Die Gnosis Bd. 3 : Der Manichäismus 9783491691469

Unter Mitwirkung von Jes Peter Asmussen. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Alexander Böhlig. Überarbeiteter N

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German Pages [465] Year 1995

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Die Gnosis Bd. 3 : Der Manichäismus
 9783491691469

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Die Gnosis u OJ -Q

Der Manichäismus

Die Gnosis Der Manichäismus

Die Gnosis

Der Manichäismus Unter Mitwirkung von Jes Peter Asmussen Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Alexander Böhlig

Patmos

Überarbeiteter Nachdruck des 1980 in der «Bibliothek der Alten Welt» erschienen Bandes «Der Manichaismus» (= Band III von «Die Gnosis»)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 1995 Patmos Verlag GmbH öc Co. KG Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf und Zürich © ppb-Ausgabe 2007 Patmos Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf Alle Rechte vorbehalten. Umschlaggestaltung: butenschoendesign.de unter Verwendung des Bildes «Opus 65» (1958-1974) von Hans Hinterreiter Printed in Germany ISBN 978-3-491-69146-9 www.patmos.de

EINLEITUNG Wenn der Manichäismus eine Religion darstellt, die als Welt­ religion bezeichnet werden kann, so ist es berechtigt, ihm im Rahmen einer Sammlung gnostischer Texte einen eigenen Band zu widmen. Er war nicht nur eine Häresie, die unter anderen der christlichen Kirche eine besonders starke Konkurrenz machte, sondern er war selber eine missionierende Kirche, die überall im römischen Reich tätig war und ihre Gläubigen um sich versam­ melte. Aber nicht nur im Westen der Ökumene war sie anzu­

treffen, auch in den Osten drang sie von ihrem Entstehungsland Mesopotamien aus vor, in den eigentlichen Iran und weiter nach Transoxanien, in den zentralasiatischen Raum und nach China. Diese Kirche hatte das Bewußtsein, die authentische Lehre ihres Stifters zu predigen, weil er sie ja in einem mythologischen System dargelegt und den Jüngern in von ihm selber hinterlas­ senen und in einem Kanon zusammengefaßten Schriften begrün­ det hatte. Insofern ist der Manichäismus nicht eine christliche Sekte, so­ sehr auch christliche Elemente in ihm zu finden sind, nicht eine iranische Religion, sosehr auch im manichäischen Schrifttum iranische Vorstellungen begegnen, aber auch kein Ableger des Buddhismus, sosehr sich auch Züge finden, die Mani beeinflußt oder wenigstens in seinem Denken bestätigt haben könnten. Der Manichäismus bot jedenfalls das, was ein nach Westen und Osten imperialistisch sich ausdehnendes Großreich wie das der Sassaniden als Einheitsreligion brauchte. Er bediente sich in seinen Missionsgebieten der jeweiligen Landessprache und glich auch die

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Nomenklatur des Mythos der Nomenklatur der Religionen an, die in den betreffenden Regionen beheimatet waren. Die Ver­ nichtung der manichäischen Originalschriften durch die Verfol­ ger dieser Religion und das Vorkommen seiner Dokumente in verödeten Siedlungen erschwerte nicht nur das Verständnis des zentralen Inhalts der Lehre Manis, sondern verdeckte auch noch bis in die Gegenwart das Problem einer Weiterentwicklung des Manichäismus. Dieser Manichäismus ist eine ausgesprochen syn­ kretistische Religion; dabei ist ein eigenes Problem der Synkre­ tismus von Mani selber1, ein anderes der Synkretismus seiner Missionare in den verschiedenen Regionen.

Die Quellen zum Manichäismus Die Ausbreitung des Manichäismus bietet dem Wissenschaftler eine Fülle von Material in den verschiedensten Sprachen. Im folgenden können nur die wichtigsten Quellen aufgeführt wer­ den. Bis in das 20. Jahrhundert besaß man noch keine manichäi­ schen Originalschriften, sondern war auf die christlichen Bekämpfer und die islamischen gelehrten Sammlungen angewiesen. Dennoch war das Material umfangreich genug, um ein System zu rekonstruieren, das die Grundprobleme der manichäischen Reli­ gion einigermaßen korrekt erfassen konnte. Aber erst mit der Erschließung von Originalquellen in Zentralasien und Ägypten konnte die geistige Ausstrahlungskraft dieser Religion wirklich erkannt und ihr historischer Weg verfolgt werden. Das älteste Dokument, das die Manichäer bekämpft, dürfte in einem griechischen Papyrus des 3.Jahrhunderts vorliegen, der das Fragment eines Hirtenbriefes enthält2. Ziemlich bald nach Manis Tod scheint etwa um 300 der Neuplatoniker Alexander von Lykopolis in Oberägypten seine Schrift gegen die Manichäer verfaßt zu haben3. Aus dem 4.Jahrhundert stammen die grie­

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chisch abgefaßten Acta Archelai des Hegemonius4, in denen ein fingiertes Streitgespräch zwischen dem mesopotamischen Bischof Archelaus und Mani vorgeführt wird. Aus der gleichen Periode ist eine Streitschrift des Bischofs Serapion von Thmuis5 und eine des theologischen Lehrers Didymus des Blinden erhalten6. Auch der Bischof der römischen Provinz Arabia, Titus von Bostra, wendet sich gegen die Manichäer7. Am Ende des Jahrhunderts

widmet Epiphanius von Salamis in seinem «Arzneikasten gegen alle Häresien» (Panarion) dem Manichäismus einen ausführlichen Abschnitt8. Ebenso wendet sich der Bischof von Jerusalem Kyrill in seinen Katechesen gegen die Häresie9. Die beiden letzteren greifen dabei stark auf die Acta Archelai zurück. Auch bei Severus von Antiochia, der 512-518 Patriarch von Antiochia war, be­ gegnen in den Kathedralhomilien Auseinandersetzungen mit Mani, ja auch Zitate aus seinen Schriften10. Daß bei dem letzten großen universalen Kirchenvater Johannes von Damaskus (650/70-753/54) in seiner «Quelle der Erkenntnis» auch ein Abschnitt über die Manichäer zu finden ist, braucht nicht zu verwundern11. Noch in byzantinischer Zeit war wissenschaftli­ ches Interesse an den Manichäern vorhanden. Denn zur Bekämp­ fung der Paulikianer, die man als Neo-Manichäer ansah, sammelte man im 9.Jahrhundert Material über den Manichäismus; doch sind die Schriften des Petrus Siculus12 und des Photios13 sowie das Schriftchen des späteren Polyhistors Psellos14 nicht bedeutsam für die moderne Manichäerforschung. Von Interesse sind aber die griechischen Abschwörungsformeln, die zu geloben waren, wenn man sich vom Manichäismus distanzieren wollte15. Auch sie führen bis in die byzantinische Zeit. Wie auch von anderen griechischen Vätern wurden ebenfalls von griechischen Schriften gegen die Manichäer lateinische Übersetzungen angefertigt. So ist z. B. von den Acta Archelai nur die lateinische Version vollständig erhalten. Doch gibt es in lateinischer Sprache außerdem eine Fülle von Originaltexten, die

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den Manichäismus bekämpfen. Vor allem hat sich Augustin nach seinem Übertritt von dieser Religion zum Christentum insbe­ sondere in seinem kirchlichen Amt in einer großen Anzahl von Schriften, die zum Teil als Streitgespräche aufgebaut sind, mit der Lehre dieser Weltanschauung und speziell mit einigen ihrer Vertreter auseinandergesetzt16. Der Wert dieser Texte liegt nicht nur in ihrer apologetischen und zugleich aggressiven Gedanken­ führung, sondern auch in den Zitaten, die Augustin aus manichäischem Schrifttum anführt. Ebenfalls geht unter seinem Na­ men ein Text, commonitorium genannt, der den griechischen Abschwörungsformeln entspricht. Von den meisten der griechi­ schen Antimanichäer unterscheidet sich Augustin durch seine wirkliche Quellenkenntnis auf dem Gebiete der manichäischen Lehre. Darin folgt ihm sein Freund, der Bischof Euodios von Uzzala, aus dessen Schrift gleichfalls umfangreiche Zitate manichäischer Texte entnommen werden können17. Allerdings ist er in Diskussion und Zitation von Augustin abhängig. Griechische Väter wurden auch ins Syrische übersetzt. Das ist nicht unwichtig, wenn man ein dem Syrischen ganz nahe stehen­ des Idiom als Muttersprache Manis betrachtet, in dem er den Hauptteil seiner Werke abgefaßt hat In syrischer Übersetzung besitzen wir den gesamten Text des Titus von Bostra, der auf griechisch nur zum Teil erhalten ist18. Auch von den Kathedralhomilien des Severus von Antiochia sind nur Bruchstücke auf

griechisch vorhanden, während das Gesamtcorpus auf syrisch überliefert ist19. Wichtiger aber noch als die Übersetzungen sind syrische Originalschriftsteller, die sich mit Mani polemisch und referierend befaßt haben. Hier bietet eine eingehende Auseinan­ dersetzung Ephräm, der sowohl in Prosaschriften als auch in Gedichten die Konkurrenten des großkirchlichen Christentums scharf angreift20. Er wendet sich dabei neben Markion und Bardesanes vor allem gegen Mani, den er für einen besonders gefährlichen Gegner hält; die Prosaschriften sind dabei ausgiebi­

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ger als die Hymnen, bieten aber keine umfangreichen Zitate. Solche besitzen wir dafür aus dem Scholienbuch des Theodor bar Koni (8,Jh.)21, der gerade für den Manichäismus ausgezeichnete Quellen zur Verfügung gehabt haben muß, so daß er den manichäischen Mythos weitgehend aus Zitaten zusammenstellen kann22. Auch der Zoroastrismus hat sich in einem großen Sammel­ werk des 9.Jahrhunderts mit dem Manichäismus auseinanderge­ setzt. Das Skand-Gumänig IVizär «die Zweifel zerstreuende Darle­ gung» des Mardänfarrox i öhrmazddädän, ist ein Werk von gehobenem Niveau, nur bringt seine Überlieferung Fehlerquel­ len mit sich23. In der islamischen Literatur sind es zahlreiche arabische Schrift­ steller, die länger oder kürzer über Mani berichten. Sie haben ihre besondere Bedeutung dadurch, daß es Historiker, nicht Polemiker sind, die uns solche Berichte übermittelt haben, eine Tatsache, die ihre Qualität wesentlich erhöht. Der bedeutendste Bericht über Manis System ist wahrscheinlich Abü ‘Isä al-Warräq zu verdan­ ken24, auf den die großen Berichte bei Ibn an-Nadim, Sahrastäni

und die kürzeren bei Ibn al-Murtadä und al-Ja‘qübi zurückgehen. Dieser Abü ‘Isä al-Warräq lebte im 9.Jahrhundert und ist als Theologe Manichäer geworden. An-Nadim hat seinen umfang­ reichen Bericht seinem Fihrist eingefügt25, der einen großen Literaturkatalog darstellt und von ihm 988 in Bagdad verfaßt worden ist. Von dem Theologen und Philosophen ai-Sahrastäni (1086-1153) stammt ein großes Sammelwerk «Buch der Reli­ gionsparteien und Philosophenschulen», das sich durch seine Sachlichkeit auszeichnet26. Ibn al-Murtadä (1363-1432/7?) hat die Manichäer in seinem Sammelwerk «Das übervolle Meer» auch behandelt27. Al-Ja'qübi (9. Jh.) erwähnt Mani in seinem Ge­ schichtswerk28. Auf sekundäre historiographische Quellen greift al-Mas‘üdi (gest. 956) in seinem großen enzyklopädischen Werk, das durch die Erfahrungen vieler Reisen und die Vielseitigkeit der

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behandelten Gegenstände bedeutsam wurde, zurück29. Als Wis­ senschaftler berichtet auch al-Birüni (gest. 1048) sowohl in sei­ nem Werk «Die verbliebenen Denkmäler der vergangenen Ge­ nerationen» als auch in seinem Buch über Indien30. Seine Angaben sind wegen ihrer großen Sachlichkeit besonders wichtig für die Geschichte vom Leben Manis und seiner Gemeinde. Die christ­ lichen arabischen Schriftsteller Eutychius, al-Makin und Barhebraeus bringen demgegenüber nichts Wesentliches31. Mit dem 20. Jahrhundert trat die große Wende im Quellen­ stande ein. In den islamischen Texten, die davon Zeugnis ablegten, daß im Zweistromland noch bis in das 10. Jahrhundert Manichäer vorhanden waren, fanden sich auch Nachrichten über ihre Mis­ sion in Zentralasien. Daß die Seidenstraßen Wege der großen Religionen, des Christentums, des Manichäismus und ganz be­ sonders des Buddhismus, gewesen sind, erbrachten die großen Expeditionen, die dorthin unternommen wurden. Vor allem die Forscher des Berliner Völkerkundemuseums hatten das Glück, auf vier Forschungsreisen32 zu Beginn dieses Jahrhunderts, die besonders dem Gebiet der Oase Turfan in Ostturkestan galten, neben anderem auch eine Menge manichäischer Texte zu finden. Allerdings traten dabei zwei Hauptschwierigkeiten auf Die Texte befanden sich zumeist in einem sehr schlechten Erhaltungszu­ stand; der größte Teil bestand aus Fragmenten. Außerdem waren die Schriften und Sprachen, in denen sie abgefaßt waren, wenig oder gar nicht bekannt, so daß nach der Restaurierung der Texte ihre Lesung und sprachliche Deutung mit großer Mühe und wissenschaftlicher Vorsicht erfolgen mußte. In genialer Weise hat F. W. K. Müller die manichäische Schrift entziffert und Pionier­ leistungen auf dem Gebiet der Edition und Dialektologie dieser Texte vollbracht. Ab 1912 wurden die Textmaterialien der Berliner Akademie der Wissenschaften übergeben, die zur Bear­ beitung der Turfanfunde aller Art gerade die Orientalische Kommission begründet hatte33. Es stellte sich heraus, daß die

