Die islamische Gnosis : die extreme Schia und die 'Alawiten. 9783760845302, 3760845304


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Die islamische Gnosis : die extreme Schia und die 'Alawiten.
 9783760845302, 3760845304

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DIE B IB L IO T H E K D ES M O R G E N L A N D E S

G E G R U N D E T V O N G. E. V O N G R U N E B A U M H E R A U S G E G E B E N V O N J . VA N ESS U N D H . HALM

MCMLXXXII

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DIE ISLAM ISCH E G N O SIS DIE E X T R E M E SC H IA U N D DIE £A LAW ITEN

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U m sch riftta b e lle ........................................................................

5

Bem erkungen zur U m schrift des Persischen und zur A u ssprache des T u r k is c h e n ........................................................

6

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Einleitung..................................................................................... Die Quellett................................................................................... *Abdallah ibn Saba* ..................................................................... Die Kaisaniten oder Vierer-Schiiten........................................... Die Hdretiker um den Imam Muhammad al-Baqir................... Die (Sabir-Apokalypse Umm al-kitab («Die Urschrift») . . . . Die Hattabiten............................................,............................... Die «Verjunffacher» und die «Ermdchtiger».............................. Muhammad ibn Bastr................................................................... Das «Buch der Schattem (Kitdb al-A zilla) .............................. Die Hdretiker des j.jg.Jahrhunderts........................................... Die Nusairier oder *Alawiten .....................................................

7 27 33 43 84 113 199 2 18 233 240 275 284

Anmerkungen zur Einleitung..................................................... Anmerkungen Verzeichnis der verwendeten Abkiirzungen.............................. Literatur........................................................................................ Register

357

1. Personen- und S e k te n n a m e n ........................................

394

2. Arabische und persische Term ini

401

................................

359 390 39 1

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Abweichend von dcr vorstehenden Umschrifttabelle werden cinigc Buchstaben in pcrsischcn W ortem und Namen folgendermaftcn transkribiert:

arabisch persisch

t d d

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Aussprachc tsch stimmloses s stimmhaftes s stimmhaftes s wie franzosisch j in journal

Das Tiirkische hat einige besondere Buchstaben: g

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ausgebildete eigene Th eologie entgegenzustellen; im 2./8.Jah rhundert begann m it dem wachsenden Zustrom von N eoph ytcn der gnostische Islam im Irak an Boden zu gewinnen. Erst in dcr A b w e h r der als frem d empfundenen Lehren hat sich die Th eolo­ gie der O rthodoxie, besonders der schiitischen O rthodoxie der Im am iten, herausgebildet; sie hat die Lehren der Gnostiker in den eigenen Reihen als «Obertreibung» (ghuliiw) gebrandmarkt, als Haresie ausgeschieden und schlieBlich zu einem sektiererischen Winkeldasein verdam m t. Gnostische Lehren in islamischem G ew an d treten schon gegen Ende des I ./7.Jahrhunderts und verstarkt im 2./8.Jah rhundert in der alten M etropole al-M ada’ in (Ktesiphon) und bald auch im arabischen K ufa auf. D ie meisten dieser Sekten, Zirkel und Griippchen, die w ir in der R e g e l nur aus den Schriften ihrer G egner, der imamitischen (schiitischen) und sunnitischen H aresiographen kennen, sind bald wieder verschwunden oder in anderen Gruppen aufgegangen. Einige w enige jedoch haben sich — meist in Randgebieten der islamischen W e lt — bis heute behauptet; sie sind neben den M andaem die einzigen Oberreste der Gnosis in unserer G egenw art.

2 . E I N G R E N Z U N G DER I S L A M I SC H E N GNOSI S

D er B e g r iff «islamische Gnosis* w ird von den Islamisten seit B egin n dieses Jahrhunderts verwendet, jedoch mit sehr unterschiedlichem, gelegentlich recht vagem Inhalt. So handeln etwa Ernest Blochets Etudes sur le gnosticisme musulman ( R S O 2—6, 1908—19 15 ) gar nicht von der eigentlichen Gnosis, sondern vo m W eiterleben der H erm etik; Ignaz Goldziher konstatierte Neu-

platonische und gnostische Elemente im Hadit ( Z A 22, 1909), ohne diese jed o ch mit bestimmten auBerislamischen Gnostikergruppen in Zusam m enhang zu bringen; M ig u e lfrAsm Digitized by L i O O g l C

Palacios

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(Abenmasarra y su escuela, 19 14 ) iibertrug den Term inus «Gnosis» gar au f die islamische M ystik. Den gnostischen Hintergrund der Ismailitensekte hat besonders Hans Heinrich Schaeder hervorgehoben, etwa in seinem V o rtrag Nasir-i Chosrau und die islamische Gnosis (Zusammenfassung in Z D M G 78 , 19 24 ); in seinem Aufsatz Die islamische Lehre

vom Vollkommenen Menschen, ihre Herkunft und ihre dichterische Gestaltung ( Z D M G 79, 19 2 5 , 19 2—268) ist das vorislamische Substrat dieser Vorstellungen mit einer Fiille konkreten religionsgeschichtlichen Materials belegt. In den dreiBiger Jahren erhielt der B e g riff der islamischen Gnosis eine ganz neue Dimension durch das Bekanntwerden eines in der Pam ir-H indukusch-Region verbreiteten Textes, des persischen Umm al-kitdb («Urschrift»). W ladim ir Ivanow hatte das zu A n fan g des Jahrhunderts von russischen Forschem und Beam ten entdeckte Buch 19 3 2 in einem vorlaufigen Aufsatz analysiert (Notes sur I’ Ummu’l-kitab des Ismaeliens de VAsie Cen-

trale, in: R E I 6, 4 1 9 - 4 8 1 ) und 19 3 6 ediert (in: D er Islam 23). Es w ar Louis Massignon, der die Bedeutung dieses Textes als erster richtig einschatzte; seine Aufsatze Salman Pale et les premices

spirituelles de VIslam iranien ( 1 9 3 4 ) 6, Die Ursprunge und die Bedeutung des Gnostizismus im Islam (19 3 7 ) 7 und Der gnostische Kult der Fatima im schiitischen Islam ( 1 9 3 8 ) 8 eroffneten eigentlich erst die wissenschaftliche Erforschung der islamischen Gnosis. Besonders im zweiten der genannten Aufsatze setzt Massignon bci dem ein Jahr zuvor gedruckten Umm al-kitdb an, dessen gnostischen Charakter er anhand der Leitm otive hcrausarbeitet: ♦ Sym bolischer W e rt der Buchtfaben des Alphabets, . . . A u fteilung der W eltgcschichte in Zyk len , die neuen Fleischwerdungen entsprechen, in hierarchische Klassen geordnete Menschen, die zur Erlosung berufen sind nach einem Sturze, der die Seelen — gefallene Engel -

in sterbliche K orper eingeschlossen hat.»

