dass wir keinen Groll mehr gegen unseren Nächsten haben und ihm von Herzen alles vergeben haben, so sollen wir dabei gewiss sein, dass uns Gott im Himmel unsere Sünde schon vergeben hat, dass also die christliche Absolution in allen unseren Nöten überall gesucht und erlangt werden kann, damit der Himmel für jedermann offen stehe und jeder die Gnade Gottes empfangen könne, wie er auch kommt, er sei reich, arm oder krank. Denn Gott ist mit seinem Wort allenthalben und schließt uns damit den Himmel auf und nimmt die Sünde von uns und macht uns zu Kindern Gottes. (d) Schriftzeugnisse zur Absolution
Zu diesem aber benutzt er mannnigfache Mittel, denn er will nicht dass jemand verloren werde, sondern [1Tim 2, 4] dass „jedermann zur Erkenntnis der Wahrheit komme“, genese und selig werde durch Christus, seinen lieben Sohn, welchen er [Röm 3, 25] „zu einem Gnadenstuhl vorgestellt“ hat, zu dem ein jedermann Zuflucht haben, Gnade erlangen und durch ihn einen fröhlichen, sicheren Zugang zu dem Vater haben soll. Darum sind uns auch in der heiligen Schrift, in dem heiligen, gnadenreichen Evangelium viele tröstliche Worte aufgeschrieben und angeboten und vor Augen gehalten. Wer nun solche tröstlichen Sprüche im Glauben ergreift und den göttlichen Verheißungen und Gottes Wort glaubt, der ist schon frei, quitt, ledig und los von allen Sünden. [Solche tröstlichen Sprüche sind,] wie sie hier folgen: Joh 3, 16 „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“; 1Tim 1, 15: „Das ist ja gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen“; 1Tim 2, 62 Zu dieser Wittenberger Form des syllogismus practicus vgl. Melanchthon, Loci verdeudscht 268 r; Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 541.
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den mynschen, Nomliken de mynscke Iesus christus, de sick suluesth gegeuen hefft, vor alle thor erlosinge 1 Iohannis 2 Efft yemandth sundygeth, So hebbe wy enen gethrwen vorspracke by dem vader, Iesum christum, de gerecht ys, vnde suluige ys de vorsonynge vor vnse sunde 2 Corin. 5. goth hefft den (dath ys christum) de van nener sunde wuste, vor vns thor sunde gemaketh, up dat wy worden yn em, de gerechtigheyt de vor gade gelth Collo. 1: ephe: 1. goth hefft vns erreddeth van der ouericheyth der dusternisse, vnde hefft vns vorsetteth yn dat ryke synes [323] leuen sons, an welckem, wy hebben de vorlosinge, dorch Syn blothe Nomlyken vorgeuinge der sunde, na dem rykedome syner genade Acto. 10. vom christo tugen alle propheten, dath, dorch synen namen, alle de an en glouen vorgeuinge der sunde enthpffangen chollen roma: 4: Christus ys vmme vnser sunde wyllen darhen gegeuen vnde vmb vnser gerechtigheyth wyllen upgewecketh roma. 10. Christus ys des gesettes ende woll an, den gloueth de ys gerechth 1 Corin 1: Christus ys vns gemaketh van gade, thor wysheyth, thor gerechtigkeyth thor hylginge vnde tho ener erlosinge 1 Corin .15: Christus ys gestoruen vor vnse Sunde na der schrifft vnde ys begrauen vnde upgestan am drudden dage na der schrifft galla 3 Christus hefft vns vorloseth vann dem flock des gesettes, do he wardth eyn flock vor vns Tito 2 Christus Iesus hefft sick suluesth vor vns gegeuen, up dath he vns erlosede van aller vngerechtigheyth 1 Ionis. 1: Dath bloth Iesu christi gades Sons maketh vns reyn van aller sunde [324] 1 petri 2 Christus hefft vnse sunde Suluesth geopfferth an synem lyue up dem holthe, up dath wy der Sunde loss syn vnde der gerechtigheit leuen, dorch welckes wunden [30] ghy Synt heyll worden 1 Jonis: 4: goth hefft vns geleueth vnn Synen Sone gesandt thor vorsoninge vor vnse sunde 1 Tessa. 1: goth hefft Synen sone Jesum upgewecketh van den doden, de vns van dem tho kumpstygen thorn erloset hefft 1 Tessa: 5 goth hefft vns nicht gesettet tham thorne, Sunder de Salicheyth tho vorwerffen dorch vnsen heren Jesum christh de vor vns gestoruen ys Matt 18: Luce 19 des mynschen Sone ys gekamen tho soken vnde Salick tho maken dath vorlaren was Jonis. 1: Christus ys gades lam dat der werlt sunde drecht Jonis 3, wol an den sone gloueth de hefft dath euige leuenth Jonis, 6 warlick warlick Ick segge yw sprecketh christus, wol an my glouet de hefft dath euige leuenth [325] Jonis 5 warlick warlick Ick segge yw, wol myn wordth horeth, vnde gloueth deme, de my gesandth hefft de hefft dath euige leuenth vnde kumpth nicht yn dat gerichte, Sunder he ys vam dode thom leuende hen dorch gedrungen Jonis 11 Ick byn de upstandyge vnde dath leuenth, wol an my gloueth de wert leuen, effte he ock rede storue 4 vnde A, B folgt de 12 chollen A schollen B
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5 f.: „Es ist ein Gott und Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Jesus Christus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung“; 1Joh 2, 1 f.: „Ob jemand sündigt, so haben wir einen getreuen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, der gerecht ist, und derselbe ist die Versöhnung für unsere Sünde“; 2Kor 5, 21: „Gott hat den (d. h. Christus), der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt“; Kol 1, 13 f.; Eph 1, 7: „Gott hat uns errettet von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohns, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich Vergebung der Sünde nach dem Reichtum seiner Gnade“; Apg 10, 43: „Von Christus zeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünde empfangen sollen“; Röm 4, 25: Christus „ist um unserer Sünde willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt“; Röm 10, 4: „Christus ist des Gesetzes Ende; wer an den glaubt, der ist gerecht“; 1Kor 1, 30: „Christus ist uns gemacht von Gott zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zu einer Erlösung“; 1Kor 15, 3 f.: „Christus ist gestorben für unsere Sünde nach der Schrift und ist begraben und auferstanden am dritten Tage nach der Schrift“; Gal 3, 13: „Christus hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er ward ein Fluch für uns“; Tit 2, 14: „Christus Jesus hat sich selbst für uns gegeben, auf dass er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit“; 1Joh 1,7: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde“; 1Petr 2, 24: „Christus hat unsere Sünde selbst geopfert an seinem Leibe auf dem Holz, auf dass wir der Sünde los seien und der Gerechtigkeit leben, durch welches Wunden ihr seid heil geworden“; 1Joh 4, 10: „Gott hat uns geliebt und seinen Sohn gesandt zur Versöhnung für unsere Sünde“; 1Thess 1, 10: „Gott hat seinen Sohn Jesus auferweckt von den Toten, der uns vor dem zukünftigen Zorn erlöst hat“; 1Thess 5, 9 f.: „Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu erwerben durch unsern Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist“; Mt 18, 11; Luk 19, 10: „Des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, das verloren war“; Joh 1, 29: Christus „ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“; Joh 3, 36: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben“; Joh 6, 47: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch,“ spricht Christus, „wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben“; Joh 5, 24: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen“; Joh 11, 25 f.: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, obgleich er auch stürbe, und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr
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vnde wol dar leueth, vnde gloueth am my de werth Nymmer mher steruen Marci vltimo wol dar gloueth, vnde gedofft werdth, de werdth salich werden Matthei 26, dath ys myn bloth, dath vor yw, vorgathen werdt thor vorgeuinnge der sunden Solcke vnde der gelyken sprocke teken vns an genochsam, wo ricklick vns godt de here ym euengelio vmme christus wyllen syne genade anbuth, vorgeuinge der sunde schencketh vnde eyn euich leuenth tho secht, woll nu solcker trosthliker sproke enen edder mher myt glouigen herten vatet, vnde Sick konlick dar up vorleth, vnde sick gades wordes vnde tho sage trostet, de ys gewysslick eyn kyndth gades, vnde hefft nene sunde mehr up Sick. [326] Van der bothe Bothe ys nichs anders alse rowe vnn leydt, forchte vnde erschreckenth hebben vnde doch darbeneuen glouen an dat euangelion, vnde absolucion, dath de sunde gewysslick vmme christus wyllen vorgeuen synth, [31] Nicht, vmb vnser rouwe edder leydes wyllen, Sonder allene dorch de barmhertigheyth gades, allen mynscken, vmme christus wyllen tho gesecht darvmme heth bothen rhowe vnn leydt hebben, Sick bettern, vnde nu anders gesynneth syn, vnde van sonden afflathen vnde Sick bekeren Darvmb werdt de bothe yn thwe Sthuck gedeleth, Jn rhowe: vnd glouenn Thom ersten Jn rhowe vnde leth, wente herczlyke rhowe ys de Smerthe vnde dath erschreckenth yn dem herten wen de Consciencie, gades thorn, vnde ore sunde volen, vnd ys en leydt, dath se gesundygeth hebben, alse wy den vel vntellike exempel hebben Jn David manasses, Item petrus da he christum vorsakede, hath genade erlangeth Jtem hernach ys he wedder gefallen vnde von paulo gestraffet vnde wedder up gerichteth alse de epistel [327] tho den gallatern am 3: capitel antekenth Jtem Sankt paulus befelet den sunder 1 Corin 5 dem sathan vnde deyth en yn den bhan auersst do he bothe deyth vnde hefft rhowe vnde leyth vnde betterth Sick, da nympth he en wedder an 2: Corin: 2: etc darvmme Secht christus Mar. 1: doth bothe vnde gloueth dem euangelio Johelis. 2. tho rytheth ywe herten vnd nicht ywe kleder vnde bekerth yw thom heren ywen gade Esai. 1: renygeth yw, doeth ywe bose wesenth van mynen ogen Luce 13 So ghy yw nicht betthern, So werde ghy alle vmme kamen, darvmb kamen Solcke Smerthen vnde forchten vnd vor Schreckenth (yn der herten, de dar voseen Syn thom euygen leuen Auersth de gothlosen achten orer nicht) yn vns dorch gades wordt alse paulus Secht roma 1 gades thorn werdt vom hemmel apenbhareth auer alle gothlose wesenth 1 mher A, fehlt B 25 hath A dath he B 36 (Auersth A (ouerst B
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sterben“; Mk 16, 16: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“; Mt 26, 28: „Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden“. Solche und ähnliche Worte zeigen uns genügend, wie reich uns Gott der Herr im Evangelium um Christi willen seine Gnade anbietet, Vergebung der Sünde schenkt und ein ewiges Leben verheißt. Wer nun eines oder mehrere solcher tröstlichen Worte mit gläubigem Herzen fasst, sich mutig darauf verlässt und sich mit Gottes Wort und Verheißung tröstet, der ist gewiss ein Kind Gottes und hat keine Sünde mehr auf sich. (10) Buße (Interim 17) (a) Zwei Teile: Buße und Glaube
Von der Buße. – Buße ist »nichts63 anderes als Reue und Leid, Furcht und Schrecken haben, und doch dabei glauben an das Evangelium und die Absolution, dass die Sünden um Christi willen gewiss vergeben sind«, nicht um unserer Reue oder unseres Leides willen, sondern allein durch die Barmherzigkeit Gottes, die allen Menschen um Christi willen verheißen ist. Darum heißt büßen: Reue und Leid tragen, sich bessern und nun anders gesinnt sein und von Sünden ablassen und sich bekehren. Darum wird die Buße in zwei Teile geteilt: in Reue und Glauben. (b) Erster Teil: Reue
Zum64 ersten: In Reue und Leid. Denn herzliche Reue ist der Schmerz und das Erschrecken im Herzen, wenn die Gewissen Gottes Zorn und ihre Sünde fühlen, und Leid darüber tragen, dass sie gesündigt haben, wie wir denn unzählig viele Beispiele haben [2Sam 12, 13; Ps 51] bei David oder [2Chr 33, 12; OrMan] Manasse. Ebenso hat Petrus, als er Christus verleugnete, Gnade erlangt; auch ist er danach wieder gefallen, wurde von Paulus gerügt und ist dann wieder aufgerichtet worden, wie der Brief an die Galater 2, 11–14 zeigt. Weiter, Sankt Paulus übergibt 1Kor 5, 3–5 den Sünder dem Satan und tut ihn in den Bann; aber 2Kor 2, 6–11, da er Buße tut und Reue und Leid trägt und sich bessert, da nimmt er ihn wieder an. Darum sagt Christus Mk 1, 15: „Tut Buße und glaubt dem Evangelium“; Jo 2, 13: „Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider, und bekehrt euch zum Herrn, eurem Gotte“; Jes 1, 16 „Reiniget euch, tut euer böses Wesen von meinen Augen“; Luk 13, 3: „So ihr euch nicht bessert, so werdet ihr alle umkommen“. Darum kommen solche Schmerzen und solche Furcht und Schrecken (in die Herzen derer, die erwählt sind zum ewigen Leben, aber die Gottlosen achten ihrer nicht) in uns durch Gottes Wort, wie Paulus sagt Röm 1, 18: „Gottes Zorn wird vom 63 64
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Nach Confessio Augustana 12, BSLK 67, 1–5. Vgl. Melanchthon, Loci verdeudscht 197 v; Melanchthon, Loci 1535, CR 21,
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vnde vndogeth der mynschen, vnde Christus secht Jonis. 16. de hyllige geysth werdt de werlth straffen vmme der sunde wyllen [328] Dath ander stucke der bothe ys de gloue dat ys, dath vortrwenth, darmede eyn Jfflick mynscke glouen sal, dath em, de Sunde vorgeuen werden, luther vmme Christus wyllen, van dyssem stucke Synth ock vell thuchnisse, alse bhauen berorth vnde gemeldeth ys, do ick van der absolucion geschreuen, Wenthe who mhen dath euangelion prediget dar [32] moth de predinge, von der bothe vorher ghan, up dath de mynscken, an alle oren wercken vorczagen, vnde Sick vor arme sunder erkennen, also hefft gedan Ioannes de doper matt: 3: Christus matt: 4: doeth botthe etc des geliken de apostell, do se von christo worden vthgesandt marci am: 6.: capitel: Alse de hyllige petrus dede acto. 2 vnd ym 3. capitel: dar he den ioden ersth de bothe vorkundigth alse en christus beffalen hefft Luce am: 24: capitel, dath se yn Synem namen bothe vnde vorgeuinge der sunde predygen scholden, alse ock paulus dede tho athen actorum am, 17. capitel [329] Von der bycht De bichte vnde genochdoynge ys anfencklick her kamen, von ethliken ceremonien yn der kercken, der apenbaren bothe, Jm anfanck der kercken wurden de, So yn apenbharen lastern vnde sunden befunden wurden, yn den bhan gedan, vnde nicht, ehr, wedder angenamen Se hedden den thom ersten, gebichteth, dath ys by orem seel sorger, vnde herden bekenthnisse gedan, de absolucio demodich gebeden vnde darbeneuen tho gesacht sick tho bettern, alse den gescheen ys. 1 Corin: 5: 2 Corin, 2 alse vns ock lereth christus suluen matt 18 Erstlick wollen wy van der bicht reden, alle sunde nach sunde nach eynander tho ertellen vnde upseggen, ys nicht moglick ock nicht gebaden, ock myth nener hylligen schrifft bewyseth kan werden, alse wy sus lange Syn gemarterth vnde geplageth worden syn wu de 19. psalm Secht, here woll Kan mercken edder wethen, whu vaken, eyn mynscke gefeyleth hefft
29 syn A, fehlt B 65 Vgl. Melanchthon, Loci verdeudscht 198 v –199 r; Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 490 f. 66 Oben (9 d). 67 Zu den folgenden zwei Absätzen vgl. Melanchthon, Loci verdeudscht 202 v; Melanchthon Loci 1535, CR 21, 493.
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Himmel offenbart über alles gottlose Wesen und alle Untugend der Menschen“ und Christus sagt Joh 16, 8: Der heilige Geist „wird die Welt strafen um der Sünde willen“. (c) Zweiter Teil: Glaube
Der65 andere Teil der Buße ist der Glaube, d. h. das Vertrauen, damit ein jeder Mensch glauben soll, dass ihm allein um Christi willen die Sünden vergeben werden. Von diesem Teil gibt es auch viel Zeugnisse, wie sie oben66 berührt und genannt wurden, wo ich von der Absolution geschrieben habe. Denn wo man das Evangelium predigt, da muss die Predigt von der Buße vorangehen, damit die Menschen an allen ihren Werken verzagen und sich als arme Sünder erkennen, wie es Johannes der Täufer Mt 3, 2 gehalten hat, Christus Mt 4, 17: „Tut Buße“; desgleichen Mk 6, 12 die Apostel, als sie von Christus ausgesandt wurden; wie es Apg 2, 38; 3, 19 der heilige Petrus tat, da er den Juden erst die Buße verkündigt, wie ihm Christus befohlen hatte; dass sie Lk 24, 47 in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünde predigen sollten, wie es auch Paulus Apg 17, 30 tat zu Athen. (11) Beichte (Interim 17) (a) Beichte und Genugtuung in der Alten Kirche
Von der Beichte. – Die67 Beichte und die Genugtuung68 sind ursprünglich von einigen Zeremonien in der alten Kirche hergekommen: von der öffentlichen Buße. In den Anfängen der Kirche wurden diejenigen, bei denen es öffentlich bekannt wurde, dass sie in Lastern und Sünden lebten, in den Bann getan und nicht eher wieder aufgenommen, als sie vorher gebeichtet, d. h. bei ihrem Seelsorger und Hirten ein Bekenntnis abgelegt, demütig um Absolution gebeten und dabei zugesagt hatten, sich zu bessern, wie es denn 1Kor 5, 3–5; 2Kor 2, 6–11 geschehen ist, wie uns auch Mt 18, 22 Christus selbst lehrt. (b) Keine Aufzählung einzelner Sünden
Als erstes wollen wir von der Beichte reden. Jede Sünde einzeln nacheinander aufzuzählen69 und aufzusagen, wie wir früher lange geplagt und gemartert worden sind, ist weder möglich noch geboten und kann auch mit keiner Stelle der heiligen Schrift bewiesen werden, wie Psalm 19, 13 sagt: „Herr, wer kann merken oder wissen, wie oft ein Mensch gefehlt hat“. 68
Interim 17/82 vom sacrament der buesse behandelt nach absolution und beicht auch die genugthueung Interim 17/84, d. h. die in den vom Beichtvater auferlegten sog. früchten der bueß besteht (z. B. fassten, almuessen und gebet), die die zeitlich straff (Fegefeuer) wegnehmen oder mildern. Franckenberg erklärt dies auf Melanchthons Spuren aus der Kirchengeschichte. 69 Interim 17/82 hält an der ertzelung der sünden fest.
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Auersth vmb der absolucio yn der kercken tho erholden, ys noth, dath me tho guder vnderwysinge, vnde thucht de vnwethen, vngelerden yn sunderheyth tho vorhoren vnde tho [330] vnderwysen, So ys ock vngeburlick de vnbekanden, vnvorhorden, thom Sacramente tho, tho lathen. Nahe dem mal vel mher mynscken, von gewonheyt wegen, dar tho ghan, dan van des nuttes wyllen, So moth ya de pastor syne schape kennen, effte se glouen, edder rechte christen Syn, edder wath se nehmen, edder wat se von christo bericht syn, effte se beteringe tho seggen edder nicht, dath synt de seel sorger plichtich vnde schuldich tho erforschen, wenthe dath Sacrament hefft thwyerley egenschop, de louigen enthpffangen ydth ym glouen, up christi thosage edder up christus wordt, [33] thom euigen leuen Ouersth de vnlouigen, dath synt de ym vnlouen dar tho ghan enthpffangen dath gerichte, alse paulus secht 1. Corin. 11 Darvmb schall me de bichte nicht gancz vnn ghar vorwerpen edder vor achten, wente wen des mynscken herte, beladen vnde beswarth ys, myth sunden, So kann ydt nenen trosth fhynden, allene yn gades worde ynn dem hylligen euangelio, Jn dem, werden dem mynscken syne sunde vorgeuen, So he gloueth, alse den de sprocke des euangelij kreffthlick bewysen, wenthe dorch sunderlike krafft des euangelij werden dem mynscken syne [331] sunde vorgeuen, alse christus Secht Jonis 20 welckeren ghy de sunde erlathen dem synth se erlathen Matt 18 wo vaken, Secht petrus, moth ick myne¯ broder vorgeuen, de an my sundigeth Seuen mall, christus secht, nicht Seuen mal Sunder Seuen vnde Seuentich mhall seuen mall, dath ys, so vaken alse he byddeth vnde begerth, rowe vnde leydt hefft, vnde genade Soketh, alse wolde christus seggen Jck wyll yn myner hylligen christliken kercken, nene, mathe nach theel gestecketh hebben, van Seuen, edder acht malen Sonder So vaken alse de mynscke kumpth vnde begerth genade, vth grunth synes hertens de sall genade erlangen vnd finden Darvmb sall me de absolucio yn der bicht, welcker enen yffliken mynscken Sonderlick gespraken werdth, dhur vnde hoch achten, den ydt ys seer trosthlick vnde nutthlick, gothforchtygen herten, vnde de gewethen, So se vor nemen, dat, dar dorch eyn mynscke yn sonderheyt de tho sage vnde belofftnysse tho geegenth vnd applicirth werdt Dath sollen wy auersth wethen, dath dyth wordt, Confessio, dath ys bichten, edder bekennen, vacken yn den psalmen, vnde yn [332] der 22 myne¯ A mynen B 26 hylligen A, fehlt B 70 Zum folgenden Absatz vgl. Melanchthon, Loci verdeudscht 203 r; Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 494.
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(c) Beichtpflicht vor der Kommunion
Aber70 um die Absolution in der Kirche zu erhalten, ist es nötig, dass man die Unwissenden und Ungelehrten zu guter Unterweisung und Erziehung einzeln befragt und belehrt. So ist es auch verkehrt, die Unbekannten, die nicht befragt worden sind, zum Sakrament zuzulassen. Da viel mehr Menschen aus Gewohnheit statt um des Nutzens willen hinzutreten, so muss der Pastor seine Schafe kennen, ob sie glauben oder rechte Christen sind oder was sie [beim Abendmahl] „nehmen“ oder was sie von Christus wissen, ob sie Besserung zusagen oder nicht. Das zu erforschen sind die die Seelsorger verpflichtet und schuldig. Denn das Sakrament hat zwei Eigenschaften. Die Gläubigen empfangen es auf Christi Zusage oder auf Christi Wort hin im Glauben zum ewigen Leben. Aber die Ungläubigen, d. h. die ohne Glauben hinzutreten, empfangen, wie Paulus 1Kor 11, 29 sagt, das Gericht. (d) Zuspruch der Vergebung an jeden einzelnen
Darum soll man die Beichte nicht ganz und gar verwerfen oder verachten. Denn wenn des Menschen Herz mit Sünden beladen und beschwert ist, so kann es keinen Trost finden außer allein in Gottes Wort im heiligen Evangelium. In diesem werden dem Menschen seine Sünden vergeben, wenn er glaubt, wie denn die Worte des Evangeliums schlüssig beweisen. Denn durch die besondere Kraft des Evangeliums werden dem Menschen seine Sünden vergeben, wie Christus sagt Joh 20, 23: „Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen“. Mt 18, 21 f. sagt Petrus: „Wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, der an mir sündigt? Siebenmal?“ Christus sagt: „Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal siebenmal“, d. h. so oft er bittet und begehrt, Reue und Leid trägt und Gnade sucht, wie wenn Christus sagen wollte: Ich will in meiner heiligen, christlichen Kirche kein Maß oder Ziel von sieben oder acht Malen gesteckt haben, sondern so oft der Mensch kommt und aus Grund seines Herzens Gnade begehrt, der soll Gnade erlangen und finden. Darum soll man die Absolution in der Beichte, welche für jeden Menschen einzeln zugesprochen wird, für teuer und wertvoll achten. Es ist nämlich sehr tröstlich und nützlich für die gottesfürchtigen Herzen und Gewissen, wenn sie vernehmen, dass dadurch einem Menschen einzeln die Zusage und die Erlaubnis [zum Abendmahl zu gehen] zugeeignet und beigelegt wird. (e) Das Wort Beichte in der Bibel
Das71 sollen wir aber wissen, dass das Wort confessio, d. h. beichten oder bekennen, oft in den Psalmen und in der heiligen Schrift vorkommt, und 71 Zu den folgende drei Absätzen vgl. Melanchthon, Loci verdeudscht 204 v – 205 r; Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 495.
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schrifft ys, vnde ys so vell gesacht Jck bychte edder bekenne dem heren etc dath ys ick erkenne myne sunde vor gade, Solcke erkenthnisse geheth nhu tho myth grothen schrecken vnde angsten, wen de mynscke von grunth Synes hertens syne sunde erkenth, so soketh he genade vnde barmhertigheyt by dem heren alse psal 51, den ick erkenne myne myssedath vnn myne sunde ys ywmer vor my psal: 38, ydt ys nichs gesundes an myne¯ lyue vor dyne¯ drowen, vnde ys nen frede yn mynem gebenthe vor myner sunde psal 32 Ick wyll dem heren myne auerthredinge bekennen Solckere bycht ys warhafftich de rechte herthlyke rowe vnde leydt, den ydt ys ene erneste bicht, des hertens wen de mynscke de sunde vnde gades [34] thorn erkenneth vnde erschrocket vnd yn grot angsten kumpth, den dysse sprocke theken an, dath rechte rowe vnde leydt eyn groth ernsth vnd angsth ym herten ys Vnde wo nicht solcke schrecken ys, dar ys ock nene warhafftige bhothe, alse me dan sueth, tho handt an allen mynscken, vnde sunderliken an den gewel[333]digsten dysser werlth, de also furcht losß syn, whu de vnvornunfftygen derthe alse, Sankt petrus secht yn Syner anderen epistel am anderen capitel vnde wher wol nodich yn dyssen lesten tyden, de varlick syn Solcke vormanyge wol war tho nemen vnde nicht vor achten edder yn den wyndth slaen, Sonder myth hoem ernsth vnde flyth dar up acht hebben vnde se soken vnde lesen vnde enes armen sympeln mynscken vormanyge nicht vor auer lopen lathen, wenthe ydth werdt yn korter tydt de here rekenschop nemen vnde vordern etc Von der mysse Thom ersten ys van noden tho seggen tho enem yngange, dath me scholde de mysse gancz vnde ghar aff dhon yn der kercken ys nicht wol nutthlick, Sonder wer van noden dath me alle Sondage, up dath wenigste mysse geholden wurde, dar by dath hochwerdyge Sacramente gegeben edder medegedeleth den yenygen, So ydt begeren, doch also, dath se ersth vorhoreth vnd absoluirth werden, So mach me ock wol myth guder consciencie holden christhlike [334] Ceremonien, myth, lesen, myth gesengen gebeden vnde der gelyken Dath me auersth nicht priuat misse, sonde allene ene apenbarlyke mysse, wen dath volck mede Communicerde, helde, dath wher nicht wedder de gemene christhlike kercken, den yn der grekyscken parkercken werden, up huden dyssen dach nene priuat myssen geholden Sonder allene ene
5 erkenne A bekenne B 16 geweldigsten A geweldigen B 22 nicht B nicht nicht A
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(11 e.f. 12 a)
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mit ihm soviel gesagt ist: Ich beichte oder bekenne dem Herrn, d. h. ich erkenne meine Sünde vor Gott. Eine solche Erkenntnis wird nun begleitet von großen Schrecken und Ängsten. Wenn der Mensch im Grunde seines Herzens seine Sünde erkennt, so sucht er Gnade und Barmherzigkeit bei dem Herrn wie in Ps 51, 5: „Denn ich erkenne meine Missetat und meine Sünde ist immer vor mir“; Ps 38, 4: „Es ist nichts Gesundes an meinem Leib vor deinem Drohen, und ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde“; Ps 32, 5: „Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen“. (f) Reue auch für die Mächtigen nötig
Diese Beichte ist in Wahrheit rechte, herzliche Reue und Leid. Nämlich es ist eine ernste Beichte des Herzens, wenn der Mensch die Sünde und Gottes Zorn erkennt und erschrickt und in große Ängste kommt. Diese Worte zeigen denn an, dass rechte Reue und Leid im Herzen tiefen Ernst und große Angst erregen. Und wo nicht solcher Schrecken ist, da ist auch keine wahre Buße, wie man aber sofort bei allen Menschen sieht und besonders an den Mächtigsten dieser Welt, die ebenso ohne Gottesfurcht72 sind wie die unvernünftigen Tiere, wie Sankt Petrus 2Petr 2, 12 sagt. Und es wäre in diesen letzten Zeiten, die gefährlich sind, wohl nötig, solche Ermahnungen aufmerksam wahrzunehmen und nicht zu verachten oder in den Wind zu schlagen, sondern sehr ernsthaft und sorgfältig auf sie acht zu haben, sie zu suchen und zu lesen und die Ermahnungen eines armen einfachen Menschen nicht an sich vorüberlaufen zu lassen. Denn es wird in kurzer Zeit der Herr Rechenschaft halten und fordern. (12) Messe (Interim 22) (a) Die rechte öffentliche Messe der Gemeinde
Von der Messe. – Zum73 ersten ist eingangs zu sagen nötig, dass es nicht wohl nützlich wäre, wenn man die Messe in den Kirchen ganz und gar abtun würde. Sondern es wäre nötig, dass wenigstens alle Sonntage Messe gehalten würde, bei der das hochwürdige Sakrament gegeben oder ausgeteilt würde denjenigen, die es begehren, doch so, dass sie erst [in der Beichte] befragt und absolviert werden. So kann man auch wohl mit gutem Gewissen die christlichen Zeremonien halten mit Lesen, mit Gesängen, Gebeten und dergleichen. Dass74 man aber keine Privatmesse halte, sondern allein eine öffentliche Messe, wenn das Volk kommuniziert, das wäre nicht gegen die allgemeine christliche Kirche. In den griechischen Pfarrkirchen werden nämlich bis 72 73 74
Bei Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 495 Anspielung auf Eph 4, 19. Vgl. Melanchthon, Apologie, BSLK 349, 1. Vgl. Melanchthon, Apologie BSLK 345, 6.
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misse up de sondage vnde hoefeste, dath, dath ene antekinge ys des olden gebrukes der kercken de, de lherer so vhor der tydt gregorij gewesth, gedencken, an nenem orde der pryuath myssen Ouersth who de priuat myssen her kamen edder enen anfanck gewunnen hebben ys lichtlick tho ermethen, Alse de bedel orden, vnde alle huchleschen secten der moncke, vnde stichtes papen, auerhandt genamen hebben, hebben se de phariseysche heydenissche huchlye, vnde grothen mysse bruck, vom opere operato erfunden vnde de suluige erdhom ys also yngerethen yn de gancze welth, alse when de vngesthume See vthbrick so vordrenckt [35] se lande vnde lude, Also ys ock dyße erschrecklyke huchlische gades lastheringe [335] der myssen, yn aller werlth yngerethen yn allen stichten, klostern, vnde kercken vnd klusen, yn allen winckeln, gestiffteth worden tho holden vor de doden, vnde leuendygen tho vor sonen gades thorn, tho vorgeuinge der sunde, de doden uth dem fegefhur tho erlosen, pyn vnde schulth, tho gesundheyth des lyues rickedhom, tho gelucke, tho wolffarth yn hantheringe tho erlangen, vmb geldes wyllen vnde vuler geroeder dage wyllen Dysse erschrecklyke gades lesthringe vnd huchliische phariseische opinion hebben de moncke vnde Sophysten yn de kercken geplanteth vnde ys so geweldiglick yn gerethen, alse ene geweldyge watherfloeth, vnde hefft vordrencketh veler mynscken herte Ouersth wy christen ym Nyen testamente hebben men ein enig opffer yn der werlth dath ys ene bethalinge vor de sunde, dat ys Iesus christus, de hoeprester, de Sick suluest eyn mall geopffer hefft, an dem stamme des kruczes vor vnsere sunde, vnd ys also ene euige vorsonynge, vnde genochdoynge vor aller mynscken sunde, de ydt ym glouen an nemen, alse de epistel tho den hebreern [336] genochsam bethugeth, der haluen ys nicht van noden, dat me solcke wynckel myssen opfferen, alse de sophysten, Sonder vns allene holden an dath enige warhafftige opffer Iesu christi ein mall vor vns gescheen Epiphanius schrifft dath me yn asia alle weken Communio drymal geholden vnde hebbe nicht dagelick misse geholden vnde secht de gebruck sy von den apostelen also, her gekamen
2 de A den B 75 Vgl. Melanchthon, Apologie BSLK 351, 7.9; 352, 13. – Das Bild von der Sturmflut stammt von Jacobus Franckenberg. 76 Oben (6 b).
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auf diesen heutigen Tag keine Privatmessen gehalten, sondern allein eine Messe auf die Sonntage und hohen Feste, sodass dies ein Hinweis ist auf den alten Brauch in der Kirche, da die Lehrer [Kirchenväter], die vor der Zeit Gregors des Großen lebten, die Privatmessen nirgends erwähnen. (b) Entstehung der verkehrten Winkelmessen
Aber75 wo die Privatmessen herkommen oder einen Anfang genommen haben, ist leicht zu ermessen. Als die Bettelorden und die heuchlerischen Sekten der Mönche und Stiftspfaffen überhand nahmen, haben sie die pharisaeische, heidnische Heuchelei und den großen Missbrauch vom opus76 opere operato erfunden. Und dieser Irrtum ist so eingerissen in der ganzen Welt, wie wenn die ungestüme See ausbricht: so ertränkt sie Land und Leute. So ist auch diese schreckliche, heuchlerische Gotteslästerung der Messe in aller Welt eingerissen, in allen Stiften, Klöstern und Kirchen und Einsiedeleien, in allen Winkeln gestiftet worden, dass sie für die Toten und Lebendigen gehalten werden zur Versöhnung von Gottes Zorn, zur Vergebung der Sünden, die Toten aus dem Fegefeuer zu erlösen [von] Pein und Schuld, zur Gesundheit des Leibes, Reichtum, um Glück zu erlangen und Erfolg im Beruf, um des Geldes willen und um gänzlich ruhiger77 Tage willen78. Diese schreckliche Gotteslästerung und heuchlerische pharisäische Meinung haben die Mönche und Sophisten in die Kirche eingepflanzt und ist so gewaltig eingerissen wie eine verheerende Sturmflut und hat viele Menschenherzen ertränkt. (c) Austeilung der Sündenvergebung im Abendmahl
Aber79 wir Christen im Neuen Testament haben nur ein einziges Opfer in der Welt, das eine Bezahlung für die Sünde ist: das ist Jesus Christus, der Hohepriester, der sich selbst ein Mal an dem Stamm des Kreuzes für unsere Sünde geopfert hat und damit eine ewige Versöhnung und Genugtuung für aller Menschen Sünde ist, die dies im Glauben annehmen, wie es der Brief an die Hebräer [10, 14] hinreichend bezeugt. Deshalb ist es nicht nötig, dass man solche Winkelmessen opfert wie die Sophisten, sondern uns allein an des einzige wahre Opfer Jesu Christi halten, das ein mal für uns geschehen ist. Epiphanius80 schreibt, dass man in Asia alle Wochen dreimal Kommunion, aber nicht täglich Messe gehalten habe, und sagt, dieser Brauch sei so von den Aposteln hergekommen. 77
Wahrscheinlich von gerouwen, ruhen, sich beruhigen abzuleiten, vgl. Lübben-Walther 118. 78 Die Früchte des Messopfers erinnern an die Aufzählung des Osnabrücker Augustiners Gottschalk Hollen, vgl. Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 200 und Anm. 12; Eckermann 235–259. 79 Vgl. Melanchthon, Apologie BSLK 355, 22 f. 80 Vgl. Melanchthon, Apologie BSLK 351, 8; Epiphanius, De fide 22, PG 42, 825 f.
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Darvmb wen men dath auenthmall na christhliker ordnige myth laue sengen ducz edder latinisch, gebeden geholden werdt, dath ys wen me Communio myth den christen holth vnde vthdeleth dat hochwerdyge Sacramenth thor gedechtniß des lydens christi, darynne vns vorgeuinge der sunde vorgedragen vnde vorkundygeth werdth, Mag myth rechte nene mysse gehethen effte genometh werden, Sunder eyn auenth[mal] christi alse paulus daruan secht 1 Corin 11 Von dem echten stade Nha dem mhale alle welth ydt daruor an sueth vnde richteth alse, dath [337] dath de geysthlyken genometh werden Sick von dem echten stade entholden, vnde entholden scholth, Ouersth dath wyl de blynde vornunfft nicht sehen [36] nach erkennen dath vnder dem schyne, vnerhorde grothe vnthucht manck, papen, moncken, vnde nonnen gescheen, ys, nach geschueth, welcke ick vmb der thucht wyllen tho vortellen vnder wegen wyll lathen, wenthe ydt ys ya der ganczen werlth kund vnd apenbar vnd ys euen de hupe, vnde dath volcke daruor vns de hyllige paulus tho den romern jm ersten capitel 1 timo 4: 2 timo. 3: 2 petr 3: vns vorwarnen, dath dar yn den lesten tyden werden welcke kamen de dar vorbeden werden eelick tho werden So doch de hyllige standt der ehe, de erste ys von gade geordenth vnd up gerichteth vnde eyn wol gefallen dar an gehath vnde myth synem worde vnde segen gesmucketh vnde geczyreth, beyder ym olden testamente vnd ym Nyen testamen christus den aller kosthlikesden wyn vth water gemaketh vnde den echten stadth dar mede begenadeth yn cana gallilea Jonis. 4: So hefft goth nicht allene den hylligen [338] standt der ehe gestiffteth vnn darna bestedygeth Sonder hefft ock en bewhareth, vnde gelick myth ener vasten mhuren vmmetagen Namliken myth Synem worde Deutere: 5 exodi 19: 20: leuitici 26. math 5 roma. 7. ephe: 6: alse nomliken myth dem Sesthen gebade, dar goth de here den ebruck ernsthliken vorbuth, dar wyl he des nechsten egaden bewareth hebbenn dath man, den suluigen vngeschendet vnde vnbekrapen laten soll Ouersth de hylligen lude Syn geweldiger, dan godt suluen, vnde vorbeden Syne ordinge, vnd vor andern also gades ynsettinge, vnde vneren also den suluen standt wo se konnen vnde dar tho kamen mogen, wo se frame frowen, Junckfrouwen konnen bedregen, vnd vneren dath lathen se
6 auenth A auent B 10 dath A, fehlt B 22 beyder … testamen A beide ym alten vnn Nyen testamente / also dat B
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Wenn81 darum das Abendmahl nach christlicher Ordnung mit deutschen oder lateinischen Lobgesängen und Gebeten gehalten wird, d. h. wenn man Kommunion mit den Christen hält und das hochwürdige Sakrament zum Gedächtnis des Leidens Christi austeilt, in welchem uns Vergebung der Sünde vorgetragen und verkündigt wird, mag dies mit Recht nicht Messe geheißen und genannt werden, sondern ein Abend[mahl] Christi, wie Paulus 1Kor 11, 21 davon sagt. (13) Ehe (Interim 21.26) (a) Zölibat und Unzucht
Von dem Ehestand. – Da alle Welt es so ansieht und beurteilt, dass alle, die Geistliche genannt werden, sich vom Ehestand enthalten und enthalten sollen, will es doch die blinde Vernunft weder sehen noch erkennen, dass unter diesem Anschein eine unerhört verbreitete Unzucht zwischen Priestern, Mönchen und Nonnen geschehen ist und noch geschieht, was zu erzählen ich des Anstandes halber beiseite lassen will. Denn es ist ja der ganzen Welt kund und offenbar. Und es ist eben der Haufe und die Leute, vor denen uns der heilige Paulus Röm 1, 24; 1Tim 4, 1–3; 2Tim 3, 1–5.; 2Petr 3, 3 f. warnt, dass nämlich in den letzten Zeiten welche kommen werden, die dann verbieten werden, ehelich zu werden. (b) Der Ehestand von Gott gestiftet und geschützt
Dagegen ist der heilige Stand der Ehe der erste, den Gott geordnet und eingerichtet und ein Wohlgefallen daran gehabt und ihn mit seinem Wort und Segen geschmückt und geziert hat sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Christus hat Joh 2, 1–12 aus Wasser den allerköstlichsten Wein gemacht und in Kana in Galiläa den Ehestand damit begnadet. So hat Gott nicht allein den heiligen Stand der Ehe gestiftet und danach bestätigt, sondern hat ihn auch bewahrt und gleichsam mit einer festen Mauer umzogen, nämlich mit seinem Wort Dtn 5, 18; Ex 19, 15; 20, 14; Lev 20, 10; Mt 5, 27–32; Röm 7, 3; Eph 5, 22–33, nämlich mit dem Sechsten Gebot, da Gott der Herr den Ehebruch ernstlich verbot. Denn er will des Nächsten Ehegatten bewahrt haben, dass man denselben ungeschändet und unangetastet82 lassen soll. (c) Die Obrigkeit zum Schutz der Ehe verpflichtet
Aber83 die heiligen Leute haben noch mehr Macht als Gott selbst und verbieten seine Ordnung und verändern so Gottes Einsetzung und verunehren so diesen Stand. Wie sie können und dazu kommen mögen, wie sie fromme Frauen und Jungfrauen betrügen und verunehren können, lassen 81
Vgl. Melanchthon, Apologie BSLK 350, 3–5. vnbekrapen vielleicht von gripen greifen, Lübben-Walther 129. 83 Interim 26/142 wünscht, das der clerici vill gefunden würden, die, wie sie one weiber sein, auch wharhafftige keuschheit hielten. 82
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nicht vnderwegen, vnde schal m[en] den Kuscheyth heten, o dath vnvorschamede volck dath yn aller vnthucht leueth Darumb ys de hoe ouericheit von gade yn gesetteth vnde vor ordenth vnd ys yn orem ampthe vnde beffel dath se solcke schalckeyth vnde bouerye der losen lude straffen, vnde den echten [339] Stad, vnde alle framen, vnde rechte erholden beschutten vnde beschermen schall up dath enem yfflyken Syn egade vor solken losen bofen blyuen moge Darvmb lereth vns de hyllige schrifft dat me solcke laster vor myden vnde fleen sol So kan me solcke laster vnde des flesches Swackheyth nicht anders vorkamen, de vnrenicheyth tho vor myden, den, myth dem myddel, dath [37] goth dar tho vor ordenth hefft alse, den echten stad, den goth wuste woll des flesches arth, darvmb hefft he ock den stand vor ordenth, alse Paulus vns lereth 1 Corin 7 darvmb Syn alle mynscken gebrecklick, So ys beter fryen den bernen secht paulus Ja seggen se de prester schollen kuscheyth holden vnde kusch leuen, ya dath ys ene schone kuscheyth, der se sick byllick vor aller werlth schemen scholden de grothe vnvthsprecklike vntucht so se dryuen, na den Sick der kuscheyth Sick rhomen, leuen alse de heylosen epicureer yn alle vntucht De Junckfrowenschop ys nicht allene kuyscheyth Sonder ock de echte stad, wen men den [340] Suluigen Christhlick, metich, vnde tuchtig gebruketh, ys ock kuscheyth darvmb sprecketh Sankt paulus Jm 13. capitel to den ebreern, de ehe sall erlick geholden werden by allen, vnde dath ebedde vnbeflecketh, de vnrenen vnn ebrecker werdth goth richten Schal nu de elike stadth by allen erlick geholden werden, So mothen ya de dener des wordes, de anderen scholen vnde mothen vorgan myth allen guden leuen vnde exempeln, in dem echten stade sick na gades ordinge vynden laten, vnde vor ebruck vnde vnreynicheyth sick hoden alse paulus leret roma 2 du schalt nicht ebrecken secht he vnde wen du suluesth ein ebrecker bysth wu kanstu den den ebruck straffen, So secht de hyl[lige] paulus 1 Timo 3: tito. 1: eyn byschop auersth sal vnstrafflick Syn ener frowen man, de glouige kinder hefft Darvmme schollen sick de dener des gothliken wordes yn den echten stadt Sick vinden laten Na dem male ydt Gades Ordinge ys, vnde dorch 1 4 13 14 17 18 28 29 32
m[en] den A den noch B losen A bosen B vns A, fehlt B secht paulus A, fehlt B den A den se B Sick A, fehlt B leret B lerereth A So … paulus B Paulus ouerst secht gothliken A, fehlt B
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sie sich nicht entgehen und soll dennoch Keuschheit heißen. O dieses schamlose Volk, das in aller Unzucht lebt! Darum ist die hohe Obrigkeit von Gott eingesetzt und verordnet, und es gehört zu ihrem Amt und Auftrag, dass sie solche Bosheit und Büberei der zuchtlosen Leute strafen, und den Ehestand und alle Frömmigkeit und rechte Ordnung erhalten, beschützen und beschirmen soll, damit der Ehegatte eines jeden vor solchen zuchtlosen Buben [bewahrt] bleiben möchte. Darum lehrt uns die heilige Schrift, dass man solche Laster vermeiden und fliehen soll. So kann man, um die Unreinheit zu vermeiden, diesen Lastern und der Schwachheit des Fleisches nicht anders zuvorkommen als mit dem Mittel, das Gott dazu verordnet hat, nämlich mit dem Ehestand. Denn Gott kannte wohl des Fleisches Art. Darum hat er auch den Stand verordnet, wie Paulus uns lehrt 1Kor 7, 7: weil alle Menschen gebrechlich sind, „so ist besser freien als brennen“, sagt Paulus. (d) Ehestand als wahre Keuschheit
Ja, sagen sie, die Priester sollen Keuschheit halten84 und keusch leben. Ja, das ist eine schöne Keuschheit, der sie sich zurecht vor aller Welt schämen sollten, nämlich der großen, unsäglichen Unzucht, die sie treiben. Nachdem sie sich der Keuschheit rühmen, leben sie in aller Unzucht wie die heillosen Epikureer. Keuschheit ist nicht allein die Jungfräulichkeit, sondern auch der Ehestand. Wenn man diesen christlich, mäßig und züchtig lebt, ist dies auch Keuschheit. Darum spricht Sankt Paulus Hebr 13, 4: „Die Ehe soll ehrlich gehalten werden bei allen, und das Ehebett unbefleckt. Die Unzüchtigen und Ehebrecher wird Gott richten“. Soll nun der eheliche Stand bei allen ehrlich gehalten werden, so müssen ja die Diener des Wortes, die anderen mit allem guten Leben und mit gutem Beispiel vorangehen sollen und müssen, sich nach Gottes Ordnung im Ehestand finden lassen und sich vor Ehebruch und Unzucht hüten, wie Paulus lehrt Röm 2, 21 f.: „Du sollst nicht ehebrechen“, sagt er, und wenn du selbst ein Ehebrecher bist, wie aber kannst du dann den Ehebruch strafen? So sagt der heilige Paulus 1Tim 3, 2.4; Tit 1, 6: „Ein Bischof aber soll untadelig sein, Mann einer einzigen Frau, der gläubige Kinder hat.“ Darum sollen sich die Diener des göttlichen Wortes im Ehestand finden lassen, da es Gottes Ordnung ist und durch den Apostel Paulus beschrieben und bezeugt wird. Denn auch die alten Canones verbieten dieses nicht. Davon genug für diesmal! 84 Interim 26/142 gesteht zwar bis zur endgültigen Entscheidung durch das Konzil zu, dass die verheirateten Pfarrer vorläufig ihre Ehe weiterführen können, macht aber geltend, das doch der, so kain eheweib nimbt und wahrhafftige keuschhait hellt, besser thue …
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den apostel paulum beschreuen vnde bethugeth [341] Wenthe ock de olden Canones dath sulffte nicht vorbeden, daruan genoch vp dit mall Nhu scholde ick ock von den andrenn artikelen alse von der confirmacio vnn Olinge van der satisfaction, presterwyunge von den Ceremonien geschreuen hebben Auersth Ick achte ydt ane nodt vnn wyl dath vorstendigernn den Jck byn befelen, ydt ys ock nicht vel dar an gelegen, bydde derhaluen Juwer genaden alse myn genedyge wolgeborne froychen Jwe genade, wolde mynen geringen vorstandth vnd arbeyth yn genaden annemen vnde gefallen lathen, wenthe Jck weth doch gancz woll, dath oerer vell werden syn de solcke myne sympeln Confession nicht groth achten werdenn vnde schadeth ock nicht, wente idt schal vnde modt also tho ghan wat arme [38] gesellen maken vnde setten / dat ys alle tydt voracht / wente idt steyt en ock nicht wol an / de kleder synt en tho dhunne alse den armen vischers den apostelen. Ouerst wo wol dat [342] vorachtlick vor der werleth ys So werdth ydth nach christo behagen tho syner tydt etc de vorleue vns allen Syne genade etc Jwer genaden vnderdaniger Cappellan Iacobus Franckenberg tho yeuer
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[246 38] Confessio Michaelis Hamminck Ministri Verbi diuini in Wyuels. De Deo Deus iuxta expositionem sacrarum literarum et simboli tam Niceni quam Athanasici / est vnus ac solidus / natura Bonus / verus omnipotens / iustus Sapiens / creator et curator rerum omnium visibilium atque inuisibilium Est pater / filius et spiritussanctus personae quidem tres / sed essentia horum vna ac simplex Filius tantum carnem et totam humanam naturam immo totum hominem qui ex corpore et ex anima constat vere ex immaculata perpetuaque virgine Maria pro nobis assumpsit et homo factus est De verbo dei [39] Christus Jhesus est naturale et verum dei verbum in quo et per quod creata et restaurata sunt omnia 1
Das letzte Blatt von A mit Seite 341 (Vorderseite) und Seite 342 (Rückseite) ist zu einem großen Teil beschädigt. 18 Cappellan B [C]appella A 21 A und B erhalten.
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(14) Weitere Artikel (Interim 16. 19. 17. 20. 26)
Nun sollte ich auch von den andern Artikeln wie der Konfirmation und Ölung, von der Genugtuung, Priesterweihe und von den Zeremonien geschrieben haben. Aber ich halte dies nicht für nötig und will das Verständigeren, als ich bin, überlassen. Es ist auch nicht viel daran gelegen. (15) Schluss
Bitte derhalben Euer Gnaden als meine gnädige wohlgeborene Fräulein, Euer Gnaden wolle mein geringes Verständnis und Tun in Gnaden annehmen und sich gefallen lassen. Denn ich weiß doch sehr wohl, dass es viele sein werden, die dieses mein einfaches Bekenntnis nicht besonders beachten werden. Das schadet auch nichts, denn es soll und muss so sein: Was arme Gesellen machen und aufstellen, das wird immer verachtet. Denn es steht ihnen auch nicht wohl an, die Kleider sind ihnen zu dünn wie den armen Fischern, den Aposteln. Aber wiewohl das verächtlich ist vor der Welt, so wird es Christus dennoch zu seiner Zeit gefallen. Er verleihe uns allen seine Gnade. Euer Gnaden untertäniger Kaplan Jacobus Franckenberg zu Jever
03. Michael Hammink (Wiefels) Bekenntnis des Michael Hamminck, des Dieners des göttlichen Wortes in Wiefels (1) Glaubensbekenntnis (a) Der eine Gott in drei Personen
Von Gott. – Gott ist gemäß der Auslegung der heiligen Schrift und des sowohl Nizänischen85 als auch Athanasianischen Symbols der Eine, Wahrhafte, von Natur aus Gute, Wahre, Allmächtige, Gerechte, Weise, der Schöpfer und Erhalter aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Vater, Sohn und heiliger Geist sind zwar drei Personen, aber ihr Wesen ist eines und einfach. Nur der Sohn nahm aus der unbefleckten und stets unberührten Jungfrau Maria uns zugut Fleisch und die ganze menschliche Natur an, ja den ganzen Menschen, der aus Leib und Seele besteht, und ist Mensch geworden. (b) Christus, das Wort Gottes
Vom Wort Gottes. – Christus Jesus ist das wesentliche und wahre Wort Gottes, in welchem und durch welches alle Dinge geschaffen und wiederhergestellt sind. 85 Die beiden folgenden Absätze benutzen Begriffe aus dem Nizänum, BSLK 26 f., und dem Athanasianum, BSLK 28–30.
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De Christo [247] Christus Deus est et homo eaque persona quae nec peccauit / nec moritur / nec damnatur / nec peccare / mori / damnari / potest Eiusque iustitia vita salus insuperabilis / aeterna / omnipotens sit / Talis persona quae / peccata / mortem / infernum / sponsae propter Annulum fidei sibi communia immo propria facit nec in hys aliter se habet quam si sua essent ipseque peccasset / laborans / moriens / et ad infernum descendens vt omnia superaret / Peccatumque / mors et infernus / eum absorbere non possunt Necessario in ipso absorpta sunt / Nam iustitia eius omnibus peccatis superior / vita eius omni morti potentior / Salus eius omni inferno inuictior Jta fit anima fidelis per arrham fidei suae in Christo sponso suo / omnibus peccatis libera / a morte secura et ab inferno tuta donata aeterna vita / iustitia / salute sponsi sui Christi / Sic exhibet sibi sponsam [248] sine macula et ruga / gloriosam mundans eam lauacro in verbo vitae / id est per fidem verbi vitae / iustitiae / et salutis / Sic sponsat eam sibi in fide / et misericordia et miserationibus / in iustitia et iuditio / Oseae 2 dicit De vera Fide Vera fides est opus dei in nobis quo renascimur et renouamur ex deo et spiritu dei / Jh 8 / quo vetus adam occiditur nosque toti transformati per omnia vt Apostolus inquit Christo nouae creaturae efficimur per Fidem / vbi vita et gubernatio cordis fit spiritussanctus Tam efficax autem spirans et potens energia in corde est fides vt non possit ociosa esse et non erumpere in opera. Neque is qui fidem habet / moratur an bona opera praecepta sunt / an secus ed etiam si nulla esset lex viuo hoc impulsu agitante et trudente in corde / sponte fertur ad operandum neque cessat [249] unquam vere pia vereque Christiana operari. Qui vero ex tali viuo affectu cordis non facit sua bona opera / is in incredulitate est totus et alienus a Fide / quemadmodum plerique multa / de fide et operibus disputant et in scolis decantant / non intelligentes quod loquantur / neque de quibus affirmant etc [40] Fides ergo est Fidutia constans misericordiae dei erga nos / in corde viuens et efficaciter agens / qua proicimus nos toti in Deum et permittimus nos deo / qua corto Freti non dubitamus millies mortem
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Der folgende Absatz zitiert wörtlich Luther, De libertate christiana 12, WA 7, 55,
8–23. 87 Die folgenden 3 Absätze nach der lateinischen Fassung von Luthers Vorrede zum Römerbrief: Praefatio methodica totius scripturae in epistolam Pauli ad Romanos e vernacula Martini Lutheri in latinum uersa per Iustum Ionam, Mainz 1524, 6 r – 7 r.
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Von Christus. – Christus86 ist Gott und Mensch, und ist die Person, die nicht gesündigt hat, nicht stirbt, nicht verdammt wird und weder sündigen noch sterben noch verdammt werden kann und deren Gerechtigkeit, Leben und Heil unüberwindlich, ewig und allmächtig sind. [Christus] ist eine solche Person, welche die Sünden, den Tod und die Höllenstrafe seiner Braut wegen des Verlobungsringes des Glaubens mitträgt, ja sogar sich zu eigen macht und sich dabei nicht anders verhält, als ob sie zu ihm gehörten und er selbst gesündigt hätte, indem er leidet, stirbt und die Höllenfahrt auf sich nimmt, damit er alles überwinde. Und Sünde, Tod und Hölle können ihn nicht verschlingen; notwendigerweise werden sie in ihm verschlungen. Denn seine Gerechtigkeit ist allen Sünden überlegen, sein Leben mächtiger als jeder Tod, sein Heil siegreicher als jede Hölle. So wird die gläubige Seele durch das Angeld ihres Glaubens in Christus, ihrem Bräutigam, von allen Sünden frei, vor dem Tode sicher, vor der Hölle geschützt, indem ihr das ewige Leben, die Gerechtigkeit und das Heil ihres Bräutigams Christus gegeben ist. So bereitet er sich [Eph 5, 27] eine „herrliche“ Braut „ohne Flecken und Runzeln“, indem [Eph 5, 26] „er sie reinigt im Bade des Wortes“ des Lebens, das ist durch den Glauben an das Wort des Lebens, der Gerechtigkeit und des Heils. So „verlobt er sich mit ihr im Glauben“ und „in der Barmherzigkeit und im Mitleid, in Gerechtigkeit und Gericht“, wie Hosea 2, 21 f. sagt. (2) Glaube und Gerechtigkeit
Vom wahren Glauben. – Der87 wahre Glaube ist das Werk Gottes in uns, durch das wir Joh 3, 3–5 aus Gott und aus Gottes Geist wiedergeboren und erneuert werden, wodurch der alte Adam abgetötet wird und wir, in allen Dingen vollständig erneuert – wie der Apostel Paulus sagt [2. Kor 5, 17] – für Christus durch den Glauben zu einer neuen Kreatur erschaffen werden, wo der heilige Geist zum Leben und Lenker des Herzens wird. Der Glaube ist aber eine so wirksame, belebende und mächtige Kraft im Herzen, dass er nicht untätig bleiben kann, sondern mit Werken hervortreten muss. Und wer den Glauben hat, zögert nicht lange, ob nun vielleicht gute Werke geboten sein könnten oder nicht. Sondern er wird sogar auch dann, wenn es kein Gesetz gäbe, durch diesen erregenden und drängenden Antrieb im Herzen von selbst zum Handeln bewegt und niemals aufhören, wahrhaft Frommes und wahrhaft Christliches zu tun. Wer aber nicht aus einem solcherart lebendigen Gefühl seine guten Werke verrichtet, der verharrt vollständig im Unglauben und ist fern vom Glauben, wie ja die meisten viel über Glaube und Werke disputieren und an den Universitäten herunterleiern, ohne zu verstehen, was sie sagen und worüber sie ihre Behauptungen aufstellen. Der Glaube ist also ein stetiges Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit über uns, das im Herzen lebt und wirksam tätig ist, durch das wir uns ganz
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oppetere / Et haec tam animosa fidutia misericordiae dei cor exhilarat / erigit / excitat / rapitque dulcissimis quibusdam affectibus erga Deum animatque sic cor illud credentis vt Deo fretus non reformidet se solum opponere omnibus [250] creaturis. Haec fides / nunc est vera iustitia quam Apostolus vocat / dei iustitiam id est quae valet et subsistit coram deo quia donum merum dei est atque haec totum hominem transformat et novat et talem facit. vt reddat iuxta vulgatam illam iustitiae definitionem vunicuique quod suum est Nam cum per eam fidem iustificemur et imbuamur amore legis / tum sane magnifacientes Deum et legem / gloriam quae debetur Deo ei tribuimus. Deinde cum per eandem fidem credamus gratis reconciliatos Deo per Christum qui nostrae vbique saluti seruiuit tum et vicissim inseruimus proximo ac sic iterum reddimus vnicuique quod suum est [251 ]De Sacrifitio Nullum sacrifitium reliquum enim est pro peccatis nostris vel vlla hostia praeter Christum / Sed Christi morti incorporata mortificatio Adae nunc per fidem fit sacrifitium. Et sicut Christus est sacerdos / hoc est offerens deo suam mortem Jta nos in Christo omnes sacerdotes sumus / offerentes deo mortificationem nostri per Christum 1. Pe. 2. Sacerdotium sanctum ad offerendas spirituales hostias acceptabiles deo per Christum. Neque vllis sacrifitiis a hostiis deus placari potest Testante Psalmista Non in sacrifitijs tuis arguam te holocausta at tua in conspectu meo sunt semper Non accipiam de domo tua vitulos neque de gregibus tuis hircos [252] Quoniam meae sunt omnes Ferae siluarum iumenta in montibus et Boues Cognovi omnia volatilia coeli et pulchritudo agri mecum est. Si enim non dicam tibi meus est orbis terrae et plenitudo eius Numquid manducabo carnes taurorum aut sanguinem hircorum potabo / Jmmola deo sacrifitium laudis et redde altissimo vota tua / Et inuoca me in die tribulationis eruam te et honorificabis me etc
22 at A autem B 88
Corpus iuris civilis, Digesten 1,1 § 10 (Ulpian) ed. Krüger/Mommsen 29.
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auf Gott verlassen und uns Gott übergeben – kurz: in welchem wir vertrauensvoll nicht zaudern würden, tausendmal den Tod zu erleiden. Und dieses so belebende Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes erfreut das Herz, richtet es auf, lockt es hervor und reißt es hin zu besonderen, über die Maßen süßen Gefühlen gegen Gott und belebt so dieses Herz des Glaubenden, dass es im Vertrauen auf Gott nicht zurückbebt, wenn es allen Kreaturen allein widerstehen muss. Dieser Glaube ist nun die wahre Gerechtigkeit, welche der Apostel [Röm 3,21] die Gerechtigkeit Gottes nennt, das bedeutet: welche vor Gott gilt und Bestand hat, weil sie ein reines Geschenk Gottes ist und weil sie den ganzen Menschen verwandelt, erneuert und dazu instand setzt, dass er – gemäß jener gebräuchlichen Definition der Gerechtigkeit – »jedem88 das Seine« gibt. Denn indem wir durch diesen Glauben gerechtfertigt und mit der Liebe zum Gesetz durchtränkt werden, dann werden wir auch sicherlich, indem wir Gott und das Gesetz rühmen, Gott die Ehre geben, die ihm geschuldet wird. Sodann aber, wenn wir in demselben Glauben darauf vertrauen, dass wir aus Gnaden mit Gott versöhnt sind durch Christus, der überall unserem Heil diente, dann dienen wir auch wechselweise dem Nächsten und geben so wiederum jedem das Seine. (3) Priester und Opfer
Vom Opfer. – Es ist nämlich kein Opfer mehr übriggeblieben für unsere Sünden oder irgend eine Opfergabe außer Christus, sondern die im Tode Christi enthaltene Abtötung Adams wird nun durch den Glauben zum Opfer. Und wie Christus der Priester ist, was bedeutet, dass er seinen Tod als Opfer Gott darbringt, so sind wir in Christus alle Priester, indem wir Gott durch Christus unsere Abtötung darbringen 1. Petr 2, 5: „Eine heilige Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Christus“. Und Gott kann durch keinerlei Opfer feindlich Gesinnter besänftigt werden, wie der Psalmist bezeugt Ps 50, 8–15: „Nicht deiner Opfer wegen klage ich dich an – deine Brandopfer aber sind täglich vor mir. Ich will von deinem Hause Stiere nicht nehmen, noch Böcke aus deinen Herden. Denn alles Wild im Walde ist mein, das Vieh auf den Bergen und die Rinder. Ich kenne alle Vögel unter dem Himmel, und die Schönheit des Feldes ist mein. Wenn das nicht so wäre, würde ich zu dir sagen: Mein ist der Erdkreis und seine Fülle? Werde ich etwa das Fleisch der Stiere essen oder das Blut der Böcke trinken? Opfere Gott die Gabe des Lobes und bezahle dem Höchsten deine Gelübde. Und rufe mich an am Tag der Not. Ich will dich erretten und du wirst mich preisen.“
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De coena domini. [41] Variae sunt appellationes huius Sacramenti. Sed Paulus vocat coenam domini / Postea appellarunt Synaxyn propterea quia communis coena est congregationis in Ecclesia / Appellarunt et Eucharystyam propter finem / quia haec ceremonia instituta est / vt ea vtentes agnoscamus benefitium Christi et admoniti fide erigamur et statuamus hoc pignus nobis exhiberi quod testetur nobis donari remissionem peccatorum / deinde / vt pro tanto benefitio gratias agamus / Sic et haec Coena est Sacramentum / debet enim intelligi ceremonia [253] addita summae totius Euangelij / quod et complectitur in ipsis verbis / Hic est Calix nouum testamentum / id est testimonium novae promissionis. Est et summa Euangelij seu promissionis in his verbis. Hoc est corpus meum quod pro vobis datur. Jtem hic est sanguis qui pro multis effunditur in remissionem peccatorum. Principalis igitur finis huius ceremoniae est vt testetur nobis exhiberi res in Euangelio promissas / scilicet remissionem peccatorum / et iustificationem propter Christum. Principaliter enim hoc intueri debemus Sacramentum esse signum gratiae / hanc coenam esse signum noui testamenti. Quid est autem nouum testamentum? Certe promissio est remissionis peccatorum et reconciliationis propter Christum etc De baptismo Baptismum esse signum noui testamenti ostendit ipsa promissio. Qui crediderit et baptizatus Fuerit saluus erit. Jtaque cum Baptizamur [254] velut scribitur haec promissio in nostris corporibus. Haec ceremonia significat poenitentiam et remissionem peccatorum. seu vt Paulus loquitur regenerationem. Nam immersio significat veterem hominem cum peccato morti destinatum esse. et reditus ex aquis. significat nos iam ablutos esse. expectare nouam et aeternam vitam ac iustitiam perfectam per Christum. Vsum igitur indicat ipsa Ceremonia / indicat et promissio. Qui crediderit et baptizatus fuerit / saluus erit. Jtem verba quae adhibentur in baptismo Baptizo te in nomine patris et filij et spiritussancti. hoc est. hoc signo tecum paciscor ac testor te iam esse reconciliatum deo / te recipi a deo /
11 testimonium A testamentum B 11 et B et et A 14 vt B vt vt A 89
Der folgende Absatz ist teilweise wörtlich entnommen aus Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 476. 90 Der folgende Absatz ist teilweise wörtlich entnommen aus Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 476.
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(4) Abendmahl
Vom Mahl des Herrn. – Die89 Bezeichnungen dieses Sakraments sind verschieden. Aber Paulus nennt es [1Kor 11, 20] das „Mahl des Herrn“. Später nannten sie es „Synaxis“ [Versammlung] deshalb, weil es das gemeinsame Mahl der Gemeinschaft in der Kirche ist. Sie nannten es auch „Eucharistie“ [Dankgebet] wegen des Zwecks, weil diese Zeremonie eingerichtet war, damit wir durch ihren Vollzug die Wohltat Christi anerkennen und dadurch ermahnt im Glauben aufgerichtet werden und feststellen, dass uns dieses Pfand gereicht wird, welches bezeugt, dass uns die Vergebung der Sünden geschenkt wird, sodann damit wir für eine so große Wohltat den Dank abstatten. So ist auch dieses Mahl ein Sakrament. Es muss verstanden werden als eine Zeremonie, die der Zusammenfassung des ganzen Evangeliums hinzugefügt ist, welches auch in den Worten selbst enthalten ist [1Kor 11, 25]: „Dies ist der Kelch, das Neue Testament“, d. h. das Zeugnis der neuen Verheißung. Und die Zusammenfassung des Evangeliums oder der Verheißung ist in diesen Worten enthalten [1Kor 11, 24]: „Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird.“ Sodann [Mt 26, 28]: „Dies ist das Blut, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ Der Hauptzweck dieser Zeremonie besteht darin, uns zu bezeugen, dass uns die Sachen dargereicht werden, die im Evangelium verheißen sind, nämlich die Vergebung der Sünden und die Rechtfertigung um Christi willen. In erster Linie müssen wir nämlich das beachten, dass das Sakrament ein Zeichen der Gnade, dieses Mahl ein Zeichen des Neuen Testaments ist. Was aber ist das Neue Testament? Ohne Zweifel ist es die Verheißung der Vergebung der Sünden und der Versöhnung um Christi willen. (5) Taufe
Von der Taufe. – Dass90 die Taufe das Zeichen des Neuen Testaments sei, zeigt die Verheißung selbst [Mk 16, 16]: „Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet werden.“ Wenn wir daher getauft werden, wird diese Verheißung gleichsam auf unsere Körper geschrieben. Diese Zeremonie bedeutet Reue und Sündenvergebung oder, wie Paulus sagt [Tit 3, 5]: „Wiedergeburt“. Denn das Untertauchen bedeutet, dass der alte Mensch mit der Sünde zum Tod bestimmt ist, und das Hervorgehen aus dem Wasser bedeutet, dass wir schon abgewaschen sind, ein neues und ewiges Leben und die vollkommene Gerechtigkeit durch Christus erwarten. Daher zeigt die Zeremonie selbst die Anwendung an, und auch die Verheißung weist darauf hin: „Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet werden.“ Ebenso die Worte, welche bei der Taufe gebraucht werden [Mt 28, 19]: Ich taufe dich „im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“, d.h. durch dieses Zeichen schließe ich mit dir einen Bund und bezeuge, dass du mit Gott versöhnt bist, dass du von Gott
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(qui est pater / filius / Spiritussanctus) / Recipit autem te pater propter Filium et pollicetur tibi Spiritum sanctum quo te viuificabit et sanctificabit. Jta in ipsis verbis insunt Amplissimae et grauissimae promissiones et summa Euangelij. Erit igitur hic usus baptismi per omnem vitam. vt hoc pacto [255] statuamus nobis propositam et donatam esse remissionem peccatorum et reconciliationem. Nam etiam cum lapsi sumus / valet in resipiscentibus pactum / quo iam olim cum Deo pacti sumus. Quia Euangelium testatur resipiscentibus ignosci. Magis igitur intelligemus vim et vsum Baptismi. si crebra meditatione huius pacti fidem exercebimus et confirmabimus. [42] Ceterum ipsum signum non debet iterari Quia iteratio ceremoniae nihil prodest et Signum semel acceptum est perpetua nota et perpetuum testimonium. sicut circumcisio semel facta erat perpetuum testimonium pacti scriptum in corporibus. De Baptismo infantium. Paulus iubet explorari spiritus et Christus regulam tradidit. Ex fructibus eorum cognoscetis eos. Porro certissima iuditia fanaticae mentis sunt impia dogmata. Quare in iudicandis hys qui damnant baptismum paruulorum [256] consideremus etiam quales habeant notas. habent autem multas impias opiniones / non solum de baptismo / sed etiam de ceteris articulis Christianae doctrinae / damnant pleraque politica / vt iuditia iuramentum / rerum diuisiones etc Vnde satis apparet / eos non intelligere spiritualem iustitiam sed imaginari Christianismum esse tantum quendam externum monachatum. Jmmo Anabaptistae nuper nati etiam turpiter docent / coniugem debere discedere a coniuge abhorrente a secta Anabaptistica / Etiam multos errores habent de baptismo paruulorum. Negant peccatum originis. Haec nota iterum significat tantum prophano more iudicare de peccato et iustitia nullum intelligunt esse peccatum nisi actuale. Cum igitur constat Anabaptistas agi fanatico spiritu. non moueat nos eorum auctoritas / vt discedamus a communi consensu veteris Ecclesiae de baptizandis infantibus. Nam vetustissimi Scriptores Ecclesiastici probant baptismum infantum. Origenes enim [257] in 6 Cap / ad Roma. sic scribit / Jtaque et Ecclesia ab
2 quo A qui B 91 Die folgenden 4 Absätze sind fast wörtlich entnommen aus Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 472 f. 92 Origenes, Ad Romanos zu Röm 6, PG 14, 1047 B.
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angenommen bist (welcher ist Vater, Sohn und heiliger Geist). Der Vater aber nimmt dich an um des Sohnes willen und verspricht dir den heiligen Geist, durch den er dich lebendig und heilig machen wird. So sind in diesen Worten selbst die umfangreichsten und gewichtigsten Verheißungen und das Ganze des Evangeliums enthalten. Daher erstreckt sich die Anwendung der Taufe auf das ganze Leben, so dass auf Grund dieses Bundes für uns feststeht, dass uns die Vergebung der Sünden und die Versöhnung angeboten und verliehen sind. Denn auch wenn wir gefallen sind, gilt bei den Bußfertigen weiterhin der Bund, den wir schon einst mit Gott eingegangen sind, weil das Evangelium bezeugt, dass den Bußfertigen verziehen wird. Daher verstehen wir die Kraft und den Nutzen der Taufe besser, wenn wir häufig durch die Betrachtung dieses Bundes den Glauben üben und stärken. Im übrigen darf das Zeichen selbst nicht wiederholt werden, weil die Wiederholung der Zeremonie nichts nützt und das einmal empfangene Zeichen eine immerwährende Kennmarke und eine immerwährendes Zeugnis ist, so wie die einmal vollzogene Beschneidung ein immerwährendes Zeugnis des Bundes war, das auf die Leiber eingeschrieben war. (6) Kindertaufe
Von der Kindertaufe. – Paulus91 gebietet [1Thess 5, 21; 1Joh 4, 1], die Geister zu unterscheiden. Und Christus gab die Regel [Mt 7, 16]: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Mithin sind die sichersten Anzeichen eines schwärmerischen Geistes gottlose Lehren. Deshalb beachten wir auch bei der Beurteilung derer, die die Kindertaufe verdammen, welche Merkmale sie haben. Sie haben aber viele gottlose Grundsätze – nicht nur über die Taufe, sondern auch über weitere Artikel der christlichen Lehre. Sie lehnen meistens den Staat ab wie etwa Gerichte, Eide, Güterteilung usw. Von daher ist hinreichend klar, dass sie von der geistlichen Gerechtigkeit nichts verstehen, sondern sich einbilden, das Christentum sei nur eine Art äußerliches Mönchtum. Ja die jüngst aufgetretenen Wiedertäufer lehren auch ganz schändlich, ein Ehegatte müsse den andern verlassen, wenn dieser die wiedertäuferische Sekte ablehnt. Auch pflegen sie viele Irrtümer betreffend die Taufe der kleinen Kinder. Sie verneinen die Erbsünde. Dieses Kennzeichen bedeutet wiederum, dass sie über die Sünde und die Gerechtigkeit nur in weltlicher Weise urteilen. Sie kennen keine andere Sünde als die Tatsünde. Da aber feststeht, dass die Wiedertäufer von einem fanatischen Geist getrieben sind, soll uns ihr Vorbild nicht veranlassen, dass wir von dem allgemeinen Einverständnis mit der alten Kirche abweichen, dass Kinder getauft werden sollen. Denn die ältesten kirchlichen Schriftsteller bejahen die Kindertaufe. Origenes92 nämlich schreibt zum 6. Kapitel des Römerbriefes: »Daher hat
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Apostolis traditionem accepit etiam paruulis dare baptismum. Sciebant enim illi quibus secreta diuinorum mysteriorum commissa sunt quod essent in omnibus genuinae sordes peccati / quae per aquam et spiritum aboleri deberent. Haec sunt Origenis verba / in quibus vtrumque testatur et baptizari infantes et consequi eos per baptismum remissionem 〈peccatorum〉 peccati originalis. hoc est reconciliari eos deo. Ciprianus scribit in Concilio damnatam esse opinionem cuiusdam qui infantes non volebat ante octauum diem baptizare. Censuit enim Synodus infantes Baptizandos esse nec obseruari oportere praescriptum tempus octavi diei. Jtem veraciter conijcere possumus quod valeat in paruulis baptismi sacramentum ex circumcisione carnis quam prior populus accepit.
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04. Gherardus Jeger (Tettens) [43] Gherardus Jeger Pastor tho Tettenß Syntemal by allen Gottsaligen vnn vtherwelden van anfange der werlt eyndrechtich geholden / Ock in dußer lesten tydt (Gott sy gelauet) vth sonderlike gnade Gades / wedder dem bosen Sathan / de eyner van dusent kunsten ys / wo Petrus betugende ys *1.Pet.5.** wedderstreden worden / vnn genochsam myt godtliker schrifft beweret ys / quod sola fides faciat iustos probos ac beatos / verum nostra ratio et magistra subtilitas nolunt hoc intelligere / sed putant omnia se poße operibus impetrare / Etsi scriptura sexcenties testatur / so moth doch dat wort Pauli bestendich blyuen *Ro. 4**/ Ei qui non operatur / sed credit in eum qui iustificat impium / reputabitur ad iusticiam fides / dar dat bokelin Interim nicht vele van holt / sonder gansliken weddersteyt / nympt Christo syn eer / syn vordenst / dat se de gerechticheit / dewelke vor Godt gelt / de leue vnn wercken / ja hylligen vordenst / dar tho vorbeden / tho scrifft / vnn ys in summa nichtes darynne mer gesocht / sonder dat Interim wyl / de gruntsoppe des Pauest gensliken vnn vast bestedigen / myt offermißen /
14 A verloren, nur als Abschrift (B) erhalten.
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auch die Kirche von den Aposteln den Brauch übernommen, auch den kleinen Kindern die Taufe zu spenden. Jene nämlich, denen die Geheimnisse der göttlichen Mysterien anvertraut sind, wussten, dass in allen Menschen der angeborene Unrat der Sünde liegt, der durch Wasser und Geist beseitigt werden muss.« Dies sind die Worte des Origenes, in welchen beides bezeugt wird: sowohl dass die Kinder getauft werden als auch dass sie durch die Taufe die Vergebung der Erbsünde erlangen, d. h. dass sie mit Gott versöhnt sind. Cyprianus93 schreibt, dass beim Konzil die Meinung von einem verdammt worden sei, der Kinder nicht vor dem achten Tag taufen wollte. Die Synode stellte fest, dass Kinder zu taufen sind, dass es aber nicht nötig sei, den vorgeschriebenen Zeitpunkt des achten Tages einzuhalten. Somit können wir aus der Beschneidung des Fleisches, die das alte Volk [Israel] empfing, in Wahrheit schließen, dass bei den kleinen Kindern das Sakrament der Taufe gültig ist.
04. Gherardus Jeger (Tettens) Gherardus Jeger, Pastor in Tettens (1) Stellungnahme zum Interim (a) Werkgerechtigkeit im Interim
Da bei allen Gottseligen und Auserwählten von Anbeginn der Welt einträchtig gehalten wird und auch (Gottlob!) in dieser letzten Zeit aus Gottes besonderer Gnade gegen den bösen Satan, der – wie Petrus 1Petr 5, 9 bezeugt – ein Meister von tausend Künsten ist, verteidigt worden und ausreichend mit dem göttlichen Schriftwort bewiesen ist, dass nämlich allein der Glaube gerecht, gut und selig macht, so wollen doch unsere Vernunft und unsere Schulmeisterin, Frau Spitzfindigkeit, das nicht verstehen, sondern meinen, sie könnten alles durch Werke erlangen. Indes die Schrift es sechshundertmal bezeugt, so muß doch auch das Wort des Paulus Röm 4, 5 bestehen bleiben: „Dem, der keine Werke tut, sondern an den glaubt, der den Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet.“ Davon hält das Büchlein Interim nicht viel, sondern verweigert es im ganzen Umfang, nimmt94 Christus seine Ehre und sein Verdienst, damit es die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, der Liebe und den Werken, ja dem Verdienst der Heiligen und dazu noch ihren Fürbitten zuschreibt. Und im ganzen wird darin nichts mehr gesucht, als 93 Cyprianus, Bischof von Karthago (gest. 258), Epistola ad Fidum, PL 3, 1013–1019 (3. Konzil von Karthago 253 nach Chr.); PL 4, 359. 94 Bis zum Ende des Absatzes in Anlehnung an Aquila A 2 v.
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selmißen / vnn de doden dar by gedencken / dat gelt nicht / dat wy enen van vnsen brodernn edder susternn van veren anbeden / dartho vp vp eynen altar stellen / vnn spreken / dyt synt hyllige lude wesen / wy ouerst arme sunder / nicht also / idt hedt / Sequimini / alle hyr na / wente dar kumpt neyn vnhilliger / edder beflecter ym hemmel *Apoca. 21** / Dat men nu also de doden schol gedencken by der myßen / wyl hemede bestedigen dat erdichte fegefur / dat welcke apentlick wedder de Godtlike schrifft ys / quandoquidem verum purgatorium est mors et resurrectio Jesu Christi / enes deles / et tribulatio huius vitae des andernn deles. Quamuis autem nos subiectos cruci esse oportet / tamen spem firmam et fixam habeamus in deo / contra omnes minas / scripturae deprauationes / ipse enim liberabit nos / ipse protector et adiutor noster in opportunitatibus est / vnde mach warafftich wol seggen myt den hylligen Propheten Helia / in dußen vnsern grotsten noden sex milia [44] mundus et postea destructio / war vth tho mercken vnn doch klarliken tho vorstan ys *Mat. 24.**/ dat de dach des Heren harde by ys / we schal vns den nu van dat vnwedderspreklike Gades wordt / dat Christus suluest ys *Ioan. 1.**/ so gerade affwenden / dat schal dat Interim nicht don. Darumme leue broder sy getrost *Mat. 10** vnn fruchte nicht / de den liff allene doden / sunder dem / de dat liff vnde seel in de helle werpet / vnn mercke vp dat Prouerbium als i[dt] secht / Hodich vor de katten / de vor licken vnn achter kratzen. dat welcke yn dußem Interim wol tho markende vnn vorstan ys / dartho klarliken vor ogen ys / Nademmal idt in den anfang / tho wethen / de lapsu Adae / de regeneratione Iesu Christi / de fide / de charitate / rydderliken leret vnn vorbyllet / vnn vort also balde van de reyne lere dem rytsen wolff *Mat. 7.** nafolget vnn gehorsam werdt. Hae cum ita sese habeant / neque quicquam separatum nobis ab omnibus sancti[s] accidere debeat / praesentia tempora minus nos conturbent / quia tanto apparatu in[i]micus verbi dei et sanctorum eius in nos irruit / tanto certiores sumus gloriosi aduentus *Mat. 21.** domini nostri Iesu Christi / qui centuplum retribuet super capita eorum qui nos iniusto odio nunc persequuntur. Dartho gifft idt my groth wunder / dat de armen blynden lude nich tho herten nemen / dat erenstlike ordel Gades / dat Godt suluen secht Gen. 3 15 klarliken Kj krarliken B 17 vnwedderspreklike Kj vnwedderspreplike B 95 96 97
Bis zum Ende des Absatzes in Anlehnung an Aquila A 2 r und A 2 v. Wander, Deutsches Sprichwörter-Lexikon 2, 1180 Nr. 260 Bis zum Ende des Absatzes in Anlehnung an Aquila A 3 v.
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dass das Interim die Grundsuppe des Papstes ganz und fest bestätigen will mit Opfermessen, Seelmessen und dem dabei vollzogenen Totengedenken. Das gilt aber nicht, dass wir einen unserer Brüder oder Schwestern von ferne anbeten, sie dazu oben auf einen Altar stellen und sagen: Das sind heilige Leute gewesen; wir aber sind arme Sünder. Nein, es heißt: Folget alle hier nach, denn Apk 21, 27 es kommt kein Unheiliger oder Befleckter in den Himmel. Dass man bei der Messe nun der Toten gedenken soll, damit will man das erdichtete Fegefeuer bestätigen, was offenkundig der heiligen Schrift widerspricht, da auf der einen Seite das wahre Purgatorium in Tod und Auferstehung Jesu besteht, auf der andern in der Anfechtung dieses irdischen Lebens. (b) Gottes Hilfe gegen das tückische Interim
Obwohl wir notwendigerweise dem Kreuz unterworfen sind, wollen wir doch eine feste und gewisse Hoffnung zu Gott behalten gegen alle Drohungen und gegen alle Entstellungen der Schrift. Er selbst wird uns nämlich befreien, er selbst ist unser Beschützer und Helfer in allen Lagen – und man darf wohl mit dem heiligen Propheten Elia sagen [vgl. 1Kö 19, 3 f.]: in diesen unseren größten Nöten. Sechstausend Jahre besteht die Welt und geht dann unter, woraus zu erkennen und klar zu verstehen ist, Mt 24, 33. 42 dass der Tag des Herrn uns nahe ist. Wer soll uns aber nun von dem unanfechtbaren Wort Gottes, das Joh 1, 1 Christus selbst ist, so offenkundig abspenstig machen? Das wird das Interim nicht fertigbringen. Darum95, lieber Bruder, sei getrost Mt 10, 28 und „fürchte dich nicht vor dem, der den Leib allein töten kann, sondern vor dem, der Leib und Seele in die Hölle wirft!“ Und achte auf das Sprichwort, wie es sagt: »Hüt96 dich vor den Katzen, die vorne lecken und hinten kratzen.« Das ist an diesem Interim wohl zu beachten und zu verstehen, liegt dazu hin klar vor Augen. Nachdem es am Anfang tapfer lehrt und ausmalt, was zu wissen ist – vom Fall Adams, von der Wiedergeburt durch Jesus Christus, vom Glauben, von der Liebe – führt es alsbald von der reinen Lehre ab, folgt Mt 7, 15 dem reißenden Wolf nach und wird ihm gehorsam. Da dies nun einmal so ist und uns nichts widerfahren darf, was uns von anderen Heiligen trennen würde, sollen uns die gegenwärtigen Zeiten weniger verwirren. Denn je größer die Macht ist, mit der der Feind des Wortes Gottes und der Heiligen auf uns einstürmt, desto gewisser werden wir Mt 21, 1–11 der herrlichen Wiederkunft unseres Herren Jesu Christi, [vgl. Mt 19, 29] der hundertfache Vergeltung auf das Haupt derer kommen lässt, die uns jetzt mit ungerechtem Hass verfolgen. (c) Gefährliche Kompromisse
Außerdem97 wundert mich sehr, dass sich die armen, blinden Leute das ernste Urteil Gottes nicht zu Herzen nehmen, das Gott selbst [zur Schlan-
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Jck wyl vyentschop setten twisken dy vnn de¯ wyue. Hefft nu Godt also vorordent / wat wyltu / ja arme mynsche dy vormeten myt dussem bokkelin eyn eyndrachticheit tho maken so doch bet an den Jungsten dach moth ergerniße syn / vt electi probentur. Lu. 12. Mat. 18. 1 Cor. 1. Sunder yck vorsee my dat du se vm den mundt smerest / Iuxta illu[d] prouerbium / vacuis manibus non facile falco reuocari poße / nec pisci[s] sine esca capi / So mustu alhyr erstmal jo wat godes her vor bringen vp dat du se bynnen schoete mogest krygen. Dat het sick henngesettet yn den ouersten hemmel / vnn Godt suluest vnder de vote geworpen / thom schemel vnser vote / nen nicht also / darum wyt fle hyr vo[rt] als vor einer vorgifftiger slangen. Sus schal dat vnse trost syn / Gades wordt bliff ewich *Esa. 40. Lu. 21**/ dar by wy ock blyuen wyllen / vnn alle [45] porten der hellen / schollen dat nicht auerweldigen / wo vns doch Christus suluest apentlick ym Euangelio Mathei *Mat. 16** vns dat leren ys / dar help vns de Here Christus bestendich by tho blyuen. Amenn. *1. Pet 3** Dominum autem Christum sanctificate in cordibus vestris / quapropter parati semper ad sanctificationem / omni poscenti vos rationem de ea quae in vobis est spe / cum modestia et timore / conscientiam habentes bonam / vt in eo quod detrahunt de vobis confundantur / qui calumniantur vestram bonam in Christo conuersationem. Derhaluen so ytsundes van my vnd ock van eynem andernn begertd / dat eyn jder schal vpdecken synen gelouen / so vorsee ick my / dat de sulue hyrbeuorne genochsam ys affgemalet / nicht tho myn / wyl ick noch andermals reden / vnde spreke. Fides est vera fiducia et solida spes in Deum / quod Deus per Jesum Christum remittat peccata / faciatque nos iustos / et largire velit vitam aeternam / sine vllo operum merito / idque ex mera gratia et misericordia / we doch Paulus klarliken betuget / So loue wy ock an Jesum Christum *Gal. 2** / vp dat wy rechtferdich werden / dorch den louen an Christum / vnn nicht dorch de wercke des Gesettes / darumme wert dorch de wercke des gesettes nen flesch rechtuerdich. Noch eodem capitulo Galatarum. Jck werpe de gnade Gades nicht wech / wente so dorch dat gesette de rechtferdicheit kumpt / so ys Christus vergeues gestoruenn. Vnn yn derden Capitel. Gy hebben Christum vorlaren / de gy dorch dat gesette rechtferdich wyllen werdenn / vnn syn van der gnade gefallen / wy ouerst vorwachten ym geyste dorch den louen der gerechticheit / de 6 falco Kj falconem B 98 99
Wander, Deutsches Sprichwörter-Lexikon 1, 919 Nr. 12; 1, 1037 Nr. 216. Bis zum Ende des Absatzes in Anlehnung an Aquila A 3 v, A 4 r und B 2 r.
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ge] sagt Gen 3, 15: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe.“ Hat Gott es nun so geordnet, was willst du armer Mensch dich vermessen, mit diesem Büchlein Eintracht zu suchen, wo doch Lk 17, 1; Mt 18, 7; 1Kor 11, 19 bis an den Jüngsten Tag Ärgernisse sein müssen, damit die Auserwählten geprüft werden. Aber ich sehe schon voraus, dass du ihnen um den Mund schmierst nach dem Sprichwort98: Man kann nicht leicht ein Falke mit leeren Händen zurückrufen oder einen Fisch ohne Köder fangen. So mußt du hier erst einmal etwas Gutes vorbringen, damit du sie in Schußweite zu kriegen vermagst. Das heißt sich in den obersten Himmel gesetzt und Gott selbst unter die Füße geworfen haben zum Schemel unserer Füße. Nein, so nicht! Darum flieh hier weit weg wie vor einer giftigen Schlange. Im99 übrigen soll das unser Trost sein Jes 40, 8; Luk 21, 33: Gottes Wort bleibt ewig. Dabei wollen auch wir bleiben. Und Mt 16, 18: Alle Pforten der Hölle sollen es nicht überwältigen, wo uns das doch Christus selbst öffentlich im Matthäusevangelium gelehrt hat. Der Herr Christus helfe uns, beständig dabei zu bleiben. Amen. 1Petr 3, 15 f.: „Heiligt aber den Herren Christus in euren Herzen! Seid deshalb immer zur Verantwortung bereit bei jedem, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, mit Mäßigung und Gottesfurcht, indem ihr ein gutes Gewissen habt, damit diejenigen, die euren guten Wandel in Christo verleumden, scheitern bei dem, womit sie euch erniedrigen.“ (2) Glaube und Rechtfertigung
Da jetzt von mir und einem [jeden] andern gefordert wird, dass ein jeder seinen Glauben offenlegen soll, so erwarte ich, dass dieser im Vorstehenden ausreichend dargestellt ist. Trotzdem will ich ein zweites Mal reden und folgendes sagen: Der Glaube ist ein wahres Vertrauen und eine feste Hoffnung auf Gott, dass Gott durch Jesus Christus die Sünden vergibt, uns gerecht macht und das ewige Leben schenken will ohne irgend ein aus Werken stammendes Verdienst, und das aus reiner Gnade und Barmherzigkeit, wie Paulus klar bezeugt Gal 2, 16: „So glauben wir auch an Jesus Christus, damit wir gerechtfertigt werden durch den Glauben an Christus und nicht durch die Werke des Gesetzes. Darum wird durch die Werke des Gesetzes kein Mensch gerecht.“ Noch im selben Kapitel des Galaterbriefs heißt es 2, 21: „Ich werfe die Gnade Gottes nicht weg, denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist Christus vergebens gestorben.“ Und Gal 5, 4 f.: „Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerechtfertigt werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. Wir aber erwarten im Geist durch den Glauben die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muß.“ Und damit ist nun genug geschrieben von dem Glauben und den Werken.
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me hapen moth. Vnn dat genochsam van dem gelouen vnn wercken geschreuenn Ad eundem modum loquimur etiam de baptismo noui testamenti / veluti si quando baptizor / tantum respiciam in aquam / nihil proderit / si vero Christi mandata et promißiones intuear / quibus haec aqua sanctificatur / et his credo / atque hoc pacto etiam interne baptizor per spiritum Sanctum / tunc baptismus reuera mihi vtilis est / habet enim verbum et promissionem dei. Est autem animaduertendum quod Christiani loco Circumcisionis habent baptismum / a Ioanne quidem inchoatum *Mat 3 Io. 1** / et per Christum vero confirmatum Mar. vlt. Et sicuti Cir[46]cumcisio pueris communicata est / ita etiam nostris pueris conferri debet etiamsi Anabaptistae diuersa doceant / lege Act. 2. Rom. 6 / vnn vp anderen velen stedenn Similiter quando in coena dominica non respicio in mandatum et promißion[em] Christi / nec fide ad sumendum illam accedo / tunc cibus et potus corporis et sanguinis Christi / non solum non conducit mihi / sed multo magis ad condemnationem facit paulo testante *1 Cor. 10.11** de his qui indigne sumunt. Ita et panis coenae dicitur esse corpus Christi / sed non commutatione panis in corpus / aut imaginatio[ne] carnali corpusculi cuiusdam sub pane latentis / sed distributione et praesenti exhibitione. Corpus enim Christi pane coenae per verbum fidei nostrae donatur et distribuitur / dat welcke dat vorflockte Jnterim nicht wyl thosteden / sonder eynen affgodt daruth maken / dat wedder de helle Schrifft [ys] De absolutione. Sed quid est quod dicitur / quorum remiseritis peccata / parem ac Apostoli autoritatem haberent peccata remittendi. quid vero profuerit thesaurus non distributus. Vide Matheum et Ioannem / dar up kortliken geantwort. Godt vorlene vns syne Godtlike warheyt alle tydt. Amenn.
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(3) Taufe und Kindertaufe
In derselben Weise reden wir auch von der Taufe des Neuen Testamentes. Wenn ich nämlich getauft werde und nur das Wasser ansehe, nützt sie nichts. Wenn ich aber Christi Gebote und Verheißungen betrachte, durch die dieses Wasser geheiligt wird, und ihnen glaube und auf diese Weise auch innerlich durch den heiligen Geist getauft werde, dann ist mir die Taufe wirklich von Nutzen, denn sie hat das Wort und die Verheißung Gottes. Es ist aber zu beachten, dass die Christen an Stelle der Beschneidung die Taufe haben, die Mt 3, 6; Joh 1, 26 von Johannes zwar angefangen, aber durch Christus Mk 16, 16 ausdrücklich bestätigt wurde. Und so wie die Beschneidung bei den Knaben angewandt wird, so muß [die Taufe] auch unsern Kindern gespendet werden, auch wenn die Wiedertäufer anders lehren, siehe Apg 2, 38–41; Röm 6, 3 f. und an vielen anderen Stellen. (4) Herrenmahl
Gleicherweise wenn ich beim Herrenmahl nicht auf das Gebot und die Verheißung Christi blicke und nicht im Glauben zu seinem Verzehr hinzutrete, dann wird mir Speise und Trank von Leib und Blut Christi nicht nur nichts nützen, sondern vielmehr Verdammnis bringen, wie Paulus 1Kor 10, 16; 11, 27–32 von denen bezeugt, die das Mahl unwürdig genießen. So wird auch gesagt, dass das Brot beim Herrenmahl der Leib Christi sei, aber nicht durch eine Verwandlung des Brotes in den Leib oder durch die fleischliche Vorstellung irgend eines kleinen Stückchens, das unter dem Brot verborgen wäre, sondern durch das Austeilen und gegenwärtige Darbieten. Der Leib Christi wird nämlich im Brot des Herrenmahls durch das Wort unserem Glauben gegeben und ausgeteilt, was das verfluchte Interim100 nicht zugestehen, sondern einen Abgott daraus machen will, was gegen die ganze Schrift ist. (5) Absolution
Über die Absolution. – Aber was bedeutet es, dass gesagt wird [Joh 20, 23]: „Deren Sünden ihr erlasset“? Sie sollten die gleiche Vollmacht der Sündenvergebung haben wie die Apostel. Denn was nützt ein Schatz, wenn er nicht ausgeteilt wird? Siehe wie Matthäus 18, 18 und Johannes 20, 23 in Kürze darauf geantwortet haben. Gott verleihe uns allzeit seine göttliche Wahrheit. Amen. 100 Interim 22/122 verweist auf die nach seiner Auffassung einhellige Meinung aller Zeiten, das man … die hostiam mit herrlichen gebetten gebenedeiet hab. – Interim 26/144 Auch nachdem im sacrament des altars ist der ware leib und das ware bluet Christi, so ist billich, das man in diesem sacrament Christum anbete. – Aquila tadelt A 4 v Das heilig Sakrament wie ein spectakel (on Christus Befehl) vmb tragen.
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05. Ludolphus (Middoge) [47] Wes jck Ludolphus tho Middoch van den vorgifftigen voruorischen Interim holde / vnn dem suluigen nicht kan holdt syn ys deße myne kortlick antwordth Wo wol dat bock genandt Interim myt Gades wort besmerth / fyn vnn recht ym anfang lereth / doch darna nichtes den Seelen vorgifft vorwendet / jdel affgoderie / falsche erdichtede Gades denst / vnuorschamet leret / ane vnn wedder Gades wordt / Christo syn Ehr syne vordenst stelt / schrifft der leue vnn vnsen wercken / der hylligen vordenst vnn vorbede tho de gerechticheit vnn salicheit / dorch sulcke wercke der leue ein seker Conscientie / vorgeuinge der sunden tho erlangen / wedder der reyne lere Christi / der Propheten vnn Apostelnn / derhaluen kone wy vns daryn nicht bewilligen / sonder gedencken vnn vorhapen dorch bistand Christi by der reyne ler des Euangelij tho blyuen bestendich / Wyllen ock dancken de¯ ewigen vader de vns den gruwel der vorwostinge / den mynschen der sunde / dat kynt der vordomniße (dar van tho vornn Christus Mat 25. Daniel. 9 Paulus 2. Theß. 2. gesecht hebben) apenbart hefft / de nu lange tydt her hefft in de herten der mynschen dominert / hefft de gewißen (de doch Christus myt synen ewigen worde regeren schal) myt jdel mynschen tandt beswerth vnn hefft van der warheit affgewendet. de vns dorch synen geist sulkes apenbart hefft den wyl wy anropen / dat he den lop vnses leuendes wyl regeren / gelucklick maken / dat wy yn synen worde vnn erkentniß vnses heren Jesu Christi mogen bestendich blyuen thom ende / dar vns tho bewegen de geweldige sproke Christi vnn der Apostelen. Christus Math. 10 / wol myner vorsaket vor den mynschen / den wyl ick vorsaken vor myne¯ hemmelschen vader / Paulus thom Gal. / Wo vns ein ander Euangelium prediget dan S. Paulus (de hoge Kantzeler van Christo suluest erluchtet ym hemmel) gegeuen hefft / de si vorfloket De leuen Apostelen leren dat Christus allene de rechte Eggesten van den bouwluden vorworpen / vnn ys keyn ander name / dar dorch wy konen salich werden den yn dußem Christo. Darum hebben de leuen Apostelen den Collegio der Phariseernn nicht gehorcket wo se gestu[48]pet worden / io mer se Christum bekennen. Se wisten wol dat dat hillige 2 A verloren, nur als Abschrift (B) erhalten. 101 102 103
Dieser Satz in Anlehnung an Aquila A 2 r. Dieser Satz in Anlehnung an Aquila A 2 r und A 2 v. Interim 1–3.
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05. Ludolphus (Middoge) (1) Zum Interim (a) Keine Zustimmung
Was101 ich, Ludolphus zu Middoge, von dem vergifteten, verführerischen Interim halte, und dass ich diesem nicht hold sein kann, ist dies meine kurze Antwort. Wiewohl102 das Buch, das Interim genannt wird, mit Gottes Wort geschminkt am Anfang103 fein und recht lehrt, darnach aber nur Seelengift verwendet: unverschämt reine Abgötterei und falsche, erdichtete Gottesdienste lehrt; ohne und gegen Gottes Wort Christi Ehre und Verdienst stiehlt; unsere Gerechtigkeit und Seligkeit [fälschlich] der Liebe, unseren Werken und dem Verdienst sowie der Fürbitte der Heiligen zuschreibt, um gegen die reine Lehre Christi, der Propheten und Apostel durch solche Werke der Liebe ein sicheres Gewissen und Vergebung der Sünden zu erlangen – deshalb können wir darein nicht einwilligen, sondern gedenken und hoffen, durch Christi Beistand beständig bei der reinen Lehre des Evangeliums zu bleiben. (b) Für Christus und gegen den Greuel der Verwüstung
Wir wollen auch dem ewigen Vater danken, der uns die Augen geöffnet hat Mt 25, 15; Dan 9, 27 für den „Gräuel der Verwüstung“, und 2Thess 2, 3 für den „Menschen der Sünde, den Sohn der Verdammnis“ (von denen schon damals Christus und Paulus gesprochen haben), der nun schon seit langer Zeit in den Herzen der Menschen herrschte, der die Gewissen (die doch Christus mit seinem ewigen Wort regieren soll) mit bloß menschlichen Nichtigkeiten beschwert und von der Wahrheit abgewendet hat. Der uns dies durch seinen Geist offenbart hat, den wollen wir anrufen, dass er den Gang unseres Lebens regieren und es glücklich fügen wolle, dass wir in seinem Wort und in der Erkenntnis unseres Herren Jesu Christi bis zum Ende beständig bleiben mögen. Dazu bewegen uns die gewaltige Worte Christi und der Apostel. Christus Mt 10, 33: „Wer mich verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater“; Paulus Gal 1, 9: „Wer uns ein anderes Evangelium predigt“, als Sankt Paulus (der hohe Kanzler, der von Christus selbst im Himmel erleuchtet wurde) es gegeben hat, „der sei verflucht.“ Die lieben Apostel lehren, dass Christus allein [Eph 2, 20; 1Petr 2, 4.6] der rechte „Eckstein“ ist, „der von den Bauleuten verworfen ist“, und dass [Apg 4, 12] „kein anderer Name“ ist, „durch den wir können selig werden“ außer in diesem Christus. Darum haben die lieben Apostel [Apg 5, 40–42] der Versammlung der Pharisäer nicht gehorcht, als sie ausgepeitscht wurden, [und] sie bekannten Christus umso mehr. Sie wussten wohl, dass das hei-
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[Euan]gelium ys der kloken werlt ein doriche predige ein ergerniß derer de [ver]laren werden / den suluigen ouerst de dar gelouen krafft thor salicheyt Ro. 1. Also kone wy vns ock der Interimisten Collegio nicht vorwyl[ligen] dewylen vns Godt ein Prophet erwecket hefft Deut 18 / dat ys Christus vn[se] Heer den schole wy vor alle werlt horen / Schryet ock syn hemmelsche [va]der vth dem hemmel / vnn befelt vns Christum ganß ernestlick / wy scholen synen leuen Szon horen / daran he allene ein wolgefallen hefft. So kone wy jo nenen valschen mynschen horen / noch geen vnnutte Ga[des]denst annemen / So doch Christus Mat. 15 vth den Propheten Esaia secht vorgeues denen se my dewyle se leren solcke lere de nicht den mynschen gebade synt. Ein kristen mot horen den stemmen Jesu Christi / de vns bef[o]len ys / ane welcke nemant kumpt thom vader / he ys de wech de warheit vnn dat leuent / ane syn wort ys nichtes den idel affgoderye / gades[les]teringe / logen / mordt / finsterniß / vnn de ewige dodt / eth schynet my / kertzen/ fanen / vigilien / olinge / firminge / chrismeren / wo groth idt [syn] kann / so ys kein Gerechticheit den dorch den gelouen in Christum vor vns [ge]storuen vnn vperstanden thor gerechticheit / Duße stemme horen sine schape vnn lathen sick benogen an der einigen hilligen lere de vns [be]felt tho leren Christum daran de synen ock genoch hebben tho studeren v[nn] ock ewich nicht werden vthleren / de bedaruen der minschen thosat gar nichtes / alse mesoffer / souen Sacramente / souen ordines / proceßion hol[den] dat hillige Sacrament vor ein spectakel ane Christus beuel stuckwys vmdrag[en] den Gadeslasterliken Canon der Meße aller dinge nicht scholde vorand[ert] werden / den der duuel vnn nene frame Christen scholde beden / dat se v[or] Gade treden vor sinen leuen Szon Christum / de der gnaden thron / vorspre[ker] vnn rechte byschop ys / tho bydden / he wolde em dorch ere vorbede gned[ig] syn / vnn setten sick im Canon auer Christum / gelick als bedarue he oere[r] vorbede vnn hulp / vnn se bedaruen syner nicht / dewyl de ene vor den anderen nicht gelouen kan Aba. 2 / So kan nemant eine vor den ander[en] myß holden / darum ysset ein groth Gades lasteringe vnn ein duuels[cher] [49] misbruck dat men vor den leuendigen vnn doden Mys holt / derhaluen kone wy vns yn oerem
104 Kerzen und Fahnen: Interim 26/136; Vigilien: Interim 26/138; Ölungen: Interim 19/88; Firmung: Interim 16/78; Salbungen: Interim 26/134. 105 Messopfer: Interim 22/102–122; sieben Sakramente: Interim 14/72; sieben Weihestufen: Interim 20/94; Prozessionen: Interim 26/140. 106 Fronleichnam: Interim 26/138.
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lige Evangelium [1Kor 1, 23] für die kluge Welt eine törichte Predigt ist und ein Ärgernis für die, die verloren werden, Röm 1, 16 denen aber, „die da glauben, eine Kraft zur Seligkeit“. So können wir auch der Versammlung der Interimisten nicht willfahren, weil uns Gott Dtn 18, 15 „einen Propheten erweckt“ hat, nämlich Christus unseren Herrn; den sollen wir vor aller Welt hören. Auch ruft sein himmlischer Vater aus dem Himmel und legt uns Christus ganz ernstlich ans Herz [Mt 3, 17; 17, 5], wir sollen seinen lieben Sohn hören, an dem allein er ein Wohlgefallen hat. So können wir ja auf keinen falschen Menschen hören und keinen nutzlosen Gottesdienst annehmen, wie doch Christus Mt 15, 9 mit dem Propheten Jesaja [29, 13] sagt: „Vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehre, die nichts als Menschengebote sind.“ Ein Christ muss auf die Stimme Jesu Christi hören, die uns befohlen ist und ohne die niemand zum Vater kommt. Er ist [Joh 14, 6] „der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Ohne sein Wort gibt es nichts als reine Abgötterei, Gotteslästerung, Lügen, Mord, Finsternis und den ewigen Tod. (c) Gegen pompöse Zeremonien und das Messopfer
Es sollen mir prangen die Kerzen104, Fahnen, Vigilien, Ölungen, Firmungen, Salbungen, so prächtig sie können, so gibt es doch keine Gerechtigkeit außer durch den Glauben an Christus, [Röm 4, 25] der für uns gestorben und für unsere Gerechtigkeit auferstanden ist. [Joh 10, 27] Diese Stimme hören seine Schafe und lassen sich genügen an der einen heiligen Lehre, die uns Christus zu lernen befiehlt, daran auch die Seinen genug zu studieren haben und auch ewig nicht auslernen werden. Diese bedürfen gar keiner Hinzufügungen der Menschen, als da sind Messopfer105, sieben Sakramente, sieben Weihestufen, Prozession halten, das heilige Sakrament als ein Schauspiel ohne Befehl Christi stückweise herumtragen106; der gotteslästerliche Kanon der Messe107 sollte an keiner Stelle verändert werden, den der Teufel (und nicht etwa fromme Christen) beten sollten, dass sie vor Gott treten, um für seinen lieben Sohn Christus (der doch der Gnadenthron, Fürsprecher und der rechte Bischof ist) zu bitten, er wolle ihm durch ihre Fürbitte gnädig sein, und setzen sich im Kanon über Christus, gleich als bedürfe er ihrer Fürbitte und Hilfe, während sie seiner nicht bedürfen108. Weil nun der eine nicht für den andern glauben kann Hab 2, 4, so kann niemand eine Messe für den andern halten. Deshalb ist es eine große Gotteslästerung und ein teuflischer Missbrauch, dass man für die Lebenden und Toten109 Messe hält. Deshalb 107
Interim 26/136. Gemeint ist wohl die im Gebet Supra quae ausgedrückte Bitte, Gott wolle das Opfer Christi mit gnädigem Angesicht annehmen; vgl. Jungmann 2, 283. 109 Interim 24/128–132. 108
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Collegio nicht vorwylligen / dan allene im anfang dar se fin vnn recht myt vns leren van der mynschen scheppinge vnn synen vall. Van der mynschen Scheppinge vnn synen valle leren wy dat Godt heb den ersten mynschen Adam vnn Eua na sinen egen bilde vnn gelikeniße geschapen in sodane vullenkamenheit / in welkeren de hilligen Engel noch hudiges dages sint / dat he recht ane alle sunde vor Gade hefft leuen kondt / welker gude vnn gerechticheit darmyt de mynsche thogerichtet was Dauid Ehr nomet / dar he secht / Als de mynsche yn siner Ehr geset was / beide gudt vnn quat tho erwelen macht hadde hefft Godt oene tho synen gehorsam tho einen bade vorstricket / de tho vorachten hefft de bose geyst dorch syn behende vorkeringe vnn vorualschinge der Godtliken Schrifft hen gebracht / also dat Adam dorch auertretinge sin gebade de gerechticheit vorlaren hefft / Also dat Adam vor de Godtlike natur der duuelsche natur ys deelhafftich worden / vor wiß vnwyß / vor gerecht / vnrecht / vor gudt / quath / vor warafftich / logenafftich. Vm dußer sunde wyllen sint alle mynschen den duuel de sunde dodt vnn vordomeniße vnderworpen / nicht anders we ein knecht des duuels / de he na synen egen mothwyllen voret / den de mynsche vth sick suluen nicht kan wedderstan Van de Erlosinge dorch Christum Derhaluen als nu Adam war Gades vient / vnn den sunden dodt (ia syn ganße geslecht) den falschen Ede vndergeworpen / hefft oen Godt wedderum vpgericht myt syner trostliker thosage der samen des wyues / dorch welke dat houet der serpenten scholde thobraken werden / jn dißer thosage edder trostlick Euangelion hefft he sinen hopen vast gesettet / welck thosage ys wider vorklare den hilligen Propheten van dage tho dage vermert thor tidt dat queme dat belauede sadt Abrahae / de vm siner sunde wyllen ys gestoruen / vm vnse gerechticheit wedder vpstan. Dußer syner gerechticheit werde wy delhafftich dorch den gelouen / dorch ein leuendige vortruwent vp de [50] barmherticheit Gades / de vns in Christo ys belauet / vnn nicht dorch vnse [ge]nochdoninge edder worcken der lefft / sonder dorch den gelouen / welck[e] Paulus romet in Abraham / dar he secht / Abraham vertruwede sick va[st] vp Godt he wolde oene gnedich syn vm des thogesechten Christi wyllen / Duße gnade Gades in Christo maket vns fram vnn salich / vnse werdi[ch]eit deit nicht / den kein creatur / nene vorstoruen hilligen noch ym h[em]mel noch vp erden vormach sulck auerswenkelke dinge fram vnn salich maken / sunde vnn
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Interim 1–3. Gemeint ist wohl Mose als Verfasser von Gen 2, 16 f.
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können wir ihrer Versammlung nicht zustimmen, außer am Anfang110, da sie mit uns zusammen fein und recht von der Schöpfung des Menschen und von seinem Fall lehren. (2) Schöpfung und Fall des Menschen (Interim 1 und 2)
Von der Schöpfung des Menschen und von seinem Fall lehren wir, dass Gott [Gen 1, 27] den ersten Menschen, Adam und Eva, nach seinem eigenen Bilde und Gleichnis in solcher Vollkommenheit geschaffen hat, in welcher die heiligen Engel noch heutigen Tages sind, so dass er gerecht ohne alle Sünde vor Gott hat leben können. Welche Güte und Gerechtigkeit dem Menschen damit bereitet war, nennt David [Ps 8, 6] „Ehre“. Da sagt er111: Als der Mensch in seine Ehre gesetzt und fähig war, gut und böse zu erwählen, da hat Gott ihn um seines Gehorsams willen durch ein Gebot gebunden. Dies zu verachten ist dem bösen Geist durch seine gewandte Verkehrung und Verfälschung der göttlichen Schrift gelungen, so dass Adam durch Übertretung seines Gebots die Gerechtigkeit verloren hat, so dass Adam statt der göttlichen Natur der teuflischen teilhaftig wurde: statt weise unweise, statt gerecht unrecht, statt gut böse, statt wahrhaftig lügnerisch. Um dieser Sünde willen sind alle Menschen dem Teufel, der Sünde, dem Tod und der Verdammnis unterworfen, nicht anders wie ein Knecht des Teufels, den er nach seinem Mutwillen führt und dem der Mensch aus sich selbst nicht widerstehen kann. (3) Erlösung und Rechtfertigung (Interim 3–6)
Von der Erlösung durch Christus. – Als Adam nun deshalb Gottes Feind und den Sünden, dem Tod (ja auch sein ganzes Geschlecht) und dem falschen Eid unterworfen war, da hat Gott ihn wieder aufgerichtet mit seiner tröstlichen Verheißung [Gen 3, 15] der Nachkommenschaft des Weibes, durch die das Haupt der Schlange sollte zerbrochen werden. In dieser Verheißung oder diesem tröstlichen Evangelium hat er seine Hoffnung festgemacht, welche Verheißung wieder den heiligen Propheten erklärt und von Tag zu Tage vermehrt wurde bis zu der Zeit, dass der gelobte Nachkomme Abrahams käme, [Röm 4, 25] „der um unserer Sünde willen gestorben und um unserer Gerechtigkeit willen wieder auferstanden ist“. An dieser seiner Gerechtigkeit erhalten wir Anteil durch den Glauben, durch ein lebendiges Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes, die uns in Christus versprochen ist, und zwar nicht wegen unserer Genugtuung oder unseren Werken der Liebe, sondern durch den Glauben, den Paulus bei Abraham rühmt, wo er sagt [Röm 4, 3]: „Abraham vertraute fest auf Gott“, dass er ihm gnädig sein wolle um des zugesagten Christus willen. Diese Gnade Gottes in Christus macht uns rechtschaffen und selig. Unsere Würdigkeit leistet das nicht. Denn keine Kreatur, keine verstorbenen Heiligen weder im Himmel noch auf Erden vermag, solche
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dodt vthdelgen / allene vnse einige mydler kan vnn moth sulkes don / Sulke erkentniße maket allene vth enen vordom[den] sunder ein saligen Christen / So men de sunde mit smerte bekennet vnn gedencket se tho haten vnn vorlathen / vnn biddet Godt vm vorgeuinge der sunde dorch Christi blodt vnn dodt / so maket de geloue gerecht vnde salich / ane alle papisterye vnn mynschen genochdondt. Duße leuendige vortruwent vp den dodt Jesu Christi ys in den g[e]rechten fruchtbar / he blifft nicht allene / he wercket dorch de leffte G[al] 5. wo ein gudt bom fruchte bringet also de geloue bringet gude we[r]ke / de den gelouen gewislick nafolgen / den war nen beteringe des leuendes ys / geyn Gades frucht / gein bote / dar ys nen geloue / sonder eyn gefarweder geloue / dar van den Interimisten dromet / dat de [ge]loue warafftich sy / so schone de fruchte des gelouens dat ys / de leff[t] edder ander dogede nicht folgen / so verne wy de Schrifft vnn wat [van] Gade vpenbart ys gelouen geuen / Welcke ys ein Gadeslastering[e] wedder dat ampt Christi / geloue ane gude wercke ys gein geloue e contrarie / de gude wercke betugen vthwendich de inwendige framicheit van buthen vor vnsen negesten. Dußen born rhomen se nicht darvth alle gude wercke quellen / wente ane den gelouen ißet vnmoglick Gade tho behagenn Van der kerckenn. De kercke ys eyne vorsamlinge aller Christgelouigen der ganß[en] werlt / de dat Euangelion gelouen vnn de Sacramenta we instrument[en] [51] bruken / dorch welck se vorgeuinge der sunde hebben Eph. 5, Dusser kercken hofft ys nicht de Pauwest / sonder voel mer dat rike des AntiChrist / sittende yn den tempel Gades / regerende de herthen myt mynsliker insettinge / we Paulus 2. Cor. 2. Christus Mat 25 beschryuen / Sonder allene Christus ys de enige brudegam syner bruyt. Dusse kercke ys ock nicht an nener ordentlick succeßion (we yn wertliken regiment) noch an jenigen gewißen person / sonder ys an den worde Gades gebunden / welck yn dusser kercken schal de hogeste authoriteit hebben / darum schal nemant dudinge maken / na syne¯ gefalle / sonder de myt der Schrifft concorderen / we Paulus Ro. 12. hefft jemant wyßegginge so sy se myt den gelouen gelick.
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Interim 7/52. Wie 06. Hermannus Heronis (7) versteht Ludolphus hier unter prunnen den Glauben, nicht wie das Interim 7/52 die Liebe. 113
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(3. 4. 5)
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überschwänglichen Dinge zu vollbringen: rechtschaffen und selig zu machen, Sünde und Tod auszutilgen. Allein unser einziger Mittler kann und muss derartiges tun. Allein diese Erkenntnis macht aus einem verdammten Sünder einen seligen Christen. Wenn man die Sünde mit Schmerz bekennt und sich vornimmt, sie zu hassen und zu verlassen, und Gott um Vergebung der Sünde durch Christi Blut und Tod bittet, dann macht der Glaube gerecht und selig ohne alle päpstliche Lehre und menschliche Genugtuung. (4) Liebe und gute Werke (Interim 7)
Dieses lebendige Vertrauen auf den Tod Christi ist in den Gerechten fruchtbar. Es bleibt nicht allein. Es wirkt Gal 5, 22 durch die Liebe. Wie ein guter Baum Frucht bringt, so bringt der Glaube gute Werke, die dem Glauben mit Sicherheit nachfolgen. Aber wo keine Besserung des Lebens ist, keine Gottesfurcht, keine Buße, da ist kein Glaube, sondern [1Tim 1,5] ein gefärbter Glaube, wovon die Interimisten träumen: dass „der112 glaube warhafftig“ sein könne, obschon die Früchte des Glaubens, d. h. die Liebe und andere Tugenden nicht folgen, sofern wir „der schriefft und was von Gott geoffenbaret ist, glauben geben“. Dies ist eine Gotteslästerung gegen das Amt Christi. Glaube ohne gute Werke ist kein Glaube. Und umgekehrt, die guten Werke bezeugen äußerlich die inwendige Frömmigkeit, außen für unseren Nächsten. Diesen Brunnen113, aus dem alle guten Werke quellen, rühmen sie nicht. [Hebr 11, 6] „Denn ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen“. (5) Kirche (Interim 9–13)
Von der Kirche. – Die Kirche ist eine »versamblung«114 aller »christgläubigen« der ganzen Welt, die an das Evangelium glauben und die Sakramente als Mittel gebrauchen, durch die sie Vergebung der Sünden haben. Eph 5, 23–27: Das Haupt dieser Kirche ist nicht der Papst115, (sondern [dieser beherrscht] vielmehr das Reich des Antichrists, [2. Thess 2,4] der im Tempel Gottes sitzt, indem er die Herzen mit menschlichen Erfindungen regiert, wie Paulus 1Kor 2 und Christus Mt 23, 4 beschrieben hat), sondern Christus allein ist der einzige Bräutigam seiner Braut. Diese Kirche ist auch an keine bestimmte Nachfolge (wie in einer weltlichen Herrschaft) noch an irgend eine bestimmte Person, sondern sie ist an das Wort Gottes gebunden, welches in dieser Kirche das höchste Ansehen haben soll. Darum soll niemand Deutungen nach seinem Urteil geben, sondern nur die, die mit der Schrift übereinstimmen, wie Paulus Röm 12, 6 sagt: „Ist jemandem prophetische Rede gegeben, so übe er sie dem Glauben gemäß.“ 114 115
Interim 9/58. Interim 13/70.72 Vom obersten bischoff und andern bischoven.
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Van Sacrament der Dope. De dope ys ein badt der weddergebort / dorch welck wy dorch dat water vnn den hilligen geyst na den beuel Christi nyes thom ewigen leuende gebaren werden / ein reyne conscientie / eine gudt gewißen vor Godt erlangen / dorch welckere dope wy gestericket vnn vornyet werden ym gelouen / dat Godt de vader dorch den dodt Christi vorsonet sy / vnn vns vm Christus wyllen annimpt / van sunde / dodt / duuel vorloset sint / we petrus Actorum tuget / Ein jder lathe sick dopen in de¯ name Jesu Christi tho vorgeuinge der sunde / Nicht dorch vnse werdicheit edder watergetens erlangen wy sulkes / sonder dorch krafft des dodes Jesu Christi / in welkeren wy vth syn hetent gedofft werden / Ro. 6 / Wete gy nicht de wy in Christum gedofft synt / sint yn syne¯ dodt gedofft / gelick alse Christus vpgewecket ys van den doden / also schole wy ock myt em yn ein nye leuent wanderen / de sunde nicht mer denen / de gerechticheit vnn salicheit anhangen / wente Godt hefft vns geschapen vnn bereyt tho guden wercken / dat wy darynne wanderen scholenn. *Eph. 2** Dewyl wy den dorch de dope erlangen vorgeuinge der sunden vnde vnse kyndere vorgeuinge der sunden vnn Gades gnade behouen / ock se tho leren vnn dopen van Godt vns beualen ys / dartho [52] ock de¯ ewigen vorbunth vndergeworpen den Godt myt Abrahem vnn sy[nen] kyndernn gemaket hefft / darum schal jemant de kyndernn vth den vorbu[nth] nicht vthsluten / nicht weiniger we Petrus de kyndernn der gelouigen jod[en] de dope nicht vorbaden hefft / dar he Act. 2 secht / doth bote vnn ein Jder [la]the sick dopen vp den name Jesu Christi thor vorgeuinge der sunden / so [wer]de gy entfangen den hilligen geist / wente juw vnn juwen kyndern ys de th[o]sage / vnn alle de noch verne sint / de Godt vnser Her herthoropen wer[t]. Dorch dußen hapen vnn gelouen hebben de Christen ere kynder gedofft / welker de Here tho gnaden nimpt / darum he sulkes gelauet hefft / welke ock Christus vp sinen armen nimpt Mat. 10. darum scholen de kynderen dorch de dope der kercken yngeliuet werden / dat se der kercken gudere als vorgeuinge der sunden dorch dat vordenst Jesu Christi deelhaftich wird[en] Van den Sacrament des Altars Dyth hochwerdige Sacrament van Christo thom lesten affschede (do he dat hogeste werck nomlick de erlosinge des mynsliken geslechtes vullenbringen worde) ingeset ys / dat wy myt ernste scholden began de trulike 116
Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (10). 117 Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (11).
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(6 a.b. 7 a)
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(6) Taufe (Interim 15) (a) Taufe und Vergebung
Vom Sakrament der Taufe. – Die116 Taufe ist ein [Tit 3, 5] „Bad der Wiedergeburt“, mit dem wir [Joh 3, 5] „durch das Wasser und den heiligen Geist“ [Mt 28,19] nach dem Befehl Christi zum ewigen Leben neu geboren werden, ein reines Herz und ein [1Petr 3,21] „gutes Gewissen vor Gott“ erlangen, durch welche Taufe wir gestärkt und erneuert werden im Glauben, dass Gott der Vater durch den Tod Christi versöhnt sei und uns um Christi willen annimmt [und wir] von Sünde, Tod und Teufel erlöst sind, wie Petrus bezeugt Apg 2, 38: „Ein jeder lasse sich taufen in dem Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünde“. Dies erlangen wir nicht durch unsere Würdigkeit oder durch das Begießen mit Wasser, sondern durch die Kraft des Todes Jesu Christi, auf welchen wir nach seinem Geheiß getauft werden. Röm 6, 3 f. 6: „Wisset ihr nicht, dass die wir auf Christus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? Wie Christus auferweckt ist von den Toten, so sollen auch wir mit ihm in einem neuen Leben wandeln, der Sünde nicht mehr dienen“, der Gerechtigkeit und Seligkeit anhangen. Eph 2, 10: Denn Gott hat uns geschaffen und bereitet zu guten Werken, „dass wir darin wandeln sollen“. (b) Kindertaufe
Weil117 wir denn durch die Taufe Vergebung der Sünden erlangen und unsere Kinder Vergebung der Sünde und Gottes Gnade nötig haben, und uns von Gott auch befohlen ist [Mt 28, 19], „sie zu lehren und zu taufen“, sie außerdem auch dem ewigen Bund angehören, den Gott mit Abraham und seinen Kindern geschlossen hat, darum soll niemand die Kinder aus dem Bund ausschließen, ebenso wie Petrus den Kindern der gläubigen Juden die Taufe nicht verboten hat, wo er Apg 2, 38 f. sagt: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünde, so werdet ihr empfangen den heiligen Geist. Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung und allen, die noch ferne sind, die Gott, unser Herr, herzurufen wird.“ Durch dieses Hoffen und Glauben haben die Christen ihre Kinder getauft, welche der Herr, weil er dieses zugesagt hat, zu Gnaden annimmt, und welche Mk 10, 16 Christus auch auf seine Arme nimmt. Darum sollen die Kinder durch die Taufe der Kirche eingefügt werden, damit sie an den Gütern der Kirche, nämlich Vergebung der Sünden durch das Verdienst Jesu Christi, teilhaben. (7) Abendmahl (Interim 18) (a) Rechter Gebrauch
Vom Sakrament des Altars. – Dieses118 hochwürdige Sakrament wurde von Christus zum letzten Abschied (wo er das höchste Werk, nämlich die 118
Der folgende Absatz in Anlehnung an 06. Hermannus Heronis (12 a).
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gedechtniß synes dodes / edder dat enige offer ein mal vor vns a[m] Crutze vullenbracht / dar he vns gebuth vnder de gestalt des brodes vnn wynes syn liff tho ethen vnn sin bloth tho drynken (na vthwisinge synes wordes) tho vorgeuinge vnser sunden / nicht dorch dat vthw[en]dige ethen vnn dryncken sonder dorch den gelouen / ane welker me idt ni[cht] werdichliken / sunder voel mer tho der vordomniße entfangen / we Paulu[s] leret / wente de worde (vor juw) forderen jdel gelouige hertzen. Vnn ys des wordes segel vp dat wort gedrucket / welker vorgeuinge der s[un]den dorch dat steruent Jesu Christi anbuth / So Augustinus tho louende ys / de dat teken nomet ein sichtlick wordt / dat wy euen seen myt den ogen dat wordt gelick wo wy idt myt den oren horen (vor jw) / vnn wy[l] Christus dat wy by sodan ethent vnn drynckent sin dodt gedencken / darby vastlick gelouen / dat wy syner woldath (de he dorch hengeuinge sines lyues in den dodt vorworuen) delhafftich werden / alzo gewiß wy [53] hyr ethen vthwendigen synes liues vnn blodes genethen / Dewyl Godt in alle syne thosage trw vnn warafftich ys / warum scholde wy em hyr nicht warafftich erkennen / de hyr yn syner ynsettinge secht / accipite commedite hoc est corpus meum / So doch Christus kan vth stenen kyndernn Abrahae erwecken / de kan ock hyr na syne¯ worde vnn ynsettinge vns in den Auentmal sin liff vnn syn blot mede delen. Dat ock de jnterimisten vnuorschamet reden / de minsche mot dorch sin bote vnn satisfaction gereiniget syn er he dat Sacrament werdichlick kan entfangen / dar se den gelouen nicht gedencken / dorch welck wy allene erlangen. dat de worde medebringen vnn belauen. Desgeliken redet ock dat bock van der transsubstantiatio dar se seggen / So bolde de worde tho dem brode vnn wyn kamen / so wert daruth de ware liff vnn ware blot Christi / vnn wert de substantie des brodes vnn wyns yn den waren liff vnn blot Christi vorwandelt / so doch de naturalia nicht gehoren thom gebruck dußes Sacramentes / Wy handelen ouerst nicht van naturliken yn auentmal sunder van hemmelschen vnn auernaturliken dingen / me handelt dar nicht na mynsliker vornufft / sunder na Gades wordt / welker auer alle mynschen vornufft ys / wente Godt hefft sick de dingen erwelet de vor der werlt dorheit sint vnn de curiositas vorbaden Sirach Altiora te
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Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3, PL 35, 1840. Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (12 c). 121 Interim 18/88. 122 Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (12 d.f). 123 Interim 18/86. 120
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Erlösung des menschlichen Geschlechts, vollbringen würde) dazu eingesetzt, dass wir mit Ernst das treue Gedenken seines Todes oder des einzigen Opfers begehen sollten, das er ein für allemale für uns am Kreuz vollbracht hat, wo er uns [Mt 26, 26–28; Mk 14, 22–24; Lk 22, 19 f.; 1Kor 11, 23–25] gebietet, unter der Gestalt des Brotes und des Weines seinen Leib zu essen und sein Blut zu trinken (nach Anweisung seines Wortes) zur Vergebung unserer Sünden – nicht durch das äußerliche Essen und Trinken, sondern durch den Glauben, ohne den man es nicht würdig, sondern vielmehr zur Verdammnis empfängt, wie Paulus [1Kor 11, 27.29] lehrt. Denn die Worte [1Kor 11, 24] „für euch“ fordern lauter gläubige Herzen. Und [das Sakrament] ist das Siegel des Wortes, das aufgedrückt ist auf das Wort , welches Vergebung der Sünden durch das Sterben Jesu Christi anbietet. So ist Augustinus119 zu loben, der das Zeichen ein »sichtbares Wort« nennt, das wir eben mit den Augen sehen, gleich dem Wort, wie wir es mit den Ohren hören („für euch“). Und Christus will, dass wir bei solchem Essen und Trinken seines Todes gedenken und dabei fest glauben, dass wir seiner Wohltat (die er durch die Hingabe seines Leibes in den Tod erworben hat) ebenso gewiss teilhaftig werden, wie wir hier äußerlich seinen Leib essen und sein Blut genießen. Weil Gott in allen seinen Zusagen treu und wahrhaftig ist, warum sollten wir ihn hier nicht als wahrhaftig erkennen, der hier in seiner Einsetzung spricht [Mt 26, 26]: „Nehmet hin und esset, das ist mein Leib“? So doch Christus [Mt 3, 9] „aus Steinen dem Abraham Kinder erwecken kann“, der kann uns auch hier nach seinem Wort und seiner Einsetzung im Abendmahl seinen Leib und sein Blut mitteilen. (b) Missbrauch
Auch120 das behaupten die Interimisten unverschämt, der121 Mensch müsse durch seine Buße und Genugtuung gereinigt sein, bevor er das Sakrament würdig empfangen kann. Hier denken sie nicht an den Glauben, durch den wir allein das erlangen, was die Worte mit sich bringen und versprechen. In122 gleicher Weise redet das Buch auch von der Transsubstantiation, wo sie sagen: „sobaldt123 als die wort komben zum brot und zum wein, sobaldt wirdet darauß das ware bluet und der ware leib Christi, und wirdet die substantz brots und weins in den waren leib Christi und pluet verwandlet“, wo doch die naturkundlichen Fragen nicht zum Gebrauch dieses Sakraments gehören. Wir handeln aber nicht von naturkundlichen Fragen im Abendmahl, sondern von himmlischen und übernatürlichen Dingen. Man richtet sich da nicht nach menschlicher Vernunft, sondern nach Gottes Wort, welches über alle menschliche Vernunft hinausgeht. [1Kor 1, 27] Denn Gott hat sich das erwählt, was Torheit ist vor der Welt
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ne quesieris etc Der orsake werden se Christum in dem Sacrament vp anderwise nicht inknuppen / dan we he sick dar suluest hen vorplichtet hefft / Ock gein Sacrament syn kan so idt tho einen anderen gebruck gewendet wert dan wo idt Christus vorordent hefft / He gebuth / de sick in sunden erfindet vnn hulpe bedaruet de schalden halen / entfangen / sin vlesch ethen vnn blot dryncken / nicht offeren ock nicht vmdragen / nicht vphegen / nicht anbeden / nicht appleceren vor leuendigen vnn doden / welck ys ein schentlick ia ein duuelsche misbruck welck schal van allen Godtfruchtigen gemidet werden. Van der Absolution. Derwyl dyt Sacrament der bote angehangen ys de thosage vorgeuinge [54] der sunde vnn vastlick vp Gades wordt gegrundet Io. 20. Mat. 18. js derhaluen yn der Christlike vorsamlinge de bicht (so verne se Christli[ck] gebruket wert) tho holden / vm der Absolution wyllen / welck ys Gades wordt / dat wy so vastlick scholen louen / als Christus vns suluest sichtlick absoluerde / we he Mariam Magdalenam vnn den gychtseken / Wente Christus hefft syne kercke de slotele gegeuen Mat. 18 / dar de dener yn der stede Gades vorgifft ja Godt dorch den munt des deners vns absoluerth. Wol nu de absolutio vorachtet / de weth ock nicht wat vorgeuinge der sunden y[s] ock nicht de krafft der slotelen erkent / Dan war de mynsche nicht thom ersten syn egen manichfoldige sunde vnn darna ock de lutter gnade Gades in Christ[o] vnsen Heylant warafftich ane glysnerye kennet vnn gelouet / vnn solcke inwendige bote bewiset myt beteringe synes gantzen leuendes / de steckt warlick noch in synen sunden vnn ys nen Christen / dan duße leret vns de vorloper Christi / bekeret jw vn gelouet dem Euangelio / als scholde he seggen / vor alle dinck erkent juwe sunde / hatet vnn fleeth desulue / keret aff van juwen bosen wege / vnn gelouet dat juwe sunde vorgeuen werden vm Christus wyllen / Sulck ein sunder ys ein trostlyck sproke trostliker vth der Schrifft we alle guder dußer werlt. Dat se der firminge / olye / vnn andere dußen vorigen dren Sacramenten wyllen vorgeliken de vns Christus geordnet hefft / vnn des hilligen geystes werckinge daran bynden ys ein grot Gades lasteringe vnn affgoderye / vnn lange nicht vth den sproke Iacobi werden bewisen / de
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Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (12 e). 125 Opfern: Interim 22/118.120 u. ö.; herumtragen: Interim 26/140; aufbewahren, anbeten: Interim 26/144; Lebenden und Toten zuwenden: Interim 24/128. 126 Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (13).
