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German Pages 214 [216] Year 1793
D i e Hagestolzen. Ein
Lustspiel
in fünf Aufjügen.
Don
August Wilhelm Jffland.
ielpzig, 8t$ Georg Joachim Göschen,
1 7 9 3.
Ihrs Majestät
Friedrich Wilhelm dem Zweyte», Könlg von Preußen, dem Deutschen, dem tapfern, menschlichen Krieger, dem Vater feines Volkes, dem Verehrer sanfter Haustngenden,
widmet diesen Versuch Hausglück r» befördern
der Verfasser,
Perso nerr. Hofrath ReinholdMademoiselle Reinhold/ seine Schwester. Geheimerath SternbergMademoiselle Sternberg/ seine Cousine. Consulent Wachtel. Valentin/ Reinholds Bedienter. Christine, Magd im Reinholdischen Haufe. Friedrich Linde, Pachter auf Reinholds Gute, Therese, leine Frau. Margrethe, ihre Schwester.
Dä'bche" 1 Lmden. Kind«. P««l J
Erster Aufzug.
Erster Auftritt. Valentin
auf einem Kanapee auSgestreckt, einTifchchen mitKaffee
vor ihm. §8mn ich nur lesen nnd schreiben konn
te ! — Lesen und schreiben — das sollte ich
können!
Hundert Thaler mehr wäre meine
Stelle des Zahrs Werth! Denn so weiß ich nun doch nicht, wie viel ich zu kurz komme,
wenn ich und die alte Mamsell Geld zusam men ausleihen,
er rechnet an den Fingern-
Auf
die goldne Uhr haben wir-dreyßig Thaler zu
sammen ausgeliehen.
Die Mamsell gab dazll
6
Die Hagestolzen.
achtzehn Thaler und ich zwölfe. achtzehn macht — dreyßig.
Ja.
Das hat
Dar ausgezahlt hat sie
seine Richtigkeit.
fünfzehn, ich neune.
Jeder kriegt drey Tha
ler Interessen auf acht Wochen.
schlürft Kaffee.
Zwölfe und
Hm!
E-
Da fte auf fünfzehn nicht mehr
gewinnt, als ich auf neune, so bin ich um fünf Thaler klüger, als die Mamsell! Vivat! — Nichts geht über den Dienst bey einem al
ten Junggesellen!
Zweyter Auftritt. Christine.
Valentin.
Christine nimmt den Kaffee und räumt auf.
Valentin.
Morgen.
Nun? — Man sagt guten
Erster Aufzug. Christine.
?(
Hofrath.
Es scheint.
30
Die Hagestolzen.
Madem. Reinhold.
Setz dich doch
auch, Bruder.
Hofrath.
Ich werde wohl nicht bleiben
können, denn —
Madem. Reinhold. Du hast nicht geschlafen.
Setz dich doch.
Sieht er nicht ganz
«chauffitt aus?
Konsulent.
Ganz echauffkrt!
Madem. Reinhold.
Setz dich doch.
Hvfrath ärgerlich. Ich sitze! Madem. Reinhold.
Man mußrrcht
Acht auf ihn geben.
Konsulent.
So?
M a d e m. N e i n h o l d.
Er menagkrt seine
Gesundheit gar nicht.
Konsulent.
Ey!
Madem. Reinhold.
nicht gesund.
Er ist auch gar
Erster Auszug. Hofrath.
3i
Schwester!
Madem. Neinhold.
Erscheint«»?
gesunb. Hofrath.
Lassen wir das! Ich aß gestern im Hechte —
Konsulent. Ho frath.
War gute Gesellschaft da? Ein paar wälsche Hahnen
Konsulent.
hatten wir, so ;art, so saftig — Ich habe für
heute wieder bestellt, und kann es nicht erwar ten, bis es Mittag wird! Sieht nach rer Uhr. Vorher will — Hofrath.
Wie geht es mit dem Prozeß
Ihrer Mündel —
Ein Prozeß?
Konsulent. Hofrath.
Zhre Mündel, die hinterlaß-
nen Schmidschen Kinder. K 0 n s» l e n t.
Hofrath.
Die haben verloren.
So sind sie Bettler!
Konsulent.
Tine Schickung! —
Die Hagestolzen.
Zr
Hofrath. Hätten Sie früher auf einen Ver gleich gedacht —
Konsulent.
Vor vier Wochen, da wäre
ü noch möglich gewesen.
Die Gegner haben
mir damals fast da« Haus eingelaufen. Hofrath.
Und warum thaten Sie es
nicht? Konsulent.Zch war nicht hier. Hofrath.
Aber —
Konsulent.
Dey Sallmann auf dem
Gute, und rutschte überhaupt ein Bißchen her um.
Wenn ich einmal auf dem Lande bin, da
müssen mir die Geschäfte wegbleiben. Hofrath. Die Kinder sind nun Bettler! Konsulent.
Ein Unglück ist e«.
— Vergnügen muß doch auch seyn. fängt von sich an.
Aber
Die Liebe
Apropos — bey Ger
hardt ist ein Slrohwein angekommen — ei» Wein — ach! Davon habe ich Sie avertlren
wollen.
Nun adieu. Ma«
Erster Auszug.
33
Madem. Reinhold. Wohin schon?
Konsulent. Zn die Kirche. Es ist schön kühle dort, und ich habe eine Alteration gehabt. Denken Sie, ich habe meine Haus hälterin fortgeschickt l Hofrath. Das wundert mich, denn Sie schienen sehr gut mit ihr versehen zu seyn.
Konsulent. Allerdings. Hofrath. Wie konntenSie siewegschikken? Konsulent. Denken Sie, haha! sie be gehrte : Ich sollte ihr ein Kapitälchen aussetzen auf meinen Todesfall; sie wollte nicht so ohne Zweck ihre Tage verleben.
Hofrath. Da hatte sie Recht.
Madem. Reinhold. Ohne Zweck? Sie kriegte ja Lohn von Ihnen.
Konsulent. Und wenn sie es denn nur eingekleidet hätte! Aber so gerade vom Tode C
Die Hagestolze«:
34
zu reden! Gar vom Todesfall! Mein Todesfall? — Es ist mir seitdem, .als ob beinerne Tod über einen breiten Leichenstein
überragte, mit dem er mich -»decken tw
Ja, hatte ich nicht eben die Chocolate geh eine Ohrfeige hätte ich ihr gegeben.
Sie
aber gleich fort gemußt.
Hofrath.
Sie haben Unrecht.
Ein
Junggeselle hat ja so keinen fröhlichen T den er nicht vorher bezahlt! Diese Person doch etwas aufSie!
Nun ja, und jetzt be
Konsulent.
ich eine andere, daß sie wieder etwas auf
hält!
Hofrath.
Und wenn sie da« doch
thut?
Konsulent.
Pah! Ich bin wen
Hause--------- ich bin überall! Hofrath.
Wenn Sie einmal zu
Erster Aufzug.
zx
seyn müssen? krank — an Ihr Bette gefes selt Konsulent.
So gebe ichSpielpattien
zu Hause vor meinem Bette.
Hofrath. kommt/
Und wenn dann niemand
niemand Geduld mit dem Kranken
hat — niemand seiner Laune schont? Wach tel ! — sehen Sie Sich nach einer Frau um.
Cs ist der Rath eines ehrlichen Mannes. Konsulent.
Gott bewahre mich davor!
Kein Mädchen «'n der ersten
Hvfrath.
Blüthe — ein gutes stilles Geschöpf, die —.
K o n su l e n t.
Nach der Kopulation ist die
Stillste nicht mehr still. Hofrath.
Nach vierzig Zähren ist der
erträglichste Hagestolz nicht mehr erträglich. Wählen Sie ein Mädchen, das Sie glücklich
machen sinnen, — und — L i
z6
Die Hagestskzen.
Made». Reinhold.
Hm! wo find
die zu finden, wenn sie einige« Vermögen ha« den sollen —
Konsulent mit gefalteten -Laren. Und da-
Kindergeschrey — den Blick gen Himmel, die
veränderte Küche, Zeit und Stunde überall geändert! — Bewahre mich Gott! Oder —
stehen Sie an dieser Narrheit? Wir?
Hosrath.
Ach! — Za — wenn ——
aber ber Aufivand —
Die Modesucht unsrer Wei«
Konsulent.
der — Madem. Reinhold.
Geliebt wird
man nicht mehr in seinen Zähren, bas fühlt er
wohl —
Hofrath.
Und es als einen bloß ökono
mischen Kontrakt abzuschließen — davor be wahre mich Gott!
K o n su l e n t.
Wäre noch bas Rachsamsie.
Also — Siebleiben ledig?
Erster Aufzug. Hofrath.
37
Doch—wohl — wahrschein«
lich! Za, ja wirklich! Konsulent. Ich, geliebt's Gott, auch— Mer wegen der wälschen Hahnen im Hecht?
Sie kommen doch hin? Madem. Reinhold.
Du wirst dir wie
der eine Krankheit holen!
Zch ginge heut gern hin,
Hofrath.
Schwester; denn ich bin so — Madem. Reinhold.
Willst du dich zu
Grunde richten? Du bringst dich muthwillig zrm's Leben!
H 0 f r a t h. seyn.
Nun, ich will denn vorsichtig
Zch verspreche es dir.
Madem. Reinhold.
Wenn da frans
wirst — Konsulent.
Kann ja morgen einneh.
men.
Madem. Reinhold. Auf alle Fälle nwk
der Doktor gefragt werden.
Z8
Die Hagestolze».
Hofrath.
Lieber Himmel —
Madem. Reinhold.
Um deiner kost
baren Gesundheit willen, Bruder — Hofrath.
Nun ja — so frag' ihn denn.
Madem. Reinhold.
Zch will Ihnen
Antworr hinsagen lasst», Herr Konsulent. Konsulent.
Zch lasse den Strohwein
dorthin bringen — und zwey Pvttechaisen.
Gott befohlen! Zurtickkommend. Wenn wir nach dem Essen, und von dem Getränk — hahaha •
in den Portechaisen Schlaf kriegen: so sollen uns die Kerls nicht auftvecken, sondern vor das Thor und uns ein Bißchen im Wäldchen herum
tragen.
Hahaha l es ist eine angenehme De,
wegung. Deht.
Erster Aufzug.
z-
Achter Auftritt. .Hofrath.
Mademoiselle Rein, hold.
Hofrath.
Schwester!
Ma dem. Reinhold.
Nun, lieber Bru
der? Hofrath.
Was für ein Mensch 1
Madem. Reinhold. H o fr a t h.
Ich!
Wie so?
Ich und lauter Ich r
die Welt um ihn her mag zu Grunde gehen!
Wenn ich denn jemals so werden könnte, so nur für mich leben, und nur was ich esse,
wie ich fahre, wie ich schlafe, wie ich trinke — wenn ich mrr darauf zu sinnen
leben sollte — noch heute wollte ich eine Frau nehmen, und — sollte es seine wcggeschickte
Haushälterin seyn!