Seelcnwanderung, R iickkehr der Erlosten zu den Stem en, Dokctismus, M isogynie, symbolische Schriftdeutung werden als typi:

lzclzuge erkannt. Dariiber hinaus hat

Massignon nachdriicklich die Zusam m enhange des einzigartigen Textes m it den nur aus der haresiographischen Literatur bekannten Sektierem (al-M ughira, A b u l~yat{ab, die M u|)am misa-Sekte) sowie mit den Lehren der Nusairier/* A la witen, Ismailiten und Drusen betont9. A ls Erben dieser gnostischen Tradition, die er vo r allem fur manichaisch beeinfluBt hielt, sah Massignon die groBen islamischen M ystiker w ie den Iraker Hallag oder den Spanier Ibn Sab‘in. N o c h w eiter als bei Massignon ist der B e g riff der islamischen Gnosis bei Henri C orbin ausgedehnt: in seinem 19 5 6 in R o m gehaltenen V o rtrag De la Gnose antique a la Gnose ismaelienne10 erscheint die islamische Gnosis in ihren hochst verschiedenartigen Auspragungen als die lokale Sonderform einer bis heute weithin wirkenden gnostisch-spiritualistischen «Weltreligion», vo n deren Glaubensinhalten sich C o rb in selbst w eit iiber das wissenschaftliche Interesse hinaus personlich betrofFen zeigt. Das hat ihn indes nicht gehindert, die historischen W e g e der A u sform u n g dieser W eltreligion zu verfolgen. W ie der Titel seines Vortrages schon andeutet, fiihrt er die Lehren des Umm al-

kitab und der Isma'ilija (soweit diese damals schon bekannt waren) au f den spatantiken Gnostizismus zuriick. Den N a ch weis fur seine These kann C orbin eingestandenermaBen nicht fiihren; er beschrankt sich a u f die phanomenologische Betrachtvmg einzelner M otivkom plexe (Theos agnostos, Figur des D em iurgen,

Erloster

Erloser,

Emanatismus,

Himmlischer

A d am -A n th ro p os, Lichtsaule, Figur der Sophia, Pentaden, Syzygien ), fiir die Parallelen aus antik-gnostischen und judenchristlichen Systemen (Valentinianismus, Manichaismus, Pistis Sophia, Ebionitismus, Henoch) beigebracht werden. C orbin postuliert direkte Kontakte, vermittelt durch Bucher oder Personen, etw a iiber die irakischen Bardesaniten, auch wenn solche im einzelnen nicht nachzuweisen seien: «dans l’etat actuel de nos connaissances, plus encore que ces contacts fugitifs entre personnes, ce sont les hom ologies de structure qui nous foum issent de nets indices, ialonnant une voie continue de l’ancienne Digitized by C j O

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Gnose a la Gnose ismaelienne*1 1 . A u ch fur C o rb in lebt die islamische Gnosis im Sufismus, in der islamischen M ystik, fort; Suhrawardi oder Ibn ‘ A rab ! erscheinen als ihre unmittelbaren Erben. Massignon und C orbin haben den B egrifF der islamischen Gnosis als erste mit konkretem Inhalt geflillt, ihn aber zugleich so sehr ausgeweitet, daB er Gefahr lief, seine distinktive Kraft vollig einzubiiBen, so daB er sich schlieBlich a u f fast alles und jedes anwenden lieB, was sich nicht in den engen Grenzen der sunnitischen O rthodoxie bewegte. U m dieser Gefahr zu entgehen, mochte ich im folgenden den BegrifF stark eingrenzen und ihn — unter AusschluB hermetischer, kabbalistischer, mystischer und spiritualistischer Stro mungen — denjenigen Lehren, Sekten und Texten vorbehalten, die sich, nach der Distinktion Hans Jonas’ , der «mythologischen» (im Unterschied zur «philosophischen») Gnosis zuordnen lassen, die also durch einen der koranischen O ffenbarung fremden kosmogonisch-soteriologischen M yth os gnostischen T y p s gekennzeichnet sind. Grundziige dieses M ythos sind — wie in der spatantiken Gnosis — die Entfaltung des einen, unbekannten Gottes zu einem vielgestaltigen, oft in Pentaden geordneten Pleroma, die Entstehung des Kosm os aus einem A k t rebellischer Oberheblichkeit (istikbar) oder schuldhaften Vergessens (nasj,

nisjan), oft auch die Erschaffung des Kosm os durch einen subaltemen D em iurgen, die Fremdheit der menschlichen Seelen in der W elt, meist als Folge eines Abstiegs oder Sturzes (habt), die erzwungene W anderung (tandsuh) der unerlosten Seelen durch mehrere korperliche «Hullen* (zarf, haikal), «Formen» (qdlab) oder «Gewander» (qamxs), ihre schliefiliche Erlosung, ihr «Entrinnen» (nagdt) als Folge der «Erkenntnis», der Gnosis gelegentlich auch mcfrifa), und ihre Heim kehr zum Ursprung. Es sind im Grunde nur zw ei groBe islamische Sektentraditionen, deren Lehren um einen gnostischen M ythos dieses T y p s zentriert sind: i. D ie im ftajhen R.Jahrhundert einsetzende. Tradition der Digitized by C , o o g l 2

«extremen» Schiiten des Irak, der «Obertreiber* (ghulat), deren spate Nachfahren die heutigen syrischen Nusairier oder *A law iten sind; von ihnen handelt der vorliegende B and; 2. die Sekte der Qarm aten oder Ismailiten, deren Mission in der M itte des 9.Jahrhunderts — ebenfalls im Irak - zutage tritt und sich rasch iiber die ganze islamische W e lt ausbreitet. Den K reuzfahrem w ird sie um die W en d e zum I2.jahrhundert unter dem N am en «Assassinen» bekannt; heute lebt sie in Syrien, im Libanon und im Jem en , v o r allem aber im nordwestlichen Indien in den Sekten der Hodschas, deren Oberhaupt der A g h a K h an ist, und der Bohras fort. V o n der Isma'ilija hat sich zu A n fa n g des n.Jahrhunderts die Sekte der Drusen abgespalten, deren Anhanger heute in Syrien, im Libanon und in Israel leben. (Dieser zweiten Gruppe w ird ein spaterer B and gew idm et sein.) Beide Gruppen sind in ihren Anfangen voneinander zu trennen; die Isma*illja ist —ahnlich etw a dem Manichaismus oder dem Valendnianismus — eine gestiftete R eligio n von grofier Originalitat. Allerdings ist es im Laufe der Z e it nicht selten zu Beriihrungen und gegenseitiger Beeinflussung, ja zu synkretistischen Verschmelztmgen beider Traditionen gekom m en. Aus ihrem gemeinsamen Ursprungsland, dem Irak, sind die islamisch-gnostischen Sekten von der sunnitischen und der schiitisch-imamitischen O rthodoxie schlieBlich vollig

verdrangt

w o rd en . Heute leben ihre Anhanger daher meist in mehr oder w en ig er geschlossenen Gruppen in gebirgigen R iickzugsgcbieten — w ie die Nusairier/*Alawiten im syrischen 6 ebel Ansarije, die Drusen im Libanon oder im syrischen Hauran, die Ismailiten im Libanon, im jemenitischen Hochland oder in der Pam irH in dukusch -R egion — oder sie sind an die R an der der islamischen W e lt abgewandert w ie die indischen Hodschas und Bohras. In das Bewufitsein des Europaers treten sie nur selten, etw a

w en n ihre Vertreter zu gesellschaftlicher Prominenz

gelangen w ie die A g h a Khane oder ins Schlaglicht politischer Ereignisse geraten w ie der 1 9 7 7 ermordete Drusenfiihrer Kam al G u m b lat odei^der nusajrische (*alawitische) syrische StaatsprasiDig- zed b y \ .- jO ^ - g l L

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dent Hafiz • » al-Asad. In ihrer islamischen U m w e lt sind sie heute meist geduldet und gelten als anerkannte Glieder der m uslimischen Gemeinschaft.