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manichäischen Texte aus zwei Hauptgruppen bestanden, irani­ schen34 und türkischen Texten. Die türkischen waren in der Sprache des Staates35 geschrieben, auf dessen Boden sie gefunden wurden, dem Uigurischen; die iranischen teilten sich in west­ iranische und ostiranische. Die letzteren bedienten sich des Sogdischen, der in manichäischer Zeit gängigen iranischen Verkehrs­ sprache dieser Region. Als Kirchcnsprache verwandte man so­ wohl das von Mani selbst gebrauchte Mittelpcrsische als auch das Parthische, in das er Texte hatte übersetzen lassen. Auch einige neupersische Fragmente fanden sich36. In einem sonst uigurisch verfaßten Buch tauchte sogar eine tocharisch-türkische Bilingue auf, wie dies auch noch in einem iranischen Werk der Fall ist37. Die Turfantexte bieten uns sogar gewisse Reste aus Manis Originalschriften. Der Hauptteil stammt allerdings aus der Pro­ duktion, die seine lebendige Gemeinde von den Anfängen bis zu ihrem Untergang verfaßte und verwendete. Umfangreiche Quellen in chinesischer Sprache fanden sich in Tun-huang, einem der westlichsten Vorposten Chinas in der Provinz Kan-su; sie gehen zum Teil auf iranische Quellen zu­ rück38. Heute liegen diese Texte in London, Paris und Peking. Noch waren die Quellen aus Zentralasien längst nicht voll­ ständig ediert oder ausgeschöpft, da wurde an ganz anderer Stelle, in Ägypten, ein neuer, sehr umfangreicher Fund manichäischer Handschriften in koptischer Sprache gemacht39. Da dieser Fund in den Antikenhandel geriet, wurde er beim Verkauf hauptsächlich in zwei Teile getrennt, von denen je einer von dem Sammler Chester Beatty in Dublin und von den Staatlichen Museen in Berlin erworben wurde. Einige Blätter gelangten nach Wien. Wir haben es hierbei mit mindestens sechs Büchern zu tun, wahr­ scheinlich einer Laienbibliothek, die in Medinet Madi im Fajum gefunden wurde. Der Dialekt, in dem die Bücher geschrieben waren, war das Subachmimische oder, wie man ihn heute nach

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seiner Herkunft nennt, das Assiutische. Es ist denkbar, daß die Manichäer in der Stadt Assiut (Lykopolis) ihr oberägyptisches Zentrum besaßen und darum seinen Dialekt zu ihrer Missions­ sprache gemacht hatten. Die Erschließung dieser Texte war deshalb sehr schwierig, weil es sich um Bücher von sehr feinem Papyrusmaterial handelte, die in der Feuchtigkeit gelegen hatten. So mußte zunächst Blatt für Blatt vom Buchblock durch den Konservator H. Ibscher sorgfältig abgelöst werden; die Seiten waren aber so nachgedunkelt, daß sie nur mit Spiegel und Lupe gelesen werden konnten und, wie sich später herausstellte, auch kaum photographiert werden konnten. Als die sowjetische Besat­ zungsmacht 1945 die Berliner Bestände in die UdSSR schafFen ließ, gingen die noch nicht restaurierten Bände des Berliner Besitzes verloren. Die Edition der koptischen Manichaica konnte bis jetzt 620 Seiten erfassen, nur einen Bruchteil des Fundes. Eine ganz erstaunliche Entdeckung wurde in der Kölner Papyrussammlung gemacht. Hier tauchte Ende der sechzigerJahre ein griechischer manichäischer Codex auf, der auch*zur Erbauung von Laien gedient haben mag. Um seine Edition bemühen sich A. Henrichs und L. Koenen40.

Die Auswertung der Quellen Griechen, Christen und Zarathustrier hatten sich mit dem Mani­ chäismus als einer feindlichen Gruppe befaßt, die es zu bekämpfen galt. Insbesondere die Christen hatten ihn als einen gefährlichen Gegner mit allen Mitteln unterdrückt, weil sie in ihm die Krönung der gnostischen Häresien sahen. Ihre Interpretation, die diese Religion als eine von der Großkirche abgefallene Ketzerei darstellte, hat sich bis ins 19. Jahrhundert gehalten. Darum war es sehr gefährlich, mit irgendwelchen Meinungen in den Ruf zu kommen, man denke manichäisch. So war es Priscillian ergangen,

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der 385 in Trier hingerichtet wurde. Paulikianer, Bogumilen und Albigenser wurden von Byzanz bzw. der mittelalterlichen Kirche als Manichäer betrachtet; ob mit Recht, darüber streiten sich die Gelehrten immer noch. Im Zeitalter der Reformation wurde der Vorwurf des Manichäismus gegen den Lutheraner Matthias Flacius erhoben. Hatten einst Petrus Siculus und Photios wissen­ schaftliche Studien getrieben, um durch eine genaue Kenntnis des Manichäismus die Paulikianer zu bekämpfen, so trat nun umge­ kehrt ein Freund des Flacius auf, um ihn mit wissenschaftlichen Mitteln zu verteidigen. Cyriacus Spangenberg aus Mansfeld verfaßte 1578 seine Historia Manichaeorum. Mit dem 18.Jahr­ hundert begann eine neue Epoche der Forschung. Die christliche Polemik hatte besonders die Absurdität dieser Häresie heraus­ stellen wollen. So hatte auch noch P. Bayle in seinem «Dictionnaire historique et critique» (1697) gehandelt. Demgegenüber nimmt G. Arnold in seiner «Unparteyischen Kirchen- und Ketzerhistorie» von 1699/1700 eine neue Stellung ein. Er will, wie schon der Titel seines WerRes zeigt, in der Häresiologie neue Wege der Sach­ lichkeit beschreiten; er schafft damit geistige Voraussetzungen für das Werk von J. de Beausobre. Dieser hat mit seiner «Histoire critique de Manich6e et du Manichöisme» (1734-1739) das erste umfassende Werk der Neuzeit zum Manichäismus vorgclegt. Er beginnt zunächst damit, aufs neue die Quellen zu prüfen, und wendet sich dabei gegen den Vorrang, den man bislang den Acta Archelai eingeräumt hat. Er gibt überhaupt nicht viel auf die abendländischen Quellen, sondern möchte sich mehr auf die orientalischen stützen. Weil aber von diesen zu seiner Zeit nur sehr wenige und noch dazu weniger wichtige vorlagen, verbaute er sich den Weg, eine wirklich gesicherte Darstellung des mani­ chäischen Systems zu geben. Es ging damals mehr um eine Ehrenrettung der Manichäer. Die Diskussion hörte aber nun nicht mehr auf; schließlich kam J. L. Mosheim 1753 als Historiker von der alternativen zur eklektischen Wertung der Quellen; insbe­

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sondere aber legte er Wert darauf, daß man das Manichäerpro­ blem nicht zu einem konfessionellen Streit ausarten lassen sollte, in dem die Protestanten die Manichäer gegen die Katholiken verteidigten. Hatte also Beausobre einen neuen Ansatzpunkt für die Mani­ chäerforschung durch den Versuch einer Würdigung und durch den Hinweis auf orientalische neben christlichen Einflüssen ge­ setzt und Mosheim seine Einseitigkeiten in der Quellenkritik berichtigt, so konnte im 19. Jahrhundert durch einen der bedeu­ tendsten Theologen ein Werk verfaßt werden, das noch heute in die Hand jedes Manichäerforschers gehört. F. C. Baur löste in seinem Werk «Das manichäische Religionssystem, nach den Quellen neu untersucht und entwickelt» (1831) die Behandlung dieser Religion aus der Ketzergeschichte heraus und überführte sie in die Religionsgeschichte. Er ließ gerade die Fülle dogma­ tischen und mythologischen Materials, das sich mit Hilfe einer sorgfältigen Interpretation der griechischen und lateinischen Quellen herausarbeiten ließ, zu ihrem Recht kommen und bot aus ihnen ein Bild der Metaphysik und Kosmologie, Anthropo­ logie, Christologie, Soteriologie und Ethik der Manichäer. Im letzten großen Kapitel seines Buches versuchte er dann eine religionsgeschichtliche Einordnung, die den Manichäismus nicht nur mit dem Christentum, sondern auch mit dem Zoroastrismus, besonders aber mit dem Buddhismus in Verbindung brachte. Diese Einordnung war für Baur allerdings durch den Umstand erschwert - wenn nicht damals überhaupt noch unmöglich -, daß die wissenschaftliche Erforschung der iranischen und indischen Religionen noch in den Anfängen steckte. Daß Mani eine Kennt­ nis des Buddhismus besaß, kann man ja aus den Nachrichten erschließen, die von seinem Aufenthalt in der Kuschan-Provinz des iranischen Reiches und im Indusgebiet berichten. Wie weit sie auf ihn gewirkt hat, ist eine andere Frage. Neben der Auswertung und religionsgeschichtlichen Deutung

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der westlichen Quellen ging nun eine weitere Bearbeitung und Erschließung der orientalischen, insbesondere der arabischen, einher. Vor allem die kommentierte Ausgabe und Übersetzung des Abschnittes über Mani, die G. Flügel, der Herausgeber des Fihrist, als gesonderte Monographie veröffentlichte, trug sowohl zu einer verbesserten Kenntnis der Geschichte Manis und des Manichäismus als auch zur Erweiterung unserer Kenntnisse von seinem System wesentlich bet Neben dieses Werk trat am Anfang des 20. Jahrhunderts die beispielhafte Kommentierung der bei Theodor bar Koni erhaltenen Zitate aus Manis Kosmogonie durch F. Cumont. Die Texte bei aS-Sahrastäni und al-Birüni waren gleichfalls in wissenschaftlich brauchbaren Ausgaben und Übersetzungen herausgekommen. J.J. Overbeck begann die Pro­

saschriften des Syrers Ephräm zu edieren, deren Gesamtausgabe schließlich C. W. Mitchell und F. C. Burkitt vorlegten. Die Ausweitung des Materials über die abendländischen Quel­ len hinaus hatte bereits 1889 K. Kessler veranlaßt, eine umfas­ sende Arbeifzu beginnen, von der freilich (außer programma­ tischen und zusammenfassenden Aufsätzen) nur der erste Teil erschienen ist41. Dieser Teil beschäftigte sich mit den Problemen der Quellen zum Manichäismus, bei denen Kessler als Orientalist den Hauptwert auf die arabischen und syrischen legte, die Acta Archelai dabei aber in diesen Kreis mit einbezog unter der Voraussetzung, daß sie ursprünglich auf syrisch abgefaßt seien. Hatte man vorher schon Iran und Indien zur religionsgeschicht­ lichen Erklärung herangezogen, so war es nun Kessler, der auf die Einwirkung der mesopotamischen Hochreligionen hinwies und von den Ergebnissen der Assyriologie her die manichäische Mythologie deuten wollte; doch war diese Wissenschaft damals noch viel zu jung, um wirklich gesicherte Ergebnisse zu bieten. Auch als um die Mitte des 20. Jahrhunderts G. Widengren dieses Problem wieder aufnahm42, dürfte er nicht erfolgreich gewesen sein, weil die lebendige Verbindung zwischen der alten meso­

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potamischen Religion und dem Denken der Zeit Manis fehlt und man doch für geistige Bewegungen auch die historische Brücke müßte nachweisen können. Allerdings ging es Widengren nicht mehr darum, wie Kessler die Wurzeln des Manichäismus nur von Mesopotamien aus zu bestimmen, sondern um die Erfassung etwaiger mesopotamischer Elemente im Manichäismus. Denn er sah ja den Hintergrund der Gnosis überhaupt in Iran43. Die erneute Betonung des iranischen Elements wurde besonders von Vertretern der religionsgeschichtlichen Schule hochgespielt. In Göttingen arbeitete an der Edition der Turfantexte auch F. C. An­ dreas mit, der allerdings sehr zurückhaltend und vorsichtig war. Doch sein Kollege, der klassische Philologe R. Reitzenstein, der in gewisse Materialien Einsicht nehmen konnte, konstruierte ein iranisches Erlösungsmysterium, das die hellenistische Religiosität stark beeinflußt haben sollte44. Dabei bestärkte ihn in seiner Meinung die iranische Nomenklatur, die in den Turfantexten aufgetaucht war. Außerdem glaubte man, von Iran aus die Figur des «Urmenschen» (in westlicher Terminologie «der Erste Mensch», so auch in parthischen Texten, sehr oft in der iranischen Nomenklatur aber «Ohrmizd») ableiten zu können. Die religions­ geschichtliche Richtung unter den neutestamentlichen Exegeten nahm infolge mangelnder orientalistischer Kenntnisse diese In­ terpretation freudig auf45; in manchen Kreisen hat sie sich auch nach der Arbeit von C. Colpe noch gehalten46. Doch neben dieser spekulativen Deutung ging die Erschlie­ ßung des Materials zügig vorwärts. Sehr große Verdienste erwarb sich hier dank seiner Aktivität A. von Le Coq. Auf seinen Lesun­ gen und Publikationen konnten die speziellen Erforscher des Alttürkischen A. Bang-Kaup und seine Schülerin A. von Gabain ihre weiteren Interpretationen, sprachlichen Untersuchungen und Editionen aufbauen. Der Bestand an uigurischen Texten in Berlin dürfte jeet veröffentlicht sein47. Bei den iranischen Manichaica bildeten, wie schon erwähnt,

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der Umfang und die sprachliche Vielfalt einen sehr hemmenden Faktor. Dennoch hat W. Lentz in zwei umfangreichen Publika­ tionen Fragmente bearbeitet, die zum Teil mit Abschnitten aus der chinesischen Hymnenrolle inhaltlich oder auch textge­ schichtlich in Beziehung gesetzt werden konnten. Für das Chine­ sische übernahm die Bearbeitung E. Waldschmidt48. Die Zusam­ mengehörigkeit der Überlieferungsgruppen erhellt schon daraus, daß in der chinesischen Rolle auch Abschnitte enthalten sind, die phonetische Transkriptionen eines parthischen Textes darstellen; auch Reste der sogdischen Fassung konnten dabei beigebracht werden. F. C. Andreas selber, der Ordinarius für Iranistik in Göttingen und Lehrer von W. Lentz war, konnte sich allerdings nicht zu einer baldigen Edition der von ihm selber übernom­ menen Texte entschließen. Erst nach seinem Tode haben deshalb seine Schüler die von ihm immer wieder durchgearbeiteten und auch im Kolleg besprochenen Texte ediert. W. Henning, der diese Aufgabe speziell für die manichäischen Texte übernommen hatte, legte im Abschluß daran weitere eigene Editionen vor49. Infolgedessen konnte H. J. Polotsky, als er 1933 zusammen mit C. Schmidt einen Vorbericht über den Charakter der koptischmanichäischen Texte in der Akademie Berlin veröffentlichte, in seinen Interpretationen aus den Kephalaia bereits auf Material aus Turfan eingehen und offene Fragen klären50. Polotsky kam selber aus Göttingen und hatte auch bei Andreas gehört, so daß der Bearbeiter der Berliner koptischen Texte glücklicherweise zu­ gleich ein Urteil über die vorderasiatischen und zentralasiatischen Quellen besaß. Es war sicher auch ein Glücksumstand, daß der Fach Vertreter der Iranistik in Berlin ein besonderes Interesse an der Gnosisforschung hatte. H. H. Schaeder, der von der Semitistik und Islamkunde herkam, hatte 1927 eine Arbeit «Urform und Fortbildungen des manichäischen Systems» verfaßt, in der der Orientalist zum Erstaunen anderer, aber auch zu seinem eigenen Erstaunen zu dem Ergebnis kam: «Die gemeinhin als rein orien­