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und hat die Neugierde verboten Sir 3, 22: „Strebe nicht zu dem, was zu hoch ist für dich!“ (c) Christi selbstbestimmte Gegenwart
Deshalb124 werden sie Christus auf keine andere Weise mit dem Sakrament verknüpfen, als wie er sich selbst dafür verpflichtet hat. Auch kann dort kein Sakrament sein, wo es zu einem anderen Gebrauch gewendet wird, als zu dem Christus es bestimmt hat. Er gebot, dass diejenigen, die sich in Sünden befinden und der Hilfe bedürfen, die sollten holen und empfangen, sein Fleisch essen und sein Blut trinken, nicht125 opfern und auch nicht [in Prozessionen] herumtragen, nicht aufbewahren, nicht anbeten, nicht den Lebenden und den Toten zuwenden, was ein schändlicher, ja ein teuflischer Missbrauch ist, der von allen Gottesfürchtigen gemieden werden soll. (8) Buße und Absolution (Interim 17)
Von der Absolution. – Weil126 diesem Sakrament der Buße die Zusage der Vergebung der Sünde hinzugefügt und fest auf Gottes Wort gegründet ist Joh 20, 23; Mt 18, 18, deshalb ist in der christlichen Versammlung die Beichte (soweit sie christlich gebraucht wird) um der Absolution willen zu halten, welche Gottes Wort ist, das wir ebenso fest glauben sollen, als ob Christus selbst sichtbar uns absolvierte, wie er es [Lk 7, 47] bei Maria Magdalena und [Mt 9,2] bei dem Gichtbrüchigen getan hat. Denn Christus hat Mt 18, 18 seiner Kirche die Schlüssel gegeben, wo der Diener der Kirche anstelle Gottes uns vergibt, ja wo Gott durch den Mund des Dieners uns absolviert. Wer nun die Absolution verachtet, der weiß auch nicht, was Vergebung der Sünden ist und kennt auch nicht die Kraft der Schlüssel. Aber wo der Mensch nicht zuerst seine eigene vielgestaltige Sünde und danach die reine Gnade Gottes in Christus, unserem Heiland, wahrhaftig und ohne Heuchelei kennt und glaubt und diese inwendige Buße durch Besserung seines ganzen Lebens beweist, der steckt wahrlich noch in seinen Sünden und ist kein Christ. Aber das lehrt uns der Vorläufer Christi [Mk 1, 4.15]: „Bekehret euch und glaubt an das Evangelium!“, als wollte er sagen: Vor allen Dingen erkennet eure Sünde, hasset und flieht sie, kehrt euch ab von eurem bösen Weg und glaubt, dass eure Sünden um Christi willen vergeben werden. Einem solchen Sünder ist ein tröstliches Wort aus der Schrift tröstlicher als alle Güter dieser Welt. (9) Firmung, heilige Ölung, Priesterweihe (Interim 16.18.20)
Dass127 sie die Firmung, die Ölung und anderes mit diesen vorher besprochenen drei Sakramenten vergleichen wollen, die Christus für uns angeordnet hat, und dass sie die Wirkung des heiligen Geistes an jene 127 Die folgenden 2 Sätze in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (14).
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dar redet van heginge des lyues den krancken dat se dorch medicine¯ geheget werden in de¯ name Jesu / dat ys / dorch de krafft Gades / welker Krafft de gelouigen Gade thosch[re]uen / vnn nicht den medicin noch der Olye / welck de Apostelen gebruket hebben tho helen de krancken / Mar 6. Mat. 7 iubet dominus ieiunantes inungere faciem su[am] ne viedeantur hominibus ieiunare. Jtem so de ordination der prestere na gebr[uk] der Apostelen myt truwlick erhor vnn vorbede / wer sulkes gudt / ouerst nach de¯ gebruck we men eyn tydtlanck vortuaren hefft / dar me dat gelt vnn den Edt by der Romischen kercken tho blyuen gesocht hefft / ys tho vorachtenn. [55] Van der Miße Wo wol dat Jnterim secht dat werk der Myße vordene nicht vorgeuimge der sunden / so ys idt sick doch entiegen im Canon / de dar ludt / men holde sodan werck tho erlosinge der zelen / welck applicert ys vm gelt beyde vor leuendigen vnn doden / der Orsake ys nenerley wyß duß Gades lasteringe vnn duuelsche mysbruck weddervpthorichten vm den erschreckliken myßbruck / welck de mynschen hebben thogedan der Miße Christi vnn der Apostelen / So doch Gades wordt vnn syne ordinantie nicht scholen van den mynschen vorandert werden / vol weyniger schal wedder dat wordt vnn insettinge Christi in der kercken vor einen Gades denst vpgerichtet werden / we se vnuorschamet hebben thogedan / dat de Mißa si sodane offerhande / dorch welck de szone Gades daglick geoffert wert de¯ vader vor de sunde der leuendigen vnn doden / vth den errore sint dar ane tal de priuat Mißen daglick vm gelt wol feyl west / wedder dat wordt Christi vnn den gebruck primitiuae Ecclesiae. So doch dat auentmal Christi ingeset ys tho ein gedechtniß des dodes / edder dat enige offer ein mal vullenbracht / van dußen enigen sund offer redet
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Der folgende Satz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis
(15). 129
Die überarbeitete Jeversche Kirchenordnung von 1562 spricht von examineren und vörhören (Sehling 1230). Möglicherweise stand eine ähnliche Formulierung schon in der Kirchenordnung Remmers von Seediek; Schäfer, Hamelmann und die Anfänge 141 f. 130 Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (17 b). 131 Interim 22 (114.120)
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(9. 10 a.b)
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binden, ist eine große Gotteslästerung und Abgötterei und bei weitem nicht aus dem Spruch des Jakobus [5, 14 f.] bewiesen, der da redet von der Pflege des Leibes der Kranken, dass sie mit Medizin behandelt werden im Namen Jesu, d. h. durch die Kraft Gottes, welche Kraft die Gläubigen Gott zuschreiben, nicht aber der Medizin oder dem Öl, Mk 6, 13 welches die Apostel zur Heilung der Kranken angewandt haben. Mt 6, 17 f. befiehlt der Herr, dass die Fastenden ihr Gesicht salben sollen, damit sie sich nicht vor den Leuten zeigen mit ihrem Fasten. Ebenso128, wenn die Ordination der Priester nach dem Brauch der Apostel mit sorgfältiger Prüfung129 und mit Fürbitte [geschähe], wäre dies gut, aber der Brauch, wie man dann eine Zeitlang fortgefahren ist, da man dafür gesorgt hat, dass das Geld und der Eid bei der Römischen Kirche bleibt, ist zu verwerfen. (10) Messe (Interim 22) (a) Die Gotteslästerung des Messopfers
Von der Messe. – Wiewohl130 das Interim131 sagt, das Werk der Messe verdiene nicht Sündenvergebung, so widerspricht es sich doch im Kanon132, der da lautet, man halte dieses Werk zur Erlösung der Seelen, welches Werk für Geld sowohl den Lebenden als auch den Toten zugedacht ist. Deshalb darf auf keine Weise diese Gotteslästerung und dieser teuflische Missbrauch wieder eingerichtet werden um des schrecklichen Missbrauchs [willen], welche die Menschen der Messe Christi und der Apostel angetan haben. Wenn doch Gottes Wort und seine Anordnung nicht von Menschen verändert werden sollen, um wieviel weniger darf in der Kirche gegen das Wort und die Einsetzung Christi das als ein Gottesdienst eingerichtet werden, was sie ohne Scheu hinzugefügt haben, dass die Messe ein solches Opfer sei, durch das der Sohn Gottes täglich dem Vater geopfert wird für die Sünde der Lebenden und der Toten. Infolge dieses Irrtums waren da für Geld täglich zahllose Privatmessen günstig feil gewesen gegen das Wort Christi und den Brauch der ältesten Kirche. (b) Abendmahl als gemeinsames Gedächtnismahl
Denn133 das Abendmahl Christi ist doch eingesetzt als ein Gedächtnis des Todes oder des einen Opfers, das ein für alle mal vollbracht war. Von
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Im Messkanon wird in dem Gebet Memento Domine das Opfer pro redemptione animarum dargebracht. – Im Bremer Missale betet der Priester am Allerseelentag (Offertorium): Suscipe sancta trinitas hanc oblationem quam tibi offero pro animabus famulorum et famularum tuarum: Omnium fidelium defunctorum, ut requiem eternam dones eis inter sanctos et electos tuos … (Heilige Dreifaltigkeit, nimm dieses Opfer an, das ich dir darbringe für die Seelen deiner Diener und Dienerinnen, aller verstorbenen Gläubigen, dass du ihnen die ewige Ruhe gebest unter deinen Heiligen und Erwählten …). 133 Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (17 a).
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de hillige Schrifft / Eph. 5 Heb. 9 vnn 10. Dat Gades Szon Jesus Christus sick suluest am Crutze einmal den vader vor vns geoffert / vnn den bytteren dodt geleden / vnn darmit nu einmal alle vnse sunde betalt / vnn Godt den vader vns wedderum vorsonet hefft we Paulus 2. Cor. 5. / Godt hefft one tho eine¯ sundoffer gemaket dat wy in oene worden de gerechticheit de vor Gade gelt / dat ys / dat wy dorch em gehilliget vnn rechtferdiget worden / nicht dorch vnse werke. Vor duße woldadt scholen alle Christen alle dage went tho den Jungstendach offeren de¯ Heren einthobraken vnn ein demodich hert / loff vnn dank / vor de erlosinge in Christo / vnn vor alle sine gudernn vnn dat vth einen reinen gelouen. Wo ouerst ein Christlike Miße na der insettinge Christi vnn gebruck der Apostelen moth geholden werden leret Paulus 1 Cor 10 vnn 11. nicht ein priuat Miße sunder ein gemene koinvniÂa ein gemene genetinge des liues vnn blodes Christi / nicht offeren / nicht geuen / nicht bringen / sunder halen dar vnn entfangen / [56] ethen dat liff Christi vnn dryncken syn blodt thor gedechtniß des enigen offers einmal van Christo suluen vullenbracht am Crutze / de holden recht Miße / duße gedechtniße nomet Dauid 100 psal. memoria mirabilium Christi operum / dar wy vns nicht genochsam konen auervorwunderen. Derhaluen de priuat Miße de ane beuel Gades / siner ordning entiegen ys nenerley wiß weddervpthorichten / Noch de godtslesterlike Canon / desgeliken de sange de de anropinge der Hilligen stifften / we bysher gehande[lt] ys / darmen den Heren Christo vorby gan hefft / de Hilligen nicht allene tho Mydlers gemaket / sunder ock sunderlike hulpe gesocht hefft / ock sonderge denst ys mith gesenge / vasten / vyren angericht / rade wy ock gan[ß] natholathen / noch gein Ceremonien anthonemen de de gemene nicht helpen buwen vnn beteren tho guder ordinge. Van vordenst vnn vorbede der Hilligen leret dat bock jdel affgoderie vnn Gadeslastering / welker wy by vorluß vnser salicheit sagen mothen / wente Godt wyl syne Ehr nemant geuen / gein Hillige hefft vns vorloset sunder Christus / dorch gein vordenst der Hilligen ys Godt vorsonet sunder we Paulus Ro. 3 leret / dar he secht / wy werden vth gnaden rechtferdich vth siner gnade / dorch de vorlosinge de dorch Jesum Christum geschen ys / den Godt hefft vpgesettet tho ein gnaden stol dorch den
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Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (18 d Schluß). 135 Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (18 b).
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(10 b. 11 a.b)
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diesem einen Sündopfer redet die heilige Schrift Eph 5, 25–27; Hebr 9, 12.26.28; 10, 12.14, dass Gottes Sohn Jesus Christus sich selbst am Kreuz einmal dem Vater für uns geopfert und den bitteren Tod erlitten und nun damit einmal alle unsere Sünde bezahlt und Gott den Vater wieder mit uns versöhnt hat, wie Paulus 2Kor 5, 21 sagt: „Gott hat ihn zu einem Sündopfer gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt“, d. h. dass wir durch ihn geheiligt und gerechtfertigt würden, nicht durch unsere Werke. Für diese Wohltat sollen alle Christen bis zum Jüngsten Tag dem Herrn opfern ein zerbrochenes und ein demütiges Herz, Lob und Dank für die Erlösung in Christus und für alle seine Güter, und das aus einem reinen Glauben. Wie aber eine christliche Messe nach der Einsetzung Christi und dem Brauch der Apostel gehalten werden muss, lehrt Paulus 1Kor 10 und 11: nicht eine Privatmesse, sondern eine Gemeinschaft (koinonia), ein gemeinsames Genießen des Leibes und Blutes Christi, nicht opfern, nicht geben, nicht bringen, sondern dort holen und empfangen, essen den Leib Christi und trinken sein Blut zum Gedächtnis des einzigen Opfers, das von Christus selbst ein für allemal am Kreuz vollbracht wurde. Diese halten eine richtige Messe. Dieses Gedenken nennt David Ps 111, 4 ein Gedächtnis der wunderbaren Werke Christi, über die wir nicht genug staunen können. Deshalb darf die Privatmesse, die ohne Befehl Gottes, ja gegen seine Ordnung ist, auf keine Weise wieder eingerichtet werden, noch auch der gotteslästerliche Messkanon. (11) Heiligendienst (Interim 23) (a) Keine Wiedereinführung der Heiligenanrufung
Desgleichen134 [dürfen nicht wieder eingeführt werden] die Gesänge, die die Anrufung der Heiligen begründen, wie es bisher geschehen ist, wo man den Herrn Christus übergangen, die Heiligen nicht nur zu Mittlern gemacht, vielmehr bei ihnen auch besondere Hilfe gesucht hat. Auch den besonderen Gottesdienst, der mit Gesängen, Fasten und Feiern ausgestattet ist, raten wir ebenfalls ganz fallen zu lassen und keine Zeremonien anzunehmen, die die Gemeinde nicht bauen und bessern helfen zu guter Ordnung. (b) Abgötterei im Interim
Vom135 Verdienst und der Fürbitte der Heiligen lehrt das Buch lauter Abgötterei und Gotteslästerung, was wir bei Verlust unserer Seligkeit sagen müssen. Denn Gott will seine Ehre niemand geben; kein Heiliger hat uns erlöst, sondern Christus; durch kein Verdienst der Heiligen ist Gott versöhnt, sondern wie Paulus Röm 3, 24 f. lehrt, wo er sagt: Wir werden aus Gnaden gerechtfertigt, „aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist, den Gott aufgestellt hat zu einem
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gelouen yn syn blot. Darum besteyt dat vordenst Jesu Christi allene dar dorch alle dinck ys so vullenkamen vorworuen / dat wy tho nemant dorffen ander gan / dan tho dußen enigen nodthelper vnn vorbidder / dan die Schrifft leret nergens / dat wy tho dem de im Hernn entslapen sint so anropen vnn hulp by em soken scholen / wy hebben des nene Schrifft nene thosage / nene exempel / wowohl de Interimisten mith den sproke Exo 32 / dar Moises secht gedenck Abraham Jsaac etc wyllen bewisen Jacob heb syne nakomlinge gelehrt dat se ere vedername auer sick scholen anropen / welker ock Moises gedan hefft / darmit se den guden luden vnrecht don. Dar Moises secht gedenck an Abraham etc erinnert he Gade yn syn gebede siner thosage Abraham gedan / dat Godt darin gnade wolde bewisen / dat Abrahams nakomlinge mochten de thosage erlangen [57] welker vorualschunge eres textes Esaias 64 vorclaret dar he secht. Abraham weth van vns nicht / Jsrael ken vns nicht / su du van hemmel heraff / du bist vnse Godt vnn vnse erloser. Derhaluen scholen alle Christen den enigen erloser / bischop / mydler / vorspreker ym hemmel bi de¯ vader anropen / tho en vortrwlick in aller nodt fleen / als tho den gnadenstol / dar sick Godt allene in gnaden wyl vinden lathen / de dar spreckt Math. 11. kamet alle her tho my de gy mogeselich vnn beladen sint / ick will juw erquicken. Item Deut. 5. Du schalt Godt dynen hernn anbeden vnn allene denen. Item Rop my an etc Item. Wat gy den vader bydden werden in myne¯ namen / vnn de ganße Schrifft wiset vns to Christo / den allene de Ehr gebort / dar vor de Engel sick entsetede Apoca. in ende. Der orsake schal sulke affgoderie truwlick van ein jder geschuwet werden. Doch schole wy erlick van den leuen Hilligen holden / vnnreden we de primitiua Ecclesia gedan hefft / se leuen / ere gedechtniße holden / wente se leuen vns vnn vorfrouwen sick hertlick vnser framicheit vnn salicheit. Ock schole wy Godt lauen / de em solcke auerswencklick gnade bewiset vnn tho sulcker ehr erhoget hefft. Ock wider dorch ere exempel inflammert werden Godt also ock im gelouen tho bidden / dat he vns armen sundere / de noch im flesche kempen / wolde ock mith sodanen vasten gelouen / leue vnn hopeninge stercken /
22 mynem Bugenhagen 136 Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (18 c). 137 Interim 23 /126.128.
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Gnadenstuhl durch den Glauben an sein Blut.“ Darum gibt es allein das Verdienst Jesu, durch das alles so vollkommen erworben ist, dass wir zu niemand anderem gehen dürfen, außer zu diesem einzigen Nothelfer und Fürbitter. Die Schrift lehrt jedoch nirgends, dass wir die, die im Herrn entschlafen sind, auf solche Weise anrufen und Hilfe bei ihnen suchen sollen. Wir136 haben davon keinen Schriftbeweis, keine Verheißung, kein Beispiel, obwohl die Interimisten137 mit dem Wort Ex 32, 13, wo Mose sagt: „Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel“, beweisen wollen, Jakob habe sein Nachkommen gelehrt, dass sie ihre Väternamen über sich anrufen sollen, was auch Mose getan habe, womit sie aber den guten Leuten Unrecht tun. Wo Mose sagt: „Gedenke an Abraham“, erinnert er Gott in seinem Gebet an die Abraham gegebene Zusage, dass Gott darin Gnade beweisen wollte, dass sich bei Abrahams Nachkommen die Zusage erfüllt. Diese Verfälschung des Textes erklärt Jesaja, wo er sagt Jes 63, 15 f.: „Abraham weiß von uns nichts, Israel kennt uns nicht. Schau du vom Himmel herab! Du bist unser Gott und Erlöser.“ (c) Christus der einzige Fürsprecher
Deshalb138 sollen alle Christen den einzigen Erlöser, Bischof, Mittler, Fürsprecher im Himmel bei dem Vater anrufen, zu ihm in aller Not voller Vertrauen flehen als zu dem Gnadenstuhl, wo allein Gott sich in Gnaden will finden lassen, der da spricht Mt 11, 28: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Ebenso Dtn 5, 9; 6, 13: „Du sollst Gott, deinen Herrn anbeten und ihm allein dienen.“ Ebenso [Ps 50, 15]: „Rufe mich an!“ [Joh 16, 24] „Was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen [wird er euch geben]“. Und die ganze Schrift weist uns zu Christus, dem allein die Ehre gebührt. Apk 22, 8 f. entsetzte sich der Engel davor [als der Seher Johannes ihn anbeten wollte]. Deswegen soll eine solche Abgötterei sorgfältig von jedermann vermieden werden. (d) Die richtige Verehrung der lieben Heiligen
Doch sollen wir die lieben Heiligen in Ehren halten und von ihnen so sprechen, wie die älteste Kirche es getan hat, sie lieben und ihr Gedenken pflegen. Denn sie lieben uns und freuen sich herzlich über unsere Frömmigkeit und Seligkeit. Auch sollen wir Gott loben, der ihnen diese überschwengliche Gnade beweist und sie zu dieser Ehre erhöht hat. Auch sollen wir wiederum durch ihr Beispiel entzündet werden, Gott auch so im Glauben zu bitten, dass er uns armen Sündern, die noch im Fleische kämpfen, auch mit so festem Glauben, Liebe und Hoffnung stärken wol138 Der folgende Absatz in Anlehnung an das Bekenntnis von 06. Hermannus Heronis (18 d).
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we he sine leuen Hilligen gedan hefft / dat wy ock dorch Christum vnse sundtlick Flesch / den bosen geist auerwinnen / tho den leuen Hilligen kamen. Des helpe vns de Heer Christus bestendich bi den rechten brunnen des leuendes / bi dem ewigen licht tho bliuen / vnn der dusterniße des godtlosen Interims entleddiget werdenn.
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06. Hermannus Heronis (Hohenkirchen) [58] Confeßio edder bekentniße vnser Christliken lerhe. vnde kortlick bericht / wat van dem geblomedenn vnn voruorischen Interim tho holden sy. Praefatio Non est quod quis hic a me expectet longiorem declamationem aut absolutiorem aliquam enarrationem huius controuersiae et nostrae doctrinae. Sed volui iuxta requisitionem Principis nostrae paucis (quantum attinet ad articulos fanatico isto libro Interim memoratos) confeßionem meam, eamque simplicem / nudam ac breuem exhibere. et non tam persequi quam breuibus saltem indicare, quae in primis vellicanda et carpenda videbantur, in quibus mihi cum his Interimistis nullatenus conuenire potest. Atque ea ratione me hoc tempore meo officio perfunctum putaui. Arbitror enim alios fortiores Antagonistas, eosque doctiores, hanc prouinciam subituros, detegendi videlicet et impugnandi horum Interimistarum imposturas, quibus AntiChristiani regni impietatem et tenebras offundere imo ipsum AntiChristum pro Christo obtrudere conantur Quia vero vsus sum exemplari germanico, etiam eodem stylo scripsi. Praeterea cum haec Confeßio (meo iuditio) nota eße debebat tam indoctis quam doctis, alia lingua vti minime licuit. Quod autem hanc Confeßionem profitear et posthac (divina suffultus ope) profeßurus sim, testor hac propria scriptura, et nomine meo propria manu asscripto. Hermannus Heronis in Hochkercken Vicarius.
8 A verloren, nur als Abschrift (B) erhalten.
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le, wie er es bei seinen lieben Heiligen getan hat, dass auch wir durch Christus unser sündliches Fleisch und den bösen Geist überwinden und zu den lieben Heiligen kommen. (12) Schlusswunsch
Dazu helfe139 uns der Herr Christus: beständig bei dem rechten Brunnen des Lebens und bei dem ewigen Licht zu bleiben und der Finsternis des gottlosen Interims entledigt zu werden.
06. Hermannus Heronis (Hohenkirchen) Confessio oder Bekenntnis unserer christlichen Lehre. Und kurzgefaßter Bericht, was von dem verblümten und verführerischen Interim zu halten sei. (1) Vorrede
Vorrede. – Es gibt keinen Grund, dass hier jemand von mir eine längere Rede oder einen vollkommeneren Bericht über diese Streitfrage und über unsere Lehre erwartet. Aber ich wollte doch gemäß der Aufforderung unserer Fürstin mit wenigen Sätzen (soweit es die Artikel betrifft, die durch jenes eifernde Buch Interim erwähnt werden) mein Bekenntnis – und dies einfach, schmucklos und kurz – vortragen und es nicht so sehr durchführen als vielmehr mit kurzen Strichen wenigstens anzeigen, welche Punkte allem Anschein nach vor allem bestritten und zerpflückt werden müssen, bei welchen ich mich mit diesen Interimisten in keiner Weise einigen kann. Und aus diesem Grund meine ich, zu diesem Zeitpunkt meine Pflicht getan zu haben. Ich denke nämlich, dass es andere, stärkere und gelehrtere Kämpfer gibt, die sich dieser Aufgabe des Entlarvens und Bekämpfens der Betrügereien dieser Interimisten unterziehen werden, mit denen diese versuchen, die Gottlosigkeit und die Finsternisse des Reiches des Antichristen auszugießen, ja sogar den Antichristen selbst an die Stelle Christi zu setzen. Weil ich aber ein deutsches Exemplar [des Interim] verwende, habe ich auch in ebendieser Sprache geschrieben. Da außerdem dieses Bekenntnis (nach meinem Dafürhalten) sowohl den Ungelehrten als auch den Gelehrten bekannt werden sollte, war es nicht erlaubt, eine andere Sprache zu gebrauchen. Dass aber ich es bin, der dieses Bekenntnis ablegt und auch künftig (gestärkt durch göttliche Hilfe) ablegen wird, bezeuge ich durch diese eigene Handschrift und durch meinen Namen, den ich mit eigener Hand hinzugesetzt habe. Hermannus Heronis, Vikar in Hohenkirchen. 139 Bei Aquila B 2 r lautet der Schlußwunsch: Das helff vns der HERR Christus bestendig bey jm zu bleiben / Amen.
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[59] Vam Interim int generall Dat Interim wo wol idt linder na lude der vthwendigen worden redet / alse doch sonst des pauwestes legende vnn affgodesche Gades denst yn sick suluest ys / jn deme idt sick beflitiget myt goeder entlegginge der Christliken lere nathofolgen vnn gelick tho syn / des idt ock vnderwilen de Schrifft valschliken gebruket / vnn sick darmede alse myt ener schapes hut bekledet. Dennoch dewyle des wulues klauwen darna likewol heruorbreken / vnn der Seelen vorgifft darynne apentlich getoget wart. So ys idt gewiß / dat idt nur allene thom schyne / des duuels vnn AntiChristes logen darmede tho bedeckende / also gesmucket ys. vp dat myt sodane¯ listigen anslage de Seele vnn Conscientien / welkere allene Christo thohoren / vnder des AntiChristes vnn syne Seelmoorderen Prelaten dwange vnn gehorsam tho ewigen vordarue mogen gewendet werden. Darbeneuen ys apenbar vnn ogenschynlick dorch daßuluigen bokes Schrifft / dat idt der waren Christliken kercken / Christi / der Propheten vnn Apostelen lere tho wedder ys / vnn nur allene dat Pauwestdom den wedderChrist wedderum ynuoret vnde bestedigeth. Darumme jck vor myne persone vnangeseen lyues offt gudes vorluß datsulue Interim nenerleywiß annemen offte volgen wyl / Ock nene¯ leffhebber Christi des enigen Mydlers rade anthonemen / sonder jderman daruor / alse vor den listigen duuel / de sick wol yn enen Engel des lichtes vorstellen kan / trouwliken warne vnn warschuwe. Van des mynschenn Scheppinge vnde synem vall Hyr bekenne ick unde lere dat de mynsche geschapen sy na dem bylde vnde gelikeniße Gades. Vnde dat he also dorch Gades gnaden myt der Erffliken gerechticheit thogerichtet sy / dat he ganß recht vnn unstrafflick ane alle sunde vor Godt hefft leuen kondt. Vnn ys nicht also we nu / van bosen vnordent[60]liken bewegingen angefechtet worden. Alse ock dat Interim yn dußem stucke recht vnde vnstrafflick lereth. Do nu Godt den Mynschen myt der Erffliken gerechticheit wol gesmucket vnn thogerichtet hadde / vnn nu vordan beyde gut vnn boß tho erwelen macht hadde / Hefft oene Godt tho synem gehorsam by pene und straffe des dodes vnn vorluß syner sodaner gerechticheit tho eyne¯ gebade vorstricket. Welkere do he / dorch des duuels listich voruoringe vnn behende vorkeringe des Godtliken wordes vnn gebades / hefft auergetreden / ys by oene vnn by allen synen nakomligen dyt alderschonste geschencke der Erffliken gerechticheit vorlaren. Vnde ys vort an geworden ein knecht der sunde / des duuels egen / vnn der ewigen vordomniße schuldich. Vnn kortlick allen straffen vnn ungelucken duße[r] werlt 140 141
Bis zum Ende des Absatzes in Anlehnung an Interim 1/36. Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 60, 17 f.; CR 6, 927.
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(2) Zum Interim im allgemeinen
Vom Interim im allgemeinen. – Obwohl das Interim dem äußeren Wortlaut nach zahmer redet, als es sonst des Papstes Lügen und seine abgöttischen Gottesdienste in sich selber sind, indem es sich befleißigt, mit guter Auslegung der christlichen Lehre nachzufolgen und gleich zu sein (wozu es auch die Schrift bisweilen verkehrt benutzt) und sich damit wie mit einem Schafspelz verkleidet, so ist es dennoch gewiss – weil die Wolfsklauen danach gleichwohl hervorbrechen und das Seelengift darin öffentlich gezeigt wird – dass es ausschließlich nur zum Schein so geschmückt ist, um die Lügen des Teufels und des Antichristen damit zuzudecken, damit durch einen derart listigen Betrug die Seele und das Gewissen, welche allein Christus gehören, zu ihrem ewigen Verderben unter den Zwang und den Gehorsam des Antichristen und seiner seelenmörderischen Prälaten verkehrt werden können. Außerdem wird es durch den Text ebendieses Buches offenkundig und augenfällig, dass es zur wahren christlichen Kirche sowie zur Lehre Christi, der Propheten und Apostel in Widerspruch steht und lediglich das Papsttum und den Antichristen wieder einführt und bestätigt. Darum will ich für meine Person – ungeachtet des Verlustes von Leib oder Gut – dieses Interim in keiner Weise annehmen oder ihm Folge leisten, rate auch keinem, der Christus als seinen einzigen Mittler lieb hat, es anzunehmen, sondern warne jedermann ernstlich davor und rate ab als vor dem listigen Teufel, der sich durchaus [2Kor 11, 14] „in einen Engel des Lichts verstellen kann“. (3) Schöpfung und Sündenfall (Interim 1.2)
Von des Menschen Schöpfung und von seinem Fall. – Hier140 bekenne und lehre ich, dass der Mensch [ursprünglich] nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen und durch Gottes Gnade mit der erblichen Gerechtigkeit ausgestattet sei, so dass er ganz gerecht und unsträflich ohne jede Sünde vor Gott hatte leben können. Und er wurde nicht – wie wir heute – von bösen, unordentlichen Seelenbewegungen angefochten. So lehrt auch das Interim in diesem Stück »recht141 und unsträflich«. Da nun Gott den Menschen mit der erblichen Gerechtigkeit schön geschmückt und ausgestattet hatte und dieser fortan imstande war, sowohl gut als auch böse zu erwählen, hat ihn Gott zum Gehorsam gegen ihn bei Strafe und Erleiden des Todes und Verlust solcher seiner erblichen Gerechtigkeit an ein Gebot gebunden. Da142 er dieses durch des Teufels listige Verführung und schlaue Verdrehung des göttlichen Wortes und Gebotes übertreten hat, ging bei ihm und bei allen seinen Nachkommen dieses »allerschönest geschencke der erblichen gerechtigkait verloren«. Und er wurde fortan »ein knecht der sünden, des teufels aigen« und 142
Bis zum Ende des Absatzes in Anlehnung an Interim 2/38.
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vnderworpen. kan ock nu vortmer nemandes de gerechticheit de vor Gade gelt bekamen / sonder mothen alle klene vnn groth / junck vnn olth ym torne Gades steken / vnn der salicheit berouet ewichlick vorlaren syn / na alle oere kreffte vnde vormogenn. Van der Erlosinge dorch Christum. Do nu de Mynsche also verdoruen vnn vorlaren was / darbeneuen ock sick suluen nenerley wiß helpen offt erredden konde / Js Godt yn syner wunderbarliken wisheit vnn barmherticheit / ane twyuel dorch groter leffte de he dennoch tho syner schepniße den Mynschen gedragen hefft / vororsaket / vnses Jamers vnde elendes sick anthonemende. Vnde hefft Jesum Christum synen enigen vnn gansgeleueden Szone belauet vnn gesenth. Desulve hefft ym gehorsam synes vaders / vm genochthodonde syner gerechticheit / vor vnse sunde sick ant Crutze hefften [61] vnde erworgen lathen / dat wy also / we Esaias secht *Esa. 53** / dorch syne strymen vnn wunden wedder synt gesunt worden. Dußer sodaner erlosinge werde wy deelhafftich allene dorch den gelouen / dat ys / dorch eyn leuendich vortrouwent an synenn dodt / nicht dorch vnse leffte offte genochdoninge. Alse geschreuen steyt Ephe. 2. Vth gnaden syn gy salich geworden / vnn dat nicht vth jw Gades gaue yßet / nicht vth den wercken vp dat sick nemandt berome. Item Rom. 3. So holde wy dat de Mynsche rechtferdich werde ane wercke des gesettes allene dorch den gelouen. Ock spreckt Christus suluest *Ioan. 6**/ wol an my gelouet de hefft dat ewige leuent. Desgeliken Joannes de Doper. *Ioan. 3** Wol an den Szone Gades gelouet de hefft dat ewige leuent / wol den Szone ouerst nicht gelouet / de wert dat leuent nicht seen / sonder de torne Gades blifft vp oene / dat ys / desulue erlanget nicht vorgeuinge der sunden / sonder moth yn synen sunden steruen / kan ock thor gnade Gades nicht kamen / vnn moth darum ewich vorlaren wesenn. Also stellet vns Paulus Abraham vorogen / vnn vorklaret den sproke / Abraham gelouede Godt / vnn dat ys oene thor gerechticheit gerekent / dat ys / Offte Abraham wol grothe dogede vnde voele gude wercke hadde / so ys he doch darumme vor Gade nicht gerecht worden / sonder allene dardorch dat he gelouede vnn vastlick vortruwede Godt wylle oene gnedich syn vm des thogesechten Christi wyllenn.
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schuldig der ewigen Verdammnis und – kurz gesagt – »allen straffen« und Unglücksfällen »dieser welt underworffen«. Auch kann nun fortan niemand mehr »die gerechtigkait, die vor Gott giellt, … erraichen«, sondern alle – klein und groß, jung und alt – müssen im Zorn Gottes stecken und – ihrer Seligkeit beraubt – mit allen ihren Kräften und ihrem Vermögen ewig verloren sein. (4) Erlösung (Interim 3)
Von der Erlösung durch Christus. – Da nun der Mensch in dieser Weise verderbt und verloren war, auch sich selbst dabei auf keinerlei Weise helfen oder erretten konnte, wurde Gott in seiner wunderbaren Weisheit und Barmherzigkeit – ohne Zweifel aus großer Liebe, die er dennoch zu den Menschen als seiner Schöpfung trug – dazu veranlasst, sich unseres Jammers und Elends anzunehmen, und hat Jesus Christus, seinen einzigen und einziggeliebten Sohn damit betraut und gesandt. Dieser hat im Gehorsam gegen seinen Vater, um seiner Gerechtigkeit genugzutun, sich für unsere Sünde ans Kreuz schlagen und erwürgen lassen, dass wir so, wie Jesaja sagt Jes 53,5, durch seine Striemen und „Wunden wieder geheilt worden sind“. (5) Rechtfertigung aus Glauben nach der Bibel
Dieser so beschaffenen Erlösung werden wir allein durch den Glauben teilhaftig, d. h. durch ein lebendiges Vertrauen auf seinen Tod, nicht durch unsere Liebe oder Genugtuung, wie Eph 2, 8 f. geschrieben steht: „Aus Gnaden seid ihr selig geworden, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.“ Ebenso Röm 3, 28: „So halten wir dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ Auch spricht Christus selbst Joh 6, 47: „Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben.“ Desgleichen Johannes der Täufer Joh 3, 36: „Wer an den Sohn Gottes glaubt der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm“, d. h. dieser erlangt keine Vergebung der Sünden, sondern muss in seinen Sünden sterben, kann auch nicht zur Gnade Gottes kommen und muss daher ewig verloren sein. So143 stellt uns Paulus den Abraham vor Augen und erklärt das Wort [Gen 15, 6; Röm 4, 3; Gal 3, 6]: „Abraham glaubte Gott, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden“, d. h. obwohl Abraham große Tugenden und viele gute Werke aufwies, so wurde er doch nicht darum vor Gott gerecht, sondern allein dadurch, dass er glaubte und fest darauf vertraute, Gott wolle ihm wegen des verheißenen Christus gnädig sein.
143 Bis zum Ende des Absatzes in Anlehnung an Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 62, 34 – 63, 3; CR 6, 929.
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Duße geloue ys yn den gerechten fruchtbar / vnde erroget vns tho aller framicheit. Syntemal wy ock nu vordan schuldeners synt nicht dem vlesche / sunder dat wy dorch den Geyste de wercke des vlesches scholen doden. Rom. 8. Vnn moth also de geloue dorch stede ouinge an guden wercken vnn Christlike leffte yn vns waßen vnn tho nemenn. [62] Duße heylsame eynstemmige lere myt den Propheten vnn Apostelen vorwyrret vnn vorwarpet dat Interim. Vnde wyl dorch de leffte vnn gude wercke vorgeuinge der sunden vnn eyne sekere Conscientie erlangen / dat idt doch nummer nicht don wert. Also luden de worde ym tytel van der Rechtferdinge. Also kamen thosamende Christi vordenst vnn de yngegeuene gerechtiche[it] tho welkere wy vornyet werden dorch de gaue der leffte / nomlick d[e] yngegeuene gerechticheit / vp dat wy dardorch mochten gerecht vnn godtsaligen leuen yn dußer werlt / Overst dat dat vordenst Christi der gerechticheit so yn vns ys eyn orsake sy. Vnn na dem wy yn v[e]len stucken vaken strukelen vnn vallen / vnn vns van wegen vnser swackheit vnn vnuollenkamenheit vele dinge tho handen stoten vnn begeuen / de vnse herten bedrouen vnn tho vortwyuelinge bewegen mochten / dat wy in den suluen vordenste vnde duren blode Christi vns wedderum vorhalen schollenn. etc. Hyr wert des gelouens alse des leuendigen vortruwents / daruth de leffte vnn alle andere dogede entspringen / nicht gedacht Vnde redet allene van vnsem vordenst alse wercke der leffte / dewyle de vnderwylen yn vns gering sint / vnn sonst ock wol voele gebreke ynuallen / schole sulckes / welkes vnse wercke alle nicht entrichten konen (vp dat de mynsche yn vertwyuelinge nicht valle) dat vordenst Jesu Christi erstaden vnn voruullen. Darumme secht Melanthon recht / dat men van dußer yngegeuene gerechticheit (alse se idt nomen) den gelouen nicht schal vthsluthen / wente sodane leuendich vortruwent gifft vns gewißen trost / vnn erwecket yn vns de leffte / de anropinge vnn ander dogede. Gal. 2 Dat ick nu leue / leue ick dorch den gelouen an den Szone Gades / dat ys / Allent wat ick nu gudes alse eyn nye gebarne mynsche do / dat kumpt vth den gelouen / vth dußem leuendigen [63] vortruwent an Jesum Christum. Also kan nu leffte off Jenichtrost ym herten nicht syn / so duße geloue nicht dar ys. Derhaluen offt wol schone dat bock den gelouen myt vthwendigen worden de Rechtferdinge thoschrifft / so synt idt nur jdel worde den nichtes volget / sonder ys allene de schapes hut / dar dem wulue de klauwen mede bedecket werden / dat men dußer Interimisten listich vorne144 145 146
Interim 4/42. Interim 4/46. Statt nuechter (nüchtern) liest Hermannus mochten.
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Dieser Glaube erweist sich in den Gerechten als fruchtbar und bewegt uns zu aller Rechtschaffenheit. Röm 8, 12 f : „Denn wir sind fortan nicht dem Fleisch schuldig“, sondern dass wir „durch den Geist die Taten des Fleisches töten“ sollen. Und so muss der Glaube durch stetige Übung in guten Werken und christlicher Liebe in uns wachsen und zunehmen. (6) Rechtfertigung ohne Glauben nach dem Interim (Interim 4)
Das Interim verwirrt und verwirft diese heilsame, mit den Propheten und Aposteln übereinstimmende Lehre und will durch die Liebe und durch gute Werke Vergebung der Sünden und ein sicheres Gewissen erlangen, was es doch niemals erreichen wird. So lauten die Worte im Titel »Von144 der rechtfertigung«: »Also145 khomen zusamen Christi verdienst und die eingegebne gerechtigkait, zu welcher wir verneuert werden durch die gab der liebe. Nemblich die eingegebne gerechtigkait, auff das wir dardurch [Tit 2, 12] „nuechter146, gerecht und gotselig leben in dieser welt …“. Aber der verdienst Christi, das er der gerechtigkait, so in uns ist, ein ursach sey; und nachdem wir alle in vilen stückhen offt strauchen und fallen und uns von wegen unserer schwacheit und unvolkhomenheit vil ding zu handen stossen und begegnen, die unsere hertzen betrueben und zu verzweiflung bewegen mochten, das wir in demselbigen verdienst und teuren pluet Christi uns widerumb erholen sollen«. Hier wird des Glaubens als des lebendigen Vertrauens, woraus die Liebe und alle anderen Tugenden fließen, nicht gedacht und allein geredet von unserem Verdienst als von den Werken der Liebe. Weil diese in uns bisweilen spärlich sind und auch sonst wohl viele Mängel auftreten, solle das Verdienst Christi erstatten und auffüllen, was alle unsere Werke nicht leisten können (damit der Mensch nicht in Verzweiflung falle). Darum sagt Melanchthon147 mit Recht, dass man »von eingegebener Gerechtigkeit (wie sie es nennen) … den Glauben … nicht ausschließen« soll, denn ein solch lebendiges Vertrauen gibt uns gewissen Trost und erweckt in uns die Liebe, die Anrufung Gottes und andere Tugenden. Gal 2, 20: „Was ich jetzt lebe …, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes“, d. h. alles, was ich als neu geborener Mensch Gutes tue, das kommt aus dem Glauben, aus diesem lebendigen Vertrauen auf Jesus Christus. Also kann weder Liebe noch irgend ein Trost im Herzen sein, wenn dieser Glaube nicht da ist. (7) Rechtfertigung durch Werke (Interim 7)
Obschon also das Buch die Rechtfertigung mit äußeren Worten dem Glauben zuschreibt, so sind das nur leere Worte, denen nichts folgt. Vielmehr ist es allein der Schafspelz, womit dem Wolf die Klauen bedeckt 147 Bis zum Ende des Absatzes in Anlehnung an Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 62, 16–20; CR 6, 628 f.
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ment nicht mercken schole. Wente volget ym tytel van der leue vnn guden wercken / dar idt sick suluen wyder vorklaret vnn vthlecht. De leffte de dar ys dat ende des gebades vnn de vullenkamenheit des gesettes / so balde se yn de Rechtferdinge yntret / so ys se fruchtbar / vnn besluth yn sick suluest den samen aller gude wercke etc Item. Derhaluen de geloue de dorch de leffte nicht wercket / de wert nicht vor leuendich angeseen / sonder voelmer vnfruchtbar vnde dodt / also Sankt Jacobus secht / Ja voel mer de mynsche hebbe so voel gelouens also he wyl / ys de leffte nicht dar so blifft he ym dode / alse Ioannes klarlick secht. Vnn noch wyder am ende deßuluen Paragraphi: Vnn ys ock gelikewol nicht destoweyniger de geloue warafftich / dar dorch de Christen van den vngelouigen erkent werden / so voele se der Scrifft vnn wat van Godt apenbart ys gelouen geuenn / offt gelikewol de sulue geloue van der leffte vnderscheden vnn affgesondert ys. Vth dußen vorgenomden stucken ys klarlick tho vorstande / dat dyt bock den wercken der leffte de salicheit thoschrifft / anders ys idt jo tegen de natur vnde egentschop des gelouens geredet / dat de warafftich vnn recht sy / so schon de fruchte des gelouens dat ys / de leffte vnn andere dogede nicht volgen. Leret derhaluen dat de geloue nur eyne beredinge sy thor gerechticheit / vnn de geloue besta allene vnn sy vullenkamen dorch de leffte. Dat ys. de leffte sy de warafftige vnn vullenkamene gerechticheit. Vnde [64] dichtet sodanen gelouen de dar allene sy eyn wetent der geschende[n] historien / welkeren ock de duuele dorch de erfaringe hebben / vnn tzeteren den likewol dar vor / So doch vp sodanen geloue de mynsche yn der anfechtinge nicht kan bestan / edder dardorch vor Gade gerecht syn / idt sy den / dat dar ym herten sy ein leuendich vortruwent an den Szone Gades / dorch welker de mynsche sick der woldaden / vns van Christo erworuen vnn geschencket / anneme / vnn sick bestendich darup vorlathe. Summa. So dyt bock dorch guder vthlegginge konde gelindert vnn darhen geboget werden / dat idt allene (alse idt vast vthwendig secht) den gelouen / dat ys / dem leuendigen vortruwen an dat vordenst Jesu Christi / de Rechtferdinge tho geue / vnn dat vth sodanen leuendigen vortruwent alse vth einem borne alle andere dogede floten. So ys idt sick dennoch suluest entegen vnn wedderwerdich myt den anderen Articulen / yn welkeren idt der Hilligen vordenst vnn vorbede vordert / dartho
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Überschrift und Zitate bis zum Ende des Absatzes aus Interim 7/52. Bis zum Ende des Absatzes in Anlehnung an Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 63, 8–15; CR 6, 930. 149
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werden, damit man das listige Vorhaben dieser Interimisten nicht merken soll, denn es folgt im Titel »Von148 der liebe und gueten wercken«, wo es sich selbst wieder erklärt und auslegt: »Die liebe die do ist das ende des gebotts und die volkomenheit des gesetzes, so bald sie in der rechtfertigung eintritt, so ist sie fruchtbar und beschleust in sich selbs die sämen aller gueten werck« usw. Ferner [Jak 2, 17]: »Derhalben der glaub, der durch die lieb nit würcket, der wirdet nit für lebendig angesehen, sonder vilmehr unfruchtbär und todt, wie auch S. Jacob sagt. Ja vil mehr: der mentsch habe sovil glaubens als er wolle, [1Joh 3, 14] ist die lieb nit da, so bleibt er im todt, wie es Johannes clar zeuget.« Und noch einmal am Ende desselben Absatzes: »Und ist doch gleichwol nichts destweniger der glaub warhafftig, dardurch die Christen von den unglaubigen erkant werden, sovil sie der schriefft und was uns von Gott geoffenbaret ist, glauben geben. Ob gleichwol derselbig glaub von der lieb underschiden und gesondert ist.« Aus149 diesen vorgenannten Stücken ist klar zu verstehen, dass dieses Buch die Seligkeit den Werken der Liebe zuschreibt. Sonst ist es ja gegen die Natur und Eigenschaft des Glaubens geredet, dass der wahrhaftig und gerecht sei, bei dem die Früchte des Glaubens, d. h. die Liebe und andere Tugenden, gleichwohl nicht folgen. Das Buch lehrt also, dass der Glaube nur eine Vorbereitung für die Gerechtigkeit sei und dass der Glaube für sich allein bestehe und erst vollkommen werde durch die Liebe, d. h. die Liebe sei die wahrhaftige und vollkommene Gerechtigkeit; und erdichtet einen solchen Glauben, der nur ein Wissen der geschehenen Historie sei, welchen auch [Jak 2, 19] die Teufel dank ihrer Erfahrung besitzen, obwohl sie freilich davor zittern. Mit einem solchen Glauben kann der Mensch in der Anfechtung nicht bestehen oder dadurch vor Gott gerecht sein, es sei denn, dass im Herzen lebendiges Vertrauen auf den Sohn Gottes da sei, durch das der Mensch die Wohltaten, die uns von Christus erworben und geschenkt sind, sich zu Herzen nehme und sich beständig darauf verlasse. Zusammengefasst: So sehr dieses Buch durch wohlwollende Auslegung abgeschwächt und in die Richtung gebogen werden kann, dass es allein (wie es mit Nachdruck nach außen sagt) dem Glauben, d. h. dem lebendigen Vertrauen auf das Verdienst Jesu Christi die Rechtfertigung zugestehe, und dass aus solchem lebendigen Vertrauen »wie150 auß einem prunnen« alle anderen Tugenden fließen – »so151 ist es jm doch selb wiederwertig« [in sich widersprüchlich] und steht im Gegensatz zu den andern 150 Interim 7/52. – Das Interim versteht unter dem prunnen allerdings das Gottesgeschenk (donum) der Liebe. 151 So auch Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 63, 18; CR 6, 930.
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Vigilien vnn Seelmißen vor d[e] vorstoruenen. Vnde der vnnutten dingen mer. Van der Kerckenn. De kercke ys de vorsamlinge der waregelouigen / welker sonderling by dem worde vnn rechten gebruick der Sacramenten alse dußer gemene affteken / erkant werth. Vnde dewyle yn dußer kercken allene vorgeuinge der sunden ys / schal nemandt sick daruan affsonderen offte scheden / vp dat eyn jder der vorgeuinge / so yn dußer kercken offt gemene dorch dat wordt vnde gebruck des Sacramenten / alse instrumenten / angebaden wert / moge deelhafftich werdenn. Ock ys duße kercke an nener ordentlike[r] succeßion offte gewiße personen gebunden / sonder horen hyrynn[e] alle de dem Godtliken worde gehorcken / wat ordes offte landes / geborth offte standes / se syn. Vnde offt wol de ware gelo[65]uigen allene rechte ledtmate dußer kercken syn / so ys se doch hyr vp dußem erdryke also vormischet / dat hyrunder so wol valsche ledtmate alse de rechtschapene gefunden werden. Welkere wy dulden vnn liden mothen / so verne se apentliken dar nicht wedderstreuen / vnn sick suluen daruan affsniden / beth tho der arne wanner dat vnkruth van den wethen schal affgesonderth werden. Vp dat dewyle se vnsem gerichte / welkere allene van uthwendigen saken erkennen kan / nicht vnderworpen vnn apenbar sint / wy vor dat vnkruth den wethen nicht vthropenn / alse de Parabel Christi Lu. 8. tuget vnn bewiset. Ouerst men kan den likewol hyr bauen vm wideren vorstant twe kercke antogen. Thom ersten de huchelsche vnde pharisaesche / de ock den tytel der Christliken kercken voret / ouerst se schynet allene vthwendigen / vnn ys gemenlick der waren kercken Christi vyendt vnde thowedder / Gelick alse der Synagog der joden vnde oer Collegium groth vorgaff / vnn vthwendigen vor den mynschen ein ansehent hadde / wo wol dar inwendigen ym herten nen rechte erkentniße Gades offte ware Gadesdenst was / des se den ock Christo vnn den Apostelen wedderstundt vnn entlick vorfolgede / vnde dat vnder dem schyne / dat sodanes Godt gefellich moste wesen / alse Christus suluen van se betuget. Van dußer
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Interim 23/122 [Überschrift]: Von der gedechtnus der haylligen im opffer der meß und von irer fürbitt, so darin begert wirdet. Auch kürtzlich: Von anruffen der heylligen; verdienst: Interim 23/124.126. 153 Interim 26/138. 154 Interim 24/128 [Überschrift]: Von der Gedechtnus der verstorbenen in Christo; 26/138.
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(7. 8 a.b)
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Artikeln, in welchen es Verdienst152 und Fürbitte der Heiligen fordert, dazu Vigilien153 und Seelmessen154 für die Verstorbenen und dergleichen unnützen Dinge mehr. (8) Kirche (Interim 9–13) (a) Kirche aus Gläubigen und Ungläubigen
Von der Kirche. – Die155 Kirche ist die Versammlung der wahren Gläubigen, welche besonders an dem Wort und an dem rechten Gebrauch der Sakramente als den Kennzeichen dieser Gemeinde erkannt werden. Und weil es allein in dieser Kirche Vergebung der Sünde gibt, soll niemand sich von ihr absondern oder scheiden, damit ein jeder Anteil erhalten kann an der Vergebung, die in dieser Kirche oder Gemeinde durch das Wort und den Gebrauch der Sakramente als Instrumente angeboten wird. Auch ist diese Kirche an keine (rechtlich) geordnete Sukzession oder an gewisse Personen gebunden, sondern es gehören zu ihr alle, die dem göttlichen Wort gehorchen, welchem Ort oder Land, Herkommen oder Stand sie angehören. Und obwohl allein die wahren Gläubigen rechte Glieder dieser Kirche sind, so sind sie doch hier auf dieser Erde so miteinander vermischt, dass unter ihnen sowohl falsche als auch rechtschaffene Glieder gefunden werden. Diese müssen wir, soweit sie sich [der Kirche] nicht öffentlich widersetzen und sich selbst von ihr abschneiden, bis zur Ernte erdulden und erleiden, Mt 13, 24–30 wenn das Unkraut vom Weizen abgesondert werden soll, damit wir – weil sie unserem Gericht, das allein über äußere Angelegenheiten urteilen kann, nicht unterworfen sind – nicht statt des Unkrauts den Weizen ausreißen, wie die Parabel Christi bezeugt und beweist. (b) Die wahre und die heuchlerische Kirche
Aber man kann gleichwohl hier zu Beginn im gegensätzlichen Sinne zwei Kirchen156 anzeigen. Zum ersten die heuchlerische und pharisäische, die ebenfalls den Titel christliche Kirche führt. Aber sie glänzt allein nach außen und ist überall der wahren Kirche Christi feindlich und gegnerisch gesinnt, wie die Synagoge der Juden und ihr Hoher Rat lautstark [Kirche zu sein] vorgab und äußerlich vor den Menschen Ansehen besaß, wiewohl inwendig im Herzen weder rechte Gotteserkenntnis noch wahrer Gottesdienst vorhanden waren, weshalb sie denn auch Christus und den Aposteln widerstand und sie schließlich verfolgte – und dies unter dem Schein, dass solches gottgefällig sein müsste, wie Christus selbst es von ihnen bezeugt [Joh 16, 2]. Von dieser [Kirche] steht geschrieben, wie 155
Die ersten beiden Sätze in Anlehnung an Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 64, 7–14; CR 6, 931. 156 Zur Lehre von den zwei Kirchen (ecclesia vera / ecclesia hypocritica) s. Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 506–508.
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steyt geschreuen / alse Christus Mat. 15. vth den Propheten Esaia wedderhalet / dyt volck nalet sick tho my myt de¯ munde / overst oer herte ys verne van my. Ouerst by der waren Christliken kercken / de vnderwylen ein klein hupe ys / vnderwylen mannichfoldiger / ys ware erkentniße Gades / rechte handling vnn gebruck synes wordes vnn der Sacramenten / vnn ein rechtschapene Godtgefellige Gades denst / vnn entfanget ock dorch den gelouen alles wes oer van Christo vorworuen ys / also dat se Christi haluen nu hyllich vnn vnstrafflick sy / alse Paulus Eph. 5 dar van schrifft. [66] Dußer kercken hefft Godt mannige gaue gegeuen / welkere alle helpen scholen tho oerer beteringe vnn gebouwe. Manck dußen ys de gaue der vthlegginge / welker ock nicht gewißen vnn ordentliken personen gehort / alse in wertliken regimenten / sonder den allene / de duße gaue hebben. Wente nemandt schal dudinge maken na synem gefalle / sonder mothen alle vthlegginge na der Schrifft gerichtet syn vnn darmede auereinstemmen. Wente Paulus spreckt Rom. 12. Hefft jemant wyßegginge / so sy se den gelouen gelick. Item. So juw jemant eyn ander Euangelium prediget de sy vorbannet. Gal. 1. Van der gewalt des ouersten Byschopes vnde syner prerogatiua / der he sick myt vnrecht annimpt / hebben de olden nicht gewethen. Ock do darna getrachtet worde / ys idt oene van anderen Byschopen nicht gestadet / Sonder hebbent dorch lange vnn behende practike van den Keyserenn erlanget / vnde jo mer vnn mer an sick gebracht. Wert derhaluen he duße syne wr[e]uelige tyrannye succeßione Petri nicht bestedigen. Ock dat h[e] sick der beyden swerde myt recht annimpt / wert he noch lange myt dem sproke / Ecce duo gladij hic / nicht bewisen. Ouerst duße disputatio sy anderen beth eruarnen vnn gelerdernn beualen. Vam Sacramentenn ynt generall. Thom ersten synt idt losinge offte affteken / darmede de Christgelouigen van Torcken vnn Joden / vnn van allen vnnChristen scholen erkant vnn gescheyden werdenn. Also synt dorch dat teken der besnidinge de joden van anderen volckeren / alse dorch eyne sonderge losinge offt affteken affgescheden wordenn. Thom anderen synt idt nicht allene sodane losinge / sonder Sacramenta / dat ys / sodane hyllige teken de vp dat wort gegrundet syn / vnn euen
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Christus Mt 15, 8 aus dem Propheten [Jes 29,13] wiederholt: „Dies Volk naht sich mir mit dem Munde, aber ihr Herz ist fern von mir.“ Aber bei der wahren christlichen Kirche, die bisweilen nur ein kleiner Haufe ist, bisweilen auch zahlreicher, findet sich wahre Erkenntnis Gottes, richtige Behandlung und Gebrauch seines Wortes und der Sakramente, und ein rechtschaffener, Gott wohlgefälliger Gottesdienst; sie empfängt auch durch den Glauben alles, was ihr durch Christus erworben wurde, so dass sie nun wegen Christus Eph 5, 27 „heilig und untadelig“ ist, wie Paulus davon schreibt. (c) Von der Gabe der Schriftauslegung (Interim 11)
Dieser Kirche hat Gott verschiedene Gaben gegeben, welche alle zu ihrer Besserung und Erbauung helfen sollen. Unter diesen ist die Gabe der Auslegung, welche jedoch nicht gewissen157 und vorgesetzten Personen gehört wie in weltlichen Regierungen, sondern allein denen, die diese Gabe besitzen. Denn niemand soll nach seiner Willkür die Schrift deuten, sondern alle Auslegungen müssen an der Schrift ausgerichtet sein und mit ihr übereinstimmen. Denn Paulus spricht Röm 12, 6: „Hat jemand Weissagung, so sei sie dem Glauben gemäß.“ Ebenso Gal 1, 9: „Wenn euch jemand ein anderes Evangelium predigt, der sei verflucht.“ (d) Das Papsttum (Interim 13)
Von der Gewalt des »obersten158 Bischofs« und seinem Vorrang, den er zu Unrecht für sich beansprucht, haben die Alten nichts gewusst. Auch als danach getrachtet wurde, ist es ihnen von den anderen Bischöfen nicht zugestanden worden, sondern sie haben es durch langjährige und schlaue Ränke von den Kaisern erlangt und immer mehr und mehr an sich gebracht. Er [der Papst] wird deshalb diese seine frevlerische Tyrannei nicht durch eine Nachfolge Petri bestätigen können. Auch dass er sich die beiden Schwerter mit Recht aneignet, wird er noch lange nicht mit dem Spruch beweisen [Lk 22, 38]: „Siehe, hier sind zwei Schwerter.“ Aber diese Auseinandersetzung sei anderen Erfahreneren und Gelehrteren überlassen. (9) Sakrament (Interim 14)
Von den Sakramenten im allgemeinen. – Zum ersten sind sie Losungen oder Kennzeichen, womit die Christgläubigen erkannt und von Türken und Juden und von allen Unchristen unterschieden werden. Ebenso sind die Juden von anderen Völkern durch das Zeichen der Beschneidung als durch eine besondere Losung oder Kennzeichen ausgesondert worden. Zum andern sind sie nicht nur solche Losungen, sondern Sakramente, d. h. solche heiligen Zeichen, die auf das Wort gegründet sind und eben 157 158
Vgl. Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 65, 12–17; CR 6, 932. Interim 13/70.72.
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desulue thosage mede ynbringen / welker vns [67] dat wort des Euangelij belauet vnn ansecht / dat darmede vnse geloue / welker vth dem gehor des wordes kumpt / moge gestercket vnn vnse Conscientie vorsekert werdenn / vam gnedigen vnn gunstigen wyllen Gades tegen vns / Gelick alse Paulus thom Romerenn am 4. Capitel van der besnidinge vthwiset vnde leret. Darumme nomet se ock Augustinus Visibile verbum / dat wy hyr euen sehen myt den ogen de thosage vnn dat wordt / gelick wo wy idt myt den ohren yn der predige horenn. Js derhaluen nicht genoch / dat men se allene anthut vnn nomet symbola morum et teßeras societatis. dat ys. losinge der fruntschop vnde leffte vnder vns / wowol se ock solches adumbreren vnde vorderen / Sonder se synt (alse gesecht ys) vornemlick vnn ym vornemsten stucke signa gratiae / dat ys / teken de dar tugen vnde vns erynnerenn van der gnade vnde gunst Gades tegen vns / also dat he vns vm Christi wyllen tho gnadenn annimpt. Darumme se ock den gelouen vorderen / vnn mogen ane gelouen nutliken offt werdigen nicht gebruketh werdenn. Thom drudden synt idt ock alse gesecht ys allegoriae morum / dat ys gelick alse wy dorch dat wordt tho eynen nyen leuende vormanet werden / so vorderen se ock van vns / dat wy den sunden nu vort an jo mer vnde mer affsteruen scholen / vnde yn eynen nyen Christliken leuende wanderen vnde vorthuarenn. Vam Sacrament der Dope. De Dope ys dat badt der weddergebort / dat ys / darynne wy na dem beuele Jesu Christi dorch dat water vnn dem hylligen Geiste thom ewigen leuende nyes gebaren werdenn. Dußulue Dope wercket yn vns vorgeuinge der sunden / ouerst nicht dorch krafft des vthwendigen watergetendes / edder werdicheit des deners / sonder dorch de Krafft des dodes Jesu Christi / yn welkere¯ wy vth synem heten gedofft werden. Wente se betuget vns dat Jesus Christus vor vns gestoruen sy tho vorgeuinge vnser sunden / [68] Gelick alse de besnidinge Abraham betugede vnn dat wordt der th[o]sage bestetigede / dat Godt oem wolde gnedich syn vm des thogesechte[n] Christi wyllen. Werden derhaluen nicht allene myt water van dem dener gedofft / sonder ock van Christo myt den Hilligen Geiste / de darna vnse herte betuget vnde vnsen gelouen versekert / dat wy vm des steruendes Christi kynder Gades syn / we ock solckes van Christo / do he va[n] Ioanne gedofft warth de Euangelisten beschryuenn / dat de Hillige Geis[t] yn gestalt der duuen hernedder vp Christum gefaren sy / vnn ein stem[me] gehort / dyt ys myn leue Szone etc
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dieselbe Zusage mitbringen, welche uns das Wort des Evangeliums verspricht und ansagt, dass damit unser Glaube, der aus dem Hören des Wortes kommt, gestärkt und unser Gewissen von dem gnädigen und liebreichen Willen Gottes gegen uns versichert werden kann, wie es Paulus Röm 4, 11 von der Beschneidung beweist und lehrt. Darum nennt Augustinus159 sie auch »sichtbares Wort«, dass wir die Zusage und das Wort hier eben mit den Augen sehen, gleich wie wir es in der Predigt mit den Ohren hören. Es ist deshalb nicht genug, dass man sie für sich allein heranzieht und nennt sie Symbole des Handelns oder Zeichen der Gemeinschaft, d. h. Losungen der Freundschaft und Liebe unter uns, obwohl sie auch solches andeuten und fordern. Sondern sie sind, wie gesagt, vor allem und in erster Linie Zeichen der Gnade, d. h. Zeichen, die Zeugnis geben und uns erinnern an die Gnade und Gunst Gottes gegen uns, nämlich dass er uns um Christi willen zu Gnaden annimmt. Darum fordern sie auch den Glauben und können ohne Glauben weder mit Nutzen noch würdig gebraucht werden. Zum dritten sind sie auch, wie schon gesagt, Sinnbilder des Handelns, d. h. wie wir durch das Wort zu einem neuen Leben ermahnt werden, so fordern auch sie von uns, dass wir nun den Sünden fortan mehr und mehr absterben sollen und in einem neuen christlichen Leben wandern und fortfahren. (10) Taufe (Interim 15)
Vom Sakrament der Taufe. – Die Taufe ist [Tit 3, 5] „das Bad der Wiedergeburt“, d. h. darin wir nach dem Befehl Jesu Christi [Joh 3, 3.5] „durch das Wasser und den heiligen Geist“ zum ewigen Leben neu geboren werden. Dieselbe Taufe wirkt in uns Vergebung der Sünden, aber nicht durch die Kraft des äußerlichen Übergießens mit Wasser oder durch die Würdigkeit des Dieners, sondern durch die Kraft des Todes Jesu Christi, [Röm 6,3] in den wir nach seinem Geheiß hineingetauft werden. Denn sie bezeugt uns, dass Jesus Christus für uns gestorben sei zur Vergebung unserer Sünden, gleich wie die Beschneidung dem Abraham bezeugte und das Wort der Verheißung bestätigte, dass Gott ihm wegen des verheißenen Christus gnädig sein wolle. Wir werden deshalb nicht allein von dem Diener mit Wasser getauft, sondern auch von Christus mit dem heiligen Geist, der danach unserem Herzen bezeugt und unserem Glauben versichert, dass wir wegen des Sterbens Christi Kinder Gottes seien, wie auch die Evangelisten [Mt 3, 16 f.; Mk 1, 10 f.; Lk 3, 22] dieses von Christus geschrieben haben, als er von Johannes getauft wurde: dass der heilige Geist in Gestalt der Taube auf Christus herniedergekommen sei und eine Stimme gehört wurde: „Dies ist mein lieber Sohn“. 159
Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3, PL 35, 1840.
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So kamen nu hyrinne tho hope de vorgenomden dre stucke / de vorhen / ym tytel / van den Sacramenten ynt generall / angetagen sint [/] dat thom ersten de dope ein teken ys / dar ein Christen van den anderen / de nicht ledtmate der Christliken kercken synt / affgescheden wert[.] Darnegest betuget se ock / dat oene nu vordan Godt gnedich sy / dat ys [/] tho gnaden anneme vnn de sunde vorgeue vm des steruendes jesu Christi /Alse Petrus Act. 2. spreckt. Ein jder lathe sick dopen yn den name jesu tho vorgeuinge der sunden / vnde 1. Pet. 3. nomet he de dope / dat vorbundt einer guden Conscientie myt Gade / dat sick vnse Conscientie nu vordan vor Gades ordel vnn gerichte nicht darue fruchten / sonder hyr dorch gewiß ys / dat sick Godt vnser annimpt / vnn sick myt gnaden vns vorbindt vnn vorplichtet / dat de sunde scholen vergeuen wesenn. Thom drudden byldet se aff / wo de mynsche nu nyes gebarnn / den olden Adam genslick affleggen moth / vnde de sunde doden / vp dat he nu vordan alse ein ander mynsche / na der plicht yn der dope gedan / nicht den vndogeden vnde der bosheit / sonder der gerechticheit vnn framicheit nastreue vnn allene anhange / vnn sick tho dem gehorsam Gades nu gansliken begeue / dat also dat bylde Gades dar wy na geschapen woren daglikes in vns moge vornyet werden / daryn stedes waßen vnn thonemen. Alse den Paulus Rom. 6. secht: Wete gy nicht dat alle / de wy in jesum Christum gedofft synt / de synt yn synen dodt gedofft? So syn wy jo myt [69] em begrauen dorch de dope in den dodt / vp dat / gelick alse Christus vpgewecket ys van den doden / dorch de herlicheit des vaders / also schole wy ock in einem nyen leuende wanderenn. Van der Kynder Dope. Dewyle nu ock den jungen kynderen vorgeuinge der sunden vnde solckes alle vannoden ys / so geschut recht / dat de sulue dorch dat Sacrament der dope der kercken yngeliuet werden / vp dat se dersuluigen kercken goedere / alse nemlick vorgeuinge der sunden mogen erlangen / vnn der gnade Gades in Christo deelhafftich werdenn. Nach dem ouerst dat Interim den klenen kynderen de dope gestadet / so were wol nicht nodich tho dußer tidt mer daruan tho schryuen. Dennoch dewyle der Wedderdoper Secte sick dar so hart wedderlecht / wyl ick likewol dre vaste bewiß hersetten / daruth wert jderman kundich syn / dat wy recht daran don / vnn ane vorletzinge des Godtlikenn gehorsames de kynder tho dopende nicht mogen nalathen.
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So kommen nun hier die erwähnten drei Stücke zusammen, die vorhin160 unter dem Titel »Von den Sakramenten im allgemeinen« besprochen worden sind: Zum ersten, dass die Taufe ein Zeichen ist, wodurch ein Christ von anderen, die nicht Glieder der christlichen Kirche sind, unterschieden wird. Als nächstes bezeugt sie auch, dass Gott ihm nun gnädig sei, d. h. ihn aus Gnaden annehme und ihm um des Sterbens Jesu Christi willen die Sünde vergebe, wie Petrus spricht Apg 2, 38: „Ein jeder lasse sich taufen in dem Namen Jesu zur Vergebung der Sünden“ und 1Petr 3, 21161 nennt die Taufe den „Bund eines guten Gewissens mit Gott“, dass sich nun unser Gewissen fortan vor Gottes Urteil und Gericht nicht mehr fürchten darf, sondern hierdurch gewiss ist, dass Gott sich unsrer annimmt und sich aus Gnaden uns verbündet und verpflichtet, dass die Sünden vergeben sein sollen. Zum dritten bildet sie ab, wie der Mensch nun – neu geboren – den alten Adam gänzlich ablegen und die Sünde töten muss, damit er fortan als ein anderer Mensch gemäß der in der Taufe abgelegten Verpflichtung nicht den Untugenden und der Bosheit, sondern der Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit nachstrebe und allein anhange und sich nun gänzlich dem Gehorsam Gottes widme, damit also das Bild Gottes, nach dem wir geschaffen waren, täglich in uns erneuert werden möge [und wir] darin stets wachsen und zunehmen, wie nämlich Paulus sagt Röm 6, 3 f.: „Wisset ihr nicht, dass alle, die wir auf Jesus Christus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln.“ (11) Kindertaufe (Interim 15) (a) Widerlegung er Wiedertäufer
Von der Kindertaufe. – Weil nun auch den kleinen Kindern Vergebung der Sünden und dies alles nötig ist, so ist es richtig, dass diese durch das Sakrament der Taufe der Kirche einverleibt werden, damit sie die Güter dieser Kirche, wie nämlich auch Vergebung der Sünden, erlangen mögen und Anteil erhalten an der Gnade Gottes in Christus. Nachdem aber das Interim162 den kleinen Kindern die Taufe gestattet, so wäre derzeit wohl nicht nötig, mehr dazu zu schreiben. Weil nun aber die Sekte der Wiedertäufer sich hier so starr widersetzt, will ich gleichwohl drei feste Beweise hierher setzen. Daraus wird jedermann erkennen, dass wir recht daran tun und nicht ohne Verletzung des göttlichen Gebots aufhören können, die Kinder zu taufen. 160 161 162
Siehe oben (9). In der Übersetzung Bugenhagens. Interim 15/76.
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Thom ersten ys nergens in jeniger Schrifft tho bewisen / dat vorbaden sy de kynder tho dopende / Sunder wy hebben des voel mer heten / in deme dat de Here gebuth alle volcker tho dopende / des ock Christus suluen wider tho merernn bewiß sprickt / jdt ys nicht de wylle mynes vaders dat jemant van den klenen kyndernn vorlaren werde / Vnde noch duytliker myt berop der jungeren / Latet de kynder tho my kamen vnn weret oene nicht / wente sulcker ys dat hemmelrike. Vnde dewyle wy vp dat beueel Christi de kynder dem Heren thodragen / thom ersten myt unsem gebede / dat Godt se vm synes Szones wyllen tho gnaden wylle annemen / vnn darup dat teken des vorbundes (alse idt Petrus 1. Pet. 3 nomet) halen / wyl wy vngetwyuelder thouersicht holden / wy hebben recht gedan / vnde de kynder syn also gewiß van Christo gesegnet / also de / de oene Mar. 10. dorch den frouwen thogedragen wordenn. Thom anderen / gelick we vnweddersprecklick ys / dat de junge kynder bedaruen vorgeuinge der sunden / also ys ock vth [70] vorigen angetagene sproke gewislick war / dat dat ryke Gades vnde de thosagen des Euangelij den kynderen antreffende synt / Darumme schal men se dorch de dope der Christliken kerckenn ynlyuenn / dat se mogen de thosage des Euangelij / nomlick vorgeu[in]ge der sunden (welker he der Christliken kerckenn syner geleueden bruth vorworuen hefft) ock erlangen vnn deelhafftich werdenn. Darbeneuen betrefft ynt gemene junck vnn olth duße sproke Christi Ioan. 3. So jemant nicht wert nyes gebaren / so kan he yn dat ry[ke] Gades nicht kamen / vnde tuget / dat alle de dar salich wyllen werde[n] mothen andermal dorch dat water vnde den hylligen Geist gebaren werden. Jdt were ouerst ein groth elendicheit by den armen kynde[rnn] so se vor den iaren oerer vornufft nicht mochten tho gnaden angenamen werden. So se ouerst vorhen tho gnaden angenamen mogen we[r]den / vnn konen vorgeuinge der sunden erlangen / vth wat orsake sch[ol]de en gewegert werden tho rekende dat teken der anneminge / vnn des vorbundes / dat Godt myt vns vnde vnsen kynderen jn der dope (gelick we vorhen in der besnidinge) maket vnde stifftet. Thom drudden tugen de Euangelischen historien / dat de Apostel ganße gesinde gedofft hebben / dewile nu selden ein gesinde an kynderen
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(b) Kindertaufe nicht verboten, sondern befohlen
Zum ersten ist nirgends mit irgend einer [Stelle der heiligen] Schrift zu beweisen, dass es verboten sei, die Kinder zu taufen, sondern wir haben dazu vielmehr einen Befehl, indem der Herr gebot [Mt 28, 19], alle Völker zu taufen. Zum weiteren Beweis dafür spricht Christus auch wiederum selbst [Mt 18, 14]: „Es ist nicht der Wille meines Vaters, dass jemand von den kleinen Kindern verloren werde.“ Und noch deutlicher mit dem scheltenden Wort an die Jünger [Mt 19, 14; Mk 10, 14; Lk 18, 16]: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht! Denn solchen gehört das Himmelreich.“ Und weil wir auf den Befehl Christi die Kinder zum Herren tragen – vor allem – mit unserem Gebet, dass Gott sie um seines Sohnes willen zu Gnaden annehmen wolle und daraufhin das Zeichen des „Bundes“ (wie es Petrus in 1Petr 3, 21163 nennt) holen, wollen wir zuversichtlich und ohne zu zweifeln daran festhalten, dass wir daran recht getan haben und dass die Kinder ebenso gewiss von Christus gesegnet sind wie die, die Mk 10, 13–16 durch die Frauen zu ihm getragen worden sind. (c) Sündenvergebung auch bei Kindern notwendig
Zum andern, wie es unwidersprechlich wahr ist, dass die kleinen Kinder der Sündenvergebung bedürfen, so ist es auch nach dem vorhin zitierten Wort unzweifelhaft wahr, dass das Reich Gottes und die Verheißungen des Evangeliums auf die Kinder zutreffen. Darum soll man sie durch die Taufe der christlichen Kirche eingliedern, dass sie die Verheißung des Evangeliums, nämlich die Vergebung der Sünden – welche er [Christus] der christlichen Kirche, seiner geliebten Braut, erworben hat – auch erlangen und Anteil an ihr haben werden. Außerdem betreffen allgemein jung und alt diese Worte Christi Joh 3, 3.5: „So jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen“, und er bezeugt, dass alle, die selig werden wollen, müssen ein zweites Mal „durch das Wasser und den heiligen Geist geboren werden“. Es wäre aber ein großes Elend für die armen Kinder, wenn sie vor den Jahren, in denen sie zur Vernunft gelangen, nicht könnten in die Gnade aufgenommen werden. Wenn sie aber vorher in die Gnade aufgenommen und Vergebung der Sünden erlangen können: Aus welchem Grund sollte verweigert werden, ihnen das Zeichen der Annahme und des Bundes zu reichen, den Gott mit uns und unseren Kindern in der Taufe (wie vorher in der Beschneidung) schließt und stiftet. (d) Kindertaufe in der ältesten Kirche
Zum dritten bezeugen die Geschichten in den Evangelien164, dass die 163 164
Oben (10). Gemeint ist das Neue Testament.
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ys / ys der warheit gelick / dat in dußen gedofften gesinde ock kynder gewesen synt / vnde darum ock gedofft. Desgeliken tuget ein Oltueder genant Origenes / dat de Christlike kercke den gebruck de klenen kyndere tho dopende van den Apostelen entfangen hefft etc Dat ouerst de wedderdoper spreckt / de klene kynder konen nicht vorstan offt begrypen / wat men myt se handelt / konen darum ock nicht gelouen / up dat se erlangen mogen de thosage vnn den geneeth den de dope mede bringet / derhaluen ys se oen vnnodi[ch] vnn ys tho vorbeydende bet so lange dat se sulckes begripen vnde vorstan konen. Antwerde ick myt korte / vnn sette hyr [71] entegen thom ersten dat Exempel der besnedenen kynderenn / de euen so weynich vorstunden alse de vnsen / nochtans was dat vorbundt vast vnn stendich / nicht vm oerer vnwetenheit wyllen / sunder vm des thogesechten Christi wyllen / dorch welkeren se tho gnaden angenamen worden. Thom andernn / wowol se nicht vernufftiger wyse konen sulckes begrypen alse gesecht ys / so ys likewol vth velfoldigen vorgerorden orsaken apenbar / dat Godt in se wercke vnn krefftich sy / Alse ock Christus myt apentliker dadt angetoget hefft Mar. 10. darmede dat he se vp syne armen nimpt / se segent vnn benedyeth. Vth welkeren kundich genoch ys / dat he oen gunstich sy / vnn yn der dope tho gnaden anneme. Derhaluen worum wyl nu de wedderdoper de kynder van der dope wehren / de Christus suluen darhen vorderth. Edder kan offt moth Christus de jungen kynderenn nicht geuen alse he wyll / offt schal he ydt don vm oerer vornufft vnde vorstandt wyllenn. Wat wyltu wedderdoper dem Alm[echtigen] Gade antworden van dynes kyndes wegenn / dat yn so grother vahr dar vngedofft licht / vnn vollichte ane dope affsteruet. Sprickt nicht Godt van den vnbesneden kynderen / se scholen van myn volck vthgeradet werden / darum dat se myn vorbundt nagelathen hebben. Edder meinstu / dat idt Godt nicht also grothen erenst sy / myt dußer syner dope / alse idt myt der besnidinge was. Darumme schole wy vnse kynder vlytich myt den ersten thor dope senden / vp dat wy vns nicht myt em yn sodaner grother vahr vnn kummer begeuenn. Vam Sacrament des Altars. Dyt Sacrament ys yngesettet vnn geordent van Christo thom lesten affschede offte Testamente. Vnde gifft vns hyr vnder de gestalt brodes vnn
165 Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 473 zitiert im Kapitel De baptismo infantium das Zeugnis aus Origenes’ Römerbrief-Kommentar zu Röm 6, PG 14, 1047.
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Apostel ganze Gesinde getauft haben. Da nun ein Gesinde selten ohne Kinder ist, ist es wahrsacheinlich, dass bei diesen getauften Gesinden auch Kinder gewesen und darum auch getauft worden sind. Desgleichen bezeugt ein Kirchenvater, nämlich Origenes165, dass die christliche Kirche die Sitte, die kleinen Kinder zu taufen, von den Aposteln empfangen hat. (e) Widerlegung der Einwände gegen die Kindertaufe
Aber der Wiedertäufer spricht: Die kleinen Kinder können nicht verstehen oder begreifen, was man mit ihnen tut, können darum auch nicht glauben, damit sie die Verheißung erlangen und den Gewinn, den die Taufe mit sich bringt, deshalb ist diese für sie unnötig und so lange zu warten, bis sie dieses begreifen und verstehen können. Darauf antworte ich kurz und setze folgendes dagegen: Zum ersten das Beispiel der beschnittenen Kinder, die ebensowenig verstanden wie die unseren. Trotzdem war der Bund fest und beständig, nicht wegen ihrer Unwissenheit, sondern um des verheißenen Christus willen, durch welchen sie in die Gnade aufgenommen wurden. Zum zweiten, obwohl sie, wie gesagt, dieses nach Art der Vernunft nicht begreifen können, so ist gleichwohl aus den verschiedenen erwähnten Gründen offenbar, dass Gott in ihnen wirkt und kräftig ist. So hat es auch Christus in einer öffentlichen Handlung Mark 10, 13–16 damit angezeigt, dass er sie auf seine Arme nimmt, sie segnet und die Hand auflegt, woraus genug erkennbar ist, dass er ihnen günstig gesonnen ist und sie in der Taufe in die Gnade aufnehme. (f) Schlussfolgerung
Warum also will nun der Wiedertäufer den Kindern die Taufe verwehren, die Christus selbst für sie fordert? Oder kann oder darf Christus den kleinen Kindern nicht geben, was er will, oder soll er das nur tun um ihrer Vernunft und ihres Verstandes willen? Was willst du, Wiedertäufer, dem allmächtigen Gott antworten im Blick auf dein Kind, das in großer Lebensgefahr ungetauft daliegt und vielleicht ohne Taufe wegstirbt? Spricht nicht Gott [Gen 17, 14]166 von den unbeschnittenen Kindern, sie sollen „aus meinem Volk ausgerottet werden, weil sie meinen Bund verlassen haben“? Oder meinst du, dass es Gott mit dieser seiner Taufe nicht ganz so ernst sei, wie es mit der Beschneidung war? Darum sollen wir unsere Kinder ohne Zögern zuerst zur Taufe senden, damit wir uns nicht mit ihnen in so große Gefahr und Not begeben. (12) Abendmahl (Interim 18) (a) Abendmahl und Vergebung
Vom Sakrament des Altars. – Dieses Sakrament ist von Christus eingesetzt und angeordnet worden beim letzten Abschied oder Testament. Und er gibt uns hier [Mt 26, 26–28; Mk 14, 22–24; Lk 22, 19 f.; 1Kor 11, 23–25] 166
Mit Gen 17, 14 argumentiert auch Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 474.
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wynes syn egen liff vnde bloth tho ethende vnn tho drynckende / na lude syner egen wordenn. Vnn schal alhyr nicht allene enerley gestalt (wo idt genomet wert) genaten werden / sonder all beyde / na vthwisinge der ynsettinge Christi. [72] Van dußen Sacramente ys tho holdende alse bauen gemelt ys. Dat ydt nicht allene ys eyn teken edder lose der Christliken broderschop vnde enicheit / wowol idt solkes ock vordert vnn medebringet. Vornemlick ouerst alse vorgesecht ys / denet idt tho vergeuinge der sunden. Wente idt ys des wordes / welker vorgeuinge der sunden dorch dat steruent jesu Christi anbuth / warteken vnde segell. Dennoch nicht also tho vorstande / dat wy dorch sodane vthwendige ethent vnn drynckent / tamquam ex opere operato / vorgeuinge der sunden erlangen / sonder idt vordert / wo bauen gesecht ys / den gelouen / Vnde ane den gelouen konen wy idt nicht salichliken gebruken / sonder voel mer vordomliken / alse Paulus betugeth. Wente de worde der thosage (vor juw) vorderen jdele gelouige hertenn. Vnde dar Christus secht / dat doet tho myner gedechtniße / wyl he dat wy vns scholen by sodanen ethende vnn drynckende synes dodes / vor unse sunde erledenn / erynnernn / ja vastichlick holden vnde gelouen / dat wy also vasth vnn gewiß syner woldaden / de he dorch hengeuinge synes lyues yn den dodt vnn vorgetinge synes blodes vorworuen vnde erlanget hefft / deelhafftich werden / alse gewiß wy hyr vthwendigen synes lyues vnn blodes genethenn. Dat also vnse geloue gestercket / vnde vnse Conscientie vorsekert werde / hoc est vt mutua verbi et signi coherentia ducamur ad fidem. Darna werden wy hyrmede ock erynnert der Christliken broderschop vnde leffte tegen malkanderenn. Dat gelick wy nu aller woldaden Christi vnses houedes genaten hebben / vnde desulue vnse egen geworden synt / dat wy vns ock also vnsen negesten tho densthe wedderauergeuen / dat he vnser ock also genethe. Item. gelick we brodt van velen kornen / vnn wyn van velen druuen eyn liff wart / so syn wy alle ledemathe vnderanderen / dar Christus tho den vullenkamen lyue vnse houet ys / dat wy nu vordan tho vorderinge vnn hulpe dußer ledemathen vndermalkanderen / na dem gehorsam Gades [73] yn aller broderlike leffte waßen vnde thonemen scholenn. Ock scholen allhyr de Communicanten dorch erkenteniße vnde grundtlikem nadenckende der woldaden Christi / de vns hyr
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Oben (9). Oben (9). 169 Vgl. die ähnliche Argumentation bei Melanchthon in der Apologie 12, 18, BSLK 295, 4, und Loci 1535, CR 21, 477. Zur Lehre von der Wirksamkeit der Sakramente ex opere operato s. BSLK 68 Anm. 3. 168
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unter der Gestalt des Brotes und des Weines seinen eigenen Leib und sein Blut zu essen und zu trinken, wie seine eigenen Worte lauten. Und es soll hier nicht nur einerlei Gestalt (wie es genannt wird) genossen werden, sondern alle beide, wie es die Einsetzung Christi beweist. Dieses Sakrament ist, wie oben167 beschrieben, zu verstehen, dass es nicht nur ein Zeichen oder eine Losung der christlichen Bruderschaft und Einigkeit ist, obwohl es diese auch fordert und mit sich bringt. Vor allem aber dient es, wie vorhin168 gesagt, der Vergebung der Sünden. Denn es ist Wahrzeichen und Siegel des Wortes, welches Vergebung der Sünden durch das Sterben Jesu Christi anbietet. Dennoch ist dies nicht so zu verstehen, dass wir durch solches äußerliche Essen und Trinken gleichsam »durch169 das gewirkte Werk« (ex opere operato) die Vergebung der Sünden erlangen, sondern es fordert, wie oben170 gesagt wurde, den Glauben. Und ohne den Glauben können wir es nicht fromm gebrauchen, sondern vielmehr zu unserer Verdammnis, wie Paulus bezeugt [1Kor 11,29]. Denn die Worte der Zusage („für euch“) fordern nichts anderes als gläubige Herzen. Und da Christus sagt [Lk 22, 19; 1Kor 11, 24 f.]: „Das tut zu meinem Gedächtnis“, will er, dass wir uns bei diesem Essen und Trinken an seinen für unsere Sünden erlittenen Tod erinnern, ja daran festhalten und glauben, dass wir seiner Wohltaten, die er durch die Hingabe seines Leibes in den Tod und durch sein Blutvergießen erworben hat, so sicher und gewiss teilhaftig werden, so gewiss wir hier äußerlich seinen Leib und sein Blut genießen, so dass also unser Glaube gestärkt und unser Gewissen sicher gemacht werde. Dies bedeutet, dass wir durch den wechselweisen Zusammenhang des Wortes und des Zeichens zum Glauben geleitet werden sollen. (b) Das Abendmahl und der Dienst der Liebe
Danach werden wir hiermit auch an die christliche Bruderschaft und an die Liebe untereinander erinnert, dass so, wie wir nun alle Wohltaten Christi, unseres Hauptes, genossen haben und diese unser Eigentum geworden sind, so auch wir uns unserem Nächsten weiter übergeben zum Dienst an ihm, dass er ebenso uns [unseren Dienst] genieße. Ebenso: wie nämlich das Brot aus vielen Körnern und der Wein aus vielen Trauben zu einem Leib wurden, so sind wir untereinander alle Gliedmaßen, wo Christus unser Haupt ist zu dem vollkommenen Leib, so dass wir nun künftig zur Förderung und Hilfe dieser Gliedmaßen untereinander im Gehorsam gegen Gott in aller brüderlichen Liebe wachsen und zunehmen sollen. Auch sollen hier die Kommunikanten durch Erkenntnis und gründliches Nachdenken über die Wohltaten Christi, die uns hier in diesem Sakrament gezeigt und geschenkt werden, zu herzlicher Danksagung 170
Oben (9).
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yn dußem Sacrament angetoget vnde geschencket worden / tho hertzliker dancksaginge bewagen vnde gereytzet syn / vth welker orsake idt van den olden den name Eucharistia erlanget vnn gewunnen hefft. Jm Interim stan worde de vorklaringe bedaruen / Wente so spreckt idt. Dyt Sacrament hefft krafft / vns tho stercken ym geistliken gude / welke krafft neen stede vynden kan / wo de reyninge van sunden nicht vorher gan ys. Item. Jdt nemen dyt Sacrament vnwerdich / alle de dar entwedder anders van holden dan sick geborth / edder nicht warafftich boten. Hyr vth schynet dat wy thovorne / erdan wy idt werdichliken gebruken konnen / mothen gereyniget syn dorch de bote vnn vnse satisfaction. Vnde wert darmede des vorgesechten gelouens nicht gedacht / dar wy den allene dorch erlangen / wat dat Sacrament medebringet / vnde de worde (vor juw) belauen. De mynsche moth twar dorch Christlike bote wol thogerichtet tho ware erkentniße vnde berouwe der sunden kamen / vp dat he der angebadene gnade / de in dußem Sacramente getoget wert / desto begeriger werde / vnde den sunden hernamals wyder vnn vorder wedderstreuen lere / Ouverst de werdicheit kan likewol vp sodane bote nicht bestan. Wente idt bleue noch stedes ym twyuel off wy genochsam geboteth hedden / vnn konden darumme vnse Conscientie nummer styl vnn thofreden syn / welkere allene de geloue vorschaffet. Wente idt het also / Iustificati fide pacem habemus. dat ys. de wy nu dorch den gelouen gerechtferdiget syn / so hebbe wy frede myt Gade. Rom. 5. Ock meldet dat bock von der tranßubstantiatio / vnn spreckt / Szo balde de worde tho dem brode vnn wyne kamen / so wart daruth de ware liff vnn dat ware blot Christi / vnn wert de substantie des brodes vnn wynes yn den waren liff vnn blot Christi verwandelt etc [74] Duße worde geuen klarliken ane alle mate vnn linderinge tho uorstande / dat de natur brodes vnde wynes gensliken vornichte[t] vnn werde wedderum yn oer gestalt de naturlike liff Christi vnn syn bloth yngewickelt vnn gebunden naturliker wyse / so doch sodane naturalia nicht gehoren thom wesende vnde gebruck dußes Sacramentes Vth dußer tranßubstantiatio ys gefolget de affgoderie des anbedendes vnn vmbdragendes / alse dat Interim ym tytel van den Ceremonien klarlick settet / dar idt sprickt. Na dem ym
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Vgl. Melanchthon, Apologie 24, 66, BSLK 368, 26, und Loci 1535, CR 21, 477. Interim 18/88.
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bewogen und gereizt werden, aus welchem Grund es von den Alten den Namen »Eucharistie«171 erlangt und gewonnen hat. (c) Würdiger und unwürdiger Genuss
Im Interim stehen Worte, die der Erklärung bedürfen, denn es spricht so: »Diß172 sacrament hat crafft uns zu stercken in geistlichem gute, welche crafft keine stat finden kan, wo die rainigung von den sünden nit vorhergangen ist.« Ferner: »… es173 nehmen ditz sacrament unwirdig alle, die so eintweders davon anderst halten, dan sich gebürt, oder nit wharhafftig buessen.« Hiernach scheint es, dass wir, ehe denn wir es würdig gebrauchen können, gereinigt sein müssen durch die Buße und unsere Genugtuung. Und damit wird der vorhin besprochene Glaube nicht erwähnt, durch den allein wir doch erlangen, was das Sakrament mit sich bringt und die Worte „für euch“ versprechen. Der Mensch muss zwar durch die christliche Buße gut vorbereitet zu wahrer Erkenntnis und Bereuung der Sünde kommen, damit er auf die angebotene Gnade, die in diesem Sakrament gezeigt wird, desto begieriger werde und anschließend den Sünden weiterhin und künftig widerstreben lerne. Gleichwohl kann aber die Würdigkeit nicht auf solcher Buße beruhen. Denn es bliebe doch stets zweifelhaft, ob wir genügend Buße getan hätten, und unser Gewissen könnte deshalb nie still und zufrieden sein, was ihm allein der Glaube verschafft. Denn es heißt so Röm 5, 1: „Justificati fide pacem habemus“, d. h. „Die wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott.“ (d) Keine Wandlung der Substanz
Auch behandelt das Buch die Transsubstantiation und spricht: »… sobaldt174 als die wort komben zum brot und zum wein, sobaldt wirdet darauß das ware bluet und der ware leib Christi, und wirdet die substantz brots und weins in den waren leib Christi und pluet verwandlet.« Diese Worte geben klar ohne alle Mäßigung und Abschwächung zu verstehen, dass die Natur des Brotes und des Weines gänzlich vernichtet wird und dass wiederum in deren Gestalt der Leib Christi und sein Blut ihrer Natur nach eingewickelt und auf natürliche Weise gebunden werden, obwohl doch solche naturkundlichen Gegenstände nicht zum Wesen und zum Gebrauch dieses Sakraments gehören. Aus dieser Transsubstantiation folgte die Abgötterei der Hostienanbetung und des Herumtragens [in der Prozession], wie es das Interim unter der Überschrift »Von175 den Ceremonien« klar festsetzt, wo es sagt: »… nachdem176 im sacrament des altars 173 174 175 176
Interim Interim Interim Interim
18/86. 18/86. 26/134. 26/144.
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Sacrament des Altar[s] ys de ware liff vnn blot Christi so ist byllick / dat men yn dußem Sacramente Christum anbede. Item. Dat Sacrament des Altars / so dat einmal dorch dat wordt Christi consecrert ys / so blifft (off idt sch[on] ein tydtlanck beholden warth) dat Sacrament de liff vnde blot Christi / so lange dat idt genaten warth. Dytsulue wowol idt myt nener Scrifftur tho bewysende ys / so syn dar doch twe schone regule tegen tho settende. Thom ersten. Dat Christus tho nenen dynge tho byndende off tho hefftende ys / vnn yn sonderheit vp ander wise off mate / den alse he sick suluen darann g[e]henget hefft. Nu ys idt klar dat he sick hyr her gifft / na lud[e] syner egen worden / allene tho ethende vnn tho drynckende / nicht anthobedende offt vmthodragende. Thom anderen synt de Sacrament[e] allene Sacrament yn dem gebruck / alse se Christus vorordent hefft / v[nn] synt nicht van oeren rechten gebruck tho jenigen myßbruck tho wendende / Christus ouerst spreckt / Nemet hen / ethet vnn dryncket / nicht heget idt vp / edder bedet idt an etc Darumme ys idt ein groth mißbruck vnn affgoderie yn dußem stucke / den byllick alle frame Christen myt allen vlyth schouwen scholen / vnn nenerly wyß daryn bewylligenn. Bauen dyt alle ys hyr ock ein duuelscher misbruck vnn schendlick vorkeringe dußes Sacramentes / dat idt vor anderen alse leuendigenn vnde doden / applicert wert. Wente so weynich alse ein ander vor my gelouen kann / also weinich vnn voel weiniger kan he [75] hyr vor my ock vthwendigenn tho mynen besten edder framenn des lyues vnde blodes Christi geneten vnn entfangenn. Van der Absolutio. welker ys dat Sacrament der bothe. Dyt suluige Sacrament ys gegrundet vp dat beuel jesu Christi / Ioan. 20. Nemet hen den hilligen Geist / den gy de sunde vorlathen / den synt se vorlathen / vnn den gy se beholden / den synt se beholden. Item. Math. 16. Jck wyl dy des hemmelrikes slotel geuen / etc Js darumme de bicht myt de Absolution yn de gemene gensliken tho erholdende / so se Christlick gebruket wert / wente se ys eyne tuchniße / dat yn der Christliken kercken vorgeuinge der sundenn sy / Ock dat yn der muntliken predige ynt general allen vorkundiget wert / dat betreffet hyr dem bychtkynde allene / vp dat syne Conscientie desto sekerer getrostet werde. Des schall ock vorhen by deme / de de Absolutio begert
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ist der ware leib und das ware bluet Christi, so ist billich, das man in diesem sacrament Christum anbete. Item: Das sacrament des altars, so das einmal durch das wort Christi consecrirt ist, so bleibet es (ob es schon ein zeitlang behalten [aufbewahrt] würde) das sacrament der leib und bluet Christi, biß es genossen wirdet.« (e) Christi Gegenwart gemäß seinem Wort
Obwohl dieses mit keiner Stelle der Schrift zu beweisen ist, so sind da doch zwei gute Regeln dagegenzusetzen. Zum ersten, dass Christus an keinen Gegenstand zu binden oder anzuheften ist und besonders auf keine andere Weise oder Maß, als er sich selbst darangehängt hat. Nun ist es nach dem, wie seine eigenen Worte lauten, ganz klar, dass er sich hier hineingibt allein für das Essen und Trinken, nicht aber zum Anbeten oder zum Herumtragen. Zum andern, die Sakramente sind nur Sakramente in dem Gebrauch, wie sie Christus angeordnet hat, und dürfen nicht von ihrem rechten Gebrauch zu irgend einem Missbrauch umgewendet werden. Christus spricht aber: „Nehmet hin, esset und trinket!“, nicht aber: Bewahrt es auf oder betet es an. Darum ist dies in dieser Sache ein großer Missbrauch und eine Abgötterei, den alle frommen Christen zu recht mit aller Sorgfalt verabscheuen und in den sie in keiner Weise einwilligen sollen. (f) Keine Zuwendung an Lebende oder Tote (Interim 24)
Über dies alles hinaus ist es hier auch ein teuflischer Missbrauch und eine schändliche Verkehrung dieses Sakraments, dass es anderen – Lebenden und Toten – zugewandt wird177. Denn so wenig, wie ein anderer für mich glauben kann, so wenig und noch viel weniger kann er auch hier für mich von außen zu meinem Nutz und Frommen den Leib und das Blut Christi genießen und empfangen. (13) Buße und Absolution (Interim 17) (a) Absolution als Sündenvergebung
Von der Absolution, welche das Sakrament der Buße ist. – Dieses Sakrament ist gegründet auf den Befehl Jesu Christi Joh 20, 22 f.: „Nehmet hin den heiligen Geist! Denn welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Ebenso Mt 16, 19: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben“. Darum muss die Beichte mit der Absolution, wenn sie christlich geübt wird, in der Gemeinde ganz erhalten bleiben. Denn sie ist ein Zeugnis dafür, dass in der christlichen Kirche Vergebung der Sünde ist. Auch was in der mündlichen Predigt allgemein allen verkündigt wird, das betrifft hier das Beichtkind allein, damit sein Gewissen desto sicherer getröstet 177 Interim 24/128.130. – Vgl. Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 72, 1–13; CR 6, 939: Von den Seelmessen.
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ware bekentniße vnn berouwe an den sunden syn / vp dat he Gades torne vnn gericht auer den sunden erkenne / vnn also densuluigen desto vyender werde / vnde yn groterer demoth Godes gnade begere. Hyr ouerst ys de mynsche nicht tho syner egen satisfaction edder genochdonige tho wysen / sonder men moth hyr dat ander stucke der Christlicken bothe appliceren vnde reytzen / nomlick den gelouen / dat de Conscientie desto sekerer wedderum getrostet werde / vnde de Absolution myt gelouigen herten moge annemen. Darumme wert ym boke vnrecht vorgenamen / so men alhyr dußes gelouens vorswicht / vnn allene de Satisfaction rometh / alse konne dorch vnse genochdoninge de Conscientie wedderum getrostet werden vnde der vorgeuinge gewiß syn. Desgeliken de ertellinge der sunden / so se in specie schal nodich syn / wente de Prophet spreckt / Delicta quis intelligit / Item. Ab occultis munda me etc Wowol ouerst dat bock alhyr gelinde redet [76] so bedaruet idt dennoch wol vorklaringe / Wente men weth wol my[t] wat vntelliken vnn ock vndrechliken borden de Conscientien yn dussem stucke vormals beladen vnn gemartert geworden synt / dat idt nicht ys gewesenn der Conscientiae medicina sonder carnificina. Myt dußen dren Sacramenten latent vnse Theologi geno[ch] syn / wente duße hebben den beuel vnn ynsettinge Gades / vnde oen ys angehenget de thosage vorgeuinge der sunden. So men ouerst w[ol]de nicht allene Sacramenten heten / de duße thosage der vorgeuinge a[n]gehenget hebben / sonder alle ordnungen Gades / de jenige thosage hebben Sacramenta nomen / so wert men wol vele mer ertellen mogen / alse ym Interim vortekent stan. Bauen dat synt duße beyden Confirmatio vnn Unctio van mynschen erfunden vnn darthoged[an] / de doch an sick suluen affgodisch vnn ganß lasterichs synth. Van der Firminge vnde Olinge. So schrifft dat bock van dußenn. Jdt ys nicht allene den mynschen thor salicheit nodich dat he nyes gebarn sy / sonder moth ock yn guden bestediget / vnn dorch de krafft des hilligen Geistes gemeret werden / dartho den yngesettet ys dat Sacrament der Firminge. Welker sonderling goet / van den Apostelen gebruket worden ys / dat se den Samaritanen de
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Interim 17/84. Interim 17/82.84. 180 Zum ganzen Absatz vgl. Apologie 13, BSLK 291–296, und Melanchthon, Loci 1535, 469–471. 179
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werde. Dabei soll aber auch schon vorher bei dem, der die Absolution begehrt, ein wahrhaftiges Bekennen und Bereuen der Sünde geben, damit er Gottes Zorn und Gericht über die Sünden erkenne und somit diese desto mehr bekämpfe und in noch größerer Demut Gottes Gnade begehre. Hier aber ist der Mensch nicht an seine eigene Satisfaktion oder Genugtuung zu verweisen, sondern man muss hier den andern Teil der christlichen Buße anwenden und beleben, nämlich den Glauben, dass das Gewissen wiederum desto sicherer getröstet werde und die Absolution mit gläubigem Herzen annehmen kann. (b) Keine Genugtuung und keine vollständige Aufzählung der Sünden
Darum wird in dem Buch unrichtig verfahren, wenn man hier den Glauben verschweigt und allein die Genugtuung178 rühmt, als könne das Gewissen durch unsere Genugtuung wieder getröstet werden und der Vergebung gewiss sein. Das Gleiche gilt für die Aufzählung179 der Sünden, dass sie im Einzelnen nötig sein soll. Denn der Prophet spricht [Ps 19,13]: „Wer bemerkt seine Fehler?“ Und weiter: „Reinige mich von meinen verborgenen Sünden!“ Obwohl freilich das Buch hier vorsichtig redet, so bedarf es doch wohl näherer Erklärung. Denn man weiß wohl, mit welch unzähligen und unerträglichen Bürden die Gewissen früher in dieser Sache belastet und gemartert worden sind, so dass sie [die Buße] gewesen ist des Gewissens nicht Medizin, sondern Mörderin. (c) Nur drei eigentliche Sakramente
Mit180 diesen drei Sakramenten lassen es unsere Theologen genug sein, denn diese beruhen auf dem Befehl und der Einsetzung Gottes und ihnen ist die Zusage der Sündenvergebung beigefügt. Wollte man aber nicht nur das Sakramente nennen, denen diese Zusage der Vergebung beigefügt ist, sondern wollte alle Anordnungen Gottes, die überhaupt irgend eine Zusage haben, als Sakramente bezeichnen, dann wird man wohl noch viel mehr aufzählen können, als im Interim verzeichnet sind. Außerdem sind diese beiden – Firmung und Ölung – von Menschen erfunden und hinzugefügt, die an sich selbst abgöttisch und ganz lästerlich sind. (14) Firmung und Ölung (Interim 16.19) (a) Keine Bindung des heiligen Geistes an Firmung und Ölung
Von181 der Firmung und von der Ölung. – Von diesen schreibt das Buch folgendes: Es ist dem Menschen »zur182 seligkeit nit allein noth, das er widergeborn sei, sonder muß auch im guten bestettiget und durch die crafft des heylligen geists gemeret werden. Dartzu dann eingesetzt ist das 181
Zusammenfassung dieser beiden Sakramente und Kritik an der Bindung des heiligen Geistes in Anlehnung an Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 65, 24 – 66, 6; CR 6, 932 f. 182 Interim 16/78.
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hende vpleden / dar se ein sonderge krafft vth entfengen etc Vnde wyder vnn ys dyt de krafft dußes Sacramentes / dat de so hyr mede confirme[rt] werden / dese entfangen den hilligen Geist / vp dat se yn den wech der salicheit blyuen / vnn den anfechtingen des vlesches / der werlt vnn des duuels wedderstan mogen / de dener ouerst dußes Sacraments schal ein Byschop syn etc Dyt sulue werden se nummer bewisen / vnde ys darumme nenerley wiß hyrinne tho bewylligende offt anthonemende. Wente dar wert klarliken ane alle schuwe / dartho bauen alle bewiß / des [77] hylligen Geistes werckinge angebunden. Vnde were vorwar ein grothe Gades lasteringe vorthonemen dorch sodane Confirmation / alse ock dorch de leste Olynge den hilligen Geist den mynschen vththodelen / dat den luden dar dorch vorgeuinge der sunden / vnn andere gnade Gades / vnn beschuttinge wedder den duuel vnn andere vahrlicheit gegeuen worde / vnn tho salicheit lyues vnde der Seelen denen scholde. Ouerst idt ys likewol fyn dat de praelatische Byschedom syck vorbeholt dyt Sacrament tho bedenende / vnn den Euangelischen predigernn (dewyle idt oene ock nicht tamet) nenerley wyß sodanen denst gestaden offt ynrumen wyll. Do ouerst myt der Confirmation darhen gedacht vnn geraden worde / dat dat volck / sonderges dat junge volck vm bekentniß oeres gelouens [d]en se vorhen yn der dope dorch oere vadderen gedan hadden gefraget worden (alse oldinges wol geschen ys) vnn darna yn oerer Confeßion confirmert vnn tho bestendicheit vormanet worden / Deshaluen den ock Godt myt erenstliken gebede angesocht worde. So worde se byllick yn dußen gebruck nicht allene yn sick suluen goet / sonder ock der Christlichen Kerckenn wol nutlick vnde nodich wesenn. Jtem van der Olinge spreckt idt Doch vp dat de mynsche yn syner kranckheyt nicht an besonderge hulpe mangel hedde / welke yn syner vahrliken tydt entweder synen lyue mochte tho hulpe kamen / edder syne Seele sterckenn wedderde vurige [p]yle des Satans / so ys yngesettet de hyllige Olinge / dartho dat gebet der kercken kamen schal Wo men se ouerst vthdelen schal hefft Sankt Iacob angetoget am 5. Capitel Jtem. We dyt Sacrament vorachtet de vorachtet Christum suluest / vnde syne gnade / welker he vns aldar dorch duße hyllige Olynge gifft etc
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sacrament der firmung, welches sonderlich guet und von den aposteln gebraucht worden ist, das sie den Samaritanern [Apg 8, 17] die hende aufflegten, davon sie ein nutzliche crafft empfiengen«. Und weiter: Und dies ist »die183 crafft dieses sacraments, das die, so hiemit confirmirt werden, diese empfahen den heilligen geist, auff das sie in dem wege der seligkeit … beharren und den anfechtungen … des fleischs, der welt und des teufels seligclich widersteen mogen.« »Der184 diener aber dieses sacraments soll ein bischoff sein …«. Dies werden sie nie beweisen, und deswegen ist hierin auf keine Weise einzuwilligen oder es anzunehmen. Denn hier wird klar und ohne jede Scheu – wofür oben alle Beweise gegeben sind – die Wirkung des heiligen Geistes gebunden. Und es hieße wahrhaftig eine große Gotteslästerung zu begehen, durch eine solche Firmung, wie auch durch die letzte Ölung den heiligen Geist an die Menschen auszuteilen, dass den Leuten dadurch Sündenvergebung und andere Gnaden Gottes und Schutz gegen den Teufel und andere Gefahren gegeben würde und zur Seligkeit Leibes und der Seele dienen sollte. Gleicherweise ist es aber sehr hübsch, dass die hohe bischöfliche Geistlichkeit sich vorbehält, dieses Sakrament zu bedienen, und den evangelischen Predigern – weil es ihnen auch gar nicht zieme – in keinerlei Weise diesen Dienst gestatten oder einräumen will. (b) Ja zur Konfirmation als Befestigung im Bekenntnis
Wenn aber mit der Konfirmation daran gedacht und dazu geraten würde, dass das Volk – und besonders das junge Volk – so nach dem Bekenntnis ihres Glaubens, das sie damals in der Taufe durch ihre Gevattern abgelegt hatten, gefragt würden, wie dies in alter Zeit wohl geschehen ist, und dann in ihrem Bekenntnis befestigt und zur Beständigkeit ermahnt würden, auch Gott freilich mit ernstlichem Gebet darum angesucht würde, so würde sie in dieser Form wie recht und billig nicht nur an sich selber gut, sondern auch für die christliche Kirche sehr wohl nützlich und nötig sein. (c) Firmung und Ölung von Menschen erfunden
Weiter, von der Ölung spricht das Buch: »… doch185 auff das der mentsch in seiner kranckheit nit ohne besonder hilff mangel hette, welche in seiner geferlichen zeit eintweders seinem leibe mochte zu hilff komen oder sein sele stercken [Eph 6, 16] wider die feurige pfeil des satans, so ist eingesetzt die heyllig ölung, dartzu das gebet der kirchen komen solle.« »… aber186 … wie man sie außthailen solle, hat der apostel Jacobus an tag geben …« Jak 5, 14 f. Ferner: »… wer187 ditz sacrament veracht, der veracht Christum selbst und sein gnad, welche er uns durch diese heillig ölung … darreicht …«. 186 187
Interim 19/90. Interim 19/90.
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Js dyt nicht eyne erschrecklike blyntheit vnn ganßgrouwelike dristicheit / sodane grothe Gades lasteringe vnn affgoderie an eynes mynschen vunde tho byndende / vnn datsulue also tho vorheuende / dat men idt nicht allene den anderen Sacramenten / welker Christus suluest [78] geordenet hefft / vorgelikent / sonder voel merer vnn grother krafft thoschrifft / dat idt denen schole an liff vnn Seele / vnn vor alle vahrlicheit ock des lesten affschedes helpen vnn erredden kone. Hefft de koning Ez[e]chias de Ehrne slange / welker Moses dorch Gades beuele gerichtet hadde doruen affbreken / do se thom mißbruke vnn affgoderie geradde / vnde hefft recht daran gedan / Wo voel mer schal men hyr sodane vorkerde Unctiones vnde Confirmationes mynschen vunde / de nur jdel affgoderie vnn Gades lasteringe stifften / nicht lenger duldenn / sonder vorachten / vornichten vnde genslick vorwerpenn. Dat dat Bock ouerst den sproke Iacobi voret duße syne hillige Oly darmede tho bestedigende / des geschut densulfften Iacobo groth vnrecht / de van dußer Oly newerles jchteswes gedacht hefft / Sonder redet allene yn dem sproke van heginge des lyves den krancken tho bewisende / vnn Godt vor oene tho byddende / dat he moge genesen / vnn van synen sunden entleddiget werdenn. Van der Prester wyunge. Dewyle dußuluige Ceremonia gewinstes haluen tho jdelen spectaculen geraden ys / vnde men nicht voel wyder gedacht hefft / dat men nur allene vornemliken de Iuramenta Pauwestliker hillicheit anthohangen vnn by synen legenden tho blyuende / gesocht vnn gefordert hefft. So ys recht vnn byllick dat se dußes weges vorachtet vnn vorworpen wart. So ouerst duße ordinatio Christlick vnn recht geholdenn wert myt vlytigen vorhor vnn vnderricht der Ordinanden / Item myt trowliken gebede by der Ceremoni vnn Commißion des amptes na gebru[ck] der Apostelen / Vnde dat darna ein vlytich vpsehent were vp der Preste[r] lere vnn oerem leuende / So ys dußuluige Ordo nicht allene nuth / sonder der Christlichen kercken ganß nodich. Wente der wege ys mannigen schaden vnn ergernißen / de sonst anders de gemene mannichmal dreppen / vorthokamen. Jdt ys ouerst kundich genoch / wo men in dußer sake eyne tydtlanck vortuaren vnde hußgeholden hefft. [79] Vann der Ehe. De Standt der Ehe ys eyn hyllich Standt edder ordenn / van Gade suluest gestifftet / Vnde geyt wyt bauen alle geistlike Ordenn / de tho
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Ist dies nicht eine schreckliche Blindheit und eine ganz greuliche Dreistigkeit, solche große Gotteslästerung und Abgötterei an ein menschliches Fündlein zu binden und dieses so emporzuheben, dass man es nicht allein mit den anderen Sakramenten vergleicht, welche Christus selbst angeordnet hat, sondern noch viel mehr und größere Kraft zuschreibt, dass es denen für Leib und Seele dienen solle und vor aller Gefahr auch des letzten Abschieds helfen und erretten könne. Hat der König Hiskia [2Kön 18, 4] die Eherne Schlange, welche Mose [Num 21, 8] nach Gottes Befehl aufgerichtet hatte, abbrechen dürfen, als sie zum Missbrauch und zur Abgötterei führte, und daran recht getan, wie viel mehr soll man hier solche verkehrte Ölungen und Firmungen – von Menschen erfunden, die nur reine Abgötterei und Gotteslästerung stiften – nicht länger dulden, sonder verachten, vernichten und völlig verwerfen. Dass aber das Buch den Spruch des Jakobus [Jak 5, 14 f.] anführt, um diese seine heilige Ölung damit zu bestätigen – damit geschieht dem Jakobus großes Unrecht, der an diese Ölung niemals im geringsten gedacht hat, sondern in seinem Wort nur davon redet, dass dem Kranken Pflege des Leibes zu beweisen sei, dass man Gott für ihn bitten müsse, dass er genesen möge und von seinen Sünden frei werde. (15) Priesterweihe (Interim 20)
Von der Priesterweihe. – Weil diese Zeremonie wegen Gewinnsucht zu einem leeren Spektakel verkommen ist und man nicht viel weiter gedacht hat, als dass man gesucht und gefordert hat, die Eide auf seine päpstliche Heiligkeit zu beziehen und bei seinen Lügen zu bleiben, so ist es recht und billig, dass sie deswegen verachtet und verworfen wurde. Wenn188 aber diese Ordination christlich und recht gehalten wird mit ernsthafter Prüfung und Unterrichtung der Ordinanden, ebenso mit vertrauensvollem Gebet bei der Zeremonie und der Übergabe des Amtes nach der Sitte der Apostel und dass es anschließend eine sorgfältige Aufsicht gebe auf die Lehre der Priester und ihr Leben, so ist diese Ordnung nicht nur nützlich, sondern für die christliche Kirche ganz und gar notwendig. Denn auf diese Weise ist manchen Schäden und Ärgernissen zuvorzukommen, die sonst manchmal die Gemeinden treffen. Es ist aber genügend bekannt, wie man in dieser Sache eine Zeitlang verfahren ist und gewirtschaftet hat. (16) Ehe (Interim 21) (a) Die Ehe von Gott gestiftet zur Erhaltung des Menschengeschlechts und zur Vermeidung von Unzucht
Von der Ehe. – Der Stand der Ehe ist ein heiliger Stand oder Orden, der von Gott selbst gestiftet wurde, und steht weit über allen geistlichen Or188 Bis zum Ende des Absatzes vgl. Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 68, 1–8; CR 6, 934 Von der Priester Weyhung.
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groter geistlickheit dußen vorwerpen / vnn vnder de¯ schyne der kuyscheit mannige vntucht dryuen vnn vpholdenn. Jn duße¯ Standt mogen vnn scholen sick alle mynsche begeuen / idt sy den dat jemant myt der gauen ein / de Christus Mat. 19. ertelt / begauet were / dat he ane beswer dußes Standes entberen konde / vnn tho rechter kuyscheit geneget were / vnn des haluen vm hoge sake wyllen sick daryn nicht begeuen wolde. Nu toget de hillige Schrifft twe trefflike orsake an / darum ein jder sick im Ehestande vlytich vnn wyllich begeuen schal. Thom ersten tuget Moses dat Godt dorch Man vnn frouwe dat mynschlike geslecht erholden wyl / vnde des / vp dat alles behorliker wise / nicht myt schande vnn vnfledicheit na art der besten geschege / dußen Ehestandt vorordneth hebbe / dat Mann vnn frouwe ym Ehestande ehrliken (nicht yn aller wyltheit dorch horerye) / oere kynder ertheen vnn in Gades fruchten erneren scholen. Hyr van tuget Moses Gen. Waßet vnn vormeret jw. Jtem. darumme schal ener vader vnn moder vorlathenn etc De ander Orsake toget Paulus 1. Cor. 7. dar he spreckt / Vm der Horerye tho vormiden / hebbe ein jtlick syne egen frouwe / vnn eine jth[li]ke hebbe eren egen Manne. Vp dat dewyle de mynsche so ganß der vnfledicheit thogedan ys / vnde swerlick sick van sodanes wesendes bosen gedancken / worden vnn schentliken daden kan entholdenn / dat he / alse dorch eine wol thogerichtede medecin vnn vorkamen / sodanes moge vormiden / sick derhaluen yn dußen Orden offt Ehestandt schole begeuenn / daryn he alle syne bose gedancken vnn thoneginge moge bothen vnde loß syn / vnn sick allene tho synem Ehegade na Gades gefallen holden. Darumme den Godt ock eynen jderen darhen vordert myt synen sosten gebade / du schalt nicht Ehebreken / Vnde dar mede einen jderen vor Ehebrekerye vnn allerley vnreynicheit by pene syner straffe wyl gewar[80]net hebben / gelick alse ock de Epistel tho den Hebreern am 13. Capitel leret vnn vormanet / de Ehe schal ehrlick geholden werden by allen / vnde dat Ehelike bedde vnbeflecket / de horenjegers ouerst vnde de Ehebrekers wert Gott rychtenn. Dewyle den ock de prestere edder de Denere des Godtliken wordes ock mynschen syn / vnn darumme ock mannigen gebreckenn vnderworpen / scholen ouerst dennoch myt Christliken / framen vnn tucht[i]gen leuende de gemene vorgan / vnn vor aller vntucht sick in sonderheit hodenn / so ys van noden / dat se sick in Gades fruchten / dat bose tho vormiden / vnn den heten Gades genoch tho donde / yn den Ehestandt begeuenn. Vnde datsulue dußer merer Orsake / dat nicht allene nergent in der hilligen Scrifft oene de Ehe vorbaden ys / sonder voel mer gefordert wert darynn / tho sodanen hylligen stande sick thobegeuende. Wente
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den, die diesen aus übergroßer Geistlichkeit verwerfen und unter dem Schein der Keuschheit mancherlei Unzucht treiben und beherbergen. In diesen Stand können und sollen sich alle Menschen begeben, es sei denn, dass jemand mit einer der Gaben, die Christus Mt 19, 12 aufzählt, begabt wäre: dass er ohne Mühe diesen Stand entbehren kann und sich zu rechter Keuschheit hingezogen fühlte und sich deshalb um eines höheren Zweckes willen nicht in ihn eintreten wollte. Nun führt die heilige Schrift zwei schlüssige Gründe an, warum jeder sich ernst und willig in den Ehestand begeben soll. Zum ersten, Mose bezeugt, dass Gott durch Mann und Frau das menschliche Geschlecht erhalten will, und deswegen, damit alles auf gehörige Weise und nicht mit Schande und Unflat wie bei den Tieren geschehe, diesen Ehestand verordnet habe, dass Mann und Frau im Ehestand in Ehren (nicht wild durch Hurerei) ihre Kinder erziehen und in Gottesfurcht ernähren sollen. Dieses bezeugt Mose Gen 1, 28: „Wachset und mehret euch!“ Ebenso Gen 2, 24: „Darum soll einer Vater und Mutter verlassen usw.“ Den anderen Grund zieht Paulus 1Kor 7, 2 heran, wenn er spricht: „Um Hurerei zu vermeiden, habe jeder seine eigene Frau und eine jede habe ihren eigenen Mann.“ Damit der Mensch – da er ganz der Unsauberkeit zugetan ist und sich kaum solcher böser Gedanken, Worte und schändlicher Taten enthalten kann – wie durch eine wohl zubereitete Medizin und Vorbeugung solches vermeiden könne, soll er sich deshalb in diesen Orden oder Ehestand begeben, worin er alle seine bösen Gedanken und Neigungen büßen und loswerden und sich nach Gottes Willen allein zu seinem Ehegatten halten kann. Darum aber fordert Gott auch einen jeden mit seinem sechsten Gebot dazu auf [Ex 20, 14]: „Du sollst nicht ehebrechen!“ und will damit einen jeden vor Ehebruch und jeglicher Unreinheit durch Androhung seiner Strafe gewarnt haben, wie auch der Brief an die Hebräer 13, 4 lehrt und ermahnt: „Die Ehe soll in Ehren gehalten werden bei allen und das Ehebett unbefleckt. Die Hurenjäger aber und die Ehebrecher wird Gott richten.“ (b) Priesterehe
Weil jedoch auch die Priester oder die Diener des göttlichen Wortes auch Menschen und darum manchen Fehlern unterworfen sind, aber dennoch mit einem christlichen, frommen und zuchtvollen Leben der Gemeinde vorangehen und sich insbesondere vor aller Unzucht hüten sollen, so ist es nötig, dass sie sich, um in Gottesfurcht das Böse zu vermeiden und dem Gebot Gottes genug zu tun, in den Ehestand begeben. Und dies noch aus dem weiteren Grund, dass in der heiligen Schrift die Ehe nicht nur nirgendwo verboten ist, sondern vielmehr darin aufgefordert wird, sich in diesen heiligen Stand zu begeben. Denn nicht umsonst zieht Paulus heran
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vorgeues thut nicht an vnde vordert Paulus 1. Timo. 3. dar he dat wesent eines Byschopes beschrifft / dat he schal ener frouwen (ane allen twyuel ener Ehefrouwen) man syn / vnde dartho gehorsame kynder hebbenn. Darumme ys ane twyuel dat des AntiChristes vnde des leidigen Duuels ingeuent vnde lerhe / de den Presternn de Ehe vorbuth / vnde nicht Ehelick lathen wyl / Alse Paulus darvan schrifft 1. Timo. 4 Jck wyl alhyr swigen der velfoldigen vntucht / de dußer orsake allenthaluen vpgeholden werdenn. Ouerst Godt wert ane twyuel sodane vpheuinge syner Godtliken ordninge / vnn aller vntucht vnn vnfledicheit erstadinge / nicht vngestraffet lathen / sonder tho syner tidt / alse Sodoma vnde Gomorra myt helschem vure storenn vnn vordelgenn. Wowol ouerst dat Interim thom deel voel gudes vam Ehestande vorgifft / wes den gemenen Man (dem idt de Ehe gestadet) anlanget / so ys idt den likewol vnbedechtlick geredet / vnn hyrmede / in thouelligen selsamen saken dußer Ehe / jthliken personen tho nagetredenn / dar idt also spreckt. De ander egenschop der Ehe ys /dat dat pandt der Ehe einmal tusken twen tho hope gebunden / dorch nene vordor [81] [s]chedinge / sonder dorch enes deles affsteruen allene schal vnn mach gescheden vnn vpgeloset werden. Den dar Christus meldet / dat men ein wiff vm der horerye vorlathen moge / wart dorch desulue schedinge allene de bywoninge tho bedde vnn tho dysche vpgehauen / overst nicht dat pandt der Ehe entleddiget. Dat also ein jder de sick tho eyner solcker gelathen vorheyliket / alse myt enes anderen Ehewiff / den Ehebrock begeyt. Hyrup ys kortlick van Melanthon geantwordet. Dewylen dem vnschuldigen dele de ander Ehe thogelaten vnn gestadet wart / so ys idt vnrecht vnn nicht thobewilligen / dat in dußer maner der Eheschedinge allene de biwoninge tho bedde vnn tho dyssche vpgehauen werde / vnn nicht genslick dat pandt der Ehe myt den ersten geloseth. Van der Myße. Wowol dat Bock van der Myße bekennet / dat se nicht vorgeuinge der sunden vordene / so ys doch kundich / myt wo mannigen mysbruke vnde superstitions mysgeloue de Priuat myße vnn oere Ceremonien behangen vnde beladen synt / dat men se byllick vormydeth vnn schuweth. So men ouerst van den wordlin Mißa nicht haderen wyl / sonder allene van der sake reden / wowol idt byllick des Heren auenethent geheten schal werden / also men vth 1. Cor. 11. van den hilligen Paulo leren mach / So ys kundich vth der institutien Christi vnn der Apostelen gebruck / wo eine Christliche Myße moth geholden werden. Nicht Christum edder syn liff
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Interim 21/96.98. Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 68, 9–13; CR 6, 934.
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und fordert 1Tim 3, 2, wo er das Wesen eines Bischofs beschreibt, dass er der Mann einer Frau sein (ohne allen Zweifel einer Ehefrau) und dazuhin gehorsame Kinder haben soll. Darum ist es ohne Zweifel die Eingebung und Lehre des Antichrists und des leidigen Teufels, die den Priestern die Ehe verbietet und sie nicht ehelich werden lassen will, wie Paulus 1Tim 4, 3 davon schreibt. Ich will hier schweigen von der vielfältigen Unzucht, die aus diesem Grund überall besteht. Aber Gott wird ohne Zweifel diese Aufhebung seiner göttlichen Ordnung und der Gestattung aller Unzucht und Unreinheit nicht ungestraft lassen, sondern zu gegebener Zeit wie Sodom und Gomorra mit höllischem Feuere zerstören und vertilgen. (c) Lösung des Ehebandes bei Scheidung wegen Unzucht
Obwohl nun das Interim zum Teil viel Gutes vom Ehestand vorbringt, was den gemeinen Mann angeht (dem es die Ehe gestattet), so wird trotzdem unbedacht geredet und damit in besonderen Einzelfällen solcher Ehesachen einzelnen Personen zu nahe getreten, wenn es über die Ehe sagt: »Die189 ander eigenschafft ist, das das bandt der ehe, einmal zwischen zwaien zusamen verbunden, durch keine ferrer [fernere, weitere] schaidung, sonder durch des einen thails absterben allein soll und muge aufgelöst werden. Dann da Christus meldet [Mt 19, 9], das man ein weib umb der hurrerey willen lassen muge, wirdet durch dieselbige schaidung allain die beiwonung zu beth und disch auffgehaben, aber nit das bandt der ehe erlediget. Das also ein yeder, der sich zu einer solchen gelassnen [Verlassenen] verheirat, als mit eines andern eheweib den ehebruch begeet.« Hierauf hat Melanchthon190 in Kürze geantwortet: Weil beim unschuldigen Teil [Mt 19, 9] die zweite Ehe zugelassen und gestattet war, so ist es unrecht und nicht zuzulassen, dass in dieser Art der Ehescheidung allein die Gemeinschaft von Bett und Tisch aufgehoben und das Band der Ehe mit dem früheren Ehegatten nicht vollständig gelöst wird. (17) Messe (Interim 22.24) (a) Das Abendmahl nach Christi Einsetzung
Von der Messe. – Obwohl das Buch von der Messe191 bekennt, dass sie nicht die Vergebung der Sünde verdiene, so ist doch offenkundig, mit wie vielfältigem Missbrauch und Aberglauben die Privatmesse und ihre Zeremonien behangen und beladen sind, so dass man sie mit Recht vermeidet und verabscheut. Wenn man sich aber um das Wörtlein »Messe« nicht streiten, sondern allein von der Sache reden will – obwohl es richtig „Abendmahl des Herrn“ genannt werden soll, wie man aus 1Kor 11, 20 vom heiligen Paulus lernen kann – so wissen wir aus der Einsetzung 191 Interim 22/114 stellt fest, dass Sündenvergebung und Erlösung durch das unblutige Messopfer zwar nicht verdient, wohl aber zugeeignet werden.