3 . d a s m i l i e u : a l - m a d a *i n , a l - k u f a u n d d e r s a w a d D ie islamische Gnosis ist - zumindest in ihren Anfangen — ein irakisches Phanomen, nnd es gibt eine R eih e vo n Anzeichen daflir, daB sie ihren A usgang von der ehemaligen sasanidischen M etropole des Zweistrom landes, Ktesiphon, genom m en hat.

Al-Mad^in, «die Stadte», nannten die Araber das Konglom erat von Siedlungen a u f beiden U fe m des Tigris, dessen Eroberung im Jahre 16 der H igra (6 37 n. C hr.) sie zu den groBten R u h m estaten ihrer friihen Geschichte rechnen12 . D ie Keim zelle des Siedlungskomplexes, der auch in vorislamischer Z e it bereits aramaisch Medindthd, «die Stadte*, genannt wurde, w a r die hellenistische Griindung Seleukeia a u f dem W estufer des Tigris in jenem Abschnitt seines Laufs, w o er dem Euphrat am nachsten kom m t; um 3 1 2 v. C h r., rund zw anzig Jahre nach dem T o d Alexanders des GroBen, hatte dessen General Seleukos die Stadt als N achfolgerin des verfallenden Babylon - zum Teil mit Baumaterial aus dessen T riim m e m — angelegt. D ie Stadt hatte neben ihren griechischen Siedlem — meist Veteranen aus Seleukos’ Heeren —und den vo n Antiochos I. umgesiedelten Babyloniem einen hohen jiidischen B evo lk erungsanteil, der den Stadtteilen au f dem W estufer auch spater noch unter parthischer und sasanidischer Herrschaft bis in die friihislamische Zeit ihr Geprage gegeben hat. D ie alten Stadtteile au f dem W estufer blieben auch unter der Herrschaft der Parther (seit 14 1 v .C h r .) und der Sasaniden (seit 226 n .C h r.) die eigentliche «Stadt» (aramaisch Mahoza). Ihr sudlicher T eil tragt seit der R egieru n g des ersten Sasaniden Ardasir den pemschen N am en Weh A r d a s t r (d.h. G riin Digitized by C , O O g l C

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dung) Ardasirs* (arab. Bihraslr). Hier hatte das Oberhaupt der jiidischen Exilgem einden, der Exilarch (aram. res galutha, arab.

rets al-gdlut) seinen Sitz, und hier lag auch die Kathedrale des Katholikos, des Oberhauptes der nestorianischen Kirche, die sich um 485 a u f einer Synode in Seleukeia von der orthodoxen Kirche gelost hatte. D er nestorianische Katholikat, dem in islamischer Z e it nicht w eniger als 25 M etropoliten unterstanden, trieb bis ins 9.Jahrhundert eine w eit nach Zentralasien hinein wirkende erfolgreiche Mission und genofi unter den sasanidischen GroBkonigen und den Kalifen hohes Ansehen. D aB am R an d e der jiidischen und nestorianischen Gemeinden auch gnostisch gefarbte Sekten, Gruppen und Zirk el bestanden haben, d arf man verm uten; ohne sie w are das Auftreten der islamischen Gnosis kaum erklarbar. D ie Stadt w a r zudem zeitweise ein Zentrum des M anichaismus; M ani selbst w ar ja hier mehrfach vo n dem G roBkonig Sapur I. (2 4 0 -2 7 2 ? ) in Audienz empfangen w orden. D ie unter der Fuhrvmg des obersten M agiers Karter sich vollziehende Verschm elzung der verschiedenen iranischen Priesterschaften zu einer zoroastrischen sasanidischen «Reichskirche» ist M ani dann allerdings zum Verhangnis gew orden; unter der R egieru n g Bahrams I. ist er 2 7 6 oder 2 7 7 n .C h r. im K erker gestorben; seine Anhanger muBten schwere Verfolgungen erleiden; Karter selbst riihmt sich in seiner Inschrift a u f dem Feuertempel von N aqs-i Rustam , die Zandik (s. o. S. 9) verfolgt und vertrieben zu haben. D ie Palastbezirke der parthischen und sasanidischen K onige lagen — ahnlich w ie bei dem spater gegriindeten Baghdad - der Stadt gegenuber a u f dem Ostufer des Tigris, mit der Altstadt seit der parthischen Zeit durch eine Steinbriicke verbunden. Diese Winterresidenz der GroBkonige trug den N am en Tosjort (arab.

Tusjun oder Taisajun, griech. Ktesiphon). Im Suden dieses Areals lag der noch heute groBtenteils erhaltene sasanidische Palast aus der Z e it Sapurs I., der verm utlich den offiziellen Em pfangen des G roBkonigs diente, der Taq-i Kisrd oder lwan Kisra («der Bogen» b z w . «die Halle^des Khosro», d .h . des Perserkonigs), w ie die Digitized by C i O O g l e

M uslim e ihn nannten. K o n ig Husrau I. Anusarw an ( 5 3 1 - 5 7 9 ) liefi den Palast renovieren und um gab ihn mit einem neuen Stadtteil, der «Neustadt» (aram. Mahdzd hedhatta) Asfanabr, die auch

Weh Antioh-i Husrau, «Haus Antiochia des Husrau*,

genannt wurde, da der GroBkonig sie mit deportierten E in w o h nem des syrischen Antiocheia am Orontes besiedelte, das er im Jahr 540 zerstort hatte. O b w o h l Ktesiphon unter den letzten Sasanidenkonigen, besonders Husrau II. Parwiz (5 9 1—628), nur noch selten als Residenz diente, w ar die M etropole des Zweistrom landes fu r die arabischen Eroberer doch noch im m er ein W under an Pracht und R eichtum . Im Jahre 6 36 hatte der Befehlshaber des arabi­ schen Heeres am Euphrat, Sa*d ibn A b i W aqqas, das sasanidische Reichsheer bei al-Qadisija geschlagen und den O bergang iiber den Euphrat erzw ungen; Ende Januar 6 37 erschien er vo r dem stark befestigten Seleukeia/Bihrasir. N a ch zweim onatiger B e la gerung muBten die persischen Verteidiger die Stadt preisgeben; der G roBkonig Jezdegerd III. zog sich mit seinem Harem nach H• u lw an an der ins iranische Hochland hinauffiihrenden H e e rstraBe zuriick. Sa*ds Truppen nahmen die Stadt in Besitz; die gew olbte Halle des T a q -i Kisra diente den muslimischen K r ie gem als provisorische Moschee. Spater lieB Sa*d dann eine Moschee in der Altstadt (al-madina al-atiqa) au f dem O stufer, also in der Palaststadt Tosfon/K tesiphon13 , einrichten. D ie Beute, die den Muslimen in die Hande fiel, w a r immens; ihre Beschreibung hat die arabischen Chronisten zu begeisterten Exkursen angeregt. D ie arabische Eroberung w ar ein Schlag, von dem sich Ktesiphon/al-M ada'in nie wieder erholte. Seine R o lle als k o n igliche Residenz w ar endgiiltig ausgespielt; die Eroberer lieBen ihm nicht einmal die bescheidene Funktion einer Provinzhauptstadt des siidlichen Zweistrom landes, des Irak. Seine R o lle iibernahmen die beiden von den A rab em gegrundeten M ilitarlager al-K ufa au f dem W estufer des Euphrats und al-Basra nahe dem Persischen G olf. A ls islamische Stadt hat al-M ada’ in zeit r\r\rsAt> Original from D igitized