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talische Mysterienreligion angesehene Lehre Manis beruht auf einer an der hellenistischen Wissenschaft orientierten, begrifflich theoretischen Grundlegung»51. Die neuen koptischen Texte schienen seine These zu bestätigen, da in ihnen das aus dem Bericht des Alexander von Lykopolis bekannte BegrifFsgut Nus, Psyche, Hyle begegnete. Allerdings bildete es nicht die alleinige Ausdrucksform. Schaeder maß Mani allein an seiner Denkratio­ nalisierung52; ihm gegenüber haben allerdings Polotsky53 und Widengren54 recht, wenn sie es ablehnen, eine Religion allein danach zu beurteilen. Der rationale Charakter, der einer religiösen Gnosis innewohnt, darf freilich auch nicht vernachlässigt werden. Mani war nicht nur Prophet, sondern auch Theologe. Das Instru­ mentarium, zu dem die gnostischen und orthodoxen Theologen immer wieder gegriffen haben, ist die philosophische Ausdrucks­ weise der Griechen samt ihrem Mythos. Bereits 1934 erschien von Polotsky ein ausführlicher Artikel über den Manichäismus in einem Supplementband des Pauly-Wissowa, dessen Sonderaus­ gabe Schaeder zugeeignet war, ein schönes Zeichen der gegen­ seitigen geistigen Anregung. Diese Studie hatte Polotsky neben seiner Editionsarbeit verfaßt, mit der er zunächst unter dem Titel «Manichäische Homilien» eine Sammlung von Logoi aus dem Besitzteil von Chester Beatty veröffentlichte55. Aus der Berliner Sammlung gab er die ersten hundert Seiten der Kephalaia heraus56. Als er 1934 einen Ruf an die Universität Jerusalem annahm, trat an seine Stelle in der Arbeit für Chester Beatty C. R C. Allberry, ein Schüler des Manichäerforschers und Syrologen F. C. Burkitt, und in Berlin A. Böhlig, ein Schüler des Ägyptologen K. Sethe und des Koptologen C. Schmidt, der das Glück hatte, im Hinblick auf seine Tätigkeit noch von Polotsky selber in die Probleme des Manichäismus eingeführt zu werden und bei Schaeder die sprach­ lichen und historischen Grundlagen für die Kenntnis des irani­ schen Reiches und Zentralasiens erwerben zu können. Allberry edierte vor dem Zweiten Weltkrieg die zweite Hälfte des mani-

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chäischen Psalmbuchs57. Nach seinem Tode im Kriege wurde die Dubliner Sammlung zwar fast vollständig durch R. Ibscher konserviert, doch hat trotz wiederholter Bitten von A. Böhlig bis heute niemand seine Editionsarbeit fortgeführt. Von der Arbeit an den Kephalaia konnte die Edition der ersten Hälfte Anfang 1940 von A. Böhlig abgeschlossen werden. Ein erstes Doppelheft der zweiten Hälfte der Berliner Kephalaia konnte dann erst 1966 vorgelegt werden, da die Texte praktisch erst ab 1960 wieder zugänglich waren. Auf dem internationalen Orientalistenkongreß in Moskau 1960 hat A. Böhlig auch den damals erreichten Stand der Editionsarbeit an den koptischen Manichaica behandelt58. Über den jetzigen Stand der Arbeit an den Berliner koptischen

manichäischen Texten ist darüber hinaus nichts zu berichten. Die koptischen manichäischen Homilien hatten sowohl für die Geschichte Manis und seiner Gemeinde als auch für die manichäische Eschatologie neues Material beigebracht. Die Psalmen waren ein Zeugnis für das gesamte, nicht nur das liturgische Denken ddf Gemeinde. In einer ausführlichen Untersuchung glaubte T. Säve-Söderbergh eine enge Beziehung, wohl Abhän­ gigkeit, der Thomaspsalmen von den Mandäern festgestellt zu haben59. Das bestärkte eine Forschungsrichtung, die Mani über­ haupt von den Mandäern abstammen lassen wollte60. Sie wurde freilich dokumentarisch durch die Kölner griechische Manichä­ erhandschrift widerlegt, die eindeutig erweist, daß Mani im Kreis der Elkesaiten, einerjudenchristlichen Täufersekte, aufgewachsen ist, worüber A. Henrichs und L. Koenen, die Herausgeber der Schrift, sich ausführlich geäußert haben61. Über den Charakter der Kephalaia hat A. Böhlig verschiedene Untersuchungen ange­ stellt62. Ihr Charakter und ihre Methode der Darstellung hat bis jetzt wenig Verständnis gefunden, obwohl gerade sie eine sehr verbreitete Gattung manichäischen Schrifttums gewesen sind, worüber bei der Besprechung der manichäischen Literaturfor­ men noch zu handeln sein wird.

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Gleich nach dem Kriege begann die Arbeit an den manichäischen Turfantexten aufs neue. Hier wurde in internationaler Zusammenarbeit das vorhandene Material gesichtet und von M. Boyce, einer Schülerin W. Hennings, ein vollständiger «Catalogue of the Iranian manuscripts in Manichean script in the German Turfan collection» herausgegeben63. Außerdem hat sie in mühseliger Kleinarbeit die Texte der parthischen Hymnenzyklen gesammelt, übersetzt und eingeleitet64. Auch W. Henning setzte seine Editionstätigkeit fort65. Im Jahre 1973 trat dann auch die Berliner Akademie wieder selbständig mit der Publikation auf den Plan, in der W. Sundermann mittelpersische und parthische kosmogonische und Parabeltexte der Manichäer herausgab66. Die Frage, inwieweit die arabischen Texte primäre Quellen des Manichäismus darstellen, hatte bereits Schaeder gestellt. C. Colpe griff sie in einer leider nicht gedruckten Arbeit auf67; er glaubte, sie dahingehend beantworten zu können, daß im arabischen Manichäismus zwar sowohl westlich-christliche wie östlich-zo­ roastrische Tradition verwendet sei, daneben aber auch noch apokryphe arabische Legendentraditionen aufgenommen wor­ den sind. An den Persönlichkeiten des Ibn al-Muqaffa* und des Abü ‘Isä al-Warräq zeigt er, wie hier nicht Häresiologen, sondern über die Grenzen streng islamischen Denkens hinausgreifende Theologen sich um den Manichäismus bemüht und auf diese Weise Material vorbereitet haben, das die gelehrten Kompilatoren später Weitergaben. Mit christlichen Elementen haben sich E. Rose in einer unge­ druckten Dissertation über die Christologie des Manichäismus68 und A. Böhlig in einer gleichfalls ungedruckten Dissertation über die Bibel bei den Manichäern befaßt69. G. Widengren betonte weiter die Präponderanz der iranischen Komponente. Die chinesischen Texte, von denen Übersetzungen vorliegen, sind noch längst nicht im vollen Umfang und noch nicht in ihrer Eigenart interpretiert worden70. Sie können zwar nicht ohne

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weiteres wie anderes Traditionsgut zur Erklärung westlicher Texte herangezogen werden, doch gibt es genügend strukturelle und inhaltliche Gleichheit. Die Formgeschichte der manichäischen Tradition ist noch ein weites Feld für die Forschung. Mit ihrer Hilfe wird sich das von Schaeder gestellte Thema der Urform und Fortbildungen des manichäischen Systems weiter bearbeiten lassen, so daß schließ­ lich jedem manichäischen Text sein Sitz im Leben wird zugeteilt werden können und wir auf diese Weise andererseits auch Mani selber von seinen späteren westlichen und östlichen Nachfahren unterscheiden und diese wiederum miteinander werden verglei­ chen können. Der Lebensweg Manis

Mani wurde am 14. April 216 geboren. Sein Vater Pattek soll aus Ekbatana, dem heutigen Hamadan, stammen und seinen Wohn­ sitz später in Seleukia-Ktesiphon gehabt haben. Der Name seiner Mutter ist strittig. Aus einer vermuteten Abkunft der Eltern aus arsakidischem Geschlecht könnte eine Zurückhaltung gegenüber dem ersten Sassanidenherrscher Ardaschir zu verstehen sein. Doch läßt sich dafür kein Beweis erbringen. Wie die Legende erzählt, soll der Vater in einem heidnischen Tempel durch eine göttliche Stimme aufgefordert worden sein, kein Fleisch zu essen, keinen Wein zu trinken und sich von Frauen femzuhalten. Um dieser Aufforderung Folge zu leisten, schloß er sich einer der im Zweistromland vorhandenen Täufersekten an. Lange Zeit glaub­ te man, es habe sich dabei um die noch heute existierende Gruppe der Mandäer gehandelt. Denn in Manis Kephalaia wird von Täufern71, von «Reinen»72 und Nazoräem73 (Christen?) gesprochen, mit denen Mani sich auseinandersetzt. Außerdem stellte T. Säve-Söderbergh fest, daß zwischen den Thomaspsalmen, einem Teil des manichäischen auf koptisch erhaltenen

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Psalm buche«, und der mandäischen Hymnendichtung auffällige Parallelen bestehen74. Berücksichtigt man, wie stark die Mani­ chäer auf die von ihnen missionierten oder überhaupt in ihrer Umgebung befindlichen Religions- und Literaturformen einge­ gangen sind, so braucht man sich nicht zu wundern, wenn mandäische Elemente auch Eingang in den Manichäismus gefun­ den haben, ohne daß Mani selbst Mandäer gewesen ist. Außerdem besteht die Schwierigkeit der genauen Bestimmung einer Abhän­ gigkeit zwischen Mandäismus und Manichäismus darin, daß der Mandäismus später vom Manichäismus beeinflußt worden ist. Wie man bereits aus dem Fihrist des an-Nadim hätte schließen können, jetzt aber aus dem griechischen Mani-Codex der Kölner Papyrussammlung eindeutig sieht, ist Manis Vater in die Sekte der Elkesaiten eingetreten, eine Gemeinschaft judenchristlicher Täu­ fer75. Diese Gemeinschaft war missionarisch sehr aktiv und be­ mühte sich nicht nur um ihre Verbreitung im Perserreich, sondern war sogar bis Rom vorgedrungen. Mani kann von ihr Impulse für seine Weltmission erhalten haben. Auch die bei ihm vorhandene Anknüpfung an die Urväter des Alten Testaments Adam, Seth, Enosch, Henoch, Sem kann aus dieser Quelle stam­ men. Mani selbst war nach seiner Geburt noch vier Jahre bei seiner Mutter geblieben. Doch dann holte ihn sein Vater zu sich und reihte ihn unter die Täufer ein, in deren Gemeinschaft er lebte, bis er bald nach Vollendung seines vierundzwanzigsten Lebensjahres aus ihr ausschied und eine eigene Lehre predigte. Die Zeit bei den Elkesalten war für seine Entwicklung von besonderer Bedeutung. Zweimal, mit zwölf und mit vierundzwanzig Jahren, hatte er eine Erscheinung, in der ihm sein «Zwilling» begegnete76. Wie der Kölner Codex erweist, wollte Mani die Elkesaiten reformieren77. Er legte sogar Lehren, die für ihn typisch sind, dem Elkesai in den Mund. Z. B. pflegten die Elkesaiten ständig Waschungen vorzu­ nehmen; sie wuschen bzw. tauften auch das Gemüse, das sie in

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ihren Gärten zogen und nicht nur für sich selbst verwendeten, sondern auch in der Stadt verkauften. Mani wandte sich aber gegen die Taufe und die Waschungen überhaupt, weil er darin eine Schädigung der Lichtelemente erblickte. Nach seinen Wor­ ten hatte bereits Elkesai, als er badete, eine Erscheinung, die ihn auf die Sündhaftigkeit einer solchen Handlung hinwies. Mani hat die von den Täufern vorgenommenen Waschungen im Rahmen eines großen kosmischen Geschehens betrachtet und kritisiert. Von der Sabbatruhe der Hände aus scheint er zu der Radikali­ sierung gekommen zu sein, daß die Hände überhaupt keine Arbeit verrichten sollten78. Die rituelle Verwendung eines be­ stimmten Brotes lehnte Mani ab, so daß die ElkesaTten ihn fragten, ob er «Griechenbrot» essen wolle. Seine Gefährten aus der Täu­ fersekte bemerkten eben, daß er ihre Gebräuche nicht innehielt. So nahm er sich auch nicht selber Gemüse aus dem Garten, sondern bat sie darum wie um eine fromme Gabe. In der Reihe der Offenbarer, die nach Manis Meinung dem Elkesai vorangingen, ist auch Jesus Christus zu finden, so daß Mani nach Mißlingen der von ihm angestrebten Reformierung des Elkesai'tentums selber als die Erfüllung der im Johannesevangelium gegebenen Parakletenverheißung79 auftreten konnte. Schon Elkesai hatte sich selbst mit seinem Namen metaphysisch begründen wollen. Epiphanius gibt dem Namen Elkesai die Deutung «die verborgene Kraft»80, eine Interpretation, der noch in der Gegenwart die Mehrheit der Gelehrten folgt. Wenn Mani sich dann aber einer anderen Richtung des Chri­ stentums zuwandte, nämlich den «Griechen», so kann man in dieser den Markionitismus sehen. Das erscheint auch deshalb sehr wahrscheinlich, weil Mani so großen Wert auf Paulus legte, was in einer judenchristlichen Gemeinde nicht denkbar wäre. Mit dem in den Kephalaia zitierten «wirklich Gerechten, der zum Reich gehört», dürfte eben Markion (2.Jh.) und nicht etwa Elkesai gemeint sein81. Über eine Abhängigkeit Manis von Bar-

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desanes (2/3. Jh.) herrscht unter den Gelehrten Uneinigkeit82. Ganz gleich aber, ob Bardesanes als Gnostiker zu betrachten ist oder nicht, seine geistige Ausstrahlung, wie sie uns Ephräm Syrus bezeugt, muß doch so groß gewesen sein, daß man einen Einfluß von ihm auf Mani schwerlich ausklammern kann. Mani war freilich kein Intellektueller, der aus philosophischen Elementen ein System aufbauen und dann verbreiten wollte. Er fühlte sich ganz als Prophet Wie bereits erwähnt, war ihm nach Vollendung seines zwölften Lebensjahres sein alter ego erschienen, hatte ihn über seine eigentliche Existenz und seine Aufgabe aufgeklärt, ihn aber auch gehalten, bis er die volle Reife erreicht habe, noch unter den Elkesalten zu bleiben. Die Zeit der Ge­ schäftsfähigkeit begann damals mit fünfundzwanzig Jahren. Mani blieb in der Tat bis über die Vollendung seines vierundzwanzigsten Lebensjahres hinaus bei den Täufern, führte aber bereits einen Lebenswandel, der den Offenbarungen seines «Zwil­ lings» entsprach. Daraus entstanden schließlich, wie schon er­ wähnt, Differenzen zwischen ihm und seiner Gruppe. Als er vierundzwanzig Jahre alt geworden war («als mein Leib seine Vollendung erreicht hatte»)83, erschien ihm sein «Zwilling» aufs neue. Er befahl ihm jetzt, von nun an selbständig aufzutreten und Mission zu treiben. Dieses himmlische alter ego, als «Zwilling» oder «Paargenosse» bezeichnet, wird in den manichäischen Schriften auch mit dem johanneischen Parakleten identifiziert. Bei der Offenbarung vereinigt sich Mani mit seinem alter ego, so daß auch er selbst mit Recht als Paraklet angesehen werden kann. Er wird sich bereits selber so verstanden haben84. Noch unter Ardaschir (224-242), aber wohl zu einer Zeit, als bereits Schapur I. (240273) zum Mitregenten gekrönt war, begann Mani dann zu wirken. Zunächst wandte sich Mani nach Indien. Dort war er in Turan und Makran tätig. Dabei soll er den Turanschah bekehrt haben85. Wichtig war die Begegnung mit dem Buddhismus in diesem Lande. Die manichäische Hagiographie spricht sogar davon, daß