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vnn blot Godt den vader offeren / sonder syn liff vnn blot yn dußem Sacramente ethen vnn dryncken / dat men des Herenn dodt / des enigen offers einmal van Christo suluen vor vnse sunde am Crutze geoffert / darby gedencke / synen dodt predige vnn vorkundige / vnde oene vor duße syne woldadt laue vnde dancke.Vnde dat werden rechte sacrificia offte offer syn / de wy oene vor duße syne woldadt offerenn / deshaluen idt ock van den Olden eucharistia ys genometh. [82] Vnde duße Myße schal nicht syn eyne pryuat sonder eine gemene Myße / gelick alse Paulus spreckt / dat brodt dat wy breken / ys dat nicht kinonia. dat ys. eine gemene genetinge des lyues Christi. Vnde wol also des lyues vnde blodes jesu Christi entfanget vnde nuttet / de holt sodane Myße / edder dat auentmal des Herenn / also idt Paulus nomet recht / vnangesehen he sy prester offte Leye. Js derhaluen nene Priuat Myße. dat ys. Myße ane Communicanten wedderupthorichtende / wente idt hefft nenen beuel Gades / sonder ys ganß syner ordeninge vnde ynsettinge entiegenn. Desgeliken scholen ock alle superstionßke Ceremonien vnde affgodesche gesenge by der gemenen Christliken Myße affgedan vnde vormeden werden. Desgeliken de ander bosen anhenge / vam Canon / Item anropinge der Hilligen / vnn de applicatio vor leuendigen vnn doden. Vnde thom ersten wat den Canon belanget / wyl dat Bock / dat dar nichtes yn tho veranderende sy. Ouerst he ys nenerley wyß vmme syner grothen besweringe anthonemende sonder tho vorwarpende. Wente thom ersten spreckt he / dat he offere / welker van den Szone Gades vorstan wert. vnde voret ock dat Bock voele rede der Oltuederen sodane vnformlike rede dußes offerens tho beuestigende. Vnde darynne men duße meninge des Canons io genslick vornemen kan / spreckt dat Bock duytlick / Also hefft Godt syner Kercken eyn reyne vnn heylsame offer synes lyues vnde blodes vnder de gestalt brodes vnn wynes beualen / dardorch wy ane vnderlath de gedechtniß synes dodes vornyedenn. Item. Ouerst nu offeren wy densuluenn (scilicet Christum) vnder eyne geheimniß / ock vnblodiger vnn vnlidtliker wyße etc. Wowol hyr schon ock
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Interim 26/136. Vor allem in dem Gebet Unde et memores, nach Jungmann 2, 277 dem zentralen Opfergebet der Meßliturgie, das der Wandlung unmittelbar folgt. 193
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Christi und der Sitte der Apostel, wie eine christliche Messe gehalten werden muss: nicht Christus oder seinen Leib und Blut Gott dem Vater opfern, sondern seinen Leib und sein Blut in diesem Sakrament essen und trinken, dass man dabei des Herren Tod gedenke, des einen Opfers, das von Christus selbst für unsere Sünde am Kreuz einmal geopfert wurde, seinen Tod predige und verkündige und ihn für diese seine Wohltat lobe und ihm danke. Und dies werden rechte Darbringungen oder Opfer sein, die wir ihm für diese seine Wohltat opfern, weshalb es auch von den Alten »Eucharistie« [Dankgebet] genannt wurde. Und diese Messe soll nicht eine Privatmesse, sondern eine gemeinschaftliche Messe sein, so wie Paulus spricht [1Kor 10, 16]: „Das Brot, das wir brechen, ist das nicht ,kinonia‘ d. h. ein gemeinsames Genießen des Leibes Christi?“ Und wer so den Leib und das Blut Jesu Christi empfängt und genießt, der hält eine solche Messe oder das Abendmahl des Herrn, wie Paulus es richtig nennt, unabhängig davon, ob er Priester oder Laie ist. Deshalb darf keine Privatmesse, d. h. Messo ohne Kommunikanten, wieder eingerichtet werden, denn sie beruht nicht auf einem Befehl Gottes, sondern läuft seiner Ordnung und Einsetzung direkt zuwider. Desgleichen sollen bei der gemeinschaftlichen christlichen Messe auch alle abergläubischen Zeremonien und abgöttische Gesänge abgetan und gemieden werden, desgleichen die anderen verkehrten Anhänge des Kanons, ebenso die Anrufung der Heiligen und die Zuwendung für Lebendige und Tote. (b) Die Opfermesse nach dem Interim
Und zum ersten, was den Kanon192 betrifft, so will das Buch, dass darin nichts zu verändern sei. Aber er darf wegen seiner großen Schwierigkeiten in keiner Weise angenommen, sondern muss verworfen werden. Denn erstens spricht er davon, dass er ein Opfer193 darbringe, unter welchem der Sohn Gottes verstanden wird. Auch führt das Buch viele Sätze der Kirchenväter194 an, um solche ungehörige Rede von diesem Opfer zu stützen. Und worin man diese Bedeutung des Kanons ja vollständig vernehmen kann, spricht das Buch deutlich aus: »… also195 hat Gott seiner kirchen ein raines und heilsames opffer seines leibs und pluets unter gestalt brots und weins befolhen, dardurch wir one underlaß die gedechtnus« seines Todes erneuerten. Ebenso: »Aber196 nun opfren wir denselben« (nämlich Christus) »under einer gehaimnus auch unpluetiger und unlei194 Interim 22/114.116.118 werden Irenäus, Augustinus, Ambrosius, Johannes Chrysostomus, Athanasius, Johannes Damascenus, Hieronymus und Theophylactus zitiert. 195 Interim 22/112. 196 Interim 22/114.
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vorhen vp geantwordet ys / dat de Sacramente allene in oeren gebruck Sacramente syn / vnn van oerem gebruck tho anderen Gades denste nicht scholen gewendet werden / So sy dyt dennoch ock kortlick dartho geantwordet / Dat duße [83] [o]fferinge ein enich werck ys des Szone Gades / do he sick suluen am Crutze vor vnse sunde Godt dem vader offerde. Vnn wyl nicht dat men oene auermals vnder de gestalt brodes vnn wynes offeren scholen / sonder [e]then vnn dryncken / vnn dar by dußer syner offeringe vns erynneren / vnn oene vor sodane woldadt lauen / prysenn vnde danckenn. Vnde noch auermals ys im Canon vnuorschemet geredet / dar he byddet / Godt wyl sick dat offer gefallen lathen alse Abels offer. Item dat solcke offer van synen Engelen moge gedragen werden vp synen alderho[g]esten Altar etc. vnde wert doch sulckes van Christo vorstan. Jdt ys warlick ein dristich vnde vnuorschemde vormetenheit / dat ein Mynsche [a]lhyr so kone ys / dat he vornimpt bauen alle heten Christum tho offerende / vnde dartho vor Godt tret / oene vor synen leuen Szone Jesum Christum (de der gnaden thronn / vorspreker / ja de rechte Bisschop vnn Hoprester ys / dorch welkeren Godt alle dinck sick voreiniget vnn dorch syn blot gereyniget hefft) tho bydden / he wolde oene vmme syner vorbede sick gefallen lathen / oene gnedich vnde holdt wesenn. Vnde settet sick also de arme mynsche bauen Christum / alse de syner vorbede bedarue vnde he syner gar nicht. Darbeneuen wowol dat Interim secht dat werck der Myße vordene nicht vorgeuinge der sundenn / so luydt doch likewol de Canon men holde sodan werck tho erlosinge der Seelen. Vnde men weeth leyder wol myt verluß manniger Seelen / war idt hen geraden was / dat dyt nicht allene den leuendigen / sonder ock den vorstoruenen scholde behulplick syn. Vnde ock darumme sonder talle de priuat Myßen dagelikes vm gelt tho kope vnde wolfeyl gewesenn synt. Vnn dat Bock secht duytlick. Darumme alse de Kercke thouorne der Hylligen gedacht hefft / also voret se ock yn gedechtniße de ander Christen by dem offer des Altars / van welkeren / so in waren gelouen Christi van hyr gescheyden synt / se godtsalichlick gelouet / van deme se doch [84] nicht gewiß ys off se genoch gereyniget van hyr affgescheden synt. Wowol nu duße rede vast vorblomet werden / so tuget doch de eruaringe vnn ogenschynlike bewiß
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Oben (12 e). Im Gebet Supra quae unter Bezugnahme auf Gen 4, 4; vgl. Jungmann 2, 284. – Vgl. Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 70, 5 f.; CR 6, 937. 199 Im Gebet Supplices, vgl. Jungmann 2, 287. 198
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dender weise« usw. Obwohl hierauf auch schon vorhin197 geantwortet wurde, dass die Sakramente allein in ihrem Gebrauch Sakramente sind und [losgelöst] von ihrem Gebrauch nicht für andere Gottesdienste verwendet werden sollen, so sei darauf doch in Kürze dies geantwortet, dass dieses Opfer ein einmaliges Werk des Sohnes Gottes ist, als er sich selbst am Kreuz für unsere Sünde Gott, dem Vater, opferte. Und er will nicht, dass man ihn ein zweites Mal unter der Gestalt des Brotes und Weines opfern soll, sondern essen und trinken und uns dabei dieser seiner Opferung uns erinnern und ihn für eine solche Wohltat loben, preisen und ihm danken. Und noch ein weiteres Mal wird im Kanon ohne Ehrfurcht geredet, wo er bittet: Gott198 wolle sich das Opfer gefallen lassen wie Abels Opfer. Ferner: Dass199 solche Opfer von seinen Engeln auf seinen allerhöchsten Altar getragen werden möchten. Und dabei wird dieses doch von Christus verstanden. Es ist wahrhaftig eine dreiste und unverschämte Vermessenheit, dass ein Mensch hier so kühn ist, dass er über jedes Gebot hinaus sich vornimmt, Christus zu opfern, und dazu vor Gott tritt, um ihn für seinen lieben Sohn Jesus Christus – der der Gnadenthron, Fürsprecher, ja der rechte Bischof und Hohepriester ist, durch welchen Gott alle Dinge sich versöhnt und durch sein Blut gereinigt hat – zu bitten, er wolle ihn sich um seiner Fürbitte willen gefallen lassen, ihm gnädig und hold sein. Und so setzt sich also der arme Mensch über Christus, als ob dieser seiner Fürbitte bedürfe, und er seiner gar nicht. Obwohl übrigens das Interim zwar sagt, dass200 das Werk der Messe nicht Sündenvergebung verdiene, lautet aber der Kanon doch so, dass man dieses Werk »zur201 Erlösung der Seelen« vollziehe. Und man weiß leider, wohin es zum Verderben mancher Seelen geraten war, dass dieses Werk nicht allein den Lebenden, sondern auch den Verstorbenen helfen sollte, und dass deshalb auch unzählige tägliche Privatmessen um Geld zu kaufen waren und feil gehalten worden sind. Und das Buch sagt deutlich: »Darumb202 wie die kirch zuvor der heylligen gedacht hat, also auch füret sie ein die gedechtnus der andern christen bei dem opffer des altars«, von welchen sie, wie sie im wahren Glauben an Christus von hier geschieden sind, gottselig glaubt, »von denen sie doch nit gewiß ist, ob sie gnueg gerainigt und ausgefegt von hinnen abgeschaiden seindt.« Wiewohl nun diese Rede [die Sache] reichlich bemäntelt, so bezeugt doch die Erfahrung und der augenscheinliche Beweis von der Sache, dass man ohne alle 200 201
Oben (17 a). Im Gebet Memento Domine, wo das Opfer pro redemptione animarum dargebracht
wird. 202
Interim 24/128.
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van der sake / dat me ane alle schuwent sodane Myß holt / vnde applicert se vm gelth beyde vor leuendigenn vnde dodenn. Nu ys dytsulue ein duuelscher mysbruck vnde ein gruwelick vorkeringe dußes Sacramentes / dem byllick alle Christen hertlic[k] vyendt synt. Wente dat ys klar / dat de genetinge des lyues vnn blodes Christi tho sterckinge des gelouens / des / de datsulue genuttet vnn entfanget gescheen moth / vnde tho vorsekeringe syner egen Conscientie. Also weynich alse nu jemant vor my offt enen anderen / he sy leuendich offte dodt / gelouen kann offte mach / wente (alse geschreuen steyt) we[rt] de gerechte synes gelouens (nicht dynes offt enes anderen) leuenn *Hab. 2.** also weynich kan offte schall ock jemandt anders vor my des liues vnde blodes Jesu Christi genethenn. Vth dußen voelwichtigen Orsaken ys nenerley wiß duße Gades lasteringe / affgoderye / vnde duuelscher myßbruck der Papistischen Myße wedderanupthorichtende Vam Vordenst vnde vorbede der Hylligenn. Hyr van steyt ym Boke geschreuenn. Nicht allene erhen wy de hylligen vnde dancken Godt vor se / sonder wy begeren ock dat wy dorch oere vorbede vnde vordenst yn allen dyngen dorch den schutz Godtliker dyngen mogen beuestiget werdenn. Item. Also erforderen wy nu yn dußen gelouen euen so wol der vorstoruenen Hylligen gebet / de by Godt leuen / vor vns / alse derer de noch by vns leuen / vnn spreken se an by oeren namen / dat se vor vns bydden / vnde twyuelen nicht / dat de alle dinck vormach / lichtlick kan tho wege bryngen / dat de Hilligen vnse gebet eruarenn. Jtem van oerem vordenst: Ouerst de Hilligen hebben [85] oeren vordenst dardorch se suluen salich worden synt / vnn vns tho hulpe kamen vth den lyden Christi. Item. Vth barmherticheit vnn myldicheit Gades vnn vth der gnade Christi / sint de vordenst der Hilligen nicht allene [oe]hne tho oere salicheit vorstendich / sonder ock vns thom schutz vnde Godtlike gnade tho erlangen nutlick. etc Hyr ys mercklick tho erkennen wo de wulff yn de schapes hut gewunden wert / dewyle thom schyne dat vordenst Christi der Hilligenn vordenst vorgetagen vnn dußer ein orsake gesettet werth. Overst men bedarff alhyr wol eynen vasth berededen Theologen / de hyr also [d]istincte duße rede vorklaren konde / dat dem vordenst Christi syne vulenkamene werde gegeuen worde / vnde ock likewol de Hilligen vnberouet vnde vngeplundert bleuenn. Ouerst Paulus hefft vorlangeß der
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Scheu eine solche Messe hält und sie um Geld den Lebendigen und Toten zuwendet. Nun ist dies ein teuflischer Missbrauch und eine greuliche Verkehrung dieses Sakraments, der alle Christen mit Recht von Herzen abgeneigt sind. Denn dies ist klar, dass das Genießen des Leibes und Blutes Christi zur Stärkung des Glaubens dessen geschehen muss, der sie genießt und empfängt, und zur Versicherung seines eigenen Gewissens. So wenig wie nun jemand für mich oder einen anderen, er sei lebendig oder tot, zu glauben imstande ist oder vermag – denn wie Hab 2, 4 geschrieben steht: „Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben“, nicht durch deinen oder den eines anderen – so wenig kann oder soll auch jemand anders für mich den Leib und das Blut Jesu Christi genießen. Aus diesen wichtigen Gründen darf auf keine Weise diese Gotteslästerung, Abgötterei und der teuflische Missbrauch der papistischen Messe wieder eingerichtet werden. (18) Heiligendienst (Interim 23) (a) Fürbitte der Heiligen nach dem Interim
Vom Verdienst und von der Fürbitte der Heiligen. – Hiervon steht im Buch geschrieben: »… nicht203 allain ehren wir die heilligen und dancken Gott für sie, sonder wir begeren auch, das wir durch ir fürbitt und verdienst in allen dingen durch den schutz göttlicher dingen mugen befesstigt werden …« Ferner: »Also204 erfordern wir nhun in diesem glauben ebensowol der verstorbenen heilligen gebet, die bei Gott leben, für uns, als deren, die mit uns noch im fleisch leben, und sprechen sie an mit irem namen, das sie für uns bitten, und zweifeln nit, das der, welcher alle ding vermag, leichtlich khan zuwegen bringen … , das die heilligen unser bitten erfahren.« Ebenso von ihrem Verdienst: »Aber205 die heylligen haben ire verdienst, dadurch sie selbst selig worden sein und uns zu hilff komen, auß dem leiden Christi [als dem brunnen aller seligkeit und alles verdienst geschopfft].« Weiter: »… auß206 barmhertzigkeit und miltigkeit Gottes und auß der gnad Christi seindt die verdienst der heilligen nit allein inen zu irer seligkait fürstendig [zuträglich], sonder auch uns zum schutz, und gottliche gnad zu erlangen nutzlich.« (b) Christus der alleinige Fürsprecher
Hier ist deutlich zu erkennen, wie der Wolf in den Schafspelz gesteckt wird, indem zum Schein das Verdienst Christi dem Verdienst der Heiligen vorgezogen und als deren Ursache hingestellt wird. Aber man bedarf hier wohl eines hochgebildeten Theologen, der durch spitzfindige Unterscheidungen diese Rede so erklären könnte, dass einerseits dem Verdienst Christi seine vollkommene Würde zuteil wird, und andererseits die Heiligen trotzdem unberaubt und ungeplündert bleiben. Aber Paulus hat 206
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Hilligen vordenst vmgestot vnn garthonichte gemaket / wente he sprickt / Nicht vth den werckenn / vp dat sick nemandt (ock de Hilligen nicht) berome *Eph.2**. Item. So Abraham vth den wercken gerechtferdiget ys / mach he sick wol beromen / ouerst nicht by Gade *Ro. 4**. Item. Gal. 5. So nu de Hylligen sick suluest nichtes konen vorweruen / wat geneth offt hulpe scholen se vns yn der noth togen offte vorschaffenn. Darumme besteyt dat vordenst Christi allene / dorch welkere ock allene vorworuen ys / wat wy an liff vnn Seele genethen schollenn. Js ock also vullenkamen / dat an syner vullicheit gar nichtes mangelt / vnde ys nicht nodich dat de ene bedeler tho den anderen ga / sunder nur tho dußen borne der vordensten Christi / dar wy rycklick mogen entfangen vnn genethenn. Wo scholde anders bestan / dat he allene vnse nodthelper / vorsprake / vorsoner vnn mydler by Gade were. Js derhaluen idel affgoderie wat van dem vordenste der Hilligen geleret werth. Wente vorgeues steyt nicht geschreuenn: Vleeth de affgoderie. Item. Myne erhe wyl ick nene anderenn gunnenn / vnde der gelikenn. etc [86] Also valt hyr ock euen de Hilligen anropinge vnde vorbede / des dat Bock anders nene grundt offte beter bewiß hefft / dan dat idt allene myt vorualscheder Scrifft vnde logenhafftige rede vornim[pt] auerthoredenn. Vnde spreckt. Jacob hebbe syne nakomlinge geleret / dat se syner veder name auer sick scholen anropen / welkere ock Moses myt vullen vortruwen gedan hebbe etc Men wert ouerst noch lange nicht dat bewisen / sonder geschut hyr mede den guden luden / de solckes nuwerle gedacht hebben / groth gewalt vnde vnrecht. Wente dar Moses secht Exod. 32. Gedencke an Abraham / Isaac etc erynnert he Gade allene yn dußem gebede syner thosage Abraham gedan / dat he darumme wyl gnade bewisen / dat Abrahams nakomlinge desulue thosage mogen erlangenn. Sette ick derhaluen wedder duße vorualschinge den hellen sproke Esaiae am 64. Capitel. So su nu vaˆ hemmel / vnn su heraff van dyner hylligen waninge / bistu doch vnse vader / wente Abraham wet van vns nicht / vnn jsaac kent vns nicht / ouerst du Here bist vnse vader vnn vnse verloser / van Oldinges her ys dat dyn name. Item Act. 4: Dar ys nen ander name daryn wy mogen salich werdenn. Darumme schole wy beneuen den einigen Heilandt den Szone Gades nene ander Mydler offt nothhelper stellenn. Jdt ys dennoch der ganßen
207 Der folgende Absatz in Anlehnung an Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 71,14–33; CR 6, 938. 208 Interim 23/126.128.
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schon vor langer Zeit das Verdienst der Heiligen umgestoßen und völlig vernichtet, denn er sagt Eph 2, 9: „… nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme“ (auch nicht die Heiligen). Ebenso Röm 4, 2: „Ist Abraham aus den Werken gerecht, so kann er sich wohl rühmen, aber nicht vor Gott.“ Ebenso Gal 3, 2.5. So nun die Heiligen nichts für sich selbst erwerben können, welchen Nutzen oder Hilfe sollen sie uns in der Not hervorziehen oder verschaffen? Darum besteht das Verdienst Christi für sich allein, durch das auch allein erworben ist, was wir mit Leib und Seele genießen sollen. Es ist auch in sich so vollkommen, dass an seiner Fülle gar nichts mangelt. Und es ist nicht nötig, dass der eine Bettler zu dem anderen gehe, sondern nur zu diesem Brunnen der Verdienste Christi, wo wir reichlich empfangen und genießen können. Wie sollte es denn Bestand haben, dass er allein unser Nothelfer, Fürsprecher, Versöhner und Mittler bei Gott wäre? Es ist deshalb reine Abgötterei, was von dem Verdienst der Heiligen gelehrt wird. Denn es steht nicht umsonst geschrieben [1Joh 5, 21]: Flieht die Abgötterei! Ebenso [Jes 42, 8]: Meine Ehre will ich keinem andern gönnen; und dergleichen mehr. (c) Verfälschter Schriftbeweis im Interim
So207 fällt hier genauso auch die Anrufung und Fürbitte der Heiligen, für die das Buch keine Begründung oder besseren Beweis vorlegt, als dass es mit verfälschten Schriftzitaten und lügnerischer Rede zu überreden anfängt und sagt: Jakob208 [Gen 48,16] habe »… seine nachkomen … gelernt [gelehrt], das sie … seiner vätter namen über sich ausrueffen sollen. Welches auch Moises mit vollem vertrauen gethan hat …« Aber man wird das noch lange nicht beweisen, sondern es wird damit den guten Leuten, die solches niemals gedacht haben, üble Gewalt und Unrecht angetan. Denn wenn Moses Ex 32, 13 sagt: „Gedenke an … Abraham, Isaak usw.“, so erinnert er Gott in diesem Gebet allein an seine Abraham gegebene Verheißung: dass er darum Gnade beweisen wolle, dass Abrahams Nachkommen dieselbe Verheißung erlangen möchten. Deshalb setze ich gegen diese Verfälschung den vollständigen Spruch des Jesaja 63, 15 f.: „So schau nun vom Himmel und sieh herab von deiner heiligen Wohnung … Bist du doch unser Vater; denn Abraham weiß von uns nichts und Isaak kennt uns nicht. Aber du Herr bist unser Vater, unser Erlöser. Das ist von Alters her dein Name.“ Und Apg 4, 12: Da ist „kein anderer Name, durch den wir sollen selig werden“. (d) Christus der einzige Heiland und Nothelfer
Darum209 sollen wir keine anderen Mittler oder Nothelfer neben den 209 Der folgende Absatz in Anlehnung an Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 70, 20 – 71, 4; CR 6, 937.
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werlt kundich / dat men also ganßliken dußes heylandes vnn enigen mydlers ys vor by gaenn / dat men nicht allene de Hilligen tho mydlers gemaket / sonder ock by eine¯ jderen sonderge hulpe gesocht hefft / vnn synt oene des ock sonderge denst myt vasten / vyren / Ceremonien vnn gesenge yn allen stucken angerichteth. Darwedder steyt ouerst geschreuenn Deut. 5. et alibi [87] Du schalt nene ander Gode hebben beneuen my. Item du schalt Godt dynen Heren anbeden vnn oen allene denen. Item. Rop my an (nenen anderen) vnn ick wyl dy erredden. Item / allent wat gy den vader bydden yn myne¯ namen etc Hyr wert allene Christus (an welkeren de vader allene ein wolgefallen hefft) vorgestelt vnn nemandt anders. Item / in Apocal. Ioannis capitel 20. straffet de Engel Ioannem / do he oene anbeden wolde vnde secht / Su tho vnn do idt nicht / sonder bede Godt dynen Heren ann. So nu de Engelsche natur sodaner Ehr de allene Godt gebort sick wegert / vnn darvor erschrecket / wo voel mer werden de mynschen / sonderling de Hilligen sick daruor entsetten vnde daruor gruwenn. Des thom bewiß se ock hyr ym leuende sodane Godtlike Ehre nicht erliden wolden. Alse solckes van Paulo vnn Bernaba vth den geschichten der Apostelen apenbar ys. Darumme schal sodane affgoderie by vorluß Godtliker gnadenn trowlick van jdermann geschuwet vnde vormeden werdenn. Van der gedechtniß der vorstoruenen ys vorhen bericht gegeuen ym Artikel van der Myße. Duße Artikel bestediget dat vegeuuyr / vnn gifft gelth der affgodischen Mißknechten. Vnn ys den likewol ane alle grunt der Schrifft geredet. Ouerst gelick wo de kloken Junferen vor sick Oly myt nemen / vnn ock den dullen nene delen wyllen / vp dat oere lampen nicht vorloschen / vnn myt den brudegam yngaen mogen. Also ys ock nodich dat ein ider by tiden der stemme des Euangelij gehorcke / dat he dorch synen egen gelouenn bestan moge / vp dat he nicht / dewyle he ander lude hulpe vorgeues wachtet / myt den dullen Junferenn buten geslaten werde. Vnde ys duße Artikel genslick den Artikel van der Rechtferdinge entiegen / vnde ock darumme nenerley wyß anthonemende / sunder alse unduchtich vnde affgodisch tho vorachtende.
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(18 d. 19)
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einen Heiland, den Sohn Gottes, stellen. Es ist dennoch auf der ganzen Welt bekannt, dass man an diesem Heiland und einzigen Mittler so ganz vorbeigegangen ist, dass man nicht nur die Heiligen zu Mittlern gemacht hat, sondern auch bei jedem eine besondere Hilfe gesucht hat, so dass ihnen deshalb auch besondere Dienste210 mit Fasten, Feiern, Zeremonien und Gesängen und allem, was dazugehört, eingerichtet worden. Dagegen steht aber geschrieben Dtn 5, 7 und anderwärts [Ex 20, 3]: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir!“ Ebenso [Dtn 6, 13; Mt 4, 10; Lk 4, 8]: „Du sollst Gott, deinen Herrn, anbeten und ihm allein dienen.“ Ferner [Ps 50, 15]: „Rufe mich an“ (und keinen andern) „und ich will dich erretten.“ Weiter [Joh 16, 23]: „Alles, was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen usw.“ Hier wird allein Christus (an welchem allein der Vater ein Wohlgefallen hat) vorgestellt und niemand anders. Weiter Apk 19, 10 tadelt der Engel den Johannes, da er ihn anbeten wollte, und sagt: „Sieh zu und tue es nicht“, sondern bete Gott deinen Herrn an! Wenn nun die Natur eines Engels sich gegen solche Ehrbezeugung wehrt, die allein Gott gebührt, und davor erschrickt, um wieviel mehr werden die Menschen, besonders die Heiligen, sich davor entsetzen und schaudern. Dies beweist auch, dass sie hier im Leben solche göttliche Ehre nicht dulden wollten, wie dies von Paulus und Barnabas aus der Apostelgeschichte [14, 11–18] bekannt ist. Darum soll solche Abgötterei bei Verlust der göttlichen Gnade sorgfältig von jedermann verabscheut und vermieden werden. (19) Totengedächtnis (Interim 24)
Vom Gedächtnis der Verstorbenen wurde vorhin211 im Artikel von der Messe berichtet. Dieser Artikel bestätigt das Fegefeuer und verschafft den abgöttischen Messknechten Geld und entbehrt gleichwohl allen Grundes in der Schrift. Aber gleich wie die Klugen Jungfrauen [Mt 25, 1–13] Öl mit sich führen und auch den Törichten keines mitteilen wollen, damit ihre Lampen nicht verlöschen und sie mit dem Bräutigam eingehen können, so ist es auch nötig, dass jeder beizeiten der Stimme des Evangeliums gehorche, dass er durch seinen eigenen Glauben bestehen möge, damit er nicht, während er vergebens auf anderer Leute Hilfe wartet, mit den Törichten Jungfrauen ausgeschlossen werde. Und so steht dieser Artikel in direktem Widerspruch zum Artikel von der Rechtfertigung und ist auch deshalb auf keine Weise anzunehmen, sondern als unnütz und abgöttisch zu verwerfen.
210 211
Zum Heiligendienst s. auch Interim 26/138. Oben (17 b).
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[88] Van den Ceremonienn des Bokes. Van der dope holde ick ydt sy vnnodich de stucke (alse dar synt Chrisma Oly etc etc welker tho syner vullenkamenheit nichtes don / ock sonderges nene krafft offt vordeel der dope geuenn / sunder nur voel misgelouens by den Aluerenn volcke schaffenn) tho gebrukende / sonder rade voel mer / dewyle se doch ock sonst affgedan synt / vm mannigen Mynschen nicht thovorwirrende / natholathenn / vnde nicht wedderan nyes vpthorichten. Van der Myße ys schon geantwordet / dat de sulue ane Communicanten nycht ys tho holdennde / Desgeliken ys de Canon vnde andere mysbruke natholathende / Wente men schal allene na der Institution Christi vortuaren. Pryse ouerst dat men de lude thoreytze vnde lere dat Auentmal des Heren vaken tho holdende / vm de achte dage offte veerteyne / edder thor mante / darna alse ein prediger syn volck darhen dorch Christlick vnderricht hen bringen kan. Vnde ys nenerley wyß jemandt dartho tho engende. Wo men de anderen Sacramente gebruken schole ys genochsam vorhen angetoget / dar ick idt by blyuen lathe. Dat / van wedderanrichtinge der fahnen / Crutze / bylden etc dewyle se sondergen nuth nicht medebringen / sonder voel mißgelouens / vnde ock wol tho voelen vnlusten orsake geuen / rade ick desulue ock natholathenn. So doch ane gelickheit / nicht allene dußer / sonder ock nodiger stucke vnde Ceremonien / de enicheit der Christliken kercken kann (vnde hefft vakenn) bestann / Wyl men myt der Prester kleder etwas voranderen vnde vergeliken / so verne idt tho goder ordninge denet / mach tho erkentniße eyner guden Reformatien stann. Vam gesange ys schon gesecht / dat men nicht annemen kann / dat de anropinge vnde vorbede der Hilligen nuth stifftet. Vnde vor de Horas ys voel nutter de Bybel sonst edder ander Godtlicke Schrifft myt vorstande gelesenn vnde betrachtet. [89] Wat den Vigilien vnn Szelmißen anlanget kan ick nichtes annemen / dan allene wat den Ehrliken gebruck der begreffniß anlanget /
28 nuth Kj Riemann, fehlt B 29 edder sonst Kj Riemann; sonst edder B 212 213 214 215 216
Interim 26/134. Oben (17 a); vgl. Interim 25/134. Interim 26/136. Interim 25/134. Oben (13).
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(20 a.b.c)
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(20) Zeremonien (Interim 26) (a) Zeremonien bei Taufe und Messe
Von den Zeremonien des Buches. – Bei der Taufe212 halte ich es für unnötig, die Stücke wie etwa das Chrisma, das Öl usw. zu gebrauchen, welche zu ihrer Vollständigkeit nichts beitragen, auch der Taufe keine besondere Kraft oder einen Vorteil verschaffen, sondern nur bei dem einfältigen Volk viel Aberglauben erzeugen, sondern ich rate vielmehr, weil sie doch auch sonst abgeschafft sind, sie wegzulassen und nicht wieder neu einzurichten, um nicht manche Menschen zu verwirren. Bei der Messe213 wurde schon beantwortet, dass sie ohne Kommunikanten nicht gehalten werden darf. Desgleichen sind der Kanon214 und andere Missbräuche wegzulassen, denn man soll allein nach der Einsetzung Christi verfahren. Ich lobe es aber, dass man die Leute anreize215 und sie lehre, das Abendmahl oft zu nehmen, etwa alle acht oder vierzehn Tage oder monatlich, je nachdem wohin ein Prediger seine Gemeinde durch christlichen Unterricht bringen kann. Und es gibt keinerlei Weise, jemanden dazu zu zwingen. Wie man die anderen Sakramente gebrauchen soll, wurde vorhin216 ausreichend dargestellt, womit ich es bewenden lasse. (b) Fahnen, Bilder, Gewänder
Weil die Wiedereinführung der Fahnen217, Kreuze, Bilder usw. keinen besonderen Nutzen mit sich bringt, sondern zu viel Aberglauben und auch zu vielem Verdruss Anlass gibt, so rate ich, sie ebenfalls wegzulassen, da doch die Einheit der christlichen Kirche auch ohne Gleichheit dieser und noch nötigerer Stücke und Zeremonien bestehen kann und oft genug bestand. Will man bei der Priesterkleidung218 etwas ändern und angleichen, soweit es einer guten Ordnung dient, mag dies der Erkenntnis einer guten Reformation [Kirchenordnung] überlassen bleiben. (c) Nebengottesdienste und Feste
Vom Gesang219 wurde schon gesagt220, dass man nichts annehmen kann, was zur Anrufung und Fürbitte der Heiligen beiträgt. Und statt der Horen ist es viel fruchtbarer, dass die Bibel oder eine andere geistliche Schrift221 verständlich vorgelesen und betrachtet wird. Was die Vigilien222 und Seelmessen angeht, kann ich nichts bejahen außer allein das, was die Sitte eines ehrlichen Begräbnisses angeht und 217 218 219 220 221 222
Interim 26/136. Interim 26/136. Interim 26/136.138. Oben (18 d). Gemeint ist wohl eine Predigt aus einer Postille. Interim 26/138.
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Welkere yn einer guden Reformatienn mach geordenet werdenn. Desgelikenn van den Festen. Dewyle der Patronen Fest vast vergeten synt / vnn ock nur thom swalge worden wedderangerichtet werden / ys wol nodich de sulue natholathenn. Nicht allene bedewekenn sonder ock bedemantenn / wen se Christlick geschegen / alse vortidenn / scholden byllick geholdenn werdenn. Item de rechte Litania / welker ys eyn Christlick gemene gebeth / allene tho Godt den Herenn / ys nenerleywiß natholathende. Ouerst de huchelschen bedeldage / vnde de affgodesche Litania myt der proceßion ys nicht anthonemende. Wat idt ouerst secht van den gewonliken solemniteten der kercken / Item / van beredende dorch seginge dat water der dope / Item van anderen segenenden vnde benediunge etc. Dewyle solckes alle nicht allene vnrecht vnn vnnodich ys / sonder darbeneuenn ock vele superstitiones vnn misgelouens / vnde by jtliken schympe vnn lachenth / ock vellichte grote vnrouwe vnde vnlust schaffet. datsulue ys nicht anthonemende. Ock holde ick dat idt ane nodt sy / sonder vellichte der Conscientie schedtlick / de entholdinge jtliker spyse tho sonnigen tydenn myt gebade wedderanthorichtende. Wente ein jder Christ wert sick suluen wol wethen tho richten / ock onderwylen de nodt wol lerhen / wat oene thor spise tho sonnigen tydenn mach offte kan denenn. Vnde ys dyt wol ein slichte vnn geringe sake / so men de lere vam vnderschede / Item vam rechten Gades denst nicht vorloschen leth / wente so steit geschreuen *Coll. 2.** Nemo vos iudicet in cibo aut potu etc. Item *Gall. 5.** In libertate in qua vos vocauit Christus state et iugo etc. Item Non est regnum dei cibus ac potus etc. Rom. 14. Van der Prester Ehe / vnn van beyder gestalt de Sacramentes kan men nichtes nageuenn. [90] Vam anbeden Christi ym Sacramente / Item deßulfftenn vmdragende yn der Proceßionn hebbe ick vorhen mynen bericht gedann.
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Interim 26/138. Interim 26/138. Interim 26/140.
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durch eine gute Reformation [Kirchenordnung] geordnet werden kann. Das Gleiche gilt von den Festen223. Weil die Patronatsfeste224 fast vergessen sind und auch nur als Gelegenheit zur Schwelgerei wieder eingeführt werden würden, ist es nötig, auf sie zu verzichten. Nicht nur Betwochen225, sondern auch Betmonate sollten gebührend stattfinden, wenn sie wie früher auf christliche Weise gehalten werden. Auch die rechte Litanei, die ein Gebet der christlichen Gemeinde allein an Gott den Herrn ist, darf keinesfalls weggelassen werden. Aber die heuchlerischen Betteltage und die götzendienerische Litanei bei der Prozession ist nicht zu dulden. Was es [das Buch] aber von den gebräuchlichen Solemnitäten226 [Festen] der Kirche sagt, ferner von der Bereitung des Taufwassers durch Segnung, dazu von anderen Segnungen und Benedeiungen, darf nicht angenommen werden, weil dies alles nicht nur verkehrt und unnötig ist, sondern außerdem auch viel Aberglauben und Irrglauben, bei etlichen Leuten Schelten und Gelächter und vielleicht auch große Unruhe und Missmut schafft. (d) Fasten
Auch meine ich, dass es nicht nötig sei, sondern vielleicht sogar dem Gewissen schädlich, durch ein Gebot die Enthaltung227 von einigen Speisen zu besonderen Zeiten wieder einzurichten. Denn jeder Christ wird selbst wohl wissen, wonach er sich zu richten hat, auch kann wohl bisweilen die Not lehren, was einem zu besonderen Zeiten als Speise dienen mag und kann. Und dies ist wohl eine schlichte und leichte Streitfrage, wenn man die Lehre vom Unterschied [der Speisen] und vom rechten Gottesdienst nicht verlöschen lässt. Denn so steht geschrieben Kol 2, 16: „Niemand beurteile euch wegen Speise oder Trank“. Ebenso Gal 5, 1: „Zur Freiheit hat euch Christus befreit. So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch [der Knechtschaft auflegen].“ Weiter Röm 14, 17: „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken“. (e) Zugeständnisse des Interim: Priesterehe und Abendmahl in beiderlei Gestalt
Bei der Priesterehe228 und bei beiderlei Gestalt des Altarsakraments kann man in nichts nachgeben. Vom Anbeten Christi im Sakrament229 und von dessen Herumtragen bei der Prozession habe ich oben schon berichtet. 226 227 228 229
Interim Interim Interim Interim
26/140. 26/140. 26/142. 26/144; oben (12 d. e).
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Summa. De Ceremonien scholen helpen de gemene bouwen vnde beterenn / vnde vm guder ordeninge geholden werden / Edder idt ys nicht nodich de sulue anthorichtende vnde tho holdende. Conclusio. dat ys. Endtlick besluth. Dewyle den dat Interim so mannigenn Erdom an sick hefft / vnde der lere Christi / der Propheten vnn Apostelen entiegen ys / kan offte wyll ick darynn nicht bewilligen edder dat sulue annemenn. Sonder gedencke vnde vorhape dorch de hulpe des Almechtigen Gades by der reynen lere des Euangelij bestendich tho blyuenn. Dartho bewegen my de geweldigen sproke Christi vnde syner leuen Apostelenn. Wente Christus vnse leue Here spreckt suluen. *Mat. 10** Wol my bekent vor den Mynschen / den wyl ick bekennen vor mynen hemmelschen vader / vnde wol myner vorsaket etc Vnde de Apostel Paulus *Gal. 1.** So eyn Engel vam Hemmel juw dat Euangelium anders prediget / den alse ick idt juw geprediget hebbe / de sy vorfloket. Vnde auermals 1. Corinth. 16. So jemant den Jesum nicht leff hefft / de sy anathema. Wen Ick nu also dorch Gades hulpe bestendich blyue / vnn de Duuel myt syne geledernn darauer thornen wyl / so kan Godt de Vader dorch Christum (welker syt thor rechteren handt Gades vnde hefft macht ym hemmel vnde vp erdenn dorch welkeren ick vnde alle gelouigen ock schon vth des Duuels ryke vnn tyrannye gefryet byn) ock gnedichlick vth syner handt erreddenn. Gelick wo he fryede vnde erreddede wunderbarliker wyse de dre jungen Danielis vth den gloyendigen auenn / den Nebucadnezar thogerichtet hadde / tho vorbarnen alle de syn gegaten bylde vnn affgodt nicht anbeden woldenn. So ouerst Gade sulckes nicht [91] gefalt / vnde moth darauer des duuels vnde der bosen mynschen vyendtschop erfarenn / so ys dyt myn gewiße trost / dat de duuel synt vordomet / vnn de Mynschen mothen steruen / dat also myn lycham allene van oenen mach ein tydtlanck geseriget werdenn / de Szele wert my in Christo ewich erholden blyuenn. So ick ouerst de warheit jemandes tho gefalle worde vorlochenn / so hedde ick Godt / alle leue Engele vnn Hylligen tho vyende / welkerer thorne vnn vientschop ewichlick waret / vnn beyde an liff vnn Szele thom ewigen vordarue schaden worde / dar my vnn alle frame Christen Godt gnedichlick wyl vorbehodenn. So ick den vellichte darumme mothe wykenn vnde dat landt rumen / so troste ick my der hylligen Schrifft / wente so steyt geschreuenn Psal. 24. De erde ys des Heren vnn allent wat dar yn ys. So yck ouerst darumme mothe steruenn / so trostet my vnse Here Jesus Christus myt syner thosage. Mat. 10. Wol syn leuent vorlust vm mynent wyllen / de wert idt vyndenn. Vnde auermals / Io. 14. Jn mynes vaders 20 erdenn Kj erdenn) B
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(f) Grundsatz
Zusammenfassung: Die Zeremonien sollen die Gemeinde erbauen und bessern helfen und um guter Ordnung willen gehalten werden. Andernfalls ist es nicht nötig, sie einzurichten und zu halten. (21) Ergebnis
Conclusio, d. h. abschließendes Urteil Weil aber das Interim so manchen Irrtum in sich trägt und der Lehre Christi, der Propheten und der Apostel zuwiderläuft, kann oder will ich nicht darein einwilligen oder es annehmen, sondern denke und hoffe, durch die Hilfe des allmächtigen Gottes fest bei der reinen Lehre des Evangeliums zu bleiben. Dazu bewegen mich die kraftvollen Worte Christi und seiner lieben Apostel. Denn Christus, unser lieber Herr, spricht selbst Mt 10, 32 f.: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Und wer mich verleugnet usw.“ Und der Apostel Paulus Gal 1,8: „Wenn ein Engel vom Himmel euch das Evangelium anders predigt, als ich es euch gepredigt habe, der sei verflucht.“ Und noch einmal 1Kor 16, 22: „Wenn aber jemand Jesus nicht lieb hat, der sei verflucht.“ Wenn ich nun also mit Gottes Hilfe darauf [und auf der Ablehnung des Interim] beharre und der Teufel mit seinen Gliedern darüber zürnen will, so kann mich Gott, der Vater, durch Christus (der zur rechten Hand Gottes sitzt und Macht hat im Himmel und auf Erden, durch den ich mit allen Gläubigen schon aus des Teufels Reich und Tyrannei befreit bin) auch gnädig aus seiner Hand erretten, wie er in wunderbarer Weise [Dan 3] die drei jungen Männer Daniels befreite und errettete aus dem glühenden Ofen, den Nebukadnezear errichtet hatte, um alle zu verbrennen, die sein gegossenes Bild, seinen Abgott, nicht anbeten wollten. Wenn dies aber Gott nicht gefällt und ich darum die Feindschaft des Teufels und der bösen Menschen erfahren muss, so ist dies mein gewisser Trost, dass die Teufel verdammt sind und die Menschen sterben müssen, so dass also nur mein Leib eine begrenzte Zeit von ihnen verwundet werden kann, die Seele mir aber in Christus ewig erhalten bleiben wird. Wenn ich aber um jemand zu gefallen, die Wahrheit verleugnen würde, so hätte ich Gott und alle lieben Engel und Heilige gegen mich, deren Zorn und Gegnerschaft ewig währt und mir sowohl am Leib als auch an der Seele zum ewigen Verderben schaden würde, wovor Gott mich und alle frommen Christen gnädiglich behüten wolle. Wenn ich denn darum weichen und das Land räumen müsste, tröste ich mich mit der heiligen Schrift; denn so steht geschrieben Ps 24, 1: „Die Erde ist des Herrn und alles, was darinnen ist.“ Wenn ich aber deshalb sterben müsste, so tröstet mich unser Herr Jesus Christus mit seiner Verheißung Mt 10, 39: „Wer sein Leben verliert um
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07. Iko Mensen (Honsdeep, St. Joost)
huse synt voele waninge etc Wyl my ock als den myt den leuen Apostelen vorfrouwenn / dat ick werdich gefunden byn / vm des namen Jesu Christi tho lydende. Dartho Godt de Vader / dorch de krafft des hylligen Geistes / vmb synes Szones wyllen Jesu Christi my vnde alle gelouigen stedes wyl bereyt makenn vnn vynden lathenn. Amenn Domine adauge nobis fidem. Besluth rede an Oere gnadenn. Hyrmede wolde ick na erforderinge juwer gnaden yn gehorsamliker vnderdenicheit vpt korteste bekenteniße mynes gelouens / vnde der lerhe / de jck by juwer gnaden vnderdanen / na vthwysinge mynes denstes / vorhe getoget hebben / vnde ock bericht [92] gedann / wat van den voruorischen Interim tho holden sy. Ouerst dewyle sodanes van mer gelerden ludenn schon vorklaret ys / vnn noch dachlikes vorklaret werth / heb ick idt vnnodich vor myne persone geholdenn / dat sulue myt langeren redenn vnn worden tho vorklarende / Vnde wyl darumme hyrmede nur allene vpt korteste de gruntlike meninge edder Confeßionn mynes gelouens vnde lerhe wedder dat Interim voruatet vnde angestellet hebbenn. Bydde derhaluen juwer gnaden wolde sick sodanen mynen geryngen arbeyt gefallen lathenn vnn ynn gnadenn annhemenn. Dat vordene ick stedes vm juwer gnaden myt erensten vlyth yn aller vnderdenicheit gerne. Godt de Almechtige wyl juwer gnaden myt geluckzeliger regeringe / yn wolffart lyues vnn der Szelen / langwylich fristen vnde bewarenn. Juwer gnadenn vnderdanige Hermannus tho Hochkerckenn Vicarius / myt egener hant geschreuenn.
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07. Iko Mensen (Honsdeep, St. Joost) [93] Iko Menßen diuini verbi concionator In Honsdeep. ((299[277] Summa meae in Deum fidei hec est, nos justificari fide nullius operis respectu boni aut mali, nec vlla nostri meriti ratione habita. Rom 3: 4: 5: 8: 9: 10: ga: 2 3 4 5 capitibus. phi 3 ad Titum 3. ad Eph 2
27 A und B erhalten. 27 Iko … Honsdeep. B, fehlt in A
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07. Iko Mensen (Hohenstief, St. Joost)
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meinetwillen, der wird’s finden.“ Und wiederum Joh 14, 2: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen usw.“ Ich will mich dann aber auch mit den lieben Aposteln darüber freuen, dass ich für würdig befunden werde, um des Namens Christi willen zu leiden. Dazu wolle Gott der Vater durch die Kraft des heiligen Geistes um seines Sohnes Jesu Christi willen mich und alle Gläubigen stets bereit machen und [von ihm] finden lassen. Amen. [Lk 17, 5] Herr, „stärke uns den Glauben!“ (22) Schlussanrede an Fräulein Maria
Schlussrede an Ihre Gnaden. – Hiermit wollte ich gemäß der Aufforderung Eurer Gnaden in gehorsamer Untertänigkeit aufs kürzeste das Bekenntnis meines Glaubens und der Lehre bezeugt haben, die ich nach Ausweis meines Dienstes bei den Untertanen Eurer Gnaden führe [verkündige], als auch Bericht erstattet haben, was von dem verführerischen Interim zu halten sei. Aber weil dieses von gelehrteren Leuten230 schon erklärt ist und noch täglich mehr erklärt wird, habe ich es für meine Person nicht für nötig erachtet, dies mit längeren Reden und Worten auszulegen, und will darum hiermit nur aufs kürzeste die gründliche Meinung oder Bekenntnis meines Glaubens und meiner gegen das Interim gerichteten Lehre verfasst und aufgestellt haben. Deshalb bitte ich, Euer Gnaden wolle sich diese meine bescheidene Arbeit gefallen lassen und sie in Gnaden annehmen, was ich stets um Euer Gnaden mit ernstem Fleiß und aller Untertänigkeit gerne verdiene. Gott der Allmächtige wolle Euer Gnaden mit glückseliger Regierung in Wohlfahrt des Leibes und der Seele eine lange Zeit geben und bewahren. Euer Gnaden untertäniger Hermannus zu Hohenkirchen, Vikar, mit eigener Hand geschrieben.
07. Iko Mensen (Hohenstief, St. Joost) (A) Bekenntnis (1) Rechtfertigung durch den Glauben
Iko Mensen, Prediger des göttlichen Wortes in Honsdeep. Die Zusammenfassung meines Glaubens an Gott besteht darin, dass wir gerechtfertigt werden durch den Glauben, wobei kein gutes oder böses Werk berücksichtigt wird noch irgend eine Anrechnung unseres Verdienstes stattfindet Röm 3. 4. 5. 8. 9. 10; Gal 2. 3. 4. 5; Phil 3; Tit 3. Eph 2, 5: „Aus Gnaden seid ihr [selig geworden].“ Röm 11, 5: „So geht es auch 230
Hermannus denkt vor allem an Philippus Melanchthon.
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07. Iko Mensen (Honsdeep, St. Joost)
gratia enim estis etc Rom 11 Sic et in hoc tempore, Hec fides erigitur confirmaturque indicando pure Atque sincere eloquia Dei, nulla hominum inuentionum mentione facta, Summa diligentia adhibita nequid dei eloquiis aut vel subtrahatur vel addatur. deu: 12 Prou 30. Secundo Quotiescumque venerabile Sacramentum corporis et Sanguinis Christi sub pane et vino. Mistice verbis eiusdem existentium, sumpsero, idque in memoriam eius fecero, videlicet quia me sua morte, a peccato, morte, Antiqua serpente, inferno, et simul omnibus malis liberavit, Jtem qui me, qui fuerim filius jrae, peccati inferni mortis et gehennae Pharoonisque mancipium, fecerit nec non et constituerit filium misericordiae, vitae, Dei, et denique aeternae salutis participem, vide vel totum nouum Testamentum vt ne aliquot capita recitem. Baptismum vero credo accipi in signum nouae vitae, vt ne posthac accomodemus membra nostra arma iniusticiae peccato sed accomodemus nosipsos deo veluti ex mortuis viuentes Quicumque enim baptizati sumus in Christum Jesum, in mortem eius baptizati sumus, Sepulti igitur Sumus vna cum illo per baptismum in mortem vt quemadmodum excitatus est Christus ex mortuis per gloriam patris, ita et nos in nouitate vitae Ambulemus etc Rom 6 Abijciamus igitur opera tenebrarum Rom 13 Et hic baptismus nemini prouectae aetatis negandus modo credat in Christum Jesum, sed baptizetur in nomine patris et filij et Sancti Spiritus, in remissionem peccatorum Actorum 2 et 8 nec pueris quoque et infantibus negabitur quippe quorum Christus asserit esse regnum coelorum, nec cuique contingere illud ingredi nisi in puerum conuerso, Mat 18, 19, Lu: 18, Mar 10. Jko mensen Diuini verbi concionator [278] Porro ne quis me insimulet quod opera vere bona reijciam et contempnam, cum negam ea in iustificationem nostram fieri, vt delirant Sophistae et Papistae in suo Interim, Nam si Abraham iustificatus est ex
26 Iko … concionator A, fehlt in B
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(A 1–5)
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jetzt zu dieser Zeit [, dass einige übriggeblieben sind nach der Wahl der Gnade].“ (2) Wort Gottes
Dieser Glaube wird dadurch aufgerichtet und befestigt, dass [erstens] das Wort Gottes rein und lauter gepredigt wird, ohne Zusätze menschlicher Erfindungen, wobei mit höchster Sorgfalt darauf geachtet wird, dass dem Gotteswort weder etwas abgezogen noch hinzugefügt wird Dtn 12, 32; Spr 30, 6. (3) Abendmahl
Zweitens, sooft ich das hochwürdige Sakrament des Leibes und Blutes Christi nehme, die durch seine Worte auf geheimnisvolle Weise unter Brot und Wein gegenwärtig sind, werde ich dies zu seinem Gedächtnis tun, weil er mich nämlich durch seinen Tod von der Sünde, vom Tod, von der alten Schlange, von der Hölle und zugleich von allen Übeln befreit hat; der dazu hin mich, welcher ich ein Sohn des Zorns, der Sünde, der Hölle, des Todes, der ewigen Qual und ein Sklave Pharaos war, zu einem Kind Gottes und der Barmherzigkeit und des Lebens machte und erschuf, und mir schließlich Anteil gibt am ewigen Heil. Siehe [zum Beweis] das ganze Neue Testament, so dass ich nicht einmal einige Kapitel zitieren muss. (4) Taufe und Kindertaufe
Ich glaube, dass die Taufe als Zeichen des neuen Lebens empfangen wird, damit wir anschließend [Röm 6, 13:] „unsere Glieder nicht als Waffen der Ungerechtigkeit der Sünde hingeben, sondern uns selbst Gott hingeben als solche, die tot waren und nun lebendig sind.“ Röm 6, 3 f.: „Denn alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, sind in seinen Tod getauft. So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln“. Röm 13, 12: „So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis“. Und diese Taufe darf keinem Erwachsenen verweigert werden, wenn er nur an Christus glaubt. Sondern er soll getauft werden [Mt 28, 18:] „im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“, zur Vergebung der Sünden Apg 2, 38; 8, 36–38. Auch den Kindern und Säuglingen wird sie nicht verweigert, da Christus ihnen das Himmelreich zuspricht, und es keinem zukomme, dahin einzutreten, außer er wird wie ein Kind Mt 18, 3; 19, 14; Lk 18, 16; Mk 10, 14. Iko Mensen, Prediger des göttlichen Wortes. (5) Nachtrag: Gute Werke
Schließlich soll mich niemand verdächtigen, dass ich wahrhaft gute Werke verwerfe und verachte, wenn ich verneine, dass sie zu unserer Rechtfer-
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operibus habet quod glorietur at non apud deum Rom 4, et sciat inquit ille tribus tantum de causis fieri bona opera e scriptura disci Prima est vt fiant in gloriam dei mat 5, Secunda [94] quo obstruantur ora malignantium vt nihil habeant quo maledicant 1. Petri 2 Tertia quo fiant in vsus pauperum et proximi, cum ne vllum opus dici potest bonum, ex quo proximus nil vtilitatis aut commodi accipiat huius generis sunt illa concionari verbum dei, admonere, exhortari ad fidem et charitatem, corripere, instruere, consolari errantem reducere adiuuare re opere et consilio, et si qua sunt similia. Item iudicare Pacificare, in concordiam redigere malos corrigere bonos defendere sontes punire, haec demum vera et Christiana sunt opera. De medijs vero quae nec facta prosunt, nec infecta obsunt Satis superque scripsit Magister Philippus Melanchthon [198] Nouus tractatus qui est locupletior Si vnius cuiusque iudicium de Papistarum interim desideratur, hec me de illo sentire cuique sit in confesso. Primo, de conditione hominis et ante lapsum et post lapsum bene docet deinde de redemptione per Christum, haud male, nisi quia Fidem in Christum omnino taceat Paulo tamen dicente. *Ro. 3** Omnes enim peccauerunt, ac destituuntur gloria Dei, iustificantur autem gratis per illius gratiam, per redemptionem quae est in Christo Jesu, quem proposuit deus reconciliatorem, per fidem interueniente ipsius sanguine etc et Ephe 2 gratia estis seruati per fidem, idque non ex vobis etc
1 Die folgende Abkürzung 4 Ks 8 konnte schon Hermannus Heronis nicht auflösen. 14 Nouus … locupletior B, fehlt in A 22 reconciliatorem Kj. reconsiliatorem A und B 231 232 233 234
Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 72, 18; CR 6, 939. Überschrift, eingefügt durch Hermannus Heronis bei der Abschrift. So die erste Aufgabe, die den Pastoren durch die Kanzlei gestellt wurde. Interim 1/37. – Iko Mensen zitiert die lateinische Fassung des Interim.
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tigung geschehen könnten, wie es die Scholastiker und die Papisten in ihrem Interim zusammenfantasieren. Röm 4, 2: „Ist Abraham durch Werke gerecht, so kann er sich wohl rühmen, aber nicht vor Gott.“ Jener sagt, man müsse wissen, dass man aus der Schrift lernt, dass gute Werke nur aus drei Gründen getan werden. Der erste ist Mt 5, 14–16, dass sie zu Gottes Ehre geschehen. Der zweite 1Petr 2, 15, dass mit ihnen die Mäuler der Boshaften gestopft werden, so dass sie keinen Grund mehr für üble Nachrede haben. Der dritte, dass sie zum Nutzen der Armen und des Nächsten geschehen, da kein Werk gut genannt werden kann, wenn nicht der Nächste daraus Nutzen oder Erleichterung zieht. Von dieser Art sind folgende [Werke]: Gottes Wort predigen, ermahnen, auffordern zum Glauben und zur Liebe, korrigieren, unterrichten, trösten, den Irrenden zurechtbringen, mit Rat und Tat helfen und was dergleichen mehr ist. – Ebenso: urteilen, befrieden, zur Eintracht führen, Schlechte verbessern, Gute in Schutz nehmen, Schuldige bestrafen. Das schließlich sind ebenfalls wahre und christliche Werke. Über die Mitteldinge aber, welche weder durch Tun etwas nützen noch durch Unterlassen schaden, hat Magister Philippus Melanchthon genugsam und weitläufig geschrieben231. (B) Stellungnahme zum Interim
Neuer 232 Traktat, der ausführlicher gefasst ist. Wenn eines jeden Urteil233 über das Interim der Papisten gewünscht wird, soll es keinem Zweifel unterliegen, dass ich folgendermaßen darüber denke. (1) Schöpfung und Fall (Interim 1 und 2)
Erstens, »Von234 dem Menschen vor dem Fall« und »Von235 dem Menschen nach dem Fall« lehrt das Interim zutreffend236. (2) Erlösung (Interim 3)
Sodann »Von237 der Erlösung durch Christum« lehrt es nicht schlecht238, außer dass es vom Glauben an Christus gänzlich schweigt, während Paulus Röm 3, 23–25 sagt: „Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Versöhner, der mit seinem Blut für uns eingetreten ist“. Und Eph 2, 8: „ Aus Gnade seid ihr gerettet worden durch den Glauben, und das nicht aus euch“. 235 236 237 238
Interim 2/39. Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 60, 17 f.; CR 6, 927. Interim 3/41. Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 60, 18 – 61, 6; CR 6, 927.
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Item vbi dicit de fructu iustificationis fidem conticuit, cum scriptum sit, iustificati igitur ex fide, pacem habemus erga deum etc Roma 5 Sed nos male sani, dei iusticiam ignorantes, et propriam quaerentes constituere, iustitiae dei non sumus subditi. cum opere precium fuerit desiderare, vt in illo videlicet Christo reperiamur, non habentes nostram iustitiam ex lege sed eam quae per fidem est Christi, quae est ex deo iustitiam super fide etc ad phi: 3. quandoquidem manifestum sit, nos non iustificari ex operibus legis, sed per fidem in Christum Rom: 3. etc gal 3 etc [199] *Ro: 9** Et jsrael sectans legem iustitiae ad eam non peruenit, propterea quidem quia non ex fide sed tamquam ex operibus legis, impegerunt enim in lapidem offendiculi etc Et gentes quae non sectabantur iustitiam, apprehenderunt, sed eam quae est ex fide. *Ro: 4** Item Abraham si iustificatus est ex operibus habet quod glorietur, at non apud [96] deum, cum dicat scriptura, Credidit etc Et ei qui non operatur sed credit in eum qui iustificat impium imputatur fides ad iustitiam. *Ad Titum 3** At postquam bonitas et erga homines amor apparuit seruatoris nostri dei, non ex operibus quae sunt in iustitia, quae nos fecimus, sed secundum suam misericordiam saluos nos fecit per lauacrum regenerationis ac renouationis spiritus sancti etc vt iustificati illius gratia haeredes efficeremur iuxta spem vitae aeternae. Non aspernemur igitur gratiam dei, et eius amorem atque bonitatem Nam si per legem est iustitia igitur Christus frustra mortuus est. 2 ga *ga 5** nolim mihi Christum non prodesse, nolim mihi factum otiosum et me a gratia eius excidi, quod vero eueniet, etiam vel cuicumque iustificari per legem quaerenti, At nos spiritu ex fide spem iustitiae expectamus etc [200] *ad ga: 3** Etenim si data Fuisset lex, quae posset viuificare, vere ex lege esset iustitia, sed conclusit scriptura omnia sub peccatum, vt promissio ex
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(3) Rechtfertigung und Glaube (Interim 5)
Ebenso, wo es [das Interim] »Von239 den Früchten der Rechtfertigung« spricht, verschweigt es den Glauben, obwohl geschrieben steht Röm 5, 1: „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott“. Aber wir Kranken, die wir Gottes Gerechtigkeit missachten und die eigene aufzurichten suchen, ordnen uns der Gerechtigkeit Gottes nicht unter, obwohl es doch der Mühe wert wäre zu wünschen Phil 3, 9: „dass wir in ihm“, nämlich in Christus, „gefunden werden, dass wir nicht unsere Gerechtigkeit haben, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott kommt wegen des Glaubens“, da offenbart ist, dass wir nicht durch Werke des Gesetzes gerechtfertigt werden, sondern Röm 3, 21 f.; Gal 3 „durch den Glauben an Christus“. Röm 9, 31 f. 30: „Israel aber hat nach dem Gesetz der Gerechtigkeit getrachtet und hat es doch nicht erreicht. Warum das? Weil es die Gerechtigkeit nicht aus dem Glauben sucht, sondern als komme sie aus den Werken des Gesetzes. Sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes. Und die Heiden, die nicht nach der Gerechtigkeit trachteten, haben die Gerechtigkeit erlangt, aber die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt.“ Röm 4, 2 f. 5: „Ist Abraham durch Werke gerechtfertigt, so kann er sich wohl rühmen, aber nicht vor Gott. Denn die Schrift sagt: Er glaubte an Gott [und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden]. Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der den Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.“ – Tit 3, 4 f. 7: „Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilandes, machte er uns selig – nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit – durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im heiligen Geist, … damit wir, durch seine Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unserer Hoffnung.“ Deswegen verachten wir nicht Gottes Gnade und seine Liebe und Güte. Gal 2, 21: „Denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist Christus demnach vergeblich gestorben.“ Gal 5, 2.4 f.: Ich will nicht, dass Christus für mich nutzlos wird. Ich will nicht, dass man ihn für mich untätig macht und dass ich aus seiner Gnade gefallen bin, was aber jedem geschieht, der durch das Gesetz gerecht zu werden sucht. „Aber wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss.“ Gal 3, 21 f.: „Denn wenn ein Gesetz gegeben wäre, das lebendig machen könnte, käme die Gerechtigkeit wirklich aus dem Gesetz. Aber die Schrift hat alles eingeschlossen unter die Sünde, damit die Ver239
Interim 5/49.
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fide Jesu Christi daretur credentibus etc *ro: 10** Credamus igitur et nos in Christum Jesum, quo iustificemur ex fide Christi, qui est perfectio legis in salutem omni credenti. Qui quoque missus sub specie carnis peccato obnoxiae praestitit quod lex praestare non poterat, ea parte qua imbecillis erat per carnem etc ro: 8 *ad ga 3 et 4** Et qui legi factus obnoxius, quo qui legi erant obnoxii redimeret ab execratione legis, dum pro nobis factus est execratio. non est igitur iustificatio ex operibus vt papistae perperam asserunt *Non est quoque volentis ro 9** Item vbi ait de modo iustificationis, dicit. Trahit eum volentem, quo dicto non deo sed nobis vult asscribi salutem et iustificationis initium Quasi gratia praeueniens non sit magnum dei beneficium et donum, et quasi deus non sit *phi 2** qui agit in nobis et velle et perficere, *Eph 1** qui etiam elegit nos in ipso antequam jacerentur fundamenta mundi vt essemus sancti et irreprehensibiles coram illo per charitatem etc Item Ioannis 6. Nemo potest etc Ioannis 15 sine me nihil potestis facere. * 1 Cor 12** Item nemo potest dicere dominum Jesum nisi etc [201] De bonis operibus vbi scribit, ait fidem esse veram, etiamsi a charitate sit disiuncta, modo scripturis et a deo Reuelatis assentitur, et sibijpsi et Jacobo contradicens. *ga 5 et 6** At Paulus dicit nec circumcisionem nec praeputium quicquam valere, in Christo Jesu nisi fidem per dilectionem operantem, [96] et nouam creaturam. *1 Tim 1** Porro Finis praecepti charitas est ex corde puro et conscientia bona et fide non simulata. *Act. 15.** Purificantur autem corda fide. 1 Cor 13 Et si habeam omnem fidem, adeo ut montes loco dimoueam charitatem autem non habeam nihil sum.
8 perperam Kj parperam A B 10 eum A enim B 18 vbi B vbit A, beeinflußt von scribit 240
Vgl. Interim 6/48 Interim 6/49:…Deus misericors non agit hic cum homine, ut cum trunco, sed trahit eum volentem, si adultus sit. Johannes Chrysostomus, Homilia zu Apg 9,4, PG 51, 143. – Interim 6/49 Talis enim non accipit beneficia illa Christi nisi praeveniente gratia Dei mens eius atque voluntas moveatur ad detestationem peccati. 241
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heißung durch den Glauben an Jesus Christus gegeben würde denen, die glauben.“ Deshalb wollen auch wir an Christus Jesus glauben, durch den wir gerechtfertigt werden aus Glauben an Christus, Röm 10, 4 „der des Gesetzes Ende ist“ zum Heil für jeden Glaubenden; der auch gesandt wurde Röm 8, 3 „in der Gestalt des sündigen Fleisches. Er tat, was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war.“ Gal 4, 4 f. „Und er wurde unter das Gesetz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste“ Gal 3, 13 „von dem Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns.“ Es gibt also keine Rechtfertigung aus den Werken, wie die Papisten verkehrterweise behaupten. (4) Rechtfertigung und freier Wille (Interim 6)
Indessen, wo das Interim spricht »Von240 der Weise, durch welche der Mensch die Rechtfertigung bekommt«, da sagt es: »Er241 zieht den Wollenden«. Mit diesem Zitat will es das Heil und den Anfang der Gerechtigkeit nicht Gott, sondern uns zuschreiben. – Aber Röm 9,16: „So liegt es nun nicht an jemandes Wollen [oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen].“ Als ob »die vorlaufende Gnade« nicht gerade eine große »Wohltat« und Gabe Gottes sei, und als ob Gott nicht der sei, Phil 2, 13 „der in uns wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen“; Eph 1, 4: „der uns auch in ihm [Christus] erwählt hat, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in seiner Liebe.“ Ferner Joh 6, 44: „Es kann niemand [zu mir kommen, es sei denn, ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat].“ Auch Joh 15, 5: „Denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Ebenso 1Kor 12, 3: „Niemand kann Jesus den Herrn nennen außer [durch den heiligen Geist].“ (5) Gute Werke (Interim 7)
Wo es [das Interim] von »guten242 Werken« schreibt, da sagt es, »der Glaube sei wahr, auch wenn er von der Liebe abgesondert sei«, nur dass er auch den von Gott offenbarten Schriften zustimme. Es widerspricht damit sich selbst und Jacobus [2, 17]. Aber Paulus sagt Gal 5, 6; 6, 15, „dass in Christus Jesus weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas gelten, außer im Glauben, der durch die Liebe tätig ist“ und damit „eine neue Kreatur“. Weiterhin 1Tim 1, 5: „Die Hauptsumme aller Unterweisung ist Liebe aus reinem Herzen und aus gutem Gewissen und aus ungefärbtem Glauben.“ Apg 15, 9: „Die Herzen werden gereinigt durch den Glauben.“ 1Kor 13, 2: „Und wenn ich allen Glauben hätte, so dass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.“ 242 Interim 7/53: Est tamen fides nihilominus vera, … quatenus scripturis et revelatis a Deo assentiuntur, etsi eadem a caritate disiuncta sit.
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De Fiducia vero remissionis peccatorum optime docet. Item de ecclesia sic satis scribit, Nam nouos sanciendi canones ius concessit atque asscribit. De hac scribitur 1 Cor 3, 2 Cor 6. et Heb: 3 atque ad Eph 5 etc cuius caput est Christus De Signis quibus cognoscitur vera ecclesia admodum bene si seipsum intelligerat, Est igitur primum. Sana doctrina. Secundum rectus Sacramentorum vsus. [202] Tertium signum est vt idem mutuo inter nos sentiamus secundum Jesum Christum vtque vnanimiter vno ore glorificemus deum patrem domini nostri Jesu Christi, id faciunt papistae secundum. Iam apud Paulum male audiunt factiosi et contentiosi illi carnales secundum hominem ambulantes nec non et dicentes. *1 Cor. 1. 3** Ego quidem sum Pauli, ego vero apollo, ego vero Cephae, ego vero Christi, obiurgante eos Paulo atque dicente Num diuisus est Christus etc obsecrante quoque ne sint inter eos dissidia. Quid hic respondebunt Papistae nec non et factiosi cuculliferi quorum vnusquisque dicit, Ego quidem sum Augustini, Ego vero Francisci, Ego vero Anthonij hoc verum est jdem mutuo inter se sentire vnanimiterque vno ore glorificare Deum etc Signum vero quartum nempe quod sit vniuersalis per omnia loca et tempora non displiceret si *2 Thes 3** omnium esset fides. At Christus dicit, *Lu 12** Nolite timere pusille grex etc et Esaias cum Paulo, *Rom 9 Esa 1** Nisi dominus sabaoth reliquisset nobis semen. Item *Es 10** Si fuerit numerus filiorum jsrael vt arena maris Reliquiae saluae erunt. Et dominus in Euangelio. *Mat 22.** Multi sunt vocati etc Item Sic et in
2 Nam B, A unleserlich 243
Interim 8/57. Interim 9/59. 245 Interim 9/63. – Iko Mensen übernimmt wörtlich die lateinische Formulierung ius sanciendi canones (Interim 9/63) versteht sie aber, wie die folgenden vier Schriftworte zeigen, nicht von der Rechtssetzung der Kirche, sondern von der Herrschaft des Hauptes Christus über die Kirche als seinen Leib. – Vgl. unten (9). 244
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(B 6.7.8)
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(6) Glaube an die Vergebung (Interim 8)
Aber »vom243 Vertrauen auf die Vergebung der Sünden« lehrt es [das Interim] sehr gut. (7) Kirche (Interim 9)
Ebenso ausreichend schreibt es [das Interim] »Von244 der Kirche«. Denn es gesteht ihr zu und misst ihr ausdrücklich bei »die245 Vollmacht, Gesetze zu geben«. – Darüber wird geschrieben 1Kor 3, 2Kor 6 und Hebr 3 sowie Eph 5, 23: „Wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist“. (8) Kennzeichen der Kirche (Interim 10)
»Von246 den Zeichen und Merkmalen der wahren Kirche« schreibt es [das Interim] ziemlich gut, wenn es sich selbst verstanden hat. Daher ist das erste Zeichen »die247 heilsame Lehre«, das zweite »der248 rechte Gebrauch der Sakramente«. »Das249 dritte Zeichen ist die Einigkeit«, dass wir untereinander gemäß Jesus Christus dasselbe denken und einmütig und mit einem Munde Gott den Vater unseres Herrn Jesus Christus preisen. Demgemäß halten es auch die Papisten. Aber auf Paulus hören die parteiischen, fleischlichen und nach menschlicher Weise wandelnden Streithähne kaum, indem sie sagen 1Kor 1, 12; 3, 4: „Ich gehöre zu Paulus, ich zu Apollos, ich zu Kephas, ich aber zu Christus“, obwohl Paulus sie tadelt und sagt [1Kor 1, 13]: „Ist Christus etwa zerteilt?“ und sie auch beschwört [1 Kor 1, 13], dass „unter ihnen keine Spaltungen“ sein sollen. – Was werden hier die päpstlichen und parteiischen Kuttenträger antworten, von denen jeder sagt: Ich gehöre nämlich zu Augustinus! Ich aber zu Franziskus! Ich jedoch zu Antonius! Das aber heißt für sie: untereinander dasselbe denken und einmütig und mit einem Munde Gott preisen. »Das250 vierte Zeichen [der wahren Kirche], dass sie sei die allgemeine, an allen Orten und zu allen Zeiten verbreitete« sei, wäre annehmbar, wenn der Glaube 2Thess 3, 2 „jedermanns Ding“ wäre. Aber Christus sagt: Lk 12, 32: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ Und Jesaja mit Paulus Röm 9, 29; Jes 1, 9: „Wenn uns nicht der Herr Zebaoth Nachkommen übriggelassen hätte [so wären wir wie Sodom geworden und wie Gomorra].“ Ebenso Jes 10, 22: „Denn wäre auch dein Volk, o Israel, wie Sand am Meer, so soll doch nur ein Rest selig werden.“ Und der Herr im Evangelium Mt 22, 14: „Viele sind berufen [aber wenige sind auserwählt].“ Auf gleiche Weise Röm 11, 5: „So geht es auch jetzt zu dieser 246 247 248 249 250
Interim Interim Interim Interim Interim
10/65. 10/65: doctrina sana. 10/65: rectus sacramentorum usus. 10/65. 10/67.
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hoc tempore etc Rom 11. non enim omnes qui sunt ex jsrael Ro. 9. [203] Item arta est porta et angusta et stricta via, quae abducit ad vitam, et pauci sunt qui inueniunt illam. Mat 7 et Lu 13. De authoritate vero quod scripsit, arrideret. Si non sub praetextu potestatis ecclesiae in edificationem datae, suas a se inuentas traditi[97]ones defendere conarentur papistae contra dictum Christi *Esa 29 mar 7** mat 15 Frustra me colunt, docentes doctrinas praecepta hominum. et Omnis plantatio etc Item vae qui condunt leges iniquas Esa 10, Et ad col: 2 Si mortui estis cum Christo etc De ministris recte docuit Nempe quod debeant eligi qui sunt jdonei ex multitudine. Vbi vero ait de Summo aliquo, cui caeteri obedient vt conseruetur vnitas et quo timorem habeant peruersi, bene, Nisi quia id Papae asscripsit, qui non solum non pascit, sed et pedibus conculcat oues Christi vocem vere audientes, id demum vero displicet. Item ait Sacramenta nos sanctificare, cum tamen Christus sit sanctificatio nostra. *1 Cor 1 Eph 5** [204] De baptismo haud male docet. Item confirmari nos in fide in charitate, et spe et bonis operibus et oportet et necesse est. At non potest fieri, externa illa papistarum olei vnctione, sed verbum dei sedulo ac diligenter praedicando, enucleando, et admonendo vt perseuerent in gratia dei, *Mat 7** et sese caueant a
1 omnes Kj omnis A und B 2 arta Kj arcta A B 10 idonei B jdonij A 251
Interim 11/67. Interim 12/71. 253 Interim 13/71 Überschrift: De pontifice summo et episcopis 254 Interim 13/70. 255 Interim 14/75: [Sacramenta] sanctificent et conferant invisibilem Die gratiam … 256 Interim 15/75. 257 Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 65, 19: Von der Tauff ist kein streit …; CR 6, 932. 252
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Zeit [dass einige übriggeblieben sind nach der Wahl der Gnade]“. Röm 9, 6: „Denn nicht alle sind Israeliten, die von Israel stammen“. Ebenso Mt 7, 14 und Lk 13, 24: „Die Pforte ist eng und der Weg ist schmal und beschränkt, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden.“ (9) Kirchengewalt (Interim 11)
Was das Interim »Von251 der Autorität [der Kirche]« geschrieben hat, könnte Gefallen finden, wenn die Papisten nicht unter dem Vorwand, dass die Gewalt der Kirche allein auf die Erbauung gerichtet sei, versuchen würden, ihre selbsterfundenen Traditionen zu verteidigen gegen das Wort Christi Jes 29, 13; Mk 7,7; Mt 15, 9: „Vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehren, die nichts als Menschengebote sind.“ Und Mt 15, 13: „… Alle Pflanzen [die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, die werden ausgerissen].“ Ebenso Jes 10, 1: „Weh denen, die unrechte Gesetze machen“ und Kol 2, 20: „Wenn ihr nun mit Christus den Mächten der Welt gestorben seid [was lasst ihr euch dann Satzungen auferlegen, als lebtet ihr noch in der Welt]?“ (10) Amt (Interim 12)
»Von252 den Dienern [der Kirchen]« lehrt das Interim zu Recht, dass aus der Menge »die dazu gewählt werden« müssen, die dazu tauglich sind. (11) Papst (Interim 13)
Wo es aber von einem »Obersten253« spricht, dem die übrigen gehorchen sollen, damit die »Einigkeit254 erhalten« bleibe und die Bösen sich vor ihm fürchten, das ist gut, außer dass es dies dem Papst zugeschrieben hat, der Joh 21, 17 die „Schafe“, welche Joh 10, 4 Christi Stimme hören, nicht nur nicht weidet, sondern mit den Füße zertritt. Dies aber missfällt erst recht. (12) Sakrament (Interim 14)
Ebenso sagt es [das Interim], dass die Sakramente255 uns heiligen, während doch nach 1Kor 1,30; Eph 5, 25–27 „Christus uns gemacht ist zur Heiligung“. (13) Taufe (Interim 15)
»Von256 der Taufe« lehrt es [das Interim] nicht übel257. (14) Firmung (Interim 16)
Ebenso gebührt es sich und ist notwendig258, dass wir im Glauben, in der Liebe, in der Hoffnung und in den guten Werken »gefestigt« werden. Aber dies kann nicht durch jene äußerliche Ölsalbung der Papisten vollzogen werden, sondern durch die unablässige und sorgfältige Predigt, Entfaltung und Einübung des Wortes Gottes, damit die Christen in der Gnade Gottes verbleiben und sich hüten Mt 7, 15 „vor den falschen 258 Interim 16/79 De confirmatione: … non solum necesse est regenerari, verum etiam in bono confirmari …
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pseudoprophetis veste ouili tectis, qui sunt lupi graues *ac 20** non parcentes gregi, sed *Rom 16** dissidia et offendicula contra doctrinam Christi ginentes, idque quo *Col 2** nobis palmam interuertant data opera, per humilitatem et superstitionem angelorum, in hys quae non vident Fastuosi incedentes Frustra inflati a mente carnis suae, *1 Timo 4** discedentes a fide, et attendentes spiritibus impostoribus, ac doctrinis daemoniorum, per simulationem falsiloquorum etc *Rom 16** Nam qui eiusmodi sunt domino Jesu Christo non seruiunt, sed suo ventri, et per blandiloquentiam et assentationem decipiunt corda simplicium. ab eiusmodi se cauere nimirum magna confirmatione in verbo dei opus est. De penitentia et confessione nil mali, nisi quia operibus satisfieri pro peccatis asserit, [205] id quod est spiritum gratiae contumelijs afficere, vt est Hebre 10 Et sanguinem noui Testamenti per quem sumus sanctificati ceu rem prophanam habere et filium dei pedibus conculcare, *Joas 1** agnum videlicet tollentem peccata mundi. *Mat 1** jpse enim saluum faciet populum suum a peccatis suis. *1 Joas 2** Filioli mei inquit joannes hec scribo vobis vt non peccetis, sed si quis peccauerit etc. *Esa 53** Posuit quoque dominus in eo iniquitatem omnem nostrorum. [98] De venerabili Sacramento corporis et Sanguinis Christi Sic satis. Institutum enim ait vt in ipso ad omne bonum enutriamur et cum sanctis in eorum communione augescamur per Charitatem. At Christus ait. *Lu 22 1 Cor 11** Quotiescumque feceritis in mei commemorationem facite, vt qui vos meo Supplicio, et morte, sanguinisque effusione a peccato morte diabolo et inferno, et omnibus malis liberauerim, et aeternae vitae haeredes et omnium sanctorum in me credentium consortes et fecerim et constituerim. [206] Paulus quoque dicit. *1 Cor 11** Quotiescumque commederitis panem hunc et de poculo biberitis, mortem domini annunciate donec venerit.
12 asserit B asserit id quod est A 16 faciet B facit A 26 constituerim B constituerim. Paulus quoque A
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Propheten, die sich mit Schaffellen verkleiden, aber reißende Wölfe sind“, Apg 20, 29 „die die Herde nicht verschonen“, sondern Röm 16, 17 „Zwietracht und Ärgernis anrichten gegen die Lehre“ Christi, und dies dadurch, dass sie uns Kol 2, 18 „die Siegespalme entwenden, indem sie – sich mühend durch demütige Anbetung und Verehrung der Engel – einhergehen voll Stolz über das, was sie doch nicht gesehen haben, aufgeblasen in ihrem fleischlichen Sinn“, weil sie 1Tim 4, 1 f. „vom Glauben abfallen und betrügerischen Geistern und den Lehren der Dämonen anhängen durch Heuchelei der Lügenredner“. Röm 16, 18: „Denn solche dienen nicht unserm Herrn Christus, sondern ihrem Bauch; und durch süße Worte und prächtige Reden verführen sie die Herzen der Arglosen.“ Um vor solchen sich zu schützen, ist in der Tat eine starke Befestigung (Konfirmation) durch das Wort Gottes notwendig. (15) Buße und Beichte (Interim 17)
Von der Buße und der Beichte sagt es [das Interim] nichts Verkehrtes, außer dass es betont, die Genugtuung für die Sünden geschähe durch gute Werke259. Das aber bedeutet „den Geist der Gnade schmähen“, wie es Hebr 10, 29 heißt, „und das Blut des neuen Bundes für unrein halten, durch das wir doch geheiligt wurden, und den Sohn Gottes mit Füßen treten“, Joh 1, 29: „das Lamm nämlich, das der Welt Sünden trägt“; Mt 1, 21: „denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden“. 1Joh 2, 1: „Meine Kinder,“ sagt Johannes, „dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt, [so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus … und er ist die Versöhnung für unsere Sünden]“. Jes 53, 6 „Und der Herr warf unser aller Sünde auf ihn.“ (16) Abendmahl (Interim 18)
Vom verehrungswürdigen Sakrament des Leibes und Blutes Christi handelt das Interim insoweit genügend. – Es sagt nämlich, dass es eingesetzt260 sei, »damit wir dadurch zu allem Guten ernährt werden und mit den Heiligen und in ihrer Gemeinschaft zunehmen durch die Liebe«. Aber Christus spricht Lk 22, 19; 1Kor 11, 25: „Sooft ihr es haltet, so tut es zu meinem Gedächtnis“, nämlich der ich euch durch meine Hinrichtung, meinen Tod und mein Blutvergießen von Sünde, Tod, Teufel und Hölle und allen Übeln befreien werde, will ich euch auch zu Erben des ewigen Lebens und zu Gefährten aller Heiligen, die an mich glauben, machen und einsetzen. Paulus sagt auch 1Kor 11, 26: „Sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ 259 Interim 17/85: …satisfactio tamen, quae in poenitentiae fructibus consistit, maxime autem in ieiunio, eleemosyna et oratione … – … temporalem poenam vel tollit vel mitigat … 260 Interim 18/87.
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Porro inquit probandam Ecclesiae consuetudinem quae non prius hominem ad Sacramentum EyÆxarhstiÂae ducit quam Sacramentum Poenitentiae eum repurgarit. Nihilque Fortitudinis siue roboris quaequam inde accipi ni antecesserit repurgatio peccatorum. *Sano non opus est medico sed [in]validis** Quo certe et sine omni contradictione tollit aufert negatque verum et legittimum eius vsum, dicente Christo, *Mat 26 Mar 14 Lu 22** Sumite commedite, hoc est corpus meum quod pro vobis datur, Et hic est Sanguis meus noui Testamenti, qui pro vobis et pro multis effunditur in remissionem peccatorum. *1 Jois 1** Et Sanguis Jesu Christi filij eius mundat nos ab omni peccato. *Apoc 1** Item Jesus Christus testis fidelis, primogenitus mortuorum, et princeps regum terrae, qui dilexit nos et lauit nos a peccatis nostris per sanguinem ipsius, et fecit nos reges etc *ga 1** Et gratia vobis etc qui dedit semetipsum pro peccatis nostris, vt eriperet nos ex praesenti seculo malo etc *Eph 1 Col 1** per quem habemus redemptionem per Sanguinem ipsius, remissionem peccatorum. [207] De extrema vnctione et sibi et Jacobo contradicit. Nec enim Serpenti antiquo *1 pe 5** diabolo cui potestas tenebrarum est, leonis rugentis instar obambulanti, et quem deuoret quaerenti vnctione, sed fide resistendum docet Petrus De iniunctione, haud male, ad munus diuini eloquij concionandi, Si septem istos ordines papisticos tradidisset obliuioni, Et cum Paulo dixisset *1 Thi 3 ad Titum 1** Oportet igitur Episcopum irreprehensibilem esse etc [99] De Matrimonio haud insulse at diserte disserit, excepto, quia Christum vanitatis et mendacij insimmulat, asserentem *Mat 19** Nemini li-
2 EyÆxarhstiÂae A eyxarhstie B 25 disserit B disserat A 261
Interim 18/87.89: Itaque probanda est consuetudo ecclesiae, quae hominem non ante ad sacramentum eucharistiae ducit, quam poenitentiae sacramentum eum repurgarit. 262 Interim 19/89 De sacra unctione. 263 Interim 20/95.
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Weiterhin sagt das Interim: »Darum261 ist hoch zu loben die Gewohnheit der Kirche, die den Menschen nicht eher zu dem Sakrament der Eucharistie führt, er sei denn zuvor durch das Sakrament der Buße gereinigt«. Und keine Kraft oder irgend eine Stärke könne man empfangen, wenn nicht die Reinigung von den Sünden vorhergegangen ist. [Aber Mt 9,12:] „Der Gesunde bedarf des Arztes nicht, sondern die Kranken.“ Dadurch nämlich beseitigt, negiert und hebt das Interim mit Gewissheit und ohne jede Einschränkung den rechten Gebrauch auf, wo doch Christus sagt Mt 26, 26 f.; Mk 14, 22.24; Lk 22, 19 f.: „Nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Und dies ist mein Blut des neuen Testaments, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ – 1Joh 1, 7 „Und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde“. – Ebenso Apk 1, 5 f.: „Jesus Christus, der treue Zeuge, der Erstgeborene unter den Toten und Herr über die Könige auf Erden, der uns geliebt und uns gewaschen hat von unsern Sünden mit seinem Blut und uns gemacht hat zu Königen.“ – Und Gal 1, 3 f.: „Gnade sei mit euch [und Friede von … dem Herrn Jesus Christus], der sich selbst für unsre Sünden dahingegeben hat, dass er uns errette von dieser gegenwärtigen bösen Welt“, Eph 1, 7; Kol 1, 14: „durch den wir haben die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden“. (17) Letzte Ölung (Interim 19)
Über die letzte Ölung262 widerspricht das Interim sich selbst und dem Jacobusbrief [1, 14 f.]. Denn der [Apk 12,9:] „alten Schlange“, 1Petr 5, 8 f.: dem „Teufel“, der Macht hat über die Finsternis „und der umhergeht wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge“, dem ist nicht mit der Ölung zu widerstehen, sondern, wie Petrus lehrt: „im Glauben“. (18) Ordination (Interim 20)
[Was das Interim sagt] über die Beauftragung zum Amt der Predigt des göttlichen Wortes263, wäre nicht übel, wenn es nur jene sieben264 papistischen Weihestufen dem Vergessen anheimgegeben hätte und mit Paulus spräche 1Tim 3, 1; Tit 1, 7: „Ein Bischof aber soll untadelig sein [Mann einer einzigen Frau] usw.“ (19) Ehe (Interim 21)
Über die Ehe spricht es nicht ohne Geschmack und deutlich, außer dass es Christus Mt 19, 9 der Unwahrheit und Lüge beschuldigt, indem es sagt, dass es niemand erlaubt sei, im Fall des Ehebruchs sich von der Frau zu
264 Interim 20/95: Ordines autem, quos catholica ecclesia agnoscit sunt hi septem: presbyterorum, diaconorum, subdiaconorum, acoluthorum, lectorum, exorcistarum, ostiariorum.
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cere dimittere vxorem in causa stupri, Et si non sacramentum inde Fecisset, cum Paulus dicat Ego vero de Christo et ecclesia dico etc Eph 5 *heb 13** Et Pauli sententiam adducens, nempe quia coniugium honorabile sit, omittit inter omnes, vt diabolus Mat et Lu. 4, in vijs tuis [208] De Sacrificio Missae multa et pie et fideliter scribit, incipiens ab eo loco Cum enim propter vnius hominis peccatum etc vsque, Cuius liuore sanati sumus, Cetera vero omnia eo tendunt, vt nos Christum quemadmodum sese in cruce obtulit offeremus, et per hanc oblationem a nobis oblatam deo, mereamur passionem Christi in nos transferre. Et sic labore alieno magno partam gloriam verbis in se transmouere, vt Terentius inquit. *Heb 10** Christus vero vna pro peccatis oblata victima perpetuo sedet ad dexteram dei etc. Et vnica oblatione perfectos effecit in perpetuum eos qui sanctificantur etc. Porro vbi horum est remissio, non est amplius oblatio pro peccato Iam vero non habemus praeceptum a Christo offerendi, reseruandique et adorandi, circumferendi denique, at accipiendi commedendi bibendique, idque in eius commemorationem, Jgitur dormientium sanctorum animarumque memoriam factu religio et inconcessum minusque permissum. [209] Deinde optimus maximus deus est adorandus non autem hic aut ille sanctus, deu: 6 Mat: et Lu. 4 et Apoc: 19 vide ne feceris etc. Et mat 7 et lu 11 Si ergo vos, cum sitis mali etc Et Hest 13 Timui ne honorem dei mei transferrem ad hominem, et ne quemquam adorarem excepto deo
Interim 21/99 deutet Mt 19, 9 f. so um: … haec separatio thori et mensae consuetudinem inter coniuges scindit, vinculum coniugii non solvit … 266 Interim 21/99. – Gemeint ist, dass gemäß Eph 5, 32 der sakramentale Charakter sich nur beim Verhältnis zwischen Christus und der Gemeinde findet, nicht aber bei der Ehe zwischen Mann und Frau. 267 Interim 22/103: De sacrificio missae. 268 Interim 22/103.105.107. 265
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scheiden265, und außer wenn es nicht ein Sakrament266 daraus ableiten würde, obwohl Paulus sagt Eph 5, 32: „Ich deute es aber auf Christus und die Gemeinde.“ – Und indem es dann den Satz des Paulus anführt, nämlich Hebr 13, 4: „Die Ehe soll in Ehren gehalten werden“, unterschlägt es die Worte „bei allen“, wie der Teufel Mt 4, 6 und Lk 4, 10 f. die Worte [unterschlägt Ps 91, 11:]„auf allen deinen Wegen“. (20) Messopfer (Interim 22)
»Vom267 Opfer der Messe« schreibt es fromm und gottesfürchtig Vielerlei, angefangen bei dem Satz [1Petr 2, 24]: „Denn268 nachdem das ganze menschliche Geschlecht [Röm 5, 12] um eines Menschen Sünde willen [des Zornes Gottes und der ewigen Verdammnis für schuldig gehalten wurde]“ bis zu den Worten [Jes 53, 5] „Durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Das übrige aber läuft alles darauf hinaus, dass wir es sind, die Christus so, wie er sich am Kreuz hingegeben hat, darbringen, und dass wir durch dieses Opfer, das von uns Gott dargebracht wird, verdienen, dass Christi Leiden für uns angerechnet wird. Und das heißt, wie Terenz269 sagt, den Ruhm, der durch große fremde Mühe erworben wurde, mit Worten auf sich selber lenken. – Hebr 10, 12.14: „Christus aber, das eine für die Sünden dargebrachte Opfer, sitzt nun für immer zur Rechten Gottes.“ Und „mit einem Opfer hat er für immer die vollendet, die geheiligt werden.“ – Somit: Wo ihre Sünde vergeben ist, bedarf es keines weiteren Opfers. Wir haben aber von Christus kein Gebot [ihn] zu opfern, [im Sakramentshäuschen] aufzubewahren und anzubeten und schließlich [in der Prozession] herumzutragen, sondern zu nehmen, zu essen und zu trinken, und das zu seinem Gedächtnis. (21) Heiligendienst und Totengedächtnis (Interim 23 und 24)
Deswegen ist die Frömmigkeitsübung, der schlafenden Heiligen und Seelen zu gedenken, nicht zugestanden und noch weniger erlaubt. Sodann Dtn 6, 4; Mt 4, 10; Lk 4, 8 ist der allein gute und höchste Gott anzubeten, nicht aber dieser oder jener Heilige. Und Apk 19, 10: „Tu es nicht [d. h. bete keinen Engel an]!“. Und Mt 7, 11 und Lk 11, 13: „Wenn also ihr, die ihr doch böse seid, [dennoch euren Kindern gute Gaben geben könnt, wieviel mehr wird euer Vater im Himmel Gutes geben denen, die ihn bitten.]“ Und Esther [Vulgata] 13, 14 [Stücke zu Esther 2, 4]: „Ich habe es aus Furcht davor getan, die Ehre, die meinem Gott gebührt, einem Menschen zu geben, und einen andern anzubeten als
269 Terenz, Eunuchus 399 f.: Labore alieno magno partam gloriam / verbis saepe in se transmovet, qui habet salem. – Petri, Fräulein Maria 97 Anm. 446. – Melanchthon legt die Stelle als Schmeichelei aus, CR 19, 721.
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meo. Et Joelis et actorum 2 et Rom: 10 Quicumque etc Item Jacobi primo Quod si cui vestrum deest Sapientia, postulet ab eo qui dat nempe Deo etc et 1. Pa: 5 Deum inuocauerunt cum proeliarunt etc Et Iois 4. Sed venit hora et nunc est etc Et psalmo 144 prope est dominus omnibus inuocantibus eum in veritate Et lu: 18. Audite quid iudex iniquus dicat, deus autem non faciet vindictam electorum suorum claman[100]tium ad se, die ac nocte etc. Et hier 29 Scio cogitationes quas ego cogito super vos, cogitationes pacis et non afflictionis, vt dem vobis, finem et patientiam et inuocabitis me, et viuetis, et orabitis me et ego exaudiam vos, quaeretis et inuenietis me cum quaesieretis me in toto corde vestro inueniar a vobis. Non igitur inuocandi sunt Sancti Sed solus deus cuius inuocatione salui facti sunt omnes sancti per redemptionem quae est in Christo Iesu. Amen. [210] *1 Timo: 2** Et vnus est mediator dei et hominum homo Christus Jesus, *Ep 2** per quem habemus aditum vtrique in vno spiritu ad patrem etc qui dedit semetipsum precium redemptionis pro omnibus. Postremo vero quid scribit de vsu et ceremonijs Sacramentorum omnia eo tendunt vt papistae simus et non Christiani. Summa vult nos vno opere et deo et hominibus seruire et placere At Paulus dicit si hactenus hominibus placuissem Christi seruus haudquaquam essem. Et precio empti estis nolite fieri Serui hominum. Jko Mensen
3 inuocauerunt B inuocauerun A
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meinen Gott.“ Und Jo 3, 5 und Apg 2, 21 und Röm 10, 13: „Wer [den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden].“ Ebenso Jak 1, 5: „Wenn es aber jemandem unter euch an Weisheit mangelt, so erbitte er sie von dem, der gern gibt, nämlich Gott“ und 1Chr 5, 20: „Denn sie schrien zu Gott im Kampf“. Und Joh 4,33: „Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt [in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit]“. Und Ps 145, 18: „Der Herr ist nahe allen, die ihn ernstlich anrufen.“ Und Lk 18, 6 „Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen?“ Und Jer 29, 11–14: „Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung. Und ihr werdet mich anrufen und leben und mich bitten und ich will euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen.“ Deswegen sind nicht die Heiligen anzurufen, sondern Gott allein, durch dessen Anrufung alle Heiligen selig geworden sind [Röm 3, 24:] „durch die Erlösung, die in Christus Jesus geschehen ist“. Amen 1Tim 2, 5: Und „es ist ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus“, Eph 2, 18: „durch den wir beide in einem Geist den Zugang haben zum Vater,“ [und] 1Tim 2, 6: „der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.“ (22) Zeremonien (Interim 26)
Zum Schluss schreibt das Interim noch etwas »Von270 den Zeremonien und von dem Gebrauch der Sakramente«. Alles läuft darauf hinaus, dass wir Papisten sein sollen, keine Christen. – Im ganzen will es, dass wir mit ein und demselben Werk sowohl Gott als auch den Menschen dienen und gefallen. – Aber Paulus sagt [Gal 1, 10]: „Wenn ich noch Menschen gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht.“ – Und [1Kor 7, 23]: „Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte.“ Iko Mensen
270
Interim 26/134.
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08. Abel Sybrandi (Wiarden) [261 a] Litera occidit spiritus autem viuificat [261 b] De conditione hominis ante lapsum De conditione hominis lapsi, de redemptione per christum dominum nostrum, de vtilitate et fructibus iustificationis, de modo per quem [homo] iustificationem accipit, de charitate et bonis operibus, De fidutia remissionis peccatorum, de ecclesia, De notis et signis ecclesie vere, De autoritate et potestate ecclesie, de ministris ecclesie, de pontifice summo et episcopis, de sacramentis in genere, de baptismo De confirmatione, de sacramento penitentie, De sacramento eucharistie, de sacra vnctione, De sacramento ordinis, de sacramento matrimony, De sacrificio misse, de memoria sanctorum in altaris sacrificio fieri consueta et de eorum intercessione inibi expetita et obiter de inuocatione sanctorum De memoria defunctorum in christo de communione cum sacrificio iungenda, de ceremonys et usu sacramentorum sacramentorum Secunda pars agit de rebus externis necessarys quorum nonnullas volumus explosas et omnino abrogatas, Videlicet omnes missas angulares seu priuatas, in quibus desunt qui vna vtuntur sacramento, vniuersam inuocationem sanctorum quia omnis inuocatio absentis tribuit illi omnipotentiam et diuinitatem, votorum vincula et tota monasteria pape primatum,
2 2
A und B erhalten. Hermannus Heronis ließ bei seiner Abschrift (B) das Blatt mit den Seiten 261 a und b unberücksichtigt. 12 expetita Kj expedita A 14 sacramentorum Kj sacramentorum sacramentorum A 271
Die folgenden Überschriften der Kapitel des Interim entnimmt Abel einem lateinischen Exemplar. 272 Kapitel 4 des Interim De iustificatione (Von der Rechtfertigung) entfiel wohl aus Versehen.
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08. Abel Sybrandi (Wiarden)
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08. Abel Sybrandi (Wiarden) (1) Umschlagblatt mit den Titeln der Artikel des Interim
[2Kor 3, 6:] „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ [1.] Von271 der Lage des Menschen vor dem Sündenfall [2.] Von der Lage des Menschen nach dem Sündenfall [3.] Von der Erlösung durch Christus, unseren Herrn [5.] Vom272 Nutzen und den Früchten der Rechtfertigung [6.] Von der Weise, in der [der Mensch] die Rechtfertigung annimmt [7.] Von der Liebe und den guten Werken [8.] Von dem Vertrauen in die Sündenvergebung [9.] Von der Kirche [10.] Von den Merkmalen und Zeichen der wahren Kirche [11.] Von der Gewalt und der Vollmacht der Kirche [12.] Von den Dienern der Kirche [13.] Vom Papst und den Bischöfen [14.] Vom Sakrament im allgemeinen [15.] Von der Taufe [16.] Von der Firmung [17.] Vom Sakrament der Buße [18.] Vom Sakrament der Eucharistie [19.] Von der heiligen Ölung [20.] Vom Sakrament der Priesterweihe [21.] Vom Sakrament der Ehe [22.] Vom Opfer der Messe [23.] Vom Gedächtnis der Heiligen, das beim Messopfer am Altar zu geschehen pflegt, und von ihrer dabei erflehten Fürbitte. Außerdem: Von der Anrufung der Heiligen [24.] Vom Gedächtnis derer, die in Christus entschlafen sind [25.] Von der Kommunion, die mit dem Sakrament zu verbinden ist [26.] Von den Zeremonien und dem Gebrauch der Sakramente Der zweite Teil handelt von den notwendigen äußerlichen Dingen. Bei einigen davon wollen wir, dass sie abgelehnt und völlig abgeschafft werden, nämlich alle Winkel- oder Privatmessen, bei denen diejenigen abwesend sind, die zusammen das Sakrament genießen; die gesamte Anrufung der Heiligen, weil jede Anrufung eines Abwesenden ihm Allmacht und Göttlichkeit zutraut; die Bindung an Gelübde und alle Klöster sowie den Primat des Papstes.
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[258 101] Articuli huius interim tractant aliqua non repugnantia catholice fidei scilicet de conditione hominis ante lapsum, de conditione hominis post lapsum Deinde de redemptione per christum deque vtilitate et fructibus iustificationis qui non in totum aduersantur verbo dei excepto quod nouissimus articulus tractat de iustitia homini inherente quod falsum est nam perfectio christianorum comparata et opposita diuine perfectioni et eius ire, est omnino inperfecta et maledictioni subiecta eo quod affectus originalis peccati omnibus christianis insitus est quo impediuntur quod non possunt tantum deo prestare quantum exigitur ab eis quia lex dei requirit totum hominem consentientem mandato diuino at christiani habent legem in membris suis contrariantem legi dei et captiuantem in lege peccati et mortis Ergo nemo saluatur nisi per fidem in christum qui est finis legis in salutem omni credenti, vt igitur tanto melius cognoscamus damnationem hominis ex se considerandum erit peccatum originale existens in tribus generibus hominum, primumgenus est infantium qui lapsu primorum parentum carent originali iustitia hoc est eterna salute quamuis non consentiunt quia dicente domino sinite paruulos ad me venire talium est enim regnum celorum, nisi conuersi fueritis et efficiamini sicut paruuli non potestis introire in regnum celorum qui autem humiliauerit se sicut paruulus iste ille intrabit in regnum celorum mathei, et iterum, nolite pueri effici sensibus sed paruuli malitia estote ex his predictis apparet paruulos non suffragari affectibus peccati originalis obiectio si paruuli non consentiunt peccatis ad quod condemnantur mortis eterne responsio, propter peccatum vtriusque parentis nostri quod in omnes homines pertransiuit non solum adultos sed etiam in infantes quia nascimur omnes fily
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Interim 1/37. Interim 2/39.41. 275 Interim 3/41.43. 276 Interim 5/49. 277 Gemeint ist wohl das 6. Kapitel De modo per quem homo iustificationem accipit (Interim 6/49.51). 278 Interim 4/47: iustitia inhaerens Interim 6/51: per iustitiam inhaerentem. – Vgl. Auch die Kritik bei Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 62, 16; CR 6, 928. 274
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(2. 3 a.b)
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(2) Artikel, die dem Glauben nicht widersprechen (Interim 1–3.5)
Die Artikel des Buches Interim behandeln einiges, was dem katholischen Glauben nicht widerspricht, nämlich »Von273 der Lage des Menschen vor dem Sündenfall«, »Von274 der Lage des Menschen nach dem Sündenfall«, sodann »Von275 der Erlösung durch Christus« und »Vom276 Nutzen und den Früchten der Rechtfertigung«. Diese Artikel widersetzen sich nicht überall dem Wort Gottes, abgesehen freilich davon, dass der letzte277 »die278 eingegebene Gerechtigkeit« im Menschen behandelt, was falsch ist. Denn die Vollkommenheit der Christen, verglichen mit und entgegengehalten der Vollkommenheit Gottes und mit seinem Zorn, ist gänzlich unvollkommen und unterliegt dadurch der Verurteilung, dass die Neigung der Erbsünde allen Christen angeboren ist. Dadurch werden sie behindert, so dass sie für Gott nicht so viel leisten können, wie von ihnen gefordert wird. Denn das Gesetz verlangt, dass der ganze Mensch dem göttlichen Gebot zustimmt. Aber die Christen haben ein [Röm 7, 23] Gesetz in ihren Gliedern, das dem göttlichen Gesetz widerspricht und sie gefangen hält [Röm 8, 2] im Gesetz der Sünde und des Todes. Deshalb wird niemand gerettet außer durch den Glauben an Christus, [Röm 10, 4:] „der das Ende des Gesetzes ist zum Heil für jeden Glaubenden“. Damit wir also die Verdammnis, welcher der auf sich selbst gestellte Mensch unterliegt, besser verstehen, ist die Erbsünde daraufhin zu betrachten, wie sie bei drei Arten von Menschen vorkommt. (3) Erbsünde bei Kindern (a) Erbsünde ohne Zustimmung
Die erste Art bilden die Kinder, bei denen durch den Sündenfall der ersten Eltern die ursprüngliche Gerechtigkeit, d. h. das ewige Heil, fehlt, obwohl sie der Erbsünde nicht zustimmen. Denn der Herr spricht [Mt 19, 14]: „Lasset die Kinder zu mir kommen, denn solchen gehört das Himmelreich“. [Mt 18, 3 f.:] „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich eingehen. Wer sich aber erniedrigt wie dieses Kind, der wird in das Himmelreich eingehen.“ Und wiederum [1Kor 14, 20]: „Seid nicht Kinder, wenn es ums Verstehen geht; sondern seid Kinder, wenn es um Böses geht!“ Aus den angeführten Stellen ergibt sich, dass die Kinder den Neigungen der Erbsünde nicht beipflichten. (b) Schuld und Strafe als Erbe
Einwand: Wenn die Kinder den Sünden nicht beipflichten, warum werden sie dann zum ewigen Tod verdammt? – Antwort: Wegen der Sünde unserer beider Ureltern. Diese ist [Röm 5,12:] „zu allen Menschen hindurchgedrungen“, nicht nur zu den Erwachsenen, sondern auch zu den Kindern, weil wir alle als [Eph 2,3:] „Kinder des Zorns“ geboren werden, sowohl die Kinder wie auch die Greise. – Warum ist die Sünde zu den
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ire tam paruuli quam senes, quur pertransiuit peccatum in paruulos propter malum semen viri et mulieris commixtum quod per se eterne damnationi obnoxium est et quidquid inde nascitur eandem participationem accipit quemadmodum videmus ad liberos pertinere hereditatem patris defuncti hac vi[102]ta sic etiam eorum est persoluere debita ab eo relicta Ita quoque accipimus a deo corpus et animam copulatione vtriusque parentis nostri quibus non solum fuit corpus aut anima, sed etiam naturalis inclinatio ad repugnandum diuine voluntati et sic eadem reputatur nobis ad culpam et eternam penam eo quod inde nati sumus sicuti enim malum semen ex malo fructu prolatum odiosum est hominibus similiter et nos odio habemur a deo eo quod ex iniquis parentibus in hanc lucem prodiuimus, vnde psalmista, Ecce enim in iniquitatibus conceptus sum, nemo immunis nec infans vnius diei [260] Secundum genus maledictioni obnoxium est hoc quod successu temporis tamquam ex mala radice profert fructum malum vt quemadmodum malum semen non homines odio habent solummodo propter radicem sed malum fructum inde provenientem ita similiter nos, non sumus tantummodo deo odiosi propterea quod a malis ortum accipimus at ideo, crescentibus nobis et ad annos discretionis peruenientibus crescit nobiscum idem semen et facit se apparere esse malum ex malis fructibus quos tum germinat, hinc psalmista, Dixit insipiens in corde suo non est deus quod natum est ex carne caro est, quod natum est ex spiritu spiritus est Johannis, et iterum psalmista homo quum in honore esset non intellexit, atque iterum iohannes, lux venit in mundum et dilexerunt homines magis tenebras quam lucem erant enim opera eorum mala, hinc videmus nos omnes esse cecos. ignorantes dei, non solum hoc, sed illuminante nos deo manemus in tenebris peiores naturalibus tenebris que veniente luce amittunt suam naturalem caliginem quod nos non facimus vt similes sumus illis de quibus dictum est ad romanos primo capitis quum cognouissent deum non sicut deum glorificauerunt sed euanuerunt in cogitatio-
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Kindern hindurchgedrungen? – Wegen des vermischten, schlechten Samens des Mannes und der Frau, der schon in sich selbst der ewigen Verdammnis unterliegt. Und was auch immer daraus geboren wird, nimmt ebendaran teil. So wie wir sehen, dass in diesem Leben das Erbe eines verstorbenen Vaters den Kindern gehört, so müssen sie auch die Schulden bezahlen, die er hinterlassen hat. So empfangen auch wir von Gott Leib und Seele durch die Vereinigung unserer beider Eltern, die nicht nur Leib oder Seele zu eigen hatten, sondern auch die natürliche Neigung, sich dem göttlichen Willen zu widersetzen. Und so wird diese uns als Schuld und zur ewigen Strafe zugerechnet, weil wir von dorther abstammen. So wie nämlich ein schlechter Same, hervorgegangen aus einer schlechten Frucht, den Menschen widerwärtig ist, so sind wir auch in Gottes Augen widerwärtig, weil wir von ungerechten Eltern ans Licht der Welt gebracht wurden. Deshalb sagt der Psalmist [Ps 51, 7]: „Siehe, ich bin in Sünden empfangen.“ Niemand ist dagegen gefeit, auch nicht [Hi 14, 4 f.279] „ein Kind, das nur einen Tag alt ist“. (4) Erbsünde bei Ungläubigen
Die zweite Art der Menschen, die unter die Verdammnis fällt, ist so beschaffen, dass sie im Laufe der Zeit gleichsam aus einer schlechten Wurzel eine schlechte Frucht hervortreibt, so dass, wie den Menschen ein schlechter Samen widerwärtig ist nicht nur wegen der entsprechenden Wurzel, sondern auch wegen der daraus erwachsenden schlechten Frucht, so sind gleicherweise wir für Gott widerwärtig nicht nur, weil wir unsern Ursprung im Bösen genommen haben, sondern auch deshalb, weil bei unserem Heranwachsen zum Alter vernünftiger Unterscheidung auch dieser Samen in uns wächst und sich als schlecht erkennbar macht durch die schlechten Früchte, die er hervortreibt. Deshalb heißt es beim Psalmisten [Ps 14, 1]: „Der Tor spricht in seinem Herzen: ,Es ist kein Gott’“ und bei Johannes [Joh 3, 6]: „Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch, und was vom Geist geboren ist, das ist Geist“; und wiederum beim Psalmisten [Ps 49, 13]: „Ein Mensch, wenn er in Herrlichkeit lebt, hat keine Einsicht“ und noch einmal Johannes [Joh 3,19]: „Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse.“ Daraus ersehen wir, dass wir alle blind sind und Gott nicht erkennen. Und nicht nur dies, sondern trotz der Erleuchtung durch Gott bleiben wir in der Finsternis, und sind dabei schlechter dran als in der natürlichen Finsternis, die beim Kommen des Lichts ihre natürliche Dunkelheit verliert, was bei uns nicht geschieht, so dass wir ähnlich sind denen, von denen im ersten Kapitel des Römerbriefs gesagt ist Röm 1, 21: „Denn obwohl sie von Gott wussten, haben sie ihn nicht als Gott 279
In der Fassung der Septuaginta, s. Interim 2/39 und dort Anm. 3.
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nibus suis, tales sunt fructus peccati originalis igitur peccatum originale non solum est carentia iustitie originalis sed est perpetuus motus assidua inclinatio ad omne malum cuius fructus sunt mala opera quia de corde exeunt cogitationes male furta adulteria que inquinant hominem, Tertium genus maledictioni subiectum est congregatio christi fidelium quamuis peccatis repugnant et jnuiti peccant De quo genere fuit paulus post [103] conuersionem suam qui dixit non enim quod volo bonum hoc ago sed quod odio, malum illud facio Si autem quod nolo illud facio consentio legi dei quod bona est nunc autem iam non ego operor illud sed quod habitat in me peccatum et iterum video aliam legem in membris meis contrariantem legi mentis mee et captiuantem me in lege peccati et mortis, ex hoc apparet perfectionem christianorum esse imperfectam eo quod caro concupiscit aduersus spiritum et spiritus aduersus carnem vt quodcumque bene velimus non possumus facere et hoc est fructus peccati originalis. hec sunt tria genera addicta maledictioni eterne, primum non consentiens peccato sed solummodo contrahens condonatur ac propter meritum passionis christi, secundum consentiens non liberatur a culpa et pena nisi penituerit et christum fide apprehenderit [259] tertium est quod repugnat quod quoque non liberatur nisi suam imbecillitatem cognouerit et eandem confessus fuerit ac christum similiter fide apprehenderit ex his igitur concluditur nullam salutem asscribendam humanis operibus quamuis a christianis factis quia inperfecta sunt omnino comparata diuine legi, ergo nemo iustificatur ex operibus legis sed sola fide in christum vnde psalmista beati quorum remisse sunt iniquitates et quorum tecta sunt peccata quum omnes defecerunt simul inutiles facti sunt non est qui faciet [bonum] non est usque ad vnum ideo male agunt papiste asscribentes partem iustificationis fidei et partem charitati nempe quod
280 Die congregatio christifidelium folgt dem Sprachgebrauch von Interim 9/59, wo die Kirche als universitas christifidelium bezeichnet wird.
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gepriesen und sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken.“ So sind die Früchte der Erbsünde. Deshalb ist die Erbsünde nicht nur ein Mangel an ursprünglicher Gerechtigkeit, sondern ein stetiger Antrieb, eine fortwährende Neigung zu allem Bösen, deren Früchte aus bösen Werken bestehen [Mt 15, 19]: „Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Diebstahl, Ehebruch, die den Menschen unrein machen.“ (5) Erbsünde bei Glaubenden
Die dritte Art der Menschen, die unter die Verdammnis fällt, ist die Gemeinschaft der »Christgläubigen280«, obwohl sie sich gegen die Sünden wehren und nur gegen ihren Willen sündigen. Zu dieser Art gehörte Paulus nach seiner Bekehrung, der sagte [Röm 7, 19 f.]: „Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber tue, was ich nicht will“ – ich stimme ja dem Gesetz Gottes zu, weil es gut ist – „so tue ich es doch nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt“; und wiederum [Röm 7, 23]: „Ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde und des Todes.“ Daraus ist zu erkennen, dass die Vollkommenheit der Christen unvollkommen ist, denn [Gal 5, 17]: „Das Fleisch begehrt auf gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch“, so dass wir das, was wir im guten Sinne wollen, nicht ausführen können. Und das ist die Frucht der Erbsünde. (6) Wegen der Erbsünde keine Rechtfertigung aus Werken
Das sind die drei Arten von Menschen, die der ewigen Verurteilung unterliegen. Die erste Art stimmt der Sünde nicht zu, sondern hängt nur mit ihr zusammen; deshalb und wegen des Verdienstes des Leidens Christi empfängt sie Vergebung. Die zweite Art stimmt der Sünde zu und wird deshalb von Schuld und Strafe nicht befreit, es sei denn dass sie Buße tut und Christus im Glauben annimmt. Die dritte Art ist es, die der Sünde widerstreitet und trotzdem auch nicht befreit wird, es sei denn, sie habe ihre Schwäche eingesehen und sie ausdrücklich bekannt und gleicherweise Christus im Glauben ergriffen. Darum ist hieraus zu schließen, dass den menschlichen Werken kein Heil zuzuschreiben ist, obwohl sie von Christen getan wurden, weil sie verglichen mit dem göttlichen Gesetz durchaus unvollkommen sind. Deswegen wird niemand durch die Werke des Gesetzes gerechtfertigt, sondern allein durch den Glauben an Christus. Von daher sagt der Psalmist [Ps 32,1]: „Selig, denen die Übertretungen vergeben sind und deren Sünden bedeckt sind“, denn [Ps 14, 3]: „Alle haben versagt und allesamt sind verdorben, da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer.“ Deswegen
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peccatores sumus et nemo tantum deum redamare potest quantum nos deus amauit constat ergo omnibus hominem iustificari per fidem exclusis operibus videlicet quod en opera sunt testimonia fidei auctore jacobo fides sine operibus mortua est in semetipsa, nam abraham fuit iustus ante circumcisionem credidit abraham deo et reputatum est illi ad iustitiam et promissio facta est abrahe quadringentis triginta annis ante datam legem ergo absque operibus fuit iustificatus De Lege, Lex ostendit peccatum coercet impios a malo De primo, per legem enim cognitio peccati quia nesciebam concupiscentiam esse peccatum nisi lex diceret non concupisces De secundo iustis non est lex posita sed iniustis patricidis matricidis homicidis non subditis De Vi Legis, [104] Lex non solum ostendit peccatum aut arcet impios a malo vel eosdem punit corporaliter sed etiam condemnat spiritualiter scilicet eterne mortis quur nos lex condemnat, que tamen nihil aliud nos docet nisi ea que conducunt nobis ad salutem Audiamus paulum sic respondentem, *Ad timoteum** Lex bona est si quis ea legittime vtatur, * Ad romanos septimum** sed occasione accepta peccatum per mandatum operatum est in me omnem concupiscentiam sine lege enim peccatum mortuum erat ego autem viuebam sine lege aliquando sed cum venisset mandatum reuixit peccatum, ego autem mortuus sum et inuentum est mihi mandatum quod erat ad vitam hoc esse ad mortem quur ad mortem quia lex sancta est at nos non sancti ergo habet lex vim nos condemnandi et condemnat quoque,*Ad galatas yj o** quum in lege nemo iustificatur apud deum, quia lex non est ex fide sed *Ad romanos** qui fecerit eam viuet in eis christus vero redemit nos de maledictione legis factus pro nobis maledictus vt iustificatio legis in nobis impleretur ideoque ait paulus lex subintrauit vt abundaret delictum, *Ad corintios** littera occidit spiritus viuificat
281 Interim 4/47: Concurrunt quidem Christi meritum et iustitia inhaerens, ad quam renovamur per donum caritatis. – Interim 6/51 heißt es von der Liebe (caritas): …quae ad fidem et spem accedit, eatenus per iustitiam inhaerentem vere iustificamus.
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gehen die Papisten281 fehl, wenn sie einen Teil der Rechtfertigung dem Glauben und einen Teil der Liebe zuschreiben, weil wir nämlich Sünder sind. Und niemand kann Gott in dem Maße wiederlieben, wie Gott uns geliebt hat. Deswegen steht fest, dass der Mensch abgesehen von allen Werken durch den Glauben gerechtfertigt wird, allerdings so, dass die Werke sehr wohl Zeugnisse des Glaubens sind, wie Jakobus schreibt [2, 17]: „Der Glaube, wenn er nicht Werke hat, ist tot in sich selber.“ Denn Abraham war schon vor der Beschneidung gerecht [Gen 15, 6: Röm 4,3; Gal 3,6]: „Abraham glaubte Gott und das wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“ und [Gal 3, 16 f.]: Abraham erhielt die Verheißung 430 Jahre vor der Gesetzgebung und wurde folglich ohne Werke gerecht. (7) Zweifacher Gebrauch des Gesetzes
Vom Gesetz. – Das Gesetz zeigt die Sünde auf. Es hindert die Gottlosen, Böses zu tun. Erstens [Röm 3,20]: „Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“, [Röm 7, 7:] „denn ich wusste nichts von der Begierde, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: ,Du sollst nicht begehren!’“ Zweitens [1Tim 1, 9): „Den Gerechten ist kein Gesetz gegeben, sondern den Ungerechten, den Vatermördern, Muttermördern, Totschlägern und Ungehorsamen.“ (8) Die verdammende Kraft des Gesetzes
Von der Kraft des Gesetzes. – Das Gesetz zeigt nicht nur die Sünde auf oder hält die Gottlosen vom Bösen ab oder bestraft sie leiblich, sondern verdammt auch geistlich, nämlich mit dem ewigen Tod. Warum verdammt uns das Gesetz? Es lehrt uns nichts anderes als das, was uns zum Heil führt. Lasst uns auf Paulus hören, der so antwortet [1Tim 1, 8]: „Das Gesetz ist gut, wenn es jemand recht gebraucht“; Röm 7, 8–10.12: „Die Sünde aber nahm das Gebot zum Anlass und erregte in mir Begierden aller Art; denn ohne das Gesetz war die Sünde tot. Ich aber lebte einst ohne Gesetz; als jedoch das Gebot kam, wurde die Sünde lebendig, ich aber starb. Und so fand sich’s, dass das Gebot mir den Tod brachte, das doch zum Leben gegeben war.“ Warum brachte es den Tod? Weil [Röm 7, 12:] „das Gesetz heilig“ ist, aber wir sind nicht heilig. Folglich hat das Gesetz die Kraft, uns zu verdammen, und es verdammt uns auch, Gal 3,11: „da durchs Gesetz niemand gerecht wird vor Gott“, weil das Gesetz nicht aus dem Glauben kommt, sondern Röm [10, 5]: „Wer es tut, wird dadurch leben.“ [Gal 3,13:] „Christus aber hat uns erlöst vom Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns“, damit die Rechtfertigung durch das Gesetz in uns erfüllt würde. Deswegen sagt Paulus [Röm 5,20]: „Das Gesetz ist dazwischen hineingekommen, damit die Sünde mächtiger würde“ und zu
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[262] De euangelio quid est euangelium, est leta annunciatio de christo saluatore nostro quemadmodum dictum est abrahe *Gen.** in semine tuo qui est christus benedicentur omnes familie terre, Ite in orbem terrarum predicate omni creature quid aut qualia Euangelium, quale angelus nato christo pastoribus annunciauit *Lu.** Ecce euangeliso vobis gaudium magnum quod erit omni populo quia natus nobis est hodie saluator qui est christus in ciuitate Dauid hoc est vere letum nuntium agere non solum vni aut alteri sed toto mundo, De Vi euangely, euangelium non solum indicat nobis bonum aliquod at dat quoque totum quod in se habet credenti promissioni annunciate, *[a]d [Ro]ma[no]s [pr]imo** non erubesco euangelium virtus enim dei est in salutem omni credenti, *[Ma]tei** Venite ad me omnes qui laboratis et onerati estis et ego reficiam vos *[Za]cha ix o** ecce rex tuus venit tibi iustus saluator, ecce agnus dei qui tollit peccata mundi, ex his colligendum erit euangelium non solum aliquid boni annunciare sed etiam conferre scilicet liberare hominem a lege ne possit condemnare et sic adempta potestate lex redditur inanis. nempe vacua potestate reum eterne mortis condemnandi Sicut omnes in adam moriuntur ita et in christo viuificabuntur De iustificatione hominis, [105] quomodo homo iustificatur et in quibus euangelium suam exercet vim, non in alys nisi firmiter innitentibus diuine promissioni sibi omnia donari a christo gratuita misericordia abiecto respectu vllius operis quia deus non vult aliquem saluare adiumento sui operis sed sola potentia misericordie sue que sufficit nobis ad salutem, testificor autem omni homini circumcidenti quum debitor vniuerse legis faciende. *[a]d [ga]lat 6** euacuati estis a christo qui in lege iustificamini a
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ciuitate B ciutate A ad … primo A Rom. 1. B vacua B vacuua korrigiert aus vacuus A qui B qui qui A 282
Die beiden folgenden Absätze sind zwar wie das im Verzeichnis versehentlich übergangene Kapitel 4 des Interim überschrieben De iustificatione (Von der Rechtfertigung), behandeln aber tatsächlich Kapitel 6 De modo per quem [homo] iustificationem accipit.
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den Korinthern [2Kor 3,6]: „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ (9) Evangelium
Vom Evangelium. – Was ist das Evangelium? Es ist die frohe Botschaft von Christus, unserem Heiland, wie sie zu Abraham gesprochen wurde Gen [22, 18]: „Durch deine Nachkommenschaft“ – nämlich Christus – „sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“ [Mk 16, 15:] „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur“. Was oder welches Evangelium? Dasjenige Evangelium, das der Engel nach Christi Geburt den Hirten verkündigte Lk [2, 10 f.]: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, in der Stadt Davids.“ Das heißt wahrhaft eine frohe Botschaft verbreiten – nicht nur dem einen oder andern, sondern der ganzen Welt. (10) Die seligmachende Kraft des Evangeliums
Von der Kraft des Evangeliums. – Das Evangelium weist uns nicht nur hin auf irgend ein Gut, sondern gibt auch alles, was es in sich birgt, demjenigen, der der angekündigten Verheißung glaubt Röm 1, 16: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben.“ Mt 11, 28: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; und ich will euch erquicken.“ Sach 9, 9: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“ [Joh 1,29:] „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt.“ Aus dem allem wird zu folgern sein, dass das Evangelium nicht nur etwas Gutes ankündigt, sondern es auch mit sich bringt, dass es nämlich den Menschen vom Gesetz befreit, damit es nicht mehr verdammen kann und so das Gesetz – seiner Kraft beraubt – zunichte wird, nämlich ohne jede Macht, den des ewigen Todes Schuldigen zu verurteilen. [1Kor 15, 22:] „Wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden.“ (11) Rechtfertigung (Interim 6)
Von282 der Rechtfertigung des Menschen. – »Wie283 der Mensch gerechtfertigt wird« und in welchen Menschen das Evangelium seine Kraft ausübt? In niemand anderem als in denen, die sich fest auf die göttliche Verheißung stützen, dass ihnen alles umsonst aus Barmherzigkeit durch Christus geschenkt sei ohne Rücksicht auf irgend ein gutes Werk. Denn Gott will niemand retten unter Mithilfe seines Werkes, sondern allein durch die Kraft seiner Barmherzigkeit, welche zu unserem Heil genügt. Gal 5, 3–6: „Ich bezeuge einem jeden Mann, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. Ihr habt Christus verloren, die 283
Interim 6/49.
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gratia excidistis nos enim spiritu ex fide iustitie spem exspectamus nam in christo ihesu neque circumcisio aliquid valet neque preputium sed fides que per dilectionem operatur hic videmus aperte quod deus sibi omnem iustificationem asscribit et non partem, iustificationis, sed non sicut peccatum ita et donum si enim vnius delicto multi mortui sunt multo magis gratia dei et donum in gratia vnius hominis ihesu christi in plures abundauit ei autem qui operatur merces non imputatur secundum gratiam sed secundum debitum ei vero qui non operatur credenti autem in eum qui iustificat impium reputatur fides eius ad iustitiam secundum propositum gratie dei sicut et dauid dicit beatitudinem hominis cui deus accepto fert iustitiam sine operibus et cetera, [263] Obiectio, Si opera nostra bona non conducunt ad salutem ad quod precipit christus et omnes apostoli tam strenue opera bona non exigit deus a nobis vt impleantur verba sua tamquam in adiutorium nostre salutis sed tantummodo in ostensionem fidei nostre quia fides in christum que vera est non potest vacare charitate, nec charitas bonis operibus quemadmodum sepe videmus in his qui vtuntur lege naturali quod valent respondere sibi benefacientibus, sicuti dominus dicit, si eis benefacitis qui vobis benefaciunt que merces inde vobis erit hoc enim faciunt ethnici et publicani, ad quod ducuntur lege naturali, Sic etiam nos qui credimus nobis donatum esse regnum celorum eternam beatitudinem non possumus non redamare deum sicut nos prius amauit nam hec fidei natura est vt diligatur deus iterum ab his quos dilexit *ad romanos** quis nos separabit a charitate christi et cet[era] talem quoque fidem exigit a nobis operantem per dilectionem. De charitate et bonis operibus, scriptura docet opus esse charitate homini christiano at non quia ex parte iustificamur sed vt sit solummodo fructus fidei quemadmodum fides est [106] qua creditur verbo dei et spes qua exspectatur quod cor semel certum statuit sic etiam est charitas per
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sicut … ita B sicut peccatum sicut ita fides B, fehlt A ethnici B etnici A exigit B exigitur A
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ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss. Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.“ Hier sehen wir klar, dass Gott sich die gesamte Rechtfertigung zuschreibt und nicht nur einen Teil der Rechtfertigung. [Röm 5, 15:] „Aber nicht verhält es sich so mit der Gabe wie mit der Sünde. Denn wenn durch die Sünde des Einen die Vielen gestorben sind, um wieviel mehr ist Gottes Gnade und Gabe den vielen überreich zuteil geworden durch die Gnade des einen Menschen Jesus Christus.“ [Röm 4, 4–6:] „Dem aber, der mit Werken umgeht, wird der Lohn nicht aus Gnade zugerechnet, sondern aus Pflicht. Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit gemäß dem Vorsatz der Gnade Gottes. Wie ja auch David [Ps 32, 2 f.] den Menschen selig preist, dem Gott zurechnet die Gerechtigkeit ohne Zutun der Werke.“ (12) Gute Werke als Folge des Glaubens
Einwand: Wenn unsere guten Werke nicht zum Heil führen, wozu verlangen dann Christus und alle Apostel sie so nachdrücklich? – Gott verlangt gute Werke von uns nicht dazu, dass seine Worte [Gebote] erfüllt werden sollten gleichsam zur Unterstützung unseres Heils, sondern nur zum Vorzeigen unseres Glaubens, weil der Glaube an Christus, der wahr ist, nicht ohne Liebe und die Liebe nicht ohne gute Werke sein kann. So sehen wir oft bei denen, die sich des natürlichen Gesetzes bedienen, dass sie sich ihren Wohltätern erkenntlich erweisen, wie der Herr spricht [Mt 5, 46 f.]: „Wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Lohn werdet ihr davon haben? Das tun nämlich auch die Heiden und die Zöllner.“ Dazu werden sie durch das natürliche Gesetz geleitet. So können auch wir, die wir glauben, dass uns das Himmelreich als ewige Seligkeit geschenkt ist, nicht umhin, Gott wiederzulieben , wie er uns zuerst geliebt hat. Denn das ist die Natur des Glaubens, dass Gott wiederum von denen geliebt wird, die er zu lieben begonnen hat. Röm [8,35]: „Wer will uns scheiden von der Liebe Christi?“ Und solchen Glauben, der durch die Liebe tätig ist, verlangt er von uns. (13) Liebe und gute Werke (Interim 7)
»Von284 der Liebe und den guten Werken«. – Die heilige Schrift lehrt, dass der Christ Liebe üben muss, aber nicht, weil wir durch sie teilweise gerechtfertigt werden, sondern lediglich damit sie eine Frucht des Glaubens sei. Wie der Glaube das ist, wodurch dem Wort Gottes vertraut wird, und die Hoffnung das, womit erwartet wird, was das Herz einmal als sicher 284
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quam deus a nobis quoque diligitur quemadmodum dilexit nos non ideo debemus alterum ab altero separare sed omnibus promiscue vti nam spes non potest separari a fide nec charitas a spe hoc est perseuerantia fidei, propterea loquitur paulus si fidem habuero vt montes transferam charitatem non habeo nihil sum hoc est fides est nullius valoris scilicet imperfecta non igitur hic paulus loquitur de iustificatione que ex aliqua parte fit per charitatem sed de efficatia et fructu fidei sic loquitur apostolus charitatem esse perfectionem legis non quod vera charitas non esset perfecta in se sed quod non possit esse vacua bonis operibus vt, diliges dominum deum tuum ex toto corde et proximum tuum sicut teipsum in hoc tota lex pendet et prophete hoc est vbi charitas est ibi est impletio mandatorum dei vnde dominus *iohannis** Si quis diligit me sermones seruabit qui non diligit me sermones meos non seruat, *prima iohannis quarto** omnis qui diligit fratrem suum ex deo natus est et cognoscit deum qui non diligit non nouit deum quia deus charitas est, ita concluditur quod charitas est non cui alia pars salutis debet asscribi sed quod est fructus fidei et opera fructus charitatis non pars iustificationis Si abraham ex operibus iustificatus sit habet quidem gloriam coram hominibeus sed non coram deo, [264] quomodo potest fides tam efficax esse? eo quod non solum assentitur scriptis diuinis secundum exteriorem hominem sed quod certo credit diuino eloquio et eidem intimo corde firmiter adheret fides igitur coram deo valens non est talis qualem papiste asserunt quam etiam demones habent sed certa persuasio cordis nostri que liberat nos ab omni dubitatione de qua externa cognitio nos minime potest eripere ideoque dixit dominus per hieremiam se illis daturum legem in cordibus et mentibus eorum et hinc postquam scripserit hominibus legem intus in corde tunc homines deo esse in populum et ipse illis in deum ex his concluditur quod verbum dei auribus perceptum nihil vtilitatis in nobis efficit atuero
285 Der folgende Absatz ist faktisch eine Entgegnung auf Kapitel 8 des Interim Von dem Vertrauen in die Sündenvergebung, das vor zu großer Gewissheit warnt und Zweifel an der Sündenvergebung für unvermeidbar hält.