Die Hagestolzen.
40
Neunter Auftritt. Vorige.
Hofrath. Valentin.
Valentin
Was soll'S werden?
Ey e
ja schon. Geht.
Fünfter Auftritt. Hofrath.
Ein Korb! — Verspottet! Vierzig Zäh
re!
Hm! — seitdem sie das gesagt hat, ist
mir's, als ob Wolken über meinen Kopf zögen und auf ihn eindrangen.
Mein Herz schlägt,
ich höre und sehe nicht! Was ist das? Was
anders, als d-6 Gefühl, daß ich wohl noch angenommen, aber nicht geliebt seyn kann? Nun — ich habe mich zeither bey mei
nen überlegten Entschlüssen so schlecht befun den, daß es vernünftig ist, einmal der ersten starken Empfindung geradezu zu folgen. Dieß
kann die Krankheit um nichts verschlimmern.
Zweyter Aufzug.
71
Sechster Auftritt. Valentin. Valentin.
Hofrath Reinhold.
Herr Gcheimerath Stern,
berg —
Hofrath.
Von Herzen.
Valentin gehr.
Siebenter Auftritt. Hofrach Reinhold.
Gcheimerath
Sternberg. Hofrath.
Endlich einmal wieder sicht
bar — mein theurer Freund!
Gcheimerath.
Za^ ich sah' dich lange
nicht. Hofrath.
Wiesteht's?
Gcheimerath.
Schlecht.
Hofrath. Krank?
7S
Die Hagestolzen.
Geheimerath. Es ist heute mein Ge burtstag.
-Hofrath. Meinen besten Glückwunsch! Geheimerath. Der müßte tragischen Inhalts seyn, wenn er mir Glückwunsch seyn sollte. Hofrath. Wieso?
Geheimerath. Du müßtest mir wün schen, begraben zu werden.
Hofrath. Dieser widrige Scherz — Geheimerath. Scherz? Gehorsamer Diener! Mich führt eine Angelegenheit zu dir. Da ich denn nun — leider noch nicht begra ben bin, so — muß ich mein Herz amusiren. Du hast deines verstorbnen Bruders Sohn bey dir — gieb ihn mir, ich will ihn erziehen. Hofrath. Du? Geheimerath. Die Zeit wird mir lang.
H v f r a t h. Dey so vielen Geschäften?
8tveyter Aufzug.
73
Wenn sie gethan sind,
Geheimerath.
so, so — habe ich nichts als Küchensteunde,
oder die Bouteille. Hofrath.
Beide sind abgeschafft.
Dein schöner Garten —
Geheimerath.
Gefällt mir nicht mehr.
Ich gehe da allein zwischen den Hecken und in
den Tempeln herum — Oft — ja wahrlich —
oft ist es mir, als riefe eine Stimme über di»
hohen Bäume herein: — »Da geht der selige »Geheimerath Sternberg.»
An keiner Quelle
höre ich das süße Geplauder der Liebe mehr. Sie murmeln alle nur: — »Es war, es wart« Die Stauden, die hin und her im Walde schwan
ken, fragen mich: - »Was wird werden?« Und die Wetterfahnen auf dem Dache klagen: »Verlorne Jahre, verlorne Jahre!» Hofrath.
Schreckliche Empfindung —
ich kenne sie. Geheimerath.
Das faßt mich oft so
gewaltig — ich laufe nach Hause —
lasse
74
Die Hagestolzen.
mein Haus -»schließen, und esse allein.
Denn
ich mich nun schlafen lege, und alle haben den leisen Tritt bey der Bedienung des stillen
Herrn — so ist Mir es, als wäre ich der todte Geheimerath Sternberg in Parade;
dann
überfallt mich es, baß ich den Leuten umher das Leben verbittre, und ich weine laut, daß niemand mich lieben kann.
Setz» »ich.
So ist
es! Aber warum ist es so? Still, still, daß
ich meine Jugend, meine Freuden,
meine
Freunde und die Bücher unsrer Zeiten nicht
fürchterlich verfluche. H v fr a t h.
Freund! ich begreife dich ganz.
Aber zerstreue dich; deine vielen Freunde. — Geheimerath.
Die sind alle zum Teu
fel geschickt. Hofrath.
Wieso?
Geheimerath.
Vorigen Monat sehte
mich derDoktor auf strenge Diät.
Mich nicht
zu reitzen, gab ich gar kein Essen.
Da gab es
Zweyter Aufzug. dann erst lange) Gesichter,
75
dann Spötteln,
dann lautes Schimpfen auf den Doctor, dann
Kälte gegen mich.
Nun sagte ich — sie zu
probiren — so werde es immer bleiben.
Alle
blieben weg, bis auf Wachteln. Kaum rauchte
meine Küche wieder, so kehrte der Schwarm einmüthig zurück, und — ward abgewiesen.
Jetzt sagen sie — ich sey blödsinnig.
H 0 frath.
Wohl, daß sie fort sind!
Geheimerath.
Bis auf Wachteln!
Wenn der noch kommen wollte, das würde
mir lieb seyn.
Er bleibt aber weg, weil man,
sagt er, — «nicht fröhlich mit Einem allein »essen sann.«
Hofrath.
Du armer Sternberg!
Geheimerath.
Ich bin's, arm und
erbärmlich! Gieb mir deinen Neffen.
Meine
Cousine Sternberg hat Vermögen, sonst habe
ich weder nahe, noch arme Anverwandte, dein
Bruder war mein bester Freund.
der. Junge — so beerbt er mich.
Halt sich
7§
Die Hagestolzen.
Hofrath.
Der Mensch hat wenig Ta
lente,
Geheimerath.
Desto mehr wird er mich
beschäftigen. H o f r a t h.
Zch furchte, du wirst es einst
beklagen; denn er — Heheimerath.
Ach,
könnte ich doch
über einen Sohn mich beklagen! Sieh, ich
werde fühlen, daß ich gegen einen jungen Knaden meine Laune ändern muß.
Nichts heilt
und bildet unsre Seele besser, als der öfter« Anblick der schuldlosen Aeußerungen einer jun
gen fröhlichen Seele.
H o f r a t h.
Du sollst ihn haben.
Geheim «rath.
Zch
danke
herzlich.
Gerührt.
Hvfrath.
Sternberg!
Geheimerath. Hofrath.
Reinhold!
Die schönen Zahre, die uns
nun vorüber sind!
Zweyter Aufzug. Geheimerath.
Die fürchterlichen Jah
Pause.
re, die nun kommen l
Hofrath.
77
— Ich heirathe.
Geheimerath.
O, so verschiebe es kei
nen Tag! und könntest du noch wanken, so laß dir sagen,
daß kein Frieden und keine
Freude aufErden ist, ohne die süße Beschwerde dieses Bande«.
Sieh mich an — und alle,
die mit mir die Rosenzeit verträumt haben.
Alles ruft uns zu
— »Du stehst allein!«
Alles, was lebt, jedes Blatt, das an das andre
ragt, ruft uns zu: — »Du stehst allein!«
Einsam bin ich, in der lauten Freude, und todt in der Einsamkeit! O, kann ich nur Ei nem Menschen die alberne Eigenliebe nehmm,
sein eigner Herr zu heißen^ nur Einen von der Bahn zurück reißen, die durch das Lebm,
und noch bis vor dem Grabe so elend macht —
so wollte ich vor aller Welt laut'bekennen, wie
Im, wie matt, wie lieblos ich war — und
78
Die Hagestolze«.
rote elend ich jetzt bin.
Sr flut an des Hofraths
Susen. Hofrath.
Folge mir — suche auch dir
ein Weib.
Geheimerarh kalt. Hofrath.
Zu spät!
Du bist einige vierzig —
Geheimerath.
Ein Weib ist mit mir
nicht mehr glücklich! Hofrath.
So sprichst du auch mein
Urtheil. Geheimerath achselzuckend.
Zur Hälfte!
H o fr a t h itachsiitnenr. Traurig!
Geheimerath.
Uns Beide wählt aus
Liebe keine mehr.
Hofrath geht mit Hlnderingen umher. Das ist traurig! Geheimerath. Doch bistDu leichteren Sinnes. — Za, mein Freund! heirathe, zieh hinaus auf meinen Garten. Ich will mit euch
Zwey ter Aufzug.
79
essen, unter eurem Dache sterben.
Verma
chen— will ich dir, auf Ehre —keinen Heller!
daß doch eine unbezahlte Hand mir Arzney
reiche, und daß jemand meine Augen schließe, der nicht zugleich nach meinem Geldschlüsscl
schielt, sondern die Thräne der Freundschaft auf
meine kalte Stirn herabfallen laßt.
Hofrath.
Za, 8t
Geheimerath.
Hofrath.
—Wenheirachest du?
Deine Cousine Sternberg.
Geheimerath.
Hofrath.
mein Freund!
umarmt ihn feurig.
Oweh!
Warum dar?
Geheimerath.
Da fallen ave meine
Plane weg, und ich muß zufrieden seyn, wenn du dann und wann mich besuchen, und falls
ich sterben sollte — nachfragen willst! Hofrath.
Eine
schwärmerische Grille
Freund! Sie ist über die Jugend weg — dae
8o
Die Hagestolze».
verzeiht mir das Mannsalter.
Sie ist artig,
liebt Geselligkeit; dieß verbürgt freundschaft»
liehe Gefühle und Trost im Alter. Geheimerath.
Ich habe schon zu viel
gesagt — wisse nun alles, was ich von ihr
denke. Prüfe und thue davon, was dir zu viel scheint.
Hofrath.
Zur Sache!
Geheimerath.
Sie hat keine heftige
Leidenschaft, als «ine allgemeine Herrschaft über alles, was sie umgiebt.
Diese hat sie bis jetzt
durch Reitze und Künste über alle erhalten. Wo es fehlschlug — wo überhaupt Einer ihrer
Plane, Eine ihrer leisesten Erwartungen fehl-
schsug, da wurden alle ihre sanften Zügel mit Bitterkeit übergossen, ihre Aeußerungen ge waltthätig — bis man es bemerkt, wo bann
auf einmal der sanfte alles verbindende Ton eintritt. — Diese Mischung vcn äußerster Starke und äußerster Schwäche — ist mir
zuwider.
Hof-
Zweyter Aufzug.'
gt
Hofrath schlägt die Hände zusammen. Ent, ging das mir, weil ich gern Gutes finde?
Gehekmerath.
Sie weiß auf die ein«
nehmendste Art Vertrauen zu erregen.
Sie
selbst — erwiedert es nie. Hofrath.
Weiter —
Geheimerath.
Sie hat ausschließliche,
alles herabwürdigende Begriffe von ihren Vor
zügen. Sie ist sittsam, weil sie überhaupt mehv Verehrung und Bewunderung, als Liebe bedarf.