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er vom dortigen Herrscher als Buddha angesehen wurde86 und mit seiner Lehre Erfolg hatte, während in den Kephalaia auch von Schwierigkeiten die Rede ist87. Als Ardaschir starb und Schapur I. vollgültig sein Nachfolger wurde, kehrte Mani aus Indien zurück; er landete in Rew-Ardailr88, begab sich in die Persis, dann nach Babylonien, anschließend nach Mesene und Susiana. In Mesene gewann er den Herrscher Mihrschah89; beim Großkönig führte ihn dessen Bruder Peröz ein90, den er wohl in Marw als Statthalter von Chorasan kennengelernt hatte. Schapur I. hatte die Absicht, das iranische Großreich nach allen Seiten auszudehnen und zu­ gleich innerlich zu festigen. Gerade für diesen Zweck schien ihm Mani recht geeignet. Denn dieser entstammte mit seiner gege­ benenfalls iranisch aufgeputzten gnostischen Religion einer Gei­ steswelt, die auch im Osten des Römerreiches viel Anklang fand. Für den Osten eignete sich sein Glaube gerade wegen der Ele­ mente, die entweder dem Buddhismus entsprangen oder durch ihn bestätigt wurden. Das synkretistische Selbstbewußtsein, cha­ rakteristisch für das Selbstverständnis Manis, mit dem er sich als den Vollender und Erfüller der drei großen Religionen Bud­ dhismus, Zoroastrismus und Christentum betrachtete, konnte ihn als eine geistige Klammer für das iranische Reich erscheinen lassen. Lange Zeit durfte er dem Gefolge des Großkönigs ange­ hören91. Außerdem war es ihm möglich, innerhalb der Reichs­ grenzen bzw. der Einflußsphären des Reiches zu missionieren. So konnte er außer in den schon genannten Provinzen auch in Medien und Parthien und wohl ebenfalls im Kaukasus Mission treiben. Nach dem Tode Schapurs (273) scheint Mani auch unter der Herrschaft seines Nachfolgers Hormizd I. keinen Schwierig­ keiten ausgesetzt gewesen zu sein, doch dauerte dessen Herrschaft nur ein Jahr (273-274). Ihm folgte sein Bruder Bahram I. (274-276/77). Von Hormizd-Ardaschir (Süq al-Ahwäz) in der Susiana aus wollte Mani nun Kuschan aufsuchen92, worunter wohl Chorasan zu verstehen ist, dessen Gouverneur den Titel

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Kuschanschah führte Ob sich Mani hier wohl in Sicherheit bringen wollte? Die Reise wurde ihm jedenfalls verboten93. Voller Zorn und Kummer kehrte Mani nach Hormizd-Ardaschir zurück und begab sich dann nach Mesene. Er wußte, daß er sich nun auf seiner letzten Reise befand94. Mani reiste nach Ktesiphon, um von dort nach Belabad zu gehen. Er wollte sich dabei mit einem Unterkönig Baat treffen95, der sich seiner Lehre angeschlossen zu haben scheint und sich ebenfalls dort einfinden wollte, es aber dann vorzog, fernzu­ bleiben. Das wurde später dem Mani vom König vorgeworfen96. Bahram nahm wahrscheinlich von vornherein eine feindliche Haltung gegen Mani und seine Lehre ein und sah von ihr eine destruktive Wirkung für sein Reich ausgehen, in dem die Magier und ihre Oberen inzwischen einen bestimmenden Einfluß ge­ wonnen hatten. Schließlich widersprach ja die Lehre Manis und die aus ihr abgeleitete Ethik vollkommen dem feudalistischen Lebensstil. Die Verwerfung der Fortpflanzung, die aus der Furcht, Lichtteile zu schädigen, entspringende Ablehnung der Jagd, ja praktisch schon des ritterlichen Sports mußte in dem Augenblick zu Auseinandersetzungen führen, in dem Mani seine Lehre der herrschenden Kriegerschicht nahebringen wollte. Für Unterta­ nen nichtiranischer Mentalität mochte sie brauchbar sein als Mittel, um Menschen zu beherrschen. Nach al-Birüni sagte Bahram97: «Dieser Mensch ist ausgezogen mit der Aufreizung zur Zerstörung der Welt. Deshalb ist es nötig, daß wir mit der Zerstörung seiner selbst anfangen, ehe ihm etwas gerät von dem, was er beabsichtigt.» In der Diskussion, die vom König und Mani mit äußerster Schärfe geführt wird, bricht der ganze Gegensatz von weltlicher und geistlicher Macht auf Insbesondere das Selbstbewußtsein Manis, daß er von Gott erleuchtet sei, verärgert den Großkönig, der darin die Überheblichkeit eines Untertanen erblickt, der sich selbst unberechtigte Qualitäten zuspricht. Hier stoßen die Gegensätze von König und Prophet aufeinander. Es

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hilft Mani auch nicht, daß er sich auf König Schapur beruft, der ihm seine Unterstützung gewährt hatte. Gewiß wurde die Stim­ mung gegen Mani noch angeheizt von den Anklägern. Die uns erhaltenen Texte sind hier in der Schilderung verhältnismäßig konkret98. Sie zeigen, wie die Anklage auf dem Dienstwege erfolgte. Die Magier, die Mani in Belabad eintreffen sahen, wandten sich an den Obermagier Karder. Dieser zog noch einen Kollegen bei. Neben dem Obersten der Obermagier (möbadän möbad) stand ja noch der Oberste der Feuerpriester (herbadän herbad). Hatte ersterer besonderen sittlichen und geistlichen Einfluß auf den König, so war letzterer nicht nur ein Mann mit kultischen, sondern auch juristischen Funktionen. Kein Wunder, daß bei einem schwierigen Religionsprozeß diese beiden Männer als Vertreter von staatskirchlichen Ämtern sich an den Wesir wandten, der dem König die Lage vortrug, worauf dieser Mani zitieren ließ99. Der Zorn des Königs führte schließlich dazu, daß Mani schwer gefesselt ins Gefängnis geworfen wurde100 und dort nach 26tägiger Haft starb101. Er hatte allerdings noch die Mög­ lichkeit, Besuche zu empfangen und dabei seine Gemeinde auf sein Ende vorzubereiten102. In welches Jahr der Tod Manis zu setzen ist, bleibt freilich umstritten. Man schwankt zwischen 276 und 277103

Glaube und Theologie Manis Wie im vorangegangenen Abschnitt geschildert, hatte Mani eine Fülle von Möglichkeiten, sich religiös und intellektuell anregen zu lassen. Deshalb reiht er sich in die Skala der Hochreligionen ein, ja sieht sich als ihren Vollender an. Buddhismus, Zoroastrismus und Christentum hatte er auf seinen Reisen im iranischen Reichs­ gebiet kennenlernen können, ebenso wie die Juden, die Christus ans Kreuz geschlagen hatten104 und die er ablehnte. Das Chri­ stentum hatte er in mannigfaltigen Spielarten wirken sehen. In der

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Jugend im Kreise judenchristlicher Täufer aufgewachsen, hatte er sich wahrscheinlich einem gnostischen Christentum zugewandt, wohl dem des Markion. Aber auch philosophierende Richtun­ gen, wie die des Bardesanes, mögen ihn beeinflußt haben. Zu­ gleich war für ihn das Problem der Echtheit der Überlieferung relevant. Hatte er bei den Zoroastriern beobachtet, daß die Sammlung des awestischen Materials eine noch unbewältigte Aufgabe war, so sah er erst recht am Christentum und gerade an Markion, auf wie schwachen Füßen die Tradition der Kirche stand. Vielleicht hatte er auch von judenchristlichen Gruppen die Lehre von den falschen Perikopen kennengelernt, d. h. daß man gewisse Teile wie die Opfergesetze oder Stellen mit Anthropo­ morphismen für Gott als unecht aus dem Kanon ausschied. Wahrscheinlich stand hier das Judenchristentum in Auseinander­ setzung mit Markion105. Dieser hatte von seiner Theologie aus die Überlieferung gereinigt und dadurch einen eigenen Kanon ge­ schaffen. Mani mag sich dessen bewußt geworden sein, daß hiermit eine Notlösung geschaffen wurde Denn mochten auch Markions Glaube und Theologie diesen veranlaßt haben, seinen Kanon gerade so zu gestalten, einen wirklichen Beweis von der Dokumentation her hatte er nicht beibringen können. Darum griff Mani von vornherein zu dem einzig möglichen Mittel, die Authentizität seiner Lehre zu gewährleisten. Er verfaßte selbst Schriften, die er in einem Kanon zusammenfaßte und über deren Umfang er genaue Angaben machte. Darüber wird bei der Behandlung des manichäischen Schrifttums noch im einzelnen zu sprechen sein; dabei ist dann auch von der Heranziehung bibli­ schen und apokryphen Materials zu handeln106. Neben dem Kanon hatte sich im Christentum bis zur Zeit Manis auch das Bekenntnis herausformuliert, wobei es sich aller­ dings nicht um eine starre Formel, sondern um eine bewegliche, in ihrer Gestaltung entwicklungsfähige «Glaubensregel» handelte. Sie faßte die Hauptdaten der christlichen Heilsökonomie zusam­

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men. Manis Mythos vom großen Geschehen im All, von dem Sein im Heil und der Rückkehr ins Heil nach schwerem Kampf, kann in Parallele zur Glaubensformel des Christentums gesetzt werden. Auch das christliche Glaubensbekenntnis kann ja als Anerkennung einer Handlung betrachtet werden, in der am Anfang der Schöpfergott, in der Mitte der Zeit Jesus Christus als der Heiland und in der Gegenwart des Bekennenden der Geist und die Kirche stehen, wobei der Gläubige auf das Ende der Welt ausschaut. Steht im Zentrum der christlichen Aussage Jesus Chri­ stus und die Erlösung der Menschen durch seine Opfertat, so geht es im Manichäismus um die Darstellung eines großen kosmo­ logischen Ablaufs, von dem aus alles Geschehen in Mensch und Natur erklärt werden kann. Auch dem Manichäismus liegt dabei an der Erlösung des Menschen, da gerade in ihm Lichtteile gefesselt sind, deren Ausläuterung notwendig ist. Wer manichäische Schriften - auch damals - mit Gewinn lesen wollte, mußte den Mythos im Gedächtnis haben. Das zeigt die manichäische Gemeindeliteratur deutlich107. Mythen, die das Heilsgeschehen darstellten oder die kosmologischen Prozesse schilderten, gab es in der Antike zur Genüge. Besonders der Gnostizismus hatte sich dieses Stilmittels bedient. Darum war es nicht verwunderlich, wenn ein Kirchengründer mit gnostischer Theologie sich auch dieser Ausdrucksform bediente. Mani gehört der Gruppe von Gnostikern an, die Licht und Finsternis, Gut und Böse als ursprüngliche Gegensätze ansehen. Ob das ein Einfluß iranischer Gedankenwelt ist, muß gefragt werden, wenn man an seine etwaige Abstammung aus dem Arsakidenhause denkt Es kann aber auch eine scharfe dialektische Zuspitzung entscheidend gewesen sein. Die Ausgangsposition Manis ist, daß sich Licht- und Finster­ nisreich gegenüberstehen. Im Lichtreich herrscht der Vater der Größe. Er hat fünf Wohnungen bzw. Glieder: Nus, Denken, Einsicht, Gedanke, Überlegung. Zwölf Äonen umgeben ihn, die



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zu dritt auf die vier Himmelsrichtungen verteilt sind. Man kennt auch die Vorstellung, daß der Vater auf einer Lichterde und in einer Lichtluft wohnt, die nicht geschaffen, sondern mit dem Vater gleich ewig sind.

Die Gegenseite bildet das Reich der Finsternis. Es wird vom König der Finsternis beherrscht. Dieser ist tiergestaltig und ein Produkt der Hyle, des Gedankens des Todes. Fünf finstere Ele­ mente befinden sich im Reich der Finsternis: Rauch, Finsternis, Wind, Wasser, Feuer. Die Eigenart dieses Reichs ist seine Unruhe und Uneinigkeit. Deshalb wird dasjesuswort: «Wenn ein Reich in sich uneins ist, kann es nicht bestehen» auf das Finsternisreich gedeutet108. Im Verlaufe ihrer ständigen inneren Kämpfe erblickt die Finsternis das Licht und wünscht, es sich einzuverleiben. Als der Vater der Größe diese Absicht bemerkt, gerät er zunächst in Verlegenheit. Denn er ist nur auf Frieden mit allen Größen eingestellt. Dann beschließt er aber, nicht Teile seines Reiches als Heer abzuordnen, sondern selber den Kampf aufzunehmen. Dazu beruft er aus sich die Mutter des Lebens (oder «der Lebendigen» im Semitischen ist das Wort doppeldeutig109), die auch der große Geist heißt (man beachte, daß «Geist» im Semitischen feminin ist!), und diese beruft wiederum den Ersten Menschen. Wir haben hier die Genealogie Vater-Mutter-Sohn vor uns, die als Götterdreiheit im Vorderen Orient verbreitet war. Der Vater erscheint also zum Kampf in der Gestalt des Sohnes, der sich mit seinen Elementen als Rüstung umgibt, die insgesamt die Lebendige Seele bilden. Es sind dies zugleich die Glieder der Lichterde, die den Elementen des Finsternisreiches gegenüberstehen: Luft, Wind, Licht, Wasser, Feuer. Beachtlich ist die Zahl von fünf Elementen, die ja auch schon bei Aristoteles durch Hinzufügung des Äthers zu den vier bekannten Elementen der Antike vorkommt110. Der Kampf zwischen dem Ersten Menschen nebst seinen Elementen und den Mächten der Finsternis endet zunächst mit