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festgestellt hat, so ist auch die Liebe das, wodurch Gott auch von uns geliebt wird, wie er uns geliebt hat. Deshalb dürfen wir nicht das eine vom andern trennen, sondern müssen sie alle gemeinschaftlich vollziehen, denn die Hoffnung kann nicht vom Glauben getrennt werden noch die Liebe von der Hoffnung, d. h. von der Beständigkeit des Glaubens. Deswegen sagt Paulus [1Kor 13, 2]: „Wenn ich Glauben hätte, so dass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts“, d. h. der Glaube wäre wertlos, nämlich unvollkommen. Paulus spricht deshalb hier nicht von einer Rechtfertigung, die teilweise durch die Liebe geschieht, sondern von Wirksamkeit und Frucht des Glaubens. Der Apostel drückt sich nämlich so aus [Röm 13, 10]: „Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung“, nicht weil die wahre Liebe nicht in ihr selbst vollkommen wäre, sondern weil sie nicht leer von guten Werken sein kann, wie etwa [Mt 22, 37.39 f.]: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst. Darin hängt das ganze Gesetz und die Propheten“, d. h. wo die Liebe ist, dort ist die Erfüllung der Gebote Gottes. Deshalb spricht der Herr Joh [14, 23]: „Wer mich liebt, der wird meine Worte halten. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht.“ 1Joh 4, 7 f.: „Jeder, der seinen Bruder liebt, ist aus Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.“ So ergibt sich, dass der Liebe nicht der zweite Teil des Heils zugeschrieben werden darf, sondern dass sie eine Frucht des Glaubens ist, und dass die Werke Früchte der Liebe sind und nicht Teil der Rechtfertigung. [Röm 4, 2:] „Ist Abraham durch Werke gerecht, so kann er sich wohl rühmen, aber nicht vor Gott.“ (14) Vertrauen auf Gottes Wort (Interim 8)
Wie285 kann der Glaube so wirksam sein? – Deshalb, weil er nicht nur nach Art des äußeren Menschen der heiligen Schrift zustimmt, sondern weil er mit Gewissheit dem göttlichen Wort glaubt und ihm im innersten Herzen fest anhängt. Daher ist der Glaube, der vor Gott gilt, nicht von der Art, wie die Papisten286 meinen, dass ihn auch [Jak 2, 19] „die Dämonen“ haben, sondern die feste Überzeugung unseres Herzens, die uns von jedem Zweifel befreit und von der uns eine äußerliche Erkenntnis keineswegs losreißen kann. Und deswegen spricht der Herr durch Jeremia [31, 33], dass er jenen ein Gesetz in Herz und Sinn geben wird, und deshalb werden die Menschen, nachdem Gott den Menschen das Gesetz ins Herz hineingeschrieben hat, als Menschen zum Volk werden, das Gott gehört, und er selbst wird ihnen ihr Gott sein. Daraus ist zu schließen, dass das Wort Gottes, wenn es nur mit den Ohren gehört wird, nichts Nütz286 Gemeint ist die Auffassung Interim 7/53, dass auch die von der Liebe getrennte bloße Zustimmung zur Offenbarung Gottes wahrer Glaube sein könne.
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corde comprehensum sit viuida et efficax coram deo et talis operatur per charitatem. De ecclesia, ecclesia christi est corporaliter certo loco alligata, sed spiritualiter minime, vnde psalmista, in omnem terram exiuit sonus eorum et in fines orbis terre verba eorum, ite in mundum vniuersum predicate euangelium omni creature qui crediderit et baptisatus fuerit saluus erit qui vero non crediderit condemna[107]bitur. ex his manifestum est ecclesiam dei non solum esse rome apud papam sed ubique terrarum vbi duo vel tres congregati fuerint in nomine meo ibi sum in medio eorum, et veri adoratores adorant patrem in spiritu, quia spiritus ubique est, volo omnes viros orare in omni loco, quur dicitur ecclesia, eo quod est congregatio christifidelium que associata est Christo in sponsam et Christus ei in sponsum vt similis sit christo suo sponso per sanguinem eiusdem sanctificata vt sit sancta et immaculata ab omni imputatione peccati quemadmodum dicit paulus, ecclesiam christi mortuam esse legi per corpus christi, ego per legem legi mortuus sum viuo iam non ego viuit vero in me christus quod autem nunc viuo in fide fily dei qui dilexit me et tradidit seipsum pro me non sperno gratiam dei si ex lege hereditas ergo christus gratis mortuus est, ex hoc aptum est quod nulla congregatio populi potest nuncupari sancta nisi prius fuerit tota per sanguinem christi ab omne labe peccati et sic per fidem in christum deo adglutinata De notis et signis vere ecclesie?, quibus cognoscitur ecclesia? Doctrina sana et recto usu sacramentorum a christo institutorum ac vita respondente doctrine, de doctrina, tu es Petrus et super hanc petram edificabo ecclesiam meam, non estis vos qui loquimini sed spiritus patris vestri est qui
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Interim 9/59. Oben (5).
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liches in uns bewirkt; dass es aber, wenn es mit dem Herzen ergriffen wird, vor Gott lebendig und tätig sei. Und derart wirkt es durch die Liebe. (15) Kirche (Interim 9)
»Von der Kirche«287. – Die Kirche Christi ist leiblich an einen bestimmten Ort gebunden, nicht aber geistlich. Deshalb sagt der Psalmist [Ps 19, 5]: „Ihr Schall geht aus in alle Lande und ihr Reden bis an die Enden der Welt.“ [Mk 16, 15 f.:] „Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ Daraus geht klar hervor, dass die Kirche Gottes nicht nur in Rom beim Papst ist, sondern überall in der Welt. [Mt 18, 20:] „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Und [Joh 4, 23]: „Die wahren Anbeter werden den Vater anbeten im Geist“, weil der Geist überall ist. [1Tim 2, 8]: „So will ich nun, dass alle Männer beten an allen Orten.“ Warum wird sie »ecclesia« genannt? – Weil sie die Versammlung der »Christgläubigen«288 ist, welche als Braut mit Christus verbunden ist, und Christus ihr als Bräutigam, damit sie ähnlich sei ihrem Bräutigam Christus, geheiligt durch sein Blut, so dass sie [Eph 5,27:] „heilig und untadelig sei“ von aller Schuld der Sünde, wie Paulus sagt, dass die Kirche Christi dem Gesetz gestorben sei durch den Leib Christi. [Gal 2, 19–21:] „Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben. Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes, denn wenn das Erbe durch das Gesetz kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.“ Damit hängt es zusammen, dass keine Versammlung des Volkes heilig genannt werden kann, wenn sie nicht vorher vollständig durch das Blut Christi von jedem Flecken der Sünde [gereinigt] und so durch Glauben an Christus mit Gott verbunden ist. (16) Kennzeichen der Kirche (Interim 10)
»Von289 den Merkmalen und Zeichen der wahren Kirche«. – Woran wird die Kirche erkannt? »An290 der heilsamen Lehre und am rechten Gebrauch der Sakramente«, die von Christus eingesetzt sind, und an der Lebensweise, die der Lehre entspricht. [Erstens:] Über die Lehre [Mt 16, 18]: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen.“ [Mt 10, 20:] „Denn nicht ihr seid es, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch 289 290
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loquitur in vobis, per hec liquet quod ecclesia debet inniti verbo dei, at non in verbum ecclesie Secundo de usu sacramentorum, ecclesie relictus est a deo usus sacramentorum non in hoc vt iustificeteur homo perceptione sacramentorum sed vt recordetur beneficiorum dei ac eadem recordatione mouente spiritu sancto fides eius augeatur [265] Tertio, bona vita, de qua fuse apostolus tractat ad thimoteum et Titum que necessario debet sequi doctrinam vt homo non scandalisetur et doctrina christi perinpendatur propter inordinatam vitam, deo indignam De auctoritate et potestate ecclesie, qualis aut quanta auctoritas ei datur explanare scripturas. Ecclesia non habet propriam auctoritatem exponendi scripturas sed est illi donum a deo, quo datur ei potestas interpretandi sacras litteras hoc primum intelligentes quod prophetia scripture propria interpretatione non fit non enim humana voluntate allata est aliquando prophetia sed spiritu sancto locuti sunt sancti dei homines. oportet igitur esse aliquam explanationem scripture qua diuina intentio abscondita in litteris desuper traditis hominibus aptior fiat atque eandem sanctus paulus enu[108]merat inter dona spiritus sancti, obycit papa cum suis ecclesia non potest errare quia regitur a spiritu sancto quidquid ergo docuerit pro fidei articulo habendum erit. Adducens hoc super cathedram moysi sederunt scribe et pharisei quecumque dicunt facite, christus non dicit phariseos audiendos nisi docentes ea que conueniunt cum sacra scriptura nam alio loco precipit apostolis fugituris fermentum hoc est malam doctrinam illorum, ex hoc itaque licet quod nullus audiendus sit nisi cuius doctrina suum fundamentum habeat a verbo dei
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in Kj, fehlt A und B sacramentorum B cramentorum A perinpendatur A (wohl abgeleitet aus perinpenditus, sehr behindert) impendiatur B aliquam explanationem B aliqua explanatio A cathedram B catedram A
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(16. 17 a.b)
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redet.“ Daraus wird klar, dass die Kirche sich auf das Wort Gottes stützen muss, aber nicht auf das Wort der Kirche. Zweitens: Über den Gebrauch der Sakramente. Der Kirche wurde von Gott der Gebrauch der Sakramente übergeben, nicht dazu, dass der Mensch durch die Annahme der Sakramente gerechtfertigt würde, sondern dass er an die Wohltaten Gottes erinnert würde und dass durch diese Erinnerung, bewegt durch den heiligen Geist, sein Glaube vermehrt würde. Drittens: Über das gute Leben. Davon handelt der Apostel an vielen Stellen seiner Briefe an Timotheus und Titus. Es muss notwendig auf die Lehre folgen, damit der Mensch keinen Anstoß nehme und die Lehre Christi behindert würde wegen des unordentlichen Lebens, das Gottes unwürdig ist. (17) Kirchengewalt (Interim 11) (a) Schriftauslegung als Gabe des Geistes
»Von291 der Vollmacht und Gewalt der Kirche«: Welche und wie viel Vollmacht ihr gegeben ist, die heilige Schrift auszulegen. Die Kirche hat keine eigene Vollmacht, die heilige Schrift auszulegen, sondern es ist für sie eine Gabe Gottes, mit der ihr die Vollmacht gegeben ist, die heilige Schrift zu erklären, indem wir zuerst begreifen [2. Petr 1, 20 f.]: „dass keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist. Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem heiligen Geist haben Gottes heilige Menschen geredet.“ Es ist also nötig, dass es eine gewisse Auslegung der heiligen Schrift gibt, durch welche die göttliche Absicht, die in den von oben her überreichten Buchstaben verborgen ist, verständlicher wird, und diese führt der Apostel Paulus auf [1Kor 12, 30] unter den Gaben des heiligen Geistes. (b) Keine Irrtumslosigkeit der Kirche
Der Papst und die Seinigen wenden ein: Die Kirche könne nicht irren, weil sie vom heiligen Geist regiert werde. Was immer sie lehre, sei deshalb für einen Glaubensartikel zu halten. Und er führt dazu an [Mt 23, 2 f.]: „Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer; alles was sie sagen, das tut“. Christus sagt aber nicht, dass man auf die Pharisäer hören solle, außer sie lehren das, was mit der heiligen Schrift übereinstimmt. Denn an einer anderen Stelle [Mt 16, 2.11 f.] gebietet er den Aposteln, sich vom Sauerteig fernzuhalten, d. h. von der schlechten Lehre, die jene verbreiten. Von daher ist es erlaubt, dass auf niemanden zu hören ist, außer seine Lehre habe ihren Grund im Wort Gottes. 291
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Adhuc obyciunt papiste illud dictum christi, multa habeo vobis dicere sed non potestis portare modo hoc dicto confirmantes multa obscura esse que indigent explanationis alicuius Verum est at christus hic non loquitur de varia interpretatione quam vnumquemque decebit pro suo proprio sensu sed mentionem facit de ruditate illorum qua non possunt capere misteria dei quia animalis homo non percipit ea que sunt spiritus dei stultitia enim est illi et non potest intelligere quia spiritualiter examinatur quid vero sequitur, sed spiritus sanctus quem mittet pater in nomine meo ille vos docebit omnia et suggeret vobis omnia quecumque dixero vobis, hic videmus christum tunc temporis loquutum illis rudibus discipulis carnaliter sapientibus et ideo non valebant intelligere ea que dicebantur de regno dei quia expertes erant spiritus dei quem illis christus promiserat se missurum et absque hoc spiritu non potest recte tractari verbum dei, *Ad romanos** quis cognovit sensum domini aut quis consiliarius eius fuit, nos autem mentem christi tenemus, hec oratio nos mentem christi tenemus indicat nos opus habere spiritu sancto per quem scimus voluntatem domini, et habemus potestatem alys quoque annunciare ac explanare, [266] Consideremus iam quam longe fuerint papiste et discrepauerint ab interpretatione sacre scripture quod illorum insipientia bene probat qua indicant numerum septem sacramantorum scilicet baptismatis, confirmationis, penitentie, eucharistie, sacre vnctionis sacri ordinis, matrimony et insuper sacrificium misse orationem pro defunctis inuocationem sanctorum missas priuatas angulares nam si omnia essent sacramenta que habent annexam diuinam promissionem tunc nullus esset finis sacramentorum et multi damnarentur quia non omnes sumus matrimonio iuncti nec omnes possumus esse concionatores verbi dei neque omnes penitentes accipiunt consolationem remissionis peccatorum [109] nisi se erexerint fide in christum, quemadmodum iudam penituit mali actus preteriti scilicet proditionis christi sed non estimauit diuinam misericordiam, pluris, suis peccatis
1 Adhuc B Ad huc A 3 est B est est A
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(17 c. 18)
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(c) Keine Dunkelheit der Schrift
Immer noch setzen die Papisten jenes Wort Christi entgegen [Joh 16, 12]: „Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen“, nur dass sie mit diesem Wort bekräftigen wollen, dass vieles dunkel sei, welches einer bestimmten Erklärung bedürfe. – Das ist wahr, aber Christus spricht hier nicht von einer unterschiedlichen Interpretation, die jedem nach seinem eigenen Sinn entsprechen wird, sondern er spielt an auf ihre Unerfahrenheit, derentwegen sie die Geheimnisse Gottes nicht erfassen können. Denn [1Kor 2, 14]: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden“. Daraus folgt jedoch [Joh 14, 26]: „Aber der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Daraus ersehen wir, dass Christus zum damaligen Zeitpunkt zu jenen noch unerfahrenen Jüngern gesprochen hat, die noch fleischlich dachten. Und deshalb konnten sie noch nicht verstehen, was zu ihnen vom Reich Gottes gesagt war, weil sie noch ohne den Geist Gottes waren, den Christus ihnen zu senden versprach. Und ohne diesen Geist kann niemand recht mit dem Wort Gottes umgehen Röm [11, 34]: „Wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?“ [1Kor 2, 16:] „Wir aber haben Christi Sinn.“ Diese Rede „Wir haben Christi Sinn“ zeigt, dass wir den heiligen Geist nötig haben, durch den wir den Willen Gottes kennen und die Vollmacht haben, ihn auch anderen zu verkündigen und zu erklären. (18) Zahl der Sakramente (Interim 14)
Ziehen wir also in Betracht, wie weit die Papisten entfernt waren und abgewichen sind von der Auslegung der heiligen Schrift, was ihre Unvernunft hinreichend beweist, mit der sie die Zahl292 von sieben Sakramenten anzeigen, nämlich Taufe, Firmung, Buße, Eucharistie, heilige Salbung, Priesterweihe, Ehe, darüber hinaus Messopfer, Fürbitte für die Toten, Anrufung der Heiligen und private Winkelmessen. Denn wenn all das Sakrament wäre, was mit einer göttlichen Verheißung verknüpft ist, dann gäbe es kein Ende mit den Sakramenten293. Und viele würden verdammt werden, weil wir nicht alle durch eine Ehe gebunden sind und weil wir nicht alle Prediger des Wortes Gottes sein können und nicht alle in der Buße den Trost der Sündenvergebung empfangen (wenn sie sich nämlich nicht durch den Glauben an Christus aufrichten, wie Judas [, der] sein begangenes Verbrechen [zwar] bereute, 292 Die Zahl der sieben Sakramente und der weiteren vier Handlungen konnte Abel seiner Liste (1) entnehmen. 293 Vgl. Melanchthon, Loci 1535, 469f.
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ideo suspendit se et crepuit medius, Sunt itaque duo sacramenta scilicet baptisma et cena domini que sunt proprie signa diuine voluntatis erga nos, Sacramentum nihil aliud est nisi signum sacre rei facte, sed alia sacramenta papistica sunt figmenta diaboli nullo scripture loco fundata ideo reycienda sunt tamquam inutilia quamquam ordinatio diuina minime spernenda sit qua deus instituit omnia recta scilicet ordinem predicatorum et cetera que omnia mandatum et institutionem dei habent at non in hoc instituta vt aliquam afferant salutem aut sint signa propria annexa diuine promissioni quemadmodum baptismus et cena domini propterea maxime errauerunt papiste asscribentes eisdem aliquam iustificationem nam vt dictum sit non omnes vocati sunt a deo ad matrimonium quod consulitur et non precipitur, Sic etiam nemo debet predicare nisi qui vocatus fuerit et electus a deo et ecclesia tamquam aaron quia vocatio ad aliquod officium non facit hominem sanctiorem sed oportet vt homo sanctus irreprehensibilis sit vt paulus ait ad timotheum et titum ante functionem officy huiusmodi propterea ait dominus discipulis vt rogarent dominum vt mittat operarios in messem suam ita quoque de alys fictis sacramentis papisticis scilicet confirmatione vnctione olei que hoc tempore nullo vsui habentur quemadmodum tunc temporis mos in ecclesia exstitit nam illo tempore necessitas exigebat talia miracula per que date sunt sanitates corporales vt habetur iacobi quinto de unctione olei non quod illa externa vnctio habebat virtutem a deo sancto auferendi peccata anime at solummodo restituendi hominis pristine sanitati per orationem fidelium pro infirmo ad deum factam [267] *actorum viijo** Similiter dabatur spiritus sanctus per impositionem manuum apostolorum que est perseueratio in dono dei quod prius acceperant ex hoc non sequitur quod nunc quoque esset opus tali
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Interim 20/93.95. Interim 16/79.81. Interim 19/91.03.
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(18–21)
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nämlich den Verrat Christi, aber die göttliche Barmherzigkeit nicht höher bewertete als seine übergroßen Sünden, [Apg 1, 18] sich deshalb erhängte und mitten entzweibrach). (19) Die Sakramente Taufe und Herrenmahl (Interim 15 und 18)
Es gibt daher zwei Sakramente, nämlich die Taufe und das Herrenmahl, die im eigentlichen Sinn Zeichen für den göttlichen Willen gegen uns sind. Ein Sakrament ist nichts anderes als das Sinnzeichen für ein heiliges Geschehen. Aber die anderen papistischen Sakramente sind Erfindungen des Teufels, die durch keine Bibelstelle begründet und deshalb als unnütz zurückzuweisen sind. (20) Ordination (Interim 20)
Allerdings ist die göttliche Ordination294 keineswegs zu verachten, wodurch Gott alles Pflichtmäßige geordnet hat, nämlich den Stand der Prediger und das übrige, was alles auf Gebot und Einrichtung Gottes beruht, aber nicht dazu eingerichtet ist, dass es das Heil mit sich brächte oder dass es Zeichen seien, die unmittelbar einer göttlichen Verheißung zugeordnet wären wie die Taufe oder das Herrenmahl. Deswegen sind die Papisten gründlich in die Irre gegangen, wenn sie ihnen irgend eine rechtfertigende Kraft zuschreiben. Denn wie schon gesagt: nicht alle sind von Gott zur Ehe berufen, weil die Ehe empfohlen, aber nicht geboten wird. So ist auch niemandem gestattet zu predigen, außer wer berufen und auserwählt ist von Gott und der Kirche wie Aaron [Ex 28, 1], weil die Berufung zu irgend einem Amt den Menschen nicht heiliger macht, sondern erfordert, dass ein Mensch schon vor der Übernahme eines solchen Amtes heilig und untadelig sei, wie Paulus an Timotheus [1Tim 3, 2.10; 5, 7; 6, 14; 2Tim 2,15] und an Titus [1, 6 f.] schreibt. Deshalb fordert der Herr seine Jünger auf [Mt 9, 38:] den Herrn zu bitten, dass er Arbeiter in seine Ernte sende. (21) Firmung und Ölsalbung (Interim 16 und 19)
So steht es auch um die andern erfundenen papistischen Sakramente, nämlich Firmung295 und Ölsalbung296, die in der heutigen Zeit nicht mehr den Nutzen haben, wie es zur damaligen Zeit als Sitte in der Kirche galt. Denn in jener Zeit erzwang die Not solche Wundertaten, durch welche die körperliche Gesundheit verliehen wurde, wie es Jak 5, 14 mit der Ölsalbung gehalten wurde, nicht weil jene äußerliche Salbung vom heiligen Gott her die Kraft gehabt hätte, die Sünden der Seele wegzunehmen, sondern sie hatte sie nur zur Wiederherstellung des Menschen zur vorherigen Gesundheit durch das Gebet für den Kranken zu Gott. Gleicherweise wurde Apg 8, 17 der heilige Geist ausgeteilt durch die Handauflegung der Apostel, welche den Verbleib in der Gabe Gottes bedeutet, die sie früher empfangen hatten. Daraus folgt nicht, dass auch heute eine
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gestu que tunc fiebat quo non solum externa dona conferebantur sed etiam interna scilicet augmentum in bono quemadmodum christus existens in carne dederat suis apostolis potestatem peccata dimittendi aut retinendi insufflatione dicens accipite spiritum sanctum quorum remiseritis peccata remittuntur eis. et quorum retinueritis retenta sunt, Simili modo vsus est externis rebus scilicet sputo et luto, quibus sua propria virtute perfecit sa[110]nitates corporales omnia autem hec iam non sunt necessaria, quia fides iam satis confirmata est precedentibus miraculis christi et apostolorum que omnia tunc temporis infirmitate fidei concedebantur, ex his igitur apparet tales gestus huic tempori non esse necessarios, De sacrificio misse, – Sacrificium misse non habet fundamentum in scripturis sed est maxima idolatria ab hominibus inuenta et instituta ad satisfaciendum sue cupiditati acquirendae et accumulande pecunie, quia christus non instituit solummodo cenam suam scilicet testamentum suum in memoriam passionis et mortis suae hoc facite quotiescumque feceritis in mei commemorationem hoc est in recordationem beneficiorum dei ex diuina charitate collatorum non in oblationem satisfactoriam pro peccatis viuorum et mortuorum quia christus semel pro peccatis nostris oblatus iustus pro iniustis vt nos offeret deo ergo vna oblatione voluntaria consummauit in eternum sanctificatos, Si vero consummauerit semel ad quid opus nobis erit iterato sacrificio quibus vnum sufficit, quemadmodum scriptum est, Si enim sanguis hircorum aut taurorum et cinis vituli aspersus inquinatos sanctificat ad emundationem carnis quantomagis sanguis christi qui per spiritum sanctum semetipsum obtulit immaculatum deo emundauit conscientiam nostram ab operibus mortuis et ideo noui testamenti mediator est vt morte intercedente in redemptionem earum preuaricationum que erant sub priori testamento repromissionem accipiant qui vocati sunt eterne hereditatis, hic aperte videmus christum semel se obtulisse
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solche Handlung nötig wäre, wie sie damals vollzogen wurde, wodurch nicht nur äußere Güter übertragen wurden, sondern auch innere, wie nämlich das Wachstum im Guten, so wie Christus, als er noch im Fleische wandelte, seinen Aposteln die Macht gab, Sünden zu vergeben oder zu behalten, indem er sie anblies und sprach [Joh 20, 22 f.]: „Nehmet hin den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Gleicherweise benutzte er äußere Mittel, beispielsweise [Joh 9, 6] Speichel und Erde, mit denen er durch seine eigene Kraft leibliche Gesundheit bewirkte. All dies ist indessen heute nicht mehr nötig, weil der Glaube genügend gewiss ist dank der damaligen Wunder Christi und der Apostel, die seinerzeit der Schwäche des Glaubens zugestanden wurden. Durch dies alles ist also offenkundig, dass solche Handlungen in heutiger Zeit nicht mehr nötig sind. (22) Der Götzendienst des Messopfers (Interim 22) (a) Messopfer um des Geldes willen
»Vom Messopfer«297. – Das Messopfer hat keine Grundlage in der heiligen Schrift, sondern ist der schlimmste Götzendienst, den die Menschen erfunden und eingerichtet haben, um ihrer Gier nach Erwerb und Anhäufung von Geld genugzutun. (b) Abendmahl als Gedenken an das einmalige Opfer Christi
Denn Christus hat nicht nur sein Mahl eingesetzt, nämlich sein Testament zum Gedenken an sein Leiden und Sterben [1Kor 11, 25]: „Dies tut, so oft ihr es haltet, zu meinem Gedächtnis!“ d. h. zur Erinnerung an die Wohltaten Gottes, die er aus göttlicher Liebe geschenkt hat, nicht aber zum genugtuenden Opfer für die Sünden der Lebenden und der Toten [1Petr 3, 18]: „Denn Christus ist einmal für unsere Sünden geopfert worden, der Gerechte für die Ungerechten, um uns Gott darzubringen.“ Also [Hebr 10, 14]: „Durch ein freiwilliges Opfer hat er die Heiligen vollendet in Ewigkeit“. Wenn er es aber einmal vollendet hat, wozu ist dann ein wiederholtes Opfer nötig für uns, denen doch, wie geschrieben steht, eines genügt? [Hebr. 9, 13–15:] „Denn wenn das Blut von Böcken oder Stieren und die Asche von der Kuh durch Besprengung die Unreinen heiligt, so dass sie leiblich rein sind, um wieviel mehr wird dann das Blut Christi, der sich selbst als ein Opfer ohne Fehl durch den heiligen Geist Gott dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken. Und darum ist er auch der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der sühnend eingetreten ist zur Erlösung von diesen Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.“ Hier sehen wir klar, dass Christus sich ein Mal seinem Vater 297
Interim 22/103–123.
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patri suo ad destitutionem peccatorum nostrorum qua oblatione impetrauit nobis iterum regnum semel amissum per utrumque parentem nostrum, nullius itaque reiterati sacrificy indigemus obyciunt papiste, meritum christi passionis sufficisse peccatis nostris delendis at aiunt quod christianis necessaria est aliqua applicatio per quam redemtio nostra semel merito passionis christi facta quotidie applicabitur vt nos christiani maneamus in fauore dei et non iterum ab eo excidamus, responsio christianorum vna oblatione sanctificavit nos ineternum, si sanctificati sumus ineternum cur opus erit nobis maiori sanctificatione.
[268] Obyciunt iterum antichristi, se non dicere quod christiani semel emundati non denuo opus habere vt mundentur sed dicunt legem esse vmbram futurorum non ipsam imaginem representantem, scilicet sacrificy misse, paulus non loquitur de vmbra futuri sacrificy misse papistice sed de misti[111]ca interpretatione vnici sacrificy christi, ideo ingrediens mundum saluator noster dicit, hostiam et oblationem noluisti corpus autem aptasti mihi holocaustomata et pro peccato noluisti tunc dixi ecce venio superius dicens hostias et oblationes noluisti pro peccato nec placita sunt tibi que secundum legem offeruntur aufert primum vt sequens statuat in qua voluntate sanctificati sumus per oblationem corporis ihesu christi semel hinc liquet, aufert primum vt sequens statuat, quod sacrificia legis non sunt figure sacrificy misse sed vnici sacrificy ihesu christi quo voluntario sacrificio christi santificati sumus in perpetuum quid tum sentiendum erit de cena domini, ad quid instituta est a christo? non vt offeratur aut circumferatur vel adoretur sed vt in memoriam passionis christi et vtilitatis ac
11 emundati A mundati B 12 representantem A representans B
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geopfert hat, um unsere Sünden zu beseitigen, durch welches Opfer er für uns wiederum ein Mal das Reich wiedererlangt hat, welches unsere beiden Voreltern verloren haben. Daher bedürfen wir keines wiederholten Opfers. (c) Erster Einwand der Papisten: Tägliche Anwendung von Christi Opfer
Die Papisten wenden hier ein: Das298 Verdienst des Leidens Christ habe zwar ausgereicht, dass unsere Sünden getilgt sind. Aber sie sagen, dass299 für die Christen eine Anwendung nötig sei, durch die unsere Erlösung, die einmal durch das Verdienst des Leidens Christi bewirkt wurde, täglich auf uns übertragen werde, damit wir Christen in der Gnade Gottes bleiben und nicht wieder aus ihr herausfallen. – Antwort der Christen: Durch ein einziges Opfer hat er uns für ewig geheiligt. Wenn wir in Ewigkeit geheiligt sind, warum benötigen wir noch eine größere Heiligung? (d) Zweiter Einwand der Papisten: Wiederholte Opfer im Gesetz als Prophetie auf das Messopfer
Wiederum erheben die Antichristen einen Einwand. Ihre Aussage sei nicht, dass die Christen, einmal gereinigt, nicht wiederholt nötig hätten, gereinigt zu werden, sondern sie sagen: Das Gesetz zeige den Schatten des Künftigen, aber noch nicht das Bild selbst, nämlich das, was das Messopfer vergegenwärtigt. – Paulus spricht nicht vom Schatten des künftigen papistischen Messopfers, sondern von der geistlichen Auslegung des einen Opfers Christi. Deswegen sagt unser Heiland [Hebr 10, 5 f.] „wenn er in die Welt eintritt: ,Opfer und Gaben hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir geschaffen. Brandopfer und Sündopfer gefallen dir nicht.‘ Da sprach ich: ,Siehe ,ich komme.‘ Zuerst hatte er gesagt: ,Opfer und Gaben hast du nicht gewollt und Sündopfer gefallen dir nicht, welche doch nach dem Gesetz geopfert werden.“ Das Erste hebt er auf, damit er das Zweite einsetze [Hebr 10, 10]: „durch welchen Willen wir einmal durch das Opfer des Leibes Jesu Christi geheiligt sind“. Hier ist klar [Hebr 10, 9]: „Das Erste hebt er auf, damit er das Zweite einsetze“: dass die Opfer des Gesetzes die Weissagungen nicht auf die Messopfer sind, sondern auf das einmalige Opfer Jesu Christi, [Hebr 10, 10:] „durch welches freiwillige Opfer Christi wir in Ewigkeit geheiligt sind“. (e) Sinn des Herrenmahls
Was ist dann vom Herrenmahl zu denken? Wozu wurde es von Christus eingesetzt? – Nicht damit es geopfert oder [bei der Prozession] herumgetragen oder [im Sakramentshäuschen] angebetet würde, sondern damit es zum Gedächtnis des Leidens Christi und seines Nutzens und seiner 298 299
Vgl. Interim 22/105. Vgl. Interim 22/109.113.
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fructuum eiusdem celebretur et sic homo moueatur per operationem spiritus sancti intus in corde ad credendum diuine promissioni a christo facte que semel auditu domini verbi precepta est auctore apostolo fides ex auditu auditus autem per verbum christi nam sensus humanus non est tantum vnus sed quinque quemadmodum itaque homini aliquid persuadetur sensu auditus auricularis ita quoque. idipsum percipit sensu visus oculorum Simili modo agit deus nobiscum quod solummodo nos non adducit ad fidem suo verbo sed vtitur etiam aliquo signo suo verbo addito tamquam medio quo reddit nos capatiores ad credendum tanto firmius sue promissioni per motionem spiritus sui in cordibus nostris, quibus dat deus testimonium spiritui nostro quod sumus fily dei, De absolutione quid est absolutio, est aliqua auctoritas ecclesie a deo data absoluendi peccata et retinendi hoc penitentibus et dolentibus de peccatis suis ac fide christum apprehendentibus annunciandi diuino mandato, remissionem peccatorum, *Johannes** accipite spiritum sanctum, quorum remiseritis peccata remittuntur eis, et iterum impenitentibus et diuinam iram paruipendentibus similiter indicandi penam eternam, propter quod nulla salus in absolutione posita est sed solum annunciatio vite celestis aut pene infernalis qui crediderit et baptisatus fuerit saluus erit qui vero non crediderit condemnabitur, De penitentia, [112] penitentia est dolor mali actus preteriti, qui dolor non liberat hominem a morte eterna nisi fuerit homo iterum erectus fide in christum qua statuit se habere deum placatum propter meritum fily sui, que penitentia tamen precedere debet vt perueniatur ad fidem quia nullus mortalium possit recte misericordiam dei implorare quem non penituit mali commissi hoc est nemo potest misericordiam diuinam cognoscere qua per fidem purificatur cor qui prius non sensit grauitatem peccati nam sensus misericordie dei, qui
18 salus B salus salus A
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Früchte begangen werde und der Mensch so durch die innere Wirksamkeit des heiligen Geistes im Herzen zum Glauben an die göttliche, durch Christus geschehene Verheißung bewegt werde, die einmal durch das Hören des Wortes des Herrn geboten ist, wie der Apostel schreibt [Röm 10, 17]: „Der Glaube kommt aus dem Hören, das Hören aber durch das Wort Christi.“ Denn der menschliche Sinn ist nicht nur einer, sondern fünf. Wie daher der Mensch zu etwas überredet wird durch den Gehörsinn der Ohren, so nimmt er dasselbe auch wahr durch den Gesichtssinn der Augen. Ähnlich handelt auch Gott mit uns, dass er uns nicht nur mit seinem Wort zum Glauben hinführt, sondern auch irgend ein Zeichen nutzt, das seinem Wort als eine Art Mittel hinzugefügt ist, durch das er uns empfänglicher macht, damit wir desto fester seiner Verheißung glauben durch die Bewegung seines Geistes in unseren Herzen, in denen Gott [Röm 8, 16] „unserem Geist das Zeugnis gibt, dass wir Kinder Gottes sind“. (23) Buße und Absolution (Interim 17)
Von der „Absolution“300. – Was ist die Absolution? Sie ist eine Vollmacht, die Gott der Kirche gegeben hat, Sünden zu vergeben oder zu behalten (und zwar denjenigen, die bereuen und über ihre Sünden Leid tragen und Christus im Glauben annehmen) und die Vergebung der Sünden zu verkündigen gemäß dem göttlichen Gebot [Joh 20, 22 f.]: „Nehmet hin den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen“, und wiederum denjenigen, die unbußfertig sind und den göttlichen Zorn geringschätzen, gleicherweise die ewige Strafe anzuzeigen. Deshalb ist in der Absolution kein Heil enthalten, sondern nur die Ankündigung des himmlischen Lebens oder der höllischen Strafe [Mark 16, 16]: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ Von der „Buße“301. – Buße ist der Schmerz über eine böse Tat in der Vergangenheit. Dieser Schmerz befreit den Menschen nicht vom ewigen Tod, wenn er nicht wiederum durch den Glauben an Christus aufgerichtet wird, wodurch er feststellt, dass er einen Gott hat, der durch das Verdienst seines Sohnes versöhnt ist. Diese Buße indessen muss vorangehen, um zum Glauben zu gelangen, weil kein Sterblicher auf rechte Weise die Barmherzigkeit Gottes anrufen kann, der nicht Buße getan hat wegen der bösen Tat, d. h. niemand kann die göttliche Barmherzigkeit erkennen, mit der durch den Glauben das Herz gereinigt wird, der nicht vorher die Schwere der Sünde gefühlt hat. Denn die Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes, die durch den Glauben an Christus geschieht, lässt den 300 301
Interim 17/83.85. Interim 17/83.
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fide in christum fit non derelinquet hominem in peccato [269] atuero emundat ab operibus mortuis qui vero voluntarie peccat habet legem damnantem se, *ad corin** littera occidit, penitemini igitur et credite euangelio *actorum** vt deleantur peccata vestra, hinc considerare debemus penitentiam non esse sacramentum scilicet signum sacre rei facte, quamuis necessariam, ad petendum diuinam clementiam, nisi penitentiam habueritis omnes simul peribitis, penitentiam agite appropinquauit enim regnum celorum, omnis arbor qui non facit fructum bonum excidetur et in ignem mittetur, Sic etiam absolutio non est sacramentum que habet sibi proprie annexam remissionem peccatorum sed est auctoritas quedam (vt dictum est supra) data a deo, hominibus peccata dimittendi aut retinendi, duo enim sunt sacramenta scilicet signa sacre rei factae quorum vnum est baptimus qui crediderit et baptisatus fuerit saluus erit, hic videmus baptisma esse verum signum sacre rei facte quod etiam datur paruulis, De baptismo paruulorum, quid sentis de baptismo infantium? paruuli non minus sunt baptizandi quam adulti credentes quibus spiritus datus est propter fidem in christum in signum remissionis peccatorum vt habetur vbique in actibus apostolicis, et quemadmodum dictum est a christo qui crediderit et baptisatus fuerit saluus erit, eodem modo debent pueri quoque baptisari quamuis non audiunt verbum predicari per quod accipitur fides, attamen sunt saluati tametsi ex se peccato originali obnoxy non consensu sed attractu vt dictum supra, de genere triplici peccato originali obnoxio, primum genus est paruulorum de quo ait psalmista ecce enim in iniquitatibus conceptus sum et in peccatis concepit me mater mea, et iterum, nemo mundus a sorde nec infans cuius vita [113] vnius diei est super terram, quod peccatum ignorantiae consistens in paruulis condonatur propter meritum christi qui non solum venit saluare adultos peccato obnoxios et eadem deserentes ac fide christum apprehendentes sed etiam
302 303 304 305 306
Oben (18 f.). Vgl. Interim 15/77. Oben (3 b. 6). Oben (3–6). In der Fassung der Septuaginta, s. Interim 2/39 und dort Anm. 3.
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Menschen nicht in der Sünde, sondern [Hebr 9, 14] „reinigt ihn von den toten Werken“. Wer aber willentlich sündigt, hat es mit dem Gesetz zu tun, das ihn verdammt. [2Kor 3, 6:] „Der Buchstabe tötet“. [Mk 1, 15:] „Tut Buße und glaubt an das Evangelium,“ [Apg 3, 19:] „dass eure Sünden getilgt werden“. Daher müssen wir hier bedenken, dass die Buße kein Sakrament ist, also kein Zeichen für ein heiliges Geschehen, obwohl sie notwendig ist, die göttliche Milde zu erlangen [Lk 13, 3]: „Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle zugleich umkommen.“ [Mt 3, 2:] „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ [Mt 3, 10:] „Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen“. So ist auch die Absolution nicht ein Sakrament, welchem die Vergebung der Sünde im eigentlichen Sinne angeheftet wäre, sondern (wie oben302 gesagt) eine Art Vollmacht, die durch Gott erteilt wurde, den Menschen die Sünden zu vergeben oder zu behalten. Es gibt zwei Sakramente, nämlich Zeichen für ein heiliges Geschehen, wovon eines die Taufe ist [Mk 16, 16]: „Wer glaubt und getauft wird, der wird selig werden“. Hier sehen wir, dass die Taufe wahrhaftig ein Zeichen für ein heiliges Geschehen ist, welches auch kleinen Kindern zugewandt wird. (24) Kindertaufe (a) Notwendigkeit der Kindertaufe
Von der Kindertaufe303. Was denkst du über die Kindertaufe? – Die kleinen Kinder sind nicht weniger zu taufen als die gläubigen Erwachsenen, denen der Geist verliehen ist wegen des Glaubens an Christus zum Zeichen der Vergebung der Sünden, wie es überall in der Apostelgeschichte stattfindet. Und wie Christus gesagt hat [Mk 16, 16]: „Wer glaubt und getauft wird, der wird selig werden“, in derselben Weise müssen auch die Kinder getauft werden, obwohl sie die Predigt des Wortes nicht hören, durch das der Glaube empfangen wird. Trotzdem sind sie gerettet, obwohl sie an sich der Erbsünde verhaftet sind – nicht durch Zustimmung, sondern durch Anziehung, wie oben304 dargetan wurde. (b) Vergebung der Sünde der Unwissenheit
Von den drei Arten305, die der Erbsünde verhaftet sind, ist die erste die der kleinen Kinder, von der der Psalmist sagt [Ps 51, 7]: „Siehe, ich bin in Unreinheit empfangen, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen“, und wiederum: Niemand ist rein vom Unrat, auch nicht [Hiob 14, 4306] „ein Kind, dessen Leben nur einen Tag währt auf Erden“. Diese Sünde aus Unwissenheit, die in den kleinen Kindern wohnt, wird wegen des Verdienstes Christi vergeben, der nicht nur gekommen ist, die Erwachsenen zu retten, die von der Sünde unterjocht waren und ihr absagten und Christus im Glauben ergriffen, sondern auch die kleinen Kinder,
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paruulos eiusdem eterne damnationis reos tametsi non consentientes (vt dictum est) quia peccatum in omnes pertransiuit etiam in eos qui non peccauerunt in similitudinem preuaricationis ade qui est forma futuri at quemadmodum omnes in Adam moriuntur ita et in christo viuificabuntur ex hoc apertum est paruulos per christum iterum etiam viuificari, propterea sic dicit dominus, Sinite paruulos ad me venire talium est enim regnum celorum si vero infantium est regnum celorum sunt in fauore dei si sunt in fauore saluantur, si saluati sunt debetur illis etiam idem sacramentum baptismatis quod datur adultis per quod inserentur ecclesie vt quemadmodum inserti sunt merito christi ecclesie triumphanti ita quoque associentur congregationi fidelium militanti vt non solummodo sint membra interna christi sed etiam membra externa congregationis christiane hic in terris agentis. [270] posset aliquis obycere, quantam aut qualem fidem habent infantes propter quam digni habebuntur accipere signum diuine gratie. (responsio) quid ad nos qualiter credunt sufficiat nobis quod sunt liberi ab omnibus malis affectibus peccatorum quibus adulti fiunt obnoxij successu temporis crescente etate, unde paulus de pueris nolite pueri effici sensibus sed malitia paruuli estote hinc manifestum erit infantes esse in gratia dei eo quod non sunt malitie dediti quamuis essent eterne damnationis rei si deus voluerit serum intrare in iuditium suum attamen liberantur ab huiusmodi ira diuina per misericordiam suam qua complectitur eos deus dans eysdem innocentiam vite et conscientiam nullius rei male sibi consciam, Attamen non resisto viris sapientioribus me affirmantibus in infantibus existere aliquam fidem auditu verbi dei non factam sed aliam, quam, quantam aut qualem dignatur sua virtute operari deus in corde puerorum propter quam complacet sibi in eis nescio et fateor me adhuc comprehendere non posse
17 obnoxij B obnoxiy A
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die derselben ewigen Verdammnis schuldig sind, weil die Sünde, ogleich sie ihr (wie gesagt) nicht zustimmten, doch [Röm 5, 12] „zu allen durchgedrungen ist“, auch zu denen, [Röm 5, 14] „die nicht gesündigt hatten durch die gleiche Übertretung wie Adam, welcher ist ein Bild dessen, der kommen sollte“. Aber [1Kor 15, 22] „wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden“. Daraus geht klar hervor, dass die kleinen Kinder durch Christus auch wieder lebendig gemacht werden. Deswegen sagt der Herr so [Mt 19, 14]: „Lasset die Kindlein zu mir kommen, denn solcher ist das Himmelreich.“ Wenn aber das Himmelreich den kleinen Kindern gehört, dann stehen sie in der Gnade Gottes ; wenn sie in der Gnade stehen, werden sie gerettet; wenn sie gerettet werden, gebührt ihnen auch das gleiche Sakrament der Taufe, das den Erwachsenen gespendet wird, durch das sie in die Kirche eingegliedert werden, so dass sie, wie sie durch das Verdienst Christi der triumphierenden Kirche eingegliedert sind, so auch der kämpfenden Gemeinschaft der Gläubigen eingefügt werden. Damit sind sie nicht nur innerliche Glieder Christi, sondern auch äußerliche Glieder der christlichen Gemeinde, die hier auf Erden tätig ist. (c) Kinderglaube
Es könnte jemand einwenden: Wieviel oder was für einen Glauben haben denn die Kinder, dessentwegen sie für würdig erachtet werden sollen, das Zeichen der göttlichen Gnade zu empfangen? – Antwort: Was geht es uns an, auf welche Weise sie glauben! Es soll uns genügen, dass sie frei sind von allen bösen Regungen der Sünden, denen die Erwachsenen im Lauf der Zeit bei zunehmendem Alter unterliegen, weshalb auch Paulus von den Kindern schreibt [1Kor 14, 20]: „Seid nicht Kinder, wenn es ums Verstehen geht; sondern seid Kinder, wenn es um Böses geht.“ Von daher ist offenkundig, dass die Kinder deswegen in Gottes Gnade stehen, weil sie sich nicht der Bosheit hingeben, obwohl sie der ewigen Verdammnis schuldig wären, wenn Gott mit ihnen in sein ernstliches Gericht eintreten würde. Aber sie werden von diesem göttlichen Zorn befreit durch seine Barmherzigkeit, mit der Gott sie umfasst, indem er ihnen Unschuld des Lebens verleiht und ein Gewissen, das sich keiner bösen Tat bewusst ist. Allerdings widerspreche ich denen307 nicht, die weiser sind als ich und daran festhalten, dass in den Kindern eine Art Glaube vorhanden sei, nicht durch das Hören des Wortes Gottes gemacht, sondern ein anderer. Welcher, wie viel und welcher Art Gott ihm erlaubt, nach seiner Kraft im Herzen der Kinder zu wirken, und weswegen er an ihnen ein Wohlgefallen hat, weiß ich nicht und gestehe, es bisher noch nicht begreifen zu 307 Gemeint ist vor allem Luther, so etwa in der Schrift Von der Wiedertaufe an zwei Pfarrherrn. 1528, WA 26, 144–174, besonders 156, 3 – 157, 6.
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hoc vero credo quod sunt in fauore dei iuxta verbum domini dicentis sinite paruulos ad me venire talium est enim regnum celorum et iterum nisi conuersi fueritis et efficiamini sicut paruuli isti non intrabitis in regnum celorum qui autem humiliauerit se sicut paruulus ille intrabit in regnum celorum, ergo datur infantibus signum salutis eo quod sunt in regno celorum, De supererogatione operis in sanctis, [114] non est opus supererogationis agere celibem sed solummodo consilium, *Ad [Cor]intios** de virginibus preceptum domini non habeo at consilium do qui locat virginem suam matrimonio bene facit qui vero non facit melius facit, quia virgo cogitat ea que dei sunt at qui matrimonio iuncti sunt cogitant vt sibi inuicem placeant et suis liberis victum et amictum acquirant ac diuisi sunt propterea iudicat paulus melius esse vt qui habet donum continentie solus maneat quia liberatur a maximis curis que talibus imponuntur nam si matrimonium in se bonum est et nemo debet idem fugere qui ad hoc vocatus est, quum melius est nubere quam vri ergo celebs non est maior coram deo, eo qui matrimonio iunctus est at maiori cura seculari vacat et bonam tranquillitatem habet non est igitur supererogatio sed consilium, Sic etiam diligere inimicos non est consilium sed preceptum dei, Si vero preceptum domini sit non potest esse actus excedens mandatum domini, atuero nemo mortalium est tam perfectus qui volet tale preceptum implere quamuis sanctus, ergo nos sumus imperfecti coram deo [271] Omnes itaque peccauerunt egent gloria dei, quum feceritis omnia que vobis precepta sunt dicite serui inutiles sumus quod debuimus facere fecimus, hoc est quum sancti restiterint carni rebellanti spiritu quod vtique omnes credentes in christum facere debent, tamen opus est vt confiteantur suam imperfectionem, si vero imperfecti sint quomodo possint alys mereri remissionem peccatorum supererogatione suorum operum De inuocatione sanctorum, nullus sanctus potest pro nobis orare aut nos deo patri reconciliare merito precedentium operum suorum quia imperfecti fuerunt existentes in hac mortali vita qua imperfectione rei fuerunt
8 18 27 27 30
consilium B concilium A habet B, fehlt A sint A sunt B possint A possunt B reconciliare Kj reconsiliare A B 308 309
1–40.
Interim 7/55.57. Das Folgende (bis zum Ende des Absatzes) ist eine freie Wiedergabe von 1Kor 7,
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(24 c. 25. 26. a)
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können. Das aber glaube ich, dass sie in Gottes Gnade stehen nach dem Wort des Herrn, der sagt [Mt 19, 14]: „Lasset die Kindlein zu mir kommen, denn solcher ist das Himmelreich“ und wiederum [Mt 18, 3 f.]: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie diese Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt wie dieses Kind, der wird ins Himmelreich eingehen.“ Deswegen wird den Kindern das Zeichen des Heils gegeben, weil sie im Himmelreich sind. (25) Überpflichtige Werke (Interim 7)
Von den überpflichtigen308 Werken bei den Heiligen. – Es ist kein überpflichtiges Werk, unverheiratet zu leben, sondern nur ein Rat [1Kor 7, 25.38]: „Über die Jungfrauen habe ich kein Gebot des Herrn, gebe aber einen Rat: Wer seine Jungfrau verheiratet, der handelt gut. Wer sie aber nicht verheiratet, der handelt besser.“ Denn309 eine Jungfrau sorgt sich um die Sache Gottes. Die Verheirateten aber sorgen sich, wie sie einander gefallen und ihren Kindern Nahrung und Kleidung kaufen und sind so gespalten. Deshalb urteilt Paulus, dass es besser sei, dass einer, der die Gabe der Enthaltsamkeit hat, allein bleibe, weil er dann von den größten Sorgen befreit ist, die solchen [Verheirateten] auferlegt sind. Denn wenn die Ehe an sich etwas Gutes ist und niemand sie fliehen darf, der dazu berufen ist, da es besser ist, zu heiraten als zu brennen, deswegen ist der Unverheiratete vor Gott nicht größer als der, der sich in der Ehe gebunden hat. Indessen ist er von größerer weltlicher Sorge frei und lebt in guter Ruhe. Dies ist aber kein überpflichtiges Werk, sondern nur ein guter Rat. So ist auch die Liebe zu den Feinden kein Rat, sondern ein Gebot Gottes. Wenn es aber ein Gebot des Herrn ist, dann kann es keine Tat geben, die das Gebot übersteigt. Aber kein Sterblicher ist so vollkommen, dass er ein solches Gebot erfüllen wollte, auch wenn er heilig wäre. Daher sind wir vor Gott unvollkommen. [Röm 3, 23:] „Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten“. [Lk 17, 10:] „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“, d. h. indem die Heiligen durch den Geist dem aufbegehrenden Fleisch widerstünden, was jedenfalls alle tun müssen, die an Christus glauben, dann ist es trotzdem nötig, dass sie ihre Unvollkommenheit bekennen. Wenn sie aber unvollkommen wären, wie könnten sie dann Sündenvergebung für andere verdienen durch ihre überpflichtigen Werke? (26) Kein Heiligendienst (Interim 23) (a) Unvollkommenheit der Heiligen
»Von310 der Anrufung der Heiligen«. – Kein Heiliger kann für uns beten oder uns mit dem Vater versöhnen durch das Verdienst seiner früheren 310
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eterne mortis si non fuissent diuina misericordia saluati per fidem, Obiectio, Sancti iam sunt perfecti in celo et ab omni corruptione liberi, *ad corintios** vbi est mors stimulus vbi est mors victoria tua deo autem gratias qui dedit nobis victoriam per dominum nostrum ihesum christum, et *ad corintios** charitas numquam excidit, verum est Atuero sancti non coronantur in celo propter perfectionem quam habent ibi quia nihil illis resistit sed datur premium certantibus hic in terris per arma fidei et spei, que innititur inuisibilibus et non visi[115]bilibus propterea ibi nihil merentur, Si nihil merentur quid tum impetrarent alys. Si nihil valeant impetrare frustra orant pro nobis si illorum intercessio inanis sit ad quid a nobis inuocabuntur, ergo vnigenitus filius dei qui fuit hic absque peccato cuius merito omnes saluati sumus quotquot credimus et credidimus in christum solus inuocandus erit a nobis qui est aduocatus noster apud patrem et mediator ac interpellat pro nobis die ac nocte Si quis peccaverit aduocatum habemus apud patrem Ihesum christum iustum et ipse est propitiatio pro peccatis nostris non tantum sed etiam totius mundi, Obyciunt papiste se non negare mediatorem christum sed volunt substituere alios plures mediatores christo, vt celestis pater tanto facilius placaretur intercessione maiorum aduocatorum allegantes illud xxxij o Exodi, recordare domine abraham isaac et ysrael seruorum tuorum dicentes sic, quod abraham isaac et iacob tunc mortui erant, ergo mortui orant pro nobis aut aliquid a deo ad nostram salutem impetrant, responsio, moyses non loquebatur de merito patriarcharum mortuorum sed admonebat dominum iratum peccatis populi quem eduxerat de terra egipti et manu pharaonis ob peccatum idolatrie, federis quod habuerat ad abraham isaac et iacob [272] vt illud non fieret irritum quemadmodum tunc moyses dicebat recordare domine abraham isaac et ysrael seruorum tuorum quibus
8 innititur B innitur A 16 nostris … mundi, A nostris etc. B 16 tantum Kj fehlt A
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Werke, weil die Heiligen unvollkommen waren, solange sie in diesem sterblichen Leben wandelten. Durch diese Unvollkommenheit waren sie des ewigen Todes schuldig, wenn sie nicht gerettet worden wären dank der göttlichen Barmherzigkeit durch den Glauben. (b) Erster Einwand der Papisten: Himmlische Vollendung der Heiligen
Einwand: Die Heiligen sind im Himmel vollkommen und von aller Verderbnis frei. [1Kor 15, 35.37:] „Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg? Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesus Christus!“ Und 1Kor 13, 8: „Die Liebe hört niemals auf“. – Das ist wahr. Aber die Heiligen werden im Himmel nicht gekrönt wegen der Vollendung, die sie dort haben, weil sich ihnen nichts mehr widersetzt, sondern der Preis wird denen zuteil, die hier auf Erden mit den Waffen des Glaubens und der Hoffnung kämpfen, welche den Unsichtbaren, nicht aber den Sichtbaren widersteht. Deswegen haben sie sich dort nichts verdient. Wenn sie aber nichts verdient haben, was erwirken sie dann für andere? Wenn sie nichts zu erwirken vermögen, beten sie vergeblich für uns. Wenn ihre Fürsprache wertlos ist, wozu werden sie dann von uns angerufen? Deshalb ist der eingeborene Sohn Gottes, der hier ohne Sünde war und durch dessen Verdienst wir alle gerettet sind, die wir an Christus glauben und geglaubt haben, allein von uns anzurufen, der unser Fürsprecher ist beim Vater und unser Mittler und für uns eintritt bei Tag und Nacht. [1Joh 2, 1 f.:] „Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Und er ist die Versöhnung für unsere Sünden nicht allein, sondern für die der ganzen Welt“. (c) Zweiter Einwand der Papisten: Wirksamere Besänftigung des Vaters durch viele Fürsprecher
Die Papisten wenden ein, dass sie Christus als Mittler nicht leugnen, sondern dass sie Christus noch mehrere andere Mittler unterstellen wollen, damit der himmlische Vater durch die Fürsprache größerer Anwälte desto leichter besänftigt würde. Dabei311 ziehen sie die Stelle Ex 32, 13 heran: „Gedenke, Herr, an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel“ und sagen so: Weil Abraham, Isaak und Jakob damals tot waren, beten also die Toten für uns oder erwirken etwas von Gott für unser Heil. – Antwort: Mose sprach nicht von einem Verdienst der toten Patriarchen, sondern erinnerte den Herrn, der über die Sünden des Volks erzürnt war, das er aus dem Lande Ägypten und der Hand des Pharao geführt hatte, anlässlich der Sünde des Götzendienstes an den Bund, den er mit Abraham, Isaak und Jakob geschlossen hatte, dass er ihn nicht ungültig werden ließ. Denn so sprach Mose damals [Ex 32, 13]: „Gedenke, Herr, an deine Knechte 311
Interim 23/129.
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iurasti per temetipsum dicens multiplicabo semen vestrum sicut stellas celi et vniuersam terram hanc de qua loquutus sum dabo semini vestro et possidebitis eam semper placatusque est dominus ne faceret malum quod loquutus fuerat aduersus populum suum, quur dominus erat placatus, non propter meritum aut orationem patriarcharum sed propter fedus irritum cum illis vt daret semini eorum terram quam promiserat, Si vero occidisset populos peccantes in deserto non possedissent terram a deo patribus illorum post se pollicitam hinc itaque patet moysen non loqui de merito aut intercessione patrum premortuorum sed solummodo de promissione ad illos facta *ti[mo]teum** Vnus est itaque mediator dei et hominum homo ihesus christus qui dedit redemptionem semetipsum pro omnibus, propterea dicit Venite ad me omnes qui laboratis et onerati estis et ego reficiam vos, quia, Si quid petieritis patrem in nomine meo dabit vobis ex his ma[116]nifestum est inuocationem sanctorum esse irritam et omnino idolatricam quia nullis locis scripture fundatam Si enim opus fuisset nobis inuocatione sanctorum christus eandem suos apostolos bene docuisset ac optime predicassent qui ducebantur a spiritu sancto in omnem veritatem qui perfectus est et nihil imperfectum derelinquit De purgatorio, purgatorium est nullius valoris quia nihil de illo habetur in scripturis, quum hic peccatum dimittitur aut retinetur, * Iohanis iijo** non enim misit deus filium suum in mundum vt iudicet mundum sed vt saluetur mundus per ipsum qui credit in eum non iudicatur qui vero non credit iam iudicatus est quia non credit in nomine fily vnigeniti dei, *Marci vltimo** qui vero crederit et baptisatus fuerit saluus erit qui non crediderit condemnabitur et iterum *Iohannis quinto** qui audit verbum meum et credit ei qui misit me habet vitam eternam et in iuditium non venit sed transiet a morte in vitam similiter de diuite epulone, *Luce
6 semini B semen A
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Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und verheißen hast: Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel, und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und ihr sollt es besitzen für ewig.“ Und Gott war besänftigt, dass er das Übel, das er seinem Volk angedroht hatte, nicht tun wollte. Warum war Gott besänftigt? Nicht wegen eines Verdienstes oder wegen des Gebets der Patriarchen, sondern weil sonst der Bund mit ihnen hinfällig wäre, dass er ihren Nachkommen das Land geben werde, das er ihnen verheißen hatte. Wenn er nämlich die sündigen Stämme in der Wüste getötet hätte, dann hätten sie das Land nicht in Besitz nehmen können, das Gott ihren Vätern für die Zukunft versprochen hatte. Von daher ist offenkundig, dass Mose nicht vom Verdienst oder von einer Fürbitte der längst verstorbenen Väter sprach, sondern nur von der Verheißung, die ihnen zuteil geworden war. (d) Ein Mittler
[1Tim 2, 5 f.:] Daher ist „ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Jesus Christus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung“. Deswegen spricht er [Mt 11, 28]: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken“, denn [Joh 16, 23]: „Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er’s euch geben.“ Daher ist es handgreiflich, dass die Anrufung der Heiligen nichtig und durch und durch götzendienerisch ist, weil sie nirgends in der heiligen Schrift begründet ist. Wenn wir nämlich eine Anrufung der Heiligen nötig hätten, dann hätte Christus diese seinen Aposteln sorgfältig gelehrt und sie hätten es deutlich gepredigt, [Joh 16, 13:] die „in alle Wahrheit geleitet“ wurden vom heiligen Geist, der vollkommen ist und nichts unvollendet lässt. (27) Fegefeuer (Interim 24) (a) Fegefeuer unbiblisch
Vom Fegefeuer. – Das Fegefeuer hat keinerlei Geltung, weil davon nichts in der heiligen Schrift enthalten ist, da hier die Sünde entweder vergeben oder behalten wird Joh 3, 17 f.: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.“ Mk 16, 16: „Wer aber glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ Und wiederum Joh 5, 24: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern wird vom Tod zum Leben hindurchdringen.“ Gleicherweise in der Geschichte vom reichen Mann Lk 16, 22 f.: „Der Reiche starb und wurde begraben [und war] in der Hölle“.
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xvi.** mortuus est diues et sepultus in inferno per hec omnia liquet quod homines hic merentur per gratiam dei et imputatione diuina, vitam eternam, aut iusta damnatione dei penam perpetuam, nam deus non remittit in hac terra solum peccata sed etiam penam quemadmodum habetur de seruo debente domino suo decem milia talenta, que scilicet dominus dimisit eum et totum debitum dimisit ei, sed postquam suffocauerit conseruum suum debentem centum denarios imposuit iterum debitum semel relictum tradens eum tortoribus quoadusque persolueret nouissimum quadrantem hoc est in perpetuum in carcere mansurum [273] et iterum, *Ezech. 18** Si autem impius egerit penitentiam ab omnibus peccatis suis qui operatus est et custodierit omnia precepta mea et fecerit iuditium et iustitiam vita vivet et non morietur omnium iniquitatum eius quas operatus est non recordabor in iustitia sua quam operatus est viuet et cetera, hic videmus aperte deum non tantum nobis peccata condonare at etiam penam debitam pro peccatis et conuersis dare vitam obyciunt papiste, illum locum numeri, quod cum populus murmurasset contra moysen et aaronem ob interitum repentinum datan et abiron et propterea obiissent mortem multi ex illis precepit moyses aaroni vt tolleret thuribulum et hausto igni de altari mitteret incensum desuper et sic pergeret ad populum vt rogaret pro illis cucurrit ad mediam multitudinem quam tunc vastauerat incendium obtulit thimiama et stans inter [117] mortuos ac viuentes pro populo deprecatus est cessauitque tunc temporis plaga, hinc presumunt antichristi stabilire purgatorium eo quod legitur aaronem stetisse inter viuentes et mortuos atque sacrificasse, Aaron non sacrificauit nec deprecatus est pro peccatis mortuorum sed viuentium vt superstites manerent in vita et non omnes simul morerentur, Secundo obyciunt illud dicti libri machabeorum secundi 12. quod iudas machabeus facta collatione duodecim milia drachmas argenti misit hierosolimam offerri ea pro peccatis mortuorum sacrificium iuste et religiose de resurrectione cogitans nisi enim eos qui ceciderant resurrecturos
23 viuentes et mortuos A mortuos et viuentes B 28 hierosolimam B hierosolinam A
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(b) Keine Sündenvergebung ohne Erlass der Strafe
Aus dem allem geht deutlich hervor, dass die Menschen hier entweder durch die Gnade Gottes und die göttliche Zurechnung das ewige Leben verdienen oder aber durch Gottes gerechtes Verdammungsurteil die ewige Strafe. Denn Gott vergibt hier auf Erden nicht nur die Sünden, sondern auch die Strafe, wie es sich auch verhält bei dem Knecht [Mt 18, 23–35], der seinem Herrn zehntausend Zentner Silber schuldete, welche nämlich der Herr ihm erließ, wobei er ihm dadurch die ganze Schuld erließ; aber nachdem er seinen Mitknecht würgte, der ihm hundert Silbergroschen schuldig war, bürdete der Herr ihm die zuvor erlassene Schuld wieder auf und übergab ihn den Peinigern, bis er den letzten Pfennig bezahlt hätte, d. h. er musste für immer im Kerker bleiben. Und wiederum Ez 18, 21 f.: „Wenn sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält alle meine Gesetze und übt Recht und Gerechtigkeit, so soll er am Leben bleiben und nicht sterben. Ich will keiner seiner Übertretungen, die er begangen hat, mehr gedenken, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat.“ Hier sehen wir klar, dass Gott uns nicht nur die Sünden vergibt, sondern auch die für die Sünden geschuldete Strafe, und dass er denen, die umgekehrt sind, das Leben gibt. (c) Erster Einwand der Papisten: Aarons Opfer Numeri 17
Dem setzen die Papisten [erstens] die folgende Stelle aus dem Buch Numeri entgegen [Num 17, 11–13]: Als das Volk murrte gegen Mose und Aaron wegen des plötzlichen Todes von Datan und Abiron und viele von ihnen deswegen starben, da gebot Mose dem Aaron, dass er die Pfanne nehme und Feuer hineintue vom Altar und Räucherwerk darauflege und zu der Gemeinde gehe, um für sie zu bitten. Da „lief er mitten unter das Volk“, das damals der Brand vertilgt hatte, „opferte Räucherwerk und stand zwischen den Toten und den Lebenden“, betete für das Volk und „da wurde damals der Plage gewehrt“. Hieraus wollen die Antichristen das Fegefeuer dadurch begründen, dass zu lesen steht, Aaron habe zwischen Lebenden und Toten gestanden und habe geopfert. Aber Aaron opferte und betete nicht für die Sünden der Toten, sondern der Lebenden, dass sie am Leben blieben und nicht alle zugleich sterben müssten. (d) Zweiter Einwand der Papisten: Fürbitte für Verstorbene bei Judas Makkabäus
Zweitens wenden sie jenes Wort aus dem zweiten Buch der Makkabäer ein [2Makk 12, 43–46], dass Judas Makkabäus „eine Sammlung durchführte und zwölftausend Drachmen in Silber nach Jerusalem schickte als Sündopfer für die Toten, indem er gerecht und fromm an die Auferstehung dachte. Wenn er nämlich nicht erwartet hätte, dass die Gefallenen auferstehen würden, so wäre es überflüssig, ja töricht gewesen, für Tote
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speraret superfluum videretur et vanum orare pro mortuis et quia considerabat quod hy qui tum pietate dormitionem acceperant optimam haberent repositam gratiam sancta ergo et salubris est cogitatio pro defunctis exorare vt a peccatis soluantur ex his itaque verbis colligunt purgatorium et quod necessarium est orare pro defunctis hac vita non debemus attendere quid sancti aliquando agunt sed cuius instinctu fit, diuino, aut proprio, quo aliquando seducuntur sanctissimi homines atque doctissimi nam quandoque deus permittit nos errare quamuis spiritu ductore donatos vt non nimium nobis fidamus sed domino totum asscribamus, quemadmodum iudas bona intentione presumpsit ea que non habebant fundamentum ex deo at proprio sensu facta ergo intentio bona non est consideranda sed veritas qua fit talis intentio vtilis propterea negamus purgatorium eo quod non est diuinitus confirmatum sed sola humana presumptione factum. [274] De sabbato Sabbatum in veteri testamento ipse deus instituit *genesis j** compleuit deus die septimo opus suum quod fecerat et requieuit die septimo ab omni opere quod patrarat et benedixit diei septimo et sanctificauit illum quia in ipso cessauerat ab omni opere suo quod creauit deus vt faceret, postea dedit preceptum populo suo educto de terra egipti *exodi xxiij o** Sex diebus operaberis septima die requiesces nullus enim liber erat ab huiusmodi obseruatione cuius transgressio puniebatur morte quemadmodum habetur de illo *numeri** qui sabbato colligebat ligna contra preceptum domini ergo sabbatum in veteri testamento erat populo institutum, quod tamen per christum sublatum ac deletum est, significans spirituale sabbatum quo christiani requiescunt ab operibus mortuis quemadmodum deus die septimo cessauit a suis [118] operibus, *Ad hebreos quarto** itaque relinquitur sabbatismus populo dei qui enim ingressus est in requiem etiam ipse requieuit ab operibus suis sicut et a suis deus festinemus ergo ingredi in requiem illam vt ne in ipsum quis incidat in incredulitatis exemplum. Hinc videmus sabbatum antiquum fuisse vmbram spiritualis nostri sabbati scilicet requiei ab operibus malis, et introitus in regnum celorum, nemo ergo iudicet nos in cibo aut potu vel parte diei festi aut neomenie aut sabbatorum que sunt umbra futurorum
23 ligna B, fehlt A 28 sabbatismus B sabbatissmus A
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zu bitten. Weil er aber bedachte, dass denen, die damals als fromme Leute den Tod erlitten hatten, die herrlichste Gnadengabe bereitet ist; daher ist es ein frommer und heiliger Gedanke, für die Verstorbenen Fürbitte zu tun, damit sie von ihren Sünden erlöst würden.“ – Aus diesen Worten erschließen sie das Fegefeuer, und dass es notwendig ist, in diesem Leben für die Toten zu beten. Wir müssen nicht darauf achten, was Heilige bisweilen tun, sondern aus welchem Antrieb es geschieht: aus dem göttlichen oder aus dem eigenen. Durch den letzteren werden bisweilen die heiligsten und gelehrtesten Menschen verführt. Denn obgleich wir mit dem Geist begabt sind, der uns leitet, lässt Gott es doch hin und wieder zu, dass wir uns irren, damit wir nicht zu sehr auf uns vertrauen, sondern alles Gott zuschreiben. So nahm Judas [Makkabäus] guten Glaubens etwas an, was kein Fundament in Gott hatte, sondern aus eigenem Sinn gemacht war. Deswegen ist nicht die gute Absicht zu beachten, sondern die Wahrheit, wodurch erst eine solche Absicht brauchbar wird. Deswegen verneinen wir das Fegefeuer, weil es nicht von Gott her bestätigt, sondern allein durch menschliche Annahme erzeugt ist. (28) Sabbat (a) Sabbatgesetz im Alten Testament
Vom Sabbat. – Im Alten Testament hat Gott selbst den Sabbat eingesetzt Gen 2, 2 f.: „Gott vollendete am siebenten Tag sein Werk, das er gemacht hatte, und ruhte am siebenten Tag von allem Werk, das er vollbracht hatte, und segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allem seinem Werk, das Gott geschaffen, dass er es machte.“ Später gab er seinem Volk, das er aus dem Land Ägypten geführt hatte, das Gebot Ex 23, 12: „Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun, aber am siebenten Tag sollst du ruhen!“ Niemand war entbunden von dieser Regel, deren Überschreitung mit dem Tode bestraft wurde, wie es geschah Num 15, 32–36 mit jenem, der am Sabbat gegen Gottes Gebot Holz auflas. Daher war der Sabbat im alten Testament für das Volk eingerichtet. (b) Durch Christus aufgehoben
Dies aber ist durch Christus aufgehoben und abgeschafft, weil es jetzt den geistlichen Sabbat bedeutet, an dem die Christen von ihren toten Werken ruhen, wie Gott am siebten Tag von seinen Werken abließ. Hebr 4, 9–11: „Es ist also noch eine Ruhe vorhanden für das Volk Gottes. Denn wer zur Ruhe gekommen ist, der ruht auch von seinen Werken, wie Gott von den seinen. So lasst uns nun bemüht sein, in diese Ruhe einzutreten, damit nicht jemand zu Fall komme durch den gleichen Unglauben.“ Hieraus ersehen wir, dass der alte Sabbat der Schatten unseres geistlichen Sabbats war, nämlich der Ruhe von den bösen Werken, und des Eintritts
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nos autem sumus corpus christi, quod non requirit ad salutem corporalem requiem sed spiritualem scilicet fidem inherentem verbo dei *Ad collosenses ij o** Si ergo mortui estis cum christo ab elementis huius mundi quid adhuc tamquam viuentes mundo decernitis nam perierunt hec omnia ipso vsu ideo dicitur. o insensati galate quis vos fascinauit non obedire veritati nam stulti estis vt quum spiritu ceperitis nunc carne consummamini qui ergo tribuit vobis spiritum et operatur in vobis virtutem ex operibus legis an ex auditu fidei credidit abraham deo et reputatum est illi ad iustitiam nunc autem quum connoueritis deum immo cogniti sitis ab eo quomodo conuertimini iterum ad infirma et egena elementa quibus denuo vultis seruire dies obseruatis et menses timeo ne forte sine causa laborauerim in vobis estote sicut ego quia et ego sicut vos igitur state et nolite iterum iugo seruitutis contineri ecce ego paulus dico vobis quum si circumcidamini christus vobis nihil proderit [275] Si ergo creditis, vos consurrexisse cum christo que sursum sunt querite que sursum sunt sapite et non que sunt super terram mortui enim estis legi per corpus christi et vita vestra per eundem christum saluatorem in deo, mortificate ergo membra vestra que sunt super terram. et cetera, ex his liquet deum nihil aliud a nobis christianis exigere nisi voluntariam mortificationem veteris ade, scilicet mali nostri affectus, et alio loco, exuite vos veterem hominem cum artibus suis et induite nouum hominem qui secundum deum creatus est in iustitia et sanctitate, ergo. preputium nec circumcisio aliquid valet sed fides qui per dilectionem operatur qua supple dilectione destruitur corpus peccati vt vltra non seruiamus peccato sed in nouitate vite ambulemus, Omnia ergo opera legis externa scilicet obseruatio sabbati et circumcisionis ac aliarum rerum externarum populo veteris testamenti a deo
2 collosenses Kj collocenses A 3 elementis B elemenentis A
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in das Himmelreich. [Kol 2, 16 f.:] „Niemand soll über uns urteilen wegen Speise und Trank oder wegen eines bestimmten Feiertags, Neumonds oder der Sabbate, denn alles ist nur ein Schatten des Zukünftigen, wir aber sind der Leib Christi“, der zum Heil keiner leiblichen Ruhe bedarf, sondern einer geistlichen, nämlich des Glaubens, der am Wort Gottes hängt. (c) Keine Rückkehr zum alten Gesetz
Kol 2, 20: „Wenn ihr nun mit Christus den Mächtigen der Welt gestorben seid, warum entscheidet ihr, als ob ihr noch für die Welt lebtet?“ Denn dies alles ging durch den Gebrauch selbst zugrunde. Daher heißt es [Gal 3, 1.3.5 f.]: „O ihr unverständigen Galater! Wer hat euch bezaubert, der Wahrheit nicht mehr zu gehorchen? Seid ihr denn so töricht, dass ihr, nachdem ihr im Geist begonnen habt, nun im Fleisch vollenden wollt? Der euch also den Geist gibt und in euch das Gute bewirkt – tut er es durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt des Glaubens? Abraham glaubte Gott und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden.“ [Gal 4, 9–12:] „Nachdem ihr aber Gott erkannt habt, ja vielmehr von ihm erkannt seid, wie wendet ihr euch dann wieder den schwachen und dürftigen Mächten zu, denen ihr von neuem dienen wollt? Ihr haltet bestimmte Tage und Monate ein. Ich fürchte für euch, dass ich vielleicht vergeblich an euch gearbeitet habe. Werdet doch wie ich, denn ich wurde wie ihr.“ Daher [Gal 5, 1 f.]: „So steht nun fest und lasst euch nicht wieder vom Joch der Knechtschaft unterdrücken! Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen.“ [Kol 3, 1–3.5] Wenn ihr also glaubt, dass ihr „mit Christus auferstanden seid, so sucht, was droben ist. Trachtet nach dem, was droben ist, und nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben“ für das Gesetz durch den Leib Christi, „und euer Leben“ ist durch denselben Heiland Christus „in Gott“. „So tötet nun eure Glieder, die auf Erden sind!“ Daraus folgt klar, dass Gott nichts anderes von uns Christen verlangt als die willentliche Abtötung des alten Adam, nämlich unserer bösen Regungen, und an einer anderen Stelle [Eph 4, 22.24]: „Legt von euch ab den alten Menschen mit seinen Gliedern und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Folglich [Gal 5, 6]: „Weder Unbeschnittensein noch Beschneidung gilt etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist“, [Röm 6, 6.4] „durch die (nämlich durch die Liebe) der Leib der Sünde vernichtet wird, so dass wir hinfort nicht mehr der Sünde dienen, sondern in einem neuen Leben wandeln“. Alle äußeren Werke des Gesetzes, nämlich die Beobachtung des Sabbats und der Beschneidung und anderer äußerer Dinge, die von Gott für das
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institutarum nihil existunt nisi vmbre et [119] signa spiritualium operum que decent hominem christianum, Si vero sabbatum non sit necessarium ad quid tum obseruetur, Responsio, Dies septimanus non vsui habetur eo quod melior aut sanctior esset alys temporibus at propter ministerium verbi quo omnibus opus est vt communis plebs tanto melius possit conuenire ad audiendum diuinam concionem qua reddantur certiores in fide, si vero non esset certum tempus constitutum quomodo populus sciret qua hora veniret causa verbi dei audiendi ideo instituit ecclesia certum interuallum temporis vt sciant quando venient auditu sermonem diuinum, Similiter etiam sentio de omnibus alys festis sanctorum, De ceremoniys, Ceremonia significat quendam externum gestum datum a deo antiquis patribus vt sepe legitur in veteri testamento de lotione et baptismate calicis ac impositione manuum vt habetur etiam in euangelio de phariseis a domino increpatis propter externum gestum obseruatum et internam immunditiam cordis pretermissam, vnde mathei *[xx]iij**, ve vobis scribe et pharisei hipocrite qui decimatis mentam et anetum et ciminum et reliquistis que grauiora sunt legis, iuditium et misericordiam et fidem hec oportent facere et illa non amittere, ve vobis scribe et pharisei hipocrite qui mundatis quod deforis est calicis et paropsidis intus autem pleni estis rapina et immunditia, Similiter paulus loquitur ad hebreos *vi o** de gestibus externis baptismatis et impositionis manuum que omnia populo iudaico fuerunt mandata et vocantur ceremoniae quibus vsi sunt antiqui patres diuino mandato traditis [276] Ita quoque vsi sunt apostoli impositione manuum per quam dabantur maxime sanitates corporales. et etiam spiritus confirmans tunc temporis homines in bono, quemadmodum etiam christus existens in carne dederat discipulis suis spiritum sanctum hoc est potestatem dimittendi pec-
20 paropsidis B parapsidis A
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Volk des alten Testaments eingerichtet wurden, haben keinen Bestand außer als Schatten und Zeichen geistlicher Werke, die den Christenmenschen auszeichnen. (d) Feiertagsheiligung um des Gottesdienstes willen
Wenn aber der Sabbat nicht notwendig ist, wozu wird er dann beobachtet? – Antwort: Der siebte Tag wird nicht deshalb als Brauch eingehalten, weil er besser oder heiliger wäre als andere Zeiten, sondern wegen des Predigtamts, das für alle nötig ist, damit das Volk der Gemeinde desto besser zusammenkommen können, um die Predigt über das göttliche Wort zu hören, durch die sie im Glauben gewisser gemacht werden. Wenn aber keine bestimmte Zeit festgesetzt wäre, wie könnte das Volk wissen, zu welcher Stunde es kommen sollte, um das Wort Gottes zu hören? Deswegen hat die Kirche einen bestimmten Zeitenabstand eingerichtet, damit alle wissen, wann sie kommen sollen, um die heilige Predigt zu hören. Dasselbe denke ich von allen anderen Heiligenfesten. (29) Die Zeremonien und ihre beschränkte Wirkung (Interim 26) (a) Zeremonien im Alten Testament
»Von312 den Zeremonien«. – Eine Zeremonie bedeutet eine bestimmte äußerliche Handlung, die von Gott den alten Vätern gegeben wurde, wie im Alten Testament oft gelesen wird von der Waschung und Eintauchung des Kelchs und der Auflegung der Hände, wie es auch von den Pharisäern gehalten wird, die im Neuen Testament vom Herrn gescholten wurden, weil sie die äußere Handlung vollziehen, aber die innere Unreinheit des Herzens nicht beachten. Daher Mt 23, 23.25: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr den Zehnten gebt von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz beiseite, nämlich das Gericht, die Barmherzigkeit und den Glauben! Doch dieses sollte man tun und jenes nicht lassen. Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr Becher und Schüsseln außen reinigt, innen aber seid ihr voll Raub und Unreinheit!“ Ähnlich spricht Paulus Hebr 6, 2 von den äußeren Handlungen, „vom Taufen und vom Händeauflegen“, die dem ganzen jüdischen Volk geboten waren und Zeremonien genannt werden, welche die alten Väter einhielten, weil sie im göttlichen Gebot überliefert waren. (b) Zeremonien zur Zeit der Apostel
So haben auch die Apostel die Handauflegung vollzogen, durch die vor allem leibliche Gesundheit, und auch der heilige Geist gegeben wurden, der zu damaliger Zeit die Menschen im Guten befestigte, wie auch Christus, als er noch im Fleische wandelte, [Joh 20, 22 f.] seinen Jüngern den heiligen Geist, d. h. die Vollmacht zur Vergebung oder zum Behalten der 312
Interim 26/135: De caeremoniis et usu sacramentorum.
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cata et retinendi insufflatione que ceremonie videlicet gestus externi erant tunc temporis necessariae vt christus et apostoli cognoscerentur vere a deo missi et sic fidem darent verbis illorum ac salui fierent, Atuero huic tempori non habemus opus tantis mirabilibus rebus eo quod illa precedentia miracula nobis satis indicant doctrinam christi et apostolorum esse a deo profectam vt supra dictum est [120] Attamen vtimur aliquibus ceremonys in actione sacramentorum nempe baptismatis et dominice cene ob reuerentiam eorundem vt in honore habeantur et non ab hominibus imperitis spernantur quasi inutilia et nullius valoris sed vt estimentur tamquam vtilia et necessaria non quibus nobis aliqua salus confertur sed quorum actione nobis representantur diuina beneficia misericordia dei per christum facta vtque corda nostra moueantur per gratiam spiritus sancti ad credendum firmiter diuine promissioni quia spiritus sanctus vtitur medys externis quibus obuiat infirmitati fidei nostre vt dictum est supra De vi sacramentorum. Eodem modo vtimur quoque impositione manuum in confessione priuata que valde bona est et vtilis est non qua datur spiritus sanctus quemadmodum temporibus apostolorum sed vt intelligant rudes homines peccata sibi penitentibus et promissionem christi fide apprehendentibus esse tecta et deo omnino obliuioni tradita quemadmodum pastor tegit caput eorum manu et tales ceremonie non sunt nociue quamuis nullo loco scripture probate si non fuerint abusui habite ac nulla salus tali absolutioni fuerit annexa quia supple absolutione papiste abusi sunt et quotidie abutuntur asscribentes ei remissionem peccatorum quod falsum est nam absolutio non habet sibi aliquid remissionis peccatorum annexum sed solummodo mandatum et potestatem annunciandi penitentibus et
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Oben (21). Oben (22). 315 Nachdem in den drei vorangegangenen Abschnitten (29 a-c) von der Überschrift des Kapitels 26 (Interim 26/135) der erste Teil De caeremoniis … behandelt worden ist, wäre nun als zweiter Teil … et usu sacramentorum zu erwarten. Wichtiger jedoch als die Einschränkungen, die bei den nützlichen, aber nicht eigentlich notwendigen Bräuchen bei den Sakramenten gemacht werden müssen, sind für Abel die Aussagen zu Buße und Absolution, weil er nicht nur die altgläubige Einbeziehung der Buße unter die sieben Sakramente ablehnt, sondern zugleich mit Luther die Zweizahl der Sakramente vertritt und damit verdeckt gegen Melanchthons Wertung der Buße als drittes Sakrament argumentiert. 314
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Sünde, durch Anblasen verlieh. Offenbar waren diese Zeremonien oder äußere Handlungen zu jener Zeit notwendig, damit Christus und die Apostel als wahrhaft von Gott gesandt anerkannt würden und [die Menschen] ihren Worten Glauben schenkten und so gerettet würden. Aber in dieser unserer Zeit brauchen wir solche wunderhaften Dinge nicht mehr, weil jene früheren Wunder uns genügend zeigen, dass die Lehre Christi und der Apostel von Gott ausgegangen ist, wie oben313 gesagt wurde. (c) Zeremonien bei den Sakramenten
Allerdings gebrauchen wir einige Zeremonien beim Vollzug der Sakramente, nämlich der Taufe und des Herrenmahls wegen der Ehrfurcht vor ihnen, damit sie in Ehren gehalten und nicht von unerfahrenen Menschen als unnütz und wertlos verachtet, sondern als nützlich und notwendig gewürdigt werden, nicht weil uns durch sie irgend ein Heil gebracht würde, sondern weil durch ihren Vollzug uns die göttlichen Wohltaten vorgestellt werden, nämlich die durch Christus bewirkte Barmherzigkeit Gottes, und damit durch die Gnade des heiligen Geistes unsere Herzen bewegt werden zum festen Glauben an die göttliche Verheißung. Denn der heilige Geist benutzt äußere Mittel, durch die er der Schwäche unseres Glaubens begegnet, wie oben314 gesagt ist. (d) Zeremonien als nützliche Verstehenshilfen
Von315 der Kraft der Sakramente. – In derselben Weise wenden wir die Handauflegung bei der Einzelbeichte an, welche sehr gut und nützlich ist, nicht weil durch sie der heilige Geist gegeben würde wie [Apg 8, 17] zur Zeit der Apostel, sondern damit die unerfahrenen Menschen verstehen, dass ihnen die Sünden, wenn sie Buße tun und die Verheißung Christi im Glauben annehmen, bedeckt und von Gott gänzlich dem Vergessen anheimgegeben werden, wie auch der Pastor mit der Hand ihr Haupt bedeckt. Und solche Zeremonien sind, obwohl an keiner Stelle der heiligen Schrift bestätigt, keineswegs schädlich, wenn sie nicht missbräuchlich vorgenommen würden und wenn nicht das Heil mit einer solchen Absolution verknüpft würde (denn – so ist ergänzend zu sagen – die Papisten haben die Absolution missbraucht und missbrauchen sie täglich, indem sie ihr die Vergebung der Sünden zuschreiben, was verkehrt ist, denn die Absolution ist nicht mit irgend einer Sündenvergebung verknüpft, sondern sie ist ein Gebot und eine Vollmacht, denen, die bußfertig sind und an das Evangelium glauben, die Vergebung der Sünden zu verkündigen).
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credentibus euangelio remissionem peccatorum Sic sentio quoque de alys ceremonys quas papiste vocant sacramenta si non tractati fuerint more idolatrico, Abel Sybrandi Vicarius Wierdenn In Minnssenn nemo praeest
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09. Jacobus Theodorici (Oldorf) [448 a] Pastorum Confessiones [448 b] [121] Haec sunt testimonia fidei et doctrinae Jacobi pastoris oldorpiae etc [435] Vobis illustribus perspicuisque ac Christianis (dei gratia) viris comissarysque Gratiosissimae ac generosissimae principis nostrae / (cui pre ceteris summum Honorem iuste et pie debeo) fidei Predicationisque meae hisce litteris presento confessionem etc aut quidnam gero in pectore ex hisce certiores eritis, quanquam non interfui dudum illorum (huius prouinciae episcoporum) colloquys, tamen non recusaui fidem et opinionem meam scribere etc Primo autem omnium credo etc *Primo deus** Deum esse qui propter bonitatem suam cuncta creavit / a quo omnia procedunt, sine quo nihil quicque est, iustum et misericordem, quique omnia operetur in omnibus secundum voluntatem suam, cui non liceat dicere quare sic vel sic faciat etc *Gen 1 exo 3 psal. 103. roma. 2.4. psal, 114 1 corin: 2 roma 9. isa 45, iher 18** *Secundo creatio hominis** Hunc creasse Adam ad imaginem et similitudinem suam, dominumque constituisse omnium craturarum in terra, 1 5 7 7
de B, fehlt A In … praeest. B, fehlt A A und B erhalten. Blatt 448 war in der Mitte gefaltet, vermutlich um den übrigen Blättern als Umschlag zu dienen. Auf der Vorderseite (Blatt 448 b) kündigte Jacobus Theodorici sein Bekenntnis an. Warum er daneben auf dem Teil des Blattes, das nach der Faltung an den Schluß seines Bekenntnisses zu stehen kam (448 a), eine so allgemeine Überschrift setzte, ist nicht durchsichtig. 12 pie B piae A 19 procedunt B procaedunt A
316 In … niemand. redaktionelle Bemerkung von Hermannus Heronis, aus der allerdings nur hervorgeht, dass im Spätherbst 1548 die Pfarrstelle in Minsen nicht besetzt war. Inwieweit die beiden für das Jahr 1522 nachgewiesenen Vikarien noch vorhanden
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So denke ich auch von den anderen Zeremonien, welche von den Papisten Sakramente genannt werden, wenn sie nicht auf götzendienerische Weise vollzogen werden. Abel Sybrandi, Vikar in Wiarden In 316 Minsen leitet niemand [die Gemeinde].
09. Jacobus Theodorici (Oldorf) Die Bekenntnisse der Pastoren Dies sind die Zeugnisse des Glaubens und der Lehre des Pastors Jacobus von Oldorf (A) Bekenntnis (1) Brief an die Beamten der Kanzlei (Anfang)
Euch, den berühmten, hochansehnlichen und – Gott sei Dank – christlichen Herren und Beauftragten unserer gnädigsten und hochherzigsten Fürstin (der ich vor allem gerechter- und frommerweise höchste Ehrerbietung schulde), stelle ich mit diesen Zeilen das Bekenntnis meines Glaubens und meiner Predigt vor. Oder vielmehr werdet Ihr aus diesen Zeilen größere Gewissheit schöpfen, wie ich innerlich gesonnen bin. Obgleich ich jüngst bei den Gesprächen der Bischöfe317 dieses Landes nicht anwesend war, habe ich mich doch nicht geweigert, meinen Glauben und meine Meinung aufzuschreiben. (2) Gott
Erstens: Gott. – Als erstes von allem glaube ich, Ex 3, 14 dass Gott sei, Ps 115, 36 der um seiner Güte willen Gen 1, 1 alles geschaffen hat, Röm 11, 36; 1Kor 8, 6 aus dem alles hervorgeht, Joh 1, 3 ohne den nichts ist, was auch immer ist, Ps 112, 4 der gerecht und barmherzig ist, 1Kor 12, 6 „der da wirkt alles in allen“ gemäß seinem Willen, Röm 9, 20; Jes 45,9; Jer 18, 4–6 den niemand fragen darf, warum er es so oder so mache. (3) Erschaffung des Menschen und Sündenfall
Zweitens: Erschaffung des Menschen. – [Gen 1, 27 f.] Und [ich glaube], dass dieser [Gott] Adam zu seinem Bild und Gleichnis erschaffen und ihn zum Herrn aller Geschöpfe auf Erden bestellt hat. oder besetzt waren, ist unbekannt (Martens 79; Goens, Einziehung 71; Goens, Kirche 72). – Dass Hermannus Heronis die Nachricht von der Vakanz in Minsen an dieser Stelle einschaltet, erklärt sich wohl daraus, dass – wie noch bei Martens 7 – nach der Jeverschen Kanzleiordnung Minsen auf Wiarden folgt. 317 Gemeint ist die Versammlung der Pastoren vom 12. November 1548 in Jever. Jacobus folgt dem Sprachgebrauch von Confessio Augustana 28, wo das Amt der Pastoren mit dem Bischofsamt identifiziert wird (BSLK 129, 13. 29 u. ö.)
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*Peccatum** Jnuidiaque diaboli, et Adae inobedientia peccatum in hunc mundum intrasse, et per peccatum mortem, omnesque in Adam et per Adam peccatores, esse / *Roma. 5.** *Tertio Promissus Christus** Promissum vero Christum Jhesum saluatorem / ipsi Adae, Abrahae, Jsaac, Jacob, Judae et reliquis patribus, qui credentes, liberaret a peccatis, et tyrannide diaboli, cui subyciebantur omnes per Adam. *gene. 3. 12. 18. 22. 26. 28. 49. 2 reg. 7. Psal. 88. Heb 2 roma 5** *Quarto Lex ** Interim Dum expectabatur promissa salus, Data lege a deo, qua cognoscerent homines peccatum, et se esse peccatores, quo fieret vt ardentius sitirent Christi aduentum, qui ipsos a peccatis redimeret *exo 19 roma. 3 .1. cho. 1** Postremo Christum illum promissum, tandem missum a patre eo tempore, quod constituerat apud se, *Gala. 4** [436] eo inquam tempore, quo abundabat omnis iniquitas Missum autem non propter bona cuiusque opera, nam omnes erant peccatores, sed vt verax abundantes gratiae suae diuitias, quas promiserat exhiberet *ephe. 1. roma. 5 Titum 3 ephe. 4. idem 2 roma. 15** *Agnus Hostia** Jesus igitur Christus verus agnus, et vera hostia, venit vt nos primo recon[122]ciliaret, paenas peccatis nostris debitas in cruce persoluendo: et liberaret a seruitute diaboli, in filiosque dei adoptaret, *Joha, 1 Jsa 53 1. ioa. 2. Lu–1** *Pax** vera mentis pace data per fidem, quam dat nobis pater trahens nos ad filium, *fides** Dei enim donum est fides illa, qua credimus Christum in hunc mundum venisse, vt nos peccatores saluos faceret, tanteque efficaciae est, vt qui eam habent cupiant omnia charitatis officia, Christum sequentes, omnibus prestare,*Heb: 2 Roma: 5 Joan. 3. 6 2. Ti 1** *spiritus sanctus** Nam accepta fide, datur
5 Judae A folgen die in Anlehnung an Ps 131 (132), 11 formulierten und wieder gestrichenen Worte: et Dauidi, dicens De fructu ventris tui ponam super sedem tuam etc. sowie noch 2 weitere unleserliche Worte. 318 Es folgt die wieder gestrichene Verheißung an David Ps 131 (132), 11: Ich will dir auf deinen Thron setzen einen, der von deinen Lenden kommt. Die Parallelstelle Ps 88 (89), 5 wurde dann am Rand erwähnt und blieb auch nach der Streichung stehen.
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Sünde. – Röm 5, 12 Und [ich glaube], dass durch den Neid des Teufels und den Ungehorsam Adams „die Sünde in die Welt gekommen und durch die Sünde der Tod“ und dass alle in Adam und durch Adam Sünder sind. (4) Verheißungen im Alten Testament
Drittens: Christus wird verheißen. – Gen 3, 15; 12, 3; 18, 14; 22, 17 f.; 28, 14; 2Sam 7, 12 f.; Ps 88, 5 [Ich glaube,] dass dem Adam selbst, dem Abraham, Isaak, Jakob, Juda318 und den anderen Vätern Christus Jesus als Heiland verheißen wurde, Hebr 2, 14 f.; Röm 5, 12–21 der die Glaubenden von den Sünden und von der Tyrannei des Teufels befreit, welcher alle durch Adam unterworfen waren. (5) Gesetz
Viertens: Gesetz. – Nachdem inzwischen, solange das verheißene Heil erwartet wurde, Ex 20 von Gott das Gesetz gegeben wurde, Röm 3, 20 durch das die Menschen die Sünde erkannten und dass sie selbst Sünder sind, was zur Folge hatte, 1Kor 1, 7 dass sie desto brennender nach der Ankunft Christi dürsteten, der sie aus den Sünden freikaufen sollte, … (6) Christus
… [glaube ich] schließlich an diesen verheißenen Christus, Gal 4, 4; Eph 1, 4 der vom Vater zu jener Zeit endlich gesandt wurde, die er bei sich selbst beschlossen hatte, der Zeit, sage ich, als alle Ungerechtigkeit überhand nahm. Tit 3, 4–7 Gesandt wurde er nicht wegen irgend jemandes guter Werke, denn Röm 3, 23 alle waren Sünder, sondern damit er als der Wahrhaftige Röm 5, 15; Eph 2, 4; 4, 7; Röm 15, 13 die überreichen Schätze seiner Gnade, die er verheißen hatte, austeilte. Opferlamm. – Daher kam Jesus Christus Joh 1, 19; Jes 53, 7 als das wahre Lamm und das wahre Opfer, 1Joh 2, 2 dass er uns zuerst versöhnte, indem er die Strafen, die wir für unsere Sünden schuldeten, am Kreuz bezahlte, Luk 1, 71. 74. 79 und uns von der Knechtschaft des Teufels befreite und uns zu Kindern Gottes einsetzte … (Frieden.) … durch den wahren Frieden des Herzens, der durch den Glauben gegeben wird, den uns der Vater schenkt, indem er uns zum Sohn zieht. (7) Glaube, Geist, Liebe und Gerechtigkeit
Glaube. – Denn Gottes Geschenk ist jener Glaube, in welchem wir darauf vertrauen, Hebr 2, 17; Röm 5, 15; Joh 3, 16; 6, 51; 2Tim 1, 10 dass Christus in diese Welt gekommen ist, dass er uns Sünder selig mache, und er ist so wirksam, dass die, die ihn haben, danach trachten, in der Nachfolge Christi allen Menschen alle Werke der Liebe zu erweisen. Heiliger Geist. – Denn nachdem der Glaube angenommen ist, 1Joh 4, 20; 2Kor 1,22; 5, 5; Eph 1, 14; Röm 8, 16; 5, 5 wird der heilige Geist
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et spiritus sanctus, quo signantur omnes credentes, quique est pignus haereditatis nostrae, et testimonium reddit spiritui nostro quod simus fily dei, *1 ioa 4 2 Co 1. 5 ephe 1 rhoma 8.** *Charitas** ac diffundit in viscera nostra eam charitatem quam describit Paulus Corinthys *Justitia** Propter hanc in Christum fidem, quae per charitatem operatur, iustificamur, id est pater ipsius (qui et noster effectus est per ipsum) nos pro filys et iustis habet, sua gratia non imputans nobis delicta nostra *idem 5 1 chor gala 5 2 cho. 5** *Opera** Venit denique vt nos per ipsum purificati a peccatis, et deo patri sanctificati siue conservati, abnegatis operibus carnis, libere seruiremus ei in iustitia et sanctitate omnibus diebus nostris, per bona opera (quae praeparauit deus vt ambularemus in illis) ostendentes nos certo ad hanc gratiam vocatos, quae qui non habet, nec fidem in Christum habet, *Tit: 2 lu. 1. ephe. 2** *Judicium extremum* Qui post interfectum spiritu oris sui hominem peccati sedebit in maiestate sua, omnes iudicaturus, et redditurus vnicuique propria corporis pro vt gessit siue bonum siue malum, dicturusque ijs qui a dextris erunt, Venite benedicti etc. *2. pet. 1 2. thessa 2 2 chor 5** [447] ys autem qui a sinistris erunt, Discedite a me maledicti in ignem aeternum etc tunc finis erit, regnumque Deo et patri tradet etc * math. 25 1 co. 15** *Vita aeterna** Hoc vt cognoscamus, bonitate Dei per spiritum eius sanctum haec nobis sacra sunt tradita, vt cognoscamus inquam, et credamus, vnum esse Deum, et quem misit Jesum Christum, vtque credentes vitam habeamus in nomine eius *2 pet 1 Joan 17 Johan 20** Preter hoc fundamentum nemo aliud potest ponere, Optatque Paulus eum anathema esse qui aliud annuntiauerit, etiam si Fuerit Angelus de caelo. *1 corin. 3, gala 1** Quoniam ex ipso et per ipsum et in ipso sunt omnia, ipsi honor et gloria in secula seculorum Amen. etc *Roma: 11**
17 ijs B is A
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gegeben, durch den alle Glaubenden versiegelt werden und der ein Pfand für unser Erbe ist und der unserem Geist Zeugnis gibt, dass wir Kinder Gottes sind … (Liebe.) – … und unserem Inneren die Liebe eingießt, die Paulus 1Kor 13 den Korinthern beschreibt. Gerechtigkeit. – Gal 5, 22; 2Kor 5, 14 f. 19 Wegen dieses Glaubens an Christus, der durch die Liebe tätig ist, werden wir gerechtfertigt, d. h. der Vater Christi (der durch Christus auch unser Vater geworden ist) erachtet uns als seine Kinder und als gerecht, indem er uns durch seine Gnade unsere Vergehen nicht mehr anrechnet. (8) Gute Werke
Werke. – Schließlich kommt es dazu, dass wir, Tit 2, 12 nachdem wir durch ihn von Sünden gereinigt, für Gott den Vater geheiligt oder bewahrt sind und den Werken des Fleisches abgeschworen haben, Luk 1, 74 f. in Freiheit „ihm unser Leben lang dienen in Gerechtigkeit und Heiligkeit“ Eph 2, 10 durch „gute Werke, die Gott uns bereitet hat, dass wir in ihnen wandeln“, und durch sie zeigen, dass wir gewiss zu dieser Gnade berufen sind, während wer sie nicht hat, auch nicht den Glauben an Christus hat, … (9) Gericht
Jüngstes Gericht. – … der, 2Petr 3, 7 nachdem er 2Thess 2, 8 „getötet hat mit dem Geist seines Mundes“ 2Thess 2, 3 „den Menschen der Bosheit“, in seiner Majestät thronen wird, alle richten und 2Kor 5, 10 „einem jeden vergelten [wird], was er selbst getan hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse“, Mt 25, 34 und „zu denen, die zu seiner Rechten stehen, sagen [wird]: Kommt, ihr Gesegneten usw.“, Mt 25, 41 jenen aber, „die zur Linken stehen: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, ins ewige Feuer! usw.“ 1Kor 15, 24 Dann wird das Ende sein, und er wird Gott, dem Vater, die Herrschaft übergeben. (10) Ewiges Leben
Ewiges Leben. – Damit wir diese erkennen, sind uns dank der Güte Gottes 1 Petr 1,21 durch seinen heiligen Geist diese heiligen Wahrheiten überliefert, dass wir – so sage ich es – Joh 17, 2 „erkennen und glauben: Es ist ein Gott und der, den er gesandt hat, Jesus Christus“, Joh 20, 31 damit wir Glaubenden das Leben haben in seinem Namen. 1 Kor 3, 11 „Einen andern Grund kann niemand legen, außer diesem“; und Paulus will, Gal 1, 8 dass der verflucht sei, der etwas anderes verkündigt – auch wenn es ein Engel vom Himmel wäre. Röm 11, 36 „Denn von ihm und durch ihn und in ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre und Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“
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Vos illustres perspicuique viri hic habetis fidei praedicationisque meae confessionem collectam ex veteri et nouo testamento propter breuitatem temporis. datum oldorpiae anno 1548. 3. Decembris Vestrorum omnium ex animo totus Jacobus theodorici Pastor oldorpius [437 123] De ecclesia chatolica *Augustinus** Ecclesia debet subiungi trinitati, tamquam Habitatori domus sua et deo templum suum, et conditori ciuitas sua, docetque nos Christianos in terris etiamnum peregrinantes, et sanctos Angelos in caelis, nunc vnam esse ecclesiam vinculo charitatis, et post peregrinationem vnam esse consortio aeternitatis, quae tota instituta est ad colendum vnum deum etc Ecclesia est igitur congregatio et societas vere Christi fidelium vbicumque illi viuant, quamquam tot sunt congregationes Christianorum vrbesque et pagi etc que habent ecclesias, et illas particulares aut partes uniuersales ecclesiae, sed tantum vna vera ecclesia est / et congregatio sanctorum vbique terrarum / in qua veneratur vnus deus et pater omnium, vnus dominus Jesus Christus, vnus spiritus, vna doctrina, euangely, vna fides, vnum baptisma, vna spes, eadem sacramenta, Jn illa vero Christus est caput, nos membra, et sumus vnum corpus, vnum ouile Christi pastoris, vna sponsa, Christus est sponsus, vnum Regnum Christi Regis, vnum templum dei etc. *eph. 1 eph 4 eph. 5 1 corin 12 math 20. 22 math. 25. psa 8 [1] corintio 6** Item Haec debet inueniri vbi euangelium sinceriter praedicatur, et vbi sacramenta Christi recte et pie administrantur, Nam Augustinus inquit Ecclesiam debere inueniri vbi vox pastoris est euangelium Christi, et vbi piae et euangelicae caeremoniae habentur, nam Paulus vult et praecipit vt omnia in ecclesia decenter et secundum ordinem fiant. Nam Augustinus vbicumque timetur deus et laudatur, ibi est vera ecclesia Christi, inquit etc Item Ambrosius Domus Dei est veritas, et vbi secundum voluntatem suam timetur / *1 co 14 Augus in Psal: 20. Ambros, super 1 Tim: 3.** 9 chatolica A catholica B 28 recte et pie B rectae et piae A 319 320 321 322
Augustinus, Enchiridion de fide, spe et caritate 56, 15, PL 40, 258 f. Vgl. Interim 9/59. Vgl. Augustinus, Sermo 46, 13–14, PL 38, 287–290. Augustinus, Enarrationes in Psalmos zu Ps 22 (21), 24, PL 36, 177.
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(11) Brief an die Beamten der Kanzlei (Schluss)
Hier also habt Ihr, Ihr berühmten und hochansehnlichen Herren, das Bekenntnis meines Glaubens und meiner Predigt, gesammelt aus dem Alten und Neuen Testament wegen der Kürze der Zeit. Gegeben zu Oldorf im Jahre 1548 am 3. Dezember Euer aller von Herzen ganz ergebener Jacobus Theodorici, Pastor von Oldorf (B) Stellungnahme zum Interim (12) Kirche (Interim 9)
Von der allgemeinen Kirche. – Augustinus319: »Wie dem Besitzer sein Haus und dem Gott sein Tempel und dem Gründer seine Stadt, so muss die Kirche der Dreieinigkeit untergeordnet sein.« Und sie lehrt uns Christen, »die wir noch auf Erden pilgern«, und die heiligen »Engel« im Himmel, dass nun »durch das Band der Liebe eine einzige Kirche sei, und dass sie nach der Pilgerschaft durch die Gemeinschaft der Ewigkeit eine einzige sei, die nur dazu bestimmt ist, den einen Gott zu verehren.« Die Kirche ist daher die Gemeinschaft und Gesellschaft der wahrhaft »Christgläubigen«320, wo immer sie leben. Obgleich es so viele Gemeinschaften der Christen gibt – Städte und Dörfer, die Kirchen haben, und jene zersplitterten oder umfassenden Teile der Kirche – so ist doch Eph 4, 3–6 nur eine wahre Kirche und Gemeinschaft der Heiligen überall auf der Erde, in der verehrt wird der eine Gott und Vater aller, der eine Herr Jesus Christus, der eine Geist, die eine Lehre des Evangeliums, der eine Glaube, die eine Taufe, die eine Hoffnung und dieselben Sakramente. Eph 5, 23 In ihr aber ist Christus das Haupt, wir die Glieder, 1Kor 12, 12 und wir sind ein Leib, Mt 20, 28 eine Herde des Hirten Christus, Mt 22, 2; 25, 1 eine Braut, Christus der Bräutigam, Ps 8, 6 f. ein Reich des Königs Christus, 1Kor 6, 19 ein Tempel Gottes. (13) Kennzeichen der Kirche (Interim 10)
Ferner muss diese [Kirche] sich finden lassen, wo das Evangelium rein gepredigt wird und wo die Sakramente richtig und andächtig verwaltet werden. Denn Augustinus321 sagt, die Kirche müsse gefunden werden, wo die Stimme des Hirten das Evangelium von Christus sei und wo die Zeremonien andächtig und dem Evangelium gemäß gehalten werden. Denn Paulus will und gebietet 1. Kor 14, 40, dass in der Kirche „alles ehrbar und ordentlich zugehe“. Augustinus322 sagt nämlich zu Ps 22: Wo auch immer Gott geehrt und gelobt wird, dort ist die wahre Kirche Christi. Ebenso Ambrosius323 über 1Tim 3: Das Haus Gottes ist die Wahrheit, und wo er nach seinem Willen geehrt wird. 323
Ambrosiaster zu 1Tim 3, PL 17, 471.
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Igitur olim tantum octo seruabantur homines in Archa Noae ne perirent diluuio,*gene 7** ita tantum illi saluantur qui sunt in ecclesia, Extra ecclesiam sunt omnes Heretici, scismatici, ethnici, Judei, et nunc hoc tempore Anabaptistae, qui omnes repugnant ecclesiae et qui se separauerunt ab ecclesia chatolica, et omnes in Christum non credentes, jdeo damnabuntur in aeternum, nisi ecclesiam ingrediantur, hoc est sentiant et credant, quod sentit et credit sancta nostra ecclesia dilecta Christi sponsa, Jnveniuntur tamen inter Christianos multi scelerati, pestiferi, infideles etc et illi non sunt membra ecclesiae, sed habentur inter Christianos veluti Judas inter Apostolos, Symon magus, Hereticus ille Arrius, Manicheus, Pelagius etc in primitiua ecclesia, et nunc hoc tempore Anabaptiste Adamitae et aliae sectae multe / (proh dolor) Sed impy illi non sunt in ecclesia sicut membra, sed [124] sicuti vlcera et stercora in corpore humano, tandem expellenda, et sicuti paleae et zizania inter frumenta, ita jmpy sunt pys admixti, donec Christus eos separet in extremo iudicio etc [438] De sacramentis ecclesiae etc Sacramentum est sacre rei signum, vel secundum Theologos, est inuisibilis gratiae Christi, visibilis forma, Signa enim visibilia, quae ad res diuinas pertinent nam oculi nostri vident immersionem trinam, vel tinctionem, aures nostrae audiunt gratiae promissionem, qui crediderit et baptizatus fuerit saluus erit etc His sensibilibus rebus deus dat nobis gratiam suam inuisibilem, et redemptionem quae est in Christo Jesu etc Item Sacramenta ecclesie secundum euangelium sunt tria baptismus sacramentum altaris absolutio etc haec habent veras promissiones ex euangelio, videlicet; de remissione peccatorum, Quando volumus omnia opera promissionum / nominare Sacramenta, tunc multa essent, videlicet oratio ad deum habet consolantissimam promissionem, scilicet *Johan 16**
5 chatolica A und B 23 baptismus … etc in A und B sind die drei Sakramente mit Klammer untereinander geschrieben. 324 Zu Arius und Mani siehe 01. Gerhardus Wandscher (1, Apparat); Pelagius, lehrte in Rom, gestorben vor 431, verurteilt wegen seiner Lehre vom freien Willen; vgl. Confessio Augustana 2 BSLK 53, 14 und unten 19. Rodolphus Frisius (5). 325 Vermutlich die Anhänger des Täufers und Antitrinitariers Adam Pastor (eigentlicher Name: Rudolf Martens), der zeitweise Menno Simons nahestand.
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(14) Wahre und gemischte Kirche (Interim 9)
Wie daher einst Gen 7, 7 nur acht Menschen in der Arche Noahs bewahrt wurden, dass sie nicht in der Sintflut zugrunde gingen, so können auch nur diejenigen selig werden, die in der Kirche sind. Außerhalb der Kirche befinden sich alle Häretiker, Schismatiker, Heiden, Juden und jetzt in unserer Zeit die Wiedertäufer, die sich alle der Kirche widersetzen und die sich von der allgemeinen Kirche getrennt haben, und alle, die nicht an Christus glauben. Deshalb werden sie auf ewig verdammt werden, wenn sie nicht in die Kirche eintreten, d. h. denken und glauben, was unsere heilige Kirche, die geliebte Braut Christi, denkt und glaubt. Es finden sich unter den Christen viele Frevler, Verderbte, Ungläubige. Und diese sind keine Glieder der Kirche, sondern werden unter den Christen gleichgeachtet wie Judas unter den Aposteln, wie Apg 8, 9 Simon der Zauberer, jener Häretiker Arius324, Manichaeus oder Pelagius in der ältesten Kirche und jetzt in unserer Zeit die Wiedertäufer, die Adamiten325 und leider viele andere Sekten. Aber diese Gottlosen sind in der Kirche nicht als Glieder, sondern wie Geschwüre und Unrat im menschlichen Körper, die schließlich ausgeschieden werden müssen, und wie [Lk 3, 13] Spreu oder [Mt 13, 25] Unkraut unter dem Korn. So sind die Gottlosen unter die Frommen gemischt, bis Christus sie im Jüngsten Gericht trennen wird. (15) Sakramente (Interim 14) (a) Sichtbare Form der unsichtbaren Gnade
Von den Sakramenten der Kirche – Ein326 Sakrament ist ein Zeichen einer heiligen Sache oder, gemäß den Theologen, die sichtbare Form der unsichtbaren Gnade Christi. Sie sind nämlich sichtbare Zeichen, welche göttliche Dinge betreffen, denn unser Augen sehen die dreifache Eintauchung oder Benetzung, unsere Ohren hören die Verheißung der Gnade [Mk 16, 16]: „Wer glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ Durch diese sinnlichen Gegenstände gibt Gott uns seine unsichtbare Gnade und die Erlösung, die in Christus Jesus ist. (b) Drei Sakramente
Ferner327, nach dem Evangelium gibt es drei Sakramente der Kirche: die Taufe, das Altarsakrament, die Lossprechung. Diese haben wahre Verheißungen aus dem Evangelium, nämlich Vergebung der Sünden. Wenn328 wir alle Handlungen, die mit Verheißungen verbunden sind, Sakramente nennen wollten, dann wären es viele, nämlich das Gebet zu 326
Augustinus, De civitate dei 10, 5, PL 41, 282; vgl. 01. Gerhardus Wandscher
(2 l). 327 328
469 f.
Der folgende Absatz in Anlehnung an Melanchthon, Loci 1535 CR 21, 470. Die folgenden zwei Absätze in Anlehnung an Melanchthon, Loci 1535 CR 21,
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quidquid petieritis etc Sic quoque tristitia, crux, aelemosinae / et haec habent egregias promissiones, Nam Christus date et dabitur vobis per multas tribulationes etc Item Authoritas matrimonium instituit Christus etc Sed quando volumus respicere caeremonias ex euangelio institutas et signa externa nobis per Christum data, adherentiaque verbis et pys promissionibus Christi scilicet de remissione peccatorum tunc tantum tria sunt ut supra etc Hys enim sacramentis discernimur a gentibus, nam propria sunt signa Christianorum / Suntque signa gratiae, et bonae voluntatis dei erga nos, vnde certo discimus deum nobis esse propitium, et velle remittere peccata, et nos iustificare et saluare etc Duo enim nobis observanda sunt in sacramento, scilicet signum et verbum. Verbum in nouo testamento promissio gratiae est, addita signo diuinitus instituto, noui testamenti promissio, est promissio peccatorum remissionis signum autem aut caeremonia est quasi pictura verbi vel sigillum, nam Paulus ostendens promissionem, verbum currit in aures signum in oculos, vt fidem in corde exuscitet Et fides in sacramento adeo necessaria est vt non solum nihil agimus, sed etiam peccamus, si non crediderimus verbo promissionis, et accepturos rem / quam signum significat / Nam promissio dei requirit fidem, nisi enim deo remissionem peccatorum in Christo promittenti crediderimus, promissionem inutilem fecimus nobis, et gravissima blasphemia deum mendacy arguimus quasi nolit et non possit [125] praestare id quod pollicetur, Nam deus est qui in sacramentis loquitur, et minister instrumentum est; Christi inuisibilis sacerdotis, qui quidem spiritu sancto, sed per media a se instituta nos sanctificat etc [439] De sacramento baptismi Baptismus est lauacrum aquae in verbo, tolle aquam, non est baptismus tolle verbum non est baptismus / Sed aquam esse baptismum, iuncto dei
329
Das Zitat kombiniert Joh 16, 23 mit 15, 16. Der folgende Satz folgt Melanchthon, Loci 1535 CR 21, 470, ist aber stark verkürzt. Gemeint ist, dass die Ehe einerseits den Sakramenten gleicht, quia est res externa, ornata verbo Dei et promissionibus, diese promissiones aber andererseits nicht wie bei Taufe, Abendmahl und Buße die Sündenvergebung betreffen. 331 Oben im ersten Absatz. 332 Der folgende Satz in Anlehnung an Interim 14/73.75. 330
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Gott hat eine überaus tröstliche Verheißung, nämlich Joh 16, 23329: „Was ihr bitten werdet [den Vater in meinem Namen, wird er euch geben].“ So auch die Anfechtung, das Kreuz, das Almosen. Und diese haben herausragende Verheißungen, denn Christus sagt [Luk 6, 38]: „Gebt, so wird euch gegeben“, [Apg 14, 22:] „[Wir müssen] durch viel Bedrängnisse [in das Reich Gottes eingehen]“. Ferner330, als Autorität hat Christus die Ehe eingesetzt. Aber wenn wir diejenigen Zeremonien beachten wollen, die vom Evangelium her eingerichtet und als äußere Zeichen uns durch Christus gegeben und die mit den Worten und frommen Verheißungen Christi – nämlich von der Sündenvergebung – verbunden sind, dann sind es nur drei, wie oben331 gesagt. Durch332 diese Sakramente unterscheiden wir uns von den Heiden, denn es sind eigentliche Zeichen der Christen, und es sind Zeichen der Gnade und des guten Willens Gottes gegen uns, aus denen wir sicher lernen können, dass Gott uns gnädig ist und uns die Sünden vergeben und uns rechtfertigen und selig machen will. (c) Zeichen und Wort
Zweierlei müssen wir beim Sakrament beachten, nämlich das Zeichen und das Wort. Das Wort ist im Neuen Testament die Verheißung der Gnade, die dem göttlich angeordneten Zeichen hinzugefügt ist. Die Verheißung des Neuen Testaments ist die Verheißung der Sündenvergebung. Das Zeichen aber oder die Zeremonie ist gleichsam ein Bild oder Siegel des Wortes. Denn Paulus zeigt die Verheißung [Jes 64, 3; 1Kor 2, 9]: Das Wort dringt in die „Ohren“, das Zeichen in die „Augen“, so dass es im Herzen den Glauben hervorruft. Und der Glaube ist beim Sakrament so sehr nötig, dass wir nicht nur nichts bewirken, sondern sogar sündigen, wenn wir dem Wort der Verheißung nicht glauben und die Sache nicht annehmen werden, die das Zeichen bezeichnet. Denn die Verheißung Gottes erfordert den Glauben. Wenn wir nämlich Gott, der uns in Christus die Vergebung der Sünden verheißt, nicht glauben, dann haben wir die Verheißung für uns unbrauchbar gemacht und beschuldigen Gott, indem wir ihn aufs schwerste lästern, der Lüge, als ob er das nicht gewähren wolle und könne, was er verspricht. Denn Gott ist es, der in den Sakramenten spricht, und der Diener ist nur das Werkzeug des unsichtbaren Priesters Christus, der zwar durch den heiligen Geist, aber durch von ihm eingesetzte Mittel uns heiligt. (16) Taufe (Interim 15) (a) Wasser und Wort
Vom Sakrament der Taufe. – Die Taufe ist ein [Eph 5, 26] „Wasserbad im Wort“. Nimm333 das Wasser weg, dann ist es keine Taufe mehr; nimm das 333
Vgl. Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3, PL 35, 1840
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verbo vere credimus, *Augustinus** nam Augustinus inquit, accedit verbum ad elementum et fit sacramentum / hoc est non et tunc simplex aqua est (vti Anabaptistae dicunt) sed est aqua dei sancta et salubris, etiamque ipsum tamque visibile est verbum / Item deus in baptismate abluit et remittit nobis peccata omnia, non est enim signum inane et inefficax, quia significat et operatur magna, et homini mundano incomprehensibilia, Significat veram paenitentiam vel mortificationem veteris hominis, et viuificationem ac remissionem peccatorum, Jmmergitur enim infans in aquam a sacerdote, significans veterem hominem, peccatorem immundum, morti adiudicatum, submergi et mori / Et rursus extrahitur puer / etc significat ipsum renasci, hic ex spiritu et aqua nouum hominem, iustum et purum, qui porro non peccatis viuit, sed iusticiae, Atque haec tanta opera non tantum in baptismate significantur, sed vere fiunt per spiritum sanctum acceptum in baptismo, Jncipit enim homo protinus mori peccatis baptizatus, et exuere veterem hominem, id est iram luxuriam auaritiam accidiam superbiam, impiaetatem, et reliquas pestes originalis peccati, quas ab Adam patre nostro Carnali in prima natiuitate, velut haereditatem pestiferam accepimus, et induit assidue usque ad mortem nouum hominem, id est pietatem, mansuetudinem, sobrietatem et reliquas virtutes, Nam in baptismo renuntiamus carni mundo et diabolo, et dedimus nos deo et Christo et obstringimus perpetuo Christo seruituros etc Jnitur tunc inter deum et nos faedus gratiae, vt ipse sit porro Deus noster hoc est saluator / qui nos a peccatis repurget et sanctificet, et nos qui in baptismo peccatis mortui sumus post hac in eodem non viuendum erit nobis, Qui igitur post acceptum baptisma impie viuunt sunt faedifragi et hoc semper quidem cogitandum est, quoties ad peccandum aliquos sollicitat, caro, mundus, satan, nam sunt nostrorum hostes professi, quibus in sacramento baptismi renuntiauimus, qui igitur peccant tradunt se capitalibus
5 inefficax B efficax A 18 assidue B assiduae A 25 impie B impiae A 334 Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3, PL 35, 1840; vgl. BSLK 450 Anm. 1; Luther, Großer Katechismus BSLK 694, 29 f. 335 Vgl. Luther, Großer Katechismus BSLK 695 Anm. 2. 336 Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3, PL 35, 1840. 337 Ob Jacobus hier die örtliche Sitte von Oldorf beschreibt oder sich an Luthers Großem Katechismus orientiert BSLK 704, 23 und Anm. 7, muss offen bleiben. 338 Ira, luxuria, avaritia, acedia, superbia sind fünf der Sieben Todsünden; vgl. Petrus Lombardus, Sentenzen 2, 42, 8, PL 192, 753. Bei Jacobus fehlen invidia und gula.
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Wort weg, dann ist es ebenfalls keine Taufe mehr. Aber wir glauben fest, dass das Wasser, wenn es mit dem Wort verbunden ist, die Taufe sei. Denn Augustinus334 sagt: »Das Wort tritt zum Element hinzu und wird zum Sakrament«, d. h. dann ist es auch kein einfaches Wasser mehr (wie die Wiedertäufer335 sagen), sondern es ist Gottes heiliges und heilsames Wasser und ist auch sozusagen das »sichtbare336 Wort« selbst. (b) Sündenvergebung
Auch wäscht uns Gott in der Taufe und vergibt uns alle Sünden. Sie ist kein leeres und unwirksames Zeichen, weil sie große Dinge bezeichnet und bewirkt, die dem weltlichen Menschen unbegreiflich sind. Sie bezeichnet nämlich Buße oder Abtötung des alten Menschen, und Belebung und Vergebung der Sünden. Das Kind wird nämlich vom Priester ins Wasser getaucht337, dies bedeutet, dass der alte Mensch, der unreine Sünder, zum Tode verurteilt, ertränkt und getötet wird. (c) Geistverleihung
Und dann wird das Kind wieder aus dem Wasser gezogen. Dies bedeutet [Joh 3, 5]: es wird hier aus Geist und Wasser als ein neuer Mensch wiedergeboren, der gerecht und rein ist und künftig nicht für die Sünden, sondern für die Gerechtigkeit lebt. Aber solche große Wirkungen werden in der Taufe nicht nur bezeichnet, sondern geschehen wahrhaftig durch den heiligen Geist, der in der Taufe empfangen wird. Der getaufte Mensch beginnt nämlich fortan den Sünden abzusterben und den alten Menschen auszuziehen d. h. Zorn338, Ausschweifung, Habsucht, Teilnahmslosigkeit, Übermut, Gottlosigkeit und andere Frevel der Erbsünde, die wir bei unserer ersten Geburt von unserem leiblichen Vater Adam gleichsam als schädliche Erbschaft empfangen haben, und zieht fleißig den neuen Menschen an bis zum Tode, d. h. Frömmigkeit, Friedfertigkeit, Nüchternheit und die übrigen Tugenden. Denn bei der Taufe sagen wir ab dem Fleisch, der Welt und dem Teufel und haben uns Gott und Christus ergeben und verpflichten uns, immerfort Christus zu dienen. Es wird dann zwischen Gott und uns der Gnadenbund geschlossen, dass er künftig unser Gott sei, d. h. der Retter, der uns von Sünden reinigt und uns heiligt, und dass wir, die wir in der Taufe den Sünden abgestorben sind, danach nicht mehr darin leben sollen. (d) Bruch des Taufbundes durch Rückfall in die Sünde
Die daher nach empfangener Taufe gottlos leben, sind bundbrüchig. Und das ist daher stets zu bedenken, so oft das Fleisch, die Welt oder der Satan einige zum Sündigen reizt. Denn sie sind unsere offenkundige Feinde, denen wir im Taufsakrament abgesagt haben. Die also sündigen, liefern sich ihren Erzfeinden aus.
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inimicis, datur [126] enim spiritus sanctus in baptismate, quod significat baptizatum, et ex filio irae facit filium gratiae, et carnem cum concupiscentys crucifigit per omnem vitam, donec plene in die regenerationis opus baptismatis in nobis omnino perficiatur, hoc est vt omnibus peccatis plene abolitis, ex omni parte mundati sanctam imaginem gestemus Adam coelestis hoc est Christi Nam [440] Paulus pulchre proponit baptismi significationem, dicens *rom 8** An ignoratis quod quicumque baptizati sumus in Christo Jesu, in mortem eius baptizati sumus, sepulti enim sumus etc Item *Titum 3** benignitas erga homines amor apparuit saluatoris nostri dei etc Igitur acto / *acto 22** Resipiscite et baptizetur vnusquisque vestrum sub nomine Christi in remissionem peccatorum etc Item *1 pe. 3** baptismus respondens figurae Arcae Noae, nos saluos reddit etc Nam Christus *Johan 3** iureiurando astruit neminem ingressurum regnum dei, nisi ex aqua et spiritu sancto raenatus sit, quia quod ex carne natum est caro est / *1 corin 15** caro aut sanguis, (hoc est corruptio illa naturae nostrae ex peccato contracta) regnum hereditatis consequi non posse. Item Paulus vocat lauacrum regenerationis baptismum, quia lauamur in eo per sanguinem Jesu Christi a peccatis omnibus et renascimur, nouaque in Christo creatura efficimur / quae omnia fiunt meritis et gratia Christi in fide verbi etc summa baptismus ad salutem necessarius est. De puerorum baptismo *Augustinus** Cum baptizandis paruulis festinatur, et curritur, quia sine dubio creditur eos aliter in Christo viuificari non posse, qui autem viuificantur in Christo constat vt in ea condemnatione maneant, de qua Paulus *ro 5** per vnius delictum propagatum est malum in omnes homines, ad condemnationem, haec idem caeteri quoque orthodoxi Ambrosius, Iherenaeus, Augustinus Gregorius Origenes etc testantur. Quare igitur sentiunt Anabaptistae? paruulorum baptisma esse inutile? Heretici sunt, a diabolo infatuati, mente corrupti, reprobi circa fidem,
16 hereditatis B hereditati A 17 regenerationis B regenerationis vocat A 339 Unter regeneratio wird hier mit Mt 19, 28 die endzeitliche Verwandlung oder Erneuerung der Welt verstanden.
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(e) Vollendung der Taufe im Reich Gottes
Denn der heilige Geist wird in der Taufe eingegeben, was „getauft“ bedeutet, und macht aus einem [Eph 2, 3] „Kind des Zorns“ ein Kind der Gnade, und kreuzigt das Fleisch mit seinen Begierden das ganze Leben lang, bis dann am Tage der Erneuerung der Welt339 das Werk der Taufe in uns gänzlich vollendet wird, d. h. dass wir nach der völligen Beseitigung aller Sünden vollständig gereinigt das heilige Bild des himmlischen Adam, nämlich Christi, an uns tragen. Denn Paulus schildert anschaulich die Bedeutung der Taufe, indem er sagt Röm 6, 3 f.: „Wisset ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind auf seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben usw.“ Sodann Tit 3, 4: „[Als] erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilandes [machte er uns selig … durch das Bad der Wiedergeburt].“ Ebenso daher Apg 2, 38: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Christi zur Vergebung der Sünden.“ Ebenso 1Petr 3, 20 f.: Die Taufe, die dem prophetischen Bild der Arche Noahs entspricht, rettet uns. Denn Christus Joh 3, 5 f. fügt beschwörend hinzu, dass niemand in das Reich Gottes eingehen werde, „es sei denn, dass er wiedergeboren werde aus Wasser und Geist.“ Denn „was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch“. 1Kor 15, 50: „Fleisch und Blut“ (das ist jenes Verderben unserer Natur, das aus der Sünde stammt) „können das Reich Gottes nicht ererben“. Desgleichen nennt Paulus [Tit 3, 5] die Taufe „das Bad der Wiedergeburt“, weil wir in ihm durch das Blut Christi von allen Sünden gewaschen werden und wiedergeboren und in Christus eine neue Kreatur werden. Dies alles geschieht durch die Verdienste und die Gnade Christi im Glauben an das Wort. Zusammengefasst: Die Taufe ist heilsnotwendig. (17) Kindertaufe (a) Einwände der Wiedertäufer
Von der Kindertaufe. – Augustinus340: Mit den kleinen Kindern, die getauft werden sollen, eilt und läuft man, weil man ohne Zweifel glaubt, dass sie anders in Christus nicht lebendig gemacht werden können. Es steht fest, dass die, welche in Christus lebendig gemacht werden, sich [vorher] in der Verdammnis befinden, von der Paulus sagt Röm 5, 12.15 f., dass durch die Sünde eines Menschen das Böse zu allen Menschen hindurchgedrungen ist zur Verdammnis. Dasselbe bezeugen auch die andern rechtgläubigen Väter Ambrosius, Irenäus, Augustinus, Gregorius und Origenes. Warum also meinen die Wiedertäufer, die Kindertaufe sei unnütz? Sie sind Häretiker, vom Teufel geschwächt, mit zerrüttetem Verstand, ver340 Augustinus, Epistola 131 ad Hieronymum sive Liber de origine animae hominis 21, PL 22, 1135.