Hofrath.
Sollte sie nicht dennoch —
ach! — sollte sie nicht eine angenehme Ge fährtin durch das Leben seyn können? Gleheimerath.
Das wohl.
Hofrath. Indem ist meine Schwester hin, für mich um sie anzuhalten. Geheimerath erschrocken. So warmem
Wort sehr zur Unzeit! Hofrath in Gedanken. Wenn ich dich vor
her gesprochen hätte! — Aber man thut ost F
D»e Hagestolzen
8-
wohl, sich der Leitung des Schicksals z« über lassen — Wie es nun kommt, so nehme ich cs
an. Geheimer al h.
Wenn nun dein neuer
Pfad dir einst rauh scheinen wird, so ist es mein Werk?
Richt doch!
Hofrath.
Geheimerath.
Der erste Gang an mei
nem Geburtstage war — eine späte Freude meines Freundes zu vergällen! Jedes freund
liche Gesicht muß ich bezahlen, und dieß ein
zige, was mir freywillig entgegen kommt, was ich recht verdienen wollte — habe ich ganz zurück gestoßen !
Reinhold! — habe ich nicht
den gutmüthigen Willen eines edlen Mädchens
einst zurück gestoßen, ihre eheliche Liebe versvottet?
Nun, wird die Freundschaft mich
auch abweisen — Es ist Vergeltung, Hofrath ihm nach.
Freund! —.
weht.
Ewig dein treuer
Wenn er so ganz Recht hätte?
Zweyter Aufzug.
83
Der letzte entscheidende Schritt für mein Leben
— wenn er nun doch voreilig gethan wäre!
Gott! — ob ich nun wünschen soll, daß mei ne Schwester nicht hin wäre, oder zufrieden seyn soll, daß sie fort ist —
Achter Auftritt. Hofrath Neinhold.
Valentin.
Valentin mit großem Aufheben und Kompli menten.
Mein lieber Herr Hofrach —
Hofrath. Valentin.
Was ist es? Mein lieber Herr Hoftach
verheirathen sich nun, wie es so verlauten will ? Hofrath. Valentin.
Will das schon verlauten? Ey — mein Herr Hofrach
schämen Sich nicht; Zeit bringt Ehre, mein Herr Hofrath, und Sie mcgen Recht haben. F -
84
Die Hagestolzen.
Nur möchte ich mich wohl nach einer andern Kondition umsehen, meine ich.
Hofrath. Valent in.
So?
Za, mein Herr Hoftath.
Hofrath sieht ihn lange an.
Valentin. Hofrath.
bey mir.
Valentin!
Mein Herr Hofrath! Siebzehn Jahre wärest dn
Ich glaubte, du liebtest mich - du
könntest nicht ohne mich seyn.
Dieser Gedan
ke hat es gemacht, daß ich m ch manchmal nach deinen Albernheiten gerichtet habe —
Valentin. Herr Hoftath.
Lieb haben?
0 ja, mein
Aber das nicht chneseyn kön
nen? Das muß reciprocis seyn, mein Herr
Hofrath, sonst gebe ich. nichts darauf.
Und
wenn Sie mich behalten wollen —
Hofrath.
Herzlich gern, weil ich an dich
gewöhnt bin — und weil ich dir schon vieles
verzichen habe — und weil ich sthon viel für dich gethan habe — bleib bey nur.
Dritter Aufzug. Valentin.
8f
Wenn Sie mich behalten
wollen, so lassen Sie das Heirathen unterweges, sonst habe ich hiermit anfgesagt; und wenn Sie mit Gewalt heirathen, haben Sie
Ihr Wort schlecht gehalten. Hofrath.
®ef>t.
Was war das? Wenn alles,
was mich umgiebt, so war? Wenn ich auf
einmal Alle, und Alles in diesem Lichte sehe; so
war ich noch schlimmer daran, als ich gefürchtet habe! Guter Gott! ich habe Europa durchrei set, kenne Paläste und Tenipcl, Gemälde und
Gemmen, Statüen und Antiken — aber keine Menschen. So viel todte und lebendige Spra
chen lehrte man mich, Baukunst und Ma thematik weiß ich trefflich — und mußte erst
vierzig Jahre alt werden, um den Werth einer Stunde zu schätzen!
Die Hagestolzen.
86
Dritter Aufzug. Sm Sternbergischen -Haase.
Erster Auftritt. Madem. Reinhold und Madem.
Sternberg. Sie haben eben ihr Gespräch geendigt. Madem. Reinhold. Nun,welcheAnt-
wort bekomme ich für meinen lieben Drüber? Madem. Sternberg Li««r. Alles, was
Sie gesagt haben, ist sehr reflectitt; gewiß
recht — ealculirt. Madem. Reinhold.
Ey, um so bes
ser ! Und wie leicht ist dmn nicht — Ja —
gesagt?
Dritter Aufzug. Madem. Sternberg lache.
g7 Viel Ver«
kindliches an den Herrn Hofrath
Madem. Reinhold.
Recht oblkglrt.
Ich habe doch - meine ich — alles berührt? daß er nicht gern genirt ist, daß —
Madem. Sternberg.
Man in seiften
Zähren nicht aus Liebe heirathrt —
Madem. Reinhold.
Und wegen der
Depensen?.
Madem. klarste.
Sternberg.
Alles
aufs
Sie haben mir über den proponirten
Ehestand ein so Helles Licht gegeben, daß ich meine — ich lebte schon zwanzig Zchre darin.
Madem. Reinhold.
Mein
Bruder
darf also austvartcn —
Madem. Sternberg.
WiejederAn-
dere.
Madem. Reinhold. Undbald? Denn, trotz daß er nicht weit von fünfzig ist, hat er
doch eine recht zärtliche Ungeduld.
88
Die Hagestolze».
Modem. Sternberg.' Das beweiset die Gesandtschaft, womit er mich beehrt. Made m. Reinhold. Gehorsamste Die nerin.
Madem. Sternberg. Nochmalsrecht verbunden. Madem. Reinhold. Ha, ha, hal — Haben's ganz und gar nicht Ursache. L-ht^ab.
Zweyter Auftritt Madem. Sternberg «««in. Ein al bernes Bild von einem alten Mädchen! Mein Herr Hofrath — wenn man Ihnen auch ein Jawort geben sollte, so muß es Ihnen doch h!her zu stehen kommen.
89
Dritter Auszug.
Dritter Auftritt. Madem. Sternberg.
Konsulent
Wachtel.
Konsulent.
Din ich doch
lange Zeit
nicht so nach einem Frauenzimmer gelaufen —
als heute!
Madem.
Sternberg.
Ich
glaube,
die zärtliche Ungeduld bemächtigt sich heut al ler alten Junggesellen.
Konsulent.
Meine Unruhe ist groß,
aber —
Madem. Sternberg.
So rächt sich
das Schicksal —
Konsulent.
Aber nicht zärtlich.
Nur
zwey Stücke sind es, worauf ich besonders
halte — Madem. Sternberg.
Schönheit und
Verstand?
Konsulent. ten.
Die Ragouts und die Bra »
Die Hagestolzen.
?o
Modem. Sternberg.
Konsulent.
Aha!
Sonst kann meine Haus
hälterin alles machen, wie sie will.
Eine Haushäl
Madem. Sternberg.
terin also?
Ich glaubte, Sie suchten eine
Frau!
Konsulent.
Ach nein!
Warum sollte
ich die Thorheit begehen? Denken Sie nur
selbst, ich kann essen, schlafen, trinken, wann ich will —>
kein Mensch widerspricht mir.
Meine Vogel dürfen schreyen so laut sie wol len.
Zch darf drey Hunde halten.
hingehen, wohin ich will.
Wer mir gefällt,
kann in mein Haus kommen.
ich wen ich. will,
Kann
Zum Essen bitte
habe leine große Wasche,
und ich kriege alles zu essen, was ich bestelle —
Kann denn ein Mensch glücklicher seyn?
Madem. Sternberg.
Undbochwick»
aus der ehrenvollen Zunft der alten Hagestol zen einer nach dem andern wankelmürhig!
Dritter Aufjug.
91
Das wäre! Sagten Sie
Konsulent.
nicht vorhin, verblümt —
Madem. Sternberg. K o n su l e n t.
Madem.
Ganz recht!
Wer ist denn der Narr?
Sternberg.
Zch bin dis
kret.
Konsulent.
So sind Sie wohl in der
Partie?
Madem.
Sternberg.
Sie
suchen
also eine Haushälterin? Zch weiß eine. Da würden Sie mich ja
Konsulent. recht verbinden.
Nun?
Madem. Sternberg.
Wirthschafclich,
achtsam, genau — Konsulent.
Desto besser! Nun?
Madem. Sternberg.
Mamsell Rein
hold! Ko n su l e n t.
Bitte gehorsamst —
Madem. Sternberg.
Konsulent.
Gesprächig —
Kann nicht dienen —
Die Hagestolzen.
9^
Madem.
Sternberg.
Also nichts?
Die Familie Reinhold hat kein Glück mit uns
beiden.
Vierter Auftritt. Hofrath Reinhold.
Vorige.
Wechselseitige Höflichkeiten. Konsulent.
Nun, Reinhold, warum
gehst du nicht mit in den Hecht? Du hast ab
sagen lasten.
Hofrath.
Ich? absagen lassen?
Konsulent. Hofrath.
Freylich!
So müßte mejne Schwester —
Konsulent.
So ein Schwcsterlein ist
arger als eine Frau!
Pause. H o fr a th.
Lieber Wachtel, laß uns «inen
Augenblick allein.
Dritter Aufzug.
93
Immerhin. —. Aber —
Konsulent.
Zhr frühstückt doch nicht etwa zusammen?
Madem. Sternberg.
Gewiß nicht.
Sehn Sie nur — er hat
Konsulent.
mich schon oft wegfchaffett müssen, wenn seins
Schwester eine feine Schüssel bringen wollte. Denn bey ihr ist so etwas — fein und klein. Hofrath.
Schwätzer!
K o n su l e n t.
Oder ist er der ehrsame alte
Hagestolz, der--------- Ich will's nicht hoffen.
Hofrath. Konsulent
Was? zu Mamsell Sternberg.
Jst's
der? Keine Antwort?— Er ist's! Reinhold? Reinhold, der b'ese Feind jagt dich parforce!
En, cy, ey! Welch Skandal! Hofrath empfindlich. Ich weiß nicht, ob ich —
Konsulent zum -Rösrath.
Und sielst es
— die — He, ist sie es? — ®»tritt zwisches
Beide Kinder — laßt's bleiben! «ehr.
94
Die Hagestolzen. Fünfter Auftritt. Hofrath Reinhold.
Mademoiselle
Sternberg. Was meinen
Madem. Sternberg. Sie — hat der Mann Recht? Hofrath.
Wer hier zu entscheiden hat
sind nur S i e.
Madem. Sternberg.