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seines Bestehens nur eine bescheidene R o lle gespielt; allenfalls konnte es sich zw eier Heiligtiim er aus der islamischen Friihzeit riihmen, der Schreine zweier Gefahrten des Propheten M uham ­ m ad: des Hudaifa ibn al-Jaman und des «Persers» Salman (Salman

al-Farisi), auch Salman Pak, Salman der R eine, genannt; dessen bis heute verehrtem M ausoleum verdankt das jetzige, inmitten der Ruinenfelder au f dem Ostufer gelegene D o r f Salman Pak seinen N am en. Salman, dem man spater eine politische R o lle als arabischer G ou vem eu r der Stadt andichtete, soil 656 oder 6 5 7 in al-M ada’in gestorben sein. E r w urde zum Lokalheiligen der Stadt; w ir werden sehen, w elch bizarre R o lle seine verklarte und erhohte Gestalt in der islamischen Gnosis spielen sollte. D ie N achfolgerin von Ktesiphon/al-M ada’ in, die islamische M etropole des Irak, al-K ufa, hatte einen ganz anderen Charakter als die alte Sasanidenresidenz. K ufa w ar wahrscheinlich schon im Ja h r nach der Eroberung Ktesiphons, 17/6 38 , als Heerlager

(misr) angelegt w orden — eine N eu gn in du n g ohne bedeutende altere Tradition, islamisch und arabisch von A n fan g an, au f dem W estufer des Euphrats, am R a n d der syrisch-arabischen W iiste gelegen und nach Arabien hin orientiert14. D ie A nlage Kufas spiegelte die Zusam m ensetzung des arabischen Eroberungsheeres w id er: jeder C lan der zahlreichen beteiligten nord- und sudarabischen Stam m e erhielt eine Parzelle (hitta) zugeteilt, a u f der er seine Zelte aufschlug, die erst spater allmahlich festen Lehmziegelbauten wichen. D ie einzelnen Clans hatten ihren Begrabnisplatz (gabbana) inmitten ihrer

fyitta; auBerdem besaBen sie meist eigene kleine Oratorien oder Stadtviertelmoscheen (masdgid, Sg . masgid). So saBen ostlich des zentralen Platzes (maiddn), nach dem Euphrat hin, die Stam m e der syrischen Qais (*Abs, D u bjan); im Siidosten, an der StraBe nach Basra, die B a k r; im Siiden, an der StraBe nach dem nahen Hira, die sudarabischen Kinda mit ihren C lans; weiter nach W esten folgten die ebenfalls sudarabischen M adhig (mit dem C lan G u ‘ fi, d e rfiir die islamische Gnosis einige Bedeutung hat) gitized by

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und die N aha1 ; ganz im W esten, an der Karawanenstrafie nach Damaskus, saBen die A zd und die Bagila, die nordarabischen T am lm und die Asad. Hier lag der Stadtteil Kunasa, der in der Geschichte der gnostischen Sekten im m er wieder eine R o lle spielt -

urspriinglich kunasat Bani Asad, der «Mullplatz des

Stammes Asad», der indes bald seine Funktion wandelte; als B e und Entladeplatz der Karawanen w urde er zur Kopfstation der R o u te nach Damaskus und beherbergte die einschlagigen G e w erbe: den Eselsmarkt, die Schm iede und Sklavenhandler und v o r allem - vo r dem O ratorium des G adim a-Clans (masgid Bani

Ciadima) —die Stande der Geldwechsler (sajarifa, Sg . sairaji), aus deren R eihen nicht wenige gnostische Lehrer und Sektenhaupter k am en 15 . Im N orden der Stadt schlieBlich saBen die siidarabischen Ham dan, fem er die T a q ifa u s T a ’i f bei M ekka, die Tajj aus der nordarabischen W iiste und die 'Abdalqais von der ostarabischen Golfkiiste. Zentrum der Stadt w ar der groBe Platz (maiddn), au f dem sich eine Estrade (mastaba) erhob; nordostlich des Platzes stand die groBe Moschee, die im Jahre 50/670 von dem umajjadischen Statthalter Zijad betrachtlich erweitert w u rd e; unmittelbar siidlich lag die Zitadelle (qasr), der Sitz des Statthalters und zunachst die einzige Befestigung Kufas, das in umajjadischer Z eit w eder W all noch M auerring hatte (erst der ‘ Abbasidenkalif al-M ansur lieB die Stadt mit einem W assergraben um geben). A m Euphratufer im Nordosten der Stadt, am K o p f der SchifFbriicke, lag die Ddr ar-rizq, das «Haus des Soldes», das M agazin fur die in Sachwerten — meist Emteanteilen — anfallenden Steuem . A us der Ddr ar-rizq erhielten die als «Kampfer» (mu-

qdtila) in die Heeresliste (diwdn) eingetragenen Angehorigen der arabischen Stam m e die M ann fur M ann festgelegten Dotationen

C (Umm al-kitab), die die ismailitischen G e m einden der Pam ir-H indukusch-R egion tradieren, hat sich in ihrem K e m als die Obersetzung eines im Irak entstandcnen arabischen ghuldt-Textes aus dem 2./8. oder friihen 3./9-Jahrhundert erw iesen18, und das von den syrischen Nusairiern (*Alaw iten) bis heute tradierte «Buch der Sicben und der SchatD igitized by L i O O g l e

ten* (Kitab al-haft wal-azilla) ist ebenfalls eine ghulat-Schrift, als deren A u to r sich m it groBter W ahrscheinlichkeit der kufische

ghali M uham m ad ibn Sinan (gest. 220/835) namhaft machen laB t19. D a die Nusairier/*Alawiten die einzige bis heute existierende Nachfolgesekte des irakischen ghuluw sind, laBt sich daniber hinaus auch ihre Tradition und Literatur zur E rfo rschung der Geschichte der ghuldt heranziehen.

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‘ABD ALLAH

IB S ' S A B A *

I . DIE SCHIITISCHE TRADITION

D ie R o llc , die bei den Kirchcnviitem Sim on M agus rur die Gnosis spielt —die des Erzketzers. der an alien spateren V en rru n gen schuld ist —, schreiben die islamischen. besonders die im am idschen (zwolfer-schiirischen) Haresiographen einem gewissen ‘ A b d allah ibn Saba* zu. D ie Nachnchten uber diesen ersten •O bertreiber* (ghali) sind allerdings so sparhch und w iderspriichlich, daB sich kein sicheres Bild von seinem W irken und seiner Lehre gewinnen laBt; gelegenthch ist sogar seine Existenz iiberhaupt angezweifelt w o rd e n 20. Eme bloBe Ertindung der Haresiographen ist er aber w o h l nicht gewesen, da die spateren

ghulat-Sekten selbst sich im m er wieder au f lhn berufen und lhn als den ersten Bekenner und Verkiinder ihrer Geheimlehren heihghalten (s.u. S. 120 , 12 8 ff., 302). In der altesten O berheferung liber Ibn Saba* lassen sich deutlich drei selbstandige Traditionen unterscheiden, die sich indes kaum a u f einen gemeinsamen Nenner bringen lassen: die imamidsch-schiitische (Naubahti, Q u m m i, Kassi), die sunnitische (As‘ ari, Baghdadi) und die vollig eigenstandige des kufischcn Gcschichtstradcntcn S a if ibn ‘ U m ar, die in Tabaris A nn alenw erk erhalten ist. Diese drei Traditionen sind gesondert zu betrachten. Hier zunachst die T exte der schiitischen Autoren.