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scripturas enim occecati non intelligunt, vti, *Ezech 13** vech prophetis insipientibus qui sequuntur spiritum suum et nihil vident. Primo dicunt pueros credere non posse aut scire, Secundo scripturam non iubere pueros baptizare eiusque rei nullum habere exemplum / Igitur non sunt baptizandi pueri etc *Augustinus** Item Augustinus Tanto enim magis nos pro infantibus loqui debemus quanto minus ipsi pro se loqui possunt Primo probabile est per sacram scripturam Anabaptistarum opinionem esse [127] falsam etc Quis igitur nouit Anabaptistarum, infantes credere non posse? None super re dubia, aedificant suam fidem? cum maxime sit probabile infantes credere posse quod vnico syllogismo probabo Dary / :Da: omnes deo placentes credunt, nam *Heb. 11** impossibile est placere deo sine fide. Ri. paruuli ad Christum allati placent Deo [441] Vti *marc 10** sinite paruulos venire ad me, vbi eos in vlnas accepit, et benedixit Christus benedictum semen Abrahae, hoc est peccata remisit, in gratiam euangely adsumsit .J. Ergo pueri allati ad Christum credunt Certe nunc auditur quam stupidi sint Anabaptistae, et tamen non audent adserere, infantes spiritus sancti capaces non esse, Quod si spiritum sanctum accipere possunt, quid nos impia curiositate querimus, quomodo spiritus sanctus, quippe deus omnipotens fidem in pueris operetur? *Lu 1** cum legimus luce 1 Jnfantulum johannem baptistam spiritu sancto cooperante / ad salutationem deipare virginis in vtero materno salysse etc habebat enim intelligendi sensum, qui exultandi habebat affectum *Ambrosius** Praeterea nihil dubito generali hoc mandato, *math 28 marci 16** Euntes ergo docete omnes gentes, baptizantes eos in nomine patris et fily et spiritus etc etiam infantes comprehendi, nam sunt ante baptismum gentes, quod autem non statim possunt doceri mysteria fidei baptismum non
11 quod … probabo A; durch A nachträglich fehlerhaft geändert in: quod … probabile est danach B: quod unico syllogismo probabile est 341
Melanchthon, Loci 1535 CR 21, 475. Melanchthon, Loci 1535 CR 21, 475. 343 Vgl. Augustinus, De nuptiis 5, PL 44, 444. 344 Melanchthon, Erotemata Dialectices CR 13, 606 f. 345 Ambrosius, Expositio Evangelii secundum Lucam PL 15, 1564 C. – Vgl. Luther, Von der Wiedertaufe an zwei Pfarrherrn. 1528, WA 26, 156, 16 f. 342
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worfen hinsichtlich des Glaubens. Als Verblendete verstehen sie die heilige Schrift nicht Ez 13, 3: „Weh den törichten Propheten, die ihrem eigenen Geist folgen und haben keine Gesichte!“ Erstens341 sagen sie, Kinder könnten nicht glauben oder verstehen, zweitens342, die heilige Schrift gebiete nicht, die Kinder zu taufen, und zeige auch kein Beispiel für eine solche Handlung. Folglich seien die Kinder auch nicht zu taufen. (b) Der Glaube der Kinder: Erster logischer Beweis für die Kindertaufe
Doch Augustinus343 sagt: Wir müssen umso mehr für die Kinder sprechen, je weniger sie für sich selbst sprechen können. Erstens: Durch die heilige Schrift wird wahrscheinlich gemacht, dass die Meinung der Wiedertäufer falsch ist. Denn wer von den Wiedertäufern weiß so genau, dass die Kinder nicht glauben können? Bauen sie ihren Glauben nicht auf einen zweifelhaften Grund? Denn es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, dass Kinder glauben können, was ich in einem einzigen logischen Schluss344 nach dem Schema »Darii« beweisen werde. »Da«: Alle, die Gott gefallen, glauben (denn Hebr 11, 6: „Ohne Glauben ist’s unmöglich, Gott zu gefallen).“ »ri«: Die kleinen Kinder, die zu Christus gebracht werden, gefallen Gott (nämlich Mk 10, 14: „Lasset die Kinder zu mir kommen“, wo er, der gesegnete Nachkomme Abrahams, sie in die Arme nahm und segnete, d. h. ihnen die Sünden vergab und sie in die Gnade des Evangeliums aufnahm). »i«: Folglich: die kleinen Kinder, die zu Christus gebracht werden, glauben. Nun ist hieraus mit Gewissheit zu hören, wie stumpfsinnig die Wiedertäufer sind. Und trotzdem wagen sie nicht zu behaupten, dass die Kinder für den heiligen Geist unempfänglich seien. Wenn diese also den heiligen Geist empfangen können, was fragen wir dann in gottloser Neugier, auf welche Weise der heilige Geist, der ja allmächtiger Gott ist, den Glauben in den Kindern wirke? Da wir doch Lk 1, 41.44 lesen, dass das noch ungeborene kleine Kind Johannes im Leibe seiner Mutter unter dem Beistand des heiligen Geistes beim Gruß der jungfräulichen Gottesmutter „hüpfte“. Ambrosius345: Es besaß demnach die Einsicht des Verstehens, wer die Gemütsbewegung des Frohlockens aufbrachte. (c) Allgemeines Taufgebot
[Zweitens:] Außerdem zweifle ich nicht daran, dass in dem allgemeinen Gebot (Mt 28, 19, Mk 16, 15 f.): „Gehet also hin, lehret alle Heiden und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“ auch die Kinder eingeschlossen sind, denn diese sind vor der Taufe Heiden. Dass sie aber nicht sofort die Geheimnisse des Glaubens
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prohibet, doceri enim debentur cum per aetatem capere possunt doctrinam / neque enim euangelista ordinem praescribit quem seruare oporteat, nam docere et baptizare debemus dum licet adultos ante perceptionem sacramenti baptismatis, pueros autem iam baptizatos, quemadmodum olim in circumcisione actum est, primo circumcidebantur, deinde docebantur legem vt patet etc *deu 4 idem 34** Item baptizabat in deserto iohannes praedicans baptismum paenitentie / hunc ordinem nolunt Anabaptiste seruare Item vetus ecclesia testatur baptisma infantium ab apostolis esse profectum *Origenes** Nam Origenes vixit Anno domini ccliiij scripsit ad romanos 6, ecclesia ab Apostolis traditionem accepit, etiam paruulis baptisma dare / *Augustinus** Item Augustinus Consuetodo ecclesiae nostris in baptizandis pueris nequaquam spernanda est. Item Erasmus sic ait super Psalmum 80. Quam delecta tabernacula etc Non sufficit Anabaptistis, baptismus qui mille quadringentis annis suffecit ecclesiae chatolice, Nam temporibus Augustini tam vetus erat consuetudeo tingere infantes vt huius exempli author ignoraretur, admodumque probabile esset ab ipsis Apostolis inductum fuisse, quamquam non est expressum in sacris libris, quod apostoli baptiza[128]rint infantes, tamen ex his sumitur non leuis coniectura / Item *1 cho 1** Paulus fatetur se baptizasse tres familias, Crispi Cay, et staphane, et apud philippenses noctu baptizauit carcerarium cum vniuersa familia / Petrus *acto 10** baptizauit Cornely non solum familiam sed etiam cognatos et necessarios, quos ille sub aduentum Petri conuocaverat In his familys probabile est, fuisse nonnullos infantes et pueros etc Item Quot possum fieri instructior contra Anabaptistas, audiatur Syllogismus quo pedobaptisma firmissime probatur etc Primo / Ad quoscumque pertinet promissio gratie et regni Christi, vel quicumque meritorum Christi participes esse possunt, aut adeo in faedus gratiae sempiternum admissi sunt / jdem sacramentum initiatorium illius
16 chatolice A B 25 convocarat A B 28 pedobaptisma B predobaptisma A 346 Origenes, Ad Romanos 5, 9 zu Röm 6, 5–7, PG 14, 1047 B; Melanchthon, Loci 1535 CR 21, 473. 347 Augustinus, De genesi ad litteram 10, 23, 39, PL 34, 426.
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gelehrt werden können, hindert die Taufe nicht. Unterrichtet werden müssen sie nämlich, wenn sie ihrem Alter nach die Lehre begreifen können. Auch der Evangelist schreibt keine Reihenfolge vor, die es einzuhalten gälte. Denn lehren und taufen müssen wir, soweit es möglich ist: die Erwachsenen vor dem Empfang des Taufsakraments, die Kinder aber, nachdem sie getauft sind, wie es einst mit der Beschneidung gehalten wurde: wie bekannt Dtn 4, 9 f.; 32, 48 wurden sie zuerst beschnitten und anschließend im Gesetz unterrichtet. Ebenso taufte Johannes in der Wüste und predigte dann die Taufe der Buße. Diese Reihenfolge wollen die Wiedertäufer nicht einhalten. (d) Kindertaufe bei den Aposteln
Ferner bezeugt die alte Kirche, dass die Kindertaufe von den Aposteln an gefördert worden sei. Denn Origenes346, der im Jahr 254 lebte, schrieb zu Römer 6: Die Kirche empfing von den Aposteln die Überlieferung, auch den kleinen Kindern die Taufe zu gewähren. Ebenso sagt Augustinus347: Der Brauch der Kirche, unsere Kinder zu taufen, ist keineswegs zu verachten. Gleicherweise sagt Erasmus348 über Psalm 83 [84] »„Wie lieblich sind deine Wohnungen usw.“: Den Wiedertäufern genügt nicht die Taufe, die der allgemeinen Kirche 1.400 Jahre lang genügte. Denn zur Zeit Augustins war die Gewohnheit, die Kinder einzutauchen, schon so alt, dass der Urheber des Vorbilds schon nicht mehr bekannt war und es durchaus wahrscheinlich wäre, dass es von den Aposteln eingeführt wurde. Obwohl es in der heiligen Schrift nicht ausdrücklich gesagt ist, dass die Apostel Kinder getauft haben, ist es doch nach alle dem stark zu vermuten. Ebenso bekennt Paulus 1Kor 1, 14.16, dass er die drei Familien des Crispus, des Caius und des Staphanas getauft habe. Und bei den Philippern [Apg 16, 33] taufte er in der Nacht den Kerkermeister mit seiner ganzen Familie. Apg 10, 24.48 Petrus taufte nicht nur die Familie des Cornelius, sondern auch die Verwandten und Freunde, die jener bei der Ankunft des Petrus zusammengerufen hatte. Bei diesen Familien ist es wahrscheinlich, dass einige Kinder und Kleinkinder dabei waren.« (e) Die Universalität der Verheißung: Zweiter logischer Beweis für die Kindertaufe
Außerdem: Wieviel kundiger kann man werden in der Argumentation gegen die Wiedertäufer, wenn man den Syllogismus zur Kenntnis nähme, mit dem die Kindertaufe aufs bündigste bewiesen wird! Erstens. Die Verheißung der Gnade und des Reiches Christi wendet sich an jedermann. Und alle, die Anteil erhalten können an den 348 Erasmus Roterodamus, De amabili ecclesiae concordia, Enarratio Psalmi 83, in: Opera 5, 505 BC.
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faederis accipere possunt et debent [442] Secundo, sed ad infantes pertinet promissio gratiae et regni Christi etc Ergo baptisma infantes accipere possunt et debent Nemo sane mentis potest hoc argumentum negare / quibus enim deus rem sacramenti / hoc est gratiam et redemptionem, per Christum factam, remissionem peccatorum iustitiam et vitam in Christo per baptismi sacramentum significatam largitur / sicut procul dubio infantibus ab Herode occisis largitur, *acto 10**ysdem non vult adimi tante rei sacramentum iusticiae signaculum Item nunc autem ex veteri testamento probatur puerorum baptismus, nam Judei habuerunt circumcisionem in signum faederis gratiae, inter deum et Abraham *gene 17** et dabatur etiam infantibus octo dierum signum faederis / et tota ecclesia sic sentit / Sicuti olim circumcidebantur / non solum adulti sed etiam infantes, ita et nunc baptizandi sunt infantes, quia idem enim est deus, idem gratiae faedus,*deu 10 et 30** signa tamen sunt diuersa, eadem certe res semper quaesita est, nempe gratia per Christum, mortificatio carnis, iustificatio remissio peccatorum regeneratio circumcisio, aut mundatio cordis sicut circumcisi estis circumcisione quae fit sine manibus dum exuistis corpus peccatorum etc *colo 2** Hic facile videndum est nunc baptismum circumcisionem nostram esse. Item Probatur ex nouo testamento pueros deo acceptabiles *mar 10** Sinite inquit paruulos venire ad me etc consolantissimum hoc euangelium ecclesia hactenus recitauit in caeremonia pedobaptismatis, vbi aperte videmus in[129]fantes a deo patre diligi, a filio redimi, a spiritu sancto sanctificari, eoque regnum dei ad eos pertinere, eosque iam aeque cum adultis esse in faedere gratiae inter deum et nos, atque olim in iudaismo infantes erant / ergo nolite prohibere eos venire ad me etc hic habemus mandatum et minas Christi ex hisce considerandum nobis est quam amabiles et quantae curae sint deo paruuli, quibus sic patrocinatur Christus audiatur igitur Ratio quomodo talium est regnum caelorum /
23 pedobaptismatis B predobaptismatis A 25 aeque B aequae A
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Verdiensten Christi oder zum ewigen Bund der Gnade zugelassen sind, können und müssen auch dasselbe Sakrament des Eintritts in diesen Bund [die Taufe] annehmen. Zweitens. Die Verheißung der Gnade und des Reiches Christi erstreckt sich aber auch auf die Kinder. Folglich können und müssen auch die Kinder die Taufe empfangen. Niemand mit gesundem Verstand kann diesen Beweis ablehnen. Denen Gott die Sache des Sakraments gewährt, nämlich die Gnade und die durch Christus bewirkte Erlösung, die Vergebung der Sünden, die Gerechtigkeit und das durchs Taufsakrament bezeichnete Leben in Christus, wie er es ohne Zweifel [Mt 2, 16–18] den von Herodes getöteten Kindern gewährt hat, bei denen will er nicht, Apg 10, 47 dass ihnen das Sakrament einer so großen Sache, das Zeichen der Gerechtigkeit, weggenommen werde. (f) Beweis aus dem Alten Testament
Weiter, nun soll die Kindertaufe aus dem Alten Testament bewiesen werden. Gen 17, 10 Denn die Juden hatten die Beschneidung als Zeichen für den Gnadenbund zwischen Gott und Abraham. Dieses Bundeszeichen wurde auch acht Tage alten Knaben gegeben. So urteilt die gesamte Kirche Dtn 10, 16; 30, 6: Wie einst nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Knaben beschnitten wurden, so sind nun auch die Kinder zu taufen, weil es derselbe Gott und derselbe Gnadenbund ist. Die Zeichen sind zwar verschieden, die gesuchte Sache aber ist sicherlich immer dieselbe, nämlich die Gnade durch Christus, die Abtötung des Fleisches, die Rechtfertigung, die Vergebung der Sünden, die Beschneidung oder Reinigung des Herzens, wie es heißt Kol 2, 11: „Ihr seid beschnitten mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen geschieht, die ihr euren sündigen Leib abgelegt habt“. Hieraus ist leicht zu ersehen, dass die Taufe nunmehr unsere Beschneidung ist. (g) Kindersegnung
Ferner, aus dem Neuen Testament wird erwiesen, dass bei Gott die Kinder angenommen werden. Er sagt Mk 10, 14: „Lasset die Kinder zu mir kommen usw.“ Dieses überaus tröstliche Evangelium hat die Kirche bisher immer bei der Zeremonie der Kindertaufe verlesen, wo wir klar sehen, dass die Kinder von Gott dem Vater geliebt, vom Sohn erlöst, vom heiligen Geist geheiligt werden, und dass ihnen deshalb das Reich Gottes zu eigen ist und dass sie in gleicher Weise wie die Erwachsenen im Gnadenbund zwischen Gott und uns sind, wie es einst die Knaben bei den Juden waren. Deshalb Mk 10, 14: „Wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen usw.“ Hier haben wir das Gebot und die Warnungen Christi. Ihnen zufolge ist für uns zu beachten, wie sehr Gott die Kleinen liebt und für sie sorgt, deren auch Christus sich annimmt. Man höre aber auch den Grund:
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Ergo et ipsi sunt pars ecclesie, Christi participes / Sequuntur enim tria eximia et certissima signa fauoris diuini quod infantes a deo recipiantur in gratiam sanctificentur ac saluentur. 1. accipit in vlnas. 2. Jmponit manus. 3. benedicit id est remittit peccata, donat spiritum sanctum, et in faedus gratiae cooptat. Eant nunc Haerodiani Anabaptistae et arceant a baptismo infantes, hoc est quantum in ipsis est, enecent eos spiritualiter, et salutem eis intercipiant, quos Christus ad se vocat et tam amanter amplectitur / Nam itaque deus in circumcisione praecepit, promisit et minatus est vti sic quoque nunc minatur omnibus *Joan. 3** Nisi quis renatus fuerit etc Nunc pro meo ingeniolo habetis hisce scriptis, quid sit baptismus, quibus dandus, et quid efficiat / Gratias igitur agamus deo quotidie pro tam insigni dono baptismi, sine quo tot milia hominum in orbe terrarum moriuntur / et in aeternum pereunt etc [443] Claues ecclesiae tres sunt Potestas praedicandi Euangelium Christi / Remittendi peccata et retinendi, ac administrandi eius gratiae sacramenta, quam potestatem Christus ecclesie suae dedit *math 16** Dabo tibi claues regni caelorum, et quidquid solueris in terra, erit solutum et in caelis, et quidquid alligaueris in terra, erit alligatum in caelis Hic Christus petro promisit claues regni caelorum sed petrum aliorum os fuisse testatur Iheronymus quidquid in petro sic et in ceteris etc *Joan 20** Sicut misit me pater et ego mitto vos etc Et haec ecclesia vtitur his clauibus per ministros fideles, et idoneos, vt alios doceant Nam Paulus praecipit *1 cori 14** vt omnia decenter / et secundum ordinem in ecclesia fiant [130] Audio tamen in secta Anabaptistarum, caeteris praeponi indiscriminatius quemlibet e plebe, concionantur Agricolae, sarctores, sutores, textores, lany, aurigae et nulla anus est tam delira et excors, quae non ausit inter eos in publico loqui de misterys fidei etc
3 In A sind die drei nummerierten Sätze 1. … 2. … 3. … peccata, untereinander geschrieben. 349
Jacobus setzt die Verweigerung der Kindertaufe dem Mt 2,16–18 von König Herodes befohlenen Kindermord in Bethlehem gleich; vgl. oben (17 e). 350 Der folgende Absatz in Anlehnung an Confessio Augustana 28, BSLK 121, 15–18.
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dass ihnen das Himmelreich gehört. Also sind auch sie Teil der Kirche und haben Anteil an Christus. Es folgen nämlich drei herausragende und ganz sichere Zeichen der göttlichen Gunst, dass die Kinder aus Gnaden von Gott angenommen, geheiligt und gerettet sind. 1. Er nimmt sie in seine Arme. 2. Er legt ihnen die Hände auf. 3. Er segnet sie, d. h. er vergibt ihnen die Sünden, gibt ihnen den heiligen Geist und nimmt sie in den Gnadenbund auf. Sollen also die herodianischen349 Wiedertäufer ihres Weges gehen und den Kindern die Taufe verwehren! D. h. so weit es an ihnen liegt, mögen sie die Kinder geistlich töten und ihr Heil verhindern, während Christus sie doch zu sich ruft und sie so liebevoll umfasst! Denn deshalb gebot, verhieß und drohte Gott bei der Beschneidung, wie er ebenso auch jetzt allen droht Joh 3, 3: „Es sei denn, dass jemand wiedergeboren wird [so kann er das Reich Gottes nicht sehen].“ Nun findet Ihr hier auf diesen Blättern gemäß meinem geringen Verständnis dargestellt, was die Taufe sei, welchen sie zu spenden sei und was sie bewirkt. Deshalb danken wir Gott täglich für dieses so wunderbare Geschenk der Taufe, ohne das so viel Tausende Menschen auf dem Erdkreis sterben und ewig zugrunde gehen. (18) Schlüssel der Kirche (Interim 17) (a) Die drei Schlüssel der Kirche
Es350 gibt drei Schlüssel der Kirche: Die Macht, das Evangelium von Christus zu predigen; die Sünden zu vergeben und zu behalten; und die Sakramente seiner Gnade zu verwalten, welche Gewalt Christus seiner Kirche gab. (b) Erster Schlüssel: Geordnete Predigt des Evangeliums
Mt 16, 19: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein, und alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein.“ Hier verheißt Christus dem Petrus die Schlüssel des Himmelreichs. Aber dass Petrus nur der Mund anderer gewesen sei, bezeugt Hieronymus351: Was bei Petrus, das auch bei andern. Joh 20, 21: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich auch euch.“ Und diese Kirche wendet die Schlüssel an durch gläubige und geeignete Diener, dass sie die andern unterrichten. Denn Paulus gebietet 1.Kor 14, 40, dass alles „ehrbar und ordentlich zugehe“ in der Kirche. Indessen höre ich, dass in der Sekte der Wiedertäufer jeder aus dem Volk möglichst unterschiedslos den andern vorstehe. Es predigen Bauern, Schneider, Schuster, Weber, Fleischer, Fuhrleute, und keine Greisin ist so verwirrt und töricht, die es nicht wagte, bei ihnen öffentlich über die 351
Vgl. Hieronymus, In Evangelium Matthaei 3 zu Mt 16, 15 f., PL 26, 116 f.
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Ego autem pro meo iudicio audeo dicere quod Anabaptistae ab ecclesia Christi se separauerunt, veritatem derelinquerunt / quid igitur mirum si sine ordine viuant et agant omnia? Item ministri ecclesiae ita debent vti clauibus / Primo praedicando euangelium Secundo administrando sacramenta. Primo enim ligantur a ministris ecclesiae peccata et retinentur, qui non baptizantur Secundo omnes illos soluunt, et eis peccata remittunt, quos baptizant etc Cum autem etiam post baptisma susceptum, relabamur in peccata, rursum opus est remissione peccatorum, ibi ecclesia vt mater indulgentissima, non protinus abycit filios prodigos et lapsos, sed in gremium suum quotidie allicit, vt resipiscant, Hic ministri Euangely publicis concionibus quotidie praedicant, sub nomine Christi paenitentiam, et missionem peccatorum, omnibus qui ad cor redierint, quocumque tempore et quotiescumque a vys malis reuersi fuerint, Ligant impaenitentes absoluunt omnes in nomine Christi paenitentes, idque gratiatim, admonent publice omnes peccatores suscepti baptismi, qui est signum paenitentiae et remissionis peccatorum, Credentibus annuntiant certam remissionem peccatorum, per merita Christi *ro 4** qui propter peccata nostra mortuus est, et propter iustificationem nostri resurrexit Non credentibus denuntiant iram dei, et damnationem aeternam Quae omnia deus rata habet in caelis, Palam contumaces nonnumquam excommunicant, Qui audiunt euangelium de paenitentia nostra et gratia Christi, et peccata sua agnoscunt, mox accusant se apud deum quotidie dicentes *Psal 51** Jniquitatem meam ego cognosco et peccatum meum contra me est semper, etc *idem xxxy** Confitebor aduersum me iniustitiam meam domino et tu remisisti impietatem peccati mei etc summa esset quidem mihi de confessione et paenitentia opus magis scribere, sed cum plus oty (si petietur a me) nactus fuero plura de hisce scribam etc [444] De sacramento altaris Sacramentum altaris est verum corpus, et verus sanguis domini [131] nostri Jesu Christi sub pane et vino, sacramentum ab ipso Christo insti-
13 quotidie B quotidiae A 13 missionem A remissionem B 16 publice B publicae A
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Geheimnisse des Glaubens zu reden. Ich aber wage es, nach meinem eigenen Urteil zu sagen, dass die Wiedertäufer sich von der Kirche Christi getrennt und die Wahrheit verlassen haben – was Wunder also, wenn sie ohne Ordnung leben und alles treiben? Somit: Die Diener der Kirche müssen die Schlüssel folgendermaßen anwenden: erstens, durch die Predigt des Evangeliums, zweitens, durch das Verwalten der Sakramente. (c) Sakramentsverwaltung: Taufe und Buße (Zweiter und dritter Schlüssel)
[Zweiter Schlüssel:] Erstens werden von den Dienern der Kirche die Sünden gebunden und behalten bei denen, die nicht getauft werden. Zweitens lösen sie alle und vergeben denen die Sünden, die sie taufen. [Dritter Schlüssel:] Da wir aber auch nach empfangener Taufe wieder in die Sünden abgleiten, ist wiederum die Vergebung der Sünden nötig. Die Kirche als überaus duldsame Mutter verstößt dabei künftighin nicht ihre leichtsinnigen und gefallenen Kinder, sondern lockt sie täglich in ihren Schoß zurück, damit sie wieder zur Einsicht kommen. Hier predigen die Diener des Evangeliums im Namen Christi täglich die Buße und die Befreiung von den Sünden all denen, die herzlich in sich gehen, zu welcher Zeit auch und wie oft sie immer von ihren bösen Wegen umkehren. Sie binden die Unbußfertigen, sprechen los alle, die im Namen Christi Buße tun, und das unentgeltlich, erinnern öffentlich alle Sünder an die empfangene Taufe, die das Zeichen der Buße und der Sündenvergebung ist. Den Glaubenden kündigen sie die gewisse Sündenvergebung auf Grund der Verdienste Christi an Röm 4, 25, „welcher ist um unserer Sünden willen gestorben und um unserer Rechtfertigung willen auferstanden“. Den Nichtglaubenden drohen sie den Zorn Gottes und die ewige Verdammnis an, was Gott im Himmel alles bestätigt. Hin und wieder schließen sie die Hartnäckigen vom öffentlichen Gottesdienst aus. Diejenigen aber, die das Evangelium von unserer Buße und der Gnade Christi hören und ihre Sünden eingestehen, die klagen sich sogleich vor Gott an, indem sie täglich sprechen Ps 51, 5: „Ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir“. Ebenso Ps 32, 5: „Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen. Da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde“. Zusammengefasst: Über Beichte und Buße müsste ich eigentlich noch viel mehr sagen; aber wenn ich mehr Zeit dafür finde, will ich (wenn es von mir gefordert wird) noch mehreres darüber schreiben. (19) Abendmahl (Interim 18) (a) Wahrer Leib und wahres Blut Christi
Vom Altarsakrament. – Das Altarsakrament ist der wahre Leib und das wahre Blut unseres Herrn Jesu Christi unter Brot und Wein, als Sakra-
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tutum, vt Christiani id manducent et bibant in Christi memoriam, mortem eius annuntiantes donec venit Estque in vltima caena institutum, quod pro nobis moriturus, Agnum pascalem cum discipulis antea comedit, Haec autem sunt verba Christi Dominus Jesus Christus in ea nocte etc Quid igitur ex hoc sacramento nobis sperandum est? Vita Christiana in vera fide in Christum, et charitate dei et proximi firmissime speranda est Jgitur ad hanc caelestem mensam properandum, que ob id praeparata est vt ad vitam Christo dignam reficiamur, et pascamur in vitam aeternam Cum enim ad mensam domini acceditur / Christus ipse per os ministri communicantibus loquitur /, aeque ac olim discipulis, et ipse enim nobis per manum ministri porrigit suum corpus et suum sanguinem / non enim sunt humanae virtutis opera proposita, *Jheroni:** Qui tunc ipsa fecit in ea caena, idem ea nunc quoque facit, Nos ministrorum tenemus locum, qui vero sanctificat ea et inuitat, ipse est Non datur enim nobis panis tantum, et vinum, sed verum illud corpus Christi, quo olim fuit sacrificium pro peccatis nostris, Et verus ille sanguis Christi, quo peccata nostra abluuntur / *Johan apoca. 1** Tantus tezaurus nobis hoc sacramento datur, in quo et per quem accipimus remissionem peccatorum omnium, Quis satis digne aestimabit magnitudinem huius gratiae, quod verum Christi corpus, verusque sanguis, vere adsunt, et nobis dentur per verbum et sacramentum, vt nostra sint sicut donum et thesaurus, idque in sempiternum Mereatur etiam aliquis hoc opere remissionem peccatorum, cum Eucharistiam de manu sacerdotis accipiat? Attendendum est nobis ne erronea obrepat cogitatio, Nonne sepius auditum est, hominem non mereri remissionem peccatorum aut iustificari vllo suo opere, nam Christus solus meruit nobis remissionem peccatorum, sed hunc ordinem observandum esse / *1.** Primo / Christus in cruce sua morte meruit nobis *acto 10 1.** remissionem peccatorum.
352 Verkürzte Form nach der lateinischen Fassung des Kleinen Katechismus BSLK 520, 7.
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ment von Christus selbst eingesetzt, damit die Christen es essen und trinken [1Kor 11, 25 f.] zum Gedächtnis Christi, indem sie „seinen Tod verkündigen, bis dass er wiederkommen wird“. Und es ist beim letzten Mahl bestimmt, dass er für uns sterben wird. Zuvor aß er mit seinen Jüngern das Osterlamm. Dies aber sind die Worte Christi [1Kor 11, 23–25]: „Der352 Herr Jesus Christus in der Nacht usw.“ (b) Stärkung für das christliche Leben in Zeit und Ewigkeit
Was ist von diesem Sakrament für uns zu erhoffen? Es ist mit Gewissheit zu erhoffen: ein christliches Leben in wahrem Glauben an Christus, in Liebe zu Gott und zum Nächsten. Daher muss man zu diesem himmlischen Tisch eilen, der deswegen gedeckt ist, damit wir für ein Leben gestärkt werden, das Christi würdig ist, und Speise zum ewigen Leben zu uns nehmen. (c) Christus als Gastgeber
Wenn man zum Tisch des Herrn hinzutritt, dann spricht Christus selbst durch den Mund des Dieners zu den Kommunizierenden gleich wie einst zu seinen Jüngern, und er selbst reicht uns durch die Hand seines Dieners seinen Leib und sein Blut dar. Es werden uns nämlich hier keine Handlungen vorgesetzt, die aus menschlicher Kraft geschehen. Hieronymus. Wer dies damals bei diesem Mahl ausgeführt hat, derselbe führt es auch jetzt aus. Wir nehmen nur den Platz der Diener ein. Wer aber das Mahl heiligt und dazu einlädt, ist er selbst. Es wird uns nämlich nicht nur Brot und Wein gegeben, sondern jener wahre Leib Christi, durch den einst das Opfer für unsere Sünden dargebracht wurde, Apk 1, 5 und das wahre Blut Christi, mit dem unsere Sünden abgewaschen wurden. Ein so großer Schatz ist uns mit diesem Sakrament gegeben, in welchem und durch welches wir die Vergebung aller Sünden empfangen. Wer vermag die Größe dieser Gnade recht zu würdigen, dass der wahre Leib Christi und das wahre Blut Christi wahrhaftig anwesend sind und uns durch das Wort und das Sakrament gegeben werden, dass sie uns gehören wie ein Geschenk und ein Schatz, und dies für immer. (d) Eucharistie kein gutes Werk, sondern Geschenk der Vergebung
Verdient jemand durch dieses Werk die Vergebung der Sünden, indem er die Eucharistie aus der Hand des Priester entgegennimmt? Wir müssen darauf achten, dass sich kein irriger Gedanke einschleicht. Nicht oft genug kann gehört werden, dass kein Mensch die Vergebung der Sünden verdienen oder gerechtfertigt werden kann durch irgend ein von ihm vollbrachtes Werk – denn Christus allein hat uns die Sündenvergebung verdient – , sondern dass diese Reihenfolge dabei zu beachten ist: Erstens, Apg 10, 48 Christus verdiente uns die „Vergebung der Sünden“ durch seinen Tod am Kreuz.
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*2.** Secundo / Hanc remissionem nobis offert, dispertiturque verbo et sacramentis *3** Tertio, nos illam accipimus per fidem in Christum Jesum *4** Quarto / Hanc fidem sacramentum eucharistie excitat in cordibus nostris quando audimus consolantissimam promissionem, quod Christus suum corpus pro nobis victimam dedit, et sanguinem effudit in remissionem peccatorum, vt iustificati sanguine eius tam pretioso viuamus in aeternum cum deo, et nobis tam indignis haec tam chara pignora donat etc Cum enim haec audimus, Primo mouemur ad considerationem peccatorum [132] propter quae tam pretiosum sanguinem effundi oportuit, Hic videntes [445] iram et iudicium dei, nisi saxi sumus terremur et ad paenitentiam prouocamur Secundo excitamur ad considerandam hanc inaestimabilem dei bonitatem, qui proprio filio non pepercit, sed pro nobis cum inimici essemus in mortem tradidit, Nonne ineffabilis charitas est, mori pro impys pro peccatoribus pro inimicis? Et mori tantam personam quae deus et homo est? Haec tanta dei charitas est erga nos in morte fily manifesta, verbo et sacramento nobis proposita, merito excitat in nobis fidem in Christum, tam fidelem redemptorem, qua fide certo accipimus, quocquod hoc venerabile sacramentum significat, et verbum promittit et offert, hoc est remissionem peccatorum et vitam ipsam, et accenditur in nobis amor / dei et proximi, cui seruire promptiores efficimur, sicut videmus *philip. 2** Christum in forma serui nobis seruysse obediendo patri vsque etc Non igitur nostrum opus quod accedimus ad altare, et manducamus, tantas res meremur /, Sed videmus sacramentum nostrae redemptionis, et audimus verbum dei ex auditu fides venit Verbo enim et sacramento ad credendum excitamur / hac fide consequimur remissionem peccatorum in Eucharistia Quando ac quoties accedendum est ad dominicam mensam? Nulli dies stati nobis praescribuntur, vt olim ad aesum Paschalis Agni Judeis praescriptus erat dies 14 mensis primi / Cibus enim salutis est, qui igitur sitit et esurit iusticiam cui mors domini pretiosa est, sepe accipiet sacramentum, vt sepe refricet memoriam tantarum rerum, nempe mortis et resurrectionis
5 consolantissimam B consolatissimam A
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Zweitens, diese Vergebung bietet er uns an und teilt sie aus durch das Wort und die Sakramente. Drittens, wir empfangen sie durch den Glauben an Christus Jesus. Viertens, diesen Glauben ruft das Sakrament der Eucharistie in unseren Herzen hervor, wenn wir die allertröstlichste Verheißung hören, dass Christus seinen Leib für uns zum Opfer brachte, und dass er sein Blut vergoss für die Vergebung der Sünden, damit wir gerechtfertigt durch sein so kostbares Blut in Ewigkeit mit Gott leben, und dass er uns, obwohl wir so unwürdig sind, diese kostbaren Pfänder schenkt. Wenn wir dies hören, werden wir erstens zur Betrachtung unserer Sünden bewegt, derentwegen es nötig war, dass ein so kostbares Blut vergossen wurde. Indem wir hierbei den Zorn und das Gericht Gottes sehen, werden wir, wenn wir nicht aus Stein sind, in Furcht versetzt und zur Buße gerufen. Zweitens werden wir zur Betrachtung dieser unschätzbaren Güte Gottes gebracht, [Röm 8, 32] „der seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns in den Tod gab“ [Röm 5, 10] „als wir noch Feinde waren“. Ist das nicht eine unaussprechliche Liebe: zu sterben für Gottlose, für Sünder, für Feinde? Und zu sterben als eine solche hohe Person, die Gott und Mensch ist? Diese große Liebe zu uns ist im Tode des Sohnes offenkundig, durch Wort und Sakrament uns angeboten. Mit Recht lockt es in uns den Glauben an Christus hervor, den treuen Erlöser. Durch diesen Glauben empfangen wir gewiss, was das hochwürdige Sakrament bedeutet und was das Wort verheißt und anbietet, nämlich Vergebung der Sünden und das Leben selbst. Und in uns wird die Liebe zu Gott und zum Nächsten angezündet, dem zu dienen wir bereitwilliger gemacht werden, so wie wir sehen, Phil 2, 7 f. dass Christus uns in „Knechtsgestalt“ gedient hat und dem Vater „gehorsam ward bis [zum Tode]“. Es ist also nicht unser Werk, dass wir an den Altar treten und essen und große Verdienste erwerben, sondern wir sehen das Sakrament unserer Erlösung und hören das Wort Gottes: [Röm 10, 17] „Aus dem Hören kommt der Glaube.“ Durch das Wort und das Sakrament werden wir zum Glauben aufgerufen. Durch diesen Glauben erlangen wir die Sündenvergebung in der Eucharistie. (e) Häufigkeit des Abendmahls
Wann und wie oft soll man zum Tisch des Herrn gehen? Es sind uns keine festen Tage vorgeschrieben wie einst den Juden der 14. Tag des ersten Monats zum Essen des Passalamms vorgeschrieben war. Es ist nämlich eine seligmachende Speise. Wer daher dürstet und hungert nach der Gerechtigkeit, und wem der Tod des Herrn kostbar ist, der wird das Sakra-
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Christi, vt sepe excitet et pascat et confirmet fidem nostram, remissionem peccatorum accipiat, et Deo pro summa charitate ex animo gratias agat, Et ad saepe communicandum haec tria nos debent commouere vnde *1** 1. Preceptum domini, Hoc facite / Si Christiani sumus aut esse volumus certe hoc faciendum quod iubet nos facere dominus et magister noster Christus opus est *2.** Secundo, promissio tam magnifica Hoc est corpus meum quod pro vobis datur Hic est sanguis meus, qui pro vobis effunditur, in remissionem peccatorum Hic promittit nobis Christus *Joan 6** caelestem hanc medicinam, quae vitam dat mundo Tertio propria indigentia, Nihil aeque necessarium est nobis atque hoc, quod in sacramento nobis offertur Item Peccatores sumus, offertur nobis iusticia, Mortales sumus offertur nobis immortalitas, Damnabiles sumus offertur aeterna salus, imbecilles sumus et inferiores hostibus nostris carne mundo et diabolo et contra eos offertur nobis victo[133]ria certissima / Vbi peccatum remittitur ibi est Christus cum bonis suis omnibus, fides nostra nimium infirma est, sed in hoc sacramento roboratur, succenditur charitas, stabilitur spes / Nunc autem dicendum est quibus datur sacramentum hoc? scilicet probatis vnde Paulus *1 cho: 11** Probet autem semetipsum homo et sic de pane etc Item Si hoc quod in illo tremendo mysterio dicitur et agitur, quantum licet intelligimus, et synceriter credimus, Christi corpus pro nobis datum, sanguinem Christi pro nobis effusum recte probati sumus, et tuto accedimus, Ex verbis Christi duo intelligimus Primo nos peccatores esse, qui sine morte Christi in aeternum fuissemus damnati Deinde nostra peccata, morte Christi expiata, et sanguine eius abolita esse Agnoscamus itaque nostra peccata, et gratiam dei in Christo, [446] Recte itaque vtimur venerabilissimo hoc sacramento, cum credimus quod Christus dicit, et facimus quod iubet Ob id non admitto ego iacobus quemquam nisi exploratos per confessionem nec tantum interrogo quidnam de eucharistia sentiant, sed etiam an doleant se peccasse, et quomodo credant, se peccatorum remissionem posse consequi etc
18 datur A detur B 22 effusum A effusum esse B 26 Recte itaque vtimur A; am Ende von S. 445 lautet bei A der Kustos: Recte itaque vsuri etc
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ment oft nehmen, damit er das Gedächtnis dieser großen Taten, nämlich des Todes und der Auferstehung Christi, oft erneuert, damit er oft unsern Glauben in sich hervorrufe, ernähre und stärke, Vergebung der Sünde empfange und Gott für diese übergroße Liebe von Herzen danke. Und zum häufigen Kommunizieren müssen uns folgende drei Gründe bewegen. Nämlich: Erstens, das Gebot des Herrn [Luk 22,39; 1. Kor 11, 24 f.:] „Das tut [zu meinem Gedächtnis]“. Wenn wir Christen sind oder sein wollen, ist es gewiss notwendig, das zu tun, was uns unser Herr und Meister Christus zu tun gebietet. Zweitens, die wunderbare Verheißung [1Kor 11,24; Mt 26, 28]: „Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden“. Hier verheißt uns Christus Joh 6, 33 diese himmlische Medizin, welche der Welt das Leben gibt. Drittens, der eigene Mangel: Nichts ist uns in gleicher Weise nötig wie das, was uns im Sakrament angeboten wird. Ebenso sind wir Sünder, aber uns wird die Gerechtigkeit angeboten. Wir sind sterblich, uns wird die Unsterblichkeit angeboten. Wir sind verdammenswert, uns wird das ewige Heil angeboten. Wir sind schwach und unseren Feinden – dem Fleisch, der Welt und dem Teufel – unterlegen, aber gegen sie wird uns angeboten der allergewisseste Sieg. Wo die Sünde vergeben wird, dort ist Christus mit allen seinen Gütern. Unser Glaube ist gar zu schwach, er wird aber in diesem Sakrament gestärkt, die Liebe angezündet, die Hoffnung befestigt. (f) Würdigkeit und Unwürdigkeit beim Abendmahl
Nun ist noch zu sagen, wem dieses Sakrament zu spenden ist, nämlich den für würdig Befundenen. Deshalb sagt Paulus 1. Kor 11, 28: „Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot usw.“ Ebenso, wenn wir das, was in diesem ungeheuren Geheimnis gesagt und getan wird, so weit wie möglich verstehen und aufrichtig glauben, dass Christi Leib für uns gegeben und das Blut Christi für uns vergossen sei, dann sind wir auf rechte Weise geprüft und treten sicher hinzu. Aus den Worten Christi entnehmen wir zwei Dinge: Zuerst dass wir Sünder sind, die ohne den Tod Christi auf ewig verdammt wären. Sodann, dass unsere Sünden durch den Tod Christi gesühnt und durch sein Blut abgetan sind. Wir anerkennen deswegen unsere Sünden und die Gnade Gottes in Christus. Wir gebrauchen daher dieses hochwürdigste Sakrament mit Recht, indem wir glauben, was Christus sagt, und tun, was er gebietet. Deswegen lasse ich, Jacobus, niemanden zu [zum Abendmahl], wenn sie nicht in der Beichte befragt sind. Und ich frage nicht nur, was sie über die Eucharistie denken, sondern auch, ob sie bereuten, gesündigt zu haben, und auf welche Weise sie glaubten, Vergebung der Sünden erlangen zu können.
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Indigni arcendi sunt a mensa domini, videlicet temerary carnales, etiam illi qui de admissis peccatis nihil dolent nec gratiam dei morantur Cur enim margaritas proyceremus ante porcos, Jlli igitur, quos nec praeceptum domini mouet, nec vllae minae terrent, nec vlle dei promissiones exhilarant / si accesserint ad Eucharistiam, indignissimae edunt et bibunt iuxta Pauli dictum vti Judas accepit etc de qua caena custodiat nos pater filius et spiritus sanctus Amen amen. datum oldorpiae Anno 1548 Pastor oldorpius etc
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10. Cornelius Falconissa (Westrum) [353] Cornelius tho westrum [354] Jhesus chrystus vnse hope /1/ /Thimo/ /1/ [134] De belydynge edder confessionn des Seers dorch gades gnade tho Vestrum [355] O gy Edelenn herenn so bydde yck yw vth mynes hertenn grundt wylt nycht ansenn myn vorworpenn vnde rynge personn edder myn vngelertheyt vnde myn sympel schryuent dat dar nycht gesettet ys na klockheyt des flesches edder werlts wyse noch myt hogenn worden edder hoger wysheyt yw tho schryuende de erkenteniß des rechtenn gades denst: des dopes der kynderen vnde des hochwirdygenn nachtmals yhesu christi wente yck holde my dar nycht vor dat yck wat weth manck yw ane allene Jhesum christum den gecrutzygeden myt paulo /1 / Cori /2 / Vnde yck bydde dat gy o edelenn herenn wolden rychtenn eyn recht gerychte vnde nycht na de¯ anseende Io 7 vnde gy leuen herenn gelouet nycht eyne¯ ydtlyken geste sunder prouet de geistenn eff se van gade synt. Wente dar synt vele valsche prophetenn vthgegan yn de werlt /1/ /Jo/ /4/ [356] Der Edele vnde wolgebarnen Froukenn Maria Dochter tho yeuer sampt er beuelhebbers der prynce herremmer seddyck vnde Fulff tho myddoch droste / gnade sy myt yw vnde frede van godt vnsen vader vnde 1 3 12 16
Indigni … temerary … illi B Jndignos … temerarios … illos A proyceremus B proyceremur A A und B erhalten Vestrum A Westrum B
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Unwürdige sind vom Tisch des Herrn fernzuhalten, nämlich Leichtsinnige, Fleischliche, auch solche, die ihre eingestandenen Sünden nicht bereuen und sich nichts weiter aus der Gnade Gottes machen. [Mt 7, 6:] Warum sollen wir „Perlen vor die Säue werfen“? Jene aber, die weder ein Gebot Gottes bewegt, noch irgend welche Drohungen abschrecken, noch irgend welche Verheißungen Gottes aufrichten, wenn sie zur Eucharistie hinzutreten: jene essen und trinken nach dem Wort des Paulus [1Kor 11, 27] „unwürdig“ wie Judas [Joh 13, 27], als er [den Bissen] nahm. Vor einem solchen Mahl bewahre uns der Vater, der Sohn und der heilige Geist! Amen, amen. Gegeben zu Oldorf im Jahre 1548. Der Pastor zu Oldorf
10. Cornelius Falconissa (Westrum) Cornelius zu Westrum 1Tim 1, 3 „Jesus Christus, unsere Hoffnung“ Das Bekenntnis oder die Konfession des Sehers durch Gottes Gnade zu Westrum (1) Vorangeschickte Bescheidenheitsformel
O Ihr edlen Herren, so bitte ich Euch aus meines Herzens Grund: Wollet nicht ansehen meine verachtete und geringe Person oder meine Ungelehrtheit und meine einfache Schreibart, die nicht eingerichtet ist nach der Klugheit des Fleisches oder der Weise der Welt, noch mit gewählten Worten oder mit hoher Weisheit, um Euch die Erkenntnis des rechten Gottesdienstes niederzuschreiben: der Kindertaufe und des hochwürdigen Nachtmahls Jesu Christi. Denn ich betrachte mich nicht als einen, der unter Euch etwas weiß – mit Paulus 1Kor 2, 2 gesprochen – „außer allein Jesus Christus den Gekreuzigten“. Und ich bitte, dass Ihr, o edle Herren, Joh 7, 24 „gerecht richten wollt und nicht nach dem, was vor Augen ist“. Und Ihr, liebe Herren, 1Joh 4, 1 „glaubet nicht einem jeden Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt“. (2) Widmungsbrief an Fräulein Maria und ihre Beamten (a) Anrede und Segen
Der edlen und wohlgeborenen Fräulein Maria, Tochter zu Jever, samt ihren Regierungsbeamten, dem Prinzen Herrn Remmer von Seediek und dem Drosten Fulf von Middoge. [Röm 1, 7:] „Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ [Tit 1, 4:] „unserem Heiland“.
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denn here Jhesu chrysto vnses heylandes. Gelauet sy godt vnde de vader vnses herenn Jhesu chrysti de vns gesegent hefft myt allerleye geestelykenn segenn ynn denn hemelsche guderenn dorch Jhesum chrystum alse he vns denn erwelet hefft dorch denn suluen eer der werlt grundt gelecht was dat wy scholden synn hyllych vnnde vnstrafelyck vor em yn der leue vnde hefft vns geordent thor kyntschop tho syck suluest dorch Jhesum chrystum na de¯ wolgefalle synes wyllenn tho laue syner herlykenn gnade [357] dorch welckere he vns hefft angeneme gemaket ynn dem geleueden / Ephe / 1 / Vnde noch eynmal gelauet sy godt vnse vader dorch Jhesum chrystum de dar ys vnse apostel / Ebre / 2 / vnde [135] byschop vnserenn seelenn / 1 / Pe / 2 / dat yck hore dat eer gnade sampt eer beuelhebbers angefangen hebbenn dat bose tho vordelgen behynderen vnde tho belettenn warumme yck derhaluenn (als byllyck ys) Godt denn vader laue pryse dancke vnde bydde dat he dat werck wullenbrynge dat he ynn yw angeuangenn hefft vnde dat godt vnses heylandes dar tho geuenn wyl er gnade denn yuer Josee des konyngs yudae (o prynce wyst vnde leest er gnade dat twe vnde twyntygeste capyttel ynt veerde bock der konyngen vnde dat ver vnde dertygeste capittel des andrenn bokes der cronykenn) welckere [358] Naem ys gelyck (als Jhesus Syrach / 49 / beschreuenn hefft) als eyn Edele rockwerck vth der appoteke he ys sote gelyck als honnych ym munde vnde als eyn seydenspyl by denn wyne he hadde grote gnade tho bekerende dat volck vnde de gruwele der affgoderye aff tho doende he wagede ydt myth gantzen hertenn vp denn herenn he rychtede denn rechtenn gades denst wedderann do dat landt wul affgoderye was vnde alle konynge vthgenamen dauyd / Esechyas / vnde iosias / hebbenn syck vorschuldet wente se vorletenn dat gesette des alderhogestenn welck yck wunsche (als godt weth) vth gantze¯ grundt mynes hertenn vnde buge myne knyenn dat de vader wolde daleseenn solckenn eyn van dreenn tho vorweckenn myt sulckenn yuer all vththoradende dat tyegen gades gebodt *Nota bene** vnde ane gades [359] beuell vpgerychtet ys o vader allweldyge godt gunne vns dat ynn vnsenn tyden vnde dat eer gnade de mochte synn de godt so werdych wolde makenn vnde daruor anseenn als he angeseen (Luce / 1 /) hefft maryen dat se vth gesychte des alderhogestenn werdych ys worden de moder gades tho synn vp dat se myt maria mochte spreken he hefft angeseenn mynn nedderheyt darumme hefft he grote dynge mych gedann vnde dyth gunne yck nemant leuer dann eer gnade vnder welcke yck nu leeue als vnder myn beschutheer der framen vnde als eyn wrekerynne der bosenn
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Eph 1, 3–6: „Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen in den himmlischen Gütern durch Jesus Christus, wie er uns denn durch diesen erwählt hat, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe. Und er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens zum Lobe seiner herrlichen Gnade, durch die er uns angenehm gemacht hat in dem Geliebten“. Und noch einmal: Gelobt sei Gott, unser Vater, durch Jesus Christus, der da ist Hebr 3, 1 „unser Apostel“ und 1Petr 2, 25 „Bischof unserer Seelen“, dass ich höre, dass Ihre Gnaden mit Ihren Regierungsbeamten angefangen haben, das Böse zu vertilgen, zu verhindern und aufzuhalten. (b) Fräulein Maria hat wie König Josia begonnen, den Gottesdienst zu reinigen
Deshalb lobe, preise, danke und bitte ich, wie es recht ist, Gott den Vater, dass er [Phil 1, 6] das Werk vollende, das er in Euch angefangen hat, und dass der Gott unseres Heilandes Ihrer Gnade dazu den Eifer Josias, des Königs von Juda, geben wolle (o Prinz, zeigt und lest Ihrer Gnaden vor das 22.353 Kapitel im 2. Buch der Könige und das 34.354 Kapitel im 2. Buch der Chronik), dessen Name (wie Jesus Sirach es Kapitel 49, 1–6 beschrieben hat) „gleich ist wie ein edles Räucherwerk aus der Apotheke; er ist süß wie Honig im Munde und wie ein Saitenspiel beim Wein; er empfing die große Gnade, das Volk zu bekehren und die Gräuel der Abgötterei zu beseitigen; er wagte es, indem er mit ganzem Herzen auf den Herrn vertraute, und stellte den rechten Gottesdienst wieder her, als das Land voller Abgötterei war; und alle Könige, ausgenommen David, Hiskia und Josia, sind schuldig geworden, denn sie verließen das Gesetz des Allerhöchsten.“ Dies wünsche ich (wie Gott weiß) aus dem ganzen Grund meines Herzens und beuge meine Knie, dass der Vater wolle herabsehen, um einen solchen von den dreien zu erwecken, der mit solchem Eifer alles ausrotten soll, was gegen Gottes Gebot und – wohlgemerkt! – ohne Gottes Gebot eingerichtet ist. (c) Gebet für Fräulein Maria, dass sie es vollenden möge.
O Vater, allmächtiger Gott, vergönne uns das in unseren Zeiten, und dass Ihre Gnaden diejenige sein möchte, die Gott so würdig machen und dafür ansehen wollte, wie er Lk 1, 48 f. angesehen hat Maria, so dass sie aus diesem Ansehen des Allerhöchsten würdig wurde, die Mutter Gottes zu sein, damit sie [Ihre Gnaden] mit Maria sprechen kann: „Er hat meine Niedrigkeit angesehen“; „denn er hat große Dinge an mir getan.“ Und das gönne ich niemandem lieber denn Ihrer Gnaden, unter der ich nun 353 354
2Kön 22 f. 2Chr 34 f.
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als eyn denerynne gades wente se drecht dat swerdt nycht vorgeues / tho ro/ /13/ O vader o vader de du byst im hemmelen vnde schypper hemmels vnde der erden gyff mych vnde gunne dat yck dyth mochte horen vnde seen [360] vp dat yck mochte seggenn myt denn olden simeonn / luce / 2 / O here lath dyne knecht ynn frede varen als du gesecht heffst wente myn ogen hebbenn dynes heylandes werckenn geseenn yn dyne denerynne vnde noch vnde noch [136] begere van godt den vader de dar ys truwe (/ 1 / Co / 10 / vnde / 1 / Timo / 2 /) dat he beuestyget beth ann denn ende dat he yn yw angefangen hefft dat ys vp denn dach vnses herenn Jhesu chrysty vp dat eer gnade vnde eer beuelhebbers nycht wedderuaret de sproke chrysty / luce / am / 14 / wol ys dar manck yw de eyne torne buwenn wyl vnde syth nycht thouoren vnde auersleyt de kost efft he ydt hebbe vth thouorende vp dat wenn he de grundt gelecht hefft vnde kanst nycht vthuoren alle de ydt seen nycht anheuen en tho bespottende vnde seggen [361] dysse mynsche hoff an tho bouwende vnde kanst nycht vthuoren dar behode vns godt vor vnde darumme wyl yck myth alle myn vlyth vnde vth hertzenn grundt anteken wat den rechtenn gades denst ys gelyck als den konyng Josie angetekent was vth dat bock des gesettes dat hilkya de hoge prester geuunden hadde yn de arke gades vnde sande dat dem konyng / 4 / reg / 22 / so wyl yck ock als eyn dener des herenn ywer gnade vnde yw beuelhebbers senden vnde anteken vth de arke gades dat ys vth dat nye testament welck dat dar ys de rechte gades denst wente als dat testament vorandert ys se yst ock van noden dat den tempel de arke de offerande / dat presterdom / [362] de klederen / de ceremonien / de gades denst / tho veranderen als paulus tho / hebre / 7 / betuget wente dar dat presterdom vorandert wert dar moth ock dat gesette vorandert werdenn Van den rechten gades denst Thom Ersten so lert vns den hilligen geyst dorch paulum / ro / 12 / Jck vormane jw leuenn broderen dorch de barmhertycheyt gades dat gy yw lyue begeuenn thom offeren dat dar leuendych / hyllich / vnde gade wolgefellych sy welckere sy yuwe vornufftyge gades denst vnde stellet yw nycht gelyck dysse werlt dyth ys den gades denst an vns suluest tyegen godt
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(2 c.d. 3 a)
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lebe als unter meiner Beschützerin der Frommen und Röm 13, 4 als einer Rächerin der Bösen, als einer Dienerin Gottes. „Denn sie trägt das Schwert nicht umsonst“. O Vater, o Vater, der du bist im Himmel und Schöpfer Himmels und der Erden, gib und vergönne mir, dass ich das hören und sehen kann, damit ich mit dem alten Simeon sagen kann Lk 2, 29 f.: „O Herr, lass deinen Diener im Frieden fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben deines Heilands Werke gesehen“ in deiner Dienerin. (d) Der rechte Gottesdienst nach dem geänderten Testament
Und noch und noch begehre ich von Gott dem Vater, [1Kor 10, 13; 2Tim 2, 13:] der da treu ist, [Phil 1, 16:] dass er befestige, was er in Euch angefangen hat, bis zum Ende, d. h. bis auf den Tag unseres Herrn Jesu Christi, damit Ihrer Gnade und Ihren Regierungsbeamten nicht widerfahre das Urteil Christi Lk 14, 28–30: „Wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, es auszuführen? Damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und kann’s nicht ausführen, alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten, und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und kann’s nicht ausführen.“ Davor behüte uns Gott! Und darum will ich mit all meinem Fleiß und aus Grund meines Herzens aufzeigen, was der rechte Gottesdienst ist. Wie dem König Josia 2Kön 22, 8.10 aufgezeigt wurde aus dem Buch des Gesetzes, das der Hohepriester Hilkia in der Bundeslade Gottes gefunden hatte und es dem König sandte, so will ich auch als ein Diener des Herrn Euer Gnaden und Euch Regierungsbeamten zusenden und aufzeigen aus der Bundeslade Gottes, nämlich aus dem Neuen Testament, worin da der rechte Gottesdienst besteht. Denn wie das Testament verändert ist, so ist es auch nötig, den Tempel, die Bundeslade, das Opfer, das Priestertum, die Gewänder, die Zeremonien und den Gottesdienst zu verändern, wie Paulus es im Brief an die Hebräer 7, 12 bezeugt: „Denn wenn das Priestertum verändert wird, dann muss auch das Gesetz verändert werden.“ (3) Der rechte Gottesdienst (a) Dreifacher Gottesdienst: am eigenen Leib, am Nächsten, durch das Lobopfer
Vom rechten Gottesdienst. – Zum ersten, so lehrt uns der heilige Geist durch Paulus Röm 12, 1 f.: „Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellet euch nicht dieser Welt gleich.“ Dies ist der Gottesdienst an uns selbst gegen Gott.
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Den anderen rechte gades denst tyegen vnsen negestenn ys desse / Jaco / 1 / Eyn [363] reyn vnde vnbeflecket gades denst vor god den vader ys de: de weysen vnde wedewen yn ere bedrouenysse besoken vnde syck van der werlt vnbeflecket bewaren Thom drudden / hebre / 13 / so latet vns nu offerenn dorch en (O Edelen herenn hebt hyr acht vp vnde anmercket wol dat de geyst secht dorch en vnde nicht en) dat laue offer gade alletydt (O gy [137] Edelen heren anmerket dat de geyst secht alletydt warmede he vormanet vnde beteket eyn ewych laueoffer nen tydlyck edder stundych edder smorgens edder suauens laueoffer als ym gesette edder als alle klokelynge doenn) dat ys de frucht der lyppen de synenn name bekennen Wol tho doende vnde mede tho delende vorgetet nycht wente sulcke offere behagen godt wol O horet gy leeuen heren [364] den rechten gades denst vnde lath yw nycht voruoren eyn ander gades denst vp tho rychtende all wert dat wy edder eyn engel van den hemmel yw worde edder wolde eyn ander gades denst predygen vnde lerenn vp tho rychtende dan dat gy nu gehort hebbet de sy vorfloket vorbannet vnde vorwatert / gala / 1 / noch o gy leue herenn wyl yck myt yw vp mynslyker wyse reden als paulus myt de van galateren gala / 3 / vorachtet men doch eynes menschen testament nycht went bestedyget ys vnde deyt dar ock nychtes tho van eyn de dar lycht yn der erden yn staue vnde rot vnde byauenturen mach ock vordomet syn wol schal nu szo stolt vnde vnbeschampt syn tho vorachtende [365] edder tho donde tho dat testament van de¯ daruan geschreuen steyt / Psal / 17 / wente du werst myne seele nycht yn der helle lathen vnde nycht tholaten dat dyn hyllige vorrotte vnde nu sidt tho rechtrenn handt gades (vnde bydt vor vns / ro / 8 /) synes vaders myt syn dodt beuestiget vnde myt syn rode warme blodt gereynyget hefft O gy edelen heren set tho wat gy doenn Desse gades denst hefft vthgeslot den gades denst de doch van godt was vnde beualen van godt dorch mosen synen knecht / Ioha / 1 / dat gesette ys dorch mosen gegeuen De gnade vnde warheyt ys dorch Jhesum Chrystum geworden nemant hefft godt geseen yewerle De eyngebaren szone de [366] yn des vaders schot ys de hefft ydt vns vorkundyget nomlyck den rechten gades denst wo schal dan nycht vthsloten den denst van mynschen geuunden Edder konnen de mynschen vnde de klokelyngen wat beters offte wat wolgeuellyger gade
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alletydt) A altydt B wert A wer idt B rechtrenn A rechteren B vns ( A B
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Der andere Gottesdienst gegen unseren Nächsten ist dieser Jak 1, 27: „Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott dem Vater, ist der: die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal besuchen und sich selbst von der Welt unbefleckt halten.“ Zum dritten Hebr 13, 15 f.: „So lasst uns nun opfern durch ihn“ (O edle Herren, habt hierauf acht und vermerkt gut, dass der Geist sagt „durch ihn“ und nicht „ihn“355) „das Lobopfer für Gott allezeit“ (O Ihr edle Herren, vermerket, dass der Geist sagt „allezeit“, womit er anmahnt und bezeichnet ein ewiges Lobopfer, kein zeitliches oder stündliches oder ein morgens oder abends dargebrachtes Lobopfer wie im Gesetz oder wie es die Klüglinge üben) „das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Gutes zu tun und mitzuteilen vergesset nicht; denn solche Opfer gefallen Gott wohl.“ (b) Dieser Gottesdienst ist Christi Testament
O höret, Ihr lieben Herren, den rechten Gottesdienst und lasst Euch nicht verführen, einen andern Gottesdienst einzurichten, wie es wäre, Gal 1,8 dass wir oder „ein Engel vom Himmel“ würden oder wollten euch einen andern Gottesdienst predigen und lehren einzurichten als den, den Ihr nun gehört habt, „der sei verflucht“, in den Bann getan und verdammt. O liebe Herren, noch will ich mit Euch Gal 3, 15 „nach menschlicher Weise reden“ wie Paulus mit denen von Galatien: „Man verachtet doch das Testament eines Menschen nicht [hebt es nicht auf], wenn es bestätigt ist, und setzt auch nichts dazu“, von einem, der da in der Erde liegt, in Staub und Verwesung, durch einen Unfall oder mag er auch verurteilt sein. Wer sollte nun so vermessen und unverschämt sein, das Testament dessen zu verachten oder dem Testament etwas hinzuzufügen, von dem geschrieben steht Ps 16, 10: „Denn du wirst meine Seele nicht der Hölle lassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese“, der nun sitzt zur rechten Hand Gottes, seines Vaters (Röm 8, 34 wo er für uns bittet) und der [sein Testament] mit seinem Tod bestätigt und mit seinem roten, warmen Blut gereinigt hat. (c) Christi Gottesdienst hat den mosaischen Gottesdienst aufgehoben.
O Ihr edlen Herren, sehet auf das, was Ihr tut. Dieser Gottesdienst hat ausgeschlossen den Gottesdienst, der auch von Gott war und zwar befohlen von Gott durch Mose, seinen Knecht Joh 1, 17 f.: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt“, nämlich den rechten Gottesdienst. Wie soll [man] dann nicht den Gottesdienst ausschließen, der von Menschen erfunden ist? Oder können die Menschen und die 355
Ablehnung des Messopfers.
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vynden Edder ordynerenn dan den geyst gades Och wat eyn laster logen bauen logen vnde bauen laster vnde gruwel bauen gruwel ys dat O vader behode vns daruor dat wy de klocklyngen nycht stellen bauen dynen geyst / edder hefft de geyst sus lange vortofft tho desser tydt den klokelyngen den rechten gades denst tho wysende wente paulus / acto / 20 / secht yck hebbe yw [367] nychtes vor entholden dat yck nycht vorkundyget [138] hedde alle den radt gades o anmerct dat he secht alle wente de dar secht alle de styckt nycht vth edder de¯ denst gades ys nycht de radt gades dat si verne Vellychte mogen my antworden myt dissen gades denst ys de keyserlyke maiesteit vnde anderen konyngen vnde pryncen nycht mede tho fredenn hyrup antworde yck myt de worden pauly gala / 1 / predyge yck nu den mynschen edder gade tho denste Edder dencke yck den mynschen geuellych tho syn / wen ick den mynschen noch geuellych were /so were yck chrystus knecht nycht / edder vellychte de heren mochten noch ens mych fragen: Mach men dan nene anderen denst [368] gades de nycht vorboden ys tho gades eere vnde tho de¯ negesten tho stychten anrychten yck hebbe rede hyrvp geandtwordet doch antworde yck hyrup noch ens myt paulo de dar secht tho hebre / 3 / Moyses was truwe yn syn gantzen huse als eyn knecht thor getugenysse des dat gesecht scholde werden / Chrystus ouerst auer syn huss als eyn sone welck husss sy wy O gy leue heren hefft de knecht truwe gewest vnde also truwe dat men dar nychtes thodon edder affdon mochte ane straffe gades vnde dat yck scholde vortellen alle de straffe yck hadde nen tydt genoch Mach men dan thodoen edder affdon dat de sone gesecht hefft so ys he nicht ge[369]truwe gewest O gy leue heren dencket vnde nemet tho herten wat eyn laster des sons ys dat Verne van my / dat yck solcken gedancken scholde hebben van myne¯ heylandt wente al dat tho de eere synes vaders hort vnde all dat tho den denst hulpe vnde trost des negestes hefft he deger all gelerdt (vp dat / dat wordt nycht tho schanden worde dat he rop myt heller stemmen het ys all vulbracht Jo / 19 / dat ys yn den hemele ys de vader vorsonet vnde vp de erde all geleereth wo de hyllygen dat ys de dar vorsonet synt de¯ vader scholen denen vnde eeren / vnde anbydden ym geste vnde in de warheyt Jo / 4 / vnde wo [370] eyn yder den anderen denen stychten hulpen trosten leren straffen thor beterynge thor tuchtynge ynn gerechtycheyt
11 fredenn B fdrede A 21 husss A huß B
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Klüglinge etwas Besseres oder Gott Wohlgefälligeres finden oder anordnen als der Geist Gottes? Ach, was für ein Laster! Lügen über Lügen und über Laster, Greuel über Greuel ist das! O Vater, behüte uns davor, dass wir die Klüglinge nicht über deinen Geist stellen. Oder hat der Geist früher lange gezögert, um den Klüglingen zu dieser unserer Zeit den rechten Gottesdienst zu zeigen? Denn Paulus sagt Apg 20, 20.27: „Ich habe euch nichts vorenthalten, das ich nicht verkündigt hätte, allen Rat Gottes“. Oh, achtet darauf, dass er sagt „allen“; denn wer da „allen“ sagt, der sticht nichts heraus – oder der Gottesdienst gehört nicht zum „Rat Gottes“, und das sei ferne! (d) Wunsch nach Änderung des Gottesdienstes
Vielleicht mag man mir antworten: Mit diesem Gottesdienst sind die Kaiserliche Majestät und andere Könige und Prinzen nicht zufrieden. Hierauf antworte ich mit den Worten des Paulus Gal 1, 10: „Predige ich denn jetzt im Dienst der Menschen oder Gottes? Oder suche ich den Menschen gefällig zu sein? Wenn ich noch den Menschen gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht.“ Oder die Herren könnten mich vielleicht noch eins fragen: Kann man denn keinen anderen Gottesdienst einrichten, der nicht verboten ist, um ihn zur Ehre Gottes und für den Nächsten zu stiften? Ich habe hierauf gerade schon geantwortet, antworte aber darauf mit Paulus noch einmal, der da sagt zu den Hebräern 3, 5 f.: „Mose war zwar treu in seinem ganzen Hause als ein Knecht, zum Zeugnis für das, was später gesagt werden sollte, Christus aber über sein Haus als ein Sohn“, dessen Haus wir sind. O Ihr lieben Herren, der Knecht war treu gewesen, und zwar so treu, dass man dabei nichts zutun oder weglassen konnte ohne Gottes Strafe. Und wenn ich alle Strafen aufzählen sollte, hätte ich dazu nicht genug Zeit. (e) Ironischer Einschub: Untreue Christi ?
Mag man dann zutun oder weglassen, was der Sohn gesagt hat, so ist er nicht treu gewesen. O Ihr lieben Herren, denket und nehmet’s zu Herzen, welches Laster dies beim Sohn ist. Doch es sei ferne von mir, dass ich einen solchen Gedanken von meinem Heiland denken sollte. Denn all das gehört zu der Ehre seines Vaters und all das hat er zu Dienst, Hilfe und Trost des Nächsten vollständig gelehrt (damit das Wort nicht ungültig werde, das er mit lauter Stimme rief Joh 19, 30: „Es ist alles vollbracht!“ Das bedeutet: Im Himmel ist der Vater versöhnt, und auf der Erde ist alles gelehrt, wie die Heiligen, d. h. die da versöhnt sind, dem Vater dienen und ihn ehren und anbeten sollen Joh 4, 24 „im Geist und in der Wahrheit“. Und wie ein jeder dem andern dienen soll, schenken, helfen, ihn trösten, lehren, zurechtweisen 2Tim 3, 16 f.: „zur Besserung und zur
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(dat eyn mynsche gades sy vullenkamen tho allen guden wercken geschycket / 2 / Timo / 3 /) schal / als apenbar ys dorch alle de epystelen pauli: petri / Jacobi / Judae vnde Johannis (dat hyr tho bewysen scholde so mochte yck wol eyn groth bock daraff maken) anders ys nemant [139] syne¯ heren so vngetrouwe gewest als Chrystus gewest ys syne¯ vader O laster bauen laster Doch moth yck eyn straffe edder twe (yck kans nycht swygen) anteken der genen de dar wat tho gedan hebben yn dat vnuulkamen testament edder gesette der sunde vnde des dodes roma / 8 / dat dar nycht vorbaden was (wente dysse klokelynge hebben szo gelerth tho seggen heten ys [371] nycht vorbaden alst were alle dat gudt dat dar nycht vorbaden ys) o nen O heren lest deuteronomeum / 12 / dar so steyt / gy schollen der nen doen dat wy huden hyr doen eyn ydtlyck wat em recht duncket vnde leset leuiticum / 10 / dar steyt also Vnde de sons aarons nadab vnde Abihu nemen eyn ydtlyck synen nap vnde deden vur darynnen vnde leden rockwerck darup vnde brachten dat fromde vur vor dem heren dat he nycht gebaden hadde do voer eyn vur vth van den heren vnde vorterde se dat se storuen vor de¯ heren do sprack moyses tho Aaron dat ysset dat de here gesecht hefft yck werde gehyllyget werden an den de syck tho my nalen vnde vor allen volke werde yck herlyck werden O gy leue heren anmerct eyn schrycklyck ordel vnde straffe des heren de dar wat tho gedan hebben dat nycht gebaden was [372] yn dat vnuulkamen testament vnde gesette der sunden vnde des dodes Och wat straffe rychten wy eynen denst gades vp yn dat vulkamen testament vnde gesette des gestes dat dar leuendych maket yn chrysto Iesu ro / 8 / de szone nycht gebaden hefft dar wy seen vnde sporen wat eyn straffe hebben se gehat de dar offerden dat de knecht nycht gebaden hadde noch vellychte mochte gy my fragen dat dar vorbaden ys mach men dat nycht vprychten tho gades denst yck antworde dat vur was genochsam vorbaden als dar eyn ander vur gebaden vnde beualen was also ock myt dat vns eyn gades denst angetekent ys so synt vns alle anderen gades denst vorbaden ya darmede ys vns vorbaden gades denst van gade beualen dorch syne getruwen knecht Moysen wo vel tho mer ys vns vorbaden den denst gades de dorch mynschen gebaden vnn [373] ynsettinge vorgesettet synt wente de munnt der warheyt hefft suluest gespraken matth / 19 / [140] vorgeues denen se my derwyle dat se leren sulcke lere de nychtes anders den mynschen gebaden synt vnn alle planten de myn hemmelschen vader nycht plantet de werden
3 (dat Kj dat A B 6 Klammer fehlt bei A 11 ys) Kj ys A B
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Züchtigung in der Gerechtigkeit (dass ein Mensch Gottes vollkommen sei, zu allen guten Werken geschickt)“, wie es offenkundig ist durch alle Briefe von Paulus, Petrus, Jakobus, Judas und Johannes hindurch [(]worüber, wenn es hier sollte bewiesen werden, ich wohl ein großes Buch schreiben könnte). Niemand anders ist seinem Herrn so untreu gewesen wie Christus es seinem Vater war. O Laster über Laster! (f) Strafe für Zusätze zum Gottesdienst (Aarons Söhne)
Doch muss ich eine oder zwei Strafen (ich kann es nicht unterdrücken) derer anführen, die zu dem unvollkommenen Testament oder Röm 8, 2: „dem Gesetz der Sünde und des Todes“ etwas hinzugetan haben, was nicht verboten war (denn diese Klüglinge haben so zu sagen gelehrt: „heißen“ ist „nicht verbieten“, als wäre alles gut, was nicht verboten ist). O nein, o Herren, lest Deuteronomium 12, 8, wo es so steht: „Ihr sollt es nicht so halten, wie wir es heute hier tun, ein jeder, was ihm recht dünkt.“ Und lest Leviticus 10, 1–3, wo steht: „Und Aarons Söhne Nadab und Abihu nahmen ein jeder seine Pfanne und taten Feuer hinein und legten Räucherwerk darauf und brachten vor den Herrn das fremde Feuer, das er ihnen nicht geboten hatte. Da fuhr ein Feuer aus von dem Herrn und verzehrte sie, dass sie starben vor dem Herrn. Da sprach Mose zu Aaron: Das ists, was der Herr gesagt hat: Ich werde geheiligt werden an denen, die sich zu mir nahen, und vor allem Volk werde ich mich als herrlich erweisen.“ O Ihr lieben Herren, nehmet wahr ein schreckliches Urteil und eine Strafe des Herrn über die, die etwas hinzugetan haben, was nicht geboten war im unvollkommenen Testament und [Röm 8, 2] im „Gesetz der Sünde und des Todes“. Ach, welche Strafe droht uns, die wir einen Gottesdienst im vollkommenen Testament und Röm 8, 2 „Gesetz des Geistes, das da lebendig macht in Christo Jesu“ einrichten, den der Sohn nicht geboten hat, wenn wir sehen und spüren, welche Strafe schon diejenigen erhielten, die opferten, was der Knecht nicht geboten hatte. Vielleicht möchtet Ihr mich noch fragen: Was da [nicht] verboten ist, darf man das nicht als Gottesdienst einrichten? Ich antworte: Das Feuer war hinreichend verboten, da nämlich ein anderes Feuer geboten und befohlen war. Also sind auch damit, dass uns ein Gottesdienst beschrieben ist, alle anderen Gottesdienste verboten. Ja, damit ist uns sogar der Gottesdienst verboten, den Gott selbst durch seinen treuen Knecht Mose befohlen hat. Um wie viel mehr ist uns der Gottesdienst verboten, der durch das Gebot und die Einsetzung von Menschen vorgeschrieben wurde. Denn der Mund der Wahrheit hat selbst gesprochen Mt 15, 9.13 f.: „Vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehren, die nichts als Menschengebote sind.“ „Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht
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vthgeraden werden latet se varen se synt blyndt vnde blynde leyders wen ouerst eyn blynde den anderen leydet so vallen se beyde ynn der kulen o gy edele heren horet vnde leret hyr kennen welck dat dar synt blynde leyders wo kan men heller vtmalen de blynde leyders als de mondt der warheyt hyr doet Dat ander exempel (des straffe gades van deme de dar wolden angrypen eyn ampt dar se nycht tho geeschet weren) welck ys noch mer vorschrycklyck dan dat erste van Corach Dathan vnn Abiron myt eeren rotten de dar [374] wolde hoge presteren wesen tyegen gades ordinantie Nume / 16 / wo / de erde se leuendych vorslunnen hefft nycht de olden allene men ock myt all wat er was vnde dat vur dat van de¯ here quam vrath twe hundert vnde vyftych menneren de dat rockwerck offerden tyegen gades beuel so volget nu de¯ radt des prophetes dauids de dar spryct thot yw / Psal / 2 / So latet yw nu vnderwysen gy konigen vnde latet yw tuchtegen gy rychters vp erden denet den heren myt fruchten vnde frouwet jw myt tzeterende Kusset den szone dat he nycht torne vnde gy vmmekamen vp den wege wente syn torne wert balde anbernen ouerst wol alle de vp en vortruwen vnde matthei / 3 / de exe ys rede (sprack de doper) de¯ bome an de wortel gelecht darumme welckere boem nene gude frucht brynget de wert aff gehouwenn werden vnde ynt vur ge[375]worpen werden wat schal dan O gy Edelen heren dan de bom de quade frucht vortbrynget als de boem affgehouwen wert de dar nene gude fruchten vortpryngt dat hefft de prophete Ieremias geklaget yn syne Klageledt vnde dat sulue klage yck myt em Jere / 4 / de thouorn yn syden vpgetagen synt de mothen nu yn drecke lyggen dat ys de thovorn gantz gestelyck weren de werden nu gantz fleschlick vnde alse yck hyr gesecht hebbe van gades denst also segge yck ock van den tempel arke altar presterdoem offerande [141] ceremonien vnde klederen vnde van dat houet der gemene / van yder tho schryuende de tydt scholde my gebrekenn Darumme antworde yck de Edele vnd wolgebaren froukenn sampt ere beuelhebbers vor my persoenn vp dat interim dat de keyserlike Maiesteyt ynuoren vnd vp den hals dryngenn wyl myt drouwen als nabucadnezar [376] drouwede myt de¯ vuurigen auen so wel weren de dat belde nycht wolde anbeden vnde sprack wol sy de godt de jw vth myner handt redden werde als de keyserlyke maiesteyt ydtzuns doet myt interym wol dat nycht wyl annemen tho vordelgen tho voryagen doden branden koppen sack
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gepflanzt hat, die werden ausgerissen. Lasst sie, sie sind blinde Blindenführer. Wenn aber ein Blinder den andern führt, so fallen sie beide in die Grube.“ O Ihr edle Herren, höret und lernt hier kennen, welche hier die Blindenführer sind. Wie kann man vollständiger die Blindenleiter beschreiben, als der Mund der Wahrheit es hier tut. (g) Strafe für angemaßtes Amt (Rotte Korach)
Das zweite Beispiel (der Strafe Gottes, welche die betrifft, die nach einem Amt greifen wollten, zu dem sie nicht berufen waren) ist noch schrecklicher als das erste, nämlich das von Korach, Datan und Abiram mit ihrer Rotte, die gegen Gottes Ordnung Hohepriester sein wollten Num 16, 31–35: wie die Erde sie lebendig verschlang, nicht allein die Ältesten, sondern auch alle, die zu ihnen gehörten, „und das Feuer, das von dem Herren kam, fraß 250 Männer, die gegen Gottes Befehl das Räucherwerk opferten.“ So folget nun dem Rat des Propheten David, der da zu Euch spricht Ps 2, 10–12: „So lasset euch nun unterweisen, ihr Könige, und lasset euch züchtigen, ihr Richter auf Erden! Dienet dem Herrn mit Furcht und freuet euch mit Zittern. Küsset den Sohn, dass er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege. Denn sein Zorn wird bald entbrennen. Aber wohl allen, die auf ihn trauen.“ Und Mt 3, 10: „Die Axt (sprach der Täufer) ist schon dem Baum an die Wurzel gelegt. Darum: Welcher Baum keine gute Frucht bringt, der wird abgehauen und ins Feuer geworfen werden.“ Was soll dann, o Ihr edlen Herren, der Baum tun, der schlechte Früchte bringt? Wie der Baum abgehauen wird, der keine gute Frucht bringt, das hat der Prophet Jeremia geklagt in seinem Klagelied, und dasselbe klage ich mit ihm Klgl 4, 5: „Die zuvor in seidenen Kleidern eingezogen sind, die müssen nun im Schmutz liegen“, d. h. die vorher ganz geistlich waren, die werden nun ganz fleischlich, und wie ich es hier vom Gottesdienst gesagt habe, so sage ich es auch vom Tempel, von der Bundeslade, vom Altar, vom Priestertum, vom Opfer, von den Zeremonien und von den Gewändern und von dem Haupt der Gemeinde – von jedem einzelnen zu schreiben, würde mir die Zeit fehlen. (h) Antwort auf das abgöttische Interim
Darum antworte ich der edlen und wohlgeborenen Fräulein samt ihren Regierungsbeamten für meine Person auf das Interim, das die Kaiserliche Majestät einführen und uns unter Drohungen [als Joch] auf den Hals legen will, wie Nebukadnezar [Dan 3, 6.15] mit dem feurigen Ofen drohte, so jemand wäre, der sein Götzenbild nicht anbeten wollte, indem er sprach: „Wer ist der Gott, der euch aus meiner Hand erretten könnte?“ Wie die Kaiserliche Majestät jetzt verfährt mit dem Interim: den, der es nicht annehmen will, zu vertilgen, zu verjagen, zu töten, zu brandschatzen, zu köpfen, im Sack zu ertränken, an den Galgen zu hängen und aufs
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galge vnde rath so antworde yck myt de dre gesellenn Sadrach / Mesach / vnde Abednego Danie / 3 / Jdt ys nycht van noden den keyserlyke maiesteyt dat wy en darvp antworden fur vnsen godt vnse vader vnses heylandes Jhesu Chrysty den wy eeren vnn ym de¯ geyst vnn warheyt Johan / 4 / anbydden de kan vns wol redden vt dem drouwe des keysers vnn vth syner handt de vns dorch de swacheyt synes sons gereddet hefft vth den duuels gewalt / dodt / helle / vnde sunde kann desuluyge vnse godt nu nycht redden van der handt des keysers dorch synen leuen szone de dar [377] Nu sydt ann syner rechtern hannt hebbende alle gewalt ym hemel vnn ock vp erden Matte / 28 / O Ja O Ja dat ys all myn vortruwen darup yck my allene vorlate vnn wo he dat ydt nycht doen wyl so schal den noch weten de¯ keyser dat yck syn Interym nycht annemen wyl dat he hefft vt gesant wente het ys nycht beter dan de belde Nabucadnezar men dusentmal arger Darumme yst van my vorflockt vorbannet vnde vorwatert wente het wyl eyn ander presterdoem ynbringen welck ys nycht na de ordynantye van Aaronn noch na de ordinantye Melchysedech dyt tho vorklarende de¯ tydt scholde my entbreken O gy Edele heren wetet gy nycht dat Eyn weynych suer deges den gantzen dech vorsuret 1 / Corin / 5 / [142] vnde Acto / 4 / O gy leue herenn rychtet suluest efft ydt vor gade recht sy dat wy de¯ keyser meer horen dan godt edder vp mynschlyke wyse efft ydt vor eer [378] gnedyge frouken recht sy dat wy Johan koe herde meer horen dan de Edele vnde wolgebaren froukenn warumme yck kan io nycht laten dat yck nycht reden scholde dat yck geseen vnde gehort hebbe wente wy reden dat wy weten vnde betugen Jo / 2 / Vnd 1 / Jo / 1 / wat wy geseen vnde gehort hebben dat vorkunge wy yw wo wol vns seen vnde wetent vnde gohoer noch stuckwerck ys 1 / Co / 13 / wente wy syn nu dorch eynen spegel yn eynen duncker worden Doch wy hebben ein vast prophetisse wordt vnn gy Edel heren gy doen wol yst dat gy dar achtyng vp hebben alse vp eyn lycht dat dar schynet yn eynen dunckeren ordt beth dat de dach Anbreket vnde de Morgensterne vpgha yn yuwen herten O dat gunne vns allen de vader des lychtes Amen Amen vnde noch ens amen 1 / Petri / 1 Van dess Tytels dudynge [379] Doch des Titels bedudynge neme yck an vnn begere vnde gunne my vnn allen framen christen Edelen vnn vnedelen datsuluige anthonemen wente de dudynge de yck hyr wyl stellen ys vth der schryfftueren
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Rad zu flechten, so antworte ich mit den drei Gesellen Sadrach, Mesach und Abed-Nego Dan 3, 16 f.: „Es ist nicht nötig“ für die Kaiserliche Majestät, „dass wir ihr darauf antworten“ für „unsern Gott“, unsern Vater unseres Heilandes Jesu Christi, „den wir verehren“ und Joh 4, 24 „im Geist und in der Wahrheit anbeten“, [Dan 3, 17:] „der kann uns wohl erretten“ aus der Bedrohung des Kaisers und „aus seiner Hand“. Er hat uns durch das Leiden seines Sohnes gerettet aus der Gewalt des Teufels, aus Tod, Hölle und Sünde. Kann dieser unser Gott nun nicht retten von der Hand des Kaisers durch seinen lieben Sohn, der jetzt zu seiner rechten Hand sitzt und Mt 28, 18 „alle Gewalt im Himmel und auch auf Erden“ innehat? O ja, o ja, dies ist mein ganzes Vertrauen, worauf allein ich mich verlasse. Und wenn er es nicht tun will, so soll der Kaiser dennoch wissen, dass ich sein Interim, das er ausgesandt hat, nicht annehmen will. Denn es ist nicht besser als das Götzenbild Nebukadnezars, sondern tausendmal schlimmer. Darum wird es von mir verflucht, in den Bann getan und verdammt. Denn es will ein anderes Priestertum einführen, welches weder der Ordnung Aarons entspricht noch [Ps 110, 4; Heb 5,6:] der „Ordnung Melchisedeks“. Dies zu erklären würde mir die Zeit fehlen. O Ihr edlen Herren, 1Kor 5, 6; Apg 5, 29: „wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert?“ O Ihr lieben Herren, richtet selbst, ob es vor Gott recht ist, dass wir mehr dem Kaiser gehorchen als Gott! Oder auf volkstümliche Weise gesagt: Ob es wohl vor Ihrer gnädigen Fräulein recht ist, dass wir Johann Kuhhirt mehr gehorchen als dem Edlen und Wohlgeborenen Fräulein? Darum kann ich es ja nicht lassen, dass ich nicht von dem reden sollte, was ich gesehen und gehört habe. Denn Joh 3, 11 „wir reden, was wir wissen und bezeugen, [was wir gesehen haben]“; und 1Joh 1, 3: „Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch“, obwohl unser Sehen und Wissen und Hören 1Kor 13, (9).12 noch „Stückwerk“ sind. Denn „wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort“. Doch wir haben ein festes prophetisches Wort, und Ihr edlen Herren tut wohl recht356 daran, dass Ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis dass der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in Euren Herzen. Oh, das gewähre uns allen [Jak 1, 17] der „Vater des Lichts“. Amen, Amen, und noch einmal: Amen. (4) Der Buchtitel JNTERJM als Akrostichon gedeutet
Von der Bedeutung des Titels. – Aber die Bedeutung des Titels nehme ich an, und wünsche und gönne mir und allen frommen Christen, adligen und nichtadligen, diese anzunehmen. Denn die Bedeutung, die ich hier 356
yst wohl niederländisch juist, recht.
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vnn den gelouen gelyckformych vnde den propheten vnderdaen als paulus 1 / Corin / 14 / vormant dat de geste der propheten moten den propheten vnderdan syn wente godt ys nen gade der vnordenynge sunder des fredes alse yn allen gemenen der hyllygen O anmeret dat he secht yn alle gemenen der hyllygen vth welkere wordt ys klaer war yn en gemente twyst ys dat ys nen hyllyge gemente Nu anmerct dudinge Jnterim. J. id est. iusti. N id est non T id est timebunt E id est exclamare R id est redemptionem J id est iusticiam M id est meam O gy Edelen heren hoeret wat Cayphas gesproken hefft Jn synen anslegen tyegen Christum [380] also desse rabbi de dyssen titel yn eerenn radt [143] tyegen de chrysten yngesettet hefft ne nycht geweten wat he gesproken hefft als Caiphas dede seggende Jo / 11 / Jdt ys vns beter eyn mynsche sterue vor dat volck den dat dat gantze volck vordorue dessen titel hefft beualen Chrystus Marci 16 / dar he sprack tho de rechtuerdygen ghat hen yn de gantze werlt vnde vthropt dat ys prediget dat Euangelion dat ys dat Chrystus ys vns van gade gemaket tho vorlosinge 1 / Cor / 1 / welcker ys gescheen als he ys gegeuen vnde gestoruen vm vnse sunde wyllen dat ander deel Desses tytels ys dat Dat he ys vns von gade gemaket thor gerechtycheyt welcke ys geschen dorch syne vpstandynge als Ro / 4 / steyt he ys vmme vnser sunde wyllen hengegeuen vnde vmb vnser gerechtycheyt wyllen [381] vpgewecket welckere twe stucken des tytels tho weten Redemptio et iusticia synth de twe stucke des gantzen Euangelij Dyt konnen nicht lyden edder vordragen de wetholders noch de duuelen noch de geweldygen vp erden noch de hyllygen noch de wysen. Darumme als isti iusti dat ys de rechtuerdygen non timebunt dat ys se schollen nycht fruchten exclamare dat ys vtropen predygen redemptionem dat ys vorlosynge et iustitiam meam dat ys myn gerechtycheyt de yck sulue byn rasen se vnde dauen als Psal / 2 / stat. Warumme dauen de heyden vnde de luden reden so vorgeues de konyngen ym lande rychten syck vp vnd de heren radt-
10 desse A dysse bei A im Kustos am Ende von S. 379 deße B
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vorstellen will, ist aus der heiligen Schrift geschöpft, entspricht dem Glaubensbekenntnis und ordnet sich den Propheten unter, wie Paulus 1Kor 14, 32 f. ermahnt, dass „die Geister der Propheten“ „den Propheten untertan“ sein müssen. „Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens wie in allen Gemeinden der Heiligen.“ Oh, achtet darauf, dass er sagt: „in allen Gemeinden der Heiligen“. Aus diesem Wort geht klar hervor: Wo in einer Gemeinde Streit ist, da ist keine heilige Gemeinde. Und nun achtet auf die Bedeutung von JNTERJM. J heißt Justi Die Gerechten N heißt Non nicht T heißt Timebunt werden sich fürchten E heißt Exclamare zu verkündigen R heißt Redemptionem die Erlösung J heißt Justitiam Gerechtigkeit M heißt Meam meine. [Die Gerechten werden sich nicht fürchten, zu verkündigen die Erlösung: meine Gerechtigkeit.] O Ihr edle Herren, höret, was Kaiphas bei seinen Anschlägen gegen Christus gesprochen hat, als dieser Rabbi, der diesen Titel in ihrem Rat gegen die Christen aufbrachte, nichts davon wusste, was er eigentlich sprach – als Kaiphas nämlich sagte Joh 11, 30: „Es ist für uns besser, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.“ Diesen Titel hat Christus befohlen, als er zu den GERECHTEN sprach Mk 16, 15: „Gehet hin in alle Welt und RUFT AUS, d. h. prediget das Evangelium“, d. h. 1Kor 1, 30: dass „Christus ist uns von Gott gemacht zur ERLÖSUNG“, was geschehen ist, als er „dahingegeben“ wurde und „um unserer Sünde willen“ gestorben ist. Der andere Teil des Titels ist, dass er „uns von Gott gemacht ist zur GERECHTIGKEIT“, welches geschehen ist durch seine Auferstehung, wie es Röm 4, 25 steht: „Er ist um unserer Sünden willen dahingegeben und um unserer GERECHTIGKEIT willen auferweckt.“ Diese zwei Stücke des Titels, nämlich ERLÖSUNG (redemptio) und GERECHTIGKEIT (justitia) sind die zwei Teiles des ganzen Evangeliums. Dies konnten weder leiden noch ertragen die Ratsherren noch die Teufel noch die Gewaltigen dieser Erde noch die Heiligen noch die Weisen. Wie darum DIE GERECHTEN (justi), d. h. die Gerechtfertigten, SICH NICHT FÜRCHTEN SOLLTEN (non timebunt) auszurufen oder ZU PREDIGEN (exclamare) DIE ERLÖSUNG (redemptionem) und MEINE GERECHTIGKEIT (justitiam meam), die ich selber bin, rasen sie und toben, wie in Ps 2, 1 f. steht: „Warum toben die Völker und die
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slagen myt eyn ander wedder den heren vnd synen gesalueden darumme hefft Chrystus istis iustis dat ys de rechtuerdygen beualen Matthaei [382] 10 / dysse n vnn t dat ys fruchtet yw nycht vor de jennen (darumme secht de tytel justi non timebunt exclamare redemptionem justiciam meam) de dat lyff doden (wente dysse allen scholen stan na yw liff als Matthe / 10 / Mar / 13 / luce / 21 / vnde Joha / 16) fruchtet ouerst vel mer vor deme de liff vnn szele vordomen kan jn de helle. O heren fruchtet nycht den keyser he kan nycht vordomen sunder allene der vordomen kann Darumme neme yck myt vlyte [144] des tytels dudynge (de dar underdanych ys de¯ geyst christi vnn der propheten) doch nycht als de rabbi vnn de keyser derynne mede yn synne hebben Darumb segge yck dat dar stat Iob / 32 / yck wyl nemandes personen anseen vnn wyl nenen mynschen romen (wente yck wet es nycht wen yck ydt rede dede) Eff my myn schepper auer Eyne kleyne wyle wech nemen werde. [383] De Baptismo peruolorum Chrystianorum Jck Cornelius Falconissa sehers dorch gnade gades tho westrum belyde vnde betuge myt der hyllyge schryfft De kynderkens mothenn na gades worden gedofft werden edder se konnen nycht salych werden edder yn dat ryke gades yn gann als Chrystus sprack tho Nicodemon Joha / 3 / warlyken warlyken yck segge dy ydt sy denn dat yemant van nye gebaren werde kann he dat ryke gades nycht seen vnn wo geschuth nu desse ander geborte De geschuth vth den water vnd vth de¯ gest als he an dat suluyge Capittel secht warlyken warlyken yck segge dy ydt sy dan dat yemant gebaren werde vth de¯ water gest so kann he yn dat ryke gades nycht kamen De kynderkens synt gebarenn Darumb moten se nye gebaren werden vth dat water vnd geyst vnd yn der tydt des hyllygen mans Sipryanus Marteler ann syne tafel als augus[384]tynus vorhalt was dese twyst off me de kynderkens dopen scholde do antworde de hyllyge man ciprianus Marteler yn syn quinquagenis Warumme schol men de kynderkens nycht dopen als men de olde lude mach dopen ys dat sake dat de velheyt vnn grotheyt der sunden de olde luden nycht behyndert edder beleth dat men se dopen mach wat schal dan behynderen edder beletten dat men de kynderkens nycht dopen schal seggestu vmme de arfsunde de hebben ock de olden vnn dartho eer ege sunden so schal men so vel tho mer de olde nycht dopen vnn paulus hefft vakens hell husgesynde gedopt dartho vormoden ys dat dar ock kynder weren als he suluest secht 1 / Cor / 1 / dat
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Leute reden so vergeblich? Die Könige der Erde lehnen sich auf und die Herren halten Rat miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten.“ Darum hat Christus jenen GERECHTEN (justis) diese Buchstaben N und T befohlen Mt 10, 28: „FÜRCHTET EUCH NICHT vor jenen“ (darum sagt der Titel: Justi Non Timebunt exclamare redemptionem justiciam meam) „die den Leib töten“ (denn diese alle bedrohen euern Leib nach Mt 10, 28; Mk 13, 9; Lk 21, 12; Joh 16, 2); „fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verdammen kann in die Hölle.“ O Herren, fürchtet nicht den Kaiser – er kann nicht verdammen – sondern allein den, der verdammen kann. Darum nehme ich sorgfältig die Deutung des Titels auf (die sich dem Geist Christi und der Propheten unterordnen muss), aber nicht wie der Rabbi [Hohepriester] und der Kaiser es damit im Sinne haben. Darum sage ich, was da steht Hi 32, 21 f.: „Vor mir soll kein Ansehen der Person gelten, und ich will keinen Menschen rühmen (denn ich weiß es nicht, wenn ich es gerade täte), ob mein Schöpfer mich über eine kleine Weile wegnehmen würde.“ (5) Kindertaufe (a) Geborene müssen wiedergeboren werden.
Von der Taufe der kleinen christlichen Kinder. – Ich, Cornelius Falconissa, Seher durch Gottes Gnade zu Westrum, bekenne und bezeuge mit der heiligen Schrift: Die Kindchen müssen nach Gottes Wort getauft werden oder sie können nicht selig werden oder in das Reich Gottes eingehen, wie Christus zu Nikodemus sprach Joh 3, 3: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Und wie geschieht nun diese zweite Geburt? Diese geschieht aus dem Wasser und aus dem Geist, wie er im selben Kapitel Joh 3, 5 sagt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser [und] Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Die Kindchen sind geboren. Darum müssen sie aufs neue geboren werden aus Wasser und Geist. (b) Nichts hindert die Kindertaufe
Und in der Zeit des heiligen Cyprian, des Märtyrers, war an seiner Tafel, wie Augustinus erzählt, der Streit, ob man die Kindchen taufen dürfe. Da antwortete der heilige Cyprian, der Märtyrer, in seinen Quinquageni: Warum soll man die Kindchen nicht taufen, wie man ja die erwachsenen Leute taufen kann? Ist es der Grund, dass die Zahl und Schwere der Sünden es bei den erwachsenen Leuten nicht hindert oder stört, dass man sie taufen kann, was soll dann hindern oder stören, dass man die Kindchen nicht taufen soll? Sagst du: Wegen der Erbsünde. Die haben aber auch die Erwachsenen, und dazu noch ihre eigenen Sünden, so dass man vielmehr die Erwachsenen nicht taufen sollte. Und Paulus hat öfters ganze Haus-
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he dat hus stephani gedofft hadde vnn actorum vakens als Capite 16 vnde dat memmo symonys secht vmb dat se gen geloue hebben als Marci / 16 / Ghett hen yn etc de gelouet vnde gedopt wert de schal salych werden yck antworde memmo simo[385]nis Js desse sprake he geredet van Christo van olt [145] vnde yunck so moth desse sprake des gestes hebre / 11 / ock gespraken syn van olt vnde yunck Ahne geloue ysset vnmogelyck gade tho behagen na desse sprake des gestes so mach nen kyndt salych werden wente ydt ys heller vnn klaer dat de kynderkens hebben nen geloue so se den storuen yn de kynscheyt se moten se na desse sproke des gestes vordompt syn dat sy verne van solcken wreden ordel gades vnn Chrystus spreckt Matte / 18 / Marci / 9 / Luce / 9 vnde 17 / dat wy moten werden als kynderkens wy mogen nycht yn dat ryke vnde dat ryke hort de kynderkens tho vnn de gest sprict tho Corinthern / 1 / Cor / 7 / dat de kynderkens hyllych syn O Memno simonissen wo dwelstu nycht hebben geklouet klouwen als eyn vnreyn deer [386] dat dar leuitici / 11 / vorboden was tho offeren vnde kanst nycht wedderkauwen darumb kanst de schryfft nycht delen O godt doth vnser allen ogen vp wente dar ys men eyn recht vorstandt yn de schryfture dat gunne dy vnde mych de vader vnses heylandes Nu O menno anmerct dat dar na volget hebre / 11 / So schalstu sporen dat de sproke de kynderkens nycht ankumpt edder van de kynderkens nycht gesproken ys vnde anmerck wat daruor ghat Marci / 16 / So schalstu klar sporen dat / dat nycht gesecht ys van den kynderkens Segge mych o menno mach men ock de kynderkens predigen wat sechstu dartho? Seggestu ya so [387] antworde yck wedder so mach men se dopen ys dat se gelouen vnde nycht er als de olden sechstu nen So antwordestu recht vnde ick antworde dy So kumpt de sproke Chrysty eer nycht an Mar / 16 / Men de sproke Chrysty Joha / 3 / de kumpt de kynderkens an wente se synt getelt gebaren so moten se herbaren werdenn vth de¯ water vnn gest edder se mogen nycht ynghan yn dat ryke gades Darumb besluth yck vth de hyllyge schryfft vnn vth de wercke der apostelen men moth de kynderkens dopen dath ys gewysselyck war
357 Menno Simons, geb. 1496 in Witmarsum (Niederlande, Provinz Friesland), gest. 31.1.1561 in Wüstenfelde bei Oldesloe. Priester ca. 1524 u.a. in Witmarsum, 1535 Übergang zu den Täufern, zahlreiche Reisen, u.a. 1544 nach Ostfriesland. – Dass die Kinder keinen Glauben haben und deswegen nach Mk 16, 15 f. nicht getauft werden dürfen, ist auch drei Jahrzehnte später die Auffassung der jeverländischen Mennoniten, die am 10. Februar 1576 von einer Kommission unter dem Vorsitz von Hermann Hamelmann verhört wurden: Hamelmann, Ein öffentlich, Jedoch kurtz Gesprech. – Der Mennonit Bernhardus Brunsfeld gibt dort zu Protokoll, dass der Satz Röm 10, 17
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gemeinschaften getauft – wobei zu vermuten ist, dass dabei auch Kinder waren – wie er selbst sagt 1Kor 1, 16, dass er das Haus des Stephanas getauft habe und öfters in der Apostelgeschichte wie in Kapitel 16, 15.33. (c) Gegen Menno Simons
Und dass Menno357 Simons sagt, dass sie keinen Glauben haben, wie Mk 16, 15 f. [vorschreibt]: „Gehet hin in [alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.] Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ Ich antworte Menno Simons: Ist dieser Spruch durch Christus hier geredet von Alt und Jung, so muss der Spruch des Geistes Hebr. 11, 6 auch von Alt und Jung gesprochen sein: „Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen.“ Nach diesem Spruch des Geistes kann kein Kind selig werden. Denn es ist ganz klar, dass die Kindchen keinen Glauben haben. Wenn sie aber in der Kindheit sterben, so müssen sie nach diesem Spruch des Geistes verdammt sein. Aber ein so grausames Urteil Gottes sei ferne von uns. Und Christus spricht Mt 18, 3; Mk 9, 36 f.; Lk 9, 48 und 18, 17, dass wir werden müssen wie die Kindchen, sonst können wir nicht in das Reich Gottes kommen und das Reich gehört den Kindchen. Und der Geist sagt zu den Korinthern 1Kor 7, 14, dass die Kindchen heilig sind. O Menno Simons, wie irrst du! – keine gespaltenen Klauen zu haben wie ein unreines Tier, was Lev 11, 3–7 verboten war zu opfern, und kannst nicht wiederkäuen, weshalb du die Schrift nicht aufteilen kannst. O Gott, tu unser aller Augen auf! Denn es gibt nur ein richtiges Verständnis der heiligen Schrift. Das verleihe dir und mir der Vater unseres Heilandes. Nun, o Menno, nimm zur Kenntnis, dass da nachfolgt Hebr 11, 6, so wirst du spüren, dass der Spruch die Kindchen nicht trifft oder dass von den Kindchen nicht die Rede ist. Und nimm zur Kenntnis, was Mk 16, 15 f. vorhergeht. So sollst du klar spüren, dass das nicht gesagt ist von den Kindchen. Sag mir, Menno, kann man auch den Kindchen predigen? Was sagst du dazu? Sagst du Ja, so antworte ich wieder: So kann man sie taufen, sei es dass sie glauben oder nicht, eher als die Erwachsenen. Sagst du Nein, so antwortest du recht, und ich antworte dir: So trifft der Spruch Christi Mk 16, 16 auf sie nicht zu. Aber der Spruch Joh 3, 5 betrifft die Kindchen, denn sie sind gezeugt, geboren, deshalb müssen sie „wiedergeboren werden aus dem Wasser und dem Geist“ oder sie können „nicht in das Reich Gottes eingehen“. Darum schließe ich aus der heiligen Schrift und aus dem Tun der Apostel: Man muss die Kindchen taufen. Das ist gewisslich wahr. der glaub kömpt aus dem gehör für die Mennoniten spreche, weil er beweiset / das die kleinen kinder ja nichts können aus dem gehör haben / darümb nach der Regeln Pauli / kann nicht der glaub in solchen sein (B 7 v) – Hamelmann, Jeverländische Reformationsgeschichte, in: Das Fräulein 189. – Schauenburg, Täuferbewegung 35–37.39–41. – Schäfer, Oldenburgische Kirchengeschichte 277 f.
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De Coena domini. O gy edelen heren hyr mach yck [388] wol suchten vnde spreken myt susanna Och wat byn yck yn groten angeste vnde benautheyt jo als eyn frouwe wens stunde ys gekamen vm tho telen. O wor schal yck hen ghan vmb getrost tho syn schal ick tho de wysen desses werlts ghan / [146] O nen wente den wysen ysset vorborgen Matthe / 11 / Lucae / 10 / Als Jhesus den vader daraff prist vnn lauet seggende yck pryse dy vader vnd here hemmels vnd der erden dat du solckes den wysen vnde vorstandyge vorborgen heffst darumme wyl yck tho den wysen vmme dat vorstandt des hochwerdygen nachtmals Chrysty nycht ghan wente se scholden mych bedoren als Isaiae / 29 / steyt vnde Paulus antuth 1 / Cor / 1 / Jck wyl vmmebryngen de wysheyt der wysen vnde den vorstandt der vorstandygen wyl yck vorworpen vnd hefft godt de wysheyt [389] desser werlt nycht tho dorheyt gemaket O Edelen heren anmercket noch ens O gy heren anmerct so wyl yck nycht gan tho de wysen als scholden se dauen tyegen my wente de worden des hochwerdygen nachtmals Chrysty ys er geworden als Jsaias secht yn dat suluyge Capittel gelyck alse de worden eynes vorsegelden bokes welkeree so men ydt dede eynen de lesen kan vnde spreke leuer lest dath vnde he spreke yck kan nycht wente ydt ys vorsegelt Edder gelyck wen men ydt dede deme de nycht lesen kan vnde spreke leuer lest dath vnde spreke ick kann nycht lesen also synt de wysen desses werlt. O gy Edele heren anmerct des heren worden wol vnd lech se yn de wagen vnde wylt se wol vnde recht wegen. O wor dan [390] schal yck ghan tho de kyuers als Ioha / 6 / keuen de yoden vnder eyn ander vnde spreken wo kann vns dysse syn flesch tho eeten geuen O nen vp dat yck nycht tho rugge gha vnde wandere vordan nycht meer myt Chrysto wo kann yck blyuen by Chrysto de yck nycht see lychamlych wo de yungeren hyngyngen de enn lychanlych hadden by syck O wo scadelyck ys dat kyuent so wylle yck nycht ghann tho de kyuende yoden vp dat yck dorch eer kyuen nycht wyke van Chrysto vnde van dat rechte vorstandt des hochwerdigen nachtmals Chrysty lat se dauen tyegen my als se wyllenn. Wor schal yck den hen gan O Edele herenn Gy anworde my stylkens tho de doctoren der Chrystenn O leue Edele heeren O nenn O nen yn nenerley wyse wente manck den [391] doctoren der Christenen ys meer
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(6) Herrenmahl (a) Allegorische Auslegung der Geschichte der Susanna (1)
Vom Mahl des Herrn. – O Ihr edlen Herren, hier kann ich wohl seufzen und sprechen mit Susanna [Daniel 13, 22 (Vulg) StDan 1, 22]: „In wie großer Angst und Bedrängnis bin ich“, wie eine Frau, deren Stunde gekommen ist um zu gebären. Oh, wohin soll ich gehen, um Trost zu finden? (b) Die Weltweisen
Soll ich zu den Weisen dieser Welt gehen? O nein, denn den Weisen dieser Welt ist es verborgen, wie Jesus den Vater dafür preist und lobt, indem er sagt Mt 11, 25; Lk 10, 21: „Ich preise dich, Vater und Herr des Himmels und der Erde, dass du solches den Weisen und Verständigen verborgen hast.“ Darum will ich wegen des Verständnisses des hochwürdigen Nachtmahls Christi nicht zu den Weisen gehen, denn sie würden mich betören, wie Jes 29, 14 steht und Paulus zitiert 1Kor 1, 19 f.: „Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen. Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?“ O edle Herren, nehmet noch eins zur Kenntnis! O Ihr Herren, nehmt zur Kenntnis, so will ich nicht zu den Weisen gehen, weil sie gegen mich toben würden, denn die Worte vom hochwürdigen Nachtmahl Christi sind ihnen geworden, wie Jesaja im selben Kapitel sagt Jes 29, 11 f. „wie die Worte eines versiegelten Buches, das man einem gäbe, der lesen kann, und spräche: ,Lieber, lies doch das!’ und er spräche: ,Ich kann nicht, denn es ist versiegelt’. Oder gleicherweise, wenn man es einem gäbe, der nicht lesen kann, und spräche: ,Lieber, lies doch das!’ und er spräche: ,Ich kann nicht lesen.’“ So sind die Weisen dieser Welt. O Ihr edlen Herren, achtet gut auf die Worte des Herrn und legt sie in die Wagschale und wollt sie sorgfältig und richtig wägen. (c) Die Streithähne
Oh, wohin soll ich dann gehen? Zu den Streithähnen Joh 6, 52: „Da stritten die Juden untereinander und sprachen, wie kann der uns sein Fleisch zu essen geben?“ O nein, dass ich nicht zurückgehe und fortan nicht mehr mit Christus wandelte! Wie kann ich bei Christus bleiben, den ich nicht leiblich sehe, wie die Jünger ihm nachfolgen konnten, die ihn leiblich bei sich hatten? O wie schädlich ist das Streiten! So will ich nicht zu den streitenden Juden gehen, damit ich mich durch ihr Streiten nicht entferne von Christus und von dem rechten Verständnis des hochwürdigen Nachtmahls Christi. Lass sie toben gegen mich, wie sie wollen! (d) Die christlichen Doktoren (Susanna 2)
Wo soll ich dann hingehen, o edle Herren? Ihr antwortet mir heimlich: Zu den Gelehrten der Christen. O liebe edle Herren! O nein, o nein, auf keinen Fall! Denn unter den Gelehrten der Christen gibt es mehr Streit
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kyues vm dysse worden dat ys myn lyff dan nuwerle manck de yoden [147] ys gewest van de worden Joha 6 vnde de doctoren kyuen nycht allene sunder schelden lasteren vnd hadern vnder syck dat paulus vorbudt / 2 / Timo / 2 / wente ydt ys nycht nutte dan affthowennede de dartho horen vnde ad Titon / 1 Achte nycht vp mynschen gebade dat ys mynschen dudynge mynschen ynsettynge de van de warheyt affwenden vnde an Titon / 3 / Der dorlyken fragen der geslechtereygyster des haders vnde stryders auer de¯ gesette entsla dy wente se synt vnnutte vnd ydel wo vel mer de dorlike frage vnde hader vnd strydt vnde kyff des worden Chrysty synt mer vnnutte vnn ydel vnn schedelyck wente Chrysty nauolgers hebben de wysen nycht vmme wordes wyllen tho hadern tho lastern vnde tho schelden [392] als paulus secht 1 / Cor / 11 / Js dar yemant manck yw de lust tho haderende hefft de wete dat wy de wyse nycht hebben de gemene gades ock nycht O Edele heren wat wort ys dat kent hyr de knechten gades vnde de gemene gades O vader O vader doet vnser aller ogen vp dat wy moge kennen de knechten vnde gemene Chrysty O dat gunne vns de vader vnses heylandes Jhesu Chrysty vnde 1 / Timo / 6 / So yemant anders leret vnde blyfft nycht by den heylsamen worden vnses heren Jhesu Chrysty vnde by der lere van der gotsalycheyt de ys vordustert vnd weth nychtes (O Edele heren anmerct vnde rychtet eyns eyn recht rycht, vnn kumpt thor herten vnde nempt desse worde pauly myt vlyte tho herten) sunder ys sukychs yn fragen vnde wort krygen vth [393] welckeren en sprynget nyt / hader / lasterynge / bose argwan / scholhaders / sulcker mynschen de vordoruen synnen hebben vnde der warheyt berouet synt de dar menen de godtsalycheyt sy eyn handel holde dy van sulcken O gy leuen heren sett / vnde rychtet suluest wat groter hader wat groter nyth wat groter lasterynge wat groter schelden wat bose argewan wo vele scholhaders hyr vth gesproten synt wo dat eyn den anderen lastert wo den eyn den andern ansettet by den vorsten tho vordryuen tho voryagen O O wo kant alle vortellen edder vtspreken noch segge yck vnde kan ydt nycht laten myt suchten dat yck byn yn groten angesten vnde benautheyt wente so yck menschen berome edder personen [148] ansee so doe yck tyegen myn egen conscientie vnde tyegen des heren wordt 1 / Cor / 1 / wol syck beromet de beromet syck des heren [394] vnde byn des dodes nomlyck des ewygen dodes schuldych doe yck ouerst ydt nycht so kann yck nycht vth des mynschen handen doch wyl yck leuer vnschuldych yn den mynschen handen kamen edder vallen den tyegen den heren sundygen O gy leue heren anmerct myn angest vnd benautheyt wor schal yck hen susanna ys gegrepenn nycht allene van twe edder dre de myt er wyllen bolen men so vele dat yck se kume vortellen
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um diese Worte „Das ist mein Leib“ als seinerzeit unter den Juden gewesen ist um die Worte Joh 6, 52. Und die Gelehrten streiten nicht nur, sondern schelten, lästern und hadern untereinander, so dass Paulus es verbietet 2Tim 2, 14, denn „es ist zu nichts nütze als abzuschrecken, die zuhören“ und Tit 1, 14: „Achte nicht auf Menschengebote“, d. h. menschliche Deutungen und menschliche Zusätze, „die von der Wahrheit abwenden“ und Tit 3, 9: „Von törichten Fragen aber, von Geschlechtsregistern, von Zank und Streit über das Gesetz enthalte dich, denn sie sind unnütz und nichtig.“ Wie viel mehr sind die törichten Fragen, der Hader, Streit und Zank um die Worte Christi unnütz und nichtig und schädlich, denn die Nachfolger Christi haben nicht die Sitte, wegen des Wortes zu hadern, zu lästern und zu schelten, wie Paulus sagt 1Kor 11, 16: „Ist aber jemand unter euch, der Lust hat, darüber zu streiten, so soll er wissen, dass wir diese Sitte nicht haben, die Gemeinde Gottes auch nicht.“ O edle Herren, welches Wort ist es, das hier die Knechte Gottes und die Gemeinde erkennen lässt? O Vater, O Vater, tu unser aller Augen auf, dass wir die Knechte Gottes und die Gemeinde Gottes erkennen können! Oh, das verleihe uns der Vater unseres Heilandes Jesu Christi. Und 1Tim 6, 3–5.11: „Wenn jemand anders lehrt und bleibt nicht bei den heilsamen Worten unseres Herrn Jesus Christus und bei der Lehre von der Gottseligkeit, der ist verblendet und weiß nichts“ (O edle Herren, gebt acht und fällt einmal ein gerechtes Urteil und kommt zum Kern und nehmt diese Worte des Paulus mit Sorgfalt zu Herzen) „sondern hat die Seuche der Fragen und Wortgefechte. Daraus entspringen Neid, Hader, Lästerung, böser Argwohn, Schulgezänk solcher Menschen, die zerrüttete Sinne haben und der Wahrheit beraubt sind, die meinen, die Frömmigkeit sei ein Gewerbe. Halte dich davon entfernt!“ O Ihr lieben Herren, seht und richtet selbst, welch großer Streit, welch großer Neid, welch große Lästerung, welch großes Schelten, welch böser Argwohn, wie viel Schulhader hieraus erwachsen sind, wie dass einer den andern lästert, wie der eine den andern anzeigt bei den Fürsten, um ihn zu vertreiben und zu verjagen. Oh, oh, wer könnte alles aufzählen oder aussprechen! Noch sage ich und kann es nicht lassen mit großem Seufzen, dass ich in großer Angst und Bedrängnis bin. Denn wenn ich Menschen rühme oder Personen ansehe, so handle ich gegen mein eigenes Gewissen und gegen des Herren Wort. 1Kor 1, 31: „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn“ und bin des Todes – nämlich des ewigen Todes – schuldig. Tue ich es aber nicht, so entrinne ich nicht aus der Menschen Hände. Doch will ich lieber unschuldig in der Menschen Hände geraten oder fallen als gegen den Herrn sündigen. O Ihr lieben Herren, nehmt meine Angst und Bedrängnis wahr: Wo soll ich hin? Susanna wird festgehalten nicht allein von zwei oder drei, die
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kann vnde synt althohope Oldt were se nu yungelynge so were se nycht so sere beangest wente dar stat geschreuen A senioribus egressa est iniquitas vth den oldern ys de bosheyt vtgegann Jck hebbe den alderoldesten geantwordt vnde eyn affschedt gegeuen vnd den yoden de dar keuen yck en wyl myt er nycht boleeren se mogen mych [395] belegen dat se mych befuunden hebben myt ein yungelynck dar lycht nycht an yck byns getrost eer logen tho dregen Wor schal yck den hyn gan tho den pawest de so oldt ys bykans als Mathusalem Gene / 9 / Dysse hefft eyn hoge beromede name nomlyck de alderhyllygeste he hefft nycht allene de schryfture men ock kloke lerynge vnde dar tho krefftyge myrakelen vnde de vele de yck nycht kann vortellen yck late stan dat yck se schryuen scholde yo so vele vnn so krefftych dat ock de vterwelden went mogelyck were yn den erdom scholden voruoret werden Matte / 24 / Doch wyl yck ein edder dre vortellen als dat vision des Pawestes gregorij dar dat brodt voranderde vnde erschen en gelyck Chrystus van den yoden gemartelt vnde gecrutzyget was Dat ander dat [396] vision augustini vor weme dat brodt voranderde yn eyn kleyn kynderken Dat drudde dat myrakel van eyn grau broder de dar heth bernardus de dat lerede dat brodt wert vnde ys dat warhafftych lycham Chrysti vnde dar was eyn ryke man de dat nycht wolde louen dat / dat brodt scholde Chrysty lycham worden vnde sprack yck geue alle dage myne¯ eesel eyn korff vul all sulckes brodes scholde myn eesel Chrystum eeten wat ys dat vor eynen heylandt de du leerest do sprack bernardus de grau broder yck wyl morgen tho dy kamen vnde quam myt eyn consekeret ablaet [149] vnde lede se yn denn korff vul anderen ablaten vnde men brochte den korff also vor den eesel do veel stracks de eesel vp syn kneen vnde wolde nycht [397] Eeten. O gy heren wyl yck nu den pawest myt mych laten beleren ynn dat vorstant des hochweerdigen nachtmals Chrysty vm syn beromede naem kloke lerynge vnd vm de myrakel so vall yck yn gades hant vnde moth horen van den andern olden dat yck eyn antechrysten byn vnde wat es mer ys der scheldeworden de lese lutherum vnde andern vell mer so wyl yck nycht yn gades handen vallen vnde nen antechryst wesen noch myt de¯ pawest boleren he belege my als he wyl seggende dat he my beuunden hefft myt eyn yungelyng yck byns getrost godt weth dat he lucht godt schal susanna 16 dat B dat dat A (versehentliche Wiederholung auf der neuen Seite) 33 he B, fehlt A 358
Gemeint ist der Papst. Papst Gregor der Große (540–604). – Zum weit verbreiteten Andachtsbild der Gregorsmesse vgl. Schiller, Ikonographie 2, 240–242 und Abb. 805–807. 809. 360 Vgl. Luther, Schmalkaldische Artikel 2, 4, BSLK 430–432. 359
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mit ihr buhlen wollen, sondern von so vielen, dass ich sie kaum aufzählen kann. Und sie sind allesamt alt. Wären es Jünglinge, so wäre sie nicht so sehr in Ängsten, denn es steht geschrieben [Dan 13, 5 (Vulg) StDan 1, 5]: A senioribus egressa est iniquitas, „Bosheit ist ausgegangen von den Ältesten“. Ich habe dem Allerältesten358 geantwortet und mich losgesagt, und von den Juden, die da streiten. Ich will mit ihnen nicht buhlen. Sie mögen über mich lügen, dass sie mich bei einem Jüngling gefunden hätten. Darauf kommt es nicht an. Ich bin zuversichtlich, ihre Lügen zu ertragen. (e) Der Papst und seine Oblatenwunder (Susanna 3)
Wohin soll ich dann gehen? Zu dem Papst, der ungefähr so alt ist Gen 5, 25–27 wie Methusalem. Dieser hat einen großen, berühmten Namen, nämlich der Allerheiligste. Ihm steht nicht nur die heilige Schrift zu Gebote, sondern auch kluge Lehren und dazu noch überzeugende Wunder, und zwar so viele, dass ich sie nicht zählen kann oder aufschreiben könnte und [deshalb] beiseite lasse – ja, sie sind so zahlreich und überzeugend, dass Mt 24, 24 „wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten“ zum Irrtum verführt würden. Doch will ich eines oder das andere erzählen, wie nämlich die Vision des Papstes Gregor359. Als er das Brot wandelte, da erschien ihm ein Bild Christi, wie er von den Juden gemartert und gekreuzigt wurde. Das zweite ist die Vision Augustins, vor dem sich das Brot verwandelte in ein kleines Kindchen. Das dritte ist das Wunder eines Franziskanerbruders, der Bernardus hieß und predigte, dass das Brot verwandelt wird und bleibt als wahrhaftiger Leib Christi. Und da war ein reicher Mann, der das nicht glauben wollte, dass das Brot sollte Christi Leib werden, und sprach: Ich gebe meinem Esel alle Tage einen Korb voll solchen Brotes. Kann mein Esel Christus essen? Was ist das für ein Heiland, den du lehrst? Da sprach Bernardus, der Franziskanerbruder: Ich will morgen zu dir kommen. Und er kam mit einer konsekrierten Oblate und legte sie in einen Korb voll anderer Oblaten, und man brachte den Korb vor den Esel. Da fiel der Esel sofort auf seine Knie und wollte nicht essen. O Ihr Herren, will ich nun den Papst mich belehren lassen im Verständnis des hochwürdigen Nachtmahls Christi um seines berühmten Namens, seiner klugen Lehren und um der Wunder willen, so falle ich in Gottes Hand und muss von den andern Alten hören, dass ich ein Antichrist sei und was es mehr an Scheltworten gibt – man lese Luther360 und andere – vielmehr will ich nicht in Gottes Hand fallen und kein Antichrist sein noch mit dem Papst buhlen, er lüge über mich, so viel er will, und sage, dass er mich ertappt habe mit einem Jüngling. Ich bin getrost, Gott weiß, dass er lügt. Gott wird Susanna sicherlich retten.
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wol redden Gha yck tho eyn anderen de so oldt nycht en ys tho weten tho martynum lutherum so schal den alderoldesten myt synen [398] beromden name rasen nycht allene myt worden men ock myt vur swerdt radt galge sack water vnde moth eyn ketter synn doch susanna en wyl ock nen ketter syn noch vmb leuen noch vmb steruen darumb wyl se nycht boleren myt desen olden mann Gha yck dan tho aecolampadium so byn yck allykewol eyn ketter myt den beromeden naem vnde eyn sacramentschender myt de¯ ander darumme susanna wyl nycht boleren myt en wente se wyl nen sacramentschenderynne synn Gha yck tho menno simonis so moth yck wesen nycht allene eyn ketter men ock eyn wedderdoper hyr secht susanna als bauen Gha yck tho david iorys so byn yck eyn ketter vnde eyn morder als men secht [399] dat he ys eyn morder yck en wets nycht godt weth susanna ghat nycht tho dessen se wyl nycht lyden als ein morder als peter gebuth 1 / Petri / 4 / seggende nemant manck yw lyde als eyn morder edder deeff edder oueldeder edder de yn eyn frompt ampt grypt lyth he ouerst als eyn krysten so scheme he syck nycht he eere ouerst godt yn sulcken valle Gha yck tho den konyng van munstern so byn yck eyn ketter vnde eyn Nymroth de erste geweldyge desses werlts Gene / 10 / vnde do wedder Christy lerynge vnde belydynge chrysty de he / hefft gedan vor den landtpleger Pontio Pilato seggende myn ryke ys nycht van desser werlt vnde tyegen syn geboth matthei / 10 / dar [150] he [400] vorbuth den stock vnde Matthe / 26 / secht he ock tho petrum vnde ys eyn geboth steck dyn swerdt yn syn stede O Johannes van leyden wo werstu so stolt dat swert vth syn stede tho nemende ane beuel des mesters vnde hebben achter gelaten dat swerdt des gestes dat geboden ys welck ys dat wordt gades Eph / 6 / vnde hefft gesundyget tyegen den hyllygen geyst O gy bolers des konyng van munstern horet horet lath aff lath aff warumme wen gy yw van den geyst tho den swacken flesche 2 myt synen bei A nur als Kustos 21 dar he B dar he dar he A (versehentliche Wiederholung auf der neuen Seite) 28 wen A wende B 361
Anspielung auf die päpstliche Bannbulle gegen Luther Decet Romanum pontificem vom 3. 1. 1521 in: Mirbt/Aland, Quellen 513–515, und auf die daraufhin verfügte Reichsacht. 362 Johannes Oecolampadius, geb. 1482 in Weinsberg, gest. 23. 11. 1531 in Basel, Reformator der Stadt Basel, Gegner Luthers im Abendmahlsstreit. 363 Menno Simons siehe oben (5 c). 364 David Joris, geb. ca. 1501 in Gent oder Brügge, gest. 23. 8. 1556 in Basel, beteiligte sich an der Täuferbewegung, später spiritualistischer und visionärere Schriftsteller.
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(f) Luther und Oecolampadius (Susanna 4 und 5)
Geh ich zu einem anderen, der meines Wissens nicht so alt ist, zu Martin Luther361, so wird der Allerälteste [der Papst] mit seinem berühmten Namen rasen, nicht allein mit Worten, sondern auch mit Feuer, Schwert, Rad, Galgen, Sack und Wasser, und ich muss ein Ketzer sein. Doch Susanna will auch kein Ketzer sein weder im Leben noch im Sterben, darum will sie mit diesem alten Mann nicht buhlen. Geh ich dann zu Oecolampadius362, so bin ich gleichwohl ein Ketzer mit dem berühmten Namen und ein Sakramentsschänder mit dem andern. Darum will Susanna nicht mit ihm buhlen, denn sie will keine Sakramentsschänderin sein. (g) Täufer: Menno Simons, David Joris (Susanna 6 und 7)
Geh ich zu Menno Simons363, so muss ich nicht allein ein Ketzer sein, sondern auch ein Wiedertäufer. Hier sagt Susanna das Gleiche wie oben. Geh ich zu David Joris364, so bin ich ein Ketzer und ein Mörder, wie man sagt, dass er ein Mörder sei, ich weiß es nicht, Gott weiß es. Susanna geht nicht zu diesem. Sie will nicht leiden als ein Mörder, wie Petrus gebietet, indem er sagt 1Petr 4, 15 f.: „Niemand aber unter euch leide als ein Mörder oder Dieb oder Übeltäter oder der in ein fremdes Amt greift. Leidet er aber als ein Christ, so schäme er sich nicht, ehre aber Gott in solchem Falle.“ (h) Johannes von Leiden und das Täuferreich in Münster (Susanna 8)
Geh ich zu dem König365 von Münster, so bin ich ein Ketzer und ein Nimrod Gen 10, 8–12, der erste, der Gewalt ausübte auf dieser Welt, und handle gegen Christi Lehre und das Bekenntnis Christi, das er vor dem Landpfleger Pontius Pilatus abgelegt hat, indem er sagte Joh 18, 36: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ und gegen sein Gebot Mt 10, 10, in welchem er den Stock verbietet, und Mt 26, 52 sagt er auch zu Petrus – und dies ist ein Gebot! – „Stecke dein Schwert an seine Stätte!“ O Johannes von Leiden, wie warst du so stolz, das Schwert aus seiner Stätte zu nehmen ohne Befehl des Meisters, und habt beiseite gelassen Eph 6, 17 „das Schwert des Geistes“, welches geboten ist, „welches ist das Wort Gottes“, und habt gesündigt gegen den heiligen Geist. O ihr Buhler des Königs von Münster, höret, höret, lasst ab, lasst ab! Warum wendet ihr euch vom Geist zu dem schwachen Fleisch? Oder 365
Johann Bokelson oder Jan von Leiden, geb. 1509 in der Nähe von Leiden, gest. 22. 1. 1536 in Münster. Nach einem unruhigen Berufsleben und mehreren Reisen seit Anfang 1534 in Münster; setzt sich als Prophet an die Spitze der dortigen Täuferrevolution, lässt sich zum König des neuen Jerusalem ausrufen. Er wird, nachdem Bischof Franz von Waldeck die Stadt am 25. 6. 1535 zurückerobert hat, gefangen genommen und hingerichtet.