Sehr verbind
lich ! Aber, hahaha! waren Sie nicht ein Biß
chen verlegen, meinen Weg mit mir zu ge hen? Hofrath.
Mademoiselle —
Madem. Sternberg iv« »»’< Ohr. Ich gebe zum Erstaunen viel Geld aus.
Hofrath.
Darüber —
Madem. Sternberg.
Als Frau werde
ich nicht weniger ausgeben. Hofrath.
Ich hoffe, an Zufriedenheit
soll es Ihnen nicht fehlen.
95
Dritter AufjirsMadem.
Sternberg.
Zch
könnt»
auch leicht noch mehr ausgeben als-vorher. >H o fr a t h.
Wenn es durchaus —
Madem. Sternberg.
Nein, nein —
Unterdrücken Sie die Angst, die sich aufJhrer Stirne verbreitet, beruhigen Sie Sich nur; so
arg machte ich es doch nicht. Hofrath.
Ich begreife nicht —
Madem. Sternberg.
Müßte ich den»
nun, zum Exempel, Ihrer lieben Schwester Rechnung ablegen?
Alle diese Fragen — vieler
Hofrath.
Ton — Madem.
Sternberg.
Oder müßte
ich das gute alte Mädchen um Erlaubniß bit ten, wenn ich ausgehen wollte? Nein, das
müßte ich nicht? Hofrath si«h« sie lange an, dann kalt. Nein.
Madem. Sternberg naiv.- Odermüßte sie mit mir gehen?
-6
Die Hagestolze».
H v fr a t h s«nz tät.
Nein.
Ma dem. Sternberg.
Und wenn ich
mir Kleider kaufen wollte — müßte sie die
Farben wählen? Nein, nein, Mademoiselle.
Hofrath.
Madem. Sternberg.
HahahalDaS
ist doch gerade, als ob Wachtel eine HauShäl-, terin accordkrte. Hofrath.
So ist es in der That — und
ich empfehle mich. Madem. Sternberg.
Wohin, Herr
Hvstath? Hofrath.
Von da weg, wo mein rebli-
eher Wille verspottet wird. Madem.
Sternberg.
Wenigstens
sind meine Antworten nicht sonderbarer als Ihre Anfragen?
Hofrath.
Meine Anfragen?
Madem. Sternberg.
Wie vielj ich
denn so wohl monatlich brauchen wollte —
Hof-
Dritter Auszug. Hofrath.
97
Zst das gefragt?
Madem. Sternberg.
Sehr vorsich-
-tig, mein Herr.
Hofrath.
Zn dieser bestimmten, nicht
delikaten Frage ist meinem Willen eine unrich
tig« Deutung gegeben. Madem. Sternberg.
Ob ich denn
gern so in die Nacht aufbliebe?
Hofrath.
Daran habe ich nicht gedacht.
Madem. Sternberg. Zehn Uhr, zehn
Uhr sey ein Stündchen, was recht und gerecht wäre.
H o f r a t h.
Mademoiselle!
Madem. Sternberg.
Und der An
zug? — Die gesetzten Zahre träten doch ein;
»b ich denn nicht nachlassen wollte? Hofrath.
Sie kennen mich länger —
Kann ich das gefragt haben? Sieht das mir ähnlich? G
98
Die Hagestolzen.
Madem. Sternberg.
Kurz — um
nicht alle Desserungsvorschläge meines Man
dels zu wiederholen — ich glaube nicht, daß
ich
in Ihren zärtlich - ökonomischen oder —
ökonomisch - zärtlichen Plan passe. Hofrath feW tief.
minder,
Ha! Eine Hoffnung
eine Menschenkenntniß mehr! —
Ihres eignen Glücks wegen, bat ich meine Schwester, in ihren Anfragen um die Art,
w i e wir leben wollten, bestimmt zu seyn.
Cie
hat es übertrieben, und ist albern geworden. Ich sehe, wie sehr Sie auf unsere Kosten la
chen können, und weiß, daß Sie es werden. Zch fühle aber auch, daß sich meine Zuneigung
gegen das Mädchen mindert, welche mich mir
einem
heimlichen
Vergnügen
über
meine
Schwester schamroth werden sieht.
Er verbeugt sich, und will gehen. Madem. Sternberg.
Welche Leiden-
schaft ist das, die sich durch solche Vermitte
lung erklärt?
Dritter Auszug. Hofrath.
99
Zuneigung — Achtung —
und die Hoffnung, daß wir glücklich seyn wür
ben , hatte ich — Leidenschaft nicht! Madem. Sternberg.
Welches Leben
kann ich mir mit einem Manne versprechen, über den eine Schwester eine solche Herrschaft
führt? Hofrath.
Ist es eine Schwachheit, gern
beherrscht zu werden — ich bekenne mich dazu. Und gern wollte ich, ich wäre Ihnen der Mühe
werth gewesen, mich zu beherrschen. Madem. Sternberg.
AuchdieseZu-
Neigung kann nicht bescnders gewesen seyn, da
sie so plötzlich umwenden kann!
Hofrath. Ein Charakterzug, der mir miß fällt — wendet sie gewaltsam um. Madem. Sternberg h«st>g.
TinCha,
rakterzug? H o fr a t h.
Ich sehe jetzt deutlich, daß ich,
noch ehe ich kam, schon dem Kotisulent Wach-
G 2
ioo
Die Hagestolzen.
tek zum Bonmot vorgeworfen war.
derliche Verhältniß,
Das brü
darin ich mit meiner
Schwester stehe — sey es, daß es zu weit ge
trieben ist — verdient nicht den bittern Spctr, wovon mein ganzes Blut noch wallt.
Madem. Sternberg.
WasistZhnen
denn eigentlich widerfahren? Nach der Aus wahl eines halben Jahrhunderts haben Sie Sich entschlossen, und der Embarras, der diesen
gewaltigen Entschluß begleitet, soll nimmt r zu Schulden kommen!
H o fr a t h.
Daß ich ein halbes Zahrhun-
dert brauchte — mich zu entschließen, wie Sie
sagen, ist das ganz meine Schuld, oder gehört
es auf Rechnung derer, welche so oft die ehr liche Zuneigung eines Mannes mißhandeln ? —
.Ich wünsche von Herzen, daß Sie weder diese — noch alle ähnliche gutmüthige Anträge, mir
denen Sie gespielt haben, jemals vermissen mvgon.
Dritter Aufzug. zornig.
Stern berg
Madem.
ioi Mein
Herr — Hofrath.
Das halbe Jahrhundert, da
ran Sie mich mahnen, verstattet mir in die
sem Tone zu reden.
Madem. Sternberg.
Sie gehen al
so? Hofrath verbeugt sich.
Madem. Sternberg.
Wieleichtman
sich doch in Ihren Jahren zufrieden giebt! —
Außer wenn eine alte Schwester beleidigt scheint — der bringt man glänzende Opfer.
Zwar —
wer weiß, ist es die Liebe, die Sir vereinigt, oder
der Handel! Hofrath.
Handel? Was soll das? Was
ist das?
Madem.
Sternberg.
mit — mit Armuth und Elend.
Der Handel Denn das
darf ich doch auch erwähnen, daß Ihre Schwe
ster von der ganzen Armuth verflucht ist, um
102
Oie Hagestolzen.
des schändlichen Wuchers willen, womit sie auf
Pfander aurleiht! H o f r a t l).
Wucher? — Pfänder? Mei
ne Schwester! Wucher? Madem. Sternberg.
Dar wüßten
Sie nicht?
Nein—' bey Gott — nein!
Hofrath.
Madem. Sternberg.
Ihr Bedienter
ist dabey der Finanzrath.
Valentin?
Hofrath.
Madem.
Sternberg.
Das wüßten
Sie auch nicht? Hofrath.
Auf meine Ehre — nein!
Madem. Sternberg.
Ach — so be-
Laure ich, daß — Hofrath.
Dedaurcn? Gott! ichbedaure
daß ich lebe!
Madem. Sternberg. HerrHoftath —
103
Dritter Auszug. Hofrath.
Daß mein argloses Herz das
Gespött dieser Menschen war! — Ist cs aber auch gewiß? Madem.
Sternberg.
Zch kann es
nicht zurück nehmen.
Hofrath.
Soll ich mich denn heut von
allem losreißen? von den Hoffnungen für die Zukunft, und auch von den wenigen guten Mi nuten, die vorüber sind? Wo ich also zufrie
den war — ward ich getauscht! — 0, guter
Gott, so laß jemand sich meiner annchmen, daß es mich auch nech tausche, die Zeit, die ich unter diesen Menschenlarven noch zu wan>
deln habe.
N?adem. Sternberg.
Hofrath.
Reinhold —
Scheint Zhnen Rache
—
Sieg? So leben Sie heut einen vollendeten
Tag, denn Sie haben mich zu Boden geschla gen — Sie haben mich zu gar nichts gemache!
®ebt.
104
Die Hagestolze«.
Sechster Auftritt. Madem. Sternberg allein. Er dauert
mich. Aber ich konnte doch nicht — Geht er denn wirklich? Sieht aus dem Fenster.
Fort ist
ist er noch nicht — doch, da — Nein, er ist
Er wird wieder kommen.
es nicht.
Wenn
er gegangen wäre, müßte er schon aus dem
Hause seyn!
Sie kehrt zurütk.
Also noch im
Hause. — St! — ich höre gehen? Richtig.'
Er kommt.
Siebenter Auftritt. Madem.
Sternberg.
Geheimerach
Sternberg.
Geheimerath.
Ey, der tausend! daha
ben Sie was Großes gemacht, Cousine! Madem. Sternberg.
Wieso?
Dritter Aufzug.
Geheimerath.
iof
Sie haben Reinhold
nicht gewollt!
Madem. Sternberg. Nnnnichteben
bestimmt — es war — wie konnte ich — Geheimerath.
Wenigstens wird er
Sie nicht mehr incommodiren. Madem. Sternberg.
Seines Gefal
lens.
Geheimerath.
Ihnen gefällt das doch
nicht, Cousine?
Madem. Sternberg.
Sonderbar —
wahrhaftig! Geheimerath.
Denn — denn —
mit Einem Worte, man giebt die Waare billi
ger, wenn man schon viele Käufer weggehen
ließ. Madem. Sternberg.
Darauf habe
ich nichts »u antworten.
Geheimerath.
Cousine, mir hat das
Maschinenwerk niemals gefallen, was Sie
io6
Dir Hag-stolzen.
gegen die Leute gebrauchen, die Ihnen gut
Md.
Es ist klein, den einen durch den an
dern, Liebe durch Kalte zu reihen.
Glauben
Sie mir, die Männer gewöhnen sich daran, alles an euch für Grimasse zu halten; und das ist eure Schuld, Modem. Sternberg.
Sirsindjaem
förmlicher Strafprediger in der Liebe!
Geheimerath.
