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German Pages 405 Year 2008
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 49
Die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS als europäisches Recht Von
Karl-Philipp Wojcik
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
KARL-PHILIPP WOJCIK
Die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS als europäisches Recht
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Thomas Ackermann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 49
Die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS als europäisches Recht
Von
Karl-Philipp Wojcik
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 978-3-428-12718-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2007 von der Juristischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden bis Dezember 2007 berücksichtigt. In ganz besonderer Weise danke ich dem Betreuer dieser Arbeit, Herrn Professor Dr. Joachim Hennrichs. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter durfte ich bei ihm eine – wissenschaftlich wie menschlich – außergewöhnlich fruchtbare Zeit der systematischen Befassung mit den rechtlichen Grundlagen des Zivil-, Handels- und Gesellschaftsrechts sowie des internationalen Bilanzrechts erleben. Seine Offenheit, seine Klarheit und Präzision im Denken, Schreiben und Vortrag sowie sein Streben, fachliche Grenzen zu überschreiten, um so zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, sind mir Vorbild und Ansporn zugleich. Dafür und für seine stete vorbehaltlose Förderung bedanke ich mich sehr herzlich. Für die zügige und wohlwollende Erstellung des Zweitgutachtens bin ich Frau Professorin Dr. Barbara Dauner-Lieb zu großem Dank verpflichtet. Dank schulde ich auch den Mitarbeitern des Institutes für Gesellschaftsrecht (Abt. 2: Kapitalgesellschaften, Bilanzrecht) der Universität zu Köln, insbesondere Frau Dr. Linda Kristina Kasberg, für die Durchsicht des Manuskripts. Bedanken möchte ich mich darüber hinaus bei all den Menschen, die mich im Laufe von Studium und Erstellung der Dissertation als Weggefährten oder Vorbilder begleitet, ermutigt oder gefördert haben. Ihnen gilt mein aufrichtiger Dank. Der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung sage ich für ihre großzügige Förderung bei der Veröffentlichung dieser Arbeit ausdrücklich Dank. Ohne die fortwährende Unterstützung meiner Eltern hätte diese Dissertation nicht entstehen können. Ihnen sei sie deshalb in tiefer Dankbarkeit gewidmet. Köln, im Mai 2008
Karl-Philipp Wojcik
Inhaltsübersicht Einleitung sowie Ziel und Gang der Untersuchung
33
A. Die IAS / IFRS-Verordnung: Internationalisierung der (Konzern-)Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
B. Ziele der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
Kapitel 1 Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung nach den internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS in der EU
38
A. Die IAS / IFRS-Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002 . . . . . . . . . . . . . . .
38
I. Inhaltliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
II. Anwendungsbereich der Rechnungslegung nach übernommenen IAS / IFRS . . . .
40
III. Funktionsweise der Übernahme der privaten IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
B. Entstehung und Ziele der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . .
53
I. Entstehungsgeschichte der IAS / IFRS-Basisverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
II. Ziele der IAS / IFRS-Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
C. Die Entwicklung der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS unter dem Dach der IASC Foundation durch das Gremium IASB – Aufgaben, Organisation und Entwicklung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
I. Entstehung und Aufgaben der IASC Foundation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
II. Organisation und Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
III. Die Erstellung der internationalen Rechnungslegungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
10
Inhaltsübersicht Kapitel 2 Die Übernahme der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
70
A. Die Kompetenzgrundlagen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung: Wahl des Rechtsaktes „Verordnung“ als zulässiges Rechtsinstrument? . . . . . . . . . .
71
I. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung . .
72
II. Pflicht zur Wahl einer Richtlinie wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips aus Art. 5 Abs. 3 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
III. Pflicht zur Wahl einer Richtlinie wegen der gemeinsamen Erklärung der Mitgliedstaaten zu Art. 100a EGV in der EEA? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
IV. Ergebnis und eigene Beurteilung des gesamten Komplexes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
B. Die Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
I. Die Übernahme der privaten IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht als Beispiel und Problem der staatlichen Kooperation mit Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
II. Formen der hoheitlichen Rezeption privater Regelwerke sowie die Zuordnung des Endorsement der IAS / IFRS zu einem Rezeptionstypus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 III. Die prinzipielle Vereinbarkeit des Endorsement als Inkorporation privater IAS / IFRS mit dem Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 IV. Spezifische Aspekte des Endorsement, die seiner prinzipiellen rechtlichen Unbedenklichkeit entgegenstehen können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Kapitel 3 Die Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht – Geltung der IAS / IFRS über die IAS / IFRS-Rechtsakte in Deutschland?
221
A. Ausgangspunkt: Zweifel, ob die IAS / IFRS-Rechtsakte in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen anwendbar sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B. Kann gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht in Deutschland überhaupt unangewendet bleiben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Geltungsgrund des europäischen Gemeinschaftsrechts sowie Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. Grenzen der innerstaatlichen Anwendbarkeit des europäischen Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 III. Zwischenergebnis und Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
Inhaltsübersicht
11
C. Einhaltung der Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit sekundären Gemeinschaftsrechts durch die IAS / IFRS-Rechtsakte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Grenzen der übertragbaren Hoheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 II. Grenze der übertragenen Hoheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Kapitel 4 Anwendung und Auslegung der in das Gemeinschaftsrecht übernommenen IAS / IFRS
251
A. Methodische Einordnung der Anwendung und Auslegung von Rechtsnormen . . 252 B. Grundriss des Normsystems und der Anwendungs- und Auslegungskonzeption der IAS / IFRS als private Verlautbarungen des IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Die Elemente des Rechnungslegungsnormsystems des IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 II. Ansätze eigener Anwendungs- und Auslegungsgrundsätze im Normsystem der IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 C. Die Leitlinien der Anwendung und Auslegung der in sekundäres Gemeinschaftsrecht überführten IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 I. Anwendung nicht übernommener Elemente des IAS / IFRS-Normsystems . . . . . . 263 II. Auslegung der endorsed IAS / IFRS nach den Methoden des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 III. Methoden der Lückenfüllung von endorsed IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Kapitel 5 Die fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht – Rechtsfolgen und Rechtsschutz betroffener Unternehmen
296
A. Fehlerhaft übernommene IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Fehlerhaftigkeit von endorsed IAS / IFRS als Folge eines Verstoßes der IAS / IFRS-Übernahmeverordnung gegen höherrangiges Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296
12
Inhaltsübersicht II. Rechtsfolgen der fehlerhaften Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
B. Rechtsschutz betroffener Unternehmen gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 I. Direkter Zugang zum Gerichtshof: Die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 EGV gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 II. Indirekter Zugang zum Gerichtshof: Inzidentrüge, Vorabentscheidungsverfahren und nationaler Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS . . . . 309 III. Gerichtliche Streitverfahren über die Erstellung eines IAS / IFRS-Abschlusses als Ausgangspunkte für das Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 IV. Unbefriedigende Rechtsschutzsituation und Überlegungen zur Verbesserung . . . 329 Thesenförmige Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
Inhaltsverzeichnis Einleitung sowie Ziel und Gang der Untersuchung
33
A. Die IAS / IFRS-Verordnung: Internationalisierung der (Konzern-)Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
B. Ziele der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
Kapitel 1 Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung nach den internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS in der EU
38
A. Die IAS / IFRS-Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002 . . . . . . . . . . . . . . .
38
I. Inhaltliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
II. Anwendungsbereich der Rechnungslegung nach übernommenen IAS / IFRS . . . .
40
1. Obligatorischer Anwendungsbereich für konsolidierte Abschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
2. Fakultative Ausdehnung des Anwendungsbereichs durch die Mitgliedstaaten
42
a) Erweiterung gem. § 315a Abs. 2 HGB auf Konzernabschlüsse noch nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
b) Erweiterung gem. § 315a Abs. 3 HGB auf Konzernabschlüsse nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
c) Erweiterung gem. § 325 Abs. 2a HGB auf Einzelabschlüsse zum Zwecke der Bundesanzeigerpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
III. Funktionsweise der Übernahme der privaten IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
1. Der Prozess des Endorsement – Endorsement durch die Kommission im Komitologieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
2. Materielle Voraussetzungen für die Übernahme von IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . .
51
a) Die besonderen materiellen Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
14
Inhaltsverzeichnis b) Die allgemeinen materiellen Übernahmeanforderungen des höherrangigen europäischen Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
B. Entstehung und Ziele der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . .
53
I. Entstehungsgeschichte der IAS / IFRS-Basisverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
1. Hintergrund: Harmonisierung des Bilanzrechts mittels europäischer Richtlinien und die Schwächen dieser Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
2. Etappe 1: 1990 bis 1998 – Die neue Rechnungslegungsstrategie . . . . . . . . . . . . .
58
3. Etappe 2: 1999 bis 2002 – Die gesetzgeberische Realisation der IAS / IFRSBasisverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
II. Ziele der IAS / IFRS-Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
C. Die Entwicklung der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS unter dem Dach der IASC Foundation durch das Gremium IASB – Aufgaben, Organisation und Entwicklung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
I. Entstehung und Aufgaben der IASC Foundation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
II. Organisation und Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
III. Die Erstellung der internationalen Rechnungslegungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
1. Ausarbeitung der IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
2. Ausarbeitung der IFRIC-Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Kapitel 2 Die Übernahme der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
70
A. Die Kompetenzgrundlagen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung: Wahl des Rechtsaktes „Verordnung“ als zulässiges Rechtsinstrument? . . . . . . . . . .
71
I. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung . .
72
1. Die Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 95 Abs. 1 EGV . . . . . . . . . . . . . . .
72
a) Die IAS / IFRS-Basisverordnung als erforderliche Maßnahme zur Errichtung und zum Funktionieren des Binnenmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
b) Die IAS / IFRS-Basisverordnung als Maßnahme zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . .
75
2. Anwendbarkeit des Art. 95 Abs. 1 EGV oder Vorrang anderer Ermächtigungsgrundlagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
a) Zielsetzung des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
b) Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV abschließend gegenüber Art. 95 Abs. 1 EGV? . .
78
Inhaltsverzeichnis
15
3. Die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
a) Justiziabilität des Subsidiaritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
b) Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips auf Maßnahmen nach Art. 95 Abs. 1 EGV? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
c) Einhaltung der Voraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . .
84
aa) Unsicherheiten in Praxis und Literatur im Umgang mit den Voraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
bb) Entbehrlichkeit einer eingehenden Prüfung der materiellen Voraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
d) Einhaltung der Begründungspflicht zum Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . .
88
II. Pflicht zur Wahl einer Richtlinie wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips aus Art. 5 Abs. 3 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
1. Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Wahl des Angleichungsrechtsaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
2. Einhaltung der materiellen Voraussetzungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
III. Pflicht zur Wahl einer Richtlinie wegen der gemeinsamen Erklärung der Mitgliedstaaten zu Art. 100a EGV in der EEA? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
IV. Ergebnis und eigene Beurteilung des gesamten Komplexes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
B. Die Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
I. Die Übernahme der privaten IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht als Beispiel und Problem der staatlichen Kooperation mit Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
1. Das Phänomen der Zusammenarbeit Privater mit dem Staat, insbesondere bei der Schaffung verbindlicher Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
2. Das Interesse an der Kooperation mit Privaten im Bereich der Rechtsetzung
99
3. Vermittlung rechtlicher Verbindlichkeit auf rechtssatzähnliche Kooperationsbeiträge privater Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Formen der hoheitlichen Rezeption privater Regelwerke sowie die Zuordnung des Endorsement der IAS / IFRS zu einem Rezeptionstypus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Typologische und terminologische Klassifizierung der unterschiedlichen Rezeptionsformen privater Regelsätze in das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Unterscheidung nach der Art der zeitlichen Inbezugnahme der Regeln, auf die verwiesen wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Statische Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (2) Dynamische Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
16
Inhaltsverzeichnis bb) Unterscheidung nach der Art der Vollständigkeit der verweisenden Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Normergänzende Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (2) Normkonkretisierende Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Inkorporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Die Zuordnung des Endorsement der IAS / IFRS zu einem Rezeptionsmodell 109 III. Die prinzipielle Vereinbarkeit des Endorsement als Inkorporation privater IAS / IFRS mit dem Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Europarechtliches Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Europarechtliches Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Bislang einhellige Auffassung im Schrifttum: Das Rezeptionsmodell der Inkorporation ist mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip vereinbar . . . . . 120 IV. Spezifische Aspekte des Endorsement, die seiner prinzipiellen rechtlichen Unbedenklichkeit entgegenstehen können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Wertungsmäßige Einordnung des Endorsement als faktische dynamische Verweisung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Dynamisierung des Endorsement und faktischer Zwang zur Übernahme jeglicher IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Kein Automatismus in der Übernahme der IAS / IFRS durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Europarechtswidrigkeit des Endorsement aufgrund unzulässiger Übertragung der Befugnis zur Inkorporation der privaten IAS / IFRS auf die Kommission? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Allgemeines zu Art. 202, 3. Sp. EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Beachtung der aktiven und passiven Übertragungsfähigkeit aus Art. 202, 3. Sp. EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Einräumung der Befugnis zum Endorsement als Durchführungsbefugnis im Sinne des Art. 202, 3. Sp. EGV? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Reichweite der Durchführungsbefugnisse gem. Art. 202, 3. Sp. EGV 133 bb) Übertragung der Erkenntnisse auf die IAS / IFRS-Basisverordnung . . 136 d) Hinreichende Bestimmtheit der Übertragung der Endorsementbefugnis auf die Kommission? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Die Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit der übertragenen Rechtsetzungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 bb) Die hinreichende Bestimmtheit der Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (1) Das Prinzip des true and fair view . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Inhaltsverzeichnis
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(2) Europäisches öffentliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (3) Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Legitimität des Komitologieverfahrens beim Endorsement internationaler Rechnungslegungsstandards? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Das Komitologiewesen – Begriff, Rechtsgrundlage, Ausgestaltung . . . . . . . 147 aa) Historischer Kurzüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Inhaltliche Grundzüge des Zweiten Komitologiebeschlusses, wie er zur Zeit des Erlasses der IAS / IFRS-Basisverordnung galt . . . . . . . . . . . 149 (1) Befugnisse der Kommission bei einer ablehnenden Stellungnahme des Ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (2) Beteiligungsrechte des Europäischen Parlamentes im Komitologieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Inhaltliche Gründzüge der im Jahr 2006 vorgenommenen Änderungen des Zweiten Komitologiebeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Rechtliche Kritikpunkte am Komitologieverfahren in Gestalt des „Regelungsverfahrens“, wie es die IAS / IFRS-Basisverordnung de lege lata bei der Übernahme der IAS / IFRS anordnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa) Verstoß des Regelungsverfahrens zur Übernahme der IAS / IFRS gegen das europarechtliche Rechtsstaatsgebot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erste Ansicht: Verstoß gegen das europarechtliche Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gegenansicht: Kein Verstoß gegen das europarechtliche Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verstoß des Regelungsverfahrens zur Übernahme der IAS / IFRS gegen das europarechtliche Demokratieprinzip wegen der beschränkten Mitwirkungsmöglichkeiten des Europäischen Parlamentes? . . . . . . . . . (1) Erste Ansicht: Keine ausreichende Beteiligung des Europäischen Parlamentes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gegenansicht: Keine europarechtliche Verpflichtung zur Ausweitung der Rechtsstellung des Europäischen Parlamentes . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
157 157 158 159
160 160 161 161
cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 c) Vermittelt das Regelungsverfahren gerade dem Endorsement der privaten internationalen Rechnungslegungsstandards ein europarechtlich ausreichendes demokratisches Legitimationsniveau? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 d) Zwischenergebnis und Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 e) Die Ersetzung des „Regelungsverfahrens“ durch das „Regelungsverfahren mit Kontrolle“ als das bei der Übernahme von IAS / IFRS zu befolgende Komitologieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
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Inhaltsverzeichnis f) Schlussfolgerungen für das Endorsement von IAS / IFRS aus der Rechtsetzungsentwicklung im Bereich der Finanzdienstleistungen (LamfalussyProzess) sowie der Übernahme der privaten Basel II-Rahmenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Hintergrund und Entstehung des Lamfalussy-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Ablauf des Lamfalussy-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 cc) Die Modifizierung des Komitologieverfahrens im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens zugunsten des Europäischen Parlamentes . . . . . . . . 172 dd) Wachsende Bedeutung des Lamfalussy-Verfahrens: Insbesondere die Implementierung der „Basel II“-Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 ee) Folgerungen für das bisherige Endorsement der IAS / IFRS . . . . . . . . . . 178 g) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Einhaltung ausreichender kompensatorischer Steuerungs- und Sicherungsmechanismen beim Endorsement der IAS / IFRS? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Die Verpflichtung des Gesetzgebers zur ausreichenden Steuerung und Sicherung als Folge staatlicher Kooperation mit Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Rechtliche Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Konkrete Anforderungen an den Staat bei der Kooperation mit Privaten im Rahmen privater Normgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (1) Prozedurale Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (2) Materielle Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 cc) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung, ausreichende Steuerungs- und Sicherungsmechanismen zu installieren . . . . . . . . . . . . 185 b) Notwendigkeit zusätzlicher Steuerungs- und Sicherungsmechanismen beim Endorsement der IAS / IFRS mittels Inkorporation? . . . . . . . . . . . . . . . . 186 aa) Die schwache Ausprägung der die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Inkorporation tragenden Gründe im konkreten Falle der Inkorporation der IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Aufnahme der IAS / IFRS „in den Willen“ des Gesetzgebers – strukturelle Sachverstandsasymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Beschränkung der Rolle der Kommission auf die Ratifikation der IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die dominante Rolle des Exekutivorgans Kommission beim Endorsement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187 187 188 189
bb) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Prozedurale Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Personelle Besetzung der privaten Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeine Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die IASC Foundation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Das IFRIC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191 191 192 192 196
Inhaltsverzeichnis
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(c) Das Standards Advisory Council . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Die Trustees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die EFRAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen . . . . . . . . . .
198 199 200 201
bb) Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die IASC Foundation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die EFRAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen . . . . . . . . . .
202 203 205 206
cc) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verfahren zur Erstellung von IFRS im IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verfahren zur Erstellung von IFRIC-Interpretationen . . . . . . . . . . . . (3) Verfahren in der EFRAG-TEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verfahren in der Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
206 207 209 212 214
dd) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 d) Materielle Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Der IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (1) Materielle Steuerung über die Übernahmekriterien aus Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (2) Unausgesprochene Anerkennung der im IAS / IFRS-Regelwerk bereits angelegten Interessengewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) Die EFRAG-TEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 dd) Die Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . 219 ee) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Kapitel 3 Die Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht – Geltung der IAS / IFRS über die IAS / IFRS-Rechtsakte in Deutschland?
221
A. Ausgangspunkt: Zweifel, ob die IAS / IFRS-Rechtsakte in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen anwendbar sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B. Kann gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht in Deutschland überhaupt unangewendet bleiben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Geltungsgrund des europäischen Gemeinschaftsrechts sowie Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Geltungsgrund des europäischen Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Europäisches Gemeinschaftsrecht in „traditioneller“ Sichtweise . . . . . . . . . . 223 b) Europäisches Gemeinschaftsrecht in „autonomer“ Sichtweise . . . . . . . . . . . . 225
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Inhaltsverzeichnis 2. Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht: (Anwendungs-) Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Grenzen der innerstaatlichen Anwendbarkeit des europäischen Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Innerstaatliche Geltung sowie Vorrang des Gemeinschaftsrechts ohne Begrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Beschränkung der innerstaatlichen Geltung sowie des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 a) Existenz von Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 b) Ausgestaltung der Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Zwischenergebnis und Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
C. Einhaltung der Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit sekundären Gemeinschaftsrechts durch die IAS / IFRS-Rechtsakte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Grenzen der übertragbaren Hoheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Die Grenze des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Die Grenze des Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . 238 a) Die Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 b) Grundgesetzliche Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Grundgesetzliches Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Verstoß der IAS / IFRS-Basisverordnung gegen die grundgesetzliche Wesentlichkeitstheorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 bb) Keine ausreichende demokratische Legitimation wegen Verwendung des Komitologieverfahrens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 cc) Defizite bei der Einhaltung ausreichender kompensatorischer Steuerungs- und Sicherungsmechanismen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Grenze der übertragenen Hoheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Inhaltsverzeichnis
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Kapitel 4 Anwendung und Auslegung der in das Gemeinschaftsrecht übernommenen IAS / IFRS
251
A. Methodische Einordnung der Anwendung und Auslegung von Rechtsnormen . . 252 B. Grundriss des Normsystems und der Anwendungs- und Auslegungskonzeption der IAS / IFRS als private Verlautbarungen des IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Die Elemente des Rechnungslegungsnormsystems des IASB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Preface . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4. Interpretationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 5. Anwendungsleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 II. Ansätze eigener Anwendungs- und Auslegungsgrundsätze im Normsystem der IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Prinzipienorientierung als Charakteristikum der IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Grundlinien eigener Anwendungs- und Auslegungsregeln innerhalb des IAS / IFRS-Normsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 C. Die Leitlinien der Anwendung und Auslegung der in sekundäres Gemeinschaftsrecht überführten IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 I. Anwendung nicht übernommener Elemente des IAS / IFRS-Normsystems . . . . . . 263 1. Rechtlicher Status des Framework . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 2. Umgang mit Verweisen der endorsed IAS / IFRS auf nicht übernommene IAS / IFRS-Normelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 3. Übernahme bislang nicht übernommener Normelemente de lege ferenda . . . . 267 II. Auslegung der endorsed IAS / IFRS nach den Methoden des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Die grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Die historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 3. Die rechtsvergleichende Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 4. Die systematisch-teleologische Auslegung als wichtigste Methode der Auslegung der endorsed IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Die systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
22
Inhaltsverzeichnis b) Die teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 c) Übertragung auf die endorsed IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 aa) Die „horizontalen“ Gesetzeszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 bb) Die „vertikalen“ Gesetzeszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 cc) Berücksichtigung von nicht „endorsed“ IAS / IFRS-Normelementen 278 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 5. Die Relativierung der Bedeutung des IFRIC und seiner Interpretationen für die Auslegung von endorsed IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Methoden der Lückenfüllung von endorsed IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Die Lückenfüllung in der juristischen Methodenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Terminologie und Arten von Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Methoden zur Schließung von Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 aa) Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 bb) Das „argumentum a fortiori“: Die Schlüsse „a maiore ad minus“ und „a minore ad maius“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 cc) Der Umkehrschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 dd) Die teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 c) Übertragbarkeit auf das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 2. Lückenfüllung im System der endorsed IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 a) Lückenschließung gem. IAS 8.10 ff. als explizit geregelte Vorschriften über die Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 aa) Planwidrige Lücke als Anwendungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 bb) Die Zielvorgaben der Lückenfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 cc) Der normative Bezugsrahmen der IAS 8.11, .12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 dd) Berücksichtigung abgelehnter oder noch nicht übernommener IAS / IFRS im Rahmen der IAS 8.11, .12? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 ee) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 b) Lückenschließung gem. IAS 1.17 ff. als explizit geregelte teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 aa) Konflikt mit den Zielen finanzieller Abschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 bb) Äußerst seltene Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 cc) Lückenschließung nach IAS 1.17 ff. als beschränkte teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Inhaltsverzeichnis
23
Kapitel 5 Die fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht – Rechtsfolgen und Rechtsschutz betroffener Unternehmen
296
A. Fehlerhaft übernommene IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 I. Fehlerhaftigkeit von endorsed IAS / IFRS als Folge eines Verstoßes der IAS / IFRS-Übernahmeverordnung gegen höherrangiges Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 II. Rechtsfolgen der fehlerhaften Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 B. Rechtsschutz betroffener Unternehmen gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 I. Direkter Zugang zum Gerichtshof: Die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 EGV gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 1. Hindernis der Verfristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 2. Problem der direkten Angreifbarkeit von (IAS / IFRS-Übernahme-)Verordnungen durch natürliche oder juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 a) Unmittelbare Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 b) Individuelle Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 II. Indirekter Zugang zum Gerichtshof: Inzidentrüge, Vorabentscheidungsverfahren und nationaler Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS . . . . 309 1. Inzidentrüge gem. Art. 241 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 2. Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 234 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 a) Zulässigkeitsvoraussetzungen und Urteilswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Bedeutung des Vorabentscheidungsverfahrens für den Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS sowie Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 III. Gerichtliche Streitverfahren über die Erstellung eines IAS / IFRS-Abschlusses als Ausgangspunkte für das Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1. Anknüpfungspunkte gerichtlicher Auseinandersetzungen im Zuge der Konzernbilanzierung für ein bestimmtes Geschäftsjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a) Aufstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 b) Prüfung durch den Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 c) Billigung nach Prüfung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 d) Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
24
Inhaltsverzeichnis e) Bilanzkontrolle im Enforcement-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 aa) Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 bb) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) . . . . . . . . . . . . . 318 2. Gerichtliche Streitigkeiten mit dem Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 a) Meinungsverschiedenheiten zwischen der kapitalmarktorientierten (Kapital-)Gesellschaft und ihrem Abschlussprüfer, § 324 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . 319 aa) Das gerichtliche Verfahren nach § 324 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 bb) Schwächen des Verfahrens nach § 324 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 b) Leistungsklage auf Erteilung eines Bestätigungsvermerks . . . . . . . . . . . . . . . . 322 3. Gerichtliche Streitigkeiten im Hinblick auf die Billigung des Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 a) Billigung des Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat als Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 b) Schwächen der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Billigungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 4. Gerichtliche Streitigkeiten um Maßnahmen der DPR im Enforcement-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 5. Gerichtliche Streitigkeiten um Maßnahmen der BaFin im Enforcement-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 IV. Unbefriedigende Rechtsschutzsituation und Überlegungen zur Verbesserung . . . 329 1. Bewertung der Rechtsschutzsituation auf Grundlage der bisher erzielten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 2. Ermöglichung der Nichtigkeitsklage gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS als „self executing“ Legislativakte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 3. Beschleunigung des Vorabentscheidungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 4. Abhilfe durch souveräne Prüfung und Testierung seitens des Abschlussprüfers 334 5. Nutzung einstweiligen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 a) Einstweiliger Rechtsschutz im Verfahren nach § 324 HGB . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Einstweiliger Rechtsschutz bei der Leistungsklage auf Erteilung eines Bestätigungsvermerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 c) Einstweiliger Rechtsschutz im Enforcement-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 6. Erhebung einer allgemeinen Feststellungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 a) Vorteile für den effektiven Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 b) Konkrete prozessuale Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
Thesenförmige Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
Abkürzungsverzeichnis a. A.
andere Ansicht
Abg.
Abgeordneter
ABl.
Amtsblatt
Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
abw.
abweichend
a. F.
alte Fassung
AfP
Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht
AG
Die Aktiengesellschaft
AktG
Aktiengesetz
allg.
allgemein
ALR
Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten
Alt.
Alternative
Anm.
Anmerkung
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
AVR
Archiv des Völkerrechts
BaFin
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BayVBl.
Bayerische Verwaltungsblätter
BB
Betriebs-Berater
BC
Basis of Conclusion
Begr.
Begründung
Beschl.
Beschluss
BFuP
Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen
BHR
Bonner Handbuch Rechnungslegung
BilanzR
Bilanzrecht
BilKoG
Bilanzkontrollgesetz
BilReG
Bilanzrechtsreformgesetz
26
Abkürzungsverzeichnis
BilRiLiG
Bilanzrichtlinien-Gesetz
BIZ
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
BMF
Bundesministerium der Finanzen
bspw.
beispielsweise
BT-Drs.
Bundestags-Drucksache
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerfGG
Bundesverfassungsgerichtsgesetz
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
CEN
Comité Européen de Normalisation
CENELEC
Comité Européen de Normalisation Electrotechnique
CESR
Committee of European Securities Regulators
CMLR
Common Market Law Report
DB
Der Betrieb
ders.
derselbe
d. h.
das heißt
dies.
dieselbe; dieselben
DIN
Deutsches Institut für Normung e.V.
DM
Deutsche Mark
DÖV
Die öffentliche Verwaltung
DPR
Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung
DRiZ
Deutsche Richterzeitung
DRSC
Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee
DStJG
Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V.
DStR
Deutsches Steuerrecht
DVBl.
Deutsches Verwaltungsblatt
EAR
European Accounting Review
ECOFIN-Rat
Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der Europäischen Union
EEA
Einheitliche Europäische Akte
EFRAG
European Financial Reporting Advisory Group
EFRAG-TEG
European Financial Reporting Advisory Group – Technical Expert Group
EG
Europäische Gemeinschaft
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
EHUG
Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister
Abkürzungsverzeichnis Einf.
Einführung
ELJ
European Law Journal
ELR
European Law Review
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention
endg.
endgültig
EP Dok.
Dokument des Europäischen Parlamentes
Erl.
Erläuterung
Erstb.
Erstbearbeitung
ESC
European Securities Committee
EStG
Einkommensteuergesetz
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EuG
Europäisches Gericht Erster Instanz
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuGH-VerfO
Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs
EuGRZ
Europäische Grundrechte-Zeitschrift
EuR
Europarecht
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
evtl.
eventuell
27
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
EWS
Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht
EZB
Europäische Zentralbank
F.
Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements
f., ff.
folgende
FASB
Financial Accounting Standards Board
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FGG
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Fn.
Fußnote
FR
Finanz-Rundschau
FS
Festschrift
GA
Generalanwalt
GBP
Great Britain Pound
gem.
gemäß
GewArch
Gewerbearchiv: Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschaftsverwaltungsrecht
GG
Grundgesetz
28
Abkürzungsverzeichnis
ggf.
gegebenenfalls
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHR
GmbH-Rundschau
GoB
Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
Grundz
Grundzahl
GS
Gedächtnisschrift
GVG
Gerichtsverfassungsgesetz
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
HD
Harmonisierungsdokument
Hdb
Handbuch
HFA
Hauptfachausschuss
HGB
Handelsgesetzbuch
h. M.
herrschende Meinung
Hrsg.
Herausgeber
IAIS
International Association of Insurance Supervisors
IAS
International Accounting Standards
IASB
International Accounting Standards Board
IASC
International Accounting Standards Committee
i. d. R.
in der Regel
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer
i. e.
id est
IFRIC
International Financial Reporting Interpretations Committee; Interpretationen des International Financial Reporting Interpretations Committee
IFRS
International Financial Accounting Standards
IG
Guidance on Implementing
IGH
Internationaler Gerichtshof
insb.
insbesondere
IOSCO
International Organisation of Securities Commissions
IRZ
Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung
i. S. d.
im Sinne des / der
ISO
International Organisation for Standardization
IStR
Internationales Steuerrecht
i.V. m.
in Verbindung mit
IWB
Internationale Wirtschafts-Briefe
JbStVw
Jahrbuch für Staats- und Verwaltungsrecht
JöR
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
Abkürzungsverzeichnis
29
Kap.
Kapitel
KapAEG
Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz
KOM
Kommission
KoR
Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung
Kreditwesen
Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
KritV
Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft
KSZE
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
LG
Landgericht
lit.
Buchstabe
LS
Leitsatz
m. E.
meines Erachtens
Mio.
Million
m. w. H.
mit weiteren Hinweisen
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR
NJW-Rechtsprechungs-Report
Nr.
Nummer
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NYSE
New York Stock Exchange
NZG
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
o. ä.
oder Ähnliches
OGAW
Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren
ÖJZ
Österreichische Juristenzeitung
OLG
Oberlandesgericht
P.
Preface to International Financial Reporting Standards
PiR
Praxis der internationalen Rechnungslegung
PublG
Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen (Publizitätsgesetz)
RabelsZ
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht
RegBegr.
Regierungsbegründung
RegEntwurf
Regierungsentwurf
RIDC
Revue internationale de droit comparé
RIW
Recht der Internationalen Wirtschaft
Rn.
Randnummer
RPflG
Rechtspflegergesetz
Rs.
Rechtssache
RTDE
Revue trimestrielle de droit européen
S.
Satz; Seite
30
Abkürzungsverzeichnis
SAC
Standards Advisory Council
SEC
Securities and Exchange Commission
Sect.
Section
SIC
Standing Interpretations Committee; Interpretationen des Standing Interpretations Committee
Slg.
Sammlung
sog.
so genannt
Sp.
Spiegelstrich
StRspr
Ständige Rechtsprechung
StuB
Steuern und Bilanzen
StuW
Steuer und Wirtschaft
StWStPr
Staatswissenschaften und Staatspraxis
TOP
Tagesordnungspunkt
TransPuG
Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität
u. a.
unter anderem
u. ä.
und Ähnliches
Urt.
Urteil
USA
Vereinigte Staaten von Amerika
USD
US-Dollar
US-GAAP
US-Generally Accepted Accounting Principles
u. U.
unter Umständen
verb.
verbunden
Verf.
Verfasser
VerwArch
Verwaltungsarchiv
vgl.
vergleiche
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
WG
Wechselgesetz
WM
Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht / Wertpapiermitteilungen
WPg
Die Wirtschaftsprüfung
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
WPK-Mitt.
Mitteilungen der Wirtschaftsprüferkammer
WPO
Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer
WpÜG
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
WWU
Wirtschafts- und Währungsunion
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
z. B.
zum Beispiel
Abkürzungsverzeichnis
31
ZEuP
Zeitschrift für Europäisches Privatrecht
ZfRV
Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht
ZG
Zeitschrift für Gesetzgebung
ZGR
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
Ziff.
Ziffer
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
ZPO
Zivilprozessordnung
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
z. T.
zum Teil
ZVglRWiss
Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
Einleitung sowie Ziel und Gang der Untersuchung A. Die IAS / IFRS-Verordnung: Internationalisierung der (Konzern-)Rechnungslegung Der 1. Januar 2005 markiert für das Bilanzrecht als Teil des Handels- und Gesellschaftsrechts ein historisches Datum: alle kapitalmarktorientierten europäischen Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, für die Geschäftsjahre, die am oder nach diesem Zeitpunkt beginnen, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS1 aufzustellen.2 Nach offiziellen Schätzungen betrifft diese Verpflichtung ca. 7.000 börsennotierte Unternehmen europaweit.3 Die Einführung dieser Verpflichtung durch die europäische Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (im Weiteren: IAS / IFRS-Basisverordnung oder IAS / IFRSVerordnung)4 bedeutet den vorläufigen Höhepunkt der Internationalisierung der Rechnungslegung in Europa. Ausgehend von der Harmonisierung des Bilanzrechts mittels Richtlinien seit Ende der 1960er Jahre sah sich die deutsche handelsrechtliche Rechnungslegung einem immer größer werdenden Einfluss europäischer und
1 Die Abkürzung IAS steht für International Accounting Standards, die Abkürzung IFRS für International Financial Reporting Standards. IFRIC-Interpretationen meinen solche Interpretationen, die das International Financial Reporting Interpretations Committee, SIC solche Interpretationen, die das Standing Interpretations Committee ausgearbeitet hat. IAS werden die Standards genannt, welche das Board des IASC als bis zum Jahre 2001 bestehende Vorgängerorganisation des IASB erarbeitet hat, während alle Standards, die ab 2001 erlassen wurden, IFRS genannt werden. Das gleiche gilt für die Interpretationen: SIC-Interpretation meinen die vor 2001, IFRIC-Interpretationen die nach 2001 erarbeiteten Interpretationen. In der Diktion des IAS 1 wird die Abkürzung „IFRS“ auch als Oberbegriff sowohl für IAS als auch für IFRS sowie für SIC- und IFRIC-Interpretationen verwendet (vgl. IAS 1.11). Diese Arbeit spricht im Weiteren grundsätzlich von IAS / IFRS, wenn sie sowohl die IAS, IFRS, SIC- und IFRIC-Interpretationen meint, und weicht davon nur ab, wenn es spezifisch z. B. um IAS, IFRS, SIC- oder IFRIC-Interpretationen geht. 2 Für bestimmte Unternehmen besteht u. U. eine Übergangsfrist bis zum 01. Januar 2007. 3 Vgl. Presseerklärung der EG vom 29. 09. 2003, IP / 03 / 1297, abrufbar unter http: // europa.eu / rapid / pressReleasesAction.do?reference=IP / 03 / 1297&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en (Stand Dezember 2007). 4 ABl. L 243 vom 11. 09. 2002, S. 1.
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Einleitung sowie Ziel und Gang der Untersuchung
internationaler Akteure ausgesetzt.5 Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und insbesondere durch die akzelerierte Globalisierung verstärkte sich noch der Druck auf die Unternehmen, ihre finanzielle Berichterstattung als „Sprache der Wirtschaft“ grenzüberschreitend besser „verstehbar“ zu machen. Der deutsche Gesetzgeber reagierte auf diese Bedürfnisse schon 1998 mit der Einführung der (in ihrer Gültigkeit bis zum 31. 12. 2004 befristeten) Vorschrift § 292a HGB durch das Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG).6 Diese Regelung befreite kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen von der Aufstellung eines Konzernabschlusses sowie eines Konzernlageberichts nach deutschem Recht, wenn das Mutterunternehmen u. a. seinen konsolidierten Abschluss bereits „nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellt“ hatte, welche im Einklang mit den europäischen Bilanzrichtlinien standen.7 Schon zu diesem Zeitpunkt öffnete sich damit das deutsche Konzernbilanzrecht Internationalisierungsbestrebungen, die über den europäischen Rechtsrahmen hinausgingen und die Anwendung von Rechnungslegungsstandards zuließen, deren Ursprung zum einen nicht staatlicher und zum anderen nicht allein europäischer Art waren: Denn typischerweise nutzten deutsche Mutterunternehmen den § 292a HGB, um ihre konsolidierten Abschlüsse nach den US-amerikanischen „Generally Accepted Accounting Principles“ (US-GAAP) oder den privaten internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS aufzustellen. Der Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung durch den europäischen Gesetzgeber brachte die endgültige Hinwendung zu den IAS / IFRS, soweit es jedenfalls um die Konzernbilanzierung kapitalmarktorientierter europäischer Unternehmen ging. Über den Weg der europäischen Verordnung, die – anders als die Richtlinie – gem. Art. 249 Abs. 2 EGV unmittelbar und ohne weiteren Transformationsakt in den einzelnen Mitgliedstaaten gilt,8 übernahm der europäische Gesetzgeber die IAS / IFRS und versuchte, ein Gegengewicht gegen die sich abzeichnende US-Amerikanisierung der Rechnungslegung zu schaffen.
5 Vgl. nur Küting / Hayn, in: Küting / Weber, HdR, Kap 1 Rn. 101 ff. Näher auch Kapitel 1 B. I. 1. 6 Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen vom 20. 04. 1998, BGBl. I 1998, S. 707. 7 Siehe z. B. näher Hommelhoff, in: GroßkommHGB, § 292a Rn 1 ff.; zur Diskussion über die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung siehe z. B. Heintzen, BB 1999, 1050 ff.; Henssler / Slota, NZG 1999, 1133, 1139; Merkt, in: Baumbach / Hopt, 31. Aufl., HGB, § 292a Rn. 1; Adolphsen, RabelsZ 68 (2004), 154, 162 ff. jeweils für Verfassungsmäßigkeit; für Verfassungswidrigkeit hingegen Hommelhoff, in: GroßkommHGB, § 292a Rn 24; Hellermann, NZG 2000, 1097; 1102, Kirchhof, ZGR 2000, 681 ff. 8 Die Befreiungsmöglichkeit des § 292a HGB läuft nunmehr leer, weil sie durch die Bestimmungen der IAS / IFRS-Basisverordnung funktional ersetzt wird. Aus diesem Grunde ist der Wegfall des § 292a HGB zum 31. 12. 2004 konsequent und richtig.
B. Ziele der Untersuchung
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B. Ziele der Untersuchung An die Einführung der verpflichtenden Konzernrechnungslegung nach IAS / IFRS durch die IAS / IFRS-Basisverordnung knüpfen sich viele unterschiedliche Fragen. Dazu gehört beispielsweise die bereits intensiv geführte Diskussion, ob die Bilanzierung nach den IAS / IFRS auch auf das Gebiet des handelsrechtlichen Einzelabschlusses und dadurch auch auf die Steuerbilanz ausgeweitet werden sollte, da das Handelsbilanzrecht in engem funktionalem Zusammenhang mit dem Gesellschaftsrecht sowie – jedenfalls in Deutschland wegen des in § 5 Abs. 1 S. 1 EStG verankerten Maßgeblichkeitsprinzips – in engem funktionalen Zusammenhang mit der steuerlichen Gewinnermittlung steht.9 In den Blickpunkt der vorliegenden Arbeit soll hingegen als „Leitmotiv“ ein anderer Aspekt gerückt werden, aus dem sich die zu behandelnden Rechtsfragen ableiten lassen: Es geht darum, den Qualitätssprung und die Konsequenzen deutlich sichtbar zu machen, die sich daraus ergeben, dass aus den internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS, die von einem privaten Gremium mit Sitz in London erarbeitet werden und die in ihrem Ursprung unverbindliche Standards sind, nach der Anordnung zur Befolgung durch den europäischen Gemeinschaftsgesetzgeber verbindliches hoheitliches europäisches Gemeinschaftsrecht wird. Vor diesem Hintergrund soll den spezifisch europarechtlichen Fragen,10 die mit der Verpflichtung von europäischen Unternehmen zur Aufstellung von konsolidierten Abschlüssen nach den IAS / IFRS verbunden sind, nachgegangen werden. Dazu gehört an erster Stelle, inwieweit der gesetzgeberische Mechanismus, mit dem den privaten und rechtsunverbindlichen IAS / IFRS verbindliche hoheitliche (Europa-) Rechtsnormqualität zugewiesen wird, überhaupt mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts konform ist. Denn in der Sache tritt der Gemeinschaftsgesetzgeber bei der IAS / IFRS-Gesetzgebung in eine auf Dauer angelegte Interaktion mit dem privaten Gremium International Accounting Standards Board (IASB), welches inhaltlich die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS ausarbeitet, die die europäischen Unternehmen schlussendlich zu befolgen haben. Prüfungsmaßstab muss dafür das europäische Gemeinschaftsrecht sein, in dem es bislang allerdings – anders als im nationalen Recht – nicht sehr deutlich ausgeprägte Grundsätze gibt, nach denen die Kooperation zwischen Gemeinschaftsgesetzgeber und Privaten zu bemessen ist. Die Arbeit will damit – abgesehen von konkreten Aussagen zu der IAS / IFRS-Basisverordnung – auch neue Erkenntnisse auf diesem 9 Siehe zu dieser Diskussion z. B. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2378 ff.; Oestreicher / Spengel, RIW 2001, 889, 894, Hennrichs, StuW 2005, 256 ff., Kuntschik, Steuerliche Gewinnermittlung, S. 164 ff. 10 Im Weiteren sollen die Termini „Europarecht“ und „Gemeinschaftsrecht“ bzw. „europarechtlich“ und „gemeinschaftsrechtlich“ synonym verwendet werden, obwohl man zwischen Europarecht im engeren Sinne – wozu lediglich das Recht der EU und EG gezählt wird – und Europarecht im weiteren Sinne unterscheiden kann (vgl. dazu nur Streinz, Europarecht, Rn. 1). Denn in der vorliegenden Arbeit kommt es auf diesen Unterschied nicht an.
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Einleitung sowie Ziel und Gang der Untersuchung
Feld erzielen. Gleichzeitig können die dabei herausgearbeiteten Defizite und Verbesserungsmöglichkeiten einen wichtigen Beitrag für die weitere Diskussion um die Ausweitung des Anwendungsbereichs der IAS / IFRS-Bilanzierung oder die Einführung von internationalen Rechnungslegungsstandards für kleine und mittlere Unternehmen geben. Darüber hinaus möchte die Arbeit neue Schlüsse im Hinblick auf Auslegung und Anwendung derjenigen IAS / IFRS ziehen, die bereits in das Gemeinschaftsrecht aufgenommen worden sind. Auch hier erlaubt der europarechtliche Ansatz neue Einsichten, die für die Anwendung der IAS / IFRS in der Praxis von wesentlicher Bedeutung sein können. Im Hinblick auf die konkrete Anwendung der IAS / IFRS verfolgt die Arbeit zudem das Ziel, die besondere Rechtsschutzsituation von kapitalmarktorientierten Unternehmen gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS zu untersuchen, um auch hier die europarechtliche Determination des Rechtsschutzes deutlich zu machen und auf Möglichkeiten, aber auch Defizite der Rechtsschutzsituation hinzuweisen. Der besondere europarechtliche Ansatz ermöglicht es, grundlegende Fragen im Umgang mit der gemeinschaftsrechtlich eingeführten und damit auch gemeinschaftsrechtlich induzierten IAS / IFRS-Rechnungslegungsverpflichtung zu analysieren und neue Erkenntnisse zu gewinnen, die einer Auseinandersetzung mit konkreten Problemen der Rechnungslegung nach IAS / IFRS notwendigerweise vorgehen. Diese Erkenntnisse können und sollen deshalb auch einen Beitrag zur nachfolgenden Lösung solcher bilanzrechtlicher Probleme leisten. Insgesamt wird dabei die fundamentale Determinierung der Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS durch das europäische Recht deutlich.
C. Gang der Untersuchung Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung gliedert sich die Arbeit in fünf Kapitel. In Kapitel 1 werden zunächst die normativen Grundlagen der Rechnungslegung nach den internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS in der EU aufgezeigt. Dieses Kapitel dient vor allem dazu, das „Objekt“ der Untersuchung, insbesondere die IAS / IFRS-Basisverordnung und den dort angeordneten Mechanismus zur Übernahme der IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht deutlich herauszustellen, um so die normativen Grundlagen für die weiteren Analysen zu schaffen. Für das vertiefte Verständnis wird daneben die IAS / IFRS-Gesetzgebung in einen breiteren historischen Entwicklungskontext hineingestellt sowie – im Vorgriff auf seine spätere Analyse – das private Gremium, welches die inhaltliche Ausarbeitung der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS vornimmt, mit seinen Aufgaben, seiner Organisation und Arbeitsweise kurz vorgestellt. Auf dieser Grundlage beschäftigt sich Kapitel 2 ausführlich mit der Europarechtskonformität der IAS / IFRS-Basisverordnung sowie des dort angeordneten
C. Gang der Untersuchung
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Übernahmemechanismus von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht. Es untersucht die juristische Schnittstelle der Transformation der privaten IAS / IFRS zu europarechtlichen Normen. Dazu werden zum einen die kompetenziellen Voraussetzungen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung erörtert. Zum anderen werden die Grundlagen erarbeitet, anhand derer die Europarechtskonformität gemessen werden kann. Dazu werden die spezifischen Problempunkte analysiert, Defizite herausgearbeitet und Vorschläge für Veränderung und Verbesserung der IAS / IFRS-Gesetzgebung gemacht. Im Anschluss daran soll aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts untersucht werden, ob die IAS / IFRS-Gesetzgebung auf deutschem Hoheitsgebiet für sich Geltung beanspruchen kann oder ob sie wegen Verstoßes gegen verfassungsrechtliche Grundsätze sowie die Maßstäbe der sog. „Maastricht“-Rechtsprechung des BVerfG auf deutschem Hoheitsgebiet unbeachtlich ist. Dieses Kapitel 3 führt dabei zu den Grundfragen der Geltung europäischen Rechts in Deutschland. Im Zentrum des Kapitel 4 steht die Beschäftigung mit den Grundsätzen der Auslegung und Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS in der Form, wie sie in das Gemeinschaftsrecht übernommen wurden. Dabei werden die spezifischen, europarechtlich determinierten Auslegungs- und Anwendungsprinzipien entwickelt sowie die Unterschiede im Vergleich zu den IAS / IFRS, wie sie als private Verlautbarungen des IASB gelten, herausgestellt. Kapitel 5 geht der Frage nach, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn IAS / IFRS unter Verstoß gegen die Voraussetzungen ihrer Übernahme in das Gemeinschaftsrecht übernommen sein sollten. Verknüpft wird diese Analyse mit der Untersuchung der Möglichkeiten kapitalmarktorientierter und somit IAS / IFRS-konzernbilanzierungspflichtiger deutscher Unternehmen, vor deutschen und europäischen Gerichten Rechtsschutz gegen solch fehlerhaft übernommene IAS / IFRS zu erlangen. Am Schluss steht eine thesenförmige Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse.
Kapitel 1
Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung nach den internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS in der EU Zunächst sollen die grundlegenden Konturen der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung herausgestellt werden, um auf diese Weise den normativen Rahmen der Rechnungslegung nach den IAS / IFRS für die weitere Untersuchung abzustecken. Die IAS / IFRS-Gesetzgebungsakte statuieren zum einen die Verpflichtung zur Rechnungslegung nach den internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS in der EU. Zum anderen müssen sie die prekäre Aufgabe meistern, den in ihrem Ausgangspunkt rechtlich unverbindlichen IAS / IFRS des privaten Gremiums IASB rechtliche Verbindlichkeit zu verleihen. Für das klare Verständnis und als Grundlage der weiteren Analyse ist es erforderlich, zunächst Inhalt und Anwendungsbereich der IAS / IFRS-Basisverordnung sowie die Funktionsweise der Übernahme der IAS / IFRS zu erläutern. Daraufhin muss auf die Entstehung und die Motive der IAS / IFRS-Gesetzgebung eingegangen werden. Im Anschluss daran sind mit einigen Worten die Aufgaben, Organisation und Vorgehensweisen des IASB zu beschreiben, welches als privates Gremium inhaltlich die internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS konzipiert.
A. Die IAS / IFRS-Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002 Am 19. 07. 2002 haben das Europäische Parlament und der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards erlassen.1 Auf ihrer Grundlage hat die Kommission, beginnend mit der Verordnung Nr. 1725 / 2003 vom 29. 09. 2003,2 bis heute eine ganze Reihe von Verordnungen erlassen, mit welchen sie die internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht übernimmt (im Weiteren: IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen).3 ABl. L 243 vom 11. 09. 2002, S. 1. ABl. L 261 vom 13. 10. 2003, S. 1. 3 Siehe zum aktuellen Stand der Übernahme http: // ec.europa.eu / internal_market / accounting / ias_de.htm (Stand Dezember 2007). 1 2
A. Die IAS / IFRS-Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002
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Normative Grundlage für die Verpflichtung kapitalmarktorientierter Unternehmen, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS aufzustellen, bildet die IAS / IFRS-Basisverordnung. Sie soll im Zentrum der weiteren Betrachtung stehen.
I. Inhaltliche Grundlagen Die IAS / IFRS-Basisverordnung gliedert sich in zwei Abschnitte: In der Präambel werden die erlassenden Rechtssetzungsorgane, die Kompetenzgrundlage für den Erlass des Rechtsaktes sowie eine Reihe von sog. „Erwägungsgründen“ genannt. Der zweite Abschnitt enthält die eigentlichen juristischen Regelungen im Sinne der Einräumung von Rechten und Pflichten. Dieser zweite Abschnitt umfasst elf Artikel und gehört damit in quantitativer Hinsicht zu den kürzeren Rechtsakten der EG. Art. 1 stellt das Ziel der Verordnung heraus: „Gegenstand dieser Verordnung ist die Übernahme und Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards in der Gemeinschaft, mit dem Ziel, die von Gesellschaften im Sinne des Artikels 4 vorgelegten Finanzinformationen zu harmonisieren, um einen hohen Grad an Transparenz und Vergleichbarkeit der Abschlüsse und damit eine effiziente Funktionsweise des Kapitalmarktes in der Gemeinschaft und im Binnenmarkt sicherzustellen.“
Der in Art. 1 verwendete Begriff der „internationalen Rechnungslegungsstandards“ wird in Art. 2 näher definiert. Danach sind internationale Rechnungslegungsstandards im Sinne der IAS / IFRS-Basisverordnung ausschließlich die „International Accounting Standards (IAS), die International Financial Reporting Standards (IFRS) und damit verbundene Auslegungen (SIC / IFRIC-Interpretationen)“ sowie spätere Änderungen und künftige Standards, die vom IASB herausgegeben oder angenommen wurden.4 Damit verengt die Verordnung den bei unverfänglicher Betrachtung offenen Begriff der internationalen Rechnungslegungsstandards und reduziert ihn auf die IAS / IFRS unter Ausschluss anderer internationaler Rechnungslegungsnormen, darunter hauptsächlich die US-GAAP.5 Art. 4 konstituiert den zwingenden, Art. 5 den fakultativen Anwendungsbereich der Bilanzierung nach IAS / IFRS. Art. 3 enthält die Ermächtigung der Kommission, über die Anwendbarkeit der IAS / IFRS in der Gemeinschaft zu beschließen, wobei sie dabei an bestimmte inhaltliche sowie prozedurale Voraussetzungen gebunden ist. Letztere sind in Art. 6 und 7 näher geregelt. Vgl. zur Terminologie oben Fn. 1. Offener noch der Wortlaut des Art. 2 des Entwurfs der Verordnung vom 13. 02. 2001, KOM (2001) 80, auch wenn die Kommission schon damals nicht die Absicht hatte, andere Standards als die IAS in den Pflichtenbereich der Verordnung hineinzuziehen. Dazu Göthel, BB 2001, 2059; Ernst, BB 2001, 823, 824; Luttermann, IWB Fach 11 Gruppe 3, 263, 266; van Hulle, WPg 2003, 968, 977. 4 5
40
Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
Im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung weniger relevante Fragen, wie z. B. Übergangsbestimmungen und Inkrafttreten, werden in Art. 8 – 11 der IAS / IFRS-Basisverordnung normiert.
II. Anwendungsbereich der Rechnungslegung nach übernommenen IAS / IFRS Der Anwendungsbereich für die Rechnungslegung nach den übernommenen IAS / IFRS ergibt sich primär aus Art. 4 IAS / IFRS-Basisverordnung sowie sekundär aus Art. 5 IAS / IFRS-Basisverordnung i.V. m. den jeweiligen mitgliedstaatlichen Vorschriften.
1. Obligatorischer Anwendungsbereich für konsolidierte Abschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen Gem. Art. 4 IAS / IFRS-Basisverordnung müssen kapitalmarktorientierte Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegen, ihre konsolidierten Abschlüsse für die Geschäftsjahre, die am oder nach dem 01. 01. 2005 beginnen, nach den von der Kommission in den IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen übernommenen IAS / IFRS aufstellen.6 Diese Verpflichtung gilt gem. Art. 249 Abs. 2 EGV in verbindlicher Weise unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Kapitalmarktorientierte Gesellschaften im Sinne des Art. 4 IAS / IFRS-Basisverordnung sind solche Gesellschaften, die am jeweiligen Bilanzstichtag ihre Wertpapiere in einem beliebigen Mitgliedstaat zum Handel in einem geregelten Markt im Sinne des Art. 1 Abs. 13 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 7 zugelassen haben. Da die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie am 30. 04. 2006 durch die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente8 aufgehoben wurde, gilt9 als relevante Bestimmung nun der Art. 4 Nr. 14 der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente.10 6 Unter den in Art. 9 IAS / IFRS-Basisverordnung vorgesehenen Voraussetzungen ist eine Pflicht zur Bilanzierung nach IAS / IFRS ausnahmsweise auch erst für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 01. 01. 2007 beginnen, möglich. 7 Richtlinie 93 / 22 / EWG des Rates vom 10. 05. 1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. L 141 vom 11. 06. 1993, S. 27. 8 Richtlinie 2004 / 39 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 04. 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85 / 611 / EWG und 93 / 6 / EWG des Rates und der Richtlinie 2000 / 12 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93 / 22 / EWG des Rates, ABl. L 145 vom 30. 04. 2006, S. 1. 9 Art. 69 Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente. 10 Ein geregelter Markt ist gem. Art. 4 Nr. 14 der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente „ein von einem Marktbetreiber betriebenes und / oder verwaltetes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusam-
A. Die IAS / IFRS-Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002
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Da die IAS / IFRS-Basisverordnung keine eigenen Angaben darüber enthält, was unter Wertpapieren zu verstehen ist, kann auf die Begrifflichkeit der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente zurückgegriffen werden.11 Dementsprechend sind unter Wertpapieren solche Papiere zu verstehen, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten.12 Dem Begriff der Gesellschaft unterfallen gem. Art. 48 Abs. 2 EGV alle Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und des privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen.13 Die IAS / IFRS-Basisverordnung enthält keine Aussage darüber, ob eine kapitalmarktorientierte Gesellschaft überhaupt einen konsolidierten Abschluss aufzustellen hat.14 Sie knüpft vielmehr an das Bestehen einer solchen Pflicht an und gibt für diesen Fall vor, dass der konsolidierte Abschluss nach den übernommenen IAS / IFRS aufzustellen ist. Ob eine deutsche kapitalmarktorientierte Gesellschaft einen konsolidierten Abschluss aufzustellen hat, ergibt sich aus der Konzernbilanzrichtlinie15 in der Form, wie diese in das HGB transformiert wurde, d. h. insbesondere aus den §§ 290 ff. HGB sowie aus § 11 PublG.16 Eine kapitalmarktorientierte deutsche Gesellschaft, die nach Art. 4 IAS / IFRSBasisverordnung zur Aufstellung ihres konsolidierten Abschlusses nach übernommenen IAS / IFRS verpflichtet ist, muss grundsätzlich keine „deutschen“ Vorschriften zum Konzernabschluss beachten. Eine Ausnahme sieht § 315a HGB vor. Dort werden die Normen des HGB aufgeführt, welche neben den IAS / IFRS anwendbar bleiben.17
menführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gemäß den Regeln und / oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, sowie eine Zulassung erhalten hat und ordnungsgemäß und gemäß den Bestimmungen des Titels III funktioniert“. 11 IDW, WP-Handbuch, N Rn. 5; Schulze-Osterloh, in: HdJ I / 1, Rn. 108. 12 Siehe näher Art. 4 Nr. 18 Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente. 13 Schulze-Osterloh, in: HdJ I / 1, Rn. 109; siehe näher zu Art. 48 Abs. EGV auch MüllerGraff, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 48 EGV Rn. 2 ff. 14 Hoyos / Ritter-Thiele, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 315a HGB Rn. 5; Buchheim / Gröner, BB 2003, 953; zu Einzelfragen siehe auch Knorr / Buchheim / Schmidt, BB 2005, 2399 ff. sowie Küting / Gattung / Keßler, DStR 2006, 529 ff. 15 Siebente Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1983 über den konsolidierten Abschluss (83 / 349 / EWG), ABl. L 193 vom 18. 07. 1983, S. 1 ff. 16 Buchheim / Gröner, BB 2003, 953; Schulze-Osterloh, in: HdJ I / 1, Rn. 109. Aus diesem Grunde sind die IAS 27.9 – 11 genau betrachtet überflüssigerweise übernommen, vgl. Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 3000 Fn. 1. 17 Vgl. die ausführliche Auflistung bei Heuser / Theile, IAS / IFRS Handbuch, 2. Aufl., Rn. 63 sowie IDW, WP Handbuch, N 13 f.
42
Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
2. Fakultative Ausdehnung des Anwendungsbereichs durch die Mitgliedstaaten Neben dem obligatorischen Gesetzesbefehl zur Befolgung der übernommenen IAS / IFRS in Art. 4 IAS- / IFRS-Basisverordnung räumt Art. 5 IAS / IFRS-Basisverordnung den Mitgliedstaaten das Recht ein, den Anwendungsbereich sowohl ratione personae als auch ratione materiae auszuweiten: So dürfen Mitgliedstaaten zum einen den sachlichen Anwendungsbereich der IAS / IFRS ausdehnen, indem sie kapitalmarktorientierten Gesellschaften im Sinne des Art. 4 IAS / IFRS-Basisverordnung erlauben, nicht nur ihre konsolidierten, sondern auch ihre Jahresabschlüsse nach den übernommenen IAS / IFRS aufzustellen. Zum anderen steht es den Mitgliedstaaten frei, den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der IAS / IFRS zu erweitern, indem sie es Gesellschaften, die nicht als kapitalmarktorientiert zu qualifizieren sind, gestatten oder vorschreiben, ihre konsolidierten Abschlüsse und / oder ihre Jahresabschlüsse nach den übernommenen IAS / IFRS aufzustellen. Der deutsche Gesetzgeber hat von diesem Wahlrecht mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)18 eingeschränkt Gebrauch gemacht.19
a) Erweiterung gem. § 315a Abs. 2 HGB auf Konzernabschlüsse noch nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen In § 315a Abs. 2 HGB dehnt der deutsche Gesetzgeber den persönlichen Anwendungsbereich der Aufstellung von Konzernabschlüssen nach übernommenen IAS / IFRS auch auf solche Unternehmen aus, für welche „bis zum jeweiligen Bilanzstichtag die Zulassung eines Wertpapiers im Sinne des § 2 Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes zum Handel an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes im Inland beantragt [Hervorhebung des Verf.] worden ist.“ Solche Gesellschaften sind nach § 315a Abs. 2 HGB verpflichtet, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den von der Kommission anerkannten IAS / IFRS aufzustellen. Der deutsche Gesetzgeber verlagert die IAS / IFRS-Bilanzierungspflicht demnach zeitlich vor und bezweckt, dem Informationsbedürfnis potenzieller Anleger schon früher Rechnung zu tragen.20 Ein organisierter Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG ist ein Markt, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum unmittelbar und mittelbar zugänglich ist. Zu dem Begriff des „geregelten Marktes“ aus Art. 4 IAS / IFRS-Basisverordnung steht der in § 315a Abs. 2 HGB verwendete Begriff des „organisierten Marktes“ in keiner inhaltlichen 18 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) vom 04. 12. 2004, BGBl. I 2004, S. 3166. 19 So auch Dettmeier / Pöschke, JuS 2007, 313, 314 f. 20 Begr. RegEntwurf BilReG vom 24. 06. 2004, BT-Drs. 15 / 3419, S. 1, 35.
A. Die IAS / IFRS-Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002
43
Konkurrenz.21 Denn die Definition des „organisierten Marktes“ entspricht derjenigen des „geregelten Marktes“ in Art. 1 Nr. 13 Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und nunmehr wohl auch derjenigen in Art. 4 Nr. 14 Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente.22 Muss ein Unternehmen nach § 315a Abs. 2 HGB seinen Konzernabschluss nach den übernommenen IAS / IFRS aufstellen, so braucht es – mit Ausnahme der in § 315a Abs. 1 HGB explizit genannten Normen – keine sonstigen deutschen Vorschriften über die Konzernrechnungslegung zu beachten. Die Anwendung der übernommenen IAS / IFRS wirkt befreiend.
b) Erweiterung gem. § 315a Abs. 3 HGB auf Konzernabschlüsse nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen § 315a Abs. 3 HGB räumt den Unternehmen, die zwar einen Konzernabschluss aufzustellen haben, jedoch nicht kapitalmarktorientiert im Sinne des Art. 4 IAS / IFRS-Basisverordnung sind und auch noch nicht von § 315a Abs. 2 HGB erfasst werden, das Wahlrecht („dürfen“) ein, ihren Konzernabschluss weiterhin nach HGB oder aber nach den übernommenen IAS / IFRS aufzustellen. Entscheiden sich solche Unternehmen, wozu – anders als bei § 315a Abs. 1, 2 HGB auch Einzelkaufleute zählen können –23 für die Konzernbilanzierung nach den übernommenen IAS / IFRS, so sind sie verpflichtet, die übernommenen IAS / IFRS vollständig zu befolgen.24 Ein „Rosinenpicken“ ist unzulässig. Dafür hat der nach den IAS / IFRS aufgestellte Konzernabschluss befreiende Wirkung.25
c) Erweiterung gem. § 325 Abs. 2a HGB auf Einzelabschlüsse zum Zwecke der Bundesanzeigerpublizität In § 325 Abs. 2a HGB hat der Gesetzgeber allen Unternehmen, die zur elektronischen Einreichung ihres Jahresabschlusses zum elektronischen Bundesanzeiger verpflichtet sind, das Wahlrecht eingeräumt, anstelle des Jahresabschluss nach HGB einen Einzelabschluss einzureichen, der nach den von der Kommission übernommenen IAS / IFRS aufgestellt ist. Auch hier gilt, dass der IAS / IFRS-Einzelabschluss unter vollständiger Befolgung aller übernommenen IAS / IFRS auf21 Hoyos / Ritter-Thiele, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 315a HGB Rn. 13; IDW, WP Handbuch, N Rn. 4, Pfitzer / Oser / Orth, DB 2004, 2593, 2598. 22 Siehe nur Assmann, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 2 Rn. 95. 23 Vgl. Küting / Gattung / Keßler, DStR 2006, 579, 581; Schulze-Osterloh, in: HdJ I / 1, Rn. 114. 24 Das gleiche Wahlrecht haben auch Unternehmen, auf die das PublG anzuwenden ist, wegen des Verweises in § 11 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 PublG, Küting / Gattung / Keßler, DStR 2006, 579, 581. 25 IDW, WP Handbuch, N Rn. 15.
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
gestellt werden muss, wobei daneben auch hier bestimmte Vorschriften des HGB weiterhin beachtet werden müssen.26 Der Gesetzgeber hat sich bewusst dagegen entschieden, das ihm in Art. 5 IAS / IFRS-Basisverordnung eingeräumte Wahlrecht dahin auszuüben, dass deutsche Unternehmen befreiende IAS / IFRS-Jahresabschlüsse aufstellen dürfen.27 Ursprünglich bewirkte die Erweiterung der IAS / IFRS-Bilanzierung auf den Einzelabschluss von Unternehmen gem. § 325a Abs. 2a HGB die Befreiung von der Offenlegung des HGB-Jahresabschlusses im Bundesanzeiger, vorausgesetzt, dass die zusätzlichen Vorgaben des § 325 Abs. 2b HGB beachtet wurden, insbesondere der HGB-Jahresabschluss zum Handelsregister eingereicht wurde.28 Seit Änderung des § 325 HGB durch das EHUG29 zum 01. 01. 2007 hingegen muss auch der HGB-Jahresabschluss im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht werden, so dass von einer befreienden Wirkung der Offenlegung des IAS / IFRS-Einzelabschlusses nicht viel bleibt. Der HGB-Jahresabschluss bleibt weiterhin in seinen bisherigen (vor allem gesellschafts-, steuer- und aufsichtsrechtlichen) Kontexten erforderlich.30 Mit § 325 Abs. 2a HGB soll es aber – u. a. auch mittelständischen Unternehmen – ermöglicht werden, sich nach außen als ein Unternehmen zu präsentieren, das der internationalen Rechnungslegung folgt und sich davon Vorteile für die geschäftliche Tätigkeit, die Eigen- oder Fremdkapitalaufnahme etc. erhofft.
III. Funktionsweise der Übernahme der privaten IAS / IFRS Die IAS / IFRS-Basisverordnung in ihren Art. 4 und 5 schreibt nicht die Befolgung der privaten IAS / IFRS in dem Umfang, wie sie durch den IASB erarbeitet wurden, vor, sondern nur die Befolgung der IAS / IFRS, „die nach dem Verfahren des Artikels 6 Absatz 2 [der IAS / IFRS-Basisverordnung] übernommen wurden“. Damit wird deutlich, dass die IAS / IFRS nicht per se, quasi mit Abschluss der Arbeiten des privaten Standardsetzers IASB, von den europäischen Unternehmen zu befolgen sind, sondern, dass nur diejenigen IAS / IFRS befolgt werden müssen, 26 Vgl. § 325 Abs. 2a S. 3 HGB. Näher auch Heuser / Theile, IAS / IFRS Handbuch, 2. Aufl., Rn. 71. 27 Begr. RegEntwurf BilReG vom 24. 06. 2004, BT-Drs. 15 / 3419, S. 1, 46. 28 Begr. RegEntwurf BilReG vom 24. 06. 2004, BT-Drs. 15 / 3419, S. 1, 45. Von Bedeutung ist vor allem § 325 Abs. 2b Nr. 3, wonach die befreiende Wirkung des IAS / IFRSEinzelabschlusses für die Bundesanzeigerpublizitätspflicht nur dann eintritt, wenn der HGBJahresabschluss mit dem Vermerk des Abschlussprüfers nach § 325 Abs. 1 S. 1 bis 4 offengelegt worden ist. 29 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10. 11. 2006, BGBl. I 2006, S. 2553 ff. 30 Begr. RegEntwurf BilReG vom 24. 06. 2004, BT-Drs. 15 / 3419, S. 1, 46; Thiel / LüdtkeHandjery, Bilanzrecht, Rn. 60; Ellrott / Aicher, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 325 HGB Rn. 57 f.
A. Die IAS / IFRS-Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002
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die von der Kommission in einem bestimmten Verfahren übernommen worden sind.31 Mit dieser Anerkennung wird ein „Brückenschlag“32 vorgenommen zwischen den unverbindlichen, vom privaten Gremium IASB in London erarbeiteten IAS / IFRS und dem europäischen Gemeinschaftsrecht, das die Beachtung von ursprünglich privat erstellten internationalen Rechnungslegungsnormen anordnet. Ziel der Anerkennung ist die Bestätigung, dass der zu übernehmende Rechnungslegungsstandard eine geeignete Basis für die Rechnungslegung börsennotierter EU-Unternehmen darstellt.33 Zentrale Aufgabe und Inhalt der IAS / IFRS-Basisverordnung ist es dementsprechend, einen Mechanismus zu installieren, mit welchem die ursprünglich privaten IAS / IFRS derart transformiert werden, dass sie als Normen der Rechnungslegung befolgt werden können. Die IAS / IFRS-Basisverordnung, welche grundsätzlich die grundlegenden Anforderungen an diesen Mechanismus in ihren Art. 3 und 6 regelt, verfolgt dabei eine zweistufige Konzeption: Die IAS / IFRS-Basisverordnung selbst spielt die Rolle des „Basisrechtsaktes“, der die prinzipielle Verpflichtung zur Bilanzierung nach übernommenen IAS / IFRS vorschreibt und die Grundlagen der Anerkennung von IAS / IFRS regelt.34 Gleichzeitig sieht dieser Basisrechtsakt vor, dass in einem oder mehreren später folgenden Verfahren die Internationalen Rechnungslegungsstandards in europäisches Recht übernommen werden müssen, und zwar erneut im Range einer Verordnung, welche „Übernahmeverordnung“ genannt wird. Das gesamte zweistufige Verfahren der Überführung der privaten IAS / IFRS in die Übernahmeverordnung, manchmal aber auch nur die zweite Stufe, wird terminologisch in unterschiedlicher Weise als „Anerkennungsverfahren“, „Freigabeverfahren“, „Übernahmeverfahren“ bzw. „Übernahmemechanismus“ oder – sehr verbreitet – auch auf Englisch als „Endorsement(-verfahren, -prozess, -mechanismus)“ bezeichnet.35
31 Bruns, WPg-Sonderheft 2001, 67; Ernst, WPg 2001, 1440, 1441; ders., BB 2001, 823; Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 55. 32 Inwinkl / Schüle, RIW 2006, 807, 808. 33 KOM (2001) 80, S. 7. 34 Ernst, BB 2001, 823; Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783; IDW, WP Handbuch, N Rn. 10. 35 „Endorsement“ ist die substantivierte Form des Verbs „to endorse“. Letzteres geht etymologisch gesehen auf das altfranzösische Wort „endosser“ zurück, welches wiederum eine Zusammensetzung der lateinischen Präposition „in“ und dem lateinischen Wort für „der Rücken“ – „dorsum“ darstellt. Wörtlich genommen bedeutet dieser Ausdruck somit „etwas, z. B. seinen Namen oder einen Kommentar, auf die Rückseite eines Dokumentes schreiben“ (dazu Barnhart, Dictionary of Etymology, S. 329). Im deutschen Ausdruck „Indossament“, der im Wechselrecht Verwendung findet und eine Form der Übertragung des Wechsels bezeichnet, Art. 11 ff. WG, hat sich diese wörtliche Bedeutung gehalten, da das Indossament üblicherweise schriftlich auf die Rückseite des Wechsels gesetzt wird. Die englische Sprache bildete im 19. Jahrhundert die bildliche Bedeutung des Wortes „endorsement“ im Sinne von „Bestätigung, Billigung, Zustimmung“ heraus. (Barnhart, Dictionary of Etymology, S. 329). Im letzteren Sinne ist wohl auch das „Endorsement“ zu verstehen.
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
Im Weiteren sind die verfahrensmäßigen und die materiellen Voraussetzungen für die Übernahme von IAS / IFRS zu erläutern, um auf diese Weise die später zu untersuchende Funktionsweise des Endorsement analysieren zu können.
1. Der Prozess des Endorsement – Endorsement durch die Kommission im Komitologieverfahren Der Beschluss über die Anerkennung von IAS / IFRS erfolgt nicht durch die Organe, welche die IAS / IFRS-Basisverordnung erlassen haben (Rat und Europäisches Parlament), sondern durch die Kommission, der in Art. 3 Abs. 1 der IAS / IFRS-Basisverordnung die Befugnis dazu übertragen wurde und die übernommene IAS / IFRS als Kommissions(übernahme)verordnungen erlässt. Die Kommission kann aber nicht vollkommen selbständig über die Annahme oder Ablehnung von IAS / IFRS entscheiden. Sie muss vielmehr ein bestimmtes eigenes Rechtsetzungsverfahren einhalten, in dessen Verlauf unterschiedliche Gremien an der Entscheidung zu beteiligen sind.36 Als Rechtsetzungsverfahren für die Übernahme der IAS / IFRS fungiert das sog. „Komitologieverfahren“ oder auch „Ausschussverfahren“. Es handelt sich dabei um den Oberbegriff für ein Gesetzgebungsverfahren sui generis, welches zumeist dann zur Anwendung kommt, wenn der Kommission eine Rechtsetzungsbefugnis übertragen wurde. Bei dieser Rechtsetzung beraten, unterstützen und kontrollieren besondere Ausschüsse, welche in der Regel aus Vertretern der mitgliedstaatlichen Ministerien bestehen, die Kommission und geben dem Rat die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Entscheidungen der Kommission.37 Gegenüber dem „regulären Gesetzgebungsverfahren“ zeichnet sich das Komitologieverfahren durch eine verkürzte Zeitdauer, mit der die Kommission schnell, flexibel und effizient auf Regelungsanlässe reagieren kann, aus.38 Inhaltlich richtet sich der Ablauf des Komitologieverfahrens nach dem sog. „Zweiten Komitologiebeschluss“,39 welcher am 17. 07. 2006 in einzelnen Punkten geändert wurde.40 Auf die Art. 5 und 7 eben dieses Komitologiebeschlusses unter Beachtung dessen Art. 8 verweist Art. 6 Abs. 2 der IAS / IFRS-Verordnung. Aus dieser Verweisung ergibt sich, dass aus den (neu36 Schulze-Osterloh, in: HdJ I / 1, Rn. 99, 100; Becker, Der Konzern 2005, 286, 287; Ernst, BB 2001, 823; Wüstemann / Kierzek, BB 2006, Beilage Nr. 14, 14, 15 f. 37 Streinz, Europarecht, Rn. 521 ff. Siehe zu Einzelheiten auch unten Kapitel 2 B. IV. 3. 38 Ernst, BB 2001, 823; IDW, WP Handbuch, N Rn. 10. 39 Beschluss des Rates vom 28. 06. 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse 1999 / 468 / EG, ABl. L 184 vom 17. 07. 1999, S. 23 ff. 40 Beschluss des Rates vom 17. 07. 2006 zur Änderung des Beschlusses 1999 / 468 / EG zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse 2006 / 512 / EG, ABl. L 200 vom 22. 07. 2006, S. 11 ff.
A. Die IAS / IFRS-Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002
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erdings) fünf verschiedenen Typen von Komitologieverfahren die Kommission dem sog. „Regelungsverfahren“ zu folgen hat.41 Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ergibt sich für den Ablauf des Übernahmeverfahrens im Zusammenspiel der IAS / IFRS-Basisverordnung und des Zweiten Komitologiebeschlusses Folgendes: Soweit ein neuer oder abgeänderter internationaler Rechnungslegungsstandard vom IASB veröffentlicht wird, fragt die Kommission zunächst bei der Technical Expert Group (EFRAG-TEG) der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) an, ob dieser Rechnungslegungsstandard übernommen werden kann.42 Nachdem die EFRAG-TEG die betroffenen Kreise in einem offenen Verfahren konsultiert hat, gibt sie eine positive oder negative Stellungnahme ab. Es ist wichtig, festzuhalten, dass die EFRAG-TEG ein Fachausschuss ist, der in der IAS / IFRS-Basisverordnung selbst keine eigene rechtliche Grundlage hat und dort nicht vorgeschrieben ist. Die EFRAG-TEG wird von der Kommission aufgrund ihrer eigenständigen Entscheidung zur fachlichen Beratung eingesetzt.43 Bei der EFRAG handelt es sich um eine privatrechtliche Vereinigung, welche durch Personen und Personengruppen gegründet wurde, welche ein beträchtliches Interesse an Rechnungslegung in Europa haben. Dazu gehören insbesondere die europäischen Zusammenschlüsse und Interessenverbände der Rechnungslegungsverpflichteten, der Wirtschaftsprüfer, der Banken, Versicherungen, der Börsen und der Finanzanalysten (die sog. Founding Fathers).44 Die EFRAG hat zwei Hauptaufgaben: Die proaktive Unterstützung der Arbeit des IASB sowie die Beratung der Kommission beim Endorsement der IAS / IFRS. Die EFRAG hat eine zweistufige Organisationsstruktur: Ein Aufsichtsorgan, das Supervisory Board, in welchem die Gründungspersonen und weitere Interessengruppen vertreten sind, sowie die sog. „Technical Expert Group“ (TEG), welche mit hochqualifizierten Experten besetzt ist und mit der fachlichen Arbeit, die nach einem bestimmten „due process“ erfolgt, betraut ist. Als Beobachter in der TEG ist die Kommission vertreten.45 Die Beziehungen zwischen der Kommission und der EFRAG werden in einem Dokument „Arbeitsbeziehung zwischen der Europäischen Kommission und EFRAG“, das am 23. März 2006 unterzeichnet wurde, geregelt.46 Siehe auch Schulze-Osterloh, in: HdJ I / 1, Rn. 100; Inwinkl, WPg 2007, 289, 290. Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783, 1784; van Hulle, WPg 2003, 968, 980; Inwinkl / Schüle, RIW 2006, 807, 808. 43 Erwägungsgrund 10 der IAS / IFRS-Basisverordnung erwähnt, dass ein „Technischer Ausschuss für Rechnungslegung [ . . . ] die Kommission bei der Bewertung internationaler Rechungslegungsstandards unterstützen und beraten“ wird. Zu den Möglichkeiten der Einschaltung solcher Fachausschüsse siehe Glatthaar, RIW 1992, 180; Lenaerts / Verhoeven, CMLR 2000, 645, 664 f.; Roller, KritV 2003, 249, 250 Fn. 4 m. w. N. 44 Siehe die Liste im Jahresbericht EFRAG 2005, S. 18, abrufbar unter www.efrag.org / doc / 5165_2005EFRAGAnnualReview.pdf (Stand Dezember 2007). 45 Informationen entstammen der Homepage des EFRAG, www.efrag.org (Stand Dezember 2007). 46 Dieses Dokument ist abrufbar unter www.efrag.org / doc / 4952_workingarrangementssigned.pdf (Stand Dezember 2007). 41 42
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
Während die Kommission bis zum Februar 2007 bei Abgabe einer positiven Endorsement-Stellungnahme der EFRAG-TEG einen Übernahmevorschlag ohne weiteres ausarbeitete, wird sie – bevor sie weitere gesetzgeberische Schritte einleitet – ab diesem Zeitpunkt die EFRAG-TEG-Stellungnahme einer neugegründeten „Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen“ zuleiten.47 Dieses Gremium hat die Aufgabe, zu beurteilen, ob die EFRAG-Stellungnahmen zur Übernahme der IAS / IFRS „ausgewogen und objektiv“ sind.48 Die Prüfgruppe soll aus regierungsunabhängigen Sachverständigen auf dem Gebiet der Rechnungslegung bestehen. Sie setzt sich aus höchstens sieben Mitgliedern zusammen, die von der Kommission ausgewählt und ad personam ernannt werden. Auswahlkriterien sind ausgewiesene Fachkompetenz und technische Erfahrung auf dem Gebiet der Buchführung und Rechnungslegung sowie Unabhängigkeit.49 Fällt die Stellungnahme der Prüfgruppe über die befürwortende Übernahmeempfehlung der EFRAG-TEG positiv aus, so unterbreitet die Kommission gem. Art. 5 Abs. 2 S. 1 des Komitologiebeschlusses dem „Regelungsausschuss für Rechnungslegung“ einen Vorschlagsentwurf über die Annahme des betreffenden Standards. Der „Regelungsausschuss für Rechnungslegung“ wird in Art. 6 Abs. 1 IAS / IFRS-Basisverordnung zur Unterstützung der Aufgaben der Kommission aus dieser Verordnung geschaffen. Die angeordnete Anwendung des Regelungsverfahrens als Typus des Komitologieverfahrens setzt das Bestehen eines solchen Regelungsausschusses voraus. Der Regelungsausschuss für Rechnungslegung setzt sich zusammen aus Vertretern der Mitgliedstaaten, wobei ein Vertreter der Kommission – jedoch ohne Stimmrecht – den Vorsitz führt.50 Seine Aufgaben ergeben sich aus Art. 5 des Zweiten Komitologiebeschlusses.
Der Regelungsausschuss gibt daraufhin innerhalb einer bestimmten Frist seine Stellungnahme ab, wobei er mit qualifizierter Mehrheit i. S. d. Art. 205 Abs. 2, 4 EGV entscheidet. Stimmt der Regelungsausschuss dem Annahmevorschlag der Kommission zu, so erlässt die Kommission eine Verordnung, in der sie den betreffenden Standard in europäisches Recht überführt.51 47 Die Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen wurde mit der Kommissionsentscheidung 2006 / 505 / EG vom 14. 07. 2006 (ABl. L 199 vom 21. 07. 2006, S. 33 ff.) geschaffen. Ihre Mitglieder sind im Februar 2007 von der Kommission ernannt worden (vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 08. 02. 2007, IP / 07 / 163, abrufbar unter http: // europa.eu / rapid / pressReleasesAction.do?reference=IP / 07 / 163&format=HTML&aged=0&language= DE&guiLanguage=en (Stand Dezember 2007). 48 Art. 2 der Entscheidung 2006 / 505 / EG. 49 Siehe näher zur Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen Inwinkl / Schüle, RIW 2006, 807, 810 sowie Inwinkl, WPg 2007, 289, 293 f. 50 Siehe zu den Behörden, die den Regelungsausschuss für Rechnungslegung mit Mitgliedern ausstatten: http: // ec.europa.eu / internal_market / accounting / committees_de.htm# arc (Stand Dezember 2007). 51 Vgl. Art. 8 des Zweiten Komitologiebeschlusses.
A. Die IAS / IFRS-Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002
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Lehnt der Ausschuss die Annahme hingegen ab oder nimmt der Ausschuss innerhalb der bestimmten Frist keine Stellung (weil z. B. die erforderliche Mehrheit nicht erreicht wird), so unterbreitet die Kommission unverzüglich dem Rat den Übernahmevorschlag und unterrichtet das Europäische Parlament. Nunmehr hat der Rat Zeit, innerhalb von drei Monaten (Art. 6 Abs. 2 S. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung) über den ihm zugeleiteten Vorschlag mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen. Nach dem Vertrag von Nizza und dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder wird eine qualifizierte Mehrheit bei Beschlüssen des Rates, die auf Vorschlag der Kommission zu fassen sind – was in diesem Komitologieverfahren der Fall ist –, erreicht, wenn der Beschluss mit 255 Stimmen zustande kommt sowie mindestens 14 Mitgliedstaaten zustimmen, Art. 205 Abs. 2 EGV. Zusätzlich kann gem. Art. 205 Abs. 4 EGV jedes Mitglied des Rates beantragen, dass überprüft wird, ob die Mitgliedstaaten, welche die qualifizierte Mehrheit bilden, gleichzeitig mindestens 62% der Gesamtbevölkerung der Union repräsentieren. Die qualifizierte Mehrheit ist also erst dann erreicht, wenn drei Faktoren zusammentreffen: gewichtete Mehrheit der Stimmen im Rat, absolute Mehrheit der Mitglieder des Rates und ggf. Mehrheit der Gesamtbevölkerung.52
Stimmt der Rat mit qualifizierter Mehrheit zu, so erlässt er den IAS / IFRS in Form einer Verordnung.53 Spricht sich der Rat nicht gegen den Vorschlag aus, so wird der Standard von der Kommission mittels Verordnung übernommen. Lehnt der Rat den Vorschlag hingegen mit qualifizierter Mehrheit ab, so kehrt der Vorschlag zur Kommission zurück, die diesen zu überprüfen hat. Danach kann sie dem Rat einen geänderten oder aber den ursprünglichen Vorschlag vorlegen. Der Gesetzgebungsprozess ist dann nicht dauerhaft gescheitert, sondern vielmehr an einen wesentlichen Ausgangspunkt zurückgekehrt, in dessen Zentrum die Kommission steht, die mit ihrem Initiativrecht den weiteren Verlauf in der Hand hat. Der Regelungsausschuss für Rechnungslegung bleibt in diesem Stadium außerhalb des weiteren Geschehens. Das Europäische Parlament wird in das Übernahmeverfahren der IAS / IFRS im Wege des Regelungsverfahren bislang nur dadurch eingebunden, indem es von der Kommission regelmäßig über die Arbeiten der Ausschüsse unterrichtet wird, wozu es z. B. die Tagesordnungen der Sitzungen, Abstimmungsergebnisse, Kurzniederschriften etc. zur Kenntnis erhält, Art. 7 Abs. 3 Zweiter Komitologiebeschluss. Damit soll dem Europäischen Parlament die Möglichkeit eingeräumt werden, sein Recht zur Stellungnahme sowie sein Interventionsrecht (vgl. Art. 5 Abs. 5, 8 des Zweiten Komotologiebeschlusses) wahrnehmen zu können. Danach kann das Europäische Parlament, wenn es der Ansicht ist, dass der Kommissionsvorschlag über die in der IAS / IFRS-Basisverordnung eingeräumten Befugnisse hinausgeht, dies beim Rat monieren. Weitergehende Sanktionsmöglichkeiten bestehen hingegen nicht. Im Wesentlichen genießt das Parlament nur Informations- und Konsultationsrechte. Die Stellung des Parlamentes im Übernahmeverfahren ist also im Ver52 53
Streinz, Europarecht, Rn. 302. Argumentum e contrario Art. 5 Abs. 6 S. 4 Zweiter Komitologiebeschluss.
50
Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
gleich zu den anderen beteiligten Gemeinschaftsorganen am schwächsten ausgestaltet. Dies zeigt sich vor allem im Vergleich mit der Stellung des Rates, der einerseits als Mitentscheider zusammen mit dem Parlament an der Verabschiedung der IAS / IFRS-Basisverordnung beteiligt war, im Kontext des Komitologieprozederes unter bestimmten Umständen jedoch selbst über die Übernahme von IAS / IFRS konkret entscheiden kann.54 Schaubild zum prozeduralen Ablauf des Endorsement
IASB
veröffentlicht IAS/IFRS legt vor
EFRAG-TEG
Kommission
positive oder negative Stellungnahme Stellungnahme,
Vorschlag für die Übernahme des IAS/IFRS per Verordnung
Rat lehnt mit qualitativer Mehrheit ab: Vorschlag kehrt zum Ausgangspunkt zurück
Regelungsausschuss für Rechnungslegung
Prüfgruppe
ob EFRAG-TEGVorschlag „ausgewogen und objektiv“
stimmt zu
Kommission erlässt IAS/IFRSÜbernahmeverordnung: IAS/IFRS gilt
lehnt Vorschlag ab
Kommission
unterrichtet
Europäisches Parlament
legt Vorschlag unverzüglich vor
Rat
Rat stimmt mit qualifizierter Mehrheit zu und erlässt IAS/IFRSÜberahmeverordnung: IAS/IFRS gilt
übermittelt seinen Standpunkt
Rat äußert sich nicht: Kommission erlässt IAS/IFRSÜberahmeverordnung: IAS/IFRS gilt
54 Ausführlich zu den Rechten des Europäischen Parlamentes während des Komitologieverfahrens Lenaerts / Verhoeven, CMLR 2000, 645, 679 ff.; Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 252 ff. sowie an späterer Stelle Kapitel 2 B. IV. 3.
A. Die IAS / IFRS-Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 vom 19. 07. 2002
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2. Materielle Voraussetzungen für die Übernahme von IAS / IFRS Neben den prozeduralen Vorgaben, denen die Übernahme der IAS / IFRS zu gehorchen hat, müssen die zu übernehmenden IAS / IFRS diverse materielle Anforderungen erfüllen, um anerkannt werden zu können.55 Zu unterscheiden ist zwischen den explizit in Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung genannten Kriterien und den sich aus dem sonstigen, höherrangigen Gemeinschaftsrecht ergebenden Vorgaben.
a) Die besonderen materiellen Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung im Überblick Nach Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung, welcher im ursprünglichen Verordnungsentwurf inhaltlich noch nicht vorgesehen war, sondern erst während des Gesetzgebungsverfahrens durch das Europäische Parlament in die Verordnung eingefügt wurde,56 dürfen die „internationalen Rechnungslegungsstandards [ . . . ] nur übernommen werden, wenn sie – dem Prinzip des Artikels 2 Absatz 3 der Richtlinie 78 / 660 / EWG und des Artikels 16 Absatz 3 der Richtlinie 83 / 349 / EWG nicht zuwiderlaufen sowie dem europäischen öffentlichen Interesse entsprechen und – den Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit genügen, die Finanzinformationen erfüllen müssen, um wirtschaftliche Entscheidungen und die Bewertung der Leistung einer Unternehmensleitung zu ermöglichen.“
Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Verordnung enthält mithin im Wesentlichen drei materielle Erfordernisse, welche kumulativ vorliegen müssen, damit eine Übernahmeverordnung, welche internationale Rechnungslegungsstandards gem. der IAS / IFRSBasisverordnung übernimmt, mit der Basisverordnung konform geht.57 Die an der Übernahme beteiligten Organe, vor allem die Kommission und der Regelungsausschuss für Rechnungslegung, sind bei ihrer Prüfung der Übernahmefähigkeit der internationalen Rechnungslegungsstandards an diese Vorgaben gebunden. Erste materielle Voraussetzung für die Übernahme von IAS / IFRS ist, dass die zu übernehmenden Standards nicht dem true and fair view-Prinzip der EG- und der Konzernbilanzrichtlinie zuwiderlaufen dürfen. Dies ergibt sich aus dem Ver55 Küting / Hayn, in: Küting / Weber, HdR, Kap. 1 Rn. 166; Schulze-Osterloh, ZIP 2003, 93, 98. 56 Bericht des Rechts- und Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlamentes vom 28. 02. 2002, S. 15, www.europarl.europa.eu / sides / getDoc.do;jsessionid=F47CCFF-CF31131 D41CCF065DEB018BD 2.node2?language=EN&pubRef=- // EP // NONSGML+REPORT+A52002-0070+0+DOC+PDF+V0 // EN (Stand Dezember 2007). 57 Vgl. zum Verhältnis von Durchführungs- und Basisverordnung nur EuGH, Urt. vom 16. 07. 1987, Rs. 46 / 87, „Romkes“, Slg. 1997, 2671 ff. sowie Oppermann, Europarecht, § 6 Rn. 116.
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
weis auf das Prinzip des Art. 2 Abs. 3 der EG-Bilanzrichtlinie 58 und des Art. 16 Abs. 3 der Konzernbilanzrichtlinie. 59 Beide Regelungen statuieren – einmal in Bezug auf den Jahresabschluss, das andere Mal in Bezug auf den Konzernabschluss – die Pflicht, dass diese Abschlüsse jeweils ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft bzw. der Gesamtheit der in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen zu vermitteln haben. Die internationalen Rechnungslegungsstandards müssen demnach mit diesem gemeinschaftsrechtlichen Prinzip des true and fair view vereinbar sein. Zweite inhaltliche Voraussetzung ist die Vereinbarkeit des zu übernehmenden IAS / IFRS mit dem europäischen öffentlichen Interesse. Darüber hinaus müssen die zu übernehmenden Standards die Merkmale der „Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit“ einhalten.
b) Die allgemeinen materiellen Übernahmeanforderungen des höherrangigen europäischen Gemeinschaftsrechts Neben diesen explizit in Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung genannten Übernahmekriterien dürfen die zu übernehmenden IAS / IFRS nicht im Widerspruch zu allgemeinen Prinzipien und Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere des höherrangigen Primärrechts,60 stehen.61 Diese Einschränkung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der IAS / IFRS-Basisverordnung, wohl aber aus der Systematik des Gemeinschaftsrechts. Denn wird die Kommission, wie hier bei der Übernahme der IAS / IFRS mittels Verordnung, gesetzgeberisch tätig, so darf sie selbstverständlich nicht gegen das im Rang über der IAS / IFRS-Basisverordnung stehende primäre Gemeinschaftsrecht verstoßen. Daraus ergibt sich wiederum, dass IAS / IFRS, die Vorgaben des Primärrechts zuwiderlaufen, rechtlich nicht wirksam durch die Kommission übernommen werden können. Relevante Anforderungen des primären Gemeinschaftsrechts, welche als Kriterien zur Überprüfung von IAS / IFRS herangezogen werden können, sind – ohne eine abschließende Aufzählung vornehmen zu wollen oder zu können – insbesondere die Gemeinschaftsgrundrechte, welche als ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsätze gelten,62 sowie das gemeinschaftsrechtliche Rechtsstaatsprinzip in sei58 Vierte Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (78 / 660 / EWG), ABl. L 222 vom 14. 08. 1978, S. 11 ff. 59 Siebente Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1983 über den konsolidierten Abschluss (83 / 349 / EWG), ABl. L 193 vom 18. 07. 1983, S. 1 ff. 60 Siehe zu den Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts und insbesondere zum Primärrecht nur Oppermann, Europarecht, § 6 Rn. 1 ff., 5 ff. 61 Vgl. allgemein zum Vorrang des Primärrechts im Verhältnis zum Sekundärrecht z. B. Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 14; Oppermann, Europarecht, § 6 Rn. 116; Nettesheim, EuR 2006, 737, 746 ff.
B. Entstehung und Ziele der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung
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ner Ausprägung als Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.63 Auch diese sind stets bei der Überprüfung der IAS / IFRS für die Übernahme zu berücksichtigen, da es theoretisch nicht ausgeschlossen ist, dass zu überprüfende Standards zwar mit den Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung übereinstimmen, nicht jedoch mit den allgemeinen Prinzipien des europäischen Primärrechts.
B. Entstehung und Ziele der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung Mit der Einführung der verpflichtenden Rechnungslegung nach „endorsed“64 IAS / IFRS durch den europäischen Gesetzgeber in Form der IAS / IFRS-Gesetzgebung betritt der europäische Gesetzgeber in vielerlei Hinsicht Neuland. Es ist deshalb sinnvoll, in überblicksartiger Weise die Hintergründe zu beleuchten, die den Gesetzgeber bewogen haben, die Befolgung von im Ursprung privaten internationalen Rechnungslegungsstandards anzuordnen, und zu erörtern, welche Zwecke er damit verfolgt.
I. Entstehungsgeschichte der IAS / IFRS-Basisverordnung 1. Hintergrund: Harmonisierung des Bilanzrechts mittels europäischer Richtlinien und die Schwächen dieser Konzeption Die gesetzgeberische Entscheidung hin zur Übernahme der IAS / IFRS lässt sich nicht ohne die Kenntnis der dieser vorangegangenen europäischen Bestrebungen zur Harmonisierung des Bilanzrechts und ihrer Schwächen hinreichend verstehen. Schon seit den 1960er Jahren gab es in der damaligen EWG erste Bestrebungen, die verschiedenen Systeme der Rechnungslegung der einzelnen Mitgliedstaaten einander anzugleichen, um die europäischen Grundfreiheiten im grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Verkehr zu verwirklichen.65 Der erste gemeinschaftsrecht62 Schroeder, in. Streinz, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 15; siehe näher z. B. Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl., Art. 6 EUV Rn. 16 ff. Siehe zu den Gemeinschaftsgrundrechten auch Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, sowie Jarass, EUGrundrechte. 63 Siehe ausführlich zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz z. B. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Pache, NVwZ 1999, 1033 ff. 64 „Endorsed“ IAS / IFRS als neudeutsche Wortschöpfung meint im Folgenden diejenigen IAS / IFRS, die das europäische Übernahme- bzw. Endorsement-Verfahren erfolgreich durchlaufen haben. 65 Buhleier / Helmschrott, DStR 1996, 354, 355; Kleekämper / König, DStR 2000, 569, 570. Siehe zu den Zielen der Bilanzrechtsangleichung auch allgemein Schön, ZGR 2000, 706 ff.
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
liche Impuls auf das Bilanzrecht ging im Jahre 1968 von der Ersten Richtlinie (68 / 151 / EWG)66 – die sog. „Publizitätsrichtlinie“ –, die im Jahre 1969 in deutsches Recht umgesetzt wurde67, aus. Von weitaus größerer Bedeutung waren allerdings die drei weiteren Richtlinien, welche im Jahre 1985 durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz68 (BilRiLiG) in deutsches Recht überführt wurden und das handelsrechtliche Bilanzrecht vollkommen neu gestalteten: Bei diesen Rechtsakten, welche auch als „Grundpfeiler des europäischen Bilanzrechts“69 bezeichnet werden, handelt es sich um die Vierte70 Richtlinie71– sog. „EG-Bilanzrichtlinie“ –, die Siebente Richtlinie72 – sog. „Konzernbilanzrichtlinie“ – und die Achte Richtlinie73 – sog. „Abschlussprüferrichtlinie“.74 Diesen Rechtsakten war gemeinsam, dass sie die Harmonisierung der Rechnungslegung konzeptionell in die Harmonisierung des Gesellschaftsrechts einbetteten.75 Dies kam schon dadurch zum Ausdruck, dass die Ermächtigungsgrundlage, auf die sich alle diese Rechtsakte stützten, Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV (ex-Art. 54 Abs. 3 lit. g EWGV) war, der vornehmlich der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit dient. Ein weiteres Merkmal war das Bestreben, das Bilanzrecht der Mitgliedstaaten nicht zu vereinheitlichen, sondern lediglich anzugleichen. Legislatorisches Hauptinstrument war dabei stets die europäische Richtlinie, welche 66 Erste Richtlinie 68 / 151 / EWG zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten vom 09. 03. 1968, ABl. L 65 vom 14. 03. 1968, S. 8. 67 Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 15. 08. 1969, BGBl. I 1969, S. 1146. 68 Vom 19. 12. 1985, BGBl. I 1985, S. 2355. 69 Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 13. 70 Obwohl die einzelnen Richtlinien zumeist eine ihrem Inhalt angelehnte Kurzbezeichnung tragen, werden alle die Richtlinien, welche sich auf dieselbe Ermächtigungsgrundlage, hier also Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV (ex-Art. 54 Abs. 3 lit. g EWGV) stützen, offiziell nach der chronologischen Reihenfolge ihres Erlasses nummeriert und bezeichnet. 71 Vierte Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (78 / 660 / EWG), ABl. L 222 vom 14. 08. 1978, S. 11 ff. 72 Siebente Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1983 über den konsolidierten Abschluss (83 / 349 / EWG), ABl. L 193 vom 18. 07. 1983, S. 1 ff. 73 Achte Richtlinie des Rates vom 10. April 1984 über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen (84 / 253 / EWG), ABl. L 126 vom 12. 05. 1984, S. 20 ff. 74 Ausführlich zur EG-Bilanzrichtlinie Albach / Klein, Harmonisierung der Rechnungslegung; Biener, AG 1978, 251; Hennrichs, ZGR 1997, 66; Hofbauer, in: Hofbauer / Kupsch, BHR, Fach 3, Einführung A, Rn. 29 ff.; Kloos, Transformation der 4. EG-Richtlinie; Lutter, DB 1979, 1285; Jonas, Die EG-Bilanzrichtlinie; Schön, ZGR 2000, 706, 713 ff.; zur Konzernbilanzrichtlinie Albach / Klein, Harmonisierung der Konzernrechnungslegung in Europa Gross / Schruff / v. Wysocki, Konzernabschluss; Kropff, FS Claussen, S. 659; Niessen, WPg 1983, 653; zur Abschlussprüferrichtlinie v. Wysocki, DB 1979, 1472 ff.; Strobel, BB 1984, 951 ff.; Klein / Tielmann, WPg 2004, 501. 75 van Hulle, WPg 2003, 968, 969.
B. Entstehung und Ziele der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung
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gem. Art. 249 Abs. 3 EGV in jedem Mitgliedstaat in nationales Recht umgesetzt werden muss, weil die Richtlinie grundsätzlich nur für die Mitgliedstaaten verbindlich ist.76 Sie verstärkte den Aspekt der Harmonisierung und betonte die Rolle der Mitgliedstaaten im Prozess der Angleichung.77 Obwohl an der Harmonisierung des Bilanzrechts mittels der genannten Richtlinien, die im Laufe der Zeit z. T. ergänzt und verändert wurden,78 viele positive Aspekte, insbesondere die grundsätzliche Annäherung der Rechnungslegungssysteme der Mitgliedstaaten, zu erkennen waren,79 wurden aber auch die Schwächen und Defizite dieses Ansatzes immer deutlicher.80 Sie betrafen vor allem die Konzeption und den Inhalt der Harmonisierungsstrategie. Ein Hauptkritikpunkt war die lange Dauer der Erstellung der Bilanzrichtlinien und ihrer Änderungen.81 So brauchte es mehr als zehn Jahre, bis die EG-Bilanzrichtlinie verabschiedet werden konnte.82 Unzufriedenheit weckte in diesem Zusammenhang, dass wegen der langen Dauer des Gesetzgebungsverfahrens der Gesetzgeber nicht schnell genug auf drängende Entwicklungen im Bereich der Rechnungslegung reagieren konnte.83 Unbefriedigende Ergebnisse brachte im Übrigen auch der Einsatz des Rechtssetzungsinstrumentes „Richtlinie“, da es z. T. mehrere Jahre dauerte, bis die Bilanz76 Zur ausnahmsweisen direkten Anwendbarkeit von Richtlinien siehe z. B. Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 6 Rn. 37 m. w. H. zur Rechtsprechung. 77 Im Übrigen erlaubt(e) die Rechtsgrundlage des Art. 44 EGV nicht die Wahl der Verordnung. 78 Aus sachlichen Gründen ergänzt wurden die EG-Bilanzrichtlinie und die Konzernabschlussrichtlinie später durch die sog. „GmbH & Co-Richtlinie“ vom 08. 11. 1990 (90 / 605 / EWG) (ABl. L 317 vom 16. 11. 1990, S. 60) sowie die sog. „Mittelstandsrichtlinie“ vom selben Tage (90 / 604 / EWG) (ABl. L 317 vom 16. 11. 1990, S. 57), welche durch das „Kapitalgesellschaften und Co-Richtliniengesetz“ vom 24. 02. 2000 (verspätet!) und durch das Änderungsgesetz des „D-Markbilanzgesetzes“ vom 25. 07. 94 in deutsches Recht umgesetzt wurden (ausführlich zur GmbH & Co-Richtlinie Strobel, DB 1999, 1025 ff.; Wiechmann, WPg 1999, 916; Theile, BB 2000, 555). Speziell für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen gelten daneben die sog. „EG-Bankbilanzrichtlinie“ vom 08. 12. 1986 (86 / 635 / EWG) (ABl. L 372 vom 31. 12. 1986, S. 1) sowie die sog. „EG-Versicherungsrichtlinie“ vom 19. 12. 1991 (91 / 674 / EWG) (ABl. L 374 vom 31. 12. 1986, S. 7), die durch entsprechende Gesetze Geltung im deutschen Recht gefunden haben. Mittlerweile wurden die EG-Bilanzund Konzernbilanzrichtlinien durch die sog. „Fair-Value-Richtlinie“ vom 27. 09. 2001 (2001 / 65 / EG) (ABl. L 283 vom 27. 10. 2001, S. 28) sowie die sog. „Modernisierungsrichtlinie“ vom 18. 06. 2003 (2003 / 51 / EG) (ABl. L 178 vom 17. 07. 2003, S. 16) weiter geändert und mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) (BGBl. I 2004, S. 3166) vom 04. 12. 2004 in deutsches Recht umgesetzt. Eine weitere Anpassung der Bilanzrichtlinien erfolgte durch die Richtlinie 2006 / 46 / EG vom 14. 06. 2006 (ABl. L 224 vom 16. 08. 2006, S. 1). 79 Vgl. z. B. Havermann, FS Moxter, 657, 667; Küting / Hayn, in: Küting / Weber, HdR, Kap. 1 Rn. 150; Rost, Harmonisierungsprozeß, S. 220. 80 Achleitner / Behr, IAS, S. 29; van Hulle, Zukunft der Angleichung, S. 14; Küting / Hayn, in: Küting / Weber, HdR, Kap. 1 Rn. 150; Beisse, FS Beusch, S. 77, 94. 81 van Helleman / Slomp, BFuP 2002, 213, 218. 82 Buhleier / Helmschrott, DStR 1996, 354, 355. 83 Vgl. z. B. van Hulle, EAR 1993, 387, 391.
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
richtlinien von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden.84 Inhaltlich wiederum wurde bemängelt, dass die Bilanzrichtlinien eine Reihe von wichtigen Fragestellungen überhaupt nicht oder nur rudimentär geregelt hatten.85 Darüber hinaus enthielten die Bilanzrichtlinien eine große Anzahl von Wahlrechten, deren uneinheitliche Ausübung zu mitunter beträchtlichen Abweichungen des Bilanzrechts innerhalb der Mitgliedstaaten führte.86 Sowohl die lange Dauer des Normsetzungsprozesses als auch die inhaltlichen Lücken und Umsetzungsspielräume spiegeln letztlich den schwierigen politischen Kompromisscharakter wider, den die Angleichung der Rechnungslegungsvorschriften bedeutet(e). Dies alles führte am Ende der 1980er Jahre zu einem Stagnieren des Harmonisierungsprozesses. Vor diesem Hintergrund veranstaltete die EG-Kommission Anfang 1990 eine Konferenz zur „Zukunft der Angleichung der Vorschriften der Rechnungslegung in den Europäischen Gemeinschaften“ in Brüssel.87 Anlass war die Überprüfung, ob die Bilanzrichtlinien ihr Ziel – nämlich die Gleichwertigkeit und Vergleichbarkeit der Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von Kapitalgesellschaften – erreicht hatten, und der Wunsch, sich gleichzeitig über die Festlegung der weiteren Vorgehensweise bei der Harmonisierung der Rechnungslegung zu verständigen.88 In der Diskussion kamen die Teilnehmer der Konferenz – Sachverständige und Interessenvertreter aus verschiedenen Mitgliedstaaten – zu dem Schluss, dass eine Reduzierung von Wahlrechten in den zu diesem Zeitpunkt gültigen Bilanzrichtlinien nicht erwünscht sei und auch keine weiteren Rechtsvorschriften zur Harmonisierung erlassen werden sollten. Stattdessen sollten Harmonisierungsbestrebungen, die aus einem weiteren internationalen Rahmen herrührten, berücksichtigt werden.89 Im Anschluss an diese Konferenz fasste die Kommission zwei bedeutsame Entscheidungen: So entschloss sie sich, ein „Beratendes Forum für Rechnungslegung“ aus Mitgliedern nationaler Normungseinrichtungen sowie europäischer Verbände der Rechnungslegungsaufsteller und -adressaten zu schaf84 Vgl. van Helleman / Slomp, BFuP 2002, 213, 218, die das Beispiel Italien nennen, wo die Vierte Richtlinie von 1978 erst im Jahre 1991 (also 13 Jahre später!) in nationales Recht umgesetzt wurde. 85 Dazu gehören z. B. Leasing, latente Steuern, die Umrechnung von Fremdwährungen, Pensionspflichten. Vgl. Havermann, FS Moxter, S. 657, 668; Küting / Hayn, in: Küting / Weber, HdR, Kap. 1 Rn. 149. 86 Je nach Zählart werden Zahlen von 60 (Wagenhofer, IAS / IFRS, S. 27 unter Berufung auf die Fédération des experts comptables européens ) bis 76 (Rost, Harmonisierungsprozeß, S. 187 unter Berufung auf Jonas, DB 1978, 1365, welcher 41 Mitgliedstaaten- und 35 Unternehmenswahlrechte angibt) Wahlrechte innerhalb der EG-Bilanzrichtlinie und ca. 50 Wahlrechte innerhalb der Konzernbilanzrichtlinie gezählt. Allgemein zu Mitgliedstaaten- und Unternehmenswahlrechten Hennrichs, Wahlrechte im Bilanzrecht, S. 36; Gimpel-Kloos, Wahlrechte, S. 19 ff.; Niessen, FS Everling, S. 971, 997. 87 So auch der gleichnamige Titel des Tagungsbandes, welchen die Kommission später herausgeben hat. 88 van Hulle, Zukunft der Angleichung, S. 2; Buhleier / Helmschrott, DStR 1996, 354, 355. 89 KOM (1995) 508, S. 4; Buhleier / Helmschrott, DStR 1996, 354, 355.
B. Entstehung und Ziele der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung
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fen, das die Kommission bei der Lösung fachlicher Probleme der Rechnungslegung, welche noch nicht in den Richtlinien geregelt worden waren, beraten sollte.90 Darüber hinaus nahm sie die Einladung des „International Accounting Standards Committee“ (IASC) an, dem „Board“ als Beobachter anzugehören und gleichzeitig Mitglied der sog. „Consultative Group“ innerhalb der Organisation zu werden, welche die IAS ausarbeitete.91 Abgesehen von diesen unmittelbaren Ergebnissen verfestigte sich aber angesichts der wenig mutigen und kraftvollen Beschlüsse der Konferenzteilnehmer der Eindruck, dass die bisherige Harmonisierung stagnierte, wenn nicht sogar bereits gescheitert war.92 Diese Situation auf der regulatorischen Ebene trat in dem Augenblick ein, als sich neue Herausforderungen an die normativen Rahmenbedingungen des Bilanzrechts stellten. Diese ergaben sich in erster Linie aus der immer stärkeren Internationalisierung der wirtschaftlichen Betätigung der Unternehmen und aus der grundlegenden Wandlung der Bedeutung des Kapitalmarktes für europäische Unternehmen zu Beginn der 1990er Jahre. Wegen der verstärkten internationalen Geschäftstätigkeit europäischer Unternehmen stieg der Kapitalbedarf zur Finanzierung dieser Tätigkeit an. Um Kapital aufzunehmen, eigene Aktien für die Akquisitionsfinanzierung zu erhalten oder ihre internationale Reputation zu verbessern, wandten sich deshalb viele Unternehmen den zu dieser Zeit wohl am weitesten entwickelten Finanzmarktplätzen in den USA zu.93 Diese Finanzmärkte akzeptierten jedoch in den meisten Fällen die im Einklang mit den europäischen Bilanzrichtlinien aufgestellten Abschlüsse nicht, weil sie einerseits Vorbehalte hinsichtlich der Qualität und Konzeption dieser Abschlüsse hatten – was wiederum auch mit der unterschiedlichen Kultur der angloamerikanischen Rechnungslegungssysteme im Vergleich zu den kontinentaleuropäischen zu tun hatte –94 und andererseits kein 90 Näher zu diesem Gremium Ordelheide, FS Budde, S. 483 ff.; van Hulle, WPg 2003, 968, 971. 91 KOM (1995) 508, S. 4. 92 Vgl. z. B. Bormann, RIW 1996, 35; Kleekämper / König, DStR 2000, 569, 570. 93 Wagenhofer, IAS / IFRS, S. 6. 94 Überwiegend werden die Rechnungslegungssysteme grob in zwei Gruppen – eine angloamerikanisch und eine kontinentaleuropäisch geprägte – unterteilt (Achleitner / Behr, IAS, S. 14 ff.; Baumann / Ewald / Förschle / Peemöller, Praxis-Lexikon, S. 22; Pellens / Füllbier / Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 36 ff.; stärker ausdifferenzierend hingegen d’Arcy, Rechnungslegung, S. 221 ff.; Havermann, FS Moxter, S. 657, 659, spricht von vier Grundmodellen (kontinentaleuropäisches, angelsächsisches, südamerikanisches und sozialistisches). Dahinter steht die Erkenntnis, dass das jeweilige nationale System der Rechnungslegung die gesellschaftliche Entwicklung eines bestimmten Staates widerspiegelt. Demnach gibt es eine Fülle von unterschiedlichen Faktoren, welche die konkrete Ausgestaltung eines bestimmten Rechnungslegungssystems determinieren. Zu diesen gehören – allgemein unterteilt in historische, politisch-rechtliche, ökonomische und kulturelle Faktoren – z. B. das Rechtsund Steuersystem, die Bedeutung des Kapitalmarktes, die damit verbundene Eigentümerstruktur der Unternehmen sowie die Rolle des hoheitlichen Gesetzgebers (Wagenhofer, IAS / IFRS, S. 17 ff.; einen guten Überblick über die unterschiedlichen Einflusskriterien gibt auch Rost, Harmonisierungsprozeß, S. 81 ff ).
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
Interesse zeigten, unterschiedliche Rechnungslegungswerke auf ihren heimatlichen Finanzmärkten zu akzeptieren. Für europäische Unternehmen bedeutete dies, dass sie – wollten sie z. B. in New York an einer Börse notiert werden – zusätzlich zu ihren in der Heimat erforderlichen Abschlüssen weitere Abschlüsse nach den US-GAAP erstellen und veröffentlichen mussten.95 Dies war mit beträchtlichem Aufwand und mit hohen Kosten sowie mit manchen Unklarheiten verbunden, die zu nicht geringem Unmut unter den betroffenen europäischen Unternehmen führten.96
2. Etappe 1: 1990 bis 1998 – Die neue Rechnungslegungsstrategie Vor diesem normativen und tatsächlichen Hintergrund setzte sich die Kommission mit den ihr zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen auseinander und veröffentlichte in der Mitteilung zur „Harmonisierung auf dem Gebiet der Rechnungslegung: Eine neue Strategie im Hinblick auf die internationale Harmonisierung“97 den ihrer Meinung nach künftig einzuschlagenden Weg. In diesem Papier legte die Kommission die tatsächlichen, aber auch die konzeptionellen Grundlagen der späteren IAS / IFRS-Verordnung. Sie rückte dabei von der bisherigen Fokussierung auf Harmonisierung mittels Richtlinien aus unterschiedlichen Gründen ab.98 Eine Weiterentwicklung der Bilanzrichtlinien kam wegen der drängenden Zeit, die schnelle Lösungen erforderte, und der bisherigen negativen Erfahrungen nicht in Betracht. An eine Milderung der dringendsten Probleme durch den Abschluss einer internationalen Vereinbarung mit den Behörden der USA über die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen war Mitte der 1990er Jahre nicht zu denken.99 Auch der Gedanke eines Dispenses international tätiger Unternehmen vom Anwendungsbereich der Bilanzrichtlinien, damit diese Unternehmen anderen Rechnungslegungsregeln, insbesondere den US-GAAP, hätten folgen können, begegnete fundamentalen Bedenken, da eine genaue Definition der Ausnahmeregelung und auch die Frage, welche anderen Rechnungslegungsregeln angewendet werden sollten, 95 Ein prägnantes Beispiel ist die frühere Daimler Benz AG. Diese musste, weil sie sich an der NYSE kotieren lassen wollte (05. 10. 1993), neben einem Konzernabschluss nach deutschem Recht einen weiteren nach US-GAAP aufstellen. Vielbeachtete Konsequenz der Umstellung auf US-GAAP war ein Konzernfehlbetrag von 1.839 Mio. DM, obwohl ein Jahresüberschuss von 615 Mio. DM in der HGB-Bilanz ausgewiesen war. 96 Vgl. anschaulich Pellens / Fülbier / Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 46 ff. 97 KOM (1995) 508. 98 Buhleier / Helmschrott, DStR 1996, 354, 355. 99 Mittlerweile haben sich jedoch die EU-Kommission und die SEC am 22. April 2005 in Washington D.C. auf die Vereinbarung eines „Fahrplans“ geeinigt, wonach die SEC ab 2007, spätestens ab 2009, von Unternehmen, die nach den IAS / IFRS bilanzieren, keine Überleitungsrechung auf die US-GAAP mehr verlangen darf [siehe Pressemitteilung vom 22. 04. 2005, IP / 05 / 469, unter http: // europa.eu / rapid / pressReleasesAction.do?reference=IP / 05 / 469&format=HTML&age d=0&language=EN (Stand Dezember 2007)].
B. Entstehung und Ziele der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung
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nur schwer zu beantworten gewesen wären.100 Darüber hinaus erkannte die Kommission, dass sie auf den Inhalt der US-GAAP letztlich keinerlei Einfluss haben würde. Allein um einen solchen (europäischen) Machtverlust zu vermeiden, war die Kommission gegenüber Lösungen, die einseitig zugunsten der Anwendung von US-GAAP hinausliefen, äußerst zurückhaltend eingestellt. Die Kommission verwarf auch Ideen der Schaffung einer eigenen Europäischen Normungseinrichtung für die Rechnungslegung. Eine solche sei zu zeitaufwändig, finanziell kostenintensiv und mit umfangreichem gesetzlichem Gründungsaufwand verbunden.101 Der Kommission blieb damit aus ihrer Sicht lediglich der Weg der Kooperation mit den Standardsetzern der IAS, was in ihrem Dokument darin zum Ausdruck kommt, dass sie – die Kommission – der Ansicht sei, „das Gewicht der EU [sei] im internationalen Harmonisierungsprozess zu stärken, der im „International Accounting Standards Committee“ (IASC) bereits weit fortgeschritten ist“.102 Dazu wählte die Kommission eine differenzierende Vorgehensweise: Zunächst sollte eine Überprüfung der Konformität der damals bestehenden IAS mit den geltenden Bilanzrichtlinien vorgenommen werden, um abzuklären, ob und in welchen Punkten diese miteinander vereinbar seien und wie eine eventuelle Kollision abgewendet werden könnte. Daneben plante sie, dem sog. „Kontaktausschuss“ – dies ist ein aufgrund Art. 52 der EG-Bilanzrichtlinie geschaffener Ausschuss aus Mitgliedern der Kommission und der Mitgliedstaaten, der die Kommission hinsichtlich konkreter Anwendungsfragen sowie bezüglich Ergänzungen oder Änderungen der EG-Bilanzrichtlinie berät – weitergehende Kompetenzen einzuräumen, damit dieser genuin europäische Positionen ausarbeitete, die die Kommissionsvertreter gegenüber dem IASC einnehmen könnten, um so den Einfluss der EU auf den Arbeitsprozess der IASC zu verstärken.103 Indem die Aktivitäten des Kontaktausschusses im Rahmen der Kooperation mit dem IASC sich allerdings lediglich auf Konzernabschlüsse beziehen sollten, nahm die Kommission bereits zu diesem Zeitpunkt den im Grundsatz eingeschränkten Anwendungsbereich auf konsolidierte Abschlüsse der späteren IAS / IFRS-Verordnung vorweg.104 Insgesamt versuchte die Kommission, ihre Strategie in eine Kontinuitätslinie zu stellen, indem sie bereits bestehende Organe, wie z. B. das „Beratende Rechnungslegungsforum“ und den Kontaktausschuss, für den inhaltlich neuen Kurs der Harmonisierung verwendete. Konzeptionell verließ sie allerdings den Weg der Harmonisierung mittels völlig eigenständig entwickelten Rechnungslegungsnormen und begab sich in ein – zum damaligen Zeitpunkt – noch nicht klar konturiertes Kooperationsverhältnis mit dem IASC.
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KOM (1995) 508, S. 6. KOM (1995) 508, S. 6 f.; dazu auch van Hulle, WPg 2003, 968, 972. KOM (1995) 508, S. 2. KOM (1995) 508, S. 7 f. Buhleier / Helmschrott, DStR 1996, 354, 357.
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
3. Etappe 2: 1999 bis 2002 – Die gesetzgeberische Realisation der IAS / IFRS-Basisverordnung Die Zweite Phase, welche auch als Phase der gesetzgeberischen Realisation der IAS / IFRS-Verordnung überschrieben werden kann, beginnt mit zwei politischen Ereignissen, welche nach den konzeptionellen Vorarbeiten und nach dem überwiegend positiven Ausgang der Konformitätsprüfung der IAS mit den Bilanzrichtlinien105 die entscheidenden Auslöser für die regulatorische Schaffung der IAS / IFRS-Basisverordnung in ihrer heutigen Gestalt waren. In ihrer Mitteilung „Finanzdienstleistungen: Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan“ von 1999 setzte sich die Kommission vor dem Hintergrund der Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) mit gemeinsamer Währung das Ziel, mit über 40 unterschiedlichen Maßnahmen einen integrierten Markt für Finanzdienstleistungen aufzubauen.106 Damit reagierte sie auf die wachsende Bedeutung nationaler und internationaler Kapitalmärkte für die Finanzierung von Wirtschaftsunternehmen sowie den Wunsch der Bürger, auf vielfältige Weise von der Einführung einer Gemeinschaftswährung zu profitieren.107 Da die Einführung des Euro als neue Währung der Gemeinschaft zudem die Aussicht auf höhere Transparenz der Preise im grenzüberschreitenden Vergleich mit sich brachte, sollte diese Entwicklung ihren Niederschlag auch in einer höheren Transparenz und Vergleichbarkeit von Unternehmensabschlüssen finden. Das Vorhaben der Kommission wurde auf der Sondertagung des Europäischen Rates in Lissabon am 23. / 24. März 2000 aufgenommen. Die dort versammelten Staatsund Regierungschefs sowie der Präsident der Kommission fassten den Entschluss, einen Zehn-Jahres-Plan für den Zeitraum von 2000 bis 2010 aufzustellen, um ihr „Strategisches Ziel“ zu erreichen, bis 2010 der wettbewerbsfähigste und wachstumsfreudigste Wirtschaftsraum der Welt zu werden.108 Nach Ansicht des Europäischen Rates war ein Baustein dieser Strategie die Schaffung effizienter und integrierter Finanzmärkte für die Vollendung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen. Damit erwies sich mit einem Male der Auftrag des Europäischen Rates an die Kommission, eine „Verbesserung der Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse von Unternehmen“ bis 2005 zu erreichen, als besonders relevant für die Entwicklung der IAS / IFRS-Verordnung.109 Mit diesem Auftrag von höchster politischer Ebene war der 105 Siehe Kontaktausschuss für Richtlinien der Rechnungslegung, Eine Überprüfung der Konformität der Internationalen Rechnungslegungsgrundsätze (IAS) mit den europäischen Richtlinien der Rechnungslegung. Kritisch hingegen IDW HFA, WPg 1998, 70 ff.; vgl. dazu auch van Hulle, WPg 1998, 138, 143 ff.; Henssler / Slota, NZG 1999, 1133, 1140 ff. 106 KOM (1999) 232. 107 van Hulle, WPg 2003, 968, 975. 108 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rats (Lissabon) vom 23. und 24. 03. 2000, Punkt 5; zur Sondertagung von Lissabon auch Oppermann, Europarecht, § 13 Rn. 12; Caesar / Birg, Europa auf dem Weg zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt?
B. Entstehung und Ziele der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung
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Kommission nunmehr der politische Weg geebnet, im selben Jahre zunächst ihre „Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges Vorgehen“110 und kurz darauf im Jahre 2001 den Vorschlag für eine IAS / IFRS-Verordnung111 vorzulegen. Die Mitteilung der Kommission zur „Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges Vorgehen“ nahm in wesentlichen Teilen das Konzept und den Inhalt des späteren Verordnungsvorschlages vorweg. Sie umfasste einen Zeitplan, dessen Kernelement die einheitliche Anwendung von IAS für konsolidierte Abschlüsse börsennotierter EU-Unternehmen ab 2005 war. Des Weiteren sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, die Anwendung der IAS auf nichtbörsennotierte Unternehmen sowie Einzelabschlüsse auszudehnen.112 Um zukünftige Änderungen der IAS zu übernehmen, sollte ein besonderes Anerkennungsverfahren eingerichtet werden. Flankierend sollten die Bilanzrichtlinien modernisiert, d. h. an die IAS angepasst werden.113 Hauptmotiv für das Tätigwerden der Kommission war bisher die Absicht gewesen, aufgrund der Internationalisierung der Wirtschaft und der Kapitalmärkte bestehende Nachteile für EU-Unternehmen bei ihrem Auftreten auf Kapitalmärkten durch ein höheres Maß an Transparenz und Vergleichbarkeit abzubauen. In dieser Mitteilung der Kommission hingegen wurde ein noch umfassenderer Ansatz deutlich, welcher bereits in der Kommissionsmitteilung zu den Finanzdienstleistungen von 1999 angedeutet wurde oder sich zum Teil aus den dort niedergelegten Plänen ergab. Dieser umfassende Ansatz kann als „Binnenmarkt-Ansatz“ bezeichnet werden.114 Neben die Absicht zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen auf ausländischen Kapitalmärkten trat nunmehr gleichgeordnet der Wille zur Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen für die Wertpapiermärkte der EU, zur Beitragung von Stabilität der Märkte im Rahmen der Schaffung eines „integrierten Kapitalmarktes“ sowie zur Verbesserung eines wirksamen Anleger- und Gläubigerschutzes als weiteres Motivbündel.115 Die Kommission legte in ihrem Papier eine starke Betonung auf flexible und reaktionsfähige Gesetzgebung, um den schnelllebigen Entwicklungen des Wirtschaftslebens besser gerecht zu werden.116 Damit schuf sie das Fundament, um auf die IAS als einheitliches Rechnungslegungssystem zurückzugreifen und mit einem privat organisierten Standardsetzer zu kooperieren.117 Die Kommission erkannte wohl, dass 109 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rats (Lissabon) vom 23. und 24. 03. 2000, Punkt 21 1. Spiegelstrich. 110 Mitteilung der Kommmission an den Rat und das Europäische Parlament „Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges Vorgehen“, KOM (2000) 359. 111 KOM (2001) 80. 112 KOM (2000) 80, S. 2. 113 KOM (2000) 359, S. 2. 114 Folgerichtig deshalb diese Bezeichnung im Verordnungsvorschlag der Kommission, KOM (2001) 80, S. 3. 115 KOM (2000) 359, S. 4 – 6. 116 KOM (2000) 359, S. 6. 117 Ekkenga, BB 2001, 2362, 2363.
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
auch das Rechnungslegungssystem der US-GAAP prinzipiell den Zielen, die die Kommission verfolgt, entgegenkommen würde. Jedoch war sie der Anwendung der US-GAAP in Europa eher abgeneigt, da ihrer Ansicht nach diese keine internationale, sondern eine lediglich US-amerikanische Perspektive aufwiesen, auf die europäische Institutionen wegen der dominanten Rolle der SEC bei Erstellung und Anwendung der US-GAAP praktisch keinen Einfluss hätten.118 Hingegen sollte die EU bereits im Stadium der Ausarbeitung der IAS / IFRS Einfluss nehmen können. Zusätzlich sollten die Einflussmöglichkeiten durch einen weiteren, der Ausarbeitung der IAS nachgelagerten Kontrollmechanismus im Rahmen des Anerkennungsverfahrens durch die EU ergänzt werden. Die Existenz dieses Anerkennungsverfahrens der EU für IAS wurde damit begründet, dass die „Verantwortung für die Aufstellung von Rechnungslegungsvorschriften [ . . . ] nicht an einen nicht der öffentlichen Hand angehörigen Dritten“ abgetreten werden könnte.119 Wenig Überraschendes enthielt der bald folgende Vorschlag120 der Kommission vom 13. 02. 2001 für eine IAS / IFRS-Basisverordnung, da er weitgehend von den Konzepten der zuvor publizierten Mitteilung bestimmt war.121 Insbesondere sah dieser eine Pflicht zur Bilanzierung nur nach solchen IAS / IFRS vor, die zuvor von der Kommission in einem bestimmten Verfahren angenommen worden waren. In der vorgeschlagenen Verordnung selbst wurden die zu befolgenden IAS / IFRS nicht aufgezählt, so dass diese in einer oder mehreren späteren Verordnungen angenommen werden müssten. Nachdem dieser Vorschlag am 11. 07. 2001 den Wirtschafts- und Sozialausschuss122 und am 12. 03. 2002 das Europäische Parlament123 passiert hatte, stimmte der Ministerrat am 07. 06. 2002 dem Verordnungsvorschlag in der Fassung, wie er durch das Europäische Parlament abgeändert worden war, zu.124 Damit konnte am 14. 09. 2002 die IAS / IFRS-Basisverordnung als Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards in Kraft treten.125 Der eigentliche Gesetzgebungsvorgang erfolgte vergleichsweise zügig, ohne dass es zu größeren Konflikten zwischen den beteiligten Organen gekommen war, die das KOM (2000) 359, S. 7; vgl. auch van Hulle, WPK-Mitt. 2002, 178, 179. KOM (2000) 359, S. 8. 120 KOM (2001) 80. 121 Ausführlich mit dem Verordnungsvorschlag der Kommission beschäftigen sich Pellens / Gassen, KoR 2001, 137; Göthel, BB 2001, 2057; Bruns, WPg-Sonderheft 2001, 67; Ernst, WPg 2001, 1440; ders., BB 2001, 823; Ekkenga, BB 2001, 2362; Luttermann, IWB 2001 Fach 11 Gruppe 3, S. 263; Busse von Colbe, BB 2002, 1530. 122 ABl. C 260 vom 17. 09. 2001, S. 86. 123 ABl. C 47 E vom 27. 02. 2003, S. 25. 124 Vgl. zu den einzelnen Stadien dieses Gesetzgebungsverfahrens die Gesetzgebungsverlaufsübersicht unter www.europarl.europa.eu / oeil / FindByProcnum.do?lang=2&procnum =COD / 2001 / 0044#762 (Stand Dezember 2007). 125 ABl. L 243 vom 11. 09. 2002, S. 1. 118 119
B. Entstehung und Ziele der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung
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Verfahren in die Länge hätten ziehen können.126 Das Europäische Parlament schlug zwar Änderungen am Kommissionsvorschlag vor, die vom Rat jedoch in erster Lesung vollumfänglich gebilligt wurden. Dies lässt darauf schließen, dass sowohl die Mitgliedstaaten als auch die beteiligten und von der Verordnung betroffenen Akteure mit den Plänen und dem dahinter stehenden Konzept einverstanden waren.
II. Ziele der IAS / IFRS-Gesetzgebung Die Zielsetzung der IAS / IFRS-Gesetzgebung ist bereits an mehreren Stellen angeklungen. Normativ ergibt sie sich in erster Linie aus den Erwägungsgründen der IAS / IFRS-Basisverordnung. Mit dem Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung will der europäische Gesetzgeber ausweislich des Erwägungsgrundes 1 und 4 sowie Art. 1 des besagten Rechtsakts einen Beitrag zur Schaffung eines effizient und kostengünstig funktionierenden europäischen Finanzmarktes, mithin zur Vollendung des Binnenmarktes leisten. Diese Hauptzielsetzung der IAS / IFRS-Gesetzgebung soll mit einer Reihe von flankierenden Maßnahmen erreicht werden, welche einerseits eigene Nebenziele verfolgen, andererseits Instrumente zur Erreichung des Hauptzieles darstellen. Die Verordnung fokussiert drei Gruppen von Adressaten: Kapitalanleger, Unternehmen aus der Europäischen Gemeinschaft und die gemeinschaftlichen Kapitalmärkte. Sie will dazu beitragen, dass Anleger, seien es private oder institutionelle, bei ihrem finanziellen Engagement besser geschützt werden, dass europäische Unternehmen sowohl innerhalb als auch außerhalb Europas ohne Wettbewerbsnachteile gegenüber Unternehmen anderer Länder Kapital in ausreichender Menge aufnehmen können und dass die gemeinschaftlichen Wertpapierhandelsplätze in ihrer Wettbewerbsfähigkeit mit nicht-europäischen Konkurrenten gestärkt werden, d. h., dass sie im Vergleich zu nicht-europäischen Kapitalmärkten attraktiver werden.127 Der Anlegerschutz soll dabei durch eine höhere Transparenz und Vergleichbarkeit der Rechnungslegung von kapitalmarktorientierten Unternehmen gewährleistet werden.128 Durch die verbesserte Informationssituation soll der Anleger in die Lage versetzt werden, selbständig Entscheidungen auf einer verbesserten Faktengrundlage zu treffen, nicht nur innerhalb eines Mitgliedstaates, sondern auch und vor allem grenzüberschreitend.129 Gleichzeitig sollen diese verbesserten Informationsmöglichkeiten, die einen Anreiz zu mehr grenzüberschreitenden Investitionen bieten, den einzelnen Kapitalmarktplätzen der EU vermehrt Kapital zuführen. Zudem sollen die europäischen kapitalmarktorientierten Unternehmen in ihrer inter126 127 128 129
van Hulle, WPg 2003, 969, 976. Erwägungsgründe 4 und 5 der IAS / IFRS-Basisverordnung. Erwägungsgründe 1 und 3 der IAS / IFRS-Basisverordnung. Göthel, DB 2001, 2057, 2058.
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
nationalen Kapitalaufnahmefähigkeit gestärkt werden, indem sie nach einem einzigen, international anerkannten Rechnungslegungssystem bilanzieren und so sowohl im europäischen Inland als auch im außereuropäischen Ausland leichter an Kapital gelangen, welches wiederum zur Ausweitung oder Optimierung ihrer geschäftlichen Tätigkeit gebraucht werden kann. Vor diesem Hintergrund kann festgestellt werden, dass die IAS / IFRS-Gesetzgebung eine Reaktion auf die (z. T. leider defizitäre) Harmonisierung der Rechnungslegung durch die Bilanzrichtlinien und auf die Herausforderungen der gewandelten wirtschaftlichen Bedürfnisse darstellt, deren Fokus weg von der gesellschaftsrechtlichen Harmonisierung und hin zur Vereinheitlichung von den europäischen Kapitalmarkt betreffenden Vorschriften geht.
C. Die Entwicklung der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS unter dem Dach der IASC Foundation durch das Gremium IASB – Aufgaben, Organisation und Entwicklung im Überblick I. Entstehung und Aufgaben der IASC Foundation 1973 wurde in London das International Accounting Standards Committee (IASC) von den Berufsverbänden der Wirtschaftsprüfer aus zehn Ländern als eine privatrechtliche Vereinigung gegründet.130 Ziel des IASC war die Entwicklung und Veröffentlichung von Rechnungslegungsstandards, für deren globale Akzeptanz und Einhaltung es eintreten wollte, um damit gleichzeitig einen Beitrag zur Verbesserung der Harmonisierung der externen Rechnungslegung zu leisten.131 Dieses Ziel versuchte das IASC vornehmlich durch die Ausarbeitung von International Accounting Standards (IAS) zu erreichen, welche vom IASC Board als dem innerhalb des IASC angesiedelten privaten „Standardsetzer“ zu spezifischen und abgegrenzten Fragen der Rechnungslegung ausgearbeitet und veröffentlicht wurden.132 Im Jahre 2001 wurde das IASC einer grundlegenden Umstrukturierung unterzogen, deren Grund in den erhöhten Anforderungen an Effizienz, Internationalität, Unabhängigkeit und Qualität der Arbeitsweise des IASC zu suchen war.133 130 Die Gründungsstaaten waren Australien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Irland, Japan, Kanada, Mexiko, die Niederlande und die USA. 131 Vgl. nur Küting / Brakensiek, BB 1999, 678. 132 Pellens / Fülbier / Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 73. Zu den Einzelheiten der Aktivitäten und der Organisation des IASC in einem historischen Abriss siehe ausführlich Kleekämper / Kuhlewind / Alvarez, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, Teil A Kapitel I Rn. 21 ff.
C. Die Entwicklung der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS
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Im Zuge dieser Umstrukturierung wurde die IASC Foundation in Delaware (USA) gegründet als eine private Stiftung mit Sitz in London. Diese Stiftung trat die Nachfolge des IASC an, welches zu existieren aufhörte. Zu den Aufgaben der IASC Foundation gehört es ausweislich ihrer Satzung: 1. im öffentlichen Interesse einen einzigen gültigen Satz von hochwertigen, verständlichen und durchsetzbaren weltweiten Rechnungslegungsstandards zu entwickeln, die hochwertige, transparente und vergleichbare Informationen in finanziellen Abschlüssen und sonstigen finanziellen Berichten verlangen, um den Teilnehmern der globalen Kapitalmärkte und anderen Nutzern das Treffen von ökonomischen Entscheidungen zu erleichtern; 2. die Nutzung und die strikte Anwendung dieser Rechnungslegungsstandards zu fördern; 3. bei der Erreichung der genannten Ziele die besonderen Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen sowie der Schwellenländer – soweit angemessen – zu berücksichtigen; und 4. die Konvergenz der nationalen Rechnungslegungsstandards mit den IAS und IFRS im Sinne hochwertiger Lösungen herbeizuführen.134 Gleichzeitig wurde beschlossen, dass alle Standards, die im Rahmen der IASC Foundation künftig erarbeitet und veröffentlicht würden, nicht mehr IAS, sondern International Financial Reporting Standards (IFRS) heißen sollten, um auch in dieser Umbenennung die organisatorische Neuaufstellung der IASC Foundation darzustellen. Herauszuheben ist außerdem, dass nicht die IASC Foundation als solche für die Ausarbeitung der Rechnungslegungsstandards verantwortlich ist, sondern nur das organisationsrechtliche Dach bietet, unter welchem das Organ „International Accounting Standards Board“ (IASB) die Aufgabe der Entwicklung von Rechnungslegungsstandards wahrnimmt.135
II. Organisation und Aufbau Im Vergleich zur Organisationsstruktur ihres Vorgängers „IASC“ weist die „IASC Foundation“ einen weitreichend geänderten Aufbau auf. Die IASC Foundation besteht aus mehreren Organen, die jeweils unterschiedliche Funktionen im Rahmen der oben genannten Zielsetzung der IASC Foundation innehaben.
133 Kleekämper / Kuhlewind / Alvarez, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, Teil A Kapitel I Rn. 36; Pellens / Fülbier / Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 76. 134 Vgl. Sect. 2 IASC Foundation Constitution, abrufbar unter www.iasb.org / About+Us / About+the+Foundation / Constitution.htm (Stand Dezember 2007). 135 Sect. 31 IASC Foundation Constitution.
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
Das aus organisatorischer Sicht bedeutendste Organ der IASC Foundation ist der sog. „Board of Trustees“. Seine Aufgabe besteht im Allgemeinen in der Leitung der Geschäfte der IASC Foundation. Dazu gehört insbesondere die Ernennung der Mitglieder des IASB sowie der anderen Gremien innerhalb der IASC Foundation, die Aufsicht über die Tätigkeit der von ihm ernannten Gremien, die Sicherstellung einer ausreichenden und soliden Finanzierungsbasis sowie die stetige Überwachung und Verbesserung der Arbeitsweise der Gremien durch die alleinige Befugnis zu Änderungen der Satzung (Constitution) der IASC Foundation.136 Die Auswahl der Trustees erfolgt nach einem Proporzschlüssel, der sich grundsätzlich an einer Kombination aus fachlichen und geographischen Kriterien orientiert.137 Die Dauer der Amtszeit beträgt drei Jahre und kann einmal verlängert werden.138 Inhaltlich werden die Trustees nicht mit fachlichen Fragen der internationalen Rechnungslegung betraut.139 Diese Aufgabe nimmt stattdessen der IASB wahr. Ihm obliegt die volle Verantwortung für den gesamten Prozess der Erstellung, Überarbeitung und Verabschiedung der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS und IFRIC.140 Es ist damit in inhaltlicher Perspektive das zentrale Gremium innerhalb der IASC Foundation. Der IASB besteht aus 14 Mitgliedern, von welchen zwölf hauptamtlich und zwei weitere nebenamtlich tätig sind.141 Die Auswahl der IASB-Mitglieder erfolgt vornehmlich nach fachlichen Kriterien, mit dem Ziel, die „bestmögliche Kombination von technischer Expertise und Vielfalt in Bezug auf Markterfahrung und Erfahrung im internationalen Geschäft“ innerhalb des IASB zu erreichen, während die geographische Herkunft keine Rolle spielen soll.142 Die Dauer der Amtszeit beträgt fünf Jahre und ist einmal erneuerbar.143 Obwohl die fachliche Letztverantwortung und die Verabschiedung von Internationalen Rechnungslegungsstandards beim IASB liegt, werden offizielle Interpretationen von IAS / IFRS und zeitnahe Stellungnahmen zu Fragen ihrer Anwendung – die sog. International Financial Reporting Interpretations (früher Standing Interpretations Committee Interpretations) (SIC / IFRIC-Interpretationen) – von einem weiteren Gremium, dem International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC), ausgearbeitet.144 Das IFRIC besteht aus zwölf Mitgliedern, 136 Vgl. Sect. 3 – 17 IASC Foundation Constitution. Dort findet sich eine detaillierte Auflistung einzelner Aufgaben. 137 Vgl. Sect. 6 f. IASC Foundation Constitution. 138 Sect. 8 IASC Foundation Constitution. 139 Kleekämper / Kuhlewind / Alvarez, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, Teil A Kapitel I Rn. 44. 140 Sect. 31 IASC Foundation Constitution. 141 Sect. 18 IASC Foundation Constitution. 142 Sect. 19 – 21 IASC Foundation Constitution. 143 Sect. 26 IASC Foundation Constitution. 144 Sect. 36 IASC Foundation Constitution.