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edder bedarfft dat swert des gestes dat swert des flesches wat eyn grote laster vnn eyn gruwel gades ys dat O gy leue heren hort vnde anmerct wo dat se alle godt lasterende / de godtlosen vthraden wyllen myt dat Fleschlyke swerdt wente als Dauid secht [401] Psal / 20 / de godtlosen hopen vnn vorlaten syck vp wagen vnde rossen wy ouerst dencken an den namen des heren vnses gades se synt neddergestortet vnde geuallen wy ouerst stan vpgerychteth hyr hor men welck de godtlosen synt vnde hyr nompt de hyllyge geyst dat se godtlosen synt / de / de godtlosen myt dat Fleschlyke swerdt vthraden wyllen vnde noch O Johannes van leyden myt dyne¯ gantzen hupen wat wylstu seggen vnde antworden paulo dar he beschryfft dat gantze harnesch gades Teth anne denn hernesch gades dat gy bestan konnen tyegen de lystygen anlope des duuels wente wy hebben nycht myt Flesche vnde blode tho kempende sunder myt forsten [402] vnde geweldygen nomlyck myt den heren der werlt de yn der dusternysse dessere werlt herschen myt den bosen gesten vndeer den hemmel vmme des wyllen so angrypet den harnasch gades O anmerct anmerct dat he secht gades vnde nycht keysers nycht konyngsch nycht forstynne nycht mensches nycht flesches men gades vp dat gy wedderstan konnen ann den bosen dage vnde alle dynck wol vthrychten vnd dat velt beholden mogen / so stat nu vmgegordelt yuwe lenden myt warheyt vnde angetagen myt de¯ kerenet der gerechtycheyt vnde besteuelt ann den benen alse verdych tho dryuen dat euangelium des Fredes dar gy mede [403] bereydet synt vor allen dyngen ouerst ergrypet den schyldt des gelouens myt welckeren gy konnen vthlosen alle vurygen pylen des bosewychtes vnn nemet den helm des heyls [151 a] vnde dat swerdt des gestes welcker ys das wort gades vnde byddet stedes yn aller nodt ym geste. O anmerct ys hyr wat flesches genomet vnde lest dat elffte Capittel Jsaie dar he secht he wert myt den staue synes mundes de erde slan vnde myt den adem syner lyppen den godtlosen doden vnde Osee 1 / yck wyl my erbarmen auer dat huss yuda vnde wyl en helpen dorch den heren eren godt yck wyl en ouerst nycht [404] helpen dorch bagen / swert / strydt / perden / edder ruters O gy allen de dat swert nemen anmerct wo dat gy dwelen vn Jsaie / 31 / Wee den de hen aff then yn egypten vmb hulpe vnde vorlaten syck vp perden vnd hopene vp wagene dat dar sulue veele synt vnn ruters darumb dat se ser starck synt O we gy allen de thot swerts hulpe lopen schal dan ock godt doen tyegen syn vorboth dar he eyn wee vpgelecht hefft so we godt wente he drouwet myt de¯ wee de / de hen aff theen yn egypten. O wat groter laster gades ys dat vnd dat moste syn wert dat godt
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benötigt das Schwert des Geistes das Schwert des Fleisches? Was ist das für ein großes Laster und ein Gräuel vor Gott! O Ihr liebe Herren, hört und achtet darauf, wie sie alle Gott lästern, die Gottlosen ausrotten wollen mit dem fleischlichen Schwert. Denn wie David sagt Ps 20, 8: Die Gottlosen hoffen und „verlassen sich auf Wagen und Rosse; wir aber denken an den Namen des Herrn, unsres Gottes. Sie sind niedergestürzt und gefallen, wir aber stehen aufrecht.“ Hier höre man, welche die Gottlosen sind. Und hier nennt der heilige Geist, dass diejenigen die Gottlosen sind, die die Gottlosen mit dem fleischlichen Schwert ausrotten wollen. Und weiter, o Johannes von Leiden mit deinem ganzen Haufen: Was willst du auf Paulus Eph 6, 11–18 sagen und antworten, wo er die ganze Rüstung Gottes beschreibt: „Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes“ – o achtet, achtet darauf, dass er sagt „Gottes“ und nicht: des Kaisers, nicht des Königs, nicht der Fürstin, nicht des Menschen, nicht des Fleisches, sondern „Gottes“! – „damit ihr widerstehen könnt an dem bösen Tage und alle Dinge wohl ausrichten und das Feld behalten könnt. So steht nun, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt, bereit, zu treiben das Evangelium des Friedens, mit dem ihr ausgestattet seid. Vor allem aber ergreifet den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes. Und bittet stets in aller Not im Geist.“ Oh, achtet darauf: Ist hier etwas Fleischliches genannt? Und lest das 11. Kapitel des Jesaja, wo er sagt Jes 11, 4: „Er wird mit dem Stabe seines Mundes die Erde schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten.“ Und Hos 1, 7: „Ich will mich erbarmen über das Haus Juda und will ihnen helfen durch den Herrn, ihren Gott; ich will ihnen aber nicht helfen durch Bogen, Schwert, Rüstung, Pferde oder Reiter.“ O ihr alle, die ihr das Schwert ergreift, nehmt wahr, wie sehr ihr irret! Und Jes 31, 1: „Weh denen, die hinabziehen nach Ägypten um Hilfe und sich verlassen auf Pferde und hoffen auf Wagen, weil ihrer viele sind, und Reiter, weil sie sehr stark sind.“ Oh weh euch allen, die der Hilfe des Schwerts nachlaufen! Wird dann auch Gott gegen sein Verbot handeln, auf das er ein „Wehe“ gelegt hat? Ebenso wie Gott, wenn er mit dem Wehe denen droht, die hinabziehen nach Ägypten. Oh, was für ein großes Laster ist dies vor Gott, und das musste so schwer sein, dass Gott des
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bederuede dat fleschlyke swerdt vmb syn wordt tho beschermen vnde de vyende des worts tho vordelgen wo wert hudes dages godt gelastert van de de dar seggen wy synt sehers O Edele heren hebt hyr wol acht vp susanna [405] wyl myt dessen nycht boleren se wyl nycht vallen yn de we gades Gha yck hen tho batenborch so byn yck eyn ketter vnde Lamech de dar erst gesundyget hefft tyegen de scheppynge gades nemende twe wyuen warumb dat he geslagen ys gewest myt blyntheyt vnde schot doet caynn vnde veel yn de pene de dar vpgesettet was Ge / 4 / O nu du batenborch du sundygest nycht allene tyegen de scheppynge gades men ock tyegen de lerynge Chrysty Matt / 19 / vnde tyegen de lerynge des geystes 1 Cor / 7 / vmme der horereye wyllen hebbe eyn ydtlyke syne egen frouwe vnde eyn ydtlycke hebbe eren egen man O batenborch desse sunde wert nycht vorgeuen noch yn desser werlt noch yn yenner werlt Matt / 12 / O wo scholde susanna myt dessen [406] boleren dar se louet hyr vergeuynge der sunden se wyl nycht sundygen tyegen den hyllygen geyst O nu myn alderleueste heren wor schal yck my tho keren edder ghan O wol schal my de rechte dudynge vnde vorstandt des werdygen nachtmals des heren geuen nycht mych [151 b] allene men ock alle mynschen vp der gantze erbode dat begere vnde wunsche yck o vader van gantzer myner herten vp dat wy nycht en queme noch yn gades hant noch yn der mynschens lasterynge / hader / voruolgynge / voryaagynge / O yck fruchte godt myn vader O wol schal my geuen dat yck mach reden vnde schryuen also dat myns herens name nycht werde gelastert vnde de kleynen de yn Chrystum gelouen nycht geergert werden O wol schal my dat geuen dan du [407] godt allene wo wol yck dat nycht werdych byn doch dyn gudycheyt vnde barmhertycheyt de dar bauen alle dyne wercken gheyt so ys se ock groter dan myne myssedadt warumb yck mych nycht entholden kan wo groth dat myn sunden syn yck moth tho dy lopen / snellen / vnde kamen myt de¯ vorlaren szon vnde seggen myt densuluygen yck byns nycht werdych dat yck dyn sone sy wente yck hebbe gesundyget yn den hemel vnd ock yn dy myt dyssen betrouwen kame yck tho dy O vader du kanst dy suluest nycht vorsaken 2 / Timo / 2 / O vader schycke nu yn deser nodt de thosage des sons Johan / 14 / den troster de mych wert leyden yn allen warheyt vnde / 1 / Joha / 2 / de saluynge de vns alledynck leeret vn bederuen nycht [408] dat vns yemant
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fleischlichen Schwerts bedurfte, um sein Wort zu beschirmen und die Feinde des Worts zu vertilgen. Wie wird heutigentags Gott gelästert von denen, die da sagen, wir sind Seher. O edle Herren, achtet hierauf! Susanna will mit diesen nicht buhlen, sie will nicht dem Wehe Gottes verfallen. (i) Batenburg (Susanna 9)
Geh ich hin zu Batenburg366, so bin ich ein Ketzer und Gen 4, 17–24 Lamech, der als erster gesündigt hat gegen die Schöpfung Gottes, indem er zwei Frauen nahm. Deshalb wurde er mit Blindheit geschlagen, erschoss Kain und verfiel damit [Gen 4, 15] der Strafe, die dafür bestimmt war. O Batenburg, du sündigst nicht allein gegen die Schöpfung Gottes, sondern auch gegen die Lehre Christi Mt 19, 4 f. und die Lehre des Geistes 1Kor 7, 2: „Wegen der Unzucht soll jeder seine eigene Frau haben und jede Frau ihren eigenen Mann.“ O Batenburg, diese Sünde Mt 12, 32 wird „nicht vergeben, weder in dieser Welt noch in jener Welt“. Oh, wie sollte Susanna mit diesem buhlen? Sie glaubt hier an die Vergebung der Sünden, sie will nicht sündigen gegen den heiligen Geist. (k) Der Geist gibt die rechte Deutung des Abendmahls
O nun, meine liebsten Herren, wohin soll ich mich kehren oder gehen? Oh, wer wird mir die rechte Deutung und das Verständnis des hochwürdigen Nachtmahls des Herrn geben, nicht mir allein, sondern auch allen Menschen auf dem ganzen Erdboden? Das begehre und wünsche ich, o Vater, von ganzem Herzen, damit wir weder gerieten in Gottes Hand noch in der Menschen Lästerung, Streit, Verfolgung, Vertreibung. Oh, ich fürchte, Gott, mein Vater, oh wer wird mir das geben, dass ich so reden und schreiben kann, dass der Name meines Herrn nicht gelästert werde, und [Mt 18, 6] die Kleinen, die an Christum glauben, nicht geärgert werden? Oh, wer soll mir das geben denn du Gott allein, wiewohl ich dessen nicht würdig bin! Doch deine Güte und Barmherzigkeit, die da über alle deine Werke geht, so ist sie auch größer als meine Missetat. Darum kann ich mich nicht enthalten: Wie groß meine Sünden auch sind, ich muss zu dir laufen, eilen und kommen mit dem verlorenen Sohn und mit diesem sagen [Lk 10, 21]: „Ich bin nicht wert, dass ich dein Sohn sei, denn ich habe gesündigt vor dem Himmel und auch vor dir“ Mit diesem Zutrauen komme ich zu dir, o Vater, 2Tim 2,13 „du kannst dich selbst nicht verleugnen“. O Vater, schicke nun in dieser Not die Verheißung des Sohns Joh 14, 26 [16, 13]: den Tröster, der mich in alle Wahrheit leiten wird und die Salbung 1Joh 2, 27, die uns alle Dinge lehrt, und 366 Jan van Batenburg, geb. 1495, zunächst Bürgermeister in Steenwijk (Niederlande), schließt sich den militanten Täufern an, bejaht die Polygamie, stirbt 1538 in Vilvoorde bei Brüssel auf dem Scheiterhaufen.
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leere sunder als de saluynge vns allerley leret so yst war vnde nene logen O wat eyn trost ys dyth wol kann es vthspreken vnde wo grotlyken ys se van noden wente ane dyssen gest weth ock nemant wat yn gade ys ane allene de geyst gades / 1 / Cor / 2 / (O leue heren ys desse gest yn eyn super / haders / brassers / vnde yn en praler van de almissen vnd sweth der armen luden / 2 / Petri / 2 / vnde Iude Edder ys desse gest yn de vyenden de crutzes Chrysty / welckerer ende ys de vordomenisse / welckerer godt / de buck ys / vnde er eere tho schanden wert / der / de erdych gesynnet synt / Phylyp / 3 / ) szo gha yck to Chrystum den belauer de dar geworden ys de wysheyt vns van gade 1 / Cor / 1 / de dar vorsteyt vp vordeckede worden vnde weth [409] de affradelssge vth tho losende vnde eyn gut radtgeuer ys vnde eyn troster yn sorgen vnd trurycheyt Sapi / 8 / (Wente de worden des nachtmals chrysty synt vordecte worden wo klaer vnde heller dat se schynen wente het ys eyn sacrament dat se alle belyden vnd seggen wente [151 c] dysse worden dat ys myn lyff synt nen lere nen thosage nen drouwe darumme eyn sacrament) O gy allen de vorstandt hebben kent hyr wat eyn sacrament ys vnde alle sacraments worden vnde van Fyguren / van gelykenyssen / van parabolen / van vysyonen / van dromen / nycht allene der framen men ock der godtlosen als Pharonis Gene / 41 / vnde des schenckers vnde beckers Pharonis Gene / 40 / vnde des droms des konyngs na Nebuaednezar Danyelis / c / 2 / vnde des geschryffs dat Belsezer sach Dani / c / 5 / wol kan se alle [410] vorhalen van anfang der werlt her vnd de gelykenysse Jhesu Matt / 13 / vnde parabolen Chrysty / yn voel platzen des euangelis vnde dat vision petri Acto / 10 / vnde de Apenbarynge Johannis per totum) dysse allen beduden anders dan se luden vnd dyt suluyge bekennen se suluest anders werent nen sacramenten / fyguren / gelykenyssen / parabolen / Dromen vysionen O heren hebt hyr acht vp vnd rycht hyr eyn recht ordel anseet hyr nen personen noch rycht hyr nycht na de¯ angesychte wente yck vorhope dat dar nemant gefunden schal werden so stolt vnde vnbeschampt de hyr mach tyegen seggen edder duden se als de worden luden anders weren se nen sacramentenn fyguren etc O anmerct wat hyr gesecht ys so o heren gha yck nu tho den de dar vul gnaden ys vnde warheyt vnd van syner [411] vulle hebben wy alle genamen Joha / 1 / So bydde yck van syner vulle eyn droppelken myt dat frouken van cananee de dar badt vm eyn kromken de dar vallen van den tafel de de hundekens Eeten de de hundekens nycht gewegert en syn Matt / 15 / vnde Luce / 10 / vm dyth 2 21 22 34
es B e A na Nebucadnezar B na Nebuardnezar A geschryffs Kj geschyffs A gesichtes B genamen B genamamen A
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wir bedürfen nicht, dass uns jemand lehre, sondern wie die Salbung uns alles lehrt, so ist es wahr und keine Lüge. Oh, welch ein Trost ist das, wer kann es aussprechen, und wie dringend ist sie nötig. Denn ohne diesen Geist weiß auch niemand, was in Gott ist, außer allein dem Geist Gottes 1Kor 2, 10. (O liebe Herren, ist dieser Geist in einem Säufer, einem Zänker, 2Petr 2, 13; Jud 12: einem Prasser, oder einem, der mit Almosen prahlt und dem Schweiß der armen Leute? Oder ist der Geist Phil 3, 18 f. in den „Feinden des Kreuzes Christi, welcher Ende die Verdammnis ist, welcher Gott der Bauch ist und ihre Ehre zuschanden wird, derer, die irdisch gesinnt sind“?) (l) Abendmahlsworte sind verhüllt
So gehe ich zu Christus, dem Gelobten, 1Kor 1, 30 der uns zur Weisheit von Gott wurde, Weish 8, 8 f. der sich versteht auf verhüllte Worte „und weiß, Rätsel aufzulösen“, „ein guter Ratgeber ist und ein Tröster in Sorgen und Traurigkeit“ (Denn die Worte des Nachtmahls Christi sind verhüllte Worte, wie klar und hell sie auch scheinen mögen; denn es ist ein Sakrament, von dem sie alle bekennen und sprechen, denn diese Worte „Das ist mein Leib“ sind weder Lehre noch Verheißung noch Drohung und deshalb ein Sakrament. O ihr alle, die Verstand haben, erkennet hier, was ein Sakrament ist und was alle Worte vom Sakrament sind, und [Worte] von Figuren, von Gleichnissen, von Parabeln, von Visionen, von Träumen – nicht allein der Frommen, sondern auch der Gottlosen wie Gen 41, 1–4 des Pharao und Gen 40, 5 des Mundschenken und des Bäckers des Pharao und Dan 2, 1 des Traums des Königs Nebukadnezar und Dan 5, 5 der Schrift, die Belsazar sah. Wer kann sie alle vom Anfang der Welt an erzählen? Und Mt 13 die Gleichnisse Jesu und die Parabeln Christi an vielen Stellen des Evangeliums und Apg 10, 10–16 die Vision des Petrus und die Offenbarung des Johannes durch das ganze Buch hindurch.) Diese alle bedeuten etwas anderes, als sie lauten. Und dieses bekennen sie selbst, sonst wären sie keine Sakramente, Figuren, Gleichnisse, Parabeln, Träume oder Visionen. O Herren, habt hierauf acht und sprecht ein gerechtes Urteil, sehet keine Personen an und richtet hier nicht nach dem Angesicht! Denn ich hoffe, dass niemand sich als so hochmütig und unverschämt erweisen wird, der hier widersprechen mag oder so deuten will, wie die Worte lauten. Sonst wären sie keine Sakramente, Figuren usw. Oh, nehmet wahr, was hier gesagt ist. So, o Ihr Herren, gehe ich nun zu dem, der da ist Joh 1, 16 „voller Gnade und Wahrheit und von seiner Fülle haben wir alle genommen [Gnade um Gnade].“ So bitte ich von seiner Fülle ein Tröpfchen mit der kanaanäischen Frau Mt 15, 27; Mk 7, 28, die um eines der Krümchen bat, die von der Tafel fallen, die die
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10. Cornelius Falconissa (Westrum)
hochwerdyge sacrament des nachtmals Christy recht tho vorstande dat yck de heren my ouerycheyt eyn recht antworde dat se van my begeren dar godt mach dorch geeret syn vnde myn negeste nycht geergert so hore yck en spreken tho my yn myner moye yn myner drofenysse yn myner nodt / dat he sprack tho Martha / O Martha martha luce / 10 / du hebst vele sorge vnde moye (als yck ytzuns hebbe) eynerley ys ouerst van noden Maria hefft dat beste deel [412] vtherkaren dat schal nycht van eer genamen werden O heren dat del ys de rechte erkentenysse van de hemelycheyt des hochwerdygen sacra[152]ment Jhesu Chrysty so wyl yck nu gan tho nemant anders myt Maria tho synen voten vnde tho den de dar ropt alle de beladenen synt kamet tho my yck wyl yw erquycken Matt / 11 / vnd Luce / 10 / vnd tho louwe de dar ys vant geslechte Iyuda eyn wortel Dauid de dar hefft auerwunnen (hebbet eynen guden moet yck hebbe de werlt auerwunnen Joha / 16 / ) vpthodoende dat bock vnde tho brekende syne seeuen scegelen went dar ys nemant beuunden ym hemel noch vp erden noch vnder der erden de dat bock konde vp doen noch daryn seen Apoca / 7 / vnd noch gha yck (wo schal yck en mogen [413] prysen lauen romen vnde groth maken vnd syn sacrament) tho den dar aff stat geschreuen Psal / 119 / yck byn geleerder alse myne lerers vnd byn vorstendyger als de olderen / vnd noch gho yck tho den dar affgeschreuen steyt Psal / 1 / Der nycht gewandert en hefft ym rade der godtlosen noch getreden heffet vp den wech der sundern noch geseten hefft dar de spotters sytten wo kann yck en groter maken dar yck tho gha de my schal vplosen de hemelycheyt des hochwerdygen nachtmals chryst o heren gy Fraget my nu wat hefft he dy gesecht den du so prist vnde romest tho wen du snellest als eyn herte tho den borne van dyth hochwerdych nachtmall [414] Chrysty Jck byn bereyt tho seggende men dat godt geue dat gy wolden thofreden syn myt myn erkentenysse als Chrystus tho Freden was myt Petri erkentenysse Johan / 6 / Effte nycht tho Frede vnde ock alle de yn de gantze werlt synt wat achte yck dat Als Chrystus tho Frede ys als paulus roma / 8 / secht ys godt vor vns wol kan den wedder vns syn? wol wyl de vtherweldenenn gades beschuldygen godt ys hyr de dar rechtuerdych maket wol wyl se vordomen / Chrystus ys hyr de gestoruen ys wol wyl vns scheydenn van de erkentenysse des nachtmals Chrysty dar chrystus mede tho Frede ys droffenysse / edder angest / edder voruolgynge / edder hunger / edder blotheyt / edder varlycheyt / edder swerdt / nen nen yck moth reden [415] Jck moth myn lyppen vpdon
33 wyl fehlt bei A
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10. Cornelius Falconissa (Westrum)
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Hündchen essen und von denen nicht eins den Hündchen verweigert wird, um dieses hochwürdige Sakrament des Nachtmahls Christi recht zu verstehen, damit ich den Herren meiner Obrigkeit richtig antworte, was sie von mir begehren, wodurch Gott geehrt werden kann und mein Nächster nicht geärgert. So höre ich ihn zu mir in meiner Mühe und meiner Betrübnis und in meiner Not sprechen, was er zu Martha sprach Lk 10, 41 f.: „O Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe“ (wie ich sie jetzt habe). „Eines aber ist nötig. Maria hat das beste Teil erwählt, das soll nicht von ihr genommen werden.“ O ihr Herren, das „Teil“ ist die rechte Erkenntnis vom Geheimnis des hochwürdigen Sakraments Jesu Christi. So will ich nun zu niemand anderem gehen als mit Maria zu seinen Füßen, und zu dem, der da ruft Mt 11, 28 „alle, die beladen sind“: „Kommet her zu mir, ich will euch erquicken!“, und [Apk 5, 5] zu dem „Löwen aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, die da überwunden hat“ (Joh 16, 33: „Seid getrost, ich habe die Welt überwunden“) um das Buch aufzutun und seine sieben Siegel zu zerbrechen, denn Apk 5, 3–5 da fand sich „niemand im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, aufzutun das Buch und hineinzusehen“. Und jetzt gehe ich (wie soll ich ihn und sein Sakrament gebührend preisen, loben, rühmen und groß machen?) zu dem, von dem geschrieben steht Ps 119, 99 f.: „Ich bin gelehrter als meine Lehrer. Ich bin verständiger als die Alten.“ Und jetzt gehe ich zu dem, von dem geschrieben steht Ps 1, 1: „Der nicht gewandelt ist im Rat der Gottlosen noch betreten hat den Weg der Sünder, noch gesessen hat, wo die Spötter sitzen.“ Wie kann ich ihn größer machen, als dass ich zu ihm gehe, der mir das Geheimnis des hochwürdigen Nachtmahls Christi aufdecken soll? (m) Hoffentlich genügt den Beamten Christi Antwort
O Ihr Herren, Ihr fragt mich nun: Was hat er, den du so preisest und rühmst und zu dem du eilst wie ein durstiger Hirsch zur Quelle, dir über das hochwürdige Nachtmahl Christi gesagt? Ich bin bereit, es zu sagen, aber Gott gebe es, dass Ihr mit meiner Erkenntnis zufrieden seid, wie Christus Joh 6, 68 f. mit der Erkenntnis des Petrus zufrieden war, oder auch nicht zufrieden – und seien es auch alle, die in der ganzen Welt wohnen – was achte ich das, wenn nur Christus zufrieden ist, wie Paulus Röm 8, 31.33–35 sagt: „Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will sie verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist. Wer will uns scheiden“ von der Erkenntnis des Nachtmahls Christi, da Christus damit zufrieden ist? „Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?“ Nein, nein, ich muss reden, ich muss meine Lippen auftun und antworten. Ich kanns nicht länger hinaus-
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10. Cornelius Falconissa (Westrum)
vnde antworden yck kans nycht langer vortrecken yck wyl nemandes personen anseen vnde wyl nenen mynschen bero[153]men went yck wete es nycht wen yck ydt rede dede eff my myn schepper auer eyn kleyn wyle wechnemen worde / hyob / 32 / So segge yck nu De worden des hochwerdygen nachtmals des heren yhesu Chrysty synt worden des leuendes. O gy leuen heren Jck dancke vth gruntz mynes herten godt den vader vnses heylandes dat yck so werdych geuunden byn dat yck myt Petro so vel gekregen hebbe O loff / loff / loff / Eyn erkentenysse des hochwerdygen nachtmals Jhesu Chrysty vnde antworde myt petro Joha / 6 / Wor schal yck [416] gan. Du heffst worden des ewygen leuendes vnde wy hebben gelouet vnde erkent dat du byst Chrystus de szone des leuendygen gades O louwe van yuda vnde wortel Dauyd vnd o lam dat erworget ys du byst werdych tho nemende van my pryss / vnde eere / vnde krafft / vnde loff / vnde roem / van ewycheyt tho ewycheyt dat du my heffst gegeuen den rechte vorstandt (de nemant kann straffen) des hochwerdych nachtmal Jhesu Chrysty O gy heren vellychte gy synt hyr nych mede tho Freden dar Chrystus mede tho Frede was vnde ys men gy wylt dat yck segge dat Chrystus dar ys so frage yck nu jw ock ys he [417] dar wo ys dan syn gedechtenysse wente gedechtenysse geschuth van eyn dynck edder dyngen de dar nycht en syn Js he dan dar so en yst syn gedechtenysse nycht o vader aller trostes / 2 / Cor / 1 / de vns trostet yn alle vnse droffenysse trost my nu dat yck de warheyt bekennen mach vnde allen Framen heren vnd myn ouerycheyt mach genoch doen vnde allen mynschen yn dysse grote sake O here der heren O here der herscheren myn ogen synt allene tho dy myn vortrouwen bystu allene vnde yck vorlate mych allene tho dy yck wylt wagen vnde nycht swygen dat dell dat my ys gegeuen vnde mych nycht genamen schal worden O du ryke [418] arme warumme bekommerst dy du suluest spreck heruth oplyken horet nu horet nu noch eyn mal horet gy heren vnd alle de oren hebben vm tho horende Chrystus Jhesus ys warafftych ynn syn hochwerdyge nachtmal anders weren de worden / worden des dodes welcke worden yck belyde vnd beleden hebbe dat desse worden / worden des eewyges leuendes synt Wens gedechtenysse (O heren) ys dan [154] Jck antworde myt de prophete dauid Psal / 111 / he hefft eyn gedechtenysse gemaket syner wunder de gnedyge vnde barmhertyge here gelyck als hyr steyt de gnedyge here hefft gemaket eyn gedechtenysse nycht syner men syner wunder also holde wy dat hochwerdyge nachtmal des he[419]ren Jhesu Chrysty tho gedechtenysse nycht syner als gesecht ys bauen sunder synes wunderlyke 13 eere B eeere A 18 he B he he A (versehentliche Wiederholung auf der neuen Seite) 30 Chrystus A in größeren Buchstaben
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ziehen, ich will niemandes Person ansehen und will keinen Menschen rühmen. Hi 32, 22: „Denn ich weiß es nicht,“ wenn ich es gerade täte, ob „mich mein Schöpfer bald dahinraffen“ würde. So sage ich nun: Die Worte des hochwürdigen Nachtmahls des Herrn Jesu Christi sind Worte des Lebens. O Ihr lieben Herren, ich danke aus dem Grund meines Herzens Gott, dem Vater unseres Heilands, dass ich für würdig befunden bin, dass ich mit Petrus empfangen habe – oh, Lob, Lob, Lob! – eine so große Erkenntnis des hochwürdigen Nachtmahls Jesu Christi, und ich antworte mit Petrus Joh 6, 68: „Wohin soll ich gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens und wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ [Apk 5, 5. 12 f.] „O Löwe von Juda und Wurzel David, o Lamm, das erwürgt ist, du bist würdig zu nehmen von mir Preis, und Ehre, und Kraft und Lob, und Ruhm von Ewigkeit zu Ewigkeit“, dass du mir das rechte Verständnis (das niemand tadeln darf) gegeben hast des hochwürdigen Nachtmahls Jesu Christi. (n) Christi Gegenwart im Abendmahl
O Ihr Herren, vielleicht seid ihr hiermit nicht zufrieden, womit Christus zufrieden war und ist, sondern Ihr wollt, dass ich sage, dass Christus anwesend ist. Deshalb frage ich nun auch Euch: Wenn er anwesend ist, wie ist dann sein Gedächtnis? Denn ein Gedächtnis findet statt bei einem oder mehreren Dingen, die nicht darin anwesend sind. Ist er dann anwesend, so findet sein Gedächtnis darin nicht statt. 2Kor 1, 3 f.: „O Vater allen Trostes, der uns tröstet in aller Trübsal“, tröste mich nun, dass ich die Wahrheit bekennen und allen frommen Herren und meiner Obrigkeit und allen Menschen in dieser großen Sache genugtun kann. O Herr der Herren, o Herr der Heerscharen, meine Augen sind allein auf dich gerichtet, mein Vertrauen bist du allein und ich verlasse mich allein auf dich. Ich will es wagen und nicht verschweigen [Lk 10, 42] „das Teil“, das mir gegeben wurde und „mir nicht genommen werden soll“. O du reicher Armer, warum bekümmerst du dich über dich selbst? Sprich es öffentlich aus: Höret nun, höret nun noch einmal, höret Ihr Herren und alle, die Ohren haben um zu hören: Christus Jesus ist wahrhaftig in seinem hochwürdigen Nachtmahl, sonst wären die Worte nur Worte des Todes, welche Worte ich bekenne und bekannt habe, dass diese Worte Worte des ewigen Lebens sind. (o) Das Gedächtnis der Wunder Christi
Wessen Gedächtnis, o Herren, ist es dann? Ich antworte mit dem Propheten David Ps 111, 4: „Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Herr.“ Gleich wie hier steht, der gnädige Herr hat ein Gedächtnis gemacht nicht „seiner“, sondern „seiner Wunder“, so halten wir das hochwürdige Nachtmahl des Herren Jesu Christi
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11. Petrus Kempis (Pakens)
wercks nomlyck besunder des dodes vnd des blodes vor vns sunden vorgaten vnn syns vpstandynge tho vnser gerechtycheyt Roma / 4 / O Edele heren hyr hebbe gy myn blodt vthgemalt herte wat yck vole vnde geloue myt myn herte vnde belyde myt mundt van dat hochwerdyge nachtmal Chrysty Jck bydde yw wylt hyr mede tho Frede syn wente gy synt de alder ersten de solck erkentenysse van my gehort hebt Nu wylt my nu nycht mer angesten vnde benauwen edder bangycheyt andoen / edder vorgrypet yw nycht wyder an my dat bydde ick [420] O gy heren horet horet my vnde volget my wente yck wake auer yw seelen alse de dar rekenschop daruor geuen schal vp dat yck dat myt frouden doen vnde nycht myt suchtende wente dat ys yw nycht gudt hebre / 13 / vnse trost ys de dat yck eyn gude Conscientie hebbe vnde beulytyge my eyn gudt wesent tho vorende by yw vnd by allen mynschen Frede vnde gnade sy myt yw godt ouerst des Fredes de make yw geschycket thot erkenen dat yck yw hyr geschreuen hebbe tho erkennen syn warheyt de hyr geschreuen ys dorch mych vnd maket yw geschycket yn allen guden wercken tho donde sy[421]nen wyllen vnd schaffe yn yw wat vor em behegelyck ys dorch Jhesum Chrystum vnses heylandes den sy eere loff / pryss / van ewycheyt tho ewycheyt Amenn Amenn Amenn Laus Deo Hic obijt extremum diem antequam haec scripta perficerentur. In Wippelenss nemo praeest.
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11. Petrus Kempis (Pakens) [155] Petrus Kempis. Nach dem ydt yn der vorledende conuocation beredet yst dat eyn jder Pastor vnn Vicarius yn mynen gnedigen Frauchen Lande geseten (eyne Christlike reformation yn Er gnaden lande anthorichten nodich) vp de 8 11 12 18 21 24
ick fehlt in A yw fehlt B Conscientie B Consientie A den fehlt A Hic … praeest. B Abdruck auch bei Trümper 2, 67 und Sehling 975.
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11. Petrus Kempis (Pakens)
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zum Gedächtnis nicht „seiner“, wie oben gesagt ist, sondern seines wunderbaren Werkes, nämlich besonders Röm 4, 25 des Todes und des für unsere Sünden vergossenen Blutes und seiner Auferstehung um unserer Gerechtigkeit willen. (7) Nachwort an die Beamten
O edle Herren, hier habt Ihr mein bloßes, abgeschildertes Herz: Was ich fühle und glaube mit meinem Herzen und bekenne mit meinem Mund von dem hochwürdigen Nachtmahl Christi. Ich bitte, dass Ihr hiermit zufrieden seid, denn Ihr seid die allerersten, die solche Erkenntnisse von mir gehört haben. Nun wollet mich nun nicht mehr ängstigen und bedrängen oder mir bange machen oder Euch wieder an mir vergreifen. Darum bitte ich. O Ihr Herren, höret, höret mich und folget mir, denn Hebr 13, 17 f. 20 f. ich „wache über Eure Seelen, als der da Rechenschaft darüber ablegen soll, dass ich das mit Freuden tue und nicht mit Seufzen, denn das wäre für euch nicht gut. Unser Trost ist, dass wir ein gutes Gewissen haben, und ich befleißige mich, ein gutes Leben zu führen“ bei Euch und allen Menschen. Friede und Gnade sei mit Euch. „Der Gott des Friedens aber, der mache Euch tüchtig“ zu erkennen, was ich Euch hier geschrieben habe, zu erkennen seine Wahrheit, die hier durch mich geschrieben ist, „und mache Euch tüchtig in allen guten Werken, zu tun seinen Willen, und schaffe in Euch, was ihm gefällt durch Jesus Christus, unseren Heiland, welchem sei Ehre, Lob und Preis von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ Amen. Amen. Lob sei Gott! Hermannus Heronis fügt seiner Abschrift an:
Dieser starb am letzten Tag, bevor diese Schrift 367 vollendet wurde. In Wüppels steht niemand der Gemeinde vor.
11. Petrus Kempis (Pakens) Petrus Kempis (1) Der obrigkeitliche Auftrag und die kirchliche Einheit
Nachdem es in der vergangenen Zusammenkunft368 beredet worden ist, daß ein jeder Pastor und Vikar, die in meiner gnädigen Fräulein Lande sitzen (da es nötig ist, in Ihrer Gnaden Lande eine christliche Reformation 367
Da Cornelius Falconissa sein Bekenntnis eigenhändig vollendet hat, muss mit diese Schrift (haec scripta) die durch Hermannus Heronis angefertigte Abschrift gemeint sein. 368 Am 12. November 1548.
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11. Petrus Kempis (Pakens)
reformation Interim (myt sampt belyding synes Christliken gelouens / vnn gebruck der Sacramenten / vnn Ceremonien / so er in syner kercken holt vnn gebruket) schrifftlike antwordt vnn belydung scholde hen stellenn / derwyle nene Christlik eyndracht / vnn gebruck / beyde der Sacrament vnn Ceremonien in Er gnaden kercken geholden vnn gebruket werden / daruth schismaten / vpror / twydracht vnde spalding vtherwaßen vnn erhauen / mochten / de doch alrede apenbar worden synt / darmede de krancken gewethen vnn simpele conscientie ganß vnn gar vorledet vnn vndergedrucket werdenn / dar dorch syck frame Christen (dewyle Mester klokeling noch leuet) scholden bedregen lathen / went moglick were / ouerst Godt weet welcke he erwelet hefft etc Derhaluen byn ick wyllich ytzundt myne Confeßionem fidei schrifftlick vnn altidt montlick dar hen tho stellen / wente Christus secht / wer mych bekendt vor den mynschenn etc vnn Dauid secht *Psal. 119.** Loquebar de testimonijs tuis in conspectu Regum et non confundebar. Des help my vnn allen Euangelischen predicanten Jesus Christus Amen. Confessionem meae fidei breuibus articulis soluam, opitulatore Christo. De reformation Interim genomet / hebbe ick myt iuditio gelesen / vnn wol vorstan / etzelecke Articulen luyden wael / etzelecke luyden nicht wael / Wente ein Rycke dat wedder sick suluest ys kann nicht bestan / also ys dat Interim in eyne¯ articulo Redemptionem vnn remißionem peccatorum per Christum / in altero ex opere operato / kan nicht bestan / wente eyner rechter Christ mach nicht schyuelenn / wo gelick Belial Christo? wo geliket dyt Interim den Euangelio? keinerley wyß. Derhaluen steyt es nicht tho bewylligen anthonemende. Wat mer jst beuelen wy M. Philippo Melanthoni vnn anderen gelerden / de alrede [156] genochsam mynes bedunckens geantwordet hebben. Wy bydden ou[erst] vm ein Christlike Euangelische reformatio vnn kercken ordning / de th[o] eren / vnn nicht lastering gades angericht werde / de tho fordering des Euangelij gedyen mach. Das help vns Godt 18 iuditio unterstrichen 21 Die Begriffe redemptio (Interim 3/41) und remissio (Interim 8/57) weisen darauf hin, daß Kempis in die lateinische Fassung des Interim Einsicht genommen hat. 369
Gemeint ist die zweite Versammlung der Pastoren in Jever vom 3. Dezember 1548, bei der Petrus Kempis sein Bekenntnis einreichen wird. 370 Mit Reformation ist hier abweichend vom modernen Sprachgebrauch eine wörtlich festgelegte Kirchenordnung gemeint, die in der Kirche gelten soll. Das Interim verwendet diesen Begriff allerdings nur für das Dokument, das der Kaiser für die altgläubigen Territorien ausarbeiten ließ (Vorrede 34). Für das Interim selbst wird der Begriff rathschlag/consilium (Vorrede 32.33) gebraucht.
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(1. 2)
11. Petrus Kempis (Pakens)
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durchzuführen) auf die »Interim« genannte Reformation eine schriftliche Antwort und ein Bekenntnis aufstellen sollten (samt einem Bekenntnis seines christlichen Glaubens und über den Gebrauch der Sakramente sowie der Zeremonien, die er in seiner Kirche einhält und durchführt), weil keine christliche Einheit und Ordnung sowohl der Sakramente als auch der Zeremonien in Ihrer Gnaden Kirchen gehalten und durchgeführt wird, woraus Trennungen, Aufruhr, Zwietracht und Spaltungen erwachsen und sich erheben könnten, die doch allbereits offenbar geworden sind, mit denen die kranken Gewissen und einfältigen Gemüter ganz und gar in die Irre geleitet und niedergedrückt werden, wodurch sich fromme Christen (dieweil Meister Klügling noch lebt) wenn möglich betrügen lassen, (aber Gott weiß, wen er erwählt hat), deshalb will ich jetzt369 gerne mein Glaubensbekenntnis schriftlich (und allezeit auch mündlich) hier aufstellen. Denn Christus sagt [Mt 10, 32]: „Wer mich bekennt vor den Menschen, [den will auch ich bekennen vor meinem himmlischen Vater]“. Und David sagt Ps 119, 46: „Ich sprach von deinen Zeugnissen im Angesicht von Königen und wurde nicht zuschanden.“ Dazu helfe Jesus Christus mir und allen evangelischen Predigern! Amen. Das Bekenntnis meines Glaubens will ich mit Christi Hilfe in kurzen Artikeln offenlegen. (2) Das Interim ist widersprüchlich und damit als Kirchenordnung ungeeignet.
Die »Interim« genannte Reformation370 habe ich mit Bedacht gelesen und sehr wohl verstanden. Etliche Artikel lauten gut, etliche Artikel lauten nicht gut. [Mt 12, 25] Denn ein Reich, das gegen sich selbst streitet, hat keinen Bestand. So ist das Interim in einem Artikel für die Erlösung und die Vergebung der Sünden durch Christus, in einem andern für das „ex371 opere operato“ – dies hat keinen Bestand. Denn ein rechter Christ kann nicht schielen. [2Kor 6, 15] „Wie stimmt Belial dem Herrn Christus überein?“ Wie gleicht das Interim dem Evangelium? In keiner Weise! Deshalb ist auch in seine Annahme nicht einzuwilligen. Was mehr zu sagen ist, stellen wir Magister Philipp Melanchthon372 und anderen Gelehrten anheim, die meines Erachtens schon genugsam geantwortet haben. Wir bitten aber um eine christliche, evangelische Reformation und Kirchenordnung, die zur Ehre und nicht zur Lästerung Gottes eingeführt wird und die zur Förderung des Evangeliums gedeihen kann. Dazu helfe uns Gott! 371
Interim 14/75 schreibt den Sakramenten Wirksamkeit zu, ohne den Glauben zu erwähnen, was bei Melanchthon, Loci theologici CR 21, 467 unter dem Stichwort ex opere operato abgelehnt wird. 372 Melanchthon, Bedenken, in: Dingel, Reaktionen 59–75.
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11. Petrus Kempis (Pakens)
Jck scholde io byllick mynen gelouen bekennen wen he nicht bekant were. Jck hebbe ja omtrent 4 jarlanck tho jeuer concionert den einigen gecrutzigeden Christum / vnn syn Sacrament vnn Ceremonien na syne¯ beuele vnn ynsetting ministrert / sonder jenige krakeling vnn beflecking den ick noch hutiges dages bekenne vnn predige bet in den dodt. De overst definitionem Baptismi et coenae dominicae clarius wolde weten van my / de¯ beuele ick Apologiam Confeßionis Ausburgicae et locos communes Magistri Philippi Melanthonis tho lesende / quos ego semper mecum confero. Men scholde ock byllick weten wat Ceremonien ick holdt / vnn in myner kercken gebruck. Dyt synt se / de ick holde / dat ick se myt g[a]der wordt vordedinge wyll. Jnt erste vort sermone syngen wy ein latinse Introitum iuxta exigentiam temporis / darna kyrie eleyson / gloria in excelsis / eyn Collec / den Epistel / vor dat gradual eyn spalm / offte sequentia / iuxta exigentiam temporis / dat Euangelion / Credo / dana predicern wy / sermone finito / so dar Communicanten synt / die praefatio tho latin edder tho dudesch / Sanctus / darna reciteren wy dominicam orationem / verba consecrationis / so singet dat Chor / agnus / Interim communiceren wy [/] darna eyn Collec cum benedictione / darna beuelen wy vns de¯ Herenn. So holden wy vnsen ritum ecclesiasticum / so ouerst hyrwat mede wer / dat nicht myt de¯ worde gades bestan mochte / wyllen wy vns alletydt gerne vnderwisen laten / komm Godt almechtich / de syn christlike kercke beschutten vnn beschermen wyll. Amenn.
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gader Kj; möglich wäre auch guder. exigentiam Kj exigentium B exigentiam Kj exigentium B komm Kj komn B 373
Petrus Kempis kommt als Jeverscher Prediger in den gängigen Verzeichnissen (Meene, Martens, Ramsauer) nicht vor, zeigt also deren Unvollständigkeit. In Jever war er wohl neben Franckenberg als Vikar tätig. 374 BSLK 139–404. 375 Melanchthon, Loci verdeudscht, Melanchthon, Loci 1535 376 Interim 26/135.137. – Zur Pakenser Messe s. Trümper, Reformationsgeschichte 1, 75–78; 2, 66 f. und Sehling 975. 377 Da der Vokal der ersten Silbe im Falz verschwunden ist, kann gader (passend) oder guder (gut) gelesen werden, nicht dagegen Gades Sehling 975.
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11. Petrus Kempis (Pakens)
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(3) Aus vierjähriger Amtsführung in Jever sind Predigtweise und Amtsführung bekannt.
Ich sollte nun ja von Rechts wegen meinen Glauben bekennen, wenn er [in Jever] nicht schon bekannt wäre. Ich habe ja ungefähr vier Jahre in Jever373 den einen gekreuzigten Christus gepredigt und sein Sakrament und die Zeremonien nach seinem Befehl und seiner Einsetzung verwaltet ohne Schnörkel und Zusätze, wie ich ihn bis zum heutigen Tag bekenne und predige bis an mein Ende. Wer aber noch deutlicher eine Definition der Taufe oder des Herrenmahls von mir wissen wollte, dem empfehle ich, die Apologie374 der Augsburgischen Konfession und Magister Philippus Melanchthons Loci375 Communes zu lesen, die ich meinerseits immer heranziehe. (4) Gottesdienstordnung (Pakenser Messe, oder besser: Jeversche Messe)
Man sollte auch zu Recht wissen, welche Zeremonien376 ich halte und in meiner Kirche ausführe. Folgende sind es, die ich so halte, daß ich sie mit passenden377 Worten verteidigen will. Zum ersten singen wir vor der Predigt einen lateinischen Eingangspsalm nach dem Erfordernis der Zeit, danach das Kyrie eleison (Herr, erbarme dich), Gloria in excelsis (Ehre sei Gott in der Höhe), ein Kollektengebet, die Epistel, für das Graduale (Zwischengesang) einen Psalm oder eine Sequenz nach dem Erfordernis der Zeit, das Evangelium, das Glaubensbekenntnis. Danach predigen wir. Nach geendigter Predigt folgt, sofern es Kommunikanten gibt, die Praefatio (Dankgebet) in Latein oder Deutsch, Sanctus (Heilig), dann rezitieren wir das Vaterunser, die Einsetzungsworte, der Chor singt sodann das Agnus (Christe, du Lamm Gottes). Inzwischen kommunizieren wir, darnach folgt ein Kollektengebet mit dem Segen, darnach befehlen wir uns dem Herrn. So halten wir unsern kirchlichen Ritus. Wenn aber hieran etwas wäre, das nicht mit dem Wort Gottes zusammen bestehen könnte, wollen wir uns allezeit gerne unterweisen lassen. Komm, allmächtiger Gott, der seine christliche Kirche beschützen und beschirmen wolle! Amen.
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12. Frerick Hilderßen (Waddewarden)
12. Frerick Hilderßen (Waddewarden) [157] Nachdem de Eddel vnn wolgebarn myne gnedige leue Frouchen van eynen jdern Pastor vnn predicanth yn oren gnaden lande vurderen leth den geloue etc Szo bekenne Jck Herr Frerick Hilderßen tho wadwerden [j]u mynen geloue / vnn loue yn eynen enigen almechtigen godth den vader schepper des hemmels vnn der erden vnn alle des / dath sichtbar vnn vnsychbar ys / Vnn yn eynen Heren Jhesum Christum gades eynigen szon / vnn an den Hilligen geist etc Vnde bekenne anthoropende dorch Christum allene den almechtigen ewygen vader den leuendigen godth de vns geschapen hefft vnn sick vormydts vnmetelick gudicheit apenbarth vnn hefft gesent synen eynigen baren szone vnsen Heren Jhesum Christum den he wolde vor vns tho wesende ein offer / mydler tusken oen vnn vns / vnn een vorbidder *1. Timo. 2 et Rom. 8.** / van welkeren he geropen hefft. Hic est filius meus dilectus / dyth ys myn leuede szoen dußen horet / vm synenn wylle he gegeuen hefft de vorgeuinge der sunde / wedder gegeuen dat ewyge leuent. Derhaluen dat harte altydt moeth anropen dußen barmhertigen godth vnn schepper / de sick apenbart hefft myt vorkundigen syn wordth / als he synen szon gesent / vnn ys dat offer vor vns / vnn vor vns gestoruen als Sankt Paulus betuget vnn lereth / vnn duße Christus lyeffahafftich geworden dorch den Hilligen geist van der jonckfrouwenn Maria / vnn godt de vader suluest budt vnn beuelth Deut. 6. Mat. 4 Dominum deum tuum adorabis et illi soli seruies. Derhaluen vnbillick were den Baal anthoropen vnn denen edder den vorstoruen Hylghen etc wente Christus secht. Quicquid petieritis patrem in nomine meo dabit vobis Ioan. 16. Ego sum via veritas et vita / nemo venit ad patrem nisi per me. myt sulker betrowniße Christi bekenne ick vnn geloue dorch oene allene werde entfangen vorhoret vnn salich / wente Abraham gelouet vnn wurth oen gerekent thor gerechticheit Ro. 4 vnn 1. Io. 2. Offt jemant sundiget / so heb wy eynen vorspraken etc
3 A verloren, nur als Abschrift (B) erhalten.
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(1 a.b)
12. Frerick Hilderßen (Waddewarden)
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12. Frerick Hilderßen (Waddewarden) (1) Glaubensbekenntnis (a) Glaube an den dreieinigen Gott
Nachdem meine edle und wohlgeborene, gnädige und liebe Fräulein von jedem Pastoren und Prediger in Ihrer Gnaden Land den Wortlaut ihres Glaubens fordern lässt, so bekenne ich, Herr Frerick Hilderßen zu Waddewarden, Euch meinen Glauben. Und ich378 glaube an den einen, allmächtigen Gott, den Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde und alles dessen, was sichtbar und unsichtbar ist. Und an den einen Herrn, Jesus Christus, Gottes einen Sohn, und an den heiligen Geist. (b) Anrufung Gottes allein durch den Mittler Christus
Und ich bekenne, dass allein durch Christus der allmächtige, ewige Vater anzurufen ist, der lebendige Gott, der uns geschaffen hat und sich durch unermessliche Güte offenbart und seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn Jesus Christus, gesandt hat. Von diesem wollte er, dass er für uns ein Opfer sei, 1Tim 2, 5: „ein Mittler zwischen ihm und uns“, und Röm 8, 34: ein Fürsprecher, von welchem er uns zugerufen hat [Mt 17, 5]: „Hic est filius meus dilectus!“ „Dies ist mein geliebter Sohn: den sollt ihr hören!“. Um seinetwillen hat er die Vergebung der Sünde gewährt und das ewige Leben wiedergegeben. Deshalb muss das Herz allezeit diesen barmherzigen Gott und Schöpfer anrufen, der sich mit der Verkündigung seines Wortes offenbart hat, als er seinen Sohn gesandt hat. Und er ist Eph 5, 2 das „Opfer“ für uns und ist Röm 5, 6 „für uns gestorben“, wie der heilige Paulus bezeugt und lehrt. Und dieser Christus ist Fleisch geworden durch den heiligen Geist von der Jungfrau Maria. Und Gott der Vater selbst gebietet und befiehlt Dtn 6, 13; Mt 4, 10: „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen!“ Deshalb wäre es unrecht, den Baal anzurufen und ihm zu dienen oder den verstorbenen Heiligen. Denn Christus spricht Joh 16, 23: „Was ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, wird er euch geben“. [Joh 14, 6:] „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Mit solchem Vertrauen auf Christus bekenne und glaube ich, dass ich durch ihn allein empfangen, erhört und selig werde. Denn Röm 4, 3: „Abraham hat geglaubt und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden“. Und 1. Joh 2, 1: „Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher [beim Vater]“.
378
Grundlage der folgenden Formulierungen ist das Nizänum BSLK 26 f.
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12. Frerick Hilderßen (Waddewarden)
[158] Jtem van den Sacramenth des doepsel hebben wy geholdenn yn vnser karcke als vns Christus hefft beualen Mat. 28 Euntes ergo et docete. Gaeth hen in de gantze werlt leret alle heyden vnn dopet se yn den name des vaders vnn des Sons vnn des hilligen geistes. Mar. [16] Wol gelouet vnn gedofft wert de schal salich werden etc et Christus Ioan. 3. Jd sy den dat jemandt gebaren werde vth den water vnn Geist / so kann he nicht yn dat ryke gades kamen. Deße sproke secht nicht van etliken sonder van allen vnn bewiseth / dat alle de jennigen welker salich werden wyllen de moten gedofft werden. Derhaluen moten ock de jungen kyndern gedofft werden vp dat se salich werden. Jtem dat godtlike beuel / Gath hen / dopet alle heyden / secht nicht etlikenn sonder van allen / darum synt ock yn den suluen sprake de kyndern begrepen / wente Christus secht suluest Mar. 10. Latet de kynder tho my kamen / wente solcker ys dat hemmelrike. Jtem Mat. 18 Jdt ys nicht de wylle mynes vaders de ym hemmel ys / dat einer vth den kleinen verderue. Jtem. Ere engel seen altidt dat angesichte mynes vaders de ym hemmel ys. Wente buten Christliken kercken / dar nen wordt vnn nene Sacramenta synt ys nen heyl noch vorgeuinge der sunde / wente de kercke ys eyn ryke Christi / jn welkerer Christus krefftich ys dorch syn wordt vnn Sacramenta. Darum wyl volgenn de besluth dat men de jungen kyndernn dopen schal / vp dat se ledtmate der hilligen kercken werden / vnn dat godt also de kynder syner thosagen deelhafftich make etc Jtem van dem Sacramente des altars edder auentmals Christi als de worden Christi luden / vnn van oen suluest yngeseth seggende. Vnse Here Jhesus Christus in der nacht do he vorraden wart nam he dat brodt danckede vnn brack idt vnn gaff idt synen jungeren vnn sprack / Nemet hen vnn ethet / dat ys myn liff / de vor jw gegeuen werth / Solckes doeth / so vaken alse gi idt doen tho myner gedechtniße. Deßuluen geliken nam he ock den kelck na [159] dem auentmale danckede / gaff en den / vnn sprack Nemet hen vnde dryncket alle daruth / deße kelck ys dat nye testament yn myne¯ blode / dat vor jw vnn vor vele vorgaten wert
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(2 a.b 3 a)
12. Frerick Hilderßen (Waddewarden)
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(2) Taufe und Kindertaufe (a) Heilsnotwendigkeit der Taufe
Ebenso, mit dem Sakrament der Taufe haben wir es in unserer Kirche gehalten, wie uns Christus befohlen hat Mt 28, 19: „Euntes ergo et docete.“ „Gehet hin in die ganze Welt, lehret alle Heiden und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“ Mk 16, 16: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ Und Christus Joh 3, 5: „Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Dieser Spruch redet nicht von einigen, sondern von allen und beweist damit, dass alle diejenigen, welche selig werden wollen, getauft werden müssen. (b) Kindertaufe
Deshalb müssen auch die kleinen Kinder getauft werden, damit sie selig werden. Ebenso, der göttliche Befehl [Mt 28, 19]: „Gehet hin, taufet alle Heiden“, spricht nicht von einigen, sondern von allen. Darum sind in diesem Spruch auch die Kinder inbegriffen. Denn Christus sagt selbst Mk 10, 14 [Mt 19, 14]: „Lasset die Kinder zu mir kommen, denn solcher ist das Himmelreich.“ Ebenso Mt 18, 14: „Es ist nicht der Wille meines Vaters, der im Himmel ist, dass auch nur eines von diesen Kleinen verloren werde.“ Ebenso [Mt 18, 10]: „Ihre Engel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel.“ Denn außerhalb der christlichen Kirche, wo kein Wort und keine Sakramente sind, gibt es kein Heil und keine Vergebung der Sünde. Denn die Kirche ist ein Reich Christi, in welchem Christus durch sein Wort und die Sakramente wirkt. Darum wird daraus als Schluss folgen, dass man die kleinen Kinder taufen soll, damit sie Glieder der heiligen Kirche werden und Gott so die Kinder seiner Zusage teilhaftig mache. (3) Abendmahl (a) Einsetzung
Ebenso, mit dem Sakrament des Altars oder Abendmahls Christi [haben wir es in unserer Kirche gehalten] wie die Worte Christi lauten und es von ihm selbst eingesetzt ist, indem er sagt: „Unser379 Herr Jesus Christus in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach es und gab es seinen Jüngern und sprach: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut, so oft ihr es tut, zu meinem Gedächtnis. Desselbigengleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl, dankte, gab ihnen den und sprach: Nehmet hin und trinket alle daraus. Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut, das für 379 Die in der Messliturgie mit kleinen Abweichungen gebräuchliche Fassung der Einsetzungsworte kombiniert den Wortlaut von Mt 26, 26–28; Mk 14, 22–24; Luk 22, 19 f.; 1Kor 11, 23–25.
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13. Memmo (Waddewarden)
thor vorgeuinge der sunden / solckes doet / so vaken gi ydt dryncken tho myner gedechtniße. Vnde ys darum yngesettet dat ydt erynnere vnn vormane der waldath vnn gnedigen vorlosinge vnses Heren Jesu Christi / vnn den gelouenn yn Christum yn vns erwecke / wente wen vns Christus synen lycham gifft / so nympt he vnser an alse ledtmate / vnn betuget ganß trostlikenn dat vns de schatte tho hore. Wente wo konde sick godt neger myt gnaden vnn gudicheit tho vns don / alse wen vns Christus synen lycham gifft / vnn wy also ledtmate Christi werden / Nene negere voreninge kan wor syn / den dat wy synen lychnam tor spyse nemen / He gifft ock vns syn bloth / dat he apenbare bewyse / dat wy van allen sunden gewasschen werden. Dyth ys de rechte bruck deßes Sacramentes / nomliken / dat idt sy eyn teken / der godtliken thosage / welker vns erynneren vnn vormanen schal / der woldadt vnn gnade Christi. Derhaluen denet idt dar tho / dat idt yn vns den gelouen erwecke vnn bekrefftige. Darna schal ock wyder volgen / dat wy Gade scholen dancksegginge doen / vor solcke grote woldadt / Jtem dat wy erwecket vnn thogereytzet werden / wat gudes tho don / vnn de sunde tho vormiden / wennte wy horen / dat wy nu ledtmate Christi geworden synt / vnn ock Christus yn vns krefftich syn wyl. derhaluen scholen ock darna volgen de fruchte des gelouens / de wercke der leue / dat wy de ene den anderen / alse ledtmate in Christo / de wercke der leue ertogen vnn bewysenn etc Solckes vorhen / bruken vnn leren wy in vnser Kerckenn.
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13. Memmo (Waddewarden) [160] Vnszem achbarnn Rentmester erkanth Jck Heer Memmo bekenne dußen vorgeschreuenn louen als de Pastor bekent vnn belyget hefft. Wente ick Heer Memmo ock eyn medewerker Wadwerder Kerckenn byn ock mede hyr by gewesth. Dat ys my loue vnnde Erkantniße mede.
26 A verloren, nur als Abschrift (B) erhalten.
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13. Memmo (Waddewarden)
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euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünde. Solches tut, sooft ihr es trinket, zu meinem Gedächtnis.“ (b) Erlösung durch Vereinigung mit Christus
Und es ist dazu eingesetzt, dass es erinnere und gemahne an die Wohltat und die gnädige Erlösung unseres Herren Jesu Christi und dass es den Glauben an Christus in uns wecke. Denn wenn uns Christus seinen Leib gibt, so nimmt er uns als seine Glieder an und bezeugt uns zu unserem großen Trost, dass uns der Schatz gehöre. Denn wie könnte sich Gott mit seiner Gnade und Güte uns näher zuwenden, als wenn Christus uns seinen Leib gibt und wir so Christi Glieder werden. Es kann nirgendwo eine nähere Vereinigung sein denn die, dass wir seinen Leib als Speise nehmen. Er gibt uns auch sein Blut, womit er öffentlich kundtut, dass wir von allen Sünden reingewaschen werden. (c) Zeichen der Gnade und Anreiz zur Liebe
Dies ist der rechte Brauch dieses Sakraments, nämlich dass es ein Zeichen der göttlichen Verheißung ist, welches uns erinnern und gemahnen soll an die Wohltat und Gnade Christi. Deshalb dient es dazu, dass es in uns den Glauben erwecke und kräftige. Darauf soll dann wiederum folgen, dass wir Gott für solche große Wohltat Dank sagen sollen. Ebenso, dass wir erweckt und dazu angereizt werden, etwas Gutes zu tun und die Sünde zu meiden. Denn wir hören, dass wir nun Glieder Christi geworden sind und auch Christus in uns kräftig sein will. Deshalb sollen danach auch die Früchte des Glaubens folgen, die Werke der Liebe, dass wir einander als Glieder in Christus die Werke der Liebe erzeigen und beweisen. So machen, halten und lehren wir es in unserer Kirche.
13. Memmo (Waddewarden) Unserem hochgeachteten und anerkannten Rentmeister. Ich, Herr Memmo, bekenne diesen oben beschriebenen Glauben, wie ihn der Pastor [Hilderßen] bekannt und ausgesagt hat. Denn ich, Herr Memmo, bin auch als Mitarbeiter der Waddewarder Kirche gleichfalls mit dabei gewesen. Das [Bekenntnis des Pastors] ist zugleich auch mein Glaube und meine Erkenntnis.
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14. Henricus Bernardus Tymmermann, Sillenstede
14. Henricus Bernardus Tymmermann, Sillenstede [161] Credo in vnum deum patrem omnipotentem creatorem coeli et terrae. Coelestia corpora differunt forma accidentali, differt enim stella a stella claritate, luna a sole et sunt de eßentia dei et non [e] conuerso. Verbo dei coeli firmati sunt et omnes ornatus eius. In principio [c]reavit deus coelum et terram. Ego sum deus et non est vllus praeter me. Ego deus et non est alius praeter me creans lucem et formans tenebras. Creatorem terrae credo. Naturalium rerum partes duplices sunt scilicet integrales vt sunt digitus pes caput tibia oculus brachia. Aliae sunt partes eßentiales scilicet ex materia et forma. Materia est omnibus rebus naturalibus eadem scilicet ex limo terrae. Fecit enim deus hominem ex limo terrae. Forma est duplex scilicet eßentialis et anima rationalis in homine, et anima equi asini etc Quae ideo dicitur pars eßentialis, quia est de eßentia rei Etiam dicitur forma eßentialis quia dat eße rei Et res naturalis differt ab alia re naturali specie per formam eßentialem. Alia est forma accidentalis vt albedo nigredo caliditas frigiditas prudentia sapientia. Homo igitur et equus siue bos differunt specie ab inuicem scilicet formae eßentialis quae est anima Et non ratione materiae. Sicut nunc primus Adam a deo in sui creatione fuit syncerus purus et sine peccato a sancta trinitate conditus Et tandem concupiscentia scientiae boni et mali suadente diabolo est seductus. vt non
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701 f.
Nizänum BSLK 26, 4 f. Zu den beiden folgenden Absätzen vgl. Reisch, Margarita 8, 9, Basel 1535,
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(A 1 a.b.c)
14. Henricus Bernardus Tymmermann (Sillenstede)
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14. Henricus Bernardus Tymmermann (Sillenstede) (A) Glaubensbekenntnis (1) Erster Artikel (a) Schöpfer des Himmels
»Ich380 glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.« Die himmlischen Körper unterscheiden sich voneinander durch die eigenschaftsbestimmende Form. [1Kor 15, 41] „Denn ein Stern unterscheidet sich vom andern durch seinen Glanz“, der Mond von der Sonne. Und sie leiten sich vom Wesen Gottes her, aber nicht umgekehrt. Durch das Wort Gottes sind die Himmel und ihr ganzer Schmuck befestigt worden. [Gen 1, 1] „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ [Jes 45, 5] „Ich bin Gott und ist keiner außer mir.“ [Jes 45, 6 f.] „Ich bin Gott und ist kein anderer außer mir, der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis.“ (b) Schöpfer der Materie (Erde) und der Formen
Ich glaube, dass er der Schöpfer der Erde ist. Die Teile der natürlichen Dinge sind von zweierlei Art. Die einen nämlich sind solche, die zur Ganzheit beitragen wie etwa der Finger, der Fuß, der Kopf, das Schienbein, das Auge oder die Arme. Die anderen Teile gehören zum Wesen, nämlich Materie und Form. Die Materie ist bei allen natürlichen Dingen dieselbe, nämlich aus dem Lehm der Erde. [Gen 2, 7] „Da machte Gott den Menschen aus dem Lehm der Erde.“ Die381 Form ist von doppelter Art, nämlich wesensbestimmend wie die vernünftige Seele im Menschen oder die Seele des Pferdes oder des Esels usw. Diese wird daher als Wesensteil bezeichnet, weil sie zum Wesen eines Dinges gehört. Sie wird auch Wesensform genannt, weil sie dem Ding das Sein verleiht. Und ein natürliches Ding unterscheidet sich von einem anderen natürlichen Ding der Art nach durch die wesensbestimmende Form. Die andere ist die eigenschaftsbestimmende Form wie das Weiße, die Schwärze, die Wärme, die Kälte, die Klugheit oder die Weisheit. Der Mensch also und das Pferd oder Rind unterscheiden sich der Art nach voneinander, nämlich hinsichtlich der wesensbestimmenden Form, welche die Seele darstellt, nicht aber hinsichtlich der Materie. (c) Urstand und Sündenfall
So wie nun der erste Adam bei seiner Erschaffung durch Gott unversehrt und rein war und von der heiligen Dreieinigkeit ohne Sünde gebildet war, wurde er doch schließlich durch das Begehren, gut und böse zu
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14. Henricus Bernardus Tymmermann, Sillenstede
solum in se arreperit poenam peccati sed ipsum peccatum propagauit Adam in totum genus hominum Ita scilicet vt modo ceterorum animantium rebellionem (quorum ille dominus a conditore omnium erat constitutus) sed sui corporis repugnantiam rebellionem resistentiam peccati vltricem receperit quam miserrime. Et ob id prior ille Adam dicitur terrenus non tantum quod sit de limo terrae quo ad materiam sui corporis fuerit conditus. Sed quia magis ad carnalem concupiscentiam sciendi boni et mali respexerit quam ad divini praecepti obedientiam. At ubi humana natura in Adam et eius posteritate est vsque adeo vitiata [162] deprauata et obscurata et in praecipitium sui ipsius detrusa vt extremas calamitates et erumnas in seipso cogatur infoeliciter perpati *Quia Adam caruit iustitiae originalis** hinc ocißime orta est mors, poena, imo stipendium peccati et ira dei irremißibilis / quae nisi per vnum posteriorem Adamum scilicet Christum auferri oportuit. Credo in Iesum Christum filium eius vnicum dominum nostrum conceptum de spiritu sancto natum ex Maria virgine. Ihesus Christus verus dei filius / verus deus / verum verbum factum ca[ro] verum promißum semen mulieris quod contriuit caput serpentis *Potentia peccati lex est** verus secundus Adam de coelo nobis promißus, absque vlla peccati contagione verus homo ex maria virgine natus, conceptus de spiritu sancto frater noster ex anima rationali et humana carne subsistens forma eßentialis, quod Athanasius in suo symbolo aßignat, sic dicens. Sicut anima rationalis et caro vnus est homo, sic deus et homo vnus est Christus qui paßus etc Ex Maria virgine homo factus est Credo quod nullatenus Maria amisit virginitatem cum tot et tantis oraculis nobis praefiguratum est. Primum per rubum quae viderat Moyses combustum, per virgam
12 originalis Kj orienalis B 382 383 384
Apostolikum BSLK 21, 9–12. Nach dem Nizänum BSLK 26, 6–9. Symbolum Athanasianum BSLK 30, 10–13.
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(A 1 c. 2 a.b)
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erkennen, auf Zuraten des Teufels verführt. Demzufolge lud er sich nicht nur selbst die Strafe für die Sünde auf, sondern Adam verbreitete auch die Sünde selbst auf das ganze menschliche Geschlecht. Dies geschah nämlich so, dass er [nicht] nur die Feindschaft der übrigen Lebewesen (zu deren Herr er vom Schöpfer aller Dinge bestimmt war) auf sich zog, sondern auch den Widerspruch, das Aufbegehren und den Widerstand seines eigenen Körpers als Rächer der Sünde auf schlimmste Weise in sich aufnahm. Und deswegen wird [1Kor 15, 47–49] jener erste Adam der „irdische“ genannt, nicht nur weil er, was die Materie seines Körpers betrifft, „von der Erde“ gebildet ist, sondern weil er mehr auf das fleischliche Begehren der [Gen 3, 5] „Erkenntnis des Guten und des Bösen“ geachtet hat als auf den Gehorsam gegen das göttlich Gebot. Aber wo die menschliche Natur in Adam und seiner Nachkommenschaft so sehr befleckt, verderbt und verfinstert und in den Abgrund seiner selbst gestoßen ist, dass er unglückselig die bittersten Schäden und Trübsale zu erleiden gezwungen ist, entstand hier *weil Adam der ursprünglichen Gerechtigkeit entbehrte** sofort der Tod, die Strafe oder vielmehr der Sold der Sünde, und der unvergebbare Zorn Gottes, welcher notwendigerweise nur durch den einen zweiten Adam, nämlich durch Christus, aufgehoben werden konnte. 2. Zweiter Artikel (a) Christus, Sohn Gottes, der zweite Adam
Ich glaube »an382 Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen vom heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria.« »Jesus383 Christus ist der wahre Sohn Gottes, wahrer Gott«, [Joh 1, 14] das wahre, Fleisch gewordene Wort, [Gen 3,15] der wahre, verheißene Nachkomme des Weibes, der den Kopf der Schlange zertreten hat. *[1Kor 15, 56] „Die Kraft der Sünde ist das Gesetz.“** Er ist [1Kor 15, 47] der wahre, zweite Adam, der uns vom Himmel verheißen ist, der ohne jede Befleckung durch eine Sünde als wahrer Mensch von der Jungfrau Maria geboren wurde. Durch den heiligen Geist empfangen wurde er unser Bruder, indem er seiner wesensbestimmenden Form nach aus einer vernünftigen Seele und menschlichem Fleisch bestand, was Athanasius384 in seinem Symbol bezeugt, indem er sagt: »Denn gleichwie Leib und Seele ein Mensch, so ist Gott und Mensch ein Christus, welcher gelitten hat usw.« (b) Christus, Sohn der immer jungfräulichen Maria
»Aus385 der Jungfrau Maria ist er Mensch geworden.« Ich glaube, dass Maria in keiner Weise ihre Jungfräulichkeit verloren hat, da sie uns durch so zahlreiche und große Weissagungen im Voraus verkündigt wurde. Erst385
Nizänum BSLK 26, 14 f.
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Aaron, per portam Esechielis / per templum pacis postremum, Ambrosius clare demonstrat de vulturibus scribens ipsam non amisiße virginitatem sed magis sanctificauit sanctißimus tabernaculum suum / Sic inquit Quid autem qui nostra solent ridere ministeria, cum audiunt quod virgo generauit et impoßibile innupte, cuius pudorem nulla viri consuetudo temptaßet partem Impoßibile putatur in dei matre quod in vulturibus non negatur, Auis sine masculo parit et nullus refellit etc Paßus sub Pontio Pilato. Credo illo tempore Christum vere dei filium paßum in meam salutem et totius Christianitatis Crucifixus mortuus Quasi agnus mansuetus qui portatur ad victimam / Sicut ouis ad occisionem ducitur / ipse vulneratus est propter iniquitates nostras attritus / percutientibus dedi genas meas. Et sepultus est Sicut Ionas fuit tribus diebus in ventre caeti sic filius hominis erit in ventre terrae. Tertia die resurrexit a mortuis, Non derelinques animam meam in inferno nec sanctum tuum videre corruptionem, Impoßibile illum teneri ab orco. Et ascendit ad coelum Viri Galilei quid statis aspicientes in coelum hic Jesus [163] qui aßumptus est a vobis sedet ad dexteram patris / sedens super Cherubim et intuens abyßos. Coelum mihi sedes est terra autem scabellum pedum meorum Constituisti eum dominatorem terrae. Inde venturus iudicare viuos et mortuos. Amen dico vobis venit hora quod mortui audiant vocem filij dei / Non omnes obdormiemus sed omnes immutabimur in momento oculi / mancipatus
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Das Ambrosiuszitat lautet nach PL 14, 233: Quid aiunt, qui nostra solent ridere mysteria, cum audiunt quod virgo generauit et impossibilem innupta, cuius pudorem nulla viri consuetudo temerasset existimant partum. Impossibile putatur in dei matre quod in vulturibus possibile non negatur. Avis sine masculo parit et nullus refellit. – Was sagen sie, die unsere Glaubensgeheimnisse zu belächeln pflegen, wenn sie hören, daß eine Jungfrau geboren habe, aber eine Geburt bei einer Unverheirateten, deren Scham durch keine männliche Gewohnheit befleckt worden war, für unmöglich halten? Als unmöglich wird bei der Mutter Gottes angesehen, was bei den Geiern als möglich behauptet wird, daß nämlich ein Vogel ohne männliches Zutun gebiert, ohne daß einer dies widerlegt. 20 obdormigemus B 386 387 388 389 390 391 392 393
Ambrosius Hexameron 5, 20, 65, PL 14, 233 C. Apostolikum BSLK 21, 12. Apostolikum BSLK 21, 13. Nizänum BSLK 26, 17. Apostolikum BSLK 21, 40 f. Nizänum BSLK 26, 28 f. Nizänum BSLK 26, 19. Apostolikum BSLK 21, 16.
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lich [Ex 3, 2] durch den Dornbusch, den Mose brennen sah, sodann [Ex 7, 9] durch den Stab Aarons, durch [Hes 44, 1–4] das Tempeltor Hesekiels, durch [Hes 37, 26] den Tempel des Friedens. Schließlich führt Ambrosius386 einen schlüssigen Beweis anhand der Geierweibchen, indem er schreibt, dass Maria ihre Jungfräulichkeit nie verloren habe, sondern dass der Heiligste seine Wohnstätte vielmehr geheiligt habe. Er sagt so: »Was wollen sie, die unser Predigtamt zu belächeln pflegen, wenn sie hören, dass eine Jungfrau geboren habe, und dies doch unmöglich sei für eine Unverheiratete, deren Scham keine männliche Gewohnheit berührt habe. Bei der Gottesmutter wird für unmöglich gehalten, was man bei den Geiern zugesteht, dass nämlich ein Vogel ohne Männchen gebiert, und keiner dies widerlegt.« (c) Christus, für uns gelitten
»Gelitten387 unter Pontius Pilatus«: Ich glaube, dass Christus als wahrer Sohn Gottes zu jener Zeit gelitten habe zu meinem und der ganzen Christenheit Heil. »Gekreuzigt388, gestorben«: als ein geduldiges Lamm, welches zum Opfer gebracht wird [Jes 53, 7] „wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.“ [Jes 53, 5] „Er ist um unsrer Missetat willen verwundet und zerschlagen.“ [Jes 50, 6] „Ich bot meine Wange denen, die mich schlugen.“ »Und389 ist begraben worden«. [Mt 12, 40] „Wie Jona drei Tage im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn im Bauch der Erde sein.“ (d) Christus, auferstanden und erhöht
»Am390 dritten Tage auferstanden von den Toten«: [Apg 2, 27] „Denn du wirst mich nicht dem Tod überlassen [meine Seele nicht in der Hölle lassen] und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe.“ [Apg 2, 24] „Es war unmöglich, dass er von der Hölle festgehalten wurde.“ »Und391 aufgefahren in den Himmel«. [Apg 1, 11] „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde,“ »er392 sitzt zur Rechten des Vaters.« [StDan 3, 31; vgl. Vulg Dan 3, 55] „Der du sitzt über den Cherubim und siehst in die Tiefen.“ [Jes 66, 1] „Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße.“ Du hast ihn zum Herrn der Erde gemacht. (e) Christus unser Richter
»Von393 dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.« [Joh 5, 25] „Wahrlich, ich sage euch: Es kommt die Stunde und ist schon jetzt, dass die Toten hören werden die Stimme des Sohnes Gottes.“ [1Kor 15, 51] „Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, und das plötzlich, in einem Augenblick.“ [Phil 3, 20] „Unser Bürgerrecht ist im Himmel.“
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[noste]r in coelo est Credo in spiritum sanctum. Paraclitus spiritus sanctus qui a patre procedit ille vos docebit omnia. Sanctam ecclesiam catholicam sanctorum [co]mmunionem remißionem peccatorum / In vno domino in vno baptismate In vno [d]eo patre omnium. Super hanc petram edificabo ecclesiam meam. Oratio fiebat sine intermißione ab ecclesia dei pro eo. de materiali templo / aßump[s]it eum diabulus et statuit eum super pinnaculum templi. Et intrauit Iesus in templum dei et eijciebat omnes vendentes et ementes. Erat plebs expectans Sachariam et mirabantur quod tardaret ipse in templo / Et obscuratus est sol et velum templi sißum est medium. Petrus et Ioannes ascenderunt in templum ad horam orationis nonam. Communio sanctorum remißio peccatorum per verbum dei per Sacramenta per baptisma et per sanguinem Christi / Calicem quidem quem ego bibiturus sum bibetis et baptismo quo ego baptizor baptizabimini etc baptismo habeo baptizari. Et post hanc vitam vitam aeternam. Vita aeterna haec est vt faciatis voluntatem patris mei qui in coelis est. Iusti ibunt in vitam aeternam maledicti vero in ignem aeternum. Venite benedicti patris mei poßidete regnum meum. Que parate erant intraueniat cum eo ad nuptias. Ite maledicti in ignem aeternum De baptismate Ite docete omnes gentes baptizantes eos in nomine patris et filij et spiritus sancti. Quicumque baptizati estis in morte domini nostri Ihesu Christi baptizati estis. Hic credo quod baptismus non est opus ministratoris aut circumstantium aut recipientis aut eorum fidei / sed credo quod sit opus patris et filij et spiritus sancti vt deus nobiscum agit et recipit in
10 ascenderunt Kj assenderunt B 394 395 396 397 398
Apostolikum BSLK Apostolikum BSLK Apostolikum BSLK Apostolikum BSLK CIC D. 4 c. 26 De
21, 19. 21, 19–21. 21, 20 f. 21, 22 f. consecratione (Friedberg 1, 1369).
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(A 3 a–d. B 4 a)
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(3) Dritter Artikel (a) Heiliger Geist
»Ich394 glaube an den heiligen Geist«. [Joh 14, 26; 15, 26] „Der Tröster, der heilige Geist, der vom Vater ausgeht, der wird euch alles lehren.“ (b) Kirche und Tempel
»Die395 heilige allgemeine Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, die Vergebung der Sünden« [Eph 4, 5 f.] „in einem Herrn, in einer Taufe, in einem Gott und Vater aller.“ [Mt 16, 18] „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“ [Apg 12, 5] „Die Kirche Gottes betete ohne Aufhören für ihn [Petrus].“ Über den irdischen Tempel [Mt 4, 5]: „Da führte ihn der Teufel mit sich und stellte ihn auf die Zinne des Tempels.“ [Mt 21, 12] „Und Jesus ging in den Tempel Gottes hinein und trieb heraus alle Verkäufer und Käufer.“ [Lk 1, 21] „Und das Volk wartete auf Zacharias und wunderte sich, dass er so lange im Tempel blieb.“ [Lk 23,45] „Und die Sonne verlor ihren Schein und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei.“ [Apg 3, 1] „Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit.“ (c) Sündenvergebung und Taufe
»Gemeinschaft396 der Heiligen, Vergebung der Sünden« [empfangen wir] durch das Wort Gottes, durch die Sakramente, durch die Taufe und durch das Blut Christi. [Mk 10, 39] „Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde.“ [Lk 12, 50] „Ich muss mich taufen lassen mit einer Taufe.“ (d) Ewiges Leben und ewige Verdammnis
Und nach diesem Leben »das397 ewige Leben«: Das ist das ewige Leben [Mt 7, 21], dass „ihr den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist“. [Mt 25, 46] „Die Gerechten gehen in das ewige Leben ein“, [Mt 25, 41] „die Verdammten aber in das ewige Feuer“. [Mt 25,34] „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt mein Reich!“ [Mt 25, 10] „Die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit.“ [Mt 25, 41] „Geht, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer!“ (B) Sakramente (4) Taufe und Kindertaufe (a) Taufe durch die Trinität
Von der Taufe. – [Mt 28, 19] „Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“ [Röm 6, 3:] Alle, die ihr getauft seid, ihr seid in den Tod unseres Herrn Jesu Christi getauft. Hier glaube ich, dass die Taufe nicht das Werk des Pastors oder der Umstehenden oder des Empfangenden oder ihres Glaubens ist, sondern ich glaube, dass sie das Werk des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes ist, so dass Gott mit uns handelt und uns in die Gnade aufnimmt, wie wenn er selbst uns taufte. »Über398 die Konsekration«, 4.
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gratiam ac si ipse nos baptizat. de consecratione distinctio quarta baptismus talis est qualis ille est in cuius potestate datur / non qualis ille per cuius [164] ministerium datur. Paruuli sunt baptizandi. Talium est regnum coelorum / Abraham addictae sunt promißiones et semini eius / de consecratione distinctio quarta Non illud te moueat quod quidam etc et ibidem plura de baptismate. Item quos Iudas baptizauit erant baptizati Ibidem capitulo Aliud est baptizare per ministerium / aliud est per potestatem Item quos Ioannes baptizauit rebaptizabantur sed non iterato baptismate Actorum 17 Item nemo potest saluari sine visibili sacramento et fide. De consecratione distinctione quarta Neceßarium est visibile Sacramentum. per fidem iustificamur a peccatis. / Filius dei carnem peccati suscepit. De Sacramento Altaris Dominus noster Ihesus Christus in qua nocte tradebatur accepit panem et gratias agens fregit et dixit accipite et manducate hoc est corpus meum quod pro vobis tradetur hoc facite in meam commemorationem. Similiter et calicem postquam coenauit dicens. hic calix nouum testamentum est in me[o] sanguine hoc facite quotiescumque biberitis in meam commemorationem Hic credo mihi peccata remitti et totae Christianitati / non propter opus sumptionis ex opere operato sed propter Christum gratis. Nisi manducaueritis carnem meam et biberitis meum sanguinem non habebitis vitam in vobis. Haec sumptio est verum signum et pignus illius beneficij erga me et omnem Christianitatem nostrae redemptionis aut nos liberaße suo sanguine / ad repleandum promißiones suae hereditatis / ad fidei aug-
10 distinctione Kj distinxione B 399
CIC D. 4 c. 33 De consecratione (Friedberg 1, 1372): Non illud te moueat quod quidam non ea fide ad baptismum percipiendum paruulos ferunt, ut gratia spiritali ad uitam regenerentur eternam … 400 CIC D. 4 c. 39 De consecratione (Friedberg 1, 1375). 401 Ebd. 402 CIC D. 4 c. 39 De consecratione (Friedberg 1, 1376). 403 CIC D. 4 c. 1 De consecratione (Friedberg 1, 1361).
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(B 4 a–d. 5 a.b)
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Distinktion: »Die Taufe ist so beschaffen, wie der, in dessen Vollmacht sie gespendet wird, nicht jedoch wie der, durch dessen Dienst sie gespendet wird.« (b) Kindertaufe
Kleine Kinder müssen getauft werden. [Mt 19, 14] „Solcher ist das Himmelreich.“ [Gal 3, 16] „Abraham und seinen Nachkommen sind die Verheißungen zuerkannt.“ Über399 die Konsekration, 4. Distinktion: »Das aber soll dich nicht kümmern, dass einige [die kleinen Kinder nicht im Vertrauen darauf zum Empfang der Taufe tragen, dass diese durch die geistliche Gnade zum ewigen Leben wiedergeboren werden].« Und dort auch noch mehr über die Taufe. (c) Gültigkeit der Taufe
Weiter: »Alle400, die Judas taufte, waren getauft.« Dort im gleichen Kapitel: »Ein401 anderes ist die Taufe durch das Amt, ein anderes ist die Taufe durch die Vollmacht.« Ebenso [in Bezug auf] Apg 19, 5: »Diejenigen402, welche Johannes der Täufer taufte, wurden wiederum getauft, aber nicht durch eine wiederholte Taufe.« (d) Notwendigkeit von Glaube und Taufe
Ebenso [Mk 16, 16]: Niemand kann selig werden ohne das sichtbare Sakrament und den Glauben. Über403 die Konsekration, 4. Distinktion: »Das sichtbare Sakrament ist notwendig.« [Röm 3,28] „Durch den Glauben werden wir gerechtfertigt“ von den Sünden. [Röm 8, 3] Der „Sohn“ Gottes nahm „das sündige Fleisch“ an. (5) Abendmahl (a) Einsetzung
Vom Altarsakrament. – [1Kor 11, 23–25] „Unser Herr Jesus Christus in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot und dankte, brach’s und sprach: Nehmet und esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahl, und sprach: Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut. Das tut, sooft ihr’s trinket zu meinem Gedächtnis.“ (b) Zeichen und Pfand der Sündenvergebung
Hier glaube ich, dass mir und der ganzen Christenheit die Sünden vergeben werden, nicht wegen des Werkes des Genießens als eines heilskräftigen Werks, sondern aus Gnaden wegen Christus. [Joh 6, 53] „Wenn ihr nicht mein Fleisch esst und mein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch.“ Dieses Genießen ist das wahre Zeichen und Pfand für jene Wohltat, die mir und der ganzen Christenheit erwiesen wird: unserer Erlösung oder dass er uns freigekauft hat durch sein Blut, zur Erfüllung der Verheißungen seines Erbes, zur Vermehrung des Glaubens, zum Trost für das sündige Gewissen, zur Danksagung, zur Vergebung der Sünden, zur
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mentum / ac consolationem conscientiae peccati / ad gratiarum actionem / ad remißionem peccatorum / ad bene operandum exercitium / ad vera corporis membra mutuae charitatis dilectionem et vinculum eiusdem corporis. Haec praedicta non solum propter visibilem panem et vinum tantum credo sed propter inuisibile verbum. de consecratione distinctione quarta. Panis iste. Augustinus Accedit verbum ad elementum et fit Sacramentum Hic calix noui testamenti est in meo sanguine Credo hoc loco quod calix sit verum corpus Christi quoniam idem dominus [165] [in]quit in meo sanguine. Si est sanguis proculdubio corpus, quia corpus poßimus tangere et videre. Quamquam calix in scripturis vbique [ob]viantia mala significat. Calix meus inebrians quam praeclarus est. [p]otestis bibere calicem quem ego bibiturus sum sedebitis ad dextram. Finis Henricus Bernardus Tymmermann Syndelstedanus / semper petens a maioribus doceri et in omnibus erratis releuari.
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15. Ubbo (Sillenstede) [166] Ubbo Vicarius in Tzillenstede Der Edelenn Wolgebarenn Frougen tho Jeuer vnn mynen genadigen heren tho schryuenn van de artikels mynes geloues na Evenn Eer Genaden Mandath sampt allen Pastorenn vnn Vicarienn Welkeren ys eyn tydtlanck vorsumet vmme dat ick moste trosten de krancken in dodes noth / Nu ouerst na myner sympler AB[C]scholers vorstanth begere altidt van mynen wyser tho lerenn is dyt de Artikel mynes geloues. Jck geloue an godt almechtich de gewest ys sunder anbegin vnde sunder ende blifft in ewi[ch]eit / de de erde hefft vth nicht gemaket allene mit syn wordt myt er chris alse graß kruth bomen wyngarden Ein itlick na syner arth de vogel 3 4 5 17 18
dilectionem Kj dilexionem B visibilem panem Kj visibilem B unterstrichen distinctione Kj distinxione B A verloren, nur als Abschrift (B) erhalten. vnn Kj, fehlt B
404 CIC D. 2 c. 56 De consecratione (Friedberg 1, 1335). Iste panis cottidianus est; accipe cottidie quod cottidie tibi prosit; sic uiue ut cottidie merearis accipere. 405 Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3, PL 35, 1840.
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Übung mit guten Werken, für die wahren Glieder des Leibes der gegenseitigen Liebe, für die Liebe und das Band eben dieses Leibes. Das zuvor Genannte glaube ich nicht nur wegen des sichtbaren Brotes und Weines, sondern wegen des unsichtbaren Wortes. Über404 die Konsekration, 2. Distinktion: »Jenes ist das „[tägliche] Brot“. [Empfange täglich, was dir täglich nützt! Lebe so, dass du täglich verdienst, es zu empfangen].« Augustinus405: »Das Wort kommt zum Element und wird zum Sakrament.« (c) Bedeutung des Kelches
„Dies ist der Kelch des neuen Testamentes in meinem Blute“. Ich glaube an dieser Stelle, dass der Kelch der wahre Leib Christi ist, da ja der Herr ebendasselbe sagt: „in meinem Blut“, wenn das Blut ohne Zweifel der Leib ist, weil wir den Leib berühren und sehen können. Obgleich „Kelch“ in der Bibel [sonst] überall die Übel bedeutet, die uns begegnen. [Ps 23, 5 Vulg.] „Wie klar ist mein voller Kelch!“ [Mk 10, 38.40] „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, dass ihr sitzet zur Rechten“? Ende Henricus Bernardus Tymmermann aus Sillenstede, stets mit der Bitte, von Höheren belehrt und von allen Irrtümern befreit zu werden.
15. Ubbo (Sillenstede) (1) Einleitungsbrief und captatio benevolentiae
Ubbo, Vikar in Sillenstede, der edlen, wohlgeborenen Fräulein zu Jever und meinen gnädigen Herren, denen ich samt allen Pastoren und Vikaren nach dem eben ergangenen Mandat Eurer Gnaden schreiben soll von den Artikeln meines Glaubens. Dies hat sich eine Zeitlang verzögert, weil ich die Kranken in Todesnot trösten musste. Nun aber ist dies [Folgende] nach meinem einfachen Anfängerverstand – wobei ich allzeit von denen zu lernen begehre, die weiser sind – der Artikel meines Glaubens. (2) Glaube an den Schöpfer der Welt
»Ich406 glaube an Gott, den allmächtigen«, der ohne Anfang gewesen ist und ohne Ende bleibt in Ewigkeit; der die Erde aus nichts gemacht hat, allein durch sein Wort, [Gen 1, 11f.] mit ihrem Überzug407 von Gras, Kräutern, Bäumen und Weingärten, ein jegliches nach seiner Art; [Gen 1, 406
Apostolikum BSLK 21, 7. Das von Ubbo gebrauchte Wort chris ist vielleicht als gris (grober Sand, Lübben/Walther 129) zu verstehen, womit die zahlreichen Geschöpfe gemeint sind, womit die Erde (und im übernächsten Satz: der Himmel) überzogen, belegt oder bestreut ist. 14. Henricus Bernardus Tymmermann spricht an der Parallelstelle (A 1 a) von omnes ornatus (vom ganzen Schmuck) des Himmels. 407
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15. Ubbo (Sillenstede)
visk ein ythlick na syner art / dyt alle ys yn dusterniß / ouerst vp dem water sweuede de geist gades als genesis 1. ca. deße einige ewige godt hefft ock de hemmel gemaket myt synen Chriß sunne mane sterne dach / deße sint nene gode sunder se synt van godt geschapen tho hemmelsche lichte dat se vp erden schynen tho luchten beyde mynschen vnn voe / desgeliken de regen de daw de sne de synt nene gode vth erer macht de erde tho fuchten sunder se synt van enen godt geschapen dat se de erde fucht geuen scholen / genesis am ersten 2 ca. desgeliken de hemmel ys nen got sunder gades stol de erde ys gades votbanck Esa. 66 ca. De Engele synt nene gode sunder van godt geschapenn ene tho denen vnn loff van enn[e] tho syngen / Welker Engelen sick itlike vorhouerdicht hebben vnn wolden eren stol bauen godt setten / Welker thor affgrunt vorstot synt tho bosen wormen Esa 66 ca. 2 pet 2 ca. De mynsche ys dorch gades wordt vth stoff der erde gemaket na gades antlath gebyldet tho en hemmelsk liff / nit dat he godt scholde syn sunder prisen godt vnn horssum / vnde heschenn [167] [a]uer de erdischen korper. De frouwe de is vth des manß rybbe [ge]maket dorch gades wordt / nicht dat se godt gelick scholde syn sun[de]r des manß hulpe scholde syn kynder telen Welker se sick hefft [v]an der slangen bedregen lathen vnn hefft wedderum bedragen eren mann myt sampt al er nakomlinge al datter van thodonn des manneß in moder liff entfangen wert psal 51. Darumme sprack godt [t]ho Adam in swet dynes angesichtes schastu dyn brodt ethen vnde [t]ho Eua yn kummer schastu dyne kynder telen offt myt smerte. [D]arum ys den mynschen kyndernn in hemmel nach vp erdenn [n]enen trost gefunden dar de strenge rechtferdicheit gades wolde me[d]e vorsonet syn efft sunder allene dat sadt der frouwe Gen 3 vp welker de Patriarchenn Abraham Jsaac vnn Iacob gehapet hebben nomliken Jhesum Christum den de olde Symeon vp den arme droch welck hem thogesecht was myt ein ede Lu 2. van
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20] die Vögel und Fische, ein jegliches nach seiner Art. [Gen 1, 2] Dies alles ist noch in Finsternis, aber auf dem Wasser schwebte der Geist Gottes, wie es im 1. Kapitel der Genesis heißt. [Gen 1, 8.14–19] Dieser eine ewige Gott hat auch den Himmel gemacht mit seinem Überzug: Sonne, Mond, Sterne, Tag. Diese sind keine Götter, sondern sie sind von Gott als himmlische Lichter erschaffen, dass sie auf der Erde ihren Schein geben, um dem Menschen und dem Vieh zu leuchten. Desgleichen sind der Regen, der Tau und der Schnee nicht Götter, die aus eigener Macht die Erde befeuchten könnten, sondern [Gen 2, 6] sie sind von dem einen Gott geschaffen, damit sie der Erde Feuchtigkeit geben sollen, wie es in den beiden ersten Kapiteln der Genesis steht. Jes 66, 1 Desgleichen ist der Himmel kein Gott, sondern Gottes Stuhl, und die Erde ist Gottes Fußschemel. (3) Erschaffung der Engel und des Menschen
Die Engel sind keine Götter, sondern von Gott geschaffen, ihm zu dienen und sein Lob zu singen. Jes 66, 1; 2Petr. 2, 4 Von diesen Engeln haben sich einige in Hoffahrt überhoben und wollten ihren Thron über Gott setzen, doch wurden sie in den Abgrund verstoßen zu dem eklen Gewürm. Der Mensch ist durch Gottes Wort aus dem Staub der Erde gemacht, nach Gottes Antlitz zu einem himmlischen Leib gebildet, nicht dass er sollte ein Gott sein, sondern Gott preisen und ihm gehorsam sein und [Gen 1, 26.28] über die irdischen Körper befehlen. [Gen 2, 18.21 f.] Die Frau ist aus des Mannes Rippe gemacht durch Gottes Wort, nicht dass sie Gott gleich sein sollte, sondern sie sollte die Hilfe des Mannes sein [und] Kinder gebären. (4) Sündenfall
Um dieses hat sie sich von der Schlange betrügen lassen und hat wiederum ihren Mann betrogen Ps 51, 7 samt all ihren Nachkommen, all derer, die sie unter Zutun des Mannes im Mutterleib empfangen wird. Darum sprach Gott zu Adam [Gen 3, 19]: „Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen“, und zu Eva [Gen 3, 16]: „Unter Mühen sollst du deine Kinder gebären“ oder „mit Schmerzen“. (5) Versöhnung durch Jesus Christus, das Mensch gewordene göttliche Wort
Darum wird für die Menschenkinder weder im Himmel noch auf Erden ein Trost gefunden, womit die strenge Gerechtigkeit Gottes sich versöhnen lassen wollte, außer allein Gen 3, 15 die Nachkommenschaft der Frau, auf welche die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob gehofft haben, nämlich Jesus Christus, den Luk 2, 26.28 der alte Simeon auf den Armen trug, welches ihm mit einem Eide zugesagt war, von welchem der Prophet Jesaja 7, 14 zeugt: „Eine Jungfrau wird schwanger und einen
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15. Ubbo (Sillenstede)
welken de Prophete Esaias tuget 7 ca. Ein Jonkfrouw wert swanger vnn ein szo[n]e telen des name schal Emanuel heten dat ys vordudeschet godt ys myt vns vorder 9 ca. Ein kynt ys vns gebaren ein szon ys vns [g]egeuen den de vader wolde tho slann vm de sunde wyllen synes [v]olckes dar wolde de strenge rechtferdicheit gades sick mede vorsonen lathen. Deße geloue ick dat dorch dat enige wordt des vaders des [hilligen] geistes in Marien entfangen erneret gefodet gebaren war godt [v]nn mynsche ys. Dat wordt wert flesch vnn wande manck vns Io. 1. [I]ck geloue dat Maria Jonckfrouwe vor der gebort in der gebort na der gebort gebleuen ys exibi 3. Esech. 43 44 45 46. Des [k]yndes name het Jhesus dat ys ein erloser Lu. 2. edder de gesaluede dat ys salichmaker ein recht herder de ander war dorch [i]ngeit offt trost socht syner sele dat ys ein deff vnn mordener Io. [10] ca. Dese hefft na der Prophecie 33 Jar hyr vp erden gewandert [g]eleret / lamen gan maket / de blynden seen / de douen horen / de doden [168] vpgewecket den armen dat Euangelion geprediget na 30 jar gedopet v[an] Johannes jm jordann Math 3 Lu. 3 Io. 1. vp welkeren de ge[ist] gades gerouwet hefft in stalteniße einer duuen vnn de vader vth d[en] hemmel gespraken dyt ys myn vthuorkarnn Szon an den ick ein w[ol]gefall hebbe. Myt der dope hefft he ingeset dat nye testament vnn my vnn alle gelouige mynschen vorsegelt dat ewige leuent / welker kynde[r]dope ock betekent yn de blode vnses Heren Jhesu Christi gedopet worden als Paulus betuget Ioan. in der apenbarung 7 ca. nies gebarn tho werd[en] Ioan. 3. ca. des geliken ock dat auentmal ein vorbunt vnn de gedechtniß des liues vnn blodes vnses Heren Jesu Christi /Abraham Jsaac vnn Jacob hebben idt gegeten dorch den gelouen des is gecrutziget dat werck der Propheten nomliken Esaias 53 Dauid 22 psalm / De hefft den geist vpgegeuen yn de handt synes vaders gestoruen vnn begrauen / am drudden dage wedder vpgestan welker allene paulus 1. Cor. 15. vnn 1 Theß. 4. tho hemmel geuaren Act 2. He wert wedder kamen tho richten leuendigen vnn doden / also he ys vorn / so ock allen mynschen de gude
22 1 B 408
Als Beweis für die Inkarnation versteht Ubbo wohl vor allem die Verse 6, 13, 16 f., 31 f. und 34. 409 Gemeint ist die allegorische Auslegung der verschlossenen Tempeltür; vgl. vor allem Hes 44, 1–3. 410 Apostolikum BSLK 21, 13–15. 411 Apostolikum BSLK 21, 15 f. 412 Apostolikum BSLK 21, 17 f.
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Sohn gebären“, des Name wird „Immanuel“ heißen, das ist verdeutscht „Gott mit uns“. Weiter Kapitel 9, 5: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben“. Denn als der Vater wegen der Sünde seines Volkes strafend zuschlagen wollte, da wollte doch die strenge Gerechtigkeit Gottes damit sich versöhnen lassen. Dies glaube ich, dass das, was durch das eine Wort des Vaters [und] des heiligen Geistes in Maria empfangen, ernährt, gefüttert und geboren ward, Gott und Mensch ist. Joh 1, 14 „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“ Ebendort Joh 3408; Hes 43–46409 Ich glaube, dass Maria vor der Geburt, in der Geburt und nach der Geburt Jungfrau geblieben ist. Luk 1, 31 Des Kindes Name heißt Jesus, d. h. Erlöser, oder der Gesalbte, d. h. Joh 10, 1.9.11 Seligmacher, ein „guter Hirte“; „wer aber anderswo hindurch [als durch die Tür] hineinsteigt“ oder das Heil für die eigene Seele sucht, der ist „ein Dieb und Mörder“. Er aber ist [2. Sam 5, 5] nach der Prophezeiung 33 Jahre auf Erden gewandelt, hat gelehrt, [Matth 11, 5] „die Lahmen gehen gemacht, die Blinden sehend, die Tauben hörend, die Toten auferweckt, den Armen das Evangelium gepredigt.“ (6) Jesu Taufe, Sakrament der Taufe, Kindertaufe
Mit 30 Jahren wurde er Matth 3, 10; Luk 3, 21. Joh 1, 33 von Johannes im Jordan getauft: Auf welchem der Geist Gottes geruht hat in Gestalt einer Taube, und der Vater aus dem Himmel gesprochen hat [Matth 3, 17]: „Dies ist mein auserwählter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Mit der Taufe hat er das neue Testament eingesetzt und mich und alle gläubigen Menschen versiegelt zum ewigen Leben. Wobei die Taufe der Kinder auch bedeutet, dass sie in das Blut [den Tod] unseres Herrn Jesu Christi getauft worden sind, wie Paulus [Röm 6, 3] bezeugt, Apk 7, 14 [„Sie haben ihre Kleider gewaschen und sie weiß gemacht im Blute des Lammes“], Joh 3, 3 „[Wer nicht] von neuem geboren wird, [der kann das Reich Gottes nicht sehen]“. (7) Abendmahl
Desgleichen ist auch das Abendmahl ein Bund und das Gedächtnis des Leibes und Blutes unseres Herren Jesu Christi. Abraham, Isaak und Jakob haben es gegessen durch den Glauben. (8) Kreuzigung, Auferstehung, Wiederkunft
Der ist gekreuzigt [nach] dem Werk [den Schriften] der Propheten, nämlich Jes 53, David Ps 22. Der hat [Luk 23, 46] den Geist in die Hand des Vaters hinaufgegeben. Er ist [nach] Paulus 1Kor 15, 4; 1Thess 4, 14 »gestorben410 und begraben, am dritten Tage wieder auferstanden« welcher allein Apg 1, 9 f. ist »aufgefahren411 gen Himmel«. »Er412 wird wiederkommen, zu richten die Lebenden und die Toten.« Wie er vorausgegangen ist, so werden auch alle Menschen [folgen] Dan 12, 2; Jes 1, 28; Mal
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thom ewigen leuenn de bose thom ewigen dode Dan 12 Esa 1 Mala 4. 1 Cor. 15 Theß. 4 / Dar werden alle gelouigen entfangen dat se hyr vp erdenn gelouet hebben / smerte vm geleden hebben / er cruß vmgedragen hebben. Dat ys min hulp myn trost myn thouorlath de my Maria offt geen vorstoruen hillige geuen kan sunder Christus y[s] myn vorbydder vnde vorsoner Ioan. 1 Cranica 2. cap. Dar myt gade beualenn.
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16. Martinus Fabricius (Cleverns) [281 169] Dem edelen wolgheboren vrughen marien gheboren Dochter tho jeueren met eren gansen wysen vnde wolgheleerden raet vnde ampsluden: ghesimtheit vnde blytschap in dem heylighen gheist ghebeden sampt mynen schamelen ghebede / van my Martino Fabricio juwes schamelen denaers vnde vorstanders van gades woert (Nu vnde in allen tyden) in cleueren / tot juwer gnaden altoes bereit. Aenghesyn dat daer vel valsche propheten doctoers vnde lerars in die vyr hoken der werlt vt ghegoen sint / in verderfenisse van vele christen zeelen nicht allein: sunder oeck in oproringhe vnde twe drachticheit tusthen heren vnde voersten. Alzoe dat die ghemeynen man nicht En wet waer hy hem aenholden schal. zoe heb ick vor my ghenomen: (vt beuel van Juwer ghenaden) Mynen ghelouen als den Sacramenten. dat ys. der vorborgenheit gades aengaende / Juwer ghenaden tho vnder wysen vnde seeker tho maken wat juwer ghenade van my holden schal. [282] Tum Eersten wil ick Juwer ghenade vnder rechten, wat ghevolen dat ick hebbe van het sacrament des auentmaels ons heren Jhesu Christi. daer ick anders gheen ghevolen in en hebben: dan ons die doctoer der heiden paulus dat vtuercoren vat van gades wegen achter ghelaten vnde ghegeuen heft. Vnde op dat juwer ghenade mijnen zijn mochte verstaen zoe wil icket juwer gnaden declaeren beschekken in seuen punthen. gheen ghewonten oder ghesette der mijnschen Nae volgende: sunder pur. claer gades wort.
6 Cranica ergibt keinen Sinn. Vielleicht ist es verlesen aus Epistula. 9 A und B erhalten. 28 declaeren beschekken A declareren beschethken B
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3, 18–20; 1Kor 15, 23; 1Thess 4, 14–17: die Guten zum ewigen Leben, die Bösen zum ewigen Tode. Da werden alle Gläubigen das empfangen, was sie hier auf Erden geglaubt haben: wofür sie Schmerz erlitten, ihr Kreuz getragen haben. (9) Schluss des Glaubensbekenntnisses
Das ist meine Hilfe, mein Trost und meine Zuversicht, die mir weder Maria noch sonst ein verstorbener Heiliger geben kann. Sondern 1Joh 2, 1 f. Christus ist mein Fürsprecher und Versöhner. Damit Gott befohlen!
16. Martinus Fabricius (Cleverns) (1) Brief an Fräulein Maria (Anfang)
Der edlen, wohlgeborenen Fräulein Maria, geborenen Tochter zu Jever, mit ihrem ganzen weisen und wohlgelehrten Rat und ihren Amtsleuten erbittet Friede und Freude in dem heiligen Geist, samt meinem armen Gebet, von mir, Martin Fabricius, Eurem armen Diener und Verwalter des Wortes Gottes (jetzt und allezeit) in Cleverns, zu allen Diensten für Euer Gnaden stets bereit. In Anbetracht, dass viele falsche Propheten, Gelehrte und Lehrer in die vier Richtungen der Welt ausgegangen sind, nicht nur zum Verderben vieler Christenseelen, sondern auch mit der Folge des Aufruhrs und der Zwietracht zwischen Herrschern und Fürsten, so dass der gemeine Mann nicht weiß, woran er sich halten soll, so habe ich mir (auf Befehl von Euer Gnaden) vorgenommen, meinen Glauben, soweit er die Sakramente angeht, d. h. die Verborgenheit Gottes, Euer Gnaden vorzuweisen und gewiss zu machen, was Euer Gnaden von mir halten soll. (2) Abendmahl. Einleitung und Gliederung
Zum ersten will ich Euer Gnaden berichten, welche Auffassung ich habe vom Sakrament des Abendmahls unseres Herren Jesu Christi. Ich habe dazu keine andere Auffassung, als uns der Lehrer der Heiden Paulus, das auserwählte Gefäß, von Gott her hinterlassen und gegeben hat. Und damit Euer Gnaden meine Meinung verstehen kann, so will ich es Euer Gnaden erklären, geordnet in sieben Punkte, nicht indem ich mich nach Gewohnheiten oder Gesetzen der Menschen richte, sondern rein und klar nach Gottes Wort:
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16. Martinus Fabricius (Cleverns)
*1** Tum eersten wil wy besyn wat ons het Auentmael bedudet. *2** Tum Anderen van den ghewonten tho holdende des auens mael jhesu christi. *3** Tum drudden wat dat ons christus ghegeuen heft. *4** Tum vyrde hoe dat hyt ons ghegeuen heft [170] *5** Tum vyfden Warum dat hyt ons ghegeuen heft vnder brot vnde wyn *6** Tum sesden. waer tho dat hyt gegeuen heft *7** Tum souende wat dat hy denen synen beuolen heft tho doenn. [283] *Ciprianus** Tum EErsten isset saeck dat wy willen anmerken het beginsel ofte het hoeft die hem durch die sacramenten veropenbaert zoe sullen wy vynden veel crancheiden vnde vnghelouen der mynschen die die waerheit gades bedeccken willen met lugen vnde mynschen ghesetten. *Rom .1.** darum willen wy dat hoeft het welke christus ys vragen wyens lytmaden wy sint / wat dat hy beualen vnde achter ghelaten heft vnde isser wat vt dem weghe ghebrocht dat wil wy op vnde in dem rechten wech durch gades ghenade bryngen. Auerst dat juwer ghenade nicht en mein dat ick op mynen wolduncken stae oder mynen verstant gheloue zoe wil ick tho myner hulpen nemen de olde doctoren. Tum eersten vt den greken Chrisosthomum *Super Matth homelia. 83.** vnde vt dem latinen Bernardum die sullen ons leren warum dat christus ons syn lychaem vnder wyn oder broet gegeuen heft. vnde seggen aldus. Al wat christus ons ghegeuen heft dat ys indem vorstande tho begripen / vnde indem gheist tho vorstoen / alts mercklyck ys in den sacrament des doepsels. daer durch dat seinlike elemente die vernyinghe des gheistes ghegeuen wert. [284] Want wart saeck dat wy gheisten weren sunder lychaem zoe schollen wy die gauen gheestelyck ontfangen hebben vnde wy en schollen der tekenen nicht behoef hebben Auerst aenghesyn dat wy met dem lychaem omhanghen synt zoe moet wy durch het ghent dat gheschapen ys durch tekenen vnde ghelykenisse tot het vorstant der gheisteliker gauen comen. vnde alzoe werden die onsenlike dingen gegeuen durch het gent dat senlick ys. als het lycham christi onder dat broet het bloet christi onder dem wyn. Nicht dat dat ghebruck salich maket: sunder het ghent dat die gheist gades dar in wirket / Alzoe ist [171] ock met dem doepsel / Darum
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Martinus Fabricius entschuldigt sich unten (4), falls er sich in einigen Sachen vergriffen habe. Dazu gehört wohl auch, dass er sich in (3) nicht an seine eigene Disposition hält, sondern den Stoff anders anordnet. Zur Erleichterung des Überblicks verweisen die hier in eckige Klammern gesetzten Buchstaben auf die Reihenfolge der Unterabschnitte (a bis h) im Abschnitt (3), während die dortigen Überschriften mit den römischen Zahlen auf die geplante Disposition in (2) Bezug nehmen.
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(2. 3 a.b)
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I. Wir wollen besehen, was das Abendmahl für uns bedeutet [h]413. II. Von dem Brauch, wie das Abendmahl Jesu Christi gehalten wird [e]. III. Was Christus uns damit gegeben hat [f]. IV. Wie er uns das gegeben hat [g]. V. Warum er uns dies unter Brot und Wein gegeben hat [b.d]. VI. Wozu er uns dies gegeben hat [c]. VII. Was er den Seinen zu tun befohlen hat [a]. (3) Ausführung in Abänderung der Gliederung (a) Was Christus, das Haupt, befohlen hat (VII)
*Cyprianus** Zum ersten erfordert es der Fall, dass wir das Prinzip oder das Haupt feststellen wollen, die ihm [Paulus] durch die Sakramente offenbart sind. So werden wir finden Röm 1, 21. 24 f. 28 viel Krankheiten und Unglauben der Menschen, die Gottes Wahrheit mit Lügen und Menschengesetzen zudecken wollen. Darum wollen wir das Haupt, welches Christus ist und dessen Gliedmaßen wir sind, fragen, [VII] was er befohlen und hinterlassen hat. Und ist etwas vom Wege abgewichen, das wollen wir durch Gottes Gnade auf und in den rechten Weg zurückbringen. (b) Warum Christus Brot und Wein gegeben hat (V)
Aber dass Euer Gnaden nicht denke, dass ich nur auf meinem eigenen Gutdünken stehe oder meinem Verständnis traue, so will ich die alten Kirchenlehrer um Hilfe anrufen. Zum ersten von den Griechen Chrysostomus in seiner 83. Predigt über das Matthäusevangelium, und von den Lateinern Bernardus. Diese sollen uns lehren, [V] warum Christus uns seinen Leib unter Wein und Brot gegeben hat, und sagen dazu also folgendes. Alles414, was Christus uns gegeben hat, ist mit dem Verständnis zu begreifen und in dem Geist zu verstehen, wie es im Sakrament der Taufe erkennbar ist, wo durch das sinnliche Element die Erneuerung des Geistes gegeben wird. Denn wo es so wäre, dass wir Geist wären ohne Leib, dann würden wir die Gaben geistlich empfangen haben und würden der Zeichen nicht bedürfen. Aber im Hinblick darauf, dass wir mit dem Leib umkleidet sind, so müssen wir durch dasjenige, das geschaffen ist durch Zeichen und Gleichnisse, zum Verständnis der geistlichen Gaben kommen. Und so werden die nichtsinnlichen Dinge durch dasjenige gegeben, das sinnlich ist, also der Leib Christi unter dem Brot und das Blut Christi unter dem Wein. Nicht dass der Gebrauch selig macht, sondern dasjenige, das der Geist Gottes darin wirkt. So ist es auch mit der Taufe. Darum wird 414
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Johannes Chrysostomus, 90 Homilien zu Mt, 82. (83.) Predigt Kapitel 4, PG 58,
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wert het een sacrament gheheten als bernardus secht. sacrum secretum vel sacre rej sichnum. Ein heilig teyken eines heiligen dinges Disse surchfuldicheit heft christus ghehat tho dem synen achterlathende syn onsenlyck gratie vnde ghenade tho ghebruken vnder een vtwendich teiken / Alzoe heft hy ons dat sacrament des doepsels achter ghelaten het welker ys het beginsel der sacramenten vnde geistelike gauen / daer met hem vorliket werden in die ghelykenisse sins doets. Haec Chrysosthomus et Bernardus. [285] Hyr um ist dat die vtwendighe teken den name aen trecken van het ghein dat sy betekennen aengesyn dat dorch hoer ghebruck vnde bedersel ons die sacramenten gades gegeuen werden. alzoe lesen wy genes. 17. alzoe wert dyt broet ock het lycham christi gheheten nicht dat het broet dat wy syn vleis ys (als die itlike willen) off dat hy in dat broet een woenstat maken wylt: sunder dat durch dat broet onsem ghelouen gegeuen wort dat lychaem christi vnde durch dem wyn syn precious bloet: Ock nicht dat hy in kysten casten oder kerken ghesloten wylt wesenn: leset die werken der apostelen aen den 7. 17. isa. 66. etc. 1. chor. 3. 6 Joannes. 4. daer sult ghy vnde juwer ghenade anders vynden. Laet ons Nu voredaen sin waerum dat hy ons syn liff onder broet vnde syn bloet vnder wyn ghegeuen heft Hyr antwort augustinus. Ten war saeck dat de sacramenta wat heimelix vnde geistelix beteikende zoe en sollent gheen sacramenten heiten / Christus ons heylant hedt ons syn lyf mogen geuen sunder teikenen. Auerst vm ons cranckheit isset ghescheit vm dat wy syn woldaden tho beter ontholden schollen / [286] vnde ghelyck dat eten des broets in den eersten auentmael (als hy vt disser werlt scheiden sol nae synen vader) der waerheit nicht aff en naem. alzoe en wert hy tho dessem dage tho nicht vormyndert. [172] Laet ons Nu voerdaen syn wat christus ghedaen heft vnde wat dat hy ons heft heiten doen oder beuolen heft. Hyr tho nemme yck dem doctoer der heiden tho hulpen paulum der secht. Jck hebt van de¯ heren ontfangen dat ick ju gegeuen hebbe. Want der here jhesus inder nacht dor hy veeraden wert Naem hy dat broet vnde dancket en brack id vnde spraeck ettet dat ys myn lyf dat doet tho myender ghedechtenisse. dessuluen ghelyken etc .1. chor. 11. Tum eersten isset saeck dat ons mynslyckheit ghevraget wert wat dat christus in dem auentmael synenn jun-
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Bernardus von Clairvaux, In coena domini, PL 183, 271 C; wörtlich: Heiliges Geheimnis oder Zeichen einer heiligen Sache. 416 Gemeint ist offenbar, dass durch das Zeichen der Beschneidung die heilige Sache des Bundes geschenkt wird.
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(3 b–f)
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sie ein Sakrament genannt, wie Bernardus415 sagt: »Sacrum secretum vel sacrae rei signum«, ein heiliges Zeichen eines heiligen Dinges. Diese Vorsorge hat Christus für die Seinen getroffen, indem er ihnen hinterließ, seine nichtsinnliche Gnade und Güte unter einem äußerlichen Zeichen zu empfangen. So hat er uns das Sakrament der Taufe hinterlassen, welche der Anfang der Sakramente und geistlichen Gaben ist, damit wir ihm gleich werden in dem Bild seines Todes. Soweit Chrysostomus und Bernardus. (c) Wozu das Brot gegeben und warum es Leib Christi genannt wird (VI)
Daher kommt es, dass die äußerlichen Zeichen den Namen desjenigen annehmen, was sie bezeichnen, im Hinblick darauf, dass durch ihren Gebrauch und ihre Austeilung uns die Sakramente Gottes gegeben werden. So lesen wir es auch Gen 17, 10416. So wird das Brot auch der Leib Christi genannt, nicht dass das Brot, das wir sehen, Fleisch ist (wie manche wollen) oder dass er in dem Brot wohnen will, sondern (VI) damit durch das Brot unserem Glauben der Leib Christi gegeben werde und durch den Wein sein kostbares Blut. Auch nicht dass er in Kisten, Kasten oder Kirchen eingeschlossen werden will. Leset Apg 7, 17; Jes 66; 1Kor 3, 6; Joh 4. Da werdet Ihr und Euer Gnaden weiteres finden. (d) Warum Christus seinen Leib unter Brot und sein Blut unter Wein gegeben hat (V)
Lasset uns nun weiterhin sehen, [V] warum er uns seinen Leib unter Brot und sein Blut unter Wein gegeben hat. Hier antwortet Augustinus: Es sei denn, dass die Sakramente etwas Geheimes und Geistliches bezeichnen, so sollen sie nicht Sakrament heißen. Christus, unser Heiland, hätte uns seinen Leib ohne Zeichen geben können. Aber um unserer Krankheit willen ist es geschehen, damit wir seine Wohltaten besser aufnehmen können. Und gleich wie das Essen des Brotes beim ersten Abendmahl (als er aus dieser Welt scheiden soll zu seinem Vater) in Wahrheit nicht abnahm, so wird es auch bis zu diesem Tag nicht vermindert. (e) Wie das Abendmahl Christi gehalten wird (II)
Lasset uns nun weiter sehen, was Christus getan hat und [II] was er uns zu tun geheißen oder befohlen hat. Hierzu nehme ich den Lehrer der Heiden zur Hilfe, nämlich Paulus, der sagt 1Kor 11, 23–25: „Ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe. Denn der Herr Jesus in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot und dankte und brach’s und sprach: Esset, das ist mein Leib. Das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen usw.“ (f) Was Christus uns damit gegeben hat (III)
Zum ersten ist es so, dass wenn wir menschlich gefragt werden, [III] was das sei, [das] Christus im Abendmahl seinen Jüngern gab, einer nicht
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geren gaf sy en can nicht anders antworden dan wyn vnde broet. aldus secht ock augustinus dat wy voer ons ogen syn dat ys wyn vnde broet. Auerst vracht ghy den ghelouen wat dat ys soe schal hy antworden. dat broet ys dat lyf ons heren jhesu christi vnde die wyn syn bloet ghebenedyt / vnde daerum ock heten sy sacramenten. want anders syt men myt den ogen des vlesches. vnde anders met den ogen des verstandes [287] Nu laet ons voerdaen syn hoe wy dat hoge sacrament mochten werdichlyck vntfangen. Hyr in laet ons paulum besin wat dat hy dem Chorinteren gheleert heft .1. chorinthorum 11. seggende. Darum zoe wy onwardich van dyssem broet yt: off van dem kelck des heren drincket: die ys schuldich aen dat vleis vnde bloet des heren. Noch meer .2. chorinthorum 13. Onder soket ju sulues broeders off ghy in den ghelouen syt in wat maneren dat die ondersokynghe ghescheen schal. dat weet een ytlyck alderbest wat hy ys oder wat staet off leuent dat hy voert./ off hoe dat hy in den gheloue gestalt ys. Tum lesten het welke het eerste ghewest ßol hebben staet een ytlycken christen wol aen tho merken wat het auentmael ons heren ys off wat daer in gegeuen wort. want als men een dynck nicht en kint: hoe schal men connen seggen wattet ys. off wattet bedudet. [173] off hoe schalment nae syn werdicheit connen prysen. eren. oder verheuen hoe quamet doch dat die chorinteren dat auentmael ons heren onwerdich ontfingen. Hyr vm want sy nicht en onderhelen dat men daer in ende holden scholde. Noch nicht en vorstonden wat sy deden. Wy ys doch van den juden gheweest die dat paeschlamp werdich geten heft oder ontfangen. zoe vaer als hy het vorborgen sacrament nicht gheweten en hedt / [288] zoe schal een ydder weten. dat dyt avuentmael ons beduyt vnde verkundiget een vernuynghe des dodes christi vnde al watter van dat een broet yt. die werden mit hem een lichaem Aldus vaer van dem sacrament des auentmaels ons heren Jhesu christi hebbe ick myn ghevolen tho kynnen ghegeuen begerende althoes van myener wyser vnder ghewesen tho werden. byddende dem ghenedigen Vrughen Juwer ghenade wolde nu yn dißer Cotter tyt myn cranckheit aen syn heb yck my in Eynighe saken vergrepen / daer waer noch veel meer tho scriuen. van dem sacrament des doepsels (vm den wedderdoepers den mont tho stoppen / ) Auerst ick byn behindert tot noch thoe sunder wat dat mynder ghenediger vrughen werdiger vnde hoghelerden raet auer een
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(3 f.g.h. 4)
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anders antworten kann als: Wein und Brot. Folglich sagt auch Augustinus, dass das, was wir vor unseren Augen sehen, Wein und Brot ist. Aber fragt ihr [zum zweiten] den Glauben, was das ist, so soll er antworten: Das Brot ist der Leib unseres Herren Jesu Christi und der Wein sein gesegnetes Blut. Und darum heißen sie auch Sakrament. Denn anders sieht man mit den Augen des Fleisches und anders mit den Augen des [geistlichen] Verstehens. (g) Wie Christus uns das Sakrament empfangen lässt (Würdigkeit) (IV)
Nun lasst uns weiterhin sehen, [IV] wie wir das hohe Sakrament würdig empfangen können. Hierin lasst uns auf Paulus sehn, was er die Korinther gelehrt hat, indem er sagt 1Kor 11, 27: „Darum, wer unwürdig von diesem Brot isst oder aus dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig an dem Leib und Blut des Herrn.“ Noch mehr 2Kor 13, 5: „Erforscht euch selbst, liebe Brüder, ob ihr im Glauben steht!“ In welcher Weise diese Erforschung geschehen soll, das weiß ein jeder selbst am besten: Was er ist oder welche Art von Leben er führt oder wie er im Glauben gestellt ist. (h) Was das Abendmahl für uns bedeutet (I)
Zum letzten, welches eigentlich hätte das erste sein sollen. Es kommt bei jedem Christen darauf an zu verstehen, [I] was das Abendmahl unseres Herren ist oder was darin gegeben wird. Denn wenn man ein Ding nicht kennt: Wie soll man sagen können, was es ist, oder was es bedeutet, oder wie man es nach seiner Würdigkeit soll preisen, ehren oder erheben können? Wie kam es doch, dass die Korinther das Abendmahl unseres Herrn unwürdig empfingen? Deshalb, weil sie weder daran festhielten, dass man dabei die Einheit bewahren sollte, noch verstanden, was sie taten. Wie ist es doch bei den Juden gewesen, die das Passalamm würdig gegessen oder empfangen haben, obwohl sie von dem verborgenen Sakrament noch nichts wussten? So soll ein jeder wissen, dass dieses Abendmahl uns bedeutet und verkündigt: eine Erneuerung des Todes Christi, und jeder, der von dem einen Brot isst, die werden mit ihm ein Leib. (4) Brief an Fräulein Maria (Schluss)
Soweit also habe ich von dem Sakrament des Abendmahls unseres Herren Jesu Christi meine Meinung zu erkennen gegeben, indem ich stets begehre, von denen, die weiser sind als ich, unterwiesen zu werden. Und ich bitte die gnädige Fräulein, Euer Gnaden wollte nun in dieser kurzen Zeit meine Krankheit ansehen, wenn ich mich in einigen Sachen vergriffen habe. Da wäre noch viel mehr zu schreiben von dem Sakrament der Taufe (um den Wiedertäufern den Mund zu stopfen). Aber ich bin daran noch gehindert. Sondern wozu da der würdige und hochgelehrte Rat meiner gnädigen Fräulein übereinkommt und beschließt, damit stim-
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17. Johannes Scroder (Sandel)
cumpt et scletende is daer consenteer ick mede. hoerder besclutinghe nicht aff tho gaen wens inden doet thoe Met disser cotter vorclaringhe sy my ghenedighen vrughen met allen hoerer ghenaden by standers bevolen in die hande gades algheweldich. die juwer ghenade langhe ghesunt spaer tot juwer ghenade salicheit vnde tot eendrachticheit jn dissem gansen lande. Amen.
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17. Johannes Scroder (Sandel) [352 174] Jck Johannes Scroder van Osenbrugge pastor tho Sandel bekenne vnn belie dat ick holde vnn vordan holden will alle dat genne dat Philippus Melanchton tho lere vnde beteringe de hilligen Christliker kerken vns heft vor gescreuen vnn gelert in synen boke dat he heft intitulert Locos communes Vnde by der Confession de tho Auspurch vor keiserlike Maiesteit vnde den gantzen rike is geschen Vorder so bekenne ick dat ick de Gennen de to der hilligen Cristen gemene vnn tho den auentmael des heren willen thogelaten werden alß na volget plege vragen Tom Ersten Gelouestu vnn bekennest van harten vor Godt vnde den minschen dat dat du byst eyn arm sundich vordomet mynsche mit all dynem wesende kraft vnn wercken. dattu nicht dogest noch vormogest tor frommicheit vnn salicheit. dat noch du edder ienich creatur in den hemmel oft vp erden helpen kan thor salicheit der selen Thom Anderen Gelouestu vnde bekennest van harten vor godt vnn den minschen dat godt de hemmelsche vader dy so leff heft dat he ihesum christum synen engebaren sone dy vth genaden geschenket heft. de myt synen lydende vnn bitteren dode vor all dyne sunde gedan vnn vngedan heft der gerechticheit gades vnn alle gades gebade vor dy vullenbracht vnn dy dat ewige leuen vordent. Also dat du dorch Christum vry van allen sunden eyn kynt gades vnde erfgename des ewygen leuendes syst
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A und B erhalten. heren B des A kan B kran A vth B vht A
417 Johannes Scroder benutzt wahrscheinlich die deutsche Ausgabe: Melanchthon, Loci verdeudscht 1538.
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(1. 2.a.b)
17. Johannes Scroder (Sandel)
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me ich überein, von ihren Beschlüssen nicht abzugehen bis in den Tod. Mit dieser kurzen Erklärung sei meine gnädige Fräulein mit allen Helfern Ihrer Gnaden in die Hand des allmächtigen Gottes befohlen, der Euer Gnaden lang gesund erhalten möge zu Euer Gnaden Seligkeit und zur Eintracht in diesem ganzen Land. Amen.
17. Johannes Scroder (Sandel) (1) Bekenntnis zu Melanchthons Loci communes, zur Augsburgischen Konfession und zur Beichtpflicht
Ich, Johannes Scroder von Osnabrück, Pastor zu Sandel, bekenne und versichere, dass ich all dasjenige halte und weiterhin halten will, was Philippus Melanchthon als Lehre und zur Verbesserung der heiligen, christlichen Kirche uns in seinem Buch mit dem Titel Loci417 communes vorgeschrieben und gelehrt hat, und bei der Confession418, die in Augsburg vor Kaiserlicher Majestät und dem ganzen Reich geschehen ist. Weiter bekenne ich, dass ich diejenigen, die zu der heiligen Christengemeinde und zum Abendmahl des Herrn zugelassen werden wollen, folgendermaßen zu fragen pflege. (2) Drei Beichtfragen, die vor der Zulassung zum Abendmahl zu beantworten sind (a) Erste Beichtfrage nach dem Sündenbewusstsein
Zum ersten: Glaubst und bekennst du von Herzen vor Gott und den Menschen dies, dass du ein armer sündiger verdammter Mensch bist mit all deinem Wesen, deiner Kraft und deinen Werken, dass du weder taugst noch etwas vermagst zur Frömmigkeit und Seligkeit, dass weder du noch irgend eine Kreatur im Himmel und auf Erden zur Seligkeit der Seelen helfen kann? (b) Zweite Beichtfrage nach Christus, der die Sünde gesühnt und die Gerechtigkeit erworben hat
Zum andern: Glaubst und bekennst du von Herzen vor Gott und den Menschen, dass Gott, der himmlische Vater, dich so lieb hat, dass er Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, dir aus Gnaden geschenkt hat, der mit seinem Leiden und bitteren Tod für alle deine begangenen und unbegangenen Sünden für dich die Gerechtigkeit Gottes und alle Gottesgebote vollbracht und dir das ewige Leben verdient hat, so dass du durch 418
Ob Johannes Scroder eine – später Invariata genannte – Ausgabe der Augsburgischen Konfession im Blick hatte BSLK 31–137 oder die von Melanchthon überarbeitete Fassung, die sog. Variata, Melanchthon StA 6, 12–79, lässt sich bei der Kürze seines Bekenntnisses schwer entscheiden.
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18. Jacobus Drentwede (Schortens)
Tom Druden [175] Gelouestu vnde bekennest ock van harten vor Godt vnde den mynschen dat Jhesus Christus dat ewige myddel yß tuschen godt vnn vns / dat ys / dat he vnse enige salichmaker ys / vnn dat wy solke vorgeuynge der sunde vnde de ewygen salicheit dorch den enigen reinen gelauen an Jhesum christum entfangen hebben / dat nene vnse werke / nene vthwendige dynge nyn creatur tho desse gelouen helpen oft nodich syn kan / vth syck suluest / sunder ydt ys allene gades gaue vnn werck yn vns /
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18. Jacobus Drentwede (Schortens)
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[211 176] Besunderghen gunstighenn leuhenn heren vnde gunners de wyle gy mynhenn ghelouhenn scryfftljck beghernn vnnde ock hebbenn wyllenn Szo wyl Jck mynhen ghelouhen juk nycht berghenn Thomm Erstenn ghelouhe Jck dath syck de ghelouhe deleth yn dre artikel de wyle de hyllyghe driuoldychyth vp dre personhenn vnde Enhenn warafftyghenn vnsychtlykenn godt gegrundeth moth syck ock delenn de gelouhe vp dath alder Eynfoldigeste ynn dre houeth artykel De Erste dem vader de ander dem Szonhe de drudde demm hyllyghenn geste tho egenn De Erst artikel Jck ghelouhe In godt vader almechtych Schypper hemmels vnde der Erdenn Szo ys mynn ghelouhe dath desse artikel anders nergen vp sta den vp dath wordeken Schypper joannis primo Omnia per ipsum facta sunt et sine ipso Factum est nychil hyr uth vorsta yck / dat de Erste personhe der gotheyth nyeht anders deyt dan dath se scyppenn / angesenn alsze myth denn worde genesis primo dar godt sprack dar werde eynn lycht etc Js genochsamm tho uorstande dath alle dynck myth denn worde gheschapen ys vnde werdt De Ander artikel Jck ghelouhe ann Jhesum Cristum synhenn Enigen gheborenn Szonhe vnsen herenn de Entfanghen ys van de¯ hillygen geyste / hyr Jnnhe vorsta yck dath ganse leuent vnde alle wath cristus ghedann hefft worummehe gheborenn vnde wath de geborth nutte sy vor11 A und B erhalten. 11 leuhenn fehlt B 419
Apostolikum BSLK 21. Vgl. Luther, Großer Katechismus, 2. Hauptstück, 1. Artikel: Denn alles gefasset ist in das Wort Schepfer … BSLK 648, 31. 420
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18. Jacobus Drentwede (Schortens)
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Christus frei von allen Sünden ein Kind Gottes und Erbe des ewigen Lebens seist? (c) Dritte Beichtfrage nach Christus als dem einzigen Mittler und Retter
Zum Dritten: Glaubst und bekennst du auch von Herzen vor Gott und den Menschen, dass Jesus Christus die ewige Vermittlung ist zwischen Gott und uns, d. h. dass er unser einziger Seligmacher ist, und dass wir diese Vergebung der Sünde und die ewige Seligkeit durch den einen, reinen Glauben an Jesus Christus empfangen haben, dass keines unserer Werke, keinerlei äußere Dinge, keine Kreatur zu diesem Glauben helfen oder dafür an sich selbst nötig sein kann, sondern es allein Gottes Gabe und Werk in uns ist?
18. Jacobus Drentwede (Schortens) (1) Einleitung
Vorzügliche, gnädige, liebe Herren und Gönner! Da Ihr mein Glaubensbekenntnis in schriftlicher Form begehrt und ausgehändigt haben wollt, so will ich mein Glaubensbekenntnis nicht vor Euch verbergen. (2) Trinität
Zum ersten glaube ich, dass sich der Glaube in drei Artikel teilt. Weil die heilige Dreifaltigkeit auf drei Personen und einen wahren unsichtbaren Gott gegründet ist, muss sich auch der Glaube aufs allereinfachste in drei Hauptartikel teilen: der erste Artikel gehört dem Vater, der zweite Artikel dem Sohn, der dritte dem heiligen Geist. (3) Der Erste Glaubensartikel
Der Erste Artikel: »Ich419 glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erde.« Mein Glaube lautet so, dass dieser Artikel auf nichts anderem beruht als auf dem Wörtchen »Schöpfer«420. Joh 1, 3: „Alle Dinge sind durch ihn gemacht, und ohne ihn ist nichts gemacht.“ Hieraus schließe ich, dass die erste Person der Gottheit nichts anderes tut, als dass sie erschafft, in Anbetracht des Wortes Gen 1, 3: „Da sprach Gott, da werde ein Licht.“ Daraus ist genügend deutlich zu verstehen, dass jedes Ding durch das Wort erschaffen ist und wird. (4) Der Zweite Glaubensartikel (a) Christus wahrer Gott und wahrer Mensch
Der zweite Artikel: »Ich421 glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, der empfangen ist von dem heiligen Geist.« Hierunter verstehe ich, dass damit erfasst ist das ganze Leben und alles, was 421
Apostolikum BSLK 21.