Em armer Büßender,
Cousine, der viel betrogen hat, und viel bewogen worden ist. Ein Mensch, der es lebendig sichlt,
daß, wenn wir nicht auf einfache Gefühle und
Grundsätze in der Liebe zurück kvmlnen, es um
den Werth des Menschengeschlechtes und um das Gluck der Staaten gechan ist.
Kein po
litisches Band halt, wo kein häusliches mehr
chcilig ist? M a d e m. S t e r n b e rg. Allerliebst! Nach dem Sie redlich das Ihre gethan haben, die
Welt;;r verderben —
Dritter Aufzug. Geheimerath.
107
Thue ich nun redlich
das Meine, laut zu sagen, daß ich cS tief be
reue! Das ist aber eine heilige Wahrheit, Cousine, Mädchen wie Sie — voll Launen
und ohne Charakter — die haben mir den Glau
ben an Weiber genommen! Madem. Sternberg.
Nun — wer
hat Ihnen diesen Glauben wiedergegeben? Geheimerath.
Moralisches Mißbeha.
gen — Leere — gute Mütter! Cousine — eS wird eine Zeit kommen — wo Sie suhlen
werden, wie ich; und wo Sie sehr an diesen sonnenhellen Tag, und die Partie mir dem guten armen Neinhold denken werden! Glau
ben Sie das.
Madem. Sternberg sicht vor sich nieder, »Md spielt an ihrer Stirne, dann:
Indeß eine
Partie Schach! Geheimerath.
Wenn ich den guten
Neinhold vergessen kann — ja. — Cousine, Cousine, wenn Sie matt werden —
io8
Die Hagestolzen.
Madem. Sternberg ihn streichelnd. So spiele ich denn künftig ja wohl besser!
Gehen.
Achter Auftritt. In Reinholds Hause. Madem. Reinhold.
Madem. Reinhold.
Valentin. Zsterdennnvch
nicht zurück? Valentin.
Nein.
Nun, nicht wahr,
er heirachct die Sternberg?
Modem. Reinhold.
Ich
habe ein
Bißchen kaltWaffer bey ihm aufgegossen, und
viel heiß Wasser bey ihr — denke ich.
Valentin.
Und ich habe ihm gedroht,
daß ich ans dem Hause ginge, weil er heira-
thete; das fuhr ihm gewaltig vor die Stirne.
Madem. Reinhold. wird schon werden.
Nun, nun, es
Ich will jetzt ein wenig
Dritter Arrfjug.
J09
«uf meinem Zimmer bleiben, daß man nicht merke, wie wir uns verabreden.
Es ist ja sein Bestes!
Valentin.
Madem. Reinhold.
Will man denn
sein Bestes?
Die Welt ist gar zu böse.
Valentin.
Madem. Reinhold.
Drum — gebe
tet! und drum eine Kirche gebaut — und drum Gehe.
ledig geblieben!
Za wohl! — Wenn ich in-
Valentin.
deß nur die Pachterstelle dem Linde aus dem
Rachen reißen konnte!
Neunter Auftritt. Valentin. Hofrath.
Valentin.
Hvfrath Reinhold.
Wer war da?
Wo, mein Herr Hofrath?
ITO
Die Hagcstoljen.
Hofrath. Hier. Valentin. Hier im Z immer? Hofrath. Za. Valentin. Wer hier war? Hofrath. Das habe ich gefragt. Valentin. Wann? Hofrath. Eben — Valentin. Ich, mein Herr Hoftath. Hofrath. Und wer mehr? B a l e n ti n. Hier bey mir? Hofrath. Za. Valentin. Die Mamsell. H o fr a t h. Wovon hat sie gesprochen?
Valentin. So, von------ Gar apart war es. Es kam heraus — wie, so — von — von der Liebe des Nächsten.
Hofrath. Zu Mamsell Sternberg?
Valentin. O ja, die haben wir recht
Dritter Aufzug. Hofrath.
Valentin. H ofrath. Valentin.
ui
Wer ist das — wir? Ey — ich, und die—die —
Meine Schwester ? Wenn Sie erlauben, mein
Herr Hofrath.
Hofrath.
Sag mir —rechnest du oft
mit meiner Schwester?
Valentin listig.
Hofrath.
Oja.
Du kannst weder lesen noch
schreiben ■— Valentin.
den Fingern.
So — sehen Sie — an
0 da bin ich so geschwind, daß
ihr die Augen übergehen. Hofrath.
Seit wann borgt sie auf
Pfander?
Valentin faltet die -äade. Mein Herr Hof rath — Hofrath.
Ich weiß alles.
Valentin $ittetn». Mein lieber HerrHef-
rath —
iir
Die Hagestolze«. Zu wie viel Prozent?
H ofrath.
Valentin.
Aa ! —Mich hat sie in der
Gottesfurcht so dazu gebracht.
Heraus! oder ich übergebe dich
Hofrath. dem Gericht.
Valentin. Zu — so — zu zehn vom
Hundert.
Höchstens fünf und —
Rufe sie her. — Nein —
Hofrath.
bleib da.
Er gebt an ihre Thiire. Schwester!
Komm zu mir, Schwester! — Du, du gehst nicht aus dem Hause, oder ich werde dich finden
lassen.
Valentin.
Wohl, wohl, mein Herr Hof
rath !
Zehnter Auftritt. Vorige.
Mademoiselle Reinhold.
Hofrath.
Valentin.
Geh, Valentin!
Za, mein lieber Herr Hof
rath. Gibt.
Ma-
Dritter Aufzug.
uz
Madem. Reinhold. Nu», wie ist es, lieber Bruder — bist du denn recht zufrieden?
Hofrath. Oja. Madem. Reinhold erstaunt. Sieh ein« mal an! Setzt sich. Nun, das ist ja recht schön! H o f r a t h lächelt. Freylich i Madem. Reinhold. Zst also aller in Richtigkeit? Hofrath. Alles! Madem. Reinhold. Auch so mit den Ausgaben? Du hast doch ein Gewisses fest, gesetzt? Hofrath wichtig. Ich habe etwas ge wiß festgesetzt! Madem. Reinhold. Haha! Das ist aber recht geschwind gegangen! Nun, eilig ge« steyt, hat niemand gereut.
Hofrath. So werde ich's machen, dar auf verlaß dich, H
H4
Die Hagestolzen. Was ich
Made n. Reinhold.
sagen
wollte — j« — denk nur, darnach muß man sich doch erkundigen —
Hofrath.
Wonach?
Madem. Reinhold.
Da sagte mir im
Herausgehen die Frau Assessori'n Kleinmann
von dem Hauvtmann Bredenfeld — Ey, den Hauptmann Bredenfeld, den mußt du gekannt
haben —
Hofrath.
Weiter l
Madem. Reinhold.
Denk nur—der
wäre bis zur Heirath mit der Mamsell Stern berg gekommen. Hofrath.
Ey!
Madem. Reinhold.
Es wären schon
Ringe gewechselt gewesen — Hofrath.
Schon Ringe?
Madem. Reinhold.
Bey dem Gold
schnitt) Faber waren sie gemacht worden; da konnte man nur nachfragen.
Dritter Aufzug. Hofrath.
ti$
Nun — und?
Madem. Reinhold.
Und? — — Ey,
lieber Bruder, das wäre — ich glaube es
nicht--------- aber das wäre so ein — und!
da könntest du noch Abstand geben müssen —
Zwar, ich glaube es nicht! Aber — Hofrath.
Ich auch nicht.
anderm, liebe Schwester.
Von was
Du hast mir so oft
wiederholte Versicherungen deiner Liebe gege
ben — Madem. Reinhold.
Viel zu wenig.
Halbe Nächte habe ich für dich gebetet. Hosrath.
Mich kaum satt essen lassen,
aus Fürsorge keinen Menschen in's Haus ge lassen, damit ich nichts ausgäbe — alles dieß
will ich gehörig verdanken.
Jetzt aber muß ich
dir bekennen, deine Sparsamkeit hat wenig ge
holfen.
Zch habe heimlich gespielt.
Madem. Reinhold.
H o f r a t h.
Gespielt?
Und sehr unglücklich gespielt.
H -
116
Die Hagestolzen.
Maden,. Reinhold setzen»,f»ia9tdie HL»fce über den Kopf.
Hofrath.
Heimliche Wohlthaten haben
mich rein ausgezogen. Madem. Reinhold seufze laue. Hofrath.
Kurz — ich kann nicht an s
Heirathen denken, wenn du mir nicht wenig stens einen Zuschuß von zweyhundert Thaler»
aus deinen Zinsen jährlich schenken willst.
Madem. Reinhold stehe auf. Ach lic, der Druder!
Hofrath.
Da du mich so innig liebst —
Du bist reich und kannst es.
Madem. Reinhold.
0 lieber Bruder,
du hast gespielt? Hofrath.
Ich bitte dich also —
Madem. Reinhold.
Unglücklich
gespielt?
Hofrath. Um des Glücks meiner übrigen Jahr« willen, bitte ich —
Dritter Aufjug.
Madem. Reinhold.
117
An Landstreicher
verschwendet •— Steh mir mit deinem Gelbe
Hofrath. bey.
Madem. Reinhold.
Wie?
Unterstütze mich.
Hofrath.
Madem. Reinhold,
Wie ist der gute
Geist von dir gewichen !
Hofrath.
Nun, liebe Schwester?
Madem. Reinhold.
Was hilft nun
meine Sorge?
Hofrath.
Verlaß mich nicht.
Modem. Reinhold. H 0 fr a t h.
Wie?
Mein Glück ruht auf d i r.
Madem. Reinhold.
Ach, es ist aller
so theuer! Brod- und Fleischpreise steigen mit
jedem Tage!
Weiß ich denn, ob ich bis an'S
Ende genug habe? Weiß ich das? H 0 f r a t h.
2«, das weiß ich ficher.
US
Die Hagestolzen.
Maden». Reinhold.
Lieber Bruder,
ich kann nichts thun — als höchstens — Ach
— aber dann entblöße ich mich.
Doch aber,
um unsrer Liebe willen — ich will dir — aber Ein- für allemal , tausend Thaler auf dein Gut
borgen, wenn die liebe Sternberg mit unter schreiben will, und die sollst du auch — ja, die
sollst du zu vier und ein halb habe» — Hofrath.
Ungeheuer!
Madem. Reinhold. Hofrath.
LieberDruder —
Die Sternberg heirathe ich
nicht. Madem. Reinhold. Hofrath.
Was?
Geld bedarf ich nicht — ich
heirathe nun nie — Madem. Reinhold. H o f r a t h.
Aber du sollst fort —
Madein. Reinhold.
Hofrath.
Herzensbruder!
Ach Gott!
Fort! Deine Nahe ladet den
Fluch des Himmels herab! Weib — Mäd-
Dritter Aufsitg.
119
chen — geschaffen um die herrlichsten Gefühle zu haben und zu geben — du dienst dem Wu cher ; deine Seele kennt keine Freude, als Gold!