C. Die Entwicklung der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS
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die auf die Dauer von drei Jahren ernannt werden.145 Sie werden vornehmlich nach fachlichen Gesichtspunkten ausgewählt.146 Daneben nehmen an den Sitzungen des IFRIC zwei Mitglieder des IASB sowie Beobachter unterschiedlicher Organisationen, wie z. B. der Europäischen Kommission, teil.147 Das IFRIC ist inhaltlich dem IASB voll verantwortlich: Es hat dem IASB zu berichten und dessen Zustimmung zur Veröffentlichung der Interpretationen einzuholen.148 Weiteres wichtiges Gremium innerhalb der IASC Foundation ist das Standards Advisory Council (SAC). Es besteht aus mindestens 30 Mitgliedern mit unterschiedlichem geographischen und beruflichen Hintergrund, deren Amtszeit drei Jahre beträgt und das ein Forum für Organisationen und Einzelpersonen bietet, die sich für Fragen der internationalen Rechnungslegung interessieren.149 Das SAC hat die Aufgabe, den IASB sowie die Trustees bei wichtigen Entscheidungen sowie in fachlichen Fragen zu beraten, u. a. indem es den IASB über die Ansichten der Organisationen und der Einzelpersonen, die im SAC versammelt sind, informiert. Die Europäische Kommission ist als Beobachterin im SAC vertreten. Neben diesen ständigen Gremien gibt es weitere, zumeist ad hoc eingesetzte Ausschüsse und Projektgruppen sowie Vertreter der laufenden Verwaltung. Es handelt sich dabei insbesondere um sog. Steering bzw. Advisory Committees sowie den Chief Executive, welchem ein Director of Operation, ein Director of Technical Activities und ein Commercial Director beigestellt werden.150 Auf diese soll hier jedoch im Einzelnen nicht näher eingegangen, sondern diesbezüglich auf das entsprechende Schrifttum verwiesen werden.151
III. Die Erstellung der internationalen Rechnungslegungsregeln Für das Verständnis der internationalen Rechnungslegungsregeln von großer Bedeutung ist die Kenntnis von der Art und Weise ihrer Ausarbeitung und Erstellung. Sowohl IFRS als auch IFRIC-Interpretationen152 durchlaufen einen explizit vorSect. 33 IASC Foundation Constitution. Kleekämper / Kuhlewind / Alvarez, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, Teil A Kapitel I Rn. 62. 147 Preface to International Financial Reporting Interpretations 14. 148 Sect. 36 lit. d IASC Foundation Constitution. 149 Sect. 38 IASC Foundation Constitution. 150 Sect. 40 – 42 IASC Foundation Constitution. 151 Vgl. Kleekämper / Kuhlewind / Alvarez, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, Teil A Kapitel I Rn. 69 ff.; Pellens / Fülbier / Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 83 f.; Achleitner / Behr, IAS, S. 36 ff. 152 Es werden nur die IFRS und IFRIC erörtert, weil unter der neuen Struktur der IASC Foundation nur noch diese ausgearbeitet werden. 145 146
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Kap. 1: Die normativen Grundlagen der Rechnungslegung
gegebenen, formalisierten Prozess der Entwicklung, bei dem eine besondere Betonung der Miteinbeziehung der interessierten Öffentlichkeit durch unterschiedliche Instrumente der Mitarbeit und Einflussnahme besteht.153 Dieser Prozess wird auch als „due process“ bezeichnet.154
1. Ausarbeitung der IFRS Die Regeln, nach dem der „due process“ zur Ausarbeitung von IFRS zu verlaufen hat, ergeben sich aus der Satzung der IASC Foundation, dem „Preface to International Financial Reporting Standards“ sowie aus dem „Due Process Handbook for the IASB“.155 Der Entwicklungsprozess von IFRS besteht aus mehreren obligatorischen und fakultativen Schritten. Zu den obligatorischen Vorgaben gehören im Einklang mit dem Preface to International Financial Reporting Standards die Folgenden: Das SAC muss vom IASB über die Zweckmäßigkeit, ein bestimmtes Thema der Rechnungslegung auf die Tagesordnung zu setzen, gehört werden. Der IASB erarbeitet einen sog. „Exposure Draft“ mit ersten Vorschlägen eines Standards und veröffentlicht diesen zum Zwecke der Einholung von Kommentaren interessierter Kreise, wenn sich eine Mehrheit von neun Mitgliedern des IASB für den Vorschlag ausgesprochen hat. Alle Kommentare und Anregungen, die innerhalb der Frist eingegangen sind, müssen im weiteren Verlauf berücksichtigt werden. Ein IFRS kann endgültig durch den IASB nur mit einer Mehrheit von neun Stimmen verabschiedet werden. Abweichende Auffassungen sind im Standard wörtlich zu veröffentlichen.156
Neben diesen zwingenden Arbeitsschritten steht es dem IASB frei, weitere Maßnahmen zu ergreifen, die seiner Ansicht nach bei der Ausarbeitung von IFRS zweckdienlich sind. So kann der IASB ad hoc beratende Projektgruppen einsetzen, vor der Veröffentlichung eines Exposure Draft ein weniger formelles Diskussionspapier veröffentlichen oder Feldtests und öffentliche Anhörungen unternehmen.
153 Kleekämper / Kuhlewind / Alvarez, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, Teil A Kapitel I Rn. 77. 154 Siehe z. B. Wüstemann / Kierzek, in: Brütsch / Lehmkuhl, Law and Legalization, S. 33, 37. 155 Das „Due Process Handbook for the IASB“ wurde am 23. März 2006 verabschiedet und ist unter www.iasb.org / NR / rdonlyres / 7D97095E-96FD-4F1F-B7F2-366527CB4FA7 / 0 / DueProcessHandbook.pdf (Stand Dezember 2007) abrufbar. 156 Preface to International Financial Reporting Standards 18.
C. Die Entwicklung der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS
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2. Ausarbeitung der IFRIC-Interpretationen Der „due process“ zur Ausarbeitung von IFRIC-Interpretationen ergibt sich aus dem „Preface to International Financial Reporting Standards“ und dem „Preface to International Financial Reporting Interpretations“. Ein „Due Process Handbook for the IFRIC“ existiert noch nicht verbindlich, obwohl im Mai 2006 die IASC Foundation den Entwurf eines solchen Dokumentes veröffentlicht hat.157 Der „due process“ umfasst – nachdem ein auslegungsbedürftiges Thema in Anwendung spezifischer Kriterien identifiziert und auf die Tagesordnung gesetzt wurde –158 mehrere Arbeitsschritte: Wenn nicht mehr als drei IFRIC-Mitglieder sich gegen einen Interpretationsvorschlag aussprechen, wird der IFRIC-Interpretationsentwurf veröffentlicht und zur Kommentierung eingeladen. Alle Kommentare, die innerhalb der dazu gesetzten Frist eintreffen, werden bei der weiteren Bearbeitung berücksichtigt. Ein IFRIC-Entwurf wird danach vom IFRIC angenommen, wenn nicht mehr als drei Mitglieder sich dagegen aussprechen. Die endgültige Verabschiedung einer IFRIC-Interpretation erfolgt mit einer Mehrheit von neun Stimmen durch den IASB.
Insgesamt ist festzuhalten, dass der „due process“ zur Ausarbeitung der IFRICInterpretationen mit demjenigen zur Ausarbeitung der IFRS Gemeinsamkeiten aufweist, an manchen Stellen aber durchaus abweicht. Er ist insbesondere kürzer und sieht nicht so viele – auch nicht fakultative – Möglichkeiten der Einbeziehung der Öffentlichkeit in den Meinungsbildungsprozess vor.
157 Vgl. „Draft Due Process Handbook for the IFRIC“, abrufbar unter www.iasb.org / NR / rdonlyres / 45231428-2F48 45E5-9F31-F252BC667219 / 0 / 8_137_DraftDueProcess IFRIC.pdf (Stand Dezember 2007). 158 Vgl. Preface to International Financial Reporting Interpretations 27.
Kapitel 2
Die Übernahme der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht Nachdem im vorangegangenen Kapitel die normativen Grundlagen für die Einführung der Rechnungslegung nach IAS / IFRS in der EU herausgestellt worden sind, kann auf dieser Grundlage der Frage nachgegangen werden, ob die IAS / IFRS-Gesetzgebungsakte sowie die Art und Weise der Übernahme der in ihrem Ursprung privaten und unverbindlichen IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht den Anforderungen des Europarechts entsprechen. In einem ersten Schritt soll dazu untersucht werden, ob die IAS / IFRS-Basisverordnung überhaupt kompetenziell zulässig ergangen ist. Dabei sind zwei Problemkreise zu unterscheiden: Zum einen, ob sich die IAS / IFRS-Basisverordnung zulässigerweise auf Art. 95 Abs. 1 EGV stützt, und zum anderen, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber zulässigerweise die Verordnung als Gesetzgebungsinstrument gewählt hat. Wäre eine dieser beiden Fragen zu verneinen, würde die IAS / IFRSBasisverordnung mit höherrangigem Primärrecht in Widerspruch stehen und fehlerhaft ergangen sein. In einem zweiten Schritt soll der besondere Mechanismus der Übernahme der IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht auf seine Europarechtskonformität untersucht werden. Weil es sich dabei um das sensible Zusammenwirken von privaten Gremien mit einem hoheitlichen Gesetzgeber handelt, sind zunächst die spezifisch europarechtlichen Maßstäbe herauszuarbeiten, anhand derer der Übernahmemechanismus überprüft werden kann. Danach sind alle in Betracht kommenden Aspekte, die der Vereinbarkeit des Endorsement mit dem Gemeinschaftsrecht entgegenstehen könnten, systematisch auf ihre Stichhaltigkeit zu analysieren.
A. Kompetenzgrundlagen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung
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A. Die Kompetenzgrundlagen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung: Wahl des Rechtsaktes „Verordnung“ als zulässiges Rechtsinstrument? Klassisches Rechtsinstrument für die Harmonisierung der Rechnungslegung in Europa war bis zum Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung die europäische Richtlinie.1 Vor diesem Hintergrund ist die Wahl des Rechtsaktes „Verordnung“ für die Einführung einer Rechnungslegung nach den IAS / IFRS gesetzgebungsmethodisch ein neuer Ansatz und in der Formulierung Karel van Hulles „eher ungewöhnlich“.2 Während die Harmonisierung der Rechnungslegung mittels der Bilanzrichtlinien unter den Gesichtspunkten der Regelungsdichte und der Einhaltung des gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips in der Literatur kontrovers diskutiert und sogar die rechtliche Verbindlichkeit der EG-Bilanzrichtlinie in Deutschland ernstlich in Zweifel gezogen wurde,3 findet sich bislang kaum ein kritischer Kommentar im Schrifttum zur Wahl des Rechtsinstruments „Verordnung“ sowie kaum eine kritische Auseinandersetzung mit der Wahl des Art. 95 Abs. 1 EGV als Kompetenzgrundlage für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung. Soweit einzelne Autoren überhaupt auf diese Aspekte eingehen, wird dieses Faktum entweder nur festgestellt, eine Verschiebung der Machtverhältnisse zu Ungunsten der Mitgliedstaaten bemerkt oder aber grundsätzlich befürwortet.4 Diese analytische Zurückhaltung ist aus mehreren Gründen überraschend: Denn es verdient näherer Betrachtung, wenn bislang alle europäischen Harmonisierungsrechtsakte des Bilanzrechts auf Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV (ex-Art. 54 Abs. 3 lit. g EGV) gestützt wurden, die IAS / IFRS-Basisverordnung aber auf Art. 95 Abs. 1 EGV. Aufmerksamkeit verdient darüber hinaus, dass die Regelungsdichte der IAS / IFRS-Basisverordnung und insbesondere der auf ihrer Grundlage zu erlassenden IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen um Etliches höher ist als die von Richtlinien, da europäische Verordnungen in allen ihren Teilen verbindlich sind, in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gelten (vgl. Art. 249 EGV) und demnach den Mitgliedstaaten – im Gegensatz zu Richtlinien – kein eigener Umsetzungsspielraum mehr bleibt. Dadurch ändert sich zudem die Konzeption der gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgebung zur Rechnungslegung von der Rechtsharmonisierung zur Vereinheitlichung (jedenfalls für die konsolidierten Abschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen). Siehe dazu oben Kapitel 1 B. I. 1. van Hulle, WPg 2003, 968, 976. 3 Beisse, FS Clemm, S. 27, 50, Fn. 84; Biener, FS Kropff, S. 393, 405; näher zu dieser Diskussion auch Hennrichs, Wahlrechte, S. 106 ff. 4 Siehe beispielsweise Heintzen, BB 2001, 825, 826; Göthel, BB 2001, 2057, 2058; Ernst, BB 2001, 823, 824 f.; Luttermann, IWB Fach 11 Gruppe 3, S. 263, 265; P. Buck, JZ 2004, 883, 885; Beiersdorf / Davies, BB 2006, 987 f. 1 2
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
Diese Aspekte rechtfertigen es, juristisch zu hinterfragen, ob die IAS / IFRSBasisverordnung auf der richtigen Kompetenzgrundlage ergangen ist und ob das Rechtsinstrument der Verordnung das richtig gewählte Rechtsinstrument ist.
I. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung Im Gegensatz zu den Bilanzrichtlinien, deren Kompetenzgrundlage stets Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV (ex-Art. 54 Abs. 3 lit. g EGV) war, stützt sich – ausweislich der Präambel der IAS / IFRS-Basisverordnung – der europäische Gesetzgeber für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung explizit auf Art. 95 Abs. 1 EGV. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Kompetenzgrundlagen liegt darin, dass Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV den europäischen Normgeber nur zum Erlass von Richtlinien und anderen „milderen“ Rechtsakten ermächtigt,5 während Art. 95 Abs. 1 EGV auch den Erlass von Verordnungen erlaubt.6 Fraglich ist mithin, ob der europäische Gesetzgeber befugt war, zur Einführung der gemeinschaftsrechtlichen IAS / IFRS-Bilanzierungspflicht auf Art. 95 Abs. 1 EGV zurückzugreifen.
1. Die Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 95 Abs. 1 EGV Art. 95 Abs. 1 EGV ermächtigt die Gemeinschaft zum Erlass von „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben“. Damit dient die Vorschrift, welche ursprünglich als Art. 100a im Jahre 1987 durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) in das europäische Primärrecht Eingang gefunden hat, der Verwirklichung des Binnenmarktes gem. Art. 14 EGV, indem sie dem Ministerrat – unter Beteiligung des Europäischen Parlamentes im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses – eine allgemeine Kompetenz zur Rechtsangleichung verleiht.7 Der Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung muss sich gem. Art. 95 Abs. 1 EGV als eine Maßnahme darstellen, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand hat und der Angleichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten dient. Zusätzlich ist zu verlangen, dass die Maßnahme „erforderlich“ ist. Dies ergibt sich aus Art. 14 Abs. 1 EGV, in dem das Merkmal der „Erforderlichkeit“ aufgeführt wird und explizit auf Art. 95 EGV Anwendung findet.8 5 Bröhmer, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 44 EGV Rn. 5; Müller-Graff, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 44 EGV Rn. 6. 6 Siehe nur Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 32; Geiger, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 4; Tietje, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 47. 7 Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 3.
A. Kompetenzgrundlagen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung
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a) Die IAS / IFRS-Basisverordnung als erforderliche Maßnahme zur Errichtung und zum Funktionieren des Binnenmarktes Eine Maßnahme, die sich auf Art. 95 Abs. 1 EGV stützt, hat die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand, wenn die Verwirklichung des Binnenmarktes einerseits subjektives Anliegen des Gesetzgebers ist, sich dieses Anliegen objektiv der getroffenen Maßnahme entnehmen lässt und die Maßnahme einen realen Beitrag zum Aufbau oder zur Verbesserung des Binnenmarktes leistet.9 Unter dem Begriff „Binnenmarkt“ wiederum ist gem. Art. 14 Abs. 2 EGV ein „Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital [ . . . ] gewährleistet ist“, zu verstehen.10 Diesen Anforderungen wird die IAS / IFRS-Basisverordnung gerecht. Die IAS / IFRS-Basisverordnung selbst beruft sich in ihren Erwägungsgründen auf den Zweck der Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarktes und weist damit das notwendige subjektive Element auf.11 Mit der Schaffung einheitlicher und transparenter Rechnungslegungsregeln für kapitalmarktorientierte Unternehmen leistet die IAS / IFRS-Basisverordnung gleichzeitig in objektiver Weise einen substantiellen Beitrag zum Aufbau eines effizient und kostengünstig funktionierenden europäischen Finanzmarktes, mithin zum Aufbau eines europäisch integrierten Kapitalmarktes. Dadurch wird insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 56 EGV, die unzweifelhaft Teil des Binnenmarktes gem. Art. 14 Abs. 2 EGV ist, in Europa gestärkt. Gleichfalls kann davon ausgegangen werden, dass die IAS / IFRS-Basisverordnung auch „erforderlich“ i. S. d. Art. 14 Abs. 1 EGV ist. Bei der Ausfüllung dieses Merkmals ist dem europäischen Gesetzgeber eine weite Einschätzungsprärogative zuzugestehen.12 Deren Grenzen sind im Falle des Erlasses der IAS / IFRS-Basisverordnung, mit der kapitalmarktorientierten Unternehmen eine Konzernbilanzierungspflicht nach endorsed IAS / IFRS auferlegt wird, nicht überschritten. Eine ausführliche Begründung der Einführung dieser Pflicht ergibt sich aus den Erwägungsgründen der IAS / IFRS-Basisverordnung. Neben dem vorrangigen Ziel der Schaffung eines integrierten Kapitalmarktes soll die IAS / IFRS-Basisverordnung dazu beitragen, dass Anleger, seien es private oder institutionelle, bei ihrem finanziellen Engagement besser geschützt werden. Gerade durch eine höhere 8 v. Danwitz, in: Dauses, Hdb des EU-Wirtschaftsrechts, B. II. Rn. 101; Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 13, 36. 9 Leible, in: Streinz, EGV / EUV, Art. 95 EGV Rn. 14; Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 25. 10 Siehe zur strittigen, hier jedoch nicht relevanten Abgrenzung zwischen „Binnenmarkt“ und „Gemeinsamem Markt“ Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 8 ff. sowie Kahl, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 14 EGV Rn. 5 ff. 11 Vgl. Erwägungsgrund 2 und 4. 12 Vgl. nur Hennrichs, Wahlrechte, S. 116 ff.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
Transparenz und Vergleichbarkeit der Rechnungslegung von kapitalmarktorientierten Unternehmen soll der Anlegerschutz gewährleistet werden.13 Dem Anleger soll durch die verbesserte Informationssituation ermöglicht werden, selbständig Entscheidungen zu treffen für Investitionen, die vor allem grenzüberschreitend erfolgen.14 Europäische Unternehmen sollen sowohl innerhalb als auch außerhalb Europas ohne Wettbewerbsnachteile gegenüber Unternehmen anderer Länder Kapital in ausreichender Menge aufnehmen können. Die gemeinschaftlichen Wertpapierhandelsplätze sollen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit mit nicht-europäischen Konkurrenten gestärkt werden, d. h., dass sie im Vergleich zu nicht-europäischen Kapitalmärkten attraktiver werden.15 Der Gesetzgeber betont in diesem Zusammenhang auch den vergleichsweise geringen Effekt, den die bisherige Harmonisierung mittels Richtlinien für die Errichtung eines integrierten Kapitalmarktes hatte.16 Die daraus resultierenden Verwerfungen und Unvollkommenheiten in der Verwirklichung eines europäischen Kapitalmarktes als Teilbereich des Binnenmarktes konnten seiner Ansicht nach nur mit neuen gesetzgeberischen Maßnahmen beseitigt werden.17 Aus all diesen Aspekten wird deutlich, dass die Erwägungen, die zur Wahl des Art. 95 Abs. 1 EGV als Rechtsgrundlage der IAS / IFRS-Basisverordnung ausschlaggebend waren, eine ausreichende Grundlage dafür darstellen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 95 Abs. 1 EGV, insbesondere auch die Voraussetzung der Erforderlichkeit, bejaht werden können. Ob Art. 95 Abs. 1 EGV die richtige Rechtsgrundlage für die Einräumung des Wahlrechts sein kann, auf dessen Boden Mitgliedstaaten den Bereich für die Anwendung von endorsed IAS / IFRS auch auf Jahresabschlüsse und auf nicht kapitalmarktorientierte Gesellschaften ausweiten dürfen (Art. 5 IAS / IFRS-Basisverordnung), soll im Rahmen dieser Untersuchung nicht vertieft behandelt werden. Lediglich soviel: Dagegen spricht, dass die Erstellung von Jahresabschlüssen sowie die Bilanzierung nicht-kapitalmarktorientierter Unternehmen bislang von anderen Motiven, wie z. B. der starken Betonung des Gläubigerschutzes, geleitet werden als die Erstellung von konsolidierten Abschlüssen, die hauptsächlich das Informationsbedürfnis des Kapitalmarktes im Blick haben. Die IAS / IFRSBasisverordnung begründet aber in erster Linie die Relevanz der IAS / IFRS-Bilanzierung mit Erwägungen der Kapitalverkehrsfreiheit und Argumenten, die den Kapitalmarkt im Auge haben. Andererseits könnte argumentiert werden, dass der Erlass gemeinschaftsrechtlicher Maßnahmen, die nicht-kapitalmarktorientierten Unternehmen die Befolgung von endorsed IAS / IFRS vorschreiben, das verbesserte Funktionieren des Binnenmarktes im Bereich der Freizügigkeit zum Gegenstand hat, weil die bestehenden Richtlinien, die zu diesem Zweck ergangen sind, nur unvollkommen den Binnenmarkt verwirklicht haben. Als Folgeproblem würde sich mit Blick auf die Bereichsausnahme des Art. 95 Abs. 2 EGV Erwägungsgründe 1 und 3 der IAS / IFRS-Basisverordnung. Göthel, DB 2001, 2057, 2058. 15 Erwägungsgründe 4 und 5 der IAS / IFRS-Basisverordnung. 16 Erwägungsgrund 3 der IAS / IFRS-Basisverordnung; siehe zu den Defiziten der Harmonisierung auch Kapitel 1 B. I. 1. 17 Siehe auch KOM (1999), 232, S. 3. 13 14
A. Kompetenzgrundlagen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung
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(„Freizügigkeit“) aber die Frage stellen, inwiefern Art. 95 Abs. 1 EGV als Rechtsgrundlage dann tatsächlich benutzt werden dürfte.
b) Die IAS / IFRS-Basisverordnung als Maßnahme zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten Art. 95 Abs. 1 EGV erlaubt die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten. Unter Angleichung ist die Beseitigung der rechtlichen oder tatsächlichen Unterschiede in der Gemeinschaft und ihrer den Binnenmarkt behindernden Auswirkungen zu verstehen.18 In Bezug auf die Harmonisierungsintensität fungiert der Begriff „Angleichung“ als Oberbegriff für alle Formen der Harmonisierung, von partieller Harmonisierung bis zur Vereinheitlichung.19 Aus diesem Grunde kann der Gesetzgeber auf der Grundlage des Art. 95 Abs. 1 EGV auf jedes Rechtsinstrumentarium zurückgreifen, auch auf die Verordnung, die typischerweise eine Vereinheitlichung von Regelungsmaterien bewirkt.20 Art. 95 Abs. 1 EGV setzt im Übrigen nicht voraus, dass es überhaupt anzugleichende mitgliedstaatliche Vorschriften gibt, sondern erlaubt dem Gemeinschaftsgesetzgeber, bereits präventiv das Entstehen von Unterschieden innerhalb der Gemeinschaft zu vermeiden.21 Mit der Verpflichtung zur Bilanzierung nach endorsed IAS / IFRS wird die Konzernbilanzierung kapitalmarktorientierter Unternehmen in der Gemeinschaft vollständig vereinheitlicht. Es ist dabei unschädlich, dass die durch die IAS / IFRSBasisverordnung angeglichenen Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Konzernbilanzierung in weiten Teilen auf europäische Bilanzrichtlinien zurückgehen und mithin bereits Objekt europäischer Harmonisierung gewesen sind. Denn aufgrund einer Vielzahl von Wahlrechten bestehen weiterhin nicht unerhebliche rechtliche Unterschiede zwischen den Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten. Außerdem kann es dem Gemeinschaftsgesetzgeber nicht verwehrt sein, eine bislang bereits harmonisierte Regelungsmaterie, z. B. bei Auftreten von Defiziten, nicht ein weiteres Mal harmonisieren zu dürfen. Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die IAS / IFRS-Basisverordnung die Voraussetzungen erfüllt, die an die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten gem. Art. 95 Abs. 1 EGV zu stellen sind. 18 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 36. 19 Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 38 ff.; Kahl, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 94 EGV Rn. 5. 20 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 37 ff. 21 Kahl, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 10; Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 26; a. A. v. Danwitz, in: Dauses, Hdb des EU-Wirtschaftsrechts, B. II. Rn. 97.
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2. Anwendbarkeit des Art. 95 Abs. 1 EGV oder Vorrang anderer Ermächtigungsgrundlagen? Mit der Feststellung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 95 Abs. 1 EGV zum Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung prinzipiell vorliegen, ist jedoch noch nicht gesagt, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber auch auf diesen berufen durfte. Art. 95 Abs. 1 S. 1 EGV bestimmt nämlich, dass auf seiner Grundlage die Gemeinschaft nur tätig werden darf, „soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist“. Der Gemeinschaftsgesetzgeber soll vorrangig nach speziellen Ermächtigungsnormen für die Verwirklichung der bezweckten Maßnahme vorgehen, oder umgekehrt formuliert: Art. 95 Abs. 1 EGV tritt hinter speziellen Ermächtigungsvorschriften zurück.22 Es bleibt also zu untersuchen, ob ein Rückgriff auf Art. 95 Abs. 1 EGV für die Einführung der IAS / IFRS-Bilanzierungsverpflichtung überhaupt zulässig war. Als spezielle Vorschrift im Hinblick auf Art. 95 Abs. 1 EGV kommt Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV in Betracht.23 Dies umso mehr, da die bisherige Harmonisierung im Bereich der Rechnungslegung sich stets auf Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV (ex-Art. 54 Abs. 3 lit. g EGV) gestützt hat. Fraglich ist, ob die mit der IAS / IFRSBasisverordnung bezweckten Rechtsangleichungsmaßnahmen – soweit es um ihren Inhalt, nicht das Rechtsinstrument der Verordnung geht, da diese von vorneherein nicht auf der Grundlage des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV ergehen könnte – auf Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV gestützt hätte werden können. Gem. Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV koordinieren „soweit erforderlich“ der Rat und die Kommission die „Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“.
a) Zielsetzung des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV Umstritten ist, wie weit die Zielsetzung dieser Norm reicht. Nach einer Auffassung, die sich auf die systematische Stellung des Art. 44 EGV stützt, ist die Kompetenznorm des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV eng auszulegen. Die Ergreifung von Gesetzgebungsmaßnahmen auf der Grundlage des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV ist danach nur zur Aufhebung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EGV möglich.24 22 Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 5; Kahl, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 5; Röttinger, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 3; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 10 Rn. 15. 23 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 14, 47; Tietje, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 55; Herrnfeld, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 9; Müller-Graff, EuR 1989, 107, 132; Schön, ZGR 1995, 1, 16.
A. Kompetenzgrundlagen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung
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Die Vertreter der Gegenauffassung verstehen Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV hingegen mit unterschiedlichen Nuancen weiter.25 Sie stimmen zwar darin überein, dass sich die beabsichtigte Regelung nicht auf die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit allein beschränken muss, sondern deutlich darüber hinausgehen darf. Hingegen unterscheiden sich die Vertreter der Gegenauffassung danach, ob sie Maßnahmen, die generell auf die Errichtung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen im Gesellschaftsrecht gerichtet sind, von Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV erfasst sehen,26 oder ob sie bei solchen Maßnahmen zumindest einschränkend einen Bezug zur Verwirklichung der Niederlassungs-27 oder weiterer Grundfreiheiten verlangen.28 Folgt man der erstgenannten, engen Ansicht zu Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV, so wird man Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV für die mit der IAS / IFRS-Basisverordnung verfolgten Zwecke nicht als allein einschlägig ansehen können. Zwar dient die Harmonisierung der Rechnungslegung allgemein, wie sich bereits aus den Erwägungsgründen zu den bisherigen Bilanzrichtlinien sowie den Gesetzesbegründungen zur Umsetzung dieser Richtlinien in das deutsche Recht ergibt, auch der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit, in dem Sinne, dass Unterschiede in der Rechnungslegung Gesellschaften dazu veranlassen können, bei der Wahl ihres Niederlassungsortes von solchen Ländern Abstand zu nehmen, in denen vergleichsweise hohe Anforderungen herrschen.29 Jedoch erfasst Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV nach dieser Ansicht nicht die mit dem IAS / IFRS-Basisrechtsakt besonders angestrebte Verwirklichung des Aufbaus eines gemeinschaftlichen Kapitalmarktes und der Stärkung der Kapitalverkehrsfreiheit. Die Erreichung dieser Zwecke ließe sich nur über den Rückgriff auf Art. 95 Abs. 1 EGV erreichen. Art. 44 Abs. 2 lit. g. EGV wäre keine geeignete Kompetenzgrundlage. Wird hingegen der weiten Auffassung von der Zielrichtung des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV gefolgt, so hindert die besondere Zielsetzung der IAS / IFRS-Basisverordnung auf die Verwirklichung des Kapitalmarktes gerade nicht, dass die mit der IAS / IFRS-Basisverordnung geplanten Maßnahmen auf der Grundlage des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV ergehen können. Denn nach dieser Auffassung erfasst die Ermächtigungsgrundlage des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV stets Maßnahmen, die auch auf die Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit abzielen.30 Konsequenterweise wäre dem Gemeinschaftsgesetzgeber ein Rückgriff auf Art. 95 Abs. 1 EGV und damit das Rechtsinstrument der Verordnung versperrt. 24 Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195, 220 f.; wohl Timmermans, RabelsZ 48 (1984), 1, 12 ff.; Steindorff, EuZW 1990, 251, 252. 25 Müller-Graff, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 44 EGV Rn. 17; Schön, ZGR 1995, 1, 14; Müller-Huschke, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 44 EGV Rn. 18 ff.; Bröhmer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 44 EGV Rn. 12. 26 Buxbaum / Hopt, Legal Harmonization, S. 205 f.; Pipkorn, ZHR 136 (1972), 499, 504 f. 27 Müller-Huschke, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 44 EGV Rn. 21. 28 So Schön, ZGR 1995, 1, 14. 29 BT-Drs. VI / 2875, S. 16; näher dazu auch Hennrichs, Wahlrechte, S. 119 f. 30 In umgekehrter Perspektive Kloos, Transformation, S. 43.
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b) Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV abschließend gegenüber Art. 95 Abs. 1 EGV? Eine Entscheidung, welcher Ansicht zu folgen ist, ist entbehrlich, wenn nachgewiesen werden kann, dass Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV im konkreten Falle nicht abschließend im Verhältnis zu Art. 95 Abs. 1 EGV ist, wenn also der Gemeinschaftsgesetzgeber auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 95 Abs. 1 EGV zurückgreifen darf, obwohl eigentlich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 44 Abs. 2 lit. g erfüllt sind. Ob dies möglich ist, bemisst sich nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften und ihrer Beziehung zueinander. Ein Argument für den abschließenden Charakter des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV gegenüber Art. 95 Abs. 1 EGV lässt sich jedenfalls den formellen Voraussetzungen für den Erlass von Rechtsakten gemäß den genannten Vorschriften nicht entnehmen. Denn das Rechtsetzungsverfahren unterscheidet sich in beiden Fällen nicht voneinander: Sowohl nach Art. 95 Abs. 1 EGV als auch nach Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV erlässt der Rat unter Beteiligung des Europäischen Parlaments gem. Art. 251 EGV und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses den betreffenden Rechtsakt mit der Mehrheit seiner Stimmen. Wenn aber die prozedurale Legitimation der Rechtsakte identisch ist, unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage der Rechtsakt erlassen wurde, dann kann daraus jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, dass eine der in Frage kommenden Kompetenzgrundlagen abschließend gegenüber der anderen ist. Ein starkes Argument gegen den abschließenden Charakter des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV, jedenfalls soweit der Anwendungsbereich über die von Art. 44 EGV erfasste Niederlassungsfreiheit hinausgeht, lässt sich aus den Hintergründen zur Entstehungsgeschichte der Vorschriften ziehen. Im Gegensatz zu Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV findet sich Art. 95 Abs. 1 EGV nicht schon seit Beginn der Gemeinschaft im Primärrecht, sondern hat als Art. 100a EGV erst im Jahre 1987 durch die EEA Eingang in den EGV gefunden.31 Ein Hauptzweck für seine Einführung war der Wunsch der Mitgliedstaaten, das Rechtsangleichungsverfahren der Gemeinschaft zu beschleunigen und flexibler zu gestalten.32 Dies wurde dadurch erreicht, dass Art. 95 Abs. 1 EGV im Gegensatz zu der bis dahin allein existierenden Generalklausel des Art. 94 EGV nicht mehr das Erfordernis der Einstimmigkeit im Rat aufstellte, sondern die Mehrheitsentscheidung zuließ. Vor Einführung des Art. 95 EGV konkurrierte Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV lediglich mit der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage aus Art. 94 EGV (ex-Art. 100 EGV).33 Weil Maßnahmen zur Rechtsvereinheitlichung im Bereich des Gesellschaftsrechts wegen des Einstimmigkeitserfordernisses des Art. 94 EGV sehr mühselig zu realisieren waren, 31 Vgl. zur Entstehungsgeschichte z. B. Tietje, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 1 ff. 32 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 2. 33 Zu letzterem Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 94 EGV Rn. 1.
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versuchte man mit einer weiten Auslegung des Anwendungsbereichs des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV, weit über die eigentlich nach Wortlaut und Systematik lediglich erfasste Niederlassungsfreiheit hinaus, die hohen tatbestandlichen Hürden des Art. 94 EGV zu umgehen, der auf der Rechtsfolgenseite ohnehin und genauso wie Art. 44 EGV nur den Erlass von Richtlinien zuließ, um so die Harmonisierung des Gesellschaftsrechts insgesamt zu erleichtern. Mit der Einführung des Art. 95 EGV ist dieses Bedürfnis eigentlich weggefallen, denn Art. 95 EGV lässt nun tatbestandlich Mehrheitsentscheidungen zu und auf der Rechtsfolgenseite den Erlass sogar von Verordnungen. Es leuchtet nunmehr nicht ein, weshalb die ersichtlich auch von den Bedürfnissen einer einfacheren Harmonisierung motivierte erweiternde Auslegung des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV gerade den Rückgriff auf Art. 95 EGV, der selbst die Harmonisierungsmöglichkeiten verbessern will, verhindern sollte. Des weiteren sollte bedacht werden, dass für Maßnahmen, die – wie im Falle der IAS / IFRS-Basisverordnung – in erster Linie der Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit dienen und nur eher untergeordnet auch der Niederlassungsfreiheit, die Handlungsmöglichkeiten des Gemeinschaftsgesetzgebers deutlich eingeschränkt werden. Denn obwohl für die Verwirklichung des freien Kapitalverkehrs (abgesehen von den hier von vorneherein nicht in Frage kommenden Art. 57 Abs. 2, 59, 60 EGV) keine besonderen Kompetenzgrundlagen zum Erlass von Rechtsangleichungsmaßnahmen existieren und demnach ein Rückgriff auf Art. 95 EGV geradezu der Regelfall ist, würde die Zuordnung auch derart motivierter Maßnahmen zu Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV stets zu einer Beschränkung der Handlungsbefugnisse auf der Rechtsfolgenseite, nämlich auf die Rechtsinstrumentarien der Richtlinie, führen. Dies aber erscheint widersprüchlich. Diese Argumentation, die sich gegen ein abschließendes Verständnis des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV gegenüber Art. 95 Abs. 1 EGV jedenfalls für Regelungen, die überwiegend auf die Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit abzielen, wird durch eine Auffassung in der Literatur bestätigt, nach der, auch wenn eine spezielle Kompetenzgrundlage für den Erlass von Maßnahmen zur Rechtsangleichung vorhanden ist, auf Art. 95 Abs. 1 EGV und damit die Möglichkeit, eine Verordnung zu erlassen, zurückgegriffen werden kann, wenn „diese Vorschriften im Einzelfall nicht ausreichen, etwa wenn in besonderen Fällen die Überwindung der Abschottungswirkung der nationalen Rechtsordnungen nur durch eine gemeinschaftsweit unmittelbar geltende Verordnung [ . . . ] erreicht werden kann und die einschlägige Befugniszuweisung nur Richtlinien vorsieht.“34
Mit dem Ergebnis, dass Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV nicht stets abschließend gegenüber Art. 95 Abs. 1 EGV ist, entfällt die Notwendigkeit, im Hinblick auf den Erlass der überwiegend durch die Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit motivierten IAS / IFRS-Basisverordnung über die strittige Frage der Zielsetzung des Art. 44 34 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 14.
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Abs. 2 lit. g EGV zu entscheiden. Damit kann gleichzeitig festgestellt werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung sich auf Art. 95 Abs. 1 EGV stützen konnte und der Erlass einer Verordnung zumindest nicht aufgrund einer vorrangigen Vorschrift, die nur den Erlass von Richtlinien erlaubt, unzulässig ist.
3. Die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips Auch wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber sich tatbestandlich für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung auf Art. 95 Abs. 1 EGV stützen durfte, stellt sich dennoch die Frage, ob er von dieser Kompetenz im konkreten Falle überhaupt Gebrauch machen durfte. Als (eine) Grenze für die Ausübung dieser Befugnis erweist sich das Subsidiaritätsprinzip aus Art. 5 Abs. 2 EGV (sog. Kompetenzausübungsschranke).35 Art. 5 Abs. 2 EGV lautet: „In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.“
Interessanterweise haben sich der Rat und das Europäische Parlament als Gesetzgeber der IAS / IFRS-Basisverordnung durch das Subsidiaritätsprinzip nicht gebunden gesehen. Die Erwägungsgründe erwähnen es an keiner Stelle. Offenbar schließt sich der Gesetzgeber der Auffassung der Kommission an, die in ihrem Vorschlag zum Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung zum Subsidiaritätsprinzip ausführt: „Die Initiative betrifft die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes und fällt damit in die ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft; insofern findet das Subsidiaritätsprinzip auf diese spezielle Situation keine Anwendung.“36
Ob diese Ansicht, wonach die Gemeinschaft bei Erlass einer auf Art. 95 Abs. 1 EGV gestützten Maßnahme nicht an das Subsidiaritätsprinzip aus Art. 5 Abs. 2 EGV gebunden sei, rechtlich zutreffend ist, bedarf näherer Untersuchung.
35 Siehe nur Geiger, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 6; Zuleeg, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 5 Rn. 26; v. Danwitz, in: Dauses, Hdb des EU-Wirtschaftsrechts, B. II. Rn. 118; Calliess, Jura 2001, 311, 314. Für ein darüber hinausgehendes Verständnis als „Kompetenzzuweisungsregel“ Kahl, AöR 118 (1993), 414, 433; Schmidhuber / Hitzler, NVwZ 1992, 720, 723; Stewing, DVBl. 1992, 1516 ff. zum Streitstand auch Moersch, Leistungsfähigkeit, S. 331 ff. 36 KOM (2001) 80 endg., S. 19, 22.
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a) Justiziabilität des Subsidiaritätsprinzips Letztlich ohne Belang wäre die Frage der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, wenn das Subsidiaritätsprinzip nicht ausreichend justiziabel, also einer richterlichen Kontrolle unzugänglich wäre. Dies jedenfalls wird mit dem Verweis auf die mangelnde Bestimmtheit des Subsidiaritätsprinzips aus Art. 5 Abs. 2 EGV und der damit verbundenen Gefahr politischer Einflussnahmemöglichkeiten der Judikative von manchen Autoren vertreten.37 Ihre Auffassung ist im Ergebnis jedoch nicht überzeugend.38 Zunächst ist festzuhalten, dass dem Subsidiaritätsprinzip aufgrund seiner normativen Verankerung in Art. 5 Abs. 2 EGV, also im Kernbereich des Gemeinschaftsvertrages und nicht – wie von einigen Mitgliedstaaten ursprünglich angedacht – in der Präambel, rechtliche Qualität zukommt.39 Auch ist das Argument der schwierigen Bestimmbarkeit des Subsidiaritätsbegriffs im Übrigen nicht geeignet, diesem jegliche Justiziabilität abzusprechen. Ansonsten wäre eine beträchtliche Anzahl von Begriffen sowohl des Gemeinschafts- als auch des nationalen Rechts nicht justiziabel: Man denke nur an die „guten Sitten“ als Terminus des BGB. Im Gegenteil: Eine der Hauptaufgaben der Rechtsprechung besteht gerade in der Konkretisierung vergleichsweise unbestimmter Rechtsbegriffe mittels Auslegung.40 Allerdings vermeidet der EuGH die Gefahr eines „gouvernement des juges“, indem er die gerichtliche Kontrolldichte auf eine Monierung offensichtlicher Fehler beschränkt.41 Die Ausübung von Gemeinschaftskompetenzen am Maßstab des Subsidiaritätsprinzips ist somit grundsätzlich justiziabel.
37 Bieber, in: Evers, Chancen des Föderalismus, S. 161, 165; Wimmer / Mederer, ÖJZ 1991, 586, 589; wohl auch Grimm, KritV 1994, 6, 9; skeptisch Blanke, in: Hrbek, Subsidiaritätsprinzip, S. 95, 111 f. Zu den Argumenten ausführlich auch Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 300 ff. 38 So auch die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur: z. B. EuGH, Urt. vom 12. 11. 1996, Rs. C-84 / 94, „Vereinigtes Königreich / Rat“, Slg. 1996, I-5755, Rn. 55; Zuleeg, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 5; Pingel-Lenuzza, in: Léger, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 11; Moersch, Leistungsfähigkeit, S. 305; Pescatore; FS Everling, S. 1071, 1090; Albin, NVwZ 2006, 629, 631. 39 v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 3b EGV Rn. 24; Moersch, Leistungsfähigkeit, S. 306; Müller-Graff, ZHR 159 (1995), 34, 56; Hennrichs, Wahlrechte, S. 112. 40 Deutlich v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 3b EGV Rn. 24; Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 6. 41 In diesem Sinne EuGH, Urt. vom 12. 11. 1996, Rs. C-84 / 94, „Vereinigtes Königreich / Rat“, Slg. 1996, I-5755, Rn. 55; Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 42 f.; Zuleeg, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 35; z. T. strenger Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 69 ff., 74 ff.
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b) Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips auf Maßnahmen nach Art. 95 Abs. 1 EGV? Das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV kann nur zur Überprüfung solcher Gemeinschaftsmaßnahmen herangezogen werden, die nicht einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz zuzuordnen sind.42 Das ist logisch überzeugend, denn dort, wo die Mitgliedstaaten ohnehin keine eigene Handlungszuständigkeit mehr haben, da sie diese vollständig auf die Gemeinschaft übertragen haben, kann für Überlegungen, die den Schutz der mitgliedstaatlichen Kompetenzen bezwecken, kein Raum sein.
Offensichtlich gehen der Gesetzgeber der IAS / IFRS-Basisverordnung genauso wie die Kommission als Gesetzesinitiatorin davon aus, dass das Subsidiaritätsprinzip beim Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung nicht einschlägig ist, da dieser Rechtsakt als Maßnahme der Angleichung von binnenmarktrelevanten Vorschriften auf der Grundlage von Art. 95 Abs. 1 EGV ein Fall ausschließlicher Zuständigkeit der Gemeinschaft sei.43 So einfach, wie der Gesetzgeber es sich mit dem Subsidiaritätsprinzip macht, liegt die Sache rechtlich aber nicht. Es ist nämlich seit langem umstritten, ob die Kompetenz zur Harmonisierung gem. Art. 95 Abs. 1 EGV der Gemeinschaft als eine ausschließliche oder „nur“ konkurrierende Zuständigkeit zu qualifizieren ist. Während eine Auffassung, die traditionell auch von der Kommission vertreten wurde,44 Art. 95 Abs. 1 EGV als ausschließliche Kompetenz einordnet und damit den Subsidiaritätsgrundsatz auf solche Maßnahmen nicht anwendet,45 geht die überwiegende Auffassung in Literatur und Rechtsprechung davon aus, dass das Subsidiaritätsprinzip auch auf Maßnahmen auf der Grundlage des Art. 95 Abs. 1 EGV anzuwenden sei, weil Art. 95 Abs. 1 EGV eine konkurrierende Zuständigkeit normiere.46 42 Näher zu Unterscheidungen zwischen ausschließlichen, konkurrierenden und parallelen Kompetenzen Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 20 ff. 43 KOM (2001) 80 endg., S. 19, 22. 44 Nota bene sei angemerkt, dass die Kommission selbst im Verfahren „British American Tobacco“ vor dem EuGH (Nachweis bei EuGH, Urt. vom 10. 12. 2002, Rs. C-491 / 01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11453, Rn. 176) angenommen hat, dass auf die Kompetenz aus Art. 95 Abs. 1 EGV das Subsidiaritätsprinzip anwendbar sei. 45 Tietje, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 58, 59; Taschner, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, Art. 100a EGV Rn. 17; Schwartz, AfP 1993, 409, 413 ff.; Müller-Graff, ZHR 159 (1995), 34, 66 ff., 70; Micklitz / Reich, EuZW 1992, 593, 594; GA Fenelly, Schlussantrag in der Rs. C-378 / 98, „Tabakwerbeverbotsrichtlinie“, Slg. 2000, I-8419, 8479, Rn. 135; GA Jacobs, Schlussantrag in der Rs. C-377 / 98, „Biopatentrichtlinie“, Slg. 2001, I-7079 Rn. 81; wohl auch Mitteilung der Kommission vom 27. 11. 1992, SEK (92) 1990 endg., abgedruckt in: Hrbek, Subsidiaritätsprinzip, S. 119 ff. 46 EuGH, Urt. vom 10. 12. 2002, Rs. C-491 / 01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11453, Rn. 179; EuGH, Urt. vom 09. 10. 2001, Rs. C-377 / 98, „Biopatentrichtlinie“, Slg. I- 7079, Rn. 29 ff.; v. Danwitz, in: Dauses, Hdb des EU-Wirtschaftsrechts, B. II. Rn. 118;
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Letzterer Auffassung ist zuzustimmen. Die Vertreter der Ansicht, welche in Art. 95 Abs. 1 EGV eine ausschließliche Zuständigkeit erkennen, begründen ihre Meinung vorwiegend damit, dass bereits begrifflich die „Angleichung von Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“ für den gesamten europäischen Binnenmarkt nur durch die Gemeinschaft vorgenommen werden könne, da nur die Gemeinschaft gemeinschaftsweite Rechtsetzungs- und mithin Rechtsangleichungsgewalt habe.47 Dieser Argumentation ist zuzugestehen, dass eine gemeinschaftsweite Harmonisierung in der Tat vorrangig durch die Gemeinschaft selbst erfolgt, da auch nur ihr die in Art. 249 EGV genannten Rechtsinstrumente zur Verfügung stehen. Allerdings geht dieser Blickwinkel nicht weit genug. Denn es ist keineswegs ausgeschlossen, dass die Mitgliedstaaten selbständig – und sei es nur aufgrund rein informeller Absprachen – konzertierte Maßnahmen ergreifen, die auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarktes gerichtet sind, solange sie mit dem Gemeinschaftsrecht konform gehen.48 Dies ist zwar praktisch wenig relevant, weil gerade die Gemeinschaft in solchen Fällen die „Aktion“ an sich ziehen wird und dafür auch Ressourcen besitzt. Undenkbar wäre es jedoch nicht, und schon daraus wird deutlich, dass die Angleichungskompetenz nach Art. 95 EGV keine ausschließliche sein kann. Wer sich dieser Argumentation aber nicht anschließen möchte, weil er in der konzertierten intergouvernementalen Zusammenarbeit die Gefahr der Aushöhlung der „Gemeinschaft als Integrationsverband“ erblickt,49 sollte sich von folgendem Argument überzeugen lassen: Eine ausschließliche Zuständigkeit bei der Gemeinschaft begründet für die Mitgliedstaaten eine absolute Handlungssperre, unabhängig davon, ob die Gemeinschaft von ihrer Kompetenz Gebrauch macht oder nicht.50 Dies lässt sich aber nicht mit der Unterscheidung zwischen primärer Rechtsetzungskompetenz und Angleichungskompetenz vereinbaren. Solange die Gemeinschaft noch nicht von ihrer Angleichungskompetenz Gebrauch gemacht hat, haben die Mitgliedstaaten prinzipiell die primäre Rechtsetzungsbefugnis inne. Anderenfalls verbliebe den Mitgliedstaaten überhaupt kaum noch eine Regelungszuständigkeit.51 Albin, NVwZ 2006, 629, 631; Herrnfeld, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 25; Jarass, AöR 121 (1996), 173, 191; Kahl, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 11; Calliess, Jura 2001, 311, 317; Schmidhuber / Hitzler, EuZW 1993, 8, 9; Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 12, 13; Geiger, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 4; v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 3b EGV Rn. 29; Möstl, EuR 2002, 318, 344. 47 Tietje, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 59; Taschner, in: v. d. Groeben / Thiesing / Ehlermann, EUV / EGV, Art. 100a EGV Rn. 17. 48 Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 13. 49 Dahingehend v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 37; Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 38; Moersch, Leistungsfähigkeit, S. 348. 50 Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 29, 31. 51 Calliess, Jura 2001, 311, 317.
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In eine ähnliche Richtung lässt sich wohl auch der EuGH in seinem Urteil „British American Tobacco“ verstehen. Er führt dort aus, dass Art. 95 EGV dem Gemeinschaftsgesetzgeber „keine ausschließliche Zuständigkeit für die Regelung der wirtschaftlichen Tätigkeiten im Binnenmarkt verleiht, sondern nur die Zuständigkeit für die Verbesserung der Bedingungen für die Errichtung und das Funktionieren dieses Marktes durch Beseitigung von Hemmnissen für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr oder von Wettbewerbsverzerrungen“.52
Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass das Subsidiaritätsprinzip auch auf Gemeinschaftsmaßnahmen Anwendung findet, die auf Art. 95 Abs. 1 EGV gestützt werden, weil Art. 95 Abs. 1 EGV der Gemeinschaft keine ausschließliche Kompetenz verleiht.
c) Einhaltung der Voraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips Da das Subsidiaritätsprinzip entgegen der Ansicht der Kommission sowie des Verordnungsgebers der IAS / IFRS-Basisverordnung als Schrankenbestimmung beim Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung zu berücksichtigen war, bleibt zu verifizieren, ob der Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung mit dem Subsidiaritätsprinzip materiell im Einklang steht. Materiell knüpft das Subsidiaritätsprinzip gem. Art. 5 Abs. 2 EGV die Ausübung von Gemeinschaftszuständigkeiten an zwei Voraussetzungen, die kumulativ sowie in kausaler Verknüpfung vorliegen müssen:53 Zunächst ist festzustellen, dass die „Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können“ (sog. Negativkriterium), sodann, dass „daher“ diese Ziele „wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können“ (sog. Positivkriterium). aa) Unsicherheiten in Praxis und Literatur im Umgang mit den Voraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips Über die Einzelheiten dieser Bedingungen in der konkreten Anwendung auf Gemeinschaftsmaßnahmen besteht innerhalb der Literatur und in der Praxis erhebliche Unsicherheit und Uneinigkeit, da die materiellen Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips nur wenig konkret sind. 52 EuGH, Urt. vom 10. 12. 2002, Rs. C-491 / 01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11453, Rn. 179. Keinen argumentativen Hinweis bietet das Urteil des EuGH in der Sache „Biopatentrichtlinie“ (Urt. vom 09. 10. 2001, Rs. C-377 / 98, „Biopatentrichtlinie“, Slg. I-7079, Rn. 29 ff.). Dort wendet der EuGH das Subsidiaritätsprinzip zwar auf Art. 95 Abs. 1 EGV an, schweigt sich über eine Begründung dafür aber bedauerlicherweise aus. 53 Kenntner, NJW 1998, 2871, 2873; Geiger, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 8; Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 39.
A. Kompetenzgrundlagen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung
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Lediglich spärliche Anhaltspunkte für die Konkretisierung des Subsidiaritätsprinzips lassen sich der Rechtsprechung des EuGH entnehmen. Der EuGH versucht, wenn immer möglich, einer präzisen Prüfung des Subsidiaritätsprinzips aus dem Weg zu gehen.54 Selbst in den Urteilen, in denen er sich noch am ausführlichsten mit Art. 5 Abs. 2 EGV befasst, wiederholt das Gericht fast kursorisch den Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 EGV, ohne inhaltlich detaillierte Aussagen zu treffen.55 Letztlich einen geringen Erkenntniswert für die nähere Konkretisierung der Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips weist auch das „Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ auf. Dieses offizielle Dokument, das mit dem Amsterdamer Vertrag Eingang in das Gemeinschaftsrecht im Range von Primärrecht gefunden hat (vgl. Art. 311 EGV) und die bis dato ergangenen Rechtstexte zur Konkretisierung des Subsidiaritätsprinzips, wie z. B. die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen Parlament, Kommission und Rat vom 25. 10. 1993,56 ablöst,57 will seiner Intention nach rechtlich verbindliche Hinweise zur Ausfüllung der in Art. 5 Abs. 2 EGV genannten Anforderungen geben.58 So sind gem. Nr. 5 des „Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ bei der Prüfung folgende „Leitlinien“ zu beachten: – Der betreffende Bereich weist transnationale Aspekte auf, die durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ausreichend geregelt werden können, – alleinige Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen würden gegen die Anforderungen des Vertrags (beispielsweise Erfordernis der Korrektur von Wettbewerbsverzerrungen, der Vermeidung verschleierter Handelsbeschränkungen oder der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts) verstoßen oder auf sonstige Weise die Interessen der Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen, – Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene würden wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen im Vergleich zu Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten deutliche Vorteile mit sich bringen.“ Vgl. Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 42 m. w. N. Siehe z. B. EuGH, Urt. vom 10. 12. 2002, Rs. C-491 / 01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11453 Rn. 180 – 184. Nicht nachvollziehbar ist dabei, weshalb der EuGH als erstes untersucht, ob das Ziel der in Betracht kommenden Maßnahme auf Gemeinschaftsebene „besser“ erreicht werden konnte und nach dessen Bejahung erst dann fragt, ob sich das Ziel durch Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten „nicht ausreichend“ erreichen ließe. Dies steht in deutlichem Widerspruch zum Wortlaut und Reihenfolge der Kriterien des Art. 5 Abs. 2 EGV sowie zur kausalen Verknüpfung „und daher“ in Art. 5 Abs. 2 EGV, die – um die Kausalverknüpfung überprüfen zu können – logisch die Überprüfung des Negativkriteriums voraussetzt. Die Ausführungen des EuGH sind daher mit Skepsis zu betrachten. Sehr kritisch setzt sich u. a. deshalb Albin, NVwZ 2006, 629, 633 ff. mit der EuGH-Rechtsprechung auseinander. 56 ABl. C 329 vom 06. 12. 1993, S. 135. 57 Pingel-Lenuzza, in: Léger, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 8; Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 6. 58 Siehe nur Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 37. 54 55
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Zwar finden sich in diesen Leitlinien bereits nähere Konkretisierungen der Kriterien des Art. 5 Abs. 2 EGV, z. B. unter Spiegelstrich 3, wo als Maßstab für den Vergleich Umfang und Wirkungen legislativer Maßnahmen genannt werden. Doch auch diese bleiben im Ergebnis für den Anwender doch sehr vage. Nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit bei der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips ergibt sich darüber hinaus aus der Vielzahl von Streitfragen, die sich in der Literatur zur Auslegung der Merkmale des Art. 5 Abs. 2 EGV herausgebildet haben. So ist beispielsweise umstritten, ob dem Negativkriterium überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt oder ob das Merkmal „nicht ausreichend“ lediglich die negative Konkretisierung des Merkmals „besser“ darstellt.59 Problematisiert wird zudem, wer die Ziele bestimmen darf, welche bei der Beurteilung der Subsidiarität eine entscheidende Rolle spielen, ob die Gemeinschaftsorgane oder die Mitgliedstaaten.60 Je nach dem, wie die Entscheidung hier ausfällt, verlagert sich die Gewichtung bei der Subsidaritätsbeurteilung in die eine oder andere Richtung, da derjenige, der das Ziel bestimmt, in gewisser Weise die Prüfung steuern kann.61 Die Meinungen gehen außerdem darüber auseinander, ob das Negativkriterium bereits dann erfüllt sein kann, wenn nur ein Teil der Mitgliedstaaten nicht in der Lage ist, die mit der Maßnahme verfolgten Ziele zu erreichen,62 oder ob alle Mitgliedstaaten überfordert sein müssen.63 Nach letzterer Auffassung wäre die Möglichkeit für den Gemeinschaftsgesetzgeber, Harmonisierungsmaßnahmen zu ergreifen, stark zurückgedrängt.64 Das Subsidiaritätserfordernis ist folglich aufgrund seiner problematischen Bestimmbarkeit nur schwierig zur konkreten Anwendung auf bestimmte Gemeinschaftsmaßnahmen handhabbar zu machen. Weder Praxis noch Literatur haben es bislang vermocht, die Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 EGV soweit zu konkretisieren, dass eine rechtssichere Anwendung möglich ist. So z. B. Stewing, Subsidiarität, S. 108. Für ersteres wohl die überwiegende Meinung: v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 3b EGV Rn. 33; Lienbacher, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 18; Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 13; Müller-Graff, ZHR 159 (1995), 34, 69; Hopt, ZIP 1998, 96, 99; dagegen allerdings Dreher, JZ 1997, 167, 175; Moersch, Leistungsfähigkeit, S. 345 f. 61 So im Ergebnis Moersch, Leistungsfähigkeit, S. 344 f.; Lienbacher, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 18. 62 So Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 45; Langguth, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 25, 26. 63 Dafür Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 38; noch weitergehend Schmidhuber / Hitzler, NVwZ 1992, 720, 723, die an ein Willenselement anknüpfen und das Negativkriterium als nicht erfüllt ansehen, wenn „mehrere Mitgliedstaaten den Erlaß entsprechender Maßnahmen überhaupt für unnötig halten“. 64 Siehe zum Streitstand auch Moersch, Leistungsfähigkeit, S. 347 f. 59 60
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bb) Entbehrlichkeit einer eingehenden Prüfung der materiellen Voraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips Eine detaillierte Beurteilung der Voraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips und damit auch eine genaue Konkretisierung, welche auf die soeben aufgeworfenen Streitfragen eingeht, sind allerdings entbehrlich. Denn es besteht Einigkeit darüber, dass dem Subsidiaritätsprinzip eine wirklich eigenständige Rolle dann nicht zukommt, wenn sich aus der Ermächtigungsnorm, auf die das Gemeinschaftshandeln gestützt wird, Anforderungen ergeben, die selbst tatbestandlich das Subsidiaritätsprinzip bereits vollumfänglich beinhalten.65 In den Worten Peter-Christian MüllerGraffs: „Ist die marktintegrative Erforderlichkeit eines bestimmten Angleichungsvorhabens im Rahmen der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage und damit die Angleichungszuständigkeit der Gemeinschaft hingegen zu bejahen, so vermag das Subsidiaritätsprinzip an die Ausübung dieser Zuständigkeit keine zusätzlichen eigenständigen Anforderungen zu stellen.“66
Anders ausgedrückt: Es gibt Ermächtigungsgrundlagen im Gemeinschaftsrecht, welche Tatbestandsmerkmale aufweisen, die in ihren Voraussetzungen die Kriterien des Subsidiaritätsprinzips bereits voll umfassen. Ein solches Tatbestandsmerkmal ist das Merkmal der „Erforderlichkeit“.67 Gemeinschaftsmaßnahmen, die auf Art. 95 Abs. 1 EGV gestützt werden, müssen schon tatbestandlich „erforderlich“ i. S. d. Art. 14 Abs. 1 EGV sein. Wenn also die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 95 Abs. 1 EGV erfüllt sind, dann wird das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV auch erfüllt sein.68 Dass der Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung „erforderlich“ i. S. d. dieser Norm war, wurde bereits begründet.69 Das bedeutet, dass von der Einhaltung der materiellen Voraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips im konkreten Falle der IAS / IFRS-Basisverordnung ausgegangen werden kann. Im Ergebnis ist es also auch – ausnahmsweise – unschädlich, dass die Kommission als Verordnungsinitiatorin sowie Parlament und Rat als Verordnungsgeber die Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzip verkannt haben, denn sachlich haben sie mit der – hier notwendigen – Erforderlichkeitsprüfung im Rahmen des Art. 95 Abs. 1 EGV den Erfordernissen des Subsidiaritätsprinzips Rechnung getragen.
65 Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 14; Müller-Graff, ZHR 159 (1995), 34, 77; P. Buck, in: Hrbek, Subsidiaritätsprinzip, S. 73, 80; Hennrichs, Wahlrechte, S. 123 f. 66 Müller-Graff, ZHR 159 (1995), 34, 77. 67 Vgl. Hennrichs, Wahlrechte, S. 123. 68 Vgl. EuGH, Urt. vom 10. 12. 2002, Rs. C-491 / 01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11433, Rn. 182. 69 Siehe oben Kapitel 2 A. I. 1. a).
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d) Einhaltung der Begründungspflicht zum Subsidiaritätsprinzip Möglicherweise führt aber die Verkennung der Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips durch den Gesetzgeber der IAS / IFRS-Basisverordnung zu einer Verletzung der Begründungspflicht. Einigkeit besteht darüber, dass der Gesetzgeber grundsätzlich auch die Einhaltung der Subsidiaritätsvoraussetzungen aus Art. 5 Abs. 2 EGV begründen muss.70 Unterschiedlich werden allerdings die normativen Anknüpfungspunkte für diese Begründungspflicht gewählt, ohne dass dies im Ergebnis zu Divergenzen führen würde. Z. T. wird Art. 5 Abs. 2 EGV selbst als Grundlage der Begründungspflicht herangezogen;71 ganz überwiegend wird aber auf Art. 253 EGV rekurriert, der eine allgemeine Begründungspflicht für verbindliche Rechtsakte statuiert.72 Zusätzlich sehen Nr. 4, 9 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit die Begründung von Rechtsakten gerade im Hinblick auf die Subsidiarität des Tätigwerdens der Gemeinschaft vor.
Vornehmlicher Zweck der Begründung von Rechtsakten ist die Offenlegung der Hintergründe und Motive, die das Organ zum Erlass der Maßnahme erwogen haben, um auf diese Weise gerichtlichen Rechtsschutz zu ermöglichen und zu erleichtern.73 Gerade unter Berücksichtigung der ohnehin bezweifelten Justiziabilität des Subsidiaritätsprinzips sowie der nur beschränkten gerichtlichen Kontrolldichte aufgrund der Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers kommt einer ausführlichen Begründung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips eine besonders hohe Bedeutung zu.74 Auch wenn sich im IAS / IFRS-Basisrechtsakt keinerlei spezifische Begründung über die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips findet, so ist in der Rechtsprechung des EuGH anerkannt, dass eine solche fehlende Begründung unschädlich ist, solange sich aus den sonstigen Begründungen die Gründe ergeben, die in der Sache geeignet sind, zu erklären, warum die Voraussetzungen des Subsidiaritätsprinzips eingehalten seien.75 Diese Ausnahme kann überzeugen, da damit ein überspannter Siehe nur Moersch, Leistungsfähigkeit, S. 309. Schmidhuber, DVBl. 1993, 417, 419; ders. / Hitzler, NVwZ 1992, 720, 725. 72 EuGH, Urt. vom 13. 05. 1997, Rs. C-233 / 94, „Einlagensicherungsrichtlinie“, Slg. 1997, I-2405, Rn. 25; in der Literatur z. B. Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 330 f.; Pipkorn, EuZW 1992, 607, 700; Geiger, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 11; Zuleeg, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 25. 73 Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 331 f.; zu weiteren Zielen, wie z. B. die Selbstkontrolle der Organe oder die Befriedungsfunktion, siehe Gellermann, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 253 EGV Rn. 1 – 3, sowie ausführlich Müller-Ibold, Begründungspflicht, S. 18 ff. 74 Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 74; ders., Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 332. 75 EuGH, Urt. vom 13. 05. 1997, Rs. C-233 / 94, „Einlagensicherungsrichtlinie“, Slg. 1997, I-2405, Rn. 24 ff.; EuGH, Urt. vom 10. 12. 2002, Rs. C-491 / 01, „British American Tobacco“ 70 71
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Formalismus, der nicht auf die „Substanz“ der Begründung schaut, vermieden wird. Außerdem werden „Doppelbegründungen“ vermieden, die sich dann ergeben, wenn die Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips – wie auch im Falle des Art. 95 Abs. 1 EGV – bereits wesentlich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage berücksichtigt und begründet werden mussten. Im Ergebnis bedeutet dies: Die fehlenden expliziten Angaben zur Begründung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips beim Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung verstoßen nicht gegen die gemeinschaftsrechtliche Begründungspflicht, weil es ausreichende Begründungen dazu gibt, weshalb Art. 95 Abs. 1 EGV als Grundlage für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung gewählt wurde.
II. Pflicht zur Wahl einer Richtlinie wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips aus Art. 5 Abs. 3 EGV Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich entschieden, zur Verwirklichung seiner Regelungsziele auf Basis des Art. 95 Abs. 1 EGV einen Rechtsakt in Form der „Verordnung“ zu erlassen. Zusätzlich sollen auf der Grundlage der IAS / IFRSBasisverordnung weitere Rechtsakte zur Übernahme der IAS / IFRS ergehen, die selbst wiederum als „Verordnung“ ausgestaltet sind. Dies führt zu einer weitreichenden Einschränkung mitgliedstaatlicher Handlungsspielräume sowie einer hohen Regelungsdichte. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Tatsache, dass die Harmonisierung im Bilanzrecht auf europäischer Ebene bislang ausschließlich mittels Richtlinien erfolgt ist, stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus Art. 5 Abs. 3 EGV ausreichend beachtet hat, oder – anders formuliert – ob nicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus Art. 5 Abs. 3 EGV im konkreten Falle dem Gesetzgeber zur Verwirklichung seiner Regelungsabsichten den Rückgriff auf den Rechtsakt „Richtlinie“ geboten hätte.
1. Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Wahl des Angleichungsrechtsaktes Bevor aber näher auf die Gebote des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingegangen werden kann, ist zu klären, ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip überhaupt Maßstab für die Wahl des richtigen Rechtsinstruments sein kann oder ob diese Frage nicht schon (oder noch) im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips aus Art. 5 Abs. 2 EGV zu beantworten wäre. Darüber besteht Uneinigkeit.
nur Gellermann, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 253 EGV Rn. 6; Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 253 EGV Rn. 9; ders., Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 333; Schoo, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 253 EGV Rn. 4 ff.; Lienbacher, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 29.
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Nach einer Ansicht bemisst sich die Frage, welcher von mehreren zur Verfügung stehenden Rechtsaktstypen zur Anwendung kommen darf, ausschließlich nach dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EGV).76 Dies ergebe sich daraus, dass die Grenze zwischen Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fließend sowie die Frage nach der zulässigen Handlungsform bereits innerhalb des Negativkriteriums auf Ebene des Subsidiaritätsprinzips zu berücksichtigen sei, weil nur so eine sachgerechte Beurteilung der Subsidiarität möglich wäre.77 Die Gegenauffassung unterscheidet hingegen strikt zwischen dem Subsidiaritäts- und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und befürwortet die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Klärung der richtigen Wahl eines Gemeinschaftsrechtsaktes.78 Das Subsidiaritätsprinzip beantworte stets die Frage danach, „ob“ ein Tätigwerden der Gemeinschaft überhaupt zulässig sei, während der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Frage nach dem „Wie“ eines gemeinschaftlichen Handelns beantworte.79 Die besseren Argumente sprechen für die letztgenannte Auffassung und somit für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Der ersten Ansicht sei zugestanden, dass es eine enge Verwandtschaft zwischen dem Subsidiaritäts- und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gibt.80 Diese und die Schwierigkeiten in der Abgrenzung zwischen diesen beiden grundlegenden Prinzipien des Europarechts sprechen jedoch nicht dagegen, die Frage nach der richtigen Handlungsform erst auf Ebene der Verhältnismäßigkeit zu erörtern. Es ist systematisch überzeugender, wenn Wahl und Intensität der Handlungsform einheitlich am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsprinzips gem. Art. 5 Abs. 3 EGV beurteilt werden: Denn die Abgrenzung zwischen Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip wird nur relevant, wenn das zu prüfende Tätigwerden der Gemeinschaft nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fällt. Da das Subsidiaritätsprinzip dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 EGV nach auf solche Maßnahmen nicht angewandt werden darf, bemisst sich dort die Frage nach der Wahl des richtigen Rechtsinstruments nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Vor diesem Hintergrund erscheint es aber einleuchtend, wenn – un76 v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 3b EGV Rn. 27; Zuleeg, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 37; Kahl, AöR 118 (1993), 414, 427; Schmidhuber / Hitzler, NVwZ 1992, 720, 723; Moersch, Leistungsfähigkeit, S. 357. 77 v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 3b EGV Rn. 27. 78 Müller-Graff, ZHR 159 (1995), 34, 70; Geiger, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 14; ders., EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 4; Leible, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 37; Streinz, in: ders. EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 45; Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 57; ders., Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 125 f., 276; Zacker / Wernicke, Europarecht, S. 120; wohl Lienbacher, in: EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 35; EuGH, Urt. vom 12. 11. 1996, Rs. C-84 / 94, „Arbeitszeitrichtlinie“, Slg. 1996, I-5755, Rn. 47; EuGH, Urt. vom 10. 12. 2002, Rs. C-491 / 01, „British American Tobacco“, Slg. 2002, I-11453, Rn. 184. 79 Streinz, in: ders. EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 45; Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 6. 80 Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 117.
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abhängig, ob ein Tätigwerden der Gemeinschaft in ihre ausschließliche oder in eine andere Art der Zuständigkeit fällt – die Wahl des richtigen Rechtsinstruments einheitlich stets am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemessen wird.
2. Einhaltung der materiellen Voraussetzungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz war stets als allgemeiner Rechtsgrundsatz im europäischen Primärrecht anerkannt81 und ist nunmehr auch in Art. 5 Abs. 3 EGV normativ verankert. Er beschränkt die Betätigung der Gemeinschaft dahingehend, dass „Maßnahmen der Gemeinschaft“ nicht „über das für die Erreichung der Ziele dieses Vertrages erforderliche Maß“ hinausgehen dürfen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fungiert dabei einerseits als Teil des europäischen Rechtsstaatsprinzips und des Individualgrundrechtsschutzes, andererseits als Kompetenzausübungsschranke zugunsten der Mitgliedstaaten.82 Ein Rechtsakt der Gemeinschaft ist verhältnismäßig, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des erstrebten Zweckes geeignet ist und das hierzu erforderliche Maß nicht übersteigt.83 Der EuGH nimmt dabei – handelt es sich um einen Sachverhalt, der komplexe Abwägungen sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Art seitens des Gesetzgebers verlangt – lediglich eine Kontrolle auf offensichtliche Irrtümer und Ermessensmissbräuche vor.84 Adressaten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind die Gemeinschaft und ihre Organe, Begünstigte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes natürliche und juristische Einzelpersonen sowie – und dies ist der eigentliche Sinn und Zweck der primärrechtlichen Normierung des Art. 5 Abs. 3 EGV – auch Mitgliedstaaten.85 Nur diese „Verhältnismäßigkeitsberechtigung“ der Mitgliedstaaten kann erklären, weshalb überhaupt die Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers anstelle einer Richtlinie eine Verordnung zu wählen, ein rechtliches Problem darstellen kann: Denn die Verordnung greift am weitesten in die originären Regelungsbefugnisse der Mitgliedstaaten ein. Vgl. z. B. EuGH, Urt. vom 13. 12. 1979, Rs. 44 / 79, „Hauer“, Slg. 1979, 3727, Rn. 23. Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 45. 83 EuGH, Urt. vom 09. 11. 1995, Rs. C-426 / 93, „Deutschland / Rat“, Slg. 1995, I-3723, Rn. 42. 84 EuGH, Urt. vom 13. 05. 1997, Rs. C-233 / 94, „Einlagensicherungsrichtlinie“, Slg. 1997, I-2405, Rn. 56; kritisch zu dieser zurückgenommenen Kontrolldichte z. B. Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 52. 85 v. Bogdandy / Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 3b EGV Rn. 46; Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 119; Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 45. Dass auch der Staat in den Schutzbereich des Verhältnismäßigkeitsprinzips fallen kann, ist im deutschen Verfassungsrecht anders, weil dort der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausschließlich als Instrument des (grundrechtlich geschützten, individuellen) Freiheitsschutzes verstanden wird, worauf der Staat sich – er ist grundsätzlich nicht grundrechtsfähig – nicht berufen kann. 81 82
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In diesem Zusammenhang besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip das mildere Mittel sowohl in der Verbindlichkeit als auch in der Regelungsdichte die Richtlinie ist: Das bedeutet, dass die Richtlinie der Verordnung grundsätzlich vorzuziehen ist.86 Dies geht auch aus Nr. 6 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit hervor.87 Dort heißt es explizit: „Die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft sollte über das erforderliche Maß nicht hinausgehen. Dementsprechend wäre unter sonst gleichen Gegebenheiten eine Richtlinie einer Verordnung [ . . . ] vorzuziehen.“
Von dieser Perspektive aus könnte argumentiert werden, dass die Entscheidung für den Erlass einer (IAS / IFRS-Basis-)Verordnung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Dem könnte hinzugefügt werden, dass auch bislang die Harmonisierung des europäischen Bilanzrechts mittels Richtlinien angemessen und deshalb ein Wechsel der Handlungsform nicht angezeigt sei. Eine solche Sichtweise ist jedoch zu pauschal. Sie lässt außer Acht, dass die Rechtsgrundlage (Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV), die der Gemeinschaftsgesetzgeber bislang für Maßnahmen der Harmonisierung benutzte, gar nicht die Möglichkeit vorsieht, Verordnungen zu erlassen. Außerdem würde sie in letzter Konsequenz dazu führen, dass letztlich niemals eine Verordnung erlassen werden könnte – ein Ergebnis, das nicht einleuchtet. Damit ist für den konkreten Einzelfall des Erlasses der IAS / IFRS-Basisverordnung zu prüfen, ob die Wahl dieses Rechtsinstruments geeignet ist, die mit ihr verfolgten Ziele zu erreichen und dabei das schonendste Mittel ist. Die IAS / IFRS-Basisverordnung ist als Verordnung in der Lage, die legitimen gesetzlichen Regelungsziele, wie z. B. die Schaffung eines effizienten und kostengünstigen Kapitalmarkts, zu erreichen. Ob die Verordnung als Rechtsakt allerdings dazu auch das mildeste Mittel darstellt, lässt sich auf den ersten Blick nicht gleich festmachen. Sofern der Gemeinschaftsgesetzgeber das Rechtsinstrument der Basisverordnung gewählt hat, um ohne Zeitverlust seinen Regelungszielen gemeinschaftsweite Geltung zu verschaffen, was bei Richtlinien aufgrund der Notwendigkeit ihrer Transformation und den damit häufig einhergehenden Verzögerungen häufig nur deutlich zeitversetzt möglich ist,88 erscheinen solche Überlegungen nicht als ausreichende Rechtfertigung. Denn mit diesem Argument könnte ansonsten stets jede Verwendung von Richtlinien abgelehnt werden, weil immer die Gefahr besteht, 86 Lienbacher, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 35; Geiger, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 14; Streinz, in: ders., EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 51; a. A. Pescatore, FS Everling, S. 1071, 1079. 87 Siehe zur Natur und zum Verbindlichkeitsgrad des genannten Protokolls oben Kapitel 2 A. I. 3. c.) aa). 88 So freimütig van Hulle, WPg 2003, 968, 976.
A. Kompetenzgrundlagen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung
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dass die Mitgliedstaaten Richtlinien nicht rechtzeitig umsetzen. Zulässig wäre die Berufung auf das Zeitargument nur in besonders dringenden Fällen, wenn z. B. aufgrund gravierender Misstände ein bestimmter Sachverhalt besonders dringend gemeinschaftsweiter Regelung bedürfte. Neben diesen abstrakten Einwänden erscheint das Argument aber auch im konkreten Falle unzutreffend: Der Gesetzgeber hat selbst zwischen Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung am 19. 07. 2002 und ihrer Verbindlichkeit für die Adressaten am 01. 01. 2005 einen Zeitraum von knapp 2,5 Jahren vorgesehen, der seiner Länge nach den in Richtlinien sehr häufig anzutreffenden Transformationszeitraum von zwei Jahren deutlich überschreitet.89 Wenig überzeugend ist auch die Begründung des Gesetzgebers in Erwägungsgrund 12 der IAS / IFRS-Basisverordnung, in der er sich mit der Verhältnismäßigkeit beschäftigt. Seiner Ansicht nach rechtfertigt sich der Erlass einer Verordnung, „um das Ziel einer wirksamen und kostengünstigen Funktionsweise der Kapitalmärkte der Gemeinschaft und damit die Vollendung des Binnenmarktes zu erreichen.“ Dieser Aspekt – so nachvollziehbar er für sich gesehen sein mag – vermag aber nicht die spezifische Notwendigkeit der Wahl einer Verordnung zu begründen, weil er sich genauso zur Begründung der Wahl einer Richtlinie eignet.
Nichtsdestotrotz wird man wohl das Rechtsinstrument der IAS / IFRS-Basisverordnung im konkreten Falle aus mehreren Gründen als mildestes Mittel ansehen müssen. Die IAS / IFRS-Basisverordnung legt selbst lediglich die Verpflichtung kapitalmarktorientierter Unternehmen zur Erstellung ihrer konsolidierten Abschlüsse nach den IAS / IFRS fest und installiert einen Mechanismus für die Übernahme und Kontrolle der privaten IAS / IFRS. Diese beiden Aufgaben können bei näherer Betrachtung sinnvoll nur zentral und einheitlich erfüllt werden. Der Erlass einer Richtlinie, die inhaltlich sehr detaillierte Vorgaben machen müsste, wenn sie diese Ziele erreichen wollte, würde zu einer in der Sache überflüssigen Inanspruchnahme mitgliedstaatlicher Legislationsressourcen führen. Aus diesem Grunde führt auch die Berücksichtigung des Nr. 6 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu keinem anderen Ergebnis. Wenn dort gefordert wird, dass „unter sonst gleichen Gegebenheiten“ die Richtlinie der Verordnung vorzuziehen ist, dann bedeutet dies, dass ein gedanklicher Test vorgenommen werden soll, bei dem das Mittel der Verordnung fiktiv durch das der Richtlinie ersetzt und dann geprüft wird, ob ohne eine Veränderung der Gegebenheiten das Ziel genauso effektiv erreicht wird. Lässt man hier die Gegebenheiten als Parameter konstant und ersetzt die Verordnung gedanklich durch Richtlinien, so wird deutlich, dass die Richtlinie das Ziel der Erreichung eines einheitlichen Kapitalmarktes nicht auf die gleiche effektive Art und Weise erreicht wie eine Verordnung. In Anbetracht der rasanten Entwicklung des Kapitalmarktes und der Bedeutung der unterschiedlichen Kapitalmärkte in Europa würde es zu neuen Wettbewerbsverzerrungen und damit Behinderungen des Binnenmark89 Dass Richtlinien faktisch nicht selten erst viel später umgesetzt werden, steht hingegen auf einem anderen Blatt.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
tes kommen, wenn für jede neue Übernahme von IAS / IFRS ein bestimmter Transformationszeitraum den Mitgliedstaaten eingeräumt würde, der von manchen schneller, von anderen langsamer befolgt würde. Gerade wegen der Tatsache, dass die IAS / IFRS-Basisverordnung die Grundlage für ein späteres, konsekutives und aufeinander abgestimmtes Tätigwerden des Gesetzgebers ist, folgt die besondere Notwendigkeit der vereinheitlichenden Wirkung der Verordnung. Aus diesen Gründen ist im Ergebnis festzustellen, dass die Wahl des Rechtsinstruments „Verordnung“ für die IAS / IFRS-Rechtsakte nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus Art. 5 Abs. 3 EGV verstößt: Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebietet also nicht die Wahl einer Richtlinie.
III. Pflicht zur Wahl einer Richtlinie wegen der gemeinsamen Erklärung der Mitgliedstaaten zu Art. 100a EGV in der EEA? Mit der Einführung des Art. 95 EGV (ex-Art. 100a EGV) durch die EEA verbanden die vertragsschließenden Parteien die Abgabe einer gemeinsamen Erklärung zur EEA. Sie lautet im Wortlaut: „Die Kommission wird bei ihren Vorschlägen nach Art. 100a Abs. 1 der Rechtsform der Richtlinie den Vorzug geben, wenn die Angleichung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten eine Änderung gesetzlicher Vorschriften erfordert.“90
Dies könnte ein weiterer Anknüpfungspunkt sein, aus dem zu folgern wäre, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die IAS / IFRS-Rechtsakte nicht in Form einer Verordnung, sondern in Gestalt einer Richtlinie hätte erlassen müssen. Bei genauer Betrachtung des Wortlauts der Erklärung fällt zunächst auf, dass dieser nicht jegliche Verwendung des Rechtsinstrumentes „Verordnung“ untersagt. Vielmehr wird ein Regel-Ausnahme-Verhältnis angeordnet, nach dem vorrangig die Richtlinie herangezogen werden soll, wenn die beabsichtigte Rechtsmaßnahme eine Änderung mitgliedstaatlicher gesetzlicher Vorschriften bedarf.91 Die Kommission muss hingegen nicht auf die Richtlinie zurückgreifen, wenn nur eine Verordnung das angestrebte Ziel der Angleichung erreichen kann oder sich unter Ab90 ABl. L 169 vom 29. 06. 1987, S. 24. Nach einhelliger Auffassung kommt solchen von allen Mitgliedstaaten gemeinsam abgegebenen Erklärungen zum primären Gemeinschaftsrecht rechtserhebliche Wirkung zu (Bieber / Epinay / Haag, Europäische Union, § 6 Rn. 8; Zacker / Wernicke, Europarecht, S. 77; Streinz, Europarecht, Rn. 472 m. w. N). Strittig hingegen, aber wegen fehlender Relevanz für das Ergebnis nicht zu vertiefen und noch weniger zu entscheiden, ist, wie dieses Ergebnis gerade in Bezug auf die in Rede stehende Erklärung begründet werden kann (für eine Berücksichtigung über Art. 31 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens vom 23. 05. 1969 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 69; a. A. Tietje, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 49). 91 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 69; Geiger, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 4.
A. Kompetenzgrundlagen für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung
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wägung der Vor- und Nachteile der verfügbaren Handlungsformen herausstellt, dass die Verordnung als Rechtsinstrument besser geeignet ist als die Richtlinie.92 Die Wahl einer Verordnung wird typischerweise dann vorzuziehen sein, wenn eine sehr detaillierte Regelung erlassen werden soll, die dem nationalen Gesetzgeber keinen inhaltlichen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung zubilligen würde, weil die Wahl der Richtlinie dann lediglich zu einer unnötigen Inanspruchnahme von Gesetzgebungsressourcen führen würde.93 Eine solche Ausnahmesituation ist bei der Einführung einer Verpflichtung zur Bilanzierung nach übernommenen IAS / IFRS gegeben. Zwar erfordert die Einführung einer solchen Verpflichtung im Ausgangspunkt die Änderung der bilanzrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten, so dass deshalb die Kommission eigentlich dem Regelungsinstrument der Richtlinie Vorrang geben müsste. Auch wäre es noch denkbar, das, was heute in der IAS / IFRS-Basisverordnung geregelt ist, weitgehend mittels Richtlinien zu erreichen. Allerdings würde eine Übernahme der IAS / IFRS mittels Richtlinien, die danach in nationales Recht umzusetzen wären, nicht sinnvoll sein. Denn bei den Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS, nach denen sich die Konzernbilanzierung kapitalmarktorientierter Unternehmen wird richten soll, handelt es sich um sehr spezielle Einzelregelungen. Würde es den Mitgliedstaaten jeweils in Form einer Richtlinie aufgegeben, diese IAS / IFRS in ihr nationales Recht zu übernehmen, dann bliebe den Mitgliedstaaten praktisch keine eigene sachliche Entscheidungsbefugnis mehr: Sie müssten – ohne selbst Veränderungen vornehmen zu können – alle IAS / IFRS, die der Gemeinschaftsgesetzgeber zuvor in die Richtlinie geschrieben hätte, transformieren. Dies würde jedoch eine unnötige Inanspruchnahme von Gesetzgebungsressourcen darstellen. Aus all dem ergibt sich, dass im konkreten Fall die Wahl einer Verordnung für den Erlass des beabsichtigten Rechtsaktes nicht an den Vorgaben der gemeinsamen Erklärung der Mitgliedstaaten zu Art. 100a EGV in der EEA scheitert.
IV. Ergebnis und eigene Beurteilung des gesamten Komplexes Im Ergebnis ist zwar festzuhalten, dass die IAS / IFRS-Basisverordnung sowohl auf einer tatbestandlich einschlägigen Rechtsgrundlage ergangen als auch im Hinblick auf die Subsidiarität, die Wahl des Rechtsinstrumentes „Verordnung“ als auch die Regelungsdichte der IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen nicht zu beanstanden ist. Nichtsdestotrotz bedarf dieser Komplex zusätzlicher Bemerkungen. Insgesamt ist es sehr bedauerlich, dass sowohl in den Vorarbeiten und Vorschlägen als auch in 92 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 69. 93 Pipkorn / Bardenhewer-Rating / Taschner, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 95 EGV Rn. 69.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
der IAS / IFRS-Basisverordnung selbst die angesprochenen Problemfelder – wenn überhaupt – durch den Gemeinschaftsgesetzgeber nur oberflächlich erörtert wurden. So fehlt beispielsweise vollständig eine Auseinandersetzung des Verordnungsgebers mit dem Subsidiaritätsprinzip, was auf die nicht haltbare, im Ergebnis aber unschädliche Einschätzung zurückgeht, dass das Subsidiaritätsprinzip nicht auf Rechtsakte nach Art. 95 EGV anwendbar sei. Gravierender jedoch ist, dass der Gesetzgeber und – in der Folge – die Literatur nicht genügend auf den Paradigmenwechsel hingewiesen haben, der der IAS / IFRS-Gesetzgebung zugrunde liegt und für den die Verwendung des bislang nicht für Maßnahmen zur Harmonisierung von Rechnungslegungsregeln herangezogenen Art. 95 Abs. 1 EGV symptomatisch ist. Während bislang Rechnungslegung durch die Gemeinschaft vorwiegend als Teil des Gesellschaftsrechts verstanden wurde und ihre Harmonisierung konsequenterweise auch über den für diese Materie vorgesehenen Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV erfolgt ist, scheint – zumindest im Bereich kapitalmarktorientierter Unternehmen – die Erstellung konsolidierter Abschlüsse von den Gemeinschaftsorganen als Teil der Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit angesehen zu werden. Eine ähnliche Einschätzung lag zwar schon dem „Aktionsplan: Finanzmarkt“ zugrunde.94 Auch gab es bereits früher Stimmen, die in der Vergleichbarkeit von Abschlüssen „eine unabdingbare Vorstufe für die Errichtung eines [ . . . ] europäischen Kapitalmarktes“ sahen.95 Es ist jedoch bedeutsam, auf den Zielwechsel hinzuweisen, der darin besteht, nunmehr primär auf die Kapitalmarktrelevanz der Rechnungslegung abzustellen. In der allgemeinen Diskussion sollte deutlicher werden, dass mit dieser Zieländerung auch der Charakter der Rechnungslegungsregeln sich ändert, was bei der Diskussion über die gegenseitige Beeinflussung der Rechnungslegung nach IAS / IFRS und nach den transformierten europäischen Bilanzrichtlinien nicht unberücksichtigt bleiben darf. In der Wahl der richtigen Rechtsgrundlage kristallisiert sich dieser Paradigmenwechsel, vor allem in der Abgrenzung von Art. 95 EGV zu Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV. Dies hätte dem Gemeinschaftsgesetzgeber und dem Schrifttum Anlass geben sollen, näher auf das Spannungsverhältnis einzugehen und auf die Neuerungen hinzuweisen.
B. Die Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht Nachdem die kompetenziellen Grundlagen für das Handeln der Gemeinschaft bei seiner IAS / IFRS-Gesetzgebung einer näheren Erörterung unterzogen worden sind, soll im Weiteren eine ausführliche Analyse der Art und Weise der Regelungstechnik der IAS / IFRS-Basisverordnung erfolgen. Im Zentrum der Untersuchung 94 95
Vgl. KOM (1999), 232. Kloos, Transformation, S. 43.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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steht dabei die europarechtliche Zulässigkeit des Endorsement als Mechanismus der Übernahme der privaten IAS / IFRS durch IAS / IFRS-Rechtsakte in das Gemeinschaftsrecht.
I. Die Übernahme der privaten IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht als Beispiel und Problem der staatlichen Kooperation mit Privaten Vor den eigentlichen rechtlichen Erörterungen zur Zulässigkeit soll zunächst das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass das Endorsement der IAS / IFRS durch den Gemeinschaftsgesetzgeber ein exemplarisches Phänomen der „Zusammenarbeit“ von Staat und Privaten im Bereich der Gesetzgebung darstellt und dass diese in rechtlicher Sicht nicht unproblematisch ist. Deshalb ist es wichtig, die IAS / IFRS-Gesetzgebung zunächst in einen größeren Kontext der Kooperation von Staat und Privaten zu stellen, um auf dieser Basis aufbauend die rechtliche Analyse der Konformität des Endorsement mit dem Europarecht vornehmen zu können.
1. Das Phänomen der Zusammenarbeit Privater mit dem Staat, insbesondere bei der Schaffung verbindlicher Rechtsnormen Im Endorsement der privat erstellten IAS / IFRS durch den Gemeinschaftsgesetzgeber wird ein allgemeines Phänomen deutlich, das in den vergangenen 20 bis 30 Jahren immer stärker zum Vorschein gekommen ist und eine ausgiebige soziologische, politik- und nicht zuletzt rechtswissenschaftliche Diskussion ausgelöst hat:96 Die Beteiligung Privater bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, in deren Folge der Staat in vielen Lebensbereichen nicht mehr allein, „imperativ“, sondern immer stärker „kooperativ“ seine ihm zugewiesenen Aufgaben erfüllt.97 Der moderne Staat greift zunehmend bei der Bewältigung hoheitlicher Aufgaben auf Kenntnisse, Fähigkeiten, besondere Eigenschaften von Privaten zurück. Oberbegrifflich kann dieser Rückgriff als das Zusammenwirken von Staat und Privaten bezeichnet werden.98 Dieses Phänomen beschränkt sich dabei nicht nur auf die nationalstaatliche, sondern lässt sich auch auf europäischer Ebene erkennen. 96 Siehe z. B. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 ff.; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266, 268 m. w. N. Zu einer geschichtlichen Einordnung auch Vec, Recht und Normierung in der industriellen Revolution. 97 Schneider, VerwArch 87 (1997), 38, 39; Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 694; Berberich, Framework, S. 37. 98 „Private“ sind in diesem Zusammenhang alle Personen, die nicht dem Staat zuzurechnen sind (vgl. zu dieser negativen Definition Augsberg, Rechtsetzung, S. 34; Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220, 231 f.; zur Diskussion zur Unterscheidung von Staat und Gesellschaft siehe z. B. Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 185, 200 f.; Rupp, in: Hdb des Staatsrechts I 1987, § 28 Rn. 29 ff.; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 164 f.).
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Beispiele für solch eine „Kooperation“ zwischen Staat und Privaten lassen sich auf jeder Ebene der drei Gewalten finden. Im Bereich der Exekutive werden Private in vielfältiger Weise in das Verwaltungsverfahren eingebunden. So können Private beispielsweise bei der Erstellung von Bauleitplänen eigene Aufgaben, wie z. B. die Zusammenfassung und Dokumentierung von Stellungnahmen, übernehmen.99 Bekannt ist die Einbeziehung Privater auch bei der Umweltverträglichkeitsprüfung oder beim Öko-Audit.100 Der Staat kann Private aber auch funktionell in seine Organisation einbinden, ihnen hoheitliche (insbesondere Überwachungs-)Aufgaben zur Ausübung übertragen. Beispiel hierfür ist der Beliehene, der als Flugzeug- oder Schiffskapitän oder aber Prüfingenieur im Alltag aufzutauchen pflegt und im verwaltungsrechtlichen Schrifttum ausführliche Erörterung findet.101 Auch der Bereich der Judikative kann ohne die Kooperation mit Privaten nicht auskommen.102 Dies beginnt bereits bei der personellen Besetzung der Gerichte, bei denen manche auf das besondere Fachwissen von Privaten zurückgreifen, indem sie diese auf Zeit zu Teilen des Spruchkörpers machen und so das besondere Sachwissen „etatisieren“. Als Beispiele können die Kammern für Handelssachen an den Landgerichten dienen, in denen durch spezifische Sachkunde ausgewiesene Kaufleute sitzen.103 Darüber hinaus macht sich die Judikative das spezifische Wissen einzelner Privater durch ihre Einbeziehung als Sachverständige im Gerichtsprozess zunutze. Ständig zugenommen hat auch die Beteiligung privater Akteure an der legislativen, d. h. normsetzenden Aufgabe des Staates. Ihre Mitwirkung ist dabei auf unterschiedlichen Stufen denkbar. So können Private während des Gesetzgebungsprozesses dem Gesetzgeber beratend mit ihrer Expertise zur Seite stehen.104 Am Gesetzgebungsprozess beteiligt sind Private aber auch dann, wenn sie im Vorfeld selbst Regelwerke erstellen und der Gesetzgeber sich von diesen bei seiner eigenen Gesetzgebung mehr oder weniger „inspirieren“ lässt, wobei vor allem die Fälle rechtlich interessant sind, in denen er sich eng an die privat erarbeitete Vorlage hält. Die prominentesten Beispiele für das Zusammenwirken privater Akteure mit dem Staat im Bereich der Rechtsetzung entstammen dem Umwelt- und Technikrecht, wobei gerade in den vergangenen Jahren aber die Bedeutung Privater bei der legislativen Tätigkeit auch im Wirtschaftsrecht zunimmt.105 Weit bekannt ist die Vgl. Burgi, Die Verwaltung 2000, 183, 187. Zu weiteren Beispielen Burgi, Die Verwaltung 2000, 183, 187 ff. 101 Zu den Voraussetzungen der Beleihung siehe nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 56 ff. 102 Recht besehen existiert das Phänomen der Kooperation gerade im Bereich der Judikative sehr lange. 103 Vgl. §§ 105 ff. GVG. 104 Siehe dazu beispielsweise Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43. 105 Vgl. z. B. Augsberg, Rechtsetzung. 99
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B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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private (technische) Normierung im Bereich der DIN-Normung auf der deutschen Ebene, im Bereich der CENELEC- oder CEN-Normung auf europäischer Ebene.106 Auch das Endorsement der privaten Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS durch den Gemeinschaftsgesetzgeber erweist sich als ein weiteres Beispiel für das Zusammenwirken von Staat und Privaten bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben im Rahmen der Schaffung verbindlicher Rechtsnormen. Ähnlich wie technische Normwerke werden die von einem privaten Gremium erarbeiteten internationalen Rechnungslegungsstandards vom Gemeinschaftsgesetzgeber geprüft und in das Gemeinschaftsrecht übernommen.
2. Das Interesse an der Kooperation mit Privaten im Bereich der Rechtsetzung Das Phänomen der zunehmenden Kooperation Privater mit dem Staat bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben hätte ohne bestimmte Interessen und Vorteile, vor allem für den Staat, nicht den Aufschwung nehmen können, wie dies in den vergangenen Jahrzehnten geschehen ist. Aus diesem Grunde soll knapp dargestellt werden, was die Vorteile einer solchen Kooperation für den Staat sind, wobei wegen des Zusammenwirkens des Gemeinschaftsgesetzgebers mit dem privaten IASB bei der Normierung von Rechnungslegungsvorschriften im Vordergrund die Beteiligung Privater an der Rechtsetzung stehen wird. Der hoheitliche Gesetzgeber, welcher sich der Mithilfe Privater bei der Normsetzung bedient und dabei private Regelwerke in seine Rechtsetzungstätigkeit einbezieht, verfolgt in der Regel eine Reihe von unterschiedlichen Zwecken, welche sich – unabhängig vom Sachbereich, in dem die Einbeziehung erfolgen soll – verallgemeinern lassen: Der Rückgriff auf bereits privat erarbeitete Regeln hat zunächst einmal eine Entlastungsfunktion: Sie bezweckt zum einen die Entlastung des Gesetzgebers, zum anderen – aber nicht notwendigerweise – die Entlastung des Gesetzes selbst.107 Der Gesetzgeber wird dadurch entlastet, dass er kostengünstig und zeitlich schnell auf den Sachverstand und Expertise privater Akteure zurückgreifen kann, die er selbst nicht hat oder nur mit hohem personellen und finanziellen Aufwand aufbringen könnte. Dies ist insbesondere bei technischen Regelwerken der Fall, die sehr spezielle und detaillierte Regeln enthalten und für deren Erstellung und Verständnis ein hohes Maß an Sachkunde erforderlich ist, welches in dieser Form 106 CENELEC steht für „Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung“, CEN für „Europäisches Komitee für Normung“. 107 Augsberg, Rechtsetzung, S. 52; Karpen, Verweisung, S. 126 f.; Marburger, Regeln der Technik, S. 379; für das Gemeinschaftsrecht M. Seidel, NJW 1981, 1120, 1123; Schuppert / Bumke, in: Kleindiek / Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 77; Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 25.
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weder bei den Mitgliedern der Parlamente noch der Verwaltung in ihrer Funktion als Gesetzgeber vorhanden ist. Die Gesetzgebung, d. h. der Normtext, wird entlastet, indem dieser von komplizierten und unübersichtlichen Regelungen freigehalten wird und sich auf die grundsätzlichen Regelungserfordernisse beschränkt.108 Dies gilt aber nur, wenn der privat erarbeitete Normtext nicht im hoheitlichen Rechtsakt selbst erscheint.
Weiterhin ist der Gesetzgeber daran interessiert, die Akzeptanz seiner Rechtsnormen zu erhöhen, indem er durch die Einbeziehung der privat erarbeiteten Normen die Betroffenen an der Gesetzgebung mitwirken lässt und diese in der Folge die sanktionsbewehrte Gesetzgebung aus Überzeugung befolgen, so dass Sanktionen weitgehend obsolet werden.109 Auch meint der Gesetzgeber, dass die Privaten ihre Regelwerke schneller und effektiver überarbeiten, so dass die Einbeziehung der aktualisierten privaten Regelwerke eine Steigerung der Reaktionsfähigkeit und Flexibilität des Gesetzgebers auf den Wandel der Zeit oder der Erkenntnisse ermöglicht und so ein hoher qualitativer Standard der Gesetzgebung erreicht wird, der zusätzlich zur höheren Akzeptanz der Gesetzgebung bei den Betroffenen beiträgt.110 Dass daneben die Einbeziehung von privat erarbeiteten Regelwerken auch andere, sachwidrige und – wie Voßkuhle meint – „verdeckte Zwecke“ verfolgen kann und damit auch Bedenken gegen die Einbeziehung bestehen können, soll an dieser Stelle nur kurz angedeutet werden. So kann die Einbeziehung Privater auch z. B. zur Abwälzung politischer Entscheidungsverantwortung missbraucht werden.111
Bei genauer Betrachtung erfüllt auch die IAS / IFRS-Gesetzgebung, indem sie maßgeblich auf die bereits privat erarbeiteten IAS / IFRS zurückgreift, diese Zwecke. Sowohl aus den Erwägungsgründen der IAS / IFRS-Basisverordnung als auch aus den Dokumenten, welche die Entstehung dieses Rechtsaktes konzeptionell und politisch vorbereiten, lassen sich explizite Hinweise darauf entnehmen. Obzwar das vorgesehene Endorsement der IAS / IFRS ein eigenes Tätigwerden des Gemeinschaftsgesetzgebers erfordert, liegt in der Übernahme der privaten internationalen Rechnungslegungsstandards dennoch eine Entlastung des Gesetzgebers. Die Rechnungslegungsnormen selbst brauchen durch den Gesetzgeber nicht mehr konzipiert und formuliert zu werden, so dass der Gesetzgeber vergleichsweise geringe Ressourcen an Zeit und Finanzen bereitstellen muss. Dass der 108 Karpen, Verweisung, S. 126; Marburger, Recht der Technik, S. 379; M. Seidel, NJW 1981, 1120, 1123. 109 Karpen, Verweisung, S. 127; Marburger, Regeln der Technik, S. 379; Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 25; Augsberg, Rechtsetzung, S. 54 m. w. N. 110 Breuer, AöR 101 (1976), 46, 51; Marburger, Regeln der Technik, S. 379; M. Seidel, NJW 1981, 1120, 1123; Schuppert / Bumke, in: Kleindiek / Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 77. 111 Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 26.
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Gemeinschaftsgesetzgeber solche Erstellungskosten ausschließen bzw. minimieren wollte, ergibt sich daraus, dass die Gemeinschaft die Schaffung einer eigenen „Europäischen Normungseinrichtung für die Rechnungslegung“, obwohl dies erwogen worden war, vornehmlich aus Kostengründen abgelehnt hat.112 Die Entlastungsfunktion sowie Qualitätsfunktion wird darin erkennbar, dass die IAS / IFRS als internationale Rechnungslegungsregeln von „hoher Qualität“113 bezeichnet werden, womit gerade auf das hohe Maß an Sachkunde angespielt wird, das bei der Erarbeitung der IAS / IFRS mitwirkt und welches innerhalb der Verwaltung der Gemeinschaft nicht vorhanden ist, sondern kostenintensiv aufgebaut werden müsste. Auch die gesteigerte Akzeptanz bei der Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards wird genannt. Diese liegt jedoch nicht primär – wie dies beispielsweise bei der Erstellung von DIN-Normen der Fall ist – in der aufgrund des nationalen Bezugrahmens besonders starken Partizipation und Identifikation der Betroffenen am Regelerstellungsprozess innerhalb der privaten Gremien (auch wenn dort für jedermann im Rahmen des sog. due process eine gewisse Form der Mitwirkungsmöglichkeit besteht). Die Akzeptanz speist sich in erster Linie sowohl aus der hohen Qualität der Regeln als auch aus dem Endorsementprozess selbst, in dem der Gemeinschaftsgesetzgeber einen Diskussionsprozess zwischen den Hauptbetroffenen in Gang setzen will, der das „gemeinsame Verständnis übernommener internationaler Rechnungslegungsstandards in der Gemeinschaft“ fördern soll.114 Der Gemeinschaftsgesetzgeber bezieht sich überdies auf den Flexibilitäts- und Schnelligkeitsgedanken, der in der Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards liegt.115 Ganz besonderes Gewicht hatte der zeitliche Aspekt, d. h. die schnelle Bereitstellung eines ausgearbeiteten, international anerkannten und den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechenden Regelwerks bei der erstmaligen Übernahme der IAS / IFRS. Zu schnellem Handeln sah sich der Gemeinschaftsgesetzgeber auch aufgrund der Entwicklungen der Kapitalmärkte in den 1990er Jahren sowie aufgrund des engen Zeitrahmens, den der Gipfel von Lissabon im Jahre 2000 gesetzt hatte, gezwungen.116 Hier war die Übernahme des privaten Regelwerkes auch und vor allem eine Frage der Zeit.
112 113 114 115 116
Vgl. KOM (1995) 508, S. 6. Erwägungsgrund 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung. Erwägungsgrund 11 der IAS / IFRS-Basisverordnung. KOM (2000) 359, S. 6. KOM (2000) 359, S. 6, 7.
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3. Vermittlung rechtlicher Verbindlichkeit auf rechtssatzähnliche Kooperationsbeiträge privater Personen Beiträge privater Personen an der staatlichen Gesetzgebung können vielfältige Formen annehmen. Sie können von der reinen Beratung während des parlamentarischen oder exekutiven Rechtsetzungsvorgangs bis zur vom Staat unabhängigen selbständigen Rechtsetzung reichen. Von besonderem Interesse soll im Weiteren die unabhängige Erarbeitung von abstrakt-generellen Regeln durch Private im Vorfeld der staatlichen Rechtsetzung sein, weil dies der Situation des Endorsement der privaten IAS / IFRS durch den Gemeinschaftsgesetzgeber entspricht. Im Grundsatz handeln Private gegenüber anderen Personen in rechtlich unverbindlicher Weise. Dies gilt auch dann, wenn private Personen selbständig abstraktgenerelle Regeln verfassen. Diese Regeln sind keine Rechtsnormen, denn letztere zeichnen sich dadurch aus, dass die in ihnen verfassten Verhaltensanforderungen „potentiell mittels staatlicher Sanktionen durchsetzbar“ sind.117 Verfassen private Personen oder Vereinigung demnach abstrakt-generelle Regeln, seien sie Standards, Regeln, Leitlinien, Richtlinien, Normen etc. genannt, so kommt ihnen im Ausgangspunkt, obwohl sie sowohl inhaltlich als auch vom Aufbau her hoheitlichen Rechtsnormen als Rechtssätze ähneln, keine rechtlich verbindliche Qualität zu.118 Will der Staat sich die privat erarbeiteten Regeln zunutze machen, so wirft dies stets das Problem auf, wie das Handeln der Privaten mit Rechtsverbindlichkeit versehen werden kann. Auch hier gilt im Ausgangspunkt, dass die Verbindlichkeit nur durch den zu imperativem Handeln originär berufenen Staat selbst vermittelt werden kann. Die Verbindlichstellung der im Vorfeld von Privaten erarbeiteten unverbindlichen Regeln kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen. So kann der Gesetzgeber den privaten Akteur mit eigener Rechtsetzungsbefugnis ausstatten, indem er diesen durch einen separaten Hoheitsakt in die staatliche Organisationsstruktur einbezieht.119 Beispiel wäre die Verleihung des Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, wie dies u. a. im Bereich der Selbstverwaltung der Fall ist, in dessen Folge diese verbindliches Recht setzen könnte.120 Dieser Weg zeichnet sich dadurch aus, dass der Ansatzpunkt für die Verleihung der Rechtsverbindlichkeit die Eigenschaft der normsetzenden Person ist: Der ur117 Augsberg, Rechtsetzung, S. 31; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 155. Ausführlich zum Begriff der Rechtsnorm und ihrer Erscheinungsform als Rechtssatz Marburger, Regeln der Technik, S. 287; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 57 ff. 118 Augsberg, Rechtsetzung, S. 32 f.; Berberich, Framework, S. 53; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 133 ff.; vgl. Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38; Wüstemann / Kierzek, in: Brütsch / Lehmkuhl, Law and Legalization, S. 33, 34. 119 Augsberg, Rechtsetzung, S. 127 f. 120 Zur öffentlich-rechtlichen Körperschaft nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 30 ff.
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sprünglich private Akteur büßt infolge seiner Integration in die staatliche Organisation seine Qualität als Privater ein. Ein anderer Ansatz besteht darin, die Normwerke Privater im Rahmen einer vorher kreierten staatlichen Ordnung mit Rechtsverbindlichkeit zu versehen.121 Zu nennen wäre für diese Methode die Zivilrechtsordnung, innerhalb derer bestimmten Handlungen von Privaten rechtliche Wirkung zugesprochen wird. Hier billigt der Staat im Voraus näher definierten privaten Verhaltensweisen eigene Rechtswirkungen zu, welche mit Hilfe des Staates wiederum sanktioniert werden können. Beispiele sind vor allem aus dem Arbeitsrecht das Rechtsinstitut des Tarifvertrages, mit Hilfe dessen private Verbände selbständig eigene Rechtsnormen schaffen können.122 Eine weitere Möglichkeit zur Vermittlung sanktionierbarer Rechtsverbindlichkeit auf Normwerke privaten Ursprungs besteht in der Inbezugnahme dieser Regeln durch staatliche Gesetze.123 Die privaten Normwerke erhalten Rechtsverbindlichkeit durch einen expliziten hoheitlichen Rezeptionsakt, der die privaten Regeln bzw. ihren Inhalt zu Rechtsnormen transformiert.124 Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass der private Akteur nicht zum Teil der Staatsorganisation wird, sondern die Sphären „Staat“ und „Privat“ getrennt bleiben. Außerdem ermöglicht die Methode der Rezeption ein Vorgehen ad hoc und erweitert somit die Handlungsspielräume des hoheitlichen Gesetzgebers. Alle diese Methoden zur Vermittlung rechtsverbindlicher Wirkung auf private Regelwerke bilden selbstverständlich nur jeweils einen Oberbegriff für die unterschiedlichen Ausformungen, die jeweils hinter diesen Methoden denkbar sind. Auch für die IAS / IFRS als internationale Rechnungslegungsstandards, die das private Gremium IASB ausgearbeitet hat, gilt, dass sie zunächst rechtlich unverbindliche private Regeln darstellen. Der europäische Gesetzgeber hat sich entschlossen, den IAS / IFRS rechtliche Verbindlichkeit zu vermitteln, nicht indem er den IASB „etatisiert“ oder eine Rahmenordnung schafft, sondern indem er die privaten Rechnungslegungsstandards durch eigene hoheitliche Rezeptionsakte zu Rechtsnormen transformiert.
Augsberg, Rechtsetzung, S. 227 ff. F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 185; Kloepfer / Elsner, DVBl. 1996, 964, 966 m. w. N. 123 Augsberg, Rechtsetzung, S. 32, f., 173 ff.; F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 133 ff. 124 Berberich, Framework, S. 53. 121 122
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II. Formen der hoheitlichen Rezeption privater Regelwerke sowie die Zuordnung des Endorsement der IAS / IFRS zu einem Rezeptionstypus In der Vergangenheit haben sich in der Praxis der Gesetzgebung eine Reihe unterschiedlicher Modelle entwickelt, die die staatlichen Gesetzgeber für die Rezeption privater Normen verwenden können. Eine Zuordnung des Endorsementmechanismus zu einem dieser noch zu erörternden Rezeptionstypen ist rechtlich von Bedeutung, weil sich Rechtsprechung und Literatur z. T. bereits mit den Rezeptionsmodellen beschäftigt haben und auf der Grundlage dieser Ergebnisse Rückschlüsse auf die (europa-)rechtliche Zulässigkeit des Endorsement möglich sind. Um das Endorsement, wie es in der IAS / IFRS-Basisverordnung vorgesehen ist, einem dieser Modelle zuzuordnen, soll zunächst eine typologische Klassifizierung und terminologische Klärung unterschiedlicher Rezeptionsmöglichkeiten von privaten Regelsätzen im Gemeinschaftsrecht vorgenommen werden.125
1. Typologische und terminologische Klassifizierung der unterschiedlichen Rezeptionsformen privater Regelsätze in das Gemeinschaftsrecht a) Verweisung Die Verweisung zeichnet sich dadurch aus, dass sie als gesetzliche Regel auf eine andere Regel desselben oder eines anderen Gesetzes oder auf Regeln anderer, z. B. privater, Provenienz referieren, diese gleichsam „in Bezug nehmen“, „benennen“.126 Zu unterscheiden ist dabei zwischen der sog. „Verweisungsnorm“ – das ist die gesetzliche Regel, welche die Verweisung formuliert – und dem sog. „Verweisungsobjekt“ – das ist die Regel, auf welche verwiesen wird.127 Es ist möglich, zwischen verschiedenen Verweisungsarten zu differenzieren, was u. a. für die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit von Relevanz ist.128 So kann man unterscheiden einerseits – nach der Art des zeitlichen Geltungsbereichs des Verweisungsobjektes – die starre von der dynamischen Verweisung sowie andererseits – nach der Vollständigkeit der Verweisungsnorm – die normergänzende von der normkonkretisierenden Verweisung. Beide Begriffspaare schließen sich jedoch nur 125 Methodisch ist dazu festzuhalten, dass, sofern es sich um die Untersuchung allgemeiner Interessenlagen oder einer bestimmten Gesetzgebungstechnik im Gemeinschaftsrecht handelt, dazu u. a. zusätzlich aus dem nationalen Recht bekannte und vergleichbare Situationen und Terminologien herangezogen werden. 126 Vgl. nur Ossenbühl, DVBl. 1967, 401; Karpen, Verweisung, S. 19, Breulmann, Normung, S. 126. 127 Ossenbühl, DVBl. 1967, 401; Karpen, Verweisung, S. 19. 128 Marburger, Regeln der Technik, S. 386.
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innerhalb der jeweiligen Unterscheidung gegenseitig aus. Möglich und für die rechtliche Beurteilung geboten ist hingegen die Kombinierung zwischen den jeweiligen Unterscheidungen, d. h. es kann durchaus starre normergänzende oder dynamische normkonkretisierende Verweisungen geben.129
aa) Unterscheidung nach der Art der zeitlichen Inbezugnahme der Regeln, auf die verwiesen wird (1) Statische Verweisung Bei der sog. „statischen“ Verweisung130 handelt es sich um eine Verweisung, bei der die Verweisungsnorm auf ein zeitlich genau fixiertes Verweisungsobjekt Bezug nimmt.131 Die Fixierung des Verweisungsobjekts erfolgt beispielsweise durch die genaue Angabe der Fundstelle, des Ausgabedatums, des Titels oder anderer spezifischer Merkmale der zu übernehmenden Regel. Mit der starren Verweisung verändert das private Verweisungsobjekt seinen privaten, unverbindlichen Rechtscharakter nicht, sondern es wird nur der Inhalt der technischen Norm – ihre Worte und evtl. Zahlen – in den Rang einer verbindlichen Regelung erhoben.132 Dieser Inhalt des Verweisungsobjekts wird Bestandteil der Verweisungsnorm und nimmt an ihrer Geltungskraft und ihrem Rang teil.133 Entscheidendes Merkmal der statischen Verweisung ist, dass Änderungen des Verweisungsobjektes, die nach dem Erlass der Verweisungsnorm ergehen, von der Verweisungsnorm nicht erfasst werden. Verweisungsobjekt bleibt die in der Verweisungsnorm bezeichnete Fassung zum Zeitpunkt des Erlasses der Verweisungsnorm. Spätere Veränderungen des Verweisungsobjektes sind für die rechtliche Verbindlichkeit irrelevant. Damit eine solche Änderung rechtlich verbindlich werden kann, ist die Anpassung der statischen Verweisung auf eben den modifizierten Stand des Verweisungsobjektes erforderlich. Als ein Beispiel134 für die Verwendung von statischen Verweisungen im Gemeinschaftsrecht kann die Richtlinie 2001 / 37 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom Vgl. Marburger, Regeln der Technik, S. 390. Die statische Verweisung wird mitunter auch als „starre“, „fixe“ oder „datierte“ Verweisung bezeichnet; im englischen Recht „dated reference“, im französischen Recht „référence datée“. 131 Ossenbühl, DVBl. 1967, 401; Karpen, Verweisung, S. 66, 67; Marburger, Regeln der Technik, S. 384; A. Brunner, Technische Normen, S. 91; Rönck, Technische Normen, S. 158; Hommelhoff, FS Odersky, S. 779, 784; Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 136; Augsberg, Rechtsetzung, S. 176 f.; Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 59. 132 Marburger, Regeln der Technik, S. 388; Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 327 m. w. N. 133 BVerfG, Beschl. vom 01. 03. 1978, 1 BvR 786 / 70, BVerfGE 47, 285, 309 ff.; Clemens, AöR 111 (1986), 63, 65. 134 Zu weiteren Beispielen siehe Rönck, Technische Normung, S. 159 f. 129 130
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05. 06. 2001 zur „Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen“ genannt werden.135 In Art. 4 der genannten Richtlinie wird der Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalt von Zigaretten bei Teer nach der ISO-Norm 4387, bei Nikotin nach der ISO-Norm 10315 und bei Kohlenmonoxid nach der ISO-Norm 8454 gemessen. Die Genauigkeit der Angaben zum Teer- und Nikotingehalt auf den Packungen wird nach der ISO-Norm 8243 überprüft. Die „Starrheit“ der Verweisung ergibt sich daraus, dass die genannten Verfahren nur durch ein eigenes Regelungsverfahren seitens der Kommission dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt angepasst werden dürfen, Art. 10 Abs. 1 der genannten Richtlinie.
(2) Dynamische Verweisung Die sog. „dynamische Verweisung“136 zeichnet sich dadurch aus, dass die verweisende Norm auf ein genau fixiertes Verweisungsobjekt, allerdings in der jeweils gültigen Fassung, Bezug nimmt.137 Der wesentliche Unterschied zur „starren Verweisung“ liegt darin, dass zeitlich dem Erlass der Verweisungsnorm folgende Änderungen des Verweisungsobjekts, sei dieses staatlicher oder privater Provenienz, automatisch von der Verweisungsnorm erfasst werden und eine eigene Modifikation bzw. Anpassung der Verweisungsnorm an das veränderte Verweisungsobjekt nicht mehr nötig ist. Der Vorteil eines solchen Vorgehens ist leicht einsichtig: Sowohl ein Auseinanderfallen von gesetzlicher Verbindlichkeit und dem Stand des wissenschaftlichen oder technischen Fortschritts als auch aufwendige und zeitintensive Veränderungen der Verweisungsnorm werden vermieden.138 Auch hier verliert das private Verweisungsobjekt seinen privaten, unverbindlichen Rechtscharakter nicht. Lediglich der Inhalt der privaten Norm erhält verbindliche Wirkung. Im europäischen Gemeinschaftsrecht findet sich, soweit ersichtlich, kein Beispiel für eine dynamische Verweisung.139
ABl. L 194 vom 18. 07. 2001, S. 26 ff. Mitunter wird die dynamische Verweisung auch als „gleitende“, „antizipierende“ oder „undatierte“ Verweisung bezeichnet; im englischen Recht „undated reference“, im französischen Recht „référence non datée“. 137 Ossenbühl, DVBl. 1967, 401; Karpen, Verweisung, S. 67 f.; Marburger, Regeln der Technik, S. 384; ders., in: Müller-Graff, Technische Regeln im Binnenmarkt, S. 27, 39; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 23; Rönck, Technische Normen, S. 161; Hommelhoff, FS Odersky, S. 779, 785; Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 137 f.; Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 334 f.; Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 59. 138 Karpen, Verweisung, S. 68; Marburger, Regeln der Technik, S. 384; ders., in: DIN, Verweisung auf technische Normen, S. 27, 29 f.; Augsberg, Rechtsetzung, S. 177. 139 Vgl. auch Rönck, Technische Normen, S. 162. 135 136
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bb) Unterscheidung nach der Art der Vollständigkeit der verweisenden Norm (1) Normergänzende Verweisung Die sog. „normergänzende Verweisung“140 tritt als Erscheinungsform der Verweisung auf, wenn die Verweisungsnorm einer genaueren Analyse unterzogen wird. Betrachtet man die verweisende Norm und stellt fest, dass sie in ihrem Tatbestand oder in ihrer Rechtsfolge unvollständig ist und erst das Heranziehen des Inhalts des Verweisungsobjekts diese Unvollständigkeit beseitigt, so handelt es sich bei der Verweisung um eine „normergänzende Verweisung“.141 Die in Bezug genommene Verweisungsnorm „ergänzt“ die Verweisungsnorm zu einem vollständigen Sollenssatz, der die Verhaltenspflicht für den Betroffenen enthält: Der Inhalt – nicht jedoch das private Regelwerk als solches – erhält damit verbindliche Wirkung.142 Als Beispiel des Gemeinschaftsrechts für eine normergänzende Verweisung kann die Richtlinie 84 / 539 / EWG des Rates vom 17. 09. 1984 zur „Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die in der Humanmedizin und der Veterinärmedizin eingesetzten elektrischen Geräte“ genannt werden.143 Alle in Anhang II dieser Richtlinie aufgeführten elektrischen Geräte, wozu beispielsweise diagnostische oder therapeutische Geräte wie Chirurgie-Mikroskope oder künstliche Gliedmassen gehören, müssen dem Harmonisierungsdokument HD 395 – 1 des Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung (CENELEC), einer privaten europäischen Normungsorganisation mit Sitz in Belgien, in der von der Kommission veränderten Form entsprechen. Hier wird die Verhaltenspflicht für die Hersteller solcher Geräte erst aus dem HD 395 – 1 erkennbar. Gleichzeitig handelt es sich hier zusätzlich um eine starre Verweisung.
(2) Normkonkretisierende Verweisung Im Unterschied zur normergänzenden Verweisung zeichnet sich die sog. „normkonkretisierende Verweisung“144 dadurch aus, dass die Verweisungsnorm sowohl in Tatbestand als auch in Rechtsfolge vollständig ist. Die Verhaltenspflicht des Betroffenen ergibt sich abstrakt bereits allein aus der zugrundeliegenden Verwei140 Mitunter wird die normergänzende Verweisung auch als „Geltungsverweisung“ bezeichnet, so z. B. Heintzen, BB 1999, 1050, 1052. 141 Z. T. wird die normergänzende Verweisung auch mit der dynamischen gleichgesetzt, so z. B. Rönck, Technische Normen, S. 166, was nicht zulässig ist, da damit die unterschiedlichen Klassifizierungen nicht beachtet werden. Sehr wohl kann eine dynamische Verweisung zugleich eine normergänzende dynamische Verweisung darstellen, nicht jede normergänzende Verweisung ist jedoch zugleich eine dynamische Verweisung. 142 Marburger, Regeln der Technik, S. 385; Schnapauff, in: DIN, Verweisung auf technische Normen, S. 40, 42; Hommelhoff, FS Odersky, S. 779, 783; Breulmann, Normung, S. 132; Voßkuhle, in: Handbuch des Staatsrecht III 2005, § 43 Rn. 59. 143 ABl. L 300 vom 19. 11. 1984, S. 179. 144 Rönck, Technische Normung, S. 166, bezeichnet sie als „allgemeine Verweisung“, Heintzen, BB 1999, 1050, 1052, wiederum als „Auslegungsverweisung“.
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sungsnorm. Die Schwierigkeit für die Befolgung der Verhaltenspflicht ergibt sich daraus, dass die zugrunde liegende Norm eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, wie z. B. „Stand der Technik“, „Stand der Wissenschaft“, enthält. Um diese näher zu bestimmen, bezeichnet die Verweisungsnorm ein Verweisungsobjekt, dessen Inhalt den unbestimmten Rechtsbegriff ausfüllt, eben „konkretisiert“.145 Auch hier behält die private, in Bezug genommene Regel als solche ihren privaten Charakter, obwohl der Inhalt des Verweisungsobjekts in dem Maße, wie darauf verwiesen wird, in den Rang der staatlichen Verweisungsgrundlage gehoben wird und damit Verbindlichkeit erlangt.146 Im Gemeinschaftsrecht lässt sich als Beispiel für eine normkonkretisierende Verweisung die Richtlinie 2004 / 22 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über Messgeräte anführen. Gem. Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie muss ein Messgerät den im Anhang I der Richtlinie aufgeführten technischen Anforderungen entsprechen. Die Erfüllung dieser technischen Anforderungen soll dazu dienen, „ein hohes Niveau an Messsicherheit zu gewährleisten“. Dieser unbestimmte Begriff wird durch den siebenseitigen Anhang I genauer spezifiziert. Dennoch enthält Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie eine Konformitätsvermutung, wonach vermutet wird, dass ein Messgerät den in Anhang I genannten Anforderungen entspricht, „wenn es den Elementen der nationalen Normen zur Umsetzung der für das Messgerät geltenden harmonisierten europäischen Norm entspricht, die mit den Elementen dieser harmonisierten europäischen Norm übereinstimmen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C veröffentlicht wurden.“ Das bedeutet nichts anderes, als dass das Vorliegen der Anforderungen des Anhangs I dann widerlegbar vermutet wird, wenn das Messgerät den technischen Normen entspricht, die der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der genannten Richtlinien in seinem Transformationsrechtsakt vorgesehen hat, und wenn diese nationalen technischen Normen den im Amtsblatt spezifizierten europäischen technischen Normen entsprechen. Letztlich dienen also europäische harmonisierte technische Normen als Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „hohen Niveaus an Messsicherheit“. Als harmonisierte technische Norm gilt gem. Art. 4 lit. h der Richtlinie eine „technische Spezifikation, die vom CEN, CENELEC [ . . . ] im Auftrag der Kommission [ . . . ] angenommen und gemäß den zwischen der Kommission und den europäischen Normungseinrichtungen vereinbarten Allgemeinen Leitlinien erarbeitet wurde.“147 Damit ist auch dem Gemeinschaftsrecht die normkonkretisierende Verweisung bekannt, wobei sich dieses komplizierte Verfahren, welches beispielhaft behandelt wurde, aus einer sog. „Modellrichtlinie“ ableitet, welche gesetzgebungskonzeptionelles Vorbild für die Gestaltung von Richtlinien im Bereich der technischen Harmonisierung und der Normung sein soll. Es handelt sich um die Entschlie145 Marburger, Regeln der Technik, S. 385 f.; ders., in: DIN, Verweisung auf technische Normen, S. 27, 34; ders., in: Müller-Graff, Technische Regeln im Binnenmarkt, S. 27, 42; Schnapauff, in: DIN, Verweisung auf technische Normen, S. 40, 45; Breulmann, Normung, S. 136 ff.; Hommelhoff, FS Odersky, S. 779, 783 f.; Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 141, 144 ff.; Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 345; Schulte, in: Rengeling, EUDUR, § 17 Rn. 66; Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 59. 146 Vgl. nur F. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 152; U. Brunner, Rechtsetzung, S. 32. 147 CEN steht für Europäisches Komitee für Normung sowie CENELEC für Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung.
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ßung des Rates vom 07. 05. 1985 über eine „neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung.“148
b) Inkorporation Als weiteres Mittel zur Rezeption privater Regelwerke steht dem Gesetzgeber die sog. „Inkorporation“ zur Verfügung. Es handelt sich dabei um eine Gesetzgebungstechnik, bei der der Gesetzgeber den Text des zu inkorporierenden (privaten) Regelwerks vollständig in seine Norm aufnimmt und wörtlich in der hoheitlichen Norm oder einem Anhang abbildet.149 Dies hat zur Folge, dass der Text des ursprünglich privaten Regelwerkes mit seiner Abbildung in der übernehmenden Norm selbst Teil dieser Norm wird. Das private Regelwerk als solches bleibt allerdings in seinem privaten Charakter rechtlich unverbindlich.150 Im Vergleich zur Verweisung, in welcher Erscheinungsform auch immer, stellt die Inkorporation folglich die engste Rezeptionsmöglichkeit dar, die dem Gesetzgeber für die Übernahme privater Regelwerke zur Verfügung steht. Im Gemeinschaftsrecht findet sich als Beispiel für die Verwendung einer Inkorporation privater Regelwerke die Richtlinie 73 / 361 / EWG des Rates vom 19. 11. 1973 zur „Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bescheinigungen und Kennzeichnungen für Drahtseile, Ketten und Lasthaken“.151 Ihr Anhang gibt wörtlich Kennzeichnungsspezifikationen privater Normungsverbände wieder.152
2. Die Zuordnung des Endorsement der IAS / IFRS zu einem Rezeptionsmodell Im Anschluss an die typologische und begriffliche Klärung der unterschiedlichen Möglichkeiten der Inbezugnahme privater Rechtsnormen soll nunmehr das Endorsement, das einen zweistufigen Mechanismus zur Übernahme der privaten IAS / IFRS darstellt,153 einem der erörterten Rezeptionstypen zugeordnet werden. Diese Zuordnung determiniert entscheidend die europarechtliche Beurteilung des 148 ABl. C 136 vom 04. 06. 1985, S. 1. Näher dazu z. B. Schulte, in: Rengeling, EUDUR, § 17 Rn. 66. 149 Augsberg, Rechtsetzung, S. 174 f.; Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 136; Rönck, Technische Normen, S. 156; Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 731. Missverständlich von Inkorporation sprechen Hoppe / Beckmann / Kauch, Umweltrecht, § 5 Rn. 38 ff., indem sie diesen Begriff gleichsam als Oberbegriff für Verweisungen, Ermächtigung an Private sowie dem hier gewählten Begriff der Inkorporation anwenden. Dies ist aus Gründen der terminologischen Präzision abzulehnen. 150 Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 731. 151 ABl. L 335 vom 05. 12. 1973, S. 51. 152 Rönck, Technische Normen, S. 157; Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 732. 153 Siehe oben Kapitel 1 A. III.
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Endorsement und den weiteren Gang der Untersuchung, weil die jeweiligen Rezeptionsmodelle in ihrer rechtlichen Zulässigkeit jeweils unterschiedlich beurteilt werden. Der Endorsementmechanismus der IAS / IFRS-Rechtsakte ist nicht als „dynamische Verweisung“ ausgestaltet.154 Zwar könnte für die Einordnung als dynamische Verweisung sprechen, dass Art. 4 IAS / IFRS-Basisverordnung kapitalmarktorientierten Gesellschaften aufgibt, ihre konsolidierten Abschlüsse nach internationalen Rechnungslegungsstandards aufzustellen, worunter Art. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung wiederum alle IAS, IFRS, SIC / IFRIC-Interpretationen, spätere Änderungen dieser Standards und dieser Interpretationen sowie die künftigen neuen Standards und Interpretationen, die vom IASB herausgegeben und angenommen wurden, versteht. Denn aus dieser Formulierung könnte geschlossen werden, dass der Endorsementmechanismus auch alle Standards, die nach dem Inkrafttreten der IAS / IFRS-Basisverordnung vom privaten IASB geändert oder neu geschaffen wurden, automatisch erfasst und mit Verbindlichkeitswirkung versieht. Allerdings übersähe eine solche Argumentation den Relativsatz in Art. 4 der IAS / IFRS-Basisverordnung, welcher den Begriff der internationalen Rechnungslegungsstandards, nach welchen kapitalmarktorientierte Gesellschaften ihre konsolidierten Abschlüsse aufzustellen haben, dahingehend einschränkt, dass eine Pflicht zur Befolgung nur solcher internationaler Rechnungslegungsstandards besteht, „die nach dem Verfahren des Artikels 6 Absatz 2 übernommen wurden“. Aus der Systematik der IAS / IFRS-Basisverordnung kann hergeleitet werden, wann internationale Rechnungslegungsstandards als „übernommen“ gelten. So ist Art. 3 der IAS / IFRS-Basisverordnung überschrieben mit „Übernahme und Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards“. Nach Art. 3 Abs. 1 der genannten Verordnung muss die Kommission im Rahmen des Komitologieverfahrens über die Anwendbarkeit von internationalen Rechnungslegungsstandards in der Gemeinschaft beschließen, wobei sie zu überprüfen hat, ob diese mit den materiellen Kriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung übereinstimmen. Beschließt die Kommission positiv über die Anwendbarkeit internationaler Rechnungslegungsstandards, so müssen diese in Form einer Verordnung vollständig in allen Amtssprachen der Gemeinschaft im Amtsblatt der EG veröffentlicht werden, Art. 3 Abs. 4 der IAS / IFRS-Basisverordnung. Daraus wird deutlich, dass die internationalen Rechnungslegungsstandards nicht per se mit Erlass der IAS / IFRSBasisverordnung Geltung in der Gemeinschaft erlangen. Vielmehr ist stets ein gesonderter Beschluss und Rechtsakt der Kommission über die Anwendbarkeit nötig, 154 Augsberg, Rechtsetzung, S. 222; Heintzen, BB 2001, 825, 827; Hommelhoff / Schwab, in: GroßkommHGB, § 342 Rn. 10; Merschmeyer, Kapitalschutzfunktion, S. 150 f.; Oestreicher / Spengel, RIW 2001, 889, 891; Euler, BB 2002, 875, 876; Spengel, IStR 2003, 29, 31; Claussen, FS Ulmer, S. 801, 808 f.; Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht des BMF Oktober 2002, S. 67; wohl auch Link, in: Schön, Maßgeblichkeit, S. 207, 261. Vgl. aber zur problematischen Frage, ob der Endorsementmechanismus nicht als „faktische dynamische Verweisung“ einzuordnen sei, unten Kapitel 2 B. IV. 1.
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welcher als „Übernahmeverordnung“ die zu übernehmenden, ursprünglich privaten Rechnungslegungsstandards in das Gemeinschaftsrecht überführt.155 Auch spätere Änderungen der IAS / IFRS durch den IASB gelten erst, wenn diese von der Kommission in einer Kommissionsverordnung übernommen wurden. Der Endorsementmechanismus ist auch nicht dem Typus der „statischen Verweisung“ zuzuordnen.156 Das würde voraussetzen, dass die IAS / IFRS-Rechtsakte auf zeitlich genau fixierte einzelne IAS / IFRS verweisen würden.157 Das Endorsement geschieht aber dadurch, dass einzelne IAS / IFRS jeweils wörtlich und vollständig in von der IAS / IFRS-Basisverordnung streng zu unterscheidenden, separaten Übernahmeverordnungen übernommen und in ihrem Anhang abgebildet werden, während bei der statischen Verweisung das Verweisungsobjekt gerade nicht wörtlich in der Verweisungsnorm dargestellt wird. Dies aber ist das entscheidende Kennzeichen und Abgrenzungsmerkmal des Rezeptionsmodells „Inkorporation“. Der Endorsementmechanismus zur Übernahme der privaten IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht ist damit als „Inkorporation“ einzuordnen.