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18. Jacobus Drentwede (Schortens)
uateth Szo ghelouhe yck dath dusse Enyghe sone gades ijesus Cristus sy myth dem vader eynn warafftych godt / vnde van demm vader yn Ewycheyt gheborenn / Ock Eyn warafftych mynsche van der junncfrouwenn marien gheboren / vnde dath de sulffte sone godes aller ghelouyghenn here sy / vnd vorloseth hefft van allen sunden mathei primo [212] He maketh syn volck salych vann allenn sundenn vann der gewalt vnde macht des duuels / helle sunde vnde dode hyr [177] vth merke yck dath dusse ander artykel anders nergen van lereth dan van der vorlosynghe / doch dath yck de anderen nycht wyl vorachten / alse ock Eyn ider wol merkenn kan Auher doch de anderenn alle vp de vorlosynghe alße vppe den houeth artikel syck grunden szo ock de historien meldeth Js jo thouorstande dorch wath myddel tho der vorlosynghe vnde herschup se ghekamhen alsze dath he anders nergen dan dorch synhen doeth hebbe jrlanget Esaiae quinquagesimo tertio / dath he Vmhe vnser bosheyth vorwundet si etc luce 24 do de jungeren nha Emaus gan woldenn etc Hyr vth vorsta ick klar genoch dath Cristus tho synher Fullenkamhen herschup nha der mynschlyken natur myth der gotheyth vor Enygeth tho vnser vorlosynghe nycht kamhen konde vor synhe¯ lidende Szo duth dennhe nhu war ys alsze dath vnghetwyuelt war syn moth szo anders de scryfft recht ys vnde de propheten de van de vorlosynghe der sunde de vth gnaden sihn scholde hebbenn geschreuen etc Szo mothen Jo vallen / de dar lerenn vnde leret hebben dath myth vnsen werken sy ghenoch tho donde vor de sunde de nhu dessen artykelen szo nych loueth achte yck vnlouych he do szo vel alse he kan / szo syn se doch nycht / ad romanos quartodecimo allennt wat nycht vth den Gelouhen is js sunde De drudde artikel Ick ghelouhe yn den hillygen geyst unyne Eynhe hyllyghe Christlyke kerke De wyle jck jrkennhe wor syck de voryghenn artikel vp grunden Alse dath de Erste artikel des ghelouens / dem vader de schyppynge / de ander dem sone de vorlosynghe tho leggen Alszo leret my desse artikel 11 13 20 25 27
jo fehlt B anders nergen A nergen anders B geschreuen B, fehlt A js A dat ys B unyne A, fehlt B 422
Luther, Kleiner Katechismus, 2. Hauptstück, 2. Artikel, BSLK 511, 23. Luther, Kleiner Katechismus, 2. Hauptstück, 2. Artikel, BSLK 511, 25. 424 Vgl. Luther, Großer Katechismus, 2. Hauptstück, 2. Artikel, BSLK 652, 25–27. 425 Vgl. Luther, Großer Katechismus, 2. Hauptstück, 2. Artikel: Die Stücke aber, so nacheinander in diesem Artikel folgen, tuen nichts anders, denn dass sie solche Erlösung verklären und ausdrücken … BSLK 652, 30. 423
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(4 a.b.c. 5)
18. Jacobus Drentwede (Schortens)
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Christus getan hat, warum er geboren ist und wozu die Geburt nütze ist. So glaube ich, dass dieser eine Sohn Gottes Jesus Christus mit dem Vater ein »wahrhaftiger422 Gott und vom Vater in Ewigkeit geboren« sei, dass er auch sei ein »wahrhaftiger423 Mensch, von der Jungfrau Maria geboren«, und dass derselbe Sohn Gottes »Herr424« aller Gläubigen sei und sie von allen Sünden erlöst hat. Mt 1, 21: „Er macht sein Volk selig von allen Sünden“, von der Gewalt und Macht des Teufels, der Hölle, der Sünde und des Todes. (b) Erlösung durch den Tod Christi (Hauptartikel)
Daraus schließe ich, dass dieser zweite Artikel425 von nichts anderem lehrt als von der Erlösung, doch dass ich die anderen nicht geringer achten will, wie auch jeder wohl merken kann, aber dass die anderen sich alle auf die Erlösung als auf den Hauptartikel426 gründen, wie auch die Geschichte berichtet. [Dies] ist ja [so] zu verstehen, durch welches Mittel sie [die Gläubigen] zur Erlösung und zur Herrschaft gekommen sind, wie dass er [es] nicht anders erlangt habe als durch seinen Tod Jes 53, 5: dass er „um unserer Bosheit willen verwundet“ sei; Lk 24, 26 als die Jünger nach Emmaus gehen wollten: [„Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“] Hieraus verstehe ich mit hinreichender Klarheit, dass Christus zu seiner vollkommenen Herrschaft nach seiner menschlichen, mit der Gottheit vereinigten Natur zu unserer Erlösung nicht vor seinem Leiden kommen konnte. (c) Keine Genugtuung durch Werke
Wenn dies aber nun wahr ist – wie das unbezweifelt wahr sein muss, wenn anders die heilige Schrift richtig ist und die Propheten, die von der Erlösung von der Sünde geschrieben haben, die aus Gnaden geschehen sollte: So müssen ja fallen, die da lehren und gelehrt haben, dass mit unseren Werken genugzutun sei für die Sünde. Wer nun diesen Artikel so nicht glaubt, den achte ich als ungläubig, er tue so viel, als er kann, so sind sie doch nicht [gerecht]. Röm 14, 23: „Alles, was nicht aus dem Glauben ist, ist Sünde.“ (5) Der Dritte Glaubensartikel
Der Dritte Artikel: »Ich427 glaube an den heiligen Geist und eine Eine heilige christliche Kirche.« Da ich erkenne, worauf sich die vorigen Artikel gründen – wie428 dass der Erste Glaubensartikel dem Vater die Schöpfung, der Zweite dem Sohn die Erlösung zuschreibt – so lehrt mich dieser 426 Luther, Großer Katechismus, 2. Hauptstück, 2. Artikel: Auch stehet das ganze Euangelion, so wir predigen, darauf, daß man diesen Artikel wohl fasse, als an dem alle unser Heil und Seligkeit liegt … BSLK 653, 11 427 Apostolikum BSLK 21. 428 Vgl. Luther, Großer Katechismus, 2. Hauptstück, BSLK 647, 3–12.
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18. Jacobus Drentwede (Schortens)
myth synhen volgenden lhederen den hillygen geyst / de hillynghe tho tho leggende / dewyle duße [213] Artikel vp de hillynghe ys ghegrundeth Szo kan noch mach yck de hyllgynghe jo anders nummahende tho leggenn / den de¯ hyllygen geyst etc Dyth Js thenn Ersten mynen ghelouhe hyr uth gy my mogen rychtenn [178] Vann der Cristlykenn kerkenn Jck ghelouhe dath de crestlyke kerke sy Eynhe vorsamlynghe der louyghen Cristenn alsze wy jn moysi lesenn in libro quarto do de kinneder vann jsrahel murden wedder moyssen vnd aronn worummhe se de kerken gades jn de wostenyge gheuorth haddenn / vthe den wordenn Ick jrkennhe dath de Cristlyke kerke nycht Eynn vthwendich ghebouwte edder de romysche kerke sy Ock ad Coryntios tertio / wete gy nycht dath wy de tempel gades synn / dar paulus myth den leuenndighen mynschen redet vnde nycht myth holte etc Dath Js mynne ghelouhe kortlyck daruann Ock Js mynne ghelouhe dath de Crystelyke kerke jrkennt werth by dem worde gades vnde Sacramenten / vnde de sulfftyghenn brukenn nha dem beuel gades vnde Jo nycht vorsmadtenn alse de dope vnde dath Sacrament des lyues vnde blodes cristi / der wy brukenn alsze de joden der besknydynghe gebrukedenn / vnde werdenn dar ock dath Cristlyke volck by jrkannt vnde van allen vnChrystenn ghescheden etc Ock kan yck noch Jemant lochen dath de dope Eynn bath gades ys vnde nycht Eyn sclycht water alse ander water / sunder sulck Eynn water dath yn gades worth geuatheth / vnde dath dar werth nha den beuel gades ghebruketh / vnde dath dath water kamhe tho dem worde vnde dath worth tho demm water [214] alsze augustinus lereth vnde werdenn Eyn dynck thossamen vnde ghenomhet Eynn sacrament etc Ock moth wy jo openntlyck bekennhen vnde vaste ghelouhen dath jn dem brode de ware lycham Cristi vnnde jn dem wynhe dath bloth Cristi js vorborgen / Alsze is ock yn dussemm water de dope jnnt worth gheuateth vnde de krafft gades de dath armhe kynndeken dath dar ghedofft werth wert reyne van sunnden vnde salych maketh ouerst der uornufft vorborgen / Darummhe
1 3 8 12
tho tho A tho B kan noch mach A mach noch kan B in A, fehlt B sy B, fehlt A
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(5–8)
18. Jacobus Drentwede (Schortens)
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Artikel mit den folgenden Satzgliedern, dem heiligen Geist die Heiligung beizulegen, weil dieser Artikel auf die Heiligung gegründet ist. So kann und vermag ich ja die Heiligung auf niemand anderen zurückzuführen als auf den heiligen Geist. Dies ist fürs erste mein Glaube, nach dem Ihr mich beurteilen möget. (6) Kirche
Von der christlichen Kirche. – Ich glaube, dass die christliche Kirche sei eine Versammlung der gläubigen Christen, wie wir bei Mose lesen im 4. Buch [Num 14, 2; 20, 4], da die Kinder Israel murrten wider Mose und Aaron, warum sie die „Kirche“429 Gottes in die Wüste geführt hätten. Aus diesen Worten entnehme ich dass die christliche Kirche nicht ein äußerliches Gebäude oder die römische Kirche sei. Auch 1Kor 3, 16: „Wisset ihr nicht, dass wir der Tempel Gottes sind?“ Da redet Paulus mit den lebendigen Menschen und nicht mit Holz usw. Davon ist dies in Kürze mein Glaube. (7) Kennzeichen der Kirche
Auch ist mein Glaube, dass die christliche Kirche erkannt wird am Wort Gottes und den Sakramenten und [daran, dass sie] dieselben gebrauchen nach dem Gebot Gottes und sie ja nicht verachten, als da sind die Taufe und das Sakrament des Leibes und des Blutes Christi, die wir beibehalten, wie die Juden die Beschneidung übten. Und daran wird auch das christliche Volk erkannt und von allen Nichtchristen unterschieden. (8) Taufe als Sakrament
Auch kann weder ich noch sonst jemand leugnen, dass die Taufe ein Bad Gottes ist und »nicht430 ein schlichtes Wasser« wie anderes Wasser, »sondern sie ist ein solches Wasser, das in Gottes Wort gefasst« ist und das nach dem Gebot Gottes angewandt wird, und dass das Wasser zu dem Wort kam und das Wort zu dem Wasser, wie Augustinus431 lehrt, und werden zusammen eins und werden ein Sakrament genannt. Auch müssen wir ja öffentlich bekennen und fest glauben, dass in dem Brot432 der wahre Leib Christi und in dem Wein das Blut Christi verborgen ist. So ist auch in diesem Wasser die Taufe ins Wort gefasst und [in] die Kraft Gottes, [durch] die das arme Kindchen, das da getauft wird, rein wird von Sünden und [die es] selig macht, aber der Vernunft verborgen [ist]. Weil solch Num 20, 4 (Vulgata): Cur eduxistis ecclesiam Domini in solitudinem …? Vgl. Luther, Kleiner Katechismus, 4. Hauptstück BSLK 515, 25; Großer Katechismus, 4. Hauptstück, BSLK 693, 33. 431 Augustinus, In Johannem tractatus 80, 3, PL 35, 1840; zitiert auch bei Luther, Großer Katechismus, 4. Hauptstück BSLK 694, 29. 432 Hier verbindet Drentwede die Taufe mit dem Thema des nächsten Abschnittes (Altarsakrament). 429 430
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19. Rodolphus Frisius (Schortens)
dath sulke hoghe vnde mechtyghe gotlyke dynghe jn dessen Elementenn sy vnsychtlyk vnde vorborgenn settenn syck de hochsynnigenn Sacramentenn schenders szo herth dar Entiegen / vnde mysbrukenn [179] der hyllygenn dope / vnde lathen syck anderweruhe dopenn / dar se nycht anders henn bryngheth / sunder dath se myth Erer vornufft wyllen volenn vnn vatenn gotlyke dynghe / vnde de krafft gades sychtlick begrypen dath doch nycht mogelyck ys / alsze paulus Corintorum secundo vann demme Sacramennte des altaris Jn dem Sacramente des altaris js de Ware lyff vnn blot Cristi / dath jck ghelouhe dath vnder dem brode de ware lyff / vnder dem wyne dath bloth Cristi sy / alsze worde ludenn / van den Euangelysten ghescreuhen / nemeth Etet dath ys mynn lyff / nemet drynket dath Js mynen bloth / Szo Cristus nhu suluest secht / vnde tho lerende beualenn / wyl he Jo vnde mach nummher legenn / dath vnder [215] dem brode vnde wynhe Jn gades worth gheuateth sy synn lyff vnde bloth / wo auher dath thoga / beuele yck synhenn gotlykenn wyllenn / vnde myth dauidt bewysenn Centesimo decimo octavo Here alle dynes gebades synt warheyt / szo gebet he suluest sulkes tho louende / demm wyl Jck ock szo doenn / vnde de Sacramente schenders nycht achtenn / godt wert sze wol rychtenn Desse vorgen artikel hebbe Jck ghelerth vnde nycht anders des berope yck my vp de genne de my ghehorth hebben Jacobus Drentwede pauper / seruus Cristi apud Schortenses
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19. Rodolphus Frisius (Schortens) [180] Rodolphus Frisius apud Schortenses Vicarius [343] Quanquam libellus quem interim nominant ita luculenter est refutatus a doctissimis quibusdam viris Philippo melanthone Casparo aquila et alijs: vt non credam quenquam fore, in hisce locis ubi euangelium sincere docetur tam iudicij inopem et verae doctrinae ignarum quin deprehendat suo marte hunc libellum insidiari verae doctrinae christianae. 5 7 10 20 24 24 28
Erer A der B secundo A, fehlt B wyne B wynle A anders A anders des B A und B erhalten. Rodolphus … Vicarius fehlt bei A ignarum B gnarum A
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(A 1)
19. Rodolphus Frisius (Schortens)
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hohe und mächtige göttlichen Dinge in diesen Elementen unsichtbar und verborgen sind, widersetzen sich ihnen so scharf die überklugen Sakramentenschänder und missbrauchen die heilige Taufe und lassen sich ein zweites Mal taufen, das sie nirgend anders hinführt, außer dass sie mit ihrer Vernunft wollen göttliche Dinge fühlen und fassen und die Kraft Gottes mit den Augen ergreifen, was doch nicht möglich ist, wie Paulus 1Kor 2, 9 [sagt]. (9) Altarsakrament
Von dem Sakrament des Altars. – In dem Sakrament des Altars ist der »wahre433 Leib und Blut Christi«, so dass ich glaube, dass »unter dem Brot« der wahre Leib, »unter dem Wein« das Blut Christi sei, wie die Worte lauten, die von den Evangelisten geschrieben sind [Mt 26, 26–28; Mk 14. 22.24]: „Nehmet, esset, das ist mein Leib! Nehmet, trinket, das ist mein Blut!“ So Christus dies nun selbst sagt und zu lehren befohlen hat, will er ja und kann niemals lügen, dass unter dem »Brot434 und Wein in Gottes Wort gefasset« sein Leib und Blut seien. Wie das aber zugehe, überlasse ich seinem göttlichen Willen, und [betrachte es als] bewiesen mit David Ps 119, 151: „Herr, alle deine Gebote sind Wahrheit.“ So gebietet er selbst, solches zu glauben. Das will ich auch so halten und auf die Sakramentenschänder nicht achten. Gott wird sie wohl richten. (10) Schluss
Diese vorstehenden Artikel habe ich gelehrt und nicht anders. Dabei berufe ich mich auf diejenigen, die mich gehört haben. Jacobus Drentwede, der arme Diener Christi bei den Schortensern
19. Rodolphus Frisius (Schortens) (A) Einleitung (1) Fräulein Maria wünscht zu erfahren, was ihrem Volk gepredigt wird.
Rodolphus Frisius, Vikar bei den Schortensern Obgleich das Buch, das sie Interim nennen, so klar widerlegt worden ist von verschiedenen hochgelehrten Männern wie Philipp Melanchthon435, Caspar Aquila436 und anderen, so dass ich nicht glaube, dass an diesen Orten, wo das Evangelium rein gelehrt wird, jemand so urteilslos und der wahren Lehre unkundig sei, dass er nicht von selbst erkennt, dass 433 Drentwede beschreibt das Altarsakrament mit Begriffen, die er aus Luthers Kleinem und Großem Katechismus entlehnt BSLK 519, 41; 709, 22. 434 Luther, Großer Katechismus, 5. Hauptstück, BSLK 709, 31. 435 Gemeint ist wohl Melanchthons Bedenken in: Dingel, Reaktionen 59–75. 436 Caspar Aquila, Wider den spöttischen Lügner 1548.
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igitur non duco operae precium plura aduersus eum scribere et penelopes telam retexere: tamen vt morem geram principi, quae non vt conijcio in hoc exigit a nobis doctrinae confessionem vt errores in hoc libello propositos confirmet aut stabiliat: sed vt hoc modo callide quidem sed tamen pie verbi diuini ministros examinet, videatque quid et quomodo populum ipsorum fidei commissum doceant ne homines miseri seducantur falsis dogmatibus aut noui errores exoriantur. libentissime dicam meam sententiam de hoc scripto et caeteris eiusdem farinae omnibus. Est enim cultus dei ipsum praedicare et confiteri in vniuerso mundo, quem serio requirit ab omnibus hominibus in secundo praecepto decalogi Non assumes nomen domini dei tui in vanum. Et ipse Christus allicit nos ad [344] hanc sui confessionem ingentibus praemijs inquiens si quis me confessus fuerit coram hominibus, confitebor ego eum coram patre meo caelesti. pollicetur his verbis se fore patronum et opitulatorem confeßorum verbi sui apud patrem suum caelestem. Contra inquit si quis negauerit me coram hominibus negabo et eum coram patre meo caelesti. Hic praedicit, negantes ipsum passuros repulsam in isto horribili iudicio dei. Audacter igitur et breuiter meam sententiam de hoc scripto exponam Postea meam confessionem integre recitabo. Si qui huius scripti integram refutationem desiderant legant alios. Quoties huius libri mentio fit homo vere christianus non potest non toto pectore exhorrescere, et diris execrationibus [181] authorem vna cum isto nefario libro deuouere. quis non fugiat cum Polycarpo obturatis auribus locum in quo sonuerint tam horrendae blasphemiae in deum? aut quis
7 dogmatibus B dogmatis A
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(A 1.2.3. B 4 a)
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dieses Buch der wahren christlichen Lehre auflauert, und es daher meines Erachtens nicht der Mühe wert ist, noch mehr dagegen zu schreiben und den Mantel der Penelope erneut zu weben – so will ich dennoch der Fürstin gehorchen, welche von uns vermutlich nicht deswegen ein Bekenntnis der Lehre fordert, damit man die in diesem Buch enthaltenen Irrtümer bekräftigt und bestätigt, sondern dass sie auf diese Weise geschickt und zugleich fromm die Diener des göttlichen Wortes prüft und dabei sieht, was und wie diese dem ihrer Gewissenhaftigkeit anvertrauten Volk predigen, damit die armen Menschen nicht mit falschen Lehrmeinungen verführt würden oder neue Irrtümer entständen. (2) Bekenntnis zu Christus
Gerne sage ich deshalb mein Urteil über diese Schrift und alle die übrigen desselben Schlages. Die Verehrung Gottes besteht nämlich darin, ihn in der ganzen Welt zu verkündigen und zu bekennen, was er eindringlich von allen Menschen im Zweiten Gebot des Dekalogs verlangt [Ex 20, 7]: „Du sollst den Namen des Herr, deines Gottes, nicht vergeblich führen!“ Und Christus selbst lockt uns zu diesem Bekenntnis zu ihm mit hohen Belohnungen, indem er sagt [Mt 10, 32]: „Wenn jemand mich bekennen wird vor den Menschen, werde ich mich zu ihm bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ Er verspricht mit diesen Worten, dass er selbst Fürsprecher und Helfer der Bekenner seines Wortes bei seinem himmlischen Vater sein werde. Umgekehrt spricht er [Mt 10, 33]: „Wenn einer mich verleugnet vor den Menschen, werde auch ich ihn verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ Hier prophezeit er, dass diejenigen, die ihn verleugnen, in jenem schrecklichen Gericht Gottes eine Zurückweisung erfahren werden. (3) Einteilung des folgenden
Freimütig und kurz will ich mein Urteil über diese Schrift ausführen. Anschließend werde ich mein Bekenntnis vollständig ablegen. Wer eine umfassende Widerlegung dieser Schrift wünscht, möge die anderen Autoren lesen. (B) Interim (4) Das Interim des Antichristen (a) Die Gotteslästerung des Interim
Sooft dieses Buch erwähnt wird, kann ein wahrer Christ nicht anders, als dass ihn im tiefsten Herzen schaudert und er den Verfasser zusammen mit jenem gotteslästerlichen Buch mit schrecklichen Verwünschungen verdammt. Wer flieht nicht wie Polykarp437 mit zugehaltenen Ohren den Ort, an dem so entsetzliche Gotteslästerungen laut werden? Oder wer erträgt es mit ruhigem Ohr, die verdammte Lehre des Antichristen zu 437
Eusebius, Historia ecclesiastica 5, 20, PG 20, 485 f.
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sustineat aequis auribus audire damnatum antichristi dogma? Nemo profecto nemo. Nam ipse rerum creator prohibuit. Inquit enim in deuteronomio capitulo 13 si surrexerit in medio tui prophetes aut qui somnium se vidisse dicat, et praedixerit signum et portentum, et euenerit quod locutus est et dixerit tibi eamus et sequamur deos alienos [345] quos ignoras et seruiamus eis: Non audies verba prophetae illius aut somniatoris. item in eodem capitulo si tibi vult persuadere frater tuus, filius matris tuae, aut filius tuus vel filia vel uxor quae est in sinu tuo vel amicus quem diligis vt animam tuam clam dicens eamus et seruiamus dijs alienis quos ignoras et patres tui, cunctarum in circuitu gentium, quae iuxta aut procul sunt ab initio vsque ad finem terrae. Non acquiescas ei nec audias item capitulo 18. quando ingressus fueris terram, quam dominus deus tuus dabit tibi caue ne imitari velis abominationes illarum gentium, nec inueniatur in te qui lustret filium suum vel filiam ducens per ignem aut qui ariolos sciscitetur, et obseruet somnia atque auguria nec sit maleficus nec incantator, neque qui pythones consulat, nec diuinos et quaerat a mortuis veritatem Omnia enim haec abominatur dominus Et Christus ipse cauete vobis a pseudoprophetis qui veniunt ad vos in vestitu ouium intrinsecus autem sunt lupi rapaces ex fructibus eorum cognoscetis eos. Minatur poenam aeternam ipsis falsis et sequentibus eos. Cum papatus mendacium siue doctrinam daemoniorum in ecclesiam Christi inuexerit, ingentem aceruum humanarum traditionum ad caelum vsque cumulavit verae doctrinae [346] tenebras offuderit et euangelij lucem mediocriter splendentem in germania singulari beneficio dei omnis generis sophismatis hoc scripto ex armis extinguere laborat. quid negari potest? Nam hic liber vt de aliis sileam est ipsius [182] antichristi vel pseudoprophetae dogma vel potius catechismus antichristicae doctrinae. Incipit enim callidissime quasi consentiat cum doctrina catholica dicens nos iustificari iusticia dei Haec cum audit homo pius nondum sentit authorem scripti deerrare a Pauli doctrina
18 pseudoprophetis B speudoprophetis A 26 pseudoprophetae B speudoprophetae A 438
Interim 3/43: … ad ostensionem iustitiae suae … iustitiam cum misericordiam miscuit …
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hören? Niemand fürwahr, niemand! Denn der Schöpfer aller Dinge hat es selbst verboten. (b) Ankündigung und Verbot durch die heilige Schrift
Er sagt nämlich Dtn 13, 2–4: „Wenn in deiner Mitte ein Prophet aufsteht oder einer, der von sich sagt, dass er einen Traum gesehen habe, und dir ein Zeichen und Wunder ankündigt, und wenn eintrifft, was er gesagt hat, und wenn er zu dir spricht: ,Wohlan, lass uns anderen Göttern folgen, die du noch nicht kennst, und ihnen dienen!‘ Höre nicht auf die Worte jenes Propheten oder Träumers!“ Gleicherweise heißt es im selben Kapitel Dtn 13, 7–9: „Wenn dich dein Bruder, deiner Mutter Sohn, oder dein Sohn oder deine Tochter oder deine Frau in deinen Armen oder dein Freund, der dir so lieb ist wie dein Leben, heimlich überreden würde und sagen: ,Lass uns hingehen und andern Göttern dienen, die du nicht kennst noch deine Väter, – den Göttern all der Völker, die im Umkreis wohnen, sie seien dir nah oder fern, vom Anfang bis zum Ende der Erde!‘ so willige nicht ein und höre nicht darauf!“ Ebenso Dtn 18, 9–12: „Wenn du in das Land kommst, das dir der Herr dein Gott geben wird, so hüte dich, dass du nicht die Greuel jener Völker nachahmen willst, dass keiner bei dir gefunden werde, der seinen Sohn oder seine Tochter opfert, indem er sie durchs Feuer gehen lässt, oder der Wahrsager befragt und der Träume und Vorzeichen beachtet; auch weder ein Zauberer sei unter euch noch ein Beschwörer noch einer, der Orakel und göttliche Geister befragt, noch einer, der die Wahrheit bei den Toten zu erfahren sucht. Dies alles verabscheut der Herr.“ Und Christus selbst sagt [Mt 7, 15 f.]: „Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Diesen falschen Propheten und ihren Nachfolgern droht er ewige Strafe an. (c) Dogma des Antichrists
Indem das Papsttum [2Thess 2,11, Apk 21, 27; 22, 15] die „Lüge“ oder [1Tim 4, 1] „die Lehre der Dämonen“ in die Kirche Christi einführte, hat es einen gewaltigen, himmelhohen Haufen menschlicher Traditionen aufgetürmt, die wahre Lehre mit Finsternissen übergossen und arbeitet nun daran, das Licht des Evangeliums, das in Deutschland dank besonderer Güte Gottes wenigstens noch gebrochen leuchtet, durch diese Schrift – angefüllt mit Spitzfindigkeiten aller Art – gewaltsam auszulöschen. Kann das abgestritten werden? Denn dieses Buch – um von den andern zu schweigen – ist das Dogma des Antichrists selbst oder des falschen Propheten oder noch deutlicher: der Katechismus der antichristlichen Lehre. (5) Rechtfertigung erst katholisch, dann pelagianisch
Es beginnt nämlich sehr schlau, als ob es mit der katholischen Lehre übereinstimme, indem es sagt, dass wir durch die Gerechtigkeit438 Gottes
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19. Rodolphus Frisius (Schortens)
sed postea quid illa sit exponit vocat eam iusticiam inhaerentem ex sententia Petri maluendae nominantis hanc iusticiam inhaerentem gratiam infusam in colloquio Ratisbonensi anno 46. vocabulis non re dissentiunt. Nam nos gratiam infusam iusticiam inhaerentem vocamus qualitatem in homine et hae appellationes gratia infusa iusticia inhaerens, qualitas in homine congruere videntur disputationibus haeretici Pelagij quicum negocium fuit diuo Augustino, qui gratiam vocauit donum creationis, sed vt breuibus absoluam aeque tribuit iustificationem viribus humanis Pelagius haereticus et papistae. At fide catholica et apostolica sonat credo remissionem peccatorum [347] gratis et absque operibus diui Pauli apostoli testimonio. quare si non iniqui fuerimus iudices condemnandus est author huius scripti et et totus papatus eodem crimine quo Pelagius haereticus. Neque haec tantum docet, quod nequaquam ferendum esset sed vi manifesta et armis vt in praefatione testatur sua dogmata stabilire laborat, doctrinam veram et piam multis et varijs praestigiis obseruat depravat condemnat et tota plaustra malorum in ouile christi inducit. quos errores ille non instaurat ac renouat? Vult sanctos honore affici hoc est vt ipsius more loquar inuocari contra mandatum dei dominum deum tuum solum adorabis et coles. Vult omnes caeremonias de exequiis mortuorum quae sunt 3 8 9 10
Ratisbonensi B ratisponensi A tribuit B tribuiuit A fide A fides B apostoli A, fehlt B 439
Im lateinischen Text des Interim 4/45.47 kommt der Begriff iustitia inhaerens dreimal vor. Die direkte Übernahme ist ein Hinweis dafür, dass Rodolphus ein lateinisches Exemplar des Interim benutzte. 440 Pedro de Malvenda (ca. 1505 bis ca. 1561), Kaplan am Hof Kaiser Karls V., war der Wortführer der altgläubigen Theologen beim zweiten Regensburger Religionsgespräch 1546. Rodolphus kannte am ehesten die von Melanchthon in Druck gegebene Thesenreihe Propositiones Petri Malvendae propositae in Colloquio Ratisponensi Wittenberg 1546 (Vogel, Religionsgespräch 586), die Malvenda am 5. 2. 1546 vorgelegt hatte. Dort lautet die erste These: Primum dicimus in peccatorum iustificatione remitti peccata per Christum mediatorem et gratiam infundi (Als erstes sagen wir, dass bei der Rechtfertigung der Sünder die Sünden durch den Mittler Christus vergeben werden und die Gnade eingegossen wird) (Vogel, Religionsgespräch 567). – Ob Rodolphus weiß, dass Pedro de Malvenda zu den Verfassern des Interim gehört, ist nicht sicher erkennbar. 441 Pelagius, gest. vor 431, christlicher Lehrer in Rom und Palästina. Wegen seiner Lehre von der Freiheit des Willens, wobei die Gnade in den Hintergrund tritt, wurde er von Augustinus bekämpft und durch die Synode von Karthago 418 als Häretiker verurteilt (DH 222–231); vgl. oben 09. Jacobus Theodorici (14). 442 Augustinus polemisiert gegen die Auffassung des Pelagius; vgl. Augustinus, De gratia Christi et de peccato originali 1, 4, 5, PL 44, 362 f.
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gerechtfertigt würden. Wenn ein frommer Mensch dies hört, merkt er noch nicht, dass der Verfasser der Schrift von der Lehre des Paulus abweicht. Aber später erklärt er, was jene sei: Er nennt sie die »einwohnende439 Gerechtigkeit« gemäß der Auffassung von Petrus440 Malvenda, der diese einwohnende Gerechtigkeit beim Regensburger Religionsgespräch im Jahre 1546 die »eingegossene Gnade« genannt hat. Dabei weichen sie nur in den Worten voneinander ab, nicht aber in der Sache. Denn wir nennen die »eingegossene Gnade« eine Beschaffenheit im Menschen. Und diese Begriffe »eingegossene Gnade«, »einwohnende Gerechtigkeit«, Beschaffenheit im Menschen entsprechen offenbar den Erörterungen des Häretikers Pelagius441, mit dem der heilige Augustinus442 zu tun hatte, weil er [Pelagius] die Gnade eine Gabe der Schöpfung nannte. Indessen – um es kurz zu machen – die Rechtfertigung schreibt der Häretiker Pelagius den menschlichen Kräften in gleicher Weise zu wie die Papisten. Aber im katholischen und apostolischen Glauben heißt: »Ich443 glaube an die Vergebung der Sünden« nach dem Zeugnis des heiligen Apostels Paulus [Röm 3, 24] „ohne Verdienst“ und [Röm 3, 28] „ohne Werke“. Wenn wir daher nicht ungerechte Richter sein wollen, ist der Verfasser dieser Schrift und das ganze Papsttum zu verdammen als des gleichen Vergehens schuldig wie der Häretiker Pelagius. (6) Gottlose Zeremonien sollen wieder eingeführt werden.
Und er lehrt nicht nur dies, was auf keine Weise zu ertragen wäre, sondern er sucht mit offener Gewalt und Waffen, wie er in der Vorrede bezeugt444, seine Lehrmeinungen aufzurichten. Er belauert, verfälscht und verdammt die wahre und gottesfürchtige Lehre mit vielem und verschiedenem Blendwerk und schleust ganze Wagenladungen von Übeln in die Herde Christi hinein. Welche Irrtümer gibt es, die er nicht wiederholt und erneuert? Er will die Heiligen445 »verehrt« wissen, d. h. um es in seiner Weise auszudrücken: sie »anzurufen« gegen Gottes Gebot [Ex 20, 5]: „Du 443
Apostolikum BSLK 21,21. In der Vorrede (Interim 35) verlangt der Kaiser von den Ständen, welche Neuerungen eingeführt haben, clementer et serio (gnediglich und ernstlich), dass sie sich in den Gesetzen und Zeremonien den Altgläubigen angleichen. Im Begleitschreiben (Dingel, Reaktionen 974) werden sie angewiesen, ihre Untertanen zum Gehorsam gegen das Interim anzuhalten, vnd ob sich auch yemandts des widersetzen oder Sperren wurde, den- oder dieselben durch alle fueglich weg vnd Mittel dartzu haltet, das Sy demselben, wie obsteet, nachsetzen vnnd volg thuen vnd gegen den vngehorsamen mit gepurender, Ernstlicher Straff procedieret. An dem allem thuet Jr vnsern gefelligen, ernstlichen willen vnd maynung. – Dass für den Kaiser die ernstliche Strafe auch Gewalt und Waffen einschloss, war von seinem Vorgehen in Süddeutschland, in Burgund und bei der Belagerung Bremens hinreichend bekannt. 445 Interim 23/123.125 444
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infinitae et impiae defendere, quamuis vetitum sit in libris diuinis consulere mortuos et parere animabus defunctorum imo ipsis angelis contra et praeter verbum dei: tamen diabolo apparenti in forma hominis mortui vult haberi fidem et fieri executionem earum rerum quas imposuerit Nimirum vt mortui peccata aut deleant lectione missarum ingenti pretio a sacrificulis conductarum, aut dandis elemosinis, aut aliis ex[183]piationibus [348] O grandem huius saeculi caecitatem si huiusmodi idolatrias non videmus, o singularem stultitiam, si non intelligimus o fatalem temeritatem si non perpendimus nos a vero deo et a verbo vitae deduci ad fugacia spectra authore hoc libro. Ipsum matrimonium diuina bonitate concessum generi humano ob speciei conseruationem. et filii dei praesentia comprobatum imo ab ipso deo institutum et mandatum reijcit tamquam abominabile. Sed quid conor ego hic rem infinitam recensere cum sit omnium oculis exposita et manifesta Est igitur huius libri author vel parasitus antichristi vel ipso ipse antichristus de quo Paulus vaticinatus est in 1. epistula ad Timotheum capitulo 4. in novissimis temporibus discedent quidam a fide attendentes spiritibus, erroris et doctrinis daemoniorum in hypocrisi loquentium mendacium, et cauteriatam habentium conscientiam prohibentium nubere, abstinere a cibis quos deus creauit ad percipiendum cum gratiarum actione De hoc seductore locutus est Ioannes apostolus in 2 epistula Multi seductores exierunt in mundum qui non confitentur Iesum christum venisse in carnem hoc est qui aut plane negant Iesum christum esse natum ex maria [349] virgine, aut negant eum ideo venisse in carnem vt redimat genus humanum diaboli morsu perditum Cum scriptor huius libri apte his vaticinijs apostolorum per omnia respondeat quid dubitemus? quin ille sit falsus propheta quem Paulus alio loco vocat hominem peccati et filium perditionis Videmus tantas insidias strui verae doctrinae necdum
446 447 448
Interim 26/139; 24/129.131.133. Interim 26/139. Interim 21/85; 26/142.
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sollst allein Gott, deinen Herrn, anbeten und verehren.“ Alle die die Leichenbegängnisse446 begleitenden Zeremonien, die unendlich und gottlos sind, will er verteidigen, obwohl es in den heiligen Büchern verboten ist, [Lk 9, 60] sich an die Toten zu halten und [Dtn 18, 11] sich nach den Seelen der Toten, ja sogar [Gal 1, 8] selbst nach den Engeln zu richten gegen oder ohne das Wort Gottes. Indessen für den Teufel, der in der Gestalt eines Toten erscheint, fordert er Vertrauen und die Ausführung dessen, was er natürlich selbst verfügt hat, dass sie die Sünden des Toten beseitigen entweder dadurch, dass sie durch Messpriester zu ungeheuren Preisen gekaufte Messen447 lesen lassen, oder durch Almosengeben oder durch andere Sühneleistungen. O große Blindheit unseres Jahrhunderts, wenn wir einen derartigen Götzendienst nicht erkennen! O einzigartige Torheit, wenn wir nicht begreifen! O verhängnisvolle Unbesonnenheit, wenn wir nicht darauf achten, dass wir uns, veranlasst durch dieses Buch, vom wahren Gott und vom Wort des Lebens zu flüchtigen Gespenstern hinführen lassen. Selbst die Ehe448, die dem Menschengeschlecht aus göttlicher Güte Gen 1,28 zur Erhaltung der Art erlaubt, [Joh 2, 1 f.] durch die Gegenwart des Sohnes Gottes bestätigt, ja vielmehr [Gen 2, 24; Mt 19, 5 f.] von Gott selbst eingesetzt und befohlen ist, weist es als verabscheuungswürdig zurück. (7) Interim vom Antichrist verfasst
Doch was suche ich hier eine unendliche Sache durchzumustern, obwohl sie doch vor aller Augen ausgebreitet und offen daliegt. Der Verfasser dieses Buchs ist nämlich ein Tischgenosse des Antichrist oder vielmehr gerade der Antichrist selbst, von dem Paulus prophezeit 1Tim 4, 1–3: „In den letzten Zeiten werden einige vom Glauben abfallen, indem sie auf die Geister des Irrtums und die Lehren der Dämonen achten, die in Heuchelei die Lüge verkünden und ein Brandmal im Gewissen haben, indem sie gebieten, nicht zu heiraten und sich der Speisen zu enthalten, die doch Gott geschaffen hat, dass sie mit Danksagung empfangen werden.“ Von diesem Verführer spricht der Apostel Johannes 2Joh 7: „Viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht bekennen, dass Jesus Christus Mensch geworden ist“, d. h. die entweder einfach leugnen, dass Jesus Christus von der Jungfrau Maria geboren wurde, oder in Abrede stellen, dass er deshalb ins Fleisch gekommen ist, um das Menschengeschlecht, das dem Angriff des Teufels erlegen war, zu erlösen. Da der Verfasser dieses Buches bis ins einzelne diesen Prophezeiungen der Apostel genau entspricht, wie könnten wir daran zweifeln, dass er der falsche Prophet ist, den Paulus an einer anderen Stelle [2Thess 2, 3] „den Menschen der Sünde und Sohn des Verderbens“ nennt? Wir sehen, dass der wahren Lehre so viele Hinterhalte gelegt werden, und wachen doch nicht auf.
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expergiscimur. Affirmat hoc ipse aduersarius quodammodo ipso titulo libri. Nam haec dictio interim est aduerbium temporis et significat aliquod temporis intervallum. statuo autem huic scripto ideo hoc nomen inditum esse vt aliquod temporis interuallum seruetur. donec publico consilio reformatio pia et sacrae scripturae conueniens aedatur. Quare istum libellum plane reijcio idque iure Pugnat enim cum doctrina de remissione peccatorum ex diametro, instituit falsa dogmata, vt inuocationes mortuorum expiationes pro defunctis prohibet legittimum matrimonium omnibus hominibus sacrosanctum et alios infinitos errores renouat atque adeo est ipse [184] antichristus quem nobis Paulus in suis epistolis depinxit quam et ipse libri author indicat clandestino testimonio [350] et libri titulus commonstrat Iam spero nullum hominem fore in terris tam impium ac sceleratum nedum Christianum qui vi pios adigat ad amplectendam hanc antichristi doctrinam hoc est mendacium [351] Confessio Sequor amplector et credo toto pectore scripta prophetica et apostolica esse ipsum dei verbum infallibile. nec vllam demonstrationem in tota rerum natura certiorem esse iudico quam doctrinam prophetarum et apostolorum. imo quoties lego vel audio dictum prophetae vel apostoli videor audire vocem de caelo sonantem. Credo et amplector symbolum apostolicum Nicenum et Athanasij. Postremo vt me alicui certo caetui visibili sonanti et confitenti veram doctrinam in terris iungam statuo doctrinam ecclesiae vitebergensis et coniunctarum esse consensum catholicae ecclesiae propheticis et apostolicis scriptis confirmatam piorum lucubrationibus illustratam, Caesareae maiestati et omnibus sacri imperij ordinibus anno 1530 augustae et in aliis locis exhibitam.
13 adigat B adigat adigat A 449
Anspielung auf Apk 20, 3: Kurz vor dem Weltgericht wird der Teufel noch einmal modico tempore losgelassen. 450 Rodolphus benutzt wohl nicht zufällig den Begriff consilium, den auch die Vorrede (Interim Propositio/33.35) auf das Interim selbst anwendet, meint aber einen durch die Bibel begründeten Reichstags- oder Konzilsbeschluss. 451 Interim 23/123–129. 452 Interim 24/129–135. 453 Interim 26/143. 454 BSLK 21. 455 BSLK 26 f. 456 BSLK 28–30. 457 Die Augsburgische Konfession (BSLK 31–137) wurde vor dem Augsburger Reichstag am 25. Juni 1530 verlesen.
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(B 8. C 9.10.11)
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(8) Der Buchtitel „Interim“
Dies bestätigt der Gegner seinerseits in gewisser Weise durch den Titel des Buches selbst. Denn dieser Ausdruck »Interim« ist ein Adverb der Zeit und bezeichnet einen gewissen Zwischenraum der Zeit. Ich stelle demnach fest, dass diesem Text dieser Name deshalb gegeben ist, dass er für eine Zwischenzeit449 diene, bis durch einen öffentlichen Beschluss450 eine gottesfürchtige und der heiligen Schrift entsprechende Reformation bestimmt wird. Deshalb weise ich jenes Buch schlichtweg zurück, und zwar mit vollem Recht. Es widerspricht nämlich direkt der Lehre von der Vergebung der Sünden, richtet falsche Dogmen auf wie die Anrufung Toter451 oder die Sühne für Verstorbene452, verbietet die rechtmäßige und allen Menschen heilige Ehe453 und setzt unendlich viele andere Irrtümer wieder in Geltung. Und deshalb gerade ist es der Antichrist selbst, den uns Paulus [1Kor 10,11] in seinen Briefen beschrieben hat, wie es auch der Verfasser des Buches selbst heimlich bezeugt und der Titel des Buches deutlich anzeigt. Nunmehr hoffe ich, dass kein Mensch auf Erden so gottlos und verbrecherisch und so unchristlich ist, dass er die Frommen mit Gewalt zur Annahme dieser Lehre des Antichrist zwingt, d. h. [zur Annahme] der [2Thess 2, 11; Apk 21, 27; 22, 15] „Lüge“. (C) Bekenntnis (9) Heilige Schrift
Bekenntnis. – Ich lasse mich davon leiten, umfasse und glaube von ganzem Herzen, dass die prophetischen und apostolischen Schriften das unfehlbare Wort Gottes selbst sind. Und ich halte keinen Beweis in der ganzen Welt für sicherer als die Lehre der Propheten und der Apostel. Vielmehr scheint mir, so oft ich einen Satz eines Propheten oder eines Apostels lese oder höre, dass ich eine Stimme höre, die vom Himmel her ertönt. (10) Bekenntnisschriften
Ich glaube und umfasse das Apostolische454, das Nizänische455 und das Athanasianische456 Symbol. (11) Die wahre katholische Lehre der Wittenbergischen Kirche
Schließlich, damit ich mich einer bestimmten sichtbaren Gemeinschaft auf Erden anschließe, die die wahre Lehre predigt und bekennt, stelle ich fest, dass die Lehre der Wittenbergischen Kirche und der mit ihr verbundenen [Kirchen] die übereinstimmende Lehre der katholischen Kirche ist, die bestätigt ist durch die prophetischen und apostolischen Schriften, erklärt durch die Studien frommer Ausleger und öffentlich457 überreicht der Kaiserlichen Majestät und allen Ständen des heiligen Reichs im Jahr 1530 in Augsburg und an anderen Orten.
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20. Minnerdt (Sande)
20. Minnerdt (Sande) [279 185] Jck her Minnerdt vppen Szande bekenne Jwr Gnaden vnderdaenn my vnnd allenn Jwr Gnaden presteren ym lande am jungsten vann Jwr Gnaden amptluden vnnd befelhebberen vorgheholden / Dar up antwordt yck myn persons haluen / Alse Jwr Gnaden vnderdenyge prester / dat ick Jwr Gnaden jn vnghehorsamheit nycht ghefundenn wyll werden / nach mynem hogesten flytyghe vormoghe / jn allen dath Gadeß wordt lickformich ys vnnd bestan mach / wyder vorhape yck / Jwr Gnaden werdenn vns nycht anders vpleggen Mynes ghelouen haluenn Jck gheloue dath Godt almechtych / hemmell vnnd erde / my vnnd alle mynscken / dorch synn Godtlyck krafft vnnd macht / ghemaketh hefft / vnnd yck dar nha ynn sunden ghefallen thor vordomnyss dorch de auertredyngk Ade vnnd Eue. Vnnd he vth vederlyck Godtlyker Gnade / synen Enygen ghebaren Sone Jhesum Christum / my vnnd der gantßenn werlth gheschenckt / De welck vann dem hyllygen Geyst entfangen / vnnd vann der juncfrowen Maria mynscke ghebarenn / vnnd de suluyghe ys juncfrow. voer der gheborth / jn der ghebordt / nha der ghebordt, Dar nha, de ghebarenn Christus Jhesus vth groter barmhertycht, da he vor my thom dode walde gaen des suluygen tho ghedencken. hefft ynghesetteth dath Auenthmaell, alss he dath brodt nam yn synen benedieden henden / szegende he ydt vnnd brack ydt vnnd gaff ydt synen jungeren vnnd sprack. Nemet henn vnn Etet dyth ys myn lyff, welck vor juw ghegeuen werdt tho vorgeuynghe der szunde / Des ghelyken ock den kelck etc Dyth ys myn blodth, De suluighe worde wyll yck nycht wandelen nach anders duden / dan so beholden / war yckt ghebruke, thor ghedechtenyss des dodes Christi, dath ydt my eynn Sacramenth ys, tho vorgeuynghe myner szunden etc [186] Vann der dope laeth yck jnghewerde Alß Christus secht mathej 28 (achtet ock hoch vnnd groeth) my ys ghegheuenn alle ghewalt ym hemmell vnnd erden / darum gaeth [280] henn vnnd lerth alle volcker vnnd dopet se ym name des vaders vnnd des Sons vnnd des hyllygen Geistes / Dyth hebbe ick vor Gades ghebodt / ock eynn werck vnnd tekenn Gades / dorch welkoer wy thom leuende vnn ryke Gades wedder 2 A und B erhalten. 2 Jwr Kj gemäß der Schlußunterschrift; bei A im ersten Absatz in allen Fällen als Jr abgekürzt; Oer B 458 Gemeint ist die erste Pastorenversammlung am 12. November 1548, bei der Fräulein Maria von Remmer von Seediek und Lic. jur. Martin Michaelis begleitet war.
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20. Minnerdt (Sande)
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20. Minnerdt (Sande) (1) Brief an Fräulein Maria
Ich, Herr Minnerdt auf dem Sande, bekenne als Euer Gnaden Untertan, [wie es] mir und allen Priestern in Euer Gnaden Land jüngst458 von Euer Gnaden Amtleuten und Bevollmächtigten vorgeschrieben [wurde]. Darauf antworte ich für meine Person als Euer Gnaden untertäniger Priester, daß ich mich Euer Gnaden nach meinem höchsten, fleißigen Vermögen in allem, was Gottes Wort entspricht und Bestand hat, nicht ungehorsam erweisen will. Hinwiederum hoffe ich, daß Euer Gnaden uns nichts anderes auferlegen werden. (2) Glaubensbekenntnis
Meinen Glauben betreffend. – Ich glaube, daß der allmächtige Gott durch seine göttliche Kraft und Macht Himmel und Erde, mich und alle Menschen gemacht hat und ich danach durch die Übertretung von Adam und Eva in Sünden und folglich in Verdammnis gefallen bin. Und er hat aus väterlicher, göttlicher Gnade mir und der ganzen Welt seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus geschenkt, welcher von dem heiligen Geist empfangen und von der Jungfrau Maria als Mensch geboren ist. Und diese ist Jungfrau vor der Geburt, in der Geburt und nach der Geburt. (3) Abendmahl
Danach hat der als Mensch geborene Christus Jesus aus großer Barmherzigkeit, als er für mich in den Tod gehen wollte, das Abendmahl eingesetzt, um dessen zu gedenken. Als er das Brot in seine heiligen Hände nahm, segnete er es und brach es und gab es seinen Jüngern und sprach [Mt 26, 26–28; Lk 22, 19 f.]: „Nehmet hin und esset! Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird“ „zur Vergebung der Sünde“. „Desgleichen auch den Kelch usw.: Dies ist mein Blut.“ Diese Worte will ich weder verändern noch anders deuten, sondern so beibehalten, wie ich sie zum Gedächtnis an den Tod Christi gebrauche, damit es für mich ein Sakrament ist zur Vergebung meiner Sünden. (4) Taufe (a) Einsetzung der Taufe als Bad der Wiedergeburt
Von der Taufe lasse ich es beim Vollzug459, wie Christus sagt Mt 28, 18 f. (was ich auch für hochbedeutend und wichtig erachte): „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“ Dies halte ich für ein Gebot Gottes, auch für ein Werk und ein Zeichen Gottes, durch welche wir zum Leben und zum Reich 459 jnghewerde wahrscheinlich in geberede oder in gebere d. h. im Gebaren, Verhalten; Lübben-Walther 110.
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21. Meynerdus Focken (Heppens)
ghebaren werden Alß dorch eynn badt der wedderghebordt / vnd vornyenghe des hillygen Geistes / darynne wy entfangen reynynghe vnnd vorgeuinge der szundenn Actorum. 2. vnnd eynn ynlyuinghe vnn vortruwynge myth Christo / dat wy also yn der dope / de Erffsunde loess vnn Christen / werden / wente hyr vorsyncken alle vnse sunde / ghelick ym Roden meer / de Egipter. Vnnd yn der syntfloet / alle flesch / 1 Cor. 10. 1. pe. 3. Alzo werden de ghedofften kynderenn / affghesunderth / vann Turken / jodenn vnnd heyden / vnnd Godt syck ock mit denn ghedofften kynderenn vorbyndeth vnnd vorplichtyghet / Ere Godt / beschutter / vnnd beschermer tho szynde / 1 petr. 3. Alsse vorhenn myth der bessnydynnghe Gen. 17 hyr by blyue ick / vnnd vorfloketh moethenn ßynn alle wedderdopers vnn Sacramenth schenders / Jwr Mynnerdt vppen Szande /
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21. Meynerdus Focken (Heppens) [216 187] In Dat Erstenn Van Der Sceppynghe deß Minßchenn vnn vollenkamenhey der Mynschen natur vor de¯ fal Godt heeft de¯ mynschen in syen egenn belde vnn ghelychnyß gheschapenn ge.1 Nycht nach den lywe alleyn (wo wol en ock den sulwygen wonderbarlich ghesmucket vnn dar to dat he em denen scholde gegeuen Heeft) Sonder na der Seele welch he myt kreften deß vor standeß vnn wyllenß, na Hem selweß begawet vnn ghesiret heeft / Nomlick mit frien willen mit dem lechte der wysheyt mit ganßer vnn vollenkamner vnschult ghesmuchket vnn synner gotlicken Natur [217] vt lutter godycheit delafdyghe machket Sira: xvij Ecc vij vp dat he si tho lof vnn priß syner herlickheit Ephe j: So langhe nu de Mynsche in dessem bylde vnn ghelicknysse Gadeß vollenkamlick bestande yß blewen heeft em in den vorstand waraftygheit vnn Leuendyghe erkentnyß Gadeß na dem He ghe bildet waß vnn eyn recht wortel van allen dyngenn
13 Jwr A Heer B 15 A und B erhalten. 460
Interim 1/36 zitiert ebenfalls diese Worte aus dem Buch Sirach.
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Gottes wiedergeboren werden, gleichsam durch ein [Tit 3, 5] „Bad der Wiedergeburt und Erneuerung durch den heiligen Geist“, darin wir empfangen Reinigung und Apg 2, 38 „Vergebung der Sünden“ und die Aufnahme in den Leib und die Vereinigung mit Christus, daß wir so in der Taufe von der Erbsünde loskommen und Christen werden. Denn hier versinken alle unsere Sünden gleichwie 1Kor 10, 1 die Ägypter im Roten Meer und wie 1Petr 3, 20 f. alles Fleisch in der Sintflut. (b) Kindertaufe
So werden die getauften Kinder unterschieden von Türken, Juden und Heiden. Und Gott schließt 1Petr 3, 21 f. mit den getauften Kindern einen Bund und verspricht ihnen, ihr Gott und Beschützer und Beschirmer zu sein, wie zuvor Gen 17 bei der Beschneidung. (c) Bekenntnis und Anathema
Dabei bleibe ich. Und verflucht müssen sein alle Wiedertäufer und Sakramentsschänder. Euer Mynnerdt auf dem Sande.
21. Meynerdus Focken (Heppens) (1) Die Erschaffung des Menschen und sein freier Wille (Interim 1) (a) Urstand
Zum Ersten: Von der Schöpfung des Menschen und von der Vollkommenheit der Natur des Menschen vor dem Fall. – Gen 1, 27 »Gott460 hat … den mentschen erschaffen zu seinem ebenbilde und gleichnus«, nicht nach dem Leibe allein (wiewohl er auch diesen wunderbar geschmückt und dazu gegeben hat, dass er ihm dienen sollte) sondern auch nach der Seele, die er – ihm selbst entsprechend – mit Verstandes- und Willenskräften begabt und geziert hat. Er schmückte ihn nämlich Sir 15, 14 mit freiem Willen, Pred 7, 11 f. mit dem Licht der Weisheit sowie mit ganzer und vollkommener Unschuld und gab ihm aus lauter Güte Anteil an seiner göttlichen Natur, damit er sei Eph 1, 12 zu Lob und Preis seiner Herrlichkeit. So lange nun der Mensch vollkommen in diesem Bild und dieser Gleichheit mit Gott beständig verblieben ist, hatte er im Verstand Wahrhaftigkeit und lebendige Erkenntnis Gottes, nach dem er gebildet war, und einen rechten Grundbegriff von allen Dingen. (b) Freier Wille
Von dem freien Willen. – Nachdem Gott dem Menschen ein freien Willen eingeblasen hat, da hat er ihm auch sein Gebot gegeben und [Sir 15, 14] „ihn461 seinem Rat überlassen“. Er hat es so gewollt, dass er [der
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Van den frien wyllenn Na dem male Godt den minschen eyn frien wyllen ingeblaset heeft He em ock syn Ghebodt gegeuen vnn em na synen rat gelatten also dat he ghe wolt had de durch [218] bystandt der entfanghe Gnaden vnn kraft deß hilligen Gesteß mocht dat ghe bodt holden vnn dat Ghodtlycke bylde dar inn he gheschapen waß vnbeflechket bewaren So he auer nycht / worde he syn herlickheit vnn Er dorch verderwynghe synneß wyllenß vor laren vnn for dat lewent den Ewygen dodt erlanghen Sirach xvj Desse fryer Wylle welchen wy alle ganß vnn vollenkamen hadden ghehadt wa Adam nycht ghefallen were heeft sick nu de Mynsche na dem vnn do de sunde anderß er wy tho ghegnade bracht worden vnn anderß na dem wy gnade erlangen anderß Awer dysse wylle yß vnmoglick disse war Gherechtiheyt vnde gude werck de Godt geffallenn [219] [188] nycht alleyn tho vollen bryngen sunder ock an tho fanghen Alß den ghescreuen steydt De Naturlick Mensche vor nimpt nychteß van den gest gadeß 1 Cor ij Fleyschlick gesynnet syn yß eyn fynschup weder Godt vnde yß dem ghesette Gadeß nycht vnderghe daen vnn vermach eß ock nycht Roma: viij. Paulus sprickt vat nycht vt dem ghe lowe kumpt dat yß sunde rom xiij. Augustynus secht Jck kan dat nycht hetten gode worck dat nycht van goder worttel kamen yß Auer van den fryen wyllen nadem de mynsche weder tho ghe gnade ys kamen yß gegeuen sprickt Christus al so alle den de de soen fri Johan. [220] viij vnn San: pau: roma viij Dat ghesette deß Gesteß dat dar lewendich machket in Christo Jhesu heeft mi fri ghemacket van de¯ ghesette der sunde vnn deß dodeß Dusse friheit wert vnß allenn van de¯ soen gegewen Sulche friheyt schal me prediken tho de¯ wolck mit hogen lof vnn priß de¯ heren dar mit de Lude erkennen vat se in Christo Jhesu hebben van sunden entholden Godt gehorsam syen vnn syn Gebodt Van Orsake der sundenn Jß de bose wylle deß Mynschen vnn deß Duuelß de sick van goedt af wendet welche bosheyt deß willenß nycht van Godt sunder van dem Duuel vnn vnß yß wo de Her Christus secht wen he logen redet so reddet he van hem selwenn 13 erlangen B erlanden A 35 secht B, fehlt A 461
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Mensch] mit Hilfe der empfangenen Gnade und kraft des heiligen Geistes das Gebot zu halten und das göttliche Ebenbild, darin er erschaffen war, unbefleckt zu bewahren vermochte. Wenn aber nicht, würde er seine Herrlichkeit und Ehre durch das Verderben seines Willens verlieren und Sir 15, 17 statt des Lebens den ewigen Tod erlangen. (2) Der Mensch und sein freier Wille nach dem Sündenfall (Interim 2)
Dieser462 freie Wille, welchen wir alle ganz und vollkommen gehabt hätten, wenn Adam nicht gefallen wäre, verhält sich nun [bei] dem Menschen danach, und da die Sünde [war], anders, bevor er zur Gnade gebracht worden ist, und anders, nachdem wir Gnade erlangen usw. Aber diesem freien Willen ist es unmöglich, diese wahre Gerechtigkeit und gute Werke, die [Phil 2, 13] Gott gefallen, nicht nur zu vollbringen, sondern auch anzufangen, wie denn geschrieben steht 1Kor 2, 14: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes“. Röm 8, 7: „Fleischlich gesinnt sein ist eine Feindschaft gegen Gott und ist dem Gesetz Gottes nicht untertan und vermag das auch nicht“. Paulus spricht Röm 14, 23: „Was nicht aus dem Glauben kommt, das ist Sünde.“ Augustinus sagt: »Ich kann das nicht ,gute Werke’ nennen, was nicht aus einer guten Wurzel gekommen ist.« Aber von dem freien Willen, der gegeben ist, nachdem der Mensch wieder zur Gnade gekommen ist, sagt Christus so Joh 8, 36: „Alle, die der Sohn frei [macht, sind recht frei].“ und Sankt Paulus Röm 8, 2: „Das Gesetz des Geistes, das da lebendig macht in Christo Jesu, hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“ Diese Freiheit wird uns allen von dem Sohn gegeben. Diese Freiheit soll man dem Volk predigen mit hohem Lob und Preis dem Herrn, damit die Leute erkennen, was sie in Christo Jesu besitzen: sich der Sünden enthalten, Gott und seinem Gebot gehorsam sein. (3) Ursache und Aufhebung der Erbsünde (a) Ursache der Erbsünde
Von der Ursache der Sünde. – [Ursache der Sünde] ist der böse Wille des Menschen und des Teufels, der sich von Gott abwendet. Diese Bosheit des Willens ist nicht von Gott, sondern von dem Teufel und uns, wie der Herr Christus sagt [Joh 8, 44]: „Wenn er Lügen redet, so redet er aus dem
462 Dieser schwer verständliche Abschnitt scheint zu besagen: Der Wille verhält sich jeweils anders, (1) wenn er unter der Herrschaft der Sünde steht und noch nicht zur Gnade gebracht wurde, oder (2) wenn er Gnade erlangt hat und damit wieder frei geworden ist. – Das Wort anderß bedeutet hier am Satzende so viel wie et cetera, vgl. unten bei (7) Absatz 3.
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[221] Al so yß dorch deß duuelß wylle de dodt in die werelt kamen Sap: ij vnd dorch einß menschen vnghehorsam sint wy alle sunder worden Roma: v: welches gheschen yß alß Adam van dem Duuel bedragenn den lewendighe lowe vnn die leue tho godt verlaren Van der Erffsunde Die Ersunde yß dat ghebreck vnn mangel der ersten entblassynghe gherechticheit die wy hebben scholden sampt der boßenn [189] luste die erste anghebaren gherechtiheit hette wy in gadeß gnade Vo die Ersunde wechgenamen wert Dye Ersunde wert van de¯ mynschen [222] ghenamen in der dope welck yß dat badt der wederbordt vnn ver nyenghe deß hilligen gesteß in de¯ worde deß hilligen gesteß vnn deß leuendeß dorch den vordenst deß lidenß Christi Eph: v In der dope wert den Mynschen die sunde edder plychte der verdomniß dar de sunde vp sick heeft hen ghenamen vnn ghegnade godeß wedder gegeuen Van der ghe rechtyheyt So eyn Mynsche vor godt recht wert Duyt yß bekandt by allen Menschenn dat na de¯ fal Ade alle Menschen alß den die hilghe paulus sprickt dat vy alle kynder ghe baren sunt edder werden deß torenß vnn gadeß fient vnn der halwen in den dodt vnn ghefengeniß [223] der sunde sunt ock ysset ghewyß vnde bekant by allen Christen dat keen Mynsche myt Godt mach vorsonet vnn ghefengniß der sunde loß werden sunder dorch Christum den enigen myddeller Ock ysset ghewyß vnn clar dat die nu tot erren vornuftigen Joren kamen sunt duse wol daet Christi nycht erlangen sunder bewegunghe deß hilligen Gesteß dar dorch er ghemoet vnde wille beweget werdt wedder erre sunde Alß Lucaß in de¯ lesten Ca: dar Christus befelt dat me in syne name prediken schal vorgeuinge der sunde vnn Jo: Baptista ghe sent den vech vor den Al so dat de Mynslicke ghemoedt be weget werdt dorch den hilligen Geste to goedt dorch Christum [224] vnn dat allein dorch den ghelowenn
6 Ersunde A Erffsunde B 9 Ersunde A Erffsunde B 10 Ersunde A Erffsunde B 463 Vgl. Interim 2/38: Daher kombt der mangel dieser erblichen gerechtigkait sampt der sündtlichen art der begierde …
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(3 a.b.c. 4 a.b)
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Eigenen.“ SapSal 2, 24: „So ist durch den Willen des Teufels der Tod in die Welt gekommen.“ Röm 5, 19: „Und durch eines Menschen Ungehorsam sind wir alle Sünder geworden“, welches geschehen ist, als Adam – vom Teufel betrogen – den lebendigen Glauben und die Liebe zu Gott verlor. (b) Wesen der Erbsünde (Interim 2)
Von der Erbsünde. – Die Erbsünde463 ist das Gebrechen und der Mangel der ersten, [von Gott] eingeblasenen Gerechtigkeit, die wir haben sollten, samt der bösen Lust. Die erste angeborene Gerechtigkeit hatten wir in Gottes Gnade. (c) Beseitigung der Erbsünde durch die Taufe
Wie die Erbsünde weggenommen wird. – Die Erbsünde wird von dem Menschen weggenommen in der Taufe, welche ist [Tit 3, 5] „das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des heiligen Geistes“ Eph 5, 26 „im Wort“ des heiligen Geistes und des Lebens durch das Verdienst des Leidens Christi. In der Taufe wird den Menschen die Sünde oder Strafpflicht der Verdammnis, die die Sünde bei sich hat, weggenommen und die Gnade Gottes wieder gegeben. (4) Gerechtigkeit vor Gott (Interim 6) (a) Gerechtigkeit durch Christus
Von der Gerechtigkeit. – Wie ein Mensch vor Gott gerecht wird, dies ist bei allen Menschen bekannt, dass nach dem Fall Adams alle Menschen (wie denn der heilige Paulus spricht) dass wir alle als Eph 2, 3 „Kinder464 des Zorns“ und Jak 4, 4 „Gottes Feinde“ geboren sind oder werden und dass wir deshalb im Tod und im Gefängnis der Sünde sind. Auch ist bei allen Christen gewiss und bekannt, dass kein Mensch mit Gott versöhnt und aus dem Gefängnis der Sünde frei werden kann außer durch Christus, den einzigen Mittler. (b) Gerechtigkeit durch den Glauben
Auch ist es gewiss und klar, dass diejenigen, die »nun465 zu ihren vernünftigen Jahren kommen«, diese »Wohltat Christi« nicht erlangen ohne die Bewegung des heiligen Geistes, wodurch ihr »Gemüt und Wille« gegen ihre Sünde bewegt werden, wie Lukas im letzten Kapitel [schreibt], wo Christus befiehlt, dass man Lk 24, 47 „in seinem Namen Vergebung der Sünden predigen“ soll, und wie Johannes der Täufer gesandt war Mt 3, 3, „den Weg vor dem [Herrn zu bereiten]“, so dass also das menschliche Gemüt durch den heiligen Geist zu Gott hin bewegt werde durch Christus und dies allein durch den Glauben.
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Interim 2/38 zitiert ebenfalls Eph 2, 3 und Jak 4, 4. Interim 6/48.
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Van der karchken vnn Erren ghewalt vnn Autoriteyten Desse karchkenn vnn ghemeyne Christenn yß die versamlynghe vnn gemeine der Mynschen wo vnn to welchen Tydt die ge weßen synt in der ghemeinschup der Bekentnysse eynß geloweß Ler [190] vnn Sacrament Na der rechten Catoliken vnn Apostolischen lere Welche nu in desser versamlynghe in eyn eynyghet deß waren vnn lewendigen Ghelowenß vnn vnder eynen huppen Christo vnn under rychtynghe deß hilligen Gesteß an eynen and hangen vnn in eynerleye Sacrament ock gestliche gemeynsup [225] Hebbenn desse synt alleyn desse kercke Christi die van Sanc paulus der hillighe tempel vnn huß gadeß vnn lewendighe steyn Christi ghenomet werdt in der Ersten Epis: to den Cor xv Ephe ij vnn de¯ Ersten Timo: iij vnn van Io: die hillighe Stadt deß nyen hemlsche Jerusalem vp den lewygen steyn ghebuet Apo: xxi. Dyt yß ock alleyn dat hyllyghe volck gereynnyget van aller vngherechtycheyt goedt anghenamen Jn dysse karcke vnn ghemene der Erwelten vnß vor borgen vnde goedt allen Eigentlyck bekant / alß Sanc Paulus secht de her erkent de sin Hebr: xiij of se nycht alle ghelick vollenkamenheyt deß gesteß hebben [226] Van Autoritete vnn Gewalt der Kercken de Schriften tho vndersechedden vnn vt tho ligenn. Dar na yß ock erkent die Autoritete vnn ghewaldt der karchken tho erkenen dar mit nu sulcke Autoritete vnn ghe waldt der kerchken recht erkent werden So yß tho wetten dat goedt anfenghelick syn kerchken thosamelenn vnn vp tho richten den denst deß muntlicken wordeß vnn nycht allen den Scryft ghebruck den er syn wordt Jmmer van eynne¯ tho de¯ anderen dorch die olden den kynderen heeft mit wyllenn deylenn welch er ghestaldt ock Christus Synen Apostolen bewalenn heeft to gaen inn allen weldt tho prediken dat Euangelion allen creaturen [227] Hir na heeft vnß Godt ock syn woldaedt gegeuen dat he vnß syn hillighe scryft gegeuen heeft, durch welche Mynslichger blodicheit die dat gode to vergetten vnn ardom antorichten gar geneget yß, vnn den argeliste deß Duuels de dat wordth gadeß den luden wech tho nemen edder tho falschen
10 Pau. B pua A 11 steyn Kj, fehlt A und B 16 Pau. B pua A
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(5. 6 a.b)
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(5) Kirche (Interim 9)
Von der Kirche und ihrer Gewalt und Autorität. – Diese Kirche und Christengemeinde ist die Versammlung und Gemeinde der Menschen, wo und zu welcher Zeit sie gewesen sind in der Gemeinschaft des Bekenntnisses eines Glaubens, der Lehre und der Sakramente nach der rechten katholischen und apostolischen Lehre. Diejenigen, welche in dieser Versammlung in Einheit des wahren und lebendigen Glaubens und in einem Haufen [an] Christus und [an der] Unterweisung des heiligen Geistes [und] aneinanderhängen und auch geistliche Gemeinschaft in den gleichen Sakramenten haben, die sind allein diese Kirche Christi, die von Sankt Paulus Eph 2, 21 „der heilige Tempel“, 1Kor 16, 15 [„Haus“], 1Tim 3, 15 „Haus Gottes“ und 1Petr 2, 5 „lebendige Steine“ Christi genannt wird, und von Johannes Apk 21, 2 die heilige Stadt des neuen himmlischen Jerusalem, auf den lebendigen Stein gebaut. Dies ist auch allein [1Petr 2, 9] „das heilige Volk“, [1Joh 1, 9] „gereinigt von aller Ungerechtigkeit“ [Röm 15, 16] „Gott angenehm“. In dieser Kirche und Gemeinde [sind] die Erwählten uns verborgen und Gott allein eigentlich bekannt, wie Sankt Paulus sagt [2Tim 2, 19]: „Der Herr erkennt die Seinen“, Hebr 13, 23 [„die Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind“], obwohl sie nicht alle die gleiche Vollkommenheit des Geistes haben. (6) Autorität der Kirche (Interim 11) (a) Die mündliche Überlieferung
»Von466 der Autorität und Gewalt der Kirche«, »die Schriften zu unterscheiden« und »auszulegen«467. – Damit ist auch anerkannt die Autorität und Gewalt der Kirche, [die Schrift] zu erkennen. Damit nun solche Autorität und Gewalt der Kirche auf richtige Weise anerkannt werden, ist zu wissen, dass Gott am Anfang, um seine Kirche zu sammeln und aufzurichten, den Dienst des mündlichen Wortes468 und nicht allein die Schrift gebraucht. Denn er hat sein Wort immer von einem zum andern – durch die Alten den Kindern – mitteilen wollen, demgemäß auch Christus seinen Aposteln befohlen hat [Mk 16, 15], „in alle Welt zu gehen, um das Evangelium allen Kreaturen zu predigen“. (b) Die heilige Schrift
Hernach hat Gott uns auch seine Wohltat erwiesen, dass er uns seine heilige Schrift gab, durch welche menschlicher Schwäche, die sehr ge466
Interim 11/66. Interim 11/68. 468 Zur mündlichen Tradition, durch die auch die Kindertaufe begründet wird, vgl. Interim 11/68. 467
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[191] Alß nu goedt wol wust dat de duuel mit groth Erst vnn glyssenner vnderstaen worde syn hilghe wordt denn Mynschen muntlichen vnn in synner scrift mede ghe delet / tho falschen vnn mit syn logen to verderuen, vnn der ghestaldt dat he sick to eyn Engel deß lichteß vorsteldt vnn syn verck an torichten vnn bedregen vnn vorleydden dat wolck, sick vor Apostel Christi vnn lerer vt to geuen, also dat ytlicke [228] in syn name weller walscher lere vnde dicht hebben an gerichtet vnn dat dorch duuel logen vnder de¯ titel gotlickenß namen Solchen bosen listigen tuck vnn schadden deß duuelß vnn syn werck der falsche prophetten Apostelen vnn leer tho begegen vnn dat ghelowych wolck by renner ler vnn war Gotlycken Enycheyt to erholden heeft Godt syn karck ock eyn byfel macht vnn waldt gegeuen Synner hilghe scryft haluen vnn die sulue gewaldt tuyerleye die eyn die ware Godtlicke scrift van den falschen Menschen ghedichten tho erkennen vnn to vnderscheiden Disse Autoritete vnn gewaldt der karcken der gotlicke Schriffture haluen strickt sick wider nycht den die waren vnde Gotlicke Schrifture vnder to scheyden van den walsche [229] Die Ander ghewaldt der kerchken yß de hillighe Schrift haluen yß die selwige vt liggenghe den die wile keyn wyssaginghe vt Mynslicker vernuft kompt sonder die hillighe Minschen hebben dorch Gadeß Geste also geredet Jn der andern petri Am Ersten So heeft die here synne kercken, die dorch den hilligen Gest reigeret werdt Disse Autorite der kerchken die scrift ut tho leggen schal men by keyner Privat persone sochken sunder by der ganszer karchken vnn Gemeynen ganßen kercken dar eyn hillighe vor stande in yß deß hilligen Gesteß vnn grundt fest warheit aller gotlicker schrifture Timo: xiij die kerck yß eyn sul vnn grundtfest der warheit van disser Autorite gewalt [422] Vin den Sacramet [191] Dat annerde wartecken dar dorch die kerck Christi er kent werdt schal syn die hilligen Sacrament vnn die sulwe in recht ghebruck dat die 1 1 22 29
wust B wst A Erst A erenst B kercken B kacken A Vin A Van B 469
Interim 11/66. Interim 11/66.68; dort auch der Bezug auf 2Petr 1, 21. 471 Interim 10/64.66 Von den zaichen und gemercken der waren kirchen führt zwei Unterscheidungsmerkmale der Kirche an: die hailsam reine leer und der recht gebrauch der sacrament. Ohne die reine Lehre als erstes Wahrzeichen zu behandeln, geht Meynerdus sogleich zum zweiten Wahrzeichen über. 470
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neigt ist, das Gute zu vergessen und falsche Lehre zu verbreiten, und der Arglist des Teufels [begegnet wird], das Wort Gottes den Leuten wegzunehmen oder zu verfälschen. (c) Verfälschung der Überlieferung und der Schrift durch den Teufel
Gott wusste nun wohl, dass der Teufel mit großem Ernst und Verstellung es unternehmen werde, sein heiliges Wort, das er den Menschen mündlich und in seiner Schrift mitgeteilt hat, zu fälschen und mit seinen Lügen zu verderben, und in der Weise, dass er sich [2Kor 11, 14] „in einen Engel des Lichtes verstellte“ und, um sein Werk anzufangen und das Volk zu betrügen und zu verleiten, sich als einen Apostel Christi und Lehrer ausgab, so dass etliche in seinem Namen viele falsche Lehre und Erdichtung aufgebracht haben – und das durch Lügen des Teufels unter dem Titel des göttlichen Namens. Um darum solch böser, listiger Tücke und Schaden des Teufels und seinem Werk der falschen Propheten, Apostel und ihrer Lehre zu begegnen und das gläubige Volk bei reiner Lehre und wahrer göttlicher Einigkeit zu erhalten, hat Gott seiner Kirche auch eine Befehlsgewalt und Vollmacht gegeben über seine heilige Schrift. Und diese Vollmacht betrifft zweierlei. (d) Wahre Schriften
Die eine besteht darin, »die469 wahre göttliche Schrift von den falschen menschlichen Erfindungen zu erkennen und zu unterscheiden«. Diese Autorität und Gewalt der Kirche hinsichtlich der göttlichen Schrift erstreckt sich nicht weiter als darauf, die wahren und göttlichen Schriften von den falschen zu unterscheiden. (e) Wahre Auslegung
Die andere »Gewalt470 der Kirche der heiligen Schrift halben besteht darin, dieselbe auszulegen«, da 2Petr 1, 21 „keine Weissagung aus menschlicher Vernunft kommt, sondern die heiligen Menschen durch Gottes Geist so geredet haben.“ So hält [bewahrt] der Herr seine Kirche, die durch den heiligen Geist regiert wird. Diese Autorität der Kirche, die Schrift auszulegen, soll man bei keiner Einzelperson suchen, sondern bei der ganzen Kirche und bei der allgemeinen ganzen Kirche, in der ein heiliges Verständnis des heiligen Geistes ist und eine Grundfeste der Wahrheit aller göttlichen Schrift 1Tim 3, 15: „Die Kirche ist eine Säule und Grundfeste der Wahrheit“ von dieser Autorität oder Gewalt. (7) Das Sakrament im allgemeinen (Interim 14)
Von dem Sakrament. – Das andere Wahrzeichen471, woran die Kirche Christi erkannt wird, sollen die heiligen Sakramente sein, und zwar dieselben in rechtem Gebrauch, indem die heiligen Sakramente von Gott vormals aus triftiger Ursache eingesetzt und verordnet worden sind.
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hillighe sacrament van Godt formalß vt orsake eyn gesette vnn vor ordent synt Die eyn dat se lossynghe weren der grotter versamlynghe Gadeß welck yß die kercke Al so dat vnß die here eyn lichte borde vnn laste wyllen vp liggen heeft he die Gemeynschup deß nyen wolkeß to samen verbinden dorch Sacrament die an de¯ tal ganß weynich vnn to holden ganß lycht Jn der duddynghe anders. Van den Sacrament der kerckendeinner [423] Alß Godt syn hillighe Euangeli dorch den denst deß wordeß deß heyleß dorch dat Euangelium vnder allen wolcker vthbreydet heeft dar to ock eyn besunder denst ver ordent vnn in ghesette Erlick dat nicht in desser denst eyn yder sick synß geuallenß eyn vn rechte gewalle To dem anderen dat wy yo gewyß syn dat disse denst deß wordeß vnn der Sacrament nycht na der persone deß dennerß sunder na gade insette vnn bewelle to setten vnn to holden synt alß den de here wyl dat wy in dessen denst vp syn macht vnn wyllen seen schal Jo: 20 alß my myn vader gesent Van den Sacrament der dope Dat Hillige werdighe Sacrament der dope heeft bewel van de¯ Christo [424] in dessen worden gaet hen in allen welt leret allen wolckeren vnn dopet se in den name deß vaderß vnn deß sonß deß hilligen Gesteß ma: xxviij mar: an lestenn Dit Sacrament yß dat water vnn dat wordt gadeß dat in vnn by de¯ water yß Alß die here secht we nycht ander worwe ghebaren yß vt de¯ watter vnn hillighe Geste de mach nycht in dat ricke gadeß kamen Jo: xiij Die dope yß eyn wedderbadt in dem worde deß lewendeß Ephe: vj Die Dope iß so recht yß vnn or krafft yß ock so se schiit an [193] huchlie de ghebrucket wert dat se dorch die Gotlicke kraft van allen sunden ghereynyghet werdt dorch den Geist der wedderboerdt vt kynder deß torenß kynder der gotlick genade Titi iij. De mit Christo sterwen werden ock mit Christo begrawen vnn ock mit em weder vp staen in eyn vuffart 8 kerckendeinner A kerckendener B 30 Titi iij A und B; im Konzept ursprünglich wohl am Rand, in der Reinschrift A versehentlich hier statt im vorhergehenden Absatz eingeordnet. 472 Der folgende Satz paraphrasiert fast wörtlich den Anfang von Interim 14/ 72: Die sacrament seint fünemblich umb zwaierlei ursach willen auß gottlicher autoritet eingesetzt: Eine, das sie gemerck und zaichen sein der grossen versamblung, welches ist die kirchen …. Die zweite Ursache Interim 14/74, dass die Sakramente die unsichtbar gnad Gottes geben, lässt Meynerdus weg.
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Die472 »eine, dass sie Losungen seien der großen Versammlung Gottes, welche ist die Kirche«. Dass uns also der Herr eine leichte Bürde und Last auflegen wollte, hat er »die473 Gemeinschaft des neuen Volkes zusammengebunden durch die Sakramente, die an Zahl ganz wenig und die leicht zu halten [und] in der Bedeutung usw.474 [ganz kräftig sind].« (8) Amt (Interim 20)
Von dem Sakrament der Kirchendiener. – Als Gott sein heiliges Evangelium durch den Dienst des Wortes des Heils durch das Evangelium unter alle Völker verbreitete, hat er dazu einen besonderen Dienst verordnet und mit besonderen Ehren eingesetzt, damit nicht ein jeder, der sich willkürlich in diesen Dienst [drängt], widerrechtlich nach seinem Belieben [schalten kann]. Zum andern, dass wir ja gewiss seien, dass dieser Dienst des Wortes und der Sakramente nicht nach der Person des Dieners, sondern nach Gottes Einsetzung und Befehl einzurichten und zu halten sind, wie denn der Herr will, dass wir in diesem Dienst auf seine Macht und Willen sehen sollen, Joh 20, 21: „Wie475 mich mein Vater gesandt [hat, so sende ich euch].“ (9) Taufe (Interim 15) (a) Einsetzung und Wesen der Taufe
Von dem Sakrament der Taufe. – Das heilige, hochwürdige Sakrament der Taufe beruht auf dem Befehl von Christus in dessen Worten Mt 28, 19 f.; Mk 16, 15: „Gehet hin in alle Welt, lehret alle Völker und taufet sie in den Namen des Vaters und des Sohns [und] des heiligen Geistes.“ Dieses Sakrament ist das Wasser und das Wort Gottes, das in und bei dem Wasser ist. Wie der Herr sagt Joh 3, 5: „Wer nicht wiederum geboren ist aus dem Wasser und heiligem Geist, der kann nicht in das Reich Gottes kommen.“ Die Taufe ist Tit 3, 5 ein „Bad der Wiedergeburt“ Eph 5, 26 „im Wort“ des Lebens. (b) Wirkung der Taufe
Die Taufe ist, so sie recht vollzogen ist, und ihre Kraft ist auch, so sie ohne Heuchelei geschieht, dass sie [die Getauften] durch die göttliche Kraft von allen Sünden gereinigt [und] durch den Geist der Wiedergeburt [Eph 2, 3] aus „Kindern des Zorns“ zu Kindern der göttlichen Gnade werden. Die mit Christus sterben, [Röm 6, 4] werden auch mit Christus begraben und auch mit ihm wieder auferstehen in einer Auferweckung.
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Interim 14/72; nach Augustinus, De doctrina christiana 3, 9, 13, PL 34, 71. Das Wort anders hat hier wie oben bei (2), Absatz 1, die Bedeutung et cetera. Interim 20/92.
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[425] Disse kraft vnn warck der dope schollen alle gelowyghe alle er lewedache bedencken dar mit se disser sterflicken vnreynniget yamer mer afsterwen der werelt dem duuelt gensliken af seggen vp dat se dat lewendighe goß volck er rekent werden vnn ein nye gotlicke lewent anthen vnn dat flesch durch die suachheit begrawenn. Men sal ock leren dat die kercke van den Apostelen hebben Entfangen den befel Die Junghen kynderen to doppen, nicht alleyn den de to erren jaren kamen synt Sunder ock die Junghe kynder de gnade der dope del aftycht macken tot salycheyt erer sellen, wente se bryngen die ersunde mit sick von or [426] Entfangniß vnn kordt welck ersunde moet dorch die dope mit de¯ worde watter vnn Geste van em ghenamen werden alß Christus spreckt Van dem Sacrament deß Lyweß vnn blodeß Christi. Dat Sacrament deß Lyweß vnn blodeß Christi Heeft dat wordt in sick welck yß die Almechtighe rede vnseß heren Christi dorch de kraft in desseme Sacrament Na der consecratio die ware lif vnn dat ware blodt deß heren warlichen vnde wesentlick dar si Al so dat dat brodt vnn wyn er naturlick weßent verlese vnn in den lywe vnn blode Christi verwandeelt werde vnn wert den ghelowyge [427] vnder der ge staldt deß Brodeß vnn wynß vt ghe dellet na ludt dusse worden Christi Nemet ettet dat yß myn Lyf dat vor Jowe gegeuen Dryncket alle darvt dat ys myn blodt deß nyen Testamenteß welck vor Jowe vnn vor wollen vergatten verdt to vergewynge der sunden [194] Dat in dessem Sacrament si brodt vnn wyn welck so dat wordt dar to kumpt werde dat Sacrament vnn steydt in twen dyngen Jn dat Ersten in dat sichtbarlicker gestaldt brodeß vnn wynß vnn vnsichtbarlicker der flesche vnn blodt vnßes heren Christi welck wy waraftige vnn wesentlycke in dessem Sacrament entfangen disse kraft vnn warck disses Sakramenteß yß in Christo vnse her vnn heylandt Dorch syn Lyue na de¯ flesche nycht [428] alleyn gestelick sunder ock lyflycken ymmer vor Enyget vnn werden van syn beyn eyn beyn vnn vt eyn flesche eyn flesche gewyß dat wy dorch Christum vergewyge der sunde hebben vnn entfangen kraft die bose Luste so in vnße¯ lywe noch hanget to dempende den Olden Adam dar vp also dat Sacrament in ge9 ersunde A Erffsunde B 12 spreckt B sprckt A 476
Der folgende Absatz paraphrasiert in zahlreichen Anklängen die Wandlungslehre von Interim 18/86: … sobaldt als die wort komben zum brot und zum wein, sobaldt wirdet darauß das ware bluet und der ware leib Christi, und wirdet die substantz brots und weins in den waren leib Christi und pluet verwandlet.
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Diese Kraft und dieses Werk der Taufe sollen alle Gläubigen ihr ganzes Leben lang bedenken, damit sie dieser sterblichen Unreinheit immer mehr absterben, der Welt und dem Teufel vollständig absagen, damit sie als das lebendige Gottesvolk erkannt werden und ein neues göttliches Leben anziehen und das Fleisch durch die Schwachheit begraben. (c) Kindertaufe
Man soll auch lehren, dass die Kirche von den Aposteln den Befehl empfangen hat, die kleinen Kinder zu taufen, nicht nur diejenigen, die zu ihren Jahren gekommen sind, sondern auch die kleinen Kinder der Gnade der Taufe teilhaftig machen zur Seligkeit ihrer Seelen. Denn sie bringen von ihrer Empfängnis her die Erbsünde mit sich und – kurz – diese Erbsünde muss durch die Taufe mit dem Wort, [Joh 3, 5] mit „Wasser und Geist“ von ihnen genommen werden, wie Christus spricht. (10) Abendmahl (Interim 18) (a) Transsubstantiation
Von dem Sakrament des Leibes und Blutes Christi. – Das476 Sakrament des Leibes und Blutes Christi hat das Wort in sich, welches die allmächtige Rede unseres Herrn Christus ist. Durch die Kraft in diesem Sakrament sind nach der Konsekration der wahre Leib und das wahre Blut des Herrn wahrhaftig und wesentlich da, so nämlich, dass das Brot und der Wein ihr natürliches Wesen verlieren und in den Leib und das Blut Christi verwandelt und den Gläubigen unter der Gestalt des Brotes und des Weines ausgeteilt werden gemäß dem Wortlaut dieser Worte Christi [Mt 26, 26 f.; Lk 22, 19 f.]: „Nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben ist. Trinket alle daraus, das ist mein Blut des Neuen Testaments, welches für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“, sodass also in diesem Sakrament Bot und Wein seien, welche, wenn das Wort dazukommt, zum Sakrament werden. Und [dies] besteht aus zwei Dingen: Erstens aus der sichtbaren Gestalt von Brot und Wein und [zweitens] aus dem Unsichtbaren, dem Fleisch und Blut unseres Herrn Christus, welches wir wahrhaftig und wesentlich in diesem Sakrament empfangen. Diese Kraft und Wirkung dieses Sakraments liegt in Christus, unserem Heiland. (b) Leibliche und geistliche Vereinigung mit Christus, Vergebung und sittliche Kraft
Durch seinen Leib [werden wir] nicht allein geistlich, sondern auch leiblich nach dem Fleisch immer mehr vereinigt477 und werden ein Bein von seinem Bein und ein Fleisch aus einem Fleisch – gewiss, dass wir Vergebung der Sünde haben und Kraft empfangen, die böse Lust, die noch in unserem Leib hängt, den alten Adam, zu dämpfen. Dazu ist also das Sa477 Interim 10/86: …das sacrament des altars … vereinigt uns mit ime durch diese geistliche speiß als dem haupt und glidern seines leibs …
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sette lyflicken vnn yß eyn ghe wyß pandt der vorgewynge der sunde deß ewygen lewendeß vnn Gemeyscup mit Godt die in vnß in Christo bewalen sunt Van der bychte Vnde der wyle die prester in dessen Sacrament gestlicke Arsten synt vnn die sulwen van den strycken vnn ghebrecken der sunden vploßenn [429] vnn dorch besuerenß Gotlickenß torenß Erlosen trosten vnn af nemen vp der orsache schollen die Lude die sunde loß werden tot den aller meysten die dodtsunde de in de¯ Mynschen herschet wetten vnn er sunde bychten tot er selen salycheyt dar mit eyn Jdder bicht vader eyn Jdder syn gelowe erkennen mach vnn syn lewent erkennen ordelen kan vnn den rechten vor stande synneß Horttenn marcken dorch welchen die bichtvader mit gadeß wordt em vnderwisen mach den rechten grundt in gadeß wordt alß de parabola secht van den verwudden Samari: Lu: x. Disse kraft disseß Sacramentes [430] yß dat die Lowyghe ver staen vnde nycht tuywellen wen se dorch dit sacrament van eren sunden die rechte bychte vnn bekannt synt Absoluert vnn der der karchken vedder ver sonet [195] synt dat sie van waraftyghe bande der sunde loß sunt vnn synt ock in den hemmel loß Jo: xx nemet hen den hilligen Geste Van dem Sacrament de Ee Dat Sacrament der Ee eniget alleyn den Christen Wolck erkennen vnn wetten dat die Ee wen die in Gadeß vnn Christi Name ghemachket vnde beholden werdt eyn hillighe vnn ewyghe [431] bestendich verenighe yß eyneß Manß vnn wyffeß dorch de worde van hilligen Christen bewestiget welch me in der vnlowyge Ee nycht yß Edder bewyndt Dat wordt dysseß Sacramenteß yß die rede Christi alß he spreckt die in anfange den Mynschen ghe macht heeft Sprack dat die Man vnn wyf eyn Schollen syn dar up wydder eyn Mensche schal vader vnde moder ver latten al so dat die Tue eyn werden Dar vp Godt sprickt dat godt to samen gewoget heeft schal nen Mynsche vp loßen Sunder Christus spreckt van Moesen dat he hebbe gegeuen eyn scheyddebreef sunder von anfange nycht al so sunder vmb [432] ereß harden hartten wyllenn.
14 de¯ A den B 24 van Kj, vnn A und B 30 spreckt B sprckt A 478 Offenbar fasst Meynerdus das Gleichnis mit seiner Einrahmung Lk 10, 25–37 als Beichtgespräch zwischen Jesus und den Schriftgelehrten auf.
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krament leiblich eingesetzt und ist ein gewisses Pfand der Vergebung der Sünde, des ewigen Lebens und der Gemeinschaft mit Gott, die in uns in Christus befohlen sind. 11. Buße und Beichte (Interim 17)
Von der Beichte. – Und weil die Priester in diesem Sakrament geistliche Ärzte sind und sie die Stricke und Gebrechen der Sünde auflösen und durch Beschwören des göttlichen Zorns erlösen, trösten und [die Sünde] abnehmen: aus dieser Ursache werden die Leute ihre Sünde loswerden. Vor allem aber [sollen sie] die Todsünde, die in dem Menschen herrscht, bewusst erkennen und ihre Sünde beichten zu ihrer Seelen Seligkeit – damit ein jeder Beichtvater [und] ein jeder [für sich selbst] seinen Glauben zu erkennen vermag und sein Leben erkennen und beurteilen kann und das rechte Verständnis seines Herzens bemerken. Dadurch kann der Beichtvater ihn mit Gottes Wort unterweisen durch den rechten Grund in Gottes Wort, wie das Gleichnis vom verwundeten Samariter Lk 10, 25–37 sagt478. Diese Kraft dieses Sakraments ist, dass die Gläubigen verstehen und nicht zweifeln, wenn sie durch dieses Sakrament von ihren Sünden, die recht gebeichtet und bekannt worden sind, absolviert und mit der Kirche wieder versöhnt sind, dass sie von dem wahren Band der Sünde frei und auch im Himmel losgesprochen sind. Joh 20, 22 f.: „Nehmet hin den heiligen Geist! [Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen.]“ 12. Sakrament der Ehe (Interim 21) (a) Einsetzung
Von dem Sakrament der Ehe. – Das Sakrament der Ehe einigt allein die Christen, welche erkennen und wissen, dass die Ehe, wenn sie in Gottes und Christi Namen geschlossen und bewahrt wird, eine heilige und ewige, beständige Vereinigung eines Mannes und Weibes ist, durch die Worte479 von heiligen Christen befestigt, was in der ungläubigen Ehe nicht so ist oder gefunden wird. Das Wort dieses Sakraments ist die Rede Christi, als er sprach [Mt 19, 4 f.]: „Der im Anfang den Menschen gemacht hat, sprach, dass Mann und Weib eins sein sollen.“ Und darauf wiederum[Mt 19, 5]: „Ein Mensch soll Vater und Mutter verlassen, so dass die zwei eins werden.“ (b) Verbot der Ehescheidung
Darauf spricht Gott [Mt 19, 6]: „Was Gott zusammengefügt hat, soll kein Mensch auflösen.“ Christus aber spricht [Mt 19, 8] von Mose, dass er „einen Scheidebrief gegeben habe, aber von Anfang an war es nicht so,
479 Mit de worde van hilligen Christen kann nur der Ehekonsens gemeint sein, was die Konjektur van statt vnn erzwingt.
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22. Confessio jeverensis
Christus spreckt Jck seg yow wol sick van synner frowe scheydet et si dem vmb horrery wyllen vnde fryet eyn ander die breckt die Ee Hir van spreckt die Apostel 1 Cor vij die in die Ee sunt ghebede nycht ick sunder die here dat sick dat wyf nycht scheyde van de¯ Man Alle dusse vor gescrewen Artickellenn hebbe ick tho samen ghe colligert vnn ghe screwen noch myn kranck ver moghe vnde dar wer wol mer van tho scrywen sunder et yß [433] vp Duyse mal by my nycht De here mach vnde kan vnn wyl vnß alle Tydt syn gnade geuen vele mer alß wy vt denchken konnen alß vnß de Apostel paulus leret to den rome: Vnde so ick war in feyl edder dualde wyl ick my alle Tydt latte sy vnder rechtenn von gadeß vnn dorch gadeß bewel hebber [196] Vnde Dyt synt myn houet Artykellen dar ick vp leuenn vnn Sterwenn wyl Jck hebbeß ock nycht vor staenn off ick se in lattyn Edder dusche [434] to samen scrywen sunder ick vorse my better gode dusche alß quade lattyn nycht dat ick my latte dunchkenn et si gode dusche dar ysset wydt of den vor standygenn isset ghe noch den vn vorstandygenn vnn gotlossenn nargenß by. Hyr myt Wyl Wy denn allemechtygenn byddenn vnn ock bewalenn Confessio Meynerdi Focken pastor in Heppensz
10
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[454 478] Iesus Christus, Mathei .x. Qui me confeßus fuerit coram hominibus. Confitebor et ego eum coram patre meo qui est in coelis: Qui autem negauerit me coram hominibus. Negabo et ego eum coram patre meo qui est in coelis.
1 1 3 3 5 14 14 15 21
spreckt B sprckt A et B (et A spreckt B sprckt A Ee B, fehlt A colligert B collieret A dusche A dudsche B dusche A dudsche B dusche A dudsche B Die beiden erhaltenen Handschriften der Confessio jeverensis werden als A und B unterschieden
5
15
(A 1)
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sondern um ihres harten Herzens willen.“ Christus spricht [Mt 19, 9]: „Ich sage euch, wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn um Hurerei willen, und freit eine andere, der bricht die Ehe.“ Hiervon spricht der Apostel 1Kor 7, 10: „Die in der Ehe sind, denen gebiete nicht ich, sondern der Herr, dass sich das Weib nicht scheide von dem Mann.“ 13. Abschließende Erklärung
Alle diese oben geschriebenen Artikel habe ich zusammengesammelt und geschrieben nach meinem schwachen Vermögen. Und es wäre wohl mehr davon zu schreiben, aber es geht dieses Mal bei mir nicht. Der Herr vermag und kann und will uns allezeit seine Gnade geben – viel mehr, als wir ausdenken können, wie uns der Apostel Paulus lehret Röm [5, 15]480. Und wenn ich in Fehler oder Irrtum geraten bin, will ich mich allezeit von Gott oder durch die von Gott eingesetzte Obrigkeit belehren lassen. Und dies sind meine Hauptartikel, auf die ich leben und sterben will. Ich habe es auch nicht verstanden, ob ich sie in Latein oder Deutsch zusammenschreiben soll, aber ich besorge: Besser gutes Deutsch als schlechtes Latein. Nicht dass ich mich dünken lasse, es sei gutes Deutsch – davon ist es weit entfernt! Für die Verständigen ist es genug. Den Unverständigen und Gottlosen kann man nirgends genugtun. Hiermit wollen wir den Allmächtigen bitten und ihm uns auch befehlen. Bekenntnis des Meynerdus Focken, Pastor in Heppens.
22. Confessio jeverensis (A) Eingang (1) Biblische Grundsätze
Jesus Christus Mt 10, 32 f.: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“
480
Gedacht ist wohl an die überreich zuteil gewordene Gnade Röm 5, 15.
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Lucae .xi. Qui non est mecum contra me est, et qui non colligit mecum dispergit. Sanctus Paulus 1. Timo. 2. Discedat ab iniquitate, omnis qui inuocat nomen Christi. Apoca. xviii. Exite de Babilone Populus meus, et ne participes sitis delictorum eius, ne de plagis eius accipiatis. [455 480] Articuli praecipui Catholicae et Apostolicae fidei potißimum ex Augustana Confeßione` et eius apologia summatim collecti Et ut diuinarum scripturarum authoritate`, ita etiam Sanctorum Orthodoxorum Patrum testimonijs illustrati In primis toto corde credimus et ore confitemur eos omnes fidei articulos qui in tribus illis Symbolis, Apostolorum videlicet Niceni Concilij, et Divi Athanasij continentur et ut summatim dicamus. Credimus omnem a spiritu sancto reuelatam in scripturis sacris veritatem. Sola enim scriptura sacra liber est Spiritus sancti, extra quem quicquid de uerbo et uoluntate Dei ac de toto mysterio salutis generis humani, docetur aut discitur, mendacium est. Abijcimus igitur et diuina autoritate damnamus omnem omnium praeteritorum ac praesentium Haereticorum doctrinam, huic reuelatae in sacris scripturis veritati repugnantem. Recipimus autem et cum omni veneratione amplectimur omnem omnium praeteritorum ac praesentium sanctorum in Ecclesia Christi Doctorum doctrinam, huic reuelatae in sacris scripturis ueritati congruentem
481 482 483 484 485
BSLK BSLK BSLK BSLK BSLK
31–137. 139–404. 21. 26 f. 28–30.
5
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(A 1. 2 3)
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Lk 11, 23: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ Sankt Paulus 1Tim 2, 19: „Es lasse ab von Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt.“ Apk 18, 4: „Geht hinaus, ihr mein Volk, aus Babylon, dass ihr nicht teilhabt an seinen Sünden und nichts empfangt von seinen Plagen!“ (2) Titel
Die wichtigsten Artikel des katholischen und apostolischen Glaubens, den Hauptpunkten nach gesammelt vor allem aus dem Augsburgischen Bekenntnis481 und dessen Apologie482 und beleuchtet sowohl durch die Vollmacht der Heiligen Schriften wie auch durch die Zeugnisse der heiligen, rechtgläubigen Väter. (3) Erläuterung des Titels
Zu Anfang glauben wir von ganzem Herzen und bekennen mit dem Munde alle diejenigen Glaubensartikel, die in den folgenden drei Glaubensbekenntnissen enthalten sind: nämlich dem der Apostel483, dem des Nizänischen484 Konzils und dem des heiligen Athanasius485. Und damit wir es zusammenfassend sagen: Wir glauben an die ganze Wahrheit, die vom heiligen Geist in den heiligen Schriften offenbart wurde. Denn allein die heilige Schrift ist das Buch des heiligen Geistes. Was immer außerhalb ihrer über das Wort und den Willen Gottes und über das ganze Geheimnis des Heils des Menschengeschlechts gelehrt und gelernt wird, ist „Lüge“486. Wir verwerfen daher und verdammen kraft göttlicher Autorität alle diejenige Lehre aller früheren oder gegenwärtigen Irrlehrer, die dieser in der heiligen Schrift offenbarten Wahrheit widerspricht. Aber wir nehmen an und umfassen mit aller Verehrung alle diejenige Lehre aller früheren oder gegenwärtigen heiligen Lehrer in der Kirche Christi, welche mit dieser in der heiligen Schrift offenbarten Wahrheit übereinstimmt.
486 mendacium (Lüge) ist nach 2Thess 2, 11, Apk 21, 27 und 22, 15 die zusammenfassende Bezeichnung für die Lehre des endzeitlichen Antichrists. Vgl. auch oben 19. Rodolphus Frisius (4 c).
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De Ecclesia Credimus et confitemur in hoc mundo vnam eße sanctam Catholicam et Apostolicam ecclesiam coetum scilicet sanctorum qui uere` credunt in Christum, sanctificati a Spiritu Christi apud quos est verbum Dei et legitimus usus sacramentorum. Ita Christus ipse definit ecclesiam suam, Ioan .x. Oues meae vocem meam audiunt. et Apostolus Ephe .5. Christus sanctificauit ecclesiam, mundans eam lauacro aquae per uerbum ut adhiberet eam sibi gloriosam ecclesiam. Bernardus In Can. Ser 68. Quid sponsa ecclesia? nisi congregatio iustorum Quid ipsa? nisi generacio quaerentium dominum, quaerentium faciem Dei Iacob. Augustinus in Joan. cap. 2. Omnes qui per Christum iustificati sunt, iusti sunt non in se, sed in illo, nam in se si interrogas Adam sunt, Jn illo si interrogas, Christi sunt, [456] Interim sentimus et docemus hypocritas et malos in hac vita admixtos eße huic [481] uerae ecclesiae et eße membra eius iuxta externam societatem signorum ecclesiae hoc est uerbi, profeßionis, et sacramentorum. Ideo Christus hunc Ecclesiae statum, quae in hoc mundo admixtos habet malos et hypocritas varijs parabolis in Euangelio depingit. Assimilatur areae in qua mixtim iacent triticum et paleae Mat.13. Item agro in quo cum bono semine zizania sunt. Rursum decem Virginibus quarum quinque prudentes et quinque fatuae, Mat.23.
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Verbum et sacramenta Christi per malos ministros administrata, sunt efficatia Ad haec sentimus et docemus, et uerbum et sacramenta etiamsi per malos ministros exhibeantur, tamen propter mandatum et ordinationem Dei efficacia eße ac licere, eis uti iuxta vocem Christi Sedent super cathedram 12 Augustinus … Christi sunt, B am Rand, fehlt A 487 488 489
1401.
Nizänum BSLK 27, 7. Bernardus von Clairvaux, Sermones in cantica canticorum 68, 3, PL 183, 1109. Augustinus, Tractatus in Ioannis Evangelium 3, 12, zu Joh 1, 15–18, PL 35,
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(B 4. 5 a.b)
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(B) Kirche (4) Wesen der Kirche
Von der Kirche. – Wir glauben und bekennen, dass in dieser Welt »die487 eine, heilige, katholische und apostolische Kirche« besteht, nämlich die Gemeinschaft der Heiligen, die wahrhaft an Christus glauben, die durch den Geist Christi geheiligt sind und bei denen das Wort Gottes und der rechte Brauch der Sakramente zu finden ist. Christus selbst bestimmt seine Kirche so Joh 10, 27: „Meine Schafe hören meine Stimme“, und der Apostel sagt Eph 5, 26: „Christus hat die Kirche geheiligt, indem er sie reinigt durch das Wasserbad im Wort, damit er sie vor sich stellt als eine Gemeinde, die herrlich sei.“ Bernardus488, 68. Predigt über das Hohelied: »Was ist die Kirche als Braut? Nichts anderes als die Versammlung der Gerechten. Was ist sie selbst? Nichts außer [Ps 24, 6] dem Geschlecht derer, die den Herrn suchen, die das Antlitz des Gottes Jakobs suchen.« Augustinus489 zu Johannes 2 [Traktat 2?]: »Alle, die durch Christus gerechtfertigt sind, sind nicht in sich selbst gerecht, sondern in ihm. Denn in sich selbst – wenn du fragst – gehören sie dem Adam. In ihm – wenn du fragst – gehören sie Christus.« (5) Gemischte Kirche (CA 8) (a) Gläubige und Heuchler
Ferner wissen und lehren wir, dass dieser wahren Kirche »in490 diesem Leben Heuchler und Bösewichte beigemischt« sind und dass diese ihre Glieder sind hinsichtlich der äußerlichen Teilnahme an den Kennzeichen der Kirche, d. h. des Wortes, des Bekenntnisses und der Sakramente. Deshalb schildert Christus diesen Zustand der Kirche, welcher in dieser Welt Bösewichte und Heuchler beigemischt sind, im Evangelium durch verschiedene Gleichnisse. Er vergleicht sie [Mt 3, 12491] mit einer Tenne, auf der Weizenkörner und Spreu durcheinanderliegen; ebenso Mt 13, 24–30 mit einem Acker, auf dem Unkraut mit dem guten Samen wächst; und Mt 25, 1–13 wiederum mit den Zehn Jungfrauen, von denen fünf klug und fünf töricht sind. (b) Gute und böse Kirchendiener
Das Wort und die Sakramente Christi sind wirksam, auch wenn sie durch böse [ungläubige] Diener der Kirche verwaltet werden. Hier wissen und lehren wir, dass sowohl das Wort als auch »die492 Sakramente, wenn sie durch nichtgläubige Diener der Kirche verwaltet werden, trotzdem wegen des Auftrags und der Anordnung Gottes wirk490 491 492
Confessio Augustana 8, BSLK 62. 246. Sprecher ist hier Johannes der Täufer. Confessio Augustana 8, BSLK 62.
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Mosi scribe et Pharisei, quaecumque dicunt facite, scilicet modo in Cathedra Mosi sedeant hoc est si ea doceant, quae deus ipse praecepit, nam oues Christi alienum hoc est Pseudodoctorem non sequuntur sed fugiunt ab eo. Augustinus in libro psalmorum. Dominus traditorem suum quem diabolum nominauit qui ante tradicionem eius nec loculis dominicis fidem potuit exhibere, eum caeteris discipulis ad praedicandum regnum coelorum misit: ut monstraret dona Dei peruenire ad eos qui cum fide accipiunt etiam si talis sit per quem accipiunt, qualis Iudas fuit.
5
Omnes homines nasci cum peccato.
10
Credimus et confitemur omnem hominem venientem in hunc mundum de immundo conceptum semine immundum eße, peccato scilicet originali pollutum atque ideo filium irae ac reum mortis aeternae neque poße eum a peccato iustificari nisi credat in eum qui solus est sine peccato Dominum nostrum Iesum Christum. Augustinus de verbis Domini, ser. 40. Medicina animae omnium vulnerum et una propitiatio pro delictis omnium est credere in Christum, nec quisquam omnino mundari potest siue ab originali peccato quod ex Adam traxit in quo omnes peccauerunt et filij irae naturaliter facti sunt, siue a peccatis quae ipsi non resistendo carnali concupiscentiae sed eam sequendo eique seruiendo in fla[457]gitijs et facinoribus addiderunt, nisi per fidem coadunentur et compaginentur corpori eius qui sine ulla illecebra carnali et mortifera delectatione conceptus est.
15
20
De iustificatione [482] Itaque credimus et confitemur Impium seu Peccatorem sola fide in Christum iustificari hoc est coram Deo iustum pronunciari, remißione peccatorum, uita aeterna et Spiritu sancto donari. At uero per uocabulum sola, nequaquam bona opera a fide sed ab effectu iustificationis excludimus. Rom.3. 4. 5. Item Gala.2. et ad Ephe. 2. Gratia saluati estis per fidem et hoc non ex uobis Dei enim donum est non ex operis ne quis
493 494 495
Augustinus, Enarrationes in Psalmos zu Ps 10, 4, PL 36, 135. Vgl. Confessio Augustana 2, BSLK 53. Augustinus, Sermones de scripturis, Sermo 143 über Joh 16, 7–11, PL 38, 784
25
30
(B 5 b. C 6.7)
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sam sind« und dass es erlaubt ist, sich ihrer zu bedienen »nach dem Wort Christi [Mt 23, 2 f.]: „Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. [Alles nun, was sie euch sagen, das tut!]“« nämlich nur, wenn sie auf dem Stuhl des Mose sitzen, d. h. wenn sie das lehren, was Gott selbst geboten hat. Denn die Schafe Christi [Joh 10, 5] „folgen nicht einem Fremden“, d. h. einem falschen Lehrer, „sondern fliehen vor ihm“. Augustinus493 im Buch der Psalmen: »Der Herr hat seinen Verräter, den er einen Teufel nannte und der vor seinem Verrat nicht einmal die Kasse des Herrn treu verwalten konnte, mit den andern Jüngern zusammen zur Predigt des Himmelreichs gesandt, um damit zu zeigen, dass die Gaben Gottes zu denen gelangen, die sie im Glauben empfangen, auch wenn der, durch den sie diese empfangen, so ist, wie Judas war.« (C) Sünde und Rechtfertigung (6) Erbsünde
Dass alle Menschen mit der Sünde geboren werden. – Wir494 glauben und bekennen, dass jeder Mensch, der in diese Welt kommt, unrein ist, weil er aus unreinem Samen empfangen ist, nämlich befleckt durch die Erbsünde und deswegen [Eph 3,2] ein „Kind des Zorns“ und schuldig des ewigen Todes, und dass er nicht von der Sünde gerechtfertigt werden kann, wenn er nicht an den glaubt, der allein ohne Sünde ist: an unsern Herrn Jesus Christus. Augustinus495, 40. Predigt über die Worte des Herrn: »Heilmittel für alle Wunden der Seele und einzige Sühne für die Vergehen aller ist es, an Christus zu glauben, und keiner kann gänzlich gereinigt werden – sei es von der Erbsünde, die sich von Adam herleitet, in welchem alle gesündigt haben und von ihrer Natur her zu Kindern des Zorns gemacht wurden, sei es von den Sünden, die sie hinzugefügt haben, indem sie selbst der fleischlichen Versuchung nicht widerstanden, sondern ihr folgten und ihr in Schandtaten und Verbrechen dienten – wenn sie nicht durch den Glauben mit seinem Leib vereint und in ihn eingefügt werden, der ohne jede fleischliche Verlockung und ohne jede tödliche Lust empfangen wurde.« (7) Rechtfertigung
Von der Rechtfertigung. – Daher496 glauben und bekennen wir, dass der Gottlose oder Sünder allein durch den Glauben an Christus gerechtfertigt wird, d. h. vor Gott gerecht gesprochen und mit der Vergebung der Sünden, dem ewigen Leben und mit dem heiligen Geist beschenkt wird. Aber durch das Wort »allein«497 schließen wir die guten Werke keineswegs aus dem Glauben aus, sondern Röm 3–5; Gal 2 nur in ihrer Wirkung auf die 496
Confessio Augustana 4, BSLK 56. Vgl. Confessio Augustana 6, BSLK 60, 14; Apologie 4 Quod remissionem peccatorum sola fide in Christum consequamur, BSLK 175–184. 497
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glorietur. Breuiter tota scriptura tam noui quam ueteris Testamenti huic uni et soli fidei tribuit iustificationem Impij Vt scilicet secundum gratiam firma sit promißio Rom. 4. ut omne os obstruatur et fiat omnis mundus subditus Deo Rom. 3. Nam si per legem iustitia ergo gratis Christus mortuus est, gala. 3. Praeterea si qui ex lege heredes sunt exinanita est fides abolita est promißio Rom. 4. Denique si data eßet lex quae poßet uiuificare, uere ex lege eßet Iustitia. Sed conclusit scriptura omnia sub peccato ut promißio ex fide Iesu Christi daretur credentibus Gala. 3. Augustinus de spiritu et littera. Colligimus hominem non iustificari praeceptis bonae uitae nisi per fidem Iesu Christi, hoc est non lege operum sed lege fidei, non litera sed spiritu non factorum meritis sed gratuita gratia. Ambrosius de vocatione gentium. Vilesceret redemptio sanguinis, nec iusticiae Dei humanorum operum praerogatiua succumberet si iustificatio quae debetur Solae fidei operibus praecedentibus mereretur ut iam non munus largientis sed merces eßet operantis Hieronimus in dyalogo contra Pelagium Tunc iusti sumus quando nos peccatores eße fatemur. et iusticia nostra non ex proprio merito sed ex Dei misericordia contingit.
10
Justificans fides qualis sit
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Sentimus hanc fidem iustificantem non eße tantum noticiam hystoriae de Christo nato ac paßo, mortuo et glorificato sed quod sit fidutia misericordiae promißae propter Christum seu assensus in promißionem gratiae in qua gratis propter christum offertur remißio peccatorum et iustificatio. Id quod multa loca scripturae testantur, ps.2. Beati omnes qui confidunt in eo, ps 78. duo synonima coniuguntur, Quia non crediderunt Deo nec sunt confisi in salutari suo. 1.Paralipo 20. Credite et securi eritis. In his et similibus dictis palam apparet fidem uocari fidutiam expectantem a Deo consolationem et auxilium.
25
498
Vgl. Confessio Augustana 20, 11, BSLK 77. Augustinus, De spiritu et littera 13, 22, PL 44, 214; Apologie 4, 87, BSLK 179 Anm. 1. 500 Pseudo-Ambrosius, De vocatione gentium 1, 17, PL 51, 669 C; Confessio Augustana 20, 14, BSLK 77. 501 Hieronymus, Dialogus adversus Pelagianos 1, 13, PL 23, 505 B; Apologie 4, 173, BSLK 195 Anm. 2. 499
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(C 7.8)
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Rechtfertigung. Eph 2, 8 f.: „Aus498 Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.“ Kurz, die ganze Schrift sowohl des Neuen als des Alten Testaments schreibt die Rechtfertigung des Gottlosen einzig und allein diesem Glauben zu, nämlich Röm 4, 16 „damit aus Gnaden die Verheißung fest bleibe“; Röm 3,19 „damit jeder Mund gestopft werde und alle Welt Gott unterworfen sei“; Gal 2, 21 „Denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist Christus vergeblich gestorben“; außerdem Röm 4, 14 „Wenn die vom Gesetz Erben sind, dann ist der Glaube nichts, und die Verheißung ist dahin“; schließlich Gal 3, 21 f. „Denn nur, wenn ein Gesetz gegeben wäre, das lebendig machen könnte, käme die Gerechtigkeit wirklich aus dem Gesetz. Aber die Schrift hat alles eingeschlossen unter die Sünde, damit die Verheißung durch den Glauben an Jesus Christus gegeben würde denen, die glauben“. Augustinus499, Über den Geist und den Buchstaben: »Wir folgern also, dass der Mensch nicht durch die Gebote des guten Lebens gerechtfertigt wird außer durch den Glauben an Jesus Christus, d. h. nicht durch das Gesetz der Werke, sondern durch das Gesetz des Glaubens, nicht durch den Buchstaben, sondern durch den Geist, nicht durch die Verdienste der Werke, sondern durch die geschenkte Gnade.« Ambrosius500 in Von der Berufung der Heiden: »Die Erlösung durch das Blut würde entwertet und der Vorrang der menschlichen Werke würde sich der göttlichen Gerechtigkeit nicht unterordnen, wenn die Rechtfertigung, welche allein dem Glauben geschuldet ist, durch vorhergehende Werke verdient würde, so dass sie nicht so sehr die Gabe des Schenkenden, sondern der Lohn des Tätigen wäre.« Hieronymus501 im Dialog gegen Pelagius: »Wir sind dann gerecht, wenn wir bekennen, dass wir Sünder sind. Und die Gerechtigkeit widerfährt uns nicht durch eigenes Verdienst, sondern durch Gottes Barmherzigkeit.« (8) Rechtfertigender Glaube
Was rechtfertigender Glaube sei. – Wir urteilen, dass dieser rechtfertigende Glaube nicht nur eine Kenntnis der Geschichte von Christus sei, wie er geboren wurde, litt, starb und verherrlicht wurde, sondern dass er das Vertrauen auf die wegen Christus zugesagte Barmherzigkeit ist oder die Zustimmung zur Verheißung der Gnade, in der umsonst wegen Christus die Sündenvergebung und die Rechtfertigung angeboten wird. Das bezeugen viele Stellen in der Schrift. Ps 2, 12: „Selig sind alle, die auf ihn trauen.“ Ps 78, 22 werden zwei gleichbedeutende Ausdrücke miteinander verbunden: „Weil sie nicht glaubten an Gott und nicht vertrauten auf sein Heil.“ 2Chr 20, 20: „Glaubet, so werdet ihr sicher sein.“ In diesen und ähnlichen Aussprüchen wird für jedermann offenbar, dass „Glaube“ das Vertrauen bezeichnet, das von Gott Trost und Hilfe erwartet.
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[458] Bernardus uocabulum fidei sic quoque interpretatur Ser.3. de annuntiatione Mariae. Auditam fac mihi mane misericordiam tuam quia in te speraui Sola nimirum spes apud te locum obtinet miserationis, Nec oleum misericordiae nisi in uase fiduciae ponis Ibidem, Dicat quisque in pauore suo uadam ad portas inferi ut iam non nisi in sola misericordia Dei respiremus. Haec uera fiducia est a se deficientis et innitentis domino suo. [483] haec inquam vera fiducia est, cui misericordia non denegatur.
5
Justificans fides praecipuum Dei donum Credimus hanc fidem qua iusticia Dei, nempe Iesus Christus crucifixus cum omnibus suis bonis et donis, operibus et meritis apprehenditur eße donum Dei quod humanis viribus, humana sapientia ac omnibus liberi arbitrij viribus et conatibus non paratur sicut Christus dicit Mathei XVI. caro et sanguis non reuelauit tibi sed pater meus qui est in coelis. Et Ioan. 6. hoc est opus dei ut credatis. Ibidem, nemo uenit ad me nisi Pater qui misit me traxerit eum. Philipp. 1. Vobis donatum est pro Christo non solum ut credatis in eum sed etiam ut pro illo patiamini. Augustinus de gratia et libero arbitrio. Si quis per naturae uigorem bonum aliquod quod ad uitae aeternae salutem pertinet cogitare ut expedit aut eligere, siue salutari verbo / Euangelicae praedicationi consentire poße affirmat, absque illuminatione et inspiratione Spiritus Sancti, qui dat omnibus suauitatem in confitendo et in credendo unitatem / heretico fallitur spiritu, non intelligens uocem Dei in Euangelio dicentis sine me nihil potestis facere.
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Justitia Christiana Est igitur christiana iustitia agnoscere et credere filium Dei dominum nostrum Iesum Christum vnicum eße nostrum mediatorem, saluatorem, redemptorem quem Deus Pater propter nimiam suam erga nos charitatem misit in mundum, ut peccata nostra in se suscepta dependeret. hanc iustitiam Paulus uocat iustitiam fidei quae non nititur nostris operibus et meritis sed ipsius Christi solius.
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(C 8.9.10)
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Auch Bernardus502 legt den Begriff Glauben in der 3. Predigt am Fest Mariae Verkündigung so aus: »[Ps 143, 8] „Lass mich am Morgen hören deine Barmherzigkeit, denn ich hoffe auf dich“. Allein freilich die Hoffnung findet bei dir den Ort der Erbarmung. Und das Öl der Barmherzigkeit gießt du nur in das Gefäß des Vertrauens.« Und ebendort: »Es mag einer in seiner Angst sagen: Ich will bis zur Pforte der Hölle gehen, damit wir nirgends als in der Barmherzigkeit Gottes allein aufatmen. Das ist das wahre Vertrauen dessen, der sich selbst aufgibt und sich stützt auf seinen Herrn. Das, sage ich, ist das wahre Vertrauen, dem die Barmherzigkeit nicht verweigert wird.« (9) Glaube als Gabe Gottes (CA 5)
Der rechtfertigende Glaube ist die wichtigste Gabe Gottes. – Wir glauben, dass dieser Glaube, mit dem die Gerechtigkeit Gottes, nämlich der gekreuzigte Jesus Christus, mit allen seinen Gütern und Gaben, Werken und Verdiensten ergriffen wird, die Gabe Gottes ist, die man sich mit menschlichen Kräften, menschlicher Weisheit und allen Kräften und Versuchen des freien Willens nicht verschaffen kann, wie Christus sagt Matth 16, 17: „Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist.“ Und Joh 6, 29: „Das ist Gottes Werk, dass ihr glaubt.“ Ebendort Joh 6, 44: „Niemand kommt zu mir, es sei denn, ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat.“ Phil 1, 29: „Euch ist es gegeben, um Christi willen nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch um seinetwillen zu leiden.“ Augustinus503, Von der Gnade und dem freien Willen: »Wenn jemand behauptet, er könne durch die Kraft der Natur etwas Gutes, was sich auf das Heil des ewigen Lebens bezieht, denken, so dass es hilfreich ist, oder erwählen, oder dem heilsamen Wort, der evangelischen Predigt zustimmen, ohne Erleuchtung und Inspiration durch den heiligen Geist, der allen beim Bekennen die Freude und die Einheit im Glauben schenkt – der wird durch einen Geist des Irrtums getäuscht und versteht nicht das Wort Gottes, das im Evangelium spricht [Joh 15, 5]: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“« (10) Christliche Gerechtigkeit
Die christliche Gerechtigkeit. – Die christliche Gerechtigkeit besteht also darin, dass wir anerkennen und glauben: Gottes Sohn, unser Herr Jesus Christus ist unser einziger Mittler, Heiland und Erlöser, den der Vater wegen seiner übergroßen Liebe zu uns in die Welt sandte, damit er unsere Sünden, die er auf sich nahm, bezahlte. Diese Gerechtigkeit nennt Paulus [Röm 4, 13] „die Gerechtigkeit aus Glauben“, die sich nicht stützt auf 502 503
Bernardus von Clairvaux, In annuntiatione 3,3, über Joh 8, 3–11, PL 183, 394. Augustinus, Concilium Arausicanum 2, 7, PL 45, 1786.
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Augustinus Ps.70. Domine memorabor iustitiae tuae solius. O solius, cur addidit solius? Solius inquit prorsus ubi meam iustitiam non cogito. Quid enim habes quod non accepisti. Iustitia tua domine sola liberat, mea sola non sunt nisi Peccata.
De bonis operibus Quia uero fides bonae uoluntatis iustaeque actionis genitrix est sicut inquit Ambrosius, sentimus credimus et docemus hanc fidem debere bonos fructus parere seu bona opera [459] a Deo praecepta praestare. Nam sicut dicit Apostolus Dei opus sumus conditi in Christo Iesu ad bona opera quae preparauit Deus ut ambulemus in eis Et Christus inquit Sic luceat lux uestra coram hominibus ut uideant opera uestra bona et glorificent Patrem uestrum qui in coelis est Etsi autem haec opera non merentur remißionem peccatorum et haereditatem vitae aeternae tamen merentur alia praemia corporalia et Spiritualia tum in hac uita tum post hanc Vitam sicut Christus dicit Merces uestra copiosa est in coelis. Item Math. X. Quicumque potum dederit vni ex his pusillis calicem aquae frigidae, non perditurus est mercedem suam. [484] Et Lucae 18. Nemo est qui relinquit domum Parentes aut Vxorem aut filios propter Regnum Dei et non recipiat multo plura in hoc tempore et in saeculo futuro Vitam aeternam. 1 Timo. 4. Pietas habet promißiones praesentis et futurae vitae. Bernardus Sermone de triplici custodia. neceße est primo omnium credere quod remißionem peccatorum habere non potes nisi per indulgentiam Dei. Deinde quod nihil boni operis habere queas nisi et hoc dederit ipse Postremo quod uitam aeternam nullis potes operibus promereri nisi gratis detur et illa Augustinus psalmo 70 Dicam omni homini nascituro, nihil es per te Deum invoca, tua peccata sunt, merita Dei sunt. Supplicium tibi debetur et cum praemium venerit sua coronabit dona, non merita tua 9 conditi B condiditi A 25 promereri Kj promeri A 504
Augustinus, Enarrationes in Psalmos, zu Ps 70 (71), 16, PL 36, 890. Pseudo-Ambrosius, De vocatione gentium 1, 23, PL 51, 676 A; CA 20, 30, BSLK 80 Anm. 2. 506 Bernardus von Clairvaux, In annuntiatione 1,1 zu Ps 84,10 f., PL 183, 383; zu de triplice custodia s. Anm. 515. 505
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unsere Werke und Verdienste, sondern allein auf die Werke und Verdienste Christi selbst. Augustinus504 zu Ps 70 [71, 16]: »„Herr, ich gedenke allein deiner Gerechtigkeit.“ O allein, warum setzte er hinzu: allein? Allein, sagt er, wo ich an meine Gerechtigkeit überhaupt nicht denke. [1. Kor 4, 7] „Was hast du, das du nicht empfangen hast?“. Deine Gerechtigkeit, Herr, macht allein frei; die meinige für sich allein besteht nur aus Sünden.« (11) Gute Werke
Von den guten Werken. – Weil aber »der505 Glaube der Ursprung des guten Willens und des gerechten Tuns ist«, wie Ambrosius sagt, so urteilen, glauben und lehren wir, dass dieser Glaube gute Früchte hervorbringen oder gute Werke, die Gott geboten hat, verrichten muss. Denn wie der Apostel sagt [Eph 2, 10]: „Wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.“ Und Christus sagt [Mt 5, 16]: „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen und euren Vater preisen, der im Himmel ist.“ Obwohl aber diese Werke nicht die Vergebung der Sünden und das Erbe des ewigen Lebens verdienen, so verdienen sie doch andere leibliche und geistliche Belohnungen sowohl in diesem Leben als auch nach diesem Leben, wie Christus sagt [Lk 6, 23]: „Euer Lohn ist groß im Himmel.“ Ebenso Mt 10, 42: „Wer einem dieser Geringen einen Becher kalten Wassers zu trinken gibt, es wird ihm nicht unbelohnt bleiben.“ Und Lk 18, 29: „Es ist niemand, der Haus oder Eltern oder Frau oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach in dieser Zeit wiederempfange, und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.“ 1Tim 4, 8: „Die Frömmigkeit hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens.“ Bernardus506 Predigt über die dreifache Wachsamkeit: »Zuallererst ist es notwendig zu glauben, dass du die Vergebung der Sünden nicht haben kannst außer durch Gottes Vergebung. Sodann, dass du kein gutes Werk tun kannst, außer er selbst gibt dir auch dieses. Schließlich, dass du das ewige Leben mit keinerlei Werken verdienen kannst, außer es wird dir auch jenes umsonst gegeben.« Augustinus507 über den 70. Psalm: »Ich will jedem Menschen sagen, der künftig geboren wird: Nichts ist durch dich geschehen. Rufe Gott an! Dein sind die Sünden. Die Verdienste gehören Gott. Dir gebührt das Gebet. Und wenn eine Belohnung kommt, dann krönt Gott seine Gaben, nicht deine Verdienste.« 507
Augustinus, Enarrationes in Psalmos, zu Ps 70 (71), 19, PL 36, 895.
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De libero arbitrio Docemus quod humana uoluntas habeat aliquam libertatem ad efficiendam ciuilem iustitiam et deligendas res rationi subiectas sed non habet Vim sine Spiritu sancto efficiendae iustitiae spiritualis, quia Paulus dicit Animalis homo non percipit ea quae sunt spiritus Dei. Animalis homo hoc est homo tantum naturalibus viribus utens Et Christus dicit in Euangelio sine me nihil potestis facere. Augustinus libro 3. hypognosticon Eße fatemur liberum arbitrium omnibus hominibus habens quidem iuditium rationis, non per quod sit idoneum in ijs quae ad Deum pertinent, sine Deo aut inchoare aut certe` peragere. sed tantum in operibus uitae praesentis tam bonis quam malis. bonis dico quae de bono naturae oriuntur id est uelle laborare in agro velle manducare et bibere vel habere amicum. velle habere indumenta. uelle fabricare domum / vxorem uelle ducere pecora nutrire, artem discere diuersarum rerum bonarum, Velle quicquid bonum ad praesentem vitam pertinet. Quae omnia non sine diuina gubernatione subsistunt, Imo ex deo et per ipsum sunt, et eße coeperunt. Malis vero` dico, ut est uelle colere Idolum velle homicidium etc [460] Damnamus Pelagianos et alios similes qui docent quod sine spiritu sancto solis naturae viribus poßumus Deum super omnia diligere, legem dei facere quoad substantiam actuum. Haec neceßario sunt reprehenda, quia obscurant beneficia Christi. Nam ideo proponitur in Euangelio mediator Christus et promittitur misericordia, quia humana natura non potest Satisfacere legi Rom. 8. Sensus carnis est inimicitia aduersus deum, legi enim dei non est subiectus ac ne potest quidem subijci. Augustinus libro quo supra. Damnamus autoritate diuina opera liberi arbitrij quae gratiae praeponuntur et ex ijs tanquam meritis in Christo iustificari extolluntur Idem Epistola 47. in Pelagianorum cadit errorem qui putat aliquo merito humano gratiam dei dari quae sola hominem liberat per dominum nostrum Iesum Christum.