Du plünderst die Armuth, heuchelst in den Kir
chen, wahrend die nackte Armuth dich verflucht. Fort! ich kenne dich nicht mehr! Valentin —
he — Valentin!
Eilfter Auftritt. Vorige.
Geheimerath Sternberg und Valentin.
H ofrath.
Aus meinem Hause, Mensch!
Geheimerath.
Ich bin dir gefolgt, ar
mer Freund, um — Hofrath
Freund? Wer hat Freunde?
Ich hatt« keine Schwester, und hab« keinen
Freund! Geheimerath.
Höre mich doch an —
120
Die Hagestolzen.
Hofräth.
Ich lasse dir meinen Neffen
nicht.
Geheimerath.
Soll ich denn gar kei
nen Frieden finden?
Hofrath.
Hilf dir, wie du kannst! Ich
will von hier fort — Madem. Reinhold.
Da sehen Sie
das nur —
Hvfrath.
Aus der Stadt weg, wo aller
Menschengehalt vergriffen ist, oder nachge
macht.
Aufs Land, zu meinem armen Pach 0 ich will ihm alle Schuld
ter will ich.
erlassen; frey soll er athmen, wie der Vogel im Walde.
Dort will ich das Land bauen, seine
Kinder erziehen, euch vergessen, und sterben. Will gthen.
Geheimerath.
Ich folge dir. — Du
hast Recht, geh dahin!
Hvfrath.
Schwester! — Wesen, da«
mich herabzog, baß ich meine Tage neben dir
Dritter Auszug. hinfchlummerte!
121
hundertmal habe ich dich
beilagt, daß das süße Wort Liebe niemals dir entgegen wallte, daß der heilige Name—Mut ter — dir nicht ward.
Zch lebte darum nur
für dich, und ich habe diese schaudervolle Lücke
deines Lebens ausgefüllt mit meinen besten
Zähren und Gefühlen.
Das war reines Gold
in den Sumpf gesenkt, denn du logst mir Liebe,
und hast die Armuth verrathm! Freund, sammle dich!
s
Geheimerath.
I
Modem. Reinhold.l
Er ist ganz
[eon sich. Hofrath.
Darum hat auch niemand sein
Herz und kommende Geschlechter diesem Wesen
anvertrauen wollen!
Die heiligsten Gefühle
sind dir todte Münze — und todte Münze nur belebt dein Herz — Da — nimm mein Gold und Verachtung!
hin, und geht.
8t wirft ihr einen vollen Beute',
irr
Die Hagestolzen.
Vierter Aufzug. Freyer Platz am Ende eines Dorfes.
Einbaus, dane
ben ein Gärtchen, bornher em runder steinerner Tisch, in der Ferne buschiges Felsenwerk,
durch dessen
Mitte der freye Anblick auf ein Gewässer.
Erster Auftritt. Therese.
Bärbchen.
Hernach Paul.
T h e r e se tw sich überall um. Ihr Kinder —
he! Paul, Bärbchen! wo steckt ihr? Bärbchen mitten durch den Gartenzaun.
Such
mich, Mutter, such mich. Therese.
Wo ist mein Bärbchen? —
O — wo mein Mädchen ist! Bärbchen versteckt. Bärbchen ist fort.
Theres«.
Das arme Kind!
Bärbchen reicht ihre Hand heraus.
wer ist das?
Mutter,
Vierter Aufzug.
123
Die Hand gehört einem kleinen
Therese.
Schelme, der mir davon gelaufen ist. Bär
b ch e n zertheilt den Zaun.
Da bin ich 5
Sie guckt heraus.
T h e r e se
hilft ihr vollends heraus kriechen.
Du
kleiner Narr! Paul,
der den Hügel herabliuft.
Mutter,
Mutter, ich weiß, wo mein Hammel ist!
Therese.
So?
Paul springt herum.
Ich
weiß, wo mein
Hammel ist — ich weiß, wo mein Hammel ist!
Therese.
Der ist leider fort.
B ä r b ch e n.
Der arme Stutzkvpf ist fort
— jawohl.
Paul. sagt nur so.
Glaub' es nicht.
Die Mutter
Ich gehe da eben, und will se
hen , ob der Vater noch nicht aus der Stadl
kommt; da höre ich im Dorfe etwas schreyen,
wie der Hammel;
das Herz schlug mir —
124
Die Hagestolzen.
ich sah noch einmal ans den Weg hin, da war
aber nichts zu sehen, a!S eine Kutsche. Therese.
Paul.
Und der Vater?
Den sah ich immer nicht.
Nun
rief es recht kläglich — Ich rannte in einem fort, bis an Heinrich Schmidts Hof, da kam
das Blöken her.
Ich rief, und lockte, und lief
rund um das Haus herum, und weinte hell aus.
Auf einmal — streckt der Hammel sein Maul durch's Thor —
Bärb ch e n.
Ach bring ihn doch her —
Komm, Mutter, den Hammel holen.
Therese traurig.
Paul.
Lieben Kinder.
Za, Mutter, er ist's gewiß und
wahrhaftig, mit der krausen Wolle und den
zwey schwarzen Flecken am Maule.
Als ich
Hänschen rief — da hattet ihr ihn Horen sol len ! die Thüre wollte er eknrennen.
Ich hatte
noch Brod, das gab ich ihm, er leckte meine Hand — Da kam der alte Schmidt heraus.
12$
Vierter Aufzug-
und sagte, ihr hättet den Hammel für vier
Thaler an ihn verkauft.
Za, lieben Kinder, ichs hab«
Therese. ihn verkauft. Paul.
Das ist häßlich.
Zhr habt gesagt,
er wäre gestohlen! Hört mich an.
Therese.
Das Haus,
die Wiesen und Felder, der Garten — altes Las gchört unS nicht eigen; es gehört einem
Herrn in der Stadt, dem müssen wir Miethe davon geben,
viele Miethe.
Dieß Jahr
können wir nur die Hälfte zusammen bringen, und die hat nun heute der Vater nach der Stadt
gebracht.
Wenn aber der Herr doch auf ein
mal alles habe» will, so werden wir fortgejagt.
Paul.
Ach, und wir haben schon so lange
nicht warm gegessen, weil der Vater sagt, er müßte so sparen!
Therese.
Das reicht doch nicht zu.
Wir
haben auch das schöne Stück Tuch schon ver-
n6
Die Hagestolze«.
kauft- woran die Muhme Margrethe den vo rigen Winter gesponnen hat. Därbchen. Ich habe es auf der Bleiche so schön begossen.
Therese. Und da haben wir denn euern Hammel auch verkaufen müssen!
Bärbchen »«int. 0 mein liebes Stutz köpfchen ' Paul. Wie ich vom Hause wegging, schrie er noch recht kläglich. Mutter — der Hammel betrübt sich, weil er weiß, daß er ge schlachtet wird. Therese. Das weiß er nicht, Kind. Paul. Warum denn nicht?
Therese. Weil — weil — Paul. Ich will Schmidt bitten, baß er den Hammel leben läßt.
T h er ese. Ehrlicher Junge! Härbchen. Ich auch.
Vierter Auszug. Paul:
127
Za, Mutter — und dann bringe
ich ihm alle Nachmittage um vier Uhr — von meinem Brode. — Oder mußt du nun unser Brod auch verkaufen — Mutter?
Therese.
Nein, Kinder, lieber wollte ich
selbst nicht essen.
Paul.
Nun so komm, Bärbchen, wir
wollen den Hans besuchen.
Bärbchen.
Stuhköpfchen sehen, mein
Stutzköpfchen sehen! Therese.
Svrin,t f°rk.
Ihm nach.
Die Kinder haben mir warm
gemacht mit ihren Fragen.
Zweyter Auftritt. Therese.
Margrethe.
Margrethe einen Wafferkrug ütf Arm, eine
Sichel mit Kornblumen. in der ssand. Sft der Schwa ger noch nicht heim?
ng
Die Hagestolzen.
Therese stufet. Immer noch nicht. Margrethe.
Therese.
Wird schon kommen.
Wir essen nicht, bis er da ist.
M a r g r e t h e.
Da — ganz hinten Hab
ich etwas ganz langsam kommen sehen, aber er ist es nicht. T h e r e se.
Wenn es ihm nur bey dem Hof.
rath gut gegangen ist! — Es fällt uns doch
recht hart; ich habe einen schweren Stand, liebe Schwester. Margrethe. Du kannst doch nicht mehr thun, und ich auch nicht — Nun — das Heu
ist alle in Haufen gebracht.
Nun haben wir
morgen noch die große Wiese.
Ich habe recht
gearbeitet, Schwester!
Therese.
Lohne dirs Gottl
Margrethe. Aber da — seht, auch der
ganze Wasserkrug ist leer, und Drod hattepch nicht genug. The.
Vierter Aufzug. Thekese. bringen.
129
Auf den Abend sollst du cs ein
Eine gute Milch, und, wenn Fritz
gute Nachricht bringt — auch Butter.
Be
sorge du indeß den Tisch — ich will sehen, was die Kleine macht.
Margret he.
Geht ins -Haus.
In die Stadt möchte ich
auch schon einmal. Sie machte schon zuvor sich einen Strauß, und steckt ihn vor.
Wenn der Schwager
wieder hingeht, muß er mich mitnehmen. Geht ins Haus.
Dritter Auftritt. Hoftath Reinhold, in
Ueberrock und rundem Hut.
So müßte es das Haus dort seyn?
So
viel ich mich von meiner Kindheit erinnere —
ja.
Schande genug, daß ich so lange nicht
da war!
Himmel! wie ist das Haus verfal«
2
izo
Die Hagestolzen.
len! Zlus einer solchen Hütte sollen zwoyhundert und vierzig Thaler in meine Tasche kommen?
Die Leute müssen stehlen oder hungern.
Wir
wollen sehen! — Wenn der Mann noch nicht
da wäre? die Weiber kennen mich nicht: so könnte ich unbekannt mehr erfahren.
Vierter Auftritt. Hofrath
Reinhold.
Margrethe
mit
einem Tischtuck, irdenen Tellern, hölzernen Löffeln, stellt es auf den Tisch.
Hofrath.
Euren Abend,
liebes Mäd
chen. Margrethe. Hofrath.
Wie heißt der Orr hier?
Margrethe. Hofrath. irrt.
Grüße Ihn Gott, Herr.
Fatlendal schreibt er sich.
Sv? Dann habe ich mich oer*
Vierter Aufzug. Margrethe.
izr
Komm Er, ich will Ihn
wieder zurecht führen! Hofrath.
Ich glaube, der
Nicht doch.
Ort ist artig. Za, es wohnen viel guter
Margrethe.
Leute Kinder darin. H o fr a t h.
Zch glaube das, und will hier
über Nacht bleiben.
Ist das — ein Wirths
haus?
Margrethe.
Nein, Herr.