III. Die prinzipielle Vereinbarkeit des Endorsement als Inkorporation privater IAS / IFRS mit dem Europarecht Nachdem nunmehr geklärt ist, dass die IAS / IFRS-Basisverordnung mit dem Endorsement der IAS / IFRS die Rezeption privater Regeln im Wege der Inkorporation anordnet, kann eine erste Antwort auf die Frage nach der europarechtlichen Zulässigkeit gegeben werden. Das Endorsement ist dabei auf seine Vereinbarkeit mit den europarechtlichen158 Prinzipien der Demokratie und des Rechtsstaats zu untersuchen, deren Geltung und Inhalt näherer Ausführungen bedürfen.159
1. Europarechtliches Demokratieprinzip Im europäischen Primärrecht ist positivrechtlich das europarechtliche Demokratiegebot mittlerweile in Art. 6 Abs. 1 EUV verankert.160 Dort heißt es: 155 Der Inhalt dieser Übernahmeverordnung hat gem. Art. 249 Abs. 2 EGV allgemeine Geltung, ist in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. 156 So aber Augsberg, Rechtsetzung, S. 225; Ohler, EuZW 2006, 679, 680; wohl auch Heintzen, BB 2001, 825, 828. 157 Siehe oben Kapitel 2 B. II. 1. a) aa) (1). 158 Prüfungsmaßstab ist mithin allein das europäische Recht, vgl. auch Augsberg, Rechtsetzung, S. 221; Heintzen, BB 2001, 825, 827; Merschmeyer, Kapitalschutzfunktion, S. 149. 159 An dieser Stelle nicht näher untersucht wird die Vereinbarkeit des Endorsement als Rezeptionsmechanismus der privaten IAS / IFRS mit anderen primärrechtlichen Schranken des legislativen Handelns, wie z. B. den gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
„Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam.“161 Vor Einführung des Art. 6 Abs. 1 EUV bzw. Art. F des Vertrages von Maastricht war der Begriff der Demokratie im europäischen Gemeinschaftsrecht nicht zu finden, auch wenn seit Anfang der 1980er Jahre mehrfach durch den EuGH in einer Reihe von Urteilen auf ein „grundlegendes demokratisches Prinzip“ auf Gemeinschaftsebene Bezug genommen wurde, worin die Existenz eines Demokratiegebotes auch im Primärrecht angedeutet wird.162 Weitere normative Hinweise darauf, dass auch innerhalb der Europäischen Gemeinschaften ein Demokratieprinzip bestand, ergaben sich aus der Präambel der EEA, welche den Terminus Demokratie sowohl im dritten wie auch im fünften Erwägungsgrund der Präambel verwendete.163
Adressatin dieses Demokratiegebotes ist primär die Europäische Union, gleichfalls aber auch die Europäische Gemeinschaft, da gem. Art. 1 Abs. 3 EUV „Grundlage der Union [ . . . ] die Europäischen Gemeinschaften [sind]“ und es undenkbar wäre, wenn das Demokratiegebot sich lediglich – um die gebräuchliche „Tempelmetapher“164 für die Visualisierung des Verhältnisses von EU zu EG, GASP und PJZS zu verwenden – nur auf das „Tempeldach“, nicht jedoch auf die „Säulen“ bezöge.165 Dagegen sprechen auch nicht die in der deutschen Literatur zuweilen geäußerten Einwände, die Europäische Union bzw. die Europäische Gemeinschaft seien als „Zweckverband funktionaler Integration“ gar nicht demokratiebedürftig, oder sie seien gar nicht demokratiefähig, weil es kein „europäisches Volk“ als Inhaber der Volkssouveränität gebe.166 Diese 160 Stumpf, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 5, v. Bogdandy, in: ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149, 173. Zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EUV als Sollensgebot Schorkopf, Homogenität, S. 76 ff.; im Ergebnis auch Bleckmann, JZ 2001, 53; Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 1; Classen, AöR 119 (1994), 239, 240; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 23 Rn. 51; Huber, Recht der Europäischen Integration, Rn. 74; Oppermann, Europarecht, § 5 Rn. 7; Hilf / Schorkopf, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 26. 161 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 6 Abs. 1 EUV, der auf den Art. F des Unionsvertrages von Maastricht zurückgeht, siehe Hilf / Schorkopf, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 11 ff.; Stumpf, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 2. 162 EuGH, Urt. vom 29. 10. 1980, Rs. 138 / 79, „Roquettes Frères“, Slg. 1980, I-3333, 3360; EuGH, Urt. vom 29. 10. 1980, Rs. 238 / 79, „Maizena“, Slg. 1980, I- 3393; EuGH, Urt. vom 11. 06. 1991, Rs. C-300 / 89, „Titandioxid“, Slg. 1991, I-2867, 2900; daran anschließend Bleckmann, JZ 2001, 53; Classen, AöR 119 (1994), 238; Huber, Recht der Europäischen Integration, Rn. 74, 75; Zuleeg, JZ 1993, 1069, 1070 f. 163 EEA vom 27. / 28. 02. 1986, ABl. L 169 vom 29. 06. 1987, S. 1 ff. 164 Vgl. zur in der europarechtlichen Literatur quasi ubiquitären Tempelmetapher lediglich Streinz, Europarecht, Rn. 133. 165 Stumpf, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 5, v. Bogdandy, in: ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149, 173; Hilf / Schorkopf, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 33; wohl auch Pechstein, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 2. 166 So dezidiert P. Kirchhof, Deutsches Verfassungsrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, EuR 1991, Beiheft 1, 11, 13 f.; Huber, StWStPr 3 (1992), 349, 354 ff.; di Fabio, Der Staat 1993, 191, 202 f.; Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz – eine verfassungsrecht-
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Auffassungen sind aus mehreren Gründen abzulehnen. Schon ihrer Prämisse kann nicht gefolgt werden. Sie lautet dahingehend, dass Demokratie nur in Nationalstaaten verwirklicht werden könne. Abgesehen davon, dass die Verbindung von Nationalstaat und Demokratie über den Begriff der Nation ein zufälliges und weder soziologisch noch rechtlich zwingendes Phänomen des 18. und 19. Jahrhunderts ist, liegt in der Prämisse eine Gleichsetzung von demos und ethnos, welche gerade im Widerspruch zu der in Westeuropa, z. B. und besonders in Frankreich, vorkommenden Konzeption der staatlichen Nation steht, die eben nicht an den ethnos anknüpfen will.167 Auch wären, wenn die Prämisse richtig sein sollte, erhebliche Schwierigkeiten vorprogrammiert, bestimmte Staaten, wie z. B. Belgien oder die Schweiz, die sich aus unterschiedlichen Volksgruppen zusammensetzen, als Demokratien einzuordnen, die sie aber doch im Bewusstsein der Staatengemeinschaft unzweifelhaft sind.168 Zweitens sind Parallelen zur Diskussion, ob das europäische Primärrecht als europäisches Verfassungsrecht angesehen werden könne, unverkennbar. Dort wie hier zeigt sich, dass die traditionellen Auffassungen wie die Koppelung von Staat und Verfassung oder Nationalstaat und Volk auf Ebene der EU / EG nicht einfach nachvollzogen werden können, sondern wegen der Neuartigkeit der rechtlichen Struktur der EU / EG hinterfragt und modifiziert werden müssen. Als drittes und methodisch gewichtigstes Argument ist aber die – wie gezeigt – ausdrückliche normative Verankerung des Demokratieprinzips im europäischen Primärrecht zu nennen, welche bei einer positivrechtlichen Herangehensweise stets im Vordergrund stehen muss.169
Eine eigene Definition des Inhalts des Demokratiegebotes enthält das europäische Recht nicht. Auch ein einfacher Rückgriff auf die Erkenntnisse zum normativen Inhalt des Demokratieprinzips aus dem deutschen Grundgesetz verbietet sich.170 Vielmehr ist auf autonome Weise ein eigener „unionsspezifischer Demokratiebegriff“171 zu bilden,172 wobei für die Bestimmung des Inhalts methodisch liche Wende?, DVBl. 1993, 628, 634; Breuer, Die Sackgasse des neuen Europaartikels (Art. 23 GG), NVwZ 1994, 417, 424. 167 Mit weiteren Beispielen Oeter, ZaöRV 55 (1995), 659, 691 f.; ähnlich Heitsch, EuR 2001, 809, 816; Bryde, StWStPr 5 (1994), 305, 309 f.; für eine Unterscheidung in staatstheoretischem und im ethnischen Sinne auch Schmitz, EuR 2003, 217, 219 f.; für die Demokratiefähigkeit der Union auch Pernice, in: Dreier, Art. 23 Rn. 54 ff. 168 Heitsch, EuR 2001, 809, 816; Oeter, ZaöRV 55 (1995), 659, 691. 169 So deutlich v. Bogdandy, in: ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149, 173. 170 Vgl. z. B. v. Bogdandy, in: ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149, 173; Beutler, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 19; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 Rn. 106; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 95. 171 Beutler, in: v. d. Groeben / Schwarze, Art. 6 EUV Rn. 8. 172 Dies ergibt sich aus mehreren Gründen: Erstens hat sich im Verfassungsrecht jedes Mitgliedstaates der EU / EG mit der Zeit ein spezifischer Demokratiebegriff herausgebildet, der zwar im Kern mit demjenigen anderer Mitgliedstaaten vergleichbar ist, sich an seinen Rändern und Konturen aber durchaus von diesen unterscheiden kann. Auf Ebene des Gemeinschaftsrechts nur den Inhalt des deutschen grundgesetzlichen Demokratiebegriffs zu verwenden, würde das Postulat der Gleichheit und Gleichwertigkeit der Verfassungstraditionen der einzelnen Mitgliedstaaten verkennen (v. Bogdandy, FS Badura, S. 1033, 1043). Zweitens setzen die besonderen rechtlichen Wesensmerkmale und organisatorischen Strukturen der EU und der EG der einfachen Übertragbarkeit von Inhalten des nationalen Verfassungsrechts auf
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
auf die Ergebnisse aus einer vergleichenden Analyse der Ausgestaltung des Demokratieprinzips in den Mitgliedstaaten sowie den Bindungen, denen die Gemeinschaft aus anderen internationalen Rechtstexten173 unterliegt, rekurriert werden kann.174 Daraus ergibt sich, dass zum Kernbereich des europarechtlichen Demokratieprinzips freie Wahlen, das Mehrheitsprinzip, der Minderheitenschutz, die Meinungsfreiheit und die Selbstbestimmung der Regierten gehören.175 Für die Beurteilung der Rezeption privater Regeln in das Gemeinschaftsrecht von zentraler Bedeutung ist die Gewährleistung freier Wahlen, denn darin kommt einerseits zum Ausdruck, dass Herrschaftsausübung nur auf Zeit erfolgen und andererseits die ausgeübte Herrschaft periodisch kontrolliert werden soll. Die Institution freier Wahlen macht zum weiteren deutlich, dass sich jegliche Wahrnehmung von Hoheitsgewalt – dazu gehört auch die Gesetzgebung – auch auf europäischer Ebene auf ein Legitimationssubjekt zurückführen, „rückkoppeln“ lassen muss.176 Dabei ist ein hinreichend enger Legitimationszusammenhang zwischen dem Legitimationssubjekt sowie dem Ausübenden der Hoheitsgewalt vonnöten.177 Sinn der demokratischen Rückkoppelung liegt im Kern darin, dass die Menschen, die einer Hoheitsgewalt ausgesetzt sind, daran beteiligt sein sollen, personell und inhaltlich an der Auswahl derjenigen mitzuwirken, die diese Hoheitsgewalt exerzieren.178 Auf Ebene des deutschen Grundgesetzes wird zwischen drei verschiedenen Legitimationsformen unterschieden:179 Personelle Legitimation der Ausübung staatlicher Gewalt meint die Ebene des Europarechts Grenzen (Hilf / Schorkopf, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 26; Rönck, Technische Normung, S. 172 f., 185). 173 Als internationale Rechtstexte kommen für die Bestimmung des Demokratieprinzips in Betracht die EMRK mitsamt Zusatzprotokollen, das Dokument der Kopenhagener Konferenz über die menschliche Dimension der KSZE vom 29. 06. 1990, die Charta von Paris für ein neues Europa vom 19. / 20. 11. 1990 sowie zahlreiche Verlautbarungen von Organen der EG. 174 Vgl. zur Methodik der Konkretisierung des Demokratiebegriffs bspw. Hilf / Schorkopf, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 12 ff.; Bleckmann, JZ 2001, 53 mit einer ausführlichen verfassungsrechtsvergleichenden Analyse; Scheel, Privater Sachverstand, S. 154 f.; Schorkopf, Homogenität, S. 79 ff. 175 Beutler, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 20; Bleckmann, JZ 2001, 53, 54 ff.; Schwarze, in: ders., Verfassungsordnung, S. 463, 522 ff. 176 Schmitz, EuR 2003, 217, 225 f. bezeichnet das Rückkoppelungsgebot als „Kernanliegen der demokratischen Idee“. 177 Für das deutsche Grundgesetz insoweit BVerfG, Beschl. v. 24. 05. 1995, 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37, 66; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 9; Dreier, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 104. Zu dem Gebot hinreichend effektiver Legitimation auf europäischer Ebene Huber, Europäische Integration, Rn. 75; Schmitz, EuR 2003, 217, 226. 178 Angedeutet vom BVerfG, Urt. vom 02. 03. 1977, 2 BvE 1 / 76, BVerfGE 44, 125, 142; Zuleeg, JZ 1993, 1069, 1072; Epping, Der Staat 36 (1997), 349, 358; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 23 Rn. 23; im Ergebnis wohl auch Huber, in: Drexl, Europäische Demokratie, S. 27, 33 f. 179 Böckenförde, in: Hdb des Staatsrechts II 2004, § 24 Rn. 14; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 163; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 35.
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die Existenz einer ununterbrochenen Legitimationskette vom Volk bis zum Staatsgewalt ausübenden Amtswalter.180 Mit sachlich-inhaltlicher Legitimation hingegen ist die inhaltliche Bindung der Wahrnehmung staatlicher Gewalt an den Willen des Volkes gemeint.181 Im engen Zusammenhang dazu steht die funktionell-institutionelle Legitimation, welche die direkte Rückführung der Existenz bestimmter Institutionen, wie z. B. der Rechtsprechung oder der Exekutive, auf den im pouvoir constituant zu Tag getretenen Volkswillen markiert und diesen damit eine besondere demokratische Existenzberechtigung verleiht.182 Diese drei Legitimationswege sind nicht exklusiv oder alternativ, sondern als nebeneinander stehende komplementäre Möglichkeiten zu verstehen, die die Vermittlung eines nicht absolut, sondern nur in einer Gesamtschau normativ zu bestimmenden ausreichenden Legitimationsniveaus bewirken können.183 Das kann dazu führen, dass ein Akt staatlicher Gewalt noch als ausreichend demokratisch legitimiert anzusehen sein wird, auch wenn eine der Legitimationsformen in concreto schwach ausgeprägt ist, sofern dieser schwächere Legitimationsstrang durch die stärkere Ausbildung einer anderen Legitimationsform kompensiert wird.
Aufgrund ihres universellen Gehalts sowie ähnlicher bis identischer Konzeptionen in anderen europäischen Verfassungsordnungen lassen sich diese Legitimationsformen in ihrem Kerngehalt auf die europäische Ebene übertragen.184 Anders als im nationalen Verfassungsrecht, wo sich die Ausübung von Hoheitsgewalt aufgrund des Prinzips der Volkssouveränität stets auf das Staatsvolk zurückführen lassen muss, existiert auf europäischer Ebene kein „europäisches Volk“ als mögliches Legitimationssubjekt. 185 Aufgrund der spezifischen Struktur des Gemeinschaftsrechts und dem textlichen Befund, der einerseits von der Existenz der „Völker Europas“, andererseits von der Existenz des „Unionsbür180 BVerfG, Beschl. v. 15. 02. 1978, 2 BvR 134, 268 / 76, BVerfGE 47, 253, 275; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 Rn. 53; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 164; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 9a; Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 267. 181 BVerfG, Beschl. v. 24. 05. 1995, 2 BvF 1 / 92, BVerfGE 93, 37, 67; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 Rn. 48; Böckenförde, in: Hdb des Staatsrechts II 2004, § 24 Rn. 21; Dreier, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 107; Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 20. 182 BVerfG, Urt. v. 18. 12. 1984, 2 BvE 13 / 83, BVerfGE 68, 1, 88; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 197; Böckenförde, in: Hdb des Staatsrechts II 2004, § 24 Rn. 15; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 169; Dreier, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 105. 183 Böckenförde, in: Hdb des Staatsrechts II 2004, § 24 Rn. 14, 23; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 170; Dreier, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 108. 184 Ohne nähere argumentative Begründung erfolgt eine Verknüpfung von primärrechtlichem Demokratieprinzip und personeller wie sachlicher Legitimation bereits bei Classen, AöR 119 (1994), 238, 243 ff.; Scheel, Privater Sachverstand, S. 158 ff.; Epping, Der Staat 36 (1997), 349, 358 ff. 185 So die ganz h. M. v. Bogdandy, in: ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149, 173; Classen, AöR 119 (1994), 238, 241; Zuleeg, JZ 1993, 1069, 1071; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, Art. 23 Rn. 23; v. Simson, EuR 1991, 1 ff.; Epping, Der Staat 36 (1997), 349, 357; Hilf / Schorkopf, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 26; a. A. Schmitz, EuR 2003, 217, 222, der von der Existenz eines europäischen Volkes i. S. e. „europäischen Unionvolks“ ausgeht.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
gers“186 als originäres gemeinschaftsrechtliches Institut spricht (Art. 17 EGV), ist davon auszugehen, dass das europäische Verfassungsrecht von zwei voneinander verschiedenen Legitimationssubjekten ausgeht, auf welche sich die Ausübung von europäischer Hoheitsgewalt zurückführen lassen muss: Einerseits die Völker Europas, andererseits die Unionsbürger.187 Mit der Festlegung der Legitimationssubjekte steht somit fest, welche Anforderungen an die Ausübung von Hoheitsgewalt durch Gemeinschaftsgesetzgebung zu stellen sind, um dem aus dem Demokratieprinzip resultierenden Legitimationszusammenhang zu genügen: Um die Völker der Mitgliedstaaten als Legitimationssubjekte zu erreichen, ist der Rekurs auf das Organ „Ministerrat“ erforderlich, da dieser sich aus den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten zusammensetzt, welche wiederum von den nationalen Parlamenten oder einem direkt gewählten Präsidenten ernannt wurden und damit die notwendige Rückkoppelung zum Staatsvolk des Mitgliedstaates gewährleisten. Zusätzlich wird die legitimatorische Rückkoppelung durch die Einschaltung des von den Unionsbürgern direkt gewählten Europäischen Parlamentes in die Ausübung gemeinschaftsrechtlicher Hoheitsgewalt gewährleistet.188 Es gibt also zwei komplementäre Legitimationsstränge für die Gewährleistung der demokratischen Legitimation gemeinschaftsrechtlichen Handelns, welche sich gegenseitig ergänzen und zusammen ein ausreichendes demokratisches Legitimationsniveau erreichen. Auch der „Vertrag über eine Verfassung in Europa“189 bestätigt das „Prinzip der dualen Legitimation“.190 Gem. Art. I-46 Abs. 2 sollen die Bürgerinnen und Bürger auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten sein. Neben dieses demokratische Legitimationssubjekt treten die Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten, welche im Europäischen Rat von ihrer jeweiligen Regierung vertreten werden und damit mittelbar an der Ausübung von gemeinschaftlicher Hoheitsgewalt beteiligt sind.191 186 Zum Rechtsinstitut des Unionsbürgers gem. Art. 17 EGV siehe Kadelbach, in: Drexl, Europäische Demokratie, S. 89 ff., ders., in: v. Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 539 ff.; sowie Oppermann, Europarecht, § 24 Rn. 1 ff. 187 BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155, 184 ff.; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 23 Rn. 23; v. Bogdandy, in: ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149, 174; Huber, in: Drexl, Europäische Demokratie, S. 27, 57; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 95; Oeter, ZaöRV 55 (1995), 659, 681 ff.; Beutler, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 23; Magiera, FS Everling, S. 789, 796. 188 Siehe bereits BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, BVerfGE 89, 155, 184 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 95; Badura, in: Hdb des Staatsrechts II 2004, § 25 Rn. 67; Beutler, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 22; Stumpfe, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 10, 11; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 23 Rn. 23, 24; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 23 Rn. 57. 189 ABl. C 310 vom 16. 12. 2004, S. 1. 190 v. Bogdandy, in: ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149, 174. 191 Näher dazu Magiera, DÖV 2003, 578, 582; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 96 m. w. N.; unter rechtspolitischen Gesichtspunkten Sack, Der Staat 44 (2005), 67, 86 ff.
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Zurzeit ist allerdings der Legitimationsstrang, welcher auf die Staatsvölker der Mitgliedstaaten zurückführt, im institutionellen Gefüge der EU / EG viel deutlicher ausgeprägt als der Legitimationsstrang, der über das Europäische Parlament zu den Unionsbürgern führt.192 Diese Tatsache ist solange verfassungsrechtlich unproblematisch, wie das aus dem europarechtlichen Demokratieprinzip entspringende Gebot der hinreichend effektiven demokratischen Legitimation gewahrt ist.193
2. Europarechtliches Rechtsstaatsprinzip Art. 6 Abs. 1 EUV ist gleichfalls normativer Anknüpfungspunkt für die Geltung des Rechtsstaatsprinzips in der Europäischen Union sowie in der Europäischen Gemeinschaft.194 Anders als das Demokratieprinzip, das über lange Zeit keine Erwähnung im Europarecht gefunden hat, entwickelte sich bereits seit den 1950er Jahren und somit seit dem Beginn der europäischen Integration die klare Überzeugung, dass die damaligen europäischen Gemeinschaften eine „Rechtsgemeinschaft“ bilden und die Verträge der Gemeinschaft auch der Wahrung dieser Rechtsgemeinschaft zu dienen hätten.195 Der Begriff der Rechtsstaatlichkeit erscheint erst später mit dem Vertrag von Maastricht im 3. Erwägungsgrund der Präambel zum EUV, wo er auch heute weiterhin seinen Platz findet, und wird mit dem Vertrag von Amsterdam in Art. F Abs. 1 EUV, dem heutigen Art. 6 Abs. 1 EUV, verankert. Abgesehen von vereinzelten Verwendungen des Begriffs des „Rechtsstaats“ in der Judikatur des EuGH,196 findet ein Rückgriff auf den Begriff „Rechtsstaat“ im europäischen Recht eher selten statt. Insgesamt besteht stattdessen die Tendenz, besonders seitens des EuGH, im Europarecht den Begriff der „Rechtsgemeinschaft“ stärker hervorzuheben.197 Dies mag damit zu tun haben, dass schon die Begrifflichkeit des „Rechtsstaates“ nicht besonders gut auf die EU / EG passt, da diese nicht als „Staat“ im traditionellen Sinne verstanden werden können.198 Allerdings beeinträchtigen diese unterschiedlichen Begrifflichkeiten nicht die prinzipielle Geltung eines „Rechtsstaatsprinzips“ im Europarecht. 192 Siehe nur BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, BVerfGE 89, 155, 184 ff. sowie v. Bogdandy, FS Badura, S. 1033, 1046. 193 Zu dem Gebot hinreichend effektiver Legitimation auf europäischer Ebene Huber, Europäische Integration, Rn. 75; Schmitz, EuR 2003, 217, 226. Zu den Folgerungen für das Endorsement, wie es in der IAS / IFRS-Gesetzgebung vorgesehen ist, siehe unten Kapitel 2 B. III. 3. 194 Siehe nur Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl., Art. 6 EUV Rn. 6 ff. 195 Der Begriff der „Rechtsgemeinschaft“ geht auf den ersten Präsidenten der europäischen Kommission, Walter Hallstein, zurück: Hallstein, Europäische Reden, S. 341 ff. Zum Begriff der Rechtsgemeinschaft auch Zuleeg, NJW 1994, 545. 196 EuGH, Urt. vom 13. 02. 1979, Rs. 101 / 78, „Granaria“, Slg. 1979, 623, Rn. 5. 197 Z. B. EuGH, Urt. vom Urteil vom 23. 10. 1986, Rs. 294 / 83, „Les Verts“, Slg. 1983, 1339, Rn. 23; Beutler, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 35; Kingreen, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, 2. Aufl., Art. 6 EUV Rn. 6; Hofmann, in: ders., Rechtsstaatlichkeit, S. 321, 323 f.; jüngst auch vom BVerfG, Beschl. vom 18. 07. 2005, 2 BvR 2236 / 04, NJW 2005, 2289, 2291 bestätigt. 198 Schorkopf, Homogenität, S. 94 f.; Stumpf, in: Schwarz, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 15; Beutler, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 35. Der Begriff des Rechts-
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Eine eigenständige Definition des europarechtlichen Rechtsstaatsgebotes findet sich im Primärrecht nicht, wohl aber einzelne Vorschriften, die das Rechtsstaatsprinzip näher konkretisieren. Zudem kommen einzelne Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips, welche nicht schriftlich im Primärrecht normiert sind, als sog. „allgemeine Rechtsgrundsätze“ für das Europarecht zur Anwendung.199 Für die Untersuchung der Rezeption privater Regeln durch den Gesetzgeber von besonderer Bedeutung sind als Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips auf Ebene des Europarechts das Prinzip der Rechtssicherheit, das seinen Ausdruck im Bestimmtheits-, Klarheits- sowie im Publikationsgebot findet, sowie das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts als funktionales Äquivalent zum Gewaltenteilungsgrundsatz. Während das Prinzip der Rechtssicherheit ganz ähnlich zu demjenigen des deutschen Verfassungsrechts ausgestaltet ist,200 ist das Prinzip des institutionellen Gleichgewichtes spezifisch für das Europarecht. Denn dem Europarecht ist ein aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierender „klassischer“ Gewaltenteilungsgrundsatz, wie ihn das deutsche Recht kennt, aufgrund der besonderen Natur und Struktur der Gemeinschaft fremd.201 Vielmehr lässt sich beobachten, wie einzelne Organe der Gemeinschaft Aufgaben wahrnehmen, die im klassischen Verständnis der Gewaltenteilung jeweils separaten Organen zugeordnet wären.202 Lediglich die Judikative ist auf europäischer Ebene eindeutig und ausschließlich dem Gerichtshof sowohl in organisatorischer als auch in funktioneller Hinsicht zugeordnet.203 Nichtsdestotrotz lassen sich auch auf europäischer Ebene Strukturmerkmale finden, welche im Ergebnis die Zwecke, die mit der Gewaltenteilung im Sinne des Rechtsstaatsprinzips verfolgt werden, erreichen und deshalb für die Beurteilung der gesetzlichen Übernahme von privaten Regelwerken von Bedeutung sind. Wenn Aufgabe der Gewaltenteilung die Begrenzung hoheitlicher Machtausübung zur besseren Kontrolle derselben durch den Bürger ist und dies zudem durch gegenseitige Überwachung der mit eigenständigen Kompetenzen ausgestatteten Gewalten geschehen soll (checks and balances) – denn die Gewaltenteilung ist im Kern nichts anderes als ein Strukturprinzip, das den jeder Institution innewohnenstaats aus Art. 6 Abs. 1 EUV wurde in den anderen Sprachen der Gemeinschaft entsprechend mit z. B. „l’Etat de droit“ oder „stato di diritto“ übersetzt. 199 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 Rn. 24; Zacker / Wernicke, Europarecht, S. 82; zur Gewinnung allgemeiner Rechtsgrundsätze z. B. Koenig / Harratsch / Pechstein, Europarecht, Rn. 260 ff. 200 Vgl. Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 27. 201 Hofmann, in: ders., Rechtsstaatlichkeit, S. 321, 325; Oppermann, Europarecht, § 5 Rn. 10; Schorkopf, Homogenität, S. 97; Zuleeg, NJW 1994, 545, 548, für Schmidt-Aßmann, in: Hdb des Staatsrechts II 2004, § 26 Rn. 106 wird dadurch ein „Rechtsstaatsdefizit“ indiziert. 202 Der Rat nimmt beispielsweise sowohl legislative als auch exekutive Funktionen wahr. 203 Pernice, in: Dreier, GG, Art. 23 Rn. 65; Schorkopf, Homogenität, S. 98; Zuleeg, NJW 1994, 545, 548.
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den Expansionswillen durch das Entgegensetzen mindestens einer anderen expansionswilligen Institution instrumentalisiert und gleichzeitig teilweise neutralisiert –, dann führt auf Ebene des Europarechts das austarierte System der Existenz unterschiedlicher Organe und ihnen zugewiesener Kompetenzen dazu, dass im Ergebnis funktional die Aufgabe der Gewaltenteilung auch im Europarecht erreicht wird. In diesem Sinne kann das vom EuGH entwickelte und aus Art. 7 EGV abgeleitete Konzept des „Prinzips des institutionellen Gleichgewichts“ als die funktional modifizierte „Parallele“204 des europäischen Primärrechts zum Gewaltenteilungsgebot der Mitgliedstaaten angesehen werden.205 Dieses „Prinzip des institutionellen Gleichgewichts“ verpflichtet nach der Konzeption des EuGH die Gemeinschaftsorgane, bei der Ausübung der ihnen zustehenden Kompetenzen die Zuständigkeiten der anderen Organe zu wahren.206 Im Umkehrschluss kann zudem gefolgert werden, dass das jeweilige Organ die ihm zugewiesenen Aufgaben gewissenhaft wahrnimmt, um so das allgemeine Funktionieren des Kompetenzgefüges zu ermöglichen.207 Allerdings ist zu konstatieren, dass die verfassungsrechtliche Beurteilung von Kompetenzverschiebungen im institutionellen Gefüge der Gemeinschaftsorgane häufig anhand von speziellen Normen, welche als Konkretisierungen des Prinzips des institutionellen Gleichgewichts anzusehen sind, vorgenommen werden kann, so z. B. die Möglichkeit der Delegation anhand von Art. 202, 3. Sp., 211, 4. Sp. EGV.208
di Fabio, Produktharmonisierung, S. 92. Hofmann, in: ders., Rechtsstaatlichkeit, S. 327; Kluth, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 189 EGV Rn. 8; Hilf / Schorkopf, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 6 EUV Rn. 30; Oppermann, Europarecht, § 5 Rn. 10; wohl Koenig / Harratsch / Pechstein, Europarecht, Rn. 80 ff.; Classen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 23 Rn. 37; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 Rn. 25; Triantafyllou, Vom Vertrags- zum Gesetzesvorbehalt, S. 53; kritisch zum normativen Gehalt des Prinzips des institutionellen Gleichgewichts Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 4 Rn. 11; Bieber, Verfahrensrecht der Verfassungsorgane, S. 102 f.; Hummer, FS Verdross, S. 459, 484 f.; Zuleeg, NJW 1994, 545, 548; allgemein zur Gewaltenteilung in der EG Lenaerts, CMLR 1991, 11 ff. 206 Z. B. EuGH, Urt. vom 29. 10. 1980, 138 / 79, „Roquettes Frères“, Slg. 1980, 3333, Rn. 33. 207 Bestätigt wird diese These durch die Existenz einer „Untätigkeitsklage“ in Art. 232 EGV, wonach die Mitgliedstaaten und die anderen Gemeinschaftsorgane unter bestimmten Voraussetzungen beim Gerichtshof Klage auf Feststellung einer Vertragsverletzung erheben können, wenn das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission unter Verletzung des Vertrages es versäumt haben, einen Beschluss zu fassen. 208 So etwa Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 120. 204 205
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
3. Bislang einhellige Auffassung im Schrifttum: Das Rezeptionsmodell der Inkorporation ist mit dem Demokratieund Rechtsstaatsprinzip vereinbar Das Rezeptionsmodell der Inkorporation wird bislang – im Gegensatz zu den anderen Rezeptionstypen und vor allem im Gegensatz zur dynamischen Verweisung – sowohl im nationalen als auch im europäischen Recht als verfassungsrechtlich, insbesondere auch im Hinblick auf das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip, unproblematisch eingestuft.209 Dieses Ergebnis begründet sich u. a. damit, dass die Inkorporation „keine Besonderheiten gegenüber beliebiger staatlicher Normsetzung“ aufweise.210 Der Gesetzgeber erlasse einen Rechtsakt, dessen Inhalt zwar aus der privaten Norm stammt, welche aber lediglich eine „Formulierungshilfe“ darstelle.211 Dieser hoheitliche Rechtsakt werde im übrigen vom Gesetzgeber völlig frei in einem ordnungsgemäßen Legislativverfahren, bei dem jedes beteiligte Organ Gelegenheit hat, Einwände zu formulieren, und in dem die zu übernehmenden privaten Regeln überprüft würden, erlassen, wodurch der Gesetzgeber im Ergebnis mit der Verabschiedung des Rechtsakts die ursprünglich fremden privaten Regeln „in seinen Rechtsetzungswillen“ aufnehme.212 Aus diesem Grunde bleibe die Entscheidung des Gesetzgebers sowohl in personeller als auch in materieller Hinsicht demokratisch an die Bürger zurückgekoppelt, eine gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßende Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf einen demokratisch nicht legitimierten privaten Akteur geschehe nicht. Überprüft man anhand der genannten Begründungen den Rezeptionsmechanismus „Endorsement“, so erscheint dieser auf den ersten Blick und im Einklang mit der einhelligen Auffassung zur allgemeinen rechtlichen Zulässigkeit von „Inkorporationen“ mit dem europarechtlichen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip vereinbar. Wenn die Kommission über die Anwendbarkeit der IAS / IFRS beschließt und diese bei einem positiven Votum anschließend mittels (Übernahme-)Verordnungen in das Gemeinschaftsrecht inkorporiert, dann lässt sich ihr gesetzgeberisches Handeln in personell-legitimatorischer Sicht auf die IAS / IFRS-Basisverordnung zurückführen, der von Europäischem Parlament und Rat gemeinsam erlassen wurde und somit eine doppelte personelle Rückkoppelung an die Völker der Mitgliedstaaten als auch an die Unionsbürger ermöglicht. In sachlich-inhaltlicher Sicht er209 Siehe nur (auch für das Europarecht) Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 318, 732 f.; Rönck, Technische Normen, S. 195; Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 136; Schmeder, Rechtsangleichung, S. 90; Marburger, in: Müller-Graff, Technische Regeln, S. 27, 33 f.; Starkowski, Angleichung, S. 78. 210 Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 136; ähnlich auch Starkowski, Angleichung, S. 78. 211 A. Brunner, Technische Normen, S. 124. 212 Rönck, Technische Normen, S. 195; Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 318, 733.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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folgt das Handeln der Kommission in Übereinstimmung mit den Voraussetzungen, wie sie in der Basisverordnung verlangt werden, so dass auch hier vom Bestehen einer sachlich-inhaltlichen Legitimation gesprochen werden kann. In rechtsstaatlicher Sicht wird durch die Inkorporationsentscheidung der Kommission das rechtsstaatliche Prinzip des institutionellen Gleichgewichts gewahrt, indem die Kommission die Entscheidung über die Verbindlichkeit privater Regeln selbst und in Übereinstimmung mit einem Ermächtigungsrechtsakt vornimmt. Die Herbeiführung der Verbindlichkeit der IAS / IFRS erfolgt eben nicht durch ein privates, im institutionellen Gefüge nicht vorgesehenes Gremium. Zudem ordnet in Übereinstimmung mit Art. 254 Abs. 2 EGV der Art. 3 Abs. 4 der IAS / IFRS-Basisverordnung die Veröffentlichung der in den Kommissionsverordnungen übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards in allen Amtssprachen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft an. Damit wird dem rechtsstaatlichen Publikationsgebot Rechnung getragen, womit den Adressaten der Rechnungslegungspflichten die Möglichkeit gegeben wird, schnell und zuverlässig Zugang und Klarheit über die sie treffenden Pflichten zu erlangen. Im Ergebnis ist also zunächst zu konstatieren: Das Endorsement von IAS / IFRS ist – ausgestaltet als Inkorporation privater Regeln – europarechtlich formal zulässig.
IV. Spezifische Aspekte des Endorsement, die seiner prinzipiellen rechtlichen Unbedenklichkeit entgegenstehen können Obwohl die erste juristische Analyse zum Ergebnis geführt hat, dass das Endorsement in Anknüpfung an seine Einordnung als Inkorporation und im Einklang mit der bislang einhelligen Meinung zur rechtlichen Zulässigkeit des Rezeptionsmodells „Inkorporation“ als europarechtlich unbedenklich einzustufen ist, besteht Veranlassung, gerade im Hinblick auf das durch die IAS / IFRS-Rechtsakte vorgesehene Endorsement der privaten Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS kritisch näher zu hinterfragen, ob die Argumente, die die einhellige Ansicht für die Unbedenklichkeit von Inkorporationen vorgebracht hat, auch im Falle des Endorsement wirklich zutreffen. Denn es gibt eine Reihe spezifischer Umstände, die Zweifel an dem Urteil der rechtlichen Unbedenklichkeit des Endorsement wecken. Die Untersuchung will im Folgenden alle in Betracht kommenden Umstände analysieren, die gegen die Europarechtskonformität des Endorsement sprechen könnten, und dabei eine systematische Erörterung auch der Vorbehalte, die in der Literatur bislang schon diskutiert wurden, leisten. Dabei wird sich zeigen, dass die These von der stets gegebenen Unbedenklichkeit des Rezeptionsmodells „Inkorporation“ nicht uneingeschränkt gelten und nur in modifizierter Weise fortbestehen kann. Wo möglich und notwendig, werden Vorschläge zur Verbesserung des Endorsement gemacht.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
1. Wertungsmäßige Einordnung des Endorsement als faktische dynamische Verweisung? Die These der Unbedenklichkeit des Endorsement würde erschüttert, wenn bereits die ihr zugrunde liegende Prämisse, nämlich die Zuordnung des Endorsement zum Rezeptionsmodell der „Inkorporation“ nicht zutreffen würde.
a) Dynamisierung des Endorsement und faktischer Zwang zur Übernahme jeglicher IAS / IFRS In diesem Sinne wird die rechtliche Unbedenklichkeit des Endorsement in der Literatur tatsächlich in Frage gestellt. Die Vertreter dieser Auffassung konzedieren zwar (implizit), dass es sich beim Endorsement formell um eine Inkorporation handelt. In einem zweiten Schritt gehen sie allerdings davon aus, dass das Endorsement bei wertungsmäßiger Betrachtung als faktische dynamische Verweisung zu qualifizieren sei, die im Ergebnis wegen Verstoßes gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip europarechtlich unzulässig sei.213 Joachim Schulze-Osterloh formuliert pointiert: „Materiell, wenn auch nicht der Rechtsform nach, ist die Befugnis zur Rechtsetzung einer privatrechtlichen Institution anvertraut worden. Mit dem Demokratieprinzip ist dieser Zustand nicht vereinbar.“214
Mit der Einordnung als faktische dynamische Verweisung greifen die Vertreter dieser Ansicht zurück auf die weitgehend einheitliche Bewertung der dynamischen Verweisung auf Normen privater Akteure im Anschluss an die pionierartigen Untersuchungen von Fritz Ossenbühl und Ulrich Karpen als rechtlich unzulässig.215 Nach dieser Auffassung verstoßen dynamische Verweisungen auf private Normen kurz gesagt (1.) gegen das Demokratieprinzip, weil inhaltlich ein in personeller und sachlicher Hinsicht demokratisch nicht legitimiertes privates Gremium über 213 Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173, 174; Merschmeyer, Kapitalschutzfunktion, S. 151, 152; kritisch auch Hennrichs, ZHR 170 (2006), 498, 512. Der Begriff „faktische dynamische Verweisung“ ist dabei als präzisierender Komplementärbegriff zu einer der Rechtsform nach vorliegenden dynamischen Verweisung zu verstehen. 214 Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173, 174. 215 Ossenbühl, DVBl. 1967, 401, 403 ff.; Karpen, Verweisung, S. 135, 161 f., Breuer, AöR 101 (1976), 46, 65 f.; Staats, ZRP 1978, 59, 62; Arndt, JuS 1979, 784 ff.; Marburger, Regeln der Technik, S. 390 ff.; Röhling, Technische Normen, S. 117 ff.; Schmeder, Rechtsangleichung, S. 88 f.; Sachs, NJW 1981, 1651; Schenke, FS Fröhler, S. 87, 108 ff.; Augsberg, Rechtsetzung, S. 175 f.; Lücke, in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 82, Rn. 9; Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa, S. 431, 443; Rönck, Technische Normen, S. 162; Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 336 ff. m. w. N.; a. A. Ehricke, EuZW 2002, 746, 750, dessen Ausführungen sich jedoch auf den spezifischen Fall der Rechtsangleichung technischer Normen mittels Richtlinien nach der Herangehensweise der sog. „Neuen Konzeption“ durch die Kommission beziehen. A. A. für die – hier nicht vorliegende – normkonkretisierende dynamische Verweisung z. B. Clemens, AöR 111 (1986), 63, 107 ff.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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den Inhalt von verbindlichen Gesetzen bestimmte, (2.) gegen das Rechtsstaatsprinzip in der Ausprägung als Gewaltenteilungsgrundsatz bzw. Prinzip des institutionellen Gleichgewichts, weil ein verfassungsrechtlich nicht vorgesehenes (privates) Organ unter Umgehung der verfassungsrechtlich vorgesehenen Vorschriften für die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen die Rechtsetzung in der Sache übernehme, und (3.) gegen das Rechtsstaatsprinzip in der Ausprägung als Bestimmtheits-, Klarheits- und Publizitätsgebot, weil die privaten Regeln als Verweisungsobjekt nicht den rechtlich vorgesehenen Anforderungen an die Verkündung und den Zugang zu geltendem Recht entspräche.216 Das charakteristische Merkmal der dynamischen Verweisung besteht darin, dass dem Erlass der Verweisungsnorm zeitlich nachfolgende Änderungen des Verweisungsobjekts automatisch von der Verweisungsnorm erfasst sind und die private Regel damit unmittelbar rechtliche Verbindlichkeit im normativen Range der Verweisungsnorm erlangt.217 Im Übernahmemechanismus der privaten Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS erkennen manche deshalb eine faktische dynamische Verweisung, weil die Kommission als das Organ, welches über die Übernahme der privaten internationalen Rechnungslegungsregeln entscheide, de facto gezwungen sei, alle internationalen Rechnungslegungsstandards zu übernehmen.218 Dieser faktische Zwang ergebe sich aus mehreren, dem Endorsement der IAS / IFRS inhärenten Umständen: Ein wesentliches Argument für das Bestehen eines faktischen Zwangs zur Übernahme jeglicher IAS / IFRS durch den Gemeinschaftsgesetzgeber könnte in der Zielsetzung der IAS / IFRS-Rechtsakte als solche gesehen werden. Ein erklärtes politisches Hauptziel der IAS / IFRS-Basisverordnung ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen auf den einheimischen sowie auf den Weltkapitalmärkten bei der Aufnahme von Finanzmitteln, welche dadurch erreicht werden soll, dass diese Unternehmen Rechnungslegungsstandards anwenden, „die 216 Zu diesen Argumenten nur Karpen, Verweisung, S. 132 ff.; Marburger, Regeln der Technik, S. 390 ff.; Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 336 ff. Diese Argumente gelten im übrigen in gleicher Weise für das Gemeinschaftsrecht, siehe dazu Röhling, Technische Normen, S. 126 f.; Schmeder, Rechtsangleichung, S. 88 f.; Starkowski, Angleichung, S. 122 f., Rönck, Technische Normen, S. 161 f.; Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 336 ff.; im Ergebnis auch Augsberg, Rechtsetzung, S. 222; Heintzen, BB 2001, 825, 827. 217 Siehe oben Kapitel 2 B. II. 1. a) aa) (2). 218 So Kahle, WPg 2003, 262, 263; Euler, BB 2002, 875, 876; Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173, 174; ders., ZIP 2003, 93, 99; Berndt / Hommel, BFuP 2005, 407, 413; tendenziell Merschmeyer, Kapitalschutzfunktion, S. 152, 153; zweifelnd Hennrichs, ZHR 170 (2006), 498, 512 f.; kritisch auch Hommelhoff, in: GroßkommHGB, § 292a Anh. Rn. 11, der von einer „Unterwerfungserklärung unter die Standards eines privaten Gremiums“ spricht; Kleindiek, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, S. 1115, 128; ohne deutliche Festlegung hingegen Link, in: Schön, Maßgeblichkeit, S. 207, 260 f.; P. Buck, JZ 2004, 883, 886. Viele der genannten Autoren beschreiben allerdings lediglich die faktische Zwangssituation, ohne daraus konkrete verfassungsrechtliche Probleme oder Folgen ableiten zu wollen.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
international anerkannt sind und wirkliche Weltstandards darstellen.“219 Als Rechnungslegungsregeln, die diesen Anforderungen an internationaler Ausrichtung und Akzeptanz nachkommen, werden in der EU die IAS / IFRS angesehen.220 Eine wirksame Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist jedoch nur dann geschafft, wenn die IAS / IFRS einheitlich auf der gesamten Welt gelten. Da die Kommission im Anerkennungsverfahren vom IASB entwickelte neue oder geänderte Standards oder Interpretationen ganz oder partiell ablehnen kann, wenn diese mit den materiellen Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRSBasisverordnung nicht übereinstimmen, mit der Folge, dass diese nicht als Gemeinschaftsrecht verbindlich sind, besteht die theoretische Möglichkeit, dass „EUIAS / IFRS“ geschaffen werden, die von dem allgemeinen System der IAS / IFRS seitens des IASB divergieren.221 Damit entwickelt sich die Gefahr, dass die Konzernabschlüsse der EU-Unternehmen – entgegen der Erwartungen der Kapitalmarktakteure – nicht mehr international vergleichbar sind. Diese Gefahr kann am besten dadurch gebannt werden, dass die Kommission jeden IAS / IFRS übernimmt, was dazu führen kann, dass auch solche IAS / IFRS übernommen werden, die eigentlich den Kriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung nicht entsprechen. An der Vermeidung der Schaffung von „EU-IAS / IFRS“ muss die EU auch deshalb besonderes Interesse haben, weil der Zugang zum wichtigsten internationalen Kapitalmarkt – dem US-amerikanischen – noch nicht allein mit einem IAS / IFRSAbschluss möglich ist, sondern weiterhin eine (komplizierte und kostspielige) Überleitungsrechung auf US-GAAP verlangt wird. Die SEC wird IAS / IFRS-Abschlüsse erst und nur dann ohne eine solche Überleitung akzeptieren, wenn es weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht Divergenzen zwischen den vom IASB herausgegebenen und den von der EU übernommenen IAS / IFRS gibt.222 Gleichfalls problematisch erscheint in diesem Kontext, wenn an der Ausarbeitung der IAS / IFRS-Basisverordnung führend beteiligte Mitarbeiter der Kommission – obgleich darin lediglich ihre private Meinung zum Ausdruck kommt – bekunden, dass die Ablehnung eines vom IASB verabschiedeten Standards durch die EU „undenkbar“ sei.223 Solchen Aussagen könnte entnommen werden, dass „eine Ablehnung einzelner IAS / IFRS politisch unerwünscht“ sei.224 Zusätzlich könnte argumentiert werden, dass der bereits übernommene IAS 1.14 (ex-IAS 1.11), nach dem ein Unternehmen einen Abschluss nicht als mit den IAS / 219 220 221
Erwägungsgründe 2 und 4 der IAS / IFRS-Basisverordnung. KOM (2001) 80, S. 3. Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783, 1787; Kleindiek, EuR 2006, Beiheift 2, 91,
100. So FAZ vom 11. Februar 2006, Nr. 36, S. 19. van Hulle, WPg 2003, 968, 978; abgeschwächter ders., WPK-Mitt. 2002, 178, 180; kritisch deshalb auch Kahle, WPg 2003, 262, 263. 224 Hennrichs, ZHR 170 (2006), 498, 512 222 223
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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IFRS übereinstimmend bezeichnet werden darf, „solange er nicht sämtliche [Hervorhebung des Verf.] Anforderungen der IFRS erfüllt“, einen beträchtlichen Verhaltensdruck auf die Kommission ausübt, weil eine nicht vollständige Übernahme aller vom IASB erstellten internationalen Rechnungslegungsstandards dazu führen würde, dass eine Bestimmung der Übernahmeverordnung nicht mehr erfüllt werden könnte.225 Als Beleg für die „Unterwerfung“ unter das private IASB wird weiterhin angeführt, dass die Kommission bislang auch „ganz zweifelhafte Standards wie IFRS 3.54 f. und IAS 32.18 (b)“ übernommen habe, obwohl diese wegen Verstoßes gegen die Übernahmekriterien der IAS / IFRS-Basisverordnung nicht hätten endorsed werden dürfen.226 Dies zeige, dass die Übernahmeprüfung der privaten Standards eine reine Formsache sei, die inhaltlich keine Bedeutung habe, so dass wertungsmäßig davon auszugehen sei, dass jeder IAS / IFRS, der vom IASB herausgegeben wird, den Weg in das Gemeinschaftsrecht finde und somit letztlich ein privates Gremium über die Geltung verbindlichen Rechts entscheide. b) Kein Automatismus in der Übernahme der IAS / IFRS durch die Kommission Die Begründungen für die Einordnung des Endorsementmechanismus als faktische dynamische Verweisung und den konstatierten faktischen Übernahmezwang tragen einen wahren Kern in sich. Ihre Konsequenzen wären gravierend: Die IAS / IFRS-Basisverordnung, die den Endorsementmechanismus instituiert, würde gegen europäisches Primärrecht verstoßen, alle Übernahmeverordnungen, die auf ihrer Grundlage ergangen sind, wären fehlerhaft. Nichtsdestotrotz müsste – um der Einhaltung grundlegender Verfassungsprinzipien Willen – eine solche Rechtsfolge hingenommen werden. Allerdings kann von einem „Übernahmeautomatismus“ dennoch im Augenblick wohl keine Rede sein, auch wenn die Kommission bis heute alle internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB in das Gemeinschaftsrecht übernommen hat. Denn die Geschichte zeigt, dass die Übernahme von IAS / IFRS nicht immer „reibungslos“ erfolgt ist, sondern die Kommission durchaus Standards zunächst, weil sie diese für mit den Übernahmekriterien nicht konform ansah, abgelehnt hat. Beispiel – wenn auch bislang einziger Fall – für die Ablehnung eines IAS / IFRS ist insbesondere der Vorgang um IAS 32 und IAS 39. Die Kommission hatte die ihr zur Übernahme vorliegenden IAS 32 und IAS 39 mitsamt der dazugehörigen Interpretationen zunächst teilweise abgelehnt und im folgenden auf eine Überarbeitung hingewirkt, welche daraufhin seitens des IASB stattgefunden hat. Erst die verbesserten IAS 32 und IAS 39 sind später für anwendbar erklärt worden. 225 Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173, 174; Kirsch, WPg 2002, 743, 750; Kleindiek, EuR 2006, Beiheft 2, 91, 100. 226 Z. B. Hennrichs, ZHR 170 (2006), 498, 512.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
IAS 32 und IAS 39 waren die einzigen Rechnungslegungsstandards, welche die Kommission – im Gegensatz zur „en bloc“-Übernahme aller anderen gültigen internationalen Rechnungslegungsstandards – nicht mit der ersten Übernahmeverordnung Nr. 1725 / 2003 vom 29. September 2003 übernommen hatte. Grund dafür war, dass sich beide Standards in einer Phase der Überarbeitung durch den IASB befanden, deren Ergebnis noch nicht absehbar war, so dass die Kommission eine Übernahme zum damaligen Zeitpunkt als nicht „zweckmäßig“ ansah. Die zwischenzeitlich abgeschlossene Überarbeitung von IAS 32 und IAS 39 seitens des IASB führte jedoch nur zu einer vollständigen Anerkennung des IAS 32,227 während der IAS 39 nur unvollständig unter Aussparung zweier Sonderregelungen, von denen eine die uneingeschränkte Wahlmöglichkeit zur Bewertung von Finanzinstrumenten zum fair value, die andere die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (sog. „hedge accounting“) betraf, übernommen wurde.228 Die Kommission reagierte mit diesem Schritt auf starke Bedenken, die seitens der Europäischen Zentralbank, der im Basler Ausschuss vertretenen Aufsichtsbehörden, der Wertpapierregulierungsbehörden der Mitgliedstaaten sowie einer Reihe von Geschäftsbanken gegen diese Sonderregelungen vorgebracht wurden. Sie brachte bei der Ablehnung jedoch gleichzeitig zum Ausdruck, dass sie diese unvollständige Übernahme nur als zeitlich begrenzte Ausnahme ansehe. Der IASB zeigte sich beeindruckt von der nicht vollständigen Übernahme und nahm in der ersten Jahreshälfte 2005 eine weitere Veränderung des IAS 39 vor, indem er das ursprünglich unbeschränkte Bewertungswahlrecht von Finanzinstrumenten zum fair value zu einem eingeschränkten Wahlrecht herunterstufte, dessen Ausübung bestimmten Grundsätzen unterliegt und mit bestimmten Veröffentlichungspflichten einhergeht. Damit zeigte sich die Kommission zufrieden und übernahm mit der Verordnung Nr. 1864 / 2005 vom 15. November 2005 diese Regelung, auch wenn Unternehmen nach Art. 42a EG-Bilanzrichtlinie eigene Schulden eigentlich nicht mit dem Zeitwert ausweisen dürfen und sich damit die Frage stellt, ob dies mit dem „true and fair view“-Erfordernis als materieller Übernahmevoraussetzung des Art. 3 Abs. 2 1. Gedankenstrich 1. Alt. der IAS / IFRS-Basisverordnung in Einklang steht. Neben der Beseitigung dieser Divergenz zwischen vom IASB veröffentlichten und von der Kommission übernommenen IAS / IFRS wurde auch die bestehende Abweichung des „endorsed IAS 39“ im Hinblick auf die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften reduziert: Die Kommission übernahm mit der Verordnung Nr. 2106 / 2005 vom 21. Dezember 2005 geänderte Regeln zur Bilanzierung von konzerninternen Transaktionen, die auf Fremdwährung lauten (sog. „cash flow hedge accounting“).
Dass die Kommission leider vereinzelt wirklich zweifelhafte IAS / IFRS übernommen hat (vgl. z. B. IFRS 3.54 f.229), spricht für sich genommen noch nicht für das Bestehen eines faktischen Zwanges. Denn an dieser Stelle können einfach auch unbeabsichtigte Fehler bei der Übernahmeprüfung durch die Kommission vorliegen. 227
Übernahmeverordnung Nr. 2237 / 2004 vom 29. 12. 2004, ABl. L 393 vom 31. 12. 2004,
1 ff. 228 Übernahmeverordnung Nr. 2086 / 2004 vom 19. 11. 2004. Dazu z. B. Wagenhofer, IAS / IFRS, S. 77 ff. 229 Dazu nur Hennrichs, NZG 2005, 783, 785; zustimmend Schulze-Osterloh, in: HdJ I / 1, Rn. 107.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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Genauso wenig spricht für einen faktischen Zwang zur Übernahme der IAS 1.14. Denn dieser kann aus der Perspektive des Gemeinschaftsrechts nur so verstanden werden, dass ein nach der IAS / IFRS-Basisverordnung verpflichtender IAS / IFRSAbschluss als mit IAS / IFRS übereinstimmend bezeichnet werden darf, wenn er sämtliche durch die Gemeinschaft übernommene IAS / IFRS beachtet.230 Dem Vorwurf des faktischen Zwanges kann der Verweis auf den der Kommission bei der Übernahme de jure zustehenden Prüfungs- und Einschätzungsspielraum methodisch zwar nicht als solches entgegengesetzt werden. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass das zweifellos bestehende rechtliche Übernahmeermessen mit einer rechtlichen Pflicht zur Überprüfung dieser Standards an den materiellen Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung korrespondiert. Wenn sich die Kommission dieser Pflicht faktisch entledigt, dann verletzt sie ihre Pflichten. Diese Pflicht ist aber gerichtlich überprüfbar, so dass von der Seite der Judikative einem faktischen Zwang zur Übernahme ein Riegel vorgeschoben werden könnte. Das bedeutet, dass eine faktische dynamische Verweisung mit ihren weitreichenden Folgen – wenn überhaupt – erst anzunehmen wäre, wenn auch die Judikative als Kontrolleurin der Kommissionshandlungen sich faktisch dem IASB unterwerfen würde, indem sie ihre Prüfungsaufgabe dauerhaft nicht ernsthaft wahrnehmen würde.231 c) Fazit Es lässt sich damit festhalten, dass der Vorwurf, der Übernahmemechanismus sei lediglich ein „Alibiverfahren“, die Kommission ein reines „Akklamationsgremium“, weil faktisch bzw. materiell dem privaten IASB eine Rechtsetzungsbefugnis verliehen worden sei, letztlich nicht überzeugen kann.232 Nichtsdestotrotz – und damit treffen die Vertreter der Ansicht der faktischen dynamischen Verweisung einen wunden Punkt der IAS / IFRS-Gesetzgebung – ist nicht zu übersehen, dass der Kommission bei der Übernahme der privat erarbeiteten IAS / IFRS eine sehr sensible, wenn nicht heikle Aufgabe zugewiesen ist, die zwischen der Erfüllung politischer Ziele sowie einer rechtlich gebotenen Kontrolle angesiedelt ist. In der ernsthaften Wahrnehmung und richtigen Gewichtung dieser Aufgaben besteht die eigentliche Herausforderung der Kommission, in der sie sich beständig bewähren muss.233 Hier besteht stets Anlass und Verantwortung für die Wissenschaft, sachlich und kritisch auf Defizite hinzuweisen. 230 Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783, 1787; Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 65. 231 Dies setzt einen wirksamen Rechtsschutzmechanismus voraus. Dazu ausführlich unten Kapitel 5. 232 Siehe aber Kapitel 2 B IV. 4, wo die aufgezeigten Defizite zur Begründung besonderer prozeduraler und materieller Vorkehrungen zur Steuerung und Sicherung herangezogen werden. 233 Im Ergebnis auch die „Entschließung des Europäischen Parlaments zu den jüngsten Entwicklungen und den Perspektiven des Gesellschaftsrechts“ vom 04. 07. 2006, Rn. 37,
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
2. Europarechtswidrigkeit des Endorsement aufgrund unzulässiger Übertragung der Befugnis zur Inkorporation der privaten IAS / IFRS auf die Kommission? Die Inkorporation der privaten IAS / IFRS erfolgt durch die Kommission in IAS / IFRS-Übernahmerechtsakten. Rat und Europäisches Parlament als gemeinsame Gesetzgeber haben ihr in Art. 3 der IAS / IFRS-Basisverordnung die Befugnis übertragen, in der rechtlichen Form von Kommissionsverordnungen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen über die Anwendbarkeit der IAS / IFRS in der Gemeinschaft zu beschließen. Dass die Kommission in gesetzgeberischer Funktion tätig wird, ist prima facie nicht selbstverständlich. Als vorrangiges „Exekutivorgan“234 hat sie nur vereinzelte originäre Rechtsetzungsbefugnisse unmittelbar aus dem EG-Vertrag selbst (z. B. Art. 86 Abs. 3 EGV). Wird die Kommission legislativ tätig, so ganz überwiegend in derivativer Weise, indem der Rat ihr gem. Art. 202, 3. Sp., 211, 4. Sp. EGV Befugnisse zum Erlass von Durchführungsvorschriften zu Regeln, die der Rat zuvor angenommen hat, überträgt.235
Die Inkorporation der IAS / IFRS durch die Kommission stellt sich also ein Fall der sog. „Durchführungsgesetzgebung“ dar. Die rechtliche Grundlage für den Erlass solcher Durchführungsvorschriften findet sich stets in einem sekundärrechtlichen Basisrechtsakt.236 Dieser hat den Anforderungen des Primärrechts für die Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission, namentlich Art. 202, 3. Sp. EGV, zu entsprechen.237 P6_TA(2006)0295, abrufbar unter http: // www.europarl.europa.eu / sides / getDoc.do?pubRef =- // EP // TEXT+TA+P6-TA-2006 – 0295+0+DOC+XML+V0 / / DE (Stand Dezember 2007). Schon an dieser Stelle ist darüber hinaus auf die Bedeutung der Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der übernommenen IAS / IFRS hinzuweisen, vgl. Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa, S. 431, 455. Ausführlich unten Kapitel 5. 234 Kugelmann, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 2. 235 Dabei ist Art. 202, 3. Sp. EGV konstitutiv, Art. 211, 4. Gedankenstrich EGV deklaratorisch zu verstehen, weshalb im weiteren nur noch auf die erstere Vorschrift eingegangen wird (siehe zu den unterschiedlichen Auffassungen Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 160 ff.). Zur Unterscheidung der originären von der derivativen Wahrnehmung legislativer Aufgaben durch die Kommission siehe z. B. Fischer / Köck / Karollus, Europarecht, Rn. 1022 ff. Zur Problematik ungeschriebener Rechtsetzungsbefugnis der Kommission bei vertragswidriger Untätigkeit des Rates siehe Hummer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 155 EGV a. F. Rn. 45 ff.; Schmitt v. Sydow, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 68 ff. 236 Riedel, EuR 2006, 512, 514 f. 237 Art. 202, 3. Sp. EGV lautet: „– überträgt der Rat der Kommission in den von ihm angenommenen Rechtsakten die Befugnisse zur Durchführung der Vorschriften, die er erlässt. Der Rat kann bestimmte Modalitäten für die Ausübung dieser Befugnisse festlegen. Er kann sich in spezifischen Fällen außerdem vorbehalten, Durchführungsbefugnisse selbst auszuüben. Die oben genannten Modalitäten müssen den Grundsätzen und Regeln entsprechen, die der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments vorher einstimmig festgelegt hat.“
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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Würde man nunmehr nachweisen können, dass die Kommission nicht in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Europarechts zur Inkorporation der IAS / IFRS ermächtigt wurde, dann würde die Inkorporation der IAS / IFRS durch die Kommission nicht wirksam vorgenommen werden können. Denn der Kommission stünde keine ausreichende Befugnis zur Übernahme der IAS / IFRS zu. Rechtlicher Angriffspunkt ist somit nicht die Inkorporation als Rezeptionstypus, sondern der IAS / IFRS-Basisrechtsakt als ein Bestandteil des gesamten Endorsementmechanismus. Zu untersuchen ist also, ob die Übertragung der Befugnis zur Übernahme der IAS / IFRS auf die Kommission europarechtlich zulässig war. Problematisch ist dabei, (1.) ob die Vorschrift des Art. 202, 3. Sp. EGV eingehalten ist, wenn der Rat und das Europäische Parlament den Basisrechtsakt gemeinsam erlassen, (2.) ob die Befugnis zur Übernahme internationaler Rechnungslegungsregeln überhaupt zu den auf die Kommission übertragbaren Durchführungsbefugnissen zu rechnen ist und (3.) ob die Übernahmekriterien, die die Kommission bei der Übernahme der IAS / IFRS zu beachten hat, hinreichend bestimmt sind.
a) Allgemeines zu Art. 202, 3. Sp. EGV Die heutige Fassung des Art. 202, 3. Sp. EGV findet sich nicht schon seit den Römischen Verträgen vom 25. März 1957 im europäischen Primärrecht, sondern geht auf eine Änderung des damaligen Art. 145 EWGV durch Art. 10 der EEA vom 17. Februar 1986 zurück.238 Der Vorschrift liegt die Vorstellung und Absicht zugrunde, dass der Rat als mit Vertretern der mitgliedstaatlichen Exekutive besetztes Gemeinschaftsorgan das Hauptlegislativorgan der Gemeinschaft ist, das allerdings – u. a. und vor allem aus Gründen der Arbeitsentlastung – den Erlass von Durchführungsbefugnissen für die Vorschriften, die er angenommen hat, auf die Kommission als Hauptexekutivorgan der Gemeinschaft überträgt.239 Aus Art. 202, 3. Sp. S. 3 EGV ergibt sich zudem, dass die Übertragung von Legislativbefugnissen auf die Kommission sogar der im Vertrag vorgesehene Regelfall ist.240 Das bedeutet, dass nur in begründeten Ausnahmefällen der Rat auch die Durchführungsvorschriften zu den von ihm angenommenen Rechtsakten erlässt. 238 Näher dazu Jacqué, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 6 ff.; Bruha / Münch, NJW 1987, 542 ff.; Glaesner, EuR 1986, 119, 145 f.; Pescatore, EuR 1986, 153, 167. 239 Breier, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 4; Hummer / Obwexer, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 6. 240 Sog. „Grundsatz der Regeldelegation“, Hummer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 155 EGV a. F. Rn. 64, 88, 98; Bruha / Münch, NJW 1987, 542, 543; Cartou / Clergerie / Gruber / Rambaud, L’Union européenne, Rn. 114; Möllers, in: Schmidt-Assmann / Schöndorf-Haubold, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 293, 295; Riedel, EuR 2006, 512, 515 f. spricht von einem generellen „Regel-Ausnahmeverhältnis zu Gunsten der Kommission“.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
Mit Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission in Art. 3 der IAS / IFRS-Basisverordnung transferiert der Rat eine Gemeinschaftskompetenz auf die Kommission. Der Vorgang begründet bei der Kommission eine eigene Gemeinschaftszuständigkeit für die übertragene Materie, mit der Folge, dass die Kommission bei ihrem Durchführungshandeln nur an die für sie geltenden Verfahrensregeln gebunden ist (eventuell modifiziert durch den Ermächtigungsrechtsakt), ohne dass andere Organe, wie z. B. der Ausschuss der Regionen oder der Wirtschafts- und Sozialausschuss beteiligt werden müssen.241 Art. 202, 3. Sp. EGV sieht zwar die Möglichkeit zur Übertragung von Legislationsbefugnissen vor, setzt aber beim Delegatar das Bestehen einer Kompetenz für die zu regelnde Materie voraus, die sich – nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung – ausdrücklich oder durch zweifelsfreie Auslegung aus dem Primärrecht ergeben muss.242 Das bedeutet, dass Art. 202, 3. Sp. EGV selbst keine Regelungskompetenz über eine bestimmte Materie verleiht, sondern als eine Art „Annex“ zu einer aus den Verträgen sich ergebende Legislationszuständigkeit aufzufassen ist.243
b) Beachtung der aktiven und passiven Übertragungsfähigkeit aus Art. 202, 3. Sp. EGV Art. 202, 3. Sp. EGV legt fest, wer die Befugnisse zur Rechtsetzung übertragen darf (aktive Übertragungsfähigkeit) und wem diese Befugnisse übertragen werden dürfen (passive Übertragungsfähigkeit). Es kommt ausschließlich die Kommission als das Organ in Frage, dem Durchführungsbefugnisse übertragen werden dürfen.244 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der lediglich von der „Kommission“ spricht, womit in systematischer Zusammenschau des EGV das Kollegium der Kommissare und ihres Präsidenten gemeint ist. Dies wird von der IAS / IFRS-Basisverordnung in ihrem Art. 3 Abs. 1 auch beachtet.
Problematisch erscheint hingegen, ob die Vorschrift des Art. 202, 3. Sp. EGV hinsichtlich ihrer Anforderungen an die aktive Übertragungsfähigkeit gewahrt ist. Die IAS / IFRS-Basisverordnung, welche die Übertragung der Durchführungsbefugnisse anordnet, wurde durch das Europäische Parlament und den Rat der 241 Breier, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 7; Hummer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 155 EGV a. F. Rn. 70; Kugelmann, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 43; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 15; Schmitt v. Sydow, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 78; a. A. Bleckmann, Europarecht, Rn. 519. 242 Hummer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 155 EGV a. F. Rn. 67; zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nur Kraußer, Prinzip begrenzter Ermächtigung; Calliess, in: ders. / Ruffert, EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 8; Schweitzer / Hummer, Europarecht, Rn. 924 ff. 243 v. Borries, FS Everling, S. 127, 132; Riedel, EuR 2006, 512, 515 Fn. 16. 244 Schindler, Delegation von Zuständigkeiten, S. 100 ff.; Hummer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 155 EGVaF Rn. 66; Riedel, EuR 2006, 512, 515.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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Europäischen Union gemeinsam erlassen.245 Art. 202, 3. Sp. EGV spricht eigentlich nur davon, dass „der Rat“ Durchführungsbefugnisse übertragen darf. Für Fälle des gemeinsamen Erlasses von Rechtsakten durch Parlament und Rat ist umstritten, ob jene gemeinsam aktiv Durchführungsbefugnisse auf die Kommission nach Art. 202, 3. Sp. EGV übertragen dürfen. Einerseits wurde vertreten, dass eine Übertragung von Durchführungsbefugnissen nach Art. 202, 3. Sp. EGV unzulässig sei, da nach dem Wortlaut einzig der Rat Delegant im Sinne dieser Vorschrift sei, jedoch Rat und Parlament gemeinsam die Ermächtigung aussprächen.246 Dies würde dazu führen, dass die IAS / IFRS-Basisverordnung insoweit gegen den Vertrag verstieße. Nach der Gegenauffassung erlaubt Art. 202, 3. Sp. EGV sehr wohl auch die Übertragung von Durchführungsbefugnissen durch Rat und Parlament gemeinsam,247 so dass die IAS / IFRS-Basisverordnung in diesem Punkte nicht zu beanstanden wäre. Letzterer Auffassung ist zu folgen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Schon dem Wortlaut nach ist es nicht ausgeschlossen, Art. 202, 3. Sp. EGV so zu lesen, dass eine Übertragung von Durchführungsbefugnissen dann zulässig ist, wenn zumindest auch der Rat Durchführungsbefugnisse überträgt. Aus dem Wortlaut selbst ergibt sich kein exklusives Verständnis des Art. 202, 3. Sp. EGV. Dafür, dass Art. 202, 3. Sp. EGV nicht exklusiv vom „Rat“ spricht, lässt sich die Systematik des Vertrages anführen. Obwohl Rechtsakte, die nach dem Mitentscheidungsverfahren zustande gekommen sind,248 als gemeinsame Rechtsakte von Rat und Parlament angesehen werden, formulieren Art. 251 Abs. 2 S. 1, 1. und 2. Sp. EGV lediglich, dass „er [i. e. der Rat – Hervorhebung des Verf.] den vorgeschlagenen Rechtsakt [ . . . ] erlassen“ kann. Vgl. IAS / IFRS-Basisverordnung, ABl. L 243 vom 11. 09. 2002, S. 1. So wohl das Europäische Parlament in seiner Entschließung zur Regierungskonferenz, ABl. C 231 vom 11. 07. 1990, S. 97, 102. 247 Jacqué, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 30; Breier, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 6; Hummer / Obwexer, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 7; Koenig / Harratsch / Pechstein, Europarecht, Rn. 326; Triantafyllou, Vom Vertrags- zum Gesetzesvorbehalt, S. 230. 248 Art. 251 EGV, der durch den Unionsvertrag von Maastricht vom 07. 02. 1992 in das europäische Primärrecht eingeführt wurde, regelt das sog. „Kodezisions- oder Mitentscheidungsverfahren“. Es handelt sich dabei um die Normierung des Prozedere einer Form des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsetzungsverfahrens. Es gilt nur für bestimmte Materien des Gemeinschaftsrechts und gelangt erst dann zur Anwendung, wenn in der Kompetenzgrundlage für den Erlass des Rechtsaktes ausdrücklich darauf verwiesen wird. Im Mitentscheidungsverfahren wird dem Europäischen Parlament ein weitgehendes Mitspracherecht bei der Sekundärrechtsetzung eingeräumt, womit das Parlament in der betreffenden Materie ein letztentscheidendes Vetorecht in der Hand hat und die Gesetzgebung blockieren kann. Das zwingt Rat und Parlament dazu, sich zu einigen, damit ein Rechtsakt erlassen werden kann. Gleichzeitig stärkt es die demokratische „Eigenlegitimation“ (Kluth, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 251 EGV Rn. 2) der Gemeinschaftsgesetzgebung. 245 246
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
Diese Formulierung, auf den Wortlaut des Art. 202, 3. Sp. EGV übertragen, bestätigt erstens, dass auch ein im Mitentscheidungsverfahren ergangener Rechtsakt weiterhin ein auch vom Rat im Sinne des Art. 202, 3. Sp. EGVerlassener bzw. von ihm angenommener Rechtsakt sein kann, und zweitens, dass auch andere Normen des Primärrechts ausschließlich vom Rat sprechen, obwohl sie so gelesen werden müssen, als seien Rat und Parlament gemeint.249 Dieses systematische Argument wird an anderer Stelle vom EuGH bestätigt.250
Sinn und Zweck des Art. 202, 3. Sp. EGV ist die weitgehende Arbeitsentlastung des Rates von der ihm prinzipiell obliegenden Rechtsetzung sowie die Stärkung der Rolle der Kommission in der Durchführungsgesetzgebung gegenüber dem Rat.251 Beide Ziele würden aber nicht erreicht, wenn eine Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission dann unzulässig sein sollte, wenn Rechtsakte gemeinsam von Parlament und Rat erlassen werden. Da typischerweise Rechtsakte des Mitentscheidungsverfahrens gemeinsam von Parlament und Rat erlassen werden und diese zahlenmäßig zudem die häufigste Form der europäischen Gesetzgebung ausmachen,252 würde eine restriktive Lesart Art. 202, 3. Sp. EGV praktisch aushöhlen und den Absichten des Vertrages geradezu zuwiderlaufen. Im Übrigen kann die Tatsache, dass der Delegant in demokratischer Hinsicht gleichsam „doppelt“ legitimiert ist, vernünftigerweise die Möglichkeiten zur Übertragung von Legislationsbefugnissen nicht einengen. Da Art. 202, 3. Sp. EGV in seiner heutigen Form bereits seit der EEA im Primärrecht zu finden ist, das Mitentscheidungsverfahren (abgesehen vom Haushaltsverfahren) erst später durch den Vertrag von Maastricht in Gestalt des Art. 189b EGV a. F. den Weg in das Primärrecht fand, kann aus der Untätigkeit der Mitgliedstaaten als Herren der Verträge – obwohl ihnen die Problematik durch den Beitrag des Europäischen Parlamentes aus dem Jahre 1990 bekannt war253 – gefolgert werden, dass sie die bestehende Rechtslage nicht verändern wollten, weil sie dafür keinen Bedarf sahen.254
Dies bedeutet: Die Auslegung ergibt, dass nicht gegen Art. 202, 3. Sp. EGV verstoßen wird, wenn Rat und Europäisches Parlament gemeinsam im Mitentscheidungsverfahren an einem Rechtsakt mitwirken, in welchem die Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission angeordnet wird. In dieser Hinsicht ist die IAS / IFRS-Basisverordnung somit nicht zu beanstanden. 249 Ebenfalls unterstützt der Vergleich mit Art. 95 Abs. 1 S. 2 EGV die These, dass Art. 202, 3. Sp. EGV einer Übertragung von Durchführungsbefugnissen in Rechtsakten, die im Mitentscheidungsverfahren ergangen sind, nicht entgegensteht. Rechtsakte, die sich auf Art. 95 Abs. 1 EGV stützen, ergehen stets im Mitentscheidungsverfahren, und dennoch: indem diese Vorschrift formuliert: „Der Rat erlässt [ . . . ] Rechts- und Verwaltungsvorschriften [ . . . ].“, erwähnt sie das Parlament als Mitgesetzgeber nicht. 250 EuGH, Urt. vom 02. 10. 1997, Rs. C-259 / 95, Slg. 1997, I-5303, Rn. 26. 251 Riedel, EuR 2006, 512, 516. 252 www.europarl.eu.int / parliament / public / staticDisplay.do?id=46&pageRank=3&language=DE (Stand Dezember 2007). 253 Siehe oben Kapitel 2 B. IV. 2. a). 254 So auch Jacqué, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 30.
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c) Einräumung der Befugnis zum Endorsement als Durchführungsbefugnis im Sinne des Art. 202, 3. Sp. EGV? Art. 202, 3. Sp. EGV begrenzt die Möglichkeiten zur Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen ausdrücklich auf die „Befugnisse zur Durchführung der Vorschriften, die er [der Rat; Anm. des Verf.] erlässt.“ Problematisch erscheint, ob die Übertragung der Befugnis, über die Anwendbarkeit der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS zu beschließen, auf die Kommission in Art. 3 Abs. 1 IAS / IFRS-Basisverordnung ihrem Umfang nach noch als „Befugnis zur Durchführung“ i. S. d. Art. 202, 3. Sp. EGV angesehen werden kann. Wäre dies nicht der Fall, so wäre die entsprechende Vorschrift der Basisverordnung rechtswidrig. In der Konsequenz wäre die Übernahme der IAS / IFRS eine Aufgabe von Rat und Europäischem Parlament, was die demokratische Legitimation der Rezeption der IAS / IFRS deutlich anheben würde.255 Im funktionell ähnlichen Verhältnis von Parlamentsgesetz und exekutiver Rechtsverordnung hat das BVerfG neben der sog. „Schrankentrias“ aus Art. 80 GG als weitere Beschränkung die „Wesentlichkeitstheorie“ entwickelt, nach welcher lediglich „unwesentliche Details“ vom parlamentarischen auf den exekutiven Gesetzgeber übertragen werden dürfen.256 Auf diese Weise sollen die wesentlichen Grundzüge einer Materie durch den demokratisch stärker legitimierten parlamentarischen Gesetzgeber normiert werden. Ob die Wesentlichkeitstheorie des BVerfG sich auch im Rahmen des Gemeinschaftsrechts normativ fruchtbar machen lässt, erscheint jedoch fraglich.257
Demnach muss zunächst bestimmt werden, was unter „Durchführungsbefugnissen“ im Sinne des Art. 202, 3. Sp. EGV zu verstehen ist.
aa) Reichweite der Durchführungsbefugnisse gem. Art. 202, 3. Sp. EGV Im Primärrecht findet sich für den Begriff der „Durchführungsbefugnisse“ keine Definition.258 Der deutsche Ausdruck suggeriert, dass die übertragbaren Befugnisse eher untergeordneter Natur sind, was sich – wenn auch nicht ganz so deutlich – aus dem Vergleich mit der französischen, italienischen sowie der englischen Textfassung ergibt.259 Insgesamt bietet der Wortlaut aber keine eindeutige Bedeutung. Vgl. Hennrichs, ZHR 170 (2006), 498, 513. Zur Wesentlichkeitstheorie vgl. z. B. BVerfG, Beschl. vom 09. 05. 1972, 1 BvR 518 / 62 und 308 / 64, BVerfGE 33, 125, 158; siehe z. B. H. H. Klein, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 50 Rn. 23. 257 Dazu sogleich. 258 Schindler, Delegation von Zuständigkeiten, S. 143. 259 Französischer Text: „En vue d’assurer la réalisation des objets fixés par le présent traité et dans le conditions prévues par celui-ci, le Conseil: [ . . . ] – confère à la Commission, dans les actes qu’il adopte, les compétences d’exécution des règles qu’il établit.“ Englischer Text: „To ensure that the objectives set out in this Treaty are attained the Council shall, in accordance with the provisions of this Treaty: [ . . . ] – confer on the Commission, 255 256
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Aufschlussreicher ist allerdings die Rechtsprechung des EuGH, die sich bereits häufiger mit der Abgrenzung von Grund- und Durchführungsbefugnissen auseinanderzusetzen hatte und dafür gewisse Leitlinien entwickelt hat, welche sich vorrangig aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift herleiten. In der grundlegenden Rechtssache „Köster“ stellte der EuGH fest, dass der Vorschrift des Art. 202, 3. Sp. EGV dann Genüge getan sei, „wenn die wesentlichen Grundzüge der zu regelnden Materie“ im Basisrechtsakt geregelt werden.260 Durchführungsbefugnisse sind danach solche, die nicht die wesentlichen Grundzüge der zu regelnden Materie betreffen. Der EuGH grenzt somit Durchführungsbefugnisse der Kommission von den dem Rat bzw. Parlament vorbehaltenen Regelungsmaterien nach dem Kriterium der „Wesentlichkeit“ ab.261 Begrifflich verwendet er damit dasselbe Merkmal wie das BVerfG. In dem bald folgenden Urteil „Rey Soda“ entschied der Gerichtshof, dass „der Begriff der „Durchführung“ weit zu verstehen sei“ und es erlaube, der Kommission „weitgehende Beurteilungs- und Handlungsbefugnis“ zu übertragen.262 Ähnlich wie im Urteil „Köster“ begründete das Gericht seine Ansicht sehr stark vom Sinn und Zweck der Vorschrift her, insbesondere mit der „ständigen Praxis der Gemeinschaftsorgane“ sowie mit den Anforderungen der Praxis nach schneller Reaktionsfähigkeit der Gemeinschaft, als auch mit dem systematischen Argument, die weite Auslegung des Begriffs der Durchführungsbefugnisse ergebe sich aus dem „Rechtsetzungssystem des Vertrages“.263 Umgekehrt machte der EuGH inhaltlich deutlich, dass die wesentlichen Grundzüge der zu regelnden Materie eng zu verstehen seien, woraus sich bereits ein inhaltlicher Unterschied zur deutschen „Wesentlichkeitstheorie“ ergibt. Erst im Urteil „Deutschland / Kommission“ fand der EuGH eine konkretere Beschreibung dessen, was er unter „wesentlichen Grundzügen einer Materie“ versteht. „Wesentlich sind nur solche Bestimmungen, durch die die grundsätzlichen Ausrichtungen der Gemeinschaftspolitik umgesetzt werden.“264
in the acts which the Council adopts, powers for the implementation of the rules which the Council lays down.“ Italienischer Text: „Per assicurare il raggiungimento degli scopi stabiliti dal presente trattato e alla condizioni da questo previste, il Consiglio: [ . . . ] – conferisce alla Commissione, negli atti che esso adotta, le competenze di esecuzione delle norme che stabilisce.“ 260 EuGH, Urt. vom 17. 12. 1970, Rs. 25 / 70, „Köster“, Slg. 1970, 1161, Rn. 6. 261 Türk, in: Andenas / Türk, Delegated Legislation, S. 217, 224; Riedel, EuR 2006, 512, 518. 262 EuGH, Urt. vom 30. 10. 1975, Rs. 23 / 75, „Rey Soda“, Slg. 1975, 1279, Rn. 10 / 14. 263 EuGH, Urt. vom 17. 12. 1970, Rs. 25 / 70, „Köster“, Slg. 1970, 1161, Rn. 6; EuGH, Urt. vom 30. 10. 1975, Rs. 23 / 75, „Rey Soda“, Slg. 1975, 1279, Rn. 10 / 14. 264 EuGH, Urt. vom 27. 10. 1992, Rs. C-240 / 90, „Deutschland / Kommission“, Slg. 1992, I-5383, Rn. 37.
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Mit dieser Umschreibung zog der EuGH die inhaltlichen Grenzen der Materien, die er als wesentlich ansah und die deshalb im Basisrechtsakt selbst zu regeln seien, noch enger, während sich seine Tendenz zu einem sehr weiten Verständnis der Durchführungsbefugnis noch verstärkte. Dieses weite Verständnis wird darüber hinaus darin deutlich, dass der EuGH selbst grundrechtsrelevante Maßnahmen nicht zwingend zu den wesentlichen Grundzügen einer Materie rechnet.265 Der EuGH hat deshalb selbst die Einführung von den Bürger belastenden Sanktionen durch die Kommission, für die es im Basisrechtsakt keine explizite Ermächtigung gab, als mit Art. 202, 3. Sp. EGV vereinbar gebilligt.266 Die Literatur hat sich, abgesehen von älterem Schrifttum, das noch aus der Zeit vor den genannten Urteilen stammt, weitgehend der „Wesentlichkeitsrechtsprechung“ des EuGH angeschlossen.267 Dies gilt auch für die Kommission und das Europäische Parlament.268 Einigkeit besteht zudem darüber, dass es unzulässig ist, die Rechtsetzungskompetenzen in einer Materie „total“ auf die Kommission zu übertragen.269 M. E. ist die weite Auslegung des Begriffs der Durchführung in Art. 202, 3. Sp. EGV jedoch argumentativ nicht zwingend. Zwar wird damit das Ziel einer Entlastung des Rates von belastender Detailrechtsetzung erreicht. Allerdings wird in der Diskussion nicht genügend beachtet, dass das Europäische Parlament eine immer größere Rolle im Gesetzgebungsprozess spielt und (sowohl rechtspolitisch als auch rechtlich) spielen soll. Ein so weites Verständnis der Durchführungsgesetzgebung, wie EuGH und Literatur dies annehmen, führt aber dazu, dass die Gefahr besteht, das Parlament als einen wichtigen Träger demokratischer Legitimation bei wichtigen Entscheidungen zu umgehen.
Für die Bestimmung des Begriffs der Durchführungsbefugnis ist mithin darauf abzustellen, dass es sich um nicht wesentliche Grundzüge der zu regelnden Materie handelt. Wesentlich ist dabei nur, was die grundsätzliche Ausrichtung der Gemeinschaftspolitik betrifft. Insgesamt werden nur sehr niedrige Anforderungen an das gestellt, was im Basisrechtsakt selbst zu regeln ist.270 Dies bedeutet, dass Durchführungsbefugnisse i. S. d. Art. 202, 3. Sp. EGV sehr weit zu verstehen sind. Türk, in: Andenas / Türk, Delegated Legislation, S. 217, 225 f. EuGH, Urt. vom 27. 10. 1992, Rs. C-240 / 90, „Deutschland / Kommission“, Slg. 1992, I-5383, Rn. 37 f. 267 Hummer / Obwexer, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 33; Schmitt v. Sydow, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 79; Hummer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 155 EGV a. F. Rn. 71; Hix, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 12; Hailbronner, JuS 1990, 439, 441; Wichard, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 6 ff.; Breier, in: Lenz / Borchardt, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 5; Triantafyllou, Vom Vertrags- zum Gesetzesvorbehalt, S. 233 ff., 237; Bruha / Münch, NJW 1987, 543, 544; Haibach, VerwArch 90 (1999), 99, 104; Link, in: Schön, Steuerliche Maßgeblichkeit, S. 207, 262. 268 Siehe dazu ausführlich Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 196 f. 269 Bruha / Münch, NJW 1987, 543, 544; Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 196; Hailbronner, JuS 1990, 439, 441. 270 Dies wird jüngst auch bestätigt durch den Schlussantrag der GA Kokott vom 08. 09. 2005 in der Rs. C-66 / 04, Slg. 2005, I-10553, Rn. 50 ff. 265 266
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In diesem Kontext ist an die Adresse des deutschen Juristen, der vornehmlich an dem vergleichbaren Problemfeld des Art. 80 GG und der deutschen Wesentlichkeitstheorie geschult ist, zu betonen, dass zwar durchaus inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen den Wesentlichkeitskriterien des BVerfG und des EuGH existieren, eine „direkte Gleichsetzung“ der beiden jedoch nicht der Rechtslage entspricht.271 Das deutsche Verständnis der Wesentlichkeit ist viel weitgehender. Im deutschen Verfassungsrecht ist eine Materie viel früher als wesentlich zu qualifizieren als im Europarecht. Argumentationen mit dem „deutschen“ Wesentlichkeitskriterium sind deshalb auf europäischer Ebene und damit auch im Hinblick auf die IAS / IFRS-Gesetzgebung – wenn überhaupt – nur mit großer Vorsicht möglich. bb) Übertragung der Erkenntnisse auf die IAS / IFRS-Basisverordnung Bei der Frage, ob die Übertragung der Befugnis auf die Kommission, über die „Anwendbarkeit von internationalen Rechnungslegungsstandards in der Gemeinschaft“ zu beschließen, mit Art. 202, 3. Sp. EGV vereinbar ist, sind zwei Aspekte voneinander zu unterscheiden: In einem ersten Schritt ist in abstrakter Weise zu fragen, ob Art. 202, 3. Sp. EGV es generell verwehrt, die Befugnis zur Rezeption privater Regeln auf die Kommission zu übertragen. Wäre dies der Fall, so wäre Art. 3 der IAS / IFRS-Basisverordnung schon deshalb rechtswidrig. Im darauffolgenden Schritt wäre zu untersuchen, ob die Übertragung der Befugnis zur Rezeption der privaten IAS / IFRS in der konkreten Ausgestaltung nicht mehr als Durchführungsbefugnis im Sinne des Art. 202, 3. Sp. EGV angesehen werden kann. Hinsichtlich des ersten Aspektes ist festzustellen, dass Art. 202, 3. Sp. EGV im Grundsatz die Übertragung der Befugnis auf die Kommission, Standards privater Regelsetzer zu rezipieren, nicht verbietet.272 Die Rezeption privater Regelwerke als solches kann nicht per se als „wesentlich“ im Sinne der Auslegung des Art. 202, 3. Sp. EGV angesehen werden. Denn dieser gebietet lediglich, dass die „wesentlichen Grundzüge“ einer Materie im Basisrechtsakt geregelt werden. Die Rezeption als solche regelt aber noch keine Materie; die Materie wird vielmehr infolge der Rezeption geregelt. Es ist also auf den Inhalt der abgeleiteten Gesetzgebung der Kommission abzustellen, nicht auf die Art und Weise der Gesetzgebung. Problematischer ist aber der zweite Aspekt. Denn die Rezeptionsakte der Kommission beinhalten die eigentlichen materiellen Regeln für die Konzernbilanzierung jedenfalls kapitalmarktorientierter Unternehmen. Ohne die Inkorporations271 Demmke / Haibach, DÖV 1997, 710, 714; deutlich Möllers, in: Schmidt-Assmann / Schöndorf-Haubold, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 293, 296; sowie Riedel, EuR 2006, 512, 519 und Adolphsen, RabelsZ 68 (2004), 154, 187. 272 Sogar für eine Ausdehnung der Rezeptionszuständigkeit der Exekutive im nationalen Recht Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa. S. 431, 444.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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akte der Kommission bliebe die Pflicht zur IAS / IFRS-Konzernbilanzierung unvollständig und nicht befolgbar. Aufgrund der großen Detailliertheit und Fülle der durch Übernahmeverordnungen zu übernehmenden privaten Normen und wegen ihrer materiellen Bedeutung könnte mithin argumentiert werden, dass die wesentlichen Grundzüge der Materie „Konzernbilanzierung kapitalmarktorientierter Gesellschaften“ nicht im IAS / IFRS-Basisrechtsakt normiert sind und deshalb die Übertragung der Inkorporationsbefugnis im konkreten Falle nicht mehr als Übertragung einer Durchführungsbefugnis angesehen werden kann. Gegen diese Sichtweise und damit für die Einhaltung des Art. 202, 3. Sp. EGV spricht aber, dass Rat und Parlament im IAS / IFRS-Basisrechtsakt sehr wohl die „wesentlichen Grundzüge“ der Konzernbilanzierung kapitalmarktorientierter Gesellschaften geregelt haben. Denn zunächst findet sich im IAS / IFRS-Basisrechtsakt überhaupt die Verpflichtung zur Bilanzierung nach übernommenen IAS / IFRS. Diese grundrechtsrelevante273 Entscheidung wird demnach nur von Rat und Parlament getroffen. Darüber hinaus haben sich Rat und Parlament im IAS / IFRSBasisrechtsakt darauf verständigt, dass überhaupt private Standards in europäisches Recht übernommen werden sollen und dass als internationale Rechnungslegungsstandards lediglich gem. Art. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung IAS, IFRS sowie SIC / IFRIC-Interpretationen übernommen werden dürfen. Die Kommission hat also – was das Rezeptionsobjekt angeht – keinen Auswahlspielraum, sondern ist von vorneherein auf bestimmte Übernahmeobjekte beschränkt. Mit dieser Vorgabe erkennen Rat und Parlament schon im IAS / IFRS-Basisrechtsakt gleichzeitig die prinzipielle Konzeption des IASB und seiner privaten internationalen Standards an. Darin liegt die grundsätzliche Ausrichtung zur Verwirklichung einer Gemeinschaftspolitik, nicht jedoch in der Befugnis zur Übernahme der IAS / IFRS. Aus diesem Grunde ist zu konstatieren, dass die wesentlichen Grundzüge einer Materie in der IAS / IFRS-Basisverordnung geregelt sind. Die Übertragung der Befugnis zur Übernahme der IAS / IFRS auf die Kommission in Art. 3 der IAS / IFRS-Basisverordnung kann als Übertragung einer Durchführungsbefugnis verstanden werden. In dieser Hinsicht liegt mithin kein Verstoß gegen Art. 202, 3. Sp. EGV vor. d) Hinreichende Bestimmtheit der Übertragung der Endorsementbefugnis auf die Kommission? Eine Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf die Kommission nach Art. 202, 3. Sp. EGV verlangt weiterhin, dass die Reichweite der Übertragung auf die Kommission hinreichend bestimmt ist. Ergeben sich die Grenzen der Übertragung nicht deutlich genug aus dem Basisrechtsakt, sind die Übertragung sowie die auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsakte rechtswidrig. 273 Siehe nur Hennrichs, ZHR 170 (2006), 498, 512; Hennrichs / Schubert, ZIP 2007, 563, 566 f. m. w. N.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
Es ist zwar festgestellt worden, dass der IAS / IFRS-Basisrechtsakt die wesentlichen Grundzüge der IAS / IFRS-Gesetzgebung i. S. d. Art. 202, 3. Sp. EGV normiert. Problematisch erscheinen im Hinblick auf ihre Bestimmtheit allerdings die Kriterien aus Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung. Nur wenn ein zu übernehmender privater IAS / IFRS diese Übernahmekriterien erfüllt, darf die Kommission von der ihr zustehenden Rezeptionsbefugnis Gebrauch machen. aa) Die Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit der übertragenen Rechtsetzungsbefugnisse Die hinreichende Bestimmtheit einer Übertragungsanordnung auf die Kommission findet ihre Grundlage im europarechtlichen Rechtsstaatsprinzip, insbesondere in seiner Ausprägung als Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.274 Gerade in Bezug auf die Voraussetzungen des Art. 202, 3. Sp. EGV betonte der EuGH in der Rechtsache „Central-Import Münster“, dass eine Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission nur dann gültig sei, wenn der Basisrechtsakt derart bestimmt ist, dass „der Rat die Grenzen der der Kommission übertragenen Befugnis deutlich“ angibt.275 Auch wenn der EuGH diese recht enge Linie nicht konsequent in seiner Rechtsprechung verfolgt und seine Judikatur deshalb zuweilen als „uneinheitlich“ bezeichnet wird,276 können bestimmte Mindestanforderungen an die Bestimmtheit nicht außer acht gelassen werden. Es ist allerdings zu erwähnen, dass der EuGH für die Regelungsdichte der Übertragung der Rechtsetzungsbefugnisse offenbar zwischen dem Agrarbereich und sonstigen Gemeinschaftspolitiken differenziert: Niedrige Maßstäbe an die hinreichende Bestimmtheit legt er im Bereich Landwirtschaft an, weil nur die Kommission in der Lage sei, „die Entwicklung der Agrarmärkte ständig und aufmerksam zu verfolgen und mit der durch die Situation gebotenen Schnelligkeit zu handeln“, während in den sonstigen Bereichen strengere Maßstäbe gelten, die allerdings vom EuGH nicht näher beschrieben werden.277
bb) Die hinreichende Bestimmtheit der Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung Die Übernahmekriterien in Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung lassen sich als Begrenzungen der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen durch Rat und Parlament auf die Kommission ansehen, da sie die Kommission derart be274 EuGH, Urt. vom 21. 05. 1987, verb. Rs. 133 bis 136 / 85, „Rau“, Slg. 1987, 2289 Rn. 32; Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 204. 275 EuGH, Urt. vom 05. 07. 1988, Rs. 291 / 86, „Central-Import Münster“, Slg. 1988, 3679 Rn. 13. 276 Hix, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 14. 277 EuGH, Urt. vom 29. 06. 1989, Rs. 22 / 88, „Vreugdenhil“, Slg. 1989, 2049, Rn. 16, 17; Demmke / Haibach, DÖV 1997, 710, 714 f.; Triantafyllou, Vom Vertrags- zum Gesetzesvorbehalt, S. 238 f.; Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 206 ff.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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schränken, dass sie nur solche internationalen Rechnungslegungsstandards in das Gemeinschaftsrecht inkorporieren darf, die diesen Kriterien entsprechen. Neben der Funktion als Ermächtigungsbegrenzung wirken die Übernahmekriterien aber auch als Steuerungs- und Kontrollleitlinien für die Kommission selber. (1) Das Prinzip des true and fair view Nach Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung dürfen die zu übernehmenden internationalen Rechnungslegungsstandards dem Prinzip des true and fair view, wie es in Art. 2 Abs. 3 der EG-Bilanzrichtlinie sowie Art. 16 Abs. 3 der Konzernbilanzrichtlinie niedergelegt ist, nicht zuwiderlaufen. Die zu übernehmenden internationalen Rechnungslegungsstandards müssen folglich am Maßstab des true and fair view-Prinzips überprüft werden. Dies setzt die genaue Kenntnis des Inhalts des true and fair view-Prinzips voraus. Art. 2 Abs. 3 EG-Bilanzrichtlinie lautet: „Der Jahresabschluss hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln.“
Fast identisch, jedoch in Bezug auf Konzernabschlüsse, formuliert Art. 16 Abs. 3 der Konzernbilanzrichtlinie: „Der konsolidierte Abschluss hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesamtheit der in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen zu vermitteln.“
Da der Begriff „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild“ bzw. „true and fair view“ für sich genommen ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, muss sein Inhalt durch Auslegung ermittelt werden.278 Sowohl in rein tatsächlicher als auch in normativer Hinsicht lässt sich allein aus dem Wortlaut der zitierten Artikel nicht ermitteln, wann diese Abschlüsse ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild (englische Richtlinienfassung: True and fair view) vermitteln. Zum einen sind in tatsächlicher Hinsicht unterschiedlich detaillierte Erkenntnisstufen denkbar, von denen gemeint werden könnte, dass bei ihrem Erreichen bereits von der Vermittlung eines true and fair view ausgegangen werden kann. Andererseits enthalten die genannten Artikel für sich allein gesehen in normativer Hinsicht nicht genügend Hinweise darauf, wann das rechtlich geforderte Ziel279 und gleichzeitig der Zustand des true and fair view erreicht wird. 278 Kritisch zur rechtlichen Qualität des true and fair view-Erfordernisses Clemm, FS Budde, S. 148, jedoch ohne genügend die normative Ausgestaltung durch die Richtlinie zu beachten. Zutreffend deshalb Hennrichs, Wahlrechte, S. 139 ff.; Arden, EAR 1997, 675, 676. 279 Der EuGH sieht das Erreichen des true and fair view als „Hauptzielsetzung“ der Bilanzrichtlinien an, EuGH, Urt. vom 27. 06. 1996, Rs. C-234 / 94, „Tomberger“, Slg. 1996, I-3133, Rn. 17; EuGH, Urt. vom 14. 09. 1999, Rs. C-275 / 97, „DE + ES Bauunternehmung“, Slg. 1999, I-5331, Rn. 26; EuGH, Urt. vom 07. 01. 2003, Rs. C-306 / 99, „BIAO“, Slg. 2003, I-1, Rn. 72.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
Auch wenn der Begriff des true and fair view dem britischen Rechnungslegungssystem entstammt, auf den Einfluss Großbritanniens hin in die 1978 erlassene EG-Bilanzrichtlinie eingefügt wurde und sich erst seitdem in den Quellen des Gemeinschaftsrechts findet,280 bedeutet diese Herkunft nicht, dass deshalb der Inhalt des britischen true and fair view „eins zu eins“ Eingang in das Gemeinschaftsrecht gefunden hat, so dass lediglich der britische Sinngehalt herangezogen zu werden bräuchte, um den Inhalt dieses Prinzips zu bestimmen.281 Aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts folgt vielmehr, dass gemeinschaftsrechtliche Begriffe autonom gemeinschaftsrechtlich auszulegen und zu bestimmen sind.282 Das hat zur Folge, dass lediglich der Begriff des true and fair view, sozusagen die englische „Worthülse“, in das Gemeinschaftsrecht übernommen worden ist.283 Der Inhalt dieser Worthülse hingegen ist gemeinschaftsrechtlich im Sinne des Gemeinschaftsrechtstextes zu bestimmen, in welchem dieser Begriff vorkommt. Dass dabei dann auch der britische Verständniskontext eine wichtige Interpretationshilfe darstellt, ist natürlich.284
Bezugspunkt der inhaltlichen Konkretisierung des Begriffs des true and fair view der Richtlinien müssen die Regelungen der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien sein. Weder die EG-Bilanzrichtlinie noch die Konzernbilanzrichtlinie definieren legal, wann der Jahres- bzw. der Konzernabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt. Das Prinzip des true and fair view wird im Kontext der EG-Richtlinien als „Generalnorm“ verstanden, deren Funktion der wohl bekanntesten Generalklausel des deutschen Rechts – dem § 242 BGB – ähnelt.285 Aus der Funktion der Generalklausel als solcher lässt sich herleiten, dass das Prinzip des true and fair view stets einen detaillierten Regelungskontext benötigt, ohne einen solchen jedoch konturenlos bleibt. Dies erklärt sich aus Folgendem: Eine Generalnorm hat – ähnlich wie andere Generalklauseln auch, man denke an § 242 BGB – unterschiedliche Funktionen: Erläuterungsfunktion, Ergänzungsfunktion, Abweichungsfunktion sowie Interpretationsfunktion.286 Die Erläuterungsfunktion, welche sich aus Art. 2 Abs. 4 der EG-Bilanzrichtlinie bzw. Art. 16 Abs. 4 Konzernbilanzrichtlinie ergibt, kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Bilanzierende im Jahresabschluss zusätzliche Angaben zu machen hat, wenn dieser ausnahmsweise nicht ausreichend ist, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage abzugeben.287 Damit wird deutlich, dass die AnStellvertretend für viele Luttermann, in: MünchKommAktG, § 264 HGB, Rn. 51. In diese Richtung allerdings Niehus, DB 1979, 221, 224 f.; Scholtissek, RIW 1986, 966 ff.; Tubbesing, AG 1979, 91, 92 ff., wohl auch Lambert, true and fair view, S. 48 ff. 282 Vgl. EuGH vom 06. 10. 1982, Rs. 283 / 81, „CILFIT“, Slg. 1982, 3415, Rn. 18, 19; K. Langenbucher, in: dies., Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, § 1 Rn. 8. 283 Gelter, Neue Rechnungslegungsnormen, S. 51; Hennrichs, Wahlrechte, S. 141 f.; Ordelheide, EAR 1993, 81 f.; van Hulle, EAR 1993, 99; ders., FS Budde, S. 317, 318 m. w. N. 284 van Hulle, EAR 1993, 99; ders., FS Budde, S. 318. 285 Hennrichs, Wahlrechte, S. 134. 286 Hennrichs, Wahlrechte, S. 133 ff.; Lambert, true and fair view, S. 76; van Hulle, FS Budde, S. 319 ff. 287 Hennrichs, Wahlrechte, S. 135; van Hulle, FS Budde, S. 320. 280 281
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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wendung der Bilanzierungsvorschriften der Richtlinien allein unter Umständen nicht ausreichend ist, um das Regelungsziel der Richtlinien zu erreichen. Die Abweichungsfunktion hingegen, welche sich aus Art. 2 Abs. 5 EG-Bilanzrichtlinie bzw. Art. 16 Abs. 5 Konzernbilanzrichtlinie herleitet, schreibt vor, dass eine Einzelvorschrift der Richtlinie dann unangewendet bleiben muss, wenn ihre Anwendung ansonsten ein nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanzund Ertragslage abgeben würde.288 Dies geht weiter als die Anforderungen der Erläuterungsfunktion, da nicht mehr erläuternde Zusätze unter Berücksichtigung der Bilanzrichtlinienbestimmungen gefordert werden, sondern darüber hinaus die Einzelvorschrift der Richtlinie unangewendet bleiben soll, um damit die „Hauptzielsetzung“ der Richtlinie – Abbildung des true and fair view – zu erreichen. In der Ergänzungsfunktion des true and fair view-Prinzips hingegen zeigt sich deutlich die Generalklauselnatur und Grundentscheidung des Richtliniengebers. Enthält die Richtlinie keine ausdrückliche Regelung für einen bestimmten Sachverhalt, so ist aus dem allgemeinen Gedanken der Generalklausel die Lösung für das Problem zu entwickeln.289 Eng verwandt mit dieser Ergänzungsfunktion ist die interpretative Funktion der Generalklausel. Da die Generalklausel „Hauptzielsetzung“ der Richtlinien ist, sind die Einzelbestimmungen der Richtlinien jeweils „im Lichte“290 der Generalklausel zu interpretieren.291 Die Generalklausel dient somit als Interpretationsleitlinie bei der Auslegung der Einzelvorschriften.
Aus der Zusammenschau dieser Aufgaben und insbesondere aus den beiden letztgenannten Funktionen ergibt sich ein Komplementärverhältnis292 zwischen der Generalnorm des Art. 2 Abs. 3 EG-Bilanzrichtlinie und Art. 16 Abs. 5 Konzernbilanzrichtlinie sowie den Einzelvorschriften dieser Richtlinien. Das Prinzip des true and fair view dient einerseits als Auslegungsmaxime für die Anwendung und Auslegung der Einzelbestimmungen, andererseits konkretisieren die Einzelbestimmungen überhaupt erst den Regelungsinhalt der Generalnorm.293 Daraus wird klar: Der Inhalt, die Kontur des true and fair view-Prinzips kann nur durch das Zusammenspiel mit seinem Regelungskontext bestimmt werden. Das true and fair view-Prinzip setzt also stets ein detailliertes System von konkreten Rechnungslegungsvorschriften voraus, so dass sich sein Inhalt gar nicht abstrakt, sondern nur im Blick auf die Einzelregeln festlegen lässt.294 Im Normalfall führt damit gerade die Anwendung der Einzelvorschriften der Richtlinien dazu, dass der Abschluss Hennrichs, Wahlrechte, S. 136; van Hulle, FS Budde, S. 320. Biener / Berneke, Bilanzrichtlinien-Gesetz, S. 137; Hennrichs, Wahlrechte, S. 134 f. m. w. N. 290 EuGH vom 14. 09. 1999, Rs. C-275 / 97, „DE + ES Bauunternehmung“, Slg. 1999, I-5331, Rn. 31. 291 Großfeld / Luttermann, Bilanzrecht, Rn. 234; Hennrichs, Wahlrechte, S. 133 f. m. w. N. 292 Luttermann, in: MünchKommAktG, § 264 HGB Rn. 136. 293 Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 64; Hennrichs, Wahlrechte, S. 143; Lambert, true and fair view, S. 76; Luttermann, in: MünchKommAktG, § 264 HGB Rn. 138. 294 Kropp, in: Handwörterbuch, „Generalnormen“, S. 871; Lambert, true and fair view, S. 76. 288 289
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ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanzund Ertragslage zeichnet, somit das true and fair view-Erfordernis gewahrt wird, es sei denn, aufgrund der Erläuterungs- und Abweichungsfunktion des true and fair view-Prinzips sind ausnahmsweise zusätzliche Angaben oder sogar eine Nichtanwendung von Einzelvorschriften der Richtlinien nötig, um die Hauptzielsetzung der Richtlinien zu erreichen.295 Wenn Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung auf das Prinzip des true and fair view der Bilanzrichtlinien verweist, übernimmt die IAS / IFRS-Basisverordnung nicht nur den Begriff, sondern auch das in den genannten Richtlinien zum Ausdruck kommende Regelungskonzept des true and fair view-Prinzips. Dies bedeutet gleichzeitig, dass in die Bestimmung des true and fair view-Grundsatzes, welcher als Prüfungsmaßstab zur Übernahme internationaler Rechnungslegungsstandards in die Gemeinschaft dient, gleichzeitig die Einzelvorschriften, d. h. die einzelnen Bilanzierungsregeln, der gemeinschaftsrechtlichen Bilanzierungsrichtlinien hineingelesen werden müssen. Für die zu untersuchende Frage, ob das in Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung genannte Kriterium des true and fair view inhaltlich hinreichend bestimmt ist, um eine wirkliche Kontrolle der zu übernehmenden internationalen Rechnungslegungsstandards zu ermöglichen, kann auf dem Boden dieser Erkenntnisse eigentlich festgehalten werden, dass das Kriterium ausreichend bestimmbar ist, da sich der Inhalt des true and fair view-Prinzips aus den Bilanzrichtlinien genügend präzise und mindestens die äußeren Grenzen des true and fair viewGrundsatzes bestimmen lassen.296 Im Hinblick auf die ausreichende Bestimmtheit problematisch ist aber der Verzicht auf eine strenge Einhaltung der Einzelvorschriften der EG-Bilanz- und der Konzernbilanzrichtlinie, der sich aus dem Erwägungsgrund 9 der IAS / IFRSBasisverordnung ergibt: Danach handele es sich bei dem in Art. 3 Abs. 2 derselben Verordnung erwähnten true and fair view-Prinzip um einen Grundsatz, der „im Lichte der genannten Richtlinien des Rates zu verstehen ist, ohne dass damit eine strenge Einhaltung jeder einzelnen Bestimmung dieser Richtlinien erforderlich wäre [Hervorhebung durch den Verf.]“. Da der Inhalt des true and fair view-Prinzips – wie gezeigt – kontextabhängig und eine inhaltliche Konkretisierung nicht ohne die Anwendung der ihn ausfüllenden Einzelvorschriften möglich ist, führt der Verzicht auf eine strenge Übereinstimmungsprüfung mit den Richtlinien zu einem Verlust an substantiellem Inhalt des an und für sich ohnehin nicht einfach zu determinierenden Prinzips des true and fair view. Gleichzeitig wird damit das Konzept des true and fair view außerrechtlichen Einflüssen und Erwägungen geöffnet, wodurch die Gefahr besteht, dass Lambert, true and fair view, S. 56. Vgl. Hennrichs, WPg 2006, 1253, 1258; ähnlich auch Wüstemann / Kierzek, EAR 2006, 91, 98 ff.; sehr kritisch zum rechtlichen Gehalt Alexander, EAR 2006, 65, 71 sowie Nobes, EAR 2006, 81, 84 f. 295 296
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es durch die eintretende Unschärfe und Unvorhersehbarkeit seine Tauglichkeit als wirkliches Kontrollinstrument verliert.297 Auch wenn vor diesem Hintergrund Zweifel an der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit des true and fair view-Kriteriums durchaus nicht unberechtigt sind, wird der Kommission dennoch im Grundsatz ein präzisierbares Kriterium an die Hand gegeben, welches ex post kontrollierbar ist, so dass wohl die notwendige Bestimmtheit von Durchführungsbefugnissen im Sinne des Art. 202, 3. Sp. EGV noch erreicht wird. (2) Europäisches öffentliches Interesse Weiterhin hat der zu übernehmende internationale Rechnungslegungsstandard dem „europäischen öffentlichen Interesse“ zu entsprechen. Auch bei diesem Begriff handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch Auslegung konkretisiert werden muss. Im Vordergrund steht dazu die Auslegung nach dem Sinn und Zweck. Das Kriterium des europäischen öffentlichen Interesses soll dem Inkorporationsgesetzgeber auf der einen Seite ein Mittel zur Hand geben, private IAS / IFRS, gerade wenn sie eigentlich die weiteren Übernahmekriterien erfüllen, dennoch ablehnen zu dürfen.298 Diese Entscheidung darf jedoch nicht willkürlich erfolgen, sondern muss sich auf genuine europäische Zielsetzungen berufen können, in denen das europäische öffentliche Interesse zum Ausdruck kommt. In diesem europäischen Sinne beachtliche Ziele ergeben sich ausweislich des 9. Erwägungsgrundes der IAS / IFRS-Basisverordnung aus den „Schlussfolgerungen des Rates vom 17. Juli 2000“299. Vorrangiges Ziel ist nach den Ausführungen des Rates vom 17. Juli 2000 die Schaffung eines einheitlichen Wertpapiermarktes, um eine vom Wettbewerb geprägte Finanzierung der EU-Unternehmen, eine verbesserte Liquidität sowie starken Wettbewerb zwischen Finanzdienstleistern und Finanzierungsinfrastrukturen im Interesse besserer Dienstleistungen zu niedrigeren Kosten zu erhalten.300 Weitere Zielsetzungen, deren Erreichen es erforderlich machen kann, bestimmte IAS / IFRS wegen Inkonformität mit dem europäischen öffentlichen Interesse nicht zu übernehmen, können darüber hinaus den allgemeinen Zielen der IAS / IFRS-Basisverordnung, insbesondere ihrem Art. 1 sowie den Erwägungsgründen, entnommen werden. In dieser Hinsicht stellt sich das Kriterium des europäischen öffentlichen Interesses zutreffend als „mehr politischer Natur“ dar.301 Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173, 174. Vgl. Großfeld / Luttermann, Bilanzrecht, Rn. 151. 299 Beratungsergebnisse des ECOFIN-Rates vom 17. 07. 2000 betreffend die Reglementierung der europäischen Wertpapiermärkte, Nr. 10491 / 00, http: // register.consilium.eu.int / pdf / de / 00 / st10 / 10491d0.pdf (Stand Dezember 2007). 300 ECOFIN-Rat, Nr. 10491 / 00, S. 1. 297 298
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Im Ergebnis wird das Kriterium des „europäischen öffentlichen Interesses“ wohl den Anforderungen, die Art. 202, 3. Sp. EGV an die Bestimmtheit der Übertragung von Durchführungsbefugnissen stellt, genügen. Wie gezeigt, lässt sich das Kriterium des europäischen öffentlichen Interesses in bestimmter Hinsicht konkretisieren, ist auch in anderen Rechtsakten gebräuchlich und deshalb durchaus justiziabel. Es gibt der Kommission eine ausreichende Orientierung, auch wenn ihr letztlich ein weiter Entscheidungsspielraum bleibt. (3) Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung verlangt ferner, dass die zu übernehmenden internationalen Rechungslegungsstandards „den Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit genügen, die Finanzinformationen erfüllen müssen, um wirtschaftliche Entscheidungen und die Bewertung der Leistung einer Unternehmensleitung zu ermöglichen“. Die verwendeten Begriffe entstammen wortwörtlich dem „Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements“ (F.24 – 42).302 Dieses Rahmenwerk des privaten Standardsetzers IASB, das selbst nicht Gegenstand des Endorsement ist,303 gibt die theoretische Konzeption wieder, welche der Vorbereitung und Darstellung der finanziellen Berichterstattung in Form der IAS / IFRS zugrunde liegt. Gleichzeitig soll es als Auslegungs- und Orientierungshilfe bei der Anwendung und der Neukonzeption von IAS / IFRS dienen.304
Innerhalb des Frameworks dienen die Merkmale der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit der näheren Beschreibung qualitativer Anforderungen, deren Befolgung zur Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen erforderlich sein soll.305 Im Framework selbst werden sie zum Teil näher umschrieben. Im Hinblick auf die nötige Bestimmtheit der Übertragung von Durchführungsbefugnissen mögen diese Kriterien wohl ausreichend bestimmbar sein, insbesondere, wenn man sich an den Leitlinien des Framework orientiert.306 Auf einem an301 van Hulle, WPg 2003, 968, 979. Es soll z. B. dann greifen, wenn eine qualitativ zwar sinnvolle Regelung in ihrer Anwendung wegen des damit verbundenen bürokratischen Aufwandes zu ökonomisch unangemessenen Kosten führen würde (van Hulle, in: Baetge, Übergang der Rechnungslegung vom HGB zu den IFRS, S. 131, 137; ders., WPg 2003, 968, 979; Schön, BB 2004, 763, 767). 302 So auch Busse von Colbe, BB 2002, 1530, 1531; van Hulle, WPg 2003, 968, 980. 303 Siehe zu der darin begründeten Problematik auch später Kapitel 4 C. I. 304 Näher dazu Achleitner / Behr, IAS, S. 95; Pellens / Fülbier / Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 108 ff.; Wagenhofer, IAS / IFRS, S. 155, 116; ausführlich auch das IASC Framework selbst (F.1). 305 Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 260. 306 Von der Identität der Begriffsinhalte zwischen IAS / IFRS-Basisverordnung und Framework geht wohl van Hulle, WPg 2003, 968, 980 aus.
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deren Blatt hingegen steht, ob die Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit als Prüfkriterium einen wirklich substantiellen Wert haben. Denn welche Funktion kann ein materielles Erfordernis erfüllen, das das Objekt der Übernahmeprüfung, nämlich die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS, bereits „von Haus aus“ zu erfüllen hat? In den meisten Fällen wird dieses Kriterium wohl in die Leere gehen – ein Problem, das mit dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit im Rahmen des Art. 202, 3. Sp. EGV aber wohl nicht zu greifen ist.
e) Fazit Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass die Übertragung der Befugnis zur Übernahme der privaten IAS / IFRS auf die Kommission im Wege der Durchführungsgesetzgebung mit den Anforderungen des Art. 202, 3. Sp. EGV vereinbar ist. Im Einzelnen weist die Konstruktion der Übertragung aber durchaus auch Schwächen auf, die noch nicht den Grad der Unwirksamkeit der Übertragung erreichen, wohl aber zu Verbesserungen Anlass geben könnten. Insbesondere die stärkere Präzisierung der Befugnis der Kommission anhand der Übernahmekriterien bei der Übernahmeprüfung von privaten IAS / IFRS sollte angemahnt werden.307
3. Legitimität des Komitologieverfahrens beim Endorsement internationaler Rechnungslegungsstandards? Dem Erlass einer Verordnung zur Übernahme privater internationaler Rechnungslegungsstandards in das Gemeinschaftsrecht durch die Kommission muss zunächst stets ein sog. „Komitologieverfahren“ in der Ausformung des „Regelungsverfahrens“ vorangehen.308 Das Komitologieverfahren allgemein bezeichnet ein Prozedere, in welchem besondere Ausschüsse (frz. comité) – meist besetzt mit Vertretern der mitgliedstaatlichen Verwaltungen – die Kommission bei der Ausführung der ihr nach Art. 202, 3. Sp. EGV übertragenen Durchführungsbefugnisse beraten, unterstützen und kontrollieren. In diesem Zusammenhang institutionalisiert das Komitologieverfahren eine Art „Gesetzgebungsverfahren sui generis“ für die abgeleitete Legislativkompetenz der Kommission, das – anders als die „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“, welche in Art. 250 – 252 EGV primärrechtlich explizit normiert sind – in jedem Einzelfall im Basisrechtsakt angeordnet werden muss. Für die Übernahme der IAS / IFRS wird ein Komitologieverfahren in Art. 6 der IAS / IFRS-Basisverordnung explizit angeordnet, wobei Art. 6 Abs. 2 de lege lata ausdrücklich die Verwendung 307 Vgl. für einen Vorschlag von viel detaillierteren Übernahmekriterien Schön, ZGR 2000, 707, 739. 308 Siehe oben Kapitel 1 A. III. 1.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
des „Regelungsverfahrens“ anordnet. Eingeschaltet in die Beschlussfassung innerhalb dieses Komitologieverfahrens sind der Regelungsausschuss für Rechnungslegung sowie das private Gremium technischer Expertise, die EFRAG.309 Das Komitologieverfahren als solches sowie das von der IAS / IFRS-Basisverordnung angeordnete Regelungsverfahren sorgen sowohl in der politischen Diskussion als auch in der juristischen Literatur bereits seit langem für Diskussionsstoff.310 Wesentliche Kritikpunkte sind stets die konkrete Ausgestaltung des Komitologieverfahrens sowie die nur geringen Beteiligungsmöglichkeiten des Europäischen Parlamentes in Anbetracht der Erfordernisse des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips. Vor diesem Hintergrund könnte das Komitologieverfahren als juristischer Angriffspunkt für die Feststellung der Unzulässigkeit der Art und Weise der Übernahme der privat erstellten IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht überhaupt dienen. Im Gegensatz zu den bisher erörterten Einwänden gegen das Endorsement, die sich auf seine Einordnung als Inkorporation sowie auf die Übertragung der Endorsementbefugnis von Rat und Parlament auf die Kommission bezogen, wäre nunmehr das Gesetzgebungsverfahren, mit welchem die Kommission die internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS inkorporiert, der juristische Ansatzpunkt, über den sich der Übernahmemechanismus der IAS / IFRS rechtlich „aus den Fugen“ heben ließe. Denn sollte sich das für die Übernahme der IAS / IFRS zur Anwendung kommende Gesetzgebungsverfahren in Gestalt des Regelungsverfahrens als europarechtswidrig erweisen, dann wäre auch die Anordnung in der IAS / IFRS-Basisverordnung rechtswidrig und die bereits übernommenen IAS / IFRS mit diesem Makel versehen. Obwohl das Komitologieverfahren im Allgemeinen ein in der EU weitgehend übliches und zahlenmäßig sehr verbreitetes Verfahren darstellt,311 bleibt dennoch zu untersuchen, ob (1.) das Regelungsverfahren, das gem. der IAS / IFRS-Basisverordnung de lege lata zur Anwendung kommt, als solches mit den europarechtlichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips im Einklang steht und ob (2.) das Regelungsverfahren als Unterart des Komitologieverfahrens gerade in Bezug auf den Beschluss über die Anwendbarkeit und Verbindlichstellung privater Regeln, also der Inkorporation, ein europarechtlich zulässiges Prozedere darstellt. Dieser Analyse soll zunächst in knapper Form ein Überblick über die rechtlichen Grundlagen und Ausprägungen des Komitologieverfahrens im Allgemeinen vorangestellt werden. Siehe zum Verfahrensablauf auch oben Kapitel 1 A. III. 1. Vgl. z. B. FAZ vom 23.05.2006 „Parlament möchte mehr Einfluss auf die Gesetzgebung – Streit um die Komitologie“; siehe auch die kritische Stellungnahme des Abg. Jerzy Montag (Bündnis 90 / Die Grünen), Plenarprotokoll 15 / 136 des Deutschen Bundestages vom 29. 10. 2004. 311 Zum erheblichen Einfluss der Ausschüsse auf die Gemeinschaftspolitiken van Schendelen, in: Pedler / Schäfer, Shaping European Law and Policy, S. 25 ff. 309 310
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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a) Das Komitologiewesen – Begriff, Rechtsgrundlage, Ausgestaltung Unter „Komitologieverfahren“ wird das Entscheidungsprozedere verstanden, das der Kommission beim Erlass von Durchführungsvorschriften beigegeben wird und in welchem besondere Ausschüsse, i. d. R. von Vertretern der mitgliedstaatlichen Verwaltungen, die Kommission beraten, unterstützen und kontrollieren.312 Der Ausdruck „Komitologieverfahren“ ist darüber hinaus gleichzeitig ein Oberbegriff, hinter dem sich eine Reihe von eigenen (Ausschuss-)Verfahrenstypen verbergen, die jeweils einem eigenen Prozedere folgen.
aa) Historischer Kurzüberblick Historisch ist die Entstehung des Komitologieverfahrens im Zusammenhang mit der Schaffung von Möglichkeiten zur Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen vom Rat auf die Kommission zu sehen.313 Die Hinzuziehung von Ausschüssen bei der Gesetzgebung der Kommission geht bis in die 1960er Jahre zurück, als der Rat vor allem aus Gründen der Arbeitsentlastung dazu überging, im Bereich der Agrarpolitik Rechtsetzungsbefugnisse auf die Kommission zu übertragen, gleichzeitig jedoch festlegte, dass die Kommission bei der Ausübung dieser Aufgaben von Fachausschüssen unterstützt würde.314 Die Einsetzung solcher Ausschüsse, die meistenteils mit Experten und Vertreter der Mitgliedstaaten besetzt werden, hatte damals – genau wie heute – den Zweck, – erstens – eine inhaltliche und prozedurale Kontrolle der abgeleiteten Rechtsetzungsbefugnis der Kommission zu ermöglichen und – zweitens – durch die Integrierung von fachlicher Expertise in den Ausschüssen die Qualität der Entscheidung bei einer akzelerierten Rechtsetzungsgeschwindigkeit zu erhöhen.315 Ursprünglich war die Möglichkeit der Einsetzung von Ausschüssen zur Beratung der Kommission bei ihrer derivativen Rechtsetzungstätigkeit im Primärrecht nicht vorgesehen.316 Der Rat legte im jeweiligen Rechtsakt, welcher der Kommission Befugnisse zur Rechtsetzung übertrug, autonom fest, ob der Kommission ein Fischer / Köck / Karollus, Europarecht, Rn. 1022; Roller, KritV 2003, 249. Roller, KritV 2003, 249, 250; ausführlich zur historischen Entwicklung des Komitologieverfahrens Haibach, in: Andenas / Türk, Delegated Legislation, S. 185 ff. 314 Das erste Komitologieverfahren wurde in Art. 25, 26 der Verordnung Nr. 19 / 62 des Rates vom 04. 04. 1962 über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Getreide, ABl. L 1962 vom 20. 04. 1992, S. 933 ff., in Form eines sog. Verwaltungsausschusses errichtet. 315 Hummer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 155 EGV a. F. Rn. 77; Schmitt v. Sydow, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 101; Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 224; Meng, ZaöRV 48 (1988), 208, 210; Mensching, EuZW 2000, 268. 316 Zur Kontroverse, auf welcher rechtlichen Grundlage der Rat ein Komitologieverfahren anordnen könne, wenn der Vertrag keine ausdrückliche Ermächtigung vorsehe: Schmitt v. Sydow, Die Kommission, S. 172 ff. 312 313
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
Ausschuss beigegeben werden sollte und welche Verfahrensanforderungen dieser zu beachten habe.317 Dieser Praxis wurde erst mit der EEA im Primärrecht eine ausdrückliche rechtliche Grundlage gegeben, indem Art. 202, 3. Sp. S. 3 EGV nunmehr vorsah, dass der „Rat [ . . . ] bestimmte Modalitäten für die Ausübung dieser Befugnisse festlegen“ könne. Damit war eine explizite Ermächtigung für den Rat geschaffen, auf deren Grundlage dieser im Jahre 1987 den sog. „Ersten Komitologiebeschluss“318 erließ, mit dem er die inhaltliche Ausgestaltung des Komitologieverfahrens erstmals sekundärrechtlich umfassend und abschließend normierte.319 Dieser „Erste Komitologiebeschluss“ war heftiger Kritik ausgesetzt, insbesondere durch das Europäische Parlament, das seine Rechte im Komitologieverfahren nicht ausreichend berücksichtigt sah. Aufgrund politischen Drucks kam es daraufhin zu einer Vielzahl unterschiedlicher interinstitutioneller Vereinbarungen zwischen dem Parlament und der Kommission, z. T. auch mit dem Rat, in denen die Rechte des Parlamentes konkretisiert und verankert wurden.320 Auch um diese Rechte auf eine einheitliche Grundlage zu heben, den Rechtszustand des Komitologieverfahrens gleichsam zu „konsolidieren“, wurde im Jahre 1999 der „Erste Komitologiebeschluss“ durch den heute gültigen sog. „Zweiten Komitologiebeschluss“321 ersetzt. Jüngst ist der Zweite Komitologiebeschluss – fast auf den Tag genau vier Jahre nach dem Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung – geändert worden.322 Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 225. Beschluss des Rates vom 13. Juli 1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse 87 / 373 / EWG, ABl. L 184 vom 18. 07. 1987, S. 33. Zur rechtlichen Einordnung des Komitologiebeschlusses siehe Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 226 f. m. w. N. 319 Der Erste Komitologiebeschluss normierte sieben unterschiedliche Komitologieprozeduren – vier Hauptverfahren mit drei Unterverfahren: Verfahren I „Beratender Ausschuss“, Verfahren II „Verwaltungsverfahren“ mit den Untergliederungen IIa „Allgemeines Verwaltungsausschussverfahren“ und IIb „Besonderes Verwaltungsausschussverfahren“, Verfahren III „Regelungsausschussverfahren“ mit den Untergliederungen IIIa „Allgemeines Regelungsausschussverfahren“ („filet“) und IIIb „Besonderes Regelungsausschussverfahren“ („contrefilet“) sowie Verfahren IV „Schutzklauselverfahren“ mit den Untergliederungen IVa „Allgemeines Schutzklauselverfahren“ und IVb „Besonderes Schutzklauselverfahren“. Vgl. zum Inhalt des „Ersten Komitologiebeschlusses“ z. B. Jacqué, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 17 ff. 320 Es handelt sich dabei um die „Plumb-Delors-Vereinbarung“ (EP Dok. 123217, SG (88), D / 03026), die „Klepsch-Millan-Vereinbarung“ vom 13. 07. 1993 (ABl. 1993, Nr. C 255, S. 19 f.) sowie den sog. „Modus vivendi“ vom 20. 12. 1994 (ABl. 1996, Nr. C 102, S. 1). Näher dazu Hummer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 155 EGV aF Rn. 102 ff.; Hummer / Obwexer, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 39 ff.; Bradley, ELJ 1997, 230, 236 ff. 321 Beschluss des Rates vom 28. 06. 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse 1999 / 468 / EG, ABl. L 184 vom 17. 07. 1999, S. 23. 322 Beschluss des Rates vom 17. 07. 2006 zur Änderung des Beschlusses 1999 / 468 / EG zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (2006 / 512 / EG), ABl. L 200 vom 22. 07. 2006, S. 11 ff. Dazu auch Schusterschitz, Europa-Blätter 2006, 176 ff. 317 318
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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Im Folgenden sollen der Zweite Komitologiebeschluss von 1999, wie er zur Zeit des Erlasses der IAS / IFRS-Basisverordnung galt, sowie im Anschluss daran die jüngsten Änderungen einer kurzen Erörterung unterzogen werden. Diese Unterscheidung ist notwendig, um eine präzise Einordnung der rechtlichen Zulässigkeit des von der IAS / IFRS-Basisverordnung de lege lata angeordneten Endorsement und der de lege ferenda erforderlichen Verbesserungen vornehmen zu können.
bb) Inhaltliche Grundzüge des Zweiten Komitologiebeschlusses, wie er zur Zeit des Erlasses der IAS / IFRS-Basisverordnung galt Der Zweite Komitologiebeschluss bezweckt ausweislich seiner Erwägungsgründe vier Hauptziele: (1.) Die Schaffung von (allerdings unverbindlichen) Kriterien zur Wahl eines bestimmten Typus von Komitologieverfahren, (2.) die Vereinfachung der Ausschussverfahren, (3.) die stärkere Einbeziehung des Europäischen Parlamentes, soweit der entscheidende Basisrechtsakt im Mitentscheidungsverfahren angenommen wurde, und die Verbesserung der Unterrichtung des Europäischen Parlamentes, sowie (4.) die verbesserte Information der Öffentlichkeit über die Arbeiten der Ausschüsse.323 Der „Zweite Komitologiebeschluss“ vereinfacht die bestehende Rechtslage, indem er die Anzahl der Ausschussverfahrenstypen auf vier reduziert. Vorgesehen sind ein Beratungsverfahren, ein Verwaltungsverfahren, ein Regelungsverfahren sowie ein Schutzklauselverfahren. Der Rat – im Mitentscheidungsverfahren gemeinsam mit dem Parlament – ist an die genannten Ausschusstypen und an die an diese geknüpften Verfahrensfolgen gebunden, wenn er in einem Basisrechtsakt Durchführungsbefugnisse an die Kommission übertragen und ihr dabei ein Komitologieverfahren beigeben will.324 Die Verfahrensmodalitäten des Basisrechtsaktes müssen insoweit mit der abschließenden Regelung des Zweiten Komitologiebeschlusses übereinstimmen.325 Im „Interesse einer größeren Kohärenz und Vorhersehbarkeit bei der Wahl des Ausschusstyps“326 im Basisrechtsakt gibt Art. 2 des Zweiten Komitologiebeschlusses (unverbindliche) Auswahlkriterien vor, die in einer Mischung aus abstrakt-generellen Formulierungen sowie konkreten Beispielen artikuliert sind:327 Nach dem Verwaltungsverfahren sollen Verwaltungsmaßnahmen, wie etwa Maßnahmen zur Umsetzung der gemeinsamen Agraroder Fischereipolitik oder Programme mit erheblichen Auswirkungen auf den Haushalt, erlassen werden. Maßnahmen von allgemeiner Tragweite, mit denen wesentliche BestimVgl. dazu Tichy, ZfRV 2000, 134, 137; Hauschild, ZG 1999, 248 ff. Riedel, EuR 2006, 512, 523. 325 Fischer / Köck / Karollus, Europarecht, Rn. 1023. 326 Vgl. Erwägungsgrund 5 des Zweiten Komitologiebeschlusses sowie dazu Tichy, ZfRV 2000, 134, 137. 327 Kritisch hinsichtlich der schwachen Präzision der genannten Kriterien Lenaerts / Verhoeven, CMLR 2000, 645, 672 ff. 323 324
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mungen von Basisrechtsakten angewandt werden, sollen im Regelungsverfahren ergehen. Das Beratungsverfahren hingegen soll immer dann zur Anwendung gelangen, wenn es als das zweckmäßigste Verfahren anzusehen ist.
Allen zur Zeit des Erlasses der IAS / IFRS-Basisverordnung bestehenden Komitologieverfahrenstypen ist gemeinsam, dass die Kommission ihren Vorschlag über den Erlass einer Durchführungsmaßnahme zunächst stets einem Ausschuss aus Vertretern der Mitgliedstaaten zur Stellungnahme vorlegen muss und dass die Kommission immer dann einen Rechtsakt erlassen kann, wenn der Ausschuss den ihm von ihr vorgelegten Beschlussvorschlag befürwortet hat.328 Unterschiede zwischen den einzelnen Ausschussverfahren ergeben sich hingegen vor allem bei der Frage, welche Befugnisse die Kommission sowie der Rat bei einer ablehnenden Stellungnahme des Ausschusses hat, sowie hinsichtlich des Grades der Beteiligung des Europäischen Parlamentes. (1) Befugnisse der Kommission bei einer ablehnenden Stellungnahme des Ausschusses Im Beratungsverfahren gem. Art. 3 des Zweiten Komitologiebeschlusses besteht für die Kommission lediglich die Verpflichtung, die Stellungnahme des Ausschusses zu berücksichtigen und diesen darüber zu informieren. Die Kommission ist also befugt, gegen den Willen des Ausschusses den vorgeschlagenen Rechtsakt zu erlassen. Im Vergleich zu den anderen Verfahrenstypen genießt die Kommission beim Beratungsverfahren die weitestgehenden Handlungsbefugnisse bzw. – umgekehrt betrachtet – ist sie durch das Komitologieverfahren prozedural am schwächsten gebunden.329 Die Kommission ist grundsätzlich auch im Verwaltungsverfahren gem. Art. 4 des Zweiten Komitologiebeschlusses befugt, entgegen einer ablehnenden Ausschussstellungnahme den von ihr vorgeschlagenen Rechtsakt zu erlassen. Allerdings ist sie in einem solchen Falle verpflichtet, den Rat über diese Tatsache zu informieren, welcher nunmehr das Recht erhält, mit qualifizierter Mehrheit innerhalb von drei Monaten einen anderslautenden Beschluss zu fassen. Damit fällt die Entscheidungskompetenz über den Erlass von Durchführungsmaßnahmen an den Rat zurück, der an Stelle der Kommission und in Ersetzung des bereits von ihr erlassenen Rechtsaktes einen eigenen Durchführungsrechtsakt erlassen kann.330 Schmitt v. Sydow, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 88. Hummer / Obwexer, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 45; Riedel, EuR 2006, 512, 524. 330 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das Schutzmaßnahmenverfahren gem. Art. 7 des Zweiten Komitologiebeschlusses ähnlich wie das Verwaltungsverfahren bei einer ablehnenden Ausschussstellungnahme ein selbständiges Entscheidungsrecht des Rates auch gegen den Kommissionsvorschlag vorsieht. 328 329
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Wiederum anders sind die Rechtsfolgen einer ablehnenden Stellungnahme beim Regelungsverfahren gem. Art. 5 des Zweiten Komitologiebeschlusses. Die Kommission kann in einem solchen Falle zunächst keinen eigenen Rechtsakt erlassen, sondern ist verpflichtet, dem Rat ihren Kommissionsvorschlag zu unterbreiten und das Europäische Parlament darüber zu unterrichten. Der Rat kann nunmehr innerhalb von drei Monaten mit qualifizierter Mehrheit über diesen Vorschlag Beschluss fassen:331 Stimmt er dem Vorschlag mit qualifizierter Mehrheit zu, so erlässt der Rat die Durchführungsmaßnahme; lehnt er den Vorschlag mit qualifizierter Mehrheit ab, so kann der Rat – anders als im Verwaltungsverfahren – nicht gegen den Vorschlag der Kommission einen eigenen Rechtsakt erlassen, sondern seine Ablehnung legt die Rechtsetzungsinitiative zurück in die „Hände“ der Kommission, welche nach einer Überprüfung nunmehr denselben oder einen geänderten Vorschlag dem Rat vorlegen darf oder einen gänzlich neuen Vorschlag für einen Rechtsakt auf der Grundlage des Vertrages, also ein neues Rechtsetzungsverfahren initiiert; wird seitens des Rates kein Beschluss mit qualifizierter Mehrheit gefasst, so wird der vorgeschlagene Durchführungsrechtsakt von der Kommission erlassen. Mit letzterer Regel wird verhindert, dass aufgrund Uneinigkeit im Rat eine bestimmte Regelungsmaterie gänzlich ohne gemeinschaftliche Regelung bleiben würde.332 Schafft es der Rat zuvor, einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit zu treffen, so verhindert er die Auffangkompetenz der Kommission (sog. „contre filet“-Lösung).333 Der Zweite Komitologiebeschluss, der das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit einführte, schränkt damit die Entscheidungsbefugnisse des Rates ein und lässt der Kommission korrespondierend mehr Handlungsspielraum. Zwar haben Regelungs- und Verwaltungsverfahren die Gemeinsamkeit, dass die ablehnende Stellungnahme eines Ausschusses zum Rückfall der Entscheidungskompetenz an den Rat führt. Doch besteht der wesentliche Unterschied zwischen beiden Verfahren darin, dass beim Regelungsverfahren das Initiativrecht der Kommission weitgehend gewahrt bleibt, während im Verwaltungsverfahren der Rat einen eigenen Rechtsakt erlassen darf, der nicht in Übereinstimmung mit dem Kommissionsvorschlag steht.334
331 Zur zweifelhaften, wenn auch hier nicht relevanten Frage, ob und mit welchem Quorum der Rat den Vorschlag der Kommission verändern darf, siehe Roller, KritV 2003, 249, 270; Lenaerts / Verhoeven, CMLR 2000, 645, 677; Hix, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 17. 332 Diese subsidiäre Kompetenz wird auch „filet“-(„Netz“-)Lösung genannt und existierte schon im Ersten Komitologiebeschluss, siehe oben Kapitel B IV. 3. a) aa). 333 Letztere stammt aus dem „Besonderen Regelungsausschussverfahren“ (IIIb-Verfahren) des Ersten Komitologiebeschlusses, erforderte dort jedoch nur eine einfache Mehrheit im Rat; vgl. dazu Schmitt v. Sydow, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 91. 334 Zu weiteren Unterschieden, die an dieser Stelle von untergeordneter Bedeutung sind, siehe Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 251.
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(2) Beteiligungsrechte des Europäischen Parlamentes im Komitologieverfahren Der Zweite Komitologiebeschluss regelt auch die Beteiligung des Europäischen Parlamentes an der Durchführungsgesetzgebung. Zu differenzieren ist dabei einerseits hinsichtlich der Art des Beteiligungsrechtes und andererseits hinsichtlich des Typus des Ausschussverfahrens. Gem. Art. 7 Abs. 3 S. 1, 3 des Zweiten Komitologiebeschlusses wird das Europäische Parlament regelmäßig über die Arbeiten der Ausschüsse unterrichtet sowie zusatzlich dann, wenn die Kommission dem Rat Maßnahmen oder Vorschläge für zu ergreifende Maßnahmen übermittelt. Damit enthalten Art. 7 Abs. 3 S. 1, 3 ein allgemeines Informationsrecht des Europäischen Parlamentes im Komitologieverfahren. Nach Art. 7 Abs. 3 S. 2 erhält das Europäische Parlament die Tagesordnungen der Sitzungen, die den Ausschüssen vorgelegten Entwürfe für Maßnahmen zur Durchführung der gemäß Art. 251 EGV erlassenen Rechtsakte sowie die Abstimmungsergebnisse, die Kurzniederschriften über die Sitzungen und die Listen der Behörden und Stellen, denen die Personen angehören, die die Mitgliedstaaten in deren Auftrag vertreten. Seit der interinstitutionellen Vereinbarung zwischen Kommission und Europäischem Parlament aus dem Jahre 2000335 ist dieses Informationsrecht, das eigentlich nur auf solche Durchführungsmaßnahmen beschränkt ist, deren Übertragung die Grundlage in einem Basisrechtsakt findet, der im Mitentscheidungsverfahren ergangen ist, faktisch auf alle Komitologieverfahren, unabhängig vom Zustandekommen des Basisrechtsakts, ausgeweitet und damit zu einem allgemeinen Informationsrecht geworden.
Dieses allgemeine Informationsrecht des Europäischen Parlamentes stellt die Voraussetzung für die Ausübung der ihm nach dem Zweiten Komitologiebeschluss zustehenden Kontroll- bzw. Interventionsrechte dar.336 Art. 8 des Zweiten Komitologiebeschlusses normiert ein von Ausschussart sowie Verfahrensstadium unabhängiges Recht des Europäischen Parlamentes zur Rüge darüber, dass ein Kommissionsentwurf für eine Durchführungsmaßnahme über die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgeht.337 An eine solche Rüge anknüpfend besteht eine Prüfungspflicht der Kommission, die jedoch nicht gehalten ist, der Auffassung des Parlamentes zu folgen.338 Das Interventionsrecht steht dem 335 Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission über die Modalitäten der Anwendung des Beschlusses 1999 / 468 / EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. L 256 vom 10. 10. 2000, S. 19. 336 Mensching, EuZW 2000, 268, 271; Tichy, ZfRV 2000, 134, 140. 337 Die Rüge ist aber auf diesen Einwand beschränkt. Andere Einwände, die darüber hinausgehen, sind unzulässig. Dazu Tichy, ZfRV 2000, 134, 140. 338 Lenaerts / Verhoeven, CMLR 2000, 645, 681; kritisch zur fehlenden Sanktionsmöglichkeit aus Sicht des Europäischen Parlamentes Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 254 f., 264.