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der Überwältigung des Ersten Menschen und seiner Rüstung, der Lebendigen Seele. Aber so wie damals die Christen das Kreuz Christi nicht als ein Zeichen der Niederlage, sondern des Sieges ansahen, so betrachten auch die Manichäer die Gefangennahme des Ersten Menschen nicht nur als ein Leiden des Lichts, sondern auch als eine Fesselung der Finsternis, die durch die Verschlingung der Lichtelementc ja von ihrem Angriff gegen das Lichtreich abgelenkt worden ist. Dieser Akt begründet die Notwendigkeit der Erlösung. Denn es kommt nun darauf an, Licht und Finsternis wieder zu trennen, zugleich aber nicht einfach wieder den vorhe­ rigen Zustand herzustellen, sondern auch dafür zu sorgen, daß ein Angriff der Finsternis auf das Licht nie mehr stattfinden kann. Der Dualismus Manis ist also ein optimistischer Dualismus. Die Befreiung des Lichtes geht in mehreren Akten vor sich. Zunächst muß der Erste Mensch befreit werden, dann müssen die Vorbereitungen für die Ausläuterung der Elemente getroffen werden, ferner muß diese Ausläuterungsmaschinerie in Gang gesetzt werden, und schließlich muß in einem eschatologischen Akt mit dem Abschluß der Ausläuterung der endgültige Zustand hergestellt werden. Für die Durchführung der Befreiung wird zuerst eine neue Götterdreiheit berufen: der Geliebte der Lichter, der Große Baumeister und der Lebendige Geist. Der letzte hat den Ersten Menschen zu erlösen. Er steigt herab und spricht ihn an, worauf dieser hört bzw. antwortet Der Ruf und das Hören werden personifiziert Ihre syrischen Bezeichnungen sind doppeldeutig, weil man ihren Konsonantenbestand verschieden vokalisieren kann, entweder als Partizip des Aktivs oder des Passivs111. Die passive Bedeutung «der Gerufene, der Geantwortete» ist in parthischen Lehrtexten zu finden, während im chinesischen Traktat die aktive Wendung «der Rufende, der Hörende bzw. Antwor­ tende» neben Transkriptionen der iranischen passivischen Formen vorkommt. Die koptischen Texte haben den Infinitiv «das Rufen,

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das Hören», was als eine mittlere Lösung angesehen werden kann, gibt doch der Infinitiv die Handlung als solche wieder, wobei die aktive oder passive Deutung offen bleibt. Ruf und Antwort steigen schließlich gemeinsam aus der Finsternis empor und vereinigen sich mit den himmlischen Größen, der Ruf mit dem Lebendigen Geist, die Antwort mit der Mutter des Lebens. Doch es bleibt noch die Ausläuterung der Elemente übrig. Um dafür Vorkehrungen zu treffen, begeben sich der Lebendige Geist und die Mutter des Lebens hinab in das Reich der Finsternis. Sie besiegen die Archonten des Finsternisreiches und gestalten aus ihren Leibern den Kosmos. Es ist sehr zu beachten, daß der Demiurg, der Gestalter der Welt, im Manichäismus eine positive Wertung erfahrt Es werden zehn Himmel und acht Erden geschaffen. Damit der Kosmos aber in seinen richtigen Ordnungen bleibt, werden vom Lebendigen Geist fünf Söhne eingesetzt: der Splenditenens, der große König der Ehre, der Licht-Adamas, der König der Herr­ lichkeit und der Atlas. Der erste hält den Kosmos, während der letzte ihn trägt, so daß der Weltbrand entsteht, wenn am Weit­ ende beide ihre Tätigkeit einstellen. Die Finsterniskräfte greift der Lebendige Geist auf verschiedene Weise an. Soweit sie nicht zur Herstellung der Welt verarbeitet sind, heftet er sie am Himmel an. Durch die Kleider des Windes, Wassers und Feuers fegt er die drei Fähren, das böse Wasser, die Finsternis und das böse Feuer, auf die Erde. Wenn sich die entsprechenden Elemente der Erde hinzu­ gesellt haben, fegt er sie hinaus aus der Welt in dafür vorbereitete Gräben. Der Splenditenens hatte die Aufsicht über den achten, neunten und zehnten Himmel erhalten, der große König der Ehre, der im siebenten Himmel sitzt, die über die übrigen HimmeL Der König der Herrlichkeit wurde über die drei Räder des Windes, Wassers und Feuers gesetzt, hatte doch der Lebendige Geist die Kleider des Windes, Wassers und Feuers abgelegt und sie unterhalb aller Dinge deponiert. Von dort sollten sie in der dritten

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Epoche über die Erden hinauf emporsteigen zu ihrem Ruheort. Während der Lebendige Geist aus geläutertem Licht Sonne und Mond gestaltet, sind die Sterne, sowohl die Planeten als auch die Tierkreiszeichen, Archonten. Das erweist sich schon allein darin, daß sie einander feind sind. Sie sind am «Rad der Sphäre» ange­ bracht Ist so die Maschinerie für die Ausläuterung geschaffen, wird jetzt eine Gottheit benötigt, die sie in Bewegung setzt. Wie das auch sonst aus gnostischer Literatur bekannt ist, hatten sich schon vorher die bereits vorhandenen Emanationen an den Vater der Größe gewandt, um eine neue Emanation zu erbitten. Der Vater gewährt ihre Bitte und beruft den Gesandten. Als Emanation, die die dritte Weltepoche einleitet, wird er auch direkt als «Dritter Gesandter» bezeichnet. Er nimmt selbst Platz im «Schiff der Sonne», Jesus der Glanz im «Schiff des Mondes». Der Gesandte erscheint nun den Archonten, die ja sowohl Männer wie Frauen sein können, je nachdem entweder als schöner Mann oder als schöne Frau, um sie sexuell zu erregen. Es gibt auch die Vorstel­ lung, daß im Schiff zu diesem Zweck eine Lichtjungfrau oder zwölf Lichtjungfrauen wohnen; hier kann eine Gottheit also nach ihren Funktionen verwandelt werden. Die Begierde der männ­ lichen und weiblichen Archonten äußert sich nun darin, daß sie das Licht, das sich in ihnen befindet, von sich geben. Die Begierde, die Personifikation des Bösen, die hinter allem Handeln der Archonten steht, versucht, sich dem Licht, das sie sieht, beizumischen. Das gelingt ihr, doch nicht der Versuch, zu den Archonten zurückzukehren. Während so von dem, was die Archonten von sich geben, ein Teil ins Meer fällt, der andere auf die Erde, wird letzterer zu den Pflanzen; was sich aber im Meer sammelt, wird zu einem Ungetüm, etwa wie die Tiamat der Babylonier, das vom Licht-Adamas unterworfen wird. So wirkt sich die sexuelle Erregung der männlichen Archonten aus. Die weiblichen Archonten haben aus dem gleichen Grund Fehlge-

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bürten, die auf die Erde fallen, dort herumlaufen und von den Bäumen essen, so daß sie Hyle zu sich nehmen. Diese Aborte bilden eine Gruppe, an deren Spitze das Herrscherpaar Saklas und Nebrofil112 steht. Um sich mit einem Schild gegenüber Gott zu umgeben und möglichst lange die Ausläuterung des Lichtes zu verzögern, schaffen diese das Menschenpaar Adam und Evi Dazu lassen sich Saklas und Nebroöl von ihren Genossen die Kinder geben, verzehren sie, koitieren und erzeugen auf diese Weise die ersten Menschen, die nun auf der Erde durch ihren Handel und Wandel die Lichtteile quälen. Es gibt aber auch einen Mythos, der, anknüpfend an bekannte gnostische Traditionen, die Belehrung des Menschen schon in die älteste Zeit verlegt. Adam liegt, so heißt es, zunächst wie tot da und hat kein Bewußtsein. Da naht sich ihm Jesus der Glanz und erweckt ihn. Hier wirkt Jesus, der bei den Manichäern wie ebenfalls sonst im Gnostizismus oft auch eine kosmische Rolle spielt, in seiner eigentlichen Funktion als Lehrer und zugleich als Däm onenaustreiber. Aber nicht nur der Mensch in seiner Verlassenheit und Unter­ drückung durch die Archonten muß geläutert werden; gerade der Manichäismus bietet in seinen Spekulationen ein eindrucks­ volles Bild davon, wie überall im Kosmos Licht und Finsternis vermischt ist und was für Kanäle zur Bergung des Lichts und Abscheidung der Finsternis dienen. Auch die Schüler Manis haben sicher darüber noch weiter spekuliert. Denn, wenn man sich auch klar war, mit welchen Mitteln der Askese man Licht aus dem Menschen befreien und das übrige Licht dabei möglichst wenig schädigen konnte, so kam es doch darauf an, das befreite Licht auch aus der sublunaren Welt empor und noch weiter in die Höhe zu leiten. Dazu beruft der Dritte Gesandte die «Säule der Herrlichkeit», an der die Lichtteile emporsteigen können. Sie nehmen zunächst im Mond Platz, um bei abnehmendem Mond zur Sonne hinübergebracht zu werden und von dort dann ins

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Paradies. Bei einem kosmischen Wirken hat Jesus der Glanz, der im Mond sitzt, eine ähnliche Funktion wie der Dritte Gesandte, die es ermöglicht, ihn gegebenenfalls auch an seine Stelle zu setzen. Das ist im nordafrikanischen und im chinesischen Manichäismus der Fall. Man braucht darin nicht eine Form der Missionsmethode zu sehen, sondern muß sich nur über den im mythologischen Polytheismus vorzufindenden Monotheismus im klaren sein. Am Erlösungswerk sind auch der Erste Mensch und die Mutter des Lebens beteiligt. Der König der Herrlichkeit nimmt ebenfalls unter dem Dritten Gesandten seine Arbeit auf Nicht zuletzt erhält der Große Baumeister den Auftrag, für die bösen Mächte einen neuen Bau, ein Gefängnis, zu errichten. Nach dem Weitende soll er als die Stätte dienen, in der die Finsterniskräfte für immer gefesselt sein werden und von der aus sie nie mehr einen AngrifT gegen das Licht ausführen können. Über diesen Bau aber soll der Große Baumeister noch das neue Paradies für die Lichtgötter errichten. Wenn die Lichtteile in der Welt dann so weit ausge­ läutert sind, daß sie sich in der letzten Statue zusammengefunden haben, dann tritt das Weitende ein. Ein Weltbrand von 1468 Jahren wird stattfinden und schließlich und endlich wird die Finsternis in einem Klumpen zusammengepackt werden, bei dem auch gewisse sündige Seelen bleiben. Die christliche Polemik macht darum den Manichäern den Vorwurf, bei ihnen habe Gott einen Verlust erlitten. Diese außerordentlich breit ausgeführte Form des Mythos ist weniger das Produkt zügelloser Phantasie als vielmehr der Ver­ such, in kosmischer Schau die Grundprobleme menschlicher Existenz zu sehen. Hinter dem manichäischen Mythos steht sicher ein Gedanke, der auch sonst schon in der Gnosis begegnet. Der Nus (Geist) und die Seele befinden sich im Kampf gegen die Hyle. Das Problem des Manichäismus ist ja die Rettung der «Leben­ digen Seele», eben der Elemente, die mit der Finsternis vermischt wurden. Deshalb muß der Gesamtkosmos in Licht und Finsternis

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geschieden werden; denn er enthält ja die Weltseele, die in ihrer Gesamtheit befreit werden muß. Die dualistische Ideologie Manis macht sich dabei die platonische Lehre von der Weltseele zunutze und bedient sich ihres ambivalenten Charakters, um das Leiden des Lichts in ihrer Verbindung mit der Finsternis darzustellen. Aus der Ambivalenz ist auch zu erklären, wenn Seelen nicht zum Heil kommen. Die «Lebendige Seele» ist die Seele des einzelnen Menschen, aber auch der Lichtteil, der irgendwo in der Welt verstreut ist, und zugleich die Summe aller dieser Teile als Welt­ seele, die insofern auch ein Organismus ist. Schon in der Philosophie ist die zur Erlösung der Seele verhel­ fende Größe der Nus, d. h. der Geist. Im Manichäismus hat die Geistphilosophie mythologische und darüber hinaus in der Ek­ klesiologie praktische Form angenommen. Der Nus ist ja der erste Seelenteil Gottes. Bei der Erlösung der Welt kommt ihm zusätz­ lich zu allen mechanischen Reinigungsvorgängen eine besondere Bedeutung zu. Die Jesus bzw. Christus auch sonst in der Gnosis neben einer kosmologischen zugeschriebene besondere Bedeu­ tung als Lehrer läßt den Nus schon im LichtschifF eine ihm zugeteilte Begleitgröße sein, ja der Christus wird sogar mit dem Nus identifiziert. Der Licht-Nus durchwaltete ja den ganzen Kosmos, und er führt in der «SäulederHerrlichkeit»dieSeelcnteile empor. Auf die Menschen aber wirkt er ganz besonders durch den Apostel, den Erleuchter Mani, in dem er sich verkörpert. Wie im Makrokosmos durch seine Hilfe die stufenweise Erlösung statt­ findet, so erlöst der Nus auch im Mikrokosmos die Seele und ihre Teile. Das geschieht in der manichäischen Kirche.

Die manichäische Ethik und ihre Verwirklichung in der Kirche Zumindest was den Menschen anging, war für den Manichäer eine Automatik der Erlösung nicht gegeben. Er mußte aus den

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Aussagen des Mythos ethische Konsequenzen ziehen. Hier wurde ihm vorgeführt, wie es zu seinem sündigen Dasein gekommen war und wie der Weg zurück zum verlorenen Paradies einge­ schlagen werden konnte. Allein der Umstand, daß die Archonten den Menschen ge­ schaffen hatten, um das Licht bzw. die Lebendige Seele in der Welt zu binden, mußte eine negative Stellung zur Ehe hervor­ rufen. Denn, wenn der Mensch sich nicht fortpflanzte, würde ja in kurzer Zeit das in ihm festgehaltene Licht anderweitig ausgeläu­ tert werden können. So wurde die Virginität eine Grundforde­ rung der manichäischen Ethik. Da Lichtelemente aber überall in den organischen und anorganischen Bestandteilen irdischen Le­ bens vorhanden sind, dürfen sie dort nicht geschädigt werden. Wenn der Bauer das Land bearbeitet, der Handwerker mit seinen Geräten hantiert oder der Soldat seine Waffen gebraucht, wird jedoch der Lebendigen Seele, dem Kreuz des Lichtes, wehgetan. Das gleiche gilt auch für die Rede, die aus dem Munde hervor­ geht, um zu solchen Tätigkeiten aufzufordern, oder die unsitt­ lichen Charakter hat, etwa den der Lüge, des Zornes, des Neides oder der Anklage. Außerdem schädigt man Lichtelemente auch beim Essen, das ja durch den Mund in den Menschen eingeht. Dennoch nimmt der Manichäer lieber solche Früchte zu sich, die möglichst viele Lichtteile enthalten, um nicht immer wieder aufs neue von der Hyle verseucht zu werden. Fleisch und Wein sind deshalb keine geeigneten Nahrungsmittel, weil in ihnen gerade Elemente der Finsternis und der Sinnlichkeit gespeichert sind. Darum konnte Augustin in seinem Buche «Die Ethik der Mani­ chäer»113 zusammenfassend von drei signacula (Siegeln) sprechen, dem des Mundes, dem der Hände und dem des Schoßes. Je mehr der Manichäer diese Vorschriften innehielt, um so eher konnte er auf dem Wege der Erlösung Fortschritte machen. Was man in diesem Leben geleistet hatte, war ja der Ausgangspunkt für die Möglichkeiten, die bei der Seelenwanderung sich eröffneten.