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Confessio Augustana 18, 1–3, BSLK 73. Pseudo-Augustinus, Hypomnestikon 3, 4, 5, PL 45, 1623; Confessio Augustana 18, 4–6, BSLK 73 f. 510 Pseudo-Augustinus, Hypomnestikon 3, 13, 29, PL 45, 1636. 511 Augustinus Epistula 215, 1, PL 33, 971. 509
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(12) Freier Wille (a) Freiheit in weltlichen Dingen
Vom freien Willen. – Wir lehren, »dass508 der menschliche Wille eine gewisse Freiheit hat, um weltliche Gerechtigkeit herzustellen oder Gegenstände zu wählen, die der Vernunft unterworfen sind. Aber er hat nicht die Kraft, ohne den heiligen Geist die geistliche Gerechtigkeit zu bewirken. Denn Paulus sagt [1. Kor 2, 14]: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes.“« Der natürliche Mensch, das ist der Mensch, der nur naturgegebene Kräfte gebraucht. Und Christus sagt im Evangelium [Joh 15, 5]: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Augustinus509 im 3. Buch des Hypognosticon: »Wir bekennen, dass alle Menschen einen freien Willen haben. Er verfügt zwar über eine Urteilsfähigkeit der Vernunft, nicht dass er ausreichend wäre, ohne Gott etwas anzufangen oder auszuführen, was Gott angeht, sondern nur in den Werken des gegenwärtigen Lebens, und zwar sowohl den guten als auch den bösen. In den guten Werken – damit benenne ich die, welche in den Gütern der Natur gründen, nämlich auf dem Feld arbeiten wollen, essen oder trinken oder einen Freund haben wollen; Kleidung haben wollen, ein Haus bauen wollen, eine Frau heiraten wollen, Vieh füttern, die Kenntnis verschiedener Güter erlernen wollen, was auch immer an Gutem zum gegenwärtigen Leben gehört. All dieses kann nicht ohne göttliche Leitung sein, sondern kommt von Gott und besteht durch ihn und hat durch ihn begonnen. In den bösen Werken aber – damit benenne ich solche, wie beispielsweise ein Götzenbild verehren oder einen Mord begehen wollen.« (b) Keine Freiheit in geistlichen Dingen
Wir verurteilen die Pelagianer und andere ihresgleichen, die lehren, dass wir ohne den heiligen Geist allein mit den natürlich gegebenen Kräfte Gott über alle Dinge lieben und das Gesetz erfüllen können, was das Wesen der Handlungen betrifft. Das ist notwendigerweise zu tadeln, weil es die Wohltaten Christi verdunkelt. Denn im Evangelium wird uns deswegen Christus als Mittler vorgehalten und Barmherzigkeit verheißen, weil die menschliche Natur dem Gesetz nicht genügen kann. Röm 8, 7: „Fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag’s auch nicht.“ Augustinus510 im oben genannten Buch: »Wir verurteilen gemäß göttlicher Autorität die Werke des freien Willens, welche der Gnade vorausgehen und sich überheben, als würde man durch sie gleichsam wie durch die Verdienste Christi gerechtfertigt.« Ebenso der 47. Brief511: »In den Irrtum der Pelagianer fällt, der meint, dass durch irgend ein menschliches Verdienst die Gnade Gottes gegeben
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De lege De lege quae moralis dicitur cuius summa in decalogo seu decem praeceptis continetur [485] sic sentimus quod sit doctrina diuinitus tradita praecipiens non tantum de externis actionibus sed requirens quoque interiores motus cordis adeo`que plenam et perfectam obedientiam erga deum. damnamus omnes qui eam non praestant maledictus inquit omnis qui non permanserit in omnibus uerbis legis huius. Deuteron. 27. Quanquam autem iustificati hanc perfectam obedientiam non praestent necque legi satisfaciant. nam lex spiritualis est ego autem inquit carnalis sum tamen attest[an]te eodem Apostolo. Rom. 8. Nihil damnationis est ijs qui sunt in Christo, qui n[on] secundum carnem ambulant. Christus enim est impletio legis ad iustificationem omni credenti id est qui in Christum credit, habet id quod lex exigit. Ambrosius in Epistola ad Rom. capi. x. Finis legis Christus. hoc dicit quia perfection[em] legis habet qui in Christum credit. Cum enim nullus iustificaretur ex lege quia nemo implebat legem nisi qui speraret in promißo Christo. fides posita est quae crederet perfectionem legis ut omnibus praetermißis fides satisfaceret pro tota lege et prophetis. Augustinus de spiritu et litera. Quod operum lex minando imperat hoc fidei lex credendo impetrat. Idem libro Retrac. Cap.19. Omnia mandata dei implentur quum quod non fit ignoscitur.
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Quod sancti non satisfaciant legi. Quod uero sancti non satisfaciant legi propter inhaerens in natura peccatum (quod tamen ipsis in Christum credentibus (ut supra dictum est) non imputatur) [461] satis multae testantur sentientiae. psalmo 142. Non intres in Iudicium cum seruo tuo domine quia non iustificabitur in conspectu tuo omnis vivens. psalmo 129. Si iniquitates obseruaueris domine domine quis sustinebit? psalmo 31. Dixi, confitebor aduersum me inius-
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Ambrosiaster zu Röm 10, 4, PL 17, 143. Augustinus, De spiritu et littera 13, 22, PL 44, 214. Augustinus, Retractationes 1, 19, PL 32, 615.
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werde, welche doch allein den Menschen befreit durch unsern Herrn Jesus Christus.« (D) Predigt von Gesetz und Evangelium (13) Gesetz
Vom Gesetz. – Vom Gesetz, welches Moralgesetz genannt wird und dessen Zusammenfassung im Dekalog oder in den Zehn Geboten enthalten ist, urteilen wir folgendermaßen: dass es die von Gott übergebene Lehre ist, die uns nicht nur äußere Handlungen vorschreibt, sondern auch die inneren Regungen des Herzens und damit den ganzen und vollkommenen Gehorsam gegen Gott fordert. Wir verurteilen alle, die diesen nicht erfüllen wollen. So sagt Dtn 27, 26: „Verflucht sei, wer nicht bei allen Worten dieses Gesetzes verbleibt.“ Obgleich aber die Gerechtfertigten diesen vollkommenen Gehorsam nicht leisten oder dem Gesetz Genüge tun, [Röm 7, 14] „denn das Gesetz ist geistlich; ich aber“ sagt [Paulus] „bin fleischlich“, so gibt es doch nach dem Zeugnis desselben Apostels Röm 8, 1.4: „ keine Verdammnis für die, die in Christus sind, die nicht nach dem Fleisch leben.“ [Röm 10, 4:] „Denn Christus ist die Erfüllung des Gesetzes für die Rechtfertigung eines jeden, der glaubt“, d. h. wer an Christus glaubt, hat das, was das Gesetz fordert. Ambrosius512 zum Römerbrief Kap. 10, 4: »„Christus ist das Ende des Gesetzes.“ Dies sagt er, weil die Vollendung des Gesetzes hat, wer an Christus glaubt, da nämlich niemand durch das Gesetz gerechtfertigt würde, weil niemand das Gestz erfüllte, außer er hoffte auf den verheißenen Christus. Der Glaube ist dazu aufgerichtet, dass er an die Vollendung des Gesetzes glaubt, damit der Glaube ohne Rücksicht auf alles andere genugtäte für das ganze Gesetz und die Propheten.« Augustinus513 Über den Geist und den Buchstaben: »Was das Gesetz der Werke unter Drohungen befiehlt, das erlangt das Gesetz des Glaubens durch Glauben.« Ebenso im Buch der Retraktationen514 Kap. 19: »Alle Gebote Gottes werden erfüllt, wenn das, was nicht geschieht, verziehen wird.« (14) Heilige zugleich Sünder
Dass die Heiligen dem Gesetz nicht Genüge tun können. – Dass aber die Heiligen dem Gesetz nicht Genüge tun wegen der der Natur anhängenden Sünde (was freilich den an Christus Glaubenden selbst, wie oben gesagt wurde, nicht angerechnet wird), bezeugen viele Worte zur Genüge. Ps 143, 2: „Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht, Herr; denn vor dir wird kein Lebender gerecht gesprochen.“ Ps 130, 3: „Wenn du, Herr, Sünden anrechnen willst, Herr, wer wird bestehen?“ Ps 32, 5 f.: „Ich sprach, ich will dem Herrn gegen mich selbst meine Übertretungen
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ticiam meam domino et tu remisisti impietatem peccati mei: pro hac orabit ad te omnis sanctus in tempore oportuno. Sic Daniel orat cap. ix. Tibi domine iusticia, nobis autem confusio faciei. Ibidem cumque orarem et confiterer peccata mea et peccata populi mei Israel. 1. Ioannnis 1. Si dixerimus quia peccatum non habemus nos ipsos seducimus et ueritas in nobis non est. sed et ipse Christus docet omnes sanctos petere remißionem peccatorum, dum docet omnes orare remitte nobis debita nostra. Bernardus in sermone, veritas dicit, cum feceritis omnia quaecunque praecepta sunt uobis, dicite serui inutiles sumus. Sed hoc inquies propter humilitatem monuit eße dicendum, plane` propter humilitatem sed numquid contra veritatem. Augustinus libro confeßionum. Vae etiam laudabili vitae hominum si remota misericordia discutias eam. Idem libro 2. Retrac. In hac vita nemo ita seruat mandata iusticiae. ut non sit ei neceßarium dicere pro suis peccatis. dimitte nobis debita nostra. Origenes in epistola ad Rom. Quis autem uel de iusticia sua gloriabitur, cum audiat deum per Prophetam, Omnes iusticiae nostrae quasi pannus menstruatae: Sola igitur iusti gloriatio est in fide crucis Christi.
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De Euangelio. Post doctrinam legis quae peccata ostendit ac sua paedagogia in cognitionem peccatorum deducit, ut fiat spiritus contribulatus, cor contritum et humiliatum. quod iam de suis viribus, [486] virtutibus, operibus et meritis diffidit ne desperatione frangatur sed promißione gratiae erigatur, proponenda est doctrina Euangelij de gratuita remißione peccatorum propter Christum. Porro summam Euangelij Christus ipse complexus est, cum iubet Lucae ultimo praedicare poenitientiam et remißionem Peccatorum in nomine suo Augustinus de Spiritu et littera. Per legem ostendit deus homini infirmitatem suam, ut ad eius misericordiam per fidem confugiens sanetur. de sapientia eius quippe dictum est, quod legem et misericordiam in lingua
28 homini A homini peccatum suum B 515 Bernardus von Clairvaux, Sermones de diversis 17, 1 De triplici custodia, PL 183, 583 C; vgl. Anm. 506. 516 Augustinus, Confessiones 9, 13, 34, PL 32, 778; Apologie 4, BSLK 222 Anm. 3.
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bekennen. Und du vergabst mir die Schuld meiner Sünde. Deshalb wird jeder Heilige zu dir beten zur rechten Zeit.“ So betet Daniel Kap. 9, 7: „Bei dir , Herr ist die Gerechtigkeit, uns aber steht die Scham im Gesicht.“ Ebendaselbst Dan 9, 20: „Als ich noch so redete und betete und meine und meines Volkes Israel Sünde bekannte …“ 1. Joh 1, 8: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns.“ Sondern auch Christus selbst lehrt alle Heiligen, um Vergebung der Sünden zu bitten, indem er alle beten lehrt [Mt 6, 12]: „Vergib uns unsere Schuld.“ Bernardus515 in einer Predigt: »Die Wahrheit spricht [Lk 17, 10]: „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte.“ Du sagst: Damit mahnte sie doch nur, dass man dies aus Demut sagen müsse. Gewiss, aus Demut! Aber auf keine Weise gegen die Wahrheit.« Augustinus516 im Buch der Bekenntnisse: »Wehe auch einem lobenswerten Menschenleben, wenn du es ohne Barmherzigkeit prüfst.« Derselbe517 im 2. Buch der Retraktationen: »In diesem Leben beobachtet niemand die Gebote der Gerechtigkeit so, dass er es nicht nötig hätte, zu bitten für seine Sünden [Mt 6, 12]: „Vergib uns unsere Schuld.“« Origenes518 zum Brief an die Römer: »Wer wird sich wohl seiner Gerechtigkeit rühmen, wenn er Gott durch den Propheten hört [Jes 64, 5]: „Alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein beflecktes Kleid“? Der einzige Ruhm des Gerechten besteht im Glauben an das Kreuz Christi.« (15) Evangelium (a) Heilung der aufgedeckten Schwachheit
Vom Evangelium. – Nach der Predigt des Gesetzes, welche die Sünden zeigt und durch seine Schule zur Erkenntnis der Sünden führt, damit der Geist angefochten, das Herz zerknirscht und gedemütigt, dass es schon an seinen Kräften, Tugenden, Werken und Verdiensten verzweifelt, ist nun, damit es [das Herz] nicht durch Hoffnungslosigkeit zerbrochen, sondern durch die Verheißung der Gnade aufgerichtet wird, die Lehre des Evangeliums von der Vergebung der Sünden darzulegen, die wegen Christus umsonst gewährt wird. Nun aber hat Christus das Wesen des Evangeliums selbst zusammengefasst, indem er Lk 24, 47 gebietet, „in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden zu predigen“. Augustinus519, »Vom Geist und vom Buchstaben«: »Durch das Gesetz zeigt Gott dem Menschen seine Schwachheit, damit er durch den Glauben zu Gottes Barmherzigkeit fliehe und geheilt werde. Denn von seiner 517 518 519
Augustinus, Retractationes 2, 33, PL 32, 644. Origenes, Ad Romanos 3, 9 zu Röm 3,27, PG 14, 954 C. Augustinus, De spiritu et littera 9, 15, PL 44, 209.
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portet. legem scilicet quae reos faciat superbos, misericordiam vero qua iustificet humiliatos [462] Est igitur Euangelium praedicatio poenitentiae et promißio remißionis peccatorum, in qua deus pollicetur se propter Christum filium remittere peccata et pronunciat nos iustos id est acceptos et donat spiritum sanctum et uitam aeternam, modo ut credamus hoc est confidamus haec nobis gratis propter Christum contingere. Sicut dicit Apostolus Ideo ex fide ut secundum gratiam firma sit promißio. Rom. 4. Hesichius in leuiticum. Gratia vero ex misericordia et compaßione praebetur et fide apprehenditur sola. ne quis glorietur.
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Discrimen legis et Euangelij De discrimine legis et Euangelij sic sentimus et docemus. Quod lex requirat perfectam obedientiam verum dei timorem, veram fiduciam, terret corda et conscientias, non remittit gratis peccata, non pronunciat iustos, nisi legi satisfactum sit. Et quamquam habeat promißiones, hae tamen requirunt conditionem Impletae legis videlicet qui fecerit haec viuet in eis Item hoc fac et viues. Euangelium vero est praedicatio de poenitentia continens promißiones beneficij Christi, consolatur corda perterrita, remittit gratis peccata et pronunciat nos iustos, etiam si legi non satisfaciamus. hoc monstrant hae uoces, gratis sine lege absque operibus, per gratiam, per Christum, per sanguinem Christi et similes, tantum exigit fidem eorum qui vere poenitent.
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De sacramentis quae scilicet habent mandatum dei et quibus addita est gratie promissio Proinde sicut deus per vocem Euangelij ita quoque per administrationem sacramentorum est efficax. Sunt enim sacramenta non inania spectacula aut tantum notae quaedam profeßionis inter homines sed testimonia ac signa visibilia gratiosae voluntatis dei erga nos. incurrentia in oculos
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quae A qua B filium A filium suum B quae … promissio B, fehlt A sacramentorum A sacdamentorum deus B
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(D 15 a.b.16. E 17)
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Weisheit sagt man, dass sie Gesetz und Barmherzigkeit auf der Zunge trage: Gesetz nämlich, wodurch sie die Übermütigen als Schuldige überführt, Barmherzigkeit aber, mit der sie die Gedemütigten rechtfertigt.« (b) Gnade
Das Evangelium ist also die Predigt der Buße und die Verheißung der Sündenvergebung, in welcher Gott verspricht, dass er wegen seines Sohnes Christus die Sünden vergibt und uns für gerecht, d. h. angenommen, erklärt und uns den heiligen Geist und das ewige Leben schenkt, nur dass wir glauben, d. h. darauf vertrauen, dass uns dies umsonst wegen Christus widerfährt, wie derApostel sagt Röm 4, 16: „Deshalb [kommt die Gerechtigkeit] aus Glauben, damit die Verheißung aus Gnaden fest bleibe“. Hesychius520 zu Leviticus: »Die Gnade aber wird aus Barmherzigkeit und Mitgefühl angeboten und allein im Glauben angenommen, damit sich nicht jemand rühme.« (16) Unterscheidung von Gesetz und Evangelium
Die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. – Über die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium urteilen und lehren wir folgendermaßen: dass das Gesetz den vollkommenen Gehorsam verlangt, wahre Gottesfurcht, wahres Vertrauen, dass es die Herzen und Gewissen erschreckt, die Sünden nicht aus Gnaden erlässt und nicht gerecht spricht, außer es wird dem Gesetz Genüge getan. Und obwohl es Verheißungen enthält, sind diese doch an die Bedingung der Gesetzeserfüllung gebunden, nämlich [Lev 18, 5; Röm 10, 5; Gal 3,12]: „Wer das tut, wird dadurch leben.“ Also tu das und du wirst leben. Das Evangelium aber ist die Bußpredigt, welche die Verheißungen von Christi Wohltat enthält, die erschrockenen Herzen tröstet, die Sünden umsonst vergibt und uns für gerecht erklärt, auch wenn wir dem Gesetz etwa nicht Genüge getan haben. Das zeigen diese Begriffe: umsonst, ohne Gesetz, ohne Werke, aus Gnaden, durch Christus, durch Christi Blut und ähnliches, nur dass [das Evangelium] den Glauben fordert derer, die wahrhaft Buße tun. (E) Sakrament (17) Sakrament allgemein
Von den Sakramenten, die nämlich geboten sind und denen die Verheißung der Gnade angefügt ist. – Weiter521, wie Gott durch die Stimme des Evangeliums wirkt, so auch durch die Verwaltung der Sakramente. Die Sakramente sind nämlich nicht leere Schauspiele oder bloße Zeichen eines bestimmten Bekenntnisses unter Menschen, sondern sie sind Zeugnisse 520 Hesychius, (Priester und Exeget in Jerusalem, gestorben nach 451) Kommentar zu Leviticus PG 93, 787–1180. 521 Der folgende Absatz in Anlehnung an Confessio Augustana 13, 1, BSLK 68.
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quatenus admoneant nos ut credamus promißioni in Euangelio propositae. hinc Augustinus ipsum etiam sacramentum vocat visibile verbum. Sunt autem sacramenta signa non tanturn repraesentatiua sed etiam exhibitiua vere enim hic exhibetur quod deus suo verbo promittit ac ipso sacramento designat modo scilicet fides accedat quae promißionem gratiae in verbo oblatam apprehendat. Necque enim prodest sermo auditus non admixtus fidei. hebrae. 4.
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[487] De baptismo Credimus et confitemur vnum baptisma in remißionem peccatorum. Vnum baptisma quod iuxta Christi institutum semel collatum iterari non poßit. Ephe 4. Vnus deus vna fides vnum baptisma. Quod autem deus in baptismo remittit peccata [463] Et det spiritum sanctum, testantur hae sententiae. Marci vltimo Qui crediderit et baptisatus fuerit saluus erit Et Petrus acto. 2. poenitentiam agite et baptisetur vnusquisque vestrum in remißionem peccatorum. Paulus ad Titum 3 o Saluos nos fecit per lauacrum regenerationis Item Ephe. 5. Christus dilexit ecclesiam mundans eam lauacro aquae in verbo. Augustinus in Ioan. cap.15. mundatio nequaquam fluxo ac labili tribueretur elemento nisi adderetur in verbo, non quia dicitur sed quia creditur.
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paruulos esse baptisandos Credimus omnes homines generatione carnali propagatos, ideoque peccato originali pollutos, obligari ad renascentiam, quae fit per lauacrum regenerationis et innouationis spiritus sancti. Nisi inquit quis renatus fuerit ex aqua et spiritu non potest introire in regnum dei. et Matth. vltimo Euntes docete omnes gentes baptisantes eos in nomine patris et filij et spiritus sancti. Quare cum tota ecclesia noui testamenti omnium temporum sentimus et docemus paruulos eße baptisandos, qui per baptismum deo oblati recipiuntur in gratiam Talium est inquit regnum coelorum. Talium dicit non autem omnium sed eorum scilicet qui Christo offeruntur, quibus et fidem et spiritum sanctum largitur. Nam sine fide impoßibile est deo placere.
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Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3, PL 35, 1840. Der folgende Absatz in Anlehnung an Confessio Augustana 13, 2, BSLK 68 Nizänum BSLK 27, 9 f.
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(E 17.18.19)
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und sichtbare Zeichen von Gottes gnädigem Willen gegen uns, die uns in die Augen fallen, dass sie uns ermahnen sollen, dass wir der im Evangelium angebotenen Verheißung glauben. Daher nennt Augustinus522 das Sakrament selbst ein »sichtbares Wort«. Die523 Sakramente sind nun aber nicht nur darstellende, sondern auch darbietende Zeichen. Denn hier wird wahrhaftig dargeboten, was Gott mit seinem Wort verheißt und mit dem Sakrament selbst bezeichnet, nur dass nämlich der Glaube hinzukommt, welcher die Verheißung der Gnade annimmt, die im Wort angeboten wird. Denn Hebr 4,2 „das Wort der Predigt hilft nichts, wenn sie nicht glauben“. (18) Taufe
Von der Taufe. – Wir glauben und »bekennen524 die eine Taufe zur Vergebung der Sünden«, [nämlich] die eine Taufe, weil nach Christi Einsetzung die einmal gespendete Taufe nicht wiederholt werden kann. Eph 4, 5 f.: „Ein Gott, ein Glaube, eine Taufe.“ Dass aber Gott in der Taufe die Sünden vergibt und den heiligen Geist gibt, bezeugen folgende Sätze. Mk 16, 16: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ Und Petrus Apg 2, 38: „Tut Buße und jeder von euch lasse sich taufen zur Vergebung der Sünden.“ Paulus Tit 3, 5: „Er machte uns selig durch das Bad der Wiedergeburt.“ Ebenso Eph 5, 25 f.: „Christus hat die Kirche geliebt, indem er sie reinigte durch das Wasserbad im Wort.“ Augustinus525 zum Johannesevangelium Kap. 15: »Die Reinigung würde in keiner Weise dem haltlosen und schwankenden Element zugeschrieben werden, wenn sie nicht im Wort hinzugefügt wäre, nicht weil es gesagt wird, sondern weil es geglaubt wird.« (19) Kindertaufe
Dass kleine Kinder getauft werden sollen. – Wir glauben, dass alle Menschen, die aus der fleischlichen Fortpflanzung hervorgehen und daher durch die Erbsünde befleckt sind, zur Neuwerdung verpflichtet sind, welche geschieht [Tit 3, 5] „durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des heiligen Geistes“. [Christus] sagt [Joh 3, 5]: „Es sei denn, dass jemand wiedergeboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Und Mt 28, 19: „Gehet hin und lehret alle Völker, indem ihr sie tauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“ Daher urteilen und lehren wir mit der ganzen Kirche des Neuen Testaments und aller Zeiten, dass man die kleinen Kinder taufen muss, die durch die Taufe Gott übergeben und von ihm in Gnaden aufgenommen werden. Er sagt [Mt 19, 14]: „Solchen gehört das Himmelreich.“ „Solchen“ sagt er, nicht allen, sondern denen, die zu Christus gebracht wer525
Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 80, 3 zu Joh 15, 3, PL 35, 1840.
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hebrae xi. Et Rom. 8. Qui spiritum Christi non habet non est eius: At paruuli per baptismum deo oblati, sunt Christi, quare et spiritum Christi habent, quibus et fidem tribuit Matth. 18. Statuens paruulum in medio discipulorum ait. Qui schandalizauerit vnum de his pusillis, qui in me credunt, expedit ei etc. et Marci. 9. Qui schandalizauerit vnum de his pusillis credentibus in me. Augustinus in Epistola ad Dardanum. dicimus ergo in baptisatis paruulis quamuis id nesciant, habitare spiritum sanctum sic enim eum nesciunt quamuis in eis sit quemadmodum nesciunt et mentem suam cuius in eis ratio qua vti nondum poßunt, velut quaedam scintilla sopita est, excitanda aetatis succeßu.
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De sacramento Coenae domini Coena domini est in qua nobis porrigitur verum corpus et verus sanguis domini nostri Jesu Christi sub speciebus panis et vini et manducandum et bibendum ab ipso Christo instituta. ut per fidem in haec verba promittentis Christi quod pro uobis datur et effunditur in remißionem peccatorum habeamus condonationem omnium delictorum et iusticiam et vitam. [464] Sic habent Euangelisti Matth. Mar. Luc. et Paulus, 1 Corin. xi. Dominus Iesus in qua nocte tradebatur Accepit panem et cum gratias egißet fregit dedit eis dicens. Accipite et manducate hoc est corpus meum quod pro vobis datur hoc facite in meam commemorationem. Similiter et calicem dicens bibite ex hoc omnes hic est sanguis [488] noui Testamenti qui pro vobis effunditur in remißionem peccatorum hoc facite quotiescunque bibetis in meam commemorationem. Hic nolumus Iudaice` quaerere Quomodo potest hic nobis dare carnem suam ad manducandum et sanguinem suum ad bibendum? sed captiuamus intellectum nostrum in obsequium verborum omnipotentis et veracis filij dei et simpliciter credimus quod dicit, facimus quod praecipit et gratias agimus. Augustinus sermone ad Neophytos. hoc accipite in pane quod pependit in cruce hoc accipite in calice quod effusum est de Christi latere erit enim mors non vita qui mendacem existimauerit vitam. 526
Augustinus, De praesentia dei ad Dardanum Epistula, 187, 8, 26, PL 38, 841. Dieses Zitat kombiniert die genannten Texte wie beim liturgischen Gebrauch der Einsetzungsworte. 527
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den, denen er den Glauben und den heiligen Geist schenkt. Hebr 11, 6 „Denn ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen“, und Röm 8, 9 „Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.“ Aber die kleinen Kinder, die Gott durch die Taufe Gott dargebracht wurden, gehören Christus, weshalb sie auch Christi Geist haben und denen er auch den Glauben zuerkannt hat Mt 18, 2 f.6: „Er stellte ein Kind in die Mitte der Jünger und sprach: Wer einen dieser Kleinen ärgert, die an mich glauben, für den wäre es besser [dass … er ersäuft würde …].“ und Mk 9, 42: „Wer eines dieser Kleinen ärgert, die an mich glauben [für den wäre es besser, dass … er ins Meer geworfen würde]“. Augustinus526 im Brief an Dardanus: »Wir sagen also, dass in den getauften Kindern, obwohl sie nichts davon wissen, der heilige Geist wohnt. Sie wissen nämlich nichts davon, obwohl er in ihnen ist, wie sie auch von ihrem Bewusstsein nichts wissen, dessen Denkfähigkeit, welche sie noch nicht benutzen können, in ihnen gleichsam als ein Funke schlummert, der mit zunehmenden Lebensjahren zu entfachen ist.« (20) Abendmahl
Vom Sakrament des Herrenmahls. – Das Herrenmahl ist von Christus selbst eingesetzt, worin uns der wahre Leib und das wahre Blut unseres Herrn Jesu Christi gereicht wird in Gestalt von Brot und Wein zu essen und zu trinken, damit wir durch den Glauben an diese Worte Christi, der uns verheißt, [Lk 19, 22 f.] „für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden“, die Verzeihung all unserer Vergehen erhalten und die Gerechtigkeit und das Leben. So steht es bei den Evangelisten Mt 26, 26–28, Mk 14, 22–24, Lk 22, 19 f. und bei Paulus 1Kor 11, 23–25: „Der527 Herr Jesus Christus in der Nacht, da er verraten wurde, nahm er das Brot und, nachdem er gedankt hatte, brach es, gab es ihnen und sprach: Nehmet und esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch und sprach: Trinket alle daraus, dies ist das Blut des neuen Testaments, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Das tut, sooft ihr es trinket, zu meinem Gedächtnis.“ Hier wollen wir nicht nach der Art der Juden fragen [Joh 6, 52]: „Wie kann uns dieser sein Fleisch zu essen geben“ und sein Blut zu trinken? Sondern wir geben unseren Verstand gefangen in den Dienst der Worte des allmächtigen und wahrhaftigen Sohnes Gottes und glauben einfach, was er sagt, tun, was er gebietet, und sagen Dank. Augustinus in der Predigt an die Neugetauften: »Das empfanget im Brot, was am Kreuze hing. Das empfanget im Kelch, was aus Christi Seitenwunde geflossen ist. Es wird nämlich der Tod sein, nicht das Leben für den, der das Leben für Lüge hielte.«
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Hilarius libro 8. de trinitate De veritate carnis et sanguinis non est relictus ambigendi locus. Nunc enim et ipsius domini profeßione et fide nostra vere caro est et vere sanguis est, et haec accepta et hausta, id efficiunt, ut nos in Christo et Christus in nobis sit Irenaeus libro contra omnes haereses. Quemadmodum qui est a terra panis percipiens vocationem dei, iam non est communis panis sed Eucharistia, ex duabus rebus constans terrena et caelesti. sic corpora nostra percipientia Eucharistiam Iam non sunt corruptibilia spem resurrectionis habentia. Algerius libro de Eucharistia Capit.14 Quamuis omne corpus omnisque creatura localis est de hoc tamen supersubstantiali corpore credendum est quod eodem tempore et vere est in sacramento suo in terris quo vere sedet ad dexteram patris. hoc praeuilegio sola caro Christi quae super omnem creaturam exaltata est, super omnem et praeter omnem creaturam a deo insignita est vt per omnipotentiam quae data est ei, et in coelo et in terra vbicunque quocunque sibi placuerit, non de loco ad locum transeundo, sed ibi ubi est remanendo et alibi vbicunque voluerit existendo, tota et integra, et substantialiter sit in caelo et in terra. Quam enim omnipotentiam ab eo (qui totus est ubique) reciperet? si ipsa ubicunque vellet substantialiter eße tota non poßet vel in quo differret ab angelis quibus est super exaltata si non aliter nisi de loco ad locum recedendo poßet eße in terra et in celo? [465] Pascasius libro de Eucharistia cap. 8. Nunquam caro Christi nisi de manu et sublimi ara vbi Christus pontifex futurorum bonorum aßistit vere accipitur et cum carne vna omnia Christi sanguine parta bona, quorum sola fides capax est.
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Vtraque specie Communicandi fideles Legitimus coenae dominicae vsus consistit in communione vtriusque speciei, qui usus iure diuino ad totam spectat ecclesiam, sicut inquit Paulus 1 Cori. x. Calix benedictionis cui benedicimus nonne communicatio sanguinis Christi est? Et panis quem frangimus nonne participatio corporis
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Hilarius, De trinitate 8, 14, PL 10, 247. Irenäus, Adversus haereses 4, 18, 5, PG 7, 1028 f. 530 Alger von Lüttich (ca. 1060 bis ca. 1145, Domherr in Lüttich, später Mönch in Cluny) De sacramentis corporis et sanguinis Domini libri tres 14, PL 180, 780.782. 531 Paschasius Radbertus (ca. 790 bis ca. 859, Abt von Corbie) De corpore et sanguine domini 8, PL 120, 1286. 529
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Hilarius528 im 8. Buch über die Trinität: »Über die Wahrheit des Fleisches und des Blutes ist kein Raum für Zweifel gelassen. Denn nun ist es nach dem Bekenntnis des Herren selbst und nach unserem Glauben wahrhaftig das Fleisch und wahrhaftig das Blut. Und nachdem wir diese empfangen und gekostet haben, bewirken sie, dass wir in Christus sind und Christus in uns ist.« Irenäus529 im Buch gegen alle Irrlehren: »Wie das Brot, das aus der Erde kommt, indem es die Berufung Gottes aufnimmt, schon nicht mehr gewöhnliches Brot ist, sondern die Eucharistie, die aus zwei Dingen besteht, einer irdischen und einer himmlischen, so sind unsere Leiber, die die Eucharistie aufnehmen, schon nicht mehr vergänglich, sondern haben die Hoffnung auf die Auferstehung.« Algerius530 im Buch von der Eucharistie Kapitel 14: »Obwohl jeder Körper und alle Kreatur ortsgebunden ist, muss man doch von diesem übersubstantiellen Körper glauben, dass er zur selben Zeit und wahrhaftig in seinem Sakrament auf Erden ist, zu welcher Zeit er wahrhaftig sitzt zur Rechten des Vaters. Durch dieses Vorrecht ist allein das Fleisch Christi, welches über alle Kreatur erhaben ist, über alle und außer aller Kreatur von Gott ausgezeichnet worden, so dass es durch seine Allmacht – die [Mt 28, 18] ihm gegeben ist, sowohl im Himmel als auch auf Erden, wo und wie auch immer es ihm beliebt, nicht von Ort zu Ort gehend, sondern dort verbleibend, wo es ist, und anderwärts existierend, wo immer es will – sich ganz und unversehrt und wesentlich im Himmel und auf Erden befindet. Denn welche Allmacht hätte es von ihm (der als ganzer überall ist) empfangen? Wenn es selbst als ganzes wesenhaft überall hätte sein wollen, hätte es das nicht können? Oder worin hätte es sich von den Engeln unterschieden, über die es erhöht ist, wenn [es] nicht anders [wäre], als dass es von Ort zu Ort gehend auf der Erde und im Himmel sein könnte?« Paschasius531 im Buch Über die Eucharistie Kapitel 8: »Niemals wird das Fleisch Christi wahrhaftig empfangen außer von der Hand und dem himmlischen Altar, wo Christus als Hoherpriester der künftigen Güter steht, und mit dem Fleisch zusammen alle Güter, die durch Christi Blut erworben sind und die nur durch den Glauben aufgenommen werden können.« (21) Beiderlei Gestalt
Die Gläubigen sind mit beiderlei Gestalt zu beteiligen. – Der richtige Brauch des Herrenmahls besteht in der Austeilung beider Gestalten, welcher Brauch nach göttlichem Recht sich auf die ganze Kirche bezieht, so wie Paulus sagt 1Kor 10, 16 f.: „Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Und das Brot, das wir
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Christi est? Quoniam unus panis et vnum corpus sumus, omnes quidem [489] de vno pane et vno calice participamus. Et ipse Christus inquit bibite ex hoc omnes. Cyprianus sermone de Coena domini. Noua est huius religionis doctrina et scholae Euangelicae hoc primum magisterium protulerunt, vt biberent sanguinem Christiani, cuius esum legis antiquae autoritas districtißime interdicit, lex quippe esum sanguinis prohibet, Euangelium praecipit ut bibatur. Gelasius Papa et citatur in decretis de consecratione cap. Comperimus quod quidam sumpta tantummodo sacri corporis portione a sanguine sacrati cruoris abstineant qui procul dubio, quia nescio qua superstitione docentur astringi, aut integra sacramenta percipiant aut ab integris arceantur. quia diuisio vnius et eiusdem mysterij sine grandi sacrilegio nequit prouenire. Paschasius, bibite ex hoc inquit omnes tam ministri quam reliqui credentes Ignatius in Epistola ad Philadelphienses: Rogo uos fratres ut instetis vnae fidei vnae praedicationi, vna gratiarum actione utentes. vna est enim caro domini Iesu, et vnus calix totius ecclesiae.
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De poenitentia ac praecipuis partibus eius Contritione et fide.
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Poenitentia est qua vera contritione morimur peccatis et fide erigimus nos ad accipiendam remißionem peccatorum. haec poenitentia donum dei est, 2 Timo. 2. Nequando det illis deus poenitentiam vt resipiscant a laqueis diaboli Ps. 24. Conuerte nos deus salutaris noster. Contritionem vocamus non simulatum dolorem sed serios pauores conscientiae, agnoscentes iram dei aduersus peccata et dolentes propter peccatum. Cuius exemplum extat in Dauid, Manaße, Magdalena, Petro et alijs multis. Contritionem praecipiunt haec dicta Hiere 3. Vulgo dicitur si dimiserit vir uxorem suam etc Tu autem fornicata es cum amatoribus multis. tamen revertere ad me et recipiam te. Ezechiel 18. Nolo mortem peccatoris sed ut conuertatur [466] et vivat Johel 2. Scindite corda vestra 532
Cyprianus nach CIC D 2 c 12 De consecratione (Friedberg 1318). CIC D 2 c 12 De consecratione (Friedberg 1318); Confessio Augustana 22, 7, BSLK 85 Anm. 5. 534 Paschasius Radbertus, De corpore et sanguine domini 15, 2, PL 120, 1323 B. 535 Ignatius (Bischof von Antiochien in Syrien, gestorben um 110) Epistola interpolata ad Philadelphenses 4, PG 5, 821 f. 533
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brechen, ist das nicht die Teilhabe am Leib Christi? Denn ein Brot ist’s: So sind wir ein Leib, weil wir alle an einem Brot und einem Kelch teilhaben.“ Und Christus selbst sagt [Mt 26, 27]: „Trinket alle daraus!“ Cyprianus532 Predigt über das Herrenmahl: »Neu ist die Lehre dieser Religion. Und die evangelischen Schulen haben dies als ersten Lehrsatz veröffentlicht, dass die Christen Blut trinken sollten, dessen Genuss die Lehrgewalt des alten Gesetzes schärfstens untersagt. Das Gesetz also verbietet den Genuss des Blutes, das Evangelium schreibt vor, dass es getrunken wird.« Auch wird Papst Gelasius in den Dekreten533 zitiert (Über die Weihe [distinctio 2] Kapitel »Comperimus«): »Wir haben erfahren, dass einige, nachdem sie nur den Anteil am heiligen Leib genommen haben, vom geheiligten Blut sich enthalten, welche ohne Zweifel – weil ich nicht weiß, durch welchen Aberglauben sie gelehrt wurden, sich zu enthalten – entweder die vollständigen Sakramente nehmen oder sich von ihnen ganz enthalten sollen, weil die Teilung eines und desselben Geheimnisses nicht ohne großen Frevel geschehen kann.« Paschasius534: » [Mt 26,27] „Trinket alle daraus“, sagt er, sowohl die Kleriker als auch die übrigen Gläubigen.« Ignatius535 im Brief an die Philadelphier: »Ich bitte euch, liebe Brüder, dass ihr fest stehet in einem Glauben, einer Predigt, im Vollzug einer Danksagung. Denn eines ist das Fleisch des Herrn Jesu und einer ist der Kelch der ganzen Kirche.« (22) Buße
Von der Buße und ihren wichtigsten Teilen: Reue und Glaube. – Die Buße besteht darin, dass wir durch wahre Reue den Sünden absterben und im Glauben uns aufrichten, um die Vergebung der Sünden zu empfangen. Diese Buße ist eine Gabe Gottes. 2Tim 2, 25 f.: „Ob ihnen Gott irgendwann die Buße geben könnte, dass sie aus den Verstrickungen des Teufels zur Wahrheit finden“. Ps 85, 5 [Vulgata 84, 5]: „Bekehre uns, Gott, unser Heiland!“ Reue nennen wir nicht den erheuchelten Schmerz, sondern die ernstlichen Ängste des Gewissens, indem wir den Zorn Gottes gegen die Sünde anerkennen und Leid tragen über unsere Sünde, wovon sich das Beispiel zeigt bei David [Ps 6], Manasse [2Chr 33, 12; Gebet Manasses], Magdalena [Lk 7, 38], Petrus [Mt 26, 75] und vielen anderen. Reue gebieten folgende Sprüche. Jer 3, 1 [Vulgata]: „Es wird gesagt: Wenn ein sich Mann von seiner Frau scheidet [und sie gehört einem andern an, wird er wieder zu ihr zurückkehren? Er wird zu ihr sagen:] Du hast mit vielen Liebhabern gehurt. Aber kehre zurück zu mir und ich will dich wieder aufnehmen.“ Hes 18, 23: „Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern
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et non vestimenta vestra. Et Christus in Euangelio inquit poenitentiam agite. Item Lucae 13. nisi poenitentiam habueritis omnes similiter peribitis. Porro ad contritionem, hoc est ad hos pauores conscientiae agnoscentis peccata et luctantis, cum terroribus irae dei, mortis et inferorum. neceße est accedere consolationem, scilicet fidem quae statuat nobis remitti peccata propter filium dei, et tantae misericordiae agnitione rursus erigat nos, ne oppreßi desperatione, vt Cayn, Saul, Iudas, et plerique alij ruamus in aeternum exitium. Est igitur altera poenitentiae pars, fides in Christum quae fides non est tantum hystoriae uel legis noticia, sed fidutia qua credit vnusquisque sibi remitti peccata a deo propter Christum gratis, id est non propter nostram dignitatem et merita, quemadmodum Manaßes in oratione sua dicit Indignum saluabis me propter magnam misericordiam tuam.
[490] Scripturis probatur contritionem et fidem praecipuas esse partes poenitentiae. Mathei xi. Venite ad me omnes qui laboratis et onerati estis et ego reficiam uos hic duo membra sunt, labor et onus significant contritionem, pauores et terrores peccati et mortis. Venire ad Christum est credere quod propter Christum remittantur peccata. Cum credimus viuificantur corda spiritu sancto per verbum Christi. Sunt igitur hic duae partes praecipuae contritio et fides. et Marci 1. Christus ait. Agite poenitentiam, et credite Euangelio. Ibi in priore particula arguit peccata, in posteriore consolatur nos et ostendit remißionem peccatorum. Nam credere Euangelio non est illa generalis fides quam habent et diaboli, sed proprie est credere remißionem propter Christum donatam, haec enim reuelatur in Euangelio. Paulus fere vbique cum describit conuersionem seu renouationem, facit has duas partes Mortificationem et Vivificationem, ut Collos.2. et alias sepe. Et exempla similiter ostendunt has duas partes. Adam obiurgatur post peccatum et perterrefit. haec est contritio, Postea promittit deus gratiam dicit futurum semen quo destruetur regnum diaboli, mors et peccatum et ibi offert remißionem peccatorum. Sic david obiurgatur a Nathan et per-
27 Mortificationem … partes. B, fehlt A
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dass er sich bekehre und lebe.“ Jo 2, 13: „Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider!“ Und Christus sagt im Evangelium [Mt 4, 17]: „Tut Buße!“ Ebenso Lk 13, 3: „Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.“ Weiter, es ist notwendig, dass zur Reue, d. h. zu diesen Ängsten des Gewissens, das die Sünde anerkennt und mit den Schrecken des Zornes Gottes, des Todes und der Hölle kämpft, der Trost hinzutritt, nämlich der Glaube, der fest dabei bleibt, dass uns die Sünden wegen des Sohnes Gottes vergeben werden, und uns durch die Anerkennung dieser großen Barmherzigkeit wieder aufrichtet, damit wir nicht von Verzweiflung gepackt wie Kain [Gen 4, 13 f.], Saul [1Sam 31, 4], Judas [Mt 27, 3–5] und viele andere ins ewige Verderben stürzen. Deshalb besteht der zweite Teil der Buße im Glauben an Christus. Dieser Glaube ist nicht nur Erkenntnis der [biblischen] Geschichte oder des Gesetzes, sondern das Vertrauen, mit welchem jeder glaubt, dass ihm von Gott wegen Christus umsonst die Sünden vergeben werden, d. h. nicht wegen unserer Würdigkeit und unserer Verdienste, wie Manasse in seinem Gebet sagt [OrMan 15]: „Du wollest mir Unwürdigem helfen nach deiner großen Barmherzigkeit!“ Durch Schriftzitate wird bewiesen, dass Reue und Glaube die wichtigsten Teile der Buße sind. Mt 11, 28: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühsam und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Hier sind die beiden Glieder. Mühsal und Last bezeichnen die Reue, die Ängste und Schrecken der Sünde und des Todes. Zu Christus kommen heißt glauben, dass um Christi willen die Sünden vergeben werden. Indem wir glauben, werden die Herzen belebt durch den heiligen Geist mittels des Wortes Christi. Hier haben wir also die beiden wichtigsten Teile: Reue und Glaube. Und Mk 1, 15 spricht Christus: „Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ Hier klagt er im ersten Teil die Sünden an, im zweiten tröstet er uns und zeigt uns die Vergebung der Sünden. Denn Glauben an das Evangelium ist nicht jenes allgemeine Fürwahrhalten, das auch [Jak 2, 19] den Teufeln zukommt, sondern ist im eigentlichen Sinn glauben, dass uns um Christi willen die Vergebung geschenkt ist. Dies nämlich wird im Evangelium offenbart. Fast überall, wo Paulus die Bekehrung oder Erneuerung beschreibt, macht er diese beiden Teile: Abtötung und Auferweckung wie Kol 2, 12 f. und sonst oft. Auch die Beispiele zeigen uns gleicherweise die beiden Teile. [Gen 3, 10] Adam wird nach seinem Sündenfall getadelt und erschrickt. Das ist die Reue. [Gen 3, 15] Anschließend verheißt Gott ihm die Gnade und sagt den künftigen Nachkommen voraus, durch den das Reich des Teufels, der Tod und die Sünde zerstört werden. Und dort bietet er ihm die Vergebung der Sünden an. So wird David [2Sam 12, 13] von Nathan
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terrefactus inquit. peccaui domine ea est contritio. Postea ostendit absolutionem, dominus sustulit peccatum tuum non morieris haec uox erigit Dauidem, sustententat, iustificat et viuificat eum. Lucae 7. Mulier peccatrix venit ad Christum lachrimans, per has lachrimas agnoscitur contritio. postea audit absolutionem, remittuntur tibi peccata tua fides tua te saluam fecit, vade in pace. [467] Bernardus sermo. 3. de Annuntiatione Mariae has duas poenitentiae partes pie admodum ac pulchre complexus est. Auditam fac mihi mane misericordiam tuam quia in te speraui. Sola nimirum spes apud te miserationis obtinet locum, nec oleum misericordiae nisi in vase fidutiae ponis. Rogemus itaque fratres responderi nobis quantas habeamus iniquitates, scelara nostra et delicta nobis desideremus ostendi, scrutemur vias nostras, periculaque vniuersa vigili intentione pensemus, dicat quisque in pauore suo vadam ad portas inferi vt iam non nisi in Sola misericordia dei respiremus. haec vera hominis fidutia est a se deficientis et innitentis domino suo, haec Inquam vera fidutia est cui misericordia non denegatur. Itaque damnamus illos qui non docent remißionem peccatorum per fidem gratis propter Christum contingere. Sed contendunt remißionem peccatorum contingere propter dignitatem aut meritum contritionis, dilectionis, aut aliorum operum Et iubent dubitare conscientias in poenitentia an consequantur remißionem peccatorum et affirmant hanc dubitationem non eße peccatum.
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De confessione et Absolutione Quia vero Euangelium publice multis et priuatim singulis applicari potest vt testatur haec sententia Quorum remiseritis peccata remittuntur eis. Sentimus et docemus, Confeßionem priuatam quae fit coram sacerdote retinendam eße, vt consilium, doctrinam, consolationem, [491] et absolutionem peccator petat et accipiat. Enumerationem vero illam omnium delictorum quae est impoßibilis nec iure etiam diuino praecepta, sentimus non eße neceßariam in hac confeßione. Caeterum, quia Absolutio est promißio remißionis peccatorum, adeoque viua uox Christi quae per os ministri poenitentem absoluit, propterea 536
Bernardus von Clairvaux, Sermones de sanctis, In annuntiatione 3, 3, PL 183,
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Confessio Augustana 12, 10, BSLK 67.
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getadelt und sagt voll Angst: „Herr, ich habe gesündigt“. Das ist die Reue. Anschließend zeigt er [Nathan] ihm die Lossprechung: „Der Herr hat deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben.“ Dieses Wort richtet David wieder auf, stützt, rechtfertigt und belebt ihn. Lk 7, 38.48.50 kommt die Sünderin weinend zu Christus; durch diese Tränen bekräftigt sie ihre Reue. Anschließend hört sie ihre Lossprechung: „Dir sind deine Sünden vergeben. Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden!“ Bernardus536 – in der 3. Predigt am Fest Mariae Verkündigung – verbindet diese beiden Teile der Buße sehr gottesfürchtig und ganz vortrefflich: »[Ps 143, 8] „Lass mich am Morgen hören deine Barmherzigkeit; denn ich hoffe auf dich.“ Allein freilich die Hoffnung auf dich gewinnt einen Ort für das Erbarmen, und du füllst das Öl der Barmherzigkeit nur in das Gefäß des Vertrauens. Lasset uns daher beten, liebe Brüder, dass uns offenbart werde, wie viele Ungerechtigkeiten wir begangen haben. Wir begehren, dass uns unsere Verbrechen und Vergehen gezeigt werden; wir durchforschen unsere Wege und bedenken mit wacher Aufmerksamkeit alle Anklagen gegen uns. Jeder spreche in seiner Angst [Jes 38,10]: Ich will bis zu den Pforten der Hölle gehen, damit wir nirgends aufatmen als allein in der Barmherzigkeit Gottes. Das ist der wahre Glaube des Menschen, der sich selbst aufgibt, aber sich auf seinen Herrn stützt. Das ist, sage ich, der wahre Glaube, welchem die Barmherzigkeit nicht versagt wird.« Daher verdammen wir jene, »so537 nicht lehren, dass man durch Glauben Vergebung der Sünde erlange« umsonst um Christi willen, sondern darauf bestehen, die Vergebung der Sünden widerfahre wegen der Würdigkeit oder dem Verdienst der Reue, der Liebe oder anderer Werke, und es gutheißen, dass in der Buße die Gewissen zweifeln, ob sie die Sündenvergebung empfangen, und darüber hinaus bekräftigen, dass dieser Zweifel keine Sünde sei. (23) Beichte und Absolution
Von der Beichte und von der Lossprechung. – Weil aber das Evangelium sowohl öffentlich den Vielen als auch privat den Einzelnen zugewandt werden kann, wie dieser Satz bezeugt [Joh 20, 23]: „Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen“, wissen und lehren wir, dass an der Privatbeichte, die vor dem Priester geschieht, festzuhalten ist, damit der Sünder Rat, Belehrung, Trost und Lossprechung erbitten und erhalten kann. Wir urteilen aber, dass jene Aufzählung aller Vergehen, welche unmöglich ist und auch vom göttlichen Recht nicht vorgeschrieben wird, in dieser Beichte nicht notwendig ist. Im übrigen, weil die Lossprechung Verheißung ist der Sündenvergebung und noch dazu die lebendige Stimme Christi, die durch den Mund
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satis non est credere quibusdam in genere dimitti peccata. Verum vnusquisque debet credere sibi ipsi etiam hanc remißionem peccatorum dari gratis propter Christum. hac tum fide vere` coram deo Iustificatur et ex terroribus peccati, irae dei, mortis ac gehennae liberatus, pacem habet ad deum. Rom. 5. Et quia iustificatus accipit spiritum sanctum, induit nouos affectus qui subinde noua pariunt opera, laudem scilicet et gratiarum actionem, timorem, dilectionem, confeßionem, inuocationem, carnis mortificationem, obedientiam, patientiam in cruce et afflictione, ac reliqua talia quae diuus Apostolus vocat fructus spiritus Item hostias acceptas deo per Iesum Christum. Lapsi recipiendi quocunque tempore cum conuertuntur. Sentimus absolutionem iterari poße et quod lapsis post baptisma remißio peccatorum contingere poßit quocunque tempore cum conuertuntur Quia [468] propositum dei quo decreuit saluare quod perierat, stat immobile. Est autem diuina scriptura plena sententijs et exemplis consolatione plenißimis qui hunc articulum confirmant et damnant secus docentes.
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Quid intersit inter sacramentum et sacrificium Sacramentum Caeremonia est, signum promißionis per quod deus aliquid nobis promittit et exhibet, sicut baptismus est signum quo deus nobiscum agit ac recipit nos in gratiam, et quasi baptisat nos ipse, nam minister vice Christi baptisat. Sacrificium est caeremonia vel opus nostrum quod nos reddimus deo ut eum honore afficiamus, hoc est testemur nos agnoscere hunc ipsum cui nos hanc obedientiam praestamus, vere` eße deum. Ideoque nos ei hanc obedientiam praestamus. Sunt autem sacrificij species duae. Quoddam est sacrificium propitiatorium et alterum Eucharisticum. Sacrificium propitiatorium est opus quod meretur alijs remißionem culpae et penae et placans iram dei pro alijs, satisfactorium pro culpa et pena aeterna. Estque vnum tantum sacrificium propitiatorium, videlicet paßio seu mors Christi, hebrae 9. Impoßibile est sanguinem taurorum et hir27 opus B, fehlt A 538
Der folgende Absatz nach Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 480. Die folgenden zwei Absätze nach Melanchthon, Loci 1535, CR 21, 480 f.; vgl. auch Apologie 24, 17, BSLK 354, 10 f. 540 Vgl. Apologie 24, 19, BSLK 354, 26 f. 31 f. 539
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(E 23.24.25 a.b)
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des Dieners [der Kirche] den Bußfertigen losspricht, deshalb genügt es nicht zu glauben, dass jedermann im allgemeinen die Sünden vergeben seien. Vielmehr muss jeder einzelne glauben, dass auch ihm selbst diese Sündenvergebung wegen Christus umsonst zuteil werde. Durch diesen Glauben wird er dann wirklich vor Gott gerechtfertigt und hat, indem er aus den Schrecken der Sünde, des Zornes Gottes, des Todes und der Hölle befreit ist, [Röm 5, 1] „Frieden mit Gott“. Und weil der Gerechtfertigte den heiligen Geist empfängt, bekommt er neue Neigungen, die allmählich neue Werke hervorbringen, nämlich Lob und Danksagung, Ehrfurcht, Liebe, Bekenntnis, Anrufung, Abtötung des Fleisches, Gehorsam, Geduld in Kreuz und Anfechtung und das Übrige dieser Art, was der heilige Apostel [Gal 5, 22] „Frucht des Geistes“ nennt, ebenso [1Petr 2, 5] „geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus“. (24) Wiederaufnahme rückfälliger Sünder
Rückfällige sind jederzeit wieder aufzunehmen, wenn sie sich bekehren. – Wir urteilen, dass die Lossprechung von Sünden wiederholt werden kann und dass denen, die nach der Taufe rückfällig werden, die Vergebung der Sünden jederzeit gewährt werden kann, wenn sie sich bekehren, weil der Vorsatz Gottes, mit welchem er beschlossen hat, selig zu machen, was verloren ist, unwandelbar feststeht. Die heilige Schrift ist indessen voll von höchst tröstlichen Sätzen und Beispielen, die diesen Glaubensartikel bestätigen und die anders Lehrenden verdammen. (25) Sakrament und Opfer (Interim 22) (a) Sakrament
Welcher Unterschied zwischen Sakrament und Opfer besteht. – Das538 Sakrament ist eine heilige Handlung, ein Zeichen der Verheißung, durch das Gott uns etwas verspricht und darreicht, wie die Taufe ein Zeichen ist, durch das Gott an uns handelt und uns in Gnaden aufnimmt und uns gleichsam selbst tauft; denn der Diener [der Kirche] tauft an der Stelle Christi. Das Opfer ist unsere Handlung oder unser Werk, welches wir Gott darbringen, damit wir ihm Ehre erweisen, d. h. bezeugen, dass wir ihn selbst, dem wir diesen Gehorsam leisten, wahrhaft anerkennen, dass er Gott sei. Daher leisten wir ihm diesen Gehorsam. Es539 gibt aber zwei Arten des Opfers. Die540 eine Art ist das Sühnopfer und die andere das Dankopfer (Eucharistie). (b) Sühnopfer
Das Sühnopfer ist ein Werk, das für andere die Vergebung der Schuld und der Strafe verdient und das für andere den Zorn Gottes besänftigt, indem es Genugtuung leistet für Schuld und ewige Strafe. Es gibt aber nur ein Sühnopfer, nämlich Leiden und Tod Christi. Hebr 10,4: „Es ist unmög-
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corum auferre peccata. Ibidem Sanctificati sumus per oblationem corporis Christi semel. Et ipse Christus suum sacrificium pro nobis applicat cum pro nobis orat. Ioan. 17. Pro eis ego sanctifico me ipsum vt sint et ipsi sanctificati per veritatem. Non pro eis rogo tantum sed pro ijs qui credituri sunt per verbum eorum in me. Etsi autem in lege quaedam sacrificia dicebantur propitiatoria non tamen merebantur remißionem peccatorum coram deo, sed significabant futurum Christi sacrificium. [492] Cyprianus sermo de paßione Christi. Originali morbo nullum poterat eße remedium nec reconciliare deo poterat exules quaelibet oblatio, nisi sanguinis huius singulare sacrificium. Ioannes Chrysostomus in Epistola ad hebrae. Quid igitur nos, nonne per singulos dies offerimus? Offerimus quidem sed ad recordationem facientes mortis eius Pontifex autem noster ille est qui hostiam mundantem nos, obtulit. Ibidem magis autem recordationem sacrificij operemur. Augustinus psal. 64. Tu Sacerdos, tu victima, tu oblator et oblatio Ipse Sacerdos est qui ingreßus in interiora veli, Solus ibi ex his qui carnem gestauerunt, interpellat pro nobis Idem libro 22. contra Faustum, Sacrificium laudis honorificabit me, etc. Huius sacrificij caro et sanguis ante aduentum Christi per victimas similitudinum promittebatur, in paßione Christi per ipsam veritatetem reddebatur, post ascensionem Christi per sacramentum memoria celebratur. [469] In textu sententiarum libro 4. distinct.12. Illud quod offertur et consecratur a Sacerdote, vocari sacrificium et oblationem, quia memoria est et repraesentatio veri sacrificij et sanctae immolationis factae in ara crucis. Et Christus semel mortuus in cruce ibique immolatus est in semetipso. In sacramento autem recordatio fit illius quod factum est semel. Igitur execranda est execrabilis illa doctrina, muliplicis impietatibus summa abominationis. et blasphemiae plena quod mißa sit sacrificium seu tale opus quod factum a Sacerdote et applicatum pro alijs mereatur remißionem peccatorum facienti, et ijs quibus applicatur, viuis et mortuis.
14 magis B magis magis A 541 542 543
Johannes Chrysostomus, Homilia in epistola ad Hebraeos 17, PG 63, 349. Augustinus, Enarrationes in Psalmos 64, 6 zu Ps 65 (64) 4, PL 36, 777. Augustinus, Contra Faustum Manichaeum 20, 21, PL 42, 385.
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lich, durch das Blut von Stieren und Böcken Sünden wegzunehmen“. Ebendort [Hebr 10, 10]: „Wir sind geheiligt ein für alle mal durch das Opfer des Leibes Christi.“ Und Christus selbst wendet sein Opfer uns zu, indem er für uns betet Joh 17, 19 f.: „Ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie geheiligt seien in der Wahrheit. Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden.“ Wenn auch im Gesetz [des Mose] einige Opfer „Sühnopfer“ genannt wurden, so verdienten sie doch keine Sündenvergebung vor Gott, sondern bezeichneten das künftige Opfer Christi. Cyprianus, Predigt vom Leiden Christi: »Für die Erbkrankheit konnte es kein anderes Heilmittel geben, und kein anderes Opfer konnte die Verbannten mit dem Vater versöhnen außer allein das einzigartige Opfer dieses Blutes.« Johannes Chrysostomus541 zum Hebräerbrief: »Was aber tun wir? Opfern wir nicht an jedem einzelnen Tag? Wir opfern zwar, aber indem wir das Gedächtnis seines Todes begehen. Unser Hohepriester aber ist der, der das uns reinigende Opfer darbrachte. Ebendort aber vollziehen wir mehr die Erinnerung an das Opfer.« Augustinus542 zu Ps 64: »Du bist der Priester, du das Opferlamm, du der Opfernde und das Opfer. Er selbst ist der Priester, der eingetreten ist [Hebr 6, 19] „in das Innere hinter dem Vorhang“. Er allein von denen, die im Fleisch lebten, [Röm 8, 34] „tritt für uns ein“.« Derselbe543 im 20. Buch gegen Faustus: »[Ps 50, 23] „Das Opfer des Dankes wird mich loben.“ Fleisch und Blut dieses Opfers wurde vor der Ankunft Christi durch die Opfer von Ähnlichem verheißen, in der Passion Christi durch die Wahrheit selber erfüllt, nach der Himmelfahrt Christi durch das Sakrament als Gedenken gefeiert.« Im Text der Sentenzen544 4. Buch Distinctio 12: »Das, was durch den Priester geopfert und geweiht wird, wird Opfer und Darbringung genannt, weil es das Gedenken und die Vergegenwärtigung des wahren Opfers und der heiligen Darbringung ist, die auf dem Altar des Kreuzes geschah. Und Christus starb einmal am Kreuz und wurde dort in eigener Person geopfert. Im Sakrament aber geschieht das Gedenken dessen, was einmal geschehen ist.« Daher ist zu verwerfen jene verdammenswerte Lehre, die durch vielfältige Gottlosigkeiten eine Anhäufung von Greueln und voller Frevel ist, dass die Messe ein Opfer sei oder dass sie ein solches Werk sei, das, wenn es vom Priester vollzogen und anderen zugewandt wird, Vergebung der Sünden verdient für den Vollziehenden und für die, denen es zugewandt wird, seien es Lebende oder Tote. 544
Petrus Lombardus, Sententiarum libri quatuor 4, 12, 7, PL 192, 866.
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Sacrificium Eucharisticum est quod non meretur remißionem peccatorum, sed fit a reconciliatis. vt pro accepta remißione peccatorum et alijs beneficijs deo gratias agamus. Sacrificia Eucharistica in lege erant, oblatio, libatio, retributio, primitiae, decimae etc. Nunc sunt fides, praedicatio Euangelij, Inuocatio, gratiarum actio, confeßio, crux, afflictiones sanctorum, orationes. Item omnia bona opera sanctorum. Haec sacrificia non sunt satisfactoria pro facientibus. vel applicabiles alijs, quae mereantur eis ex opere operato remißionem peccatorum seu reconciliationem. sed placent Deo propter fidem, Augustinus li. x. de Ciuitate dei Cap.6: Omne opus bonum deo beneplacitum, quod propter ipsum fit, et ad deum refertur sacrificium, dicitur.
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De clauibus seu potestate Ecclesiastica. Clavis, seu potestas ecclesiastica consistit in docendo Euangelio et administratione sacramentorum. Et in excommunicandis illis qui publicis criminibus sunt obnoxij, ijsque rursum absoluendis quando conuertuntur et petunt absolutionem. [493] Est itaque potestas Ecclesiastica quaedam aecumenica administratio, quae constat non vi corporali, sed tantum verbo. Regnum enim Christi spirituale est quod non regitur armis, gladio, et alijs rebus ad ciuile regnum pertinentibus. Christus enim huius Ecclesiasticae potestatis Autor et institutor omnem Ciuilem administrationem, et a se et a suis Apostolis transtulit ad Principes mundi, A se quia noluit se eligi in Regem sed aufugit, ab Apostolis, Dum inquit Principes gentium dominantur eorum, Vos autem non sic. Ecclesiastica potestas Duplex. Est autem potestas ecclesiastica duplex. Ordinis scilicet et Iurisdictionis. Potestas ordinis est, mandatum docendi Euangelij et annunciandi remißionem peccatorum, ac impartiendi sacramenta singulis aut pluribus. Hic
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Der folgende Absatz in Anlehnung an Apologie 24, 25, BSLK 356, 14–23. Zu ex opere operato vgl. BSLK 68 Anm. 3. Vgl. Augustinus, De civitate dei 10, 6, PL 41, 283.
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(c) Dankopfer
Das545 Dankopfer besteht darin, dass es nicht Vergebung der Sünden verdient, sondern von den Versöhnten dargebracht wird, dass wir Gott für die empfangene Sündenvergebung und andere Wohltaten Dank abstatten. Dankopfer waren in der Zeit des Gesetzes Darbringung, Trankopfer, Erstattungen, Erstlinge, Zehnten usw. Jetzt sind es Glaube, Predigt des Evangeliums, Anrufung, Danksagung, Bekenntnis, Kreuz, Anfechtungen der Heiligen, Gebete, ebenso die guten Werke der Heiligen. Diese Opfer sind weder versöhnend für die Darbringenden noch zuwendbar für andere Menschen, welche für sie »durch den bloßen Vollzug«546 die Vergebung der Sünden oder die Versöhnung verdienen könnten, sondern sie gefallen Gott wegen des Glaubens. Augustinus547 im 10. Buch Vom Gottesstaat Kap. 6: »Jedes gute, Gott wohlgefällige Werk, das seinetwegen geschieht und sich auf Gott bezieht, wird Opfer genannt.« (26) Amt der Schlüssel: Evangeliumspredigt und Exkommunikation (a) Erste (kürzere) Fassung
Von den Schlüsseln oder der kirchlichen Gewalt. – Der548 Schlüssel oder die kirchliche Gewalt besteht im Predigen des Evangeliums und in der Verwaltung der Sakramente. Und er besteht darin, dass jene zu exkommunizieren sind, die sich öffentlicher Verbrechen schuldig gemacht haben, und dass jene wieder loszusprechen sind, wenn sie sich bekehren und Lossprechung begehren. Die kirchliche Gewalt ist daher ein gewisses häusliches Amt, das nicht mit körperlicher Kraft549, sondern nur durchs Wort wirkt. Denn das Reich Christi ist geistlich, das nicht mit Waffen, Schwert und anderen zum weltlichen Reich gehörenden Mitteln regiert wird. Christus hat nämlich als Urheber und Stifter dieser kirchlichen Gewalt alle weltliche Verwaltung sowohl von sich als auch von seinen Aposteln auf die weltlichen Fürsten übertragen: von sich, weil er [Joh 6, 15] sich nicht wollte zum König erwählen lassen, sonder floh; von den Aposteln, indem er sprach [Mt 20, 25 f.]: „Die Herrscher halten ihre Völker nieder. So soll es nicht sein unter euch.“ (b) Zweite (längere) Fassung
Die zweifache Gewalt der Kirche. – Die Gewalt der Kirche ist also zweifach: des Amtes und der Rechtsprechung. Die Gewalt des Amtes ist der Auftrag, das Evangelium zu predigen und die Vergebung der Sünden zu verkündigen sowie die Sakramente zu spenden an Einzelne und Viele. Hier ist es nicht erlaubt, eine neue Lehre zu 548 Der folgende Satz in Anlehnung an Confessio Augustana 28, 5, BSLK 121, 12–17, und an Melanchthon Loci 1535, CR 21, 501. 549 Vgl. Confessio Augustana 28, 21 non vi sed verbo, BSLK 124, 9.
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non licet comminisci nouam doctrinam, sed proponenda est doctrina a` Christo tradita. Quem[470]admodum praecepit Mathei vltimo Docete eos seruare omnia quaecunque mandaui vobis. Et Paulus ad gala.1. Si Angelus de coelo aliud docuerit quam nos docemus anathema sit. Ambrosius libro 4. de virginibus. Nos noua omnia quae Christus non docuit iure damnamus quia credentibus Christus veritas est. Si igitur Christus non docuit quod docemus, etiam nos id detestabile dicimus. Augustinus ad Cresconium, Neque enim sine causa Canon Ecclesiasticus constitutus est. ad quem certi libri prophetarum et Apostolorum pertinent quos omnino iudicare non audemus et secundum quos de caeteris fidelium et infidelium libris iudicamus. Porro potestas Iurisdictionis, est potestas excommunicandi obnoxios publicis criminibus, et rursus eos absoluendi si conuersi petant absolutionem. haec potestas non debet eße tyrannica, sed sicut Christus docuit Si ecclesiam non audierit sit tibi velut Ethnicus et publicanus. Constat autem et quidem omnium confeßione hanc utranque praedictam potestatem iure diuino communem eße omnibus qui praesunt Ecclesijs siue vocentur Pastores siue presbiteri siue Episcopi. Cyprianus libro de simplicitate Praelatorum, hoc erant vtique caeteri Apostoli quod fuit, Petrus, pari consortio praediti et honoris et Potestatis / Sed exordium ab vnitate proficiscitur vt ecclesia una monstretur. Hieronimus ad Croma. et Euagrium, Si autoritas quaeritur orbis maior est vrbe. Vbicunque fuerit Episcopus siue Romae siue Eugubij. sive Constantinopoli, siue Regij, eiusdem meriti est et sacerdotij. Potentia diuitiarum et paupertatis humilitas vel sublimiorem vel inferiorem Episcopum facit Caeterum omnes Apostolorum succeßores. Gregorius Epistola. 30. ad Mauritium Augustum. Fidenter dico quia quisquis si vniuersalem sacerdotem vocat vel vocari desiderat in elatione sua Antichristum praecurrit quia superbiendo se caeteris praeponit, nec dispari superbia ad errorem ducitur [494] quia sicut peruersus ille deus videri vult super omnes homines, ita quisquis est qui solus sacerdos appellari appetit super caeteros se extollit.
14 docuit B, fehlt A 550 551 552 553 554 555
Ambrosius, De virginitate 6, 28, PL 16, 273 B. Augustinus, Ad Cresconium Grammaticum partis Donati 31, 39, PL 43, 489. Der folgende Absatz in Anlehnung an Melanchthon Loci 1535, CR 21, 505. Cyprianus, De unitate ecclesiae 4, PL 4, 500. Hieronymus, Epistola 146, PL 22, 1194. Gregorius Magnus, Epistolae 5, 33 Ad Mauricium Augustum, PL 77, 891.
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ersinnen, sondern es muss die Lehre vorgetragen werden, die von Christus überliefert ist, wie er es geboten hat Mt 28, 20: „Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ Und Paulus Gal 1, 8: „Wenn ein Engel vom Himmel anderes predigen würde, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht.“ Ambrosius550 Buch 6 Von den Jungfrauen: »Wir verdammen mit Recht alles Neue, was Christus nicht gelehrt hat, weil für die Glaubenden Christus die Wahrheit ist. Wenn daher Christus nicht gelehrt hat, was wir lehren, dann erklären auch wir es für abscheulich.« Augustinus551 an Cresconius: »Denn nicht ohne Grund ist der kirchliche Kanon aufgerichtet worden, zu dem bestimmte Bücher der Propheten und der Apostel gehören. Über sie zu urteilen wagen wir in keiner Weise, aber an ihrem Maßstab beurteilen wir die übrigen Bücher der Gläubigen und der Ungläubigen.« Weiter552, die Gewalt der Rechtsprechung ist die Vollmacht, dass diejenigen, die öffentlicher Verbrechen schuldig sind, zu exkommunizieren sind, und dass sie wiederum loszusprechen sind, wenn sie sich bekehrt haben und Lossprechung begehren. Diese Gewalt darf nicht tyrannisch sein, sondern so, wie Christus lehrte [Mt 18, 17]: „Hört er auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und Zöllner.“ Fest steht aber und zwar nach dem Geständnis aller, dass diese doppelte Gewalt, von der die Rede war, nach göttlichem Recht allen gemeinschaftlich gehört, die den Kirchen vorstehen, sei es dass sie Pastoren genannt werden oder Priester oder Bischöfe. Cyprianus553 Über die Einfachheit der Prälaten: »Das waren jedenfalls auch die übrigen Apostel, was Petrus war, in gleicher Gemeinschaft ausgestattet sowohl mit Ehre als auch mit Vollmacht. Aber der Anfang geht von der Einheit aus, damit die eine Kirche in Erscheinung tritt.« Hieronymus554 an Croma und Euagrius: »Wenn man nach der Vollmacht fragt, ist der Weltkreis größer als die Stadt. Wo immer ein Bischof war, sei es in Rom, sei es in Eugubium, sei es in Konstantinopel, sei es in Regium, hat er dasselbe Ansehen und dasselbe Priestertum. Die Verfügung über Reichtümer und die Niedrigkeit der Armut machen einen höheren oder niedrigeren Bischof. Im übrigen sind sie alle die Nachfolger der Apostel.« Gregorius555 30. Brief an Mauritius Augustus: »Zuversichtlich sage ich: Wer sich einen übergeordneten Priester nennt oder genannt zu werden wünscht, der geht in seiner Überhebung dem Antichristen voran, weil er sich hochmütig den andern überordnet, und wird durch einen nicht unähnlichen Hochmut zum Irrtum verführt. Denn so wie jener Böse als ein Gott erscheinen will über alle Menschen, so erhebt sich über die anderen, wer verlangt, allein Priester genannt zu werden.«
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De ordine. De ordinatione. id est vocatione ad ministerium Euangelij et publica eius vocationis approbatione sic sentimus. Quod scilicet nemo debeat publice in ecclesia docere, aut sacramenta administrare nisi fuerit rite vocatus. [471] Est autem duplex vocatio. Quaedam fit immediate a deo, haec est proprie` Prophetarum et Apostolorum sicut Paulus inquit, se non ab hominibus neque per homines vocatum eße. Alia est quae fit a deo seu mandato diuino sed per homines. Ita ab Apostolis constituti sunt Episcopi et pastores ecclesiarum. Est ergo et haec legitima vocatio et vere` diuina, cum de autoritate ecclesiae aut eorum quibus ecclesia committit iudicium, commendatur alicui ministerium, quod qua ceremonia olim sub Apostolis fiebat ex eorum seriptis notum est, videlicet per impositionem manuum Presbiterij 1. Timo 4. et 5. Credimus itaque et confitemur deum vere` efficacem eße per ministerium eorum qui voce ecclesiae electi sunt, vt testantur multae sententiae, Rom 1. Euangelium est potentia dei ad salutem omni credenti. et Christus Ioan. 17. Rogo non pro eis tantum sed et pro omnibus qui credituri sunt per verbum eorum in me. Ioan. 20. Quorum remiseritis peccata remittuntur eis. 2. Corin 5. deus posuit in nobis verbum reconciliationis. Pro Christo igitur legatione fungimur tanquam deo adhortante per nos. Expreße loquitur Paulus de verbo externo, seu de ministerio sonante vocem Euangelij. Damnantur igitur qui externum ministerium tanquam inutile et non neceßarium damnant.
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Quid verbi ministris debeatur. Quid autem huiusmodi diuini ministerij seu verbi ministris debeatur id sacrae literae abunde docent. Sicut enim verbo dei, ita ministris verbum dei docentibus (quod ad ministerium attinet), debetur obedientia sicut praecipit scriptura Luc. x. Qui uos audit me audit qui uos spernit me spernit. Matth. 23. Quicquid dixerint facite. hebrae. 13. Obedite praepositis vestris. Deinde debetur quoque ministris obedientia, in Iurisdictio-
27 attinet) Kj attinet A B
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(F 27.28 a)
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(F) Kirchliches Amt (27) Berufung zum Amt
Vom Amt. – Von der Einsetzung ins Amt, d. h. von der Berufung zum Dienst am Evangelium und von der öffentlichen Bestätigung dieser Berufung urteilen wir so, »dass556 nämlich niemand in der Kirche öffentlich lehren oder die Sakramente verwalten darf, wenn er nicht der Ordnung nach berufen ist.« Es gibt aber zweierlei Berufung. Die eine geschieht unmittelbar von Gott; dies ist besonders die Berufung der Propheten und Apostel, so wie Paulus sagt [Gal 1, 1], dass er „nicht von Menschen und nicht durch Menschen“ berufen sei. Die andere ist die, welche zwar von Gott oder durch göttliches Gebot, aber durch Menschen geschieht. So wurden die Bischöfe und Pastoren der Kirchen von den Aposteln eingesetzt. Es ist also auch dies eine rechtmäßige und wahrhaft göttliche Berufung, da mit der Vollmacht der Kirche oder derer, denen die Kirche das Urteil anvertraut, jemandem das Amt übergeben wird. Mit welcher Zeremonie dies einst unter den Aposteln geschah, ist aus ihren Schriften bekannt, nämlich 1Tim 4, 14 und 5, 22 [„durch die Handauflegung der Ältesten“]. Wir glauben daher und bekennen, dass Gott wahrhaft wirksam ist durch den Dienst derer, die durch die Stimme der Kirche berufen sind, wie viele Sätze bezeugen. Röm 1, 16: Das Evangelium „ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben.“ Und Christus Joh 17, 20: „Ich bitte nicht allein für sie, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben werden,“ Joh 20, 23: „Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen.“ 2Kor 5, 19 f.: „Gott hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns.“ Ausdrücklich spricht Paulus vom äußeren Wort oder von dem Dienst, der die Stimme des Evangeliums laut werden lässt. Deswegen557 werden die verdammt, die den äußeren Dienst als unnütz und unnötig verdammen. (28) Pflicht der Gemeinde gegenüber dem Amt (a) Gehorsam
Was den Dienern des Wortes gebührt. – Was aber den Dienern dieses heiligen Amtes oder des Wortes gebührt, das lehrt die heilige Schrift ausführlich. »So558 wie nämlich dem Wort Gottes, so gebührt auch den Dienern, die das Wort Gottes lehren, Gehorsam (was ihren Dienst betrifft), wie die Schrift gebietet Lk 10, 16: „Wer euch hört, der hört mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich.“ Mt 23, 3: „Was sie euch sagen, 556 557 558
Confessio Augustana 14, BSLK 69. Vgl. Confessio Augustana 5, 4, BSLK 58, 14–17. Melanchthon Loci 1535, CR 21, 503.
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ne quam habent iuxta Euangelium videlicet in cognitione criminum, audiendis testibus in legitima excommunicatione etc. Ad haec debetur quoque ministris obedientia in ceremonijs condendis, nam Episcopi et pastores habent autoritatem ordinandi ceremonias. hoc fine, ut res ordine gerantur in publico ecclesiae coetu. Sicut Paulus ordinauit ut mulieres tegant capita. Et ecclesia initio diem dominicum et alios quosdam festos dies constituit, vt certa eßent docendi tempora. Sed hae ordinationes non debent superstitiose intellegi. Non enim sunt iusticia seu cultus neceßarij ad iusticiam, sed sunt reipsa res adiaphorae quae extra casum schandali omitti poßunt sine peccato. His itaque traditionibus debetur obedientia quod ad casum schandali attinet, extra casum schandali conscientiae sunt liberae. [472] Denique debentur quoque ministris ac ecclesiarum doctoribus neceßaria vitae quatenus commode` suae vocationi inseruire poßent, de qua 1. Corin. 9. Sic et dominus ordinauit ut qui Euange[495]lium annuntiant ex Euangelio viuant. Gala. 6. Communicet autem is qui Catechizatur verbo ei qui se catechizat in omnibus bonis. Nolite errare deus non irridetur. 1 Timo 5 Qui bene praesunt Praesbiteri, duplici honore digni habeantur, maxime ij qui laborant sermone et doctrina, dicit enim scriptura. Boui trituranti non alligabis os, et dignus est operarius mercede sua
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De Coniugio Coniugium vocamus legitimam et perpetuam coniunctionem vnius viri et vnius tantum foeminae diuvinitus institutam generationis causa et ordinatam ad vitandas libidines prohibitas gen 1. Masculum et foeminam creauit eos benedixitque eis deus et ait Crescite et multiplicamini, gen. 2. Erunt duo in carne vna, videlicet ut in ea vocatione deo conditori morem gerant, obtemperent eius ordinationi, vitent ne contra eam polluantur.
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(F 28 a.b. G 29)
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das tut!“ Hebr 13, 17: „Gehorcht euren Lehrern!“ Sodann gebührt den Dienern der Kirche Gehorsam auch in der Rechtsprechung, die sie gemäß dem Evangelium haben, nämlich in der Untersuchung von Verbrechen, in der Anhörung von Zeugen beim rechtmäßigen Ausschluss aus der Gemeinde usw.« Zudem gebührt den Dienern der Kirche Gehorsam auch bei der Einführung von Zeremonien. Denn die Bischöfe und Pastoren »haben559 Vollmacht, Zeremonien anzuordnen mit dem Ziel, dass bei der öffentlichen Versammlung der Kirche die Dinge geordnet zugehen, so wie Paulus [1Kor 11, 5.13] anordnete, dass die Frauen das Haupt bedecken. Und die Kirche hat am Anfang den Herrentag und andere gewisse Festtage festgesetzt, damit es feste Zeiten gäbe für die Predigt. Aber diese Ordnungen dürfen nicht abergläubisch verstanden werden. Die Gerechtigkeit vor Gott liegt nicht in ihnen, und sie sind auch keine für die Gerechtigkeit nötigen gottesdienstliche Handlungen, sondern sind an sich neutrale Dinge, die, falls kein Ärgernis entsteht, ohne Sünde wegfallen können. Diesen Überlieferungen gegenüber schuldet man Unterordnung, was den Fall des Ärgernisses angeht. Abgesehen vom Fall des Ärgernisses sind die Gewissen frei.« (b) Unterhalt
Schließlich gebühren den Dienern und Lehrern der Kirche die notwendigen Mittel zum Leben, in dem Maß dass sie angemessen ihrer Berufung nachkommen können. Darüber 1Kor 9, 14: „So hat auch der Herr befohlen, dass, die das Evangelium verkündigen, sich vom Evangelium nähren sollen.“ Gal 6, 6 f.: „Wer aber unterrichtet wird im Wort, der gebe dem, der ihn unterrichtet, Anteil an allem Guten. Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten.“ 1Tim 5, 17 f.: „Die Ältesten, die der Gemeinde gut vorstehen, die halte man zwiefacher Ehre wert, besonders, die sich mühen im Wort und in der Lehre. Denn die Schrift sagt [Dtn 25, 4]: ,Du sollst dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden’“ und [Lk 10, 7]: „Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert.’“ (G) Ehe und weltliche Obrigkeit (29) Ehe
Von der Ehe. – Ehe nennen wir die rechtmäßige und dauerhafte Verbindung eines Mannes mit nur einer Frau, von Gott eingesetzt der Nachkommenschaft wegen und angeordnet, um die verbotenen Gelüste zu meiden. Gen 1, 27 f.: „Er schuf sie als Mann und Frau, und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch.“ Gen 2, 24: „Die zwei werden ein Fleisch sein“, nämlich dass sie in dieser Berufung Gott, ihrem 559
Melanchthon Loci 1535, CR 21, 503.
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Iam deus praecepit ijs qui non sunt idonei ad coelibatum, ut coniugio utantur. Idem sancit ius naturae. Non potest autem ulla humana autoritate aut lege, aut ullo voto tolli, aut lex diuina aut ius naturae. Quare coniugium ijs qui non sunt idonei ad coelibatum est a deo praeceptum. 1 Corin. 7. propter fornicationem vnusquisque suam vxorem habeat et vnaquaeque mulier suum virum Ibidem. melius est enim nubere quam vri. et Christus Matth. xix Non omnes capiunt verbum hoc, sed ij quibus datum est. Quibus vero datum sit ipse ibidem explicat, cum de tribus generibus Eunuchorum dißerit, quibus exceptis nemo debet eße extra coniugium. Igitur honorabile est inter omnes coniugium, et cubile impollutum. Scortatores autem et adulteros iudicabit deus. hebrae. 13.
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Concilij Gangrensis decretum. de presbiteris maritis Canon 4 Si quis iudicet eße discedendum a presbitero marito quasi non oporteat eo ministrante participare oblatione anathema sit. Decretum Synodi sextae de coniugio sacerdotum Canon 13. Si quis ausit mouere contra canones Apostolorum, et ex eis qui dediti sunt siue sacerdotes siue praesbiteros siue Diaconos, siue subdyaconos remouere a consuetudine et societate vxoris legitimae deponatur. Similiter si presbiter aut dyaconus vxorem suam religionis praetextu a se reijciat is excommunicetur et si in eo perseuerat deponatur. [473] Cyprianus libro. 1. Episto. 11 scribens de dicatis deo virginibus, sed parum pure` viuentibus. Si autem inquit perseuerare nolunt aut non poßunt melius est ut nubant quam ut in ignem suis delicijs cadant. Augustinus citatur in decretis distinct. 27. Cap. Quidam aßerunt nubentes post uotum eße adulteros. ego autem dico quia graviter peccant qui tales diuidunt
18 si B, fehlt A 560 561 562
Konzil von Gangra, CIC d 28 c 15 (Friedberg 105). 6. Konzil 680–681 in Konstantinopel. Cyprianus Epistola 62 Ad Pomponium de virginibus, PL 4, 366.
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(G 29)
22. Confessio jeverensis
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Schöpfer, gehorchen, seiner Anordnung folgen, und es vermeiden, sie zu entehren. Nunmehr gebot Gott denen, die zur Ehelosigkeit nicht fähig sind, dass sie sich der Ehe bedienen. Dasselbe gebietet das Naturrecht. Nun kann aber das göttliche Gesetz oder das Naturrecht weder durch eine menschliche Autorität noch durch ein menschliches Gesetz noch durch irgend ein Gelübde aufgehoben werden. Deshalb ist die Ehe denen, die zur Ehelosigkeit nicht fähig sind, von Gott geboten 1Kor 7, 2: „Um Unzucht zu vermeiden, soll jeder seine eigene Frau haben und jede Frau ihren eigenen Mann.“ Ebendort [1Kor 7, 9]: „Es ist besser, zu heiraten als in Begierde zu brennen.“ Und Christus Mt 19, 11: „Dies Wort fassen nicht alle, sondern nur die, denen es gegeben ist.“ Welchen es aber gegeben ist, das erklärt er selbst an dieser Stelle, wo er von den drei Arten der Verschnittenen handelt. Diese ausgenommen darf sonst niemand ohne Ehe sein. Hebr 13, 4: „Die Ehe soll in Ehren gehalten werden bei allen und das Ehebett unbefleckt; denn die Unzüchtigen und die Ehebrecher wird Gott richten“. Konzil von Gangra560: Über die verheirateten Priester, Kanon 4: »Wenn einer urteilt, man müsse sich von einem verheirateten Priester trennen, als sei es nicht erlaubt, an einem von ihm geleiteten Opfergottesdienst teilzunehmen, der sei verflucht.« 6. Konzil561, Dekret über die Priesterehe, Kanon 13: »Wenn jemand wagt, sich gegen die Grundsätze der Apostel zu stellen, und (wer es wagt) von denen, die beschäftigt sind als Geistliche oder Priester oder Diakone oder Subdiakone, sich zurückzuziehen vom Zusammenleben und der Gemeinschaft mit der legitimen Gattin, soll abgesetzt werden. Gleicherweise wenn ein Priester oder Diakon seine Gattin unter dem Vorwand der Frömmigkeit zurückweist, der soll aus der Gemeinde ausgeschlossen und, wenn er dabei verharrt, abgesetzt werden.« Cyprianus562 1. Buch, Brief 11, schreibt von den gottgeweihten Jungfrauen, die jedoch nicht sehr züchtig leben: »Wenn sie aber in ihrem Stand nicht verharren wollen oder können, ist es besser, sie heiraten, als dass sie durch ihre Lüste ins Feuer fallen.« Augustinus563 wird in den Dekreten Distinktion 27., Kapitel »Quidam« zitiert: »Einige behaupten: Die nach Ablegung der Gelübde heiraten, seien Ehebrecher. Ich aber sage, dass diejenigen schwer sündigen, die solche scheiden.«
563
CIC I d 27 c 2 (Friedberg 98).
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22. Confessio jeverensis
Item in decretis Cap. Diaconus, Tanta est vis in sacramento coniugij ut nec ex violatione voti possit dissolvi coniugium, Igitur quia lex illa de coelibatu quam defendunt aduersarij cum iure diuino et naturali pugnet et ab ipsis Canonibus Conciliorum dißentit ac simul constat periculosam eße (parit enim infinita scandala et peccata confirmationem vagarum libidinum et neces piorum sacerdotum. etc) propter quae Spiritus Christi in Paulo 1 Timo. 4. vocat prohibitionem coniugij et ciborum doc[496]trinam daemoniorum. Sentimus recte facere sacerdotes et alios qui honesta coniugia contrahunt. sicut Paulus inquit, Eligendum eße vnius uxoris maritum. Sentimus et gubernatores poße et debere legem pontificiam abolere. Errant enim qui putant aut iure diuino prohiberi coniugium sacerdotibus, aut poße legem talem a regibus aut Episcopis fieri prohibentem coniugium. Ac si nolint ecclesiae mederi gubernatores, tamen recte faciunt pij qui sequuntur regulam Apostolicam, deo magis parendum eße quam hominibus.
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De potestate Ciuili seu magistratu. Quid de potestate Ciuili seu Magistratu sentiendum sit et docendum copiose` satis Apostolus .Rom 13. describit, Agnoscimus itaque magistratum eße diuinam ordinationem a deo ordinatam vt conseruet disciplinam et pacem, puniat sontes. ac seruet insontes. Cui obediendum est non solum propter iram sed etiam propter conscientiam. Requirit enim deus a Magistratu haec quatuor, nempe agnitionem dei, timorem dei, Sapientiam, Iudicium, et iusticiam ut iusticiam iudicet in terra. Magistratui debent Subditi obedientiam, honorem, tributum Rom. 13. Orationem. 1 Timo. 3. timorem. Prouer. 24. Magistratus vero quae debeat subditis ex praedictis colligi potest. Et quia potestas seu magistratus est custos non solum Secundae sed et primae tabulae decalogi. Iuvare, ornare, ac tueri debet
1 Item … coniugium, A am Rand, fehlt B 5 (parit … etc) Kj (parit … etc A parit … etc) B 8 facere B facere facere A
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(G 29.30)
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Ebenso in den Dekreten564 Kap. Diaconus: »So groß ist die Kraft im Sakrament der Ehe, dass eine Ehe auch nicht wegen der Verletzung des Gelübdes aufgelöst werden kann.« Weil565 also jenes Gesetz von der Ehelosigkeit, das unsere Gegner verteidigen, dem göttlichen und natürlichen Gesetz widerstreitet und sogar von den Kanones der Konzilien abweicht, und weil zugleich feststeht, dass es gefährlich ist (es gebiert nämlich unendliche Ärgernisse und Sünden, stärkt die unsteten Lüste und das Verderben frommer Priester usw.), weshalb der Geist Christi bei Paulus 1Tim 4, 1.3 das Verbot der Heirat und das Verbot bestimmter Speisen eine Lehre der Dämonen nennt. Wir urteilen, dass die Priester und andere recht daran tun, dass sie ehrliche Ehen eingehen, so wie Paulus [1Tim 3, 2] sagt, dass man [zum Bischof] einen „Mann einer einzigen Frau“ wählen solle. Wir sind der Auffassung, dass auch die Herrscher das päpstliche Gesetz abschaffen können und müssen. Diejenigen irren, die glauben, dass durch das göttliche Gesetz den Priestern die Ehe verboten sei oder dass von Königen oder Bischöfen ein solches Gesetz gegeben werden könnte, das die Ehe verbietet. Auch wenn die Herrscher die Kirche nicht heilen wollen, dann handeln doch die Frommen richtig, die der apostolischen Regel folgen [Apg 5, 29], dass man Gott mehr als den Menschen gehorchen müsse. (30) Weltliche Obrigkeit
Von der weltlichen Gewalt oder von der Obrigkeit. – Wie die weltliche Gewalt oder die Obrigkeit zu beurteilen und was darüber zu lehren ist, beschreibt der Apostel hinreichend ausführlich Röm 13. Wir anerkennen deshalb, dass die Obrigkeit eine göttliche Anordnung ist, von Gott eingerichtet, damit sie Ordnung und Frieden bewahrt, die Schuldigen bestraft und die Unschuldigen schützt. Ihr ist zu gehorchen, [Röm 13, 5] „nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen“. Gott fordert nämlich von der Obrigkeit folgende vier Dinge: nämlich Gotteserkenntnis, Gottesfurcht, Weisheit und Gericht mit Gerechtigkeit, damit die Gerechtigkeit auf Erden Gericht halte. Die Untertanen schulden der Obrigkeit Röm 13, 5–7 „Gehorsam, Ehre und Steuern“; 1Tim 2, 1 f. „Gebet“ und Spr 24, 21 „Furcht“. Was aber die Obrigkeit ihren Untertanen schuldet, kann aus dem Gesagten gefolgert werden. Und566 weil die weltliche Gewalt oder Obrigkeit der Hüter ist nicht nur der Zweiten, sondern auch der Ersten Tafel der Zehn Gebote, muss sie Ps 564
CIC I d 27 c 1 (Friedberg 98). Der folgende Satz in Anlehnung an Apologie 23, 6, BSLK 334, 30–36, und an Confessio Augustana 23, 22, BSLK 90, 19 f. 566 Zum folgenden Absatz vgl. Melanchthon Loci 1535, CR 21, 553. 565
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22. Confessio jeverensis
sacrosanctum verbi ministerium ps 2. Item Blasphemos punire, Idololatriam, ac impios cultus abrogare. Sicut ostendunt exempla piorum Regum. Dauidis, Salomonis, Josaphat, Ezechiae, Iosiae, Constantini Theodosij et aliorum, Nam idem ius habent reges ac principes Christianorum, quod olim habebant in tollendis et abrogandis idolis ac impijs cultibus, Reges Iudaeorum.
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De Inuocatione sanctorum: [474] Credimus et confitemur Vnum solum Deum Patrem per filium in spiritu sancto adorandum eße ac inuocandum, huc nos uocat eius praeceptum cui parere, et allicit gratiosa promißio cui credere, merito debemus omnes Igitur non sit nobis religio cultus hominum mortuorum, qui etsi pie vixerint non sic habentur ut tales quaerant honores, sed illum a nobis coli uolunt quo illuminante laetantur meriti sui nos eße consortes. honorandi igitur sunt propter imitationem non adorandi propter Religionem: Haec Augustinus de vera Religione.
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De Caeremonijs atque traditionibus humanis in ecclesia: De Caeremonijs atque traditionibus Ecclesiasticis humana autoritate institutis docemus eas obseruandas eße quae sine peccato obseruari poßunt, et ad tranquillitatem et bonum ordinem in ecclesia conducunt vt certae feriae, certae cantiones piae et similes ritus. Caeterum duplices sunt traditiones, Aliae sunt de rebus indifferentibus quae habent politicum finem vtilem ecclesiae nec pugnent cum praeceptis dei nec proponuntur cum impijs opinionibus, nec tanquam cultus aut res necessariae tales traditiones sunt bonae et conseruandae et non a diabolo sed ab autoritate ecclesiae, iuxta id, omnia ordinate fiant in vobis. [497] Nam haec corporalis vita habet opus certis temporibus et locis ut Populus sciat ubi conuenire debeat ad audiendum Euangelium. Vbi sacramenta petere debeat nec hae traditiones laedunt fidem. Quia simul docendum est quod non sunt cultus aut iusticiae sed res politicae vtiles propter hanc corporalem conuersationem
567 568
Ps 2, 10 f.: So seid nun verständig, ihr Könige …! Dienet dem Herrn mit Furcht …! Augustinus, De vera religione 55, 108, PL 34, 169.
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(G 30. H 31.32)
22. Confessio jeverensis
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2, 10 f.567 den heiligen Dienst am Wort unterstützen, ehren und schützen, ferner die Gotteslästerer bestrafen, den Götzendienst und die verkehrten Gottesdienste abschaffen, wie es die Beispiele der frommen Könige David, Salomo, Josaphat, Hiskia, Josia, Konstantin, Theodosius und anderer zeigen. Denn die Könige und Fürsten der Christen haben das gleiche Recht, das ehedem die Könige der Juden hatten bei der Aufhebung und Abschaffung der Götzen und der verkehrten Gottesdienste. (H) Abgrenzung gegen das Interim (31) Heiligendienst (Interim 23/123–129)
Von der Anrufung der Heiligen. – Wir glauben und bekennen, dass allein Gott der Vater durch den Sohn im heiligen Geist anzubeten und anzurufen ist. Hierzu mahnt uns sein Gebot, dem wir gehorchen sollen, hierzu lockt uns seine gnadenreiche Verheißung, der wir mit Recht alle glauben sollen. »Daher568 darf es für uns die Pflicht einer gottesdienstlichen Verehrung verstorbener Menschen nicht geben, die, obgleich sie gottesfürchtig lebten, nicht dafür gelten, dass sie solche Ehren verlangten, sondern vielmehr wollen, dass jener von uns verehrt wird, durch dessen Erleuchtung sie sich freuen, dass wir Genossen ihrer Verdienste sind. Zu ehren sind sie wegen ihrer Nachfolge, nicht anzubeten wegen der Frömmigkeit.« Dies sagt Augustinus im Buch Von der wahren Religion. (32) Zeremonien im allgemeinen (Interim 26/135–144)
Von den Zeremonien und den menschlichen Überlieferungen in der Kirche. – Von den Zeremonien und den kirchlichen Überlieferungen, die durch menschliche Vollmacht eingerichtet wurden, lehren wir, dass diejenigen zu befolgen sind, die ohne Sünde beobachtet werden können und die zu Ruhe und guter Ordnung in der Kirche führen, wie bestimmte Feiertage, bestimmte fromme Gesänge und ähnliche heilige Bräuche. Im übrigen gibt es zweierlei Überlieferungen. Die einen betreffen Sachen, die weder gut noch schlecht sind, die ein gemeinschaftliches, für die Kirche nützliches Ziel haben und sich nicht stoßen mit den Geboten Gottes, und die nicht vorgeschrieben werden aus gottlosen Gesinnungen und als Gottesdienste oder als notwendige Handlungen. Solche Überlieferungen sind gut und bewahrenswert. Sie stammen nicht vom Teufel, sondern aus der Vollmacht der Kirche, nach dem Wort [1Kor 14, 40]: „Alles geschehe bei euch nach der Ordnung“. Denn dieses leibliche Leben hat bestimmte Zeiten und Orte nötig, damit das Volk weiß, wo man zusammenkommen muss, um das Evangelium zu hören, und wo man die Sakramente suchen muss. Und diese Überlieferungen verletzen den Glauben nicht, weil gleichzeitig gelehrt werden muss, dass sie weder Gottesdienste sind noch gerecht machen, sondern nur Gemeinschaftsregeln sind, die nützlich sind wegen dieser unserer leiblichen Lebensführung.
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22. Confessio jeverensis
Aliae sunt traditiones quae praecipiunt aliquid contra mandata dei vt traditio de Caelibatu de abusu mißarum de inuocatione sanctorum, aut quamuis continent res indifferentes, tamen proponuntur cum Impijs opinionibus videlicet quod sint cultus qui mereantur remißionem peccatorum, quod sint Christiana iusticia et perfectio, quod sint neceßariae obseruationes quae non poßunt omitti sine Peccato. hae opiniones sunt impiae et obscurant doctrinam de fide et alios pariunt errores et perniciosas superstitiones. Itaque reijcimus traditiones illas quae aperte praecipiunt ea quae sine peccato praestari non poßunt, quales sunt multae traditiones pontificiae, vt abusus Coenae domini, Inuocatio mortuorum, lex de caelibatu, hic in mandatis dei respiciendum et ad ea recurrendum est. Non habebis inquit deos alienos, Ergo non inuoca mortuos. Et de Coena inquit, Commedite et bibite. ergo non pro viuis ac mortuis sacrificate, 1 Corin. 7. melius est nubere quam uri, ergo si ureris nube. [475] Praeterea, quando traditionibus aut Caeremonijs sua natura adiaphoris impiae opiniones aßumuntur, aut cum impijs opinionibus proponuntur, tum tales traditiones et caeremoniae violandae et abrogandae sunt, et abrogatae resumendae non sunt, nisi repurgatis earum abusibus, erroribus, ac prauis opinionibus, quae iuxta irruperunt, aut illis adhaerent. Omnes enim caeremoniae et traditiones humanae in ecclesia seruire debent gloriae dei et fidelium aedificationi. quando vero his aliquid auferunt tum non sunt amplius piae caerimoniae et traditiones sed impiae seductiones Quare Euangelica libertas hic praedicanda est huiusmodi traditionibus opponenda est, Gala. 5 inquit Paulus, In libertate qua Christus uos liberauit state. nec rursus iugo seruitutis implicemini, Collo. 2. Nemo uos iudicet in cibu et potu, etc id est nemo obliget ac damnet conscientiam propter hos ritus et rursus Cum mortui estis cum Christo ab elementis mundi, id est a praeceptis seu ordinationibus quibus haec vita regitur. Cur adhuc tanquam viuentes in hoc mundo decreta facitis, non contrectes,
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Die anderen Überlieferungen sind die, welche etwas vorschreiben im Widerspruch gegen die Gebote Gottes, wie die Überlieferung vom Zölibat, vom Missbrauch der Messe, von der Anrufung der Heiligen, oder solche, die trotz neutralen Inhalts mit verkehrten Meinungen vorgeschrieben werden, nämlich dass sie Gottesdienste seien, die Sündenvergebung verdienten, dass in ihnen christliche Gerechtigkeit und Vollkommenheit liege, dass sie notwendige Verrichtungen seien, die ohne Sünde nicht unterlassen werden dürfen. Diese Meinungen sind gottlos und verdunkeln die Lehre vom Glauben und erzeugen andere Irrtümer und gefährlichen Aberglauben. Daher569 verwerfen wir jene Überlieferungen, welche offen vorschreiben, was ohne Sünde nicht ausgeführt werden kann. Solcher Art sind viele päpstliche Überlieferungen wie der Missbrauch des Herrenmahls, die Anrufung Toter, das Zölibatsgesetz. Hier ist es nötig, auf die Gebote Gottes zurückzublicken und zu ihnen zurückzukehren. [Ex 20, 3] „Du sollst keine anderen Götter haben!“: Also rufe die Toten nicht an! Und vom Abendmahl sagt er [Mt 26, 26 f.]: „Esset“ und „trinket!“: Also opfert nicht für Lebende und Tote! 1Kor 7, 9: „Es ist besser zu heiraten als sich in Begierde zu verzehren.“ Also, wenn du brennst, dann heirate! Außerdem, wenn durch Überlieferungen oder Zeremonien, die ihrer Natur nach neutral sind, gottlose Meinungen angenommen oder wenn sie mit gottlosen Meinungen vorgeschrieben werden, dann müssen solche Überlieferungen und Zeremonien zerstört und abgeschafft werden. Und die Abgeschafften dürfen nicht wieder eingeführt werden, wenn sie nicht von ihren Missbräuchen, Irrtümern und verkehrten Meinungen gereinigt sind, die bei ihnen eingedrungen sind oder ihnen anhängen. Denn alle Zeremonien und menschlichen Überlieferungen müssen in der Kirche der Ehre Gottes und der Erbauung der Gläubigen dienen. Wenn sie davon etwas wegnehmen, dann sind sie nicht mehr fromme Zeremonien und Überlieferungen, sondern gottlose Verführungen. Deshalb ist hier die evangelische Freiheit zu predigen und derartigen Überlieferungen entgegenzusetzen. Paulus sagt Gal 5, 1: „In der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, stehet fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ Kol 2, 16: „Niemand urteile über euch wegen Speise und Trank usw.“ d. h. niemand verpflichte oder verdamme euer Gewissen wegen dieser Bräuche. Und wiederum [Kol 2, 20 f.]: „Wenn ihr nun mit Christus gestorben seid den Mächten der Welt“, d. h. den Geboten und Anordnungen, durch die dieses Leben geordnet wird, „warum macht ihr euch dann Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt: 569
510 f.
Die folgenden zwei Absätze in Anlehnung an Melanchthon, Loci 1535, CR 21,
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22. Confessio jeverensis
non gustes. Et Christus Matthe. xv. frustra colunt me mandatis hominum. Rom 14. Quidquid non est ex fide peccatum est. 4. Regum 16. Ezechias Rex confregit serpentem aeneum propter abusum De caeremonia missae, siue dominicae Coenae celebratione Mißam, hoc est dominicae coenae Caelebrationem in communione et communicatione fidelium religiose` seruamus, quam etiam sacris cantionibus, lectionibus et contionibus, quatenus maxime` ad Christi gloriam et plebis aedificationem proficere poßit, ornamus ac illustramus. Praeterea volumus uti Sacerdotes siue pastores, in sacramento dominicae coenae administrando casulam (uti uocant) induant. De vero ac legitimo vsu Coenae populum diligenter docemus ac monemus ut frequenter [498] et feruenter ad hanc domini sui mensam conueniant. Ita tamen ut iuxta praeceptum Apostoli se ipsos prius probent, et sic de pane illo edant et de calice bibant. Quapropter nullos admittimus antea non exploratos. In quem usum etiam ipsam priuatam Confeßionem retinemus, quatenus consilium, doctrinam, consolationem et absolutionem petere et accipere possent, ij qui communicare cupiunt. Et quia Apostolus 1 Corin. 14. praecepit in sacro conuentu vti, lingua intellecta populo, atque ita etiam constitutum sit humano iure. Retinemus quidem latinam linguam in mißa propter eos qui latine` discunt et intelligunt [476] Sed admiscemus quoque germanicas cantiones, orationes, et lectiones, quatenus habeat et populus quod discat, et quo fidem et inuocationem excitet. Quod autem Pontificij in totum tollere nituntur e sacramentis et sacris fidelium linguam germanicam. et lingua populo non intellecta eadem celebrare uolunt, et celebrari in hoc palam ostendunt se nec gloriam Christi nec salutem populi quaerere. Imo cum iniuria et iactura vtriusque et regno diaboli consulunt et abominationes suas et idololatricos cultus tegunt. Neque vero alibi scriptum est. prodeße hominibus opus audiendi lectiones non intellectas, prodeße caerimonias non intellectas, prodeße caeremonias non quia doceant vel admoneant, sed ex operato, quia videlicet sic fiant vel quia spectentur.
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Bei der Messe getragenes priesterliches Obergewand, vgl. Braun, Die liturgische Gewandung 184–197. 571 Nach Interim 26/135.137 darf bei der Messe weder an den alten Zeremonien noch am Wortlaut des (lateinischen) Messkanons etwas verändert werden. Dem Volk sollen als Ersatz für die ihm unverständliche Liturgie meditationes (Betrachtungen) an die Hand gegeben werden.
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(H 32.33)
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Du sollst das nicht anfassen, du sollst das nicht kosten!“ Und Christus Mt 15, 9: „Vergeblich dienen sie mir mit Menschengeboten.“ Röm 14, 23: „Was nicht aus dem Glauben kommt, das ist Sünde.“ 2. Kön 18, 4: König Hiskia „zerschlug die ehrne Schlange“ wegen des Missbrauchs. (33) Zeremonien bei der Messe (Interim 22/103–123)
Von der Zeremonie der Messe oder der Feier des Herrenmahls. – Die Messe, d. h. die Feier des Herrenmahls begehen wir andächtig mit der Gemeinschaft und der Teilhabe der Gläubigen, welche wir auch mit heiligen Gesängen, Lesungen und Predigten schmücken und verherrlichen, soweit sie immer zur Ehre Christi und zur Erbauung des Volkes beitragen. Außerdem wollen wir, dass die Priester oder Pastoren bei der Verwaltung des Sakramentes des Herrenmahls, die Kasel570 (wie man sie nennt) tragen. Vom wahren und richtigen Gebrauch des Abendmahls belehren wir das Volk sorgfältig und ermahnen es, dass sie sich häufig und gern an diesem Tisch ihres Herrn versammeln, und zwar so, dass sie nach dem Gebot des Apostels sich zuvor prüfen und so dann von jenem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Deswegen lassen wir niemand zu, die nicht vorher befragt worden sind. Zu diesem Zweck halten wir auch an der Privatbeichte selbst fest, damit dort diejenigen, die teilzunehmen begehren, Rat, Belehrung, Trost und Lossprechung erbitten und annehmen können. Und weil der Apostel 1Kor 14, 19 vorschreibt, in der gottesdienstlichen Versammlung die Sprache zu gebrauchen, die das Volk versteht, so sei dies auch [bei uns] festgesetzt nach menschlichem Recht. Wir behalten zwar die lateinische Sprache in der Messe um derer willen bei, die Latein lernen und verstehen. Aber wir mischen auch deutsche Gesänge, Gebete und Lesungen darunter, damit insoweit auch das Volk etwas habe, was es lernen und wodurch es den Glauben und die Anrufung anregen kann. Dass aber die Papisten sich bemühen, die deutsche Sprache571 der Gläubigen ganz aus den Sakramenten und den Gottesdiensten zu entfernen und dass sie diese in einer dem Volk unbekannten Sprache feiern und gefeiert haben wollen, damit zeigen sie öffentlich, dass sie weder nach der Ehre Christi noch nach dem Heil des Volkes etwas fragen, vielmehr mit Unrecht und unter Vernachlässigung von beidem sowohl dem Reich des Teufels dienen als auch ihre Greuel und ihre götzendienerische Kulte verbergen wollen. Es ist aber nirgendwo geschrieben, dass dem Menschen das Werk etwas nütze, unverstandene Lesungen anzuhören, oder dass es nütze, an unverstandenen Zeremonien teilzunehmen, oder dass Zeremonien etwas nützen, nicht weil sie lehren oder ermahnen, sondern wegen des bloßen Vollzugs572, weil sie nämlich so geschehen oder weil sie angeschaut werden sollen. 572
Zu ex operato vgl. BSLK 68 Anm. 3.
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22. Confessio jeverensis
Abijcimus opinionem de opere operato mißae Item applicationem pro viuis et mortuis scimus enim mißam non eße sacrificium seu tale opus quod factum a sacerdote et applicatum pro alijs, mereatur remißionem facienti et alijs, quibus applicatur viuis et mortuis. Nam haec pugnant manifeste cum tota doctrina Euangelij de Christo et eius saerificio, cum doctrina de veris cultibus et de fide. Item aduersatur verbo et institutioni Christi. Et quia in canone apertis verbis fit oblatio, et applicetio pro alijs ta`m viuis qua`m mortuis, et additur Idololatrica inuocatio sanctorum (vt reliquos errores praetereamus) non potest talis canon salva Christi gloria et salute nostra, in usu coenae retineri.
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Caeremoniarum conformitas quatenus habenda in Ecclesijs De conformitate Caeremoniarum in sacris mysterijs dicimus quia non est omnium Ecclesiarum idem status, eadem conditio. Neque enim conueniunt in his rebus eadem quibuslibet. Quare ratio locorum et personarum habenda est. Et sentimus prodeße aliquam in caeremonijs humanitus institutis seruare veritatem, ne superstitione credantur neceßariae. sicut iampridem factum vidimus. Et quia dißimilitudo caeremoniarum vnitatem fidei non tollit aut rumpit, iudicamus multo melius eße earundem dißimilitudinem tolerare, quam quod coacta earundem conformitate conscientiae grauentur, vel ad abusus confirmandos, vel ad turbas excitandas. [499] Augustinus ad Casulanum Sit ergo vna fides vniuersae quae vbique dilatatur Ecclesiae tanquam intus in membris. Etiamsi ipsa fidei vnitas quibusdam diuersis obseruationibus celebratur, quibus nullo modo, quod in fide verum est, [477] impeditur. Omnis enim pulchritudo filiae Regis intrinsecus, illae autem observationes quae varie` celebrantur in eius veste intelliguntur, Vnde ibi dicitur in fimbrijs aureis circumamicta varietate. Sed ea quoque vestis ita diuersis celebrationibus variatur, ut non aduersis contentionibus dißipetur.
22 dilatatur Kj dilatur A B 573
Interim 24/129–135 De memoria defunctorum in Christo. Interim 22/103–123 De sacrificio missae. 575 Vgl. oben 05. Ludolphus (10 a). 576 Interim 23/123 (Überschrift): De memoria sanctorum in altaris sacrificio fieri consueta et de eorum intercessione inibi expetita et obiter de sanctorum invocatione. 574
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(H 33.34)
22. Confessio jeverensis
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Wir verwerfen die Meinung, dass es bei der Messe auf das vollzogene Werk ankomme, ebenso573 dass man sie Lebenden und Toten zuwenden könne. Wir wissen nämlich, dass die Messe kein Opfer ist574 oder ein solches Werk, das, wenn es vom Priester ausgeführt und anderen zugewandt wird, Sündenvergebung verdiene für den Zelebrierenden und für andere, denen es zugewandt wird, nämlich Lebende und Tote. Denn dies stößt sich offenkundig mit der ganzen Lehre des Evangeliums von Christus und von seinem Opfer, mit der Lehre vom wahren Gottesdienst und vom Glauben. Außerdem widerspricht es dem Wort und der Einsetzung Christi. Und weil im Messkanon mit klaren Worten ein Opfer und eine Zuwendung für andere, nämlich Lebende und Tote575, und eine götzendienerische Anrufung der Heiligen stattfindet576 (um die weiteren Irrtümer zu übergehen), deswegen kann an einem so beschaffenen Messkanon, wenn die Ehre Christi und unser Heil nicht Schaden erleiden sollen, beim Vollzug des Abendmahls nicht festgehalten werden. (34) Gottesdienstliche Gleichförmigkeit
Wieweit in den Kirchen eine Gleichförmigkeit der Zeremonien einzuhalten ist. – Über die Gleichförmigkeit in den Gottesdiensten sagen wir: Nicht alle Kirchen haben den gleichen Rang und die gleiche Voraussetzung, und es kommt deswegen in diesen Dingen nicht jedem das Gleiche zu. Deswegen ist Rücksicht auf Orte und Personen zu nehmen. Und wir urteilen, dass es bei Zeremonien, die von Menschen eingerichtet sind, nützlich ist, die Wahrheit festzuhalten, dass sie nicht abergläubisch für notwendig gehalten werden, wie wir sehen, dass es früher so gehalten wurde. Und weil die Verschiedenheit der Zeremonien die Einheit des Glaubens nicht aufhebt oder zerbricht, urteilen wir, dass es viel besser sei, deren Verschiedenheit zu ertragen, als dass, gezwungen durch deren Gleichförmigkeit, die Gewissen damit beschwert werden, sei es an Missständen festzuhalten, sei es Unruhe zu erregen. Augustinus577 an Casulanus: »Es soll daher ein einziger Glaube sein der überall verbreiteten allgemeinen Kirche, gleichsam innerlich in ihren Gliedern. Obwohl es die Einheit selbst des Glaubens ist, wird dieser doch in gewissen verschiedenartigen Bräuchen begangen, durch welche in keiner Weise das, was im Glauben wahr ist, behindert wird. Darum ist die ganze Schönheit der Königstochter innerlich, die Gebräuche aber, die auf verschiedene Weise begangen werden, sind als ihre Kleidung zu verstehen. Deshalb wird dort gesagt [Ps 45, 14]: „Mit goldenem Besatz, umhüllt mit Mannigfaltigkeit“. Aber auch dieses Gewand ist durch unterschiedliche Liturgien [nur insoweit] wandelbar, dass es nicht durch feindlichen Eifer zerstört wird.« 577
Augustinus Epistulae 2, 36 Ad Casulanum 9, 22, PL 33, 146.
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22. Confessio jeverensis
Hactenus complexi sumus praecipuos articulos fidei nostrae et breviter ipsam summam religionis Christiane. Si quis vero plura desiderat, vel latiorem declarationem eorum quae damus, postulat, Addimus nos recipere doctrinam quae recensetur in Confeßione Augustae exhibita, Et eiusdem Confeßionis apologia ad quam nos referimus. Nam hanc doctrinam iudicamus vere eße doctrinam Euangelij. Et sententiam Catholicae et Apostolicae Ecclesiae Christi Ideo precamur Deum ut nos et mentes omnium piorum ita gubernet ne hanc lucem amittamus aut contumelia afficiamus.
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(H 35)
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(35) Schlusswort
Soweit haben wir nun die wichtigsten Artikel unseres Glaubens und in Kürze die Summe der christlichen Frömmigkeit zusammengefasst. Wenn jemand Ausführlicheres fordert oder eine breitere Erklärung dessen wünscht, was wir vorlegen, so fügen wir hinzu, dass wir die Lehre annehmen, welche verzeichnet ist im veröffentlichten Augsburgischen578 Bekenntnis und der Apologie eben dieses Bekenntnisses, auf welche wir uns beziehen. Denn diese Lehre ist nach unserem Urteil wahrhaft die Lehre des Evangeliums und die Überzeugung der katholischen und apostolischen Kirche Christi. Deshalb bitten wir Gott, dass er uns und die Gesinnung aller Frommen so lenke, dass wir dieses Licht nicht verlieren oder mit Schande bedecken.
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Oben (2).
Abbildungen
Abbildungsnachweis Abbildung 1: Fräulein Maria von Jever (1500–1575): Kupferstich von P. Philip in: Johan Just Winkelman, Oldenburgische Friedens- und der benachbarten Örter Kriegshandlungen, Oldenburg 1671 nach Seite 6. Abbildung 2: Faksimile aus dem Sammelband (Jever) Seite III (verkleinert). Abbildung 3: Karte Die Herrschaft Jever um 1548: nach gemeinsamer Entwicklung Reinzeichnung von Prof. Dr. Dietrich Hagen (Oldenburg). Abbildung 4: Faksimile aus dem Sammelband (Jever) Seite 289 (verkleinert). Abbildung 5: Faksimile aus dem Sammelband (Jever) Seite 355 (vergrößert). Abbildung 6: Foto Schlossmuseum Jever. Abbildung 7: Foto Ingeborg Nöldeke (Schortens). Abbildung 8: 800 Jahre Kirche Schortens 1153–1953, Seite 39. Abbildung 9: Faksimile aus dem Sammelband (Jever) Seite 211 (vergrößert). Abbildung 10: Faksimile aus dem Sammelband (Jever) Seite 343 (vergrößert). Abbildung 11: Faksimile aus dem Sammelband (Jever) Seite 216 (vergrößert). Abbildung 12: Faksimile aus dem Sammelband (Jever) Seite 455 (vergrößert). Abbildung 13: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur: Bibel-S. 2° 107. Abbildung 14: Landesbibliothek Oldenburg, Signatur: Theol V B b 44 b.
Abbildung 1
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Abbildung 2
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Abbildung 3 Wangerooge Jever
Bremerhaven
W-haven Emden
Oldenburg
Karte: D. Hagen
Bremen
Minsen
Harlebucht
Wiarden
Di
Hohenkirchen
Wüppels
Tettens
Ja
WANGERLAND
de
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Schortens
Heppens
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0
5 km
Gödens
Die Herrschaft Jever um 1548 Geest Herrschaft Jever
Marsch; küstenfern auch Moor und Moormarsch Küste nach 1520 heutige Uferlinie
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Abbildung 4
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Abbildung 12
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Abbildung 14
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Register Bei den folgenden Registern wurde insbesondere bei den Orten und bei den in den Bekenntnissen behandelten theologischen Themen versucht, eine sinnvolle Auswahl zu treffen.
1. Namen Abel Sybrandi (Wiarden) 15, 61–67, 94, 95, 126, 169, 174, 184, 326–377 Agricola, Johann 46 Alger von Lüttich 548 Altdorfer, Erhard 121, 122, 131, 133, 597 Alvericus (Tettens) 44, 45 Ambrosiaster 158, 383, 538 Ambrosius von Mailand 9, 390, 392, 464, 530, 534, 562 Anna von Jever 10, Anna von Oldenburg 97, 98 Antonius Morenanus Keldermann (Wüppels) 1, 11, 15, 18, 36, 53, 62, 74, 91, 111–120 Aquila, Caspar 46, 48, 50, 104, 125, 223, 224, 226, 229, 230, 251, 493 Augustinus von Hippo 9, 31, 92, 127, 129, 156, 158, 162, 165, 181, 184, 240, 265, 382, 385, 387, 391, 392, 470, 498, 517, 526, 528, 530, 532–541, 544–547, 558, 562, 572, 579 Batenburg, Jan van 76, 77, 441 Bernardus von Clairvaux 9, 92, 480, 526, 533, 534, 540, 541, 554 Blome, Antonius (Wiarden) 18, 62 Boing von Oldersum (Jever) 8, 10, 73, 74 Bonnus, Hermann 95
Brunsfeld, Bernardus (Mennonit) 428 Bugenhagen, Johannes (niederdeutsche Bibel) 41, 45, 59, 75, 79, 83, 105, 107, 121, 124, 131, 597 Christoph von Oldenburg 11, 15, 114 Cornelius Falconissa (Westrum) 25, 73–79, 114, 130, 408–449, 589 Cyprianus von Karthago 92, 223, 427, 550, 559, 562, 568 Cyrillus von Alexandrien 154 Drentwede, Jacobus (Schortens) 36, 96–103, 127, 486–493, 590–593 Drentwett, Balduin 97, 590 Edo Rudolphi (Oldorf) 102, 103 Edo Wiemken d. J. von Jever 7 Edzardus Ludolphi (Middoge) 47, 48 Edzert (Tettens) 48 Enno II. von Ostfriesland 7 Erasmus von Rotterdam 30, 70, 103, 128, 395 Eusebius von Caesarea 495 Fabricius, Martinus (Cleverns) 91–94, 112, 130, 476–485 Franckenberg, Jacobus (Jever) 7, 13, 14, 18, 32–41, 82, 126, 166–213, 452, 588 Franz von Waldeck 95
608
Register
Frerick Hilderßen (Waddewarden) 82–86, 89, 129, 454–459 Fulf von Middoge 409 Gherardus Jeger (Tettens) 8, 36, 44–48, 125, 222–229 Gregor d. Gr. 390, 434, 562 Hamelmann, Hermann 12, 13, 15, 16, 27, 33, 34, 36, 52, 53, 62, 94, 95, 98–102, 115, 146 Hamminck, Michael (Wiefels) 25, 27, 41–44, 126, 212–223 Hermannus Heronis (Hohenkirchen) 16–18, 25, 27, 48, 49, 51–59, 61, 62, 73, 74, 98, 102, 114, 116, 124, 125, 135, 136, 146, 236, 238–240, 242–246, 248–305, 376, 449, 586 Hero Mencken (Accum) 51 Hesychius von Jerusalem 543 Hesiod 29 Hieronymus 128, 399, 530, 562 Hilarius von Poitiers 548 Hildericus, Christoph (Waddewarden) 83 Hildericus, Edo 82 Hoffmann, Melchior 146 Hollen, Gottschalk 207 Ignatius von Antiochien 550 Iko Mensen (Hohenstief) 25, 59–61, 126, 304–325 Irenäus von Lyon 129, 150, 156, 390, 548 Jacobus Theodorici (Oldorf) 67–72, 126, 376–409 Johann Bokelson von Leiden 75, 76, 77, 437–441 Johann Friedrich von Sachsen 5 Johannes Chrysostomus 92, 158, 479, 558 Jonas, Justus 41, 44 Joris, David 76, 77, 436 Karl V., Kaiser 4, 5, 7, 10, 20, 21, 53, 99, 100, 114, 417, 421, 423, 427, 499
Kempis, Petrus (Pakens) 13, 14, 32, 79–82, 127, 129, 448–453 Kremer, Hinrich (Jever) 28, 32, 36, 43, 45, 81, 107, 127–129, 132 Lambertus Stephanus (Hohenkirchen) 25, 36, 52 Ludolphus (Middoge) 25, 27, 47–50, 112, 125, 230–251 Lukas Cranach d. Ä. 121, 131 Luther, Martin 41–43, 52, 62, 65, 66, 75, 77–79, 81, 82, 92, 98, 101, 102, 121, 124, 126, 127, 129, 150, 154, 183, 190, 214, 359, 374, 388, 392, 434, 436, 486, 488, 489, 491, 493 Malvenda, Pedro de 498 Maria von Jever 7, 8, 10, 12, 13, 18–20, 25, 30, 33, 38, 39, 52, 53, 56, 62, 74, 75, 78, 91, 94, 99, 100, 104, 106, 114, 167, 305, 409, 421, 449, 471, 477, 483, 493, 505, 584, 593 Maria von Ungarn 10, 20 Martin van Norden 10, 11, 20 Melanchthon, Philipp 21, 36, 39, 42, 44, 52, 57–59, 61, 62, 65, 66, 71, 72, 80, 81, 83, 87, 96, 98, 104, 110, 120, 124–128, 169, 171, 173, 180–185, 187, 190, 195, 199, 200, 202, 203, 205–207, 209, 218, 220, 252, 255, 257–259, 261, 263, 270–272, 274, 277–279, 283, 286, 294, 295, 305, 308, 309, 316, 328, 347, 377, 385, 386, 388, 392, 451–453, 484, 485, 493, 556, 561, 565, 567, 571, 575 Memmo (Waddewarden) 27, 83–86, 89, 129, 458, 459 Menno Simons 73, 76–78, 123, 149, 183, 189, 384, 428, 436 Meynerdus Focken (Heppens) 25, 41, 107–110, 130, 506–523, 595 Michaelis, Martin (Jever) 13, 25, 41, 52, 111, 167, 504 Minnerdt (Sande) 105–106, 127, 504–507 Moritz von Sachsen 20
2. Orte
Oecolampadius, Johannes 75, 77, 183, 436 Omme von Middoge 45 Origenes 220, 270, 390, 394, 541
609
Schiphover, Johannes (Oldenburg) 26 Scroder, Johannes (Sandel) 94–96, 127, 484–487 Terenz 59, 323 Theophilus Carbo (Wiarden) 62 Thomas von Canterbury 45 Tymmermann, Henricus Bernardus (Sillenstede) 86–90, 129, 460–471
Paschasius Radbertus 548, 550 Pelagius 498 Petrus Lombardus 113, 559 Philipp II. von Spanien 20, 21 Philipp von Hessen 5 Popken, Sidonius (Jever) 34 Remmer von Seediek (Jever) 8, 11–13, 18, 20, 21, 34, 39, 41, 53, 68, 86, 111, 116, 127, 244, 409, 459, 504 Renzelmann, Walter (Oldenburg) 97 Riesenbeck, Georg (Jever) 33, 34 Rodolphus Frisius (Schortens) 68, 102–105, 118, 124, 126, 384, 492–503, 594 Rodtbart, Petrus (Jever) 21, 34, 36, 53, 116 Rudolphus Etzardi (Middoge) 47, 48
Ubbo (Sillenstede) 27, 89–91, 129, 470–477 Ulrichs, Hajo (Neuende) 36 Ummius Ulricus (Oldenburg) 98 Wandscher, Gerhardus (Jever) 28–32, 33–35, 41, 43, 82, 128, 130, 144–165, 384 Winkel, Johannes (Jever) 29, 34 Zwingli, Ulrich 32, 79, 90, 183
2. Orte Accum 22, 27, 34, 51 Altdorf 83 Augsburg 5, 97 Bevergern 33 Bremen 109 Brüssel 13 Burgund 10, 19–21, 114 Cleve 114 Cleverns 24, 91, 129,476 Delmenhorst 96 Drentwede 96 Drakenburg 11 Esens 44, 83 Fedderwarden 22
Groningen 10, 11, 13 Hadeln 21, 34, 53, 116 Harle, Harlebucht 22 Hasbergen 96 Heppens 22, 23, 24, 25, 41, 107, 129, 506 Hohenkirchen 16–18, 24, 25, 36, 51, 59, 124, 250 Hohenstief (Honsdeep) 24, 25, 59, 126, 304 Hooksiel 22 Inn- und Kniphausen 22, 27, 34, 51 Jade 22 Jever (Herrschaft) 1, 7, 31, 43, 123, 522, 587, 595 Jever (Kirchspiel, Stadt) 24, 25, 28, 32, 33, 36, 81, 82, 107, 114, 115, 126, 127, 135, 144, 166, 377
610
Register
Jeverland s. Jever (Herrschaft) Löwen 15, 113 Mansfeld 12 Mechel(e)n 15, 113, 115 Middoge 24, 25, 27, 45, 47, 125, 230 Minsen 22, 24, 25, 376 Mühlberg 5 Münster 75 Neuende 22–25, 36 Niederlande 76, 94
Schortens 24, 25, 36, 68, 94, 96, 97, 102, 103, 126, 127,486, 492, 591 Schwarzes Brack 22 Sengwarden 22 Sillenstede 24, 25, 27, 86, 89, 103, 129, 460–477 Spanien 20, 21 Tettens 8, 24, 25, 36, 44, 47, 48, 125, 222 Trient 6 Waddewarden 24, 25, 27, 82, 85, 90, 103, 129 454–459 Wangerland 16, 20 Wangerooge 22, 24 Wardenburg 97, 98 Wesel 15, 114 Westrum 24, 25, 73, 129, 408 Wiarden 18, 24, 38, 61, 95, 126, 326, 377 Wiefels 24, 25, 27, 28, 41, 126, 212 Wittenberg 5, 21, 51, 52, 62, 65, 75, 82, 94, 103, 109, 119, 124, 503 Wilhelmshaven 23 Wüppels 11, 15, 18, 24, 36, 74, 111, 114, 448
Oldenburg 26, 97, 111, 133 Oldorf 24, 67, 102, 126, 376, 388 Osnabrück 95 Ostfriesland 7, 10, 22, 44, 123 Östringen 16, 20, 94 Pakens 13, 22, 24, 79, 127, 448 Passau 20 Reepsholt 73 Rostock 8, 82, 83, 107 Rüstringen 16, 20, 22, 105 Sande 22, 24, 105, 127 Sandel 22, 24, 62, 94, 127
3. Themen Abendmahl (Altarsakrament, Eucharistie, Herrenmahl, Messe) 149, 191, 205, 219, 229, 239, 245, 271, 287, 299, 301, 307, 319, 349, 351, 353, 401, 431, 441, 457, 469, 477, 493, 505, 519, 547, 577 Absolution 193, 229, 243, 277, 355, 555 Amt (Ordination) 317, 321, 349, 421, 517, 561, 565 Antichrist 495 Begräbnis 299 Beichte 201, 203, 319, 485, 521, 555 Bischöfe 173
Buße 199, 243, 277, 319, 355, 401, 521, 551, Ehe (Zölibat) 209, 283, 301, 321, 355, 521, 567 Erlösung 169, 235, 255, 309, 425, 459, 489 Evangelium 337, 399, 541, 543 ewiges Leben 153, 381, 467 Fasten 301 Fegefeuer 363 Firmung 243, 279, 281, 317, 349
3. Themen
Genugtuung 201 Gesetz 335, 371, 379, 539, 543 Gewänder 299, 577 Glaube 201, 215, 227, 255, 305, 311, 341, 359, 379, 511, 531, 551 Glaubensbekenntnis 145, 213, 305, 377, 451, 455, 461, 487, 503, 505, 525 Gottesdienst 411, 453, 579 Häresien 145 Heilige 247, 293, 323, 361, 539, 573 heilige Schrift 345, 347 513 Kennzeichen der Kirche 173, 237, 315, 343, 383, 491 Kindertaufe 221, 229, 239, 267, 307, 357, 391, 425, 457, 467, 507, 519, 545 Kirche 155, 169, 261, 315, 343, 383, 467, 491, 513, 527 Kirchengewalt 317, 345, 513, 561 Letzte Ölung 243, 279, 281, 321, 349 Liebe 237, 273, 339, 379, 459 Messopfer 233, 245, 289, 323, 351, Opfer 217, 289, 353, 379, 557, 579 Papst 175, 177, 263, 317, 435 Prädestination 163 Predigt 161, 399, 453 Priester 217, 243, 283, 285, 301 Rechtfertigung 227, 235, 255, 305, 311, 313, 337, 425, 497, 511, 529 Reue 199, 205, 551
611
Sabbatgebot 369 Sakramente 157, 181, 183, 185, 263, 279, 317, 347, 385, 467, 515, 543, 557 Schöpfung 169, 253, 309, 377, 461, 471, 507 Sünde 169, 253, 329, 377, 461, 473, 485, 509, 529 Taufe 187, 219, 229, 239, 265, 299, 307, 317, 349, 387, 401, 457, 467, 491, 505, 511, 517, 545 Täufer 147, 149, 181, 189, 267, 391, 429, 437, 507 Totengedächtnis 297, 323 Transsubstantiation 241, 275, 519 Vergebung 191, 203, 207, 239, 269, 271, 315, 325, 367, 381, 389, 403, 467, 469, 519, 541 Weltliche Obrigkeit 567, 571 Werke, gute 237, 307, 313, 339, 381, 535 Werke, überpflichtige 361 Werkgerechtigkeit 223, 257, 333, 489 Wille, freier 313, 507, 537 Wort 153, 161, 307, 341 Würdigkeit 275 Zeremonien 233, 299, 303, 325, 373, 499, 573