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Europäischen Parlament lediglich zu bei Maßnahmen, die auf Grundlage von Basisrechtsakten ergehen, die im Mitentscheidungsverfahren gem. Art. 251 EGV zustande gekommen sind.339 Ähnliches gilt für das Recht zur Stellungnahme des Europäischen Parlamentes nach Art. 5 Abs. 5 des Zweiten Komitologiebeschlusses. Auch mit diesem kann das Parlament nur bei solchen Durchführungsmaßnahmen, die auf im Mitentscheidungsverfahren ergangene Basisrechtsakte zurückgehen, monieren, dass der Vorschlag für die Durchführung einer Maßnahme über die Grenzen der im Basisrechtsakt übertragenen Befugnisse hinausgeht. Von Art. 8 unterscheidet sich dieses Recht zur Stellungnahme jedoch tatbestandlich dadurch, dass es gegenüber dem Rat nur im Rahmen eines Regelungsverfahrens gem. Art. 5 des Zweiten Komitologiebeschlusses und zusätzlich nur dann, wenn eine ablehnende Stellungnahme des Regelungsausschusses vorliegt, geltend gemacht werden kann. Auch die Rechtsfolgenseite ist schwach ausbildet: Der Rat hat die Stellungnahme lediglich zu erwägen, gebunden wird er von ihr nicht. Das Europäische Parlament wird in allen Komitologieverfahrenstypen, die im Zweiten Komitologiebeschluss, wie dieser zur Zeit des Erlasses der IAS / IFRSBasisverordnung galt, vorgesehen waren, also nur über Informationsrechte und Kontrollrechte eingebunden. Selbständige Interventionsrechte werden dem Parlament nur für bestimmte sektoral und sachlich begrenzte Materien eingeräumt. Eigene konstruktive Vorschlags-, geschweige denn eigene Entscheidungsrechte innerhalb der Komitologieverfahren hat das Europäische Parlament – im Gegensatz zum Rat – in diesen Fällen nicht, und zwar auch dann nicht, wenn der Basisrechtsakt, in dem der Kommission die Legislativbefugnisse übertragen wurden, mit seiner Beteiligung im Wege des Mitentscheidungsverfahrens beschlossen wurde. cc) Inhaltliche Gründzüge der im Jahr 2006 vorgenommenen Änderungen des Zweiten Komitologiebeschlusses Vor diesem Hintergrund ist auf die jüngsten Änderungen des Zweiten Komitologiebeschlusses durch den Beschluss des Rates vom 17. 07. 2006340 einzugehen, welche sowohl im Hinblick auf die Aussschussverfahrenstypen als auch auf die Beteiligung des Europäischen Parlamentes an den Komitologieverfahren bemerkenswerte Neuerungen einführen. 339 Nota bene ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es dem Europäischen Parlament natürlich unbenommen ist, Entschließungen kraft seines ureigenen parlamentarischen Rechtes zu jeder Art von Durchführungsmaßnahme zu verabschieden. An solche Entschließungen wären jedoch nicht die Rechtsfolgen des Art. 8 Zweiter Komitologiebeschluss geknüpft, sondern die Entschließung würde allein politische Wirkung entfalten. 340 Beschluss des Rates vom 17. 07. 2006 zur Änderung des Beschlusses 1999 / 468 / EG zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (2006 / 512 / EG), ABl. L 200 vom 22. 07. 2006, S. 11 ff.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
Den bestehenden vier Ausschussverfahrenstypen wird ein weiterer Verfahrenstypus, das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“, hinzugefügt, welcher nunmehr in Art. 5a des konsolidierten Zweiten Komitologiebeschlusses geregelt ist. Das Regelungsverfahren mit Kontrolle soll gem. Erwägungsgrund 7a sowie gem. Art. 2 Abs. 2 des geänderten Zweiten Komitologiebeschlusses dann zur Anwendung kommen, wenn in einem im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV zustande gekommenen Basisrechtsakt vorgesehen ist, dass „Maßnahmen von allgemeiner Tragweite angenommen werden, die eine Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen dieses Rechtsakts bewirken“. Damit sind alle legislativen Durchführungsmaßnahmen der Kommission erfasst, die ihre Grundlage in einem Basisrechtsakt finden, welcher im Mitentscheidungsverfahren gem. Art. 251 EGV zustandegekommen ist. Im Regelungsverfahren mit Kontrolle ist die Befugnis der Kommission zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen im Vergleich zu den bestehenden Ausschussverfahren am stärksten beschränkt. Dies wird daran deutlich, dass die Kommission selbst dann, wenn der Regelungsausschuss der von ihr vorgeschlagenen Maßnahme zustimmt, die Maßnahme grundsätzlich nicht sofort erlassen kann.341 Stattdessen muss die Kommission ihren Vorschlag unverzüglich dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Kontrolle unterbreiten.342 Nur wenn Rat und Parlament sich nicht innerhalb einer Regelfrist von drei Monaten – eine kürzere oder längere Frist kann ausnahmsweise aus Gründen der Effizienz oder der Komplexität angeordnet werden – gegen den Entwurf aussprechen, kann die Kommission die vorgeschlagene Maßnahme erlassen.343 Lehnen hingegen der Rat mit qualifizierter Mehrheit und / oder das Europäische Parlament mit der Mehrheit seiner Mitglieder die vorgeschlagene Maßnahme mit der Begründung, dass sie über die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgehe oder dass sie mit dem Ziel oder dem Inhalt des Basisrechtsakts unvereinbar sei oder gegen die Grundsätze der Subsidiarität oder Verhältnismäßigkeit verstoße, ab, kann die Kommission den vorgeschlagenen Rechtsakt nicht erlassen, sondern nur noch einen geänderten oder gänzlich neuen Vorschlag vorlegen.344 Lehnt der Ausschuss den von der Kommission entworfenen Rechtsakt ab oder gibt er keine Stellungnahme ab, so unterbreitet die Kommission diesen Vorschlag dem Rat und übermittelt diesen gleichzeitig dem Europäischen Parlament.345 Spricht sich der Rat mit qualifizierter Mehrheit für die Annahme der vorgeschla341 Lediglich in Fällen äußerster Dringlichkeit ist es der Kommission erlaubt, bei zustimmendem Votum des Regelungsausschusses die vorgeschlagene Maßnahme mit vorläufiger Wirkung zu erlassen, ohne dass Rat oder Parlament zugestimmt haben müssten. Aber auch dann kann die Maßnahme endgültig nur bestehen, wenn Rat und Parlament dieser anschließend zustimmen (vgl. dazu Art. 5a Abs. 6 des geänderten Komitologiebeschlusses). 342 Art. 5a Abs. 3 lit. a des geänderten Komitologiebeschlusses. 343 Art. 5a Abs. 3 lit. d des geänderten Komitologiebeschlusses. 344 Art. 5a Abs. 3 lit. c, d des geänderten Komitologiebeschlusses. 345 Art. 5a Abs. 4 lit. a des geänderten Komitologiebeschlusses.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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genen Maßnahme aus oder fasst er nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten Beschluss, wird der Vorschlag dem Europäischen Parlament vorgelegt.346 Nur wenn sich dieses nicht gegen den Entwurf der Maßnahme ausgesprochen hat, kann die vorgeschlagene Maßnahme – je nach Fall – von der Kommission oder vom Rat erlassen werden.347 In allen anderen Konstellationen, d. h., wenn entweder der Rat oder das Parlament sich aus den bereits genannten Gründen gegen die vorgeschlagene Maßnahme aussprechen, kann die Kommission die Maßnahme nicht erlassen, sondern nur noch einen geänderten oder gänzlich neuen Vorschlag vorlegen.348 Vergleicht man das neue „Regelungsverfahren mit Kontrolle“ mit den bestehenden vier Komitologieverfahrenstypen, so fällt im Grundsatz zunächst die Ähnlichkeit mit dem bisherigen „Regelungsverfahren“ auf, als dessen spezielle Ausprägung es angesehen werden kann. Doch die sonstigen Unterschiede sind deutlich ausgeprägt: So kann die Kommission auch bei zustimmender Ausschussstellungnahme die vorgeschlagene Maßnahme nicht sofort erlassen. Mit diesem relativen Machtverlust geht ein Bedeutungsverlust des Regelungsausschusses im Vergleich zum „normalen“ Regelungsverfahren einher, dessen Votum letztlich nur den weiteren Gang der Dinge determiniert, ohne selbst den Weg für eine Entscheidung der Kommission frei machen zu können. Von immenser Bedeutung ist allerdings der Machtzuwachs des Europäischen Parlamentes. Ohne seine Zustimmung kann die Kommission keine Durchführungsmaßnahme erlassen. Im Regelungsverfahren mit Kontrolle wird das Parlament mithin mit dem Rat auf eine Stufe gestellt, wodurch das Machtverhältnis, wie es beim Erlass des Basisrechtsakts im Mitentscheidungsverfahren bestand, auch auf Ebene der Durchführungsgesetzgebung fortgesetzt wird. Damit geht naturgemäß ein beträchtlicher Zuwachs an Informationsrechten einher, die zu den bestehenden hinzutreten, womit gleichfalls die Transparenz gegenüber dem Parlament als demokratisch gewähltem Organ gestärkt wird.349 Dass das Regelungsverfahren mit Kontrolle wegen der zwingenden Einbindung des Rates und des Europäischen Parlamentes zu einer Verzögerung des Rechtsetzungsprozesses führen wird und es mehr einem „Mini-Mitentscheidungsverfahren“ als einem Ausschussverfahren ähnelt, steht hingegen auf einem anderen Blatt.
346 347 348 349
Art. 5a Abs. 4 lit. b, c des geänderten Komitologiebeschlusses. Art. 5a Abs. 4 lit. g des geänderten Komitologiebeschlusses. Art. 5a Abs. 4 lit. c, f des geänderten Komitologiebeschlusses. Vgl. hingegen oben Kapitel 2 B. IV. 3. a) bb).
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
b) Rechtliche Kritikpunkte am Komitologieverfahren in Gestalt des „Regelungsverfahrens“, wie es die IAS / IFRS-Basisverordnung de lege lata bei der Übernahme der IAS / IFRS anordnet Die IAS / IFRS-Basisverordnung ordnet in ihrem Art. 6 Abs. 1 de lege lata an, dass die Kommission durch einen „Regelungsausschuss für Rechnungslegung“ bei der Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards unterstützt wird. Diese Unterstützung wird prozedural durch das Komitologieverfahren in Form des Regelungsverfahrens nach Art. 5 des Zweiten Komitologiebeschlusses, auf den Art. 6 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung ausdrücklich verweist, organisiert. Nicht unter das Regime des Zweiten Komitologiebeschlusses fällt die rein fachliche Unterstützung der Kommission durch die EFRAG im Komitologieverfahren. Sie wurde von der Kommission auf freiwilliger Basis aufgrund der Feststellung in Erwägungsgrund 10 der IAS / IFRS-Basisverordnung, wonach ein Technischer Ausschuss für Rechnungslegung die Kommission bei der Bewertung internationaler Rechnungslegungsstandards unterstützt und berät, in den Entscheidungsprozess zur Übernahme der IAS / IFRS eingeführt. Ein solches Vorgehen ist grundsätzlich möglich.350
Wegen der vielfach geäußerten Kritik am Komitologieverfahren soll mit Blick auf die Übernahme der IAS / IFRS im Weiteren die Vereinbarkeit des Regelungsverfahrens als solches mit dem Gemeinschaftsrecht und konkret in Bezug auf den durch die IAS / IFRS-Basisverordnung verfolgten Zweck untersucht werden.351 Dabei werden vor allem die Hauptkritikpunkte der Vereinbarkeit des Regelungsverfahrens mit dem europarechtlichen Demokratieprinzip sowie dem Rechtsstaatsgebot im Spiegel der Standpunkte von Rechtsprechung und Literatur erörtert. Vorausschickend ist auf die weitgehende Einigkeit darüber hinzuweisen, dass die Beistellung von Fachausschüssen bei der Kommissionsgesetzgebung mehrere positive Wirkungen haben kann: Der besondere Sachverstand der Ausschussmitglieder kann zu einer fachlich „besseren“ Gesetzgebung führen, welche die Akzeptanz bei den Rechtsunterworfenen erhöht.352 Weiterhin fördert die Besetzung der Ausschüsse mit Vertretern der Mitgliedstaaten schon in der Phase der Erstellung einer Norm eine frühzeitige Verzahnung und Kooperation der europäischen und mitgliedstaatlichen Verwaltungsebenen. Dies ist insofern von Nutzen, als grundsätzlich die Mitgliedstaaten zum Vollzug des Gemeinschaftsrechts verpflichtet sind und ihre Mitwirkung an der Normerstellung damit eine sachnahe und akzeptierte Vollziehung der Vorschrift wahrscheinlich macht.353
Glatthaar, RIW 1992, 179, 180; Lenaerts / Verhoeven, CMLR 2000, 645, 664 f. Politische Kritik explizit zum Komitologieverfahren bei der Verwendung zum Endorsement Jerzy Montag (Bündnis 90 / Die Grünen), Plenarprotokoll 15 / 136 des Deutschen Bundestages vom 29. 10. 2004. 352 Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 230. 353 Demmke / Haibach, DÖV 1997, 710, 715; Roller, KritV 2003, 249, 251. 350 351
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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aa) Verstoß des Regelungsverfahrens zur Übernahme der IAS / IFRS gegen das europarechtliche Rechtsstaatsgebot? Problematisch im Hinblick auf das europarechtliche Rechtsstaatsgebot in Form des Prinzips des institutionellen Gleichgewichts erscheint beim Regelungsverfahren gem. Art. 5 des Zweiten Komitologiebeschlusses prima facie der Rückfall der Entscheidungskompetenz an den Rat, sofern der Regelungsausschuss zu einem Übernahmevorschlag der Kommission ablehnend Stellung nimmt, weil damit die ablehnende Stellungnahme des Ausschusses zu einer Veränderung der Entscheidungskompetenz im institutionellen Gefüge zwischen Rat, Kommission und Parlament führt. (1) Erste Ansicht: Verstoß gegen das europarechtliche Rechtsstaatsprinzip Ein Teil der Literatur sieht darin sowohl einen Verstoß gegen das europarechtliche Rechtsstaatsprinzip in Form des Prinzips des institutionellen Gleichgewichts354 als auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Regeldelegation,355 wie er in Art. 202, 3. Sp. S. 3 EGV verankert ist und das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts konkretisiert.356 Begründet wird diese Einschätzung, die zu einer europarechtlichen Unzulässigkeit des Regelungsverfahrens führen würde, damit, dass der Wortlaut des Art. 202, 3. Sp. EGV nur in Ausnahmefällen, deren Vorliegen nach der Rechtsprechung des EuGH zudem vom Rat begründet werden müsste,357 die Möglichkeit für den Rat vorsehe, Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Nach Ansicht dieses Teils der Literatur würde die ablehnende Stellungnahme eines Ausschusses zu einer Umgehung der Vorschrift führen, da ohne eine Begrenzung auf spezifische Fälle der Rat nunmehr die Möglichkeit zu einer eigenen Entscheidung erhalte.358 Wegen dieser kompetenzverändernden Wirkung der ablehnenden Ausschussstellungnahme – was auch vor dem Hintergrund des Erfordernisses einer vorhersehbaren Zuständigkeitsordnung problematisch ist359 – wird gleichzeitig das institutionelle Gleichgewicht berührt.360
354 Siehe zum Prinzip des institutionellen Gleichgewichts die Ausführungen unter Kapitel 2 B. III. 2. 355 Siehe oben Kapitel 2 B. IV. 2. a). 356 Bradley, CMLR 1992, 693, 713 f.; ders., ELJ 1997, 230, 247, 251; Schindler, Delegation, S. 192 ff.; wohl auch Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 242 f. 357 EuGH, Urt. vom 24. 10. 1989, Rs. 16 / 88, „Kommission / Rat“, Slg. 1989, 3457, Rn. 10. 358 Bradley, CMLR 1992, 693, 714. 359 Schindler, Delegation, S. 194; Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 243. 360 Bradley, CMLR 1992, 639, 714.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
(2) Gegenansicht: Kein Verstoß gegen das europarechtliche Rechtsstaatsprinzip Der andere Teil der Literatur entnimmt der Möglichkeit zur Kompetenzverschiebung hingegen nicht eine Unvereinbarkeit des Regelungsverfahrens mit dem Europarecht.361 Diese Auffassung befindet sich im Einklang mit der ständigen EuGH-Rechtsprechung, welche bis in die 1970er Jahre zurückgeht. Ausgangspunkt dieser Judikatur ist die – auch schon für den Umfang der Übertragbarkeit von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission zentrale – Entscheidung in der Sache „Köster“. Der EuGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob das Komitologieverfahren (in der damaligen Form des Verwaltungsausschussverfahrens) mit dem EWGVertrag vereinbar sei. Dabei entschied er, dass das Verwaltungsausschussverfahren nicht dem EWG-Vertrag widerspreche, da es „nicht die Gemeinschaftsstruktur und das institutionelle Gleichgewicht“ verfälsche.362 Zu diesem Ergebnis war der Gerichtshof gelangt, nachdem er festgestellt hatte, dass der Verwaltungsausschuss selbst nicht befugt sei, anstelle der Kommission oder des Rates zu entscheiden – wäre dies der Fall gewesen, so hätte das Gericht im Umkehrschluss wohl einen Verstoß gegen die Bestimmungen des EWG-Vertrages angenommen. Gleichzeitig erlaubte es der EuGH dem Rat gerade, der „Kommission beträchtliche Durchführungsbefugnisse unter dem Vorbehalt zu übertragen, dass er [der Rat; Anm. des Verf.] gegebenenfalls die Entscheidung an sich ziehen kann“, um so die Kontrolle über die Ausführung der Durchführungsmaßnahmen zu gewährleisten.363 Bis heute hat der EuGH in Prozessen, in denen es auch um das Regelungsverfahren ging, in Anlehnung an sein Urteil in der Sache „Köster“, das zum Verwaltungsausschussverfahren ergangen war, keinen Zweifel daran gelassen, dass er die Rekursmöglichkeit auf den Rat für europarechtlich zulässig erachtet.364
361 Hix, in: Christiansen / Kirchner, Committee Governance, S. 62, 76; Kortenberg, RTDE 1998, 317, 319; Schmitt v. Sydow, Die Kommission, S. 178 ff.; ders., in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 101, Hummer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 155 EGV a. F. Rn. 82, 97; Demmke / Haibach, DÖV 1997, 710, 713 f.; Streinz, Europarecht, Rn. 524. 362 EuGH, Urt. vom 17. 10. 1970, Rs. 25 / 70, „Köster“, Slg. 1970, 1161, Rn. 9. 363 Vgl. Craig / de Búrca, EU Law, S. 150. Diese permissive Judikatur setzt sich fort mit dem Urteil „Tedeschi / Denkavit“, welches als Zulässigkeitserklärung des Regelungsausschussverfahrens und damit des direkten Vorgängers des Regelungsverfahrens, wie es die IAS / IFRS-Basisverordnung anordnet, angesehen werden kann (EuGH, Urt. vom 05. 10. 1977, Rs. 5 / 77, „Tedeschi / Denkavit“, Slg. 1977, 1555; Türk, in: Andenas / Türk, Delegated Legislation, S. 217, 238 f.; kritisch hingegen Bradley, CMLR 1992, 693, 710; ders., ELJ 1997, 230, 244). 364 Siehe nur Schmitt v. Sydow, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 101; Möllers, EuR 2002, 483, 491.
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(3) Stellungnahme Im Ergebnis wird der Auffassung der Rechtsprechung sowie eines Teils der Literatur, wonach das Regelungsverfahren nicht gegen das europarechtliche Rechtsstaatsgebot verstößt, zuzustimmen sein. Der Rückfall der Entscheidungskompetenz an den Rat bei ablehnender Stellungnahme durch den Regelungsausschuss umgeht bei genauer Betrachtung nicht Art. 202, 3. Sp. S. 3 EGV, wonach der Rat sich nur in „spezifischen Fällen“ vorbehalten kann, die Durchführungsbefugnisse selbst auszuüben. Rechtlich kann argumentiert werden, dass der Grundsatz der Regeldelegation – auch wenn der Wortlaut in dieser Hinsicht mehrdeutig ist – lediglich die Übertragung von Durchführungsbefugnissen von vornherein auf den Rat beschränken soll. Da die ablehnende Stellungnahme des Regelungsausschusses erst nach erfolgter Übertragung von Durchführungskompetenzen auf die Kommission zur Zuständigkeit des Rates führt, wäre der Sinn und Zweck des Grundsatzes der Regeldelegation prinzipiell gewahrt. Aber auch wenn man den Grundsatz der Regeldelegation zeitlich nicht beschränken wollte, so könnte doch gesagt werden, dass gerade die Ablehnung eines Kommissionsvorschlages durch den Regelungsausschuss einen politisch sensiblen Bereich anzeigt,365 welcher einen spezifischen Fall im Sinne des Art. 202, 3. Sp. S. 3 EGV darstellen könnte. Damit bliebe die Kontrollmöglichkeit des Rates gewahrt, deren Bedeutung der EuGH zu Recht in seinem Urteil „Köster“366 für die Übertragung von Durchführungsbefugnissen hervorgehoben hat. Es muss zudem daran erinnert werden, dass der Rat im Regelungsverfahren – anders als z. B. im Verwaltungsverfahren – nur sehr begrenzt eigenständig konstruktiv tätig werden kann, z. B. nicht anstelle der Kommission einen gänzlich veränderten Rechtsakt erlassen darf.367 Wenn aber der EuGH schon das Verwaltungsausschussverfahren, in welchem er nach einer ablehnenden Stellungnahme des Verwaltungsausschusses anstelle der Kommission und in Ersetzung des bereits von ihr erlassenen Rechtsaktes einen eigenen Durchführungsrechtsakt erlassen kann, für gemeinschaftsrechtskonform erachtet hat, dann muss dies erst recht für das Regelungsverfahren gelten, in welchem er so weitreichende Substitutionsbefugnisse nicht hat. Insofern ist für die Inkorporation der IAS / IFRS durch die Kommission mit Hilfe des Regelungsverfahrens zusammenfassend zu konstatieren, dass die Wahl dieses Verfahrens sogar zu einer relativ starken Stellung der Kommission und damit zu einer hinreichend vorhersehbaren Kompetenzverteilung führt.
365 Schmitt v. Sydow, Die Kommission, S. 177 benutzt in diesem Zusammenhang den Ausdruck „Alarmsystem“, welches die Voten der Ausschüsse in politischer Hinsicht für den Rat darstellen. 366 EuGH, Urt. vom 17. 12. 1970, Rs. 25 / 70, „Köster“, Slg. 1970, 1161, Rn. 6. 367 Siehe oben Kapitel 2 B. IV. 3. a) bb).
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bb) Verstoß des Regelungsverfahrens zur Übernahme der IAS / IFRS gegen das europarechtliche Demokratieprinzip wegen der beschränkten Mitwirkungsmöglichkeiten des Europäischen Parlamentes? Als problematisch könnten in Bezug auf die Erfordernisse des europarechtlichen Demokratiegebotes die vergleichsweise geringen aktiven Mitwirkungsmöglichkeiten des Europäischen Parlamentes im Rahmen des Regelungsverfahrens angesehen werden. Diese schwachen demokratischen Kontrollelemente stechen insbesondere dann ins Auge, wenn man die Stellung des Parlamentes mit derjenigen des Rates bei dem Rückfall von Entscheidungskompetenzen vergleicht, insbesondere dann, wenn es sich um Durchführungsbefugnisse handelt, die auf einen Basisrechtsakt zurückgehen, bei dem das Europäische Parlament Mitgesetzgeber nach Art. 251 EGV gewesen ist. Das Europäische Parlament ist im Regelungsverfahren dem Rat nicht gleichgestellt. Da die IAS / IFRS-Basisverordnung im Mitentscheidungsverfahren zustande gekommen ist, hat diese Frage auch für das Endorsement der IAS / IFRS Relevanz. Zwar existiert bislang keine Rechtsprechung des EuGH, die sich explizit mit der Frage der ausreichenden Beteiligung des Europäischen Parlamentes und seiner Gleichstellung mit dem Rat im Komitologieverfahren beschäftigt, wenn es sich um Mitentscheidungsrechtsakte als Basisrechtsakte handelt.368 Der EuGH hat allerdings in keinem seiner bisherigen Urteile, in denen er mit dem Komitologieverfahren befasst war, Zweifel daran geäußert, dass der Grad der Mitwirkung des Europäischen Parlamentes nicht ausreichend sei. In der Literatur hingegen sind die Auffassungen geteilt. (1) Erste Ansicht: Keine ausreichende Beteiligung des Europäischen Parlamentes So ist eine Ansicht in der Literatur der Auffassung, dass das Europäische Parlament nicht ausreichend an der Durchführungsgesetzgebung im Regelungsverfahren beteiligt ist, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die auf einen im Mitentscheidungsverfahren entstandenen Basisrechtsakt zurückgehen, und wenn die Entscheidungsbefugnis im Regelungsverfahren aufgrund einer ablehnenden Stellungnahme des zu konsultierenden Ausschusses allein auf den Rat zurückfällt.369 Diese Ansicht wird im Kern damit begründet, dass, wenn Rat und Parlament im Rechtsetzungsverfahren des Basisrechtsaktes gleiche Rechte haben, sich diese Gleichstellung auch auf Ebene der Kontrolle der übertragenen Rechtsetzungsbefugnisse auf die Kommission fortsetzen müsse.370 Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 240. Roller, KritV 2003, 249, 264, 273; Bradley, CMLR 1992, 693, 718 f.; Knemeyer, Das Europäische Parlament, S. 242 f., 262 ff.; Schlacke, Risikoentscheidungen, S. 292 ff., 300; differenzierend Töller / Hofmann, in: Andenas / Türk, Delegated Legislation, S. 25, 44; zweifelnd, wenn auch ambivalent Mensching, EuZW 2000, 268, 271. 368 369
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(2) Gegenansicht: Keine europarechtliche Verpflichtung zur Ausweitung der Rechtsstellung des Europäischen Parlamentes Die Gegenansicht in der Literatur erkennt keine europarechtliche Notwendigkeit einer Ausweitung der aktiven Mitspracherechte des Europäischen Parlamentes im Regelungsverfahren über die bestehenden Unterrichtungs- und Konsultationsrechte hinaus.371 (3) Stellungnahme Das europarechtliche Demokratieprinzip gebietet verfassungsrechtlich grundsätzlich keine zusätzlichen Mitwirkungsmöglichkeiten des Europäischen Parlamentes im Rahmen des Regelungsverfahrens. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Der Ansatzpunkt der Literaturmeinung, welche dem Europäischen Parlament im Durchführungsgesetzgebungsverfahren ein gleichwertiges Mitspracherecht wie im Rechtsetzungsverfahren für den Basisrechtsakt zubilligen möchte, wenn z. B. im Regelungsverfahren die Entscheidungskompetenz an den Rat zurückfällt, verkennt mit seiner Gleichstellung von Rechtsetzungsverfahren für den Basisrechtsakt und für den Durchführungsrechtsakt die unterschiedliche Rechtsnatur und den unterschiedlichen Zweck beider Verfahren sowie die unterschiedliche Natur der beteiligten Organe. Das Rechtsetzungsverfahren für den Basisrechtsakt ist ein ausschließlich in der Sphäre der Legislative anzusiedelnder Vorgang,372 während die abgeleitete Rechtsetzungstätigkeit durch die Kommission zwar auch ein eigenständiger gemeinschaftsrechtlicher Legislativakt ist, dieser aber durch die Kommission als „Exekutive“ ergeht.373 Wenn nunmehr dem Rat die Möglichkeit gegeben wird, bei dieser „exe370 So explizit Roller, KritV 2003, 249, 273; Töller / Hofmann, in: Andenas / Türk, Delegated Legislation, S. 25, 44. 371 Jacqué, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 38 ff.; Demmke / Haibach, DÖV 1997, 710, 712; Hix, in: Christiansen / Kirchner, Committee Governance, S. 62, 76 f.; Grams, KritV 1995, 112, 122 – 126; Lenaerts / Verhoeven, CMLR 2000, 645, 659, 663, 680; Blumann, RTDE 1996, 1, 23; Schmitt v. Sydow, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 211 EGV Rn. 103; ders., Die Kommission, S. 182 f., wenn auch zur Rechtslage vor den Modalitätenbeschlüssen; wohl auch Falke / Winter, in: Winter, Sources and Categories of EU Law, S. 541, 578 f. 372 Nach Auffassung Lenaerts’, ELR 1993, 23, 36, stellen Rat und Europäisches Parlament „two branches of legislature“ dar. 373 Hix, in: Christiansen / Kirchner, Committee Governance, S, 62, 76; Möllers, in: Schmidt-Assmann / Schöndorf-Haubold, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 293 ff.; zur Rechtsnatur der Rechtsetzung als Wahrnehmung übertragener Durchführungsbefugnisse Hummer / Obwexer, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 30 – 32. In diesem Unterschied des Normgebers sowie in der Ableitung des Durchführungsrechtsaktes vom Basisrechtsakt erklärt sich auch, weshalb der Kommissionsrechtsakt, obwohl er die gleiche Bezeichnung und Rechtswirkung, nämlich Verordnung oder Richtlinie, wie ein Rechtsakt des Rates haben kann, im Range unterhalb des Basisrechtsaktes steht. Dazu Wichard, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 202 EGV Rn. 9.
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kutiven Legislation“ selbst entscheidend tätig zu werden, so beruht dies auf der „Janusköpfigkeit“ des Rates als Legislativ- sowie als Exekutivorgan und der spezifischen institutionellen Gewaltenteilung im europäischen Gemeinschaftsrecht.374 Der Rat nimmt sowohl legislative als auch exekutive Aufgaben wahr. Entscheidet er im Komitologieverfahren, so handelt er als „Exekutive“.375 Würde das Parlament gemeinsam mit dem Rat Durchführungsrechtsakte beschließen, dann würde sich die problematische Folgefrage stellen, welchen Rang ein solcher „Rats-Parlaments-Rechtsakt“ einnehmen würde: Denselben wie eine Kommissionsverordnung oder einen höheren?376 Dies macht deutlich, dass die latente Forderung des Demokratieprinzips nach einer starken Rolle des Europäischen Parlamentes als einem originären Träger demokratischer Legitimation ihre Grenze in anderen Prinzipien von Verfassungsrang findet – an dieser Stelle im Prinzip des institutionellen Gleichgewichts als Ausprägung des Gewaltenteilungsgrundsatzes.377 Eine Gleichstellung des Europäischen Parlamentes ist aber auch deshalb demokratierechtlich nicht geboten, weil damit die Erreichung des eigentlichen Zwecks der Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission gefährdet würde. Der Übertragung von Durchführungsbefugnissen liegt u. a. die Idee zugrunde, dass für die wichtigen politischen Fragen Rat und Parlament, für die Regelung der Details die Kommission zuständig sein soll, weil die Kommission dafür die größere Sachkompetenz hat, wobei zugegebenermaßen die sehr weitherzige Handhabung der „Wesentlichkeit“ durch den EuGH dazu führt, dass die Kommissionsregelungen durchaus über das hinausgeht, was prima facie als Einzelheit verstanden werden kann. Würde dem Europäischen Parlament über den bestehenden Umfang hinaus ein Entscheidungsrecht eingeräumt werden, so würde dies eine erhebliche Erhöhung der Sachkunde beim Parlament verlangen, die rechtlich aufgrund des Diskontinuitätsprinzips sowie faktisch wegen erhöhter finanzieller Bedürfnisse nur schwierig adäquat zu erreichen wäre.378 Zudem würde sich das Beschlussverfahren zeitlich weiter verzögern. Schon heute, unter den bestehenden Informations- und Konsultationsrechten gestaltet sich eine angemessene Informationsverarbeitung auf Seiten des Parlamentes als Voraussetzung einer wirksamen Kontrolle problematisch, was sich nur weiter vertiefen würde.379 Von einer „confusion institutionnelle et normative“ spricht Blumann, RTDE 1996, 1, 2. Blumann, RTDE 1996, 1, 23. 376 Vgl. zu einem ähnlichen Problem im deutschen Verfassungsrecht das Urteil des BVerfG vom 13. 09. 2005, 2 BvF 2 / 03, DÖV 2006, 165 ff., bei dem es um die Frage ging, welchen Rang eine durch Bundesgesetz veränderte Rechtsverordnung einnimmt. Dazu Möllers, FAZ vom 07. 03. 2006, S. 38. Zum normhierarchischen Verhältnis zwischen dem sekundärrechtlichen Basisrechtsakt und dem tertiärrechtlichen Durchführungsrechtsakt ausführlich Riedel, EuR 2006, 512, 520 ff. m. w. N. 377 Demmke / Haibach, DÖV 1997, 710, 712; Kortenberg, RTDE 1998, 317, 322. 378 Anschaulich zum Kostenargument und weiteren Vorschlägen Hix, in: Christiansen / Kirchner, Committee Governance, S. 62, 76; Grams, KritV 1995, 112, 126 spricht beispielsweise von der fachlichen Überforderung der politischen Abgeordneten bei der Beurteilung technischer Einzelfragen. 374 375
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Die Rechtfertigung dieser fehlenden gleichberechtigten Mitsprachemöglichkeiten des Europäischen Parlamentes mit dem Rat im Komitologieverfahren lässt sich auch mit folgender Überlegung führen. Ohne jedwedes Komitologieverfahren läge die übertragene Durchführungsbefugnis ausschließlich in der Hand der Kommission. Mit dem Komitologieverfahren werden der Kommission „Fesseln angelegt“.380 So gesehen ist es aus Sicht des Demokratieprinzips besser und auch ausreichend, dass die Ausübung der Durchführungsgesetzgebung der Kommission überhaupt durch das Organ „Rat“ kontrolliert wird, als wenn es gar keine zusätzliche Kontrollmöglichkeit gäbe.
Die fehlende gleichberechtigte Mitwirkung des Europäischen Parlamentes im Regelungsverfahren verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen das europarechtliche Demokratieprinzip.381 cc) Fazit Im Ergebnis ist damit zu konstatieren, dass das Regelungsverfahren als die von der IAS / IFRS-Basisverordnung de lege lata angeordnete Unterart des Komitologieverfahrens zur Übernahme der IAS / IFRS als solches sowohl mit dem europarechtlichen Demokratie- als auch mit dem Rechtsstaatsprinzip im Einklang steht. Die Übernahmeentscheidungen der Kommission als Ergebnis eines Regelungsverfahrens sind nicht gemeinschaftsrechtswidrig, weil das verwendete Regelungsverfahren als solches nicht gemeinschaftsrechtswidrig ist. c) Vermittelt das Regelungsverfahren gerade dem Endorsement der privaten internationalen Rechnungslegungsstandards ein europarechtlich ausreichendes demokratisches Legitimationsniveau? Auch wenn das Regelungsverfahren als solches wohl mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, so stellt sich doch die Frage, ob es gerade für die umfassende Inkorporation privater internationaler Rechnungslegungsregeln ein europarechtskonformes Verfahren ist, und vor allem, ob es geeignet ist, der Übernahmeentscheidung der Kommission ein ausreichendes demokratisches Legitimationsniveau zu vermitteln. Das Problem, ob die Verwendung des Regelungsverfahrens gerade in Bezug auf das Endorsement privater Regeln möglicherweise ungeeignet ist, wird dann deutlich, wenn man sich die demokratische Legitimation der einzelnen Beteiligten am Regelungsverfahren sowie den Zweck des Endorsementbeschlusses genauer vor Augen führt. Roller, KritV 2003, 249, 272, Fn. 126. Pedler / Bradley, in: Spencer / Edwards, The European Commission, S. 235, 240 sprechen bildlich von der Durchführungsgesetzgebung der Kommission „with strings attached“. 381 Nur am Rande sei darauf hinzuweisen, dass der EU-Verfassungsvertrag in seinem Art. I-36 Abs. 2 lit. a die Möglichkeit vorsieht, dass das Parlament die Übertragung der Befugnis zum Erlass von Durchführungsvorschriften auf die Kommission widerrufen darf (sog. „Call-Back-Recht“). 379 380
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Dazu sei in Erinnerung gerufen, dass die Forderung nach ausreichender demokratischer Legitimation von Gesetzen ein zwingendes Gebot des Demokratieprinzips darstellt und den personellen, sachlichen und funktionell-institutionellen Rückkoppelungszusammenhang zwischen dem Legitimationssubjekt, das im Falle europäischer Gesetzgebung sowohl die Völker der Mitgliedstaaten als auch die Unionsbürger sind, und dem Gesetzgeber verlangt.382 Die einzelnen Legitimationsstränge dürfen dabei für sich selbst durchaus unterschiedlich stark ausgebildet sein, doch müssen sie insgesamt ein ausreichend starkes Legitimationsniveau aufweisen.383
Der Beschluss über die Anwendung der IAS / IFRS im Gemeinschaftsrecht wird nicht allein von der Kommission getroffen, sondern findet aufgrund des Regelungsverfahrens im Zusammenspiel mit dem EFRAG, der Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen sowie dem Regelungsausschuss für Rechnungslegung statt.384 Diese vier Einrichtungen weisen unterschiedlich starke bzw. schwache demokratische Legitimationen auf: Die stärkste demokratische Legitimation hat wohl noch die Kommission. Sie legitimiert sich funktionell-institutionell dadurch, dass sie eines der fünf Organe der Europäischen Gemeinschaft ist und ihre Stellung im Primärrecht selbst, i. e. in Art. 5, 211 ff. EGV, verankert ist. In persönlicher Hinsicht weist sie durch die Art der Ernennung, wie sich dies aus Art. 214 EGV ergibt und die durch die Entscheidung des Rates mit Zustimmung des Europäischen Parlamentes erfolgt, eine doppelte Legitimationskette zu den Völkern der Mitgliedstaaten sowie den Unionsbürgern auf. Allerdings ist diese personelle Legitimationskette wegen der „dazwischengeschalteten“ Organe „Rat“ und „Parlament“ bereits nicht mehr genauso stark wie diejenige der vorgenannten Organe selbst. In inhaltlicher Sicht erfolgt die demokratische Legitimation des Kommissionsbeschlusses über die Ermächtigung in Art. 3 Abs. 1 der IAS / IFRS-Basisverordnung und weist damit bereits auch eine nur abgeleitete Legitimation auf. Eine um mehrere Grade schwächere Legitimation findet sich beim Regelungsausschuss für Rechnungslegung. Seine personelle Legitimation lässt sich zum einen auf den Rat und das Parlament zurückführen, wenn man sich dafür auf Art. 6 Abs. 1 der IAS / IFRS-Basisverordnung beziehen möchte; zum anderen ist seine konkrete personelle Besetzung ausschließlich auf die Völker der Mitgliedstaaten rückführbar, denn der Regelungsausschuss wird ausschließlich mit Vertretern der Verwaltungen der Mitgliedstaaten besetzt.385
382 Siehe oben Kapitel 2 B. III. 1; ausführlich auch Böckenförde, in: Hdb des Staatsrechts II 2004, § 24, Rn. 14. 383 Siehe oben Kapitel 2 B. III. 1. 384 Dieses Zusammenspiel betonen sehr zu Recht Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635 Fn. 7. 385 Vgl. Wüstemann / Kierzek, in: Brütsch / Lehmkuhl, Law and Legalization, S. 33, 40. Vgl. zur konkreten personellen Besetzung des Regelungsausschusses für Rechnungslegung http: // ec.europa.eu / internal_market / accounting / docs / arc / arc-members_en.pdf (Stand Dezember 2007); kritisch zur Legitimation von Komitologieausschüssen Roller, KritV 2003, 249, 261 f.
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Ähnlich ist die Legitimation der Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen ausgestaltet. Ihre Mitglieder werden von der Kommission ernannt, so dass sich ihre Legitimation auf diese zurückführen lässt. Äußerst schwach hingegen ist die demokratische Legitimation der EFRAG386 ausgebildet. Sie wurde zwar durch Beschluss der Kommission als technisches Hilfsorgan eingesetzt. Als privates Gremium bestimmt es jedoch seine konkrete personelle Besetzung vollkommen autonom, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine ununterbrochene personelle Legitimationskette zwischen den Mitgliedern der EFRAG sowie den Völkern der Mitgliedstaaten und den Unionsbürgern besteht. Aus dieser Analyse wird ersichtlich, dass die Legitimation der Endorsemententscheidung insgesamt eher schwach ausgeprägt ist und über eine Vielzahl von „Kettengliedern“ verläuft, die selber keine besonders hohe Legitimation aufweisen können, so dass es nicht unangebracht ist, von einer „Verflüchtigung“ der demokratischen Legitimation gerade durch Verwendung eines Komitologieverfahrens zu sprechen.387 Diese Schwäche der Legitimationskette erscheint deshalb umso problematischer, wenn man sich vor Augen führt, dass sie sich auf den Rezeptionsakt bezieht, mit welchem dem Rezeptionsgegenstand IAS / IFRS, der privat und mithin ohne jegliche demokratische Legitimation erstellt wurde, gerade demokratische Legitimation vermittelt werden soll. In dieser Konstellation besteht die Gefahr, dass sich die Schwächen in der demokratischen Legitimation der Rezeptionsentscheidung mittels Regelungsverfahren beim „Auftreffen“ auf die privaten, aus sich selbst heraus demokratisch nicht legitimierten IAS / IFRS gleichsam „multiplizieren“. Ob allerdings dieser Befund dazu führt, bereits in der Verwendung des Regelungsverfahrens beim Endorsement einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip erkennen zu müssen, ist wohl eher zweifelhaft. Zum einen garantiert die Einbeziehung der Kommission sowie der weiteren Gremien – Regelungsausschuss, EFRAG und Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen – im Komitologieverfahren eine Erhöhung der sachlichen Expertise und damit (hoffentlich) auch der inhaltlichen Qualität der Entscheidung, sowie auch der Flexibilität und der Effizienz des Entscheidungsprozesses. Beides sind Faktoren, welche der Übernahmeentscheidung zusätzliche Legitimation verleihen können und in gewisser Weise ein schwächeres Legitimationsniveau stärken.388 Zum anderen führt gerade die sehr weite Siehe zur EFRAG auch oben Kapitel 1 A. III. 1. Obwohl ohne das Komitologieverfahren allein die Kommission entscheiden würde, ist es dennoch möglich, von einer Art „Verwässerung“ ihrer genuinen demokratischen Legitimation zu sprechen, indem ihr weitere, weniger stark demokratisch legitimierte Gremien zur Seite gestellt werden. 388 Vgl. Töller / Hofmann, in: Andenas / Türk, Delegated Legislation, S. 25, 34 f. m. w. N. in Fn. 42; Lenaerts / Verhoeven, CMLR 2000, 645, 664; zum Grundsatz der funktionsgerechten Organstruktur sowie dem „Maßstab funktioneller Richtigkeit“ Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 2, Rn. 193. 386 387
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Auslegung des Begriffs der „Durchführungsbefugnis“ aus Art. 202, 3. Sp. EGV bzw. umgekehrt die enge und nicht mit der deutschen Wesentlichkeitstheorie identische Auslegung dessen, was als wesentlich auf Ebene des Basisrechtsaktes zu regeln ist,389 dazu, dass sehr viele Regelungsgegenstände überhaupt in den Bereich der Kommissionsgesetzgebung gelangen. Vor diesem Hintergrund könnte man die Beteiligung eines mit Vertretern der mitgliedstaatlichen Verwaltungen besetzten Regelungsausschusses sogar als legitimatorische Verstärkung des Regelungsverfahrens ansehen, weil dadurch mittelbar die Kontrolle durch die Völker der Mitgliedstaaten gestärkt wird. Diese beiden Aspekte sprechen also dagegen, in der Wahl eines Regelungsverfahrens auch für die Inkorporation privater Regeln einen Verstoß gegen das europarechtliche Demokratieprinzip zu sehen. Nichtsdestotrotz: Auch wenn die Grenze zum Verstoß noch nicht erreicht sein wird, so besteht doch ersichtlich ein Defizit in der demokratischen Legitimation bei der Verwendung des de lege lata angeordneten Regelungsverfahrens für das Endorsement der privaten IAS / IFRS. Ein Ansatzpunkt zur Erhöhung der demokratischen Legitimation der Übernahmeentscheidung läge im gänzlichen Absehen von der Übertragung der Inkorporationsbefugnis auf die Kommission und in der gleichzeitigen Verlagerung der Inkorporation auf die Ebene des Basisrechtsaktes. Dies hätte natürlich den Nachteil geringerer zeitlicher Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen von IAS / IFRS durch den IASB zur Konsequenz. Eine weitere Verbesserungsmöglichkeit der demokratischen Legitimation der Rezeption der IAS / IFRS könnte – unter Beibehaltung einer Übertragung der Inkorporation auf die Kommission – die Vorgabe genauerer Leitlinien für die Übernahme von IAS / IFRS sein: Denn je genauer die Vorgaben im Basisrechtsakt ausfallen, umso besser sind die Kontrollmöglichkeiten im nachfolgenden Komitologieverfahren sowie umso höher wird die demokratische Legitimation durch die größere sachlich-inhaltliche Determinierung der Kommissionsentscheidung. Darüber hinaus kann auch daran gedacht werden, die Mitsprachemöglichkeiten für das Parlament auf der Ebene der Durchführungsgesetzgebung im Komitologieverfahren auszudehnen. Dies ist zwar europarechtlich nicht geboten,390 politisch und im Hinblick auf die demokratische Legitimation der Übernahme von im Ursprung privaten internationalen Rechnungslegungsregeln aber durchaus wünschenswert. d) Zwischenergebnis und Fortgang der Untersuchung Im Ergebnis lässt sich konstatieren: Weder das Regelungsverfahren, wie es de lege lata in der IAS / IFRS-Basisverordnung angeordnet wird, als solches noch gerade in Bezug auf das Endorsement von privaten Regeln verstoßen gegen das 389 390
Vgl. oben Kapitel 2 B. IV. 2. c) aa). Vgl. oben Kapitel 2 B. IV. 3. b) cc).
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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Europarecht. Zwar sind Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des Gewaltenteilungsgrundsatzes sowie der ausreichenden demokratischen Legitimation des Regelungsverfahrens im Allgemeinen und des Regelungsverfahrens bei der Inkorporation der IAS / IFRS im Besonderen sehr berechtigt und deuten auf Defizite des Endorsementverfahrens hin. Rechtlich greifen diese allerdings nicht durch. Auf einem anderen Blatt steht freilich, inwieweit die Forderungen nach einer stärkeren Beteiligung des Europäischen Parlamentes zur Erhöhung der demokratischen Legitimation des Endorsement der internationalen Rechnungslegungsstandards de lege ferenda verfassungspolitisch zu berücksichtigen sind. Zu diesem Zweck soll im Weiteren einerseits auf die jüngst erfolgte Einführung des „Regelungsverfahrens mit Kontrolle“ als neuem Typus des Komitologieverfahrens und andererseits auf das sog. Lamfalussy-Verfahren und die gemeinschaftsrechtliche Übernahme der privaten Basel II-Leitlinien eingegangen werden.
e) Die Ersetzung des „Regelungsverfahrens“ durch das „Regelungsverfahren mit Kontrolle“ als das bei der Übernahme von IAS / IFRS zu befolgende Komitologieverfahren Aus der im Juli 2006 erfolgten Ergänzung des Zweiten Komitologiebeschlusses und der Hinzufügung des „Regelungsverfahrens mit Kontrolle“ zu den Komitologieverfahrensarten ergeben sich de lega ferenda wichtige Verbesserungsperspektiven für die Inkorporation der IAS / IFRS durch die Kommission. Das Regelungsverfahren mit Kontrolle gem. Art. 5a des Zweiten Komitologiebeschlusses vermittelt den Rechtsakten, die nach diesem neuen Verfahren erlassen werden, im Vergleich zum „normalen“ Regelungsverfahren nach Art. 5 des Zweiten Komitologiebeschlusses eine deutlich erhöhte demokratische Legitimation. In vielen Punkten räumt es nämlich die soeben dargestellten Defizite des Regelungsverfahrens aus. So sind die Beteiligungsrechte des Europäischen Parlamentes ganz wesentlich erhöht. Denn ohne dessen Zustimmung kann die Kommission keinen Rechtsakt endgültig erlassen, sogar wenn der Regelungsausschuss den Vorschlag bereits befürwortet haben sollte. Lehnt das Europäische Parlament die vorgeschlagene Maßnahme ab, so kann die Maßnahme nicht erlassen werden. Das Europäische Parlament wird damit auf Ebene der Durchführungsgesetzgebung hinsichtlich der Mitentscheidungs- und Informationsrechte dem Rat gleichgestellt.391 Darüber hinaus lässt sich dem Regelungsverfahren mit Kontrolle auch kein Verstoß gegen das europäische Rechtsstaatsprinzip vorwerfen, weil die ablehnende Stellungnahme eben nicht zu einem Rückfall der Entscheidungskompetenz allein zum Rat, sondern auch zum Parlament führt. Aus diesen Gründen erscheint es sinnvoll und für die demokratische Legitimation des Endorsement der privaten IAS / IFRS erforderlich, de lege ferenda die 391
Vgl. oben Kapitel 2 B. IV. 3. e).
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
IAS / IFRS-Basisverordnung derart zu verändern, dass künftig Art. 6 Abs. 2 nicht mehr auf das „normale Regelungsverfahren“, sondern auf das neue „Regelungsverfahren mit Kontrolle“ des Art. 5a des Zweiten Komitologiebeschlusses verweist, damit dieses das Regelungsverfahren ersetzt. Dann würde die Inkorporation nach den Regeln des „Regelungsverfahrens mit Kontrolle“ erfolgen müssen, was die viel stärkere Einbindung des Europäischen Parlamentes in den Prozess der Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards bewirken und die demokratische Legitimation der Endorsemententscheidung deutlich erhöhen würde. Zudem wird das Übernahmeverfahren dabei wohl ausreichend flexibel bleiben. Gesetzlichen Veränderungsbedarf der IAS / IFRS-Basisverordnung haben auch das Europäische Parlament, der Rat sowie die Kommission erkannt. In ihrer gemeinsamen Erklärung vom 21. 10. 2006 geben sie ihrer Absicht Ausdruck, die IAS / IFRS-Basisverordnung so rasch wie möglich an den geänderten Zweiten Komitologiebeschluss anzupassen und das „Regelungsverfahren“ durch das „Regelungsverfahren mit Kontrolle“ zu ersetzen.392 Künftig werden neue oder geänderte IAS / IFRS damit wohl mit Hilfe des neuen „Regelungsverfahrens mit Kontrolle“ erfolgen. f) Schlussfolgerungen für das Endorsement von IAS / IFRS aus der Rechtsetzungsentwicklung im Bereich der Finanzdienstleistungen (Lamfalussy-Prozess) sowie der Übernahme der privaten Basel II-Rahmenvereinbarung Obwohl aufgrund der Gemeinsamen Erklärung von Europäischem Parlament, Rat und Kommission jüngst eine Richtungsentscheidung zur Einführung des neuen Regelungsverfahrens mit Kontrolle für das Endorsement der IAS / IFRS getroffen wurde, lohnt sich eine Betrachtung von Rechtsetzungsentwicklungen in der EG, die zeitlich parallel zum Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung geschehen sind, die zeitlich vor der Änderung des Zweiten Komitologiebeschlusses lagen und auf gewisse Weise diese Änderungen erst vorbereitet haben. Aus ihnen lassen sich nämlich Schlussfolgerungen ziehen, wie der europäische Gesetzgeber den Übernahmeprozess der privaten IAS / IFRS von Anfang an besser, d. h. in diesem Kontext insbesondere demokratisch höher legitimiert, hätte gestalten können. Denn der Löwenanteil der IAS / IFRS wurde bereits in das Gemeinschaftsrecht noch mit dem traditionellen Regelungsverfahren überführt, während mit dem Regelungsverfahren mit Kontrolle – wenn überhaupt – erst künftig einzelne Standards „endorsed“ werden. Darüber hinaus sind diese Schlussfolgerungen de lege lata wertvoll, wenn – aus welchen Gründen auch immer – das Regelungsverfahren mit Kontrolle doch nicht eingeführt werden sollte. 392 Erklärung des Europäischen Parlamentes, des Rates und der Kommission zum Beschluss des Rates vom 17. 07. 2006 zur Änderung des Beschlusses 1999 / 468 / EG zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (2006 / 512 / EG), Nr. 5 lit. s, ABl. C 255 vom 21. 10. 2006, S. 1 ff.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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aa) Hintergrund und Entstehung des Lamfalussy-Verfahrens Im Jahre 1999 setzte die Kommission der EU das Ziel, bis Ende 2005 einen integrierten Finanzdienstleistungs- und Kapitalmarkt in Europa als Teilelement zur Vollendung des europäischen Binnenmarktes zu schaffen.393 Auf dieser Grundlage wurde ein „Aktionsplan Finanzdienstleistungen“ („Financial Services Action Plan“) mit 42 unterschiedlichen Einzelmaßnahmen vom Europäischen Rat in Lissabon angenommen.394 Da als Hauptschwierigkeit zur fristgerechten Erreichung des Aktionsplanes das (langwierige) gemeinschaftsrechtliche Rechtsetzungsverfahren, insbesondere das gem. Art. 95 i.V. m. Art. 251 EGV zur Anwendung kommende Mitentscheidungsverfahren, identifiziert wurde,395 entschied der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der Europäischen Union (sog. ECOFIN-Rat), einen Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten (später „Ausschuss der Weisen“ genannt) unter dem Vorsitz von Alexandre Lamfalussy, einem Wirtschaftswissenschaftler und ehemaligen Banker, mit der Aufgabe zu betrauen, vor dem Hintergrund des bestehenden institutionellen Rahmens eine leistungsfähigere Regelungskonzeption im Bereich der Wertpapiermärkte zu entwerfen.396 In seinem Schlussbericht vom 15. 02. 2001397 analysierte der Ausschuss zunächst die wesentlichen Hinderungsgründe für die Schaffung eines einheitlichen Marktes für Finanzdienstleistungen in Europa und benannte damit gleichzeitig die Gründe für die Reform sowie Ansatzpunkte zur Änderung. Als „größtes Problem“ erkannte der Schlussbericht die „Art und Weise, wie EU-Recht gesetzt wird“. In Übereinstimmung mit den Feststellungen der Kommission hielt der Ausschuss das Rechtsetzungssystem für zu langwierig, zu unflexibel, mit zu vielen Blockademöglichkeiten behaftet, zu marktentwicklungsbehindernden Zweideutigkeiten und Uneinheitlichkeit der Rechtsvorschriften tendierend und keinen Unterschied zwischen grundsätzlichen Bestimmungen und Detailregelungen treffend.398 Zur Abhilfe empfahl der Ausschuss der Weisen eine ausführliche und umfassende Reform des Rechtsetzungsverfahrens.399 Davon versprach sich der Ausschuss z. B. eine deutliche Verkürzung der bisherigen Dauer des Rechtsetzungsverfahrens, womit eine höhere Reaktionsfähigkeit auf die Entwicklungen der Kapitalmärkte möglich wäre, 393 „Finanzdienstleistungen: Umsetzungen des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan“ vom 11. 05. 1999, KOM (1999), 232. 394 Siehe schon oben Kapitel 1 B. I. 3. 395 Es wurde als „mühselig und langsam“ sowie „zu starr“ und „zu komplex“ angesehen, vgl. KOM (1999) 232, S. 16 ff. 396 ECOFIN-Rat vom 17. 07. 2000, „Reglementierung der Europäischen Wertpapiermärkte – Mandat für den Ausschuss der Weisen“, http: // register.consilium.eu.int / pdf / de / 00 / st10 / 10491d0.pdf (Stand Dezember 2007). 397 „Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Reglementierung der Europäischen Wertpapiermärkte“ vom 15. 02. 2001, http: // europa.eu.int / comm / internal_market / securities / docs / lamfalussy / wisemen / final-report-wise-men_de.pdf (Stand Dezember 2007). 398 Schlussbericht der Weisen, S. 19 ff. 399 Schlussbericht der Weisen, S. 19 ff.
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
eine bessere Einbeziehung von Sachverstand, was wiederum die Qualität der Vorschriften erhöhen würde, sowie eine bessere Transparenz durch umfassende Konsultationsmechanismen der Öffentlichkeit, was die Akzeptanz der Regeln bei den Betroffenen stärken würde.400 Dieses reformierte Rechtsetzungsverfahren wurde ab diesem Zeitpunkt als „Lamfalussy-Verfahren“ bezeichnet.401 Im März 2001 – also mehr als ein Jahr, bevor die IAS / IFRS-Basisverordnung erlassen wurde – nahm der Europäische Rat den Vorschlag des Ausschusses der Weisen in einer Entschließung an, die die wesentlichen Grundzüge des Lamfalussy-Verfahrens wiedergibt.402 Die Kommission erhielt den Auftrag, die Vorschläge künftig in ihren Gesetzgebungsmaßnahmen zu implementieren. Auch das Europäische Parlament stimmte den Vorschlägen am 05. 02. 2002 zu,403 nicht ohne Kritik am „Lamfalussy-Verfahren“ geäußert zu haben,404 welche erst durch Zusagen der Kommission beiseite geräumt werden konnte.405
bb) Ablauf des Lamfalussy-Verfahrens Das reformierte Rechtsetzungsverfahren im Sinne des Lamfalussy-Prozesses sieht einen Verfahrensgang über vier Stufen vor.406 Auf Stufe 1 des Lamfalussy-Verfahrens sollen im „normalen“ (Mitentscheidungs-)Gesetzgebungsverfahren Rat und Europäisches Parlament auf Vorschlag der Kommission einen Basisrechtsakt verabschieden, der die politischen Grundentscheidungen der Regelung trifft. Diese Grundentscheidungen müssen sich als „wesentlich“ im Sinne der Rechtsprechung qualifizieren lassen, die der EuGH seit 400 Schlussbericht der Weisen, S. 31 ff., dazu auch Schmolke, NZG 2005, 912; Streinz / Ohler, WM 2004, 1309. 401 Siehe z. B. Claßen / Heegemann, Kreditwesen 56 (2003), 1200. 402 Entschließung des Europäischen Rates vom 23. 03. 2001 über eine wirksamere Regulierung der Wertpapiermärkte in der Europäischen Union, ABl. C 138 vom 11. 05. 2001, S. 11. 403 Entschließung des Europäischen Parlamentes zu der Umsetzung der Rechtsvorschriften im Bereich der Finanzdienstleistungen vom 05. 02. 2002, dazu auch v. Wogau, ZEuP 2002, 695. 404 Z. B. v. Wogau, ZEuP 2002, 695, 698; Schlussbericht der Weisen, S. 28; Entschließung des Europäischen Parlamentes zum Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte vom 15. 03. 2001 sowie Entschließung des Europäischen Parlamentes zu dem Europäischen Rat vom 23. / 24. 03. 2001 in Stockholm vom 05. 04. 2001. 405 Erklärung des damaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi vor dem Europäischen Parlament am 05. 02. 2002, abrufbar unter http: // europa.eu.int / rapid / pressReleasesAction.do?reference=SPEECH / 02 / 44&format=HTML&aged=1&language=EN&guiLanguage =en (Stand Dezember 2007). 406 Dem Ablauf wird das ursprüngliche Lamfalussy-Verfahren, wie es durch den Ausschuss der Weisen für den Wertpapiersektor entworfen worden ist, zugrunde gelegt. In seiner Struktur ist es auf andere Regelungsbereiche übertragbar, mit dem Unterscheid, dass für das Komitologieverfahren andere Ausschüsse gebildet werden können.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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seinem Urteil „Köster“407 vorgegeben hat.408 Rechtsakte, die auf Stufe 1 ergehen, sollen außer allgemeinen, wenn auch präzisen Grundentscheidungen keine detaillierten Regeln enthalten, sondern vielmehr der Kommission die Befugnis zur Setzung solcher detaillierten Regeln übertragen.409 Der Basisrechtsakt hat neben der politischen Grundentscheidung Art und Umfang der zu erlassenden technischen Durchführungsbestimmungen genau zu bestimmen und anzugeben, innerhalb welcher Grenzen diese geändert und aktualisiert werden können.410 Rat und Parlament entscheiden mithin in ihrem Basisrechtsakt über die grundsätzliche Rahmenregelung, wobei die Befugnis zur Ausfüllung des „Rahmens“ gem. Art. 202, 3. Sp., 211, 4. Sp. EGV auf die Kommission übertragen wird. Auf Stufe 2 erfolgt die Erstellung und Verabschiedung der Detailvorschriften durch die Kommission in Ausübung der ihr übertragenen Durchführungsbefugnisse. Der Entscheidungsprozess erfolgt im Rahmen eines Komitologieverfahrens nach dem Zweiten Komitologiebeschluss, wobei stets die Variante „Regelungsverfahren“ gewählt wird.411 Als Regelungsausschuss im Sinne des Zweiten Komitologiebeschlusses fungiert ein EU-Wertpapierausschuss („European Securities Committee“ – ESC).412 Zusätzlich wird der Kommission ein Fachausschuss, der Ausschuss der EU-Wertpapierregulierungsbehörden („Committee of European Securities Regulators“ – CESR), zur Seite gestellt, welcher die Kommission bei der Ausarbeitung der Vorschriften berät, bevor der EU-Wertpapierausschuss über den Kommissionsvorschlag abstimmt.413 Stufe 3 befasst sich mit der verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Wertpapierregulierungsbehörden zur Verbesserung der Umsetzung der auf Stufe 1 und 2 verabschiedeten Regeln. Dazu soll der Ausschuss der EU-Wertpapierregulierungsbehörden als Forum der nationalen Wertpapierregulierungsbehörden die Aufgabe wahrnehmen, durch die Aufstellung einheitlicher Leitlinien, gemeinEuGH, Urt. vom 17. Dezember 1970, Rs. 25 / 70, „Köster“, Slg. 1970, 1161, Rn. 6. Schlussbericht der Weisen, S. 31; zur – durchaus kritikwürdigen – EuGH-Judikatur siehe auch oben Kapitel 2 B. IV. 2. c). 409 Schlussbericht der Weisen, S. 30 f. 410 Schlussbericht der Weisen, S. 31. 411 Schlussbericht der Weisen, S. 36 f.; v. Kopp-Colomb / Lenz, AG 2002, 24, 25; Schmolke, NZG 2005, 912, 913; ders., EuR 2006, 432, 434. 412 Schlussbericht der Weisen, S. 36 ff.; Es wird angestrebt, dass sich die Mitglieder des ESC aus hochrangigen Vertretern der Mitgliedstaaten, z. B. im Range von Staatssekretären, zusammensetzt. 413 Das CESR ist als unabhängiges Gremium konzipiert, dessen Mitglieder jeweils die Leiter der zuständigen nationalen Wertpapierregulierungs- bzw. -aufsichtsbehörden sein sollen. Siehe näher zur Zusammensetzung und zum Prozedere Schlussbericht der Weisen, S. 45; Schmolke, NZG 2005, 912, 913. Sowohl ESC als auch CESR sind durch die Kommission am 06. 06. 2001 durch Beschluss neu geschaffen worden, vgl. ABl. L 191 vom 13. 07. 2001, S. 43, 45. Mittlerweile wurden weitere Regelungsausschüsse für die Materien, in denen das Lamfalussy-Verfahren angewendet wird, geschaffen, so dass die hier genannten lediglich exemplarisch die „Ur“-Regelungsausschüsse meinen. 407 408
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
samer Empfehlungen zu Auslegungsfragen, Vergleich der Verwaltungspraxis und der Durchführung von „peer reviews“ zwischen den Mitgliedstaaten zu einer Vereinheitlichung der europaweiten Umsetzung der erlassenen Vorschriften beizutragen.414 Stufe 4 betrifft die verstärkte Kontrolle der Umsetzung der auf Stufe 1 und 2 erlassenen Vorschriften. Die Kommission wird aufgerufen, ihre Rolle als „Hüterin der Verträge“ konsequent und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln wahrzunehmen. Sie benötigt hierzu jedoch die Unterstützung auch der privaten Marktteilnehmer sowie der nationalen Regulierungsbehörden und Mitgliedstaaten.415 Festzuhalten ist, dass das reformierte Rechtsetzungsverfahren im Sinne des Lamfalussy-Prozesses keine umwälzende Veränderung oder Neuordnung bestehender und im Primärrecht verankerter Rechtsetzungsmechanismen bewirkt, sondern in der Sache lediglich eine konzeptionell einheitliche und neuartige Herangehensweise an die Rechtsetzung darstellt, die ihre Stärke in der umfassenden Konzeption von Rechtsetzung, Implementierung der erlassenen Regeln und Kontrolle der Anwendung der erlassenen Vorschriften findet. Für das Verständnis besonders wichtig zu betonen ist zudem, dass das Lamfalussy-Verfahren nur eine Art „Schablone“ darstellt, d. h., dass die Maßnahmen, die nicht ohnehin schon aufgrund des geltenden Rechts ohne weiteres vorgesehen sind (so z. B. die Möglichkeit zur Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission), stets in jedem einzelnen Rechtsakt verankert werden müssen.416
cc) Die Modifizierung des Komitologieverfahrens im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens zugunsten des Europäischen Parlamentes In Bezug auf Rechtsakte nach der Konzeption des Lamfalussy-Prozesses hat sich das Europäische Parlament eine Reihe von Rechten erstritten, die über das hinausgehen, was ihm im Rahmen „normaler“ Rechtsetzung zusteht. Diese zusätzlichen Rechte betreffen insbesondere das Komitologieverfahren in der Gestalt des Regelungsverfahrens der Stufe 2 der Rechtsetzung nach Lamfalussy.417 Das Regelungsverfahren wird dabei zugunsten des Europäischen Parlamentes modifiziert, was in der Sache eine Stärkung der demokratischen Legitimation des Regelsetzungsprozesses auf Stufe 2 bewirkt. Diese Verbesserungen sind im Weiteren nachgezeichnet. Schlussbericht der Weisen, S. 46 ff. Schlussbericht der Weisen, S. 49. 416 Claßen / Heegemann, Kreditwesen 56 (2003), 1200, 1201. 417 Diese bilden in gewisser Weise den „Preis“, den der Rat bzw. die Kommission für die notwendige Zustimmung des Europäischen Parlamentes „zahlen“ müssen, wenn sie Rechtsakte im Bereich des Finanzmarktes erlassen möchten, da die dafür einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen (z. B. Art. 47 Abs. 2 EGV oder Art. 95 Abs. 2 EGV) jeweils das Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV vorschreiben. 414 415
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Das Europäische Parlament hatte nach eingehender Auseinandersetzung mit den Vorschlägen des Schlussberichts des Ausschusses der Weisen deutliche Kritik am geplanten Lamfalussy-Verfahren geäußert. In Anbetracht einer Ausweitung der übertragenen Kommissionsrechtsetzung auf Stufe 2 des Lamfalussy-Verfahrens sowie der Ausdehnung des Komitologieverfahrens auf den für den Binnenmarkt wichtigen Bereich der Finanzdienstleistungen wiederholte es seine Skepsis und Kritik am Komitologieverfahren im Allgemeinen und am Regelungsverfahren im Besonderen, die es schon immer geübt hatte und wozu vor allem die eingeschränkte Transparenz des Verfahrens, die Gefährdung des institutionellen Gleichgewichts sowie die beschränkten demokratischen Kontrollmöglichkeiten des Europäischen Parlamentes im Vergleich zum Rat und die damit einhergehende „Verwässerung“ seines Mitentscheidungsrechts der Stufe 1 gehörten.418 Das Parlament fürchtete zudem eine immer weitergehende Marginalisierung seiner Rolle im Gesetzgebungsprozess. Es stimmte nicht mit der Prämisse überein, dass seine aktive Beteiligung am Rechtsetzungsprozess sich auf die Festlegung der wesentlichen politischen Grundentscheidungen der Stufe 1 beschränken könne, während die (technischen) Detailregelungen ohne Nachteil für das Parlament auf Stufe 2 von der Kommission mit Hilfe von Ausschüssen geregelt werden dürften, weil es schon die Unterscheidung von wesentlichen politischen Grundentscheidungen und technischen Detailregelungen mit dem Argument, dass auch technische Fragen durchaus bedeutsamen politischen Charakter annehmen könnten, in Frage stellte. Um den Schlussfolgerungen des Berichtes des Ausschusses der Weisen dennoch zustimmen und sein Einverständnis mit einer Rechtsetzungskonzeption auf Grundlage des Lamfalussy-Verfahrens ausdrücken zu können, übte das Europäische Parlament beträchtlichen politischen Druck auf den Rat und vor allem auf die Kommission aus. Bevor es am 05. 02. 2002 den Schlussbericht des Ausschusses der Weisen billigte,419 gab der damalige Kommissionspräsident, Romano Prodi, vor dem Europäischen Parlament eine feierliche Erklärung ab, in welcher er auf eine Reihe von Forderungen des Parlamentes einging.420 Diese Zusage bildet die politisch-rechtliche Grundlage für die weitgehenden Mitspracherechte des Europäischen Parlamentes auf der Stufe 2. 418 Entschließung des Europäischen Parlamentes vom 05. 04. 2001; Schlussbericht der Weisen, S. 28; Bericht über die Umsetzung der Rechtsvorschriften im Bereich der Finanzdienstleistungen vom 23. 01. 2002, S. 11 f. (v. Wogau für den Ausschuss für konstitutionelle Fragen), sowie S. 16 (Hautala für den Ausschuss für Recht und Binnenmarkt). 419 Entschließung des Europäischen Parlamentes zu der Umsetzung der Rechtsvorschriften im Bereich der Finanzdienstleistungen vom 05. 02. 2002. 420 Erklärung des damaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi vor dem Europäischen Parlament am 05. 02. 2002, abrufbar unter http: // europa.eu.int / rapid / pressReleasesAction.do?reference=SPEECH / 02 / 44&format=HTML&aged=1&language=EN&guiLanguage =en (Stand Dezember 2007); dazu auch v. Wogau, ZEuP 2002, 695, 699 f. Die Zusage nimmt zusätzlich wesentliche Aspekte eines Schreibens des für den Binnenmarkt zuständigen Kommissars, Frits Bolkestein, auf, den dieser am 02. 10. 2001 an die Vorsitzende des Wirtschaftsund Währungsausschusses des Europäischen Parlamentes, Christa Randzio-Plath, verfasst hatte; abrufbar unter http: // europa.eu.int / comm / internal_market / securities /docs / lamfalussy / fb-letter-2001-10_en.pdf (Stand Dezember 2007).
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Darin verpflichtete sich die Kommission erstens, vollständige Transparenz während des gesamten Komitologieverfahrens gegenüber dem Parlament walten zu lassen, was über die einfachen Informationsrechte des Parlamentes hinausgeht, wie sie in Art. 7 des Zweiten Komitologiebeschlusses geregelt sind.421 Für die Formulierung von Stellungnahmen zu Vorschlägen der Kommission über den Erlass von Durchführungsmaßnahmen wurde dem Europäischen Parlament zweitens eine Frist von drei Monaten eingeräumt, in der es die Vorschläge überprüfen kann. Auch dies geht über den Zweiten Komitologiebeschluss hinaus. Drittens sicherte die Kommission zu, dass sie Standpunkte und Entschließungen des Europäischen Parlamentes, die dieses möglicherweise annehmen sollte, wenn Durchführungsmaßnahmen nach seinem Erachten über die im Basisrechtsakt eingeräumten Befugnisse hinausgingen, „weitestgehend berücksichtigen“ würde. Auch diese Zusicherung geht über die bisherigen Verpflichtungen der Kommission aus Art. 8 des Zweiten Komitologiebeschlusses hinaus.422 Allerdings reicht die Selbstverpflichtung zur Berücksichtigung der Ansicht des Europäischen Parlamentes nicht so weit – und dies hatte das Europäische Parlament ursprünglich gefordert – wie die Verpflichtung, die die Kommission gegenüber dem Europäischen Rat am 23. 03. 2001 in Stockholm eingegangen war.423 Dort hatte die Kommission dem Rat nämlich zugesagt, keine Durchführungsvorschriften zu erlassen, wenn sich ein solches Tätigwerden als „gegen eine vorherrschende Meinung im Rat“ stehend erweisen würde. Damit gestand die Kommission de facto und in Beschränkung ihrer eigenen Rechte aus dem Zweiten Komitologiebeschluss dem Rat ein „Rückholrecht“ oder auch „Call-back-Recht“ zu.424 Dem Europäischen Parlament wurde hingegen, obwohl es auf gleichem Fuße wie der Rat behandelt werden sollte, ein schwächeres Recht eingeräumt. Doch auch dieses abgeschwächte Rückholrecht ist ein Recht, das dem Parlament bislang nicht zustand. Von weiterer besonderer Bedeutung ist viertens, dass die Kommission der Forderung nach Einfügung sog. „sunset clauses“ (Befristungsklauseln) nachgekommen ist. Unter „sunset clauses“ versteht man die im Basisrechtsakt verankerte ausdrückliche Befristung der Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission.425 Dies ist im europäischen Gemeinschaftsrecht deshalb von besonderer Bedeutung, da das Parlament von sich aus grundsätzlich nicht tätig werden Dazu oben Kapitel 2 B. IV. 3. a) bb) (2). Dazu oben Kapitel 2 B. IV. 3. a) bb) (2). 423 Dazu beispielsweise Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinien 73 / 239 / EWG, 85 / 611 / EWG, 91 / 675 / EWG, 93 / 6 / EWG und 94 / 19 / EG des Rates sowie der Richtlinien 2000 / 12 / EWG, 2002 / 83 / EG und 2002 / 87 / EG des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur im Finanzdienstleistungsbereich vom 17. 03. 2004, S. 15 (Randzio-Plath). 424 Sog. „Aerosol“-Klausel, vgl. Schmolke, EuR 2006, 432, 436 f. 421 422
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kann, um ein bestehendes Gesetz durch ein neues zu ändern. Grundsätzlich steht nämlich nur der Kommission ein Initiativmonopol für neue Gesetzesvorhaben zu,426 wobei es leicht zu prophezeien ist, dass die Kommission in der Regel keinen Gesetzesvorschlag initiieren wird, mit dem sie ein ihr vorteilhaftes Gesetz zu ihren Ungunsten verändern würde. Jeder Basisrechtsakt, der konzeptionell dem Lamfalussy-Prozedere folgt, wird demnach mit einer ausdrücklichen „sunset clause“ ausgestattet. Sie ist in der Regel praktisch so ausgestaltet, dass die Übertragung der Durchführungsbefugnis auf die Kommission grundsätzlich auf die Dauer von vier Jahren befristet ist und danach die Übertragung der Durchführungsbefugnis zurück auf die Stufe 1 fällt, so dass das Parlament wieder ein volles Mitentscheidungsrecht in einem „ordentlichen“ Rechtsetzungsverfahren erhält.427 Mit diesen vier Maßnahmen, die sich stichwortartig zusammenfassen lassen mit den Begriffen „Transparenz“, „Frist“, eingeschränktes „call-back“-Recht und „sunset clause“, hat das Europäische Parlament seine Position im Lamfalussy-Verfahren verbessert. Es erlangt vor allem in allen Regelungsverfahren der Stufe 2 des Lamfalussy-Prozesses einen deutlichen Zuwachs an Rechten. Dies führt zu einer höheren demokratischen Legitimation der Rechtsakte, welche das durch das Lamfalussy-Prozedere modifizierte Regelungsverfahren durchlaufen haben.428 Im Hinblick auf das Endorsement der IAS / IFRS sind diese Erläuterungen deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil bislang die Übernahme der IAS / IFRS (und damit der Löwenanteil) durch die Kommission mit Hilfe des „traditionellen“ Regelungsverfahrens erfolgt ist. Konzeptionell entspricht der Beschluss der Kommission über die Übernahme der IAS / IFRS der Stufe 2 des Lamfalussy-Verfahrens. Wäre dieses auch bei der IAS / IFRS-Gesetzgebung zur Anwendung gekommen, so hätte die demokratische Legitimation der bislang übernommenen IAS / IFRS wegen der ausgedehnten Rechte des Parlaments im Regelungsverfahren durchaus erhöht werden können.
Schmolke, EuR 2006, 432, 437 f. Oppermann, Europarecht, § 5 Rn. 92. 427 v. Wogau, ZEuP 2002, 695, 699. Kritisch zur Einführung der „sunset clauses“ Schmolke, EuR 2006, 432, 446. 428 Zu betonen ist jedoch, dass nicht alle der genannten Rechte ipso iure Wirkung entfalten. So wird eine Befristung der Übertragung der Durchführungsbefugnis nur dann erreicht, wenn das Parlament die Verankerung einer „sunset clause“ im betreffenden Rechtsakt verlangt. Tut es dies nicht, so enthält der Rechtsakt keine Befristung. 425 426
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dd) Wachsende Bedeutung des Lamfalussy-Verfahrens: Insbesondere die Implementierung der „Basel II“-Vereinbarung Das Lamfalussy-Modell war ursprünglich lediglich für die Rechtsetzung im Bereich der unmittelbaren Umsetzung des Aktionsplans Finanzdienstleistungen konzipiert.429 Dieser Aktionsplan ist mit der Verabschiedung der Marktmissbrauchsrichtlinie,430 der Prospektrichtlinie,431 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 432 sowie der Transparenzrichtlinie433 als Rechtsakte der Stufe 1 sowie einer Anzahl von Durchführungsrechtsakten auf der Stufe 2 weitgehend abgeschlossen.434
Die Bedeutung des Lamfalussy-Verfahrens wächst aber – vor allem wegen der guten (auch zeitlichen) Erfahrungen, die mit dieser Form der Rechtsetzung im Bereich des Aktionsplans Finanzdienstleistungen gemacht wurden.435 Der Rat hat deshalb auf Vorschlag der Kommission und mit Zustimmung des Europäischen Parlamentes436 am 21. 12. 2004 beschlossen,437 das Lamfalussy-Verfahren auch auf andere Regelungsmaterien auszuweiten.438 Dazu erließ er mit der Richtlinie 2005 / 01 / EG vom 09. 03. 2005439 einen Rechtsakt, der eine ganze Reihe von bereits bestehenden Richtlinien aus dem Bankensektor, dem Versicherungswesen, betrieblicher Altersvorsorge und hinsichtlich OGAW440 sowie Finanzkonglomerate dahingehend änderte, dass sie nach dem Lamfalussy-Modell ausgerichtet werden. Neben dieser zunehmenden Bedeutung des Lamfalussy-Verfahrens in der Rechtsetzung der Gemeinschaft lässt sich ein weiteres Gesetzgebungsprojekt beobachten, das im Zusammenhang mit der Verbesserung der demokratischen Natur des Schmolke, NZG 2005, 912. Richtlinie 2003 / 6 / EG, ABl. L 96 vom 12. 04. 2003, S. 16. 431 Richtlinie 2003 / 71 / EG, ABl. L 345 vom 31. 12. 2003, S. 64. 432 Richtlinie 2004 / 39 / EG, ABl. L 145 vom 30. 04. 2004, S. 1. 433 Richtlinie 2004 / 109 / EG, ABl. L 390 vom 31. 12. 2004, S. 38. 434 Schmolke, NZG 2005, 912, 914; ders., EuR 2006, 432, 436; van den Burg, Bericht über den derzeitigen Stand der Integration der Finanzmärkte der EU vom 07. 04. 2005, S. 4 f.; vgl. zu laufenden Fortschrittsberichten der Kommission http: // ec.europa. eu / internal_market / finances / actionplan / index_de.htm (Stand Dezember 2007). 435 Zur Kritik am Lamfalussy-Prozess siehe jedoch auch Schmolke, NZG 2005, 912, 915 ff.; sowie die Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag, BT-Drs. 15 / 784, und darauf die Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 15 / 887. 436 Entschließung des Europäischen Parlamentes vom 31. 03. 2004. 437 Siehe http: // register.consilium.europa.eu / pdf / fr / 04 / st16 / st16107-ad01.fr04.pdf (Stand Dezember 2007) unter TOP 39. 438 Dazu Fischer zu Cramburg, AG 2005, R 92; Schmolke, NZG 2005, 912, 915. 439 ABl. L 79 vom 24. 03. 2005, S. 9 ff. 440 OGAW steht für „Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“. Vgl. die Richtlinie 85 / 611 / EWG des Rates vom 20. 12. 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABl. L 375 vom 31. 12. 1985, S. 3. 429 430
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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Endorsement von IAS / IFRS von Relevanz sein kann. Es handelt sich dabei um die Implementierung der Rahmenvereinbarung über die „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen“ (sog. „Basel II“Akkord), wie sie durch den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) im Jahr 2004 erarbeitet worden ist,441 in das Gemeinschaftsrecht. Da dieser Rahmenvereinbarung aus sich heraus keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt – sie ist weder durch einen staatlichen Gesetzgeber verabschiedet noch als völkerrechtlicher Vertrag geschlossen –, bedarf es, um sie rechtlich verbindlich zu stellen, eines Transformationsaktes durch einen (supra-)nationalen Gesetzgeber.442 In diesem Punkt besteht folglich eine Gemeinsamkeit zu der Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht, welche als private unverbindliche Regeln gleichfalls der (supra-)hoheitlichen Rezeption bedürfen. Basel I, die Vorgängervereinbarung zum Basel II-Akkord, war durch EG-Richtlinien in das Gemeinschaftsrecht übernommen worden.443 Die Rezeption der Basel II-Vorschriften wird durch eine Änderung dieser bereits bestehenden (Übernahme-)Richtlinien erfolgen, indem die Basel II-Leitlinien in die Kapitaladäquanzrichtlinie und in die Bankenrichtlinie eingefügt werden.444 Anders als beim Endorsement der IAS / IFRS, bei dem die Rezeption der privaten Regeln durch die Kommission mittels Inkorporation durch Kommissionsverordnungen stattfindet, durchläuft die Rezeption der Basel II-Vorschriften vollständig das „ordentliche“ Gesetzgebungsverfahren (Mitentscheidungsverfahren gem. Art. 251 EGV) unter gleichberechtigter Beteiligung von Rat und Europäischem Parlament. Das Rezeptionsobjekt „Basel II-Akkord“ wird in die EG-Richtlinien selbst inkorporiert. Die Kommission spielt bei der Rezeption der Basel II-Vorschriften keine vergleichbar dominante Rolle wie im Prozess der Übernahme der IAS / IFRS. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, in Ausübung der ihr übertragenen Befugnis nachträglich Änderungen an den Übernahmerichtlinien vorzunehmen, was auch eine spätere Übernahme von Änderungen an den privaten Basel II-Vorschriften erfassen kann. Auf diese Änderungsbefugnis, die der Kommission nach Art. 202, 3. Sp. EGV 441 Näheres zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich unter www.bis.org (Stand Dezember 2007), wo auch die Rahmenvereinbarung „Basel II“ im Original abgerufen werden kann unter www.bis.org / publ / bcbs107ger.pdf (Stand Dezember 2007). 442 Hennrichs, ZGR 2006, 563, 564. 443 Es handelt sich dabei um die Richtlinie 93 / 6 / EWG (sog. Kapitaladäquanzrichtlinie), ABl. L 141 vom 11. 06. 1993, S. 1, und Richtlinie 2000 / 12 / EG (sog. Bankenrichtlinie), ABl. L 126 vom 26. 05. 2000, S. 1. 444 Vgl. Pressemitteilung des Binnenmarkt-Kommissars, McCreevy, vom 11. 10. 2005, abrufbar unter http: // europa.eu / rapid / pressReleasesAction.do?reference=IP / 05 / 1250&format =HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en (Stand Dezember 2007).
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
eingeräumt wurde, findet das Lamfalussy-Verfahren Anwendung, was die verbesserte Mitsprachemöglichkeit des Europäischen Parlamentes während des Komitologieverfahrens einschließt.445 Herauszuheben ist des weiteren, dass die Übernahmerichtlinie, mit der die Basel II-Vereinbarung in das europäische Recht überführt wird, die Modifikationen des Komitologieverfahrens zugunsten des Europäischen Parlamentes in die zu ändernden Rechtsakte explizit einfügt. Die dreimonatige Frist zur Stellungnahme wird in Erwägungsgrund 38 der Kapitaladäquanzrichtlinie verankert sein.446 Gleichzeitig wird ausdrücklich eine „sunset clause“ in Art. 43 Nr. 3 Kapitaladäquanzrichtlinie eingeführt, die eine Befristung der Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission statuiert und dazu führt, dass mit Ablauf der Frist die Befugnisse grundsätzlich an Rat und Parlament zurückfallen.
ee) Folgerungen für das bisherige Endorsement der IAS / IFRS Zwischen dem Endorsement von IAS / IFRS sowie der Übernahme des Basel IIAkkords besteht konzeptionell eine wichtige Gemeinsamkeit: Sowohl IAS / IFRS als auch die Basel II-Rahmenvereinbarung sind für sich gesehen als private Regeln rechtlich unverbindlich und bedürfen – um Rechtsverbindlichkeit zu erlangen – der gesetzgeberischen Rezeption in das Gemeinschaftsrecht. Der Gemeinschaftsgesetzgeber steht damit in beiden Fällen vor derselben Frage: Auf welche Weise ist die Rezeption zu bewerkstelligen? Auffällig ist, dass der europäische Gesetzgeber bei der Rezeption der Basel II-Vorschriften und bei der Rezeption der privaten IAS / IFRS zwei unterschiedliche Wege gegangen ist: Während im Falle der IAS / IFRS die Befugnis zur Übernahme der privaten Rechnungslegungsstandards vollständig auf die Kommission übertragen und ihr dazu das „traditionelle“ Regelungsverfahren447 beigegeben wird, erfolgt die Übernahme der Basel II-Rahmenvereinbarung primär durch den Rat und das Europäische Parlament mittels Richtlinien. Nur zur Implementierung nachträglicher Änderungen dieser Richtlinien wird die Kommission ermächtigt, wobei sich das Parlament dabei die Rechte aus dem Lamfalussy-Prozess sichert, die über das hinausgehen, was ihm im „traditionellen“ Regelungsverfahren zustehen würde. Es sticht ins Auge, dass die Rezeption der Basel II-Vorschriften in das Gemeinschaftsrecht im Vergleich zum Endorsement der IAS / IFRS dem Übernahmeobjekt eine weit höhere demokratische Legitimation vermittelt. Zur Verbesserung der demokratischen Legitimation der Rezeption der IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht lassen sich vor dem Hintergrund der jüngeren 445 Regelungsausschuss im Komitologieverfahren wird ein neugegründeter „Europäischer Bankenausschuss“ sein (gegründet durch Beschluss der Kommission vom 05. 11. 2003, ABl. L 3 vom 07. 01. 2004, S. 36). 446 Richtlinie 2006 / 49 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 06. 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. L 177 vom 30. 06. 2006, S. 201 ff. 447 I. e. das Komitologieverfahren nach dem Zweiten Komitologiebeschluss.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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europarechtlichen Gesetzgebungstendenzen zwei Schlussfolgerungen ziehen, die schon bislang bei der Übernahme der IAS / IFRS hätten beachtet werden können: Erstens hätte die Inkorporation der IAS / IFRS entweder von vornherein nicht durch die Kommission, sondern durch Rat und Parlament auf Ebene des Basisrechtsaktes vorgenommen werden können. Jedenfalls hätte – wenn die Übernahme weiterhin durch die Kommission im Wege der Durchführungsgesetzgebung erfolgen sollte – zweitens angestrebt werden sollen, das Lamfalussy-Prozedere auf die IAS / IFRS-Gesetzgebung zu übertragen. Diese Schlussfolgerungen, in denen der Appell zur Verbesserung mitschwingt und gleichzeitig der Vorwurf erhoben wird, dass die Übernahme der IAS / IFRS bereits bislang in demokratisch höher legitimierter Weise hätte durchgeführt werden können, lassen sich mit verschiedenen Überlegungen begründen. So leuchtet es nicht ein, weshalb bislang die Übernahmegesetzgebung zu Basel II und zu den IAS / IFRS derart unterschiedlich ausfällt, obwohl konzeptionell die Übernahme der privaten Regeln IAS / IFRS sowie des Basel II-Akkords derart ähnliche gesetzgeberische Probleme aufwirft. Denn auch die Auferlegung von Rechnungslegungspflichten, die grundrechtsrelevante öffentlich-rechtliche Lasten darstellen,448 erfordert eine hinreichende und möglichst hohe demokratische Legitimation. Dies umso mehr, wenn die eigentlichen Regeln nicht durch den Gesetzgeber „erarbeitet“, sondern von ihm lediglich geprüft und übernommen werden. Es ist deshalb nur wenig überzeugend, dass die Vorschriften des Basel II-Akkords auf einer höheren Stufe demokratischer Legitimation – unter Beteiligung von Rat und Europäischem Parlament – rezipiert werden als die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS.449 Dies umso weniger, als der Basel II-Akkord als solches im Vergleich zu den IAS / IFRS schon eine höhere demokratische Legitimation in sich trägt: Denn der Basel II-Akkord wurde durch den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht erarbeitet. Dieser Ausschuss weist aber schon dadurch, dass er sich aus Vertretern der Bankenaufsichtsinstanzen und Zentralbanken bestimmter Mitgliedsländer der BIZ zusammensetzt und diese Vertreter allesamt durch die jeweilige Legitimationskette im eigenen Staat demokratisch legitimiert sind, eine eigene mittelbare demokratische Legitimation auf – während sich die Tätigkeit des IASB als solches in keinster Weise auf irgendwelche demokratisch legitimierten, staatlichen Organe zurückführen lässt. Das bedeutet, dass nicht nur das Rezeptionsobjekt IAS / IFRS als solches eine geringere demokratische Legitimation in sich trägt, sondern auch das gesetzgeberische Verfahren, das diesem Rezeptionsobjekt die demokratische Legitimation vermitteln soll, eine geringere Legitimation verleihen kann, als dies beim Basel II-Akkord der Fall ist. Dies leuchtet kaum ein und spricht für eine Rezeption der IAS / IFRS nicht durch die Kommission, sondern durch Rat und Parlament – was auch bislang schon hätte der Fall sein können. Siehe nur Hennrichs, ZHR 170 (2006), 498, 512 m. w. N. Zeitler, WM 2001, 1397, 1401, meint sogar, dass die Rechte des Rates und des Parlamentes bei einer dem Endorsement vergleichbaren Übernahme der Basel II-Leitlinien nicht gewahrt seien. 448 449
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
Diesem Vorschlag kann zwar entgegengehalten werden, dass er im Ergebnis zu einem mühseligen, zeitaufwendigen und weniger effizienten Gesetzgebungsverfahren zur Übernahme der IAS / IFRS führen würde oder geführt hätte. Die Notwendigkeit ausreichender demokratischer Legitimation von öffentlich-rechtlichen Pflichten sollte jedoch nicht ohne weiteres schlichten Effizienzerwägungen Platz machen. Wer sich dieser ersten Schlussfolgerung nicht anschließen möchte, weil er aus Effizienzgründen die Übernahmebefugnis der IAS / IFRS primär bei der Kommission ansiedeln möchte, muss jedenfalls derjenigen zustimmen, wonach wenigstens die Modifikationen des Lamfalussy-Modells, insbesondere alle Verbesserungen der Stellung des Europäischen Parlamentes, schon längst auf die IAS / IFRSGesetzgebung hätten übertragen werden sollen. Das bedeutet konkret, dass das Europäische Parlament zunächst mittels einer „sunset clause“ die Übertragung der Inkorporationsbefugnis auf die Kommission hätte befristen sollen. Dies hätte eine disziplinierende Wirkung auf die Kommission ausüben und sie möglicherweise zur wirklich gewissenhaften Prüfung der Endorsementvoraussetzungen anhalten können. Genauso wäre es ratsam gewesen, wenn sich das Parlament die Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu Übernahmevorschlägen der Kommission während des Komitologieverfahrens hätte einräumen lassen. Dies wäre gerade bei der Übernahme der IAS / IFRS wichtig, weil es sich dabei um eine sehr schwierige und komplizierte Materie handelt und das Europäische Parlament die eigene Prüfung der Übernahmekriterien dann eigenständiger und sorgfältiger hätte vornehmen können. Unterstützt durch eine weitgehende Transparenz innerhalb des Komitologieverfahrens wäre es dem Parlament dann auch möglich gewesen, gegenüber der Kommission Bedenken hinsichtlich der Übernahme auszudrücken, die diese dann „weitestgehend“ zu berücksichtigen gehabt hätte. All diese Maßnahmen, die die Rolle des Parlamentes im nach dem Lamfalussy-Prozedere verbesserten Komitologieverfahren aufgewertet hätten, hätten und würden auch künftig die demokratische Legitimation der übernommenen IAS / IFRS aufwerten. Die Übertragung des Lamfalussy-Gesetzgebungskonzepts auf die Übernahme der IAS / IFRS durch die Kommission hätte schon bisher und auch ohne den Vergleich mit der Übernahme der Basel II-Vorschriften aus systematischen Gründen mehr als nahe gelegen. Denn die IAS / IFRS-Gesetzgebung ist eine Maßnahme zur Umsetzung des „Aktionsplans Finanzdienstleistungen“, für dessen verbesserte Verwirklichung die Lamfalussy-Methode gerade geschaffen worden war. Damit würde die IAS / IFRS-Gesetzgebung schon von ihrer Zielsetzung her geradewegs für die Anwendung des Lamfalussy-Konzepts prädestiniert sein. Der Grund, weshalb das Lamfalussy-Verfahren bislang allerdings nicht auf die IAS / IFRS-Gesetzgebung angewendet wurde, liegt wohl in der ungünstigen zeitlichen Überschneidung zwischen der Verabschiedung des IAS / IFRS-Basisrechtsakts und der Einigung auf das Lamfalussy-Verfahren. Zum Zeitpunkt des Erlasses des IAS / IFRSBasisrechtsakts am 19. 07. 2002 war das Lamfalussy-Verfahren zwar bereits im institutionellen „Dreieck“ zwischen Rat, Kommission und Parlament abschließend erörtert waren. Jedoch war zum Zeitpunkt der Gesetzgebungsinitiative der Kom-
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mission für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung (13. 02. 2001450) das Lamfalussy-Verfahren offiziell noch nicht anerkannt.451 Wenn aber nur diese ungünstige zeitliche Konstellation der Grund dafür war, dass die IAS / IFRS-Basisverordnung nicht von Anfang an dem Konzept des Lamfalussy-Prozederes gefolgt ist, so wäre es wenig überzeugend, wenn das Lamfalussy-Verfahren mit all seinen Vorteilen nicht auch auf das Endorsement hätte angewendet werden sollen. Mehr noch: Es wäre Zeit genug gewesen, die IAS / IFRS-Basisverordnung gemäß dem Lamfalussy-Prozedere hin zu ändern und nicht bis zur Änderung des Zweiten Komitologiebeschlusses zu warten. g) Fazit Das Endorsement der IAS / IFRS lässt sich de lege lata nicht mit dem Argument, die IAS / IFRS-Basisverordnung ordne die Übernahme der IAS / IFRS mit Hilfe des Komitologieverfahrens in Gestalt des Regelungsverfahrens an, juristisch zu Fall bringen. Das Regelungsverfahren als solches ist mit dem Gemeinschaftsrecht konform. In gewisser Weise bindet es die Ausübung der auf die Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse wieder an den Rat zurück. Dies kompensiert zum Teil auch die vergleichsweise schwachen Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlamentes im Regelungsverfahren. Nichtsdestotrotz vermittelt das konkrete Übernahmeverfahren der IAS / IFRS ein recht niedriges und verbesserungsfähiges Niveau demokratischer Legitimation. Schon bislang hat es Verbesserungsmöglichkeiten für dieses Defizit gegeben, wenn man die jüngere europäische Finanzdienstleistungsgesetzgebung betrachtet. Der europäische Gesetzgeber hat es aber bisher versäumt, insbesondere das Lamfalussy-Prozedere auf die Übernahme der IAS / IFRS anzuwenden und auch die richtigen Schlüsse aus der Basel IIRezeption zu ziehen. Positiv zu verzeichnen ist allerdings, dass de lege ferenda die Ersetzung des „normalen“ Regelungsverfahrens durch das „Regelungsverfahren mit Kontrolle“ in der IAS / IFRS-Basisverordnung geplant ist.
4. Einhaltung ausreichender kompensatorischer Steuerungs- und Sicherungsmechanismen beim Endorsement der IAS / IFRS? Das Endorsement von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht ist zudem in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht juristisch angreifbar, wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber den Anforderungen an Steuerung und Sicherung, die an ihn beim Zusammenwirken mit Privaten zu stellen sind, nicht ausreichend nachgekommen ist. Im Folgenden soll dazu untersucht werden, ob und weshalb den Gemeinschaftsgesetzgeber auch oder gerade beim Endorsement der privaten RechnungslegungsKOM (2001) 80 endg. Der Europäische Rat verkündete seinen Willen zum Befolgen des Lamfalussy-Prozesses erst am 23. 03. 2001: siehe dazu oben Kapitel 2 B. IV. 3. f) aa). 450 451
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regeln IAS / IFRS Anforderungen an Sicherung und Steuerung der Rezeption treffen, ob er diese im Hinblick auf die Beteiligung privater Akteure im Normsetzungsprozess hinreichend beachtet hat und welche Verbesserungen eventuell möglich oder notwendig sind.
a) Die Verpflichtung des Gesetzgebers zur ausreichenden Steuerung und Sicherung als Folge staatlicher Kooperation mit Privaten Die IAS / IFRS-Gesetzgebung auf europäischer Ebene erweist sich als ein Beispiel des zunehmenden Rückzugs des Staates aus der einseitigen Steuerung der Rechnungslegung und der Eröffnung normativer Handlungspotentiale für private Organisationen.452 Zwischen dem Gemeinschaftsgesetzgeber und dem IASB wird ein Kooperationsverhältnis hergestellt, indem die dort erarbeiteten internationalen Rechnungslegungsregeln zum Gegenstand der Übernahme in das Gemeinschaftsrecht gemacht werden. Die Kooperation des Staates mit Privaten bei der Erfüllung ihm obliegender Aufgaben geht zwangsläufig mit einem – im Vergleich zum einseitigen staatlichen Handeln – Rückzug des Staates einher. Ob und wie den Staat daraus folgend Pflichten zur Kompensation treffen, soll im Folgenden geklärt werden.
aa) Rechtliche Herleitung Ganz weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass der Staat bei der Kooperation mit Privaten aus seiner Verantwortung niemals vollständig entlassen ist.453 Sofern demgegenüber vereinzelt vertreten wird, dass der Staat sich vollständig aus der Verantwortung zurückziehen könne, weil Staat und Gesellschaft gleichgeordnete und gleichwertige Subsysteme darstellten,454 kann dem nicht gefolgt werden.455 Eine solche Auffassung verkennt die besondere Bindung des Staates an die Verfassung, welche wiederum dem Staat eine besondere Gemeinwohldeterminierung gerade für abstrakt und generell wirkende Regeln auferlegt.
Die Grenzen für die Überlassung der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch private Akteure lassen sich in Bezug auf den deutschen Staat im Wesentlichen aus drei Rechtsgründen herleiten: Der Staat ist an die Erfordernisse des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1, 2 GG), des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, 3, 28 Abs. 1 GG) sowie an die aus den Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten resultierenden Schutzpflichten gebunden.456 Siehe auch schon oben Kapitel 2 B. I. Schneider, VerwArch 87 (1997), 38, 49. 454 Willke, JbStVw 1 (1987), 285, 302 f. 455 Kritisch zu Recht auch Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 46 f.; Berberich, Framework, S. 113, 114. 452 453
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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Diese Verpflichtung muss sich auch auf den gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgeber übertragen lassen, da auf Ebene des Gemeinschaftsrechts mit dem europarechtlichen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip und den als allgemeinen Rechtsgrundsätzen anerkannten Gemeinschaftsgrundrechten dem deutschen Recht inhaltsähnliche Rechtsprinzipien und -bindungen existieren.457 Bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben „in eigener Regie“ – d. h. ohne Kooperation mit Privaten – ist die Bindung der Gemeinschaft an das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sowie an die Grundrechte selbstverständlich. Dass die Gemeinschaft auch bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in Kooperation mit privaten Akteuren an diese Pflichten gebunden bleibt, folgt daraus, dass es nicht in ihrem Belieben stehen kann, durch die Wahl bestimmter Handlungsformen ihr eigenes verfassungsrechtlich vorgegebenes Pflichtenprogramm zu Ungunsten des Bürgers zu verändern. Wenn die Gemeinschaft sich also in die Zusammenarbeit mit Privaten begibt und ihr eigener Anteil am Gesamtergebnis demnach notwendigerweise zurücktritt, so ist sie erst recht weiterhin an die ihr verfassungsrechtlich obliegenden Pflichten gebunden.
bb) Konkrete Anforderungen an den Staat bei der Kooperation mit Privaten im Rahmen privater Normgebung Die Reduzierung des staatlichen Einflusses bei der Kooperation mit privaten Akteuren bringt die Gefahr mit sich, dass beim Tätigwerden privater Akteure private Partikularinteressen eine Dominanz gewinnen, die nicht mit der Gemeinwohlintention der Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Einklang steht. Um die öffentliche Gemeinwohlverpflichtung des Staates zu gewährleisten, folgt aus den oben genannten rechtlichen Bindungen eine Pflicht zur Kompensation des mit dem staatlichen Rückzug möglicherweise entstehenden Defizits an Gemeinwohlorientierung, demokratischer und rechtsstaatlicher Legitimation sowie grundrechtlichen Schutzes.458 456 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 172, 203 ff.; Berberich, Framework, S. 114; Schwab, BB 1999, 731, 732; Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 700; Trute, DVBl. 1996, 950, 955 ff.; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266, 292, 293; di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235, 264; Schulte, in: Rengeling, EUDUR, § 17 Rn. 127; Schuppert / Bumke, in: Kleindiek / Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 98, 119; Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 117 ff. 457 Vgl. zum europarechtlichen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip bereits oben Kapitel 2 B. III. Zur Anerkennung von Gemeinschaftsgrundrechten EuGH, Urt. vom 12. 11. 1969, Rs. 29 / 69, „Stauder“, Slg. 1969, 419 ff.; EuGH, Urt. vom 17. 12. 1970, Rs. 11 / 70, „Internationale Handelsgesellschaft“, Slg. 1970, 1125 ff.; EuGH, Urt. vom 14. 05. 1974, Rs. 4 / 73, „Nold“, Slg. 1974, 491 ff.; zu ihrer dogmatischen Herleitung siehe nur Streinz, Europarecht, Rn. 753 ff., 759 ff.; zu aus den Gemeinschaftsgrundrechten resultierenden Schutzpflichten Ehlers, Jura 2002, 468, 470, 472. 458 Hellermann, NZG 2000, 1097, 1102; Trute, DVBl. 1996, 950, 956; Dreier, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 112; Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa, S. 431, 448.
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Diese Kompensation muss durch staatliche Steuerung sowie durch die Installation von Sicherungsmechanismen erfolgen. Konkret bedeutet dies, dass der Staat, begibt er sich – aus welchen sachlichen Gründen auch immer – in die Zusammenarbeit mit privaten Akteuren, prozedurale sowie materielle Vorkehrungen zur Steuerung und Sicherung zu treffen hat, welche einerseits in der Phase der Regelerarbeitung durch den Privaten einsetzen und andererseits dem Einsatz der Privaten nachgeschaltet sind.459 Klarzustellen ist, dass diese verfassungsrechtlichen Verpflichtungen unmittelbar lediglich den Staat treffen, nicht jedoch den privaten Akteur.460 Mittelbar hingegen wird der Private von den hoheitlichen Steuerungsmaßnahmen durchaus berührt, da der Staat nur dann mit dem privaten Akteur kooperieren darf, wenn dieser die Vorgaben des Staates beachtet. Der private Akteur wird sich dann zwar in abgeschwächter Weise so verhalten, dass es nach außen faktisch so erscheint, als sei er unmittelbar an das Demokratie- oder das Rechtsstaatsprinzip gebunden. Dies ist aber der „Preis“ dafür, dass der Private überhaupt an der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben mitwirken darf und sein privates Handeln mittelbar rechtlich verbindlich wird. Klarzustellen ist weiterhin, dass die prozeduralen und materiellen Vorkehrungsverpflichtungen an den Staat für solche Bereiche nicht gelten können, in denen der private Akteur lediglich naturgesetzliche Regeln feststellen soll.461 Naturgesetze sind der politischen Existenz des Staates vorgeordnet und nicht durch demokratische Akte majorisierbar. Die Feststellung von Naturgesetzen ist nicht einmal mehr demokratischer Legitimation zugänglich, weil sie einen unabänderlichen Ist-Zustand widerspiegelt.462
(1) Prozedurale Steuerung Übertragen auf die private Normgebung sind unter prozeduralen Sicherungsvorkehrungen zu verstehen: Eine ausgewogene (möglichst repräsentative) Besetzung der privaten Entscheidungsgremien, die Einhaltung eines öffentlichen, transparenten und vorhersehbaren Verfahrens und die zu Gemeinwohlorientierung stimulierende Finanzierung der privaten Tätigkeit.463 Die Einhaltung dieser Anforderun459 Berberich, Framework, S. 114 f.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 IV Rn. 207; Schwab, Politikberatung, S. 440 ff.; ders., BB 1999, 731, 732; Schulte, in: Rengeling, EUDUR, § 17 Rn. 131; Trute, DVBl. 950, 956; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 205; Hellermann, NZG 2000, 1097, 1102; Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 61. Die Bearbeitung beschränkt sich auf die Materie der privaten Normgebung, da die Übernahme der IAS / IFRS letztlich in diese Kategorie fällt. 460 Siehe Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 61; Trute, DVBl. 1996, 950, 957; a. A. wohl Brohm, in: Hdb des Staatsrechts II 1998, § 36 Rn. 38. 461 Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 40 f.; Berberich, Framework, S. 56; Schwab, BB 1999, 731. 462 Berberich, Framework, S. 56; Schwab, BB 1999, 731. 463 Trute, DVBl. 1996, 950, 956; Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 700 ff.; dies., BFuP 1998, 38, 47 ff.; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 205; Röhl, Die Verwaltung
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gen gewährleistet, dass die private Tätigkeit selbst „reflexhaft demokratisch-rechtsstaatliche Mindeststandards“464 erfüllt, infolgedessen sich dann das Objekt der staatlichen Rezeptionsentscheidung – nämlich die durch private Akteure erstellte abstrakt-generelle Regel – durch eine höhere Rezeptionsfähigkeit auszeichnet.465 Gleichzeitig bewirken die prozeduralen Sicherungsmechanismen einen Grundrechtsschutz durch Verfahren. (2) Materielle Steuerung Unter materiellen Sicherungsvorkehrungen sind inhaltliche Vorgaben zu verstehen, die der Staat den privaten Akteuren zu machen hat.466 Mit diesen inhaltlichen Vorgaben steuert der Staat bereits im Vorfeld seines eigenen Tätigwerdens die Tätigkeit des privaten Normungsgremiums und gibt ihm einen inhaltlichen Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Normung der privaten Akteure bewegen darf. Die materielle Steuerung soll bewirken, dass von vornherein beispielsweise essentielle Abwägungsentscheidungen zwischen gegenläufigen Interessen der künftig Betroffenen im Sinne einer Gemeinwohlorientierung der Entscheidung durch den Staat selbst vorgenommen werden. cc) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung, ausreichende Steuerungs- und Sicherungsmechanismen zu installieren Versäumt der Staat, seinen Verpflichtungen zur ausreichenden Sicherung und Steuerung des Kooperationsvorganges zwischen staatlicher und privater Betätigung nachzukommen, indem er materielle und prozedurale Anforderungen an den privaten Akteur stellt, die offenkundig untauglich sind, um ein Mindestmaß an Transparenz, Mitsprache, vorhersehbarer Organisation und Verfahren des privaten Akteurs zu gewährleisten, oder trifft er keinerlei Vorkehrungen zur Sicherung und Steuerung und schafft der private Akteur auch nicht von sich aus Strukturen, die solchen Anforderungen gerecht werden, so verstößt er gegen die ihn treffenden verfassungsrechtlichen Bindungen aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sowie aus den Grundrechten. 1996, 487, 497 ff.; Schuppert / Bumke, in: Kleindiek / Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 114; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266, 296 ff.; ders., in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 61; Hellermann, NZG 2000, 1097, 1102; Berberich, Framework, S. 114 f.; Ebert, Private Normsetzung, S. 86; Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa, S. 431, 450. 464 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 205; zustimmend Schulte, in: Rengeling, EUDUR, § 17 Rn. 134. 465 Schulte, in: Rengeling, EUDUR, § 17 Rn. 134. 466 Schwab, BB 1999, 731, 732; ders., Politikberatung, S. 440; Berberich, Framework, S. 115; Hellermann, NZG 2000, 1097, 1101; Hommelhoff, FS Odersky, S. 779, 795; Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 700; aus ökonomischer Perspektive M. Schmidt, Schmalenbach Business Review 54 (2002), 171 ff.
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Die Feststellung eines eindeutig zur Verfassungswidrigkeit führenden hoheitlichen Handelns wird im Einzelfall aber wohl eher selten möglich sein. Denn zumeist werden sich Steuerungs- und Sicherungsmechanismen finden lassen, über deren Effektivität gestritten werden kann. Da zudem dem Gesetzgeber in der Regel in Bezug auf die Erfüllung der Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips eine weitgehende Einschätzungsprärogative eingeräumt ist, die juristisch nur in engen Grenzen überprüfbar ist,467 wird ein Verstoß nur dann festzustellen sein, wenn sich die getroffenen Sicherungsvorkehrungen „gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich“ für die Einhaltung der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben darstellen.468
b) Notwendigkeit zusätzlicher Steuerungs- und Sicherungsmechanismen beim Endorsement der IAS / IFRS mittels Inkorporation? Nachdem im Grundsatz festgestellt wurde, dass die Gemeinschaft bei der kooperativen Erfüllung hoheitlicher Aufgaben gemeinsam mit privaten Akteuren verpflichtet ist, kompensatorische Steuerungs- und Sicherungsmechanismen zu installieren, ist – bevor die Einhaltung der prozeduralen und materiellen Anforderungen beim Endorsement der IAS / IFRS untersucht werden kann – zunächst zu klären, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber im konkreten Falle der Rezeption der IAS / IFRS mittels „Inkorporation“ diese Anforderungen überhaupt zu beachten hat. Diese Vorfrage mag auf den ersten Blick überraschen, da das Endorsement der privaten IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht sich als eine Zusammenarbeit zwischen dem Gemeinschaftsgesetzgeber und dem privaten Akteur IASB darstellt und man argumentieren kann, dass allein deshalb schon der Gesetzgeber Steuerungsund Sicherungsmechanismen vorzusehen habe. Die Notwendigkeit der Installierung kompensatorischer Steuerungs- und Sicherungsmechanismen des Gesetzgebers gegenüber privaten Normgebern wurde in Rechtsprechung und Literatur für das Rezeptionsmodell der Inkorporation aber bislang noch nicht diskutiert. Dies liegt wohl daran, dass die Inkorporation privat erstellter Regeln durch den Gesetzgeber vor den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips als völlig unproblematisch eingestuft wird.469 Denn mit dem Beschluss des staatlichen Gesetzgebers über die Aufnahme des privat erarbeiteten Textes in einen Rechtsakt werde der ursprünglich private Text vollständig „in den Willen“ des Gesetzgebers übernommen. Außerdem durchlaufe der private Text dabei ein ordnungsgemäß vorgesehenes Gesetzgebungsverfahren, an dessen Ende Schwab, BB 1999, 783, 788; Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 6. So die Formulierung für die Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten, BVerfG, Urt. vom 28. 01. 1992; 1 BvR 1025 / 82, 1 BvL 16 / 83, 1 BvL 10 / 91, BVerfGE 85, 191, 212; BVerfG, Beschl. vom 30. 11. 1988, 1 BvR 1301 / 84, BVerfGE 79, 175, 202; dazu auch Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 62. 469 Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 2 B. III. 3. 467 468
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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die Verabschiedung eines hoheitlichen Legislativaktes steht. Das Gesetzgebungsverfahren verbürge darüber hinaus sowohl „das staatlich erreichbare Maß an Vernünftigkeit und Gemeinwohldienlichkeit des Gesetzesinhalts“470 als auch vermittele es dem privat erarbeiteten Text durch die Gesetzesform, in der dieser sich nach der Inkorporation befinde, ein deutliches Maß an demokratischer und rechtsstaatlicher Legitimation. Daraus könnte wiederum zu schließen sein, dass bei der Inkorporation privater Regeln den Gesetzgeber keine Verpflichtung zur materiellen und prozeduralen Steuerung des privaten Normerstellers im Vorfeld der hoheitlichen Rezeptionsentscheidung trifft, weil letztere allein bereits als Ausdruck ausreichender staatlicher Letztverantwortung471 im Kooperationsprozess mit Privaten zu verstehen ist.472 Nichtsdestotrotz legt gerade das Endorsement der IAS / IFRS mittels Inkorporation aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung die Notwendigkeit offen, dass, auch wenn die Rezeption privater Regeln mit dem Rezeptionsmodell der Inkorporation geschieht, den Gesetzgeber dennoch schon im Vorfeld seiner eigentlichen Rezeptionsentscheidung die Verpflichtung trifft, steuernd auf die regelerstellende Tätigkeit des privaten Akteurs einzuwirken, um so ein möglichst hohes Niveau an demokratischer und rechtsstaatlicher Legitimation der Inkorporationsentscheidung zu sichern. aa) Die schwache Ausprägung der die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Inkorporation tragenden Gründe im konkreten Falle der Inkorporation der IAS / IFRS (1) Die Aufnahme der IAS / IFRS „in den Willen“ des Gesetzgebers – strukturelle Sachverstandsasymmetrie Als ein Argument, weshalb die Inkorporation privater Regeln stets mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip vereinbar sei, wird die Tatsache genannt, dass der Gesetzgeber die private Regel während des Gesetzgebungsverfahrens „in seinen Rechtsetzungswillen“ übernehme.473 Dies impliziert, dass der Gesetzgeber eine eigene Meinung zu der zu rezipierenden Regel entwickelt und diese in diesem Sinne prüft und beurteilt. Denn es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, privat erarbeitete Regeln als Vorlage für seine eigene gesetzgeberische Tätigkeit zu verP. Kirchhof, ZGR 2000, 681; ähnlich auch ders., NJW 2001, 1332 ff. Unter Letztverantwortung wird in Anlehnung an Trute, DVBl. 1996, 950, 955 verstanden, dass „die Handlungen und Entscheidungen Privater in eine staatliche Entscheidung einmünden“. Zur Notwendigkeit staatlicher Letztverantwortung bei der Kooperation mit Privaten siehe Trute, DVBl. 1996, 950, 955; Kunig / Rublack, Jura 1990, 1, 8; Berberich, Framework, S. 119 ff.; Schwab, Politikberatung, S. 445 ff.; a. A. Willke, JbStVw 1 (1987), 285, 302; Fürst, JbStVw 1 (1987), 261, 280 f. 472 Mit dieser Tendenz wohl Brohm, in: Hdb des Staatsrechts II 1998, § 36 Rn. 43. 473 Rönck, Technische Normen, S. 195; ähnlich auch Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 318. 470 471
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wenden und die Vorlage – erachtet er sie als sinnvoll – mit gesetzlicher Verbindlichkeit auszustatten. In der eigenen Beurteilung durch den Gesetzgeber findet sich das wesentliche Element der staatlichen Letztverantwortung wieder. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass die Kommission als „Gesetzgeberin“ für die Übernahme der IAS / IFRS selbst tatsächlich genügend Sachkunde auf dem Gebiet der Rechnungslegung besitzt, um sich wirklich vertieft, selbständig und eingehend mit den zu übernehmenden Rechnungslegungsstandards zu beschäftigen und auf diese Weise sich einen „eigenen Rechtsetzungswillen“ zu bilden. Zwar lässt sich die Kommission fachlich durch ein privates Gremium von Rechnungslegungsexperten, dem EFRAG, beraten, um ihre Entscheidung inhaltlich besser fundieren zu können.474 Doch hilft dies letztlich nicht, die bestehende strukturelle Sachverstandsasymmetrie zwischen dem IASB und der Kommission auszugleichen. Der private Normersteller bleibt aufgrund der Schwierigkeit der Materie der Kommission als dem „Inkorporationsgesetzgeber“ strukturell wohl überlegen. Es besteht mithin Anlass zu Zweifeln, dass die Vorstellung, der Gemeinschaftsgesetzgeber habe die private Regel „in seinen Willen“ aufgenommen, bei einem materiellen Verständnis dieses Ausdrucks bei der Inkorporation der IAS / IFRS mit der Wirklichkeit im Einklang steht.475 (2) Die Beschränkung der Rolle der Kommission auf die Ratifikation der IAS / IFRS Da die Kommission die ihr zur Rezeption vorliegenden IAS / IFRS entweder annehmen oder ablehnen muss, nicht aber selbständig Rechnungslegungsstandards entwickeln darf, besteht die Gefahr, dass die Kommission die zur Übernahme anstehenden IAS / IFRS einfach nur noch ratifiziert, überspitzt gesagt „durchnickt“, ohne dass sie sich einen wirklichen eigenen Willen von dem Inhalt ihres Rechtsaktes macht. Dieser Aspekt, verbunden mit dem Anspruch, das Rechnungslegungssystem IAS / IFRS möglichst vollständig in das Gemeinschaftsrecht zu übernehmen, ist bereits als ein Argument verwendet worden, um zu begründen, weshalb die Rezeption der IAS / IFRS keine Inkorporation, sondern materiell eine (unzulässige) faktische dynamische Verweisung darstelle.476 Auch wenn dieser Einordnung nicht gefolgt wurde, so kommen die gemachten Beobachtungen doch an dieser Stelle zum Tragen, indem sie darauf hinweisen, dass die Unbedenklichkeitsgründe für Inkorporationen im Falle der Übernahme der IAS / IFRS wertungsmäßig nicht ohne weiteres anzunehmen sind. Siehe zum EFRAG Kapitel 1 A. III. 1. In eine ähnliche Richtung gehen auch die oben in Kapitel 2 B. IV. 1. a) erwähnten Bedenken derjenigen, die im Endorsementprozess eine faktische Selbstbindung der EU an die Ergebnisse des IASB erkennen wollen. Allerdings wird die noch weitergehende und hier abgelehnte Konsequenz gezogen, dass ein „Übernahmeautomatismus“ vorliege. 476 Siehe oben Kapitel 2 B. IV. 1. a). 474 475
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(3) Die dominante Rolle des Exekutivorgans Kommission beim Endorsement Die Argumentation, weshalb die Inkorporation privater Regeln stets rechtlich unbedenklich sei, betont im Übrigen, dass die private Regel bei der Inkorporation ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren durchlaufe. Mit diesem werde inhaltlich ein Höchstmaß an „Vernünftigkeit und Gemeinwohldienlichkeit des Gesetzesinhalts“ verbürgt.477 Gedacht ist dabei wohl an das klassische parlamentarische Gesetzgebungsverfahren, das das höchste Niveau an demokratischer Legitimation vermittelt.478 In diesem Zusammenhang erscheint es problematisch, dass die Inkorporation der IAS / IFRS unter weitgehendem Ausschluss des Europäischen Parlamentes durch die Kommission mittels des Komitologieverfahrens durchgeführt wird, in das zusätzlich – die Probleme der Kooperation mit Privaten sozusagen potenzierend – das private Gremium EFRAG-TEG sowie der Regelungsausschuss für Rechnungslegung eingeschaltet ist.
bb) Schlussfolgerungen Die aufgeführten Aspekte der Inkorporation der IAS / IFRS machen deutlich, dass die tragenden Argumente einer generellen rechtlichen Unbedenklichkeit der Inkorporation im Falle der Rezeption der IAS / IFRS durch die Kommission bei näherer Betrachtung nur bedingt eingreifen. Vielmehr besteht trotz der eigentlich rechtlich „sicheren“ Rezeptionsform der Inkorporation die Gefahr, dass im Zusammenspiel der Faktoren „strukturelle Sachverstandsasymmetrie“, „Tendenz zu einem „Alles oder Nichts“ bei der Übernahme sowie der besonders starken Rolle der Exekutive bei der Übernahme insgesamt der Wunsch des Gesetzgebers, mit der Inkorporation den privaten IAS / IFRS ein hohes demokratisches Legitimationsniveau, verbunden mit der Erfüllung rechtsstaatlicher Grundsätze und unter Beachtung grundrechtlicher Schutzwirkungen zu schaffen, verfehlt wird. Auch beim Rezeptionsmodell der Inkorporation können also ähnliche Defizite wie bei anderen Kooperationsformen zwischen Staat und Privaten bestehen, die sich aus dem partiellen Rückzug des Staates aus der alleinigen Erfüllung hoheitlicher Aufgaben ergeben. Daraus wiederum folgt logisch, dass zur Erreichung eines ausreichenden demokratischen und rechtsstaatlichen Legitimationsniveaus die Inkorporation der IAS / IFRS allein nicht ausreicht, sondern dass die möglichen Defizite des Endorsement schon im Vorfeld der Inkorporation durch die Wahrnehmung von Steuerungs- und Sicherungsmechanismen während des Prozesses der Normerarbeitung kompensiert werden müssen.479 P. Kirchhof, ZGR 2000, 681; zustimmend Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 707. P. Kirchhof, ZGR 2000, 681; Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 44 Rn. 59 spricht mit Bezug auf die statische Verweisung auch vom „Verordnungsgeber“ und meint damit die Exekutive. 479 Zum mindesten missverständlich Kirchner, FS Siegel, S. 201, 203. 477 478
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Dieses Ergebnis, das die materielle Situation des jeweiligen Rezeptionsmodells wertungsmäßig stärker in den Vordergrund rückt, ist bei konsequentem Fortdenken allgemeiner Positionen in der Literatur zudem plausibel. Auch dort wird im allgemeinen Zusammenhang mit der Problematik der Kooperation von Staat und privaten Akteuren darauf hingewiesen, dass die staatliche Letztverantwortung häufig de facto keine ausreichende Legitimation für im Vorfeld getroffene private Entscheidungen entwickeln kann.480 Prägnant formuliert Trute:481 „Staatliche Verantwortung und die sie begleitenden normativen Anforderungen drohen dann zur leeren Hülse zu werden, in die Ergebnisse gesellschaftlicher Selbstregulierung einfließen, ohne daß diese die Gewähr für Lösungen bieten, die den normativen Zielvorgaben und Maßstäben, den öffentlichen Interessen und privaten Rechtspositionen nach Maßgabe ihrer Betroffenheit entsprechen.“
Um einen solchen Zustand zu vermeiden, wird dem Staat die Verpflichtung auferlegt, durch im Vorfeld auf die Entscheidungsbeiträge der privaten Akteure wirkende staatliche Steuerungs- und Sicherungsmechanismen Einfluss zu nehmen.482 Es besteht somit die Notwendigkeit, für das Endorsement der IAS / IFRS mittels Inkorporation eine Verpflichtung des europäischen Gesetzgebers zur Einrichtung ausreichender Steuerungs- und Sicherungsmechanismen im Vorfeld seiner Übernahmeentscheidung zu installieren.
c) Prozedurale Steuerung Im Fortgang ist demnach zu untersuchen, inwieweit das Handeln der am Endorsement der IAS / IFRS beteiligten Akteure den Erfordernissen an eine ausreichende prozedurale Steuerung im Prozess des Zusammenwirkens mit der Gemeinschaft bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, mithin reflexhaft demokratisch-rechtsstaatlichen Standards entspricht. Als private Akteure am Endorsement der IAS / IFRS sind unterschiedliche Gremien beteiligt. An erster Stelle ist der IASB als das Gremium zu nennen, welches letztverantwortlich über die Erstellung und Verabschiedung der IAS / IFRS in ihrer privaten Konzeption entscheidet. Bei näherer Betrachtung kann sein Handeln allerdings nicht völlig losgelöst von anderen Gremien der IASC Foundation als Trägerin des IASB gesehen werden, weil diese entweder inhaltlich oder personell auf die Tätigkeit des IASB einwirken. Deshalb ist auch in einigen knappen Worten auf diese unter dem Dach der IASC Foundation vereinigten Gremien einzugehen. 480 Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266, 295; Trute, DVBl. 1996, 950, 955; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 2 Rn. 177; Schuppert / Bumke, in: Kleindiek /Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 120. 481 Trute, DVBl. 1996, 950, 955. 482 Gallwas, VVDStRL 29 (1971), 211, 229; Trute, DVBl. 1996, 950, 955 f.; Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 61; Burgi, Die Verwaltung 2000, 183, 200 ff.
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Intensiverer Auseinandersetzung bedürfen auch die EFRAG, das als privates Gremium zwar keine IAS / IFRS erstellt, der Kommission aber bei der Prüfung der zu übernehmenden IAS / IFRS sachverständig beiseite steht, sowie die sog. „Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen“, welche die Stellungnahmen der EFRAG auf ihre Objektivität und Neutralität überprüft. Damit nehmen beide Gremien im Endorsement der IAS / IFRS eine bedeutsame Rolle ein. aa) Personelle Besetzung der privaten Gremien (1) Allgemeine Leitlinien Die personelle Zusammensetzung der Entscheidungsgremien des privaten Akteurs hat wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis der privaten Tätigkeit und determiniert folglich auch das Ergebnis der gesetzgeberischen Rezeptionsentscheidung. Ziel jeder personellen Besetzung privater Gremien für die Kooperation mit dem hoheitlichen Gesetzgeber muss eine möglichst ausgewogene und interessengerechte personelle Zusammensetzung sein.483 Als Auswahlkriterien sind überwiegend anerkannt die fachliche Kompetenz und die Unparteilichkeit der Mitglieder.484 Damit wird der Zweck verfolgt, die Tätigkeit des privaten Gremiums möglichst auf das Gemeinwohl hin zu orientieren, das sich aus dem Demokratieprinzip herleiten lässt.485 Dies ist notwendig, weil die privaten Akteure innerhalb eines privaten Normungsgremiums in ihrer Tätigkeit stets Gefahr laufen, ihre selektiven (Eigen-) Interessen zu verfolgen.486 Denn jedes Mitglied eines solchen Gremiums bringt ein bestimmtes fachliches und persönliches Vorverständnis mit, das seiner Arbeit bereits eine inhaltliche Vordeterminierung gibt.487 Da die Vorstellung, dass der Einzelne sich bei der Arbeit von diesem Vorverständnis frei machen könnte, bei realistischer Betrachtung verfehlt ist,488 muss die personelle Besetzung der Gremien dafür sorgen, dass alle Gruppen, die von der in Frage stehenden privaten Normgebung betroffen sein werden, angemessen in dem Gremium vertreten sind, um auf diese Weise die unterschiedlichen, z. T. gegenläufigen Interessen zu neutralisieren.489 483 Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 72; Führ, Wie souverän ist der Souverän?, S. 18; Brohm, in: Hdb des Staatsrechts II 1998, § 36 Rn. 46; Kloepfer / Elsner, DVBl. 1996, 964, 971; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 205; speziell für das Bilanzrecht Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 700; dies., BFuP 1998, 38, 48 ff.; Schwab, BB 1999, 731, 734; Ebert, Private Normsetzung, S. 202 ff.; G. Langenbucher, in: Baetge, Aktuelle Entwicklungen in Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung, S. 61, 89. 484 Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 68 m. w. N. 485 Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 701. 486 Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 2, Rn. 177; Röhl, Die Verwaltung 1996, 487, 499, 502; Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 48. 487 Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 72; Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 48. 488 Groß, in: Sommermann, Gremienwesen, S. 17, 29.
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Neben die „Pluralisierung“ des privaten Entscheidungsgremiums muss eine ausreichende fachliche Kompetenz der privaten Akteure treten.490 Ansonsten würde die Erreichung des übergeordneten Zieles der Kooperation des Staates mit Privaten in der Normgebung, nämlich die Schaffung hochwertiger Regeln sowie die Entlastung des Staates, gefährdet sein. (2) Die IASC Foundation Grundlage für die personelle Besetzung der einzelnen Organe ist die IASC Foundation Constitution, also die Satzung der IASC Foundation vom 01. 07. 2005.491 Sie enthält die grundlegenden Regeln über die Ziele, interne Organisation und Aufgaben der einzelnen Organe der IASC Foundation. (a) Der IASB Fachlich verantwortliches Organ für die Erstellung und die endgültige Entscheidung über den Erlass privater IAS / IFRS ist der IASB.492 Der IASB setzt sich aus 14 Mitgliedern zusammen, wovon 12 Vollzeit-, zwei Teilzeitmitglieder sind, die jeweils von den Trustees ernannt werden.493 Wesentliche Qualifikation für die Mitgliedschaft im IASB sind ausweislich der IASC Foundation Constitution berufliche Kompetenz und praktische Erfahrung. Bei der Auswahl sollen die Trustees darauf achten, dass der IASB insgesamt die „bestmögliche Kombination von technischer Expertise und Vielfalt in Bezug auf Markterfahrung und Erfahrung im internationalen Geschäft“ in sich vereinigt.494 Die Auswahl der Mitglieder des IASB soll nicht nach einem geographischen Proporzschlüssel erfolgen, obwohl gewährleistet sein soll, dass der IASB nicht geographisch oder interessengruppenbezogen einseitig besetzt ist.495 Insgesamt soll die personelle Zusammensetzung des IASB einen „angemessenen Mix von frischer 489 Ebke, ZIP 1999, 1193, 1198; Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 700; Schneider, VerwArch 87 (1997), 38, 47. 490 Ebert, Private Normsetzung, S. 203; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266, 312 f.; a. A. Achleitner, Normierung, S. 285 f., die einen Vorrang der fachlichen Kompetenz befürwortet. Dem kann jedoch wegen der Gemeinwohlverpflichtung des staatlichen Gesetzgebers und der Einsicht, dass Private stets zumindest auch eigene Ziele verfolgen, selbst oder gerade wenn sie von fachlich hoher Kompetenz sind, nicht zugestimmt werden. Dazu auch Breidenbach, Normsetzung für die Rechnungslegung, S. 211; Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 700 f.; ausführlich zur fachlichen und interessenbezogenen Repräsentanz Schwab, Politikberatung, S. 568 ff. 491 Erhältlich unter www.iasb.org / About+Us / About+the+Foundation / Constitution.htm (Stand Dezember 2007). 492 Siehe oben Kapitel 1 C. II.; näher auch Sect. 31 IASC Foundation Constitution. 493 Sect. 18 IASC Foundation Constitution. 494 Sect. 19 IASC Foundation Constitution. 495 Sect. 20 IASC Foundation Constitution.
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praktischer Erfahrung unter Wirtschaftsprüfern, Rechnungslegern, Nutzern und Hochschullehrern“ ermöglichen.496 Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist weiterhin, dass jedes Mitglied des IASB sich vertraglich verpflichten muss, im „öffentlichen Interesse“ zu handeln.497 Um die persönliche Unabhängigkeit der IASB-Mitglieder zu wahren, dürfen die Vollzeit-Mitglieder keinerlei weitere Beschäftigungsverhältnisse oder sonstige Positionen einnehmen, aus welchen sie wirtschaftlichen Nutzen ziehen könnten.498 Betrachtet man diese allgemeinen Aussagen der IASC Foundation Constitution unter der Perspektive der prozeduralen Steuerung, so fällt auf, dass sie Kriterien wie „fachliche Kompetenz“ sowie Ziele wie „Ausgewogenheit“ der Besetzung des IASB enthält und mehrfach betont. Die Satzung verfolgt damit – ohne selber unmittelbar an ein Demokratieprinzip gebunden zu sein499 – den erkennbaren Ansatz, grundsätzlich reflexhaft demokratisch pluralisierte Gremienstrukturen bereitzustellen. Insbesondere die Absicht, eine ausgewogene Struktur von Wirtschaftsprüfern, Rechnungslegern, Nutzern und Hochschullehrern bei der Besetzung des IASB zu erreichen, erscheint von der Zielrichtung her prinzipiell angemessen, um eine Neutralisierung unterschiedlicher Normungsinteressen zu erreichen. Nichtsdestotrotz bleiben durchaus Bedenken an dem abstrakten Besetzungskonzept in der IASC Foundation Constitution. Die Satzung betont in erheblicher Weise die fachliche Kompetenz der Mitglieder. Mit dieser Fokussierung auf die „technische Expertise“ wird suggeriert, dass fachliche Kompetenz der Mitglieder des IASB Voraussetzung genug sei, um weltweite Rechnungslegungsstandards hoher Qualität zu erarbeiten. Verdrängt wird aber, dass fachliche Kompetenz lediglich ein Mittel zur Erreichung bestimmter Ziele sein kann. Globale Rechnungslegungsstandards sind hingegen aus sich heraus kein Ziel an sich, sondern nur ein Mittel „um zu“. Auch wenn die Satzung mit der beispielhaften Nennung der (Berufs-)Gruppen der Wirtschaftsprüfer, Rechnungslegungspflichtigen, Nutzer und Hochschullehrer als Mitglieder des IASB prinzipiell eine interessenorientierte Ausgewogenheit anstrebt, so fehlt doch in der Satzung selbst eine abstrakte Auseinandersetzung mit dem Kreis derjenigen, aus denen sich die Mitglieder des IASB – abgesehen von der fachlichen Kompetenz und geographischen Faktoren – rekrutieren.500 So sollte die Satzung deutlicher machen, dass sich hinter den Begriffen „Rechnungslegungspflichtige“ oder „Nutzer“ recht heterogene Gruppen mit unterschiedlichen InteresSect. 21 IASC Foundation Constitution. Sect. 23 IASC Foundation Constitution. 498 Sect. 25 IASC Foundation Constitution. 499 Siehe oben Kapitel 2 B. IV. 4. a) bb). 500 Zu dieser Forderung als Voraussetzung der ausgewogenen Besetzung von privaten Normungsgremien bereits Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 701. 496 497
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sen verbergen. Nutzer beispielsweise können Kleinanleger, aber auch große Kapitalinvestoren sein. Hinzu kommen noch aktuelle oder potentielle Gläubiger eines Unternehmens. Obwohl das Bedürfnis nach generellen Bezeichnungen auf Ebene der IASC Foundation Constitution durchaus nicht verkannt wird, wäre es nicht unratsam, wenn die Satzung sich der Vielfältigkeit der an der Erarbeitung und Benutzung der IAS / IFRS interessierten Gruppen bewusst würde, um so die Dominanz einzelner Berufs- oder Interessengruppen innerhalb des IASB zu minimieren. Bedenken an einer ausreichenden prozeduralen Steuerung bestehen darüber hinaus aufgrund der aktuellen konkreten personellen Besetzung des IASB.501 Es scheint, als ob einzelne Interessengruppen in der konkreten Besetzung des IASB nicht ausreichend vertreten sind und somit ein Defizit an Ausgewogenheit der betroffenen Interessengruppe besteht. Mindestens vier Problemkreise sind vor dem Hintergrund einer ausreichenden prozeduralen Steuerung zu konstatieren: Einmal die Dominanz der Wirtschaftsprüfer, sodann die Dominanz der Großunternehmen, die Dominanz von Vertretern einer „angloamerikanischen“ Rechnungslegungsphilosophie sowie das weitgehende Fehlen von Vertretern für Rechnungslegungsnutzer. Von den 14 IASB-Mitgliedern sind mehr als die Hälfte ausgebildete Wirtschaftsprüfer, was als solches nicht negativ zu bewerten, sondern im Gegenteil ein Ausweis für hohe fachliche Kompetenz im Bereich der Rechnungslegung ist. Der Großteil dieser Wirtschaftsprüfer kommt allerdings aus den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die den „Big Four“ zuzurechnen sind.502 Auch wenn nicht alle dieser beruflichen Gruppe unmittelbar vor ihrem Eintritt als Wirtschaftsprüfer für eine der vier großen und global agierenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften tätig gewesen sind, so ist dennoch nicht ganz auszuschließen, dass bei der Erstellung internationaler Rechnungslegungsstandards das spezifische Vorverständnis des „Wirtschaftsprüferstandes“ und vor allem derjenigen Wirtschaftsprüfer, die in Großgesellschaften tätig gewesen und mit ihrer spezifischen Klientelstruktur, ihrer internationalen Arbeitsweise und ihren spezifischen Bedürfnissen und Interessen in enge Berührung gekommen sind, zum Ausdruck kommen wird.503 Drei Mitglieder im IASB sind Unternehmen zuzurechnen. Bei diesen Unternehmen handelt es sich allesamt um große Industrieunternehmen. Die Interessen kleiner oder mittlerer Unternehmen bleiben in der momentanen Besetzung des IASB ohne eigene Repräsentanz. Dies ist problematisch. Denn die Bedürfnisse und Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen sind in vielen Punkten anders gelagert als die der großen (Industrie-)Unternehmen. Dass Art. 4 der IAS / IFRSBasisverordnung lediglich die Verpflichtung zur Bilanzierung nach den endorsed IAS / IFRS auf kapitalmarktorientierte Unternehmen erstreckt und kapitalmarktStand Dezember 2007. Dazu sind landläufig zu rechnen die Gesellschaften „KPMG“, „Deloitte Touche Tohmatsu“, „PricewaterhouseCoopers“ sowie „Ernst & Young“. 503 Schildbach, IRZ 2007, 9, 11. 501 502
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orientierte Unternehmen typischerweise Großunternehmen sind, rechtfertigt diese einseitige Besetzung noch nicht. Denn zum einen ist nicht ausgeschlossen, dass kleinere Unternehmen das Merkmal der Kapitalmarktorientierung erfüllen, und zum anderen können aber auch kleinere, nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen zur Rechnungslegung nach IAS / IFRS verpflichtet sein, wenn der Mitgliedstaat das Wahlrecht aus Art. 5 der IAS / IFRS-Basisverordnung ausübt und den Anwendungsbereich auf den Jahresabschluss ausweitet. Gerade auch für diesen Fall muss der Gemeinschaftsgesetzgeber auf eine angemessene Vertretung innerhalb des „Standard Setting Body“ achten, was bei der aktuellen Besetzung nicht gewahrt ist. Die fehlende Vertretung von kleinen und mittleren Unternehmen im IASB müsste demnach dringend verändert werden. Obwohl die geographische Verteilung der Herkunft der Mitglieder des IASB durchaus ausgewogen zwischen Nordamerika mit vier, Europa mit sechs und Japan, China, Australien sowie (Süd-)Afrika mit jeweils einem Vertreter ausfällt, wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass eine überwiegende Mehrzahl der Mitglieder aus Ländern stammen, deren Rechnungslegungssysteme dem „angloamerikanischen“ Rechtskreis zugeordnet werden können.504 So kommt allein die Hälfte der europäischen IASB-Mitglieder aus dem Vereinigten Königreich. Auch wenn mit der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Rechnungslegungssystem für sich gesehen kein interessenbeeinflussender Makel verbunden ist, so determiniert diese Herkunft aus dem „angloamerikanischen“ Kreis der Rechnungslegung, der sich durch eine viel detailliertere, stärker einzelfallorientierte Regelungskonzeption auszeichnet als die kontinentaleuropäische Rechnungslegungskonzeption, jedoch nicht unbeträchtlich die Herangehensweise und Methode der Rechnungslegung. Auch fällt auf, dass manche der US-amerikanischen IASB-Mitglieder zuvor bereits bei der FASB als dem verantwortlichen Organ für die Erstellung der US-GAAP tätig gewesen sind, womit aufgrund der persönlichen Kontakte eine enge Verbindung zwischen dem FASB und dem IASB sowie eine konzeptionelle Beeinflussung der IAS / IFRS durch die US-amerikanische Bilanzierungsweise unterstellt werden kann. So gesehen erscheint es nicht unproblematisch, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht genügend darauf achtet, dass vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechnungslegungstraditionen in Europa ein in dieser Hinsicht ausgewogenes IASB gebildet wird. Negativ ins Gewicht fällt das weitgehende Fehlen von Vertretern der Nutzer von IAS / IFRS-Rechnungslegungswerken. Zwar ist ein Mitglied des IASB Investmentbanker und Analyst. Doch ist zweifelhaft, diesen als Vertreter der Nutzer, die vornehmlich aus Anlegern und Gläubigern sich zusammensetzen, anzusehen. Zu504 Siehe zu den einzelnen Charakteristika schon oben Kapitel 1 Fn. 94; neutral bis befürwortend im Hinblick auf die dominante angloamerikanische Repräsentanz Gebhardt, BB 2001, Heft Nr. 13, Die erste Seite, mit dem (resignativ klingenden) Argument, dass „seit einiger Zeit die wichtigen Weiterentwicklungen in der Rechnungsländern aus ebendiesen Ländern kommen“.
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gegebenermaßen ist es aufgrund der Heterogenität der Gruppe der Anleger und Gläubiger schwierig, geeignete Repräsentanten für das Gremium des IASB zu finden.505 Nichtsdestotrotz muss der Gesetzgeber aufgrund seiner Verpflichtung zur prozeduralen Steuerung dafür Sorge tragen, dass alle betroffenen Interessen gleichwertigen Zugang zu den Entscheidungen des IASB haben.506 Vorzuschlagen wäre deshalb einerseits, Vertreter einzelner Verbände, sei es der Banken, der Börse oder der institutionellen oder Kleinanleger für eine Tätigkeit im IASB auszuwählen.507 In diesem Zusammenhang wäre auch darüber nachzudenken, einen Vertreter der Europäischen Kommission selbst in den IASB zu entsenden, der als eine Art staatlicher „Ersatzrepräsentant“ 508 aller derjenigen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht ausreichend im IASB vertreten sein können, fungieren würde. Bislang hat die Kommission keinerlei eigenen Vertreter innerhalb des IASB. Ein ungeeigneter Einwand gegen die hier vorgebrachten Vorschläge wäre es, darauf hinzuweisen, dass die Mitglieder des IASB sich vertraglich verpflichten müssten, nur dem „öffentlichen Interesse“ zu dienen, während eine Vertretung nach Interessengruppen gerade ein interessengeleitetes Handeln befördern könnte.509 Dass der IASB im „öffentlichen Interesse“ zu handeln beabsichtigt, ist – um mit Luttermann und Großfeld zu sprechen – „ehrenwert“.510 Besser wäre es noch, eine solche Verpflichtung durch weitere organisatorische Vorkehrungen abzusichern. Im Übrigen würde eine solche Argumentation – auf die Spitze getrieben – auch ein ganz einseitiges Besetzen des IASB, z. B. ausschließlich mit Wirtschaftsprüfern, rechtfertigen, was vom Sinn und Zweck der Ausgewogenheit jedoch unmöglich überzeugen kann. Zusammengefasst ist somit festzuhalten: Prinzipiell erscheinen die abstrakten Vorgaben zur Besetzung und Auswahl der Mitglieder des IASB in der IASC Foundation Constitution geeignet, eine hinreichend ausgewogene und interessengerechte personelle Zusammensetzung dieses Gremiums zu erzielen. Verbesserungsfähig ist allerdings die aktuelle konkrete Besetzung des IASB, das eine dreifache Dominanz – von Wirtschaftsprüfern, Industrieunternehmen, Vertretern des angloamerikanischen Rechtskreises – aufweist. (b) Das IFRIC Unter dem Gesichtspunkt der prozeduralen Steuerung lohnt ein weiterer Blick auf das International Financial Reporting Interpretation Committee (IFRIC). Die 505 506 507 508 509 510
Vgl. Ebert, Private Normsetzung, S. 204; Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 49. Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 49. Schwab, BB 1999, 731, 735; Ebert, Private Normsetzung, S. 204. Schwab, BB 1999, 731, 735. Sect. 23 IASC Foundation Constitution. Luttermann / Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 119.
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Aufgabe des IFRIC besteht darin, Interpretationen (SIC / IFRIC) zu einzelnen IAS / IFRS, die dann als Grundlage einer einheitlichen Anwendung der IAS / IFRS dienen sollen, auszuarbeiten. Zwar werden die Interpretationen formell vom IASB verabschiedet, jedoch liegt die maßgebliche Erarbeitung beim IFRIC selbst. Nach Sect. 33 IASC Foundation Constitution besteht das IFRIC aus zwölf stimmberechtigten Mitgliedern, welche von den Trustees ernannt werden. Ihm sitzt ein Vorstand vor, der sich aus einem Mitglied des IASB, dem Director of Technical Activities und einer anderen hinreichend qualifizierten Einzelperson zusammensetzt.511 Kriterien für die Auswahl der IFRIC-Mitglieder finden sich nicht in der Satzung, wohl aber im Vorwort (Preface) zu den IFRIC. Dort heißt es, dass Mitglieder des IFRIC nach ihrer Fähigkeit, aktuelle Entwicklungen und Probleme internationaler Rechungslegung zu verfolgen und sie zu lösen, ausgewählt werden sollen. Typischerweise sollten Nutzer finanzieller Berichte sowie Personen, die in der Industrie oder im öffentlichen Sektor für die Rechungslegung zuständig sind, in einem angemessenen geographischen Umfang Mitglieder des IFRIC werden. Die Auswahlkriterien legen damit vorrangig Augenmerk auf die fachliche Kompetenz der Mitglieder des IFRIC, ohne aber dieselben hohen Maßstäbe wie an die Auswahl der Mitglieder des IASB anzulegen. Von den aktuellen512 zwölf Mitgliedern des IFRIC gehören sechs der Gruppe der Wirtschaftsprüfer an, von denen alle aus großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften kommen. Auch die drei Mitglieder der Unternehmen vertreten ausschließlich große Industrieunternehmen. Mindestens die Hälfte der Mitglieder gehört dem angloamerikanischen Rechnungslegungskreis an.513 Die aktuelle Zusammensetzung des IFRIC weist damit ähnliche Defizite auf wie die Besetzung des IASB: Eine Dominanz von Wirtschaftsprüfern aus großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die einseitige Vertretung von Großunternehmen, die Dominanz von Vertretern einer angloamerikanischen Rechnungslegung. Dieser Befund ist im Hinblick auf das Gebot der Ausgewogenheit privater Standardsetzer eigentlich problematisch. Abgemildert wird dieses Manko jedoch durch die Teilnahme von jeweils einem Vertreter des IOSCO (International Organisation of Securities Commissions) sowie der Europäischen Kommission als Beobachter in diesem Gremium. Denn auch wenn diese nicht stimmberechtigt sind, so können sie doch als neutrale Organisationen Einfluss auf die Arbeit des IFRIC nehmen und auf diese Weise auch die Interessen derjenigen Gruppen, wie z. B. der Anleger und Gläubiger, zur Geltung bringen, die nicht explizit im IFRIC vertreten sind.