Hier wohnt
der Fritz Linde. ES ist nur Ein Wirth im Orte,
der schenktBier. Hofrath.
Kann ich Fritz Linde sprechen ?
Margrethe. Seufzt. Er
Za, wenn er wieder kommt.
ist in der Stadt.
Hvfrath.
Zst Sie seine Frau?
Margrethe.
Hofrath.
Frauen Schwester—Herr.
Sie ist ledig?
Margrethe.
Ey ja freylich!
Z -
rzL
Die
Hofrath.
Hagestolzen.
Sollte ich hier nicht wohnen
können diese Nacht?
Nur für diese Nachr,
meine ich.
Margrethe.
Ey—warum das nicht?
Wir haben noch schönes Stroh som vorigen
Jahre, und eine Kammer, wo nichts wie Boh nen und Linsen liegen — da kann Er auch
liegen.
H o fra rh.
Das nehme ich an.
Margrethe. Hofrath.
Weiß Er was?
Nun?
Margrethe.
Ich will's doch erst der
Schwester sagen.
Therese — he, Therese,
komm da heraus!
Vierter Aufzug.
izz
Fünfter Auftritt. Vorigr. Therese.
Therese.
Nun, iw soll es?
Margrethe.
Sich, Schwester, der Herr
hat sich verirrt, und möchte — Hofrath.
Um ein Nachtlager bitten —
Der Ort gefällt mir.
Ach Lin ein eyrlicher
Mann, und mochte gern bey guten Leuten über Nacht bleiben. T h e r e se.
Hofrath. Therese.
Za Herr, das kann angehcn. Aber ich habe Hunger — Esse Er mit »ns, aber Er muss
warten, bis mein Mann kommt. Hofrath.
Therese.
Von Herzen gern. Ich will noch eine Schüssel
Milch holen.
Hofrath.
niern Mann?
Frau — wartet ihr gern auf
134
Die Hagestolzen. Das will ich glauben.
Margrethe.
Therese.
Es ist Ein Hinundhertragen,
und besser schmeckt es, wenn er dabey ist. Hofrath rerstreut. Warum?
T h e r e se Mein». Weil er das Brod ver dient, muß er es auch anschneiden.
H o f r a t h.
Arbeitet ihr nicht guch? Aber er ist die
Therese. Za freylich. Hauptsache.
Gehr.
Sechster Auftritt» Hofrath Reinhold.
Margrethe.
Margrethe.
Er hak'also Fallendal gar
noch nicht gesehen?
Hofrath.
Nein, Kind.
Margrethe,
Es ist ein-«terOrt.
Vierter Aufzug. Hofrath.
135
Und gute Leute.
Margrethe.
Warum nicht?
Und
eine Frucht wächst hier — viel hoher als ich.
Wenn ich in der Frucht stehe, so sehe ich nichts
wehr, als den Lahn auf unserm Kirchthurme.
H 0 fr a t h.
Sonst nichts?
Margrethe.
Gewiß und wahrhaftig.
Dann muß noch die Sonne darauf scheinen, sonst sehe ich den nicht.
Hofrath.
Zeige mir morgen das Feld.
Margrethe.
Er darf nur hingehen, wo
Frucht sieht. Hofrath.
Du willst nicht mit?
Margrethe.
Ich versäume gar viel an
der Arbeit. H 0 f r a t h.
Du trauest mir nicht?
Margrethe. Hofrath.
Doch, ja.
Hat dein Schwager Kinder
iz6
Dir Hagestolzen.
Margrethe.
Drey. Zwey Mädchen und
einen Zungen.
Hofrath.
Wo sind die?
Margrethe.
Eines ist ganz klein.
Die
zwey großen sind dem Vater entgegen gelau fen.
Hofrath.
Ach!
Margrethe.
Hvfrath.
Warum seufzt Er?
Daß — weil — Aber die
Kinder! konnte denen nichts zustoßen? Margrethe.
Hahaha!
Wenn sie nicht
Acht geben; sonst nicht.
H ofrath.
Es wird dunkel —
Margrethe.
Wenn sie fallen, stehen sie
wieder auf. H o f r a t h.
Sie konnten sich verirren.
Margrethe.
Wer sie findet, bringt sie
uns wieder. H o fr at h.
Weißt du das so gewiß?
Vierter- Aufzug. Margrethe.
137
Ey, wir würden es ja auch
so machen! Aber, Herr, wenn Er doch so für
unsre Kinder sorgt — Er ist wohl weit weg
zu Hause — was werden Seine Leute sagen,
wenn Er nicht nach Hause kommt ? Hofrath.
Ich habe keine Leute.
Margrethe. H 0 fr a t h.
Ey!
Nein, mein Kind, nach mir
fragt niemand.
Margrethe. Hofrath.
Hat Er keine Frau?
Ich war niemals verheirat
thet. Margrethe.
Da mag Ihm wohl Zeit
und Weile lang werden. Hofrath.
Za, mein Kind. — Was hast
du da für Blumen?
Margrethe.
Feldblumen, Herr.
Es
war so heiß den Mittag — und sie riechen so frisch-
138
Dir Hag «stolze».
Hofrath.
Nun wirst du sie wohl deinem
Liebhaber geben? M a r g r e t h e. Hofrath.
Wer ist der Liebhaber?
Nun denn — deinem Schatz.
Margrethe.
Ach ja so — Nein, ich
habe keinen Schatz.
Hofrath.
Gewiß nicht?
Margrethe.
Zch habe j» Nein gesagt.
— Sehe Er nur, ich habe nichts, und darum wird eS wohl lange hergehen, bis einer bey
Mir nachftagt.
Aber ich kriege doch einen gu
ten Mann; gewiß, gewiß! Hofrath.
Äst das so gewiß?
M a r g r e t h e.
Zg, meine selige Mutter
hat mir es versprochen. Hofrath.
Hat sie das?
Margvethe.
Wie sie starb.
»Seyd
,-fromm und fleißig/- sagte sie, als sie verschied,
»und ich will bey Gott bitten, daß es euch
Vierter Aufzug»gut geht.« troffen.
139
Und seh' Er, es hat alles einge
Der Therese hatte die Mutter schon
rother einen Mann ausgebeten.
Ich bin
auch brav, und die Mutter wird es schon ma
chen! Hofrath.
Mein liebes Kiffd, ich habe
eine Bitte an dich. Nun, warum sagt Er sie
M argrethe.
nicht gleich? Hofrath.
Sey so gut, schenke mir die
Halste von deinen Blumen. Da hat Er sie alle.
Margrethe.
Hofrath.
Wenn du sie aber jemand
anders gern hattest geben wollen — Margrethe.
So hatte Er sie nicht ge
kriegt. Hofrath.
Ich danke dir.
Margrethe-
Er soff morgen noch einen
ganzen Korb voll haben.
14-0
Die Hagestolze».
Diese sind mir die liebsten.
Hofrath.
Margret he.
Nehme Er den Korb nur
mit. Wir machen's so, wir gießen heiß Wasser
darüber,
und trjnken es, wenn wir krank
sind.
Hofrath
lächele.
Gebraucht
ihr sonst
nichts?
M a r g r e t h e sehr ernst.
O ja. Wir haben
auch Hollunder.
Hofrath.
Zhr styd wohl selten krank —
Margrethe.
Wir haben nicht viel Zeit
dazu.
Hofrath.
Um so besser.
Margrethe.
Wenn
einmal so etwas
kommt, bauert es nicht lange.
Bey uns jun
gen Leuten gar nicht. Die Alten sterben gern.
Wir beten ihnen vor, und so schlafen sie ein.
Hofrath.
So möchte ich hier einschlafen.
Margrethe.
Thue Erdas.
Vierter Auszug. Hofrath.
Und nicht mehr erwachen.
Margret he.
Hofrath.
14t
Das wäre zu früh.
Ach nein.
Margrethe.
Er kann ja noch arbeiten,
und Er wird ja auch wohl jemand haben, der es nicht gern sähe? Hofrath.
Nein, mein Kind.
Ich habe
niemand, der es nicht gern sahe.
Margrethe.
Niemand ? Armer Mann!
— Ey — ich hätte es doch schon nicht gern! — Warte Er jetzt; ich muß sehen, ob ich nicht der
Schwester was helfen kann. Seh» 06.
Siebenter Auftritt. Hofralh allein. Großer, guter Schrpfer der Natur! Wie
ist mir? Deine reichen Quellen strömen zu un-
Die Hagestolzen,
14*
fern Füßen hin, von einem Jahrtausend in das andre, und wir Elenden — Siechen, Ver
blendeten — klagen über Durst! — Ach — Welche Wehmuth und welche Ruhe strimt in mir aus und wieder ein! Was ist das, was ich fühle? Guter Gott, ich habe es noch nie
empfunden!
Achter Auftritt. Hofrath.
Therese.
Hernach Linde
von außen. T h e r e se.
Laß Er Sich die Z-it nicht lange
werden, mein Mann muß nun bald kommen.
Hofrath.
frieden.
Von ganzer Seele bin ich zu
Wo ist Ihre Schwester?
Th er esc.
Bey der Wiege; die Kleine ist
unruhig, und die schweigt nicht eher, bis sie
Vierter Aufzug.
143
komnit, weil sie sich immer mit ihr zu schafft»
macht. Hofrath.
Sie scheint ein gutes Mäd
chen zu seyn. Therese.
Gewiß.
Zch sage nicht zu
viel — sie ist das bravste Mädchen im Orte.
Es wird ihr auch noch gut gehen. Hofrath.
Ihr seyd wohl arm, ihr guten
Leute? T h e r e se.
Uebrig bleibt nichts.
Aber wir
sind noch keinen Abend ohne Esten schlafen ge.
gangen.
Freylich der Pacht ist schwer, und
von diesem Jahre müssen wir sechzig Thaler
schuldig bleiben — Hofrath.
Wie wollt ihr die gewinnen?
es ist unmöglich!
Therese.
D ja.
Die Schwester und ich
wir wollen jeden Abend drey Stunden länger
spinnen.
Mein Mann will auch Nachts noch
fischen, und der Aelteste muß in die Stadt
144
Die Hagestolzen.
«nb verkaufen.
Nun kann eins zu Haufe bleit
ben, und arbeiten. nicht seyn.
Das konnte vorher auch
So bringen wir es heraus.
Hofrath.
Dabey muß eure Gesundheit
zu Grunde gehen. Therese.
Gott wird schon ein Einsehen
haben, er weiß- baß wir es nicht anders kön
nen. Hofrath.
Wenn es aber
doch wäre,
und ihr brächtet dann den Pacht nicht zusam men?
Therese.
Ach! — Za — so werden
wir aus dem Pacht gewiesen. H o fr a t h. Therese.
Was dann anfangen? Dannmußten wie in Tagelvhn
gehen, und so lange nichts Warmes essen,
bis wir so viel erspart hätten, daß ich eine Kuh
kaufen könnte, davon träge ich die Milch in
die Stadt; endlich käme doch so viel heraus zu einem kleinen Stück Feld.