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Vor dem Stuhl des großen Richters werden nach manichäischer Lehre die Seelen auf verschiedene Wege gebracht, entweder zum Leben, d. h. sie befinden sich am Ziel und werden der Erlösung teilhaftig, oder sie werden wieder in die Welt geschickt, um später einmal erlöst zu werden, oder sie werden für ewig verdammt. Wenn sie in die Welt zurückkehren, gibt es ebenfalls verschiedene Möglichkeiten. Was anzustreben ist, kann nur die Wiedergeburt in einem möglichst fortgeschrittenen Manichäer sein; denn dann wäre man ja der Erlösung ganz nahe. Auch diese Form der Seelenwanderung braucht nicht von Mani dem Buddhismus entnommen zu sein; solche Gedanken begegnen ja auch in grie­ chischer Theologie und Philosophie, bei den Orphikern, im Pythagoreismus und im Platonismus. Mani war sich natürlich darüber im klaren, daß eine solche Ethik nur von einer kleinen Gruppe von Menschen wirklich durchgeführt werden konnte. Das Ziel aber, zu dem er sich berufen fühlte, war die Begründung und missionarische Verbrei­ tung einer Weltreligion. Die Lösung für diese sehr schwierige Aufgabe ergab sich in der Annahme der Seelenwanderung. Durch die Teilung der Gemeinde in zwei ethisch verschieden weit fortgeschrittene Gruppen von Gläubigen konnte sich um einen Kern, der es mit den Geboten Manis wirklich ernst nahm, ein weiter Kreis scharen, der von der Frömmigkeit der Fortgeschrit­ tenen profitieren konnte. Dieser kleinere Kern wird von den Electi, den «Auserwählten», gebildet, die auch «die Heiligen» heißen. Ihnen steht die Menge des manichäischen Kirchenvolkes gegenüber, «Hörer» oder «Kate­ chumenen» genannt. Die letzteren haben die Möglichkeit, ein bürgerliches Leben zu führen, d. h. sie können Berufe ausüben, heiraten, Kinder zeugen und dgl. Als Mitglieder ihrer Kirche haben sie aber die Aufgabe, sich ihres Glaubens bewußt zu sein und ihr Leben nach den Riten der Kirche einzurichten; dabei fällt ihnen insbesondere die Aufgabe der Fürsorge für die «Erwählten»

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zu, da diese ja die Gebote der manichäischen Ethik strikt einhalten müssen und deshalb keinen Beruf ausüben dürfen. Es ist also Aufgabe der Katechumenen, sie zu ernähren. In dieser Beziehung gleichen die manichäischen Electi den buddhistischen Mönchen. Es stellt sich somit hier die Frage nach einer eventuellen Abhän­ gigkeit, weil im Gegensatz dazu das christliche Mönchtum, auch das Eremitentum, die Arbeit fordert. Doch hat m. E. Mani bei seinen Indienreisen dort nur eine Bestätigung dessen gefunden, was er bereits vorher als ethische, aber auch kirchliche Konse­ quenz erkannt hatte. Auf eine Zweiteilung der christlichen Kirche im Westen konnte er ja durchaus zurückgreifen. In der frühka­ tholischen Kirche sind erst die Getauften «Erwählte» und deshalb auch allein zur eucharistischen Kommunion zugelassen. Berück­ sichtigt man, ein wie großer Teil des Kirchenvolkes den Kreis der Katechumenen bildete, so kann man durchaus annehmen, daß Mani den Unterschied von Kerngemeinde und Ortsgemeinde aus der frühkatholischen Kirche kannte, die entsprechende Termi­ nologie übernahm und mit dem durch die manichäische Ethik notwendig gewordenen Sinn erfüllte Vielleicht ist ihm aber auch schon die weitere Entwicklung in der altkatholischen Kirche bekannt gewesen, in der ja der Klerus eine konstitutive Bedeu­ tung erlangt und an den man deshalb gewisse besondere Forde­ rungen gestellt hat114. Den Hörern bzw. Katechumenen stand in den Erwählten eine Gruppe gegenüber, die in sich fest hierarchisch gegliedert war. Die Spitze bildete der Erleuchter Mani; nach seinem Tode trat später an diese Stelle der Archegos, der «Führer». Ihm unterstanden die zwölf Lehrer, die zweiundsiebzig Bischöfe, die dreihundertsech­ zig Presbyter sowie die Zahl der Erwählten, die kein Amt ausüb­ ten. Die Zahlen «zwölf» und «zweiundsiebzig» stammen dabei aus christlicher Tradition, die Zahl «dreihundertsechzig» aus der Astrologie. Die Erwählten waren schon äußerlich an ihrer weißen Kleidung erkennbar.

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Es gibt auch Katechumenen, die nur durch einen einzigen Körper gehen, d. h. sofort der Erlösung teilhaftig werden. Sie hatten dann ein besonders enthaltsames Leben geführt, hatten z. B. mit ihrer Frau nicht verkehrt, sich von allen weltlichen Bindun­ gen freigemacht und sich ganz der heiligen Kirche, insbesondere der Fürsorge für die Electi gewidmet; auch ein besonders hohes Maß von zusätzlichem Fasten und Beten und nicht zuletzt der Verzicht auf den Fleischgenuß wurde ihnen als besonderes Ver­ dienst angerechnet115. Die Form, in der sich das rituelle Leben in der manichäischen Gemeinde vollzog, war weitgehend dem Christentum bzw. dem Judentum entnommen. Mani kannte ja zur Genüge juden- und heidenchristliche Gruppen, und auch das Judentum selber ist ihm im Zweistromland sicher genügend begegnet. Im Zentrum jüdi­ schen Denkens stand die Thora, «das Gesetz», das auch im Chri­ stentum wenigstens durch den Dekalog und das Doppelgebot der Liebe erhalten ist. Zu den Geboten traten in Judentum und Christentum als zusätzliche Übungen noch Beten, Fasten und Almosengeben hinzu. Diese ethischen Forderungen und Riten waren für eine Laiengemeinde, wie sie die Katechumenen dar­ stellten, durchaus geeignet. Originalquellen und indirekte Über­ lieferung lassen uns heute die rituellen Gewohnheiten sowohl für Electi als auch für Katechumenen in einem gewissen Maße überblicken. Beide Gruppen haben einen Dekalog zu erfüllen. Allerdings ist in unserer Überlieferung bei den Electi nur von fünf Geboten die Rede, die aber jeweils in Unterabteilungen zerfallen, so daß auf diese Weise ebenfalls zehn Gebote zustande kommen. Bei diesen Geboten handelt es sich, wie ihre sogdischen Bezeichnungen zeigen, um folgende Forderungen: 1. Wahrhaftigkeit, 2. NichtVerletzen, 3. religionsgemäßes Verhalten, 4. Reinheit des Mun­ des, 5. glückselige Armut116. Für das Nicht-Verletzen wird aus einem ausführlichen Beichttext klar, daß zwischen Sünde gegen

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Gegenstände und Lebewesen und solche gegen Nus-Elemente zu unterscheiden ist117. Für das Gebot des religionsgemäßen Verhal­ tens liegen Texte vor, die eine klare Aufteilung bieten: 1. wird verboten, durch die Natur oder durch andere Verlockungen sich zum Quälen der Natur verführen zu lassen; 2. soll der Electus allen sexuellen Lüsten entsagen118. Die Katechumenen haben andere Gebote zu erfüllen, wenn diese auch im Grundsatz ähnlich sind. Die Überlieferung von ihrem Inhalt ist nicht einheitlich. Die indirekte Überlieferung weicht sowohl untereinander als auch von einem Originalfrag­ ment ab119. Einigkeit herrscht in der indirekten Überlieferung über das Verbot von Lüge, Tötung, Geiz, Unzucht, Diebstahl, Götzenanbetung und Zauberei. Bei Sahrastäni steht an der Spitze wie bei den Geboten der Electi die Aufforderung zur Wahrheit, im Fihrist dagegen beginnen die Gebote mit der Untersagung des Götzendienstes; das entspricht dem Dekalog. Das Originalstück ist ein zu kleines Fragment, um über alle Gebote Auskunft geben zu können. An erster Stelle ist hier das Verbot der Tötung von Tieren genannt; ausdrücklich wird dabei gesagt, daß die Kate­ chumenen zwar Fleisch essen, die Tiere aber nicht selber töten dürfen. Als zweites Gebot steht hier die Untersagung der Lüge, als drittes das Verbot des falschen Zeugnisses. Das Verbot des Geizes bezieht sich insbesondere auf das Verhalten beim Almosengeben. Almosen darf der Katechumen ja nicht jedem beliebigen zukom­ men lassen, sondern nur den Electi. Dabei kann er, um gute Werke zu tun, über die Versorgung mit Nahrungsmitteln hinaus noch wesentlich umfangreichere Leistungen erbringen. So kann oder soll er sogar manichäische Wohnstätten, d. h. also wohl Klöster, errichten sowie Menschen an die manichäische Kirche schenken, ein Brauch, der später für die christlichen Klöster durch zahlreiche Testamente belegt ist120. Wie beim Almosen, so haben auch beim Gebet die Katechu­ menen ihre Pflichten. Im Gegensatz zu den Electi, die damit

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bereits am Morgen beginnen, fangen sie damit erst am Mittag an, so daß sie diesen Ritus nur viermal gegenüber dem siebenmaligen Gebet der Electi üben121. Auch beim Fasten gibt es Unterschiede. Man sollte zwar denken, daß die Electi ein Dauerfasten vollbringen; aber das ist ja einfach nicht möglich, wenn sie am Leben bleiben und außerdem noch die Aufgaben der Mission und Seelsorge erfüllen sollen. Beide Gruppen fasten an jedem Sonntag, die Electi auch noch am Montag122. Außerdem gibt es noch zusätzliche Fastenzeiten für alle Manichäer123, so einen ganzen Fastenmonat, an dem aber in der Nacht das Fasten unterbrochen wird, wie heute noch bei den Muslimen im Ramadan. Ferner bestanden wohl zunächst fünf124, später vielleicht sieben125, Doppelfastentage, an denen der rigo­ rose Charakter des Fastens darin zum Ausdruck kam, daß auch die Nacht über gefastet wurde. Vielleicht sind für solche Gelegen­ heiten die JtavvDXinjiÖij-Hymnen verfaßt worden126. Diese fünf Fasten fanden statt: Mitte des 1. Känün (Vollmond im Tierkreis­ zeichen Schütze, also ungefähr Mitte Dezember), Anfang des 2. Känün (Neumond im Zeichen des Steinbocks, ungefähr um Anfang Januar), Mitte des 2. Känün (Vollmond im Zeichen des Steinbocks, ungefähr Mitte Januar), am 8. Tage des §bä( (zuneh­ mender Mond im Zeichen des Wassermanns, ca. 8. Februar) sowie am 4. und 5. Ädär, wobei das 4. Fasten den 1. und 2. Tag und das 5. Fasten den 27. und 28. Tag des 30-Tage-Fastens bilden. Diese lange Fastenzeit deckt sich mit der Dauer der Gefangen­ schaft Manis und seinem Tod. Im Anschluß an dieses Fasten wird dann das sog. Bema-Fest127 gefeiert, an dem des Leidens und der himmlischen Heimkehr Manis gedacht wird. Es ist wahrschein­ lich, daß dieses Monatsfasten von Mani selbst eingeführt worden ist, wie es bereits Täufersekten kannten; auch sie begannen damit am 8. eines Monats und unterbrachen das Fasten in der Nacht. Sollte auch das Bema-Fest wie dieses Fasten schon von Mani selber als Ritus eingerichtet worden sein, so hat es doch nach

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seinem Tode seinen Inhalt erweitert. Zu Manis Zeiten bestand dieser bereits im Bekenntnis der Sünden des vergangenen Jahres und in der Bewußtwerdung der gnostischen Erkenntnis. Die Ausdehnung auf Manis Leiden und seine Anbetung als Paraklet bildete nach seinem Tode dann ein zentrales Element dieses Festes. Zum Symbol des Festes ist ein Thron geworden, der den Rich­ terstuhl darstellt, zu dem fünf Stufen hinauffilhren. Auf dem Thron sollte der Paraklet sitzen, an dessen Stelle nun ein großes Bild Manis steht. Auf den Stufen zum Thron liegen die Werke Manis. Zugleich vergegenwärtigt man sich am Tage dieses Festes, wie die Seelen emporsteigen können und wie Gott ihnen durch die Darstellung der Heilsgeschichte Einblick in die Mysterien des schweren Kampfes und der Heimkehr gegeben hat. Im Christentum sind die Riten nicht ohne die beiden zentralen Sakramente Taufe und Abendmahl denkbar. Die Taufe hatte Mani mit seiner Trennung von den Elkesaiten abgelehnt, weil er in ihr ein Quälen der Elemente sah. Das Abendmahl hat einen völlig anderen Sinn erhalten. Es ist die Mahlzeit der Electi, die ja nur am Abend Speisen zu sich nehmen mit dem Ziel, nicht nur sich selbst zu erhalten, sondern durch das Essen den Lichtele­ menten in den Nahrungsmitteln die Befreiung und den Aufstieg zu ermöglichen. In gewissen Texten werden die Speisen der Electi direkt als «Fleisch und Blut Jesu» bezeichnet128. Wie schon aus der Schilderung des Bema-Festes ersichtlich wurde, spielten Buße und Beichte bei den Manichäern eine große Rolle. So bereiteten sich die Katechumenen mit ihrem sonntäglichen Fasten auf die Beichte vor, die sie am Montag vor den Electi abzulegen hatten. Beiden Gruppen war gemeinsam, daß sie auch in der Gemein­ schaft ihrer Kirche den Angriffen des bösen Elements ständig ausgesetzt waren und daß bei wirklich schlimmem Rückfall in schwerwiegende Verfehlungen der Ausschluß aus der Gemein­ schaft ihrer harrte und auch alles Gute, das sie vorher getan hatten, ihnen verlorenging. Deshalb müssen sie sich dieser Gefahren

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immer bewußt sein und ständig beichten und um Vergebung ihrer Sünden bitten. Zeugnisse solcher Frömmigkeit sind die umfangreichen Reste von Beichtspiegeln, die wir noch besit­ zen129.

Als Initiationsriten kennen die Manichäer den Friedensgruß, die Darreichung der Rechten, den Kuß der Liebe, die Proskynese und die Handauflegung. Damit gehen sie zum Licht-Nus ein und werden Vollkommene130.