Preface to International Financial Reporting Interpretations 13. Stand Dezember 2007. 513 Vgl. www.iasb.org / About+Us / About+IFRIC / IFRIC+Members.htm (Stand Dezember 2007). 511 512
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(c) Das Standards Advisory Council Eine gewisse kompensatorische Funktion für die Defizite in der Besetzung des IASB und des IFRIC kann das Standards Advisory Council (SAC) spielen.514 Seine Hauptaufgabe besteht in der Beratung des IASB im Rahmen von dessen Standardsetzungsarbeit und zu sonstigen Fragen.515 Es soll ein Forum für die Teilnahme von Organisationen und Individuen, welche ein Interesse an der internationalen Rechnungslegung haben, darstellen.516 Das SAC besteht aus mindestens 30 Mitgliedern mit unterschiedlichen geographischen und beruflichen Hintergründen, die von den Trustees ernannt werden. Abgesehen davon, dass die Mitglieder ein Interesse an internationaler Rechnungslegung aufweisen müssen, gibt es keine individuellen Auswahlkriterien, sondern lediglich die ergebnisorientierte Vorgabe an die Trustees, ein Organ zu bilden, deren Mitglieder sich durch vielfältige geographische und berufliche Hintergründe auszeichnen. Positiv fällt auf, dass das Merkmal der fachlichen Kompetenz nicht vorrangiges Auswahlkriterium ist und dadurch eine gewisse Öffnung der Normerstellungstätigkeit möglich wird. Im Ergebnis kann damit eine recht ausgewogene Besetzung des SAC erreicht werden. Aktuell setzt sich das SAC aus 40 Mitgliedern zusammen. Auffallend ist die breite geographische Streuung der Mitglieder nach den einzelnen Kontinenten der Welt, die für eine ausgewogene Berücksichtigung der unterschiedlichen globalen Standpunkte spricht. Begrüßenswert ist weiterhin die beachtliche Anzahl an Internationalen Organisationen, wie z. B. der International Association of Insurance Supervisors (IAIS) als Zusammenschluss der nationalen Versicherungsaufsichtsbehörden oder der Weltbank, die im SAC vertreten sind und – soweit es sich um Regierungsorganisationen handelt – aufgrund ihrer Einbindung in demokratische Rechenschaftszusammenhänge als neutrale „Ersatzrepräsentanten“ nicht vertretenen Interessen ein Sprachrohr sein können. In diesem Zusammenhang herauszuheben ist, dass die Europäische Kommission als Beobachterin im SAC vertreten ist und somit mittelbar beratend auf die Tätigkeit des IASB einwirken kann. Negativ zu vermerken ist jedoch erneut das weitgehende Fehlen von Vertretern kleinerer und mittlerer Unternehmen sowie von Anlegern und Gläubigern im SAC. Gerade hier hätten diese ein Forum, in dem sie sich organisieren und auf diese institutionalisierte Weise Einfluss auf die Normungstätigkeit des IASB nehmen könnten. Aufgrund der weitgehend ausgewogenen Besetzung kann das SAC in begrenzter Weise ein gewisses Korrektiv zu Defiziten in der ausgewogenen personellen Besetzung des IASB und des IFRIC sein, wobei allerdings fraglich ist, welches tatsächliche Gewicht dem SAC im Prozess der Erarbeitung der IAS / IFRS zukommen kann. 514 Kleekämper / Kuhlewind / Alvarez, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, Teil A Kapitel I Rn. 68. 515 Sect. 37 IASC Foundation Constitution. 516 Sect. 37 IASC Foundation Constitution.
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(d) Die Trustees Obwohl die 22 Trustees selbst keine IAS / IFRS entwickeln,517 üben sie mittelbar einen erheblichen Einfluss auf die Arbeit aller Organe der IASC Foundation aus, da die zentralen organisatorischen Aufgaben in ihren Händen liegen.518 Die Trustees ernennen die Mitglieder des IASB, des IFRIC sowie des SAC, führen die Aufsicht über den IASB und die anderen Organe, sind vollumfänglich für die Finanzierung verantwortlich und entscheiden allein über Änderungen der IASC Foundation Constitution.519 Dabei sind sie ausdrücklich gehalten, stets im „öffentlichen Interesse“ zu agieren.520 Die Satzung nennt in Sect. 6 und 7 recht ausführlich die Auswahlkriterien für die Trustees. Sie stellen eine Kombination aus fachlichen Kompetenz- und geographischen Herkunftskriterien dar: In fachlicher Hinsicht sollen die Trustees ein festes Bekenntnis für die IASC Foundation und den IASB zeigen, in finanziellen Angelegenheiten bewandert sein und die Fähigkeit haben, zeitliche Verpflichtungen einzuhalten. Darüber hinaus sollen sie Verständnis und Gespür für die Herausforderungen haben, die mit der Erarbeitung und Anwendung von hochwertigen globalen Rechnungslegungsstandards für die weltweiten Kapitalmärkte und andere Nutzer verbunden sind. Die Gruppe der Trustees soll weitgehend die globalen Kapitalmärkte sowie eine Vielfalt an geographischen und beruflichen Hintergründen widerspiegeln. Dabei soll in fachlicher Hinsicht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wirtschaftsprüfern, Erstellern, Nutzern, Hochschullehrern und anderen, im öffentlichen Dienst stehenden Personen erzielt werden. Stets sollen mindestens zwei Trustees Seniorpartner prominenter internationaler Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein. Hinsichtlich der geographischen Ausgewogenheit gibt die Satzung – anders als für die anderen Organe – genaue Vorgaben: Jeweils sechs Trustees müssen aus Nordamerika, Europa sowie aus Asien / Ozeanien stammen; die verbliebenen vier Trustees dürfen aus jeglicher Region ausgewählt werden, solange unter den Trustees insgesamt ein angemessenes geographisches Gleichgewicht erhalten bleibt. Es ist beabsichtigt, die Auswahl in Abstimmung mit den nationalen und internationalen Verbänden der Wirtschaftsprüfer, den Erstellern von Abschlüssen, den Nutzern sowie den Hochschullehrern vorzunehmen. Begrüßenswert aus Sicht der Anforderungen der prozeduralen Steuerung ist das Ziel, ein in fachlicher und geographischer Hinsicht ausgewogenes Verhältnis der Trustees untereinander herzustellen. Insbesondere die genauen Vorgaben zur regionalen Herkunft stimmen mit den Vorgaben überein, die an einen privaten Normgeber zu machen sind, dessen Normen in verbindliches Recht transformiert werden sollen. Dennoch bleiben kritische Punkte: Einmal fällt die relative Unbestimmtheit, sogar Redundanz von Auswahlkriterien wie die „Fähigkeit, zeitliche Zielvorgaben 517 518 519 520
Pellens / Fülbier / Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 82; Baetge / Thiele / Plock, DB 2000, 1033, 1035. Siehe Sect. 13, 15 – 17 IASC Foundation Constitution. Siehe Sect. 6, 17 lit. a IASC Foundation Constitution.
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einhalten zu können“ auf. Schwierig nachzuvollziehen bleibt auch der Sinn der Vorgabe, stets zwei Seniorpartner prominenter internationaler Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als Trustees zu haben. Dies sieht stark danach aus, dass auf diesem Wege großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Möglichkeit zur beständigen Einflussnahme auf die Standardsetzung gegeben werden soll. Die aktuelle personelle Zusammensetzung der Trustees weicht in manchen Punkten von derjenigen des IASB, des IFRIC sowie des SAC ab. Viel weniger ausgeprägt ist die Präsenz von Wirtschaftsprüfern. Die größte Gruppe stellen vielmehr Mitglieder aus Wirtschaftsunternehmen, unter denen sich überwiegend große Industrieunternehmen befinden. Zwar gibt es unter den Trustees keine Vertreter von Anlegern oder Gläubigern. Jedoch sind eine größere Zahl von Institutionen, wie z. B. die Börse, Banken und (Wertpapier-)Aufsichtsorgane, als Trustees vertreten, welche als „Ersatzrepräsentanten“ für unterschiedliche Gruppen von Nutzern fungieren können. Auch bringen solche Institutionen ein größeres Maß an Gebundenheit an das „öffentliche Interesse“ mit sich, als dies die Vertreter privater Unternehmen können. Überlegenswert erscheint allerdings, der Europäischen Kommission eine eigene Trusteeposition zu reservieren, um auf diese Weise unmittelbaren Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des IASB und der weiteren Organe nehmen zu können und gleichzeitig, da die Kommission selbst demokratisch legitimiert ist, zumindest partiell die demokratische Legitimation der Entscheidungen des privaten Normgebers zu erhöhen. (3) Die EFRAG Die EFRAG ist eine private Vereinigung, die am 31. 03. 2001 gegründet wurde, um im Wesentlichen zwei Aufgaben zu erfüllen: Zum einen soll sie europäische Interessen ihrer Mitglieder sowie der nationalen Standardsetzer, wie z. B. des DRSC, koordinieren und proaktiv an der Erstellung neuer IAS / IFRS im IASB mitwirken. Zum anderen nimmt sie entscheidenden Anteil am Endorsement der internationalen Rechnungslegungsregeln, indem sie die Kommission bei der Prüfung, ob die zu übernehmenden IAS / IFRS mit den materiellen Kriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung (unter Ausschluss des Kriteriums des europäischen öffentlichen Interesses) übereinstimmen, berät und auf dieser Grundlage eine ablehnende oder befürwortende Endorsementempfehlung abgibt. Die Technical Expert Group (TEG), die innerhalb der EFRAG diese Aufgaben wahrnimmt, ist zwar im Unterschied zum IASB kein privater Normgeber, weil sie nicht eigene Rechnungslegungsregeln erstellt. Da sie jedoch als privates Gremium eine lenkende Aufgabe gegenüber der Kommission innerhalb des Endorsementprozesses wahrnimmt, ist auch ihre personelle Besetzung unter dem Aspekt der prozeduralen Steuerung zu betrachten, weil dies Einfluss auf das befürwortende oder ablehnende Entscheidungsvotum haben könnte.521 521
So auch Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 707.
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Die EFRAG-TEG umfasst gegenwärtig 15 Mitglieder (drei von ihnen ohne Stimmrecht), die vom Supervisory Board der EFRAG ernannt werden. Ernennungskriterien sollen vorrangig fachliche Qualifikation und Erfahrung sein, wobei angestrebt wird, eine breite geographische sowie berufliche Ausgewogenheit zu erreichen.522 Diese Kriterien ähneln stark denjenigen zur Auswahl der Mitglieder des IASB, sowohl in ihrer positiven Perspektive aufgrund des Ziels der Ausgewogenheit der Besetzung, als auch in ihrer kritisierbaren Perspektive aufgrund der pauschalen Nennung von Bilanzerstellern, Nutzern, Hochschullehrern und den wirtschaftsprüfenden Berufen. Die aktuelle523 personelle Zusammensetzung der EFRAG-TEG ist zwar in ihrer geographischen Ausrichtung durchaus ausgewogen. Allerdings wird die angestrebte Ausgewogenheit des beruflichen Hintergrundes der Mitglieder nicht erreicht. In der EFRAG-TEG herrscht eine fast ausschließliche Dominanz von Unternehmensvertretern großer Industrieunternehmen sowie aktiver Wirtschaftsprüfer, zudem solcher, die den großen internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften entstammen. Wohl ist ein Hochschullehrer Mitglied der EFRAG-TEG, doch es gibt keinen Vertreter von „Nutzern“, geschweige denn von Gläubigern. Die Zusammensetzung ist offensichtlich einseitig fachbezogen. Obwohl dies eigentlich vor dem Hintergrund der Anforderungen der prozeduralen Steuerung problematisch ist, weil damit bestimmte Interessen bei der Beratung zum Endorsement einseitig vertreten sind, erscheint es jedoch prinzipiell wegen der besonderen Erfordernisse einer qualifizierten fachlichen Prüfung der zu übernehmenden IAS / IFRS vertretbar, wenn das besondere Gewicht bei der Auswahl auf der fachlichen Kompetenz liegt. Ein wenig abgemildert wird diese Problematik zudem dadurch, dass als Beobachter innerhalb der EFRAG-TEG die Kommission sowie der Ausschuss der EU-Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) fungieren. (4) Die Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen Die Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen (sog. Prüfgruppe oder „Standards Advice Review Group“), die mit Entscheidung der Kommission vom 14. 07. 2006 geschaffen wurde,524 hat die Aufgabe, die Kommission zu beraten, ob die Stellungnahmen, welche die EFRAG-TEG der Kommission zur Vereinbarkeit zu übernehmender Standards mit den Kriterien des Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung abgibt, objektiv und ausgewogen sind.
EFRAG Annual Report 2005, S. 6. Stand Dezember 2007. 524 Entscheidung der Kommission vom 14. 07. 2006 zur Einsetzung einer Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen zur Beratung der Kommission hinsichtlich der Objektivität und Neutralität der von der Europäischen Beratergruppe für Rechnungslegung (EFRAG) abgegebenen Stellungnahmen (2006 / 505 / EG), ABl. L 199 vom 21. 07. 2006, S. 33 ff. 522 523
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Die Prüfgruppe soll aus regierungsunabhängigen Sachverständigen auf dem Gebiet der Rechnungslegung bestehen.525 Sie setzt sich aus höchstens sieben Mitgliedern zusammen, die von der Kommission ausgewählt und ad personam ernannt werden. Auswahlkriterien sind ausgewiesene Fachkompetenz und technische Erfahrung auf dem Gebiet der Buchführung und Rechnungslegung sowie Unabhängigkeit. Die Prüfgruppe soll im Ergebnis im Hinblick auf geographische Herkunft, Geschlecht sowie Funktionen und Größe der betreffenden Unternehmen und Einrichtungen ausgewogen besetzt werden.526 Diese abstrakten Auswahlkriterien betonen einerseits und in zulässiger Weise die notwendige fachliche Kompetenz der Mitglieder. Andererseits zeigen sie in begrüßenswerter Weise das Bewusstsein auf, dass eine ausgewogene Besetzung des Gremiums sich nicht nur auf die geographische Herkunft oder das Geschlecht zu beziehen hat, sondern auch und vor allem auf die berufliche Herkunft des Mitglieds, weil nur so die unterschiedlichen Interessen verschiedener von der Rechnungslegung betroffener Kreise möglichst ausgeglichen vertreten werden können. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Kommission auf der Grundlage dieser abstrakten Kriterien eine den Anforderungen prozeduraler Steuerung entsprechende personelle Besetzung der Prüfgruppe erzielen kann. Im Februar 2007 hat die Kommission die ersten Mitglieder der Prüfgruppe ernannt.527 Im Gegensatz zur EFRAG-TEG oder den Gremien der IASC Foundation ist positiv hervorzuheben, dass unter den sieben Mitgliedern kein an der Rechnungslegung interessierter Personenkreis überproportional vertreten ist. Bedauerlich ist zwar, dass entgegen der eigenen Zielsetzung der Kommission nur eine Frau zum Mitglied der Prüfgruppe ernannt wurde und so von einer ausgewogenen Besetzung im Hinblick auf das Geschlecht nicht gesprochen werden kann. Andererseits kann zumindest nicht festgestellt werden, dass z. B. die Gruppe der Wirtschaftsprüfer dominant in der Prüfgruppe vertreten ist.
bb) Finanzierung Ein besonderes Augenmerk muss bei der prozeduralen Steuerung auf die Finanzierung der Tätigkeit der Entscheidungsgremien der privaten Akteure gelegt werden. Es liegt auf der Hand, dass es eine Korrelation gibt zwischen der Finanzierung und der Unabhängigkeit eines Gremiums und seiner Mitglieder.528 Für die aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip resultierenden Anforderungen an den Staat, Art. 1 Entscheidung 2006 / 505 / EG. Art. 3 Entscheidung 2006 / 505 / EG. 527 Pressemitteilung der Kommission vom 08. 02. 2007, IP / 07 / 163, abrufbar unter http: // europa.eu / rapid / pressReleasesAction.do?reference=IP / 07 / 163&format=HTML&aged=0&la nguage=DE&guiLanguage=en (Stand Dezember 2007). 528 Ebke, ZIP 1999, 1193, 1199 zitiert treffend den Volksmund, wenn er anführt: „Wer zahlt, hat das Sagen.“ 525 526
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steuernd auf den privaten Akteur einzuwirken, bedeutet dies, dass er neben dem Hinwirken auf eine ausgewogene personelle Besetzung des Gremiums darauf achten muss, dass die Finanzierung nicht zu einer einseitigen Interessenberücksichtigung der Financiers führt.529 Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Finanzierung der Tätigkeit der Gremien als solche und der finanziellen Ausstattung der Mitglieder der Gremien, welche ihre Arbeitskraft der Tätigkeit in den privaten Gremien hingeben. Denn sogar wenn die Gremien als solche ausgewogen finanziert werden, so kann eine zu geringe Kompensation der Tätigkeit in diesen Gremien zum einen dazu führen, dass wegen der unattraktiven Bezahlung nicht ausreichend qualifizierte Mitglieder gewonnen werden können, und zum anderen die Mitglieder selbst für die Einflussnahme durch Dritte empfänglich werden können. Im Folgenden soll die Finanzierung der Tätigkeit der IASC Foundation, der EFRAG sowie der Prüfgruppe und insbesondere die finanzielle Unabhängigkeit der Mitglieder dieser Gremien untersucht werden. (1) Die IASC Foundation Die Finanzierung der Tätigkeit der IASC Foundation liegt vollständig im Verantwortungsbereich der Trustees. Das bedeutet, dass die Mitglieder des IASB von dieser Aufgabe frei sind, was gleichfalls eine begrüßenswerte Reduzierung direkter Einflussnahmemöglichkeiten auf den IASB darstellt. Derzeitige Haupteinnahmequellen für die Deckung des im Jahre 2005 sich auf ca. 12 Mio. GBP belaufenden Haushalts der IASC Foundation sind Einkünfte aus dem Vertrieb von Produkten der IASC Foundation (Abonnements, Veröffentlichungen, Lizenzen u. ä.) sowie aus Spenden seitens öffentlicher und privater Einrichtungen.530 Obwohl eine solche Aufteilung für sich gesehen unproblematisch erscheint, ist es jedoch bedenklich, wenn die vier großen internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften531 mit jeweils 1 Mio. USD jährlich die IASC Foundation unterstützen, ca. ein Drittel der Gesamtausgaben decken und damit die mit Abstand größten Spender darstellen. Es besteht die Gefahr, dass gerade diese Firmen ihre eigenen Interessen bei der Erarbeitung der IAS / IFRS geltend machen. Ähnlich wie bei der Besetzung der wichtigsten Gremien der IASC Foundation spielen somit die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bei der Finanzierung eine dominante Rolle. Dass dieser Zustand mit den Erfordernissen einer ausreichenden prozeduralen Steuerung nicht im Einklang steht, liegt auf der Hand.532 529 Trute, DVBl. 1996, 950, 962; speziell für die private Normsetzung im Bilanzrecht Ebert, Private Normsetzung, S. 205 f.; Hommelhoff / Schwab, FS Kruse, S. 693, 711; dies., BFuP 1998, 38, 51; Schwab, BB 1999, 783, 787; Ohler, in: EuZW 2006, 679. 530 Siehe Jahresbericht der IASC Foundation 2005, S. 24. 531 „KPMG“, „Deloitte Touche Tohmatsu“, „PricewaterhouseCoopers“ sowie „Ernst & Young“. 532 Kritisch auch das Arbeitspapier vom 30. 03. 2007 des Ausschusses für Wirtschafts- und Währungsfragen des Europäischen Parlamentes, „IFRS tested, IFRS failed“, S. 3. Abrufbar
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Aus diesem Grunde wird zur Zeit und zu Recht auf europäischer Ebene über eine veränderte Finanzierung der IASC Foundation nachgedacht. Dies stößt auch innerhalb der IASC Foundation auf offene Ohren, weil die Spender ihre Spenden nur auf bestimmte Zeiträume fest zusagen, so dass stets eine beträchtliche Unsicherheit besteht, ob nach Ablauf des gesicherten Zeitraums genügend weitere Spendenbeiträge die Tätigkeit sichern können.533 Ziel der neuen Finanzierungsstruktur muss die langfristige finanzielle Sicherung der Tätigkeit der IASC Foundation sein und die Gewährleistung einer wirklich unabhängigen Wahrnehmung der Erstellung der IAS / IFRS. In Anbetracht der Tatsache, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber durch die Übernahme der IAS / IFRS von einer originär ihm obliegenden Aufgabe entlastet wird, auf den bei der IASC Foundation versammelten Sachverstand zurückgreift und dadurch hohe eigene Kosten spart, würde es eigentlich auf der Hand liegen, dass sich die Gemeinschaft selbst mit Mitteln des Haushalts an der Finanzierung der IASC Foundation beteiligt.534 Die Vorstellungen der Gemeinschaft, die in einem Beschluss des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister der Mitgliedstaaten (ECOFIN-Rat) vom 11. 07. 2006 zum Ausdruck kommen, sowie der IASC Foundation gehen jedoch in eine andere Richtung. Einigkeit besteht darüber, dass die künftige Finanzierungsstruktur auf Beiträgen eines sehr weiten Kreises von Unternehmen, die einen Nutzen aus der Anwendung der IAS / IFRS haben, beruhen soll, die zeitlich unbegrenzt und auf freiwilliger Basis erbracht werden sollen.535 Damit soll die Verteilung der Finanzierungslast auf mehrere Schultern und gleichzeitig eine größere Unabhängigkeit des IASB von Partikularinteressen erzielt werden, ohne dass die Gemeinschaft eigene öffentliche Mittel zusagen müsste. Eine solche Finanzierungsstruktur erscheint den Anforderungen der prozeduralen Steuerung angemessen, während die bisherige Ausgestaltung der Finanzierung der IASC Foundation deutlich defizitär ist. Zu begrüßen ist, dass der ECOFIN-Rat eine künftige hoheitliche Finanzierung durch Mittel der Gemeinschaft gleichwohl nicht ausschließt. Die persönliche Unabhängigkeit der Mitglieder des IASB hingegen wird schon zum jetzigen Zeitpunkt mit der vorhandenen Finanzierungsstruktur gesichert. Die Mitglieder des IASB, die zum ganz überwiegenden Teil ihre gesamte Arbeitskraft dem IASB zur Verfügung stellen müssen, werden angemessen vergütet, ohne dass unter www.europarl.europa.eu / registre / commissions / econ / document_travail / 2007 / 386323 / ECON_DT(2007)3 86323_EN.doc (Stand Dezember 2007). 533 Die aktuellen Finanzierungszusagen laufen Ende 2007 aus. 534 Zutreffend auch Ohler, EuZW 2006, 679, 680. 535 Vgl. www.iasb.org / About+Us / About+the+Foundation / Future+Funding.htm (Stand Dezember 2007) sowie ECOFIN-Rat vom 11. 07. 2006, www.consilium.europa.eu / ueDocs / cms_Data / docs / -pressData / en / ecofin / 90465.pdf, S. 15 f. (Stand Dezember 2007). Zur rechtlichen Zulässigkeit der Erhebung einer Sonderabgabe der Gemeinschaft zugunsten der IASC Foundation Ohler, EuZW 2006, 679 ff.
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die Gefahr einer äußeren Einflussnahme besteht.536 Die jährlichen Gehälter betragen zwischen 325.000 GBP und 400.000 GBP, für nebenberufliche Mitglieder 167.000 GBP.537 Dies führt zu einer weitgehenden Professionalisierung der Normsetzungstätigkeit. (2) Die EFRAG Die EFRAG finanziert sich ausschließlich über Beiträge der sog. Founding Fathers der EFRAG – elf europäische Interessenverbände und Zusammenschlüsse von Berufsorganisationen aus dem wirtschaftlichen Bereich.538 Die jährliche Summe dieser Beiträge beläuft sich auf 1 Mio. A. Sonstige Einkünfte hat die EFRAG nicht. Keine öffentliche Einrichtung, insbesondere auch nicht die Europäische Kommission,539 unterstützt die EFRAG finanziell. Dies stellt wegen der Anforderungen an eine ausreichend gesicherte und zur Unabhängigkeit animierende Finanzierungsstruktur ein großes Defizit dar, das von der EFRAG selbst erkannt und deren Behebung von ihr angestrebt wird.540 Gerade die Beratung der Kommission durch die EFRAG-TEG im Endorsement setzt ein neutrales und objektives Verhalten zwingend voraus, das auch durch finanzielle Vorkehrungen abgesichert werden muss. Tatsächlich besteht aber die – in Anbetracht der integren Persönlichkeiten der EFRAG-TEG hoffentlich unbegründete – Befürchtung, dass durch die einseitige Finanzierung der EFRAG durch ihre privaten Mitgliedsverbände eine einseitige Interessennahme bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ermöglicht wird. Um auch nur einen solchen Anschein zu beseitigen, sollte die Kommission in Anbetracht der Qualität der Dienstleistungen, die sie durch die Tätigkeit der EFRAGTEG im – nicht zu vergessen – hoheitlichen Gesetzgebungsverfahren des Endorsement in Anspruch nimmt, und ihrer eigenen Entlastung einen deutlichen Eigenbetrag an finanzieller Unterstützung der EFRAG zukommen lassen. Die Mitglieder der EFRAG-TEG erhalten keinerlei Vergütung seitens der EFRAG. Dies mag man damit erklären, dass dadurch die Kosten der EFRAG niedrig bleiben und dass die Mitglieder – bis auf den Vorsitzenden, der seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellt – nur ca. 30 – 50 % ihrer Zeit der Mitarbeit in der EFRAG-TEG widmen. Allerdings wirft dies die Frage nach der finanziellen Unabhängigkeit der Mitglieder und damit nach der Neutralität ihres Urteils auf. Umfangreiche zeitliche ehrenamtliche Tätigkeit setzt stets ein eigenes größeres Vermögen oder aber Unterstützer voraus. Letzteres ist deshalb problematisch, weil „großzügige“ Unterstützer auf dieser Grundlage auf die Tätigkeit der ehrenamtSect. 27 IASC Foundation Constitution. Angaben aus Kleekämper / Kuhlewind / Alvarez, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, Teil A Kapitel I Rn. 59. 538 Näheres unter www.efrag.org (Stand Dezember 2007). 539 Schriftliche Auskunft des EFRAG vom 10. April 2006. 540 So der Vorsitzende des Aufsichtsrates der EFRAG, Göran Tidström, im EFRAG Jahresbericht 2004, S. 3. 536 537
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lichen Mitglieder Einfluss nehmen und die Mitglieder infolgedessen nicht unabhängig agieren können.541 Ersteres ist bedenklich, weil dies den Kreis der möglichen Mitglieder gerade auch unter dem Aspekt der fachlichen Kompetenz erheblich einschränkt. Möglicherweise erklärt dieses Faktum, warum in der aktuellen personellen Zusammensetzung die Wirtschaftsprüfer der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften so dominant vertreten sind. Um Abhilfe zu schaffen, müsste darüber nachgedacht werden, zumindest eine anteilige Vergütung zu zahlen. (3) Die Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen Die Prüfgruppe und ihre Mitglieder werden durch die Gemeinschaft nicht vergütet. Lediglich Reise- und Aufenthaltskosten werden von der Kommission erstattet.542 Die Prüfgruppe und ihre Mitglieder werden damit ausschließlich ehrenamtlich tätig. Es steht damit in Frage, ob die Tätigkeit der Prüfgruppe, die schließlich die Objektivität und Neutralität der EFRAG-Stellungnahmen beurteilen soll, wirklich derart unabhängig und im öffentlichen Interesse befindlich sein wird, wie dies von der Kommission gefordert wird.543 Obzwar die Kommission im Gegensatz beispielsweise zur EFRAG und zum IASB Mitglieder der Prüfgruppe jederzeit abberufen darf und dadurch ein hoher Verhaltensdruck ausgeübt wird, besteht dennoch die Gefahr, dass nur solche Personen sich um die Mitgliedschaft in der Prüfgruppe bewerben werden, die ausreichend vermögend oder finanziell durch Dritte unterstützt werden, was eine Einflussnahme dieser Dritten ermöglichen kann. Auch hier sollte die Kommission also durch die Schaffung einer teilweisen Vergütung bessere Strukturen zur Unterstützung der Unabhängigkeit der Prüfgruppe vorsehen. cc) Verfahren Neben personeller Besetzung und Finanzierung des privaten Normsetzers gehört zu den prozeduralen Steuerungsaufgaben des staatlichen Gesetzgebers die Sorge um ein demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen reflexhaft entsprechendes Normerstellungsverfahren auf Seiten des privaten Normsetzers, um auf diese Weise den graduellen Rückzug des hoheitlichen Gesetzgebers zu kompensieren.544 541 Auf den Zusammenhang von finanzieller Vergütung und Unabhängigkeit weist Ebke, ZIP 1999, 1193, 1199 ausdrücklich hin. 542 Art. 5 Entscheidung 2006 / 505 / EG. 543 Art. 3 Abs. 3 – 5 Entscheidung 2006 / 505 / EG. 544 Voßkuhle, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 43 Rn. 61; Denninger, Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, S. 166, 168, 174; Kloepfer / Elsner, DVBl. 1996, 964, 971; Führ, Wie souverän ist der Souverän?, S. 17 f.; Schulte, in: Rengeling, EUDUR, § 17 Rn. 131, 134; Schuppert / Bumke, in: Kleindiek / Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 120 ff.; Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 51; dies., FS Kruse, S. 693, 707 ff.; Schwab, BB 1999, 783; Ebert, Private Normsetzung, S. 217; Michael, in: Bauer / Huber / Sommermann, Demokratie in Europa, S. 431, 451.
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Zentrale Elemente eines solchen Anforderungen entsprechenden privaten Normsetzungsverfahrens sind weitestgehende Transparenz und Publizität des Normsetzungsprozesses, Partizipation der Öffentlichkeit sowie Begründung der Entscheidungen.545 Im Folgenden soll die Ausprägung dieser Aspekte in den bestehenden Normsetzungsverfahren innerhalb des IASB, der EFRAG-TEG und der Prüfgruppe analysiert werden. (1) Verfahren zur Erstellung von IFRS im IASB Die Standardsetzung innerhalb des IASB folgt sehr detaillierten Regeln, dem sog. „due process“. Seine normativen Grundlagen findet das Standardsetzungsverfahren in drei sich ergänzenden Quellen: Der IASC Foundation Constitution, in dem „Preface to International Financial Reporting Standards“ sowie im jüngst erschienenen „Due Process Handbook for the IASB“.546 Schon an dieser Stelle sei vorwegzunehmen, dass das Standardsetzungsverfahren den Vorgaben der prozeduralen Steuerung entspricht.547 Der typische Standardsetzungsprozess besteht in Anlehnung an das Due Process Handbook for the IASB aus sechs Abschnitten, die sich aus zwingend erforderlichen sowie nur optionalen Elementen zusammensetzen.548 Abschnitt 1 beschreibt die Aufnahme eines bestimmten Themas in das Arbeitsprogramm des IASB („setting the agenda“). Der Anstoß, ein solches Thema neu auf die Tagesordnung zu setzen, kann aus dem Kreis des IASB sowie aus der Öffentlichkeit stammen. Der IASB entscheidet öffentlich über die Aufnahme eines bestimmten Themas, aber nicht, ohne das SAC und andere (nationale) Standardsetzer konsultiert zu haben. In Abschnitt 2 „project planning“ erfolgt eine erste Planung der Vorgehensweise, insbesondere die Entscheidung, ob für die Ausarbeitung eines neuen Standards eine besondere Arbeitsgruppe gebildet wird. Im dritten, nicht zwingend notwendigen Abschnitt wird innerhalb des IASB ein „Diskussionspapier“ zu dem spezifischen Thema verabschiedet, das einen verständlichen Überblick über das Thema, unterschiedliche Herangehens- und Lösungsweisen der Probleme und eigene Stellung545 Schuppert / Bumke, in: Kleindiek / Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 121; Ebert, Private Normsetzung, S. 217; Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 51. 546 Das Due Process Handbook for the IASB wurde 23. März 2006 verabschiedet und ist unter www.iasb.org / NR / rdonlyres / 7D97095E-96FD-4F1F-B7F2-366527CB4FA7 / 0 / DueProcessHandbook.pdf (Stand Dezember 2007) abrufbar. 547 Ohne verfahrensrechtliche Bedenken zum due process bereits vor der Reform des IASB Schwab, BB 1999, 783, a. A. Merschmeyer, Kapitalschutzfunktion, S. 148, Fn. 442. 548 Wenn im Folgenden von der Erarbeitung eines neuen Standards gesprochen wird, so soll damit auch die Änderung oder Neufassung eines bereits bestehenden Standards erfasst sein.
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nahmen der Autoren enthalten soll, um daraufhin, mit der Einladung an die Öffentlichkeit, das Diskussionspapier zu kommentieren, veröffentlicht zu werden. Nachdem die eingegangenen Kommentare, welche auf der Homepage des IASB für jedermann zugänglich veröffentlicht werden, zusammengefasst und analysiert wurden, tritt der Standardsetzungsprozess in seine vierte Phase. Hier werden die Ergebnisse der öffentlichen Anhörungen sowie alle bisherigen Stellungnahmen und Vorschläge im IASB erörtert und auf dieser Grundlage ein sog. Exposure Draft erarbeitet und – gleichfalls mit der Aufforderung zur Kommentierung versehen – publiziert. Im Gegensatz zum Diskussionspapier enthält der Exposure Draft nunmehr einen spezifischen Regelungsentwurf in der Gestalt, wie ein zukünftiger Standard aussehen könnte, und ist damit einem Gesetzesvorschlag vergleichbar. Daneben kann der IASB in diesem Stadium optional öffentliche Anhörungen anberaumen, Feldtests durchführen oder Treffen am Runden Tisch ermöglichen, um einen Eindruck von der Meinung der einzelnen betroffenen Gruppen zum Standardentwurf zu erhalten. Im anschließenden fünften Abschnitt wertet der IASB die eingegangenen Stellungnahmen aus und entscheidet darüber, ob Änderungen am Entwurf vorgenommen werden sollen und ob der Entwurf reif zur Verabschiedung ist. Meint der IASB, er könne noch nicht abschließend entscheiden, kann er beschließen, einen anderen Exposure Draft zu veröffentlichen. Hält der IASB den Entwurf für verabschiedungsreif, kann er diesen auf Beschluss von mindestens neun der 14 Mitglieder verabschieden. Der neue IFRS wird daraufhin zusammen mit einer Begründung, weshalb der Standard in dieser Form angenommen wurde (sog. Basis for Conclusions), veröffentlicht. Der sechste Abschnitt der Normerstellung („procedures after an IFRS is issued“) beschäftigt sich mit der regelmäßigen Überarbeitung der Standards nach ihrer Veröffentlichung und soll deshalb hier nicht weiter interessieren. Das gesamte Standardsetzungsverfahren innerhalb des IASB von der Einleitung bis zur Verabschiedung eines Standards zeichnet sich durch ein hohes Maß an Transparenz für die (nicht nur Fach-)Öffentlichkeit aus. Positiv hervorzuheben ist die Möglichkeit, die Arbeit des IASB über neue Medien, vor allem des Internets, aber auch über Telefonkonferenzen, ständig verfolgen zu können. Das Verfahren eröffnet an vielen Stellen unterschiedliche Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung, die Gewährleistung dafür bieten, dass, wer seine Meinung zu einer bestimmten fachlichen Frage abgeben will, dies ohne weiteres tun kann. Es wird ausreichend dafür Sorge getragen, dass die eingegangenen Kommentare dann auch berücksichtigt werden. Sehr nützlich ist in diesem Zusammenhang die Veröffentlichung aller eingegangenen Stellungnahmen auf der frei zugänglichen Internetseite des IASB, wo auch die Überlegungen des IASB zu diesen veröffentlicht werden. Die Verpflichtung zur Abgabe ausreichender Begründungen für das Handeln des IASB wird an mehreren Stellen verwirklicht: Einerseits durch einen (auch aus dem deutschen Aktienrecht im Zusammenhang mit dem Corporate Governance Kodex
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bekannten) „Comply or Explain“-Ansatz, wonach der IASB, wenn er einen nur optionalen Verfahrensschritt auslässt, dies zu begründen hat; andererseits enthält jeder veröffentlichte IFRS mit den Basis for Conclusions auch ausführliche Begründungen dafür, wie und warum ein Standard in der gegebenen Form verabschiedet wurde.549 Ob hingegen darin, dass der Beschluss über die Verabschiedung eines IFRS nicht einstimmig erfolgen muss, ein Verfahrensdefizit zu erkennen ist,550 darf bezweifelt werden. Es besteht zwar in der Tat das Problem, dass die Vertreter der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und der Großunternehmen allein mit ihren Stimmen bereits einen IFRS verabschieden und so gegenläufige Interessen „majorisieren“ können, womit sich die bereits festgestellte tatsächliche Unausgewogenheit in der momentanen personellen Besetzung des IASB inhaltlich fortsetzen kann. Allerdings kann man diese Gefahr einerseits durch eben eine ausgewogenere zukünftige Besetzung reduzieren sowie diese andererseits durch den damit verbundenen Flexibilitäts- und Effizienzgewinn als gerechtfertigt ansehen.551 Sehr positiv ist zu bemerken, dass der IASB nicht nur einen due process befolgt, sondern die Verfahrensregeln bereits abstrakt und jedermann zugänglich ausgearbeitet und veröffentlicht hat. Damit wird ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit des Verfahrens erreicht. Außerdem bewirkt die detaillierte Niederlegung der Regeln über das Verfahren der Standardsetzung eine bewusste Auseinandersetzung mit den damit zu erreichenden Zielen, die in Rn. 9 des Due Process Handbook for the IASB prägnant mit Transparenz und Erreichbarkeit, ausgiebiger Konsultation sowie Berücksichtigung der Ratschläge und Entscheidungsbegründung angegeben werden. Insgesamt bleibt somit zu konstatieren: Das Verfahren zur Setzung von IFRS innerhalb des IASB genügt den daran zu stellenden reflexhaft demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen. (2) Verfahren zur Erstellung von IFRIC-Interpretationen Neben dem Verfahren zur Erstellung der IAS / IFRS ist auch das Verfahren zur Erstellung von IFRIC-Interpretationen, welche gleichfalls „endorsed“ werden, unter dem Aspekt der reflexhaft demokratisch-rechtsstaatlich ausgeprägten Anforderungen zu betrachten. Das Verfahren, insbesondere der „due process“ zur Ausarbeitung von IFRICInterpretationen ergibt sich aus dem „Preface to International Financial Reporting 549 550
Großfeld / Luttermann, Bilanzrecht, Rn. 122, 285. So für das DRSC Schwab, BB 1999, 783, 785, der ein Einstimmigkeitserfordernis auf-
stellt. 551 Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass mit der Überarbeitung der IASC Foundation Constitution im Juli 2005 das Quorum für die Verabschiedung eines IFRS innerhalb des IASB von bis dato acht auf neun Stimmen erhöht wurde.
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Standards“ sowie aus dem „Preface to International Financial Reporting Interpretations“. Ein „Due Process Handbook for the IFRIC“ liegt noch nicht endgültig vor, obwohl im Mai 2006 die IASC Foundation den Entwurf eines solchen Dokumentes veröffentlicht hat.552 Auch der due process für die Erarbeitung einer IFRIC-Interpretation besteht aus mehreren Abschnitten: Abschnitt 1 befasst sich mit der Auswahl von Themen und Problemen, zu denen das IFRIC Interpretationen entwickeln soll. Vorrangig sollen die Mitglieder des IFRIC solche Themen identifizieren. Darüber hinaus darf jede andere Person das IFRIC auf auslegungsbedürftige Themen aufmerksam machen und diese dem Vorstand des IFRIC vorlegen.553 In dem darauf folgenden Abschnitt 2 wird ein besonderer Ausschuss innerhalb des IFRIC, das sog. „Agenda Committee“, welches aus dem Vorstand, einem weiteren Mitglied des IASB und drei IFRIC-Mitgliedern besteht, mit den aufgeworfenen Themen befasst, um festzustellen, ob das Thema auch tatsächlich vom IFRIC bearbeitet werden soll. Das ist der Fall, wenn das Thema praktische und weitverbreitete Relevanz hat, wesentlich voneinander abweichende Auslegungen bestehen, die Wahrscheinlichkeit einer zeitnahen Einigung innerhalb des IFRIC besteht und das Thema nicht ohnehin schon im Rahmen eines beim IASB anhängigen Projektes bearbeitet wird.554 Das Agenda Committee, das mithin als eine Art Filter fungiert, entscheidet nicht öffentlich, kann aber schriftlich begründen, weshalb es ein vorgeschlagenes Thema nicht auf das Arbeitsprogramm des IFRIC gesetzt hat.555 In Abschnitt 3 des due process erstellen und einigen sich die IFRIC-Mitglieder über den Entwurf einer IFRIC-Interpretation auf der Grundlage eines sog. „Issue Summary“. Dieses wird unter der Aufsicht des IASB von den fachlichen Mitarbeitern der Verwaltung des IASB vorbereitet und beinhaltet eine kurze Beschreibung des zu diskutierenden Themas, die spezifischen Aspekte und Fragen, welche bei der Auslegung zu berücksichtigen sind, und die wichtigsten Elemente des Framework, die Anwendung finden müssen. Daneben enthält es eine Beschreibung verschiedener Auslegungsmöglichkeiten mit eine Aufführung der dafür und dagegen sprechenden Argumente, eine Auflistung der in Betracht kommenden Literatur und Stellungnahmen sowie einen Vorschlag, wie das Problem richtigerweise gelöst werden sollte.556 Die „Issue Summary“ spielt damit bereits eine wichtige Rolle im Hinblick auf das zu findende Auslegungsergebnis. 552 Vgl. „Draft Due Process Handbook for the IFRIC“, abrufbar unter www.iasb.org / NR / rdonlyres / 45231428-2F48-45E5-9F31-F252BC667219 / 0 / 8_137_DraftDueProcessIFRIC.pdf (Stand Dezember 2007). 553 Preface to International Financial Reporting Interpretations 23 f. 554 Preface to International Financial Reporting Interpretations 27. 555 Preface to International Financial Reporting Interpretations 28 – 30. 556 Vgl. Preface to International Financial Reporting Interpretations 31.
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In der darauffolgenden vierten Phase und sofern sich die IFRS-Mitglieder auf einen IFRIC-Interpretationsentwurf einigen können, wird dieser veröffentlicht und zur Kommentierung freigegeben, wenn nicht fünf oder mehr IFRIC-Mitglieder der Veröffentlichung widersprechen.557 Der interessierten Öffentlichkeit wird eine angemessene Zeit zur Stellungnahme, in dringenden Fällen mindestens 30 Tage, gegeben.558 Daraufhin werden alle Kommentare, die innerhalb der Frist eingetroffen sind, ausgewertet und berücksichtigt.559 Nimmt das IFRIC eine IFRIC-Interpretation schlussendlich an, wobei dies der Fall ist, wenn nicht mehr als drei bei der Abstimmung anwesende Mitglieder sich gegen den Entwurf aussprechen, dann wird die Interpretation dem IASB zugeleitet, der diesen mit einer Mehrheit von neuen Stimmen verabschieden kann.560 Der hier vorgestellte due process unterscheidet sich in manchen Punkten signifikant von demjenigen für die Ausarbeitung der IAS / IFRS. In erster Linie betrifft dies die Vorauswahl der Themen, die dem Arbeitsplan des IFRIC hinzugefügt werden, durch das Agenda Committee, darüber hinaus die vergleichsweise Kürze des Verfahrens und die geringeren Möglichkeiten des IFRIC, über die Einladung an die Öffentlichkeit hinaus, schriftliche Kommentare abzugeben, andere Formen der Partizipation, wie z. B. öffentliche Anhörungen etc., durchzuführen. Während die relative Kürze des Verfahrens noch damit begründet werden kann, dass die besondere Notwendigkeit der Erstellung von IFRIC-Interpretationen darin besteht, schnell und zuverlässig einen Zustand der Rechtsunsicherheit zu beseitigen, stößt aus Sicht der erforderlichen Anforderungen hinsichtlich Transparenz und Publizität insbesondere das Filterungsverfahren innerhalb des Agenda Committee auf Kritik. Es leuchtet nicht ein, weshalb die Beratungen des Agenda Committee in keinem Falle öffentlich oder in sonstiger Weise transparent erfolgen, obwohl gerade dieser Filter entscheidenden Einfluss auf die weitere Tätigkeit des IFRIC hat. Insgesamt ist deshalb vorzuschlagen, auch dass Verfahren der Erstellung von IFRIC-Interpretationen transparenter und öffentlicher zu gestalten. Sinnvoll ist es dabei, dass die Diskussion über die Verabschiedung eines „Due Process Handbook“ auch für das IFRIC begonnen hat, weil damit detailliertere Regeln als bisher auch für die IFRIC-Interpretationen, die genauso wie IAS / IFRS vom europäischen Gesetzgeber übernommen werden, vorliegen werden, was die Vorhersehbarkeit und die reflexhafte Abbildung von demokratisch-rechtsstaatlichen Strukturen verbessert.
557 558 559 560
Preface to International Financial Reporting Interpretations 33. Preface to International Financial Reporting Interpretations 33. Preface to International Financial Reporting Standards 19. Preface to International Financial Reporting Interpretations 35.
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(3) Verfahren in der EFRAG-TEG Anders als der IASB ist die EFRAG-TEG nicht selber ein Standardsetzer. Ihre Aufgabe besteht einerseits darin, bestimmte Positionen während der Normerstellung der IAS / IFRS gegenüber dem IASB zum Ausdruck zu bringen, andererseits die Europäische Kommission hinsichtlich der Einhaltung der Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung durch Abgabe selbständiger Stellungnahmen zu beraten. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die zuletzt genannte Aufgabe während des Übernahmeprozederes. Hier ist zu fragen, ob das Verfahren der Prüfung und Stellungnahme den prozeduralen Anforderungen an Transparenz, Publizität und Beteiligungsmöglichkeiten für die (interessierte) Öffentlichkeit genügt. Auch die EFRAG-TEG hat zwei ausführliche Dokumente veröffentlicht, in welchen es sich bestimmte Regeln zum due process gibt.561 Mit diesen Regeln erleichtert es die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit ihrer Entscheidungsprozeduren. Die Dokumente nennen unterschiedliche Ziele und Mittel des von ihr zu beachtenden Verfahrens, die allesamt die demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen, wie Transparenz, Publizität, Öffentlichkeitsbeteiligung und Entscheidungsbegründung, ausdrücklich anerkennen und formulieren.562 Die typische Endorsementstellungnahme ergeht spätestens zwei Monate, nachdem der IASB einen neuen oder geänderten Standard beschlossen hat. Da die EFRAG-TEG bereits die Erarbeitung des Standards innerhalb des IASB begleitet hat, konnte sie sich bereits zu diesem Zeitpunkt ein gewisses Bild über die Konformität der geplanten Rechnungslegungsnorm mit den Endorsementkriterien machen.563 Auf dieser Grundlage veröffentlicht die EFRAG-TEG auf ihrer Homepage eine vorläufige Konformitätseinschätzung, verbunden mit der Einladung an die Öffentlichkeit, eigene Stellungnahmen dazu abzugeben. Auch wenn die EFRAG-TEG vorwiegend die Diskussion mit der ihr nahe stehenden Fachöffentlichkeit sucht, berücksichtigt sie jede Stellungnahme, die ihr innerhalb einer bestimmten Frist zugeht.564 Dies ist auch notwendig, da sich eine Beschränkung der Konsultation nur auf bestimmte Organisationen nicht rechtfertigen lässt, auch nicht mit der Absicht, eine Verdoppelung bereits im Standardsetzungsprozess des IASB geführter Diskussionen zu vermeiden,565 denn die Zielsetzung der Diskussion im IAS / IFRS-Standardsetzungsverfahren ist von derjenigen der Konformitätsüberprüfung für das Endorsement deutlich zu unterscheiden: Hier geht es um 561 Das EFRAG Statement of Due Process sowie ergänzend das EFRAG Due Process Explanatory Memorandum sind abrufbar unter http: // www.icac.meh.es / nic / EFRAGPRO. PDF (Stand Dezember 2007). 562 EFRAG Due Process Explanatory Memorandum, 3 (iii), EFRAG Statement of Due Process, 1.2, 1.3, 1.4, 3. 563 EFRAG Statement of Due Process, 3.3. 564 EFRAG Statement of Due Process, 1.4. 565 So aber EFRAG Due Process Explanatory Memorandum 5.
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die Erarbeitung von internationalen Rechnungslegungsstandards, dort um ihre Überprüfung zum Zwecke der Übernahme. Der endgültige Übernahmeratschlag wird erteilt, nachdem die eingegangenen Kommentare ausgewertet und der vorläufige Ratschlag vor diesem Hintergrund neu bewertet wurde. Die eingegangenen Kommentare werden im Internet veröffentlicht, sofern der Autor nicht Vertraulichkeit erbeten hat. Der endgültige Übernahmevorschlag enthält eine ausführliche Begründung (basis for conclusions) der Entscheidung und macht diese damit argumentativ nachvollziehbar. Im Großen und Ganzen wird man dieses Verfahren mit den demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen als konform ansehen können. Es bleiben allerdings Problempunkte: Einerseits muss gewährleistet sein, dass sich die Konsultation nicht ausschließlich im Kreise des der EFRAG-TEG (z. T. finanziell) nahe stehenden consultative network, bestehend aus den Founding Fathers, den nationalen europäischen Rechnungslegungsstandardsetzern sowie anderen als angemessen angesehenen europäischen Organisationen, vollzieht, sondern ausreichend jedermann miteinbezieht. Andererseits sollte in den Dokumenten zum due process der EFRAG-TEG deutlicher herausgestellt werden, auf welche Weise die Verarbeitung und Berücksichtigung aller eingegangenen Kommentare erfolgt. Darüber hinaus bleibt das Beschlussquorum innerhalb der EFRAG-TEG problematisch. Nach dem EFRAG Statement of Due Process, 3.7, ist für einen ablehnenden Konformitätsvorschlag eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen der Mitglieder der EFRAG-TEG notwendig. Das EFRAG Statement of Due Process enthält keine Regelung, welches Quorum notwendig ist, um eine befürwortende Stellungnahme abzugeben. Aus dem Text kann nur geschlossen werden, dass für die Annahme weniger als Zwei-Drittel sowie mehr als Ein-Drittel der Stimmen der Mitglieder notwendig sind. Wie sich aus einem Schreiben der EFRAG vom 08. 07. 2004 an die Kommission ergibt, will die EFRAG-TEG nur dann eine befürwortende Stellungnahme abgeben, wenn sich eine einfache Mehrheit der Mitglieder für die Konformität ausspricht.566 Kommt weder eine einfache Mehrheit für noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit gegen die Annahme zusammen, so gibt die EFRAG-TEG keinen Ratschlag ab. Es scheint dennoch im Hinblick auf den Vorwurf eines faktischen Übernahmeautomatismus bedenklich, dass die Entscheidung, ob eine privat erarbeitete Norm zu verbindlichem Recht wird, weniger hohe Hürden aufweist, als die Entscheidung, eine private Norm nicht in das Gemeinschaftsrecht zu übernehmen. Obwohl natürlich rechtlich die Kommission das entscheidende Wort hat und sich durchaus auch gegen einen Ratschlag der EFRAG-TEG entscheiden kann, da ihr die letzte Prüfung darüber obliegt, ob die Übernahme im europäischen öffentlichen Interesse liegt, kommt dem Ratschlag in technischer Hinsicht eine gewichtige faktische Bindungswirkung zu. Aus diesem Grunde ist vorzuschlagen, eine Vorschrift in das EFRAG Statement of Due Process aufzunehmen, in der das not566 Abrufbar unter www.efrag.org / doc / 2547_8July04EFRAGdraftEndorsement_IAS39 FINALVERSION (Stand Dezember 2007).
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wendige Quorum für eine befürwortende Stellungnahme der EFRAG-TEG klar und deutlich angegeben wird. Dieses sollte mindestens gleich hoch sein wie das Quorum für die Abgabe einer ablehnenden Stellungnahme. (4) Verfahren in der Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen Die Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen soll innerhalb von höchstens drei Wochen nach Eingang der EFRAG-Stellungnahme selbst dazu Stellung nehmen, ob die EFRAG-Stellungnahme objektiv und ausgewogen ist.567 Solche prozeduralen Fragen werden in einer Geschäftsordnung geklärt, die sich die Prüfgruppe gegeben hat.568 Die Prüfgruppe beschließt demnach mit einfacher Mehrheit, soll Beschlüsse aber möglichst einstimmig treffen. Aus Art. 4 Abs. 5, 10 der Entscheidung 2006 / 505 / EG ergeben sich Hinweise zur Transparenz des Verfahrens. Danach kann die Kommission Unterlagen, die in der Prüfgruppe angefertigt oder benutzt wurden, im Internet veröffentlichen; die endgültige Stellungnahme der Prüfgruppe muss veröffentlicht werden.569 dd) Schlussfolgerungen In rechtlicher Hinsicht lässt sich (noch) nicht feststellen, dass die aufgezeigten Defizite der prozeduralen Steuerung bereits zu einem Verstoß der IAS / IFRSRechtsakte gegen das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip sowie die Grundrechte führen, aufgrund dessen die IAS / IFRS-Rechtsakte verfahrensfehlerhaft ergangen wären. Von einem solchen Verstoß könnte nur gesprochen werden, wenn der Gesetzgeber lediglich solche prozeduralen Anforderungen stellt, die offenkundig untauglich sind, um ein Mindestmaß an Transparenz, Mitsprache, vorhersehbarer Organisation und Verfahren des privaten Akteurs zu gewährleisten, oder er keinerlei Vorkehrungen zur Sicherung und Steuerung und der private Akteur auch nicht von sich aus Strukturen, die solchen Anforderungen gerecht werden, schafft.570 Es ist aber erörtert worden, dass die prozedurale Steuerung der an der Erarbeitung der IAS / IFRS und an ihrem Endorsement in das Gemeinschaftsrecht beteiligten privaten Gremien durch die Gemeinschaft an vielen Stellen bereits zufriedenstellend ist, während an anderen sich Defizite durchaus erkennen lassen. Positiv hervorzuheben sind dabei die Verfahren, welche die privaten Gremien zur Erfüllung ihrer Aufgaben anwenden. Diese erfüllen weitgehend die an sie gestellten Anforderungen, wie Transparenz, Publizität und Beteiligungsmöglichkeiten der Öffentlichkeit. Art. 4 Abs. 3, 4 Entscheidung 2006 / 505 / EG. Abrufbar unter http: // ec.europa.eu / internal_market / accounting / docs / ias / sarg / rulesof-procedure_en.pdf (Stand Dezember 2007). 569 Dazu auch Inwinkl / Schüle, RIW 2006, 807, 811. 570 Siehe zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung, ausreichende Steuerungs- und Sicherungsmechanismen zu installieren, oben Kapitel 2 B. IV. 4. a) cc). 567 568
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Problematischer hingegen fällt die Bewertung der personellen Besetzung der Gremien aus. Zwar existieren in den abstrakten Vorgaben, nach denen die Mitglieder dieser Gremien ausgesucht werden, sinnvolle Auswahlkriterien. Die konkrete Besetzung der Gremien führt jedoch nicht immer zu einer ausgewogenen, möglichst alle Interessen vertretenden personellen Besetzung. Wegen der starken Betonung der fachlichen Kompetenz ist vielmehr eine deutliche Dominanz der Gremien durch Wirtschaftsprüfer (häufig Partner der großen internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften) und Rechnungslegungsexperten aus großen Industrieunternehmen zu erkennen. Diese Tendenz wird verstärkt durch eine Finanzierungsstruktur, die den Einfluss einzelner Interessengruppen nicht genügend abmildern kann und die Unabhängigkeit der Gremienmitglieder durchaus in Frage stellt. Trotz der existierenden Defizite ist das Endorsementverfahren insgesamt noch nicht derart problematisch, dass nicht ein Mindestmaß an Transparenz, Mitsprache, vorhersehbarer Organisation und Verfahren des privaten Akteurs gewährleistet wäre. Allerdings sollten in naher Zukunft die hier vorgeschlagenen Verbesserungen verwirklicht werden. d) Materielle Steuerung Im Folgenden ist die ausreichende materielle Steuerung der Tätigkeit des IASB, der EFRAG sowie der Prüfgruppe durch die Gemeinschaft zu untersuchen. aa) Allgemeines Die Notwendigkeit einer materiellen Steuerung der Tätigkeit privater Normungsgremien durch den private Normen übernehmenden hoheitlichen Gesetzgeber ergibt sich vorrangig aus dem Demokratieprinzip in seiner Komponente sachlich-inhaltlicher Legitimation.571 In Wahrnehmung dieser (europa-)verfassungsrechtlichen Verpflichtung muss die Gemeinschaft dem privaten Normungsgremium inhaltliche Vorgaben machen, die diesem als inhaltliche Orientierung für die Erstellung von Normen dienen. Die materiellen Vorkehrungen sollen bewirken, dass von vornherein beispielsweise essentielle Abwägungsentscheidungen zwischen gegenläufigen Interessen der Beteiligten im Sinne einer Gemeinwohlorientierung der Entscheidung durch den hoheitlichen Gesetzgeber selbst vorgenommen werden.572 Umgekehrt ist materielle Steuerung dort undenkbar, wo es lediglich um die Feststellung von gleichsam naturgesetzlichen oder technischen, rein die Wirklichkeit abbildenden Regeln geht.573 571 Hommelhoff, FS Odersky, S. 779, 795; Hellermann, NZG 2000, 1097, 1101; Berberich, Framework, S. 115 aus der sog. „Wesentlichkeitstheorie“ des BVerfG, die sich verfassungsrechtlich auf das Demokratieprinzip zurückführen lässt. Zur sachlich-inhaltlichen Legitimation staatlichen Handelns siehe oben Kapitel 2 B. III. 1. 572 Siehe oben Kapitel 2 B. IV. 4. a) bb) (2). 573 Schuppert / Bumke, in: Kleindiek / Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 77.
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Gelegentlich wird behauptet oder der Eindruck erweckt, auch bei der Rechnungslegung handele es sich in der Sache weitgehend um eine Art technisches Fachwissen, das allein durch ausreichenden Sachverstand „gefunden“ werden könne.574 Dies trifft jedoch nicht zu. Anders als Naturgesetze sind Regeln, die bestimmen, wie ein Unternehmen Rechnung zu legen hat, das Ergebnis von (menschlichen) Wertungen und Kompromissen und nicht eine absolute Wahrheit.575 Gerade das Bilanzrecht weist eine Vielzahl von Beteiligten auf, die mit der Rechnungslegung unterschiedliche, z. T. konträre Interessen verbinden. Zu den Betroffenen gehören beispielsweise (potentielle) Unternehmenseigner, Gläubiger, Arbeitnehmer, der Fiskus, die allgemeine Öffentlichkeit etc.576 Ihre Interessen können z. B. einerseits auf eine möglichst hochwertige Sicherung des Vermögens als Haftungsmasse, andererseits auf eine möglichst attraktive Dokumentation des Unternehmenserfolges gegenüber potentiellen Anteilseignern gerichtet sein. Es leuchtet unmittelbar ein, dass diese Interessen nicht alle in gleichem Maße verwirklicht werden können, sondern in einen Ausgleich unter Setzung von Prioritäten gebracht werden müssen.577 Diese Abwägungsentscheidung jedoch ist aufgrund der prinzipiellen Gleichberechtigung der Interessen der Adressaten der Rechnungslegung eine hoheitliche Angelegenheit.578 bb) Der IASB Fraglich ist, inwieweit der Gemeinschaftsgesetzgeber in der IAS / IFRS-Basisverordnung die fundamentalen Wertungsentscheidungen und Interessengewichtungen als materielle Vorgaben für den privaten Standardsetzer IASB angemessen vorgenommen hat. Die IAS / IFRS-Basisverordnung enthält keine eigenen unmittelbaren Aussagen und direkten Vorgaben dahingehend, wie eine Gewichtung unterschiedlicher Bilanzierungsinteressen durch den IASB vorgenommen werden soll. In mittelbarer Perspektive ergeben sich aber Hinweise: So können – erstens – die Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung derart verstanden werden, dass aus ihnen Grundanforderungen für die Erstellung von internationalen Rechnungslegungsstandards abgeleitet werden können. Darüber hinaus kann – zweitens – argumentiert werden, dass die IAS / IFRS-Basisverordnung mit ihrer eindeutigen Vorgabe, nur internationale Rechnungslegungsregeln des IASB zu übernehmen, stillschweigend mit der vom IASB vorgenomme574 Havermann, ZGR 2000, 693, 697. Möglicherweise trägt die große Bedeutung von (vermeintlich objektiven) Zahlen bei der Bilanzierung zu solch einem Eindruck bei. 575 Achleitner, Normierung der Rechnungslegung, S. 45 ff.; Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 41; Merkt, ZGR 2000, 702, 703; Löhr, StuB 2003, 643; deutlich auch Schuppert / Bumke, in: Kleindiek / Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, S. 71, 77. 576 Framework 9 nennt allein sieben unterschiedliche Gruppen von Betroffenen. 577 Siehe nur Schwab, BB 1999, 731, 733. 578 Merschmeyer, Kapitalschutzfunktion, S. 147 f.; Zeitler, DB 2002, 1529, 1532.
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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nen und in F.10 zum Ausdruck kommenden Gewichtung übereinstimmt und sich diese – nämlich die vorrangige Orientierung der IAS / IFRS am Informationsinteresse der Kapitalinvestoren – „zu eigen“ macht.579 (1) Materielle Steuerung über die Übernahmekriterien aus Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung? Prinzipiell ist es denkbar, dass die Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung, die sich zwar nicht ausdrücklich an den IASB, sondern an die Kommission richten, inhaltlichen Einfluss auf die Normungstätigkeit des IASB nehmen. Denn mit ihnen wird ein Verhaltensdruck aufgebaut, wonach IAS / IFRS, die ohne Beachtung dieser Kriterien ausgearbeitet werden, nicht endorsed werden. Ein solches inhaltliches Steuerungspotential kommt von den drei Übernahmekriterien nur dem Erfordernis zu, dass zu übernehmende internationale Rechnungslegungsstandards nicht dem true and fair view-Prinzip aus der EG-Bilanz- sowie der Konzernbilanzrichtlinie zuwiderlaufen dürfen. Die Kriterien des „europäischen öffentlichen Interesses“ sowie der „Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit“ können hingegen wegen ihrer relativen Unbestimmtheit dem IASB eher nur wenige Anhaltspunkte bei der Erarbeitung von IAS / IFRS bieten. Die Einhaltung des true and fair view-Prinzips der EG-Bilanz- und der Konzernbilanzrichtlinie ist gleichzusetzen mit der weitgehenden Einhaltung der Einzelvorschriften dieser Richtlinien, d. h., die IAS / IFRS entsprechen dann dem Gebot des true and fair view, wenn sie mit der EG-Bilanz- und der Konzernbilanzrichtlinie kompatibel sind.580 Da der Richtlinien-Gesetzgeber in beiden Richtlinien ein eigenständiges Regelungskonzept und eine eigenständige Interessenabwägung der an der Rechnungslegung beteiligten Personengruppen vorgenommen hat, die sich u. a. darin zeigt, dass er in der Präambel der EG-Bilanzrichtlinie die Bedeutung der Offenlegung von Finanzinformationen über Kapitalgesellschaften für den „Schutz der Gesellschafter sowie Dritter“ herausstreicht, sollte die Beachtung des Prinzips des true and fair view der beiden Richtlinien zu einer Orientierung des IASB bei der Verfassung der IAS / IFRS an dieser Abwägungsentscheidung führen, so dass eigentlich eine ausreichende materielle Steuerung bejaht werden könnte. Allerdings wird die inhaltliche Steuerungsmöglichkeit des true and fair viewKriteriums aus mehreren Gründen deutlich abgeschwächt: So verlangt die IAS / IFRS-Basisverordnung in Erwägungsgrund 9 selber nicht eine „strenge Einhaltung“ jeder einzelnen Richtlinienbestimmung, was bereits unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Bestimmtheit kritisiert worden ist.581 Zudem befinden sich 579 580 581
Pellens / Fülbier / Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 102. Siehe oben Kapitel 1 A. III. 2. a). Siehe oben Kapitel 2 B. IV. 2. d) bb).
218
Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
die betreffenden Richtlinien in einem „Modernisierungsprozess“. Soweit dieser – wie mit der Modernisierungsrichtlinie – bereits umgesetzt ist, wurden die Richtlinien dahingehend geändert, dass sie in Richtung auf die IAS / IFRS angepasst wurden, damit – ausweislich der Erwägungsgründe der Modernisierungsrichtlinie – die Richtlinien die Entwicklung der internationalen Rechnungslegung widerspiegeln, weil dies u. a. für die Übernahme der IAS / IFRS in europäisches Recht erforderlich sei.582 Daran ist zu kritisieren, dass mit der Anpassung des Prüfungsmaßstabs an den Prüfungsgegenstand die Prüfung nur noch schwerlich effektiv ist. Gleichzeitig wird die Möglichkeit aufgegeben, die internationalen Rechnungslegungsregeln mit eigenen Abwägungsentscheidungen ernsthaft noch determinieren zu können. Kurioserweise ist mithin der umgekehrte Prozess eingetreten, wonach die IAS / IFRS mit den ihnen eigenen Interessengewichtungen die EG-Richtlinien beeinflusst. (2) Unausgesprochene Anerkennung der im IAS / IFRS-Regelwerk bereits angelegten Interessengewichtung Eine inhaltliche Steuerung des IASB könnte darin gesehen werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in der IAS / IFRS-Basisverordnung sich ausdrücklich nur für die Übernahme der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS des IASB entschieden hat und sich damit – wenn auch stillschweigend – der vom IASB in den bereits verabschiedeten IAS / IFRS zum Ausdruck kommenden grundsätzlichen Interessenabwägung zugunsten der vorrangigen Befriedigung des Informationsbedürfnisses des Kapitalinvestors angeschlossen hat. Eine solche Entscheidung durch den Gemeinschaftsgesetzgeber wäre durchaus denkbar und legitim, denn der Gesetzgeber muss nicht stets eine völlig neuartige oder andere Entscheidung treffen, sondern es genügt, wenn er eine fremde Entscheidung aufnimmt, in einem ordentlichen Verfahren „durchdenkt“ und sich dann – ist er von der Richtigkeit überzeugt – diesem Ergebnis anschließt. Nichts anderes liegt der grundsätzlich verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Rezeptionsmodells „Inkorporation“ zugrunde. Allerdings ist es bedauerlich und insoweit zukünftig zu verbessern, dass die IAS / IFRS-Basisverordnung nicht ausdrücklich und in transparenter Weise Stellung dazu nimmt, dass und aus welchen Gründen sich die Gemeinschaft im Anwendungsbereich der IAS / IFRS-Basisverordnung für die Interessengewichtung, wie sie der IASB vorgenommen hat, entschieden hat.583 Die Transparenz dieser Entscheidung ist deshalb wichtig, weil sie es ermöglichen würde, zu beurteilen, ob die gemeinwohlorientierte Interessengewichtung des hoheitlichen Gesetzgebers auch in der Zukunft, z. B. dann, wenn die IASC Foundation evtl. konzeptionelle Grundannahmen für die Entwicklung von IAS / IFRS ändert, gewahrt bliebe. Vgl. auch Kirsch, WPg 2002, 743, 750 ff. Bedauerlicherweise kommt noch hinzu, dass Hinweise auf die durch den IASB vorgenommene Abwägung nur im Framework vorhanden sind, das Framework selbst aber nicht Gegenstand des Endorsement ist. 582 583
B. Europarechtskonformität des Endorsement der privaten IAS / IFRS
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cc) Die EFRAG-TEG Im Gegensatz zum materiellen Steuerungsdefizit im Hinblick auf die Tätigkeit des IASB vollzieht sich die Tätigkeit der EFRAG-TEG inhaltlich ausreichend gesteuert. Die Aufgabe der EFRAG-TEG ist nicht die Normerstellung, sondern innerhalb des Übernahmeprozesses die Prüfung und Stellungnahme, ob die zu übernehmenden internationalen Rechnungslegungsstandards mit den Endorsementkriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung übereinstimmen. Ausweislich Ordnungszahl 2.2 der Vereinbarung zwischen der Kommission und der EFRAG über ihre Arbeitsbeziehungen vom 28. 03. 2006584 wird von der Prüfung der zu übernehmenden IAS / IFRS durch die EFRAG-TEG lediglich das Kriterium des „europäischen öffentlichen Interesses“ ausgenommen, was bestätigt, dass dieses ein weitgehend politisches Kriterium ist und einen politischen Ermessensspielraum einräumt, welcher richtigerweise nur durch ein demokratisch legitimiertes Organ wie die Kommission ausgeübt werden sollte. Die Aufgabe der privaten EFRAGTEG orientiert sich damit an den Kriterien des true and fair view und der „Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit“, die, obwohl nicht ohne Schwächen, durchaus geeignet sind, die inhaltliche Tätigkeit der EFRAG-TEG zu determinieren. dd) Die Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen Wenig aussagekräftig hingegen sind die inhaltlichen Vorgaben für die Prüfgruppe. Sie soll die von der EFRAG vorgelegten Übernahmeempfehlungen auf deren „inhaltliche Ausgewogenheit und Objektivität“ prüfen. Nähere Hinweise, was „ausgewogen“ oder „objektiv“ bedeutet, enthält die Entscheidung der Kommission nicht. Dies ist bedauerlich, da es sich bei den Begriffen der „Ausgewogenheit“ und „Objektivität“ um vergleichsweise unbestimmte Begriffe handelt, deren unterlassene Konkretisierung durch die Kommission eine weitgehend eigenständige Auslegung durch die Prüfgruppe verlangt. ee) Schlussfolgerungen Die materielle Steuerung der privaten Gremien bei der Erstellung und dem Endorsement der IAS / IFRS durch die Gemeinschaft könnte durchaus deutlicher ausgeprägt sein. Dies gilt insbesondere für die Steuerung der inhaltlichen Tätigkeit des IASB, bei der es zwar gute Ansätze in Form des true and fair view-Prinzips der EG-Bilanz- und Konzernbilanzrichtlinie gibt, die aber in der konkreten Anwendung leider aufgeweicht werden. Gerade hier lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass sich die Gemeinschaft einer deutlichen inhaltlichen Einflussnahme auf den IASB enthalten will. 584 Abrufbar unter http: // www.efrag.org / images / Efrag / EFRAG-EC%20Working%20Arrangement.pdf (Stand Dezember 2007).
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Kap. 2: Übernahme der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht
Ähnlich wie im Falle der prozeduralen Steuerung führen die hier aufgezeigten Defizite in der materiellen Steuerung der Tätigkeit des IASB, der EFRAG und der Prüfgruppe im Ergebnis nicht zur Rechtswidrigkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte. Dem Gesetzgeber steht ein recht weiter Gestaltungsspielraum zu, der nur überschritten ist, wenn die materiellen Steuerungs- und Sicherungsvorkehrungen „gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich“ für die Einhaltung der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben sind.585 Dass die bestehenden materiellen Steuerungsmechanismen allerdings gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären, die Tätigkeit der am Endorsement beteiligten privaten Gremien inhaltlich zu steuern, kann nicht festgestellt werden.
585 Vgl. oben zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung, ausreichende Steuerungs- und Sicherungsmechanismen zu installieren, das Kapitel 2 B. IV. 4. a) cc).
Kapitel 3
Die Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht – Geltung der IAS / IFRS über die IAS / IFRS-Rechtsakte in Deutschland? Eine juristische Analyse der Übernahme der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS mittels der IAS / IFRS-Basisverordnung und den auf ihr beruhenden Übernahmeverordnungen im Prozess des Endorsements kann nicht sinnvoll nur aus europarechtlichem Blickwinkel erfolgen, sondern muss notwendigerweise auch die rechtlichen Bezüge zum deutschen Verfassungsrecht beleuchten. Im Folgenden soll dabei der Frage nach der Geltung der IAS / IFRS-Basisverordnung und der jeweiligen Übernahmeverordnungen im deutschen Recht nachgegangen werden.
A. Ausgangspunkt: Zweifel, ob die IAS / IFRS-Rechtsakte in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen anwendbar sind Verordnungen des Gemeinschaftsrechts – unabhängig, ob sie durch den Rat, ggf. gemeinsam mit dem Parlament, oder durch die Kommission ergehen – genießen ausweislich der Regelung des Art. 249 Abs. 2 EGV allgemeine Geltung, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Dies gilt auch für die IAS / IFRS-Basisverordnung sowie die auf ihrer Grundlage erlassenen IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen. Nichtsdestotrotz sind in der Literatur, namentlich von Peter Hommelhoff und Martin Schwab, bereits 1998, als sich die europäische IAS / IFRS-Gesetzgebung noch im Konzeptionsstadium befand, Zweifel geäußert worden, ob die Verwirklichung der geplanten IAS / IFRS-Rechtsakte nicht daran scheitern könnte, dass diese in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Verbindlichkeit erlangen könnten.1 Die Autoren bezogen sich in ihrer Argumentation insbesondere auf das sog. „Maastricht“-Urteil und die sich dort befindlichen Ausführungen des 1 Hommelhoff / Schwab, BFuP 1998, 38, 53; auch später wirft Hommelhoff, in: Großkomm HGB, Anh. § 292a Rn. 11 diese Bedenken auf.
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Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
BVerfG, wonach solche „Rechtsakte im deutschen Hoheitsbereich nicht verbindlich“ seien, „die von dem Vertrag, wie er dem deutschen Zustimmungsgesetz zugrunde liegt, nicht mehr gedeckt wäre[n]“ mit der Folge, dass die „deutschen Staatsorgane [ . . . ] aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert [wären], diese Rechtsakte in Deutschland anzuwenden.“2 Ähnliche Bedenken waren in der Literatur schon früher im Hinblick auf den Erlass der EG-Bilanzrichtlinie mit vergleichbaren Argumenten diskutiert und die Verbindlichkeit der besagten Richtlinie in Deutschland in Abrede gestellt worden.3 Würden die Zweifel der genannten Autoren zutreffen, so hätte dies gravierende rechtliche wie praktische Konsequenzen: Obzwar die IAS / IFRS-Basisverordnung und die Übernahmeverordnungen gemeinschaftsrechtlich wirksam wären, dürften deutsche Staatsorgane auf deutschem Hoheitsgebiet die europäische IAS / IFRSGesetzgebung nicht beachten. Auf deutschem Hoheitsgebiet wäre die Verpflichtung für kapitalmarktorientierte Gesellschaften, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den übernommenen IAS / IFRS aufzustellen, rechtlich inexistent. Stattdessen wären solche Unternehmen gehalten, ihren Konzernabschluss ausschließlich nach HGB-Regeln aufzustellen.4 Damit wäre ein wesentliches Ziel der IAS / IFRSRechtsetzung, nämlich die Vollendung eines europäischen Binnenmarktes im Bereich der Kapitalmärkte durch vergleichbare und einheitliche Konzernbilanzierungsregeln, praktisch unerreichbar, wenn man sich die Bedeutung des Wirtschaftsstandorts Deutschland für den gesamten europäischen Binnenmarkt vor Augen führt. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Zweifel an der Verbindlichkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte im deutschen Hoheitsgebiet auf ihre rechtliche Fundiertheit hin zu untersuchen. Differenziert werden soll dabei einerseits zwischen dem Verfahren zur Übernahme der privaten IAS / IFRS, wie es in der IAS / IFRS-Basisverordnung angeordnet ist, und den IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen, welche den Inhalt der privaten IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht inkorporieren, andererseits. Das Verfahren zur Übernahme der IAS / IFRS ist zwar prinzipiell gemeinschaftsrechtskonform, jedoch durchaus mit demokratie- und rechtsstaatsrelevanten Defiziten behaftet,5 die zur rechtlichen Unverbindlichkeit der IAS / IFRS-Basisverordnung führen könnten. Darüber hinaus können auch lediglich die IAS / IFRSÜbernahmeverordnungen verfassungsrechtlich in Deutschland unverbindlich sein, wenn ihr Inhalt, d. h. die konkreten Regeln der übernommenen internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS, mit entsprechenden Fehlern behaftet ist. 2 BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155, 188, 195, 210. 3 Beisse, FS Clemm, S. 27, 50, Fn. 84; zweifelnd auch Biener, FS Kropff, S. 393, 405. 4 Auch der Ausweg über die befreiende Wirkung eines nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellten Konzernabschlusses gem. § 292a HGB ist mit Ablauf des 31. 12. 2004 entfallen. 5 Siehe oben Kapitel 2 B. IV. C.
B. Kann gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht unangewendet bleiben?
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Bevor aber konkret auf die rechtliche Verbindlichkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte eingegangen werden kann, muss vorab die Erörterung der Frage nach den rechtlichen Grenzen der Anwendbarkeit gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechts auf deutschem Hoheitsgebiet stehen – ob es solche gibt und wie diese ggf. beschaffen sind.6 Dies führt zu den Grundfragen des europäischen Rechts und seines Verhältnisses zum nationalen (deutschen) Recht.
B. Kann gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht in Deutschland überhaupt unangewendet bleiben? Ob gemeinschaftsrechtlich wirksames Sekundärrecht in Deutschland unangewendet bleiben kann, führt zu den Grundfragen nach dem Geltungsgrund des europäischen Rechts und seinem Verhältnis zum nationalen (deutschen) Recht.
I. Geltungsgrund des europäischen Gemeinschaftsrechts sowie Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht 1. Geltungsgrund des europäischen Gemeinschaftsrechts Was Geltungsgrund des europäischen Primärrechts sowie des auf der Grundlage der primärrechtlichen Vorschriften erlassenen (derivativen) Sekundärrechts ist, ist umstritten.
a) Europäisches Gemeinschaftsrecht in „traditioneller“ Sichtweise Nach einer Auffassung sind die europäischen Gründungsverträge – das Primärrecht – sowie das hierauf basierende Sekundärrecht als Völkerrecht einzuordnen.7 Der Geltungsgrund für das Europarecht und für seine Anwendung auf dem Hoheitsgebiet Deutschlands wird in einem innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl 6 Aus der Untersuchung ausgeschlossen wird hingegen die Frage nach den Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts, weil diese für die IAS / IFRS-Rechtsakte, welche kein Primär-, sondern Sekundärrecht darstellen, ohne Relevanz ist. 7 Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 12; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 24 Rn. 28; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 24 Rn. 13; Bleckmann, FS Doehring, S. 63, 77 f.; Kempen, AVR 35 (1997), 273, 277 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 210; wohl Neßler, DVBl. 1993, 1240, 1242. Unter Völkerrecht wird dabei in Anlehnung an die Definition Herdegens, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 25 Rn. 14 die Gesamtheit der Regeln über die Beziehungen der Subjekte des Völkerrechts untereinander, also von Staaten, internationalen Organisationen, in begrenztem Umfang auch von Individuen, sowie das interne Recht der internationalen Organisationen verstanden.
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Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
gesehen.8 Hinter dieser Ansicht, deren Vertreter von manchen als „Traditionalisten“ bezeichnet werden,9 da sie an der „traditionellen“ Sichtweise des Gemeinschaftsrechts als Völkerrecht festhalten, verbirgt sich die Vorstellung, dass jegliches Völkerrecht, sei es vertraglicher, gewohnheitsrechtlicher oder anderer Provenienz,10 eines innerstaatlichen Anwendungsbefehls bedarf, mit dem die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass das Völkerrecht in ihrem nationalen Hoheitsgebiet befolgt wird.11 Der konkrete innerstaatliche Anwendungsbefehl für das europäische Primärrecht, i. e. die Gründungsverträge zur EG und EU, wird dabei in dem Vertrags- bzw. Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestages erkannt, in welchem dieser den Gründungsverträgen die gem. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG (i.V. m. Art. 23 bzw. 24 GG) erforderliche Zustimmung erteilt.12 Es existieren unterschiedliche Mechanismen, mit denen Völkerrecht innerstaatlich für anwendbar erklärt werden kann. Nach der Adoptionstheorie wird das Völkerrecht in die innerstaatliche Rechtsordnung in seiner Qualität als Völkerrecht ohne besonderen Umsetzungsakt „eingelassen“.13 Nach der Transformationstheorie hingegen wird der Vertragsinhalt in ein staatliches Gesetz überführt, mit der Folge, dass nicht der völkerrechtliche Vertrag, sondern das Gesetz mit dem Inhalt, den der Vertrag bereitstellt, zu befolgen ist.14 Nach der Vollzugstheorie gibt der innerstaatliche Anwendungsbefehl die Anwendung des völkerrechtlichen Vertrages frei.15 Der Vertrag gilt dabei als Völkerrecht, ohne seinen rechtlichen Charakter – wie bei der Transformationstheorie der Fall – zu verändern.16 Ob das Vertragsgesetz gem. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG der Transformationstheorie oder der Vollzugstheorie folgt, kann hier jedenfalls offenbleiben, da beide Auffassungen die Einordnung des europäischen Gemeinschaftsrechts als Völkerrecht unberührt lassen.
Da für die Traditionalisten das sekundäre Gemeinschaftsrecht der Rechtsnatur der zum Erlass ermächtigenden Gründungsverträge folgt und somit auch als völkerrechtlich eingeordnet wird, ergibt sich nach dieser Ansicht die innerstaatliche Geltung des europäischen Sekundärrechts aus der Rückführbarkeit der abgeleiteten gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte auf den innerstaatlichen Anwendungsbefehl für das Primärrecht, das zudem die unmittelbare Geltung des betreffenden Rechtsaktes vorsehen muss.17 Zur bildlichen Verdeutlichung dieses rechtlichen Vorgangs wird dabei häufig auf die Metapher der „Brücke“ zurückgegrifDeutlich P. Kirchhof, in: Hommelhoff / Kirchhof, Staatenverbund, S. 11, 13 f. Z. B. Schweitzer / Hummer, Europarecht, Rn. 73 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 119; Kempen, AVR 35 (1997), 273, 275. 10 Siehe zu den Rechtsquellen den (heute nicht mehr abschließenden) Art. 38 des IGHStatutes. 11 Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 418. 12 Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 59 Rn. 17. 13 Näher dazu Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 420. 14 Kempen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 59 Rn. 89. 15 Kempen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 59 Rn. 89. 16 Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 423. 17 Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 12; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 32. 8 9
B. Kann gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht unangewendet bleiben?
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fen.18 Die „Brücke“ steht in diesem Kontext für das deutsche Vertragsgesetz, das den innerstaatlichen Anwendungsbefehl in sich trägt und welches die (vermeintliche) „Kluft“ zwischen dem primären und sekundären Gemeinschaftsrecht überwindet sowie rechtlich den Weg ebnet, über welchen Gemeinschaftsrecht in die deutsche Rechtsordnung hinübergelangen kann, um dort Geltung zu erlangen.
b) Europäisches Gemeinschaftsrecht in „autonomer“ Sichtweise Die Gegenauffassung nimmt zwar den völkerrechtlichen Ursprung der europäischen Gründungsverträge in ihrer ursprünglichen Form zur Kenntnis. Darüber hinausgehend nimmt die Gegenauffassung allerdings an, dass das europäische Gemeinschaftsrecht und vor allem das sekundäre Gemeinschaftsrecht mittlerweile als Recht „sui generis“ einer autonomen Rechtsordnung eigener Art anzusehen ist.19 Diese Ansicht erkennt den Geltungsgrund des europäischen Gemeinschaftsrechts in seiner autonomen, nicht mehr allein dem Völker- oder dem nationalen Recht zuzuordnenden Qualität, welche sich aus den besonderen Merkmalen der Europäischen Gemeinschaft ergibt, wie sie in den Gründungsverträgen festgelegt wurden, und sich wesentlich von anderen völkerrechtlichen Verträgen und durch diese errichtete internationale Organisationen unterscheidet.20 Auch der EuGH folgt seit seinem Urteil in der Sache „Costa / ENEL“ im Wesentlichen der autonomen Sichtweise der Gemeinschaftsrechtsordnung: „Zum Unterschied von gewöhnlichen internationalen Verträgen hat der EWG-Vertrag eine eigene Rechtsordnung geschaffen, die bei seinem Inkrafttreten in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen worden und von ihren Gerichten anzuwenden ist. Denn durch die Gründung einer Gemeinschaft für unbegrenzte Zeit, die mit eigenen Organen, mit der Rechts- und Geschäftsfähigkeit, mit internationaler Handlungsfähigkeit und insbesondere mit wirklichen, aus der Beschränkung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten oder der Übertragung von Hoheitsrechten der Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft herrührenden Hoheitsrechten ausgestattet ist, haben die Mitgliedstaaten, wenn auch auf einem begrenzten Gebiet, ihre Souveränitätsrechte beschränkt und so einen Rechtskörper geschaffen, der für ihre Angehörigen und sie selbst verbindlich ist.“21
Als Konsequenz dieser Auffassung von der Selbständigkeit des europäischen Gemeinschaftsrechts ergibt sich, dass die innerstaatliche Geltung des Gemein18 P. Kirchhof, in: Hommelhoff / Kirchhof, Staatenverbund, S. 11, 14; ders., in: Hdb des Staatsrechts VII, § 183 Rn. 65; ders., NJW 1996, 1497, 1501, ders., JZ 1998, 965, 966. 19 Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 59, 62 ff.; Schweitzer / Hummer, Rn. 73 ff.; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 6 Rn. 1; Herdegen, Europarecht, § 6 Rn. 10; Classen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 17; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 23 Rn. 28; Hirsch, NJW 1996, 2457, 2458; explizit gegen die Brückenmetapher Zuleeg, NJW 1997, 1201, 1202. 20 Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 515; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 6 Rn. 1. 21 EuGH, Urt. vom 15. 07. 1994, Rs. 6 / 64; „Costa / ENEL“, Slg. 1964, 1251, Rn. 8.
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Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
schaftsrechts insgesamt nicht auf einen innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl zurückzuführen, sondern ihre Grundlage in der gemeinsamen Gründung der Gemeinschaft durch die Mitgliedstaaten und in den auf diese im Einklang mit den nationalen Rechtsordnungen übertragenen Hoheitsrechten zu finden ist.22 Abgeleitetes europäisches Sekundärrecht fließt nach dieser Ansicht aus der autonomen Rechtsquelle des primären Gemeinschaftsrechts; die innerstaatliche Geltung bemisst sich deshalb nicht im Wege der Rückführbarkeit über die „Brücke“ innerstaatlicher Anwendungsbefehle ins nationale Recht, sondern allein nach Maßgabe des Inhalts der Verträge, die die Grundlage der autonomen Rechtsordnung sind.23
2. Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht: (Anwendungs-)Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts Eng verknüpft mit der Frage nach der Anwendbarkeit des europäischen Gemeinschaftsrechts im nationalen Recht ist die Frage nach dem Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht. Da viele gemeinschaftsrechtliche Vorschriften, sei es, dass sie dem Primärrecht entstammen, sei es, dass sie dem Sekundärrecht zuzurechnen sind, in weiten Teilen ohne weiteren innerstaatlichen Umsetzungsakt innerstaatlich unmittelbar anwendbar24 sind,25 kann es vorkommen, dass sich ein Widerspruch zwischen der gemeinschaftsrechtlichen und einer nationalen Norm hinsichtlich der Beantwortung derselben Rechtsfrage ergibt, mithin Gemeinschaftsrecht und nationales Recht miteinander kollidieren, oder aber die Wirksamkeit eines Gemeinschaftsrechtsaktes durch einen nationalen widersprechenden Rechtsakt beeinträchtigt wird oder die gemeinschaftsrechtliche Vorschrift allgemein im Widerspruch zur deutschen Rechtsordnung steht.26 Für Vorschriften gleichen normativen Ranges existieren eine Reihe von Regeln, die solche Kollisionen beheben können: So geht beispielsweise nach der Regel lex posterior derogat legi anteriori die jüngere Vorschrift der älteren vor oder nach der Regel lex specialis derogat legi generali die spezielle der allgemeinen. Unter Deutlich Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 515, 522. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 62; Classen, in: v. Mangoldt /Klein / Starck, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 17; Zuleeg, NJW 1997, 1201, 1202. 24 Siehe zu diesem Begriff, für den synonym auch derjenige der unmittelbaren Wirksamkeit verwendet wird, Jarass, DVBl. 1995, 955; Zacker / Wernicke, Europarecht, S. 84; Streinz, Europarecht, Rn. 407. 25 Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 33. Paradebeispiel dafür ist die Anordnung der unmittelbaren innerstaatlichen Anwendbarkeit der Gemeinschaftsverordnung in Art. 249 EGV. 26 Siehe zu den einzelnen Fallgruppen Jarass / Beljin, NVwZ 2004, 1, 3 ff.; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 24 Rn. 69 ff. 22 23
B. Kann gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht unangewendet bleiben?
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der Prämisse der Gleichrangigkeit von nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht hätte es damit aber der jeweilige nationale Gesetzgeber in der Hand, der gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift durch den Erlass jüngerer Normen die innerstaatliche unmittelbare Wirkung zu nehmen. Dies aber würde die Gefahr einer Zersplitterung der Geltung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften innerhalb der Gemeinschaft mit sich bringen, die auch nicht dadurch wirksam beseitigt werden kann, dass die Mitgliedstaaten aufgrund der in Art. 10 EGV verankerten Treue- und Loyalitätspflicht bei der Verwirklichung der Gemeinschaftsziele mitwirken und beeinträchtigende Maßnahmen unterlassen sollen.27 Um die gemeinschaftsweite, einheitliche Geltung und Anwendung der unmittelbar wirksamen Gemeinschaftsrechtsvorschriften zu gewährleisten und damit die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft zu sichern, wäre es demnach besser, wenn dem Gemeinschaftsrecht gemeinschaftsweit ein höherer Rang als dem nationalen Recht eingeräumt würde. Dies könnte unter Zuhilfenahme der lex superior derogat legi inferiori-Regel bewerkstelligt werden, mit der Folge, dass sich die Lösung der Rechtsfrage allein anhand der gemeinschaftsrechtlichen Norm bemessen würde. Ein solch höherer Rang, wie er üblicherweise in den Verfassungen föderal organisierter Staaten für das föderale Recht gegenüber dem Recht der Gliedstaaten explizit angeordnet ist,28 findet sich in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht ausdrücklich weder im europäischen Primärrecht noch im GG.29 Nichtsdestotrotz besteht heute sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass das Gemeinschaftsrecht entgegenstehendem nationalem Recht grundsätzlich vorgeht.30 Unter Gemeinschaftsrecht ist dabei jegliches Primär- als auch Sekundärrecht zu verstehen. Nationales Recht meint nicht nur einfaches Gesetzesrecht, Rechtsverordnungen, Satzungen oder Verwaltungsvorschriften, sondern auch Verfassungsrecht.31 Weitgehende Einigkeit besteht zudem darüber, dass es sich bei dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts um einen Treffend mit dieser Einschätzung Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 24 Rn. 69. Vgl. z. B. Art. 31 GG: „Bundesrecht bricht Landesrecht.“ 29 Streinz, Europarecht, Rn. 193; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 3 Rn. 33. Ziff. 2 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit enthält zwar einen indirekten Hinweis auf die Lösung des Rangverhältnisses, kann aber wegen fehlender Konstitutivität nicht als primärrechtliche Klärung des Rangverhältnisses gewertet werden (Rupp, JZ 1998, 213, 216 f.; Streinz, Europarecht, Fn. 103; wohl a. A. Classen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 23 Abs. 1 Rn. 52). Im Verfassungsvertrag wird hingegen in Art. I-6 der Vorrang des Gemeinschaftsrechts explizit statuiert. 30 EuGH, Urt. vom 15. 07. 1994, Rs. 6 / 64; „Costa / ENEL“, Slg. 1964, 1251, Rn. 9; BVerfG, Beschl. vom 22. 10. 1986, 2 BvR 197 / 83, „Solange II“, BVerfGE 71, 339, 375; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 34; Heyde, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 23 Rn. 68; Streinz, Europarecht, Rn. 201; Oppermann, Europarecht, § 7 Rn. 12; Schweitzer / Hummer, Europarecht, Rn. 854; Ipsen, in: Hdb des Staatsrechts VII 1992, § 181 Rn. 58; Classen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 23 Abs. 1 Rn. 52; Wegener, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 27 ff.; Koenig / Harratsch / Pechstein, Europarecht, Rn. 122. 31 Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 3 Rn. 34; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 24 Rn. 73; Oppermann, Europarecht, § 7 Rn. 13; Jarass / Beljin, NVwZ 2004, 1, 2. 27 28
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Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
sog. „Anwendungsvorrang“ handelt.32 Das bedeutet, dass die nationale Rechtsvorschrift, welche in concreto im Widerspruch zu der gemeinschaftsrechtlichen Norm steht, nicht nichtig ist (dann würde es sich um einen sog. „Geltungsvorrang“ handeln), sondern ihre Gültigkeit behält, aber im konkreten Falle unanwendbar ist.33 Aus dem Prinzip des (Anwendungs-)Vorrangs des Gemeinschaftsrechts folgt, dass Gemeinschaftsrecht nationalem Recht bei Widersprüchen höhergestellt ist und dass die Berufung auf einen Widerspruch des Gemeinschaftsrechts zu nationalen Vorschriften nicht zur Unanwendbarkeit des Gemeinschaftsrecht, sondern umgekehrt zur Unanwendbarkeit des nationalen Rechts führt.
II. Grenzen der innerstaatlichen Anwendbarkeit des europäischen Gemeinschaftsrechts Auf dem Boden dieser rechtlichen Grundlagen zur Geltung und zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht kann nunmehr ermittelt werden, ob und welche Grenzen für die innerstaatliche Geltung sowie für den Vorrang des Gemeinschaftsrechts bestehen. Zu konstatieren ist dabei, dass die Frage nach den Grenzen der innerstaatlichen Geltung sowie dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts in Literatur und Rechtsprechung umstritten sind.34 Die Trennlinien verlaufen dabei grundsätzlich in enger Anlehnung an die Konzeptionen, die die jeweiligen Autoren oder die Rechtsprechung vom Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts überhaupt haben und wie sie oben bereits vorgestellt wurden.
32 EuGH, Urt. vom 22. 10. 1998, verb. Rs. C-10 / 97 bis 22 / 97, „IN.CO.GE“, Slg. 1998, I-6307, Rn. 21; BVerfG, Beschl. vom 22. 10. 1986, 2 BvR 197 / 83, „Solange II“, BVerfGE 71, 339, 375; Oppermann, Europarecht, § 7 Rn. 12; Koenig / Harratsch / Pechstein, Europarecht, Rn. 122; Wegener, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 24; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 23 Rn. 27; Classen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 23 Abs. 1 Rn. 52; a. A. Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, S. 98 ff. 33 Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 24 Rn. 72; Jarass / Beljin, NVwZ 2004, 1, 4; Oppermann, Europarecht, § 7 Rn. 12; Neßler, DVBl. 1993, 1240. 34 Die hier gewählte einheitliche Behandlung der Grenzen sowohl der innerstaatlichen Geltung als auch des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts rechtfertigt sich mit dem engen dogmatischen Zusammenhang, der zwischen beiden Aspekten besteht. Obwohl in der Literatur zumeist das Problem der Grenze der innerstaatlichen Verbindlichkeit von Gemeinschaftsrecht ausschließlich unter der Überschrift „Grenze des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts“ untersucht wird, finden sich aber auch Erörterungen dieser Grenzen im Hinblick auf die Geltung des Gemeinschaftsrechts. Insbesondere differenziert die Rechtsprechung des BVerfG nicht scharf zwischen den Gründen für die Grenzen der innerstaatlichen Geltung und denjenigen des Vorrangs.
B. Kann gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht unangewendet bleiben?
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1. Innerstaatliche Geltung sowie Vorrang des Gemeinschaftsrechts ohne Begrenzung Nach einer, insbesondere vom EuGH vertretenen Auffassung bestehen für die innerstaatliche Geltung von gemeinschaftsrechtskonformem Sekundärrecht sowie für seinen Vorrang vor innerstaatlichem Recht keine (innerstaatlichen) Beschränkungen.35 Das bedeutet für die IAS / IFRS-Rechtsakte, dass diese – soweit sie mit dem Gemeinschaftsrecht konform sind – nach dieser Ansicht innerhalb der deutschen Rechtsordnung ohne weiteres verbindlich sind. Die in der Literatur geäußerten Zweifel an der Verbindlichkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte wären damit unbegründet. Die Annahme, dass weder der innerstaatlichen Geltung noch dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts Grenzen gesetzt sind, wenn dieses gemeinschaftsrechtskonform ist, lässt sich zurückführen auf die Prämissen der Ansicht, die den Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts in seiner Autonomie erblickt.36 Wenn Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts der gemeinsame Kreationsakt einer dauerhaften, mit eigenen Organen, Rechts- und Geschäftsfähigkeit, internationaler Handlungsfähigkeit, eigenen Hoheitsrechten ausgestatteten Gemeinschaft durch die Mitgliedstaaten ist, so können sich die Grenzen der Geltung sowie des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nur nach den immanenten Grenzen des Gemeinschaftsrechts als autonomer Rechtsordnung selbst bestimmen. Sekundärrechtsakte, wie eben auch die IAS / IFRS-Rechtsakte, leiten sich aus der eigenständigen Rechtsquelle des europäischen Primärrechts ab und finden die Grenzen ihrer innerstaatlichen Verbindlichkeit dementsprechend nur im Primärrecht. Ist Sekundärrecht jedoch mit dem Primärrecht konform, so ergibt sich aus der eigenständigen Rechtsnatur des gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechts bereits seine innerstaatliche Verbindlichkeit. Eine andere Sichtweise würde dazu führen, dass die Einheitlichkeit der Geltung des Gemeinschaftsrechts und damit letztlich die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft untergraben würde.37
35 EuGH, Urt. vom 15. 07. 1994, Rs. 6 / 64; „Costa / ENEL“, Slg. 1964, 1251, Rn. 8, 9; EuGH, Urt. vom 17. 12. 1970, Rs. 11 / 70, „Internationale Handelsgesellschaft“, Slg. 1970, 1125; deutlich Classen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 36, 37; wohl Zuleeg, NJW 1997, 1201, 1202, Bieber / Haag / Epinay, Die Europäische Union, § 3 Rn. 41; Schroeder, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 47; wohl auch Tomuschat, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 24 Rn. 95. 36 Siehe dazu oben Kapitel 3 B. I. 1. a). 37 EuGH, Urt. vom 15. 07. 1994, Rs. 6 / 64; „Costa / ENEL“, Slg. 1964, 1251, Rn. 8, 9; Classen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 36, 37.
230
Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
2. Beschränkung der innerstaatlichen Geltung sowie des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts a) Existenz von Grenzen Die gegenteilige, insbesondere durch das BVerfG vertretene Auffassung hingegen geht davon aus, dass der innerstaatlichen Geltung sowie dem Vorrang des europäischen Sekundärrechts Grenzen gezogen sind.38 Nach dieser Ansicht bestünde also die Möglichkeit, dass die IAS / IFRS-Rechtsakte – überschritten sie die von dieser Meinung anerkannten Grenzen – innerstaatlich unverbindlich sein könnten. Ähnlich wie die Auffassung, wonach der innerstaatlichen Geltung und dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts keinerlei (innerstaatliche) Grenze gezogen ist, sich auf die Konzeption des Gemeinschaftsrechts als eigenständige Rechtsordnung „sui generis“ zurückführen lässt, hängt die gegenteilige Ansicht eng mit der „traditionellen“ Konzeption des Gemeinschaftsrechts zusammen.39 Diese „traditionelle“ Konzeption setzt einen innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl voraus, damit Gemeinschaftsrecht innerstaatlich gelten kann. Der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl dient dabei als „Brücke“, welche das Gemeinschaftsrecht „überqueren“ muss, um auf deutschem Hoheitsgebiet verbindlich zu werden.40 Als „Brücke“ für das Gemeinschaftsrecht in die deutsche Rechtsordnung dient dabei das deutsche Vertrags- bzw. Zustimmungsgesetz zu den jeweiligen Gemeinschaftsund Änderungsverträgen. Aus dieser Konzeption lässt sich leicht folgern, dass, wenn die nationale Rechtsordnung einen gesetzlichen innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl für die innerstaatliche Geltung des Gemeinschaftsrechts verlangt, das Gemeinschaftsrecht innerstaatlich auch nur solange und soweit Geltung in Anspruch nehmen kann, wie der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl reicht. Anders gewendet: Wo ein innerstaatlicher Rechtsanwendungsbefehl und damit eine „Brücke“ existiert, sind beide stets in irgendeiner Weise begrenzt, so dass auch das in die deutsche Rechtsordnung einfließende Gemeinschaftsrecht diese durch den Rechtsanwendungsbefehl vorgegebenen Grenzen einhalten muss, um Geltung zu erlangen, weil es ansonsten „nicht über die Brücke geht“. 38 Siehe nur BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 35 f.; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 24 Rn. 73 ff.; Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 133 ff.; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 23 Rn. 10; Streinz, in: Hdb des Staatsrechts VII 1992, § 182 Rn. 34 ff.; Ahlt / Deisenhofer, Europarecht, S. 50; Zuck / Lenz, NJW 1997, 1193, 1196; Gersdorf, DVBl. 1994, 674, 680; Horn, DVBl. 1995, 89, 95; Selmayr / Prowald, DVBl. 1999, 269, 274; Schilling, Der Staat 33 (1994), 555, 556; Hirsch, NJW 1996, 2457, 2459; ders., NJW 2000, 1817, 1819; Kempen, AVR 35 (1997), 273, 279 ff.; Schlaich / Korioth, BVerfG, Rn. 361, 365. 39 Einen Nexus bejaht auch Classen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 16. 40 Siehe ausführlich oben Kapitel 3 B. I. 1. a).
B. Kann gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht unangewendet bleiben?
231
Wenn nunmehr Hommelhoff und Schwab in ihren Beiträgen die Frage nach der innerstaatlichen Verbindlichkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte aufwerfen, so gehen sie von der Prämisse aus und offenbaren sich – entgegen dem EuGH, aber mit dem BVerfG – als Vertreter der Auffassung, nach der es überhaupt Grenzen der innerstaatlichen Anwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht gibt. Für das Verständnis dieser Auffassung von der Existenz von Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit des Gemeinschaftsrechts ist folgender grundlegender Zusammenhang wichtig: Die EU / EG stellen eine zwischenstaatliche Einrichtung dar, der die Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 24 Abs. 1 GG für die Gründungs- und Änderungsverträge bis einschließlich der EEA, ab dem Vertrag von Maastricht gem. Art. 23 Abs. 1 GG Hoheitsrechte übertragen hat. Unter Hoheitsrechten wird dabei die Ausübung öffentlicher Gewalt im innerstaatlichen Bereich verstanden.41 Nicht wörtlich zu nehmen ist der Begriff der Übertragung. Darunter wird stattdessen der Verzicht der Bundesrepublik auf die ausschließliche Ausübung der übertragenen Hoheitsrechte zugunsten der EU / EG gesehen.42 Bei diesem Übertragungsakt ist der deutsche Gesetzgeber allerdings nicht ohne verfassungsrechtliche Bindungen. Schon zu Art. 24 Abs. 1 GG, auf den sich der Gesetzgeber ursprünglich stützte, war allgemein anerkannt, dass dieser keine unbegrenzte Übertragung von Hoheitsrechten erlaubte.43 Die dafür vorgesehenen Schranken sind weitgehend explizit in dem 1992 neu geschaffenen Art. 23 GG verankert worden. Eine Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU / EG ist für den Gesetzgeber nur dann möglich, wenn das Übertragungsgesetz die in Art. 23 Abs. 1 S. 1, 3 i.V. m. Art. 79 Abs. 2, 3 GG aufgestellten Anforderungen an die Ausgestaltung der EU beachtet. Da das Übertragungsgesetz gleichzeitig als das Zustimmungsgesetz den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl in sich trägt, folgt daraus, dass schon der Rechtsanwendungsbefehl selbst nicht unbegrenzt ergehen kann. Allerdings ist diese Beschränkung des innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls durch die Anforderungen des Art. 23 GG strikt zu unterscheiden von der Begrenzung der innerstaatlichen Verbindlichkeit gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechts durch den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl.44
b) Ausgestaltung der Grenzen Wenn feststeht, dass die innerstaatliche Geltung des Gemeinschaftsrechts sowie sein Vorrang vor nationalem Recht beschränkt sein können, so fragt sich, welches diese Grenzen sind. Dabei sei darauf hingewiesen, dass die Grenzen der innerstaatlichen Geltung und des Vorrangs von Sekundärrecht im Mittelpunkt stehen, und es nicht um die Grenzen für den Erlass des innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls geht, sondern um die Grenzen, die der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl der Verbindlichkeit des Sekundärrechts setzt.
Siehe nur Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 24 Rn. 4. Schweitzer, in: Rengeling, EUDUR, § 26 Rn. 33. 43 Ahlt / Deisenhofer, Europarecht, S. 50. 44 Diesen Unterschied zu Recht betonend Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 130. 41 42
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Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
Maßstäbe werden dabei in erster Linie durch die Rechtsprechung des BVerfG gesetzt. Wird seine vielfältige Judikatur45 auf die Aussagen zu den materiellen Grenzen kondensiert, so wird deutlich, dass das BVerfG explizit der innerstaatlichen Verbindlichkeit von sekundärem Gemeinschaftsrecht eine doppelte Grenze zieht: Einerseits dürfen gemeinschaftsrechtliche Hoheitsakte nicht in den unverzichtbaren Grundrechtsstandard eingreifen, andererseits dürfen sie nicht über die durch das Zustimmungsgesetz eingeräumten Kompetenzen hinausgehen. Als zentrales Urteil für die Verdeutlichung der erwähnten Grenzen erweist sich die „Maastricht“-Entscheidung. Dort umschreibt das BVerfG die eine Grenze der Verbindlichkeit von Sekundärrecht in Deutschland, die sich aus den Grundrechten ergibt: „Die in der Präambel des Grundgesetzes angelegte und in Art. 23 und 24 GG geregelte Offenheit für eine europäische Integration hat zur Folge, daß grundrechtserhebliche Eingriffe auch von europäischen Organen ausgehen können und ein Grundrechtsschutz dementsprechend für das gesamte Geltungsgebiet dieser Maßnahmen gewährleistet werden muß; [ . . . ] Das BVerfG gewährleistet durch seine Zuständigkeit [ . . . ], daß ein wirksamer Schutz der Grundrechte für die Einwohner Deutschlands auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell sichergestellt und dieser dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt. Das BVerfG sichert so diesen Wesensgehalt auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft [ . . . ]. Auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des BVerfG, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben [ . . . ].“46
Das BVerfG nimmt mithin an, dass auch Sekundärrechtsakte der Gemeinschaft auf ihre Vereinbarkeit mit dem Wesensgehalt der deutschen Grundrechte zu überprüfen sind.47 Zu der zweiten Grenze der Verbindlichkeit von Sekundärrecht in Deutschland führt das BVerfG in seinem Urteil aus: „Das bedeutet zugleich, daß spätere wesentliche Änderungen des im EU-Vertrag angelegten Integrationsprogramms und seiner Handlungsermächtigungen nicht mehr vom Zustimmungsgesetz zu diesem Vertrag gedeckt sind [ . . . ]. Würden etwa europäische Einrichtungen oder Organe den EU-Vertrag in einer Weise handhaben oder fortbilden, die von dem Vertrag, wie er dem deutschen Zustimmungsgesetz zugrundeliegt, nicht mehr gedeckt wäre, so wären die daraus hervorgehenden Rechtsakte im deutschen Hoheitsbereich nicht verbindlich. Die deutschen Staatsorgane wären aus verfassungsrechtlichen Gründen ge45 Siehe zu den unterschiedlichen Judikaten sehr ausführlich Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 68 ff. 46 BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155, 174 f. 47 Siehe Zuck / Lenz, NJW 1997, 1193 f.; Schweitzer, in: Rengeling, EUDUR, § 26 Rn. 67; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, Art. 24 Rn. 76; zur Rechtslage vor dem Maastricht-Urteil bereits Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 144.
B. Kann gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht unangewendet bleiben?
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hindert, diese Rechtsakte in Deutschland anzuwenden. Dementsprechend prüft das BVerfG, ob Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsakte halten oder aus ihnen ausbrechen.“48
Handelt die Gemeinschaft „ultra vires“, d. h. unter Überschreitung der ihr im Vertrag eingeräumten und mit dem Zustimmungsgesetz innerstaatlich angeordneten (Verbands-)Kompetenzen, so ist der daraus erwachsende Rechtsakt vom innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl nicht mehr gedeckt und kann deshalb auf deutschem Hoheitsgebiet nicht verbindlich sein. Um das Bild der „Brücke“ zu bemühen: Ein „ultra vires“-Rechtsakt befindet sich „neben“ der Brücke, die den „Abgrund“ zwischen nationaler und Gemeinschaftsrechtsordnung überbrücken will, so dass dieser Rechtsakt das „Ufer“ der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung nicht erreichen kann. Zur Begründung kann das Demokratieprinzip herangezogen werden, das die Rückführbarkeit jeder Ausübung von Hoheitsgewalt auf das deutsche Staatsvolk verlangt und welches nur gewahrt ist, wenn sich das sekundäre Gemeinschaftsrecht innerhalb der durch das Zustimmungsgesetz eingeräumten Kompetenzen bewegt.49 Obwohl die zitierte Passage des „Maastricht“-Urteils ihrem Wortlaut nach zu suggerieren scheint, dass nicht nur kompetenzwidrige, sondern auch aus anderen Gründen rechtswidrige europäische Rechtsakte nicht mehr vom deutschen Zustimmungsgesetz erfasst sind und demnach im deutschen Hoheitsbereich unverbindlich wären, beschränkt sich das Verdikt der Unverbindlichkeit lediglich auf europäische Rechtsakte, die gegen das Kompetenzgefüge verstoßen, und erfasst gerade nicht jeglichen rechtswidrigen europäischen Rechtsakt.50 Dies ergibt sich aus der Absicht und dem Kontext der richterlichen Entscheidung und entspricht ebenfalls allgemeiner Auffassung in der Literatur. Denn die Ausführungen des BVerfG sind im Zusammenhang mit seinen Aussagen zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und des Subsidiaritätsprinzips zu sehen, die jeweils Instrumente zur Begrenzung der Ausübung von der EU / EG übertragenen Kompetenzen darstellen.51 48 BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155, 188. Obwohl die Formulierungen sich dem Wortlaut nach lediglich auf den EUV beziehen, können sie ihrem Sinn und Zweck nach auch auf das Gemeinschaftsrecht übertragen werden, vgl. Frowein, ZaöRV 54 (1994), 1, 8. 49 BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155, 188, dazu auch Schweitzer, in: Rengeling, EUDUR, § 26 Rn. 68. 50 Allg. Ansicht. vgl. nur Ahlt / Deisenhofer, Europarecht, S. 55; Brockmeyer, in: SchmidtBleibtreu / Klein, GG, Art. 23 Rn. 14a; Schlaich / Korioth, BVerfG, Rn. 361; Heyde, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 23 Rn. 70, 73 ff.; Pernice, in: Hdb des Staatsrechts VIII 1995, § 191 Rn. 59; Schweitzer, in: Rengeling, EUDUR, § 26 Rn. 68; Zuck / Lenz, NJW 1997, 1193, 1196; a. A. offenbar Ibler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rn. 58; offengelassen von Classen, JZ 2000, 1157, 1159. Ausführlich zum Begriff der ultra vires-Rechtsakte in rechtsvergleichender Perspektive Mayer, Kompetenzüberschreitung. 51 Vgl. BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155, 188, 189, 209.
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Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
Der weit überwiegende Teil der Literatur hat sich dem BVerfG in seinen Aussagen zu der doppelten innerstaatlichen Verbindlichkeitsgrenze sekundären Gemeinschaftsrechts angeschlossen.52 Das Schrifttum versucht allerdings, die Aussagen des BVerfG, die – wie dies der Rechtsprechung aufgrund ihrer Aufgabe, konkrete Streitigkeiten zu lösen, häufig eigen ist – mehr punktuell ausfallen und in denen es die Angabe genauer normativer Anknüpfungspunkte eher zu vermeiden sucht,53 dogmatisch auf eine festere Grundlage zu stellen. Überwiegend sieht dieses Schrifttum die Grenze der innerstaatlichen Verbindlichkeit von Sekundärrecht normativ in Art. 23 Abs. 1 GG verortet.54 Art. 23 Abs. 1 GG bindet ihrer Ansicht nach nicht nur den Gesetzgeber bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Gemeinschaft, sondern ist gleichfalls heranzuziehen bei der Beurteilung sekundären Gemeinschaftsrechts. Dies wird damit begründet, dass der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl nicht weiter reichen kann, als die in Art. 23 Abs. 1 GG gesteckten äußeren Grenzen für die Übertragung von Hoheitsrechten, d. h. der Schaffung von Primärrecht. Aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung darf späteres Sekundärrecht, das auf der Grundlage des Primärrechts und somit in Ableitung der Übertragung von Hoheitsrechten ergangen ist, erst recht nicht über die dem innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl gesetzten sog. „Grenzen des Übertragbaren“ hinausgehen.55 Die Literatur erkennt zudem die durch das BVerfG postulierte Grenze der Verbindlichkeit von „ultra vires“-Rechtsakten als sog. „Grenze des durch das Zustimmungsgesetz Übertragenen“ an. Uneinigkeit herrscht jedoch hinsichtlich der Frage, ob dem BVerfG die prozessuale Befugnis zukommt, die Einhaltung der Kompetenzordnung beim Erlass von Sekundärrechtsakten selbst zu prüfen und ggf. die Unverbindlichkeit eigenständig festzustellen.56 Dies 52 Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 35, 36; Streinz, Europarecht, Rn. 246, 248; Koenig / Harratsch / Pechstein, Europarecht, Rn. 130; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 24 Rn. 74 ff.; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 23 Rn. 10, 14a; Ibler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rn. 58; Gersdorf, DVBl. 1994, 674, 680; Horn, DVBl. 1995, 89, 95; Zuck / Lenz, NJW 1997, 1193, 1194, 1200, beschränkt auf den Fall der Beteiligung deutscher Organe am Vollzug Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 135. 53 Dazu Streinz, Europarecht, Rn. 230. 54 Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 23 Rn. 51, Art. 24 Rn. 76; Gersdorf, DVBl. 1994, 674, 678; Ibler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rn. 60; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 23 Rn. 31; Koenig / Harratsch / Pechstein, Europarecht, Rn. 130; wohl Tomuschat, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 24 Rn. 95; wohl E. Klein, VVDStRL 50 (1991), 56, 71; nur Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG Selmayr / Prowald, DVBl. 1999, 269, 274. 55 Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 24 Rn. 74. 56 So z. B. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 23 Rn. 14a; Ibler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rn. 60; Horn, DVBl. 1995, 89, 95; Zuck / Lenz, NJW 1997, 1193, 1194; für die ausschließliche Prüfungsbefugnis des EuGH hingegen Heyde, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 23 Rn. 75; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 36, Koenig / Harratsch / Pechstein, Europarecht, Rn. 129; jedoch bei „offenkundiger und schwerwiegender Überschreitung“ Kontrolle durch BVerfG möglich; ähnlich auch Kempen, AVR 35 (1997), 273, 282 sowie Pernice, in: Dreier, GG, Art. 23 Rn. 29 und ähnlich Hobe, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 23 Rn. 55.
B. Kann gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht unangewendet bleiben?
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muss hier jedoch weder vertieft noch entschieden werden, da dieser prozessuale Aspekt die grundsätzliche Feststellung, dass es kompetenzielle Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit gibt, nicht in Frage stellt.
III. Zwischenergebnis und Fortgang der Untersuchung Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass Zweifel an der innerstaatlichen Verbindlichkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte zu den Grundfragen des Europarechts hinführen. Herausgearbeitet wurde, dass die Äußerung solcher Zweifel die Annahme impliziert, dass es überhaupt Grenzen für die innerstaatliche Verbindlichkeit sekundären Gemeinschaftsrechts gibt. Diese Prämisse ist aber bei weitem nicht so unbestritten, wie sie unter Bezugnahme auf Urteile des BVerfG häufig hingestellt wird. Vielmehr geht eine beachtliche Meinung, die insbesondere durch den EuGH vertreten wird, davon aus, dass es gar keine Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit von sekundärem Gemeinschaftsrecht gibt, was sich wiederum auf die unterschiedlichen Konzeptionen bezüglich des Geltungsgrunds des Gemeinschaftsrechts zurückführen lässt. Die Fundiertheit etwaiger Zweifel an der innerstaatlichen Verbindlichkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte, wie sie in der Literatur geäußert wurden, hängt also davon ab, ob man Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit von Gemeinschaftsrecht anerkennt oder nicht. Im Folgenden soll untersucht werden, ob die IAS / IFRS-Rechtsakte, wobei zwischen dem in der IAS / IFRS-Basisverordnung angeordneten Übernahmemechanismus und den die internationalen Bilanzierungsregeln IAS / IFRS inkorporierenden Übernahmeverordnungen differenziert wird, Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit, wie sie von den Vertretern der Auffassung, die das Bestehen solcher Grenzen überhaupt annehmen, vorausgesetzt werden, überschreiten. Erst wenn festgestellt würde, dass die IAS / IFRS-Rechtsakte solche Grenzen überschritten, wäre es erforderlich, zu der strittigen Frage Stellung zu beziehen, ob es Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit sekundären Gemeinschaftsrechts gibt und auf welche prozessuale Weise das BVerfG zu einer Überprüfung solcher Grenzen befugt wäre. Gleichzeitig wird das Ergebnis der Analyse auf die Frage Antwort geben, ob die im Schrifttum geäußerten Zweifel an der innerstaatlichen Verbindlichkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte begründet sind. Denn dies wäre nur dann der Fall, wenn die IAS / IFRS-Rechtsakte die Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit überschreiten würden.
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Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
C. Einhaltung der Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit sekundären Gemeinschaftsrechts durch die IAS / IFRS-Rechtsakte? Die Untersuchung der Frage, ob die IAS / IFRS-Rechtsakte die Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit einhalten, orientiert sich an den durch das BVerfG und die Literatur angenommenen Grenzen, die der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl setzt. Erörtert wird, ob die IAS / IFRS-Rechtsakte kompetenzwidrig, also „ultra vires“, ergangen sind, oder gegen die Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 GG verstoßen.
I. Grenzen der übertragbaren Hoheitsrechte Die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU / EG findet ihre absolute Grenze, die sog. „Grenze des Übertragbaren“, in den Anforderungen, die Art. 23 Abs. 1 GG setzt. Geht das Zustimmungsgesetz über diese Grenze hinaus, verstößt es gegen das GG.57 Wenn aus diesem Grunde kein wirksamer innerstaatlicher Rechtsanwendungsbefehl besteht, kann weder das in Bezug genommene Primär- noch erst recht das auf der Grundlage des Primärrechts ergangene Sekundärrecht innerstaatliche Geltung erlangen. Der Rechtsanwendungsbefehl trägt konsequenterweise auch dort nicht, wo die Entwicklung der Gemeinschaft nachträglich, d. h., obwohl die Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 GG zur Zeit der Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes erfüllt waren, eine Gestalt annimmt, die mit Art. 23 Abs. 1 GG nicht mehr übereinstimmt. Innerhalb des Art. 23 Abs. 1 GG lässt sich hinsichtlich seiner materiellen Übertragbarkeitsgrenzen zwischen Satz 1 und Satz 3 unterscheiden. An dieser normativen Differenzierung wird sich die weitere Analyse orientieren.
1. Die Grenze des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG lautet: „Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet.“
Von seinem Wortlaut her enthält Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG eine Staatszielvorgabe sowie den grundgesetzlichen Auftrag an die Bundesrepublik Deutschland zur Mitwirkung an der Entwicklung der EU.58 Gleichzeitig setzt die Vorschrift mit der Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 30. Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 23 Abs. 3; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 5; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 23 Rn. 36. 57 58
C. Einhaltung der Verbindlichkeitsgrenzen durch die IAS / IFRS-Rechtsakte?
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Nennung bestimmter qualitativer Struktureigenschaften Anforderungen, welche der deutsche Staat bei der Verwirklichung dieses Staatsziels zu beachten hat. Wenn die Literatur und das BVerfG die innerstaatliche Verbindlichkeit von Gemeinschaftsrecht durch die Einhaltung der Grenze des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG beschränkt sehen,59 so ist doch aus methodischen Gründen zweifelhaft, ob die IAS / IFRS-Rechtsakte als sekundäres Gemeinschaftsrecht unmittelbar an dieser Norm gemessen werden können.60 Denn Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG bindet nicht unmittelbar die EU, sondern nur die Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland.61 Allerdings wirken die Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG mittelbar auch auf die EU, da der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl dort keine innerstaatliche Verbindlichkeit anordnen kann, wo sich die Struktur der EU nicht mehr im Rahmen dessen bewegt, was Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG verlangt. Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG betrifft damit in der Sache auch die Setzung einer Grenze der innerstaatlichen Verbindlichkeit von sekundärem Gemeinschaftsrecht, jedoch wohl nicht dadurch, dass sie unmittelbar Prüfungsmaßstab des Sekundärrechtsakts selbst ist. Vielmehr ist die Grenze des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG eher als generelle, strukturelle Schranke zu verstehen, die dem gesamten Gemeinschaftsrecht seine innerstaatliche Verbindlichkeit nimmt, wenn die EU nicht mehr die strukturellen Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG erfüllt, weil dann das Gemeinschaftsrecht insgesamt nicht mehr vom innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl gedeckt ist. Diese Zweifel brauchen nicht weiter vertieft zu werden, wenn die Entwicklung der EU (wozu auch die EG gehört62) den in Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG genannten Anforderungen strukturell entspricht. Wenn Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG die Übereinstimmung mit den demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen, dem Grundsatz der Subsidiarität sowie die Gewährleistung eines dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutzes verlangt, so ist damit nicht die identische Übertragung der überwiegend aus dem GG bekannten und von der deutschen Staatsrechtslehre und Verfassungsrechtsprechung konkretisierten Kriterien auf die europäische Ebene beabsichtigt.63 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG, der lediglich von „Grundsätzen“ spricht, sowie aus der Zielrichtung, wonach ein striktes Festhalten an der grundgesetzlichen Konzeption dieser Prinzipien den anderen Mitgliedstaaten die Übernahme dieser Prinzipien aufdrängen und im Ergebnis die Mitwirkung der Bundesrepublik an der Entwick59 In diese Richtung Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 35; Ibler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rn. 58. 60 Classen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 23 Abs. 1 Rn. 54. 61 Selmayr / Prowald, DVBl. 1999, 269, 273; Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 23 Rn. 36. 62 Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 3. 63 Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 23 Rn. 20; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 23 Rn. 20 ff.
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lung der EU hemmen würde.64 Dass aber die EU in ihrer gegenwärtigen Struktur nicht den organisatorisch-strukturellen Vorgaben des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG entsprechen sollte, lässt sich wohl kaum ernsthaft vertreten. Dies allerdings bedeutet, dass für eine Ablehnung der innerstaatlichen Geltung der IAS / IFRS-Rechtsakte eine Berufung auf das Überschreiten der Grenze des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG nicht durchgreift.
2. Die Grenze des Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG Die weitere bedeutsame materielle Grenze des Übertragbaren findet sich in Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG, der auf die sog. „Ewigkeitsgarantie“65 des Art. 79 Abs. 3 GG verweist. Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG lautet: „Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Art. 79 Abs. 2 und 3.“
In Art. 79 Abs. 3 GG66 wiederum heißt es: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“
Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG kodifiziert mit seinem Verweis auf Art. 79 Abs. 3 GG die zu Art. 24 GG a. F. ergangene Rechtsprechung und die Erkenntnisse der Wissenschaft, wonach die Bestimmung des Art. 79 Abs. 3 GG als Grenze der Übertragbarkeit von Hoheitsrechten zu beachten sei – wobei die genaue Reichweite der Grenze nicht geklärt war.67 Fraglich ist jedoch, inwieweit die Grenze des Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG überhaupt als Maßstab der Prüfung von Sekundärrecht herangezogen werden kann. Unmittelbar von seinem Wortlaut passt Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG nicht. Dort ist von der Begründung der Europäischen Union, Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen sowie vergleichbaren Regelungen die Rede. Sekundärrecht und damit auch die IAS / IFRS-Rechtsakte können unter keines dieser Tatbestandsmerkmale subsumiert werden. Auch Art. 79 Abs. 3 GG kann direkt nicht angewandt werden, denn eine Änderung des GG durch das Sekundärrecht steht nicht in Frage. Allerdings wird Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG Siehe dazu Heyde, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 23 Rn. 21. Siehe nur Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 79 Rn. 33. 66 Art. 79 Abs. 2 GG spielt im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. 67 Siehe zu dieser für die europäische Integration nunmehr frühere Rechtslage die eingehende Analyse bei Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 68 ff., 84 ff.; allgemein auch P. Kirchhof, in: Hdb des Staatsrechts II 2004, § 21 Rn. 52. 64 65
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und der in ihm verankerte Rechtsgedanke wohl entsprechend anzuwenden sein, wie sich aus den folgenden Überlegungen ergibt: Deutsche Staatsorgane sind gem. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG an die grundgesetzlichen Grundrechte, die verfassungsmäßige Ordnung sowie Recht und Gesetz gebunden. Das GG sieht mit der Vorschrift des Art. 23 GG jedoch die Möglichkeit vor, dass diese Organe von ihrer strikten Bindung aufgrund eines verfassungsmäßigen Rechtsanwendungsbefehls teilweise befreit werden, um an der „Entwicklung der Europäischen Union“ sowie zur „Verwirklichung eines vereinten Europas“ mitwirken zu können.68 In der notwendigen Abwägung zwischen der Erreichung des Integrationszieles des GG sowie der strikten staatlichen Gesetzesbindung kann letztere nicht weiter aufgeweicht werden, als die Kriterien der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG es zulassen. Denn das GG kann nicht einerseits einen sogar für Verfassungsänderungen veränderungsfesten Prinzipienkern aufstellen, andererseits diesen Kern im Hinblick auf die Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf zwischenstaatliche Einrichtungen vollständig aushöhlen. Daraus folgt wiederum, dass europäisches Sekundärrecht, welches in den von Art. 79 Abs. 3 GG abgesteckten Bereich eingreift, nicht von dem innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl gedeckt sein und damit keine innerstaatliche Verbindlichkeit erhalten kann. Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG mit seinem Verweis auf Art. 79 Abs. 3 GG enthält somit den verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken, wonach keine Ausübung hoheitlicher Gewalt in den von Art. 79 Abs. 3 GG definierten Bereich eingreifen darf. Im Weiteren soll untersucht werden, ob die IAS / IFRS-Rechtsakte die aus der entsprechenden Anwendung des Art. 79 Abs. 3 GG resultierenden Grenzen überschreiten. Dazu sollen zunächst kurz die von Art. 79 Abs. 3 GG gesetzten Grenzen näher umrissen werden.
a) Die Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG Art. 79 Abs. 3 GG verbietet es, die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und die in den Artikeln 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze zu berühren. Ein erster Blick auf den Wortlaut der Norm zeigt, dass der scharfen Rechtsfolge ein eher „weich“ formulierter Tatbestand korrespondiert.69 Nichtsdestotrotz lassen sich die verwendeten Begriffe näher konkretisieren. Als Ausnahmevorschrift ist Art. 79 Abs. 3 GG eng zu verstehen.70 Die in Art. 79 Abs. 3 GG aufgeführten Wesenszüge dürfen nicht „berührt“ werden. Dies wäre Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 24 Rn. 73. So schon Stern, JuS 1985, 329, 332. 70 BVerfG, Urt. vom 15. 12. 1970, 2 BvF 1 / 69, 2 BvR 629 / 68 und 308 / 69, „Abhörurteil“, BVerfGE 30, 1, 25; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 25; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 28; Evers, in: Bonner Kommentar, Art. 79 Abs. 3 Rn. 152; kritisch hingegen Stern, JuS 1985, 329, 332. 68 69
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der Fall, wenn die genannten Wesenzüge prinzipiell preisgegeben würden.71 Dabei gilt: „Grundsätze werden „als Grundsätze“ von vornherein nicht „berührt“, wenn ihnen im allgemeinen Rechnung getragen wird und sie nur für eine Sonderlage entsprechend deren Eigenart aus evident sachgerechten Gründen modifiziert werden.“72
Art. 79 Abs. 3 GG garantiert, wenn von der „Gliederung des Bundes in Länder“ gesprochen wird, dass es überhaupt Länder gibt sowie die Existenz eines Mindestmaßes an eigenen Aufgaben der Länder.73 Mit der grundsätzlichen Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung ist ihre Mitbeteiligung an der Bundesgesetzgebung gemeint.74 Von dem Verweis des Art. 79 Abs. 3 GG auf die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze werden die Unantastbarkeit der Menschenwürde, der darauf gerichtete Schutzauftrag, das Bekenntnis zu Menschenrechten sowie die strikte Gesetzesbindung der staatlichen Gewalten erfasst, zudem – vereinfacht gesagt – das Republik-, Bundesstaats-, Demokratie-, Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip. Deutlich hervorzuheben ist, dass Art. 79 Abs. 3 GG jedoch nicht Art. 1 und 20 GG als solche in Bezug nimmt, sondern nur die in diesen Artikeln niedergelegten Grundsätze.75 Damit schützt Art. 79 Abs. 3 GG dort, wo überhaupt derart differenziert werden kann (was etwa beim Schutz der Menschenwürde zweifelhaft ist),76 einen engeren Bereich, als die unmittelbare Anwendung der in Bezug genommenen Vorschriften bewirken würde. Übereinstimmung besteht darüber, dass die vielfältigen Konkretisierungen einzelner, in Art. 20 GG angelegter Prinzipien von der „Ewigkeitsgarantie“ nicht erfasst sind.77 Das bedeutet beispielsweise, dass nicht das Rechtsstaatsprinzip als solches, sondern lediglich der in Art. 20 Abs. 2 GG verbürgte Grundsatz der Gewaltenteilung und der in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Grundsatz der Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht von Art. 79 71 BVerfG, Urt. vom 15. 12. 1970, 2 BvF 1 / 69, 2 BvR 629 / 68 und 308 / 69, „Abhörurteil“, BVerfGE 30, 1, 24; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 79 Rn. 39; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 26 f.; Selmayr / Prowald, DVBl. 199, 269, 274; siehe aber abw. Meinung der Richter Geller, v. Schlabrendorff, Rupp zu genanntem Urteil, BVerfGE 30, 1, 40 f.; weiter auch Lücke, in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 79 Rn. 24. 72 BVerfG, Urt. vom 15. 12. 1970, 2 BvF 1 / 69, 2 BvR 629 / 68 und 308 / 69, „Abhörurteil“, BVerfGE 30, 1, 24. 73 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 8; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 79 Rn. 41 ff.; ausführlich zum gesamten Komplex Hain, Grundsätze des GG, S. 402 ff. 74 Lücke / Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 42 f.; zu Einzelheiten siehe Hain, in: v. Mangoldt / Klein / Stark, GG, Art. 79 Rn. 133 ff. 75 BVerfG, Urt. vom 15. 12. 1970, 2 BvF 1 / 69, 2 BvR 629 / 68 und 308 / 69, „Abhörurteil“, BVerfGE 30, 1, 24 f.; Dreier, in: ders., GG, Art. 79 Rn. 21; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 27 f.; Selmayr / Prowald, DVBl. 1999, 269, 274. 76 So zu Recht Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 7; a. A. Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 33. 77 Dreier, in: ders., GG, Art. 79 Rn. 21; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 11.
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Abs. 3 GG geschützt ist.78 Dies ist weniger als z. B. das auch dem Rechtsstaatsprinzip unterfallende Verbot rückwirkender belastender Gesetze. Art. 79 Abs. 3 GG verweist ferner prima facie nicht auf die grundgesetzlichen Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte, so dass man der Auffassung sein könnte, diese seien vom Schutz der „Ewigkeitsklausel“ nicht erfasst.79 Über den „Umweg“ des Verweises auf die Unantastbarkeit der Menschenwürde gelangt man jedoch auch zu einem Schutz der Grundrechte, allerdings beschränkt auf den in ihnen jeweils zum Ausdruck kommenden Menschenwürdegehalt.80 Zu dem von Art. 79 Abs. 3 GG geforderten Mindestbestand an Grundrechten gehören (ohne hier eine detaillierte Aufzählung vornehmen zu wollen) damit wohl solche Grundrechte, die den Schutz der personalen Autonomie, demokratischer Willensbildung sowie die Gewährung justizstaatlicher Garantien bezwecken.81 Mit dieser knappen Bestimmung der Reichweite des Art. 79 Abs. 3 GG sind gleichzeitig die Grundlagen der weiteren Untersuchung zu den Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte gelegt. Als Problempunkte sind insbesondere die Einhaltung der grundgesetzlichen Grundrechte sowie der Anforderungen des Demokratieprinzips durch die IAS / IFRS-Rechtsakte näher zu erörtern. b) Grundgesetzliche Grundrechte Denkbar ist es, die IAS / IFRS-Basisverordnung sowie die jeweiligen IAS / IFRSÜbernahmeverordnungen an den grundgesetzlichen Grundrechten zu messen, da alle diese Rechtsakte grundrechtsrelevante Bestimmungen enthalten: Die IAS / IFRS-Basisverordnung legt kapitalmarktorientierten Gesellschaften die Pflicht auf, ihre Konzernabschlüsse nach den übernommenen IAS / IFRS zu bilanzieren. Sie bestimmt mithin das „Ob“ der Bilanzierung nach den übernommenen IAS / IFRS. Die IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen wiederum geben den Bilanzierungs78 BVerfG, Urt. vom 15. 12. 1970, 2 BvF 1 / 69, 2 BvR 629 / 68 und 308 / 69, „Abhörurteil“, BVerfGE 30, 1, 24 f.; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 79 Rn. 62 ff.; weiter Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 40. 79 Eine Einbeziehung der Grundrechte über Art. 1 Abs. 3 GG, wie sie insbesondere von Wernicke, in: Bonner Kommentar, GG, Erstb., Art. 1 Abs. 3, Erl. II 5 b vertreten wurde, verträgt sich nicht mit dem Wortlaut des Art. 79 Abs. 3 GG, der nicht von den Art. 1 bis Art. 20 GG, sondern explizit von den Art. 1 und 20 GG spricht (so auch Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 39; Bryde, in: v. Münch / Kunig, Art. 79 Rn. 36). 80 BVerfG, Urt. vom 03. 03. 2004, 1 BvR 2378 / 98, 1 BvR 1084 / 99, BVerfGE 109, 297, 310 f.; Bryde, in: v. Münch / Kunig, Art. 79 Rn. 36; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 79 Rn. 45 ff.; Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 42; Lücke, in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 79 Rn. 31; Stern, JuS 1985, 329, 337. Zusätzlich werden die Kommunikationsgrundrechte durch den Verweis auf das Demokratieprinzip geschützt gesehen. 81 Bryde, in: v. Münch / Kunig, Art. 79 Rn. 36; Dreier, in: ders., GG, Art. 79 Rn. 26; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 10, Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 79 Rn. 56.
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pflichtigen inhaltlich die (z. T. sehr speziellen und umfangreichen) Regeln vor, nach denen die Konzernbilanzierung zu erfolgen hat. Die IAS / IFRS-Rechtsakte betreffen – wiewohl in unterschiedlicher Intensität – unterschiedliche Grundrechte. Zu nennen ist die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG, das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, als Auffanggrundrecht die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, die – sofern Adressat der Pflichten inländische juristische Personen sind – wesensmäßig gem. Art. 19 Abs. 3 GG auf diese anwendbar sind.82 Eventuelle Eingriffe in den Schutzbereich dieser Grundrechte durch die IAS / IFRS-Basisverordnung oder die jeweilige Übernahmeverordnung wären nur dann grundgesetzlich gerechtfertigt, wenn sie die in den jeweils betroffenen Grundrechten vorgesehenen Schranken, z. B. hinsichtlich des Gesetzesvorbehaltes, und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten würden. Allerdings ist es jedoch sehr zweifelhaft, ob die IAS / IFRS-Basisverordnung sowie die auf ihrer Grundlage bisher ergangenen IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen die Grenze des von Art. 79 Abs. 3 GG gezogenen Grundrechtsschutzes überschreiten. Denn, auch wenn die IAS / IFRS-Rechtsakte durchaus in den Schutzbereich der oben genannten Grundrechte fallen, so ist der von Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Grundrechtsbereich doch sehr eng. Art. 79 Abs. 3 GG schützt nämlich nur den Menschenwürdegehalt eines Grundrechts.83 Die Menschenwürde ist tragendes Konstitutionsprinzip und oberster Verfassungswert.84 Sie kann als der soziale Wert- und Geltungsanspruch umschrieben werden, der dem Menschen wegen seines Menschseins zukommt.85 Nach der sog. „Objektformel“ ist es „mit der Würde des Menschen nicht vereinbar [ . . . ], ihn zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen“.86 Obzwar die durch die IAS / IFRS-Rechtsakte möglicherweise betroffenen Grundrechte aus Art. 14, 12, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG sämtlich an der Menschenwürde teilnehmen, ist der diesen Grundrechten zugrunde liegende Menschenwürdegehalt doch eher begrenzt und bei Anwendung auf juristische Personen wohl noch weniger betroffen. Schwerlich wird davon auszugehen sein, dass die Bilanzierungsverpflichtung für kapitalmarktorientierte Unternehmen nach der IAS / IFRS-Basisverordnung oder die konkreten Bilanzierungsregeln der bislang übernommenen IAS / IFRS in den von der Menschenwürde erfassten Gehalt der Grundrechte aus Art. 14, 12, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG 82 Allgemein zur Grundrechtsrelevanz von Bilanzierungspflichten Berberich, Framework, S. 142 ff., jedoch ohne Hinweis auf den Gleichheitssatz. 83 Siehe oben Kapitel 3 Fn. 78. 84 BVerfG, Urt. vom 03. 03. 2004, 1 BvR 2378 / 98, 1 BvR 1084 / 99, BVerfGE 109, 297, 311. 85 BVerfG, Beschl. vom 20. 10. 1992, 1 BvR 698 / 89, BVerfGE 87, 209, 227; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 6. 86 BVerfG, Urt. vom 03. 03. 2004, 1 BvR 2378 / 98, 1 BvR 1084 / 99, BVerfGE 109, 297, 312.
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eingreifen. Es kann also nicht behauptet werden, dass die IAS / IFRS-Rechtsakte hinsichtlich ihrer Grundrechtsrelevanz bislang die absolute Grenze des Übertragbaren überschreiten würden und deshalb innerstaatlich unverbindlich wären. Nichts anderes ergibt sich, wenn als Maßstab der grundrechtlichen Prüfung der IAS / IFRS-Rechtsakte nicht derjenige der entsprechenden Anwendung des Art. 79 Abs. 3 GG herangezogen wird, sondern in Anlehnung an die Diktion des BVerfG der „Wesensgehalt der Grundrechte“, der auch „gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft Bestand haben“ muss.87 Dieser bildet nach der Rechtsprechung eine Grenze der innerstaatlichen Verbindlichkeit sekundären Gemeinschaftsrechts. Dies ist insofern interessant, als das BVerfG selber entschieden hat, dass der Wesensgehalt der Grundrechte (Art. 19 Abs. 2 GG) nicht identisch ist mit dem von Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG in entsprechender Anwendung geschützten Menschenwürdegehalt der Grundrechte,88 sondern weiter89 und somit auch der Bereich der innerstaatlichen Unverbindlichkeit nach dieser Rechtsprechung früher erreicht wird.