Unterdcß wüchse
die
Vierter Aufzug.
145
dieDärbe heran, dann trüge sie das Gemüse
und ich die Milch in die Stadt. Das ist doch ein mühsames Le
H 0 frath.
ben; und auf so eine Ungewißheit habt ihr geheirathet? Mein Mann
Therese.
und ich sind
gesund, das ist doch wohl keine Ungewiß heit?
Wenn ihr nun beide arm und
Hofrath.
krank würdet? und bliebet krank?
Therese.
Gott behüte!
das war' rin
großes Unglück.
H 0 fr a t h.
Therese.
Was finget ihr dann an? Wer wird denn aber bey dem
Bersirruch an eine ewige Krankheit denken?
Hofrath.
Es wäre denn doch aber mög
lich !
Therese.
Ey nun — die Armen und
Kranken haben ja alle einen Vater!
K
146
Di« Hagestolzen.
Hofrath hastig ihre-an» ergreif«»». Das ist
wahr — gut« Frau. Therese.
Was ist Ihm, Herr?
Hofrath.
O mir ist wahrlich wohl! und
recht wohl!
Therese.
Nun — so höre Er auch auf
pon Krankheiten und Unglück zu reden l So langeich und der Fritz mit einander verheirathet
find, haben wir nicht so viel davon gesprochen, außer wie meine selige Mutter starb. Hofrath, «m autjuweichen. Ist das schon
tanze? T h e r e fe.
uns.
Zwey Jahre. Sie wohnte bey
Siebzig Jahre war sie alt.
Es war
wunderlich, wie sie zu Ende. ging.
Abend vorher sprach sie viel mit «ns.
Den Mor
gens um vier Uhr rief sie uns, und klagte
über ihren Kopf.
Wir waren alle bey ihr.
AnfEinmal ward es ihr heiß — ganz heiß —
-Vierter Aufjug.
147
Wir weinten alle, und mein Mann sang ein Sterbelied.
Ehe es noch ganz aus war —
war sie schon hinauf. Hofrath.
Das rührt mich!
Therese.
Wir konnten eS auch lange
nicht vergessen,
bis mein Röschen geboren
wurde; da war denn die Stelle wieder besetzt.
Wie aber mein Mann mit der alten Frau umgegangen ist — das bringt Segen. Nichts
nahm er auf feinen Teller, bis sie den er sten Dissen zum Munde führte.
Und nie
mals hat er sich auf den Altvaterstuhl am
Ofen gesetzt, so lange sie noch da war.
Und
noch jetzt, wenn er seine Pfeife darauf raucht,
sagt er oft: »Thereschen, ich wollte doch, die »Alte wäre noch da!« Hofrath.
Das muß euch Segen brin
gen. Therese.
Abrr, lieberHerr, will Er mir
Die Hagestolzen.
148
Hofrath.
Meine gute Frau, ich bin —
Ma» hört von außen pfeifen, ein Lkdchen etwa. Das ist mein Mann. Ins Haus.
Therese.
Margrethe, der Fritz konimt.
Sie geht.
Margrethe tiuft ihr nach. Hofrath.
Welche Menschen! — Elenb
und roh bin ich neben ihnen!
Diese Men
schen erfüllen ihre Bestimmung redlich: Ar-
beiten, gut seyn, sich lieben, und auf die große
Vergeltung wüthig hoffen.
(Sott!
Gott! um welches Garnichts — drehen wir uns, wir so genannt gebildeten Menschen!
Wie weit sind wir vom rechten Wege! —
Kann ich meine Augen gegen
Himmel ausschlagen? sparen —
den blauen
Den Aufwand zu er
nahm ich keine Frau;
erpresse
hier zweyhnnderk und vierzig Thaler aus ih
ren heißen Händen — und darbe neben Gold säcken, da sic, keinen Pfennig in der Tasche,
unter deiner Sternendecke — reich, gut und
Vierter Aufzug. weife, sanft einschlafen
149
Ach — man sollte
nicht ferner die Menschen aus Reisen schicken!
Aufs Land sollte man sie schicken, damit sie Kunst vergessen, die sie gelernt hgben, und
Natur lernen, die sie vergessen haben! Er verbirgt sich Hinte».
Neunter Auftritt. Linde, Bärbchen auf remArme, Ther'esen
im Arme.
Paul hüpft nebenher. Margrethe
geh« Hinte« nach und schäkert mit Bärbchen.
Hofrath »erborgen. Therese.
sen ?
Also nicht vom Pacht gewie
Gott sey Dank!
Linde.
Zeit bis Weihnachten und Ostern«
Margrethe.
Schwager, da habt ihr ei
t.
Därbchen.
Paul.
Ja — zu essen.
Ihr seyd lange weggeblieben!
Därbchen hat in feinen Taschen gesucht.
Da
ist Weißbrod —
Paul hott Stühle. Linde.
Das ist für die Mutter und die
kleine Rose. Paul,
Da — seh dich dahin, Vater»
Therese setzt Milch hin, und geht ru ihm, trockn net feine Stirne. Du bist heiß geworden, Vater!
Linde. Ich wollte doch gern bey Zeiten bey euch seyn. M a r g r e t h e hat auch eine Schale Milch geholt.
Gebt mir euer» Hut, Schwager. Linde gied» ihn Paulen. Da.
Dierler Aufzug.
i; i
Gieb Acht, Kleiner — es ist
Therese.
der Sonntagshut.
Paul Hust fort. Za Mutter, ja! Bärbchen.
Vater, meine Dohnen sind
gewachsen und haben rothe Blumen.
Wenn
ich die in der Stadt verkaufe, so kann ich euch
viel Geld daraus verschaffen, nicht wahr? Ey freylich.
Linde.
Nun, Kinder, ihr
send alle da? Mich hungert. Alle.
Za, wir sind da! Sie setzen sich zu Tische.
Margrethe.
Ach, der Fremde! Wo ist
der Fremde?
Linde.
Ein Fremder?
Hofrath tritt hastig ein und setzt sich zwischen Margrethe« im» Lin»«n. Und auch kein Fremder
— wie ihr wollt!
Linde ptht auf Alle.
Hofrath?
HerrHofrath!
ifi
Die Hagestoljen.
Linde. Unser Hofrath.
Therese. Unser Gutshern? Linde. Ja doch — ja! Margrethe. Ach find Sie es? Hofrath. Ja, ihr lieben ehrlichen Leute, ich bin es.
Linde. Seyn Sie uns willkommen auf Ihrem Eigenthum — von ganzer Seele willkommen! Hast du denn nichts, Therese? Therese. Was? Linde. Nichts besseres zu essen?
T h e r e se. Nein, lieber Mann, sonst habe ich nichts. Ach, Du hättest es wahrlich bekom men, nach deinem sauern Gange. Margrethe Hust ins Haus.
Hofrath. Gott gebe mir jeden Abend ein Nachtessen so edel erworben, und Freunde, denen ich so willkommen bin, als ich es hier an dieser steinernen Tafel bey eurer Milch bin.
Vierter Aufzug.
isZ
Schlagt ein, ihr redlichen Menschen!
seyd
und bleibt meine guten Freunde.
Linde.
Nun sehen Sie doch — da wird
nicht traktirt, Therefel ist auch keine böse Wir thin. Hofrath.
Still von diesen Menschen und
diesen Zeiten!
Margrethe Schwester —
kommt wieder.
Schwester,
Sie reden heimlich.
Therese fröhlich.
Herr Hofralh — die
Schwester hat in den Nestern gesucht, und hat
noch vier Eyer gefunden.
Hofrath.
Zch danke — ich verlange
nichts mehr.
Linde.
Lassen Sie Sich es doch gefallen!
H o f r a t h gerührt.
Setzt euch — Nehmt
mich unter euch auf; nehm mich auf. Mar grethe, komm, setz dich daher, an meine Sei fe.
Habe vielen Dank! Gebt mir Milch auf
lsq.
Die Hagestolzen,
meinen Teller.
So! — Ich banke.
bas soll mir wohlschmecken! auch von euerm Brode.
Ach,
Schneidet mir
So! — Das ist
gutes Brod! redlich erworben! Linde.
Das weiß Gott!
Hofrath. Da« ist schön, da« ist schön! — Eßt doch — eßt — Linde.
Nur erst —
Er nimmt seine Mütze
ab, Paul auch.
Hofrath.
Zarecht! recht! Ein dankba
res Wort an den, der gerne Freuden giebt — o recht!
Pause.
Kinder, nun eßt — Sie «Ken.
Einen Augenblick noch.
Zhr habt um Segen
gebeten, ihr guten Menschen — ihr Men schen voll Liebe und Vertrauen.
nahe.
Er ist euch
Zch erlasse und schenke euch hiermit die
sechzig Thaler Pacht, und will sie nie haben.
L i n d e, »te Mütz, in teilen aufgehobenen Linien. Herr!
Vierter Aufzug.
15$
Hofrath. Ich will euem Pachtanschlaz untersuchen, ihr sollt ihn wohlfeiler haben.
Therese.
Gott segne Sie.'
Gott —
Kinder Paul — Bärbchen —geht — küßt
ihn — küßt ihm die Hände. Die Ainter laufe» hin. Ihr dürft wieder warm essen!
Ach lieber Herr!
Kinder. Hofrath.
Zhr guten Kinder!
Gott
segne euch alle — Nun, «r rotint, eßt — eßt doch!
Linde.
Herr — ich kann nicht. Stehe
auf. T h e r e se.
Ich auch nicht. Steht auf.
Hofrath.
Freudenchränen fallen in euer
Wahl.
Margrethe.
Wir wollen alle nicht essen.
0 Herr, wie gut ist Er!
Zch will die ganze
Nacht für Ihn beten, und weinen, und mich freuen, und aufstehen, und an Ihn denken!
Ach, es geht Ihm doch recht gut, hoffe ich?
is6
Die Hagestolzen.
Za es geht Zhm grtt, und es soll Ihm erst
Zch will dm Sonntag in
recht gut gehen.
der Kirche darum bitten. Leute — das ist der schönste
Hofrath.
Augenblick meines Lebens!
Paul.
Mutter — nun kommt auch der
Stutzkopf wieder.
Barbchen.
Za, Mutter, nun kommt
der Hammel wieder!
Therese. Paul und hinauf springend.
Zhr sollt ihn wieder haben. Bärbchen
an den Hofrath
Dank, Herr! Dan? für das
arme Stuhkopfchen! Hofrath.
Kinder! — Ich bin der Freu
de nicht gewohnt, sie macht mich matt — Laßt
mich hinein und ruhen.
Linde drückt seine Han».
Mein Wohlthä
ter! Therese.
Zchweiß nicht, was ich thue
und was ich rede.
Der Kopf geht mir um.
Vierter Aufzug. Hofrath.