Naubahti igf. ( = Qummi 19—2 1; vgl. auch Kassi 108, § 184): A ls ‘ A ll erm ordet w urde, spalteten sich die, die an seinem Im am at festhielten und darauf beharrten, daB es von G o tt und seinem Gesandten als (religiose) Pflicht vorgeschrieben sei, in D igitized by L i O O g l e

drei Sekten: eine, die lehrte, 'AH sei w eder getotet worden noch gestorben, er w erde auch nicht getotet werden noch sterben, sondem dereinst die A raber mit seinem Stab leiten und die Erde mit Gerechtigkeit und Billigkeit erfiillen, w ie sie (jetzt) erfiillt sei von U ngerechtigkeit und Tyrannei. Sie w ar die erste A bspaltung von dieser Gem einde, die im Islam lehrte, man miisse nach dem (Tode des) Propheten (bei einem bestimmten Imam) «stehenbleiben»2 1 , und die erste, die die Obertreibung (ghuluw) lehrte. Diese Sekte nennt man die Saba’ iten (as-Saba>tja), die A n h an ger des ‘ Abdallah ibn Saba*22. Das w a r einer von denen, die (die drei ersten Kalifen) A b u Bakr, ‘ U m ar, ‘ U tm an und die (iibrigen) Gefahrten (des Propheten) schmahten und sich von ihnen lossagten. Er behauptete, ‘ A lih ab e ihn dies geheiBen. Da lieB ‘ A ll ihn ergreifen und fragte ihn nach dieser A u B eru ng; er gab sie zu. (‘ All) befahl, ihn zu toten. Da schrien die Leute zu ihm : «Fiirst der Glaubigen, willst du einen M ann toten, der dafiir w irbt, euch, die Leute des (Propheten-)Hauses, zu lieben, dir anzuhangen und sich von deinen Feinden loszusagen?* D a schickte (*Ali) ihn nach al-M ada’ in in die Verbannung. Einige kundige Anhanger ‘ Alls haben erzahlt, ‘ Abdallah ibn Saba* sei Ju d e gewesen; er habe den Islam angenommen und sich *A li angeschlossen. A ls er (noch) dem Judentum anhing, habe er diese Lehre (bereits) von Josua, dem Sohn Nuns, nach (dem To d e des) Moses vertreten; als M uslim habe er dann das gleiche von ‘ A ll nach dem (Tode des) Propheten gelehrt. Er habe als erster die Lehre von (der Anerkennung von) *Alis Imamat als religioser Pflicht verbreitet, die Lossagung von seinen Feinden verkiindet und seine W idersacher bloBgestellt. Daher haben die Gegner des Schia behauptet, das Schiitentum (rafd)23 sei u r spriinglich aus dem Judentum hervorgegangen. Als ‘ Abdallah ibn Saba* in al-M ada’ in die N achricht v o m To d e ‘ Alls erfuhr, sagte er zu dem, der sie ihm iiberbracht hatte: «Du hast die U nw ahrheit gesagt! Selbst w enn du uns sein G e h im in siebzig Beuteln brachtest und wenn du siebzig Zeugen fur Original

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seine E n n o rd u n g aufstelltest, so wiiBtcn w ir doch, daB er nicht gestorben ist noch getotet w u rd e und daB er auch nicht sterben, sondem dereinst die Erde beherrschen wird.»

(Qummt 21:) Daraufhin brachen sie noch am selben T a g e auf, bis sie die Kam ele an ‘ A lls Pforte niederknien lie Ben. Sie baten um Erlaubnis, bei ihm eintreten zu diirfen, w ie jem and, der darauf vertraut, daB er noch am Leben sei, und ihn zu sehen wiinscht. D a sagten seine anwesenden Angehorigen, Anhanger und N ach k om m en : «Preis sei G o tt! W iB t ihr denn nicht, daB der Furst der Glaubigen als Blutzcuge gefallcn ist?» Sie sprachen: «W ir wissen, daB er nicht getotet wurde und daB er nicht sterben w ird , um dereinst die A raber m it seinem Sch w ert und seiner GeiBel zu leiten, so w ie er sie (bisher) mit seinem A rgu m en t und seinem Bew eis gefiihrt hat, und daB er das vertrauliche Gesprach hort und das in den Hausem Verschlossene 24 kennt und daB er in der Dunkelheit funkelt w ie das Schw ert mit polierter Schneide.» D ies lehren die Saba’ iten und die Harbiten —die Anhanger des ‘ Abdallah ibn ‘ A m r ibn al-H arb al-Kindi — von ‘ A ll. Spater Ichrtcn sie von ‘ A ll (sogar), er sei der G o tt der W elten (ilah al-

ldlamin), er habe sich den Blicken seiner Geschopfe aus Zorn iiber sie entzogen und w erde einst wiedererscheinen. ★

N ach diesen imamitischen T exten w irkt also ‘ Abdallah ibn Saba’ in K u fa, in der unmittelbaren U m geb u n g ‘ Alls. O ber seine H erkunft w ird nichts weiter berichtet als seine jiidische Abstam m u n g ; bei Q u m m i (S .2 0 , Z . 3) tragt er den Bcinam cn al-H am dani, der ihn w o h l als Klienten (mould) des in K u fa vertretenen siidarabischen Stammes H am dan 25 ausweist. Ibn Saba’ s Lehre vo m Verhaltnis ‘ Alis zu M uham m ad soil, nach den Gewahrsleuten N auba^tis und Q um m is, die O bertragtm g einer ahnlichen judischen Ketzerei (Moses — Josua) in islamische Verhaltnisse gewesen sein. Zentraler Punkt seiner Lehre w a r der Glaube,. daB ‘ A ll nicht gestorben,osondem nur Digitized

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verborgen sei, um als der «Rechtgeleitete», der M ahdi wiederzukehren; die Form el «um die Erde mit Gerechtigkeit und B illig keit zu erfullen, w ie sie jetzt von Ungerechtigkeit und Tyrannei erfiillt ist* ist eine der altesten, im mer wiederkehrenden M ah d iFormeln der islamischen Tradition. V o n einer V ergottu n g ‘ A lls durch Ibn Saba* weiB N auba^ti nichts; Q u m m i bezeichnet dies ausdriicklich als eine spatere Entw icklung der Lehre (Kassi iiberliefert - anscheinend jiingere - imamitische Traditionen, gemafi denen spatere Imame auch den Ibn Saba* selbst w egen seiner Vergottung ‘ A lls verflucht hatten26). Aufm crksam keit vcrdicnt die Tatsache, daB Ibn Saba* von K ufa, w o er zunachst aufgetreten war, nach al-Mada*in v e rbannt w ird ; dort finden w ir spater die fur die Entw icklung der islamischen

Gnosis

hochst

wichtige

Sekte

der

Harbiten

(s. u. S .6 9 ff.), die Q u m m i mit den Saba’ iten in Zusam m enhang bringt. In al-Mada*in verlieren sich Ibn Saba’ s Spuren; iiber sein Ende ist nichts bekannt. Oberliefenm gen, ‘ A ll habe Ibn Saba* verbrennen lassen27, sind offensichtlich eine spatere D ram atisierung der AfFare; diese legendare Ausschm iickung begegnet uns aber auch in einem der beiden originalen ghuliiw-Texte, dem

Umm al-kitab, wieder.