Es lässt sich nicht vertreten, dass die IAS / IFRS-Rechtsakte den Wesensgehalt90 der in Art. 14, 12, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechte antasten. Anerkanntermaßen sind Bilanzierungspflichten als solche, z. B. in der bislang im HGB bestehenden Form, mit dem Grundgesetz vereinbar. Nichts anderes kann ernsthaft von der Aufstellung einer Bilanzierungspflicht durch die IAS / IFRS-Basisverordnung behauptet werden. Die (übernommenen) IAS / IFRS als konkrete Bilanzierungsregeln weisen zwar viele Unterschiede zu den bislang geltenden Bilanzierungsregeln auf, doch sind auch diese inhaltlich nicht derart ausgestaltet, dass sie essentielle grundrechtliche Wertungen unterlaufen. Insgesamt lässt sich damit festhalten: Da die IAS / IFRS-Rechtsakte trotz ihrer Grundrechtsrelevanz bislang nicht gegen die Grenze des Übertragbaren verstoßen, sind die IAS / IFRS-Rechtsakte aus diesem Grunde auch nicht innerstaatlich unverbindlich. Im Übrigen stellt sich nach der BVerfG-Rechtsprechung zur Zeit praktisch-forensisch nicht die Frage nach einer Ausnahme vom Gebot der innerstaatlichen Verbindlichkeit sekundären Gemeinschaftsrechts aufgrund Verstoßes gegen grundgesetzliche Grundrechte.91 Während das BVerfG sich bei Verstößen des Gemeinschaftsrechts gegen grundgesetzliche
87 BVerfG, Beschl. vom 22. 10. 1986, 2 BvR 197 / 83, „Solange II“, BVerfGE 73, 339, 386; BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155, 174 f. 88 BVerfG, Urt. vom 03. 03. 2004, 1 BvR 2378 / 98, 1 BvR 1084 / 99, BVerfGE 109, 297, 310 f.; Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 41; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 36; Lücke, in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 79 Rn. 32; Stern, JuS 1985, 329, 337; a. A. Maunz / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 42. 89 Selmayr / Prowald, DVBl. 1999, 269, 274. 90 Siehe zum strittigen Inhalt dieses Begriffs Nachweise bei Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 40 ff. 91 So auch Classen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 23 Abs. 1 Rn. 54.
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Grundrechte für entscheidungsberufen ansah, „Solange der Integrationsprozeß der Gemeinschaft nicht so weit fortgeschritten ist, daß das Gemeinschaftsrecht auch einen von einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehenden formulierten Katalog von Grundrechten enthält, der dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes adäquat ist“ [Hervorhebung durch Verf.],92 rückte es in seiner „Solange II“-Entscheidung von dieser Position ab. Das BVerfG lehnte es ab, seine Gerichtsbarkeit über die Anwendung von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht auszuüben und am Maßstab der grundgesetzlichen Grundrechte zu prüfen, „Solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzuachten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt“ [Hervorhebung durch Verf.].93 Nachdem das Maastricht-Urteil mit seinem Hinweis auf das „Kooperationsverhältnis“ des BVerfG zum EuGH hinsichtlich des Grundrechtsschutzes dahingehend Verwirrung gestiftet hatte, ob es nicht doch seine Gerichtsbarkeit ausüben werde, bestätigte es im sog. „Bananenmarktordnungs-Beschluss“ seine Solange II-Rechtsprechung. Gemäß des jüngsten Judikates erachtet das BVerfG Verfassungsbeschwerden und Gerichtsvorlagen, die eine Verletzung von grundgesetzlichen Grundrechten durch Sekundärrecht geltend machen, als unzulässig, wenn diese nicht darlegen, dass „die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Ergehen der Solange II-Entscheidung [ . . . ] unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken sei“, wozu im Einzelnen darzulegen ist, dass der „jeweils als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet ist“ [Hervorhebung durch Verf.].94 Da das BVerfG den unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz momentan generell durch den EuGH gewahrt sieht, ist es demnach heute praktisch unmöglich, die innerstaatliche Unverbindlichkeit sekundären Gemeinschaftsrechts vor dem BVerfG zu erzwingen. Die erwähnten Entscheidungen sind nicht ohne Kritik geblieben, besonders hinsichtlich der Fragen, ob das BVerfG auf die Ausübung seiner Gerichtsbarkeit überhaupt verzichten könne,95 ob die Betonung der generellen Gewährleistung nicht durch die Gewährleistung von Rechtsschutz im Einzelfall96 und ob die vom BVerfG aufgestellten Kriterien scharf genug seien, um weitere Unklarheiten im Verhältnis EuGH-BVerfG zu beseitigen.97 Darauf braucht im Rahmen dieser Untersuchung jedoch nicht eingegangen zu werden.
BVerfG, Beschl. vom 29. 03. 1974, BvL 52 / 71, „Solange I“, BVerfGE 37, 271, 285. BVerfG, Beschl. vom 22 10. 1986, 2 BvR 197 / 83, „Solange II“, BVerfGE 73, 339, 387. 94 BVerfG, Beschl. vom 07. 06. 2000, 2 BvL 1 / 97, „Bananenmarktordnung“, BVerfGE 102, 147, 164. 95 Classen, JZ 2000, 1157, 1158; Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 157. 96 Z. B. Streinz, Grundrechtsschutz, S. 299; Horn, DVBl. 1995, 89, 95; Kirchner / Haas, JZ 1993, 760, 763; Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 24 Abs. 1 Rn. 158 ff. m. w. N. 97 Siehe dazu z. B. Nettesheim, NVwZ 2002, 932 ff.; Schmid, NVwZ 2001, 249, 253. 92 93
C. Einhaltung der Verbindlichkeitsgrenzen durch die IAS / IFRS-Rechtsakte?
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c) Grundgesetzliches Demokratieprinzip In entsprechender Anwendung der Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG wird der in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG niedergelegte Grundsatz der Demokratie geschützt. Dieser bildet somit eine weitere Grenze, die durch die IAS / IFRS-Rechtsakte nicht überschritten werden dürfen. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind insbesondere im Hinblick auf das in der IAS / IFRS-Basisverordnung angeordnete Übernahmeverfahren von Bedeutung. Ein Verstoß würde zur Unverbindlichkeit der IAS / IFRS-Basisverordnung und der auf ihr beruhenden Übernahmeverordnungen in Deutschland führen. Das Demokratieprinzip ist nicht in jeglicher Ausformung, das es in der Verfassung sowie in der Verfassungsrechtsprechung gefunden hat, geschützt, sondern lediglich in seinem unmittelbar von Art. 20 GG gewährleisteten Kernbereich.98 Dieser unberührbare Kernbereich des Demokratieprinzips umfasst einerseits das Mehrheitsprinzip, die Herrschaft auf Zeit, periodisch wiederkehrende Wahlen, die grundlegenden Wahlrechtsgrundsätze, darüber hinaus die essentiellen Voraussetzungen einer funktionierenden Demokratie, wie z. B. einen freien Prozess politischer Willensbildung, Öffentlichkeit und Transparenz sowie die grundlegenden Kommunikationsgrundrechte.99 Andererseits – und hier von besonderer Bedeutung – wird von Art. 79 Abs. 3 GG das Prinzip der Volkssouveränität erfasst, das in Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“) zum Ausdruck kommt.100 Das BVerfG formuliert dazu in seinem Maastricht-Urteil prägnant: Zum nicht antastbaren Gehalt des Demokratieprinzips gehört, „daß die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse sich auf das Staatsvolk zurückführen lassen und grundsätzlich ihm gegenüber verantwortet werden. Dieser notwendige Zurechnungszusammenhang läßt sich auf verschiedene Weise, nicht nur in einer bestimmten Form, herstellen. Entscheidend ist, daß ein hinreichend effektiver Gehalt an demokratischer Legitimation, ein bestimmtes Legitimationsniveau erreicht wird“.101
Die IAS / IFRS-Rechtsakte müssen sich demnach durch die ununterbrochene Rückführbarkeit auf das deutsche Staatsvolk demokratisch legitimieren lassen können.102 Lässt sich der Erlass dieser Rechtsakte nicht derart auf das deutsche Staatssubjekt zurückführen, dass noch ein hinreichend effektives Legitimationsniveau besteht, so wären diese innerstaatlich unverbindlich. Siehe oben Kapitel 3 C. II. 2. a). Dreier, in: ders., GG, Art. 79 III Rn. 31 ff.; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 41; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 79 Rn. 56; Lücke / Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 64 ff. 100 Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 79 Rn. 39. 101 BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155, 182. 102 Allg. Rubel, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 79 Rn. 37; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 79 Rn. 56. 98 99
246
Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
Die Untersuchung der Vereinbarkeit des in der IAS / IFRS-Basisverordnung angeordneten Übernahmeverfahrens der privaten IAS / IFRS mit der europarechtlichen Ausprägung des Demokratieprinzips war bereits Gegenstand ausführlicher Analyse. Sie förderte – neben dem Ergebnis, dass das Übernahmeverfahren als Mittel der Inkorporation privater Regeln das europarechtliche Demokratieprinzip nicht verletzt – zu Tage, dass es mit manchen Defiziten behaftet ist, denen hier aus der spezifischen Perspektive des Art. 79 Abs. 3 GG nachgegangen werden soll.
aa) Verstoß der IAS / IFRS-Basisverordnung gegen die grundgesetzliche Wesentlichkeitstheorie? Als ein Kritikpunkt am Endorsementverfahren war der Umstand untersucht worden, dass Rat sowie Europäisches Parlament im IAS / IFRS-Basisrechtsakt die weitgehende Befugnis zur Übernahme auf die Kommission übertragen und sich diese nicht selbst vorbehalten haben. Obwohl die Übertragung dieser Befugnis mit Art. 202, 3. Sp. EGV vereinbar ist, weil darin in Übereinstimmung mit den Kriterien der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur keine wesentliche und damit dem Rat und dem Parlament zwingend vorzubehaltende Regelungsmaterie vorliegt, ist zu überlegen, ob aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts nicht die Maßstäbe der grundgesetzlichen Wesentlichkeitstheorie zugrunde gelegt werden müssten, die eine solche Übertragung wegen der Grundrechtsrelevanz der Bilanzierungspflicht möglicherweise nicht erlauben würde. Das würde aber voraussetzen, dass die deutsche Wesentlichkeitstheorie, die in Deutschland dogmatisch (auch) an das Demokratieprinzip angeknüpft wird,103 zu den in Art. 20 GG „niedergelegten Grundsätzen“ gehört und damit von Art. 79 Abs. 3 GG geschützt ist. Die Wesentlichkeitstheorie, nach der der (parlamentarische) Gesetzgeber wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen hat, gehört jedoch nicht zum (eng auszulegenden) Kernbereich des Demokratieprinzips. Der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Kernbereich verlangt (nur, aber immerhin) die ununterbrochene Rückführbarkeit auf das deutsche Staatsvolk. Diese ist auch dann gewährleistet, wenn die Legislative eine Vielzahl von Befugnissen auf die Exekutive überträgt, solange sie selber in den Entscheidungsprozess eingebunden bleibt. Mit dem Hinweis auf die mögliche Nichteinhaltung des grundgesetzlichen Wesentlichkeitsgrundsatzes kann die Übertragung der Endorsementbefugnis auf die Kommission und damit die IAS / IFRS-Basisverordnung nicht als unverbindlich in Deutschland qualifiziert werden.
103
Siehe nur Dreier, in: ders., GG, Art. 20 D Rn. 110.
C. Einhaltung der Verbindlichkeitsgrenzen durch die IAS / IFRS-Rechtsakte?
247
bb) Keine ausreichende demokratische Legitimation wegen Verwendung des Komitologieverfahrens? Angedacht werden könnte, die IAS / IFRS-Basisverordnung wegen Anordnung der Übernahme der privaten IAS / IFRS in einem Komitologieverfahren nach Art des Regelungsverfahrens und einem damit verbundenen Überschreiten der durch das von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grenze des Demokratieprinzips für unverbindlich zu halten. Obwohl der Einsatz des Regelungsverfahrens nach Art. 5 des Zweiten Komitologiebeschlusses aus Sicht des europarechtlichen Demokratieprinzips nicht ganz unproblematisch ist,104 sind die erörterten Defizite für die Frage der Überschreitung der Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit des IAS / IFRS-Rechtsakte nur dann relevant, wenn sich diese so auswirken, dass sich die IAS / IFRS-Rechtsakte inhaltlich und personell nicht auf das deutsche Staatsvolk als Legitimationssubjekt auf einem hinreichenden Legitimationsniveau zurückführen lassen. Die IAS / IFRS-Basisverordnung selbst ist in einem ordentlichen gemeinschaftsrechtlichen Rechtssetzungsverfahren gem. Art. 251 EGV durch Rat und Europäisches Parlament gemeinsam erlassen worden. Es besteht kein Zweifel, dass dieser Rechtsakt sich in hinreichend konkreter Weise auf das deutsche Staatsvolk zurückführen lässt, weil der Rat den IAS / IFRS-Basisrechtsakt erlassen hat, der IAS / IFRS-Basisrechtsakt sich auf den EGV zurückführen lässt und der EGV vom deutschen Bundestag und Bundesrat ratifiziert wurden. Die IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen, die ein Komitologieverfahren durchlaufen und von der Kommission erlassen werden, lassen sich hingegen auf das deutsche Staatsvolk nur über zusätzliche Glieder der Legitimationskette zurückführen, deren eigene personelle Legitimation vergleichsweise schwach ist.105 Auch wenn damit die Gefahr einer sich mehr und mehr verflüchtigenden demokratischen Legitimation der Übernahmeentscheidung der privaten IAS / IFRS verbunden ist, so reicht die Übernahme der IAS / IFRS mittels Komitologieverfahren wohl aus, um einen hinreichend effektiven Gehalt an demokratischer Legitimation, so wie Art. 79 Abs. 3 GG dies erfordert, aufzuweisen.106 Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: Das deutsche GG kann nicht verlangen, dass auf europäischer Ebene demokratische Legitimation in identischer Weise hergestellt wird wie auf der Ebene des Nationalstaates.107 Vielmehr muss das GG aus Gründen spezifischer Bedürfnisse der Gemeinschaft und der grundgesetzlichen Offenheit für die europäische Integration ausreichend strukturangepasste Legitimationsmechanismen zulassen. Am Endorsement der IAS / IFRS sind der Rat als Vertreter der Regierungen der MitSiehe oben Kapitel 2 B. IV. 3. d). Vgl. die ausführliche Analyse, die an dieser Stelle nicht wiederholt werden soll, unter Kapitel 2 B. IV. 3. c). 106 Siehe oben Kapitel 2 B. IV. 3. c). 107 BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155, 182. 104 105
248
Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
gliedstaaten, die wiederum von den nationalen Parlamenten kontrolliert werden, und das Europäische Parlament, das durch die Bürger der Mitgliedstaaten gewählt wird, zwar nicht unmittelbar beteiligt. Sie wirken durch den Erlass der IAS / IFRSBasisverordnung und der dort aufgestellten Übernahmekriterien jedoch mittelbar steuernd bei der Übernahme mit. Zudem sind sie, wenn auch zugegebenermaßen in unterschiedlicher inhaltlicher und personeller Intensität, am Komitologieverfahren beteiligt. Dies ist aber ausreichend, um anzunehmen, dass das Endorsementverfahren der privaten internationalen Rechnungslegungsstandards eine den Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 GG entsprechende Rückkoppelung zum deutschen Staatsvolk bietet. Denn weder ist das – in der EG-Rechtssetzung weithin üblich Komitologieverfahren – jemals seitens des BVerfG beanstandet worden noch ist die demokratische Legitimation des Komitologieverfahrens so schwach ausgeprägt, dass deshalb der Kernbereich des Demokratieprinzips berührt wäre.
cc) Defizite bei der Einhaltung ausreichender kompensatorischer Steuerungs- und Sicherungsmechanismen? Die Untersuchung, ob das in der IAS / IFRS-Basisverordnung angeordnete Endorsementverfahren und die darin erfolgende Einbeziehung privater Akteure durch ausreichende Maßnahmen zur prozeduralen und materiellen Steuerung abgesichert wird, hat ergeben, dass – sowohl, was die momentane personelle Besetzung der am Endorsement beteiligten privaten Gremien, als auch, was die inhaltliche Steuerung ihrer Tätigkeit angeht – Defizite erkennbar sind.108 Deshalb könnte man sich auch diesbezüglich die Frage stellen, ob diese Defizite das von Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Demokratieprinzip berühren. Dies ist jedoch eher zu verneinen. Die prozeduralen und materiellen Steuerungsmaßnahmen dienen der Kompensation etwaiger Einbußen der Gemeinwohlorientierung bei der Einschaltung selbstnütziger Privater. Im Falle des Endorsements sind diese Kompensationsvorrichtungen zwar durchaus defizitär. Von einem Berühren des Kernbereichs des Demokratieprinzips könnte man – gerade auch vor dem Hintergrund der engen Auslegung der „Ewigkeitsklausel“ wohl erst sprechen, wenn überhaupt keine Steuerungsvorkehrungen getroffen oder fundamentale strukturelle Mängel sichtbar wären. Es ist jedoch nicht so, dass es überhaupt keine Steuerungsvorkehrungen gäbe. So ist beispielsweise das Verfahren der Erstellung der IAS / IFRS innerhalb des IASB mit seinem due process durchaus gelungen. Die z. T. noch bestehenden Defizite könnten durch eine konsequentere Anwendung der Grundsätze, die sich die privaten Gremien selbst aufgestellt haben, behoben werden. Insgesamt lässt sich damit festhalten: Die IAS / IFRS-Rechtsakte berühren trotz bestehender Defizite nicht den Bereich des in entsprechender Anwendung von Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Demokratieprinzips.
108
Siehe oben Kapitel 2 B. IV. 4. c) cc) sowie Kapitel 2 B. IV. 4. d. ee).
C. Einhaltung der Verbindlichkeitsgrenzen durch die IAS / IFRS-Rechtsakte?
249
II. Grenze der übertragenen Hoheitsrechte Die IAS / IFRS-Gesetzgebung findet ihre weitere Beschränkung in der Grenze des Übertragenen. Damit ist gemeint, dass nur solche Sekundärrechtsakte innerstaatlich verbindlich sind, die sich innerhalb der Kompetenzen bewegen, die der Gemeinschaft durch den innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl eingeräumt worden sind.109 Da dessen Inhalt mit dem von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Gemeinschaftsvertrag übereinstimmt, bemisst sich also die Frage, ob die IAS / IFRS-Rechtsakte die Grenzen des Rechtsanwendungsbefehls einhalten, danach, ob die Gemeinschaft bei ihrem Erlass im Einklang mit dem Kompetenzgefüge des EGV gehandelt hat, wie es durch den Rechtsanwendungsbefehl des Zustimmungsgesetzes in die deutsche Rechtsordnung gespiegelt wird.110 Die Grenze des Übertragenen ist hingegen noch nicht überschritten, wenn Sekundärrechtsakte aus anderen als Kompetenzgründen rechtswidrig sind.111 Für die IAS / IFRS-Rechtsakte bedeutet dies Folgendes: Die bislang erlassenen IAS / IFRS-Übernahmerechtsakte überschreiten nicht die Grenze des Übertragenen, da nicht ersichtlich ist, dass sie kompetenzwidrig, z. B. unter wesentlicher Änderung des in den Verträgen angelegten Integrationsprogramms und seiner Handlungsermächtigungen, ergangen sind. Dass einzelne IAS / IFRS-Übernahmerechtsakte u. U. rechtswidrig sein dürften, weil die Übernahme bestimmter IAS / IFRS gegen die Übernahmekriterien aus Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung verstoßen, führt nicht zur innerstaatlichen Unverbindlichkeit dieser Rechtsakte. Denn ein Verstoß gegen die Übernahmekriterien begründet keinen Verstoß gegen Kompetenzgrenzen, sondern lediglich die Rechtswidrigkeit des IAS / IFRS-Übernahmerechtsaktes aus anderen Gründen. Diese werden aber von der „ultra vires“-Grenze, wie sie sich aus der Rechtsprechung des BVerfG ergibt, nicht erfasst. Genausowenig überschreitet der IAS / IFRS-Basisrechtsakt die Grenze des Übertragenen. Die IAS / IFRS-Basisverordnung ordnet die Verpflichtung kapitalmarktorientierter Unternehmen zur Erstellung des konsolidierten Abschlusses nach den übernommenen IAS / IFRS an und regelt die Art und Weise des Übernahmemechanismus. Sie wurde auf der Grundlage des Art. 95 Abs. 1 EGV als Verordnung und als Maßnahme zur Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Binnenmarktes erlassen. Im Gegensatz dazu war die bisherige europäische Harmonisierung des Bilanzrechts stets mittels Richtlinien auf der Grundlage des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV erfolgt. Die IAS / IFRS-Basisverordnung sowie die auf ihrer Grundlage erlassenen IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen wären dann innerstaatlich unverbindlich, wenn Art. 95 Abs. 1 nicht die geeignete Kompetenzgrundlage für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung wäre. Eine ausführliche Untersuchung der Frage, ob 109 110 111
Siehe oben Kapitel 3 B. II. 2. b). Vgl. Mayer, Kompetenzüberschreitung, S. 107. Siehe oben Kapitel 3 B. II. 2. b).
250
Kap. 3: Übernahme der IAS / IFRS und deutsches Verfassungsrecht
Art. 95 Abs. 1 EGV die richtige Ermächtigungsnorm für den Erlass des IAS / IFRS-Basisrechtsakts als Verordnung ist, wurde bereits vorgenommen. Ergebnis der Analyse war, dass sich Rat und Europäisches Parlament als Gemeinschaftsgesetzgeber für den Erlass der IAS / IFRS-Verordnung auf Art. 95 Abs. 1 EGV stützen durften und damit eine ausreichende Kompetenz für ihr Handeln nach dem EGV gegeben war.112 Aus diesem Ergebnis folgt unmittelbar, dass die IAS / IFRSBasisverordnung sich nicht außerhalb des innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls bewegt und nicht „ultra vires“ ergangen ist.
III. Fazit Die IAS / IFRS-Rechtsakte überschreiten nicht die Grenzen der innerstaatlichen Verbindlichkeit, wie sie das BVerfG und ein Teil der Literatur aufstellen. Das bedeutet, dass die IAS / IFRS-Basisverordnung sowie die bislang erlassenen IAS / IFRS-Übernahmerechtsakte auch nach der Auffassung, die annimmt, dass europäisches Sekundärrecht im Einzelfall unanwendbar bleiben kann, innerstaatlich verbindlich sind. Daraus folgt ferner, dass die oben beschriebene Streitfrage, ob innerstaatliche Geltung und Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht überhaupt beschränkbar sind,113 nicht entschieden zu werden braucht.
D. Ergebnis Mit dem Ergebnis, dass die IAS / IFRS-Rechtsakte innerstaatlich verbindlich sind, kann gleichzeitig zum Ausgangspunkt dieses Kapitels zurückgekehrt werden. Die Zweifel, die in der Literatur an der innerstaalichen Anwendbarkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte geäußert wurden, erweisen sich nach der genauen Analyse als unbegründet. Auch und gerade der Rückgriff auf die „Maastricht“-Rechtsprechung des BVerfG vermag im Falle der IAS / IFRS-Rechtsakte die These von einer innerstaatlichen Unanwendbarkeit nicht zu fundieren.
112 113
Siehe oben Kapitel 2 A. IV. Siehe oben Kapitel 3 B. II.
Kapitel 4
Anwendung und Auslegung der in das Gemeinschaftsrecht übernommenen IAS / IFRS IAS / IFRS werden mit der Übernahme in Kommissionsverordnungen zu gemeinschaftsrechtlich verbindlichen Normen. Der Adressat ist gehalten, diese Rechtsnormen korrekt anzuwenden, wobei sich – wie bei allen Rechtsnormen – stets Anwendungs- und Auslegungsprobleme ergeben können. Die weiteren Ausführungen haben zum Ziel, methodische Hinweise zur Anwendung der „endorsed“ IAS / IFRS sowie insbesondere zu ihrer Auslegung und Lückenfüllung zu geben. Dies ist aus unterschiedlichen Gründen notwendig. Die endorsed IAS / IFRS stammen ursprünglich inhaltlich und konzeptionell aus der Feder des privaten Gremiums IASB. Damit stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Übernahme dieser privaten Regeln in verbindliches Europarecht, die darüber hinaus nicht für alle Elemente des IAS / IFRS-Normsystems erfolgt, auf die korrekte Anwendung und Auslegung der IAS / IFRS als Europarecht haben. Zu-dem weisen die IAS / IFRS eine für den kontinentaleuropäischen Rechtsanwender ungewöhnliche Regelungsart auf, in welcher neben abstrakten Vorschriften gleichberechtigt kommentarhafte Erläuterungen, Wiederholungen oder (Rechen-) Beispiele stehen.1 Außerdem existiert mit dem International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) institutionell ein Organ, welches die Aufgabe hat, offizielle Auslegungen der Standards auszuarbeiten, die als „authentische“ Interpretationen zu den IAS / IFRS veröffentlicht und gleichfalls in das Gemeinschaftsrecht übernommen werden, um eine möglichst einheitliche Anwendung der IAS / IFRS zu ermöglichen. Darin wird das Bestreben deutlich, es möglichst gar nicht erst zu Auslegungsfragen kommen zu lassen und diese – sollte es doch einmal vorkommen – möglichst nicht durch den Rechtsanwender, sondern durch den privaten Normgeber selbst lösen zu lassen. Obwohl methodische Aussagen zu diesen exemplarisch aufgeworfenen Problemen von herausragender (auch praktischer) Bedeutung sind, steht die Befassung mit diesen Fragen für die „endorsed“ IAS / IFRS nach Auffassung von Hauck und Prinz im bilanzrechtlichen Schrifttum gerade erst „am Anfang“.2 1 Vgl. P. Buck, JZ 2004, 883, 887; Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173, 175; ders., ZIP 2003, 93, 97 f. 2 Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 638.
252
Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
Bevor jedoch detailliert die Leitlinien der Anwendung und Auslegung der „endorsed“ IAS / IFRS dargestellt werden, soll in kurzen Sätzen geklärt werden, was methodisch unter den Begriffen „Anwendung“ und „Auslegung“ zu verstehen ist. Außerdem sind die wichtigsten Charakteristika des Normsystems der IAS / IFRS in ihrer privaten Konzeption herauszuarbeiten, insoweit sie Aufschluss über die Anwendung und Auslegung endorsed IAS / IFRS geben, als dadurch Unterschiede zur Anwendung und Auslegung der privaten IAS / IFRS aufgezeigt werden können.
A. Methodische Einordnung der Anwendung und Auslegung von Rechtsnormen Die Anwendung von Gesetzen beschreibt einen komplexen Vorgang. Ziel der Gesetzesanwendung ist es, einen bestimmten Lebenssachverhalt anhand einschlägiger Normen zu messen, um festzustellen, ob sich für diesen Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge aus dem Gesetz ergibt.3 Dazu steht – in vereinfachter Darstellung – an erster Stelle der Gesetzesanwendung zunächst die Ermittlung des zu beurteilenden Lebensvorganges, welcher zu einem Sachverhalt geformt wird.4 In einem weiteren Schritt ist die zur Beurteilung des herausgearbeiteten Sachverhalts „passende“ Rechtsnorm (oder die „passenden“ Rechtsnormen) zu bestimmen.5 Ist die richtige Norm gefunden, so folgt – idealerweise – die Subsumtion, d. h. die Überprüfung, ob die konkreten Umstände des Sachverhaltes dem Tatbestand der gefundenen Norm unterfallen.6 Lässt sich der Sachverhalt unter diese Vorschrift subsumieren, so tritt die in der Norm vorgesehene Rechtsfolge ein.7 Eines der Hauptprobleme innerhalb des Anwendungsprozesses liegt auf der Schnittstelle zwischen Feststellung der passenden Rechtsnorm und Subsumtion. Denn häufig ist es unmöglich, die Umstände des Sachverhaltes an den Merkmalen des Tatbestandes zu messen, ohne dabei die Norm selbst näher zu bestimmen. Ursache dafür kann sein, dass die gefundene Rechtsnorm aus sich selbst heraus nicht verständlich, mehrdeutig oder sonstwie unklar ist.8 An dieser Stelle kommt die Ähnlich Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 655. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 661; zu den bereits hier methodisch auftauchenden Schwierigkeiten Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 99 ff. 5 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 662, 658; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 3, 5 f.; vertiefend zu Problemen Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 86 ff., grundlegend auch Engisch, Logische Studien, S. 15. („Hin- und Herwandern des Blickes“). 6 Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 3, 22 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 663, 683 ff.: Subsumtion als „Beziehung zwischen dem konkretisierten Rechtssatz und dem konkreten Tatsachenumstand“; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 395 ff.: Subsumtion als rein deduktiver Vorgang. 7 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 664. 8 Siehe dazu auch Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 133 f.; eine Auslegung kann nach deutschem Verständnis aber auch bei (vermeintlich) klaren Normtexten erforderlich sein, was 3 4
B. Normsystem der IAS / IFRS als private Verlautbarungen des IASB
253
Auslegung ins Spiel.9 Unter Auslegung des Gesetzes wird gemeinhin der Vorgang verstanden, durch welchen der Rechtsanwender sich Sinn und Bedeutung einer Norm bzw. ihrer Merkmale zum Verständnis bringt.10 Sie stellt einen im juristischmethodischen Sprachgebrauch zentralen Unterabschnitt der juristischen Anwendung von Gesetzen dar. Sie folgt bestimmten Methoden, die zur Einheitlichkeit und allgemeinen Nachvollziehbarkeit – auch aus Gründen der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung – der gefundenen Ergebnisse beitragen. Auslegung im juristischen Sinne ist zudem zu unterscheiden von der Rechtsfortbildung. Die Rechtsfortbildung ist selbst ein Teil der Anwendung. Mit der Auslegung hängt sie insoweit zusammen, als sie stets erst „dort beginnt, wo die Auslegung aufhört“. Die Rechtsfortbildung ist in gewisser Weise die „Fortsetzung der Auslegung“.11
B. Grundriss des Normsystems und der Anwendungsund Auslegungskonzeption der IAS / IFRS als private Verlautbarungen des IASB I. Die Elemente des Rechnungslegungsnormsystems des IASB Das gesamte System der internationalen Rechnungslegungsnormen des IASB lässt sich nicht auf die IAS / IFRS reduzieren, sondern setzt sich aus fünf Elementen zusammen. Dazu gehören das Vorwort zu den International Financial Reporting Standards (sog. Preface), das Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen (sog. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements), die Standards, bestehend aus den International Accounting Standards (IAS) und den International Financial Reporting Standards (IFRS), die Interpretationen, bestehend aus solchen des International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) und solchen seines Vorgängers Standing Interpretation Committee (SIC), sowie die Anwendungsleitlinien (sog. Implementation Guidance, IG) einschließlich der erläuternden Beispiele (sog. Illustrative Examples).
im Gegensatz zur acte-clair-Doktrin steht, wie sie in manch anderen Ländern herrscht, dazu nur Lutter, JZ 1992, 593, 595. 9 Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 3. 10 Allg. Meinung, siehe nur Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 133; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 717; Wank, Auslegung von Gesetzen, S. 20; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 42; Engisch, Einführung, S. 73 ff.; Lutter, JZ 1992, 593, 595; Köbler, in: Deutsches RechtsLexikon, „Auslegung“. 11 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 187; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 467, 471; Engisch, Einführung, S. 193 f.
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
1. Preface Das „Preface to International Financial Reporting Standards“ in seiner jüngsten Fassung von Mai 2002 enthält einen Kurzabriss der Geschichte des IASB (P.1 – 5), stellt die Ziele des IASB heraus (P.6) und beschreibt das Verfahren zur Entwicklung neuer oder Veränderung bestehender IFRS (due process in P.18 – 19). Daneben bestimmt das Preface die Reichweite und die Autorität der Standards. In ihm finden sich Erläuterungen zu den Adressaten der Bilanzierung nach IAS / IFRS (P.9 – 10) und den Bestandteilen eines kompletten IFRS-Abschlusses (P.11) sowie Hinweise zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von IFRS und zur Arbeitssprache. Mit den Standards ist das Preface dadurch verknüpft, indem am Anfang eines jeden Standards darauf hingewiesen wird, dass die Ausführungen des Standards im Kontext des Preface zu lesen und zu verstehen sind. 2. Framework Das „Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements“, das in seiner aktuellen Form noch aus dem Jahre 1989 stammt, enthält seiner Zielsetzung nach die konzeptionelle Grundlage der Rechnungslegung nach den IAS / IFRS.12 Adressaten des Frameworks sind der IASB, nationale Standardsetzer, Ersteller von IFRS-Abschlüssen, Prüfer solcher Abschlüsse, Benutzer dieser Abschlüsse und sonstige an der Rechnungslegung nach IFRS Interessierte (F.1). Das Framework enthält ausführliche Erläuterungen zu den Zielen von Abschlüssen nach IFRS (F.12 – 21) und den ihr zugrundeliegenden Prämissen (F.22 – 23). Darüber hinaus beschreibt es die qualitativen Anforderungen an Abschlüsse (F.24 – 46). In allgemeiner Form definiert das Framework zudem die Voraussetzungen des Ansatzes und der Bewertung von Posten der IFRS-Bilanz, wie z. B. des Vermögensgegenstandes (asset), der Verbindlichkeit (liability) etc. (F.47 – 101).13 Das Framework schließt mit der Angabe seiner eigenen Konzeption von Kapital und Kapitalerhaltung (F.102 – 110).
Auf dieser Basis hat das Framework die wichtige Aufgabe, konzeptionelles Hilfsmittel für die Ausarbeitung neuer Standards, der Überarbeitung bestehender Standards und bei der Anwendung der IFRS zu sein (F.1).14 3. Standards Die Standards setzen sich zusammen aus den International Accounting Standards (IAS) und den International Financial Reporting Standards (IFRS).15 12 Wollmert / Achleitner, WPg 1997, 209; Hommelhoff, in: GroßkommHGB, Anh. § 292a Rn. 16; Schöllhorn / Müller, DStR 2004, 1623, 1624. 13 Ausführlich dazu Baetge / Zülch, in: HdJ I / 2, Rn. 210 ff. 14 Wollmert / Achleitner, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, Teil A Kapitel II Rn. 8.
B. Normsystem der IAS / IFRS als private Verlautbarungen des IASB
255
Im Gegensatz zum allgemein gehaltenen Framework regeln die Standards in grundsätzlich abschließender Weise bilanzielle Einzelfragen.16 Ausnahmsweise enthalten einzelne Standards aber auch grundsätzliche, alle Standards und bilanzielle Einzelthemen übergreifende Aussagen. Die Standards werden in der zeitlichen Reihenfolge ihrer Entstehung, nicht in der sachlichen Reihenfolge durchnummeriert; jedoch kann von der Höhe der Zahl nicht mehr auf das Alter bzw. die Aktualität eines Standards zurückgeschlossen werden, da die Standards zwischenzeitlich z. T. bereits überarbeitet wurden.17 Die IFRS folgen einem einheitlichen Gliederungsschema, wobei leichte Unterschiede zwischen dem Aufbau der (älteren) IAS und dem der (jüngeren) IFRS bestehen. Jeder Standard ist mit einem knappen Inhaltsverzeichnis versehen. Auf dieses folgt eine kurze Einleitung (introduction), welche eine Zusammenfassung der Inhalte des Standards wiedergibt, Gründe für Änderungen anführt oder die wesentlichen Veränderungen zum vorher gültigen Standard darstellt. Der eigentliche Regelungsbereich eines Standards beginnt mit der Angabe des Regelungsziels (objective). Es folgt die Abgrenzung des Anwendungsbereiches (scope) durch die Bestimmung der sachlichen und persönlichen Reichweite des Standards.18 Bei den IAS werden daraufhin die in dem betreffenden Standard verwendeten Begriffe definiert. Auch die IFRS weisen standardspezifische Definitionen auf; diese erscheinen jedoch erst im Anhang am Schluss des Standards. Erst im Anschluss daran finden sich die Bilanzierungsvorschriften, welche das „Herzstück“ des Standards zeigen. Sie sind meist nach inhaltlichen Überschriften gegliedert.19 Von ähnlich großer Bedeutung wie die materiellen Bilanzierungsregeln sind die Ausführungen zu den erforderlichen Angaben in den Instrumenten der finanziellen Berichterstattung (d. h. Bilanz, Anhang, Gewinn- und Verlustrechnung etc.) und zu der Art und Weise ihrer Darstellung (presentation and disclosure). Diesen beiden Regelungsabschnitten innerhalb des jeweiligen Standards folgen Übergangsvorschriften (transitional provisions) und präzise Angaben zum Inkrafttreten (effective date). Dem Standard selbst ist oft ein Anhang (appendix) beigefügt, der unterschiedlichen Inhalts sein kann, bei den IFRS jedoch stets die Definitionen enthält. Ohne selbst integraler Bestandteil eines Standards zu sein, redaktionell diesen allerdings zugeordnet, finden sich – häufig im Anschluss zum Appendix – umfangreiche Ausführungen zu den Grundlagen der Beschlussfassung (Basis of Conclusion). Sie enthalten die Begründungserwägungen, die den IASB bewogen haben, die Regelungen des betreffenden Standards in der beschlossenen Form zu treffen. Dabei werden auch die erwogenen Regelungsalternativen dargestellt und die Gründe angegeben, die für die ablehnende Entscheidung gesprochen haben. Darüber hinaus können die Gegenpositionen einzelner IASB-Mitglieder (dissenting opinions) – ähnlich wie dies aus Urteilen des BVerfG oder aus dem
15 Alle neu erarbeiteten Standards heißen seit der Umstrukturierung der IASC Foundation im Jahre 2001 nunmehr IFRS. Terminologisch zu beachten ist allerdings, dass gem. IAS 1.11 die Abkürzung IFRS nicht nur für einen Standard steht, sondern darüber hinaus der Oberbegriff für alle Standards und Interpretationen, die durch den IASB angenommen wurden, ist. 16 Baetge / Zülch, in: HdJ I / 2, Rn. 182; Wagenhofer, IAS / IFRS, S. 107. 17 Hommelhoff, in: GroßkommHGB, Anh. § 292a Rn. 17; Wollmert / Achleitner, WPg 1997, 209, 210. 18 Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 34. 19 Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 34.
256
Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
angelsächsischen Rechtsraum bekannt ist – in der Basis of Conclusion aufgeführt werden. Häufig sind die Ausführungen der Basis of Conclusion umfangreicher als der eigentliche Regelungskern des Standards.
4. Interpretationen Ein weiteres wichtiges, wenn auch ein eigentümliches Element des IAS / IFRSNormsystems stellen die Interpretationen dar, von denen alle, die noch durch das Standing Interpretation Committee erarbeitet wurden, SIC-Interpretationen (SIC) heißen, während die seit 2001 vom International Financial Reporting Interpretation Committee erarbeiteten Interpretationen IFRIC-Interpretationen (IFRIC) genannt werden.20 SIC und IFRIC sind für den Anwender verpflichtend zu beachten.21 Sie beantworten punktuelle Zweifelsfragen, die im Zusammenhang mit der Anwendung der Standards aufgetreten sind. Aus diesem Grunde existieren nicht zu jedem Standard SIC oder IFRIC. Die SIC und IFRIC sind – ähnlich wie die IAS und IFRS – nach einem gleichbleibenden Schema aufgebaut. An erster Stelle stehen die Bezugsnormen (sog. References), auf die sich die Interpretationen beziehen. Darauf folgt bei den IFRIC eine knappe Angabe der Hintergründe (background) sowie des Anwendungsbereiches der Interpretation (scope). Im Anschluss daran wird das Problem, das der Interpretation bedarf, aufgeworfen (issue). Dies geschieht stilistisch manchmal durch die Formulierung eines Fragesatzes (vgl. z. B. IFRIC 2.4). Die Fragestellung wird durch einen Beschluss beantwortet (consensus), der die Lösung für das aufgeworfene Problem enthält. Neben fakultativen Ausführungen zu der Art und Weise der Offenlegung (disclosure) sowie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens (effective date) enthalten die SIC und IFRIC – ähnlich wie die Standards – Erwägungsgründe (Basis for Conclusion), welche in z. T. umfassender Form die unter consensus aufgeführte Lösung begründen, dabei auch Hinweise auf alternative Lösungsmöglichkeiten geben und aufführen, weshalb diese Alternativen verworfen wurden. Manche IFRIC enthalten zudem erläuternde Beispiele (illustrative examples), die in Form von kurzen Sachverhalten und dazu gehörigen Lösungen aufgebaut sind.
Insgesamt fällt eine gewisse Ähnlichkeit im Aufbau der Interpretationen zu den Standards selber auf. Festzuhalten ist außerdem, dass die neueren IFRIC-Interpretationen im Vergleich zu jenen des SIC immer ausführlicher und umfangreicher ausfallen. 5. Anwendungsleitlinien Anwendungsleitlinien (Implementation Guidance) gehören nicht zwingend zu den Elementen, die jeden Standard begleiten müssen. Sie werden jedoch – wenn erforderlich – den Standards textlich hinzugefügt, um Schwierigkeiten bei der Anwendung der Standards zu beseitigen. 20 21
Siehe oben auch Kapitel 1 A. I. Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 35.
B. Normsystem der IAS / IFRS als private Verlautbarungen des IASB
257
Zum ersten Mal wurden Anwendungsleitlinien zu IAS 39 veröffentlicht.22 Zu ihrer Ausarbeitung wurde eigens ein neues Komitee, das Implementation Guidance Committee, gegründet, das solche Anwendungsleitlinien veröffentlicht. Die Anwendungsleitlinien ähneln in ihrer Konzeption in vielen Punkten Kurzlehrbüchern. Sie enthalten Sachverhalte, Fallbeispiele und Rechenaufgaben sowie die dazugehörigen Lösungen und können einen erheblichen Umfang einnehmen. Gerade dieses Normelement erscheint dem deutschen Juristen wohl am ungewöhnlichsten.
II. Ansätze eigener Anwendungs- und Auslegungsgrundsätze im Normsystem der IAS / IFRS Das Rechnungslegungssystem der privaten IAS / IFRS enthält an manchen Stellen eigene Vorgaben, wie die privaten IAS / IFRS angewendet und ausgelegt werden müssen. Soweit diese Vorgaben in das Gemeinschaftsrecht endorsed werden, sind sie auch für die IAS / IFRS-bilanzierungspflichtigen Unternehmen gesetzlich zu beachten
1. Prinzipienorientierung als Charakteristikum der IAS / IFRS Obwohl augenfälliges Merkmal der IAS / IFRS ihr immenser Umfang ist, der in scharfen Gegensatz zum vergleichsweise knappen HGB steht, entspricht es doch überwiegender Auffassung, dass das Rechnungslegungswerk IAS / IFRS grundsätzlich als prinzipienorientiert anzusehen ist.23 Unter prinzipienorientierter Rechnungslegung (principle-based accounting) ist eine Regelungskonzeption zu verstehen, nach der wirtschaftliche Sachverhalte in Übereinstimmung mit fundamentalen, notwendigerweise abstrakten und feststehenden Prinzipien bilanziert werden. Dabei ist zu differenzieren: Prinzipienorientierung kann den Prozess der Regelerarbeitung meinen und verlangen, dass konkrete Bilanzierungsregeln sich aus bestimmten, von vornherein feststehenden Prinzipien deduzieren können lassen müssen.24 Der Grundsatz der Prinzipienorientierung kann auch so verstanden werden, dass er sich auf die Regelungsdichte der Vorschriften bezieht und eine geringe Regelungsintensität und geringe Kasuistik Baetge / Zülch, in: HdJ I / 2, Rn. 184.1. Baetge / Zülch, in: HdJ I / 2, Rn. 310; Wagenhofer, IAS / IFRS, S. 108; ders., BFuP 2002, 230, 234 f.; Schildbach, BFuP 2002, 263, 264; Zeitler, BB 2003, 1529, 1530; Rede des damaligen Vorsitzenden des IASB, Sir David Tweedie, vor dem „Banking, Housing and Urban Affairs“-Ausschuss des US-Senates vom 14. 02. 2002, S. 3, 4, abrufbar unter www.iasb.org / NR / rdonlyres / 33E3DBBE-0854-412B-B75A-2B890CB12902 / 0 / TweedieSeptember2004. pdf (Stand Dezember 2007); a. A. Niehus, DB 2005, 2477, 2478, jedoch ohne nähere Begründung; kritisch auch Ballwieser, Bilanzrecht zwischen Wettbewerb und Regulierung, S. 29. 24 Baetge / Zülch, in: HdJ I / 2, Rn. 305; Lüdenbach / Hoffmann, KoR 2003, 387, 390 f. 22 23
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
verlangt.25 Darüber hinaus kann er auf die Regelanwendung gerichtet sein und verlangen, dass nicht stur jede Einzelregel befolgt werden muss, wenn sich ihre Anwendung als nicht konform mit dem übergeordneten Prinzip erweist.26 Hervorzuheben ist, dass Prinzipienorientierung nicht zwingend bedeutet, dass das Regelungssystem ausschließlich aus generalklauselartigen Normen besteht. Ohne konkrete Einzelfallregeln kommt ein prinzipienorientiertes Regelungssystem in der Regel nicht aus, solange es an Prinzipien ausgerichtet ist.
Im Gegensatz dazu steht konzeptionell die einzelfallorientierte Rechnungslegung (rule-based accounting). Darunter ist eine Regelungskonzeption zu verstehen, die die bilanziell relevanten Ereignisse abschließend mit einer Fülle von konkreten Einzelregeln erfassen will.27 Sie ist eng mit dem angelsächsischen Rechtssystem des „case law“ verbunden,28 in welchem die gerichtlichen Einzelfallentscheidungen als Präjudizien (precedents) gemäß der stare-decisis-Regel alle nachrangigen Gerichte binden und damit gesetzesähnliche Wirkung entfalten.29 Diese Methode, die wegen ihrer Detailliertheit häufig auch „Kochbuchmethode“ (cook book accounting) genannt wird, findet sich dementsprechend häufig bei Bilanzierungssystemen, die dem angloamerikanischen Rechtskreis entstammen. Paradebeispiel sind die US-GAAP.30
Die IAS / IFRS befinden sich „irgendwo auf halbem Wege“ zwischen den sehr kasuistischen US-GAAP und dem abstrakt-generellen HGB. Sie weisen einerseits mit ihrer Detailliertheit, mit ihrem Umfang, mit ihren Anwendungsbeispielen und nicht zuletzt aufgrund ihrer Herkunft Merkmale auf, die eher für eine Einordnung als einzelfallorientiert sprechen.31 Für die Einordnung als prinzipienorientiert spricht aber entscheidend einerseits das Selbstverständnis des IASB als „standard setting body“ der IAS / IFRS32 sowie andererseits die Existenz eines umfänglichen Framework, gemäß dessen F.1 neue Standards unter Berücksichtigung des Konzeptes und der im Framework aufgestellten Grundsätze erarbeitet werden sollen und deshalb idealerweise sich die Standards aus feststehenden Prinzipien ableiten lassen. Lüdenbach / Hoffmann, KoR 2003, 387, 390, 391 f. Lüdenbach / Hoffmann, IFRS, § 1 Rn. 45. 27 Baetge / Zülch, in: HdJ I / 2, Rn. 303. 28 Preißler, DB 2002, 2389. 29 Blumenwitz, Einführung, S. 38 ff. 30 Der rule-based Ansatz der US-GAAP findet sich seit den Bilanzskandalen, wie z. B. Enron, in den USA immer stärkerer Kritik ausgesetzt, dazu ausführlich Lüdenbach / Hoffmann, KoR 2003, 387 ff. 31 Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173, 175 vergleicht die IAS / IFRS deshalb wohl etwas polemisch mit dem Preußischen ALR von 1791, das eine einzelfallorientierte Kodifikation mit mehr als 19.000 Artikeln beinhaltete. 32 Rede des damaligen Vorsitzenden des IASB, Sir David Tweedie, vor dem „Banking, Housing and Urban Affairs“-Ausschuss des US-Senates vom 14. 02. 2002, S. 3, 4, abrufbar unter www.iasb.org / NR / rdonlyres / 33E3DBBE-0854-412B-B75A-2B890CB12902 / 0 /TweedieSeptember2004.pdf (Stand Dezember 2007). 25 26
B. Normsystem der IAS / IFRS als private Verlautbarungen des IASB
259
Für Anwendung und Auslegung der IAS / IFRS ergibt sich damit schon aus dieser Qualifizierung die Notwendigkeit der Berücksichtigung eines möglichst widerspruchsfreien und kohärenten Umgangs mit den IAS / IFRS auf Grundlage der Prinzipien, wie sie sich vornehmlich aus dem Framework ergeben.33
2. Grundlinien eigener Anwendungs- und Auslegungsregeln innerhalb des IAS / IFRS-Normsystems Eine Art „Allgemeiner Teil“ im Normsystem der privaten IAS / IFRS, der sich mit den Bilanzierungsprinzipien und Anwendungsgrundsätzen der IAS / IFRS beschäftigt, lässt sich in bestimmten Vorschriften des Framework, des IAS 1 sowie des IAS 8 erkennen.34 Aus IAS 1.14 ergibt sich das grundlegende Gebot der vollständigen und detailgetreuen Anwendung der IAS / IFRS.35 Es erstreckt sich in Zusammenschau mit IAS 1.11 lediglich auf die „integralen“ Bestandteile der jeweiligen IAS / IFRS.36 Das bedeutet, dass das Vollständigkeitsgebot nicht für die nur redaktionellen Bestandteile der Standards und Interpretationen, wie z. B. die Einleitungen (introduction), Erwägungsgründe (basis of conclusion) und erläuternden Beispiele (illustrative examples) und genauso wenig für das Framework und die Anwendungsleitlinien gilt. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Framework oder andere, in IAS 1.11, .14 nicht genannte Normelemente für die Erstellung eines Abschlusses ohne Relevanz wären, wie sich aus IAS 8.7 herleiten lässt: „When a Standard or an Interpretation specifically applies to a transaction, other event or condition, the accounting policy or policies applied to that item shall be determined by applying the Standard or Interpretation and considering any relevant Implementation Guidance issued by the IASB for the Standard or Interpretation.“
Ausnahmen vom Gebot der vollständigen und getreuen Anwendung von IAS / IFRS lassen sich lediglich aus IAS 1.17 ff. sowie aus dem Grundsatz der Wesentlichkeit (materiality) herleiten. Der Vorbehalt der Wesentlichkeit wirkt sich aus auf die Darstellung im Abschluss und auf die Rechnungslegungsmethoden. So sieht IAS 1.31 ausdrücklich 33 Umso bedenklicher erscheint es dann, dass das Framework nicht „endorsed“ wird. Zu diesem Problem sogleich ausführlich in Kapitel 4 C. I. 34 Ähnlich Bohl, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 1 Rn. 13; im Ansatz auch Lüdemann / Hoffmann, IFRS, § 1 Rn. 55. 35 IAS 1.14: „Financial statements shall not be described as complying with IFRSs unless they comply with all [Hervorhebung des Verf.] the requirements of IFRSs.“ 36 IAS 1.11: „International Financial Reporting Standards (IFRSs) are Standards and Interpretations adopted by the International Accounting Standards Board (IASB). They comprise: (a) International Financial Reporting Standards; (b) International Accounting Standards; and (c) Interpretations originated by the International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) or the former Standing Interpretations Committee (SIC).“
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
vor, dass spezifischen Offenlegungspflichten, die sich aus Vorgaben in den Standards oder Interpretationen ergeben, nicht genügt zu werden braucht, wenn die dadurch veröffentlichte Information unwesentlich ist. Eine ähnliche Rechtsfolge ermöglicht IAS 8.8, indem dieser erlaubt, dass bestimmte Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, wie sie in einem Standard oder einer Interpretation vorgesehen sein können, dann unangewendet bleiben dürfen, wenn die Auswirkung ihrer Anwendung unwesentlich ist. Der Begriff der „Wesentlichkeit“ (materiality) meint Folgendes: Abschlüsse nach IAS / IFRS haben das Ziel, einem möglichst weiten Kreis von Abschlussadressaten entscheidungsnützliche Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln (F.12; IAS 1.7). Um dieses Ziel der Entscheidungsnützlichkeit (decision usefulness) zu erreichen, müssen die vermittelten Informationen bestimmten qualitativen Kriterien entsprechen, zu denen die Verständlichkeit (understandability), Verlässlichkeit (reliability), Vergleichbarkeit (comparability) und Relevanz (relevance) zählen (F.24). Systematisch richtig eingeordnet wird das Prinzip der Wesentlichkeit als ein Bestimmungsmerkmal des Kriteriums der Relevanz.37 Eine Information ist relevant, wenn sie wirtschaftliche Entscheidungen des Abschlussadressaten beeinflussen kann.38 Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach der Auffassung des IASB qualitativ nach Art und Wesen (nature) des Informationsinhalts sowie quantitativ eben nach der Wesentlichkeit (materiality) der Information.39 Das IAS / IFRS-Normsystem enthält an mehreren Stellen Definitionsversuche der Wesentlichkeit. So konstatiert F.30, dass eine Information wesentlich (und damit relevant) sei, wenn ihr Weglassen im Abschluss oder ihre fehlerhafte Darstellung das Ergebnis der wirtschaftlichen Entscheidung des Adressaten beeinflussen kann (F.30). Ähnliche Formulierungen finden sich in IAS 1.11 sowie IAS 8.5. Damit wird zwar eine nähere Umschreibung der Wesentlichkeit erreicht, die aber selbst erneut der wertungsmäßigen Auslegung bedarf und dem quantitativen Konzept des IASB von der Wesentlichkeit einer Information noch nicht endgültig gerecht wird. Da zudem eine präzise, allgemeingültige betragsmäßige Definition der Wesentlichkeit sich im IAS / IFRS-Normsystem nicht findet,40 bleibt die Bestimmung, wann eine Information wesentlich ist, auf eine Wertung im Einzelfall beschränkt. Nur wenige Hinweise lassen sich über die Vorgehensweise bei Konflikten zwischen Elementen des IAS / IFRS-Normsystems finden. Aus F.2, .3 ergibt sich aber, dass die Anforderungen der Standards bei Widersprüchen mit dem Framework letzterem gegenüber stets vorrangig sind.41 Dies erklärt sich damit, dass das Frame37 Wagenhofer, S. 120; Baetge / Zülch, in: HdJ I / 2, Rn. 232; Wollmert / Achleitner, WPg 1997, 209, 214. 38 F.26; Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 267. 39 F. 29; ADS, Internationale Standards, Abschn. 1 Rn. 62. 40 Lüdenbach / Hoffmann, IFRS, § 1 Rn. 67; Bohl / Mangliers, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, § 2 Rn. 15. 41 F.2: „This Framework is not an International Accounting Standard and hence does not define standards for any particular measurement or disclosure issue. Nothing in this Frame-
B. Normsystem der IAS / IFRS als private Verlautbarungen des IASB
261
work mit seinen konzeptionellen Aussagen und Prinzipien zu allgemein formuliert ist, um daraus dem einzelnen Anwender verlässliche und sichere Hinweise auf die Lösung spezifischer bilanzieller Probleme geben zu können. Standards und Interpretationen werden hingegen vom IASB als gleichrangig betrachtet.42 Wenn es zu Widersprüchen zwischen Standards untereinander oder Standards und Interpretationen kommt,43 ist in erster Linie auf explizite Aussagen zur Abgrenzung zurückzugreifen – wenn vorhanden. Ansonsten bleibt nur der Rückgriff auf allgemeine Normenkollisionslösungen, wie z. B. der lex posterior- oder der lex specialis-Regel, wonach die jüngere Bestimmung vor der älteren und die spezielle vor der allgemeinen beachtet werden muss.44 Obwohl die IAS / IFRS eine hohe Regelungsdichte aufweisen, sind auch dem IAS / IFRS-Normsystem Auslegungsfragen hinsichtlich des Bedeutungsgehalts einzelner IAS / IFRS-Bestimmungen nicht fremd. Dies hat allerdings nicht dazu geführt, dass das IAS / IFRS-Normsystem zahlreiche ausdrückliche Vorgaben darüber enthält, wie ein Anwender IAS / IFRS auszulegen hat. Denn in erster Linie sollen Zweifelsfragen der Anwendung von IAS / IFRS durch offizielle und verbindliche Interpretationen des Normgebers IASB, das sich dazu des eigens geschaffenen International Financial Reporting Interpretations Committee bedient, autoritativ geklärt werden, um so eine einheitliche Anwendung der Standards zu gewährleisten.45 Gerät ein Anwender jedoch einmal in die Situation, den Bedeutungsgehalt privater IAS / IFRS selbständig ermitteln zu müssen, weil keine aus sich allein heraus klare Regelung und auch keine offizielle Interpretation existiert, so erhält er in allen Standards den Hinweis, dass der betreffende Standard im Kontext seiner besonderen Zielsetzung (objective) und der Erwägungsgründe, des Preface und des Framework zu interpretieren ist.46 Damit enthalten die IAS / IFRS einen deutlichen work overrides any specific International Accounting Standard.“ Sowie F.3: „In those cases where there is a conflict, the requirements of the International Accounting Standard prevail over those of the Framework.“ 42 Vgl. IAS 8 BC 14: „The Board decided not to set out a hierarchy of requirements for these circumstances.“ So auch Achleitner / Behr, IAS, S. 92; Bohl, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, 1. Aufl., § 1 Rn. 118; Pellens / Fülbier / Gassen, Internationale Rechnungslegung, S. 90. 43 Siehe das aufschlussreiche Beispiel eines Widerspruchs zwischen Standard und Interpretation bei Lüdenbach / Hoffmann, IFRS, § 1 Rn. 57. 44 So auch Achleitner / Behr, IAS, S. 90; SIC- oder IFRIC-Interpretationen sind hingegen in Bezug auf den von ihnen interpretierten Standard nach Auffassung Lüdenbach / Hoffmanns, IFRS, § 1 Rn. 57 nicht als leges speciales zu den Standards anzusehen. 45 Das heißt aber nicht, dass jegliche Auslegung in den Händen des IFRIC monopolisiert werden soll. Denn verbindliche Interpretationen sollen nur erlassen werden, wo „unzureichende oder sich widersprechende Auslegungsergebnisse“ sich entwickelt haben oder sich wahrscheinlich entwickeln werden (Preface IFRIC 1). Unterhalb dieser Schwelle ist Auslegung durch den Anwender mithin vorausgesetzt. 46 Z. B. zu IFRS 1: „IFRS 1 should be read in the context of its objective and the Basis for Conclusions, the Preface to International Financial Reporting Standards and the Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements.“
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
Fingerzeig auf die Methode der systematischen Auslegung. In eine ähnliche Richtung weist auch die Betrachtung der Vorgehensweise des IFRIC: Abgesehen von der prozeduralen Ebene der Erstellung einer offiziellen Interpretation, die im Wege eines due process unter Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit erfolgt, gelangt das IFRIC inhaltlich auf einer mehrstufigen Vorgehensweise zu seinem Auslegungsergebnis. Preface IFRIC 4 etwa führt aus: „In keeping with the IASB’s own approach to setting standards, the IFRIC applies a principle-based approach in providing interpretative guidance. To this end, the IFRIC looks first to the Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements as the foundation for formulating a consensus. It then looks to the principles articulated in the applicable standard, if any, to develop its interpretative guidance and to determine that the proposed guidance does not conflict with provisions in the IFRS. In reaching its consensus view, the IFRIC also has due regard for the need for international convergence.“
Dieses Vorgehen ähnelt funktional sehr der systematisch-teleologischen Auslegungsmethode, indem es sich stark an Prinzipien aus dem Framework sowie den Zielen des zu interpretierenden Standards selbst orientiert. Zusammenfassend lässt sich mithin feststellen, dass das private IAS / IFRSNormsystem durchaus eigene Ansätze hinsichtlich Methoden der Auslegung bereithält, ohne dass diese allerdings besonders vollkommen ausformuliert wären. Deshalb aber den Schluss zu ziehen, die IAS / IFRS als private IASB-Regeln enthielten überhaupt „keine konkrete Auslegungstechnik“, ginge aber zu weit.47
III. Fazit Das Normsystem der privaten IAS / IFRS weist Ansätze eigener Anwendungsund Auslegungsvorgaben auf, die – sofern diese expliziten Aussagen in das europäische Gemeinschaftsrecht endorsed wurden – für die IAS / IFRS-bilanzierungspflichtigen Unternehmen rechtlich verbindlich zu befolgen sind. Insgesamt gesehen bilden diese Ansätze in methodischer Hinsicht aber noch kein vollständiges System an Anwendungs- und Auslegungsleitlinien. Das private IAS / IFRS-Normsystem ist in dieser Hinsicht also unvollkommen.
47 So aber Wollmert / Achleitner, WPg 1997, 209, 211; dies., in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, Teil A Kapitel II Rn. 18; Hommelhoff, in: GroßkommHGB, Anh. § 292a Rn. 20; Küting / Hayn, DStR 1996, 1642.
C. Leitlinien der Anwendung und Auslegung von endorsed IAS / IFRS
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C. Die Leitlinien der Anwendung und Auslegung der in sekundäres Gemeinschaftsrecht überführten IAS / IFRS Fundamentaler Ausgangspunkt der weiteren Untersuchungen muss die Erkenntnis sein, dass sich die Natur der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS mit ihrem Endorsement grundlegend wandelt: Alle die Elemente des IAS / IFRS-Normsystems, die mittels der IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen endorsed werden, erhalten den Charakter hoheitlicher, allgemein verbindlicher Rechtsnormen im Range von (Durchführungs-)Verordnungen des (sekundären) europäischen Gemeinschaftsrechts.48 Damit ergibt sich – um dies bereits vorwegzunehmen – aus der Überführung der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht eine weitreichende „Europäisierung“ der Anwendung und Auslegung der internationalen Rechnungslegungsregeln IAS / IFRS.
I. Anwendung nicht übernommener Elemente des IAS / IFRS-Normsystems Nicht alle Elemente des IAS / IFRS-Normensystems, wie sie durch den IASB verlautbart werden und weiter oben dargestellt wurden, sind überhaupt Gegenstand des Endorsement. Die Kommission übernimmt – im Einklang mit der Ermächtigung der IAS / IFRS-Basisverordnung – lediglich die „Standards“ und die „Interpretationen“ des IASB. Nicht endorsed werden hingegen das Vorwort (preface), das Rahmenkonzept (framework) sowie die Einleitung (introduction) zu den einzelnen Standards, die Begründungserwägungen (basis of conclusion) sowie die Anwendungsleitlinien und erläuternden Beispiele (implementation guidance und illustrative examples), soweit die beiden zuletzt genannten Normelemente nicht ausnahmsweise Teil von integral zu Standards gehörenden Anhängen (appendices) sind.49 Nur die Standards und Interpretationen werden auf ihre Vereinbarkeit mit den Übernahmekriterien überprüft. Umgekehrt bedeutet dies, dass alle Elemente, die nicht endorsed werden, nicht an den Übernahmekriterien gemessen, nicht im Amtsblatt veröffentlicht und auch nicht in alle Amtssprachen übersetzt werden. Das System der endorsed IAS / IFRS weicht in seinem Umfang mithin vom Bestand des IAS / IFRS-Normensystems, wie es der IASB verlautbart hat, ab. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass alle Normelemente, die nicht im Wege des Endorsementprozesses durch die Kommission übernommen wurden, rechtlich be48 Siehe übereinstimmend nur Schulze-Osterloh, Der Konzern 2004, 173, 176; Schön, BB 2004, 763, 765; Küting / Ranker, BB 2004, 2510 f.; Hennrichs, NZG 2005, 783; Kirchner, FS Siegel, S. 201, 206; Prinz, FR 2006, 566, 568; Kleindiek, EuR 2006, Beiheft 2, 91, 101 f.; Hennrichs / Schubert, ZIP 2007, 563, 564. 49 So gehört zum integralen Bestandteil des IAS 39 der Anhang A, welcher wiederum ausführliche Anwendungsleitlinien beinhaltet.
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
trachtet private, normativ unverbindliche Verlautbarungen des privaten Standardsetzers IASB bleiben.50 Anders als die endorsed IAS / IFRS gehören sie nicht zum europäischen Gemeinschaftsrecht.
1. Rechtlicher Status des Framework Fraglich ist jedoch, ob dieses Ergebnis auch für das Framework gilt. Gerade dem Framework kommt im System der IAS / IFRS eine besondere Bedeutung zu. Als konzeptionelle Grundlage der IAS / IFRS spielt es bei Entwicklung, Anwendung und Auslegung der IAS / IFRS eine wichtige Rolle und begründet u. a. die „Prinzipienorientierung“ der IAS / IFRS.51 Aus diesem Grunde hat die Kommission im November 2003 den Wortlaut des Framework als Anhang ihrem offiziellen Dokument, das als Arbeitspapier bestehend aus Kommentaren zur IAS / IFRS-Rechnungslegung konzipiert ist, hinzugefügt, so dass das Framework nunmehr offiziell übersetzt in (den damals geltenden) elf Amtssprachen vorliegt.52 Von manchen Autoren wird daraus geschlossen, dass „das Rahmenkonzept verbindliches EU-Recht“ bilde.53 Dem kann jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht gefolgt werden. Das Framework ist und bleibt trotz Veröffentlichung in dem Kommissionsdokument rechtlich unverbindlich.54 Verbindliches Recht darf die Kommission nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EGV) nur auf der Grundlage einer primär- oder sekundärrechtlichen Ermächtigung setzen. Sie muss sich – was die Rechtsform ihres Handelns angeht –, prinzipiell an den Katalog des Art. 249 EGV halten, darf sich aber auch dort nicht erwähnter sog. atypischer Rechtsakte bedienen, wobei sie stets die formellen und materiellen Vorschriften zum Erlass solcher Rechtsakte beachten muss.55 Um das Framework mit Verbindlichkeitswirkung nach außen versehen zu können, mangelt es schon an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Insbesondere findet 50 Vgl. Heuser / Theile, IAS / IFRS Handbuch, 2. Aufl., Rn. 78; Küting / Ranker, BB 2004, 2510, 2512; Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783, 1785; Hennrichs, ZHR 170 (2006), 498, 513. 51 Siehe zur Prinzipienorientierung der IAS / IFRS Baetge / Zülch, in: HdJ I / 2, Rn. 310; Wagenhofer, IAS / IFRS, S. 108; ders., BFuP 2002, 230, 234 f.; Schildbach, BFuP 2002, 263, 264. 52 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Kommentare zu bestimmten Artikeln der Verordnung (EG) Nr. 1606 / 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Vierten Richtlinie 78 / 660 / EWG des Rates vom 25. Juli 1978 sowie zur Siebenten Richtlinie 83 / 349 / EWG des Rates vom 13. Juni 1983 über Rechnungslegung vom November 2003. 53 So explizit Schöllhorn / Müller, DStR 2004, 1623, 1624. 54 Hennrichs, ZHR 170 (2006), 498, 513. 55 Schroeder, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 10; Biervert, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 5; Schmidt, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 20 f.
C. Leitlinien der Anwendung und Auslegung von endorsed IAS / IFRS
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sich keine Ermächtigungsgrundlage in der IAS / IFRS-Basisverordnung zum Erlass eines Rechtsaktes, die dem Framework rechtsverbindliche Wirkung verschaffen könnte, weil dort nur zur Übernahme der Standards und Interpretationen, nicht aber des Framework ermächtigt wird. Wie die Kommission selbst feststellt, ist das Framework aber gerade kein Standard und auch keine Interpretation.56 Zudem lässt sich das Kommissionsdokument nicht den Rechtsakten „Verordnung“, „Richtlinie“ oder „Entscheidung“ – die einzigen typischen Rechtsakte des Art. 249 EGV, die eine rechtliche Verbindlichkeit bewirken – zuordnen, da dies weder aus der Bezeichnung des Dokumentes hervorgeht noch das Dokument bestimmte Adressaten nennt.57 Es wäre im Übrigen auch wegen fehlender Veröffentlichung im Amtsblatt gem. Art. 254 EGV rechtlich inexistent.58 Auch wenn das Kommissionspapier wohl zutreffend als „atypischer Rechtsakt“ qualifiziert werden kann, kann dies allein nicht die rechtliche Verbindlichkeit des Framework nach sich ziehen. Denn auch zum Erlass eines nach außen verbindlichen atypischen Rechtsakts bedarf, aber fehlt es hier an einer konkreten Ermächtigung. Zudem würde dies dem Willen der Kommission selbst entgegenstehen, die mit ihrem Dokument gerade keine Verpflichtungen gegenüber Mitgliedstaaten oder dem Gerichtshof begründen möchte.59 Erst recht kann das Framework dann aber auch nicht gegenüber einzelnen (natürlichen oder juristischen) Personen rechtlich verbindlich sein. Schlussendlich würde die Verleihung gemeinschaftsrechtlicher und verbindlicher Qualität durch die Veröffentlichung des Framework in dem Kommissionsdokument zu einer Umgehung der IAS / IFRS-Basisverordnung und des dort angeordneten Endorsementverfahrens führen. Im Ergebnis gilt demnach, dass alle nicht mittels Endorsementverfahrens übernommenen IAS / IFRS-Normelemente und folglich das Framework nicht eigentlich Rechtsquellen, sondern unverbindliche Verlautbarungen des privaten IASB sind und bleiben.60
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Kommentare, 2.1.5. Allerdings ist die Bezeichnung nicht das entscheidende Kriterium für die Qualifizierung eines Rechtsaktes, wenn auch starkes Indiz, vgl. Biervert, in: Schwarze, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 15. 58 EuGH, Urt. vom 29. 05. 1974, Rs. 185 / 73, „Hauptzollamt Bielefeld / Koenig“, Slg. 1974, 607, Rn. 6; Gellermann, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 254 EGV Rn. 4. 59 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Kommentare, 1.4. 60 Dass das Framework in der praktischen Rechtsanwendung aber durchaus eine bedeutsame Rolle spielt und auf methodisch richtige Weise auch berücksichtigt werden darf, wird später ausführlich belegt werden, siehe dazu Kapitel 4 C. II. 4. c) cc). 56 57
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
2. Umgang mit Verweisen der endorsed IAS / IFRS auf nicht übernommene IAS / IFRS-Normelemente Der Anwender von endorsed IAS / IFRS wird an nicht wenigen Stellen konfrontiert mit Verweisen von den endorsed IAS / IFRS auf Normelemente, die nicht übernommen wurden. Solche Verweise finden sich z. B. in IAS 1.13, .16, .36, IAS 8.7 oder IAS 14.15.61 Nach Auffassung der Kommission sind die Anwender gehalten, die Verweise der endorsed IAS / IFRS zu befolgen und deshalb z. B. das Framework, Anwendungsleitlinien oder Basis of Conclusion auf diesem Wege verpflichtend zu berücksichtigen.62 Diese Ansicht kann nicht überzeugen. Sie verkennt, dass es sich bei einer Inbezugnahme der endorsed IAS / IFRS, mithin verbindlichen Gemeinschaftsrechts, auf nicht gemeinschaftsrechtliche Regeln privater Normgeber um eine unzulässige dynamische Verweisung handelt.63 Solche Verweise sind unzulässig, weil sie gegen das Demokratieprinzip verstoßen, indem demokratisch nicht legitimierte private Gremien über den Inhalt von verbindlichen Rechtsnormen bestimmen. Außerdem widersprechen sie einerseits dem Rechtstaatsprinzip, weil ein rechtlich nicht vorgesehenes (privates) Organ unter Umgehung der rechtlich vorgesehen Vorschriften für die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen die Rechtsetzung inhaltlich übernimmt, und andererseits dem Bestimmtheits-, Klarheits- und Publizitätsgebot als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips, weil die privaten Regeln als Verweisungsobjekt nicht den rechtlich vorgesehenen Anforderungen an die Veröffentlichung und den Zugang zu geltendem Recht entsprechen.64 Diese Rechtslage gilt auch für die Verweise der endorsed IAS / IFRS auf die wegen mangelnden Endorsement unverbindlichen Verlautbarungen des IASB, welche insoweit ins Leere gehen. Etwas anderes kann sich auch nicht daraus ergeben, dass das Framework als einziges der nicht endorsed IAS / IFRS-Normelemente im Anhang zu den Kommissionskommentaren in elf Amtssprachen offiziell veröffentlicht wurde. Abgesehen davon, dass das Framework durch diese Veröffentlichung nicht verbindlich ge61 So lautet IAS 1.26 z. B.: „Wird der Abschluss nach dem Konzept der Periodenabgrenzung erstellt, werden Posten als Vermögenswerte, Schulden, Eigenkapital, Erträge und Aufwendungen (die Bestandteile des Abschlusses) dann erfasst, wenn sie die im Rahmenkonzept für die betreffenden Elemente enthaltenen Definitionen und Erfassungskriterien erfüllen.“. 62 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Kommentare, 2.1.5.; dem folgend wohl Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783, 1785. 63 Bei dynamischen Verweisungen handelt es sich um solche, bei denen die verweisende Norm auf ein genau fixiertes Verweisungsobjekt, allerdings in der jeweils gültigen Fassung, Bezug nimmt. Dazu Ossenbühl, DVBl. 1967, 401; Karpen, Verweisung, S. 67 f.; Hommelhoff, FS Odersky, S. 779, 785; siehe auch oben Kapitel 2 B. II. 1. a) aa) (1). 64 Ossenbühl, DVBl. 1967, 401, 403 ff.; Karpen, Verweisung, S. 135, 161 f., Breuer, AöR 101 (1976), 46, 65 f.; Staats, ZRP 1978, 59, 62; Arndt, JuS 1979, 784 ff.; Marburger, Regeln der Technik, S. 390 ff.; Röhling, Technische Normen, S. 117 ff.; Schmeder, Rechtsangleichung, S. 88 f.; Zubke-von Thünen, Technische Normung, S. 336 ff. m. w. N.
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worden ist, kann auch nicht argumentiert werden, dass die Inbezugnahme auf das Framework nicht mehr als Verweis auf Regeln eines privaten Normgebers, sondern als Verweis auf ein gemeinschaftsrechtliches Kommissionsdokument zu bewerten sind. Eine solche Argumentation würde zu einer Umgehung des in der IAS / IFRSBasisverordnung angeordneten Endorsementverfahrens führen, weil dadurch Regeln, welche selber nicht die Hürden des Endorsementverfahrens nehmen mussten, dieselbe rechtliche Verbindlichkeit erhielten, wie die Standards und Interpretationen, welche das Endorsementverfahren durchlaufen müssen.
3. Übernahme bislang nicht übernommener Normelemente de lege ferenda Vorzuschlagen bleibt de lege ferenda ein förmliches Übernahmeverfahren der bislang nicht übernommenen IAS / IFRS-Normelemente.65 Dies würde das Problem der unzulässigen dynamischen Verweisung hinfällig machen. Außerdem ist bei unbefangener Betrachtung aus gesetzgebungstechnischer Sicht schwierig einzusehen, weshalb die gemeinschaftsrechtliche Übernahme nur unvollständig geschieht. Es würde darüber hinaus zur Methodenehrlichkeit beitragen, wenn nicht übernommene Anwendungsleitlinien oder erläuternde Beispiele, die faktisch ohnehin herangezogen werden, obwohl sie bislang (mit Ausnahme des Framework) nur mühsam und kostspielig für den Normanwender erreichbar waren, und – dazu später – in methodisch richtiger Weise auch herangezogen werden dürfen, den ordentlichen Überprüfungsprozess des Endorsement durch die Gemeinschaft durchlaufen würden und danach im Amtsblatt und in allen Amtssprachen leicht und kostengünstig zu erreichen wären. Dagegen spricht auch nicht die zuweilen geäußerte Einschätzung, zumindest beim Framework sei die fehlende Übernahme zu verschmerzen, da seine Inhalte im Wesentlichen ohnehin verbindlich in den einzelnen Standards geregelt seien.66 Zwar ist es richtig, dass einige Elemente des Framework auch in den Standards zum Ausdruck kommen.67 Allerdings finden sich diese Elemente nicht vollständig in den Standards wieder, und dazu sind sie noch recht unsystematisch auf unterschiedliche Standards verstreut.
Vgl. auch Hennrichs, ZHR 170 (2006), 498, 513. In diese Richtung Schön, BB 2004, 763, 766. 67 Siehe z. B. die gute Übersicht zu den qualitativen Anforderungen bei Heuser / Theile, IAS / IFRS Handbuch, 2. Aufl., Rn. 102. 65 66
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
II. Auslegung der endorsed IAS / IFRS nach den Methoden des Gemeinschaftsrechts Auslegung beschreibt den Versuch des Anwenders, sich den Sinn und die Bedeutung einer Regel zum Verständnis zu bringen.68 Das Normsystem der privaten IAS / IFRS weist nur vereinzelte Hinweise zur Vorgehensweise bei Auslegung und Anwendung auf.69 Umso bedeutsamer ist daher die „Perfektionierung“ der methodischen Vorgehensweise, wenn es um die Auslegung der endorsed IAS / IFRS geht. Sie ergibt sich aus der Transformation der IAS / IFRS mittels Endorsement zu Rechnungslegungsnormen des (sekundären) Gemeinschaftsrechts, auf das infolgedessen der für das (sekundäre) Gemeinschaftsrecht anerkannte juristisch-methodische Kanon an Auslegungsmethoden anzuwenden ist.70 Die Auslegungsmethoden des Gemeinschaftsrechts orientieren sich im Grundsatz eng an denjenigen des nationalen Rechts,71 weisen allerdings auch einige der spezifischen Natur des Gemeinschaftsrechts geschuldete Besonderheiten auf.
1. Die grammatikalische Auslegung Ausgangspunkt der Auslegung bildet der Wortlaut der zu untersuchenden sekundärrechtlichen Vorschrift.72 Ziel ist es, den Wortsinn der zu interpretierenden Vorschrift nach dem „gewöhnlichen Sprachgebrauch“ zu ermitteln.73 Gemeinhin kommt der Wortlautauslegung im Gemeinschaftsrecht allerdings eine geringere Rolle zu als im mitgliedstaatlichen Recht.74 Dies erklärt sich damit, dass Gemeinschaftsrecht stets in allen Amtssprachen der Gemeinschaft veröffentlicht wird, die gleichberechtigt Geltung beanspruchen,75 so dass es so viele Wortlaute einer Siehe oben Kapitel 4 A. Siehe oben Kapitel 4. B. III. 70 Schön, BB 2004, 763, 766; Küting / Ranker, BB 2004, 2510; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 638; Hennrichs, WPg 2006, 1253, 1254; Kleindiek, Rechnungslegung in der EU, S. 19 f. 71 Kutscher, in: Begegnung, S. I-6; Lutter, JZ 1992, 593, 598 f.; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 11; zur streitigen dogmatischen Einordnung der gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsmethoden ausführlich Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 76 ff. m. w. N. 72 Oppermann, Europarecht, § 8 Rn. 20; Schroeder, JuS 2004, 180, 182; Everling, DStJG 11 (1988), S. 51, 59; Herdegen, Europarecht, § 9 Rn. 74; Schön, Auslegung europäischen Steuerrechts, S. 50 m. w. N. zur EuGH-Rechtsprechung. 73 Meyer, Jura 1994, 455, 456; C. Buck, Auslegungsmethoden, S. 152; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 128. 74 Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 52, 53; Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 168 ff.; Bleckmann, RIW 1987, 929, 930. 75 Dederichs, Methodik des EuGH, S. 65; Wegener, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 12; Oppermann, NJW 2001, 2663, 2664; Luttermann / Luttermann, JZ 2004, 1002; Mayer, Der Staat 44 (2005), S. 367, 368 f. 68 69
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Gemeinschaftsregel gibt, wie Amtssprachen existieren.76 Auf der Grundlage der verschiedenen Wortlaute wird im Wege der „autonomen Interpretation“ eine selbständige gemeinschaftsrechtliche Wortbedeutung ermittelt.77 Auf dieser Grundlage misst auch die bilanzrechtliche Literatur dem Wortlaut der endorsed IAS / IFRS nur eine begrenzte Rolle für die Auslegung zu.78 Die IAS / IFRS in ihrem Charakter als unverbindliche Verlautbarungen des privaten IASB entstehen und gelten zunächst nur in der englischen Sprache.79 Im Vorwort P.23 heißt es: „The approved text of any discussion document, exposure draft, or IFRS is that approved by the IASB in the English language. The IASB may approve translations in other languages, provided that the translation is prepared in accordance with a process that provides assurance of the quality of the translation, and the IASB may license other translations.“
Mit dem Endorsement der IAS / IFRS geht das Alleinstellungsmerkmal der englischen Sprache verloren.80 Etwas Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus P.23, weil dieses nicht in das Gemeinschaftsrecht „endorsed“ wird.81 Es sollte jedoch – ohne den Grundsatz der Gleichrangigkeit aller Sprachfassungen in Frage stellen zu wollen – erwogen werden, wegen der spezifischen Umstände des Endorsement der IAS / IFRS und der Tatsache, dass stets alle sprachlichen Textfassungen als Übersetzungen der englischen „Urfassung“ letztlich in der englischen Sprache ihren Ursprung finden, ausnahmsweise eine weniger strenge, dafür nuanciertere Einstellung zu dieser Frage eingenommen werden. So sollte der englischen Fassung der endorsed IAS / IFRS bei der Ermittlung der „gemeinschaftsrechtlichen“ Wortbedeutung ein besonderes argumentatives Gewicht zukommen: derart, dass die englische Fassung Referenzsprache für die Aufdeckung von Übersetzungsfehlern ist und dass bei Wortlautdivergenzen eine besondere, aber widerlegliche Präferenz für den Wortsinn gilt, welcher auch in der englischen Fassung zu finden ist. Die englischsprachige Fassung der IAS / IFRS ist die sprachliche Grundlage jeder anderen amtssprachlichen Fassung. Alle diese sind in der Sache nur Übersetzungen der englischen Fassung. Das hat die bedeutende Konsequenz, dass es 76 Der Rat hat – gestützt auf Art. 290 (ex-Art. 217) EGV – am 15. 04. 1958 die Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft erlassen. Sie listet in ihrer jeweils gültigen Fassung die Amtsprachen der EU auf. Seit dem 01. 01. 2007 hat die EU 23 Amtssprachen. 77 Schroeder, JuS 2004, 180, 185; Lutter, JZ 1992, 593, 599; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 14; aus der Rechtsprechung z. B. EuGH, Urt. vom 28. 01. 1982, Rs. 135 / 81, „Groupes des agences“, Slg. 182, 3799 Rn. 10. 78 Schön, BB 2004, 763, 766; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 639; wohl auch Küting / Ranker, BB 2004, 2510, 2511. 79 Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 639. 80 Luttermann, ZVglRWiss 101 (2002), 158, 170. 81 A. A. Scheffler, BB 2006, Beilage Nr. 17, 2, 4.
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– im Gegensatz zu der üblichen Erarbeitungsweise von Sekundärrechtsakten, die zwar ganz zu Beginn nur in einer Sprache vorliegen, doch schon sehr früh und innerhalb der Kommission in verschiedenen Sprachen erstellt werden – stets nur eine, nämlich die englische Sprachfassung als Ausgangswortlaut gibt.82 Die einzelnen Sprachfassungen sind im übrigen nicht – wie viele andere EGRechtsakte – Ergebnisse mitunter schwieriger Kompromisse, in denen abweichende Wortlaute in einzelnen Sprachfassungen gerade formuliert und bewusst in Kauf genommen werden, um ein zustimmungsfähiges Ergebnis zu ermöglichen. Die Bestimmungen der zu übernehmenden IAS / IFRS werden zwischen den Mitgliedstaaten nicht „verhandelt“. Der besondere Übernahmemechanismus des Endorsement ist vielmehr darauf ausgelegt, den bereits vorhandenen IAS / IFRS-Text ohne inhaltliche Veränderung in das Gemeinschaftsrecht aufzunehmen oder abzulehnen.83 Dabei hat der Übersetzer der IAS / IFRS nur die (schwierige) Aufgabe, die englische Sprachfassung nach Wortlaut und -sinn möglichst eng in die jeweilige Amtssprache zu übertragen; keinesfalls soll er durch eine veränderte Übersetzung neues Recht schaffen. Dies aber wäre der Fall, wenn bei der Gewichtung festgestellter Divergenzen die englische Fassung nicht genügend berücksichtigt würde. Dies belegt, weshalb bei der Feststellung von Textdivergenzen zwischen den Wortlauten der einzelnen Sprachfassungen der endorsed IAS / IFRS stets (in widerleglicher Weise) der englischen Sprachfassung besonderes argumentatives Gewicht zuzumessen ist.84 Konkret kann das bedeuten, dass, wenn ein Textvergleich ergibt, dass z. B. fünf Amtssprachen (darunter das Englische) eine bestimmte Bedeutung mit sich bringen, während die Mehrheit der verbliebenen Amtssprachen eine gegensätzliche,85 eine argumentative Präferenz für die – wenn auch zahlenmäßig in der Minderheit stehende – Bedeutung besteht. Von Relevanz ist diese nuancierte Betrachtung der grammatikalischen Auslegung im Spiegel des Mehrsprachenproblems aufgrund der Vielzahl der handwerk82 Nach schriftlicher Auskunft der Kommission übernahm zunächst die IASC Foundation die Übersetzung der IAS / IFRS aus der englischen in die übrigen Amtssprachen. Seit 2005 übersetzt die Kommission selbst. Sie versucht, eine vollständige Übersetzung schon im Zeitpunkt der Beratungen des Regelungsausschusses für Rechnungslegung vorliegen zu haben – was jedoch nicht immer gelingt. 83 Dies mag man unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisieren. Faktisch wird der Wortlaut der zu übernehmenden IAS / IFRS nicht im Übernahmeprozess verändert. 84 Dies gilt aber nur unter der Bedingung, dass der Übernahmegesetzgeber nicht tatsächlich doch eine textliche Veränderung an zu übernehmenden IAS / IFRS vornimmt. 85 Die Gemeinschaftsrechtsprechung versucht, in solchen Fällen möglichst keine bestimmte Textfassung zu bevorzugen (EuGH, Urt. vom 03. 03. 1977, Rs. 80 / 76, „Kerry Milk“, Slg. 1977, 425, Rn. 11 / 12; Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 155). Das hat sie jedoch nicht abgehalten, in Einzelfällen einen Vorrang nach quantitativen oder aber auch nach qualitativen Kriterien vorzunehmen (so hat der EuGH, Urt. vom 18. 02. 1976, verb. Rs. 98 – 99 / 75, „Carstens Keramik“, Slg. 1976, 241, beispielsweise die Fassung, wie sie in der Mehrheit der Amtssprachen lautete, präferiert. Siehe ausführlich Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 153 ff. m. w. N. zur Rechtsprechung).
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lichen Mängel bei der Übersetzung. Da ist es nicht undenkbar, dass mehrere Sprachfassungen denselben Standard falsch übersetzt haben. Ein markantes Beispiel für eine falsche Übersetzung stellt die offizielle deutsche Übersetzung des IAS 1.31 dar. Im Englischen heißt es: „Applying the concept of materiality means that a specific disclosure requirement in a Standard or an Interpretation need not be satisfied if the information is not material.“
In der deutschen offiziellen Fassung: „Nach dem Prinzip der Wesentlichkeit ist eine spezifische Angabe eines Standards oder einer Interpretation nicht zwingend erforderlich, sofern die Informationen nicht wesentlich sind.“
Rudolf Niehus hat kürzlich exemplarisch eine Fülle von Beispielen von Übersetzungsfehlern und terminologischen Unklarheiten in der deutschen Fassung der endorsed IAS / IFRS zusammengetragen.86 Bezeichnenderweise dient ihm stets die englische Fassung als Referenzpunkt für die Feststellung der Unrichtigkeit. Auch die IDW-Textausgabe der endorsed IAS / IFRS verwendet eine synoptische Darstellung des englischen und des deutschen Textes.
2. Die historische Auslegung Die historische Auslegung beabsichtigt, aus der Entstehungsgeschichte der Norm und aus dem subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers Aufschluss über ihre Bedeutung und ihren Sinn zu erhalten.87 Hilfsmittel sind u. a. Materialen, Protokolle und ähnliche Texte, die den Gesetzgebungsprozess begleiten, soweit sie jedoch – dies folgt aus dem Rechtsstaatsgebot – veröffentlicht und allgemein zugänglich sind.88 Jedenfalls für das europäische Sekundärrecht sind diese „travaux préparatoires“ wegen der Veröffentlichungs- und Begründungspflicht aus Art. 253, 254 EGV wohl stets allgemein zugänglich.89 Auch enthalten die Erwägungsgründe, welche den Sekundärrechtsakten vorangestellt sind, stets zahlreiche Hinweise auf die Motivation des Gemeinschafts86 Niehus, DB 2005, 2477 ff.; ähnliche Anmerkungen finden sich auch bei Ballwieser / Zimmermann, WPg-Sonderheft 2004, 73, 78 ff. 87 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 780; Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 246 f.; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 15; Schroeder, JuS 2004, 180, 183; Lutter, JZ 1992, 593, 595. 88 Hennrichs, Wahlrechte, S. 129; Schroeder, JuS 2004, 180, 183; Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1178. 89 Für den Bereich der Auslegung geschriebenen Primärrechts ist ein Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte schon deshalb praktisch ausgeschlossen, da die travaux préparatoires zu den (Gründungs-)Verträgen nicht veröffentlicht sind (Kutscher, in: Begegnung, S. I-22; C. Buck, Auslegungsmethoden, S. 147; Wegener, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 13. Ob dies auch zukünftig gelten wird, da die Vorarbeiten zu den Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza weitgehend bekannt sind, kann offen bleiben.).
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gesetzgebers, die daher für die historische Auslegung von Bedeutung sein können. Im Gegensatz zum Primärrecht spielt die historische Auslegung des Sekundärrechts eine nicht ganz unerhebliche Rolle.90 Dabei beschränkt sie sich allerdings eher darauf, ein durch andere Auslegungsmethoden bereits gefundenes Auslegungsergebnis zu bestätigen.91 Vor diesem Hintergrund ist die im bilanzrechtlichen Schrifttum bislang vertretene Auffassung, wonach die historische Auslegung der endorsed IAS / IFRS „weitgehend unbedeutend“ sei,92 in dieser Strenge abzumildern. Sie beachtet nicht genügend den Unterschied zwischen der historischen Auslegung von Primär- und von Sekundärrecht. Gerade für die Interpretation der endorsed IAS / IFRS als sekundäres Gemeinschaftsrecht können sich nämlich vielfältige Hinweise gerade aus den Erwägungsgründen der IAS / IFRS-Basis- und der IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen für die Ermittlung des subjektiv-historischen Willens des Gemeinschaftsgesetzgebers dieser IAS / IFRS-Rechtsakte ergeben. Methodisch ist an dieser Stelle hervorzuheben: Bei der historischen Auslegung der in den Übernahmeverordnungen übernommenen endorsed IAS / IFRS gilt nicht das private IASB als Gesetzgeber. Gesetzgeber in Bezug auf ihre historische Auslegung ist vielmehr die Kommission als das Organ, welches die IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen erlässt, sowie Rat und Europäisches Parlament als Organe, welche die IAS / IFRS-Basisverordnung erlassen haben. Für die historische Auslegung ist folglich der subjektiv-historische Wille des IASB grundsätzlich unbeachtlich, es sei denn, der Gemeinschaftsgesetzgeber hat die Vorstellungen des IASB in seinen eigenen Willen aufgenommen. Aus diesem Grunde kann für die Ermittlung des subjektiv-historischen Willen des Gesetzgebers auch nicht auf die Materialien der Erarbeitung der IAS / IFRS innerhalb des IASB im Rahmen des due process zurückgegriffen werden, auch wenn diese in der Regel vollständig veröffentlicht sind.93 Dies sind Materialien, die außerhalb des Endorsementprozesses entstanden sind und deshalb keinen Rückschluss auf den Willen der Kommission als Gesetzgeberin zulassen.
90 Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 15; Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 253, 263; C. Buck, Auslegungsmethoden, S. 147 f.; Kutscher, in: Begegnung, S. I-23; Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1178 f.; Dederichs, Methoden des EuGH, S. 118 ff.; Everling, DStJG 11 (1988), 51, 59, 60; a. A. Schroeder, JuS 2004, 180, 183; Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 57; Herdegen, Europarecht, § 9 Rn. 74, Schön, Auslegung europäischen Steuerrechts, S. 53; ders., BB 2004, 763, 766; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 640. 91 Lutter, JZ 1992, 593, 600; Anweiler, Auslegungsmetoden, S. 263; Oppermann, Europarecht, § 8 Rn. 25; Kutscher, in: Begegnung, S. I-23; Hennrichs, Wahlrechte, S. 130. 92 Das wörtliche Zitat entstammt Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 640; ähnlich auch Schön, BB 2004, 763, 766; anders wohl Bohl, in: Beck’sches IAS / IFRS Handbuch, 1. Aufl., § 1 Rn. 120, der sich aber nicht auf die endorsed IAS / IFRS bezieht. 93 So auch Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 640; ähnlich Küting / Ranker, BB 2004, 2510, 2512.
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3. Die rechtsvergleichende Auslegung Die rechtsvergleichende Auslegung – eine Besonderheit des Gemeinschaftsrechts –94 spielt bei der Auslegung der endorsed IAS / IFRS grundsätzlich eine eher untergeordnete Rolle. Mit ihrer Hilfe werden die einzelnen mitgliedstaatlichen Bedeutungen der verwendeten Begriffe und insbesondere die jeweiligen Lösungen des hinter der Vorschrift stehenden Rechtsproblems ermittelt, um auf diese Weise die gemeinschaftsrechtliche Regelung einerseits besser zu verstehen, andererseits die beste Lösung aus den unterschiedlichen Auslegungsergebnissen für das Gemeinschaftsrecht auszuwählen.95 Die Grenzen zur Wortlautauslegung und vor allem zur „autonomen“ Interpretation verlaufen fließend ineinander. Anwendung findet sie zumeist dort, wo allgemeine Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts ermittelt werden sollen.96 Obwohl die Methode der Rechtsvergleichung sich in der Regel auf den Vergleich der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten beschränkt, ist es gerade im Bereich der Rechnungslegung aber denkbar, für den Rechtsvergleich auch auf Rechnungslegungsvorschriften der US-GAAP zurückzugreifen. So wie auch das US-amerikanische Wettbewerbsrecht die Entwicklung des europäischen Kartellrechts im Wege der Rechtsvergleichung beeinflusst hat,97 kann ein vergleichender Blick auf die US-GAAP durchaus klärend für das Verständnis einer Regelung von endorsed IAS / IFRS sein. Auf diesem Wege werden die US-GAAP weder mittelbar noch unmittelbar zu einer Rechtsquelle des europäischen Gemeinschaftsrechts. Jedoch können Erkenntnisse, die sich auf den Vergleich mit den US-GAAP stützen, mittels des Instrumentes der Rechtsvergleichung auf methodisch saubere Weise für die Auslegung von endorsed IAS / IFRS fruchtbar gemacht werden.
4. Die systematisch-teleologische Auslegung als wichtigste Methode der Auslegung der endorsed IAS / IFRS Im Gemeinschaftsrecht kommt der systematischen und der teleologischen Auslegungsmethode die entscheidende Bedeutung zu. Da beide Methoden in vielerlei Hinsicht miteinander verwoben sind und deshalb häufig sogar nur von der systematisch-teleologischen Auslegung gesprochen wird,98 soll auch hier – wo erforderlich – eine gemeinsame Erörterung erfolgen. 94 Sie wird von einigen auch als „fünfte Auslegungsmethode“ bezeichnet, z. B. Häberle, JZ 1989, 913. Z. T. wird die Methode der Rechtsvergleichung aber auch nur als „Hilfsmittel“ bezeichnet (so z. B. Schroeder, JuS 2004, 180, 184). 95 Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 285 f.; Kutscher, in: Begegnung, S. I-31; deshalb auch „wertende Rechtsvergleichung“, siehe Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 133. 96 Schroeder, JuS 2004, 180, 183; Meyer, Jura 1994, 455, 457 f. 97 Pescatore, RIDC 1980, 337, 351; Meyer, Jura 1994, 455, 458.
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a) Die systematische Auslegung Die systematische Auslegung fragt nach der Bedeutung der zu interpretierenden Norm aus dem Kontext und der Systematik der Vorschrift.99 Die sekundärrechtliche Vorschrift wird bei der systematischen Auslegung in Bezug auf die Struktur der Vorschrift selbst, auf die Struktur des Abschnittes und des Sekundärrechtsaktes, dem sie entstammt, auf die Struktur des Rechtsgebiets sowie darüber hinaus der gesamten Gemeinschaftsrechtsordnung untersucht, um aus der Stellung der zu interpretierenden Vorschrift Rückschlüsse auf ihren Sinn ziehen zu können.100 Nach dem normhierarchischen Rang des Bezugspunktes kann die systematische Auslegung in die „horizontale“ und die „vertikale“ Auslegung unterteilt werden.101 Ein für die Behandlung sekundären Gemeinschaftsrechts wichtiger Unterfall der „vertikalen“ Auslegung nach der Systematik ist die primärrechtskonforme Auslegung sekundären Gemeinschaftsrechts.102 Dieser Grundsatz, der im nationalen Recht seine funktionelle Entsprechung in der verfassungskonformen Auslegung findet,103 besagt, dass ein Sekundärrechtsakt so auszulegen ist, dass er mit höherrangigem Vertragsrecht als auch mit den (ungeschriebenen) allgemeinen Rechtsgrundsätzen sowie allen anderen Elementen des Primärrechts vereinbar ist.104 Der Anwender ist demnach gehalten, diejenige Auslegungsvariante zu wählen, die zur Vereinbarkeit der sekundärrechtlichen Norm mit der höherrangigen Vorschrift führt.105 Auf diese Weise wird den gesetzgeberischen Grundentscheidungen sowie den grundlegenden Rechtsprinzipien des Gemeinschaftsrechts, wozu auch die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte gehören, auf effektive und subtile Weise im Wege der Auslegung praktische Wirkung verliehen. Besonders daran wird die der systematischen Auslegungsmethode zugrunde liegende Prämisse deutlich, wonach 98 Kutscher, in: Begegnung, S. I-31, 42; Everling, DStJG 11 (1988), 51, 59; Bleckmann, EuR 1979, 239; Bieber / Epinay / Haag, Recht der Europäischen Union, § 9 Rn. 16; Lutter, JZ 1992, 593, 602. 99 Bieber / Epinay / Haag, Recht der Europäischen Union, § 9 Rn. 16; Meyer, Jura 1994, 455, 456; Dederichs, Methodik des EuGH, S. 103; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 129. 100 EuGH, Urt. vom 21. 02. 1972, Rs. 6 / 72, „Continental Can“, Slg. 1972, 215, Rn. 22 ff.; Schroeder, JuS 2004, 180, 182; Oppermann, Europarecht, § 8 Rn. 22; Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 173 ff.; allgemein Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 745. 101 Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 129. 102 EuGH, Urt. vom 15. 03. 1989, verb. Rs. 389 / 87 u. 390 / 87, „Echternach“, Slg. 1989, 723, Rn. 30; Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 185 ff.; Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1179; Meyer, Jura 1994, 455, 457; C. Buck, Auslegungsmethoden, S. 186 ff.; Kutscher, in: Begegnung, S. I-40; kritisch Nettesheim, EuR 2006, 737, 752 f. 103 Kutscher, in: Begegnung, S. I-41; Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 186 f. 104 EuGH, Urt. vom 23. 04.1991, Rs. C-297 / 89, „Ryborg“, Slg. 1991, I-1943, Rn. 13; Meyer, Jura 1994, 455, 457; Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 49; C. Buck, Auslegungsmethoden, S. 186. 105 EuGH, Urt. vom 29. 06. 1995, Rs. C-135 / 93, „Spanien / Kommission“, Slg. 1995, I-1651, Rn. 37; Kutscher, in: Begegnung, S. I-40.
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sich die Rechtsordnung insgesamt unter Einschluss jeglicher Rechtsnormen und Regelungsmaterien als ein widerspruchsfreies System darstellen soll.106
b) Die teleologische Auslegung Die teleologische Auslegungsmethode dient der Ermittlung des Sinn und Zwecks, des Zieles („telos“) der zu interpretierenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift.107 Mit ihrer Hilfe soll dem konkreten Gesetzeszweck Geltung verschafft werden. Daneben ermöglicht sie es, der gesetzlichen Vorschrift eine sachgerechte Wirkung im Gesamtgefüge der Rechtsordnung zu verleihen und dadurch Widersprüche innerhalb der Rechtsordnung zu vermeiden, so dass auch ihr – ähnlich wie bei der systematischen Auslegung – die Prämisse der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zugrunde liegt.108 Die Bestimmung des Zwecks einer Sekundärrechtsnorm beginnt zunächst bei der Norm selber. Zusätzlich werden Hinweise auf den Zweck der Norm – auch hier zeigen sich die Schnittmengen zur systematischen Auslegungsmethode – der spezifischen Zielsetzung des Gemeinschaftsrechtsaktes als solchem sowie den übergeordneten Zielen des Primärrechts, wie z. B. den Zielsetzungen der Art. 2, 3 EGV, entnommen.109 Außerdem können Rückschlüsse auf den Zweck der Vorschrift aus der Ermächtigungsgrundlage gezogen werden, auf deren Grundlage der Gemeinschaftsrechtsakt erlassen wurde.110
106 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 744; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 52 f.; für das Gemeinschaftsrecht Kutscher, in: Begegnung, S. I-38; C. Buck, Auslegungsmethoden, S. 186. 107 EuGH, Urt. vom 05. 02. 1963, Rs. 26 / 62, „van Gend & Loos“, Slg. 1962, 24; EuGH, Urt. vom 24. 02. 2000, Rs. C-434 / 97, „Kommission / Frankreich“, Slg. 2000, I-1129, Rn. 22; Oppermann, Europarecht, Rn. 23; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 17; Wegener, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 15; C. Buck, Auslegungsmethoden, S. 202. 108 Lutter, JZ 1992, 593, 602; C. Buck, Auslegungsmethoden, S. 202. 109 Deutlich Schön, Auslegung europäischen Steuerrechts, S. 52; C. Buck, Auslegungsmethoden, S. 202; Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 207 ff.; Bleckmann, EuR 1979, 239, 242 f.; Meyer, Jura 1994, 455, 456. 110 Lutter, JZ 1992, 593, 603. Wichtige besondere Ausprägungen im Rahmen der teleologischen Auslegung sekundären Gemeinschaftsrechts sind das Prinzip der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften, der Grundsatz der restriktiven Auslegung von Ausnahmevorschriften sowie das Prinzip der praktischen Wirksamkeit („effet utile“), nach welchem derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, bei der der praktische Nutzen und die Wirkung der Regel am größten ist (vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 8 Rn. 28, 30; Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1179 f.; Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 46).
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
c) Übertragung auf die endorsed IAS / IFRS Steht es an, die Bedeutung von endorsed IAS / IFRS zu ermitteln, so kommt der systematisch-teleologischen Auslegung die entscheidende Rolle zu.111 Sie macht die Anwendung der endorsed IAS / IFRS im Gemeinschaftsrecht juristisch zuverlässig handhabbar. Bei der teleologischen Auslegung sind in systematischer Weise unterschiedliche Gesetzeszwecke zu berücksichtigen, welche in ihrem Zusammenspiel ein System bilden und in die Anwendung der endorsed IAS / IFRS hineinstrahlen. aa) Die „horizontalen“ Gesetzeszwecke Ausgangspunkt der Bestimmung des Sinn und Zwecks eines endorsed IAS / IFRS ist zunächst die Norm selbst. Vereinfacht wird dieses Vorgehen bei den IAS / IFRS dadurch, dass jedem Standard ein Abschnitt unter der Überschrift „Zielsetzung“ (objective) vorangestellt ist, welcher in knappen Worten die Regelungsabsicht des konkreten Standards vorstellt.112 Daneben können Hinweise auf den Telos einer Vorschrift aus anderen übernommenen Normen, wie z. B. IAS 1.13 oder IAS 8.10, entnommen werden, welche gültige Zielsetzungen für alle IAS / IFRS enthalten.113 bb) Die „vertikalen“ Gesetzeszwecke Systematisch ergänzend treten zu der Ermittlung dieser „horizontalen“ Gesetzeszwecken nunmehr in „vertikaler“ (weil normhierarchisch den IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen und den in ihnen enthaltenen endorsed IAS / IFRS übergeordneter) Perspektive die Bestimmungen der Art. 1 und 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung und des gesamten Primärrechts hinzu. Aus Art. 1 der IAS / IFRS-Basisverordnung lässt sich das Gebot herleiten, dass eine Anwendung der endorsed IAS / IFRS zu einem hohen Grad an „Transparenz und Vergleichbarkeit der Abschlüsse und damit [zu einer effizienten] Funktionsweise des Kapitalmarktes in der Gemeinschaft und im Binnenmarkt“ führen soll. 111 Einhellige Auffassung der Literatur: Schön, BB 2004, 763, 767; Küting / Ranker, BB 2004, 2510, 2512 f.; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 639; Prinz, FR 2006, 566, 568; Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 71; Hennrichs, WPg 2006, 1253, 1255. 112 Die teleologische Auslegung befindet sich damit auch ausdrücklich im Einklang mit den spärlichen Vorgaben zur Auslegung, die sich in den IAS / IFRS selbst finden: denn jedem Standard vorangestellt findet sich die Anweisung, die Bestimmungen des Standards „im Kontext der besonderen Zielsetzung“ zu lesen, was nichts anderes als ein Hinweis auf die Bedeutung des „objective“ für die teleologische Auslegung ist. 113 IAS 1.13 verlangt, dass Abschlüsse die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie die Cashflows eines Unternehmens den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend darstellen. Aus IAS 8.10 wiederum lässt sich entnehmen, dass Abschlüsse Informationen enthalten sollen, die entscheidungsnützlich und gleichzeitig zuverlässig sind.
C. Leitlinien der Anwendung und Auslegung von endorsed IAS / IFRS
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Endorsed IAS / IFRS sind mithin binnenmarkt-114 sowie kapitalmarktfördernd auszulegen. Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung, der die Übernahmekriterien enthält, ist als zentrale „Leitlinie“ für die normzweckorientierte Auslegung zu verstehen.115 IAS / IFRS dürfen nur endorsed werden, wenn sie materiell nicht dem gemeinschaftsrechtlichen Prinzip des true and fair view der EG-Bilanz- und der EG-Konzernbilanzrichtlinie zuwiderlaufen, die Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Verständlichkeit erfüllen sowie dem europäischen öffentlichen Interesse entsprechen.116 Die Übernahmekriterien gelten im Wege der teleologischen Auslegung auch über den Zeitpunkt der Übernahme hinaus.117 Denn es würde den ausdrücklichen Willen des Gesetzes konterkarieren, wenn eine der Übernahme zeitlich nachfolgende Auslegung zu Ergebnissen führen würde, die – hätten sie einer Kontrolle im Übernahmezeitpunkt unterlegen – nicht von den Übernahmekriterien gedeckt wären. Im Übrigen lässt sich die Berücksichtigung der Übernahmekriterien als Auslegungsleitlinien auch als Ausdruck des Gebotes auffassen, wonach stets das Auslegungsergebnis zu wählen ist, welches mit höherrangigem Recht konform steht, um auf diese Weise die Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Ganzes zu wahren. Bei der Übernahme von IAS / IFRS sind über die in Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRSBasisverordnung explizit niedergelegten Kriterien hinaus gesetzessystematisch die primärrechtlichen Strukturprinzipien des Gemeinschaftsrechts zu beachten. Der europäische Gesetzgeber darf keine IAS / IFRS übernehmen und als Verordnung erlassen, die z. B. gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. Art. 5 Abs. 3 EGV) oder gegen die Gemeinschaftsgrundrechte, welche als ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsätze gelten,118 verstoßen. Die Einhaltung des Primärrechts – so wie auch des Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung – beschränkt sich nicht nur auf den Zeitpunkt der Übernahme, sondern erstreckt sich zeitlos auch auf die nachfolgende Anwendung und Auslegung. Ergibt die Auslegung im Einzelfall mehrere Auslegungsmöglichkeiten, so ist damit stets diejenige zu wählen, die im Einklang mit dem Primärrecht steht.
114 Das ergibt sich aus der Berücksichtigung des Art. 95 EGV als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung. 115 Schön, BB 2004, 763, 767; Küting / Ranker, BB 2004, 2510, 2512 f.; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 639; Kleindiek, EuR 2006, Beiheft 2, 91, 102; Wüstemann / Kierzek, BB 2006, Beilage Nr. 14, 14, 21. 116 Siehe zum inhaltlichen Gehalt der Übernahmekriterien im Hinblick auf die hinreichende Bestimmtheit ausführlich oben Kapitel 2 B. IV. 2. d) bb). 117 Schön, BB 2004, 763, 767. 118 Schroeder, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 15; Streinz, Europarecht, Rn. 754, dort auch ausführlich zu den jüngeren Entwicklungen der Ausarbeitung einer Grundrechtecharta.
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
cc) Berücksichtigung von nicht „endorsed“ IAS / IFRS-Normelementen Im Rahmen der systematisch-teleologischen Auslegung dürfen außerdem die Normelemente, die bislang noch nicht endorsed wurden, berücksichtigt werden. Da sie nicht zum europäischen Bilanzrecht gehören und deshalb rechtlich unverbindlich sind,119 dürfen sie auch nicht so behandelt werden, als seien sie gesetzlich verbindlich oder als stellten sie gesetzliche Zwecke dar. In den systematisch-teleologischen Auslegungsvorgang finden sie Eingang als – außerhalb des Gesetzes stehende – Hilfen für die Ermittlung des objektiven Sinn und Zwecks einer Regelung. Es kann nicht verwehrt sein, zur Ermittlung der Bedeutung eines Gesetzes auf Hilfsmittel außerhalb des Gesetzes zurückzugreifen, auch wenn ihre rechtliche Überzeugungskraft stets besonders begründet werden muss und ihre Funktion nur unterstützend im Hinblick auf ein bereits anderweitig gefundenes Auslegungsergebnis sein wird. Die nicht „endorsed“ Normelemente, mithin das Framework, die Basis of Conclusion, die Anwendungsleitlinien, sind bei der Auslegung der endorsed IAS / IFRS vergleichbar mit allgemeinen Gesetzesmaterialien, 120 Aussagen am Gesetzgebungsprozess vorbereitend beteiligter Personen121 oder allgemeiner Stellungnahmen der Literatur und deshalb auch so zu behandeln. Auf diese methodisch „saubere“ und ehrliche Weise wird es ermöglicht, die Kohärenz des gesamten IAS / IFRS-Normsystems auch im Gemeinschaftsrecht zu wahren.
d) Zwischenfazit Die systematisch-teleologische Auslegung legt durch ihre methodischen Wirkungen ein konzeptionelles, gemeinschaftsrechtsspezifisches Fundament für die Anwendung von endorsed IAS / IFRS. Durch die Transformation von unverbindlichen IAS / IFRS zu gemeinschaftsrechtlich verbindlichen endorsed IAS / IFRS werden letztere Teil einer vollständigen, hierarchischen, von der Idee her „perfekten“ Rechtsordnung. Sie müssen sich damit aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung, der Vermeidung von Widersprüchen und der inneren Stimmigkeit in die systematischen und teleologischen Gegebenheiten der Gemeinschaftsrechtsordnung einfügen. Die teleologische Auslegung in enger Verschränkung mit der systematischen Auslegungsmethode stellt das Mittel dar, um den konzeptionellen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts Eingang in die Auslegung und damit Anwendung der endorsed IAS / IFRS zu verschaffen. Durch diese konzeptionelle Fundierung im Gemeinschaftsrecht wird die „Prinzipienorientierung“ der endorsed IAS / IFRS – eine Eigenschaft, die die privaten IAS / IFRS im Gegensatz zu den der „Einzelfallmethode“ folgenden US-GAAP haben – betont und verstärkt. Sie kompensiert 119 Heuser / Theile, IAS / IFRS Handbuch, 2. Aufl., Rn. 78; Küting / Ranker, BB 2004, 2510, 2512. 120 Hennrichs, WPg 2006, 1253, 1254 f. 121 So ausdrücklich Künting / Ranker, BB 2004, 2510, 2512.
C. Leitlinien der Anwendung und Auslegung von endorsed IAS / IFRS
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zudem das mangelnde Endorsement des Framework, welches im System des IASB als konzeptionelle Grundlage fungieren soll.
5. Die Relativierung der Bedeutung des IFRIC und seiner Interpretationen für die Auslegung von endorsed IAS / IFRS Im System der privaten IAS / IFRS sollen Auslegungsfragen ausschließlich durch den IASB in Form von IFRIC (früher SIC) beantwortet werden. Im System der endorsed IAS / IFRS können Auslegungsfragen typischerweise durch den Anwender und letztlich durch die Gerichte überprüft werden. Fehlt ein IFRIC, so sind die Gerichte nicht etwa aufgrund der institutionellen Rolle der IFRIC im System der privaten IAS / IFRS an einer autonomen Interpretation gehindert. Vielmehr ergibt sich aus der (auch primärrechtlich verbürgten) Garantie effektiven Rechtsschutzes das Interpretationsrecht der Gerichte.122 Wurde eine Interpretation des IASB endorsed, so hat sich der Anwender an die dort vorgegebene Lösung zu halten. SIC / IFRIC, die den Endorsementprozess passieren, sind verbindliches Recht im Range von Verordnungen.123 Sie binden die Rechtssubjekte. Für eine eigene, womöglich abweichende Auslegung des Standards bleibt dem Anwender und auch den Gerichten kein Raum. Anderenfalls würde die Bilanz den Anforderungen des IAS 1.14 nicht genügen. Dies gilt jedenfalls soweit, wie endorsed SIC / IFRIC tatsächlich Standards „auslegen“ und zur Klärung der betreffenden Auslegungsfrage beitragen.124 In Fällen, in denen die offizielle Interpretation in Form von endorsed SIC / IFRIC selbst nicht klar und eindeutig ist und sich damit als auslegungsbedürftig herausstellt,125 sind die endorsed SIC / IFRIC zwingend mit den Auslegungsmethoden des Gemeinschaftsrechts auszulegen. Der Anspruch der SIC / IFRIC, Auslegungsfragen zu den Standards verbindlich und abschließend zu beantworten, kann nur so weit gehen, wie die SIC / IFRIC die Auslegungsfragen tatsächlich klar beantworten. Erweisen sich endorsed SIC / IFRIC als nicht abschließend oder undeutlich, so kommt ihre durch den Endorsementprozess gewonnene Rechtsnatur als Gemeinschaftsrecht sofort unmittelbar zum Vorschein. 122 Vgl. z. B. EuGH, Urt. vom 15. 05. 1986, Rs. 222 / 84, „Johnston“, Slg. 1986, 1651. Ausführlich zur Frage der gerichtlichen Auslegungskompetenz im Falle fehlender SIC / IFRIC Schön, BB 2004, 763, 764 f. 123 Siehe oben Kapitel 4 C. 124 Eine andere Frage, die an dieser Stelle außen vor bleiben soll, ist aber, ob SIC / IFRIC, welche sich nicht mehr damit begnügen, Auslegungsfragen zu beantworten, sondern von dem Auslegungsproblem losgelöste Regelungen treffen, überhaupt wirksam endorsed werden können. 125 Vgl. z. B. IFRIC 4.9 lit. a, in welchem die Rede von einem „geringfügigen Betrag“ ist. Was aber ist darunter genau zu verstehen?
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
Die endorsed SIC / IFRIC werden selbst zum Gegenstand der Auslegung durch den Anwender oder europäische Gerichte. Im Hinblick auf die endorsed IAS / IFRS relativiert sich gerade wegen der Einbettung der IAS / IFRS samt SIC / IFRIC in die gemeinschaftsrechtliche Rechtsordnung also der Bedeutungsanspruch des Interpretationsausschusses IFRIC für verbindliche Interpretationen von IAS / IFRS.126
III. Methoden der Lückenfüllung von endorsed IAS / IFRS Neben der Auslegung kann sich der Anwender mit dem Problem der Schließung von Lücken innerhalb des Systems der endorsed IAS / IFRS konfrontiert sehen.127 Dabei stellt sich die Frage, wann die endorsed IAS / IFRS überhaupt lückenhaft und wie diese Lücken methodisch zu schließen sind.128
1. Die Lückenfüllung in der juristischen Methodenlehre a) Terminologie und Arten von Lücken In den Rechtswissenschaften wird unter einer Lücke eine „planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung“ verstanden.129 126 Anzumerken sei, dass es dem IASB unbenommen bleibt, Auslegungsergebnisse, die im Wege der gemeinschaftsrechtlichen Auslegung gewonnen wurden und die er als mit den SIC / IFRIC unvereinbar ansieht, durch neue SIC / IFRIC oder veränderte und klargestellte SIC / IFRIC zu korrigieren. Würden diese neuen oder geänderten SIC / IFRIC von der Kommission im Wege des Endorsement in das Gemeinschaftsrecht übernommen werden, so würden sie als geltendes Recht die bisherigen Auslegungen ersetzen. Ob es jedoch jemals zu einer solchen Situation kommen wird, bleibt abzuwarten. 127 Verfehlt wäre die Auffassung, IAS / IFRS könnten wegen ihrer Regelungsdichte gar keine Lücken aufweisen. Im Gegenteil: Es ist ein allgemeines Phänomen, dass der Gesetzgeber regelungsbedürftige Fälle schlichtweg übersehen, aus politischen Gründen keine Regelungen vorgesehen hat oder im Laufe der Zeit technische Entwicklungen an den gesetzlichen Bestimmungen vorbeigezogen sind (vgl. dazu nur Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 822; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 374). 128 Der Aspekt der Lückenfüllung wird getrennt von demjenigen der Auslegung behandelt, da nach überwiegender Auffassung die Lückenfüllung dort beginnt, wo die Auslegung zur Ermittlung der gesetzlichen Anordnung nicht mehr hinreichend ist (Engisch, Einführung, S. 181; Wank, Auslegung, S. 114). Die Grenze zwischen Lückenfüllung und Auslegung verläuft nach der herrschenden Auffassung dort, wo eine bestimmte Interpretation nicht mehr von dem nach dem Sprachgebrauch noch möglichen Wortsinn gedeckt werden kann (F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 441, 467 ff.; Canaris, Feststellung von Lücken, S. 21; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 187; a. A. Wank, Auslegung, S. 64 f.; ders., Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung; S. 72; ders., ZGR 1988, 314, 317 f., der als Grenze den teleologischen Gesetzessinn ansieht).
C. Leitlinien der Anwendung und Auslegung von endorsed IAS / IFRS
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Hinter dieser allgemeinen Definition verbergen sich unterschiedliche Arten von Lücken, je nachdem, nach welchen Kriterien sie geordnet werden: Nimmt man als Klassifizierungskriterium die Art des Bezugsrahmens, in dessen Hinblick die Unvollständigkeit festgestellt wird, so lassen sich die Normlücke von der Regelungslücke und von der Rechts- oder Gebietslücke unterscheiden. Eine Normlücke liegt vor, wenn eine einzelne Vorschrift in sich unvollständig ist, weil ihr ein essentieller Bestandteil fehlt.130 Von einer Regelungslücke kann gesprochen werden, wenn in einem Gesetz ein vollständiger Rechtssatz fehlt, obwohl ein solcher nach der dem Gesetz zugrundeliegenden Absicht zu erwarten gewesen wäre.131 Die Rechts- oder Gebietslücke ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht eine Vorschrift oder ein Gesetz, sondern die Rechtsordnung im Ganzen einen Bereich gesetzlich nicht regelt, obwohl sich eine solche aus dem Gesamtplan der Rechtsordnung ergeben sollte.132 In Abhängigkeit davon, ob die Lücke bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes bestanden hat oder sich erst durch dem Gesetzeserlass nachfolgende (technische, soziale o. ä.) Ereignisse ergeben hat, kann eine anfängliche von einer nachträglichen Lücke unterschieden werden.133 Zwischen unbewussten und bewussten Lücken kann differenziert werden, wenn auf den Erkenntnisstand und das Regelungsbewusstsein des Gesetzgebers abgestellt wird.134 Nach diesem Unterscheidungsmerkmal liegt eine bewusste Lücke vor, wenn der Gesetzgeber erkannt hat, dass eine Regelung erforderlich wäre, diese aber bewusst nicht trifft, um die Lösung und Regelung des Problems der Wissenschaft und der Rechtsprechung zu überlassen.135 Von unbewussten Lücken ist hin129 Canaris, Feststellung von Lücken, S. 30, 39; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff., Rn. 842; Engisch, Einführung, S. 178; Fikentscher, Methoden des Rechts, S. 719, die Definition geht im Wesentlichen schon zurück auf Elze, Lücken im Gesetz, S. 3 ff. Zur Methode der Lückenfeststellung ausführlich Canaris, Feststellung von Lücken, S. 55 ff., 144 ff. 130 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 193; Fikentscher, Methoden des Rechts, S. 719 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 847; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 617. Normlücken werden von manchen auch als „logische“ oder „echte“ Lücke bezeichnet, so z. B. Zitelmann, Lücken im Recht, S. 27 ff.; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 473 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 64 spricht von „Formulierungslücke“. 131 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 193; Canaris, Feststellung von Lücken, S. 137 m. w. N.; anders Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 844, der von „Gesetzeslücken“ spricht. 132 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 846; 855; Engisch, Einführung, S. 178 ff., unter der Bezeichnung „Prinzip- und Wertlücken“ wohl auch Canaris, Feststellung von Lücken, S. 141. Kritisch hingegen Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 196 ff. 133 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 199 f.; Canaris, Feststellung von Lücken; S. 135 f., dort auch ein Beispiel; Wank, Auslegung, S. 115 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 859 ff.; gleichbedeutend spricht Engisch, Einführung, S. 187 von „primären“ und „sekundären“ Lücken. 134 Canaris, Feststellung von Lücken, S. 134 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 851 f.; Wank, Auslegung, S. 115 f.; Engisch, Einführung, S. 181 spricht synonym von „gewollten“ und von „ungewollten“ Lücken. 135 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 851.
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
gegen zu sprechen, wenn der Gesetzgeber die Lückenhaftigkeit z. B. aufgrund mangelnder Sorgfalt nicht erkannt hat.136 Die Unterscheidung von offenen und verdeckten Lücken betrifft das Verhältnis der Unvollständigkeit zum Wortlaut.137 Von einer offenen Lücke kann gesprochen werden, wenn eine Regelung fehlt, die nach dem Regelungszweck klar zu erwarten gewesen wäre.138 Bei verdeckten Lücken handelt es sich um solche, bei denen das Gesetz auf einen bestimmten Sachverhalt nach seinem Wortlaut eindeutig subsumierbar ist, obwohl nach dem Sinn und Zweck eine einschränkende Ausnahme vom Wortlaut vorgesehen sein sollte.139 Sie sind deshalb „verdeckt“, weil sie beim ersten Blick wegen des anwendbaren Wortlauts als Lücken nicht ohne weiteres zu erkennen sind. Erst durch das „Beiseiteschieben“ des Wortlauts aufgrund der Heranziehung des Sinn und Zwecks kommt die Lücke zum Vorschein. b) Methoden zur Schließung von Lücken Zur Lückenschließung werden in der juristischen Methodenlehre hauptsächlich die Mittel der Analogie, des Größenschlusses, des Umkehrschlusses und der teleologischen Reduktion herangezogen. Dabei können bestimmte Lückenarten nur durch bestimmte Lückenfüllungsinstrumentarien gefüllt werden. aa) Analogie Unter einer Analogie wird gemeinhin die Ausdehnung der Rechtsfolge einer nach ihrem Wortlaut und nach ihrer Auslegung tatbestandlich unmittelbar nicht anwendbaren Norm auf einen vergleichbaren Sachverhalt verstanden.140 Der Analogieschluss beschreibt einen wertenden Vorgang, welcher sich stets eng am Gesetzeszweck orientiert.141 Seine tiefere Grundlage findet die Analogie im Gleichheitssatz, nach welchem Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist.142 Canaris, Feststellung von Lücken, S. 134. So wohl auch Canaris, Feststellung von Lücken, S. 136. 138 Wank, Auslegung, S. 117; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 198; Meier-Hayoz, Der Richter als Gesetzgeber, S. 62. Weitere Beispiele zu inhaltlich synonymen, begrifflich jedoch unterschiedlichen Bezeichnungen bei Canaris, Feststellung von Lücken, S. 136 Fn. 37. Die offene Lücke deckt sich häufig mit der Normlücke, deshalb sei für ein Beispiel zur offenen Lücke auf das zur Normlücke gegebene verwiesen. 139 Engisch, Einführung, S. 184; Canaris, Feststellung von Lücken, S. 137; Wank, Auslegung, S. 117; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 198; daran anschließend Ruhnke / Nerlich, DB 2004, 389, 390; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 640. 140 F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 475; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 889; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 202. 141 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 889; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 203. 142 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 68; Wank, Auslegung, S. 121; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 202; Canaris, Feststellung von Lücken, S. 72, dort m. w. N. in Fn. 47. 136 137
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Denn die Ausdehnung der Rechtsfolge der analog anzuwendenden Vorschrift erfolgt im Hinblick auf die von der ratio legis erfassten vergleichbaren Interessenlage nur auf einen ähnlichen Sachverhalt. Damit wird dem Gesetz die Beachtung des Gleichheitssatzes zum Zwecke der Einheit der Rechtsordnung und ihrer Widerspruchsfreiheit unterstellt.143 Innerhalb des Begriffs Analogie kann zwischen der „Gesetzes-“ und der „Rechtsanalogie“ weiter differenziert werden.144 Es handelt sich dabei um eine Unterscheidung nach dem normativen Bezugspunkt, aus dem die zu übertragende Rechtsfolge hergeleitet wird.145 Bei der Gesetzesanalogie wird eine bestimmte gesetzliche Vorschrift in Übereinstimmung mit ihrem Zweck auf den ähnlichen Sachverhalt erweitert.146 Hingegen leitet sich bei der Rechtsanalogie die Rechtsfolge nicht aus einer einzigen, sondern gleich aus einem ganzen „Komplex von Rechtsnormen“ ab.147 Das dieser Vielzahl an Rechtsnormen zugrundeliegende gemeinsame Prinzip wird dabei „herausdestilliert“ und angewandt.148 Nach Auffassung von Larenz und Canaris findet die Analogie insbesondere Anwendung bei der Schließung offener Lücken.149 Dies bedeutet aber nicht, dass offene Lücken der einzige Anwendungsfall wären. Denn Analogien können auch bei Normlücken oder Regelungslücken verwendet werden. bb) Das „argumentum a fortiori“: Die Schlüsse „a maiore ad minus“ und „a minore ad maius“ Einen bedeutenden Unterfall der Analogie stellt das „argumentum a fortiori“, der sog. Größen- oder Erst-recht-Schluss, dar.150 Seine innere Begründung findet der Größenschluss in der Erwägung, dass eine Analogie dann zulässig sei, wenn die ratio legis bei dem von der Vorschrift nicht unmittelbar erfass143 Vgl. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 895. Der Analogie hinzugerechnet werden kann noch die sog. teleologische Extension. Sie als gänzlich von der Analogie verschieden aufzufassen, überzeugt nicht. So auch und näher dazu F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 475; a. A. Canaris, Feststellung von Lücken, S. 89 ff. 144 Fikentscher, Methoden des Rechts, S. 722; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 397; Engisch, Einführung, S. 194 f.; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 204, der den Ausdruck „Einzelanalogie“ für die Gesetzesanalogie und den Ausdruck „Gesamtanalogie“ für die Rechtsanalogie vorzieht. Kritisch zur Einordnung des Verfahrens, das hinter der Rechtsanalogie sich verbirgt, als Analogie Canaris, Feststellung von Lücken, S. 97 ff. 145 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 891. 146 Siehe nur F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 477. 147 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 892; Wank, Auslegung, S. 123. 148 F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 478. 149 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 202; im Anschluss daran ausdrücklich Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 640. 150 Wank, Auslegung, S. 119; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 479 f.; Fikentscher, Methoden des Rechts, S. 723; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 208 f.; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 182.
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ten Sachverhalt „noch stärker“ gegeben ist als bei dem ohnehin geregelten Sachverhalt.151 Da die Grundlage des Größenschlusses damit, wie bei der Analogie, letztlich im Gleichbehandlungsgrundsatz zu finden ist, wird das argumentum a fortiori als der Analogie „verwandt“ angesehen.152
Innerhalb des Größenschlusses lässt sich der Schluss vom Größeren auf das Kleinere („argumentum a maiori ad minus“) von dem Schluss vom Kleineren auf das Größere („argumentum a minore ad maius“) unterscheiden:153 Die Schlussfolge „a maiore ad minus“ zeichnet sich demnach dadurch aus, dass erst recht für den weniger gewichtigen Sachverhalt die Rechtsfolge einer bestimmten Vorschrift einzugreifen hat, wenn schon für den gewichtigeren Sachverhalt das Gesetz ausdrücklich diese Rechtsfolge anordnet.154 Umgekehrt wird beim Schluss „a minore ad maius“ argumentiert: Wenn schon für die weniger gewichtige Konstellation eine Rechtsfolge ausdrücklich angeordnet ist, so muss diese Rechtsfolge erst recht für den schwerwiegenderen Sachverhalt gelten.155 Der Größenschluss ist nicht allein auf die Schließung offener Lücken beschränkt, sondern kann auch bei anderen Lückenarten angewandt werden. cc) Der Umkehrschluss Mittels eines Umkehrschlusses (sog. „argumentum e contrario“) wird nachgewiesen, dass die Rechtsfolge einer bestimmten Norm nur den explizit von dieser Norm aufgestellten Tatbestand erfasst und nicht auf andere, ähnliche Sachverhalte ausgedehnt werden kann. Insofern sperrt der Umkehrschluss die Anwendung der Analogie.156 dd) Die teleologische Reduktion Die teleologische Reduktion, z. T. auch Restriktion genannt, bezeichnet einen Vorgang, bei dem der Anwendungsbereich einer Vorschrift aufgrund der ratio legis eingeschränkt wird, damit die Norm auf den in Rede stehenden Sachverhalt nicht mehr anwendbar ist.157 Der – durch die Abgleichung mit der Wertung des Gesetzes – zu weit geratene Wortlaut des Gesetzes wird um eine Ausnahme ergänzt, der F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 479; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 898. So deutlich Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 208. 153 Siehe nur Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 897. 154 F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 479. 155 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 208. 156 Der Umkehrschluss ist jedoch richtigerweise nicht als Analogieverbot zu verstehen. So auch Canaris, Feststellung von Lücken, S. 45 ff. 157 F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 480; Fikentscher, Methoden des Rechts, S. 723; Wank, Auslegung, S. 126; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 902; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 210 f.; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 183; Brandenburg, Die teleologische Reduktion. 151 152
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zu weit geratene Wortlaut dadurch restringiert. Damit wird „in denkendem Gehorsam“ der Gesetzeszweck erfüllt.158 Auch die teleologische Reduktion findet ihre tiefere Grundlage im Gleichheitssatz in der Ausprägung, dass Ungleiches ungleich zu behandeln sei.159 Typischerweise wird die teleologische Reduktion zur Schließung verdeckter sowie unbewusster Lücken herangezogen.160
c) Übertragbarkeit auf das Gemeinschaftsrecht Vom Grundsatz her können die beschriebenen Methoden der Lückenfüllung, wie sie in der allgemeinen juristischen Methodenlehre insbesondere für die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen entwickelt wurden, auf das Gemeinschaftsrecht übertragen werden. Die genannten Lückenfüllungsmethoden sind ihrem Kern derart universell und – man möchte fast sagen – jeglichem geschriebenen Recht aufgrund ihrer Struktur inhärent, dass ein anderes Ergebnis verwunderlich wäre. Dies erklärt wohl auch, dass sich das europarechtliche Schrifttum bis auf einzelne Ausnahmen nur wenig intensiv mit den Methoden der Lückenfüllung beschäftigt hat.161
Der EuGH selbst verwendet in seinen Urteilen beständig die Mittel der Analogie162, des argumentum a fortiori163 und des Umkehrschlusses.164
2. Lückenfüllung im System der endorsed IAS / IFRS Ausgangspunkt der Beantwortung der Frage nach der Art und Weise der Lückenschließung von endorsed IAS / IFRS ist – wie auch für die Auslegungsmethoden – die Erkenntnis, dass es sich bei den endorsed IAS / IFRS um europäisches Sekundärrecht handelt. Daraus folgt unmittelbar, dass die Füllung von Lücken innerhalb der endorsed IAS / IFRS sich nach den für das GemeinschaftsRüthers, Rechtstheorie, Rn. 903. Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 211. 160 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 210; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 640. 161 Vgl. aber Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 52 ff., 59, 305 ff.; Hoffmann-Becking, Normaufbau und Methode, S. 317 ff.; Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1181, der ausdrücklich nur Analogie und Lückenfüllung anhand von allgemeinen Rechtsprinzipien nennt; DänzerVanotti, FS Everling, S. 205, 220 f. 162 EuGH, Urt. vom 12. 12. 1985, Rs. 165 / 84, „Krohn“, Slg. 1985, 3997 LS 1; dazu auch Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 318 f. 163 EuGH, Urt. vom 13. 05. 1971, verb. Rs. 41 – 44 / 70, „International Fruit Company“, Slg. 1971, 41, Rn. 61 / 65. 164 EuGH, Urt. vom 29. 11. 1956, Rs. 8 / 55, „Fédération Charbonnière de Belgique“, Slg. 1956, 297, 312. Zu einer empirischen Auswertung der Bedeutung der Auslegungsmethoden in der Rechtsprechung des EuGH Dederichs, Methodik des EuGH. 158 159
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
recht anerkannten Methoden zu richten hat.165 Zu diesen Methoden gehören die oben beschriebenen Mittel der Analogie, des argumentum a fortiori, des Umkehrschlusses sowie der teleologischen Reduktion. Nun finden sich in den endorsed IAS / IFRS mit den IAS 8.10 ff. und IAS 1.17 ff. Vorschriften, die so verstanden werden können, dass sie als gerade für die Anwendung von IAS / IFRS geltende Normen spezifische Regeln über die Füllung von Lücken aufstellen.166 Dem Gesetzgeber ist es – innerhalb der Grenzen der Gesetze der Logik und der Gerechtigkeit – gestattet, methodische Fragen der Gesetzesanwendung explizit gesetzlich zu normieren. In ihrem Anwendungsbereich sind sie als verbindliche Rechtsnormen zu befolgen. Sie gehen dann den ungeschriebenen allgemeinen Methodenvorgaben vor. Für die Anwendung von endorsed IAS / IFRS hätte dies also die Konsequenz, dass IAS 8.10 ff. und IAS 1.17 ff. als speziell geregelte Vorschriften für die Lückenfüllung vor den allgemeinen Methoden der Lückenfüllung des Gemeinschaftsrechts zu beachten wären.
a) Lückenschließung gem. IAS 8.10 ff. als explizit geregelte Vorschriften über die Analogie IAS 8.10 ff. schreiben dem Management vor, beim Fehlen eines Standards oder einer Interpretation selbständig, aber objektiv von den Regeln der IAS 8.10 ff. geleitet – das Management hat also kein unbegrenztes subjektives Ermessen –, darüber zu entscheiden, welche Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu entwickeln und konkret anzuwenden sind. Der Lückenschluss der Analogie zeichnet sich funktionell dadurch aus, dass eine planwidrige Lücke unter Bezugnahme auf einen vergleichbaren normativen Rahmen möglichst im Einklang mit dem Gesetzeszweck geschlossen wird. Je nach Reichweite des in Bezug genommenen normativen Rahmens oder der Reichweite des Gesetzeszweckes kann es unterschiedliche Formen der Analogie geben.167 Von dieser funktionellen Perspektive her erweisen sich die IAS 8.10 ff. – auch wenn explizit der Begriff der Analogie nicht fällt – als Normierung einer Lückenschließung im Wege der Analogie.
165 Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 640; Schön, BB 2004, 763, 766, der diesen Gedanken zwar explizit nur hinsichtlich der Auslegung von endorsed IAS / IFRS äußert, der sich aber auch auf die Lückenschließungsmethoden übertragen lässt. 166 So Ruhnke / Nerlich, DB 2004, 389, 391; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 640; Lüdenbach / Hoffmann, IFRS, § 1 Rn. 78 ff.; Bohl, in: Beck’scher Bilanzkommentar, 1. Aufl., § 1 Rn. 122; Wagenhofer, IAS / IFRS, S. 133; ADS, Internationale Standards, Abschn. 1 Rn. 14; Achleitner / Behr, IAS, S. 91 f.; anders wohl Baetge / Zülch, in: HdJ I / 2, Rn. 187, die jedoch die notwendige inhaltliche Differenzierung zwischen Auslegung und Lückenfüllung nicht genügend beachten. 167 Siehe oben Kapitel 4 C. III. 1. a) aa).
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aa) Planwidrige Lücke als Anwendungsvoraussetzung Nach IAS 8.10 ist Voraussetzung der Anwendung der IAS 8.10 ff. das „Fehlen eines Standards oder einer Interpretation, der / die ausdrücklich auf einen Geschäftsvorfall oder sonstige Ereignisse oder Bedingungen zutrifft“. IAS 8.10 ordnet damit das Vorliegen einer Lücke innerhalb des Regelsystems der IAS / IFRS an. Eine nähere Bestimmung, auf welche Art der Lücke die IAS / IFRS Anwendung finden, enthält IAS 8.10 nicht. Die bilanzrechtliche Literatur spricht in Anlehnung an die methodologischen Ausführungen Karl Larenz’ stets von „offenen Lücken“, die durch IAS 8.10 ff. geschlossen würden.168 Dem ist zuzustimmen. Zu ergänzen ist, dass IAS 8.10 ff. auch Norm- und Regelungslücken erfassen. Hingegen erfasst IAS 8.10 keine verdeckten Lücken. Denn IAS 8.10 spricht vom „Fehlen eines Standards“, während bei verdeckten Lücken ein Standard gerade vorliegt und dem Wortlaut nach anwendbar ist. Interessanterweise verlangt IAS 8.10 nicht, dass die Lücke „planwidrig“ zu sein habe. Dennoch wird wohl davon auszugehen sein, dass auch die Planwidrigkeit vorzuliegen habe. Wäre die Lücke „plangemäß“, so würde eine Anwendung der IAS 8.10 ff. den Willen des Gesetzgebers konterkarieren. bb) Die Zielvorgaben der Lückenfüllung Liegt eine Lücke vor, so soll sie derart geschlossen werden, dass im Ergebnis Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden entwickelt und angewendet werden, welche zu Informationen in dem zu erstellenden Abschluss führen, die für die Bedürfnisse der wirtschaftlichen Entscheidungsfindung der Adressaten relevant und zuverlässig sind, IAS 8.10. Mit den Begriffen der Relevanz und der Verlässlichkeit verweist IAS 8.10 auf zwei qualitative Kriterien der IAS / IFRS-Rechnungslegung, wie sie im Framework näher beschrieben werden.169 Gleiches gilt für die nähere Beschreibung der „Zuverlässigkeit“ in IAS 8.10 lit. b (i) – (v) mit den Begriffen der Glaubwürdigkeit, der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, der Neutralität, der Vorsicht und der Vollständigkeit, welche allesamt Unterprinzipien der Zuverlässigkeit in Übereinstimmung mit dem Framework darstellen. Diese Verweisung auf Begriffe des Framework ist unter mehreren Gesichtspunkten interessant: IAS 8.10 nennt als Ziel der Lückenfüllung nicht – wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre – das oberste Ziel der IAS / IFRS-Rechnungslegung überhaupt, nämlich die Bereitstellung entscheidungsnützlicher Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage für einen möglichst weiten Kreis von Adressaten (sog. decision usefulness; F.12; IAS 1.7). Darüber hinaus werden mit den Kriterien der Relevanz und der Zuverlässigkeit lediglich zwei Kriterien genannt, obwohl sich aus dem Framework ergibt, dass der Erstellung finanzieller Ab168 169
Ruhnke / Nerlich, DB 2004, 389, 391; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 640. Ruhnke / Nerlich, DB 2004, 389, 392.