Das manichäische Schrifttum Als Mani zu der Einsicht gekommen war, er könne nur durch eigene Werke die Mission und den Fortbestand der von ihm begründeten kirchlichen Gemeinschaft in seinem Sinne sichern, verfaßte er einen Kanon von sieben Büchern, der in einer Mehrzahl von Originallisten erhalten ist. Sie finden sich bisher sowohl an sechs Stellen der koptisch-manichäischen Bibliothek von Medinet Madi als auch im chinesischen manichäischen Katechismus131. Mani hat sich in seinen Schriften eines aramäi­ schen Idioms als Sprache bedient, das im wesentlichen syrisch war, aber auf gewisse Nuancen südmesopotamischer Eigenart hinzu­ weisen scheint. Doch weil keines dieser Bücher vollständig auf uns gekommen ist, sondern nur einige kleine Stücke sowie Exzerpte erhalten sind, kann man über die syrische Ursprache von Manis Werken nur wenig sagen132. Bei der Schrift sind wir dagegen in weit günstigerer Lage. Da die persischen und parteii­ schen manichäischen Texte in einer eigenen manichäischen Schrift geschrieben sind, ist anzunehmen, daß auch die «syrisch» verfaßten Bücher in ihr verbreitet wurden. Es handelt sich dabei um einen Ductus, der einem in Südbabylonien gepflegten nahe­ steht133. Daß in Ägypten manichäische Fragmente in syrischer

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Estrangelo-Schrift gefunden worden sind, braucht dem m. E. nicht zu widersprechen. Man hat ja in Zentralasien auch sogdische und uigurische Schrift verwendet. Zum Kanon Manis gehören folgende Werke: 1. das lebendige Evangelium, 2. der Schatz des Lebens, 3. die Pragmateia, 4. das Buch der Mysterien, 5. das Buch der Giganten, 6. die Briefe, 7. Psalmen und Gebete. Von diesen Schriften muß es zu Missionszwecken Überset­ zungen gegeben haben, im Westen ins Griechische, Lateinische und Koptische, später ins Arabische, im Osten ins Parthische, Mittelpersische und Sogdische, wahrscheinlich auch ins Uiguri­ sche und ins Chinesische. «Das lebendige Evangelium» bestand aus 22 Abschnitten, ent­ sprechend den Buchstaben des syrischen Alphabets. Augustins 22 Bücher vom Gottesstaat sind ein bewußtes Gegenstück dazu134. Mit diesem lebendigen Evangelium hat es eine Handschrift des koptisch-manichäischen Fundes zu tun, die allerdings noch nicht ediert ist. Sie enthält entweder Predigten zum Evangelium oder Lesetexte aus ihm135. Der Beginn des lebendigen Evangeliums ist im Kölner griechischen Mani-Codex und in einem persischen Fragment erhalten136. Diese Schrift wurde allen, die zum Mani­ chäismus übertraten, nahegebracht. Die hervorragende Stellung, die das Werk einnahm, kommt in den Bezeichnungen zum Ausdruck, die ihm im manichäischen Psalmbuch beigelegt wer­ den137: «König der Schriften Manis, sein großes Evangelium, sein neues Testament, das Manna der Himmel». «Der Schatz des Lebens» ist nur durch Berichte und Zitate bekannt. Auch die Mandäer besaßen ein «Schatz» betiteltes Werk, doch gebrauchten sie ein anderes syrisches Wort für «Schatz» als

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Mani138. Dieses Buch bietet, wie Zitate bei al-Birüni und Augu­ stin zeigen, mythologische Darstellungen139. Schwer ist es, über «die Pragmateia» etwas auszusagen. Bis ins Chinesische hat sich diese griechische Bezeichnung mit einem Wort gehalten, das ja auch sonst im Syrischen als Lehnwort verwendet wird. Es bedeutet ganz einfach «Traktat» und könnte ganz verschiedene Gegenstände entweder philosophisch-syste­ matisch oder historisch behandeln. Fragmente dieser Schrift ha­ ben sich bis jetzt nicht gefunden. Besser ist die Lage beim «Buch der Mysterien». Zwar liegen auch hiervon keine Fragmente und Exzerpte vor; bei an-Nadim ist aber ein Inhaltsverzeichnis gegeben, nach dem das Buch wohl einen etwas heterogenen Charakter gehabt haben muß140. Von Interesse ist, daß Mani sich hier in einer Reihe von Kapiteln mit den Bardesaniten auseinandersetzt. «Das Buch der Giganten» ist sowohl literarisch als auch reli­ gionsgeschichtlich von besonderem Interesse. Von ihm sind eine ganze Anzahl von Fragmenten in iranischer Überlieferung vor­

handen sowie Andeutungen über den behandelten Gegenstand in sonstiger manichäischer Literatur141. Wie die Qumranfunde und das erste Henochbuch zeigen, hat Mani hier einen jüdischen apokalyptischen Text verarbeitet142. Die Henochliteratur, von der das erste Henochbuch in die patristische Literatur eingegangen ist, hat Mani sich hier zunutze gemacht. Wieweit er dabei seine Kenntnis dem Christentum oder dem Judentum entnahm, ist freilich schwer zu sagen. Man möchte am ehesten an ein gnosti­ sches Christentum denken; man muß ja auch berücksichtigen, daß zur weiteren Ausmalung der Gigantenszene noch das Buch über Ogya, den Giganten, herangezogen wurde, der nach Meinung der Häretiker vor der Sintflut gekämpft haben solL Diese letztere Schrift wird im Gelasianischen Dekret verdammt143. Das Buch der «Briefe» Manis bildete einen Band der koptischmanichäischen Bibliothek von Medinet Madi. Leider ist dieser

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Codex, von dem nur eine kleinere Anzahl von Blättern abgelöst war, bis auf diese bei der Verlagerung in die Sowjetunion verlo­ rengegangen. Zitate und Bruchstücke sind in zum Teil noch nicht veröffentlichten iranischen144 und in patristischen Texten sowie im Kölner Mani-Codex145 erhalten. Aus den geretteten Blättern des koptischen Codex sieht man, wie Mani sich als Apostel Jesu Christi bezeichnet. Wenn ein Schreiben es mit der Nachtwache zu tun hat146, so weist das bereits auf Kenntnis alter christlicher Liturgie hin. Die Briefe scheinen auf konkrete Fragen der Ge­ meinde einzugehen, sind also wohl wirkliche Briefe und keine Episteln. Ein Verzeichnis von Manis Briefen finden wir bei anNadim147. Ein darin erwähntes Schreiben an die Perserin Menoch ist bei Augustin erhalten148. Welche Bedeutung dem Briefcorpus beigemessen wurde, kann man aus der Güte der erhaltenen koptischen Papyrusblätter sehen. Sie bestehen aus einem beson­ ders feinen Papyrus großen Formats mit außergewöhnlich sorg­ fältiger, schöner Schrift. Die Manichäer scheinen sich, jedenfalls in Ägypten, mit der Qualität des Schrifttyps und des Beschreib­ stoffes nach der Bedeutsamkeit des Inhalts der jeweiligen Schrift gerichtet zu haben, wie wir aus den erhaltenen koptisch-manichäischen Texten erkennen können. Die Gebetstexte sowie zwei Psalmen, die von Mani selbst stammen, sind noch nicht vollständig identifiziert149. Das kopti­ sche manichäische Psalmbuch hat Mani nicht selber verfaßt; es stellt eine Kombination verschiedener Sammlungen dar. Neben den sieben Hauptschriften des manichäischen Kanons steht als Ergänzung das sogenannte «Bild» (griechisch: Eikön, parthisch: Ärdahang, neupersisch: Ertenk), das ebenfalls zum Ka­ non gerechnet wird150. Das geht aus der folgenden Angabe hervor «Es gibt sieben Teile zusammen mit einer Zeichnung», oder: «der Kanon der Schriften und die Zeichnung». Es handelt sich dabei um einen Bildband: «die Malereien meines Bildes». Mit diesen Darstellungen wollte Mani eine Verdeutlichung des My­

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thos geben. Vielleicht ist ihm darum auch der Beiname « der Maler» beigelegt worden. Zu diesem Werk gab es auch noch einen Kommentar, von dem parthische Fragmente erhalten sind. Die Bezeichnung des Bildbandes im chinesischen Katechismus als «(Schrift) der Grundlage» erinnert an den «Brief der Grundlage» (Epistula fundamenti)151, zu dem Augustin bekanntlich eine Gegenschrift verfaßt hat. Es erhebt sich deshalb die Frage, ob die Epistula fundamenti vielleicht mit dem Kommentar zum Bild­ band identisch ist. Neben diesem offiziellen Kanon von Manis Werken gibt es noch ein weiteres von ihm in mittelpersischer Sprache verfaßtes Buch, das er dem König Schapur I. gewidmet hat, das sogenannte Säbuhragän. Von ihm besitzen wir Fragmente aus Turfan. Leider kann man nicht mit Bestimmtheit sagen, wieweit auch noch andere mythologische und kosmologische Abschnitte in mittel­ persischer Sprache ebenfalls zu diesem Werk gehören oder zu apokryphen Lehrschriften. Daß außer den kanonischen Schriften Manis noch andere manichäische Bücher existieren, scheint zunächst der Lehre Manis zu widersprechen. Man muß aber wohl bedenken, daß jede Religion, die nicht erstarren will, ständig theologisches und erbauliches Schrifttum sowie religiöse Dichtung hervorbringen muß. Das kommt auch sehr deutlich zum Ausdruck bei einer Durchmusterung der vorhandenen Literaturformen. Besonders auffällig ist die Zusammensetzung der koptischmanichäischen Bibliothek. Es scheint sich um eine Laienbiblio­ thek zu handeln. Denn von den kanonischen Schriften ist in ihr nur das Briefbuch und ein mit dem lebendigen Evangelium zusammenhängendes Werk 'vorhanden. Das Psalmbuch weist bereits den Bestand der etablierten Gemeinde auf. Im übrigen sollten die Schriften dem Unterricht und der Erbauung die­ nen’52. Unter den erbaulichen Texten sind Beschreibungen des Lebens

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Manis und der Entwicklung seiner Kirche zu nennen. Abgesehen von zahlreichen Turfanfragmenten sind dafür zwei umfassende Werke hervorzuheben: Zunächst der Bericht über die Passion Manis in den koptischen sogenannten manichäischen Homi­ lien153, an den sich das Schicksal der rpanichäischen Kirche unter seinen Nachfolgern Sisinnios und Innaios anschließt. Außerdem war in der koptischen manichäischen Bibliothek noch ein weite­ res sehr umfangreiches historisches Buch enthalten, von dem leider nur wenige Blätter abgelöst waren, als es in die Sowjetunion verlagert wurde und ebenfalls verlorenging. Einen Ersatz dafür bietet der griechische manichäische Codex der Papyrussammlung Köln, der den Titel «Vom Werden seines Leibes» führt154. In diesem Werk sind ausführliche Darstellungen von Manis Beru­ fungen ebenso zu finden wie Mitteilungen über seinen Aufent­ halt bei den ElkesaYten. Als Gewährsmänner für die Berichte zeichnen historische Persönlichkeiten der frühen manichäischen Kirche: Baraies, Innaios, Abjesus, Kustaios und Timotheos. Es werden hier alte Traditionen wie auch Zitate aus Manis eigenen Schriften geboten. Als teils erbaulich, teils theologisch muß eine koptische Schrift «Der Logos vom Großen Krieg» beurteilt werden155. In ihm ist ein iranisches Mythologumenon, der eschatologische Sieg des Kämpfergottes Mitra, mit manichäischem Inhalt gefüllt worden. Dabei bediente man sich weitgehend der synoptischen Apoka­ lypse. Jesus der Glanz wird das Gericht vollziehen und unter den Erwählten herrschen. Danach wird die Vernichtung der Welt und ihre endgültige Ausläuterung nach allen Regeln manichäischer Kosmologie stattfinden. Die Schrift ist ein typisches Beispiel für den manichäischen Synkretismus. Unter den theologischen Schriften erfreute sich die KephalaiaLiteratur offensichtlich besonderer Beliebtheit. Allein in der koptischen Bibliothek ist sie mit zwei starken Bänden vertreten156. Auch in Turfan157 und in chinesischen Texten158 sind Reste von

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ihr vorhanden und ist ihre Methodik spürbar. Der sogenannte chinesische Traktat ist eine, wenn auch nicht geglückte Weiter­ führung dieser Literaturform. Die Kephalaia geben sich als im Sinne Manis aufgezeichnete mündliche Überlieferung von Lehr­ vorträgen des Meisters. Es mußte aber erst eine größere Anzahl dieser Kapitel ediert werden, um ihrem Wesen wirklich näher­ zukommen und die Absicht dieser Reden zu erkennen. Zunächst schien es, als sei der Zweck nur der, an Hand von Bildern und Zahlen den Gläubigen den Mythos im Unterricht nahezubrin­ gen, wenn man etwa vier Jägern des Lichtes vier Jäger der Finsternis gegenüberstellte. Sicher ist die Erfüllung einer solchen katechetischen Aufgabe auch wirklich ein Zweck vieler Kapitel. Aber darüber hinaus werden hier ganz allgemein die Probleme der Welt in Beziehung zum manichäischen Mythos gesetzt und von ihm aus erklärt. Es soll dargestellt werden, wie der ganze Kosmos in sich eine vom Dualismus geprägte Einheit ist und deshalb jedes Geschehen zu einem anderen in Beziehung steht. Das Einheitsdenken der Griechen und das astrologische Weltbild spielen dabei eine große Rolle. In dieser Literaturform wird auch von der Parabel häufig Gebrauch gemacht. In Turfan werden Parabeln auch selbständig zu Lehrzwecken verwendet159. Die Rekonstruktion theologischer Schriften aus den Turfantexten ist wegen des fragmentarischen Zustands der Überlieferung äußerst schwierig, zudem ist auch noch längst nicht alles Material bear­ beitet Immerhin lassen sich Fragmente des chinesischen Traktats erkennen160, ebenso ein Text mit dem Titel «Erklärung der Seele». Vorhanden sind auch Fragmente eines auf chinesisch erhaltenen Katechismus der manichäischen Lehre161. Natürlich gibt es auch ethische und rituelle Anweisungen162. Nicht gering sind hier vor allem zwei umfangreiche Beichtformulare einzuschätzen, die in Turfan gefunden wurden163. Einen beträchtlichen Teil des manichäischen Schrifttums nimmt schließlich die Hymnendichtung ein. Das koptische