2 . DIE S U N N I T I S C H E T R A D I T I O N

As'ari 1$: D ie Saba’iten, die Anhanger des ‘ Abdallah ibn Saba*, b e haupten, ‘ A ll sei nicht gestorben; er w erde v o r dem T a g der Auferstehung in diese W e lt zuriickkehren und die Erde m it Gerechtigkeit erfullen, w ie sie (jetzt) von Tyrannei erfiillt sei. E s heiBt von ihm , er habe zu ‘ A ll gesagt: «Du bist du (anta atita).» D ie Saba’iten lehren die W iederkehr (raga, sc. des entriickten Imams) und (behaupten), daB die Toten in diese W e lt zu riick Original from

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Baghdadi 233—235: D ie Saba*iten sind die Gefolgsleute des ‘ Abdallah ibn Saba*, der hinsichtlich ‘ Alls ubertrieb (ghald) und behauptete, er sei ein Prophet gewesen; spater ubertrieb er hinsichtlich seiner (so w eit), daB er gar behauptete, er sei ein G ott (Hah). Fur diese Lehre w arb er unter den Irrenden von K ufa. M an unterrichtete ‘ A ll iiber diese Leute; der befahl, einige von ihnen in zwei G raben zu verbrennen. Daher sagt einer der D ichter dariiber: M o g en mich die Geschicke werfen, w ohin sie wollen, W en n sie mich nur nicht in die zw ei Graben werfen! D an n (aber) scheute sich ‘ A ll, auch die O brigen zur Schaden­ freude der S y r e r 28 zu verbrennen; er fiirchtete, seine Anhanger konnten sich mit ihm entzweien. So verbannte er den Ibn Saba* nach Sabat al-M ada’ in 29. A ls ‘ A ll ermordet w orden w ar, behauptete Ibn Saba*, der Getotete sei nicht ‘ A ll gewesen, sondem ein Teufel, der v o r den Leuten die Gestalt ‘ A lls angenom m en habe; ‘ A ll aber sei zum H im m el aufgefahren w ie Jesus, der Sohn Marias. E r sagte: «So w ie diejuden und die Christen die U nw ahrheit gesagt haben mit ihrer Behauptung, Jesus sei getotet worden, so haben auch die Hasser (der Schia 30) vmd die IJarigiten 31 die U nw ahrheit gesagt m it ihrer Behauptung, ‘ A ll sei getotet worden. D ie Juden und die Christen sahen lediglich ein gekreuzigtes Individuum , das sie m it Jesus verwechselten; ebenso sahen die, die sagen, ‘ A ll sei erm ordet w orden, einen Toten , der ‘ A ll ahnlich sah, und dachten, er sei es, wahrend ‘ A ll (in W irklichkeit) zum H im m el aufgefahren ist; er w ird in diese W e lt wieder herabsteigen und an seinen Feinden R ach e nehmen.» Einige Saba’ iten behaupteten, ‘ A ll sei in den W olk en , der D onn er sei seine Stim m e und der B litz seine GeiBel; w enn einer vo n ihnen die Stim m e des Dormers vem ahm , sprach er: «Sei gegriifit, Fiirst der Glaubigen!* N a c h ‘ A m ir ibn Sarahil as-Sa*bi32 heiBt es, man habe zu Ibn Saba* gesagt: «‘A l i ist erm ordet!* D a habe ergerwidert: «Selbst D igitized

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wenn ihr uns sein G eh im in einem Beutel brachtet, so glaubten w ir doch nicht an seinen T o d ; er w ird nicht sterben, sondem dereinst vom H im m el herabsteigen und die Erde von einem Ende zum anderen beherrschen!* Diese

Gruppe

behauptet,

der

erwartete

Rechtgeleitete

(Mahdi) sei niemand anderer als ‘ A ll. O ber sie hat Ishaq ibn Suw aid al-‘ A d a w i33 eine Kasside gedichtet, in der er sich von den yarigiten , Schiiten und Q adariten34 lossagt; daraus sind die folgenden Verse: Ich sage mich los von den yarigiten , gehore nicht zu ihnen, V o n dem W eber, der zu ihnen gehort, und von Ibn B a b 35 U n d von Leuten, die, wenn sie ‘ A li erwahnen, Den W olken den GruB entbieten. D och liebe ich von ganzem Herzen — W eiB ich doch, daB dies das R echte ist Den Gesandten Gottes und den W ahrhaftigen (as-Siddiq = A b u Bakr) mit einer Liebe, Fur die ich m ir m orgen die schonste Belohnung erhoflfe. A s -$a ‘ bi berichtet, (ein gewisser) ‘ Abdallah ibn as-Sauda* habe die Saba’iten in ihrer Lehre unterstiitzt. Ibn as-Sauda* («der Sohn der Schwarzem ) w a r urspriinglich ein Jude aus al-H Ira36 und trat dann als M uslim auf; er w ollte (so) bei den K u fiem EinfluB und M acht gewinnen. E r erzahlte ihnen, er habe in der T h o ra gefunden, jeder Prophet habe einen Bevollm achtigten (wasi37) ; ‘ A li sei der wasi M uham m ads und der beste wasi, so w ie M u h am ­ mad der beste Prophet sei. A ls die Parteiganger (sTa) ‘ A lls das von ihm vem ahm en, sagten sie zu ‘ A ll: «Er ist einer von denen, die dich lieben.» D a erhohte ‘ A ll seinen R a n g und lieB ihn unter den Stufen seiner Kanzel sitzen. D ann (aber) erfuhr er, daB er hinsichtlich seiner ubertrieb, und trug sich mit dem Gedanken, ihn umzubringen. Ibn ‘ A b b a s38 aber hielt ihn da von ab und sagte zu ihm : «W enn du ihn totest, dann geraten deine A n h an ger mit dir in Z w ist, wahrend du doch entschlossen bist, den K a m p f gcgen die Syrer wiederaufzvmehmen, und au f das W o h lw o lle n ^ r\ r\ n \ o Original from Digitized

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deiner A nh anger angewiesen bist.* D a er A n gst hatte, aus seiner H inrichtung und aus der des Ibn Saba* konne der innere Z w ist

(fitna) entstehen, den Ibn ‘ A bbas befurchtete, verbannte er beide nach al-Mada*in. N ach der Erm ordung ‘ A lls lieB sich der Pobel v o n den beiden verleiten; Ibn as-Sauda’ sprach zu ihnen: «Bei G o tt, wahrlich, dem ‘A ll werden in der M oschee von K u fa zwei Quellen hervorbrechen, deren eine von H on ig, deren andere v o n R a h m flieBen w ird, und seine Parteiganger werden aus ihnen schopfen!* D ie zuverlassigen Sunniten sagen, Ibn as-Sauda* sei dem Juden tum fanadsch ergeben gewesen und habe beabsichtigt, den M uslim en durch seine allegorischen D arlegungen iiber ‘ A ll und seine Sohne ihre R eligion zu verderben, damit sie vo n ihm dasselbe glauben sollten w ie die Christen von Jesus. So schloB er sich den saba*itischen Schiiten an, da er fand, daB sie von alien K etzem (ahl al-ahwa*) am tiefsten in den U nglauben verstrickt w aren, und schmuggelte seine Irrlehre in seine allegorischen D eutungen hinein. *

W ie in der schiitischen Tradition lehrt Ibn Saba* auch nach den Berichten der sunnitischen Haresiographen die rag'd, die «W iederkehn* des entruckten ‘ A ll. Diese Einzelheit w ird man als den zentralen Punkt der saba*itischen Lehre ansehen diirfen. ‘ Alls Verschw inden, seine AufFahrt in den H im m el, ist mit doketistischen Z iige n ausgestattet, die uns im folgenden im m er wieder begegnen w erden: der zuriickbleibende Leichnam ist nicht der ‘ A lls, sondem der eines anderen. Im Unterschied zur schiitischen O berliefenm g ist bei B agh ­ dadi nicht Ibn Saba* selbst jiidischer Herkunft, sondem einer seiner Anhanger, ein gewisser Ibn as-Sauda*, der «Sohn der Schwarzen*, ein Ju d e aus Hira, der seine a u f die T h o ra gegriindete Lehre, daB jeder Prophet einen «Bevollmachtigten* (wast) gehabt habe, a u f den Islam und das Verhaltnis vo n ‘ A ll zu M u Digitized by C i O O g l e