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
schlüsse nach dem IAS / IFRS-Regelungssystem stets zwei Basisannahmen (der Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung und der Grundsatz der Unternehmensfortführung) sowie vier qualitative Anforderungen (neben der Relevanz und der Zuverlässigkeit gleichberechtigt die Grundsätze der Verständlichkeit und der Vergleichbarkeit) zugrunde liegen.170 Die Zielsetzung des IAS 8.10 ist somit unter Berücksichtigung des Framework vergleichsweise eng. Man könnte außerdem meinen, dass andere als die in IAS 8.10 genannten Ziele nicht berücksichtigt werden dürften. Eine solche Sichtweise würde aber zu wenig berücksichtigen, dass die endorsed IAS / IFRS über die gemeinschaftsrechtliche Auslegung hinaus auf besondere Weise von höherrangigen Prinzipien durchdrungen ist. Diese Prinzipien, insbesondere die Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung (z. B. die Erreichung des true and fair view der Bilanz- und Konzernbilanzrichtlinie, das europäische öffentliche Interesse) sowie die primärrechtlichen Strukturgrundsätze sind bei der Auslegung und Anwendung des IAS 8.10 „mitzulesen“. Sie vervollständigen den „Zielkatalog“ des IAS 8.10. Darin liegt aber auch eine Modifikation in der Anwendung der endorsed IAS / IFRS im Vergleich zu den privaten IAS / IFRS als unverbindlichen Verlautbarungen des IAS / IFRS. cc) Der normative Bezugsrahmen der IAS 8.11, .12 Die IAS 8.11, .12 beschreiben den normativen Bezugsrahmen, aus dem bei einer Lückenschließung die Lösung zu entwickeln ist. Diese in IAS 8.11, .12 aufgeführten Bezugsquellen können als der Analogie im Rahmen der Bilanzierung nach endorsed IAS / IFRS zugängliche Vorschriften verstanden werden. Zwischen IAS 8.11 und IAS 8.12 muss hinsichtlich des Grades ihrer Verbindlichkeit unterschieden werden. Während die Berücksichtigung der in IAS 8.11 genannten Quellen zwingend ist – IAS 8.10 benutzt den Ausdruck „hat . . . sich zu beziehen“ („shall refer to, and consider“) –, ist die Beachtung der in IAS 8.12 genannten Bezugspunkte lediglich fakultativ, wie aus dem Wortlaut „kann“ („may also consider“) zu schließen ist.171 Der verpflichtende normative Bezugsrahmen, aus dem das Management eine Lösung für die Bilanzierung eines Sachverhaltes, für den die IAS / IFRS keine eigene Regelung bereitstellen, herzuleiten hat, besteht gem. IAS 8.11 lit. a einerseits aus den konkreten Anforderungen und den Anwendungsleitlinien in Standards und Interpretationen, die sich mit ähnlichen oder verwandten Themen beschäftigen. Andererseits hat das Management gem. IAS 8.11 lit. b die Definitionen, Ansatzkriterien und Bewertungskonzepte für Vermögenswerte, Schulden, Erträge und Aufwendungen, wie sie im Framework enthalten sind, zu berücksichtigen. Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 260. Lüdenbach / Hoffmann, IFRS, § 1 Rn. 86; Ruhnke / Nerlich, DB 2004, 389, 392; siehe auch den Hinweis im nicht übernommenen IAS 8 BC 16. 170 171
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IAS 8.11 nimmt eine interne Gewichtung vor, indem er vorschreibt, dass die Bezugspunkte des IAS 8.11 lit. a vor denjenigen des IAS 8.11 lit. b zu beachten sind. Aus dieser Gewichtung spricht die Absicht, bei der Lückenschließung „vom Besonderen zum Allgemeinen“ vorzugehen. Dies kann überzeugen, denn eine konkrete Lösung lässt sich einfacher aus schon bestehenden konkreten Einzelnormen entwickeln als aus allgemein gehaltenen Prinzipien, wie sie im Framework zu finden sind. Lediglich der verpflichtende Verweis in IAS 8.11 lit. b auf das nicht endorsed Framework ist problematisch.172 Dieser wird – geltungserhaltend – umzudeuten sein in die freiwillige Möglichkeit für den Anwender, das Framework zu beachten. Der fakultative Bezugsrahmen besteht gem. IAS 8.12 aus den jüngsten Verlautbarungen anderer Standardsetter, die ein ähnliches konzeptionelles Rahmenkonzept zur Entwicklung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden einsetzen, sowie Literatur zur Rechnungslegung und anerkannte Branchenpraktiken, sofern sie nicht mit den in IAS 8.11 enthaltenen Quellen in Konflikt stehen. Der Kreis der freiwillig berücksichtigungsfähigen Quellen ist sehr weit gezogen. Er reicht deutlich über die Elemente des IAS / IFRS-Normsystems hinaus, ohne jedoch die Rückkoppelung an diese zu verlieren: Außerhalb des IAS / IFRS-Normsystems liegende Bezugspunkte sind nämlich nur berücksichtigungsfähig, soweit sie nicht in Widerspruch zu den Quellen, die in IAS 8.11 aufgeführt sind, treten. Damit wird die systematische Prinzipienbasierung der IAS / IFRS betont, wobei im Rahmen des Systems der endorsed IAS / IFRS zu berücksichtigen ist, dass zusätzlich nur solche außerhalb des endorsed IAS / IFRS-Normsystems liegenden Quellen zu Rate gezogen werden dürfen, die mit den spezifischen horizontalen und vertikalen Gesetzeszwecken der Gemeinschaftsrechtsordnung, insbesondere Art. 1, 3 Abs. 2 IAS / IFRS-Basisverordnung und den Gemeinschaftsgrundrechten, vereinbar sind.173 Eine Berücksichtigung der US-GAAP, wie sie im Rahmen des IAS 8.12 häufiger genannt wird,174 für die Lückenfüllung innerhalb der IAS / IFRS muss stets mit Augenmaß erfolgen.175 Richtig erscheint die Aussage von Lüdenbach und Hoffmann: „Für die Übernahme eines kasuistischen Wildwuchses aus anderen Rechnungslegungssystemen bietet IAS 8.12 jedenfalls keine Grundlage.“176
Siehe zu dem Problem im Allgemeinen oben Kapitel 4 C. I. Im Anschluss an das oben Gesagte wird man zudem feststellen können, dass die Grundsätze des Framework und die Anwendungsleitlinien, die nicht zum verpflichtenden Teil des IAS 8.11 gezählt werden können, durchaus im Rahmen der nach IAS 8.12 berücksichtigungsfähigen Bezugsquellen genannt werden können. 174 Bohl, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, 1. Aufl., § 1 Rn. 124; ADS, Internationale Standards, Abschnitt 1 Rn. 14; Ruhnke / Nerlich, DB 2004, 389, 393. 175 Kleekämper / Knorr / Somes / Bischof / Doleczik, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, IAS 1 Rn. 25. 176 Lüdenbach / Hoffmann, IFRS, § 25 Rn. 81. 172 173
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dd) Berücksichtigung abgelehnter oder noch nicht übernommener IAS / IFRS im Rahmen der IAS 8.11, .12? Im Zusammenhang mit der Frage, was der von IAS 8.11, .12 beschriebene Bezugsrahmen ist, stellt sich das Problem, ob IAS / IFRS, die noch nicht übernommen oder die im Endorsementverfahren abgelehnt wurden, als normative Anhaltspunkte zur Entwicklung einer Lösung für die Schließung einer etwaigen Lücke herangezogen werden dürfen. Denn ist es denkbar, dass endorsed IAS / IFRS gerade deshalb bezüglich eines Rechnungslegungsproblems lückenhaft sind, weil ein Standard oder eine Interpretation, welcher die Antwort auf das betreffende Rechnungslegungsproblem gibt, nicht übernommen wurde. Die Europäische Kommission nimmt zu diesem Problem in ihren „Kommentaren“ in differenzierender Weise Stellung: Ein nicht freigegebener IAS / IFRS, der mit den endorsed IAS / IFRS im Einklang steht und den Bedingungen des (früheren) IAS 1.22 entspricht, kann als Anhaltspunkt verwendet werden.177 Umgekehrt bedeutet dies, dass ein nicht freigegebener Standard, der im Widerspruch zu den endorsed IAS / IFRS steht oder dem ex-IAS 1.22 nicht entspricht, nicht berücksichtigt werden darf.178 Im Endorsementprozess abgelehnte IAS / IFRS dürfen nach Auffassung der Kommission also soweit als Anhaltspunkt verwendet werden, wie diese mit den endorsed IAS / IFRS im Einklang stehen und den Bedingungen des ex-IAS 1.22 entsprechen. Soweit ein abgelehnter IAS / IFRS hingegen im Widerspruch zu endorsed IAS / IFRS steht oder mit dem ex-IAS 1.22 nicht übereinstimmt, darf der abgelehnte Standard nicht angewandt werden.179 Den Kommentaren der Kommission ist zuzustimmen, soweit sie zum Ausdruck bringen, dass IAS / IFRS, die das Endorsementverfahren noch nicht oder mit negativem Ergebnis durchlaufen haben, weiterhin unverbindliche Regeln eines privaten Normgebers sind, von der Bilanzierungspflicht nach Art. 4 IAS / IFRS-Basisver177 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Kommentare, 2.1.3. Die Kommission hat ihre Kommentare noch zu einem Zeitpunkt verfasst, da der frühere IAS 1.22, der später durch den heute gültigen IAS 8.10 – 12 ersetzt wurde, in Geltung stand. Der frühere IAS 1.22 lautete: „Wenn ein spezifischer International Accounting Standard und eine Interpretation des Standing Interpretations Committee fehlt, entwickelt das Management nach eigenem Urteil Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, die den Abschlussadressaten die jeweils nützlichsten Informationen zur Verfügung stellen. Bei diesem Urteil beachtet das Management Folgendes: (a) die Anforderungen und Anwendungsleitlinien in International Accounting Standards, die ähnliche und verwandte Fragen behandeln; (b) die Definitionen sowie die Ansatz- und Bewertungskriterien für Vermögenswerte, Schulden, Erträge und Aufwendungen, die im IASC-Rahmenkonzept dargelegt sind; und (c) Erklärungen anderer Standardsetter und anerkannte Branchenpraktiken, soweit, aber nur soweit, als diese mit (a) und (b) dieses Paragraphen übereinstimmen.“ 178 So auch Buchheim / Gröner / Kühne, BB 2004, 1783, 1786. 179 Vgl. zu diesen Aussagen Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Kommentare, Abschnitt 2.1.3.
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ordnung nicht erfasst werden und eine direkte zwingende Anwendung noch oder endgültig nicht übernommener IAS / IFRS ausgeschlossen ist. Wäre dies anders, so würde das Endorsementverfahren mitsamt der Kontrolle zu übernehmender IAS / IFRS anhand der Übernahmekriterien sinnlos. Sinnvoll ist auch, dass die Kommission dem Unternehmen die Verwendung nicht freigegebener IAS / IFRS als Anhaltspunkte offenbar fakultativ freistellt. Befremdlich hingegen erscheint, dass die Kommission dazu verlangt, dass ein solcher Standard „auch den Bedingungen des IAS 1.22 genügt“. Denn ex-IAS 1.22 stellt keine Bedingungen oder Voraussetzungen auf, welche ein Standard erfüllen könnte, sondern beschreibt lediglich eine methodische Vorgehensweise, die das Management bei der Füllung von Lücken zu beachten hat. Ob noch nicht übernommene oder sogar abgelehnte IAS / IFRS durch das Management im Rahmen der Lückenfüllung berücksichtigt werden dürfen, ergibt sich methodisch korrekt aus den IAS 8.11 ff. selbst.180 Noch zu übernehmende oder abgelehnte IAS / IFRS fallen nicht unter die berücksichtigungspflichtigen Quellen des IAS 8.11. Sie können deshalb – wenn überhaupt – nur unter die berücksichtigungsfähigen Quellen des IAS 8.12 und dort sinngemäß nur unter den Begriff der „Verlautbarungen anderer Standardsetzer“ fallen.181 Die Einordnung unter IAS 8.12 führt konsequenterweise dazu, dass noch zu übernehmende oder abgelehnte IAS / IFRS nur fakultativ berücksichtigt werden – auch wenn angenommen werden kann, dass diese in der Praxis faktisch eine höchst bedeutsame Rolle spielen werden. Die Berücksichtigung des von IAS 8.12 genannten Bezugsrahmens steht allerdings unter der Bedingung, dass die zur Lückenfüllung herangezogenen normativen Regeln nicht mit bereits übernommenen IAS / IFRS konfligieren. Würde also ein noch nicht freigegebener IAS / IFRS einen übernommenen und noch gültigen IAS / IFRS in konträrer Weise abändern, so dürfte ein solcher IAS / IFRS bei der Lückenfüllung keine Berücksichtigung finden. Darüber hinaus ist wegen der besonderen Überformung der endorsed IAS / IFRS durch das System des Gemeinschaftsrechts erforderlich, dass die nicht übernommenen IAS / IFRS insbesondere mit den vertikalen Gesetzeszwecken, d. h. mit den Übernahmekriterien der IAS / IFRS-Basisverordnung sowie den gemeinschaftsrechtlichen Grundprinzipien, wie z. B. den Grundrechten, übereinstimmen. Während vor diesem klaren Hintergrund noch nicht freigegebene IAS / IFRS solchen Anforderungen noch gerecht werden könnten, erscheint es inhaltlich nicht nach180 Zu weitgehend Kirchner, FS Siegel, S. 201, 210, der meint, dass europäische Gerichte an jegliche SIC- und IFRIC-Interpretationen gebunden seien, sofern sie vom IASB verabschiedet, aber (noch) nicht übernommen seien. 181 Dies überdehnt nicht den Wortlaut, da „andere Standardsetter“ aus der Sicht der endorsed (!) IAS / IFRS gerade solche des IASB sein können, auch wenn im System der privaten IAS / IFRS mit anderen Standardsetzer andere als der IASB gemeint sind. Dies ist demnach ein Beispiel für einen Bedeutungswandel infolge des Endorsement.
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
vollziehbar, dass die Kommission bereits abgelehnte IAS / IFRS für berücksichtigungsfähig erachtet.182 Die Ablehnung eines IAS / IFRS im Endorsementverfahren spricht doch gerade dafür, dass die Übernahmevoraussetzungen eben nicht erfüllt sind.183 So gesehen kann die Auffassung der Kommission, dass dann, wenn ein abgelehnter IAS / IFRS mit den endorsed IAS / IFRS übereinstimmt und auch den Voraussetzungen des ex-IAS 1.22 entspricht, als Anhaltspunkt berücksichtigt werden, nicht überzeugen. Es lässt sich nur festhalten, dass abgelehnte IAS / IFRS nicht im Wege der Lückenfüllung nach IAS 8.10 – 12 Berücksichtigung finden können. ee) Fazit IAS 8.10 ff. weisen alle Elemente auf, welche die Lückenschließung im Wege der Analogie ausmachen. Sie erfassen alle Formen der Analogie – Einzel- als auch Gesamtanalogie – als z. T. auch die über die eigentliche Analogie hinausgehende Rechtsfortbildung mittels allgemeiner Prinzipien, was in dem sehr weit gezogenen normativen Bezugsrahmen des IAS 8.12 zum Ausdruck kommt. Festzuhalten ist, dass ein Vorgehen nach IAS 8.10 ff. wohl zu identischen Ergebnissen führt, wie wenn nach den allgemein methodenrechtlichen Grundsätzen der Analogie verfahren würde. Bedeutsam ist jedoch, dass die Anwendung der endorsed IAS 8.10 – 12 wegen seiner Eigenschaft als europäische Rechtsnorm inhaltlich von derjenigen der privat-unverbindlichen IAS 8.10 – 12 divergiert.
b) Lückenschließung gem. IAS 1.17 ff. als explizit geregelte teleologische Reduktion Mit den IAS 1.17 ff. sind Standards endorsed worden, welche es dem Bilanzierungspflichtigen erlauben, in bestimmten Fällen Anforderungen eines Standards oder einer Interpretation unangewendet zu lassen. Bei näherer Betrachtung normieren auch die IAS 1.17 ff. eine Methode zur Lückenschließung, obwohl sich dies nicht so deutlich wie aus IAS 8.10 ergibt. Gegenstand der Lückenfüllung sind dabei verdeckte Lücken.184 Die Möglichkeit, Standards oder Interpretationen unangewendet zu lassen, hat gem. IAS 1.17 drei Voraussetzungen: So muss es sich einerseits um einen äußerst seltenen Fall handeln („extremely rare circumstances“); andererseits müsste die Befolgung des in Frage stehenden IAS / IFRS derart irreführend sein, dass dies zu einem Konflikt mit den im Framework aufgeführten Zwecken finanzieller Abschlüsse führen würde; drittens muss das jeweilige internationale oder nationale Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Kommentare, 2.1.3 Abs. 3. Sehr zu recht weisen auch Heuser / Theile, IFRS Handbuch, Rn. 66 auf diesen Missstand hin. 184 Ruhnke / Nerlich, DB 2004, 389, 391; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 641. 182 183
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gesetzliche Rahmenwerk eine Abweichung überhaupt erlauben.185 Liegen die Voraussetzungen vor, löst dies umfangreiche Informationspflichten aus.186 aa) Konflikt mit den Zielen finanzieller Abschlüsse Nach IAS 1.22 besteht ein Konflikt mit den Zwecken finanzieller Abschlüsse, wenn Geschäftsvorfälle, sonstige Ereignisse oder Bedingungen im Abschluss nicht glaubwürdig dargestellt und deshalb wahrscheinlich die ökonomischen Entscheidungen von Abschlussadressaten beeinflusst würden. IAS 1.22 nimmt damit fast wörtlich das Konzept der „faithful representation“ auf, wie es in F.33, .34 verankert ist, wo es als eine Unterausprägung (von mehreren) des qualitativen Rechnungslegungserfordernisses der Verlässlichkeit (reliability) aufgeführt wird und das scharf vom Prinzip der fair presentation bzw. dem true and fair view zu unterscheiden ist.187 Im Gegensatz zum System der privaten IAS / IFRS, in welchem IAS 1.17 nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn zumindest ein Verstoß gegen die faithful representation gegeben ist und ein Verstoß allein gegen andere qualitative Anforderungen nicht ausreichend ist,188 resultiert aus der besonderen Überformung der endorsed IAS / IFRS, dass schon dann ein „Konflikt mit den Zwecken finanzieller Abschlüsse“ i. S. d. IAS 1.17 vorliegt, wenn die Anwendung der IAS / IFRS zu Abschlüssen führen würden, die mit den horizontalen und vertikalen Gesetzeszwecken, insbesondere mit den Übernahmekriterien (darunter vor allem das true and fair view-Prinzip der Bilanz- und Konzernbilanzrichtlinie) und den Gemeinschaftsgrundrechten, kollidieren würden. Fraglich ist jedoch, ob überhaupt Fälle denkbar sind, in denen nur die Anwendung eines IAS / IFRS gegen die höherrangigen Zwecke von IAS / IFRS-Abschlüssen verstoßen. So könnte man argumentieren, dass immer dann, wenn ein Bilanzierender einen IAS / IFRS wegen eines solchen Verstoßes nicht anwenden will, der betreffende IAS / IFRS ohnehin schon ungültig ist, weil er dann stets auch gegen die Übernahmekriterien verstoßen hat. Richtigerweise ist jedoch präzise zwischen dem abstrakten IAS / IFRS und seiner konkreten Anwendung im Einzelfall zu differenzieren. So ist es möglich, dass ein IAS / IFRS bei einer abstrakten Prüfung anhand der Übernahmekriterien diese erfüllt, unter besonderen, nicht verallgemeinerbaren Umständen bei der Anwendung ausnahmsweise aber Probleme aufwirft. Umgekehrt ausgedrückt: Es ist denkbar, dass die Anwendung eines IAS / IFRS im konkreten Einzelfall in Konflikt mit den Abschlusszwecken kommen kann, ohne dass deshalb der gesamte IAS / IFRS gegen die Übernahmekriterien verstoßen würde. 185 Von Letzterem ist in der EU auszugehen, weshalb die dritte Voraussetzung nicht weiter untersucht wird; vgl. Küting / Gattung, PiR 2006, 49, 50. 186 Vgl. IAS 1.18 – 21, die hier nicht näher behandelt werden sollen. 187 Deutlich Küting / Gattung, PiR 2006, 49, 51. 188 Küting / Gattung, PiR 2006, 49, 51, 52.
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Kap. 4: Anwendung und Auslegung übernommener IAS / IFRS
bb) Äußerst seltene Umstände Die Lückenschließung nach IAS 1.17 – 22 soll nur in äußerst seltenen Fällen zur Anwendung kommen. Fraglich ist, wann ein solcher äußerst seltener Fall gegeben ist. So könnte man einerseits meinen, dass sich diese Anforderung auf die faktischen Umstände bezieht, in denen sich der Bilanzierende befindet. Ein äußerst seltener Fall läge dann vor, wenn die Nichtbeachtung eines IAS / IFRS äußerst selten im Vergleich zu anderen vergleichbaren Bilanzierenden wäre. Andererseits könnte man der Auffassung sein, der äußerst seltene Fall beziehe sich darauf, dass es innerhalb des IAS / IFRS-Normsystems äußerst selten sei, wenn ein IAS / IFRS unbeachtet gelassen werden müsste. In der Literatur besteht bislang lediglich Einigkeit darüber, dass ein äußerst seltener Fall dann vorliegt, wenn es sich um neue wirtschaftliche Sachverhalte handelt, die im Zeitpunkt der Entwicklung und Erlass des IAS / IFRS noch nicht absehbar und daher nicht bedacht wurden.189 Mehrere Gründe sprechen für die erste Auslegungsalternative, wonach es auf äußerst seltene Umstände im Hinblick auf die faktische Situation des betreffenden Bilanzierenden ankommt: In systematischer Hinsicht lässt sich feststellen, dass die IAS 1.22 lit. a und lit. b von einer Situation ausgehen, in der der Bilanzierende erwägen muss, weshalb die Zwecke des Abschlusses unter den „besonderen Umständen“ nicht eingehalten würden (IAS 1.22 lit. a) und in welchem Grade sich die Umstände, in denen sich der Bilanzierende befindet, von denen anderer Bilanzierender, welche sich an die IAS / IFRS vollumfänglich halten (IAS 1.22 lit. b), unterscheiden. Die IAS / IFRS gehen also davon aus, dass andere Bilanzierungspflichtige sich an die IAS / IFRS halten können, ohne dass damit die Zielsetzung des Abschlusses verletzt würde. Würde man annehmen, dass ein äußerst seltener Fall sich auf die Seltenheit innerhalb des Normsystems der IAS / IFRS bezöge, dann würde dies dazu führen, dass ein gesamter IAS / IFRS für alle Unternehmen unangewendet bliebe. Dann aber würde sich die Frage stellen, ob der betreffende IAS / IFRS überhaupt hätte endorsed werden dürfen, weil in der Regel dann auch ein Verstoß gegen die Übernahmekriterien der IAS / IFRS-Basisverordnung vorliegen würde. Liegt aber bereits ein Verstoß gegen die Übernahmekriterien vor, so gilt der entsprechende IAS / IFRS ohnehin nicht mehr als Gemeinschaftsrecht, so dass IAS 1.17 stets leer laufen würde. cc) Lückenschließung nach IAS 1.17 ff. als beschränkte teleologische Reduktion In funktioneller Hinsicht entspricht das Vorgehen nach IAS 1.17 ff. weitgehend der Methode zur Schließung verdeckter Lücken im Wege der teleologischen Reduktion.190 189 Vgl. Baetge / Zülch, in: HdJ I / 2, Rn. 209; ADS, Internationale Standards, Abschn. 1 Rn. 110; Küting / Gattung, PiR 2006, 49, 51; eingeschränkt Kleekämper / Knorr / Somes / Bischof / Doleczik, in: Baetge / Dörner / Kleekämper / Wollmert / Kirsch, IFRS, IAS 1 Rn. 18.
D. Ergebnis
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Teleologische Reduktionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Vorschrift, die ihrem Wortlaut nach eigentlich auf einen bestimmten Sachverhalt anwendbar ist, aufgrund ihrer ratio derart beschränken, dass der Sachverhalt nun nicht mehr unter die Vorschrift subsumiert werden kann, um so die Widerspruchsfreiheit und Gleichbehandlung der Rechtsordnung zu erhalten.191 Zwischen der Lückenschließung mittels teleologischer Reduktion und der Vorgehensweise nach IAS 1.17 ff. bestehen vielfältige strukturelle Gemeinsamkeiten. Beide setzen das Vorliegen einer verdeckten Lücke voraus. Bei IAS 1.17 kann es sich dabei sogar um eine nachträgliche unbewusste Lücke handeln, wie sich aus der Auffassung der Literatur ergibt, die annimmt, dass ein äußerst seltener Fall i. S. d. IAS 1.17 vorliegen kann, wenn es sich um neue wirtschaftliche Sachverhalte handelt, die im Zeitpunkt der Entwicklung und des Erlasses des IAS / IFRS noch nicht absehbar waren und daher nicht bedacht wurden. In ihrer Wirkung sind beide Vorgehensweisen identisch: Eine Norm, die ihrem Wortlaut nach anwendbar wäre, braucht auf einen Sachverhalt nicht angewendet zu werden. Die Unanwendbarkeit wird in beiden Fällen damit begründet, dass anderenfalls ein übergeordneter Zweck nicht erreicht würde. Im Unterschied zur „normalen“ teleologischen Reduktion löst die Anwendung der IAS 1.17 ff. aber sehr umfangreiche Berichtspflichten aus (IAS 1.18 – 21) aus. Nichtsdestotrotz führt die Anwendung der endorsed IAS 1.17 ff. zu weitgehend identischen Ergebnissen wie die Methode der teleologischen Reduktion.
D. Ergebnis Die Untersuchung über die Anwendung und Auslegung zeigt, dass die übernommenen IAS / IFRS als Gemeinschaftsrecht den spezifischen Auslegungs- und Anwendungsmethoden des Gemeinschaftsrechts unterworfen sind. Dies führt, da die privaten IAS / IFRS selbst kein vollständiges „Set“ an Auslegungs- und Anwendungsvorgaben enthalten, zu einer Vervollkommnung der Auslegungs- und Anwendungsgrundsätze für die übernommenen IAS / IFRS. Allerdings führt die europarechtliche Determinierung der Auslegung und Anwendung von übernommenen IAS / IFRS auch dazu, dass letztlich „EU-IAS / IFRS“ entstehen könnten.
190 Ruhnke / Nerlich, DB 2004, 389, 391; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 641; abweichend Küting / Gattung, PiR 2006, 49, 52 ff., die von IAS 1.17 ff. als Anleitung zur teleologischen Auslegung sprechen. 191 Siehe oben Kapitel 4 C. III. 1. b) dd).
Kapitel 5
Die fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht – Rechtsfolgen und Rechtsschutz betroffener Unternehmen Die Übernahme der in ihrem Ursprung privaten und unverbindlichen IAS / IFRS mittels des Endorsementverfahrens in das Gemeinschaftsrecht wirft weitere Fragen auf: Was sind die Rechtsfolgen, wenn der Endorsementprozess einmal fehlerhaft erfolgt ist? Wann kann überhaupt von einer fehlerhaften Übernahme gesprochen werden? Wie können sich betroffene Unternehmen gerichtlich gegen die Anwendung von fehlerhaft übernommenen IAS / IFRS zur Wehr setzten? Die folgende Untersuchung will nach einer juristischen Analyse Antworten auf diese Fragen geben.
A. Fehlerhaft übernommene IAS / IFRS I. Fehlerhaftigkeit von endorsed IAS / IFRS als Folge eines Verstoßes der IAS / IFRS-Übernahmeverordnung gegen höherrangiges Recht Ein IAS / IFRS ist dann als „fehlerhaft“ zu bezeichnen, wenn die Übernahmeverordnung, welche diesen IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht übernimmt, gegen höherrangiges Recht verstößt. Wenn im Weiteren von „fehlerhaften“ oder „fehlerhaft übernommenen“ IAS / IFRS“ gesprochen wird, ist darunter mithin keine (pejorative) Meinungsäußerung über die Qualität des IAS / IFRS als Rechnungslegungsstandard zu verstehen, sondern lediglich eine terminologisch verkürzende Umschreibung des oben umschriebenen rechtlichen Umstands zu sehen.
Nach der Art des Verstoßes kann weiter Sinne sind IAS / IFRS fehlerhaft, wenn die IAS / IFRS übernimmt, welche den in Art. 3 nung explizit genannten Übernahmekriterien
unterschieden werden: Im engeren betreffende Übernahmeverordnung Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordwidersprechen.1 Fehlerhaft im wei-
1 I. e.: das true and fair view-Prinzip der EG-Bilanzrichtlinie und der Konzernbilanzrichtlinie; das europäische öffentliche Interesse; sowie die Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit.
A. Fehlerhaft übernommene IAS / IFRS
297
teren Sinne sind IAS / IFRS, wenn die sie übernehmenden Übernahmeverordnungen gegen die prozeduralen oder sonstigen materiellen Übernahmeerfordernisse verstoßen.2 Beispiel für einen fehlerhaft übernommenen IAS / IFRS im engeren Sinne ist IFRS 3.54 f. Dieser statuiert zwar ein Verbot planmäßiger Abschreibung für aktivierte Geschäfts- oder Firmenwerte, verlangt aber eine außerplanmäßige Abschreibung, falls der jährlich vorgeschriebene Werthaltigkeitstest eine Minderung des Wertes ergibt (sog. Impairment-OnlyApproach). Joachim Hennrichs weist nach, dass darin ein Verstoß gegen das true and fair view-Gebot der EG-Bilanz- und Konzernbilanzrichtlinie zu sehen ist, da der Verzicht auf die planmäßige Abschreibung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwertes materiell auf eine partielle Aktivierung des originären Goodwill hinauslaufe, letzteres in den europäischen Bilanzrichtlinien jedoch ausdrücklich untersagt sei.3
II. Rechtsfolgen der fehlerhaften Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht Die Antwort auf die Frage, welche Rechtsfolgen die fehlerhafte Übernahme von IFRS auslöst und ob die Normadressaten fehlerhafte IFRS zu befolgen haben, ergibt sich aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht. Letztlich handelt es sich um das Problem, wie gegen höherrangiges Recht verstoßende europäische Sekundärrechtsakte – und als solche sind die fehlerhaft übernommenen IFRS anzusehen – rechtlich zu behandeln sind. Beruht die fehlerhafte Übernahme darauf, dass die Übernahmeverordnung nicht ordnungsgemäß oder überhaupt nicht im Amtsblatt veröffentlicht wurde, besteht Einigkeit, diesen Rechtsakt als inexistent zu betrachten.4
Die ständige Rechtsprechung des EuGH und das ihr fast einmütig zustimmende europarechtliche Schrifttum gehen davon aus, dass Sekundärrechtsakte, die gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoßen, solange für gültig anzusehen sind, bis der dazu allein zuständige europäische Gerichtshof den betreffenden Rechtsakt 2 Dazu gehört z. B. die Beachtung der Vorschriften über das verfahrensmäßige Zustandekommen sowie der Gemeinschaftsgrundrecht. Siehe näher zu den einzelnen Voraussetzungen oben ausführlich Kapitel 1 A. III. 1. 3 Hennrichs, NZG 2005, 783, 785; ders., ZHR 170 (2006), 498, 508 f. Zustimmend Schulze-Osterloh, in: HdJ I / 1, Rn. 107. Als ein weiteres Beispiel für einen fehlerhaften IAS / IFRS im engeren Sinne kann zudem IAS 18.30 lit. c dienen, näher dazu Wüstemann / Kierzek, BB 2006, Beilage Nr. 14, 14, 16 sowie Berndt / Hommel, BFuP 2005, 407, 414. Zum äußerst praxisrelevanten und intensiv diskutierten Verstoß des IAS 32 gegen Art. 3 Abs. 2 IAS / IFRSBasisverordnung sowie darüber hinaus gegen Gemeinschaftsgrundrechte siehe z. B. Hennrichs, WPg 2006, 1253, 1258 f.; ders., ZHR 170 (2006), 498, 504 ff.; Leuschner / Weller, WPg 2005, 261, 268; Prinz, FR 2006, 566, 570; Schubert, WM 2006, 1033, 1037. 4 EuGH, Urt. vom 29. 05. 1974, Rs. 185 / 73, „Hauptzollamt Bielefeld / Koenig“, Slg. 1974, 607, Rn. 6; Gellermann, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 254 EGV Rn. 4; Schmidt, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 254 EGV Rn. 14.
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Kap. 5: Fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht
ausdrücklich für nichtig erklärt hat.5 Vorher seien alle dem Gemeinschaftsrecht unterworfenen Personen und Stellen verpflichtet, dessen „volle Wirksamkeit [ . . . ] anzuerkennen“.6 Die Entscheidung des EuGH ergeht dabei mit ex tunc-Wirkung, d. h., der fehlerhafte Sekundärrechtsakt gilt als von Anfang an nichtig.7 Als ausnahmsweise ohne weitere gerichtliche Entscheidung inexistent sieht der EuGH hingegen Handlungen der Gemeinschaft an, die von einem offenkundigen und schweren Fehler betroffen sind.8 Im bilanzrechtlichen Schrifttum – vorwiegend anlässlich der Analyse der Einhaltung der Übernahmevoraussetzungen beim Endorsement des IAS 32 – findet sich die Ansicht, nach der IFRS-Übernahmeverordnungen, welche gegen Art. 3 Abs. 2 der IFRS-Basisverordnung verstoßen, per se und damit noch vor der (feststellenden) Entscheidung des Gerichtshofs keine rechtliche Wirkung entfalteten und „unwirksam“, „nichtig“ oder rechtlich unverbindlich seien.9 Im Gegenüber dieser Meinungen flackert auf Ebene des Gemeinschaftsrechts die schon aus dem deutschen Verfassungsrecht bekannte Kontroverse zwischen der „Nichtigkeitslehre“ und der „Vernichtbarkeitslehre“ auf, die sich über die Frage nach den Rechtsfolgen verfassungswidriger (formeller) Gesetze herausgebildet haben. Nach der traditionellen Nichtigkeitslehre sind verfassungswidrige Normen ipso iure und ex tunc nichtig; ein entsprechendes Urteil des BVerfG – sei es zum Abschluss einer abstrakten Normenkontrolle, sei es am Ende einer konkreten Normenkontrolle – hat in der Konsequenz lediglich deklaratorisch feststellende Wir5 Dazu und zu den weiteren Aussagen zentral EuGH, Urt. vom 13. 02. 1979, Rs. 101 / 78, „Granaria“, Slg. 1979, 623, Rn. 4 f.; EuGH, Urt. vom 21. 09. 1989, verb. Rs. 46 / 87 u. 227 / 88, „Hoechst AG“, Slg. 1989, 2859, Rn. 64; Booß, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 231 EGV Rn. 1; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 17; Schmidt, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 21; Oppermann, Europarecht, § 8 Rn. 15; Busse, JöR 59 (2002), 541 ff. 6 EuGH, Urt. vom 13. 02. 1979, Rs. 101 / 78, „Granaria“, Slg. 1979, 623, Rn. 5. 7 Dies gilt für die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 und 231 EGV für Legislativakte sowie grundsätzlich auch für das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV, vgl. EuGH, Urt. vom 26. 04. 1986, verb. Rs. 97, 193, 99 und 215 / 86, „Asteris“, Slg. 1988, 2181, Rn. 30; EuGH, Urt. vom 12. 06. 1980, Rs. 130 / 79, „Express Dairy Foods“, Slg. 1980, 1887, Rn. 14; Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 231 EGV Rn. 5; Wegener, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 234 EGV Rn. 39; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 558. Im Vorabentscheidungsverfahren erklärt der Gerichtshof die Gültigkeitsfrage als solches den betreffenden Rechtsakt nicht für nichtig, sondern für ungültig. Dazu Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 234 EGV Rn. 65. 8 EuGH, Urt. vom 08. 07. 1999, Rs. C-245 / 92 P, „Chemie Linz GmbH“, Slg. 1999, I-4643, Rn. 94 f.; zustimmend z. B. Schmidt, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 249 EGV Rn. 21; Craig / de Búrca, EU Law, S. 486. 9 Schön, BB 2004, 763, 767; Schubert, WM 2006, 1033, 1037; Hennrichs, NZG 2005, 783, 785; ders., WPg 2006, 1253, 1259, allerdings mit der Einschränkung, dass nationale Stellen verfahrensrechtlich gehindert seien, die Ungültigkeit gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakte festzustellen, während Privatpersonen bei der Nichtbeachtung von fehlerhaften IFRS keinen Rechtsverstoß begingen.
A. Fehlerhaft übernommene IAS / IFRS
299
kung.10 Hingegen geht die jüngere Vernichtbarkeitslehre davon aus, dass verfassungswidrige Gesetze nur vernichtbar sind und die Nichtigkeit erst mit gestaltender Wirkung einer Entscheidung des BVerfG eintritt.11 Während diese Streitfrage im deutschen Recht letztlich unentschieden geblieben ist,12 haben sich der EuGH und mit ihm das europarechtliche Schrifttum implizit wohl zu einer Entsprechung der „Vernichtbarkeitslehre“ auf Ebene des Gemeinschaftsrechts bekannt.13 Für ihre Auffassung mag sprechen, dass der EGV selbst – in Art. 231 Abs. 2 EGV – die Aussage trifft, wonach der Gerichtshof, wenn er eine Verordnung für nichtig erklärt, diejenigen ihrer Wirkungen bezeichnen darf, die als „fortgeltend“ zu betrachten sind. Ähnliches lässt sich aus Art. 60 Abs. 2 (ex-Art. 53 Abs. 2) des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs ableiten, der normiert, dass die Urteilswirkung einer für nichtig erklärten Verordnung erst mit der Rechtskraft des Urteils eintritt.14 Doch auch die Gegenmeinung hat beachtenswerte Argumente für sich: Die Annahme einer ipso iure und ex tunc-Nichtigkeit rechtswidriger Sekundärrechtsakte berücksichtigt besser, dass der EGV nicht stets – wie bei der Nichtigkeitsklage nach Art. 230, 231 EGV – die Nichtigkeit erklären lässt, sondern auch andere Formen, z. B. die Ungültigkeits- nach Art. 234 EGV oder die Unanwendbarkeitsentscheidung nach Art. 241 EGV vorsieht, die nicht ohne weiteres zur Vernichtbarkeitslehre des EuGH passen wollen. Darüber hinaus stellt sie denjenigen, der einen rechtswidrigen Sekundärrechtsakt nicht befolgt, von vornherein besser, weil – materiellrechtlich betrachtet – in der Nichtbefolgung des rechtswidrigen Sekundärrechtsakts kein Rechtsverstoß gesehen werden kann,15 während in der Logik des EuGH und der europarechtlichen Literatur ein solches Verhalten zunächst stets mit dem „Makel des Rechtsungehorsams“ behaftet ist, der erst im Nachhinein entfällt. Im Übrigen erscheint die Annahme einer ipso iure und ex tunc-Nichtigkeit für Sekundärrechtsakte, die aus kompetentiellen Gründen mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht nicht im Einklang stehen, auch besser mit der Maastricht-Rechtsprechung des BVerfG vereinbar,16 welche Gemeinschaftsrechtsakten von vornherein innerstaatliche Verbindlichkeit nur zubilligt, soweit sie sich nicht „ultra vires“ und außerhalb der „Brücke“17 des nationalen Rechtsanwendungsbefehls bewegen.18 10 Siehe beispielsweise Löwer, in: Hdb des Staatsrechts III 2005, § 70 Rn. 114; Hillgruber / Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 532, 548; Schlaich / Korioth, BVerfG, Rn. 380; weitere Nachweise bei Gärditz, DÖV 2001, 539, 540 Fn. 18. 11 So z. B. C. Böckenförde, Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze, S. 44 ff.; Götz, NJW 1960, 1177 ff.; weitere Literaturnachweise bei Graßhof, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 78 Rn. 13 Fn. 18. 12 Deutlich Graßhof, in: Umbach / Clemens / Dollinger, BVerfGG, § 78 Rn. 13. 13 In diese Richtung jüngst wohl Nettesheim, EuR 2006, 737, 748 ff. 14 Siehe dazu Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 108. 15 Konsequent Hennrichs, WPg 2006, 1253, 1259. 16 BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155 ff. 17 P. Kirchhof, in: Hommelhoff / Kirchhof, Staatenverbund, S. 11, 14; ders., JZ 1998, 965, 966.
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Kap. 5: Fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht
Letztlich braucht es aber keiner endgültigen Positionierung, da nach beiden Auffassungen die für alle Beteiligten erforderliche Rechtsklarheit und Rechtssicherheit stets erst durch den Gerichtshof hergestellt werden kann, der zu diesem Zwecke ein Normverwerfungsmonopol hat. Damit stellt sich umso dringender die Frage, ob und wie Unternehmen effektiv Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IFRS erlangen können. Denn insbesondere das weitreichende Dogma der Gültigkeitsvermutung für fehlerhafte Gemeinschaftsrechtsakte, wie sich dies aus der gemeinsamen Auffassung von EuGH und europarechtlichem Schrifttum so dezidiert ergibt, erfordert eine hinreichende Kompensierung durch effektive Rechtsbehelfe, die zur endgültigen Beseitigung der Gültigkeit des Rechtsaktes führen können.19
B. Rechtsschutz betroffener Unternehmen gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS Ein Bedürfnis nach Rechtsschutz gegen IAS / IFRS kann sich für IAS / IFRSbilanzierungspflichtige Unternehmen20 aus unterschiedlichen Gründen ergeben: So mögen sie die Bilanzierung nach einem bestimmten Standard als wirtschaftlich belastend empfinden oder aber sich im Vergleich zu einem Konkurrenten ungleich behandelt fühlen. In solchen Fällen kann jedenfalls beim betroffenen Unternehmen der Wunsch bestehen, sich gegen den Zwang zur Anwendung des betroffenen Standards zu wehren, um diesen nicht anwenden zu müssen. Dass diese Frage auch von hoher Relevanz ist, zeigt die Diskussion um die Eigenkapitalabgrenzung nach IAS 32, der im Schrifttum als fehlerhaft übernommen angesehen wird, weil Unternehmen, deren Gesellschafter zwingende Kündigungsrechte und Abfindungsansprüche haben, diese als Fremdkapital ausweisen müssen.21 Gerade hier ist die Frage, auf welche Weise die betroffenen Unternehmen gegen den fehlerhaft übernommenen Standard Rechtsschutz erlangen können, damit sie diesen nicht mehr anwenden müssen, essentiell. 18 BVerfG, Urt. vom 12. 10. 1993, 2 BvR 2134, 2159 / 92, „Maastricht“, BVerfGE 89, 155, 188; zustimmend etwa Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 23 Rn. 35 f.; Rojahn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 24 Rn. 73 ff.; Gersdorf, DVBl. 1994, 674, 680. 19 Ähnlich auch Arzoz, JöR 49 (2001), 299, 309 f.; Ossenbühl, NJW 1986, 2805, 2807 m. w. N. 20 Die Untersuchung beschränkt sich im Weiteren auf die kapitalmarktorientierten Unternehmen, die gem. Art. 4 der IAS / IFRS-Basisverordnung i.V. m. § 315a Abs. 1, 2 HGB ihre konsolidierten Abschlüsse nach den endorsed IAS / IFRS verpflichtend aufzustellen haben. 21 Schiessl, ZHR 170 (2006), 522, 536 f.; siehe auch Hennrichs, WPg 2006, 1253, 1258 f.; ders., ZHR 170 (2006), 498, 504 ff.; Leuschner / Weller, WPg 2005, 261, 268; Prinz, FR 2006, 566, 570; Schubert, WM 2006, 1033, 1037. Dieses Problem betrifft zwar vorrangig die momentan noch nicht zwingend IAS / IFRS-bilanzierungspflichtigen Personenhandelsgesellschaften, andererseits aber auch schon die GmbH, dazu Dettmeier / Pöschke, GmbHR 2006, 297 ff.
B. Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS
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Neben diesem individuellen Rechtsschutzgedanken tragen die gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten auch zu einer generellen Legalitätskontrolle der Gesetzgebungstätigkeit beim Endorsement bei, innerhalb derer sowohl Aspekte der Gemeinschaftsrechtskonformität des Endorsementverfahrens als auch Fragen der Anwendung und Auslegung von endorsed IAS / IFRS gerichtlicher Erörterung zugeführt werden. Wegen des Normverwerfungsmonopols des Gerichtshof über alle Normen des Gemeinschaftsrechts muss jegliches Rechtsschutzbegehren von Unternehmen, die der Ansicht sind, dass ein bestimmter IAS / IFRS nicht hätte übernommen werden dürfen, den Rechtsweg zum Gerichtshof finden. Der Gerichtshof, bestehend aus dem EuGH und dem EuG, hat die Aufgabe, das geschriebene und ungeschriebene Recht bei der Auslegung und Anwendung der Gemeinschaftsverträge zu sichern, Art. 220 EGV. Er nimmt damit die Funktion der Rechtsprechung im Rahmen der europäischen Integration wahr.22 Rechtsschutz vor dem EuGH kann nur „im Rahmen seiner jeweiligen Zuständigkeit“ erfolgen. Eine allgemeine Zuständigkeit für jegliche Rechtsstreitigkeiten, die das Gemeinschaftsrecht berühren, kommt dem EuGH nicht – auch nicht gem. Art. 220 EGV – zu.23 Vielmehr gilt auch für ihn das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, weshalb Zugang zum EuGH nur im Wege der ausdrücklich in den Verträgen verankerten Zuständigkeiten möglich ist, Art. 7, 240 EGV.24
Rechtsschutzbegehren natürlicher oder privater juristischer Personen gegen Rechtsakte der Gemeinschaft wird im Wesentlichen auf drei Arten der Weg zum Gerichtshof eröffnet: durch die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 EGV, durch das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV sowie durch die Inzidentrüge gem. Art. 241 EGV.25 Konzeptionell unterscheiden sich die genannten Verfahren in erster Linie dadurch, dass allein die Nichtigkeitsklage dem Einzelnen direkten Zugang zum Gerichtshof gibt, während das Vorabentscheidungsverfahren aus der Sicht des Einzelnen nur indirekt über ein mitgliedstaatliches Gericht zum Gerichtshof führt und die Inzidentrüge keinen eigenen Rechtsweg zum Gerichtshof eröffnet, sondern ein bereits am Gerichtshof anhängiges Verfahren voraussetzt.26 Huber, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 11. EuGH, Urt. 25. 07. 2002, Rs. C-50 / 00 P, „Unión de Pequen˜os Agricultores“, Slg. 2002, I-6677, Rn. 44; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 8; Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 4 Rn. 2. 24 Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 2; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 5; Classen, JZ 2006, 157 ff., dort auch zum europäischen Justizgewährleistungsanspruch. 25 EuGH, Urt. vom 01. 04. 2004, Rs. C-263 / 02 P, „Jégo-Quéré“, Slg. 2004, I-3425, Rn. 30; Baumeister, EuR 2005, 1, 6; Nettesheim, JZ 2002, 928, 932; v. Danwitz, NJW 1993, 1108 ff. Keine Erwähnung finden hier andere Verfahren, wie z. B. die Untätigkeitsklage (Art. 232 EGV), die strukturell denselben Rechtsbehelf regelt wie die Nichtigkeitsklage, die Beamtenklage (Art. 236 EGV), welche im Hinblick auf den Rechtsschutz gegen fehlerhafte IAS / IFRS irrelevant ist, und die Klage auf Schadensersatz wegen außervertraglicher Haftung (Art. 235 i.V. m. 288 Abs. 2 EGV), welche als Mittel des Sekundärrechtsschutzes nicht behandelt werden soll. 22 23
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Kap. 5: Fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht
Die weitere Darstellung soll sich an dieser konzeptionellen Unterscheidung nach dem Zugang zum Gerichtshof orientieren.
I. Direkter Zugang zum Gerichtshof: Die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 EGV gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS Die Nichtigkeitsklage erlaubt es – bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen – den Organen der Gemeinschaft, der EZB sowie jeder natürlichen und juristischen Person, Gemeinschaftsrechtsakte einer gerichtlichen Kontrolle durch den Gerichtshof zu unterziehen.27 Sie bezweckt durch die Beseitigung des fehlerhaften Gemeinschaftsrechtsaktes die Wiederherstellung eines gemeinschaftsrechtmäßigen Zustandes und verfolgt damit das doppelte Ziel der Gewährung von Rechtsschutz gegenüber Rechtshandlungen der Gemeinschaftsorgane sowie der gerichtlichen Kompensation etwaiger Defizite der parlamentarischen Kontrolle in der Gemeinschaft.28 Ein stattgebendes Urteil hat rechtsgestaltende Wirkung, weshalb die Nichtigkeitsklage von manchen auch als Aufhebungs- oder Anfechtungsklage bezeichnet wird.29
Obwohl die Nichtigkeitsklage von ihrem Rechtsschutzpotential her als Rechtsbehelf gegen fehlerhafte IAS / IFRS sehr geeignet wäre, erscheint die konkrete Inanspruchnahme dieses Rechtsmittels für IAS / IFRS-bilanzierungspflichtige Unternehmen problematisch, wenn nicht sogar unmöglich. Als Hindernisse erweisen sich insbesondere die kurze Klagefrist sowie die Beschränkungen, denen natürliche und juristische Personen bei Klagen gegen Verordnungen unterliegen.30 26 Baumeister, EuR 2005, 1, 6; Zacker / Wernicke, Europarecht, S. 382 f.; ausführlich auch Lenz / Staeglich, NVwZ 2004, 1421 ff.; Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 241 EGV Rn. 4. Die Nichtigkeitsklage wird deshalb auch als „Direktklage“ bezeichnet, das Vorabentscheidungsverfahren als „indirekte Klage“, Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 5 Rn. 1. Zu weiteren Unterscheidungsmöglichkeiten der Verfahren vor dem EuGH siehe z. B. Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 23. 27 Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 36. 28 Gesser, Nichtigkeitsklage, S. 7 f.; Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 1; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 325. 29 Siehe nur Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 4; Booß, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 5. 30 Hingegen werden die allgemeinen Zulässigkeitvoraussetzungen der Nichtigkeitsklage wohl einzuhalten sein: Zuständig für Nichtigkeitsklagen von Unternehmen ist das EuG, Art. 225 Abs. 1 EGV i.V. m. Art. 51 Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs. Die kapitalmarktorientierten Gesellschaften, welche gem. Art. 4 IAS / IFRS-Basisverordnung ihre Konzernabschlüsse nach den endorsed IAS / IFRS aufstellen müssen, sind in der Regel als juristische Personen gem. Art. 230 Abs. 4 EGV aktiv parteifähig. Richtige Beklagte und gleichfalls parteifähig gem. Art. 230 Abs. 1 EGV in einem Nichtigkeitsklageverfahren ist die Kommission als Gesetzgeberin der jeweiligen fehlerhaften IAS / IFRS-Übernahmeverordnung. Die Klageschrift des Unternehmens, die inhaltlich an Art. 21 Protokoll der Satzung des Gerichts-
B. Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS
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1. Hindernis der Verfristung Die Klageerhebung ist gem. Art. 230 Abs. 5 EGV nur innerhalb einer zweimonatigen Ausschlussfrist möglich.31 Die Frist läuft von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat, Art. 230 Abs. 5 2. HS. EGV. Übertragen auf die Nichtigkeitsklage gegen fehlerhafte IAS / IFRS beginnt der Lauf der Frist ganz regelmäßig mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der jeweiligen Übernahmeverordnung im Amtsblatt der EG.32 Dies gilt sogar dann, wenn die Übernahmeverordnung nicht schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten soll.33 Diese relativ knapp bemessene Frist führt dazu, dass Nichtigkeitsklagen von Unternehmen gegen fehlerhafte Übernahmeverordnungen in der Regel verfristet sind. Die bereits existierenden IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen, welche die vom IASB publizierten IAS / IFRS fast vollständig in das Gemeinschaftsrecht übernommen haben, sind überwiegend bereits länger als die Dauer der Klagefrist im Amtsblatt veröffentlicht. Die Klagefrist kann damit nur bei Nichtigkeitsklagen in der Zukunft gegen Änderungsverordnungen bestehender IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen oder gegen gänzlich neue Übernahmeverordnungen bestehen. Nichtigkeitsklagen gegen die bislang veröffentlichten Übernahmeverordnungen werden hingegen wegen Verfristung scheitern.34 Rechtspolitisch ist die kurze Klagefrist deshalb problematisch, weil die Unternehmen die Fehlerhaftigkeit der Übernahme von IAS / IFRS häufig erst im Laufe der Anwendung erkennen werden – was meist erst nach mehreren Monaten der Fall ist. Am Ergebnis der Verfristung de lege lata ändert dies jedoch nichts.
hofs zu messen ist, wird von den in Art. 230 Abs. 2 EGV genannten Nichtigkeitsgründen im Falle der fehlerhaften Übernahme zulässigerweise den Verstoß der Übernahmeverordnungen gegen die aus der höherrangigen IAS / IFRS-Basisverordnung sowie aus dem Primärrecht stammenden Übernahmevoraussetzungen als „Verletzung dieses Vertrages oer einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm“ zu rügen haben. 31 Faktisch verlängert sich die Frist im Falle der Veröffentlichung des Rechtsaktes im Amtsblatt (also auch bei IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen) um 14 Tage und obendrein pauschal um weitere zehn Tage, Art. 102 §§ 1, 2 EuG-Verfahrensordnung, so dass praktisch fast von einer dreimonatigen Klagefrist gesprochen werden kann. Siehe dazu Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 105 ff. Zur Frist als Ausschlussfrist Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 84 m. w. N. 32 Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Übernahmeverordnung dem Kläger auf andere Weise bekannt gemacht wird. 33 Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 438. 34 So schon Hennrichs, NZG 2005, 783, 786 für den endorsed IAS 3.54 f.
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Kap. 5: Fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht
2. Problem der direkten Angreifbarkeit von (IAS / IFRS-Übernahme-)Verordnungen durch natürliche oder juristische Personen Problematisch ist des Weiteren, ob IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen als europäische Rechtssetzungsakte überhaupt taugliche Gegenstände von Nichtigkeitsklagen sein können und ob natürliche und juristische Personen als Kläger in diesen Fällen überhaupt klagebefugt sind.35 Natürliche oder juristische Personen können im Gegensatz zu den sog. „privilegierten“ Klägern36 Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 Abs. 4 EGV nur „gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen [ . . . ] erheben, die, obwohl sie als Verordnungen oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.“
Dem Wortlaut nach dürfen Einzelpersonen grundsätzlich nur Entscheidungen i. S. d. Art. 249 Abs. 4 EGV angreifen. Darunter sind Rechtsakte zu verstehen, die eine verbindliche Regelung im Einzelfall treffen.37 Verordnungen i. S. d. Art. 249 Abs. 2 EGV können ausnahmsweise nur dann angegriffen werden, wenn sie bei einer materiellen Betrachtung als Entscheidungen qualifizierbar sind (sog. Scheinverordnungen) und den Kläger unmittelbar und individuell betreffen.38 Die Unterscheidung zwischen anfechtbaren Scheinverordnungen, i. e. „verkappten Entscheidungen“, und unanfechtbaren „echten“ Verordnungen ist dabei anhand des Kriteriums der allgemeinen Geltung vorzunehmen. Ein Rechtsakt hat allgemeine Geltung, wenn der Rechtsakt für einen objektiv bestimmten Sachverhalt und für allgemein und abstrakt umrissene Personengruppen Rechtswirkungen erzeugt.39 Nach dieser Wortlautinterpretation, die Teile des Schrifttums und der EuGH in seiner früheren Rechtsprechung vertreten haben,40 wäre die Nichtigkeitsklage 35 Es ist mittlerweile anerkannt, dass beide Aspekte – Klagegegenstand und Klageberechtigung – im Rahmen der Nichtigkeitsklage sachlich miteinander verbunden sind, weshalb sie im Weiteren auch gemeinsam behandelt werden sollen (vgl. z. B. Schwarze, DVBl. 2002, 1297, 1300). 36 Dies sind die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission. Auf die „teilweise privilegierten“ Kläger EZB und Rechnungshof (Art. 230 Abs. 3 EGV) wird hier mangels Relevanz nicht weiter eingegangen. 37 Oppermann, Europarecht, § 6 Rn. 95. 38 Ziel dieser Bestimmung ist es, zu verhindern, dass die Organe der Gemeinschaft allein durch die Wahl des Rechtsakts „Verordnung“ die Rechtsschutzmöglichkeiten eines Privaten beeinträchtigen können (Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 46). 39 Ihren abstrakt-generellen Verordnungscharakter verliert die Rechtsnorm nicht schon dadurch, dass die von der Verordnung betroffenen Personen, der Zahl oder der Identität nach mehr oder weniger genau bestimmbar sind, sofern nur feststeht, dass die betreffende Bestimmung aufgrund eines durch sie bestimmten objektiven Tatbestandes rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist.
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gegen fehlerhafte IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen schon deshalb unzulässig, weil es sich bei diesen ganz überwiegend um echte Verordnungen mit allgemeiner Geltung handelt. Über den Wortlaut hinaus ist mittlerweile in Rechtsprechung und Literatur jedoch anerkannt, dass auch echte Verordnungen von natürlichen oder juristischen Personen mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden können, wenn eine Verordnungsbestimmung den Kläger unmittelbar und individuell betrifft.41 Der Gerichtshof unterscheidet zwar weiterhin zwischen echten Verordnungsbestimmungen und Scheinverordnungsbestimmungen.42 Neben die Kategorie der Scheinverordnung stellt er aber als weiteren angreifbaren Verordnungstyp den der „Hybridverordnung“: Darunter versteht er solche Verordnungsbestimmungen, die gleichzeitig sowohl allgemeine Geltung haben als auch Einzelne unmittelbar und individuell betreffen.43
Mithin kommt es letztlich für die Frage, ob Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS mit der Nichtigkeitsklage vorgehen können, nur auf die unmittelbare und individuelle Betroffenheit des Unternehmens durch den entsprechenden IAS / IFRS an.44 a) Unmittelbare Betroffenheit Der Kläger wird von einem Gemeinschaftsrechtsakt „unmittelbar betroffen“, wenn der angegriffene Rechtsakt selbst, ohne dass weitere Durchführungsakte notwendig wären, den Kläger zumindest in seinen tatsächlichen Interessen beeinträchtigt.45 Die IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen erfordern als „self executing“ 40 EuGH, Urt. vom 14. 12. 1962, verb. Rs. 16 / 62 u. 17 / 62, „Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes“, Slg. 1962, 963, 978. So auch v. Danwitz, NJW 1993, 1108, 1109. 41 Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 47; Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 56; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 370 ff. m. w N. zur Rechtsprechung. 42 EuGH, Urt. vom 18. 05. 1994, Rs. C-309 / 89, „Codorniu“, Slg. 1994, I-1853, Rn. 19; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 372, 374; Gundel, VerwArch 92 (2001), 81, 83 m. w. N. zur Rechtsprechung. 43 EuG, Urt. vom 13. 12. 1995, verb. Rs. T-481 / 93 u. T-483 / 93, „Vereniging van Exporteurs in Levende Varkens“, Slg. 1995, II-2941, Rn. 50; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 373; Koenig / Harratsch / Pechstein, Europarecht, Rn. 385; Braun / Kettner, DÖV 2003, 58, 59 m. w. N. der Rechtsprechung; kritisch zu diesem Begriff hingegen Nettesheim, JZ 2002, 928, 930; Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 60. 44 So allgemein für echte Verordnungen Röhl, ZaöRV 60 (2000), 331, 354; Booß, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 56; Malferrari / Lerche, EWS 2003, 254, 255; skeptisch hingegen Schwarze, DVBl. 2002, 1297, 1300. 45 EuGH, Urt. vom 13. 05. 1971, verb. Rs. 41 – 44 / 70, „International Fruit Company“, Slg. 1971, 411, Rn. 23 / 29; EuGH, Urt. vom 17. 01. 1985, Rs. 11 / 82, „Piraiki-Patraiki“, Slg. 1982, 207, Rn. 7; Arnull, CMLR 1995, 7, 24 f.; Braun / Kettner, DÖV 2003, 58, 59; Lenz / Staeglich, NVwZ 2004, 1421, 1422; Erichsen / Weiß, Jura 1990, 528, 532; Gündisch / Wienhues, Rechtsschutz, S. 105; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 398; a. A. Ahlt, Europarecht, 2. Aufl., S. 53: wirtschaftliches oder soziales Interesse erforderlich.
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Normen keine weiteren Durchführungsmaßnahmen seitens der Mitgliedstaaten. Indem sie Unternehmen konkrete Bilanzierungspflichten auferlegen, greifen sie wenigstens in die tatsächlichen Unternehmensinteressen ein. Sie betreffen die Unternehmen somit unmittelbar.
b) Individuelle Betroffenheit Ob ein Kläger individuell betroffen i. S. d. Art. 230 Abs. 4 EGV ist, richtet sich nach der vom EuGH entwickelten sog. „Plaumann“-Formel. Danach kann derjenige, der nicht bereits Adressat einer Entscheidung ist, „nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten.“46
Da die EuGH-Rechtsprechung die „Plaumann“-Formel stets sehr restriktiv gehandhabt hat,47 scheitern Nichtigkeitsklagen natürlicher und juristischer Personen gegen echte Verordnungen in den allermeisten Fällen an der fehlenden individuellen Betroffenheit des Klägers.48 Gleiches gilt auch für Nichtigkeitsklagen von Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS in Gestalt von IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen. Denn – auch wenn ein solcher Fall im Einzelnen für die Zukunft nicht kategorisch ausgeschlossen werden kann – es ist kaum eine Konstellation denkbar, in der das Unternehmen durch den fehlerhaften IAS / IFRS wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, es aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände adressatenähnlich berührt und die Erfordernisse der „Plaumann“-Formel erfüllt werden. Auch von den eher einzelfallorientierten und dogmatisch wenig systematischen Fallgruppen,49 die der Gerichtshof um den Begriff der „besonderen Umstände“ aus der „Plaumann“-Formel entwickelt und in denen er ausnahmsweise die individuelle Betroffenheit bei echten Verordnungen bejaht hat, ist im Falle der Klage gegen IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen keine einschlägig. So bejaht der Gerichtshof die individuelle Betroffenheit durch eine Verordnung ausnahmsweise, wenn der Kreis der durch die Regelung Betroffenen der Anzahl 46 EuGH, Urt. vom 15. 07. 1963, Rs. 25 / 62, „Plaumann“, Slg. 1963, 213, 238; dem folgend siehe nur Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 411; Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 56; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 44; Malferrari / Lerche, EWS 2003, 254. 47 Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 64; Calliess, NJW 2002, 3577, 3579; Lenz / Staeglich, NVwZ 2004, 1421, 1423; Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 45 m. w. N. 48 Ahlt / Deisenhofer, Europarecht, S. 149; Gundel, VerwArch 92 (2003), 81, 82; Cremer, Die Verwaltung 2004, 165, 174; Claussen, JZ 2006, 157, 159. 49 Nettesheim, JZ 2002, 928, 930.
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und Identität nach bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Regelung abschließend feststeht, ohne dass in der Zukunft der Kreis der Betroffenen sich noch erweitern könne,50 weshalb in solchen Konstellationen die Verordnungsbestimmung sich als sog. „Sammelentscheidung“ oder – bildlicher gesprochen – als „Bündel von Entscheidungen“ verstehen lässt.51 Dass ein fehlerhafter IAS / IFRS aber einmal als „Bündel von Einzelentscheidungen“ wird angesehen werden können, erscheint ausgeschlossen, da im Zeitpunkt des Inkrafttretens der IAS / IFRS-Übernahmeverordnung nicht abschließend feststeht, wer nach Anzahl und Identität durch diese betroffen sein wird. Zwar könnte eingewendet werden, dass wegen der (prinzipiellen) Beschränkung der IAS / IFRS-Bilanzierungsverpflichtung auf kapitalmarktorientierte Unternehmen deren Anzahl und Identität im Zeitpunkt des Verordnungserlasses vollständig bekannt waren. Da sich jedoch der Kreis der kapitalmarktorientierten Unternehmen z. B. durch Börsengänge oder Delistings verändern kann, bleibt der Kreis der Betroffenen variabel, so dass die Voraussetzungen für die Qualifikation einer IAS / IFRS-Übernahmebestimmung als Sammelentscheidung nicht gelingen wird. Genauso wenig kann die individuelle Betroffenheit des Unternehmens mit seiner eventuellen Beteiligung am Erlass der IAS / IFRS-Übernahmeverordnung begründet werden. Zwar hat der EuGH in mehreren Antidumping-Streitigkeiten anerkannt, dass natürliche oder juristische Personen individuell betroffen sein können, wenn sie an einem vorausgegangenen Verfahren zum Erlass des Rechtsakts aufgrund von Beteiligungs-, Informations- oder Mitwirkungsrechten beteiligt gewesen sind.52 Auch ist es zulässig (und sogar erwünscht), dass Unternehmen sich an der Entwicklung von IAS / IFRS im sog. due process durch Stellungnahmen etc. beteiligen. Doch findet diese Beteiligung, von der im Übrigen zweifelhaft ist, ob sie sich als ein Recht der interessierten Unternehmen qualifizieren lässt, nicht während der gemeinschaftsrechtlichen Übernahme von IAS / IFRS statt, sondern im Vorfeld in der privaten Sphäre der Erarbeitung der IAS / IFRS unter dem Dach des IASB.53 50 EuGH, Urt. vom 13. 05. 1971, verb. Rs. 41 – 44 / 70, „International Fruit Company“, Slg. 1971, 411, Rn. 16 / 22; EuGH, Urt. vom 21. 02. 1984, verb. Rs. 239 / 81 u. 275 / 81, „Allied Corporation“, Slg. 1984, 1005, Rn. 12. 51 Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 61; Lenz / Staeglich, NVwZ 2004, 1421, 1423; Moitinho de Almeida, FS Everling, S. 849, 858. 52 EuGH, Urt. vom 04. 10. 1983, Rs. 191 / 82, „Fediol“, Slg. 1983, 2913, Rn. 28 ff.; EuGH, Urt. vom 20. 03. 1985, Rs. 264 / 82, „Timex“, Slg. 1985, 849, Rn. 12 ff.; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 412; Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 62; Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 57; Nettesheim, JZ 2002, 928, 930. 53 Nicht ausgeschlossen werden soll aber, dass künftig in Einzelfällen einzelne Unternehmen wegen der Relevanz bestimmter Standards derart eng in den Übernahmeprozess eingebunden werden, dass ausnahmsweise von einer individuellen Betroffenheit gesprochen werden kann.
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Bei Klagen gegen IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen ebenfalls nicht einschlägig ist die EuGH-Judikatur, wonach ein Kläger individuell i. S. d. „Plaumann“Formel betroffen ist, wenn die Verordnungsbestimmung in seine spezifischen Rechte eingreift54 oder eine Norm des Gemeinschaftsrechts das den Rechtsakt erlassende Organ dazu verpflichtet, die Auswirkungen der von ihr geplanten Regelung auf den Kläger zu berücksichtigen.55 So entschied der EuGH beispielsweise in der Sache „Extramet“, dass auch eine solche Person gegen eine (Antidumping-)Verordnung vorgehen könne, die zwar nicht am Vorverfahren beteiligt gewesen war, aber als der „größte Importeur“ und „Endverbraucher“ in ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten von der allgemein gültigen Bestimmung „schwer getroffen“ werde.56 In der Sache „Codorniu“ wiederum urteilte der EuGH, dass das allgemein gültige Verbot der Nutzung eines für den Kläger eingetragenen Markenzeichens, das bereits vor dem Erlass der Verordnung bestand, den Kläger ausreichend individualisiere.57
Abgesehen davon, dass diese Urteile noch keine ständige Judikatur begründet haben, sind im Falle der Nichtigkeitsklage gegen fehlerhafte IAS / IFRS keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Erfüllung der sehr spezifischen und wenig verallgemeinerungsfähigen58 Erfordernisse dieser Judikatur ersichtlich.
3. Fazit Es bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass Nichtigkeitsklagen von IAS / IFRSbilanzierungspflichtigen Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS wegen Verfristung oder fehlender individueller Betroffenheit de lege lata prinzipiell unzulässig sind. Das bedeutet gleichzeitig, dass Unternehmen ihr rechtliches Begehren nicht direkt vor den Gerichtshof tragen können.
54 Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 63; Lenz / Staeglich, NVwZ 2004, 1421, 1423; Schwarze, DVBl. 2002, 1297, 1302; Nettesheim, JZ 2002, 928, 930. 55 EuGH, Urt. vom 17. 01. 1985, Rs. 11 / 82, „Piraiki-Patraiki“, Slg. 1995, 207, Rn. 28 ff.; EuGH, Urt. vom 22. 11. 2001, Rs. C-451 / 98, „Antillean Rice Mills“, Slg. 2001, I-8949, Rn. 46; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 418; Nettesheim, JZ 2002, 928, 930; Malferrari / Lerche, EWS 2003, 254, 256. 56 EuGH, Urt. vom 16. 05. 1991, Rs. C-358 / 89, „Extramet“, Slg. 1991, I-2501, Rn. 17; zur Kritik siehe nur Malferrari / Lerche, EWS 2003, 254, 256. 57 EuGH, Urt. vom 18. 05. 1994, Rs. C-309 / 89, „Codorniu“, Slg. 1994, I-1853, Rn. 19 ff.; dazu Booß, in: Grabitz / Hilf, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 61 sowie Arnull, CMLR 2001, 7 ff. 58 Braun / Kettner, DÖV 2003, 58, 60; Malferrari / Lerche, EWS 2003, 254, 256 f.; Schwarze, DVBl. 2002, 1297, 1302; Arzoz, JöR 49 (2001), 300, 311; Gundel, VerwArch 92 (2001), 81, 92 f.; Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 658.
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II. Indirekter Zugang zum Gerichtshof: Inzidentrüge, Vorabentscheidungsverfahren und nationaler Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS Damit fragt sich, ob und wie Unternehmen ihr rechtliches Anliegen auf indirektem Wege zum Gerichtshof bringen können. In Betracht kommen die Inzidentrüge gem. Art. 241 EGV sowie – von größerer Bedeutung – das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV.
1. Inzidentrüge gem. Art. 241 EGV Gem. Art. 241 EGV kann jede Person in einem Rechtsstreit, bei dem es auf die Geltung einer Verordnung ankommt, vor dem Gerichtshof die Unanwendbarkeit dieser Verordnung, ungeachtet des Fristablaufs aus Art. 230 Abs. 5 EGV, geltend machen. Art. 241 EGV ermöglicht also eine inzidente Kontrolle von Verordnungen und ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Gemeinschaftsrechts, nach welchem die Rechtswidrigkeit einer Norm zur Rechtswidrigkeit aller Rechtshandlungen führt, die auf ihrer Grundlage ergangen sind, um so die widerspruchsfreie Einheit der Rechtsordnung zu wahren.59 Bei der Inzidentrüge60 gem. Art. 241 EGV handelt es sich nicht um eine selbständige Klageart, welche einen eigenständigen Klageweg zum Gerichtshof eröffnet.61 Die Geltendmachung der Inzidentrüge setzt vielmehr ein beim Gerichtshof bereits anhängiges Verfahren voraus.62 Typischerweise wird die Inzidentrüge im Rahmen von (zulässigen) Nichtigkeitsklagen geltend gemacht, in denen sich der Kläger gegen eine Entscheidung wendet, welche auf Grundlage der Verordnung ergangen ist, gegen die er mit der Nichtigkeitsklage wegen Art. 230 Abs. 4 EGV nicht vorgehen konnte.63 Daran wird 59 EuGH, Urt. vom 06. 03. 1979, Rs. 92 / 78, „Simmenthal“, Slg. 1979, 777, Rn. 39; Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 241 EGV Rn. 1; Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 241 EGV Rn. 1; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 914; Busse, EuZW 2002, 715, 720. 60 Synonym werden die Ausdrücke „Inzidente Normenkontrolle“ (so z. B. Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 11) und „Einrede der Rechtswidrigkeit“ (so z. B. Schwarze, FS Schlochauer, S. 927, 938) verwendet. 61 StRspr. seit EuGH, Urt. vom 14. 12. 1962, verb. Rs. 31 / 62 u. 33 / 62, „Wöhrmann und Lütticke“, Slg. 1962, 1029, 1042; Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 241 EGV Rn. 2; Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 11 Rn. 5 f. 62 EuGH, Urt. vom 15. 02. 2001, Rs. C-239 / 99, „Nachi Europe“, Slg. 2001, I-1197, Rn. 33; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 920. Vor nationalen Gerichten kann sich der Einzelne dem Wortlaut nach zwar nicht auf Art. 241 EGV berufen. Er kann allerdings – dem allgemeinen Grundsatz, dessen Ausdruck Art. 241 EGV ist, entsprechend – auch vor nationalen Gerichten die Rechtswidrigkeit einer Verordnung rügen und auf diese Weise auf die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens durch das Gericht hinwirken, siehe dazu Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 241 EGV Rn. 3.
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deutlich, dass die Inzidentrüge den eingeschränkten Individualrechtsschutz gegen normative Gemeinschaftsrechtsakte komplettiert.64 Jedenfalls natürliche oder juristische Personen können Verordnungen auch nach Ablauf der in Art. 230 Abs. 5 EGV genannten Frist inzident rügen, wenn sie nicht schon gegen die Verordnung selbst mit der Nichtigkeitsklage hätten vorgehen können.65 Eine erfolgreiche Inzidentrüge bewirkt – anders als z. B. die erfolgreiche Nichtigkeitsklage – lediglich die Unanwendbarkeit der gerügten Verordnungsbestimmung im konkreten Rechtsstreit inter partes.66 Die Bedeutung der Inzidentrüge für den Rechtsschutz von Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS ist aber als gering zu veranschlagen: Da die Nichtigkeitsklage gegen fehlerhafte IAS / IFRS zumeist unzulässig ist und auch keine nach Art. 230 EGV anfechtbaren Durchführungsmaßnahmen auf Grundlage der IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen erlassen werden, gibt es schon kein beim Gerichtshof anhängiges Verfahren, innerhalb dessen die Erhebung einer Inzidentrüge überhaupt denkbar wäre.67
2. Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 234 EGV Im Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 234 EGV entscheidet der Gerichtshof auf Vorlage eines mitgliedstaatlichen Gerichtes über Fragen der Auslegung und Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht, welche ein mitgliedstaatliches Gericht zum Erlass eines Urteils in dem von ihm zu entscheidenden Rechtsstreit für erforderlich hält.68 Mit diesem Verfahren, das als objektives prozessuales Zwischenverfahren konzipiert ist,69 institutionalisiert der EGV einen kooperativ verzahnten Entscheidungsmechanismus zwischen nationaler und europäischer Gerichtsordnung, welcher einerseits den Eingriff der 63 Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 241 EGV Rn. 7. Denkbar sind aber auch Inzidentrügen im Rahmen von Untätigkeitsverfahren, Amtshaftungsklagen oder dienstrechtlichen Klagen (Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 921). 64 Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 11 Rn. 3. 65 EuGH, Urt. vom 15. 02. 2001, Rs. C-239 / 99, „Nachi Europe“, Slg. 2001, I-1197, Rn. 37. 66 EuGH, Urt. vom 14. 12. 1962, verb. Rs. 31 / 62 u. 33 / 62, „Wöhrmann und Lütticke“, Slg. 1962, 1029, 1042; Cremer, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 241 EGV Rn. 7. 67 Dies mag bei Erhebung von Amtshaftungsklagen aus Art. 235, 288 Abs. 2 EGV durch das Unternehmen anders sein. Doch wird der Sekundärrechtsschutz im Rahmen dieser Bearbeitung nicht näher behandelt. 68 Zum Vorabentscheidungsverfahren im Allgemeinen: Dauses, Vorabentscheidungsverfahren; Hakenberg, DRiZ 2000, 345; Groh, EuZW 2002, 460; ders., Auslegungsbefugnis; Gündisch / Wienhues, Rechtsschutz, S. 116 ff.; Iglesias, NJW 2000, 1889; Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Rechtsschutz, § 10; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 776 ff.; Schima, Das Vorabentscheidungsverfahren. 69 Oppermann, Europarecht, § 9 Rn. 63; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 779.
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Gemeinschaftsgerichtsbarkeit in die nationalen Rechtsschutzsysteme auf das Nötigste reduziert, andererseits die erforderliche Einheitlichkeit von Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherstellt.70 Daneben dient das Vorabentscheidungsverfahren der Gewährleistung individuellen Rechtsschutzes gegen gemeinschaftsrechtswidrige Rechtsakte.71
a) Zulässigkeitsvoraussetzungen und Urteilswirkungen Die zulässigen Gegenstände des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem in der Regel dazu zuständigen EuGH sind in Art. 234 Abs. 1 EGV enumerativ genannt: Der Gerichtshof entscheidet demnach über die „Auslegung dieses Vertrages“ sowie über die „Gültigkeit und Auslegung der Handlungen“ der Gemeinschaftsorgane.72 Dazu gehören auch normative Sekundärrechtsakte.73 Jegliches Vorabentscheidungsverfahren hat das Vorliegen eines (Ausgangs-) Rechtsstreits vor einem mitgliedstaatlichen Gericht zur Voraussetzung. Vorabentscheidungsverfahren können nur von mitgliedstaatlichen Gerichten ausgelöst werden.74 Den Parteien des Ausgangsrechtsstreits vor dem nationalen Gericht steht diese Befugnis nicht zu. Während die unterinstanzlichen Gerichte grundsätzlich lediglich nach ihrem Ermessen berechtigt sind, Vorabentscheidungsverfahren in Gang zu setzen, besteht für alle letztinstanzlichen Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln angegriffen werden können, die Verpflichtung zur Vorlage beim Gerichtshof, wenn es um die Auslegung des EGV oder um die Gültigkeit von Handlungen der Gemeinschaft geht.75 Darüber hinaus ist jegliches 70 EuGH, Urt. vom 15. 09. 2005, Rs. C-495 / 03, „Intermodal Transports“, Slg. 2005, I-8151, Rn. 38; Dauses, Vorabentscheidungsverfahren, S. 43 ff.; Hirsch, NJW 2000, 1817, 1819; Kokott / Henze / Sobotta, JZ 2006, 633. 71 Gündisch / Wienhues, Rechtsschutz, S. 118; Schwarze, DVBl. 2002, 1297, 1303; Wegener, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 234 EGV Rn. 1; Schima, Vorabentscheidungsverfahren, S. 4; zu weiteren Funktionen siehe auch Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 10 Rn. 5 ff. Rein zahlenmäßig spielt das Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtspraxis des Gerichtshofs die bedeutendste Rolle: im Jahre 2005 waren fast 50 % der neu anhängig gewordenen Rechtssachen Vorabentscheidungsverfahren. 72 Auf die weitere Zuständigkeit zur Auslegung der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen gem. Art. 234 Abs. 1 lit. c EGV wird mangels Relevanz nicht eingegangen. 73 Siehe nur Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 234 EGV Rn. 17. 74 Unter mitgliedstaatlichen Gerichten i. S. d. Art. 234 EGV sind solche unabhängigen, durch oder aufgrund von Gesetzen eingerichtete Spruchkörper mit dauerhaftem Charakter, die im Rahmen ihrer obligatorischen Zuständigkeit in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren unter Anwendung feststehender Rechtsnormen rechtlich bindende Entscheidungen treffen, zu verstehen (Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 10 Rn. 21; zu weiteren Details siehe Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 811 ff. m. w. N.). 75 Oppermann, Europarecht, § 9 Rn. 57. Als letztinstanzliche Gerichte sind dabei zum Zwecke der Wahrung der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht nur solche
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Kap. 5: Fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht
Gericht – unabhängig von der Instanz – mit Rücksicht auf das Verwerfungsmonopol des EuGH zur Vorlage verpflichtet, wenn es von der Ungültigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts überzeugt ist und diesen deshalb unangewendet lassen möchte.76 Umgekehrt besteht ausnahmsweise keine Vorlagepflicht, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage durch den EuGH bereits beantwortet wurde oder dieser die Ungültigkeit des in Rede stehenden Sekundärrechtsakts bereits festgestellt hat, sowie dann, wenn eine gemeinschaftsrechtliche Rechtsprechung vorliegt, durch welche die betreffende Rechtslage geklärt ist, und letztendlich, wenn die richtige Auslegung derart offenkundig ist, dass kein Raum für vernünftige Zweifel an der zur Entscheidung gestellten Frage besteht.77
Das vorlagewillige Gericht muss darüber hinaus der Ansicht sein, dass die Vorlagefrage für den Ausgang des bei ihm anhängigen Rechtsstreits entscheidungserheblich ist. Obwohl der EuGH den Gerichten dazu einen weiten Beurteilungsspielraum zugesteht, führt er dennoch eine Missbrauchskontrolle durch und lehnt beispielsweise Vorabentscheidungsgesuche ab, wenn die Vorlagefrage offensichtlich konstruiert ist.78 Urteile des EuGH in Vorabentscheidungsverfahren binden im Ausgangspunkt stets das vorlegende Gericht sowie die evtl. nachfolgenden Instanzgerichte (Bindung prinzipiell inter partes).79 Ungültigkeitsurteile hingegen wirken (faktisch) erga omnes.80 Die Gültigkeit oder eine bestimmte Auslegung festlegende Urteile hingegen entfalten nur eine eingeschränkte erga omnes-Wirkung, da in zukünftigen Verfahren Gerichte – wollen sie von der getroffenen Entscheidung des EuGH abweichen – zur erneuten Vorlage gehalten sind.81 Gerichte, die – abstrakt gesehen – die obersten Gerichte des Mitgliedstaates darstellen, sondern auch solche „niedrigen“ Gerichte, deren Entscheidungen im konkreten Einzelfall nicht mehr mit Rechtsmitteln angegriffen werden können (EuGH, Urt. vom 04. 06. 2002, Rs. C-99 / 00, „Lyckeskog“, Slg. 2002, I-4839, Rn. 15; Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 10 Rn. 57; Streinz, Europarecht, Rn. 637; Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 234 EGV Rn. 63 m. w. N.; a. A. Pescatore, BayVBl. 1987, 33, 38 f.). 76 EuGH, Urt. vom 22. 10. 1987, Rs. 314 / 85, „Foto Frost“, Slg. 1987, 4199, Rn. 15. 77 EuGH, Urt. vom 06. 10. 1982, Rs. 283 / 81, „CILFIT“, Slg. 1982, 3415, Rn. 13 ff.; keine Ausdehnung der CILFIT-Doktrin hingegen auf Gültigkeitsfragen, wenn der Gerichtshof vergleichbare Sekundärrechtsnormen in anderen Verfahren für ungültig erklärt hat, EuGH, Urt. vom 06. 12. 2005, Rs. C-461 / 03, „Gaston Schul“, Slg. 2005, I-10513. 78 EuGH, Urt. 16. 12. 1981, Rs. 244 / 80, „Foglia / Novello“, Slg. 1981, 3045, Rn. 18; Streinz, Europarecht, Rn. 635 m. w. N. 79 EuGH, Urt. vom 24. 06. 1969, 29 / 68, „Milch-, Fett- und Eierkontor“, Slg. 1981, 1191, Rn. 13; Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 234 EGV Rn. 65. 80 EuGH, Urt. vom 13. 05. 1981, Rs. 66 / 80, „International Chemical Corporation“, Slg. 1981, 1191, Rn. 13; Wegener, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 234 Rn. 37; Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 234 Rn. 65; Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 10 Rn. 90. 81 Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 10 Rn. 86 ff.; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 860 f.; Gündisch / Wienhues, Rechtsschutz,
B. Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS
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b) Bedeutung des Vorabentscheidungsverfahrens für den Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS sowie Konsequenzen für den Fortgang der Untersuchung Unternehmen, die sich gegen fehlerhafte IAS / IFRS wehren möchten, werden ein Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 234 Abs. 1 lit. b 1. Alt. EGV anregen müssen, in welchem das mitgliedstaatliche Gericht dem EuGH die Frage vorlegt, ob die IAS / IFRS-Übernahmeverordnung insgesamt oder eine ihrer Bestimmungen nicht wegen Verstoßes gegen die IAS / IFRS-Basisverordnung oder anderes höherrangiges Recht ungültig ist. Das Vorabentscheidungsverfahren ist damit die wichtigste Möglichkeit für Unternehmen, Rechtsschutz vor dem Gerichtshof gegen fehlerhafte IAS / IFRS zu erlangen.82 Nichtsdestotrotz: Das Vorabentscheidungsverfahren ist, insbesondere wenn es dem Individualrechtsschutz dient, mit gewissen Schwächen behaftet. So verzögert sich die endgültige Rechtsfindung mindestens um die durchschnittliche Länge des Vorabentscheidungsverfahrens von ca. 20 Monaten.83 Da nur die Gerichte selbst, nicht die Parteien vorlageberechtigt sind, besteht die Gefahr der fehlerhaften Unterlassung einer Vorlage an den EuGH.84 Unterbleibt eine eigentlich vorgeschriebene Vorlage, bleiben dem Einzelnen nur relativ beschränkte und mühsame Mittel.85 Rechtsschutzsuchende Unternehmen erhalten gegen fehlerhafte IAS / IFRS de lege lata mithin nur auf indirektem Wege Zugang zum EuGH.
S. 141 ff.; zu Einzelheiten siehe ausführlich Ehricke, Die Bindungswirkungen von Urteilen des EuGH. 82 Großfeld / Luttermann, Bilanzrecht, Rn. 204; Luttermann, in: MünchKommAktG, Einf BilanzR, Rn. 309; ähnlich auch Hennrichs, NZG 2005, 783, 786. 83 Siehe nur Röhl, ZaöRV 60 (2000), 331, 348; Vgl. zur durchschnittlichen Verfahrensdauer den Jahresbericht 2006 des EuGH http: // curia.europa.eu / de / instit / presentationfr / rapport / pei / 06_cour_activ.pdf (Stand Dezember 2007). 84 Vgl. Sedemund / Heinemann, DB 1995, 1161, 1163; Rengeling, FS Everling, S. 1187, 1195 f. 85 Er kann Verfassungsbeschwerde beim BVerfG wegen der Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) erheben (dazu z. B. Fer, DVBl. 2001, 1574 ff.) oder – bei Misserfolg – weiter ein faires Verfahren vor dem EGMR einklagen. Darüber hinaus bleibt ihm die Möglichkeit der Staatshaftungsklage wegen einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch die mitgliedstaatliche Judikative (zum Amtshaftungsanspruch wegen gerichtlicher Verletzung des Gemeinschaftsrechts allgemein EuGH, Urt. vom 30. 09. 2003, Rs. C-224 / 01, „Köbler“, Slg. 2003, I-1023, 9 ff. sowie EuGH, Urt. vom 13. 06. 2006, Rs. C-173 / 03, „Traghetti del Mediterraneo“, NJW 2006, 3337 ff.). Andere Mittel, wie z. B. das Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 226 f. EGV gegen den Mitgliedstaat stehen dem Einzelnen wiederum nicht offen. Siehe zu den Folgen einer Verletzung der Vorlagepflicht mitgliedstaatlicher Gerichte ausführlich Schima, Vorabentscheidungsverfahren, S. 67 ff. sowie Kokott / Henze / Sobotta, JZ 2006, 633, 635 ff.
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Kap. 5: Fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht
III. Gerichtliche Streitverfahren über die Erstellung eines IAS / IFRS-Abschlusses als Ausgangspunkte für das Vorabentscheidungsverfahren Da jedes Vorabentscheidungsverfahren einen Rechtsstreit vor mitgliedstaatlichen Gerichten voraussetzt, ist es für die Beurteilung der Rechtsbehelfsmöglichkeiten IAS / IFRS-bilanzierungspflichtiger Unternehmen von essentieller Bedeutung, dass solche Unternehmen in dem Gebot effektiven Rechtsschutz entsprechender Weise Rechtsstreitigkeiten an deutschen Gerichten anhängig machen können, in denen es auf die Gültigkeit der endorsed IAS / IFRS ankommt.86 Anknüpfungspunkte für gerichtliche Auseinandersetzungen ergeben sich primär im Zuge der Konzernbilanzierung eines bestimmten Geschäftsjahrs. Dieser Vorgang soll in einem chronologischen Abriss deshalb zunächst kurz dargestellt werden.87
1. Anknüpfungspunkte gerichtlicher Auseinandersetzungen im Zuge der Konzernbilanzierung für ein bestimmtes Geschäftsjahr a) Aufstellung Die Aufstellung des IAS / IFRS-Konzernabschlusses obliegt als Maßnahme der Geschäftsführung dem Aufgabenbereich des Vorstandes der AG. Sie hat innerhalb der ersten fünf Monate des Konzerngeschäftsjahres für das vergangene Konzerngeschäftsjahr zu geschehen, § 290 Abs. 1 HGB.88 Sobald der Konzernabschluss aufgestellt wurde, ist der Vorstand gem. § 171 Abs. 1 S. 1, 2 AktG zur unverzüglichen Vorlage an den Aufsichtsrat verpflichtet.89 b) Prüfung durch den Abschlussprüfer Der aufgestellte Konzernabschluss kapitalmarktorientierter (Kapital-)Gesellschaften unterliegt gem. § 316 Abs. 2 HGB der Pflichtprüfung durch einen Abschlussprüfer.90 Die Prüfung hat sich darauf zu erstrecken, ob bei der Aufstellung des Konzernabschlusses die gesetzlichen Vorschriften und die ergänzenden Be86 Außerhalb des Untersuchungsgegenstandes bleiben gerichtliche Schadensersatzklagen des von endorsed IAS / IFRS betroffenen Unternehmens. 87 Im Folgenden wird lediglich auf die Gesellschaftsform der AG eingegangen, da die IAS / IFRS-Basisverordnung zwingend nur kapitalmarktorientierte Gesellschaften nach endorsed IAS / IFRS bilanzieren lässt und solche kapitalmarktorientierte Unternehmen in Deutschland ganz überwiegend (aber nicht notwendig) in den Rechtsformen der AG organisiert sind. 88 Zur Rechtsnatur der Aufstellung näher z. B. Hüffer, in: GroßkommHGB, § 242 Rn. 17. 89 Zum Inhalt der Vorlagepflicht z. B. Kropff, in: MünchKommAktG, § 170 Rn. 11 ff. 90 Siehe zur Bestellung sowie zu den persönlichen Anforderungen an den Abschlussprüfer §§ 318 ff. HGB.
B. Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS
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stimmungen des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung beachtet worden sind, § 317 Abs. 2 S. 2 HGB.91 Damit erfasst der Gegenstand der Abschlussprüfung auch die Einhaltung der endorsed IAS / IFRS.92 Über Art und Umfang und über das Ergebnis seiner Prüfung hat der Abschlussprüfer einen schriftlichen Bericht zu verfassen, § 321 Abs. 1 S. 1 HGB. Dieser muss dem Aufsichtsrat vorgelegt werden, § 321 Abs. 5 HGB. Außerdem hat der Abschlussprüfer sein Prüfungsergebnis gem. § 322 Abs. 1 HGB in einem Vermerk zusammenzufassen. Hinsichtlich der Art des Vermerks ist zu differenzieren: Der Abschlussprüfer kann nach § 322 Abs. 2 HGB einen uneingeschränkten oder aber nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilen, andererseits darf er die Erteilung des Bestätigungsvermerks aufgrund von Einwendungen oder Prüfungshemmnissen auch gänzlich versagen (sog. Versagungsvermerk).93 Weder die Versagung noch die Einschränkung des Bestätigungsvermerks ziehen unmittelbare rechtliche Konsequenzen nach sich: Denn wie sich aus § 316 Abs. 2 S. 2 HGB ergibt, darf lediglich der Konzernabschluss, welcher überhaupt nicht geprüft wurde, nicht gebilligt werden.94 Von der Einschränkung oder Versagung eines Testats hingegen gehen ganz erhebliche faktische Wirkungen aus:95 Aufgrund der vorgeschriebenen Veröffentlichung (§ 325 Abs. 1 S. 1 HGB)96 werden außenstehende Dritte, z. B. Anteilseigner, potentielle Anleger, Gläubiger und sonstige Personen über die Einschränkung oder Versagung informiert. An das nicht uneingeschränkte Testat ist der Informationsgehalt geknüpft, dass das geprüfte Unternehmen keine solide Rechnungslegung aufweist. Diese Wahrnehmung der Kapitalmarktakteure wirkt sich in der Regel unmittelbar nachteilig auf Reputation, Kredit, – kurz – die gesamte geschäftliche Entwicklung aus. Diesen Effekt, der unter der Bezeichnung „adverse Publizität“ bekannt ist, scheuen die Unternehmen, da sie fürchten, diese Auswirkungen wirtschaftlich nicht tragen zu können.
c) Billigung nach Prüfung durch den Aufsichtsrat Der testierte Konzernabschluss wird dem Aufsichtsrat zusammen mit dem Bericht des Abschlussprüfers zugeleitet, § 321 Abs. 5 S. 1 HGB. Nach einer zweiten, nunmehr gem. § 171 Abs. 1 AktG unternehmensintern regelmäßig innerhalb eines 91 Zu weiteren Einzelheiten siehe § 317 HGB sowie z. B. Förschle / Küster, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 317 HGB. 92 IDW, WP Handbuch, M Rn. 839. 93 Siehe ausführlich IDW, WP Handbuch, Q Rn. 459 ff. 94 Merkt, in: Baumbach / Hopt, HGB, § 316 Rn. 2 f. 95 Hueck / Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 31 Rn. 24. 96 Z. T. wird auch eine kapitalmarktrechtliche ad-hoc-Mitteilung gem. § 15 WpHG verlangt: so z. B. Zimmer, in: GroßkommHGB, § 322 Rn. 1, a. A. Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 264.
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Monats vorzunehmenden Prüfung durch den Aufsichtsrat mündet diese in aller Regel in die Billigung des Konzernabschlusses.97 Billigt er ihn nicht, so entscheidet die Hauptversammlung über die Billigung, § 173 Abs. 1 S. 2 AktG. Mit der Billigung wird der Konzernabschluss rechtlich verbindlich.98 d) Offenlegung Zusammen mit dem Konzernlagebericht, dem Testat des Abschlussprüfers sowie dem Bericht des Aufsichtsrates ist der Konzernabschluss beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers spätestens nach Ablauf von zwölf Monaten nach dem Konzernabschlussstichtag elektronisch einzureichen, § 325 Abs. 1, 3 HGB.99 e) Bilanzkontrolle im Enforcement-Verfahren Neben die bisherige Kontrolle von Unternehmensabschlüssen durch Abschlussprüfer und Aufsichtsrat hat das Bilanzkontrollgesetz (BilKoG)100 eine weitere Prüfungsebene zur Durchsetzung (Enforcement) einer fehlerfreien Rechnungslegung der Unternehmen hinzufügt.101 Zur Stärkung der Integrität und der Stabilität des Kapitalmarktes und des Vertrauens der Anleger in denselben verfolgt das Enforcement-Verfahren das Ziel, fehlerhafte Rechnungslegung präventiv zu verhindern sowie erfolgte Fehler repressiv aufzudecken und durch Publikation und Auslösung „adverser Publizität“ zu sanktionieren.102
Die neue Prüfungsebene ist zweistufig, gemischt privat-öffentlich-rechtlich ausgestaltet:103 auf der ersten Stufe tritt dem Unternehmen die privatrechtlich organiZu den Maßstäben für diese Prüfung Hüffer, AktG, § 171 Rn. 3 ff. Kropff, in: MünchKommAktG, § 171 Rn. 98. 99 In zeitlicher Hinsicht ergibt sich damit folgender Fristenplan: Der Konzernabschluss muss in den ersten fünf Monaten des Folgegeschäftsjahres aufgestellt werden. Der Aufsichtsrat erhält den Konzernabschluss unmittelbar nach dessen Aufstellung, den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers unmittelbar nach seiner Fertigstellung. Der Aufsichtsrat hat nach § 171 Abs. 3 AktG maximal zwei Monate Zeit, seinerseits den Konzernabschluss zu prüfen. Der gebilligte Konzernabschluss wird der innerhalb der ersten acht Monate des Geschäftsjahrs einzuberufenden Hauptversammlung zur Kenntnisnahme überreicht. Die Offenlegung des Konzernabschlusses nach § 325 Abs. 1,3 HGB hat grundsätzlich spätestens vor Ablauf des zwölften Monats des dem Abschlussstichtag nachfolgenden Geschäftsjahrs zu erfolgen. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen wird diese Offenlegungsfrist sogar auf vier Monate reduziert, § 325 Abs. 4 HGB. 100 Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen vom 15. 12. 2004, BGBl. I 2004, S. 3408 ff. 101 Vgl. RegBegr, BT-Drs. 15 / 3421, S. 11; siehe auch Gelhausen / Hönsch, AG 2005, 511. 102 RegBegr, BT-Drs. 15 / 3421, S. 18; Hönsch, in: Assmann / Schneider, WpHG, Vor § 37n Rn. 5; Gahlen / Schäfer, BB 2006, 1619, 1622; siehe zu ökonomischen Aspekten des Enforcement Baetge / Thiele / Matena, BFuP 2004, 201 ff. 103 Hennrichs, ZHR 168 (2004), 383, 399. 97 98
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sierte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) entgegen;104 auf der zweiten Stufe, welche subsidiär konzipiert ist, begegnet das Unternehmen der öffentlichrechtlichen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).105 Die rechtlichen Grundlagen für das Handeln der DPR finden sich in § 342b HGB, diejenigen für die Befugnisse der BaFin in §§ 37n – u WpHG. aa) Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) Die DPR wird gem. § 342b Abs. 2 S. 3 HGB tätig, soweit ihr konkrete Anhaltspunkte für einen Rechnungslegungsverstoß vorliegen (und nicht offensichtlich kein öffentliches Interesse an einer Prüfung besteht), auf Verlangen der BaFin oder stichprobenartig ohne besonderen Anlass. Gegenstand der Prüfung sind der zuletzt festgestellte Jahresabschluss und der zuletzt gebilligte Konzernabschluss kapitalmarktorientierter Unternehmen, § 342b Abs. 2 S. 1, 2 HGB.106 Prüfungsmaßstab sind gem. § 342b Abs. 2 S. 1 HGB die gesetzlichen Vorschriften einschließlich der GoB und die sonstigen gesetzlich zugelassenen Rechnungslegungsstandards, mithin auch die endorsed IAS / IFRS, deren Einhaltung die DPR folglich mitüberwacht.107 Die Bilanzkontrolle auf der ersten Stufe des Enforcement-Verfahrens basiert vollständig auf der freiwilligen Mitwirkung des Unternehmens.108 Kooperiert es nicht, dann ist es der DPR unmöglich, die Prüfung durchzuführen.109 In der Regel folgt dann eine Prüfung auf der zweiten Stufe des Enforcement-Verfahrens durch die BaFin mit hoheitlichen (Zwangs-)Mitteln.110 Entscheidet sich das Unternehmen, bei der Prüfung mitzuwirken, dann teilt ihm die DPR das Ergebnis ihrer Prüfung mit und gibt diesem die Gelegenheit zur Äußerung seines Einverständnisses, wenn die Prüfung die Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung zum Ergebnis hatte. Die BaFin kann dann unmittelbar die Bekanntmachung des Fehlers anordnen, § 37q Abs. 2 S. 1 2. Alt. WpHG. Stets unterrichtet die DPR die BaFin über 104 Sie ist durch Vertrag mit dem Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen anerkannt und mit Aufgaben betraut worden. Näher zur Organisation der DPR Ellrott / Aicher, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 342b Rn. 1 ff. sowie auf der Internetseite der DPR www.frep.info (Stand Dezember 2007). 105 Großfeld, NZG 2004, 105. 106 Da der Konzernabschluss in diesem Zusammenhang von größerer Relevanz ist, wird von ihm im Weiteren ausschließlich die Rede sein. Zum Prüfungsgegenstand z. B. auch Hommelhoff / Mattheus, BB 2004, 93, 94 f.; Gelhausen / Hönsch, AG 2005, 511, 512 f.; zum Begriff der kapitalmarktorientierten Unternehmen i. S. d. § 342b Abs. 2 S. 2 HGB Ellrott / Aicher, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 342b Rn. 8. 107 RegBegr, BT-Drs. 15 / 3421, S. 13; Hommelhoff / Mattheus, BB 2004, 93, 96; Gelhausen / Hönsch, AG 2005, 511, 513; Wolf, DStR 2004, 244, 246. 108 Baetge, ZHR 168 (2004), 428, 429 f.; Hennrichs, ZHR 168 (2004), 383, 400. 109 Wirkt das Unternehmen hingegen mit, dann ist es unter der Sanktion des § 342e HGB verpflichtet, umfassend zu kooperieren, § 342b Abs. 4 HGB. 110 Müller, ZHR 168 (2004), 414, 420; Gros, DStR 2006, 246, 249.
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ihre Absicht, eine Prüfung einzuleiten, über die Weigerung eines Unternehmens zur Kooperation sowie über das Ergebnis und ein eventuelles Einverständnis, § 342b Abs. 6 HGB. Insgesamt wird erwartet, dass der Schwerpunkt der Prüfungen auf der ersten Stufe liegen wird und etwaige Unstimmigkeiten auf Ebene der Wirtschaft dort diskret und einvernehmlich gelöst werden.111
bb) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Die BaFin übt ihre hoheitlichen Kompetenzen grundsätzlich nur „in Reserve“ zur Tätigkeit einer anerkannten Prüfstelle, hier der DPR, aus.112 Sie kann mithin erst tätig werden, wenn das Unternehmen seine Mitwirkung an einer Prüfung durch die DPR verweigert hat, mit dem Ergebnis der Prüfung nicht einverstanden war oder aber, wenn die BaFin erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Prüfungsergebnisses der DPR oder an der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung hat, § 37p Abs. 1 S. 2 WpHG.113 Maßstab der Prüfung des Konzernabschlusses sind die gesetzlichen Vorschriften, GoB oder zugelassene Rechnungslegungsstandards, mithin auch die endorsed IAS / IFRS, § 37q Abs. 1 i.V. m. § 37o, n WpHG. Im Rahmen der Rechnungslegungsprüfung, die auch von durch die BaFin beauftragte dritte Personen durchgeführt werden darf, haben die Prüfungspersonen diverse Zutritts-, Einsichts- und Vorlagerechte, welche gegen den Willen der betroffenen Unternehmen mit hoheitlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden können.114
Kommt die BaFin zum Ergebnis, dass die Rechnungslegung fehlerfrei ist, teilt sie dies dem Unternehmen lediglich mit. Ergibt die Prüfung hingegen, dass die Rechnungslegung fehlerhaft ist, stellt die BaFin dies rechtsverbindlich in Form eines feststellenden Verwaltungsaktes fest, § 37q Abs. 1 WpHG.115 Gleichzeitig gibt sie dem Unternehmen bei Bestehen eines öffentlichen Interesses auf, den festgestellten Fehler samt den wesentlichen Teilen der Begründung der Feststellung öffentlich bekanntzumachen, § 37q Abs. 2 WpHG. Die Bekanntmachung des festgestellten Fehlers erfolgt durch das Unternehmen selbst: Es muss sich mithin selbst an den „Pranger“ stellen und die Wirkungen der „adversen Publizität“ auslösen.116 RegBegr, BT-Drs. 15 / 3421, S. 11. Hommelhoff / Mattheus, BB 2004, 93, 94. 113 Zu weiteren, hier nicht interessierenden Einzelfällen siehe § 37p Abs. 1 S. 1, 4 WpHG. 114 Vgl. § 37o Abs. 3 – 5 WpHG; Hennrichs, ZHR 168 (2004), 383, 400; näher auch Hönsch, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 37o Rn. 45 ff. 115 RegBegr, BT-Drs. 15 / 3421, S. 18; Hönsch, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 37q Rn. 1; Gelhausen / Hönsch, AG 2005, 511, 524; Mattheus / Schwab, BB 2004, 1975; Mock, DB 2005, 987, 988. 116 Weitere unmittelbare Konsequenzen knüpfen sich an die Fehlerfeststellung durch die BaFin nicht. Insbesondere enthält die Fehlerfeststellung als solche keinen expliziten Hinweis darauf, ob und auf welche Art und Weise der festgestellte Fehler zu korrigieren ist (Hönsch, 111 112
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2. Gerichtliche Streitigkeiten mit dem Abschlussprüfer Ein Ansatzpunkt für die gerichtliche Auseinandersetzung über die Gültigkeit von endorsed IAS / IFRS vor deutschen Gerichten ist das Tätigwerden des Abschlussprüfers. Zwischen ihm und dem Unternehmen kann es auf zwei Arten zu IAS / IFRS-relevanten gerichtlichen Streitigkeiten kommen.
a) Meinungsverschiedenheiten zwischen der kapitalmarktorientierten (Kapital-)Gesellschaft und ihrem Abschlussprüfer, § 324 HGB Als Ausgangsrechtsstreit für die Eröffnung des Vorabentscheidungsverfahrens ist prinzipiell das Verfahren nach § 324 HGB geeignet.117 § 324 HGB stellt ein besonderes gerichtliches Verfahren zur kostengünstigen und schnellen Beilegung von „Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Abschlussprüfer und der Kapitalgesellschaft über die Auslegung und Anwendung von gesetzlichen Vorschriften [ . . . ] über den Konzernabschluss“ im Rahmen von Pflichtprüfungen bereit.118 Auf Antrag des Abschlussprüfers oder der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft entscheidet ausschließlich das Landgericht nach den prozessualen Vorschriften des FGG.119 aa) Das gerichtliche Verfahren nach § 324 HGB Voraussetzung für die Eröffnung des Verfahrens nach § 324 HGB ist das Vorliegen von Meinungsverschiedenheiten zwischen Abschlussprüfer und geprüftem Unternehmen. Darunter sind solche, einander konträre Auffassungen zwischen dem Abschlussprüfer und einem an der Aufstellung oder Billigung des Konzernabschlusses beteiligten Organs zu verstehen, die sich auf konkrete, für das Ergebnis der Abschlussprüfung relevante Fragen der Auslegung, Anwendung und Anwendbarkeit gesetzlicher Vorschriften beziehen.120 Ergebnisrelevant sind die Meinungsverschiedenheiten im Übrigen nicht nur, wenn der Abschlussprüfer ihretwegen den in: Assmann / Schneider, WpHG, § 37q Rn. 10; Gelhausen / Hönsch, AG 2005, 511, 527; Mattheus / Schwab, BB 2004, 1099, 1101; Mock, DB 2005, 987, 988). Dies bleibt vielmehr den bilanz- und gesellschaftsrechtlichen Regeln selbst überlassen (ausführlich dazu Gelhausen / Hönsch, AG 2005, 511, 527 ff.; Mattheus / Schwab, BB 2004, 1099, 1101 ff.) 117 Vgl. z. B. Schön, BB 2004, 763; Hauck / Prinz, Der Konzern 2005, 635, 637; Hennrichs, NZG 2005, 783, 787; ders., WPg 2006, 1253, 1260. 118 ADS, § 324 HGB Rn. 1, 6; Kuhner, in: Küting / Weber, HdR, § 324 HGB Rn. 1. 119 Strittig ist – für die hier verfolgten Zwecke aber ohne Relevanz –, ob für das Verfahren nach § 324 HGB beim LG die Kammer für Handelssachen zuständig ist, dafür z. B. ADS, § 324 HGB Rn. 49; dagegen jedoch Zimmer, in: GroßkommHGB, § 324 Rn. 11. 120 ADS, § 324 HGB Rn. 29, 34, weil sonst das Rechtsschutzbedürfnis fehle; so auch Kuhner, in: Küting / Weber, HdR, § 324 HGB Rn. 8; Winkeljohann / Hellwege, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 324 HGB Rn. 40.
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Bestätigungsvermerk einschränken oder gar versagen möchte, sondern schon dann, wenn er eine von der Meinung der Gesellschaft abweichende Auffassung in den Prüfbericht aufnehmen möchte.121 Die Entscheidung des Gerichtes wirkt lediglich inter partes in Bezug auf die konkrete Abschlussprüfung.122 Dritte sowie andere Gerichte werden nicht gebunden.123 Gegen den Beschluss des Landgerichts findet die sofortige Beschwerde grundsätzlich vor dem zuständigen Oberlandesgericht statt, wenn diese in der Entscheidung zugelassen worden ist, § 324 Abs. 2 S. 4 HGB. Der Instanzenzug endet spätestens dort.124
Der Abschlussprüfer ist bei Eintritt der Rechtskräftigkeit des Beschlusses verpflichtet, den Inhalt der Entscheidung seiner Prüfung zugrunde zu legen.125 Umgekehrt braucht die Gesellschaft sich nicht an die Entscheidung des Gerichts zu halten, wird dann jedoch wohl keinen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erhalten.126 Das gerichtliche Verfahren nach § 324 HGB bietet einem IAS / IFRS-bilanzierungspflichtigen Unternehmen die Möglichkeit, einen Rechtsstreit zu beginnen, in dessen Zentrum die Frage der Gültigkeit von endorsed IAS / IFRS steht. Eine ergebnisrelevante Meinungsverschiedenheit i. S. d. § 324 HGB besteht dann, wenn das bilanzierende Unternehmen bei der Aufstellung seines Konzernabschlusses einen IAS / IFRS für fehlerhaft erachtet und nicht angewendet hat, während der Abschlussprüfer, der sich in Ausübung öffentlicher Funktionen127 und an das Ver121 ADS, § 324 HGB Rn. 37; Winkeljohann / Hellwege, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 324 HGB Rn. 40; Kuhner, in: Küting / Weber, HdR, § 324 HGB Rn. 8; Zimmer, in: GroßkommHGB, § 324 Rn. 7. 122 Winkeljohann / Hellwege, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 324 HGB Rn. 52; Zimmer, in: GroßkommHGB, § 324 Rn. 13. 123 ADS, § 324 HGB Rn. 63; Schulze-Osterloh, in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 41 Rn. 183. 124 Siehe dazu sowie zur ausnahmsweisen Möglichkeit der Einschaltung des BGH näher auch ADS, § 324 HGB Rn. 54 ff. 125 Ansonsten würde er sich der Gefahr der Schadensersatzpflichtigkeit und der berufsrechtlichen Verantwortlichkeit aussetzen. Siehe auch Kuhner, in: Küting / Weber, HdR, § 324 HGB Rn. 11; Pfitzer / Orth, in: Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzrecht, § 324 HGB Rn. 29. 126 Schulze-Osterloh, in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 41 Rn. 183 m. w. N. 127 So die ganz h. M. BayObLG, Beschl. vom 17. 09. 1987, BReg. 3 Z 76 / 87, NJW-RR 1988, 163, 164; Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411 ff.; ders., in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 41 Rn. 98; Potthoff, WPg 1980, 322, 325; wohl Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2123; Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 402 f.; ADS, § 319 HGB Rn. 11; Mattheus, in: Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzrecht, § 319 HGB Rn. 41; a. A. Ebke, in: MünchKommHGB, § 316 Rn. 32 (gesellschaftsexterner, unabhängiger Sachverständiger mit gesetzlich umrissenen Kontrollaufgaben). Interessanterweise gibt das Verfahren nach § 324 HGB auch dem Abschlussprüfer eine Möglichkeit, eigene Zweifel an der Wirksamkeit von endorsed IAS / IFRS auf gerichtlichem Wege klären zu lassen, wenn er sich ansonsten in der Pflicht zur Befolgung staatlicher Normen sieht.
B. Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS
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werfungsmonopol des EuGH gebunden sieht, der Auffassung ist, dass der betreffende Standard anzuwenden ist.128 Wird das Landgericht nunmehr mit der Gültigkeit des in Streit stehenden IAS / IFRS befasst, dann ist es aufgrund der „Foto Frost“-Rechtsprechung des EuGH zur Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens verpflichtet, wenn es selbst von der fehlerhaften Übernahme des IAS / IFRS und infolgedessen von der Ungültigkeit der IAS / IFRSÜbernahmeverordnung überzeugt ist.129 Das Verfahren nach § 324 HGB stellt sich somit als ein erstes „Einfallstor“ für die gerichtliche Überprüfung der wirksamen Übernahme von IAS / IFRS dar.
bb) Schwächen des Verfahrens nach § 324 HGB Obwohl das Verfahren nach § 324 HGB auf den ersten Blick „wie gemacht“ als Ausgangspunkt für den individuellen Rechtsschutz des Unternehmens gegen fehlerhafte IAS / IFRS scheint, ist es bei näherer Betrachtung mit mancher gravierender Schwäche behaftet. Nicht ohne Grund spielte das Verfahren des § 324 HGB in der Praxis bislang nur eine marginale Rolle.130 Unternehmen und Abschlussprüfer suchen bei Meinungsverschiedenheiten meist eine konsensuale Lösung auf anderen Wegen (z. B. durch Gutachten Dritter),131 um so ein uneingeschränktes Testat zu erhalten.132 Denn insbesondere, wenn das gerichtliche Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, ist der Abschlussprüfer nicht gehindert, im Hinblick auf die streitige Fragestellung den Bestätigungsvermerk einzuschränken oder gar zu versagen.133 Zu solch einem faktisch präjudizierenden Verhalten wird es insbesondere dann kommen, wenn der Abschlussprüfer anders die engen Fristen für die Billigung 128 Gleiches gilt erst recht, wenn es nicht um die Frage der Wirksamkeit des Endorsement von IAS / IFRS, sondern „nur“ um die richtige Auslegung wirksam übernommener IAS / IFRS geht. 129 EuGH, Urt. vom 22. 10. 1987, Rs. 314 / 85, „Foto Frost“, Slg. 1987, 4199, Rn. 15. Zur Einschränkungen durch die „CILFIT“-Rechtsprechung siehe oben Kapitel 5 B. II. 2. a) sowie EuGH, Urt. vom 06. 12. 2005, Rs. C-461 / 03, „Gaston Schul“, Slg. 2005, I-10513. Dagegen spricht auch nicht der (im Ergebnis offen gelassene) Einwand der Autoren Maulbetsch und Dehlinger (DB 2006, 2387 Fn. 10), dass das Verfahren nach § 324 HGB die schnelle Streitbeilegung ermöglichen soll. Denn die Ausnahme von der Vorlagepflicht an den EuGH, auf die die Autoren anspielen, gilt lediglich für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wozu § 324 HGB als solches nicht gehört. 130 Bekannt geworden sind lediglich zwei Verfahren: BGH, Beschl. vom 31. 05. 1965, II ZB 8 / 65, BGHZ 44, 35 ff. sowie LG Schweinfurt, Beschl. vom 01. 12. 2003, 5 HK O 69 / 03, WPg 2004, 339 ff. 131 Siehe nur Mai, Rechtsverhältnis, S. 171 m. w. N. 132 Erteilt der Abschlussprüfer während eines laufenden Verfahrens nach § 324 HGB einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, dann ist das Verfahren wegen Erledigung in der Hauptsache zu beenden (ADS, § 324 HGB Rn. 12). 133 ADS, § 324 HGB Rn. 4.
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des Konzernabschlusses und den rechtzeitigen Beschluss der Hauptversammlung nicht einhalten kann. Diese Situation wird im Übrigen mit dem Einsatz des durchschnittlich 20monatigen Vorabentscheidungsverfahrens nicht besser. Die zeitlichen Höchstgrenzen für Billigung und Offenlegung von IAS / IFRS-Konzernabschlüssen würden vielmehr stets überschritten. Die Einleitung des Verfahrens nach § 324 HGB bewahrt das Unternehmen also nicht vor den Folgen der „adversen Publizität“, die an die Veröffentlichung des nicht uneingeschränkten Testats geknüpft sind. Diese Schwächen bergen ein erhebliches Abschreckungspotential für die Inanspruchnahme individuellen Rechtsschutzes gegen fehlerhafte IAS / IFRS.
b) Leistungsklage auf Erteilung eines Bestätigungsvermerks Eine weitere Möglichkeit gerichtlicher Auseinandersetzung zwischen Abschlussprüfer und IAS / IFRS-bilanzierungspflichtigem Unternehmen über fehlerhafte IAS / IFRS bietet sich in der Leistungsklage des Unternehmens gegen den Abschlussprüfer auf Erteilung eines (uneingeschränkten) Bestätigungsvermerks an. Es entspricht einhelliger Auffassung, dass ein Unternehmen gegen seinen Abschlussprüfer einen Anspruch auf Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks hat, den es erstinstanzlich mit der Leistungsklage vor dem zuständigen ordentlichen (meist Land-)Gericht einklagen kann, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, und welcher gem. § 888 Abs. 1 ZPO vollstreckt wird.134 Eine derartige Leistungsklage kann wegen des unterschiedlichen Rechtsschutzziels trotz der Existenz des Verfahrens nach § 324 HGB grundsätzlich parallel zu diesem erhoben werden.135
Die Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich aus § 322 HGB.136 Ein Anspruch auf Erteilung eines uneingeschränkten Testats besteht, wenn der Anspruchsgegner ordnungsgemäß ausgewählter und bestellter Abschlussprüfer des anspruchstellenden Unternehmens ist, die Prüfung abgeschlossen ist, dem Prüfungsgegenstand keine Einwendungen entgegenstehen, der aufgestellte Jahres- oder Konzernabschluss den gesetzlichen Vorschriften entspricht und unter Beachtung der GoB oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt.137 134 ADS, § 322 HGB Rn. 355; Pfitzer / Orth, in: Baetge / Kirsch / Thiele, Bilanzrecht, § 322 HGB Rn. 28; Förschle / Küster, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 322 HGB Rn. 15; IDW, WP Handbuch, Q Rn. 405; Ebke, in: MünchKommHGB, § 322 Rn. 3; Zimmer, in: Großkomm HGB, § 322 Rn. 1; Erle, Bestätigungsvermerk, S. 55 ff.; Mai, Rechtsverhältnis, S. 134 f.; Schulze-Osterloh, in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 41 Rn. 163 m. w. N. 135 ADS, § 322 HGB Rn. 359; Erle, Bestätigungsvermerk, S. 55. 136 Erle, Bestätigungsvermerk, S. 56. Auf die rechtliche Einordnung des Prüfvertrages (Dienstvertrag, Werkvertrag, gemischter Vertrag, atypischer Geschäftsbesorgungsvertrag) soll hier nicht näher eingegangen werden. Siehe dazu aber Ebke, in: MünchKommHGB, § 318 Rn. 19 m. w. N. zum Streitstand.
B. Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS
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Hat ein Unternehmen, welches einen bestimmten IAS / IFRS wegen dessen Fehlerhaftigkeit bei seiner Konzernbilanzierung unangewendet gelassen hat, mit dieser Einschätzung, welcher der Abschlussprüfer nicht folgen kann oder nicht folgen mag, Recht, dann würde nur ein Konzernabschluss, der diesen fehlerhaften Standard nicht beachtet, den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Auf die Leistungsklage des Unternehmens auf Erteilung eines uneingeschränkten Testates hin müsste das Gericht prüfen, ob der in Streit stehende IAS / IFRS tatsächlich fehlerhaft übernommen ist und diese Frage bejahendenfalls dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorlegen. Die Leistungsklage bietet somit dem IAS / IFRS-bilanzierungspflichtigen Unternehmen prinzipiell die Möglichkeit, fehlerhafte IAS / IFRS überprüfen zu lassen und individuellen Rechtsschutz zu erlangen. Ähnlich wie schon beim Verfahren nach § 324 HGB ist dieser Weg mit Schwächen versehen. Die Leistungsklage kann erst dann Erfolg haben, wenn die Abschlussprüfung beendet ist. Dann aber hat der Abschlussprüfer zumeist bereits wenigstens einschränkend testiert. Ein solches Testat bleibt solange bestehen, bis der Leistungsklage – wenn überhaupt – mit einem rechtskräftigen Urteil stattgegeben wurde, was sich – wenn dazu noch die durchschnittliche Dauer des Verfahrens vor dem EuGH hinzugerechnet wird – über Jahre hinziehen kann. Dann aber sind bereits die negativen Wirkungen der Veröffentlichung des nicht uneingeschränkten Testats realisiert. Aus diesen Gründen ist es deshalb praktisch unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unzumutbar, dass Unternehmen im Wege der Leistungsklage Rechtsschutz gegen ihrer Meinung nach fehlerhaft übernommene IAS / IFRS suchen werden.
3. Gerichtliche Streitigkeiten im Hinblick auf die Billigung des Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat Tatsächliche Streitigkeiten über die Gültigkeit von fehlerhaft übernommenen IAS / IFRS sind im Weiteren über die Billigung des IAS / IFRS-Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat denkbar. Da der Aufsichtsrat zu rechtmäßigem Handeln verpflichtet ist und lediglich recht- und zweckmäßige Konzernabschlüsse billigen darf,138 wäre der Beschluss des Aufsichtsrates über die Billigung eines IAS / IFRSKonzernabschlusses, welcher unberechtigterweise endorsed IAS / IFRS wegen vermeintlicher Fehlerhaftigkeit unangewendet lässt, rechtswidrig und nichtig.139 JeVgl. § 322 Abs. 3 S. 1 HGB; ausführlich Erle, Bestätigungsvermerk, S. 56 f. Schiedermaier / Kolb, Beck’sches Hdb AG, § 7 Rn. 92; Hüffer, AktG, § 171 Rn. 4; Schön, BB 2004, 763. 139 BGH, Urt. vom 21. 04. 1997, II ZR 175 / 95, BGHZ 135, 244, 247; Hüffer, AktG, § 108 Rn. 18; Hopt / Roth, in: GroßkommAktG, § 108 Rn. 135, 138 f. m. w. N; a. A. z. B. OLG Hamburg, Urteil vom 6. 03. 1992, 11 U 134 / 91, DB 1992, 774 f.; Axhausen, Anfechtbarkeit, S. 159 ff.; Kindl, Teilnahme, S. 169 ff.: Unterscheidung zwischen nichtigen und 137 138
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doch ist zweifelhaft, ob sich der Billigungsbeschluss des Aufsichtsrates als Anknüpfungs- und Ausgangspunkt individuellen Rechtsschutzes für Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS wirklich eignet.
a) Billigung des Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat als Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung? Streitig ist zunächst, ob die Billigung des Konzernabschlusses durch den Aufsichtsrat überhaupt Gegenstand einer gerichtlichen Streitigkeit sein kann. Einer Auffassung nach ist es nicht möglich, prozessual gegen den gebilligten Konzernabschluss vorzugehen. Weder sei eine Nichtigkeitsklage nach § 256 AktG direkt oder analog noch sei eine Feststellung der Nichtigkeit im Wege der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO wegen fehlenden Feststellungsinteresses eröffnet.140 Nach der Gegenauffassung kann die Billigung des Konzernabschlusses durchaus Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sein, wobei innerhalb dieser Auffassung zwischen Vertretern zu differenzieren ist, die die aktienrechtliche Nichtigkeitsklage nach § 256 AktG analog für einschlägig ansehen,141 und jenen, welche sich für die allgemeine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit gem. § 256 ZPO aussprechen.142 Letztgenannter Auffassung ist zu folgen, soweit sie das prozessuale Mittel der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO für eröffnet ansieht. Eine Nichtigkeitsklage gem. § 256 AktG direkt oder analog gegen die Billigung des Konzernabschlusses ist jedenfalls de lege lata nicht zulässig. Eine direkte Anwendung des § 256 AktG kommt nicht in Betracht, da sein Wortlaut explizit vom „festgestellten Jahresabschluss“ spricht, während der Konzernabschluss nach der Diktion des Gesetzes lediglich „gebilligt“ wird.143 Für die analoge Anwendung des § 256 AktG wiederum fehlt es an der planwidrigen Regelungslücke.144 Der Gesetzgeber, der das Erfordernis der Billigung des Konzernabschlusses erst im TransPuG vom 19. 07. 2002 aufgestellt hat, hat bewusst den Begriff der Billigung in Abgrenzung von demjenigen der Feststellung gewählt und auch ansonsnur anfechtbaren Aufsichtsratsbeschlüssen. Die für Hauptversammlungsbeschlüsse geltenden §§ 241 ff. AktG sind auf Aufsichtsratsbeschlüsse nicht anwendbar (Lutter / Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 611; Raiser / Veil, Kapitalgesellschaftsrecht, § 15 Rn. 72 ff.). 140 Gelhausen / Hönsch, AG 2005, 511, 526; IDW, WP Handbuch, U Rn. 176. 141 Kropff, in: MünchKommAktG, § 172 Rn. 86 f.; in diese Richtung vorsichtig wohl auch Busse von Colbe, BB 2002, 1583, 1587. 142 Hennrichs, ZHR 168 (2004), 383, 398 Fn. 70; Schön, BB 2004, 763. 143 BGH, Urt. vom 15. 11. 1993, II ZR 235 / 92, BGHZ 124, 111, 116; Hüffer, AktG, § 172 Rn. 3; Kropff, ZGR 1994, 628, 633 f. 144 Hennrichs, ZHR 168 (2004), 383, 397.
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ten ausdrücklich von der Normierung von Rechtsfolgen fehlender Billigung abgesehen.145 Dass der Sinn und Zweck des § 256 AktG, die Bestandskraft des Jahresabschlusses im Interesse der Rechtssicherheit für Gesellschaft, Gesellschafter und Gläubiger zu stärken und die Nichtigkeitsfolgen zu begrenzen,146 von der Interessenlage her auch auf den Konzernabschluss, welcher entgegen der Ansicht der Regierungsbegründung zum TransPuG147 durchaus erhebliche Relevanz beispielsweise für Investitionsentscheidungen oder Ansprüche Dritter haben kann, übertragbar ist,148 reicht allein für die Begründung einer Analogie nicht aus.
Die Billigung des Konzernabschlusses als Aufsichtsratsbeschluss ist nach den allgemeinen Regeln des Gesellschafts- und Prozessrechts mit der allgemeinen Feststellungsklage gem. § 256 ZPO auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses angreifbar.149 Denn es ist nicht einsichtig, weshalb ein Aufsichtsratsbeschluss, nur weil es sich materiell um die Billigung eines Konzernabschlusses handelt, mit der pauschalen und vom Einzelfall abgehobenen Begründung, es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis, prozessual nicht angegriffen werden könne. Für Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder ergibt sich das Feststellungsinteresse schon aus ihrer Organstellung.150 Die Feststellungsklage richtet sich dabei gegen die Gesellschaft.151 Demnach kann es grundsätzlich zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Billigung des IAS / IFRS-Abschlusses kommen, in deren Verlauf das Prozessgericht die Frage nach der Gültigkeit eines bestimmten Standards dem EuGH vorlegen könnte, u. U. sogar müsste. b) Schwächen der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Billigungsbeschlusses Freilich steht eine rege Inanspruchnahme dieses Rechtsmittels nicht zu erwarten. So mindert bereits die lange Dauer des zivilprozessualen Verfahrens, verlängert um die Dauer des Vorabentscheidungsverfahrens, die Attraktivität einer solchen 145 Vgl. RegBegr TransPuG, S. 53, abrufbar unter www.bmj.bund.de / files / - / 1383 / Regierungsentwurf.pdf (Stand Dezember 2007). 146 Vgl. nur Hüffer, in: MünchKommAktG, § 256 Rn. 5. 147 Siehe RegBegr TransPuG, S. 54 f. 148 Deutlich Kropff, in: MünchKommAktG, § 172 Rn. 85 ff.; Hennrichs, ZHR 168 (2004), 383, 396 ff. 149 Zu den Voraussetzungen dieser Klage BGH, Urt. vom 21. 04. 1997, II ZR 175 / 95, BGHZ 135, 244, 247; Hopt / Roth, in: GroßkommAktG, § 108 Rn. 135; Lutter / Krieger, Aufsichtsrat, Rn. 615; Hüffer, AktG, § 108 Rn. 18. 150 Hopt / Roth, in: GroßkommAktG, § 108 Rn. 174; Hüffer, AktG, § 108 Rn. 18; Raiser / Veil, Kapitalgesellschaftsrecht, § 15 Rn. 75. 151 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 834 f.; Raiser / Veil, Kapitalgesellschaftsrecht, § 15 Rn. 78.
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gerichtlichen Auseinandersetzung erheblich. Auch wird das Unternehmen keinen Anlass für ein solches Gerichtsverfahren geben wollen. Da es zeitlich der Prüfung des Konzernabschlusses durch den Abschlussprüfer notwendigerweise nachgeschaltet ist, kann davon ausgegangen werden, dass bereits ein eingeschränkter oder versagender Vermerk mit der entsprechenden adversen Publizitätswirkung existiert, welche das Unternehmen stets vermeiden möchte. Auch faktisch ist nicht davon auszugehen, dass das Unternehmen als solches, vertreten durch den Vorstand, der mit seiner Mehrheit den Konzernabschluss unter Nichtbeachtung des fehlerhaften IAS / IFRS aufgestellt hat, sich gegen den Billigungsbeschluss des Aufsichtsrates wenden wird. Die Initiative wird eher von einzelnen, im jeweiligen Organ in der Minderheit stehenden Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern ausgehen, die von der Fehlerhaftigkeit der IAS / IFRS nicht überzeugt sind.152
4. Gerichtliche Streitigkeiten um Maßnahmen der DPR im Enforcement-Verfahren Obzwar in der Tätigkeit der DPR gegenüber einem Unternehmen durchaus Ansatzpunkte für Streitigkeiten erkennbar wären, in denen es inzident auf die Gültigkeit von endorsed IAS / IFRS ankommt, sind nach näherer Betrachtung gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Unternehmen und der DPR rechtlich nicht zulässig.153 Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: § 342b Abs. 6 S. 2 HGB statuiert einen expliziten Ausschluss von Rechtsbehelfen des Unternehmens gegen die verpflichtenden Berichte der DPR an die BaFin über die in § 342b Abs. 6 S. 1 HGB genannten subjektiven und objektiven Tatsachen.154 Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, den Übergang der Unternehmensabschlusskontrolle auf die zweite Stufe des Enforcement-Verfahrens nicht durch Rechtsmittel von Unternehmen, welche mit dem (für sie negativen) Ergebnis der Prüfung durch die DPR nicht einverstanden sind, blockieren zu lassen.155 Dieser Rechtsbehelfsausschluss ist auch nicht verfassungswidrig.156 Da die DPR als privatrechtliche Einrichtung mit Mitteln des Privatrechts nicht hoheitlich handelt und ihre 152 Die Nichtigkeitsfeststellungsklage soll deshalb im Folgenden nicht weiter untersucht werden. 153 Solcher Ansatzpunkt könnte die Feststellung der DPR sein, dass der geprüfte IAS / IFRS-Konzernabschluss fehlerhaft sei. Umgekehrt scheidet die Entscheidung der DPR, das Unternehmen einer Prüfung zu unterziehen, als Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens, das Ausgangspunkt für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH sein könnte, schon deshalb aus, weil diese Entscheidung nicht davon abhängt, ob ein IAS / IFRS fehlerhaft endorsed wurde. 154 Morck, in: Koller / Roth / Morck, HGB, § 342b Rn. 10; Gelhausen / Hönsch, AG 2005, 511, 524. 155 RegBegr, BT-Drs. 15 / 3421, S. 15. 156 In diese Richtung aber Deutscher Anwaltsverein, NZG 2004, 220, 222.
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Tätigkeit nicht der „öffentlichen Gewalt“ i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG zugeordnet werden kann,157 verstößt § 342b Abs. 6 S. 2 HGB nicht gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Gleichfalls liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch, welcher sich aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten herleiten lässt und die Gewährleistung effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten auch zwischen Privaten garantiert,158 vor. Jedenfalls rechtfertigt sich eine mögliche Beschränkung damit, dass Primärrechtsschutz159 des Unternehmens schon auf der ersten Stufe des Enforcement deshalb nicht erforderlich ist, weil es das Unternehmen selbst in der Hand hat, ob die DPR die Prüfung überhaupt aufnehmen und durchführen kann. Denn die Mitwirkung bei der Prüfung durch die DPR ist vollkommen freiwillig. Darüber hinaus wird mit dem Ausschluss von Rechtsmitteln auf der ersten Stufe des Enforcement-Verfahrens die Konzentrierung des gesamten Rechtsschutzes aus prozessökonomischen Gründen auf der zweiten Stufe des Enforcement-Verfahrens, wo dem Unternehmen ein vollumfängliches „Rechtsbehelfsarsenal“ zur Verfügung steht, bezweckt.160
Der Rechtsbehelfsausschluss des § 342b Abs. 6 S. 2 HGB, der sich dem Wortlaut nach nur gegen die Weitergabe der in § 342b Abs. 6 S. 1 HGB genannten Informationen an die BaFin richtet, muss seinem Sinn und Zweck nach auch auf die hier interessierenden Klagen des Unternehmens auf Feststellung der Fehlerhaftigkeit des Prüfungsergebnisses der DPR ausgedehnt werden.161 Denn einerseits kann das Unternehmen sein Einverständnis mit dem Prüfungsergebnis verweigern, was die Fortsetzung des Enforcement-Verfahrens auf der zweiten Stufe bewirkt. Andererseits könnte es ansonsten aufgrund der unterbliebenen Rechtsbehelfskanalisierung zu Divergenzen kommen, wenn zwei unterschiedliche Gerichte in parallelen Verfahren – auf der einen Seite das nach dem BilKoG zentral für Klagen gegen Maßnahmen der BaFin zuständige OLG Frankfurt am Main und auf der anderen Seite das für eine eventuelle Feststellungsklage gegen die DPR zuständige Zivilgericht – inhaltlich konträr urteilen würden.162 157 RegBegr, BT-Drs. 15 / 3421, S. 15; Ellrott / Aicher, in: Beck’scher Bilanzkommentar, § 342b HGB Rn. 1, 63; Hommelhoff / Mattheus, BB 2004, 93, 97; Morck, in: Koller / Roth / Morck, HGB, § 342b Rn. 11; a. A. W. Seidel, BB 2005, 651, 652, der die DPR im Rahmen seiner Untersuchung von Amtshaftungsansprüchen als Beliehene einordnet . 158 Siehe zum allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch BVerfG, Beschl. vom 30. 04. 2003, 1 PBvU 1 / 02, BVerfGE 107, 395, 401; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 91 ff.; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 162 ff. 159 Sekundärrechtsschutz mittels Schadensersatzklage des Unternehmens gegen die DPR lässt das Gesetz in § 342b Abs. 7 HGB hingegen zu. 160 Dieses Ziel des BilKoG wird auch in der Sperrwirkung der aktienrechtlichen Nichtigkeitsklage (gegen den Jahresabschluss) sowie der Sonderprüfung gegenüber dem Enforcement-Verfahren deutlich, §§ 342b Abs. 3 HGB, 37o Abs. 2 WpHG. 161 § 342b Abs. 6 S. 2 HGB schließt hingegen nicht Rechtsstreitigkeiten zwischen geprüftem Unternehmen und DPR aus, in denen es z. B. um den Persönlichkeitsschutz des geprüften Unternehmens geht (siehe dazu LG Berlin, Beschl. vom 09. 02. 2006, 27 O 127 / 06, „Arques / DPR“, unveröffentlicht). Solche Rechtsstreitigkeiten ermöglichen aber keine inzidente Prüfung der Gültigkeit von endorsed IAS / IFRS. 162 Aus denselben Erwägungen sind Gedanken an die Einrichtung eines gerichtlichen Klärungsverfahrens zwischen dem Unternehmen und der DPR nach dem Vorbild des § 324 HGB
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Es gibt also keine gerichtlichen Streitigkeiten zwischen DPR und Unternehmen, die als Ausgangspunkt für die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Kontrolle fehlerhafter IAS / IFRS dienen könnten.
5. Gerichtliche Streitigkeiten um Maßnahmen der BaFin im Enforcement-Verfahren Hingegen bietet die zweite Stufe des Enforcementverfahrens Ansatzpunkte für gerichtliche Streitigkeiten zwischen geprüftem Unternehmen und BaFin über fehlerhafte IAS / IFRS. Als Streitgegenstand fungiert die Feststellung der BaFin nach § 37q Abs. 1 WpHG, der IAS / IFRS-Konzernabschluss des Unternehmens sei fehlerhaft, wenn das Unternehmen einen seiner Auffassung fehlerhaften IAS / IFRS unangewendet gelassen hat. Diese Feststellung muss von der BaFin erlassen werden, wenn sie selbst von der Fehlerhaftigkeit der Übernahme überzeugt ist, da sie als staatliche Behörde wegen des Verwerfungsmonopols des Gerichtshofs an die Übernahmeverordnung solange gebunden ist, wie die betreffende Vorschrift gerichtlich aufgehoben oder für nichtig bzw. unanwendbar erklärt wurde.
Gegen den Verwaltungsakt der Fehlerfeststellung163 kann das betroffene Unternehmen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Anfechtungs-)Beschwerde beim OLG Frankfurt am Main erheben. Der Gesetzgeber hat auf der zweiten Stufe des Enforcement-Prozedere gem. § 37u Abs. 2 WpHG i.V. m. § 48 Abs. 4 WpÜG eine zentrale Zuständigkeit des OLG Frankfurt am Main für alle Beschwerden, die Unternehmen nach § 37u WpHG „gegen Verfügungen der Bundesanstalt“ erheben können, vorgesehen, obwohl gegen Verwaltungsakte eigentlich der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist (§ 40 VwGO). Mit dieser Sonderzuweisung soll der „größeren Sachnähe“ der ordentlichen Gerichtsbarkeit zur Rechnungslegung sowie der „besonderen Sachkunde“ des OLG Frankfurt am Main bei der Beurteilung wirtschaftlicher Sachverhalte Rechnung getragen werden.164 Der form- und fristgerechten Erhebung der Beschwerde vorgeschaltet ist grundsätzlich ein Widerspruchsverfahren gem. § 37t WpHG i.V. m. §§ 68 – 73 VwGO. Widerspruchsbehörde ist gem. § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO die BaFin selbst.165 Die Rechtsbehelfsverfahren auf der zweiten Stufe des Enforcement orientieren sich eng an den Rechtsschutzmitteln des WpÜG sowie des GWB; daher auch die Bezeichnung der Rechtsbehelfe als „Beschwerden“. Insgesamt ist die Beschwerde in der Sache deutlich durch ihre verwaltungsprozessualen Vorbilder vorgeprägt. als de lege lata rechtlich unmöglich und de lege ferenda nicht notwendig zurückzuweisen (in diese Richtung Müller, ZHR 168 (2004), 414, 418). 163 RegBegr, BT-Drs. 15 / 3421, S. 18; Hönsch, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 37t Rn. 1, 9; Gelhausen / Hönsch, AG 2005, 511, 526 sowie dies., AG 2007, 308, 310 zu weiteren Verwaltungsakten im Enforcement-Verfahren. 164 RegBegr, BT-Drs. 15 / 3421, S. 20. 165 Nicht das Bundesministerium für Finanzen, so aber Hönsch, in: Assmann / Schneider, WpHG, § 37t Rn. 7.
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Das OLG Frankfurt am Main muss die Frage der Gültigkeit der in Streit stehenden IAS / IFRS stets dem EuGH zur Entscheidung vorlegen, da es sowohl erst- als auch letztinstanzlich urteilt.166 Obwohl die Beschwerdeverfahren gegen die BaFin als solche prinzipiell hohen Rechtsschutzmaßstäben genügen, ist es dennoch fraglich, ob sie Unternehmen ausreichend effektiv individuellen Rechtsschutz gerade gegen fehlerhafte IAS / IFRS vermitteln. So werden es die meisten Unternehmen schon nicht zu einer Prüfung auf der zweiten Stufe des Enforcement-Verfahrens kommen lassen wollen und bereits im Vorfeld ein eingeschränktes oder negatives Testat des Abschlussprüfers verhindern, indem sie den ihrer Ansicht nach fehlerhaften IAS / IFRS letztlich doch anwenden werden. Außerdem wird ein Unternehmen Beschwerde gegen die Fehlerfeststellung der BaFin wegen unangewendeter IAS / IFRS nur (in den sehr seltenen Fällen) erheben können, in denen der Abschlussprüfer die Nichtanwendung der fehlerhaften IAS / IFRS nicht beanstandet hat, ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk vorliegt und der Abschluss überhaupt in die Enforcementprüfung gelangt. Abgesehen von der langen Dauer des dann notwendigen Vorabentscheidungsverfahrens wird mit der Fehlerfeststellung die Anordnung der Bekanntmachung dieses Fehlers verknüpft, welche sofort vollziehbar ist und die deshalb unmittelbar und trotz eingelegten Widerspruchs oder Beschwerde die gleichen negativen und unzumutbaren Wirkungen adverser Publizität für das Unternehmen auslöst wie ein nicht uneingeschränktes Testat.