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Psalmbuch164 bietet den in Ägypten und wohl überhaupt im Westen gebrauchten Hymnenbestand. Wenn auch bis jetzt nur die zweite, besser erhaltene Hälfte des Buches ediert worden ist, so gewährt doch auch schon diese einen guten Einblick in die manichäische Dichtung, wie sie in diesen Gegenden gelesen, gebetet und gesungen wurde. Ein Inhaltsverzeichnis, das mit dem zweiten Teil publiziert wurde, weist außerdem auf die Psalmen des ersten Teiles hin. Dieses koptische Psalmbuch bildet nicht von Anfang an eine Einheit, sondern besteht aus Sammlungen ver­ schiedenen Charakters, die aneinander gereiht und noch durch einzelne Psalmen ergänzt wurden, die zu keiner Sammlung ge­ hören. Die verschiedenen Hymnengruppen sind nach unter­ schiedlichen Gesichtspunkten zusammengestellt. Da gibt es Hym­ nen, die für einen bestimmten liturgischen Gebrauch vorgesehen sind: Sonntagspsalmen, Vigilpsalmen und Bemapsalmen; solche, in denen das Zentrum eine mythologische bzw. heilsgeschicht­ liche Größe bildet: die Seele, Jesus oder die Trinität; andere wiederum sind unter dem Namen ihres Verfassers zusammen­ gefaßt: die Psalmen des Herakleides und die des Thomas. Die «Psalmen der Pilgrime»165 stehen unter dem Gesichtspunkt, daß der Mensch durch diese Welt irrt, in die er geworfen ist, und daß sich die Seele auf der Pilgerfahrt zurück ins Lichtreich befindet. Formal sind die Hymnen bei der Übersetzung ins Koptische an das schon aus dem Ägyptischen bekannte Metrum angeglichen, das sich auch noch in späterer Zeit in koptischer Volkspoesie erhalten hat166. Nur die Thomaspsalmen haben sich formal eng an ihr aramäisches, wohl mandäisches Vorbild angeschlossen. Der besondere Charakter der Thomaspsalmen wird schon rein äußer­ lich dadurch hervorgehoben, daß sie neu gezählt werden. Sowohl in der koptisch erhaltenen Hymnendichtung als auch in iranischer, uigurischer und sogar chinesischer Überlieferung finden sich Beweise dafür, daß die betreffenden Texte aus dem syrischen Psalmenschatz stammen müssen. Überall aber scheint

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der Manichäismus seine lebendige Frömmigkeit gerade in der Hymnodik zum Ausdruck gebracht zu haben und deshalb hier in der Dichtung besonders produktiv gewesen zu sein. Auch unter den Turfanfragmenten ist eine Fülle von Hymnen zu finden. Iranische wie semitische Einflüsse auf die Form dieser Texte können angenommen werden167. Leider ist auch dieser Textbe­ stand nur sehr fragmentarisch erhalten und vieles von ihm noch nicht ediert, so daß dieser Bereich der manichäischen Hymnodik nur skizziert werden kann. Es gibt umfangreiche Hymnenzyklen und kurze Einzelhymnen. Von ersteren hat M. Boyce die beiden parthischen Hymnenzyklen Huwidagmän («Heil uns») und Angad röfnän («Reicher der Lichter») rekonstruiert und herausgege­ ben168. Wie verbreitet diese Hymnen gewesen sein müssen, ist aus dem Vorhandensein auch sogdischer Bruchstücke und eines uigurischen Fragments zu schließen. Aber auch in der chinesi­ schen Hymnenrolle16’ begegnet das erste Lied des ersteren Zyklus wieder. Wir wissen ebenfalls von Zyklen in mittelpersischer Sprache170. Hier gibt es Bruchstücke von einem Zyklus mit dem Titel «Rede der lebendigen Seele»171, von dessen Verbreitung auch sogdische Fragmente zeugen. Ein anderer nennt sich «Rede der Lichtseele». Die Fülle der Hymnen ist an alles gerichtet, was im Himmel und auf Erden heiligen Charakter hat, vom Vater der Größe über den Ersten Menschen, den Lebendigen Geist, den Dritten Gesandten, Jesus den Glanz, die Lichtjungfrau und die Säule der Herrlichkeit bis zu Mani und der Hierarchie der mani­ chäischen Kirche. Ebenso werden rituelle Anlässe berücksichtigt. Das Mittelpersische und das Parthische besitzen im Ritus den Charakter der Kirchensprache Aber auch das Sogdische als Verkehrssprache und das Uigurische als Landessprache bieten Übersetzungen wie eigenständige Hymnendichtung. Man denke auch daran, wie z.B. Jakob, der Feldherr der himmlischen Heer­ scharen, als Beistand für den Uigurenchan angerufen wird172. Eine sehr umfangreiche Sammlung manichäischer Hymnen

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liegt in der bereits erwähnten chinesischen Hymnenrolle vor173. Wir haben es wahrscheinlich auch hier mit einem Gesangbuch für die Gesamtgemeinde zu tun. In einem ersten Teil sind eine Anzahl längerer Hymnen enthalten, während ein zweiter kurze Gesänge (gäthäs) umfaßt, die Responsionen der Gemeinde auf die großen Preislieder darstellen174. Am Schluß findet sich ein Ko­ lophon, der darauf hinweist, daß es sich um Übersetzungen iranischer Texte handelt175. Das wird noch unterstrichen dadurch, daß im ersten Teil kleine mitteliranische Originalhymnen einge­ streut sind176, die nur phonetisch in chinesische Schrift übertragen und von deren Original bzw. sogdischer Übersetzung auch noch Bruchstücke aus Turfan auf uns gekommen sind177. Inhaltlich umfaßt dieses Buch alle Arten von Hymnen, die von der Ge­ meinde im Gottesdienst und privat gebraucht wurden. Insbe­ sondere finden sich auch hier wieder Preislieder an die verschie­ denen Lichtherrscher, an den Vater der Größe, den Dritten Gesandten, die Säule der Herrlichkeit, Jesus und nicht zuletzt an Mani und die Hierarchie. Ebenso begegnen Beichtgebete und ein Gebet für einen Verstorbenen. So mannigfaltig die Ausdrucks­ weisen der manichäischen Hymnodik in Ost und West auch sind, überall spiegeln diese Hymnen eine tiefgefühlte Frömmigkeit wider, die auf einem starken Glauben und seiner festen Formu­ lierung beruht. Bereits am Kanon Manis war zu sehen, daß dieser durchaus mit der Verwendung der Henochliteratur und dazu passender Texte vorhandenes Schrifttum übernahm bzw. verarbeitete. Darüber hinaus hat er oder zumindest seine Gemeinde christliche apo­ kryphe Literatur gebraucht. Das Thomasevangelium, von dem griechische Fragmente in Oxyrhynchos sowie die vollständige koptische Übersetzung in Nag Hammadi gefunden wurde, wur­ de von den Manichäern verwendet178. Wieweit sonst gnostizistische Schriften, die wir aus Nag Hammadi kennen, auf den Manichäismus eingewirkt haben oder ihrerseits von manichäi-

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sehen Mythologumena beeinflußt worden sind, ist eine noch nicht gelöste Frage. Die Manichäer waren ebenso mit den apo­ kryphen Apostelakten vertraut179. Nicht umsonst ist m. E. gerade auf assiutisch (subachmimisch) eine Übersetzung der Acta Pauli et Theclae vorhanden. Es fragt sich, ob die Übersetzung des Johannesevangeliums in den gleichen Dialekt, der ja auch der der koptisch-manichäischen Schriften war, von Manichäern angeregt wurde. Auf mittelpersisch ist die Übersetzung vom Hirt des Hermas in der Hand der Manichäer bezeugt180. Wie es von den Christen für den Physiologus bekannt ist, so wissen wir von den Manichäern in Turfan, daß sie Äsops Fabeln bei ihrer Belehrung als Beispiele benutzt haben181. Diesem Gebrauch von Parabeln auf westlicher Grundlage steht indischer Einfluß aus dem Paiicatantra,

«dem Fünfbuch», gegenüber, einer Sammlung, die als Kalila und Dimna auch in den Westen gekommen ist. Aus dieser Sammlung sind in Turfan ebenfalls Fragmente gefunden worden182. Wohl aus dem Material von Buddhalegenden, das die Grundlage von Barlaam und Joasaph bildet, sind auch in Turfan Stücke zum Vorschein gekommen183. Es ist möglich, daß durch arabische, dem Manichäismus nahe stehende Gelehrte diese Erzählung in den Westen gelangt ist.

Die manichäische Mission und ihre Bedeutung jür Nomenklatur und Inhalt der manichäischen Lehre

Daß Mani seine Religion als die Krone der bisherigen Weltre­ ligionen ansah, ließ ihn nicht nur zu einem großen Synkretisten werden, der das religiöse Gut seiner Zeit in gnostischer Schau zusammenfaßte. Er wollte auch den Anhängern dieser anderen Weltreligionen gerecht werden. Wie der in seinen Augen beson­ ders große Apostel Paulus den Griechen ein Grieche und den Juden ein Jude, so wollte Mani den Christen ein Christ, den

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Zoroastriern ein Zoroastrier und den Buddhisten ein Buddhist sein. Wer weiß, daß ein gnostischer Mythos nicht mehr als die plastische Wiedergabe eines religiösen Gedankens ist, der versteht auch, wie wenig etwa durch Änderungen in der Nomenklatur oder durch Verlegung von Schwerpunkten von den einen auf andere Figuren die Lehre umgeformt wird. Schon als Mani selber innerhalb des iranischen Reiches missionierte, stand ihm die ganze Fülle verschiedener Religionen mit andersartigen Glaubensfor­ men und Nomenklaturen gegenüber. Die Weltreligionen er­ schienen ihm in mancherlei Formen. Da gab es gnostische und christliche Gemeinden in unterschiedlicher Gestalt. Auch die iranische Religion war nach Landschaften und Bevölkerungs­ gruppen verschieden geartet. Und auch im Buddhismus gab es verschiedene Schulen. Mani und seine Missionare versuchten nun ihre Lehre in der Ausdrucksform der jeweiligen örtlichen Reli­ gion ihren Hörern zugänglich zu machen. Das war bei Christen am leichtesten. Mani kam ja von christ­ licher Gnosis her. Außerdem war er im Gefolge Schapurs 1. auf dessen Feldzügen in Randgebiete des römischen Reiches gelangt und hatte den dortigen hellenistischen Paganismus und das dorti­ ge Christentum kennengelernt. Bereits zu Lebzeiten Manis wur­ den, wie es in der Schrift «Das Kommen des Gesandten in die Länder» heißt, von ihm Missionare ins römische Reich ge­ schickt184. Insbesondere Adda war dort tätig; er kam auch nach Alexandria. Die Mission drang dann in Oberägypten vor - wir hören von einem Apostel Papos185 -, so daß der Neuplatoniker Alexander von Lykopolis (Assiut) gegen diese Lehre zur Feder greifen mußte (um 300). Daß die kopdsch-manichäischen Texte gerade in assiutischem Dialekt verfaßt sind, spricht für die An­ nahme, Assiut sei das Zentrum manichäischer Mission in Ober­ ägypten gewesen. Sowohl die koptisch-manichäische Bibliothek als auch der Kölner griechische Mani-Codex gehen aller Wahr­ scheinlichkeit nach auf einen syrischen Urtext zurück, wobei für

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die koptischen Texte ein griechisches Mittelglied anzunehmen ist186. Es scheint, daß man sich um ein gewähltes, ja beinahe geziertes Griechisch bemüht hat. Es ist sogar denkbar, daß grie­ chische Termini, die ins Syrische übersetzt und dort heimisch geworden waren, eine eigene manichäische griechische Form erhalten haben. In sonstigen gnostischen Texten findet sich z. B. öo£oxQ------ «Was ist noch größer?» Er sprach: «Die [Sonne] und der Mond.» «Weiter, was ist noch strahlender?» Er sprach: «Die Weisheit des Bud­ dhas Da sagte der Türän-Säh: «Über all das (hinaus) bist du noch

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größer und leuchtender. Denn du bist in Wahrheit der Buddha selber.» Darauf sagte der Religionsbringer zum Türän-Säh: «Du sollst so tun wie (esfehlen eine Anzahl Zeilen)------ in Reiche gekommen sind, (über) Rechtschaffene und Sünder und die Werke des Electus und Auditors.» Als der Türän-Säh und die Adligen dies Wort hörten, da wurden sie froh, sie nahmen den Glauben an und wurden dem Apostel und der Religion wohl­ gesinnt. Als dann ferner der Türän-Säh [mit Mani------ im Garten] war, fand er die Tochter des Türän-Säh und die Brüder versammelt. Da brachten die Brüder dem Wohltäter ihre Anbetung dar. Der Apostel erzählte dem Türän-Säh eine Parabel: Es war ein Mann, der hatte sieben Söhne. Als die Zeit zum Sterben für ihn gekom­ men war, rief er die Söhne-----Von der missionarischen Tätigkeit Manis, nach M 2 (mittelpersisch): ed. F. C. Andreas - W. Henning, Mitteliranische Manichaica II, 301-305; M. Boyce, Reader 39-41; J. P. Asmussen, Manichaean Literature 21-22 Überschrift: Das Kommen des Apostels in die Länder. ------ werdet mit den Schriften vertraut. Sie gingen in das römische Reich. Sie sahen viel Lehrstreitigkeiten unter den Reli­ gionen. Viele Electi und Auditores wurden erwählt. Patteg49 war ein Jahr dort. Dann kehrte er zum Apostel zurück. Danach sandte der Herr drei Schreiber, das Evangelium und zwei andere Schrif­ ten zu Adda. Er gab ihm den Auftrag: «Bring es nicht weiter weg, sondern bleibe dort wie ein Kaufmann, der seine Schätze offen zur Schau stellt.» Adda machte sich viel Mühe in diesen Gegenden, begründete viele Klöster, erwählte viele Electi und Auditores, verfaßte Schriften und machte die Weisheit zu seiner Waffe. Gegen die Sekten trat er auf und kam in jeder Beziehung gut voran. Er unterwarf und fesselte die Sekten. Bis nach Alexandria kam er. Er erwählte den NafSä zur Religion. Viele Bekehrungen

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und Wunder wurden in diesen Ländern vollbracht. Die Religion des Apostels machte im römischen Reich Fortschritte. Als dann der Apostel des Lichts sich in der Provinzhauptstadt Holwan50 aufhielt, ließ er den Lehrer Mar Ammo kommen, der die parthische Schrift und Sprache konnte und auch mit ... vertraut war. Er sandte ihn nach AbarJahr51 zusammen mit dem Prinzen Ardawan und schreibgewandten Brüdern samt einem Buchmaler52. Er sprach: «Gepriesen sei diese Religion! Möge sie dort große Fortschritte machen durch Lehrer, Hörer und Seelen­ dienst. Und dein Name möge sein herz-... Der große Nus möge dir mehr Glück und Heil schenken als den früheren Religio­ nen.» Als sie an die Grenze von Kuschan53 kamen, siehe, da erschien der Geist der Grenze von Chorasan in der Gestalt eines Mädchens. Und er fragte mich, Ammo: «Was willst du? Woher bist du gekommen?» Ich sagte: «Ich bin ein Gläubiger, ein Schüler des Apostels Mani.» Jener Geist sprach: «Ich nehme dich nicht auf. Kehre dorthin zurück, wo du hergekommen bist!» Da ver­ schwand er vor mir. Danach stand ich, Ammo, und pries zwei Tage lang die Sonne. Darauf erschien mir der Apostel und sprach: «Sei nicht kleinmütig! Rezitiere (den Spruch)