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hamm ad ubertragen habe. Ibn as-Sauda* diirfte mit Ibn A s w a d identisch sein, den Q u m m i39 als einen der bedeutendsten Anhanger des Ibn Saba* namhaft macht. Keinen Glauben verdient natiirlich die Behauptung, der fanatische Ju d e habe den Islam vo n innen aushohlen wollen, um seine Anhanger ins Verderben zu fiihren; das ist ein bekannter To p o s der islam ischen Haresiographie, den man besonders wirksam z .B . dem Begriinder der Ism ^ilija angehangt hat. D ie V ergottu n g ‘ Alls halt auch Baghdadi — w ie die schiitische Tradition —fur eine spatere Entw icklung, allerdings in der Lehre des Ibn Saba* selbst, wahrend Q u m m i - w o h l zutreffend — diese N euerung einem spateren Stadium der Sekte zuschreibt.

3 . DI E VERSI ON DES SAIF I BN *UMAR In der Chronik des Tabari w ird mehrfach ein a u f S a if ibn ‘ U m a r zuriickgehender Bericht iiber ‘ Abdallah ibn Saba* zitiert40. D ie Darstellung

Saifs,

eines

kufischen

Geschichtstradenten

des

2./8.Jahrhunderts, ist schon von Wellhausen fur unzuverlassig erklart w o rd e n 4 1, sicher zu R ech t. N ach diesem Bericht des S a if ist es Ibn Saba*, der hinter alien wichtigen Ereignissen des Ersten Burgerkrieges (Erm ordung des dritten Kalifen ‘ U tm an und K a m p f um seine N achfolge zwischen ‘ A ll und M u*awija) steckt: «*Abdallah ibn Saba’ w ar ein Jude aus San‘ a*; seine M utter w a r eine Schwarze. W ahrend der R egieru n g ‘ Utm ans trat er zum Islam liber. Dann zog er in den Landem der M uslim e herum in der Absicht, sie in die Irre zu leiten. E r trat zuerst im H igaz auf, dann in Basra, dann in K ufa, dann in Syrien ...» Vergeblich versucht er, die Leute zu seiner Lehre zu bekehren, M uham m ad sei das Siegel (d. h. der letzte) der Propheten, und ‘ A ll das Siegel der Bevollm achtigten. Angeblich lehrt er die W iederkunft M uham m ads. In Syrien zieht er den Prophetengenossen A b u D arr al-Ghifari au f seine Seite und hetzt ihn gegen ‘ Utm ans Statthalter M u*awija auf; als man ihn nach A g yp ten J original om D igitized

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vertreibt, gew innt er den dortigen Statthalter ‘ A m m ar ibn Jasir fur seine Sache (beide M anner spielen in der Tradition der kufischen ghuldt als Feinde ‘ U tm ans eine positive R o lle ; vgl. u. S . 140). D ann ist er unter denen, die im Jahre 35/6 56 von A g y p te n nach M edina ziehen, den Kalifen ‘ U tm an in seinem H aus belagem und schlieBlich seinen T o d verschulden. Im folgenden Biirgerkrieg ist er a u f der Seite ‘ A lls zu finden, ja er ist es, der die «Kamelschlacht» gegen ‘ Alls W idersacher Talha und az-Z u b air (im Jahre 36/656, nahe Basra) herbeifiihrt. D ie Version des S a if ibn ‘ U m a r ist nach Wellhausen und Friedlaender 42 eine tendenziose Erfindung m it der Absicht, die verhangnisvollen Ereignisse des Ersten Biirgerkrieges einem notorischen Ketzer in die Schuhe zu schieben. Es konnte jedoch etw as ganz anderes dahinterstecken: der K ufier S a if w ar selbst der Ketzerei (zandaqa) verdachtig; er w a r ein Tradent des kufischen Extremisten (Sabir ibn Jazid (s. u. S . 9 6 )43. E r konnte die R o lle Ibn Saba’ s also durchaus positiv gem eint haben; seine Version w are dann ein Versuch, die Ereignisse des Ersten B iirgerkrieges aus der Sicht der kufischen ghuldt zu deuten: Ibn Saba* ist es, der den Biirgerkrieg anstiftet und dam it ‘ A ll zur M acht verhilft, und er ist es, der ‘ A ll seine treuesten Anhanger, die von den ghuldt hochverehrten A b u D arr und ‘ A m m ar, zufiihrt; er schlieBlich steht hinter ‘ A lls Sieg in der Kamelschlacht. W ie dem auch sei — historischer W e rt kom m t dieser Geschichtskhtterung jedenfalls nicht zu.

4. DI E H Y P O T H E S E F RI E DL AE NDERS In seinem 19 0 9 /10 in der Zeitschrifi fur Assyriologie erschienenen Aufsatz ‘ Abdallah b. Sabct, der Begriinder der Sfa, und seinjiidischer

Ursprung hat Israel Friedlaender versucht, die verschiedenen Berichte - unter Ehm inienm g der erkennbaren Zutaten - au f einen N enner z u bringen. Friedlaender glaubt an die jem enitiDigitized

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sche Herkunft Ibn Saba’ s: S a if nenne San'a* als seine H eim at; Ibn Saba* sei als Gentilicium - «der Sabaer* - aufzufassen; der B e iname al-H im jari und die Tatsache, daB seine M utter eine Schwarze gewesen sei, deuteten in die gleiche R ichtung. Friedlaender geht noch weiter und vermutet Beziehungen Ibn Saba’ s zu Athiopien; er w ill in seiner Lehre von der R iickkunft des Messias aus den W olken Anklange an die unorthodoxe Messiasvorstellung der abessinischen Juden, der Falaschas, erkennen. Diese von Friedlaender selbst nur zogem d vorgetragene Hypothese hat sich nicht durchgesetzt44; man hat sogar die Behauptung von der jiidischen Herkunft Ibn Saba’s iiberhaupt als Topos islamischer Haresiographie abgetan; auch anderen Sektenstiftem w ird gem jiidische oder christhche Herkunft nachgesagt. D och geht eine solche Kritik moglicherweise zu w eit; die niichteme, von spateren Obertreibungen freie alteste imamitische Tradition (Naubahti, Q um m i), die in ihren w e sentlichen Punkten sich mit den bei Baghdadi gesammelten Nachrichten deckt, scheint im groBen und ganzen Vertrauen zu verdienen. A u ch die ghuldt selbst berufen sich in ihren O rigin alzeugnissen im m er wieder au f ‘ Abdallah ibn Saba’ oder seinen Sohn T a lib 45, von dem die imamitischen Haresiographen g ar nichts wissen, der also keine gegnerische Erfindung sein kann. D ie judaisierenden Z iige des gnostischen W eltendramas, das w ir bei den spateren ghulat-Sekten im Gefolge der Saba*ija finden, lassen durchaus au f einen Proselyten mit jtidischem, vielleicht haretisch-gnostischem Hintergrund, als U rheber schlieBen. Ibn Saba* w ird nach al-M ada’ in verbannt; auch der ghdll Ibn H arb, den die Haresiographen mit der Saba'ija in Verbindung bringen, w irkt dort. Es liegt nahe zu vermuten, daB Ibn Saba* dorther stammte und wegen seiner «Obertreibung» von ‘ A ll, der ihn in Kufa nicht dulden wollte, nach Hause geschickt worden ist. V ie l mehr laBt sich kaum iiber ihn sagen; indes scheinen die nun mehr und mehr zutage tretenden Originalquellen der ghuldt die ihm von den Imamiten zugeschriebene R o lle als Erzketzer und Urheber der islamischen Gnosis zu bestatigen. r\r\rsAt> O riginal from D igitized