IV. Unbefriedigende Rechtsschutzsituation und Überlegungen zur Verbesserung 1. Bewertung der Rechtsschutzsituation auf Grundlage der bisher erzielten Ergebnisse Die Rechtsschutzsituation betroffener Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS stellt sich auf der Grundlage der bisher erzielten Ergebnisse als unbefriedigend dar. Wegen der restriktiven Auslegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Nichtigkeitsklage können betroffene Unternehmen nicht unmittelbar gegen fehlerhafte IAS / IFRS unter direktem Zugang zum Gerichtshof vorgehen. Stattdessen sind die Unternehmen auf den indirekten Weg zum EuGH mittels des Vorabentscheidungsverfahrens verwiesen. Im Vergleich zur Nichtigkeitsklage ist das Vorabentscheidungsverfahren wegen der notwendigen Kooperation nationaler mit europäischer Gerichtsbarkeit, der dadurch bedingten langen Dauer des Rechtsstreits und der fehlenden Erzwingbarkeit der Vorlage durch die Parteien aus der Warte effektiven Rechtsschutzes ohnehin tendenziell weniger attraktiv. Rechtsschutzbehindernd wirken vor allem aber die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten der möglichen 166
Bauer, in: MünchKommAktG, § 48 WpÜG Rn. 6, 46.
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Kap. 5: Fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht
Ausgangsrechtsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten, wenn ein Unternehmen sich gegen die Anwendung eines aus seiner Sicht fehlerhaften IAS / IFRS im Konzernabschluss eines konkreten Geschäftsjahres wehren möchte. Regelrecht abschreckende Wirkung gegenüber der Einleitung nationaler (Ausgangs-)Gerichtsverfahren haben die erheblichen negativen wirtschaftlichen Wirkungen der adversen Publizität, die praktisch auf allen Stufen der Ausgangsrechtsstreitigkeiten eintreten und die ihre Ursache u. a. im fatalen Zusammenspiel von kurzen (sanktionsbewehrten) Fristen für Aufstellung bis Veröffentlichung eines Abschlusses und der meist viel längeren Dauer gerichtlicher Verfahren haben. Den Unternehmen wird faktisch der Rechtsweg zur europäischen Gerichtsbarkeit massiv erschwert; praktisch wird kaum ein Unternehmen es überhaupt wagen, sich gegen fehlerhafte IAS / IFRS gerichtlich zu wehren. Zähneknirschend müssen sie Gehorsam gegenüber den endorsed IAS / IFRS üben. Noch gravierender ist aber, dass IAS / IFRS damit wahrscheinlich überhaupt keiner rechtsstaatlichen Kontrolle durch Gerichte unterzogen werden. Die Untersuchung kann mit diesem Ergebnis nicht halt machen. Vielmehr ist zu überlegen, welche Verbesserungen der defizitären Rechtsschutzsituation de lege lata sowie de lege ferenda unternommen werden können. In systematischer Hinsicht bieten sich verschiedene Ansatzpunkte an: (1.) die Ausweitung der Möglichkeit, Nichtigkeitsklage gem. Art 230 EGV zu erheben; (2.) die Beschleunigung des Vorabentscheidungsverfahrens sowie (3.) die Verbesserung der Ausgestaltung von (Ausgangs-)Gerichtsverfahren, (4.) die Nutzbarmachung von Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes und (5.) die Erhebung einer allgemeinen Feststellungsbeschwerde.
2. Ermöglichung der Nichtigkeitsklage gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS als „self executing“ Legislativakte? Im Verhältnis der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsbehelfe zueinander könnte überlegt werden, ob die festgestellten Defizite nicht Anlass genug geben, die restriktive „Plaumann“-Formel167 zur individuellen Betroffenheit natürlicher oder juristischer Personen durch echte Verordnungen derart zu modifizieren, dass im Ergebnis die Nichtigkeitsklage gegen fehlerhafte IAS / IFRS durch Unternehmen möglich wird. Anknüpfungspunkte bietet dazu die intensive Kritik des Schrifttums168 an der „Plaumann“-Formel, die sogar in einer veritablen Kontroverse in der Rechtsprechung zwischen dem EuG und GA Jacobs auf der einen und dem EuGH auf der anderen Seite kulminierte. Siehe dazu oben Kapitel 5 B. I. 2. b). Siehe aus der umfangreichen Literatur exemplarisch Allkemper, Der Rechtsschutz des einzelnen, S. 64 ff.; Bleckmann, FS Menger, S. 872, 873 f., 882 ff.; v. Danwitz, NJW 1993, 1108 ff.; Jacobs, FS Schockweiler, S. 197, 203; Toth, CMLR 1997, 491, 517; Vandersanden, Cahiers de droit européen 1995, 535 ff. 167 168
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Die Kontroverse entzündete sich an den Fällen, in denen die anzugreifende Verordnung ohne weitere nationale Durchführungsmaßnahme (sog. „self executing“ Verordnung) den Einzelnen mit Rechten ausstattet oder mit Pflichten belegt. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des EuGH und seines kurz zuvor gefällten Urteils in der Sache „Unión de Pequen˜os Agricultores“169 entschied das EuG in seinem Urteil „Jégo-Quéré“, dass eine natürliche oder juristische Person durch eine Verordnungsbestimmung als „individuell betroffen anzusehen [ist], wenn diese Bestimmung ihre Rechtsposition unzweifelhaft und gegenwärtig beeinträchtigt, indem sie ihre Rechte einschränkt oder ihr Pflichten auferlegt.“170
Mit dieser „neuen Formel“171 wäre die individuelle Betroffenheit eines Unternehmens gegen fehlerhafte „self executing“ IAS / IFRS wohl stets zu bejahen. Zur Begründung seiner Ansicht trug das EuG unter Berücksichtigung der Schlussanträge des GA Jacobs und der Literatur Gründe vor, die sich bei näherer Betrachtung gerade auch in der Rechtsschutzsituation von Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS realisieren. So liegt nach Ansicht des EuG bei „self executing“ Verordnungen eine Rechtsschutzlücke vor, deren Schließung der im europäischen Gemeinschaftsrecht verankerte Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gebiete,172 wenn der Kläger die Verordnung nicht vor Gerichten des Mitgliedstaates angreifen könne. Auch könne es dem Einzelnen nicht zugemutet werden, sich den Weg zu den mitgliedstaatlichen Gerichten zu eröffnen, indem er zunächst gegen die Verordnung verstoße, um daraufhin gegen hoheitliche Sanktionen vorgehen zu können.173 Das EuG lehnt im Übrigen die Verweisung des Einzelnen auf die Schadensersatzklage auf außervertragliche Haftung (Art. 235, 288 Abs. 2 EGV) als nicht hinreichend für den Rechtsschutz ab, da die Amtshaftungsklage als Instrument des Sekundärrechtsschutzes nicht den rechtswidrigen Gemeinschaftsrechtsakt beseitigen und auch ihrem Prüfungsumfang nach nur hinreichend qualifizierte Verstöße gegen individualschützende Normen sanktionieren könne.174
GA Jacobs fügt diesen Argumenten noch hinzu, dass sogar dann, wenn ein unmittelbarer Weg zu den mitgliedstaatlichen Gerichten eröffnet und deshalb die Gültigkeit der Verordnung im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem 169 EuG, Beschl. vom 23. 11. 1999, Rs. T-173 / 98, „Unión de Pequen ˜ os Agricultores“, Slg. 1999, II-3357. Dem EuG zustimmend Bieber / Epinay / Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 47; Calliess, NJW 2002, 3577, 3580; Lindner, NVwZ 2003, 569 ff.; H.P. Schneider, NJW 2002, 2927, 2928; Schohe / Arhold, EWS 2002, 320, 322 f. 170 EuG, Urt. vom 03. 05. 2002, Rs. T-177 / 01, „Jégo-Quéré“, Slg. 2002, II-2365, Rn. 51. 171 Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 423. 172 EuG, Urt. vom 03. 05. 2002, Rs. T-177 / 01, „Jégo-Quéré“, Slg. 2002, II-2365, Rn. 39, 41 ff. 173 EuG, Urt. vom 03. 05. 2002, Rs. T-177 / 01, „Jégo-Quéré“, Slg. 2002, II-2365, Rn. 45; so auch GA Jacobs, Schlussantrag vom 21. 03. 2002, Rs. C-50 / 00 P, „Unión de Pequen˜os Agricultores“, Slg. 2002, I-6677, Rn. 45. 174 EuG, Urt. vom 03. 05. 2002, Rs. T-177 / 01, „Jégo-Quéré“, Slg. 2002, II-2365, Rn. 46 f.
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Kap. 5: Fehlerhafte Übernahme von IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht
Gerichtshof möglich sei, dies zu weiteren zeitlichen Verzögerungen und nicht unerheblichen Kosten führe, was – zusammengenommen mit der Gefahr unterbliebener Vorlagen seitens des mitgliedstaatlichen Gerichtes an den Gerichtshof, die der Einzelne nicht erzwingen könne – dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes widerspreche.175 Im Übrigen verweist er auf die bereits vorgenommenen Aufweichungen der „Plaumann“Formel, die bislang wenig kohärent seien, jedoch die Tendenz und das Bedürfnis einer modifizierten Bestimmung des Merkmals der individuellen Betroffenheit anzeigten.176
Mit mittlerweile wohl überwiegender Zustimmung der Literatur lehnte der EuGH eine ausdehnende Interpretation des Merkmals der individuellen Betroffenheit und damit eine Modifizierung der „Plaumann“-Formel ab.177 Zwar betont auch der EuGH die Bedeutung der europarechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes gegen Handlungen der Gemeinschaft.178 Allerdings erkennt er im System der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsbehelfe von Nichtigkeitsklage, Vorabentscheidungsverfahren und Inzidentrüge ein „vollständiges System“, das darüber hinaus kooperativ mit den Rechtsbehelfen des Rechts der Mitgliedstaaten verknüpft sei.179 Daraus folgert er, dass es Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 10 EGV) sei, in ihren jeweiligen Rechtsordnungen Rechtsbehelfe bereitzustellen, die es dem Einzelnen erlauben, Gemeinschaftshandlungen mit allgemeiner Geltung gerichtlich anzufechten, um auf diese Weise effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen.180 Zudem verweist der EuGH zur Begründung seiner restriktiven Ansicht auf die Grenze des Wortlauts des Art. 230 Abs. 4 EGV. Dieser verwehre eine erweiternde Auslegung des Merkmals der individuellen Betroffenheit, da ansonsten der Gerichtshof die ihm eingeräumten Kompetenzen überschreiten würde, während es originär in der Hand der Mitgliedstaaten liege, im Wege der Vertragsänderung den Wortlaut zu ändern.181 175 GA Jacobs, Schlussantrag vom 21. 03. 2002, Rs. C-50 / 00 P, „Unión de Pequen ˜ os Agricultores“, Slg. 2002, I-6677, Rn. 40 ff. 176 GA Jacobs, Schlussantrag vom 21. 03. 2002, Rs. C-50 / 00 P, „Unión de Pequen ˜ os Agricultores“, Slg. 2002, I-6677, Rn. 102. 177 EuGH, Urt. vom 25. 07. 2002, Rs. C-50 / 00 P, „Unión de Pequen ˜ os Agricultores“, Slg. 2002, I-6677, Rn. 47; EuGH, Urt. vom 01. 04. 2004, Rs. C-263 / 02 P, „Jégo-Quéré“, Slg. 2004, I-3425, Rn. 38. Zustimmend Claussen, JZ 2006, 157, 160; Baumeister, EuR 2005, 1, 18 ff.; Schwarze, DVBl. 2002, 1297, 1302; Nettesheim, JZ 2002, 928, 932 f.; Lenz / Staeglich, NVwZ 2004, 1421, 1423; Köngeter, NJW 2002, 2216; Pechstein, EU- / EG-Prozessrecht, Rn. 423 ff.; Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 49; Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 60; Gaitanides, in: v. d. Groeben / Schwarze, EUV / EGV, Art. 230 EGV Rn. 69 f. 178 EuGH, Urt. vom 25. 07. 2002, Rs. C-50 / 00 P, „Unión de Pequen ˜ os Agricultores“, Slg. 2002, I-6677, Rn. 44. 179 EuGH, Urt. vom 25. 07. 2002, Rs. C-50 / 00 P, „Unión de Pequen ˜ os Agricultores“, Slg. 2002, I-6677, Rn. 40. 180 EuGH, Urt. vom 25. 07. 2002, Rs. C-50 / 00 P, „Unión de Pequen ˜ os Agricultores“, Slg. 2002, I-6677, Rn. 41 f.
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Damit ist de lege lata für Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS der direkte Weg zum EuGH weiterhin gesperrt.182 Auch wenn die Kritik der Literatur und des EuG an der restriktiven Auslegung der Anforderung der „individuellen Betroffenheit“ im Falle „self executing“ Verordnungen durchaus Sympathien für sich hat und sich im konkreten Falle der Rechtsschutzsituation von Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS z. T. auch bestätigt, ist der richtige Ansatzpunkt für die Verbesserung der Rechtsschutzsituation nicht die gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verstoßende Einräumung der Nichtigkeitsklage. Vielmehr sollten das Vorabentscheidungsverfahren selber und die Gewährung wirksamer Rechtsmittel auf Ebene des Mitgliedstaaten den Zugang zum EuGH über das Vorabentscheidungsverfahren effektiv ermöglichen.
3. Beschleunigung des Vorabentscheidungsverfahrens In diesem Sinne ist, um das Auseinanderfallen zwischen den Fristen zur Aufstellung bis Veröffentlichung des IAS / IFRS-Konzernabschlusses und der nicht unerheblichen Dauer des Vorabentscheidungsverfahrens zu verhindern, an eine Beschleunigung des Vorabentscheidungsverfahrens zu denken. Dieses Ziel könnte mit dem sog. „beschleunigten Vorabentscheidungsverfahren“ gem. Art. 104a EuGHVerfO erreicht werden.183 Denn entscheidet der EuGH nach diesem beschleunigten Verfahren, so verkürzt sich die Dauer des Vorabentscheidungsverfahrens drastisch, und es kann schnell zu einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache kommen.184 Das beschleunigte Verfahren wird nach § 104a EuGH-VerfO vom Präsidenten des Gerichtshofs auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts in Ausnahmefällen beschlossen. Voraussetzung ist, dass eine Entscheidung über das Vorabentscheidungsgesuch außerordentlich dringlich ist. Als Konsequenz tritt das Vorabentscheidungsverfahren unmittelbar und unter weitgehender „Reduzierung“ des schriftlichen Verfahrens in die mündliche Verhandlung ein.185 181 EuGH, Urt. vom 25. 07. 2002, Rs. C-50 / 00 P, „Unión de Pequen ˜ os Agricultores“, Slg. 2002, I-6677, Rn. 44 f. 182 De lege ferenda ist darauf hinzuweisen, dass der Europäische Verfassungsvertrag in Art. III-360 Abs. 4 bei Rechtsakten mit Verordnungscharakter (im Sinne der neuen Kategorisierung der Gemeinschaftsrechtsakte (Art. I-33), welche keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, das Merkmal der individuellen Betroffenheit nicht mehr verlangt, so dass dann wohl auch gegen IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen unmittelbar Nichtigkeitsklage vor dem Gerichtshof durch betroffene natürliche oder juristische Personen erhoben werden kann. Siehe näher zum neuen Artikel Cremer, EuGRZ 2004, 577 ff. 183 Art. 104a EuGH-VerfO wurde eingeführt durch die Änderung der EuGH-VerfO vom 16. 05. 2000, ABl. L 122 vom 24. 05. 2000, S. 43 ff. 184 Die Vergangenheit zeigt, dass sich die Dauer einzelner Verfahren dadurch auf weniger als drei Monate verkürzt hat, z. B. EuGH, Urt. vom 12. 07. 2001, Rs. C-189 / 01, „Jippes“, Slg. 2001, I-5689. Eingang des Vorabersuchens am 27. 04. 2001.
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Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass gerade auch für solche Vorabentscheidungsgesuche, deren Ausgangsverfahren Streitigkeiten mit dem Abschlussprüfer oder im Enforcement-Verfahren über die Fehlerhaftigkeit von endorsed IAS / IFRS betreffen, die besondere Dringlichkeit der Entscheidung begründet werden kann. Denn ergeht die Entscheidung des EuGH nicht innerhalb der für die Aufstellung bis Veröffentlichung gesetzlich vorgesehenen Fristen des in Rede stehenden Konzernabschlusses, so kann endgültiger Rechtsschutz in der Hauptsache rechtzeitig nicht gewährt werden. Es drohen dem Unternehmen schwer zu tragende negative Publizitätswirkungen. Die praktische Bedeutung des beschleunigten Verfahrens ist allerdings bislang eher gering, was auch daran liegt, dass der EuGH sehr zurückhaltend mit der Bejahung einer Situation außerordentlicher Dringlichkeit ist.186 Es ist deshalb zweifelhaft, ob der Präsident des EuGH die außerordentliche Dringlichkeit in Fällen des Rechtsschutzes von Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS bejahen wird. Darüber hinaus liegt die Initiative zur Einleitung eines beschleunigten Verfahrens einzig in den Händen des nationalen Gerichts. Die Parteien des Ausgangsrechtsstreits haben – wie für die Eröffnung des Vorabentscheidungsverfahrens selbst – kein eigenes Antragsrecht,187 so dass diese nur auf die Antragstellung durch das vorlegende Gericht hinwirken können, ohne einen Antrag selbst erzwingen zu können. An die mit der Frage der Wirksamkeit der Übernahme von IAS / IFRS beschäftigten Gerichte ist deshalb zu appellieren, großzügig mit der Möglichkeit der Antragstellung auf ein beschleunigtes Verfahren nach Art. 104a EuGH-VerfO umzugehen. Gleichzeitig ist an den EuGH der Appell zu richten, seine hochgeschraubten Anforderungen gerade in Bezug auf die Überprüfung von endorsed IAS / IFRS zu überdenken, um so einen wichtigen Beitrag zum effektiven Rechtsschutz von Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS überhaupt zu leisten.
4. Abhilfe durch souveräne Prüfung und Testierung seitens des Abschlussprüfers Ein Ansatzpunkt zur Minderung der abschreckenden Wirkung der gerichtlichen Ausgangsverfahren auf nationaler Ebene kann in der Veränderung des Verhaltens des Abschlussprüfers liegen. Würde der Abschlussprüfer die Nichtanwendung eines – auch aus seiner Sicht – fehlerhaften IAS / IFRS nicht mit dem eingeschränkten oder gar versagten Testat sanktionieren, dann könnte das Unternehmen 185 Schwarze, DVBl. 2002, 1297, 1306; Ehricke, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 234 EGV Rn. 58. 186 Vgl. Schwarze, DVBl. 2002, 1297, 1306. 187 Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 26 Rn. 14.
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ohne die Gefahr adverser Publizität Rechtsschutz spätestens auf der zweiten Stufe des Enforcement-Verfahrens im Streit mit der BaFin, die als staatliche Einrichtung selbstverständlich an das Normverwerfungsmonopol gebunden ist, erlangen. Tatsächlich werden Abschlussprüfer wohl stets – auch wenn sie selbst von der Fehlerhaftigkeit eines IAS / IFRS überzeugt sind – seine Nichtanwendung durch das Unternehmen monieren, weil sie sich bei Ausübung ihres Prüfauftrags an das Normverwerfungsmonopol des Gerichtshofs gebunden sehen. Rechtlich hingegen ist ein solches Verhalten nicht zwingend. Der Abschlussprüfer sollte sich von der Auffassung verabschieden, dass er während der pflichtigen Abschlussprüfung auf dieselbe Weise dem Normverwerfungsmonopol des EuGH unterworfen sei, wie dies für die Verwaltung oder die mitgliedstaatlichen Gerichte gilt.188 Der Abschlussprüfer als Wirtschaftsprüfer übt einen freien Beruf aus.189 Die Prüfung ist zwar eine Tätigkeit, die dem öffentlichen Interesse dient,190 so dass es aus dieser Perspektive möglich ist, die Abschlussprüfung als Wahrnehmung einer öffentlichen Funktion zu betrachten.191 Dies allein reicht aber noch nicht aus, um den Abschlussprüfer als Teil des (Mitglied-)Staates anzusehen, an welchen sich das Gebot der Beachtung jeglicher noch nicht verworfener europäischer Rechtsnorm richtet. Der Abschlussprüfer bleibt vielmehr auch bei Ausübung seiner Tätigkeit eine Privatperson.192 Er ist nicht als staatlich beliehener Unternehmer anzusehen.193 Dass seine Aufgaben weitgehend der privatautonomen Disposition entzogen und gesetzlich umschrieben sind, kann kein anderes Ergebnis begründen, sondern ist vielmehr Ausdruck der von ihm geschützten öffentlichen Interessen.194 Diese Einordnung der Aufgabe des Abschlussprüfers hat zur Konsequenz, dass der Abschlussprüfer einen nach seiner Überzeugung fehlerhaft übernommenen IAS / IFRS als unwirksam behandeln und auf dieser Grundlage einem Abschluss, in welchem ein IAS / IFRS wegen seiner Fehlerhaftigkeit nicht angewandt wurde, mit einem uneingeschränkten Testat versehen darf. Sollte dieses Verhalten dem Abschlussprüfer zu kühn vorkommen, bliebe noch die Möglichkeit, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht auch unter Nichtanwendung eines zumindest zweifelhaften IAS / IFRS die Voraussetzungen für die Erteilung eines uneingeschränkten Testats gegeben sind. Ein uneingeschränkter Bestäti188 Eine Bindung an bestehende Gesetze wird in der Literatur terminologisch uneinheitlich für die „Verwaltung“, die „vollziehende Gewalt“, die „Behörden“ angenommen, vgl. z. B. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 36, 40; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 3 Rn. 257. 189 ADS, § 319 Rn. 11; Mai, Rechtsverhältnis, S. 226 f.; vgl. auch § 1 Abs. 2 S. 1 WPO. 190 Tiedchen, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 42a Rn. 23; Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411, 413; Hommelhoff, GS Knobbe-Keuk, S. 471, 473 m. w. N. 191 So dezidiert Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411, 412, 416. 192 Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411, 416. 193 ADS, § 319 HGB Rn. 11; Mai, Rechtsverhältnis, S. 226 f., 229 f. 194 ADS, § 319 HGB Rn. 11; Mertens, in: Wirtschaftsprüfung heute, S. 25.
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gungsvermerk darf nur erteilt werden, wenn (kumuluativ) die Prüfung zu keinen Einwendungen geführt hat, der Abschluss den gesetzlichen Vorschriften entspricht und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt, § 322 Abs. 2 S. 1 HGB. Die Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks ließe sich z. B. dann begründen, wenn gerade die Anwendung des zweifelhaften IAS / IFRS zu einer verzerrten Darstellung, die Nichtanwendung aber gerade sogar zu einer Verbesserung des Einblicks in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage führen würde.195 Denn es wäre verwunderlich, wenn gerade wegen der Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift eine Voraussetzung für die Erteilung des uneingeschränkten Testates nicht erfüllt würde. In einem solchen Falle sollte dem Erreichen des „true and fair view“Gebotes als „Hauptzielsetzung“ 196 des europäischen Bilanzrechts der Vorrang vor der Beachtung des fehlerhaften IAS / IFRS eingeräumt werden.197 Es ist dem Abschlussprüfer damit durchaus möglich, unter souveräner Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel zur Verbesserung der Rechtsschutzsituation des Unternehmens beizutragen. Zuzugeben ist allerdings, dass ein Teil des Risikos, das das Unternehmen bislang mit der Einschätzung der Fehlerhaftigkeit der IAS / IFRS allein getragen hat, auf den Abschlussprüfer abgewälzt würde. Denn es ist nicht auszuschließen, dass der Abschlussprüfer, sieht er einen IAS / IFRS als unwirksam an, ohne dass bis dahin der EuGH dies verbindlich erkannt hat, berufsständischen, zivilrechtlichen oder gar strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt ist.198 Zwar wäre innerhalb der dann erforderlichen Gerichtsverfahren die Frage der Wirksamkeit der endorsed IAS / IFRS durch den EuGH zu klären, jedoch kann allein die Gefahr eines negativen Ausgangs oder auch nur die Gefahr des Reputationsverlustes während eines langen anhängigen Verfahrens den Abschlussprüfer abschrecken, von den ihm möglichen Mitteln Gebrauch zu machen.
5. Nutzung einstweiligen Rechtsschutzes Als ein wirksames Mittel zur Verbesserung der Rechtsschutzsituation von Unternehmen gegen die Anwendung fehlerhafter IAS / IFRS im Rahmen der auf ein konkretes Geschäftsjahr bezogenen Konzernbilanzierung kann sich die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes erweisen. Hierdurch wird die abschreckend lange zeitliche Dauer bis zum Erlass einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung durch das nationale Ausgangsgericht erheblich verkürzt und so möglicherweise der Eintritt der Wirkungen adverser Publizität verhindert. 195 So zu IAS 32 Hennrichs, WPg 2006, 1253, 1260. Anders jetzt aber IDW HFA, IDWFachnachrichten 2007, 81, 82. 196 EuGH, Urt. vom 27. 06. 1996, Rs. C-234 / 94, „Tomberger“, Slg. 1996, I-3145, Rn. 17. 197 Hennrichs, WPg 2006, 1253, 1260. Dieser uneingeschränkte Bestätigungsvermerk könnte zur Klarstellung darüber hinaus mit einem „Hinweis“ nach § 322 Abs. 3 S. 2 HGB versehen werden. 198 Siehe beispielsweise den Straftatbestand des § 322 HGB.
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Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist dabei bei dem deutschen Gericht des Hauptsacheverfahrens, in dessen Mittelpunkt Fragen der Gültigkeit von Gemeinschaftsrechtsakten stehen, zu suchen. In solchen Fällen gesteht der EuGH mitgliedstaatlichen Gerichten zu, selbständig und ohne Abwarten einer Vorabentscheidung seitens des EuGH den fraglichen Gemeinschaftsrechtsakt unbeachtet zu lassen, wenn das Gericht von der Rechtswidrigkeit des Rechtsakts überzeugt ist.199 Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wird den mitgliedstaatlichen Gerichten mithin eine „vorläufige Normverwerfungskompetenz“ über europäisches Gemeinschaftsrecht zugebilligt.200 Allerdings besteht diese Verwerfungsmöglichkeit nach Maßgabe der zitierten EuGH-Rechtsprechung nur unter folgenden kumulativen Voraussetzungen: Das Gericht muss erhebliche Zweifel an der Gültigkeit des Gemeinschaftsrechtsaktes haben; es hat die Gültigkeitsfrage dem Gerichtshof in einem Verfahren nach Art. 234 EGV vorzulegen; die Entscheidung muss dringlich sein und dem Antragsteller ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden drohen; das Gericht hat zudem das Interesse der Gemeinschaft an einer einheitlichen Rechtsanwendung angemessen zu berücksichtigen.201 Vor diesem Hintergrund ist zu untersuchen, inwiefern die Defizite der gerichtlichen Hauptsacheverfahren durch das Verlangen nach einstweiligem Rechtsschutz abgemildert oder sogar beseitigt werden können.
a) Einstweiliger Rechtsschutz im Verfahren nach § 324 HGB Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Form einer vorläufigen Entscheidung des deutschen Gerichts zugunsten des IAS / IFRS-bilanzierungspflichtigen Unternehmens im Verfahren nach § 324 HGB löst eine Anzahl der am stärksten drückenden Rechtsschutzdefizite: Wäre das zur Entscheidung nach § 324 HGB berufene Gericht von der fehlerhaften Übernahme des in Streit stehenden IAS / IFRS zu überzeugen und würde es dem Unternehmen einstweiligen Rechtsschutz gewähren, indem es eine das Unternehmen und den Abschlussprüfer bindende vorläufige Verfügung erließe, so müsste der Abschlussprüfer – wenn sonst keine Einwendungen zu erheben wären – den IAS / IFRS-Konzernabschluss des Unternehmens, das den fehlerhaften IAS / IFRS unangewendet gelassen hat, uneingeschränkt testieren. Konsequenterweise könnte der Konzernabschluss gebilligt und veröffentlicht werden, ohne dass die Wirkungen der adversen Publizität 199 EuGH, Urt. vom 21. 02. 1991, verb. Rs. C-143 / 88 u. C-92 / 89, „Zuckerfabrik Süderdithmarschen“, Slg. 1991, I-415; EuGH, Urt. vom 09. 11. 1995, Rs. C-465 / 93, „Atlanta“, Slg. 1995, I-3761. 200 Stern, JuS 1998, 769, 775. Dies gilt nicht nur für den verwaltungsgerichtlichen, sondern auch für den Rechtsschutz in privatrechtlichen Verhältnissen; so zu Recht Koch, NJW 1995, 2331, 2332; Schuschke, in: Schuschke / Walker, ZPO, Vorbemerkung zu § 935 Rn. 36. 201 EuGH, Urt. vom 21. 02. 1991, verb. Rs. C-143 / 88 u. C-92 / 89, „Zuckerfabrik Süderdithmarschen“, Slg. 1991, I-415; EuGH, Urt. vom 09. 11. 1995, Rs. C-465 / 93, „Atlanta“, Slg. 1995, I-3761.
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eintreten würden. Unabhängig davon würde gleichzeitig der für ungültig gehaltene IAS / IFRS vor dem EuGH einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen, so dass letztlich eine Kontrolle der endorsed IAS / IFRS durch die europäische Gerichtsbarkeit erfolgen würde und das Normverwerfungsmonopol des Gerichtshofs gewahrt bliebe. Fraglich ist allerdings, ob Unternehmen in Verfahren nach § 324 HGB überhaupt einstweiligen Rechtsschutz erlangen können. Denn im Ausgangspunkt ist zwar festzuhalten, dass auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die – wie das Verfahren des § 324 HGB – nach den prozeduralen Vorschriften des FGG verhandelt werden, vorläufiger Rechtsschutz in Form einstweiliger Anordnungen prinzipiell zulässig ist,202 gegen die Inanspruchnahme im Verfahren nach § 324 HGB ausnahmsweise aber seine spezifische Natur sowie die Tatsache, dass es als solches selbst bereits der Beschleunigung der Streitbeilegung dient,203 sprechen könnte. Letztlich überzeugen diese Einwände nicht. Obwohl das Verfahren nach § 324 HGB prima facie als eine Art objektives Streitbeilegungsverfahren von Durchsetzung und Verteidigung subjektiver Rechte einer Partei losgelöst erscheint, ist es doch auch Ausdruck des subjektiven Anspruchs des prüfungspflichtigen Unternehmens, vom Abschlussprüfer eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende, ordnungsgemäße Prüfung und Testierung verlangen zu können, welche (gerade) durch den Erlass einer vorläufigen Anordnung verwirklicht werden kann. Die Berufung darauf, dass § 324 HGB ein besonders schnelles und kostengünstiges Verfahren institutionalisiert, um damit einstweiligen Rechtsschutz zu verwehren, geht deshalb fehl, weil diese Begründung dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes insgesamt zuwiderlaufen würde, wenn das Verfahren nach § 324 HGB beizeiten immer noch nicht schnell genug ist.204 Wenn – wie im Verfahren nach § 324 HGB – das anwendbare FGG keine ausdrücklichen Regelungen über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes trifft, dann kann auf Antrag einer der beteiligten Parteien und im Rahmen eines bereits anhängigen205 zulässigen FGG-Verfahrens eine einstweilige Anordnung erlassen werden, sofern ein sofortiges Handeln des Gerichts ohne abschließende Klärung wegen seiner Eilbedürftigkeit erforderlich und aufgrund der glaubhaft gemachten Tatsachen eine Endentscheidung im Sinn der zunächst nur vorläufigen Maßnahme wahrscheinlich ist.206 202 Ritter, Vorläufige Anordnungen, S. 25 f.; Bassenge / Roth, FGG / RPflG, § 24 FGG Rn. 13; Bumiller / Winkler, FGG, § 24 Rn. 13; Kahl, in: Keidel / Kuntze / Winkler, FGG, § 19 Rn. 30; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 330. 203 Siehe zum Zweck der Herbeiführung einer schnellen und kostengünstigen Entscheidung lediglich ADS, § 324 HGB Rn. 1; Maulbetsch / Dehlinger, DB 2006, 2387, 2388. 204 Im Übrigen würde die pauschale Ablehnung einstweiligen Rechtsschutzes im Verfahren nach § 324 HGB die praktische Bedeutung dieses Streitbeilegungsmechanismus ohne Not noch weiter marginalisieren. Ob dies rechtspolitisch wünschenswert ist, erscheint zumindest zweifelhaft. 205 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 330; Bumiller / Winkler, FGG, § 24 Rn. 14.
B. Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS
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Inhaltlich entsprechen die Voraussetzungen für den Erlass einstweiliger Anordnungen in der FGG damit weitgehend den Voraussetzungen der einstweiligen (Sicherungs- oder Regelungs-)Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO, ohne dass die Vorschriften der ZPO direkt oder analog anwendbar wären.207
Um demnach den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfahren nach § 324 HGB zu erlangen, muss das betroffene Unternehmen die besondere Eilbedürftigkeit einer solchen Anordnung glaubhaft machen, was mit dem Hinweis auf die wegen des engen Zeitrahmens für die Prüfung und Billigung des Konzernabschlusses ansonsten eintretende adverse Publizität eines nicht uneingeschränkten Testats und den Rechtschutzdefiziten verbleibender Rechtsmittel begründbar sein dürfte. Gleichzeitig müsste das Gericht überzeugt werden, dass der in Streit stehende IAS / IFRS tatsächlich europarechtswidrig übernommen wurde und deshalb auch mit einem gleichlautenden Beschluss in der Hauptsache zu rechnen wäre. Wegen der vorläufigen Außerkraftsetzung europäischer Rechtsakte durch ein mitgliedstaatliches Gericht müssten zudem die Anforderungen des EuGH in solchen Fällen eingehalten werden.208 Obwohl die einstweilige Anordnung und der eventuell bestätigende endgültige Hauptsachebeschluss gleich lauten würden, verstößt der Erlass einer dem Unternehmen vorteilhaften einstweiligen Anordnung nicht gegen das Gebot der Vorwegnahme der Hauptsache.209 Denn ausnahmsweise ist eine solche Vorwegnahme zulässig, wenn dem Antragsteller ansonsten schwere und unzumutbare Nachteile entstünden. Solche, eine Ausnahme begründende Nachteile sind konkret jedenfalls in den Wirkungen der adversen Publizität zu erkennen, wenn der Abschlussprüfer wegen eines fehlenden gerichtlichen Beschlusses ein jedenfalls nicht uneingeschränktes Testat erteilen wird. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Verfahren nach § 324 HGB ein wichtiges Mittel für Unternehmen sein kann, ihre Rechtsschutzsituation gegen fehlerhafte IAS / IFRS deutlich zu verbessern. Freilich verbleibt das Risiko, dass der EuGH entgegen dem vorlegenden Gericht die IAS / IFRS-Übernahmeverordnung für gültig ansieht und dementsprechend die Hauptsachentscheidung nach § 324 HGB gegenteilig ausfällt, mit der Folge, dass sich der gebilligte und bekanntgemachte IAS / IFRS-Konzernabschluss nachträglich als fehlerhaft herausstellt. 206 Bumiller / Winkler, FGG, § 24 Rn. 13; Kahl, in: Keidel / Kuntze / Winkler, FGG, § 19 Rn. 30; ausführlich Ritter, Vorläufige Anordnungen, S. 87 ff. 207 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 330; Ritter, Vorläufige Anordnungen, S. 16 ff.; Schuschke, in: Schuschke / Walker, ZPO, Vorbemerkung zu § 935 Rn. 11. 208 Siehe oben Kapitel 5 B. IV. 5. sowie EuGH, Urt. vom 21. 02. 1991, verb. Rs. C-143 / 88 u. C-92 / 89, „Zuckerfabrik Süderdithmarschen“, Slg. 1991, I-415; EuGH, Urt. vom 09. 11. 1995, Rs. C-465 / 93, „Atlanta“, Slg. 1995, I-3761. 209 Zum Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache z. B. Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, Grundz § 916 Rn. 5; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 1034 ff.; einschränkend Ritter, Vorläufige Anordnung, S. 104.
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b) Einstweiliger Rechtsschutz bei der Leistungsklage auf Erteilung eines Bestätigungsvermerks Anstelle (und sogar parallel zu) der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Verfahren nach § 324 HGB ist die Erlangung einer vorläufigen Verfügung nach § 940 ZPO zugunsten des Unternehmens bei der Erhebung einer Leistungsklage desselben gegen den Abschlussprüfer auf Erteilung eines uneingeschränkten Testats denkbar. Ein Erfolg des Unternehmens auf diesem Wege würde einerseits den Eintritt adverser Publizität vorläufig verhindern, andererseits eine gerichtliche Überprüfung von endorsed IAS / IFRS vor dem EuGH ermöglichen und somit die Rechtsschutzdefizite der Hauptsacheverfahren weitgehend umgehen. Nach § 940 ZPO kann das Prozessgericht einstweilige Verfügungen zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes erlassen, wenn diese Regelung ernstlich nötig erscheint. Dies bedeutet konkret, dass das Unternehmen einerseits das Gericht von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache überzeugen muss – wozu innerhalb des Nachweises der Anspruchsvoraussetzung für die Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks die Frage der Fehlerhaftigkeit des endorsed IAS / IFRS zu rechnen ist –, andererseits die besondere Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Anordnung glaubhaft darzulegen hat. Sollte dem Unternehmen dies unter Hinweis auf die Einhaltung aller Voraussetzungen des § 322 Abs. 3 HGB – mit Ausnahme eben der Einhaltung des behauptet fehlerhaften IAS / IFRS – und auf die ansonsten mit der Erteilung eines nicht uneingeschränkten Testats eintretenden negativen Publizitätswirkungen gelingen, so ließe sich zudem der Einwand der Vorwegnahme der Hauptsache gleichfalls nur schwerlich erheben. Gelingt es zudem, die Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung einzuhalten, dann kann das Unternehmen einstweiligen Rechtsschutz unter Vermeidung adverser Publizität auch in Anknüpfung an eine Leistungsklage gegen den Abschlussprüfer erlangen. Freilich ergeht die einstweilige Verfügung des Prozessgerichts nur vorläufig, so dass seine endgültige Entscheidung wegen eines späteren möglichen Gültigkeitsurteils des EuGH gegenteilig ausfallen kann. Das Unternehmen trägt also weiterhin das Risiko einer nachteiligen Entscheidung.
c) Einstweiliger Rechtsschutz im Enforcement-Verfahren Ein Bedürfnis nach einstweiligem Rechtsschutz kann außerdem im Enforcement-Verfahren der zweiten Stufe entstehen.210 Da Widerspruch und Beschwerde gegen die Verwaltungsakte der Fehlerfeststellung durch die BaFin sowie der Anordnung ihrer Bekanntmachung ohne aufschiebende Wirkung sind, §§ 37t Abs. 2, 210 Da es auf der ersten Stufe des Enforcement-Verfahrens keine gerichtlichen Streitigkeiten geben kann, in denen es auf die Frage der Fehlerhaftigkeit von endorsed IAS / IFRS ankommt, wird darauf nicht weiter eingegangen.
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37u Abs. 2 WpHG, müssen Unternehmen diesen Verfügungen unmittelbar Folge leisten, so dass sie – noch bevor überhaupt endgültig über die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte entschieden werden konnte – den Folgen adverser Publizität ausgesetzt sind. Einstweiliger Rechtsschutz ist in diesen Konstellationen darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung erhobener Rechtsbehelfe anordnen zu lassen, um derart den Eintritt von Wirkungen adverser Publizität abzuwenden. Dieses Ziel kann über den Antrag nach § 50 Abs. 3, 4 WpÜG i.V. m. § 37u Abs. 2 WpHG beim Beschwerdegericht erreicht werden.211 In Betracht kommt dabei die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 50 Abs. 3 Nr. 3 WpÜG, wenn „ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen“. Kann das Unternehmen das Beschwerdegericht von der Fehlerhaftigkeit der endorsed IAS / IFRS überzeugen, dann ist die Rechtmäßigkeit der Fehlerfeststellung durch die BaFin ernstlich in Zweifel gezogen. Wenn noch die durch den EuGH aufgestellten Voraussetzungen erfüllt werden, steht der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs oder der Beschwerde nichts mehr im Wege, da insbesondere die ansonsten zu vollziehende Veröffentlichung des Fehlers in ihren Wirkungen im Regelfall erheblichen und nicht wiedergutzumachenden Schaden verursachen wird. Im gleichen Verfahren sollte das betroffene Unternehmen neben dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtbehelfs gegen die Fehlerfeststellung hilfsweise für den Erfolgsfall den gleichen Antrag gegen die Bekanntmachungsanordnung stellen. Letztere hat den Bestand der Fehlerfeststellung als separater Verfügung zur Voraussetzung. Da die Bekanntmachungsanordnung selbst unabhängig von der Gültigkeit des Endorsements eines bestimmten IAS / IFRS ist, brauchen die besonderen Anforderungen des EuGH für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht beachtet zu werden.
Damit bleibt festzuhalten, dass einstweiliger Rechtsschutz auch auf Ebene des Enforcement-Verfahrens möglich ist. Abgesehen von der nur vorläufigen Wirkung ist aber darauf hinzuweisen, dass der einstweilige Rechtsschutz an dieser Stelle ein eventuell bereits existierendes nicht uneingeschränktes Testat mit seiner negativen Publizität nicht beseitigen kann.
211 Ein solcher Antrag kann nach zutreffender Ansicht sogar vor Erhebung des Widerspruchs gestellt werden, Bauer, in: MünchKommAktG, § 50 WpÜG Rn. 27, Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 993; Noack, in: Schwark, KMRK, § 50 WpÜG Rn. 14 f. m. w. N.; a. A. zu § 80 Abs. 5 VwGO z. B. Schoch, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rn. 314 f.
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6. Erhebung einer allgemeinen Feststellungsbeschwerde a) Vorteile für den effektiven Rechtsschutz Ein anderer Ansatzpunkt zur Verbesserung der Rechtsschutzsituation IAS / IFRSbilanzierungspflichtiger Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS besteht darin, nicht auf die oben212 dargestellten gerichtlichen Streitigkeiten, sondern auf die allgemeine Feststellungsbeschwerde des deutschen Rechts als gerichtlichen Rechtsstreit zurückzugreifen, von dem aus das Vorabentscheidungsverfahren eröffnet wird. Die Erhebung der allgemeinen Feststellungsbeschwerde, welche im Anschluss an die restriktive Haltung des EuGH zum Merkmal der individuellen Betroffenheit gem. Art. 230 Abs. 4 EGV in den Rechtssachen „Unión de Pequen˜os Agricultores“ sowie „Jégo-Quéré“ für „self executing“ Gemeinschaftsverordnungen diskutiert worden ist,213 bietet als Hauptsacheverfahren eine Reihe von (Rechtsschutz-)Vorteilen: An erster Stelle zu nennen ist die Möglichkeit, unabhängig von der fristengebundenen Konzernbilanzierung eines konkreten Geschäftsjahres und damit unabhängig von der Gefahr wirtschaftlicher Nachteile, die sich z. B. aus eingeschränkten Bestätigungsvermerken ergeben, die Gültigkeit von endorsed IAS / IFRS gerichtlich überprüfen zu lassen. Darüber hinaus ermöglicht sie eine Überprüfung von „self executing“ IAS / IFRS, noch bevor bzw. ohne dass das Unternehmen zunächst gegen den hoheitlichen Befehl zur Anwendung von IAS / IFRS verstoßen müsste, um so eine überhaupt angreifbare Sanktionsmaßnahme provoziert zu haben.214 Abgesehen von der Unzumutbarkeit der Aufforderung zu rechtsuntreuem Verhalten, vermeidet die Feststellungsbeschwerde das faktische Abschreckungspotential der wirtschaftlichen oder rechtlichen Sanktionen, die an die Inanspruchnahme der sonstigen Rechtsbehelfe geknüpft ist.215 Die allgemeine Feststellungsbeschwerde kann also einen gewichtigen Beitrag zur gerichtlichen Überprüfung der europäischen IAS / IFRS-Gesetzgebung überhaupt leisten.
Siehe Kapitel 5 B. III. Baumeister, EuR 2005, 1, 15 ff.; Cremer, Die Verwaltung 2004, 165, 182 ff.; Gundel, VerwArch 92 (2001), 81, 99 ff.; Köngeter, NJW 2002, 2216, 2217; Lenz / Staeglich, NVwZ 2004, 1421, 1425; Middeke, in: Rengeling / Middeke / Gellermann, Hdb des Rechtsschutzes in der EU, § 10 Rn. 41; Nettesheim, JZ 2002, 928, 933; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 1076; Kopp / Schenke, VwGO, § 43 Rn. 8e. Es war dort zwar nur von der allgemeinen Feststellungsklage die Rede. Dieser entspricht jedoch funktionell auch die allgemeine Feststellungsbeschwerde. 214 Allg. zu Verstößen gegen gemeinschaftsrechtliche „self executing“ Verordnungen GA Jacobs, Schlussantrag vom 21. 03. 2002, Rs. C-50 / 00 P, „Unión de Pequen˜os Agricultores“, Slg. 2002, I-6677, Rn. 43; Baumeister, EuR 2005, 1, 16; Gundel, VerwArch 92 (2001), 81, 99; Nettesheim, JZ 2002, 928, 933. 215 Vgl. Cremer, Die Verwaltung 2004, 165, 182. 212 213
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b) Konkrete prozessuale Ausgestaltung Das hier interessierende Feststellungsbegehren des Unternehmens über die fehlerhaften IAS / IFRS wird nicht in Form der allgemeinen Feststellungsklage, sondern gem. § 37u Abs. 2 WpHG i.V. m. § 48 Abs. 4 WpÜG als allgemeine Feststellungsbeschwerde vor dem OLG Frankfurt am Main verhandelt. Die Frage nach der richtigen Gerichtsbarkeit – in Betracht kommen hier entweder die ordentliche oder die Verwaltungsgerichtsbarkeit – bemisst sich grundsätzlich nach den § 13 GVG und § 40 VwGO. Welche dieser beiden Normen hier allerdings erfüllt ist, kann – obwohl wegen der öffentlich-rechtlichen Natur der IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen einiges für die Eröffnung des Verwaltungsgerichtswegs spricht –216 letztlich offen bleiben, da § 37u Abs. 2 WpHG i.V. m. § 48 Abs. 4 WpÜG217 in jedem Falle eine spezielle Rechtswegzuständigkeit des OLG Frankfurt am Main begründen, die hier auch einschlägig ist. Da das Feststellungsbegehren des Unternehmens auf das Bestehen oder Nichtbestehen von Ge- oder Verboten gerichtet ist, die sich aus den IAS /IFRS-Übernahmeverordnungen ergeben und deren Einhaltung die BaFin mit hoheitlichen Mitteln „ultimativ“ im Enforcement-Verfahren überprüft, ist der Sinn und Zweck der Sonderzuweisung aus § 37u Abs. 2 WpHG i.V. m. § 48 Abs. 4 WpÜG – die Begründung einer ausschließlichen und umfassenden Zuständigkeit des durch seine Kompetenz in der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Fragen besonders ausgewiesenen OLG Frankfurt am Main, um so eine Rechtswegaufspaltung und dadurch bedingte divergierende Auslegungen zu vermeiden – für die Rechtswegkonzentration auch dieses Feststellungsbegehren beim OLG Frankfurt am Main erfüllt. Anerkannt ist darüber hinaus, dass, obwohl der Wortlaut des § 37u Abs. 1 WpHG lediglich die Möglichkeit der Erhebung von „Anfechtungsbeschwerden“ suggeriert, daneben im Interesse der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes jegliche Beschwerdeart, darunter auch die allgemeine Feststellungsbeschwerde, zulässig ist und konsequenterweise von der speziellen Rechtswegzuweisung zum OLG Frankfurt am Main erfasst sein muss.218
Aus dieser Zuordnung folgt, dass sich die weiteren verfahrensrechtlichen Voraussetzungen – soweit die durch § 37u Abs. 2 WpHG in Bezug genommen Normen des WpÜG nicht besondere Aussagen treffen – weitgehend nach den Anforderungen der VwGO, deren analoge Anwendung nicht pauschal, sondern in jedem Einzelfall zu begründen ist, bestimmen.219 216 Siehe schon zur weit überwiegenden Einordnung des Handelsbilanzrechts als öffentliches Recht Merkt, in: Baumbach / Hopt, HGB, § 238 Rn. 4; Icking, Rechtsnatur des Handelsbilanzrechts, S. 166 ff.; Schulze-Osterloh, in: Baumbach / Hueck, GmbHG, § 41 Rn. 1; Hüffer, in: GroßkommHGB, Vor § 238 Rn. 1; a. A. z. B. Claussen, in: KK AktG, § 238 HGB Rn. 6. 217 § 48 Abs. 4 WpÜG wiederum orientiert sich übrigens sehr eng an seinem kartellverfahrensrechtlichen Vorbild des § 63 GWB. 218 Bauer, in: MünchKommAktG, § 48 WpÜG Rn. 38 ff., 43; Möller, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 48 Rn. 11; Pohlmann, in: KK WpÜG, § 48 Rn. 18; zur Anerkennung der allgemeinen Feststellungsbeschwerde ausführlich Barthel, Beschwerde, S. 200 ff.; zur kartellrechtlichen Feststellungsbeschwerde K. Schmidt, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 63 Rn. 11.
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Zwar könnte wegen der Zuständigkeit eines Zivilgerichts auch an die Anwendung der ZPO gedacht werden.220 Aus der Nähe der Beschwerdeverfahren des WpÜG zu den öffentlichrechtlichen Verwaltungsprozessen ergibt sich aber eine vorrangige Vermutung für die Orientierung am Verwaltungsprozess.221 Auch wenn dieser Maxime im Weiteren für die Feststellungsbeschwerde gefolgt wird, ist letztlich die Entscheidung, ob die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Feststellungsbeschwerde (v.a. feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, Beschwerdebefugnis und Feststellungsinteresse sowie Subsidiarität) – da die WpHG, WpÜG keine eigenen Aussagen treffen – sich nach der ZPO oder der VwGO bemessen, wegen des diesbezüglichen weitgehenden regulatorischen Gleichlaufs beider Prozessordnungen222 nicht gravierend.
Das Begehren des Unternehmens darf nicht auf die Feststellung gerichtet sein, dass ein IAS / IFRS ganz oder zum Teil fehlerhaft sei. Denn die Feststellung der Gültigkeit oder der Ungültigkeit einer Rechtsnorm kann nicht Gegenstand einer Feststellungsbeschwerde sein.223 Vielmehr kann der Beschwerdeführer lediglich das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses – worunter die rechtlichen Beziehungen zwischen Personen oder einer Person zu einer Sache aus einem konkreten Sachverhalt verstanden werden –224 feststellen lassen, in dem es dann inzident auf die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Rechtsnorm ankommen kann.225 Das bedeutet, dass Unternehmen ihren Beschwerdeantrag beispielsweise darauf richten sollten, dass es ihnen gegenüber der BaFin erlaubt sei, einen bestimmten wirtschaftlichen Sachverhalt entgegen den Vorgaben des von ihnen für fehlerhaft erachteten IAS / IFRS zu bilanzieren und die BaFin eine solche Bilanzierung nicht beanstanden darf. Das in Streit stehende Rechtsverhältnis muss hinreichend konkret sein.226 Dies ist stets der Fall, wenn ein bestimmter oder bestimmbarer Sachverhalt vorliegt.227 219 Barthel, Beschwerde, S. 67 f.; Möller, in: Assmann / Pötzsch / Schneider, WpÜG, § 48 Rn. 5; Pohlmann, in: KK WpÜG, § 48 Rn. 16. 220 So ausdrücklich der Verweis in § 58 WpÜG; Pohlmann, in: KK WpÜG, § 48 Rn. 16; daneben ist sogar eine Berücksichtigung von Vorschriften des FGG denkbar. 221 Bauer, in: MünchKommAktG, § 48 WpÜG Rn. 5; Noack, in: Schwark, KMRK, § 48 WpÜG, Rn. 2; Pohlmann, in: KK WpÜG, § 48 Rn. 16. 222 Vgl. insb. § 43 VwGO und § 256 ZPO; dazu Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 397. 223 OVG Bremen, Urt. vom 28. 03. 2000, 1 A 314 / 99, GewArch 2000, 490, 491; Kopp / Schenke, VwGO, § 43 Rn. 8g; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 6, Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 406. 224 BVerwG, Urt. vom 23. 01. 1992, 3 C 50 / 89, BVerwGE 89, 327, 329; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 378; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 12. 225 Vgl. Gersdorf, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 145; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 394. 226 BVerwG, Urt. vom 26. 01. 1996, 8 C 19 / 94, BVerwGE 100, 262, 264; Kopp / Schenke, VwGO, § 43 Rn. 17; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 6; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 21; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 402. 227 Gersdorf, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 145.
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Ein solch hinreichend bestimmtes Rechtsverhältnis liegt etwa vor, wenn das betroffene Unternehmen bislang einen wirtschaftlichen Sachverhalt immer anders, als in der IAS / IFRS-Übernahmeverordnung vorgesehen, bilanziert hat und dieses auch zukünftig für vergleichbare Sachverhalte so tun möchte. Hingegen erscheint es nicht nötig, die hinreichende Bestimmtheit des Rechtsverhältnisses erst zum Schluss des Geschäftsjahres anzunehmen, da die Pflicht zur Periodisierung wirtschaftlicher Sachverhalte in Jahresabständen vorwiegend der besseren Information über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens über die Zeit dient und nicht der Begrenzung prozessualer Rechtsschutzmöglichkeiten. Unabhängig davon, ob der § 42 Abs. 2 VwGO analog auf das allgemeine Feststellungsbegehren anzuwenden ist,228 ist das nach IAS / IFRS bilanzierungspflichtige Unternehmen durch die Vorgaben der IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen in seinen Gemeinschaftsgrundrechten, jedenfalls der allgemeinen (Handlungsbzw. Unternehmer-)Freiheit,229 verletzt und deshalb beschwerdebefugt. Gleichfalls wird ein Feststellungsinteresse, welches rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann,230 des von fehlerhaft übernommenen IAS / IFRS betroffenen Unternehmens schon häufig deshalb zu bejahen sein, weil die Befolgung fehlerhafter IAS / IFRS wohl zumeist mit höheren wirtschaftlichen Belastungen verbunden ist als die Nichtbefolgung. Problematisch erscheint die Einhaltung des Grundsatzes der Subsidiarität der Feststellungsbeschwerde gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsbeschwerde, § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO analog. Das Subsidiaritätspostulat dient einerseits der Prozessökonomie, indem es den Rechtsschutzsuchenden von vornherein auf das für ihn wirksamste Verfahren verweist und eine mehrfache Inanspruchnahme der Gerichte verhindert; andererseits bezweckt es, die Umgehung der besonderen Voraussetzungen (z. B. Frist, Vorverfahren) der Anfechtungs- und Verpflichtungsbeschwerde auszuschließen.231 Stellt man allein formal darauf ab, dass Unternehmen abwarten können, bis die BaFin einen Bilanzierungsfehler feststellt, um dagegen mit der Anfechtungsbeschwerde vorgehen zu können, so erscheint die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips wegen des Vorrangs repressiven Rechtsschut228 So BVerwG, Urt. vom 26. 01. 1996, 8 C 19 / 94, BVerwGE 100, 262, 271; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 4; Lenz / Staeglich, NVwZ 2004, 1421, 1426 f.; a. A. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 410; eingeschränkt Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 426. Siehe zur Beschwerdebefugnis nach § 48 WpÜG, die überwiegend um die analoge Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO ergänzt wird, Pohlmann, in: KK WpÜG, § 48 Rn. 51 ff.; dies., ZGR 2007, 1, 33 f.; Noack, in: Schwark, KMRK, § 48 WpÜG Rn. 20 m. w. N. 229 Vgl. Art. 6, 16 Charta der Grundrechte der EU sowie Lenz / Staeglich, NVwZ 2004, 1421, 1426 f. 230 BVerwG, Urt. vom 18. 11. 1997, 1 WB 46 / 97, BVerwGE 113, 158, 160; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 30; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 20. 231 BVerwG, Urt. vom 12. 07. 2000, 7 C 3 / 00, BVerwGE 111, 306, 308 f.; Kopp / Schenke, VwGO, § 43 Rn. 26; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 41, 42; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 412 f.
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zes zweifelhaft. Nun steht das Subsidiaritätsprinzip unter dem Vorbehalt, dass die grundsätzlich vorrangigen Rechtsbehelfe Gestaltungs- und Leistungsbeschwerde in ihrer Reichweite, Zumutbarkeit und Effektivität der Feststellungsbeschwerde mindestens gleichwertig sind.232 Aus dieser Perspektive betrachtet, kann die Erhebung der allgemeinen Feststellungsbeschwerde durch ein betroffenes Unternehmen zum Zwecke des Rechtsschutzes gegen fehlerhafte IAS / IFRS nicht am Subsidiaritätsgebot scheitern. Denn die primär in Betracht kommenden repressiven Rechtsbehelfe sind – wie bereits an anderer Stelle herausgearbeitet – mit erheblichen Effektivitätsdefiziten behaftet. Mit einem erfolgreichen Feststellungsverfahren können vielmehr dauerhaft Sanktionen für die Nichtbefolgung des fehlerhaften IAS / IFRS abgewendet werden, während das Abwarten auf den repressiven Rechtsschutz wegen damit verbundener erheblicher Nachteile unzumutbar ist. Insgesamt bleibt demnach festzuhalten: Die allgemeine Feststellungsbeschwerde vor dem OLG Frankfurt am Main stellt ein zusätzliches Rechtsmittel dar, um auf diese Weise – ohne die Gefahr der adversen Publizität und sonstiger unzumutbarer Nachteile – endorsed IAS / IFRS auf ihre Fehlerhaftigkeit zu überprüfen, wobei das OLG Frankfurt am Main diese Frage stets dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen hat. Nachteilhaft bleibt im Falle der Feststellungsbeschwerde aber weiterhin die lange Dauer des Vorabentscheidungsverfahrens.
232 So ausdrücklich in Bezug auf die Feststellungsklage BVerwG, Urt. vom 18. 07. 1969, VII C 56.68, BVerwGE 32, 333, 335; BVerwG, Urt. vom 29. 04. 1997, 1 C 2 / 95, NJW 1997, 2534, 2535; Kopp / Schenke, VwGO, § 43 Rn. 29; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 41; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 25.
Thesenförmige Zusammenfassung der Ergebnisse Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung lassen sich thesenartig wie folgt zusammenfassen: 1. Der Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung am 19. 07. 2002 sowie der IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen markieren einen vorläufigen Höhepunkt der Internationalisierung der Rechnungslegung als Teilgebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts. Alle europäischen kapitalmarktorientierten Unternehmen werden zur Erstellung ihrer konsolidierten Abschlüsse nach solchen internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS verpflichtet, die von der Gemeinschaft in einem speziellen Verfahren, welches besondere formelle und materielle Voraussetzungen zu beachten hat, übernommen worden sind. 2. Die bisherige europäische Gesetzgebung zur Harmonisierung des Bilanzrechts wurde stets auf das Rechtsinstrument der Richtlinie sowie auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV gestützt. Die Einführung der IAS / IFRS hingegen geschieht durch sehr detaillierte Verordnungen, die – anders als Richtlinien – in allen ihren Teilen verbindlich sind, allgemeine Geltung haben und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten (vgl. Art. 249 Abs. EGV). Da Art. 44 Abs. 2 EGV den Erlass von Verordnungen nicht zulässt, wird die IAS / IFRS-Basisverordnung auf Art. 95 Abs. 1 EGV gestützt. In diesem Wechsel der Rechtsgrundlagen ist nicht lediglich eine rechtstechnische „Rochade“ zu sehen. Vielmehr kommt darin ein Paradigmenwechsel zum Ausdruck, der darin liegt, dass Rechnungslegung durch die EG bislang vorwiegend als Teil des Gesellschaftsrechts und der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit verstanden wurde, nunmehr aber – zumindest im Bereich kapitalmarktorientierter Unternehmen – die Erstellung konsolidierter Abschlüsse von der Gemeinschaft als Teil der Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit angesehen wird. 3. Die IAS / IFRS-Basisverordnung lässt sich tatbestandlich auf Art. 95 Abs. 1 EGV stützen, da der Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung sich als eine Maßnahme darstellt, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand hat, die der Angleichung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten dient und als Harmonisierungsmaßnahme erforderlich ist. Mit der Schaffung einheitlicher und transparenter Rechnungslegungsregeln für kapitalmarktorientierte Unternehmen will der europäische Gesetzgeber einen substantiellen Beitrag zum Aufbau eines effizient und kostengünstig funktionierenden europäischen Finanzmarktes, mithin zur Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 56 EGV leisten. Darüber hinaus soll die IAS /
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IFRS-Basisverordnung dazu beitragen, dass Anleger, seien es private oder institutionelle, bei ihrem finanziellen Engagement besser geschützt werden. Die gemeinschaftlichen Wertpapierhandelsplätze sowie die europäischen Unternehmen sollen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit mit nicht-europäischen Konkurrenten gestärkt werden. Da die Voraussetzungen des Art. 95 Abs. 1 EGV erfüllt sind, kann der Gesetzgeber prinzipiell jegliche Maßnahme, also auch Verordnungen, erlassen. 4. Dem Rückgriff des Gesetzgebers auf Art. 95 Abs. 1 EGV kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber sich zwingend vorrangig auf Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV hätte stützen müssen. Denn zum einen können die mit dem Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung beabsichtigten Ziele, zu denen auch und vornehmlich die Verwirklichung der Kapitalverkehrsfreiheit dient, mit Hilfe des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV nicht erreicht werden, da nach einem engen Verständnis Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV lediglich der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit dient. Aber auch wenn von einem weiten Verständnis von den Zielen des Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV ausgegangen wird, wonach der Gesetzgeber sich auf diesen nicht nur zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit, sondern auch darüber hinausgehender Ziele berufen darf, kann Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV im konkreten Fall im Verhältnis zu Art. 95 Abs. 1 EGV keine Spezialvorschrift sein und diesen verdrängen. Jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber eine Maßnahme erlassen will, die nicht allein die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit beabsichtigt, kann aus der Entstehungsgeschichte des Art. 95 Abs. 1 EGV hergeleitet werden, dass der Gesetzgeber sich auf diese Vorschrift stützen darf. Art. 95 EGV wurde (damals als Art. 100a EGV) erst viel später als Art. 44 EGV in den EGV eingeführt, um das Rechtsangleichungsverfahren der Gemeinschaft zu beschleunigen und flexibler zu gestalten. Dieses Ziel würde nicht erreicht, wenn alle Maßnahmen, die nur irgendeinen – möglicherweise nur untergeordneten – Bezug zur Niederlassungsfreiheit hätten, zwingend auf Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV gestützt werden müssten. 5. Der europäische IAS / IFRS-Gesetzgeber war nicht wegen des Subsidiaritätsprinzips aus Art. 5 Abs. 2 EGV an der Ausübung seiner Kompetenz gehindert. Das Subsidiaritätsprinzip beschreibt einen justiziablen Grundsatz, der – entgegen der Auffassung des Europäischen Parlamentes, des Rates und der Kommission – auch bei der Ausübung von Maßnahmen, die sich auf Art. 95 Abs. 1 EGV stützen, zu beachten ist. Trotz Unsicherheiten in der konkreten Konturierung des materiellen Gehalts des Subsidiaritätsprinzips in Rechtsprechung und Lehre lässt sich feststellen, dass der Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung schon deshalb mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang steht, weil seine Anforderungen mit dem Merkmal der „Erforderlichkeit“, welches ein Tatbestandsmerkmal des Art. 95 Abs. 1 EGV darstellt und das die IAS / IFRS-Basisverordnung erfüllt, übereinstimmen. Obwohl der IAS / IFRS-Basisrechtsakt keine expliziten Ausführungen zum Subsidiaritätsprinzip enthält, ist darin jedoch noch kein Verstoß gegen die Begründungspflicht zu sehen, da der Gesetzgeber zumindest die Ein-
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haltung des Art. 95 Abs. 1 EGV begründet und somit implizit auch Ausführungen zur Notwendigkeit dieser Maßnahme gegeben hat. 6. Weder der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 5 Abs. 3 EGV noch die „Gemeinsame Erklärung der Mitgliedstaaten zur EEA“ gebieten es dem Gesetzgeber, die mit der Einführung der IAS / IFRS-Bilanzierung verbundenen Ziele mit einer Richtlinie zu verwirklichen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dient im Gemeinschaftsrecht nicht allein dem Individualgrundrechtsschutz, sondern auch der Kontrolle der Art und Weise der Ausübung von Kompetenzen gegenüber den Mitgliedstaaten und wird dabei nicht vom Subsidiaritätsgrundsatz verdrängt. Im Hinblick auf die Wahl der angemessenen Rechtsform wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip durch Nr. 6 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit konkretisiert. Die IAS / IFRS-Basisverordnung ist als Verordnung geeignet, die legitimen gesetzlichen Regelungsziele, wie z. B. die Schaffung eines effizienten und kostengünstigen Kapitalmarkts, zu erreichen. Gleichzeitig ist es bei näherer Betrachtung auch das mildeste Mittel, um ohne Zeitverlust und unter Schonung der Legislationsressourcen der Mitgliedstaaten, die Verpflichtung zur Bilanzierung nach übernommenen IAS / IFRS einzuführen. 7. Die Übernahme der IAS / IFRS durch die Kommission im Wege des Endorsement lässt sich als ein Beispiel für die – als allgemeines Phänomen zunehmende – Kooperation von hoheitlicher Gesetzgebung mit privaten Gremien zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben verstehen. Der hoheitliche Gesetzgeber verfolgt damit mehrere Zwecke: seine eigene Arbeitsentlastung, die Erhöhung der Akzeptanz bei den Normunterworfenen und die Erhöhung von Qualität, Schnelligkeit und Flexibilität der Gesetzgebung. Diese Ziele werden auch mit der Übernahme der privat erarbeiteten internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS durch den europäischen Gesetzgeber verfolgt. Abstrakt-generelle Regeln, die Private verfasst haben, sind anderen Personen gegenüber rechtlich unverbindlich. Sie sind keine Rechtsnormen, weil sich die in ihnen verfassten Verhaltensanforderungen prinzipiell nicht „mittels staatlicher Sanktionen“ durchsetzen lassen. Um privat erarbeiteten Regeln Rechtsnormqualität und damit sanktionsbewehrte Verbindlichkeit zu verschaffen, stehen dem Gesetzgeber unterschiedliche Handlungsformen zu Verfügung. Im Falle der privaten IAS / IFRS hat sich der europäische Gesetzgeber entschieden, die internationalen Rechnungslegungsstandards durch eigene hoheitliche Rezeptionsakte zu Rechtsnormen zu transformieren. 8. Beim Endorsement, d. h. der Übernahme der privaten IAS / IFRS durch die Kommission mittels Kommissionsverordnung in verbindliches Gemeinschaftsrecht, handelt es sich um die Regelungstechnik der sog. „Inkorporation“. Bei der Inkorporation nimmt der Gesetzgeber den Text des zu inkorporierenden (privaten) Regelwerks vollständig in eine hoheitliche Norm auf und bildet diesen dort wörtlich ab. Der Text des ursprünglich privaten Regelwerkes mit seiner Abbildung in der übernehmenden Norm wird selbst Teil dieser Norm. Die IAS /
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IFRS-Basisverordnung ordnet dieses Verfahren in Abgrenzung zu anderen denkbaren Transformationsmöglichkeiten (insbesondere im Unterschied zur statischen und zur dynamischen Verweisung) an. 9. Alle Modelle der Verleihung von Rechtsnormqualität an privat erarbeitete Regeln müssen sich stets an den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Rechtsstaats- sowie des Demokratieprinzips messen lassen. Für die Untersuchung der Kooperation des europäischen Gesetzgebers mit privaten Gremien sind dabei die spezifischen Ausformungen des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips, wie sie sich aus dem europäischen Primärrecht ergeben, zu beachten. Diese müssen mit den Vorgaben des deutschen Grundgesetzes nicht identisch sein. 10. Es besteht bislang Einigkeit – sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Normebene – darüber, dass die Inkorporation von privaten Regeln verfassungsrechtlich unproblematisch ist und kein Verstoß gegen das Demokratieoder Rechtstaatsprinzip gegeben ist, weil der Gesetzgeber einen Rechtsakt erlasse, für den die private Regel lediglich eine Formulierungshilfe sei und der in einem ganz normalen Gesetzgebungsverfahren, das keine Besonderheiten gegenüber beliebiger staatlicher Normsetzung aufweise, die ursprünglich fremden privaten Standards „in seinen Rechtsetzungswillen“ aufnehme. Obwohl nach dieser Maßgabe das Endorsement der IAS / IFRS in das europäische Gemeinschaftsrecht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden wäre, bestehen im Falle des Endorsement doch eine Reihe spezifischer Umstände, die Zweifel an der Stichhaltigkeit der das Urteil der rechtlichen Unbedenklichkeit tragenden Argumente wecken. 11. Die Anordnung des Endorsementmechanismus in der IAS / IFRS-Basisverordnung verstößt nicht gegen höherrangiges Primärrecht. Denn bei dem Übernahmemechanismus handelt es sich nicht um eine faktische dynamische Verweisung bzw. Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf Private. Zwar wird ein solcher Vorwurf mit der Begründung erhoben, wertungsmäßig sei das Endorsement nicht als Inkorporation, sondern als mit dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip nicht im Einklang stehende faktische dynamische Verweisung einzuordnen. Dies lasse sich aus dem faktischen Zwang, dem die Kommission bei der Entscheidung über die Übernahme unterliege, folgern. Dieser ergebe sich daraus, dass die Ziele der IAS / IFRS-Basisverordnung nur erreicht werden könnten, wenn die IAS / IFRS einheitlich und vollständig übernommen würden, sowie aus dem Umstand, dass IAS 1.14 (ex-IAS 1.11) formuliert, dass ein Unternehmen einen Abschluss nicht als mit den IAS / IFRS übereinstimmend bezeichnet werden darf, solange er nicht sämtliche Anforderungen der IFRS erfüllt; schließlich daraus, dass die Kommission bislang alle und auch ganz zweifelhafte Standards übernommen habe. Allerdings kann von einem faktischen „Übernahmeautomatismus“ und einem daraus folgenden Verstoß gegen europäisches Primärrecht im Ergebnis noch nicht gesprochen werden: Denn obgleich die Kommission bis heute alle internationalen Rech-
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nungslegungsstandards des IASB in das Gemeinschaftsrecht übernommen hat, gab es auch Standards (wie z. B. IAS 32 und IAS 39), deren Übernahme sie zunächst abgelehnt hat. Darüber hinaus kann IAS 1.14 auch so verstanden werden, dass er nur die Befolgung sämtlicher bereits übernommener IAS / IFRS verlangt. Nichtsdestotrotz ist nicht zu übersehen, dass der Kommission bei der Übernahme der privat erarbeiteten IAS / IFRS eine sehr sensible, wenn nicht heikle Aufgabe zugewiesen ist, die zwischen der Erfüllung politischer Ziele sowie einer rechtlich gebotenen Kontrolle angesiedelt ist. In der ernsthaften Wahrnehmung und richtigen Gewichtung dieser Aufgaben besteht die eigentliche Herausforderung der Kommission, in der sie sich beständig bewähren muss. 12. Die Inkorporation der privaten IAS / IFRS erfolgt durch die Kommission in IAS / IFRS-Übernahmerechtsakten. Rat und Europäisches Parlament als gemeinsame Gesetzgeber haben der Kommission in Art. 3 IAS / IFRS- Basisverordnung die Befugnis übertragen, in der rechtlichen Form von Verordnungen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen über die Anwendbarkeit der IAS / IFRS in der Gemeinschaft zu beschließen. Die Inkorporation der IAS / IFRS durch die Kommission stellt sich also ein Fall der sog. „Durchführungsgesetzgebung“ dar. Art. 3 der IAS / IFRS-Basisverordnung entspricht den Anforderungen des Primärrechts für die Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission, namentlich dem Art. 202, 3. Sp. EGV, auch wenn deutliche und verbesserungswürdige Defizite, die noch nicht die Schwelle zum Primärrechtsverstoß überschreiten, zu verzeichnen sind. 13. Die Übertragung der Durchführungsbefugnis auf die Kommission in einem Rechtsakt, welcher durch den Rat und das Europäische Parlament gemeinsam erlassen wurde, widerspricht nicht Art. 202, 3. Sp. EGV, der seinem Wortlaut nach eine solche Befugnis nur dem Rat zugesteht. Art. 202, 3. Sp. EGV bezweckt eine weitgehende Arbeitsentlastung des Rates sowie die Stärkung der Rolle der Kommission in der Durchführungsgesetzgebung gegenüber dem Rat. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die zahlenmäßig häufigste Form der europäischen Gesetzgebung, i. e. das Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV, an dem Rat und Europäisches Parlament gleichberechtigt beteiligt sind, ohne die Möglichkeit zur Übertragung von Durchführungsbefugnissen auskommen müsste. 14. Die Übertragung der Befugnis auf die Kommission, über die Anwendbarkeit der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS zu beschließen, kann ihrem Umfang nach noch als „Befugnis zur Durchführung“ i. S. d. Art. 202, 3. Sp. EGV angesehen werden. Durchführungsbefugnisse sind danach solche, die nicht die wesentlichen Grundzüge der zu regelnden Materie betreffen. Wesentlich ist dabei nur, was die grundsätzliche Ausrichtung der Gemeinschaftspolitik betrifft. Das Kriterium der „Wesentlichkeit“, das zwar begrifflich mit demjenigen des BVerfG aus seiner „Wesentlichkeitsrechtsprechung“ übereinstimmt, ist inhaltlich mit diesem aber nicht identisch. „Wesent-
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lich“ i. S. d. Art. 202, 3. Sp. EGV ist nach der Rechtsprechung des EuGH und der einhelligen Meinung im Schrifttum viel weniger als „wesentlich“ i. S. d. deutschen Verfassungsgerichtsrechtsprechung. Dies bedeutet, dass der Begriff der „Durchführungsbefugnisse“ im Gemeinschaftsrecht sehr weit zu verstehen ist. Daraus folgt, dass die Übertragung der Befugnis auf die Kommission zur Rezeption privater Regelwerke als solches nicht als „wesentlich“ angesehen werden kann. Es kann nicht argumentiert werden, dass wegen der großen Detailliertheit und Fülle der durch Übernahmeverordnungen zu übernehmenden privaten Normen und wegen ihrer materiellen Bedeutung die wesentlichen Grundzüge der Materie „Konzernbilanzierung kapitalmarktorientierter Gesellschaften“ nicht im IAS / IFRS-Basisrechtsakt normiert sind. Denn der IAS / IFRS-Basisrechtsakt enthält die Entscheidung von Europäischem Parlament und Rat über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der neuen Bilanzierungsweise sowie die Festlegung, dass lediglich internationale Rechnungslegungsstandards, die vom IASB verlautbart wurden, in Übereinstimmung mit bestimmten Kriterien in das Gemeinschaftsrecht übernommen werden dürfen. Dies sind aber wesentliche Grundentscheidungen. 15. Die Übertragung der Inkorporationsbefugnis auf die Kommission in Art. 3 der IAS / IFRS-Basisverordnung entspricht im Ergebnis auch den Anforderungen, die sich aus dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit ergeben. Aus der Übertragung müssen die Grenzen der der Kommission übertragenen Befugnis deutlich werden. Zusätzlich wirken klare Übertragungsgrenzen auch als Steuerungs- und Kontrollleitlinien für die Kommission. Letztlich werden die in Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung genannten materiellen Übernahmekriterien diesen Anforderungen der hinreichenden Bestimmtheit entsprechen, auch wenn deutliche und verbesserungsfähige Unschärfen zu erkennen sind. So markiert der Verweis auf die Einhaltung des true and fair view-Prinzips der EG-Bilanz- und der Konzernbilanzrichtlinie durchaus einen kontrollierbaren Korridor, innerhalb dessen private IAS / IFRS übernommen werden können. Doch es stimmt bedenklich, dass auf eine strenge Übereinstimmungsprüfung der zu übernehmenden IAS / IFRS mit den genannten Richtlinien verzichtet wird, weil sich so der Inhalt des kontextabhängigen true and fair viewPrinzips immer schwieriger bewerkstelligen lässt. Auch das Kriterium des „europäischen öffentlichen Interesses“ ist zwar von seinem Inhalt her durchaus vage, lässt sich aber wohl noch hinreichend durch Auslegung bestimmen. Die Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit, die dem Framework entstammen, mögen im Hinblick auf die nötige Bestimmtheit der Übertragung von Durchführungsbefugnissen wohl ausreichend bestimmbar sein, insbesondere wenn man sich an den Leitlinien des Framework orientiert. Auf einem anderen Blatt hingegen steht, ob das Kriterium der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit als Prüfkriterium einen wirklich substantiellen Wert hat. Denn es ist sehr zweifelhaft, dass diese materiellen Erfordernisse eine wirkliche Überprüfungsfunk-
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tion übernehmen können, wenn das Objekt der Übernahmeprüfung, nämlich die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS, bereits „von Haus aus“ diese Kriterien zu erfüllen haben. 16. Art. 6 der IAS / IFRS-Basisverordnung ordnet an, dass die Kommission über die Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS in einem sog. „Komitologieverfahren“ entscheidet. Darunter ist ein Verfahren zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen durch die Kommission zu verstehen, in welchem der Kommission ein Ausschuss, der sich aus Vertretern von Mitgliedstaaten zusammensetzt, beiseite gegeben wird und welcher auf das Legislativverfahren Einfluss nehmen kann. Der Ablauf des Komitologieverfahrens richtet sich grundsätzlich nach den Vorschriften des sog. „Zweiten Komitologiebeschlusses“ von 1999, in welchem unterschiedliche Typen von Komitologieverfahren sowie die Modalitäten und Rechte der beteiligten Organe und Gremien geregelt sind. Das Endorsement der IAS / IFRS geschieht aufgrund ausdrücklicher Anordnung in der IAS / IFRS-Basisverordnung in Form des „Regelungsverfahrens“ gem. Art. 5 des Zweiten Komitologiebeschlusses, wobei ein „Regelungsausschuss für Rechnungslegung“ die Aufgabe des Regelungsausschusses wahrnimmt. 17. Das Regelungsverfahren als eine Unterform des Komitologieverfahrens verstößt als solches weder gegen das europäische Rechtsstaatsprinzip in der Ausprägung des Prinzips des institutionellen Gleichgewichts noch gegen den Grundsatz der Regeldelegation aus Art. 202, 3. Sp. EGV im Hinblick auf die Tatsache, dass die Inkorporationsbefugnis infolge einer ablehnenden Stellungnahme von der Kommission auf den Rat zurückfällt und es somit zu einer Veränderung der Entscheidungskompetenz im institutionellen Gefüge zwischen Rat, Kommission und Parlament kommt. Der Grundsatz der Regeldelegation wird nicht verletzt, weil der Rückfall der Entscheidungsbefugnis auf den Rat erst nach erfolgter Übertragung von Durchführungskompetenzen auf die Kommission erfolgt und die Ablehnung durch den Ausschuss anzeigt, dass es sich bei der Entscheidung um einen politisch sensiblen Bereich handelt, wofür vom Grundsatz der Regeldelegation Art. 202, 3. Sp. EGV ohnehin eine Ausnahme vorsieht. 18. Das Europäische Parlament hat im Regelungsverfahren im Vergleich zur Kommission und zum Rat nur erheblich eingeschränkte Mitwirkungsrechte. Sie beschränken sich auf begrenzte Informations- sowie Rügerechte. Diese weitgehende Ausschaltung des Europäischen Parlamentes aus dem Entscheidungsprozess im Regelungsverfahren, die umso frappierender wirkt, wenn es – wie im Falle der Übernahme der privaten IAS / IFRS – um den Erlass von Durchführungsmaßnahmen geht, die auf einen Basisrechtsakt zurückgehen, bei dem das Europäische Parlament gleichberechtigter Mitgesetzgeber nach Art. 251 EGV gewesen ist, verringert die demokratische Legitimation der Durchführungsmaßnahme und lässt sich deshalb vor dem Hintergrund des europäischen Demokratieprinzips kritisieren. Sie führt aber nicht zu einem Verstoß des
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Regelungsverfahrens gegen das Demokratieprinzip, da dem Demokratieprinzip nur entnommen werden kann, dass die Kommission als Exekutivorgan bei ihrer rechtsetzenden Tätigkeit kontrolliert werden muss. Wenn aber diese Kontrolle wenigstens durch den Rat, der sich aus den demokratisch legitimierten Mitgliedern der Regierungen der Mitgliedstaaten zusammensetzt, vorgenommen wird, so reicht dies für die Einhaltung des Demokratieprinzips bereits aus. 19. Auch eine Untersuchung der Frage, ob die Verwendung des Regelungsverfahrens gerade für die umfassende Inkorporation privater internationaler Rechnungslegungsregeln ein europarechtskonformes Verfahren ist, führt zu der Feststellung, dass das angeordnete Regelungsverfahren de lege lata für das Endorsement der privaten IAS / IFRS noch nicht gegen das europäische Demokratieprinzip verstößt, obwohl ersichtlich verbesserungsbedürftige Defizite in der demokratischen Legitimation der Übernahmerechtsakte zu konstatieren sind. Die an der Übernahmeentscheidung im Regelungsverfahren beteiligten Gremien – die Kommission, der Regelungsausschuss für Rechnungslegung, die EFRAG-TEG – weisen im Vergleich zum Rat oder zum Europäischen Parlament eine geringere, z. T. auch überhaupt keine demokratische Legitimation auf. Dass gerade diese in ihrem Zusammenwirken den in ihrem Ursprung privaten und gleichfalls demokratisch nicht legitimierten IAS / IFRS durch ihre Übernahmeentscheidung demokratische Legitimation vermitteln sollen, erscheint zwar durchaus defizitär. Allerdings garantiert die Einbeziehung der Kommission sowie der weiteren technischen Gremien – insbesondere des Regelungsausschusses und der EFRAG-TEG – im Komitologieverfahren eine Erhöhung der sachlichen Expertise und damit (hoffentlich) der inhaltlichen Qualität der Entscheidung, sowie auch der Flexibilität und der Effizienz des Entscheidungsprozesses. Zudem ist die Beteiligung eines mit Vertretern der mitgliedstaatlichen Verwaltungen besetzten Regelungsausschusses sogar als legitimatorische Verstärkung des Regelungsverfahrens ansehen, weil dadurch mittelbar die Kontrolle der Entscheidung der Kommission durch die Völker der Mitgliedstaaten gestärkt wird. 20. De lege ferenda sollten die unabweisbar vorhandenen Defizite infolge der Verwendung eines Komitologieverfahrens bei der Inkorporation der IAS / IFRS durch gesetzgeberische Maßnahmen verbessert werden. Eine Erhöhung der demokratischen Legitimation der Übernahmeentscheidung könnte erreicht werden, indem von der Übertragung der Inkorporationsbefugnis auf die Kommission gänzlich abgesehen und stattdessen die Inkorporation vollständig durch den Rat und / oder das Europäische Parlament vorgenommen würde. Darüber hinaus könnte – unter Beibehaltung einer Übertragung der Inkorporation auf die Kommission – die Vorgabe genauerer Leitlinien für die Übernahme von IAS / IFRS eine weitere Verbesserungsmöglichkeit der demokratischen Legitimation der Rezeption der IAS / IFRS sein. Schließlich kann daran gedacht werden, die Mitsprachemöglichkeiten für das Parlament auf der Ebene der Durchführungsgesetzgebung im Komitologieverfahren auszudehnen.
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21. Vor diesem Hintergrund ist der bereits formulierte Wille der Gemeinschaftsorgane, den IAS / IFRS-Basisrechtsakt demnächst derart zu ändern, dass die Übernahmeentscheidung der Kommission künftig nicht mehr in Form des „Regelungsverfahrens“, sondern in Form des neuen „Regelungsverfahren mit Kontrolle“ durchgeführt wird, als Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen. Im Juli 2006 wurde der Zweite Komitologiebeschluss derart geändert, dass ihm in einem Art. 5a das „Regelungsverfahren mit Kontrolle“ hinzugefügt wurde. Dieses Regelungsverfahren mit Kontrolle, das dann zur Anwendung kommen soll, wenn in einem im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV zustande gekommenen Basisrechtsakt vorgesehen ist, dass „Maßnahmen von allgemeiner Tragweite angenommen werden, die eine Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen dieses Rechtsakts bewirken“, bringt einen deutlich erhöhten demokratischen Entscheidungsprozess mit sich. Auf Kosten der Kommission wird in erster Linie die Rolle des Europäischen Parlamentes im Entscheidungsprozess deutlich gestärkt. Denn im Ergebnis kann ohne dessen Zustimmung die Kommission keinen Rechtsakt endgültig erlassen, sogar wenn der Regelungsausschuss den Vorschlag bereits befürwortet haben sollte. Das führt dazu, dass jegliche IAS / IFRS, die künftig in das Gemeinschaftsrecht übernommen werden sollen, auch vom Europäischen Parlament gebilligt werden müssen. Die verfassungsrechtlichen Defizite, die dem „normalen“ Regelungsverfahren bislang anhaften, sind im Regelungsverfahren mit Kontrolle weitgehend beseitigt, so dass künftige Übernahmeentscheidungen von IAS / IFRS, die dieses neue Verfahren durchlaufen, eine weit erhöhte demokratische Legitimation aufweisen werden. Auf einem anderen Blatt steht freilich, dass sich die Übernahme der IAS / IFRS wegen der Involvierung weiterer Organe in den Entscheidungsprozess künftig nicht unerheblich wird verzögern können. 22. Obwohl demnächst begrüßenswerte Verbesserungen an der IAS / IFRS-Basisverordnung vorgenommen werden sollen, hätten Maßnahmen zur Erhöhung der demokratischen Legitimation der Endorsemententscheidung von IAS / IFRS schon viel früher getroffen werden können. Anhaltspunkte hätten sich aus anderen regulatorischen Entwicklungen auf Ebene des Gemeinschaftsrechts ergeben können, insbesondere aus einem Vergleich der Gesetzgebungstechnik „Endorsement“ mit dem Lamfalussy-Verfahren sowie der Transformation der Basel II-Rahmenvereinbarung in europäisches Gemeinschaftsrecht. Das Lamfalussy-Verfahren besteht aus vier Stufen, deren zweite die Verwendung eines Komitologieverfahrens in Form des Regelungsverfahrens ist. Das Lamfalussy-Verfahren nimmt bedeutsame Veränderungen des Regelungsverfahrens vor. Sie lassen sich schlagwortartig mit den Begriffen „höhere Transparenz“, „verlängerte Frist für das Europäische Parlament“, eingeschränktes „call-back“-Recht (Rückholrecht) für das Parlament und „sunset clause“ als zeitliche Befristung der Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen auf die Kommission zusammenfassen, bestehen vorwiegend in der Stärkung der Rolle
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des Europäischen Parlamentes und führen somit zu einer Kräftigung der demokratischen Legitimation der Entscheidungen, die das durch das Lamfalussy-Prozedere modifizierte Regelungsverfahren durchlaufen haben. Zur Verbesserung der demokratischen Legitimation der Rezeption der IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht lassen sich vor diesem Hintergrund zwei Schlussfolgerungen ziehen, die schon bislang bei der Übernahme der IAS / IFRS hätten beachtet werden können: Erstens hätte die Inkorporation der IAS / IFRS entweder – unter Vorbildnahme der Basel II-Rahmenvereinbarung, die ein der Übernahme von IAS / IFRS ähnliches regulatorisches Problem betrifft – von vornherein nicht durch die Kommission, sondern durch Rat und Parlament auf Ebene des Basisrechtsaktes vorgenommen werden können. Denn es ist nur wenig überzeugend, dass die Vorschriften des Basel II-Akkords auf einer höheren Stufe demokratischer Legitimation – unter Beteiligung von Rat und Europäischem Parlament – rezipiert werden als die internationalen Rechnungslegungsstandards IAS / IFRS. Dies umso weniger, als der Basel II-Akkord als solches im Vergleich zu den IAS / IFRS schon eine höhere demokratische Legitimation in sich trägt: Der Basel II-Akkord wurde durch den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht erarbeitet. Dieser Ausschuss weist aber schon dadurch, dass er sich aus Vertretern der Bankenaufsichtsinstanzen und Zentralbanken bestimmter Mitgliedsländer der BIZ zusammensetzt und diese Vertreter allesamt durch die jeweilige Legitimationskette im eigenen Staat demokratisch legitimiert sind, eine eigene unmittelbare demokratische Legitimation auf – während sich die Tätigkeit des IASB als solches in keinster Weise auf irgendwelche demokratisch legitimierten, staatlichen Organe zurückführen lässt. Jedenfalls hätte – wenn die Übernahme weiterhin durch die Kommission im Wege der Durchführungsgesetzgebung erfolgen sollte – zweitens angestrebt werden sollen, das Lamfalussy-Prozedere auf die IAS / IFRS-Gesetzgebung zu übertragen. Denn die IAS / IFRS-Gesetzgebung ist eine Maßnahme zur Umsetzung des „Aktionsplans Finanzdienstleistungen“, für dessen verbesserte Verwirklichung die Lamfalussy-Methode gerade geschaffen worden war. Da aber auch der Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung der Verwirklichung des Aktionsplans Finanzdienstleistungen gedient hat, wäre die IAS / IFRS-Gesetzgebung schon von ihrer Zielsetzung her geradewegs für die Anwendung des Lamfalussy-Konzepts prädestiniert gewesen. Jeder der beiden Vorschläge hätte zu einer Erhöhung der demokratischen Legitimation des Endorsement der IAS / IFRS beigetragen und damit die Defizite, die dem Endorsement aufgrund der Verwendung des Regelungsverfahrens vorgeworfen werden, weitgehend reduzieren können. 23. Die Reduzierung des staatlichen Einflusses bei der Kooperation mit privaten Akteuren bringt die Gefahr mit sich, dass beim Tätigwerden privater Akteure private Partikularinteressen eine Dominanz gewinnen, die nicht mit der Gemeinwohlintention der Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Einklang steht. Um die öffentliche Gemeinwohlverpflichtung des Staates in Form der staatlichen Letztverantwortung zu gewährleisten, folgt für ihn aus dem europäischen De-
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mokratie- und Rechtsstaatsprinzip sowie den europäischen Grundrechten eine Pflicht zur Kompensation des mit dem staatlichen Rückzug möglicherweise entstehenden Defizits an Gemeinwohlorientierung, demokratischer und rechtsstaatlicher Legitimation sowie grundrechtlichen Schutzes. Diese Kompensation muss durch staatliche Steuerung sowie durch die Installation von Sicherungsmechanismen erfolgen. Dies bedeutet konkret, dass der Inhaber hoheitlicher Rechtsetzungsgewalt, begibt er sich in die Zusammenarbeit mit privaten Akteuren, prozedurale sowie materielle Vorkehrungen zur Steuerung und Sicherung zu treffen hat, welche einerseits in der Phase der Regelerarbeitung durch den Privaten einsetzen und andererseits dem Einsatz der Privaten nachgeschaltet sind. Unter prozeduralen Sicherungsvorkehrungen sind Maßnahmen zur Schaffung einer ausgewogenen (möglichst repräsentativen) Besetzung der privaten Entscheidungsgremien, der Einhaltung eines öffentlichen, transparenten und vorhersehbaren Verfahrens und der zu Gemeinwohlorientierung stimulierenden Finanzierung der privaten Tätigkeit zu verstehen. Die Einhaltung dieser Anforderungen gewährleistet, dass die private Tätigkeit selbst „reflexhaft demokratisch-rechtsstaatliche Mindeststandards“ erfüllt, infolgedessen sich dann das Objekt der staatlichen Rezeptionsentscheidung – nämlich die durch private Akteure erstellte abstrakt-generelle Regel – durch eine höhere Rezeptionsfähigkeit auszeichnet. Unter materiellen Sicherungsvorkehrungen sind inhaltliche Vorgaben zu verstehen, die der Staat den privaten Akteuren machen muss und durch die der Staat bereits im Vorfeld seines eigenen Tätigwerdens die Tätigkeit des privaten Normungsgremiums steuert. 24. Prozedurale und materielle Steuerungs- und Sicherungsvorkehrungen sind auch beim Rezeptionsmodell der „Inkorporation“, wie sie die IAS / IFRSBasisverordnung vorsieht, zu machen. Denn es ist zu bezweifeln, dass die Kommission als „Gesetzgeberin“ für die Übernahme der IAS / IFRS selbst tatsächlich genügend Sachkunde auf dem Gebiet der Rechnungslegung besitzt, um sich wirklich vertieft, selbständig und eingehend mit den zu übernehmenden Rechnungslegungsstandards zu beschäftigen und auf diese Weise sich einen „eigenen Rechtsetzungswillen“ zu bilden. Es besteht also eine strukturelle Sachverstandsasymmetrie zwischen dem Gesetzgeber und dem privaten IASB. Darüber hinaus ist der Gesetzgebungsprozess nur auf Zustimmung oder Ablehnung eines Standards angelegt, so dass ein aktiv änderndes Eingreifen des Gesetzgebers in den Inhalt nicht vorgesehen ist. Schließlich ist der „Gesetzgeber“, der über die Übernahme der IAS / IFRS entscheidet, selbst nicht der Rat und / oder das Europäische Parlament, sondern ein vorrangig exekutives Organ. Dies rechtfertigt es, zur Erreichung eines ausreichenden demokratischen und rechtsstaatlichen Legitimationsniveaus die möglichen Defizite des Endorsement schon im Vorfeld der Inkorporation durch die Wahrnehmung von Steuerungs- und Sicherungsmechanismen während des Prozesses der Standarderarbeitung zu kompensieren.
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25. Alle privaten Gremien, die an der Erstellung von IAS / IFRS sowie am Beschlussvorgang über die Übernahme der IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht beteiligt sind, weisen Defizite hinsichtlich der notwendigen ausgewogenen personellen Besetzung auf. Die personelle Zusammensetzung des IASB ist im Hinblick auf die Dominanz der Wirtschaftsprüfer durch die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die Dominanz der Großunternehmen, die Dominanz von Vertretern einer „angloamerikanischen“ Rechnungslegungsphilosophie sowie das weitgehende Fehlen von Vertretern für Nutzer und sonstige Betroffene zu kritisieren. Auch das IFRIC weist ähnlich gelagerte Defizite auf. Besser steht es um die personelle Besetzung des Standards Advisory Council (SAC). In ihm ist eine größere Zahl unterschiedlicher Betroffener organisiert. Negativ zu vermerken ist jedoch erneut das weitgehende Fehlen von Vertretern kleinerer und mittlerer Unternehmen sowie von Anlegern und Gläubigern im SAC. Viel weniger ausgeprägt ist die Präsenz von Wirtschaftsprüfern unter den Trustees der IASC Foundation. Die größte Gruppe unter den Trustees stellen vielmehr Unternehmen, unter denen sich überwiegend große Industrieunternehmen befinden. Zwar gibt es unter den Trustees keine Vertreter von Anlegern oder Gläubigern. Jedoch ist eine größere Zahl von Institutionen, wie z. B. die Börse, Banken und (Wertpapier-)Aufsichtsorgane, als Trustees vertreten. Vorzuschlagen wäre, dass die Kommission zumindest einen Vertreter im IASB oder unter den Trustees hätte, um auf diese Weise besser Einfluss und besser das öffentliche Interesse wahrnehmen zu können. Die aktuelle personelle Zusammensetzung der EFRAG-TEG ist zwar in ihrer geographischen Ausrichtung ausgewogen. Allerdings wird die angestrebte Ausgewogenheit des beruflichen Hintergrundes der Mitglieder nicht erreicht. In der EFRAG-TEG herrscht eine fast ausschließliche Dominanz von Unternehmensvertretern großer Industrieunternehmen sowie aktiver Wirtschaftsprüfer, zudem solcher, die den großen internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften entstammen. 26. Sehr bedenklich muss der Befund stimmen, dass die Finanzierung der Tätigkeit der privaten Gremien weitgehend einseitig von nur wenigen Akteuren gewährleistet wird, die auf diesem Wege verstärkt Druck zur Erreichung ihrer Interessen bei der Standarderstellung machen können. So decken die Zuschüsse der vier großen internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften fast ein Drittel der gesamten Ausgaben der IASC Foundation. Wenig anders sieht es bei der EFRAG aus, die lediglich durch einige wenige private Mitglieder finanziert wird. Aus diesem Grunde ist es zu begrüßen, wenn es auf europäischer Ebene Bestrebungen gibt, die Finanzierungsstruktur der IASC Foundation zu verändern und auf eine breitere Grundlage zu stellen, indem mehr Unternehmen zu Beiträgen verpflichtet werden. Ähnliches sollte auch in Bezug auf die EFRAG erwogen werden. 27. Das Verfahren zur Setzung von IFRS innerhalb des IASB genügt den daran zu stellenden reflexhaft demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen. Hingegen weist das Verfahren innerhalb des IFRIC gute Ansätze auf, ist aber mit Blick
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auf seine Transparenz und Publizität deutlich verbesserungsfähig. Im Großen und Ganzen ist das Verfahren innerhalb der EFRAG-TEG mit den demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen als konform anzusehen. Allerdings sollte das notwendige Quorum für eine befürwortende Stellungnahme mindestens gleich hoch sein wie das Quorum für die Abgabe einer ablehnenden Stellungnahme, damit es aus verfahrenstechnischen Gründen nicht einfacher ist, die Annahme eines Standards zu befürworten als seine Ablehnung zu empfehlen. 28. Die materielle Steuerung der privaten Gremien bei der Erstellung und dem Endorsement der IAS / IFRS durch die Gemeinschaft könnte durchaus deutlicher ausgeprägt sein. Dies gilt insbesondere für die Steuerung der inhaltlichen Tätigkeit des IASB, bei der es zwar gute Ansätze in Form des true and fair view-Prinzips der EG-Bilanz- und Konzernbilanzrichtlinie gibt, die aber in der konkreten Anwendung leider nur schwierig anzuwenden sind. 29. Die IAS / IFRS-Rechtsakte sind in ihrer bisherigen Form auch aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts verbindlich und von den Adressaten als wirksam zu beachten. Die Zweifel, welche an der Verbindlichkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte auf deutschem Hoheitsgebiet geäußert wurden, greifen nicht durch. 30. Folgt man der Auffassung, wonach für die Geltung und den Vorrang europäischen Sekundärrechts – wie dies bei den IAS / IFRS-Basisrechtsakten der Fall ist – innerstaatlich keine Begrenzungsmöglichkeiten bestehen, dann ergibt sich die innerstaatliche Verbindlichkeit der IAS / IFRS-Rechtsakte bereits von selbst. Auch wenn man der Auffassung, die die Geltung und den Vorrang europäischen Sekundärrechts durch die Grenze des Übertragbaren sowie des Übertragenen doppelt beschränkt ansieht, bleiben die IAS / IFRS-rechtsakte innerstaatlich verbindlich. 31. Die IAS / IFRS-Basisverordnung bewegt sich nicht außerhalb des innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls, ist nicht „ultra vires“ ergangen und überschreitet deshalb auch nicht die Grenze des Übertragenen. Denn sie wurde auf der Grundlage des Art. 95 Abs. 1 EGV erlassen. Rat und Europäisches Parlament als Gemeinschaftsgesetzgeber durften sich für den Erlass der IAS / IFRS-Basisverordnung auf Art. 95 Abs. 1 EGV stützen, so dass eine ausreichende Kompetenz für ihr Handeln nach dem EGV gegeben war. 32. Die IAS / IFRS-Rechtsakte verstoßen auch nicht gegen die Grenze des Übertragbaren, die sich aus Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG ergibt. Dieser verlangt, dass die Entwicklung der EU die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und den Grundsatz der Subsidiarität beachtet sowie einen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Dass die EU in ihrer gegenwärtigen Struktur nicht den organisatorisch-strukturellen Vorgaben des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG entsprechen sollte, lässt sich kaum ernsthaft vertreten. 33. Genauso wenig überschreiten die IAS / IFRS-Rechtsakte die Grenze des Übertragbaren, die sich aus Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG ergibt.
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Denn weder die IAS / IFRS-Basisverordnung noch die IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen greifen in den Menschenwürde- bzw. den Wesensgehalt der von ihnen potentiell berührten Grundrechte aus Art. 14, 12, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG ein. Gleichfalls ist ein Eingriff in das von Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Demokratieprinzip zu verneinen. Es könnte zwar daran gedacht werden, dass die demokratischen Defizite, die den Endorsementmechanismus zur Zeit durch die Verwendung des Regelungsverfahrens sowie hinsichtlich der prozeduralen und materiellen Steuerungs- und Sicherungsvorkehrungen auszeichnen, an dieser Stelle als Verstoß relevant werden. Allerdings schützt Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG lediglich den Kernbereich des Demokratieprinzips, welcher durch die genannten Defizite jedenfalls nicht tangiert wird. 34. Das Normsystem der privaten IAS / IFRS, welches einer prinzipienbasierten Rechnungslegungskonzeption folgt, weist Ansätze eigener Anwendungs- und Auslegungsvorgaben auf, die – sofern diese expliziten Aussagen in das europäische Gemeinschaftsrecht übernommen wurden – für die IAS / IFRS-bilanzierungspflichtigen Unternehmen rechtlich verbindlich zu befolgen sind. So schreibt IAS 1.14 i.V. m. IAS 1.11 die vollständige und detailgetreue Anwendung aller IAS / IFRS vor, es sei denn, es lassen sich Ausnahmen von diesem Gebot aus IAS 1.17 ff. sowie aus dem Grundsatz der Wesentlichkeit (materiality) herleiten. Bei Konflikten zwischen Standards und dem Framework gehen erstere stets vor. Standards und Interpretationen werden hingegen vom IASB als gleichrangig betrachtet. Wenn es zu Widersprüchen zwischen Standards untereinander oder Standards und Interpretationen kommt, ist in erster Linie – wenn vorhanden – auf explizite Aussagen zur Abgrenzung zurückzugreifen. Ansonsten bleibt nur der Rückgriff auf allgemeine Normenkollisionslösungen, wie z. B. der lex posterior- oder der lex specialis-Regel, wonach die jüngere Bestimmung vor der älteren und die spezielle vor der allgemeinen beachtet werden muss. Abgesehen von Hinweisen, dass Anwender die IAS / IFRS jeweils im Kontext ihrer besonderen Zielsetzung, des Preface und des Framework zu lesen haben, enthält sich der IASB Aussagen zur Methode der Auslegung von IAS / IFRS weitgehend. Denn Zweifelsfragen der Anwendung von IAS / IFRS sollen in erster Linie durch offizielle und verbindliche Interpretationen des Standardsetzers IASB, das sich dazu des eigens geschaffenen International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) bedient, autoritativ geklärt werden, um so eine einheitliche Anwendung der Standards zu gewährleisten. Insgesamt gesehen bilden diese Ansätze in methodischer Hinsicht kein vollständiges System von Anwendungs- und Auslegungsleitlinien. Das private IAS / IFRS-Normsystem ist in dieser Hinsicht also unvollkommen. 35. Alle Elemente der internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB, die nicht im Wege des Endorsementprozesses durch die Kommission übernommen wurden – dazu gehören das Vorwort (preface) zu den IFRS, das Rahmenkonzept (framework) sowie die Einleitung (introduction) zu den einzelnen Stan-
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dards, die Begründungserwägungen (basis of conclusion) sowie die Anwendungsleitlinien und erläuternden Beispiele (implementation guidance und illustrative examples), soweit die beiden zuletzt genannten Elemente nicht ausnahmsweise Teil von integral zu Standards gehörenden Anhängen (appendices) sind – bleiben rechtlich betrachtet private, normativ unverbindliche Verlautbarungen des privaten Standardsetzers IASB bleiben. Anders als die endorsed IAS / IFRS gehören sie nicht zum europäischen Gemeinschaftsrecht. 36. Auch das Framework, welchem im System der IAS / IFRS eine besondere Bedeutung als konzeptionelle Grundlage bei Entwicklung, Anwendung und Auslegung zukommt und welches durch die Kommission nicht endorsed wird, bildet deshalb kein verbindliches Gemeinschaftsrecht. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Kommission im November 2003 den Wortlaut des Framework als Anhang ihrem offiziellen Dokument, das als Arbeitspapier bestehend aus Kommentaren zur IAS / IFRS-Rechnungslegung konzipiert ist, hinzugefügt hat. 37. Soweit übernommene IAS / IFRS auf Elemente der internationalen Rechnungslegungsstandards verweisen, die bislang noch nicht übernommen wurden, gehen solche Verweise im Hinblick auf ihre Sanktionierbarkeit ins Leere. Denn bei einer Inbezugnahme der endorsed IAS / IFRS, mithin verbindlichen Gemeinschaftsrechts, auf nicht gemeinschaftsrechtliche Regeln privater Normgeber handelt es sich um unzulässige dynamische Verweisungen, welche gegen das europäische Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Um dieses Problem zu vermeiden sowie um die einheitliche Anwendung aller Verlautbarungen des IASB zu ermöglichen, ist de lege ferenda vorzuschlagen, auch alle bislang grundsätzlich vom Endorsement ausgeschlossenen Elemente des Normsystems der IAS / IFRS durch ein förmliches Übernahmeverfahren in das Gemeinschaftsrecht zu überführen, soweit diese die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllen. 38. Aus der Transformation der IAS / IFRS mittels Endorsement zu Rechnungslegungsnormen des (sekundären) Gemeinschaftsrechts folgt unmittelbar, dass auf sie der juristisch-methodische Kanon von Auslegungsmethoden anzuwenden ist, welcher für das (sekundäre) Gemeinschaftsrecht anerkannt ist. 39. In ihrem Ausgangspunkt sind übernommene IAS / IFRS zunächst nach ihrem Wortlaut auszulegen. Da allerdings der Text der übernommenen IAS / IFRS in allen EG-Amtssprachen gleich verbindlich ist, kommt der Wortlautauslegung bei Textdivergenzen zwischen den einzelnen Fassungen prinzipiell keine vorrangige Bedeutung zu. Allerdings sollte der englischen Fassung der endorsed IAS / IFRS bei der Ermittlung der „gemeinschaftsrechtlichen“ Wortbedeutung ein besonderes argumentatives Gewicht zukommen: derart, dass die englische Fassung Referenzsprache für die Aufdeckung von Übersetzungsfehlern ist und dass bei Wortlautdivergenzen eine besondere, aber widerlegliche Präferenz für den Wortsinn gilt, welcher auch in der englischen Fassung zu finden ist. Damit wird der Grundsatz der Gleichrangigkeit aller Sprachfassungen nicht in Frage
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gestellt noch verkannt, dass die ursprünglich englische Fassung der IAS / IFRS mit dem Endorsement ihren Alleinstellungsanspruch verliert. Die hier vertretene These begründet sich jedoch mit den Besonderheiten des Gegenstandes. Die englischsprachige Fassung der IAS / IFRS ist die sprachliche Grundlage jeder anderen amtssprachlichen Fassung. Alle diese sind in der Sache nur Übersetzungen der englischen Fassung. Die einzelnen Sprachfassungen sind nicht Ergebnisse schwieriger Kompromisse, in denen abweichende Wortlaute in einzelnen Sprachfassungen gerade formuliert und bewusst in Kauf genommen werden, um ein zustimmungsfähiges Ergebnis zu ermöglichen. Die Bestimmungen der zu übernehmenden IAS / IFRS werden zwischen den Mitgliedstaaten nicht „verhandelt“. IAS / IFRS sollen vielmehr ohne inhaltliche Veränderung in das Gemeinschaftsrecht aufgenommen oder abgelehnt werden. 40. Für die Auslegung der IAS / IFRS nicht zu vernachlässigen ist auch die Methode der historischen Auslegung. Gerade für die Interpretation der endorsed IAS / IFRS als sekundäres Gemeinschaftsrecht können sich nämlich vielfältige Hinweise aus den Erwägungsgründen der IAS / IFRS-Basis- und der IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen für die Ermittlung des subjektiv-historischen Willens des Gemeinschaftsgesetzgebers dieser IAS / IFRS-Rechtsakte ergeben. Als Gesetzgeber in Bezug auf ihre historische Auslegung ist lediglich die Kommission als Organ, welches die IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen erlässt, sowie Rat und Europäisches Parlament als Organe, welche die IAS / IFRS-Basisverordnung erlassen haben, anzusehen. Für die historische Auslegung ist folglich der subjektiv-historische Wille des IASB nicht unmittelbar beachtlich. 41. Fundamentale Bedeutung bei der Interpretation der endorsed IAS / IFRS kommt der systematisch-teleologischen Auslegung zu. Sie macht die Anwendung der endorsed IAS / IFRS im Gemeinschaftsrecht juristisch zuverlässig handhabbar. Bei der teleologischen Auslegung sind in systematischer Weise unterschiedliche Gesetzeszwecke zu berücksichtigen, welche in ihrem Zusammenspiel ein System bilden und in die Anwendung der endorsed IAS / IFRS hineinstrahlen. Ausgangspunkt der Bestimmung des Sinn und Zwecks einer endorsed IAS / IFRS ist zunächst die Norm selbst sowie andere übernommene IAS / IFRS. Neben die Ermittlung dieser horizontalen Gesetzeszwecke tritt die Berücksichtigung vertikaler Gesetzeszwecke. In erster Linie sind dies die den IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen übergeordneten Übernahmekriterien des Art. 3 Abs. 2 der IAS / IFRS-Basisverordnung, die Ziele der IAS / IFRS-Basisverordnung in ihrem Art. 1 sowie das gesamte höherrangige Primärrecht, vor allem das Rechtsstaatsprinzip und die Gemeinschaftsgrundrechte. Sie strahlen beständig in die Interpretation übernommener IAS / IFRS hinein. Im Wege der systematisch-teleologischen Auslegung können im übrigen auch die keine Übernahme zugänglichen Elemente des IAS / IFRS-Rechnungslegungssystems, insbesondere das Framework, Berücksichtigung finden. Denn es ist nicht verwehrt, zur Ermittlung der Bedeutung eines Gesetzes auf Hilfsmittel außer-
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halb des Gesetzes zurückzugreifen, auch wenn ihre rechtliche Überzeugungskraft stets besonders begründet werden muss und ihre Funktion nur unterstützend im Hinblick auf ein bereits anderweitig gefundenes Auslegungsergebnis sein wird. 42. Trotz des Anspruchs, ein möglichst umfassendes und abschließendes Rechnungslegungssystem zu normieren, können übernommene IAS / IFRS Lücken aufweisen, die bei der Anwendung methodisch korrekt geschlossen werden müssen. Grundsätzlich hat sich die Art und Weise der Lückenfüllung innerhalb der endorsed IAS / IFRS nach den für das Gemeinschaftsrecht anerkannten Methoden, vor allem der Analogie, des argumentum a fortiori, des Umkehrschlusses sowie der teleologischen Reduktion zu richten. Soweit die endorsed IAS / IFRS aber eigene Vorgaben zur Lückenfüllung aufweisen, sind diese durch den Anwender vorrangig zu beachten. Eine solche vorrangige Methode zur Schließung von planwidrigen offenen sowie Norm- und Regelungslücken lässt sich in den IAS 8.10 ff. finden. Denn sie weisen alle Elemente auf, welche die Lückenschließung nach der Analogie ausmachen. Ob auch nicht übernommene oder sogar abgelehnte IAS / IFRS durch das Management im Rahmen der Lückenfüllung berücksichtigt werden dürfen, ergibt sich methodisch korrekt aus den IAS 8.11 ff. selbst. Noch zu übernehmende oder abgelehnte IAS / IFRS können nicht von IAS 8.10 ff. verpflichtend zur analogen Anwendung herangezogen werden. Eine analoge Anwendung ist nur auf fakultativem Wege möglich und nur dann, wenn der noch zu übernehmende oder bereits abgelehnte IAS / IFRS nicht mit bereits übernommenen IAS / IFRS konfligiert und mit den Übernahmekriterien übereinstimmt. Die IAS 1.17 ff. wiederum beschreiben die Vorgehensweise zur Ausfüllung von verdeckten Lücken, so dass die IAS 1.17 ff. funktionell als explizit normierte Methode der teleologischen Reduktion zu begreifen sind. 43. Ein IAS / IFRS ist dann als „fehlerhaft“ zu bezeichnen, wenn die Übernahmeverordnung, welche diesen IAS / IFRS in das Gemeinschaftsrecht übernimmt, gegen höherrangiges Recht verstößt. Abgesehen von dem Fall, dass die Übernahmeverordnung von einem offenkundigen und schweren Fehler betroffen ist, ist es aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erforderlich, dass der Gerichtshof über die Nichtigkeit von rechtswidrigen IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen entscheidet – unabhängig davon, ob in dem Urteil des Gerichtshofs eine konstitutive oder nur deklaratorische Entscheidung gesehen wird. Trotz des Entscheidungsmonopols des Gerichtshofs bleibt es Privatpersonen und hoheitlichen Stellen erlaubt, selbständig und mündig zu prüfen, ob ihrer Überzeugung nach ein IAS / IFRS fehlerhaft erlassen wurde oder nicht. 44. IAS / IFRS-bilanzierungspflichtige Unternehmen können Rechtsschutz gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS aus Gründen der wirtschaftlichen Belastung, aber auch wegen eines vermeintlichen Grundrechtsverstoßes begehren wollen. Wegen des Normverwerfungsmonopols des Gerichtshofs über alle Normen des Gemeinschaftsrechts muss jegliches Rechtsschutzbegehren von
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Unternehmen, die der Ansicht sind, dass ein bestimmter IAS / IFRS nicht hätte übernommen werden dürfen, den Rechtsweg zum Gerichtshof finden. Rechtsschutzbegehren natürlicher oder privater juristischer Personen gegen solche Rechtsakte wird der Weg zum Gerichtshof direkt über die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 EGV oder indirekt über das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV sowie durch die Inzidentrüge gem. Art. 241 EGV eröffnet. 45. Nichtigkeitsklagen von IAS / IFRS-bilanzierungspflichtigen Unternehmen gegen fehlerhafte IAS / IFRS werden prinzipiell unzulässig sein, weil der direkte Weg zum Gerichtshof versperrt ist. Die Gründe dafür sind zum einen, dass in der Regel – jedenfalls für alle bereits übernommenen IAS / IFRS – die zweimonatige Ausschlussfrist für die Erhebung von Nichtigkeitsklagen bereits verstrichen ist, und zum anderen, dass solche Unternehmen als natürliche oder juristische Personen wegen der engen Auslegung des Merkmals der individuellen Betroffenheit in Art. 230 Abs. 4 EGV durch den Gerichtshof (Stichwort „Plaumann“-Formel) zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen die Legislativakte „IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen“ nicht klagebefugt sind. 46. Ein indirekter Zugang zum Gerichtshof mit Hilfe der Inzidentrüge gem. Art. 241 EGV scheidet in aller Regel aus. Die Erhebung einer Inzidentrüge setzt ein beim Gerichtshof bereits anhängiges Verfahren voraus. Da die Nichtigkeitsklage gegen fehlerhafte IAS / IFRS zumeist unzulässig ist und auch keine nach Art. 230 EGV anfechtbaren Durchführungsmaßnahmen auf Grundlage der IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen erlassen werden, gibt es schon kein beim Gerichtshof anhängiges Verfahren, innerhalb dessen die Erhebung einer Inzidentrüge gegen fehlerhaft übernommene IAS / IFRS überhaupt denkbar wäre. 47. Unternehmen, die sich gegen fehlerhafte IAS / IFRS wehren möchten, werden ein Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 234 Abs. 1 lit. b 1. Alt. EGV anregen müssen, in welchem das mitgliedstaatliche Gericht dem EuGH die Frage vorlegt, ob nicht die IAS / IFRS-Übernahmeverordnung insgesamt oder eine ihrer Bestimmungen wegen Verstoßes gegen die IAS / IFRS-Basisverordnung oder anderes höherrangiges Recht ungültig ist. Rechtsschutzsuchende Unternehmen erhalten gegen fehlerhafte IAS / IFRS de lege lata mithin nur auf indirektem Wege Zugang zum EuGH, obwohl das Vorabentscheidungsverfahren, insbesondere, wenn es dem Individualrechtsschutz dient, mit gewissen Schwächen behaftet ist. So verzögert sich die endgültige Rechtsfindung mindestens um die durchschnittliche Länge des Vorabentscheidungsverfahrens von ca. 20 Monaten. Da nur die mitgliedstaatlichen Gerichte selbst, nicht die Parteien vorlageberechtigt sind, besteht die Gefahr der fehlerhaften Unterlassung einer Vorlage an den EuGH. 48. Das Vorabentscheidungsverfahren setzt jeweils einen Prozess vor einem mitgliedstaatlichen Gericht voraus, in dem es auf die Frage ankommt, ob ein IAS / IFRS fehlerhaft übernommen wurde oder nicht. Solche gerichtlichen
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Streitigkeiten sind in unterschiedlicher Gestalt, insbesondere im Prozess der Aufstellung eines IAS / IFRS-Konzernabschlusses bis hin zur Kontrolle dieser Abschlüsse denkbar. Als geeignete Verfahren in Betracht kommen das gerichtliche Streitverfahren zwischen dem prüfungspflichtigen Unternehmen und seinem Abschlussprüfer gem. § 324 HGB, eine Leistungsklage des Unternehmens gegen den Abschlussprüfer auf Erteilung eines (uneingeschränkten) Bestätigungsvermerks, eine Klage zur Feststellung der Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses zur Billigung des Konzernabschlusses sowie die Beschwerde gegen die Feststellung der BaFin im Enforcement-Verfahren, dass der IAS / IFRS-Konzernabschluss fehlerhaft sei. Allerdings zeigt die nähere Untersuchung, dass es unter den momentanen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten wohl kaum jemals zu einer Inanspruchnahme von Rechtsschutzmaßnahmen durch Unternehmen vor deutschen Gerichten kommen wird. Abgesehen von den rechtlichen Zulässigkeitshürden, die das Unternehmen für die Einleitung des jeweiligen Gerichtsprozesses nehmen muss, werden die Unternehmen in allen Fällen gezwungen – damit es überhaupt zu einem Streitverfahren kommen kann – gegen den ihrer Ansicht nach fehlerhaften IAS / IFRS zu verstoßen. Auch wenn sie gerichtlich gegen darauf folgende rechtliche Sanktionen vorgehen, so werden alle Gerichtsverfahren, einschließlich des Vorabentscheidungsverfahrens, doch erheblich länger dauern, als die Frist, die das Gesetz den Unternehmen zur Aufstellung, Prüfung und Veröffentlichung des konsolidierten Abschlusses aufstellt. In aller Regel wird dann der Abschlussprüfer den konsolidierten Abschluss nicht uneingeschränkt testieren können, was infolge der Publizität dieses Faktums gravierende faktische wirtschaftliche Folgen auslöst, die die betroffenen Unternehmen nicht tragen können oder wollen (sog. „adverse Publizität“). Aus diesen faktischen Gründen werden Unternehmen es kaum wagen, sich gegen fehlerhafte IAS / IFRS gerichtlich zu wehren. Stattdessen werden sie Gehorsam gegenüber den endorsed IAS / IFRS – auch wenn sie diese für fehlerhaft übernommen ansehen – üben. Noch gravierender ist aber, dass IAS / IFRS damit wahrscheinlich überhaupt keiner rechtsstaatlichen Kontrolle durch Gerichte unterzogen werden. 49. Abhilfe könnte de lege ferenda durch eine Erweiterung der Voraussetzungen der Klagebefugnis für die Erhebung der Nichtigkeitsklage von natürlichen oder juristischen Personen geschaffen werden. Darüber hinaus könnte daran gedacht werden, durch Nutzung des sog. beschleunigten Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 104a EuGH-VerfO zu einer schnellen Entscheidung des EuGH zu kommen, so dass die Wirkungen der sog. „adversen Publizität“ nicht eintreten würden. Allerdings ist der Gerichtshof sehr zurückhaltend in der Anwendung dieses Verfahrens, weshalb die Aussichten, auf diesem Wege das Rechtsschutzdefizit zu beheben, eher gering sind. 50. Ein nächster Ansatzpunkt zur Minderung der abschreckenden Wirkung der gerichtlichen Ausgangsverfahren auf nationaler Ebene kann in der Veränderung des Verhaltens des Abschlussprüfers liegen. Würde der Abschlussprüfer die
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Nichtanwendung eines – auch aus seiner Sicht – fehlerhaften IAS / IFRS nicht mit dem eingeschränkten oder gar versagten Testat sanktionieren, dann könnte das Unternehmen ohne die Gefahr adverser Publizität Rechtsschutz spätestens auf der zweiten Stufe des Enforcement-Verfahrens im Streit mit der BaFin erlangen. 51. Als ein wirksames Mittel zur Verbesserung der Rechtsschutzsituation von Unternehmen gegen die Anwendung fehlerhafter IAS / IFRS im Rahmen der auf ein konkretes Geschäftsjahr bezogenen Konzernbilanzierung kann sich auch die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes erweisen. Hierdurch würde die abschreckend lange zeitliche Dauer bis zum Erlass einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung durch das nationale Ausgangsgericht erheblich verkürzt und so der Eintritt der Wirkungen adverser Publizität verhindert. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wird den mitgliedstaatlichen Gerichten ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen eine selbständige, wenn auch nur „vorläufige Normverwerfungskompetenz“ über europäisches Gemeinschaftsrecht zugebilligt. Einstweiliger Rechtsschutz wäre dabei bereits im Verfahren zwischen dem Unternehmen und dem Abschlussprüfer gem. § 324 HGB möglich; darüber hinaus auch bei einer Leistungsklage des Unternehmens gegen den Abschlussprüfer auf Erteilung eines uneingeschränkten Testates sowie im Enforcement-Verfahren gegen die BaFin. 52. Schließlich ist vorzuschlagen, dass ein rechtsschutzsuchendes Unternehmen eine allgemeine Feststellungsbeschwerde vor dem OLG Frankfurt am Main gem. § 37u Abs. 2 WpHG i.V.m. § 48 Abs. 4 WpÜG erhebt, gerichtet auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Ge- oder Verboten, die sich aus den IAS / IFRS-Übernahmeverordnungen ergeben. Auf diese Art und Weise ist das Unternehmen in der Lage, einen gerichtlichen Rechtsstreit zu beginnen, welcher Ausgangsverfahren eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH sein kann. Gleichzeitig würde sich der Rechtsstreit außerhalb der engen Fristen für die Aufstellung, Prüfung und Offenlegung des Konzernabschlusses bewegen, so dass die rechtsschutzabschreckende Wirkung der adversen Publizität vermieden würde.
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Sachverzeichnis Abschlussprüfer 44, 54, 314 – 316, 319 – 323, 326, 329, 334 – 340, 365 f. Abschlussprüferrichtlinie 54 Adoptionstheorie 224 Adverse Publizität 315, 339, 365 Agenda Committee 210 f. Aktionsplan: Finanzmarkt 60, 96, 169, 176, 180, 356 Analogie 282 – 286, 288, 292, 325, 363 Anlegerschutz 63, 74 Anwendung von IAS / IFRS 36 f., 39, 43, 61, 65 f., 69, 74, 144, 164, 197, 204, 251 – 254, 256 f., 259 – 264, 276 – 278, 286 – 288, 291, 293, 295 f., 301, 303, 329 f., 334 – 336, 342, 360 – 363, 366 Anwendungsbefehl (innerstaatlicher Rechts-) 223 – 226, 230 f., 233 f., 236 f., 239, 249 f., 299, 359 Anwendungsvorrang 228 Aufsichtsrat 205, 314 – 316, 323 – 326, Auslegung von IAS / IFRS 36 f., 251 f., 257, 259 – 264, 268 f., 272 f., 276 – 280, 285, 288, 295, 301, 321, 360 – 362 Basel II 167 f., 176 – 181, 355 f. Basis of Conclusion 255 f., 259, 263, 266, 278, 361 Begründungspflicht 88 f., 271, 348 Beratungsverfahren 149 f. Berufsfreiheit 242 Beschwerdebefugnis 344 f. Bestätigungsvermerk 315, 320 – 323, 329, 336, 340, 342, 365 Bestimmtheit (hinreichende) 81, 118, 123, 137 f., 142 – 145, 199, 217, 266, 277, 345, 352 Billigung des Konzernabschlusses 315 f., 319, 321 – 326, 339, 365 Binnenmarkt 39, 60 f., 62, 72 – 74, 80, 82 – 84, 93, 169, 173, 222, 249, 276 f., 347
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 317 f., 326 – 329, 335, 340 f., 343, 345, 365 f. BVerfG 37, 133 f., 136, 215, 222, 228, 230 – 237, 243 f., 248 – 250, 255, 298, 351 Call-back-Recht 163, 174 Demokratie (Prinzip, Gebot) 111 – 114, 116 f., 120, 122, 146, 156, 160 – 166, 182 – 187, 191, 193, 202, 206, 214 f., 222, 233, 240 f., 245 – 248, 266, 350, 353 f., 360 f. Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung 317 f., 326 – 328 Due process 47, 68 f., 101, 207, 209 – 213, 248, 254, 262, 272, 307 Durchführungsbefugnis 128 – 138, 143 – 145, 148 f., 152, 154, 158 – 163, 166, 171 f., 174 f., 178, 181, 351 f. Dynamische Verweisung 104 – 107, 110, 120, 122 f., 125, 127, 188, 266 f., 350, 361 EFRAG 47 f., 146, 156, 162, 164 f., 188, 191, 200 f., 203, 205 f., 212 – 215, 219 f., 358 EFRAG-TEG 47 f., 50, 201 f., 205, 207, 212 – 214, 219, 354, 358 f. EG-Bilanzrichtlinie 52, 54 – 56, 59, 71, 126, 139 – 141, 217, 222, 296 Eigentumsgarantie 242 Einheitliche Europäische Akte 72, 78, 94 f., 112, 129, 148, 349 Einstweiliger Rechtsschutz 321, 330, 336 – 341, 366 Einzelabschluss 35, 43 f., 61 Einzelermächtigung (Prinzip der begrenzten) 130, 233, 264, 301, 333
Sachverzeichnis Endorsement 45 – 48, 50, 53, 70, 96 f., 100 – 102, 104, 109 – 111, 117, 120 – 123, 125, 128 f., 133, 137, 144 – 146, 149, 156, 160, 163, 165 – 168, 175, 177 – 181, 186 – 191, 200 f., 205, 212, 214 f., 218 – 221, 246 – 248, 263, 265 – 270, 272, 279 f., 290 – 292, 296, 298, 301, 321, 341, 349 f., 353 – 357, 359 – 362 Enforcement 316 f., 326 – 329, 334 f., 340 f., 343, 365 f. Erheblichkeit 51 f., 144 f., 217, 219, 277, 296, 352 Ermächtigungsgrundlage 54, 72, 76 – 78, 87, 89, 121, 130, 172, 250, 265, 275, 277, 347 Ersatzrepräsentant 196, 198, 200 EuGH 81, 84 f., 88, 91, 112, 117, 119, 132, 134 – 136, 138, 157 – 160, 162, 170 f., 225, 229, 231, 234 f., 244, 285, 297 – 302, 304, 306 – 308, 311 – 313, 321, 323, 325 f., 329 – 342, 346, 352, 364 – 366 EU-IAS / IFRS 124, 295 Europäische Normungseinrichtung für die Rechnungslegung 59, 101 Europäisches öffentliches Interesse 51 f., 143 f., 213, 217, 219, 277, 288, 296, 317, 352 EU-Wertpapierausschuss 171 Ewigkeitsgarantie(-klausel) 238 – 241, 248 Fair value 126 Faktische dynamische Verweisung 110, 122 f., 125, 127, 188, 350 FASB 195 Feststellungsbeschwerde (Allgemeine) 342 – 346, 366 Feststellungsinteresse 324 f., 344 f. Feststellungsklage (Allgemeine) 324 – 327, 342 f., 346 Finanzmarkt 57 f., 60, 63, 73, 96, 172, 347 Founding Fathers 47, 205, 213 Framework 144, 210, 218, 253 – 255, 258 – 267, 278 f., 287 – 289, 292, 352, 360 – 362 Geltungsvorrang 228 Gemeinschaftsgrundrechte 52 f., 183, 277, 289, 293, 297, 345, 362
401
Gemeinwohlverpflichtung 183, 192, 356 Gerichtshof 118 f., 134, 158, 244, 265, 297 – 302, 305 f., 308 – 313, 328 f., 332 f., 335, 337, 363 – 365 Gesellschaftsrecht 33, 35, 54, 64, 77 – 79, 96, 319, 347 Gewaltenteilung 118 f., 123, 162, 167, 240 Gleichheitssatz 242, 282 f., 285 Grammatikalische Auslegung 268 Grenze des Übertragbaren 234, 236, 238, 243, 359 Grenze des Übertragenen 234, 249, 359 Grundfreiheiten 53, 77, 112 Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung 317 f., 322 Handlungsfreiheit (Allgemeine) 242 Harmonisierung des Bilanzrechts 33, 53 – 59, 64, 71, 74, 76 f., 89, 92, 96, 249, 347 Hauptversammlung 316, 322, 324 Historische Auslegung 271 f., 362 Horizontale Gesetzeszwecke 276, 289, 293, 362 IASB 35, 37 – 39, 44 f., 47, 50, 64 – 68, 99, 103, 110, 111, 124 – 127, 137, 144, 166, 179, 182, 186, 188, 190, 192 – 201, 203 f., 206 – 212, 215 – 220, 248, 251, 253 – 255, 257 – 266, 269, 272, 279 f., 291, 303, 307, 351 f., 357 – 362 IASC 33, 57, 59, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 190 IASC Foundation 64 – 69, 190, 192 – 194, 196 f., 199, 202 – 204, 207, 209 f., 218, 255, 270, 358 IFRIC 33, 39, 66 f., 69, 110, 137, 196 – 200, 209 – 211, 251, 253, 256, 261 f., 279 f., 291, 358, 360 Inkorporation 109, 111, 120 – 122, 128 f., 145 f., 159, 163, 166 – 168, 177, 179, 186 – 190, 218, 246, 349 – 351, 354, 357 Institutionelles Gleichgewicht (Prinzip) 118 f., 121, 123, 157 f., 162, 173, 199, 353 Inzidentrüge 301, 309 f., 332, 364 Jahresabschluss 42 – 44, 60, 74, 139 f., 195, 317, 324 f., 327
402
Sachverzeichnis
Kapitalmarkt 39, 41, 57 – 65, 73 f., 77, 92 f., 96, 101, 123 f., 169, 199, 222, 276, 316, 349 Kapitalmarktorientiertes Unternehmen 33 f., 36 f., 39 – 43, 63 f., 71, 73 – 75, 93, 95 f., 110, 136 f., 194 f., 222, 241 f., 249, 300, 302, 307, 314, 316 f., 319, 347, 352 Kapitalverkehrsfreiheit 73 f., 77, 79, 96, 347 f. Klepsch-Millan-Vereinbarung 148 Komitologie (Verfahren, Beschluss) 46 – 50, 110, 145 – 158, 160, 162 f., 165 – 168, 170 – 174, 178, 180 f., 189, 247, 353 – 355 Kommission (EG-, Europäische) 38 – 40, 42 f., 45 – 52, 56 – 62, 67, 76, 80, 82, 84 f., 87, 94 f., 106 – 108, 110 f., 117, 119 – 139, 143 – 181, 188 f., 191, 196 f., 200 – 202, 205 f., 212 – 214, 217, 219, 221, 246 f., 251, 263 – 267, 270, 272, 280, 290 – 292, 302, 304, 348 – 358, 360 – 362 Kompetenzgrundlage 39, 71 f., 77 – 79, 131, 249 Konsolidierter Abschluss 33 – 35, 39 – 42, 59, 61, 71, 74, 93, 96, 110, 139, 222, 249, 300, 347, 365 Konzernabschluss 34, 41 – 43, 52, 58 f., 124, 139 f., 222, 241, 302, 314 – 317, 319 f., 322 – 326, 328, 330, 333 f., 337, 339, 365 f. Konzernbilanzrichtlinie 41, 51 f., 54 – 56, 139 – 142, 217, 219, 277, 288, 293, 296 f., 352, 359 Konzernlagebericht 34, 316 Konzernrechnungslegung 35, 43 Kooperation mit Privaten 35, 97 – 99, 182 f., 187, 189 – 192, 349 f., 356 Kooperationsverhältnis 59, 182, 244 Lamfalussy(-Verfahren) 167 – 173, 175 f., 178 – 181, 355 f. Leistungsklage 322 f., 340, 365 f. Lissabon (Rat von, Ziele) 60 f., 101, 169 Lückenfüllung 251, 280, 282, 285 – 287, 289, 291 f., 363 Maastricht(-Urteil, -Rechtsprechung) 37, 221, 232 f., 244 f., 250, 299
Maßgeblichkeitsprinzip 35 Materielle Steuerung 184 f., 187, 215, 217, 219 f., 248, 357, 359 f. Mehrheit (Qualifizierte) 43, 49 f., 150 f., 154 Menschenwürde 240 – 243, 360 Mitentscheidungsverfahren 72, 131 f., 149, 152 – 155, 160, 167, 169 f., 172 f., 177, 351, 355 Modus vivendi 148 Mutterunternehmen 34 Nichtigkeitsklage 298 f., 301 – 306, 308 – 310, 324, 327, 329 f., 332 f., 364 f. Nichtigkeitslehre 298 Niederlassungsfreiheit 54, 76 – 79, 347 f. Normergänzende Verweisung 104 f., 107 Normkonkretisierende Verweisung 104 f., 107 f., 122 Normverwerfungsmonopol 300 f., 335, 338, 363 Parlament (Europäisches) 38, 46, 49 – 51, 62 f., 72, 78, 85, 87, 116 f., 119 f., 128 – 135, 137 f., 146, 148 – 155, 157, 160 – 164, 166 – 168, 170 – 181, 189, 221, 246 – 248, 250, 272, 304, 348, 351 – 357, 359, 362 Plaumann-Formel 306, 308, 330, 332, 364 Plumb-Delors-Vereinbarung 148 Preface 67 – 69, 197, 207, 209 f., 253 f., 261 – 263, 360 Primärrecht 52 f., 70 f., 78, 85, 91, 111 – 113, 115, 118 f., 125, 128 – 133, 147 f., 164, 172, 223 f., 226 f., 229, 234, 236, 271 f., 274 – 277, 303, 350 f., 362 Principle-based Accounting (Prinzipienorientierung) 257 f., 262, 264, 278 Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit 85, 88, 92 f., 227, 349 Prozedurale Steuerung 184 f., 187, 190, 193 f., 196, 199 – 204, 206 f., 214, 220, 248, 357, 360 Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen 48, 50, 164 f., 191, 201 – 203, 206 f., 214 f., 219 f.
Sachverzeichnis Rat (Minister-, Europäischer) 38, 46, 49 f., 60, 62 f., 72, 76, 78, 80, 85, 87, 105, 107 – 109, 116, 118 f., 128 – 135, 137 f., 142 f., 146 f., 150 – 155, 157 – 164, 167 – 174, 176 – 181, 204, 222, 246 f., 250, 272, 311, 348, 351 – 354, 356, 359, 362 Rechnungslegungssystem 55, 57, 61 f., 64, 140, 188, 195, 257, 289, 362 f. Rechtsbehelfsausschluss 326 f. Rechtsgemeinschaft 117 Rechtsschutz 36 f., 88, 244, 279, 297, 300 – 302, 309 – 311, 313 f., 321 – 324, 327, 329 – 332, 334 – 343, 346, 363 Rechtsschutzdefizit 337, 340, 365 Rechtsstaat (Prinzip, Gebot) 52, 91, 111, 117 f., 120 – 123, 138, 146, 156 – 159, 163, 167, 182 – 187, 202, 214, 240 f., 266, 271, 277, 327, 350, 353, 361 f. Rechtsvergleichende Auslegung 273 Regelungsausschuss für Rechnungslegung 48 – 51, 146, 148, 151, 153 – 159, 164 – 167, 171, 178, 189, 270, 353 – 355 Regelungsverfahren 47 – 49, 106, 145 – 151, 153, 155 – 161, 163 – 168, 171 – 173, 175, 178, 181, 247, 353 – 356, 360 Regelungsverfahren mit Kontrolle 154 f., 167 f., 181, 355 Rezeption (Hoheitliche) 103 f., 109, 111, 114, 118, 133, 136, 166, 177 – 179, 181 f., 186 – 189, 352, 354, 356 Rule-based Accounting (Einzelfallorientierung) 195, 258, 306 SAC 67 f., 198 – 200, 207, 358 Sachverstandsasymmetrie 187 – 189, 357 Schutzklauselverfahren 148 f. SEC 58, 62, 124 Sekundärrecht 52, 223 f., 226, 229 – 232, 234, 236, 238 f., 244, 250, 271 f., 274, 285, 359 Sekundärrechtsschutz 301, 310, 327, 331 Self executing (Rechtsakte) 305, 330 f., 333, 342 SIC 33, 39, 66, 110, 137, 196, 253, 256, 259, 261, 279 f., 291 Standardsetzer (Private) 44, 59, 61, 64, 144, 197, 216, 264, 361 Statische Verweisung 105, 111, 189, 350
403
Steuerbilanz 35 Subsidiaritätsprinzip 71, 80 – 82, 84 – 90, 96, 233, 345 f., 348 Sunset clause 174 f., 178, 180, 355 Systematisch-teleologische Auslegung 262, 273, 276, 278, 362 Teleologische Reduktion 282, 284 – 286, 292, 294 f., 262, 363 Testat 315 f., 321 – 323, 329, 334 – 336, 339 – 341, 366 Transformationstheorie 224 True and fair view 51 f., 126, 139 – 143, 217, 219, 277, 288, 293, 296 f., 336, 352, 359 Trustees 66, 192, 197 – 200, 203, 358 Übernahmeautomatismus 125, 188, 213, 350 Übernahmekriterien 51 – 53, 124 f., 127, 129, 138 f., 143, 145, 180, 212, 216 f., 248 f., 263, 277, 288, 291, 293 f., 296, 352, 362 Übernahmeverfahren 45, 47, 49, 168, 181, 245 f., 267, 361 Ultra vires (Rechtsakt) 233 f., 236, 249 f., 299, 359 Umkehrschluss 119, 158, 282, 284 – 286, 363 US-GAAP 38 f., 58 f., 62, 124, 195, 258, 273, 278, 289 Vergleichbarkeit 39, 51 f., 56, 60 f., 63, 74, 96, 144 f., 217, 219, 260, 276, 288, 296, 352 Verhältnismäßigkeit (Grundsatz bzw. Prinzip der) 53, 89 – 94, 154, 227, 242, 277, 349 Verlässlichkeit 51 f., 144 f., 217, 219, 260, 277, 287, 293, 296, 352 Vermögens-, Finanz- und Ertragslage 52, 56, 139 – 142, 260, 276, 287, 322, 336 Vernichtbarkeitslehre 298 f. Versagungsvermerk 315 Verständlichkeit 51 f., 144 f., 217, 219, 260, 277, 288, 296, 352 Vertikale Gesetzeszwecke 276, 289, 291, 293, 362 Verwaltungsverfahren 98, 148 – 151, 159 Verweisungsnorm 104 – 108, 111, 123
404
Sachverzeichnis
Verweisungsobjekt 104 – 108, 111, 123, 266 Vollzugstheorie 224 Vorabentscheidungsverfahren 298, 301 f., 309 – 314, 319, 321 – 323, 325 f., 328 – 334, 337, 342, 346, 364 – 366 Vorrang des Gemeinschaftsrechts 226 – 231, 250 Wertpapierregulierungsbehörde 126, 171, 201 Wesensgehalt (der Grundrechte) 232, 243 f., 360
Wesentlichkeit(-stheorie, -Rechtsprechung) 133 – 136, 162, 166, 215, 246, 259 f., 271, 351, 360 Wettbewerbsfähigkeit 61, 63, 74, 123 f., 348 Wirtschafts- und Sozialausschuss 62, 72, 78, 130 Wirtschaftsprüfer 47, 64, 193 f., 196 f., 199 – 202, 206, 215, 335, 358 Zustimmungsgesetz 222, 224, 230 – 234, 236, 249