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D IE K A I S A N I T E N

O D E R V IE R E R -S C H IIT E N

I . M U H T A R U N D KAI SAN

‘ A lls Erm ord u n g in K u fa im Jahre 40 /661, die seinem syrischen W idersacher M u 'aw ija aus dem C lan der Um ajjaden die ungeteilte M ach t brachte, markiert den eigentlichen B eginn der Geschichte der Schia. W ahrend einige Anhanger ‘ A lls seinen T o d leugneten und seine W iederkunft erwarteten, richteten andere ihre H offhungen a u f seine Sohne, die in M edina lebten. W ah ren d der alteste, al-Hasan, a u f alle Anspriiche a u f das Kalifat verzichtete — eine groBere Sum m e Geldes soil ihm diesen E n tschluB erleichtert haben —, versuchte der jiingere, al-Husain, nach dem T o d e M u 'aw ijas im Jahre 60/680 seinen Anspruch mit H ilfe der kufischen Anhanger seines Hauses durchzusetzen. M it seiner Familie vmd einigen Getreuen machte er sich aus M edina nach dem Irak auf, doch der umajjadische Statthalter von K ufa sandte ihm eine kleine Tru p p e entgegen, die seine Schar bei Kerbela*, nordwestlich von K ufa, stellte. N ach ergebnislosen Verhandlungen

kam

es schlieBlich am

10.

M uharram

61

(io .O k to b e r 680) zu einem Handgem enge, das in ein allgem eines Gem etzel iiberging; der Enkel des Propheten w u rd e mit dem groBten T eil seiner Begleiter getotet, sein K o p f nach Dam askus geschickt. D ie Passion al-Husains steht seitdem im M ittelpunkt der V erehrun g der Schiiten fur die Heilige Familie. Sein G rab in Kerbela* w u rd e zum bevorzugten Wallfahrtsziel der Schia, und m it seinem T o d sind die beiden wichtigsten schiitischen Feste verkniipft: der *Asurd-Tag, der «Zehnte» T a g , zum Andenken an seinen T o d , und den «Tag der Vierzig*, jaum al-arbacin, auch Digitized

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♦ Riickkehr des Hauptes* genannt, an dem die Zuriickgabe seines abgeschlagenen Kopfes an die Iraker gefeiert w ird. D ie kufischen Schiiten richteten nun ihre Erw artungen a u f ‘ Alls dritten Sohn M uham m ad, genannt Ibn al-Hanafija, der «Sohn der Hanafitin», da ‘ A ll ihn nicht w ie al-Hasan vmd alHusain mit der Prophetentochter Fatima, sondem mit einer Frau aus dem zentralarabischen Stam m der Banu Hanifa gezeugt hatte. M uham m ad

Fatima oo ‘ A li ibn A li Talib oo «die Hanafitin»

al-Hasan

al-Husain

M uham m ad ibn al-Hanafija

A b u Hasim ‘ Abdallah Dieser dritte ‘ A li-S o h n , der also kein N achkom m e des P ropheten w ar, ist zur zentralen Figur der altesten Form der Schia geworden, der (heute nicht mehr existierenden) Kaisanija, in deren Um kreis w ir nun auch die ersten Sekten mit eindeutig gnostischen Lehren finden. M an konnte die Kaisaniten, analog zu spateren schiitischen Richtungen, als Vierer-Schiiten bezeichnen: als einzig legitim e Oberhaupter (Imame) des Islams nach dem Propheten M u h am ­ mad galten ihnen nur ‘ A ll vmd seine drei Sohne. D ie ersten tatsachlichen N achfolger des Propheten, die Kalifen A b u B ak r, ‘ U m ar und ‘ U tm an , w ie auch 'A lls Gegenspieler und N ach fo l­ ger M u'aw ija und die Um ajjaden, wurden von ihnen als U su rpatoren verw orfen und als Verbrecher geschmaht. D ie V e rflu chung dieser «Widersacher» der «wahren» Imame w ird den

ghulat-Sekten von den gegnerischen Autoren im m er wieder als Frevel vorgew orfen; tatsachlich ist die Lossagung von den 'Vidersachem bis au f den heutigen T a g ein fester Bestandteil der 'urgie

u .S .3 4 4 ).

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M uham m ad ibn al-Hanafija selbst scheint keinerlei politische Am bitionen gehabt und keine Anspriiche a u f das Erbe seines Vaters erhoben zu haben; er lebte unauffallig in M edina. W o h l ohne sein Zu tu n w urde er nach dem U n ter gang seines H albbruders Husain in die politischen Handel hineingezogen, und von seiner schlieBlichen Erhohung zu einer gnostischen Retterfigur hat er w o h l nie etwas geahnt. D ie Um triebe, die sich an seinen N am en kniipften, gingen von K u fa aus, der Residenz seines Vaters, w o man nur darauf wartete, einen alidischen Pratendenten a u f den Schild heben zu konnen und die syrischen U m ajjaden zu stiirzen. D ie Zeichen dafiir standen nicht schlecht; die Herrschaft der Um ajjaden hatte einen schweren Schlag erhalten, als sich M ekka unter dem Gegenkalifen Ibn az-Zubair von Syrien loste; auch Basra fiel ab. Ende des Jahres 64 (M ai 684) erschien in K ufa ein gewisser alM u ^ tar ibn A b i ‘ U b aid at-Taqafi (d.h. vo m Stam m e T a q if aus at-T a*if bei M ekka) und begann unter den Schiiten der Stadt fur das Kalifat M uham m ad ibn al-Hanafijas zu werben. Ein Statthalterwechsel in K u fa w urde zum AnlaB genom m en; Boten gingen nach M edina, um die Haltung Ibn al-Hanafijas zu erkunden. Dieser scheint sich vorsichtig und abwartend, w enn nicht ablehnend verhalten zu haben; dennoch schlug al-M uhtar im Jah re 66 (O ktober 685) los und brachte K ufa in seine G ew alt; der Statthalter, der sich zunachst in der Zitadelle halten konnte, m uBte die Stadt schlieBlich verlassen. A u ch jetzt blieb das Verhalten des Pratendenten M uham m ad ibn al-Hanafija, der sich ja in M edina im Machtbereich des Gegenkalifen Ibn az-Zubair befand, vorsichtig. Er forderte alM u jjtar auf, die W affen niederzulegen; er selbst w urde von dem miBtrauischen Ibn az-Zu bair in H aft genom m en, doch konnte eine von al-M uhtar ausgesandte Schar ihn befreien; kein Z w e ifel, daB sie ihn nach K ufa bringen und dort inthronisieren sollte. A l-M u h ta r hatte dort als sichtbares Zeichen fur das Erscheinen des Erwarteten einen mit Seide und Brokat geschmiickten T h ro n errichten lassen, dessen Bedeutung ernmit den W orten Digitized by C i O O g T e

erklarte: « D a zog man die Um hiillungen da von w e g , und die Saba’ iten standen auf, hoben ihre Hande und riefen dreimal: